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German Pages [245] Year 1980
ARGUMENT - STUDIENHEFTE SH SH
Wozu „Kapital"-Studium? 3,50
1 Holzkamp/Kofler/Wagner
SH
2
SH 3 SH 4 W.F. Haug SH 5 SH 6 Gossweiler SH
7
SH 8 SH 9 SH SH SH SH SH SH SH SH SH SH SH
10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
SH 21 Axel Hauff SH 22 BdWi/Marvin/Theißen/ Voigt/U herek SH 23 Erich Wulff SH 24 Gleiss/Heintel/Henkel/ Jaeggi/Maiers/Ohm/Roer SH 25 Reinhard Opitz SH 26 Schnädelbach/Krause SH 27 Eisenberg/Haberland SH 28 Werner Krauss SH 29 Tjaden/Griepenburg/ Kühnl/Opitz SH 30 Marcuse/Abendroth/ Gollwitzer/Stolle/ Kievenheim/Gerken SH 31 BdWi u.a. SH 32 Helmut Ridder SH 33 W.F. Haug SH 34 Erich Wulff SH 35 Abholz/Böker/Frießem/Jenss SH 36 Haug, Marcuse, u.a. SH 37 Projekt Automation und Qualifikation SH 38 D. Henkel/D. Roer SH 39 H. Gollwitzer
Was heißt bürgerliche Wissenschaft? 2,50 Philosophie, Theoriestreit, Pluralismus. 3,50 Kampagnen-Analysen (1). 5,00 Faschismus und Antikommunismus. 2,50 Faschismus-Diskussion. 4,50 Strukturveränderungen der westdeutschen Arbeiterklasse. 3,50 Der Streit um Hanns Eislers »Faustus«. 3,50 Kritik des literaturwissenschaftlichen Idealismus. 2,50 Diskussion über die Rollentheorien. 4,00 Der Arzt und das Geld. 2,50 Medizinische Experimente am Menschen. 2,50 Zur Psychoanalyse der Schule als Institution. 2,50 Bildungswesen im Spätkapitalismus. 4,50 Für eine sozialistische Frauenbewegung. 3,50 Basis und Überbau im historischen Materialismus. 4,50 Ästhetik als Abbildtheorie. 4,00 Romanistik und Antikommunismus. 3,50 Zur Theorie literarischer Produktion. 3,50 Die Einübung bürgerlicher Verkehrsformen bei Eulenspiegel. 2,50 Die Katastrophen des Karl Valentin. 4,50 Die NofU - Arbeitsweise der Rechtskräfte an der Uni. 5,00 Transkulturelle Psychiatrie. 4,50 Kritische Psychologie (I). 8,00 Der Sozialliberalismus. 5,00 Ideologie-Diskussion. 4,00 Linguistik. 3,00 Literaturgeschichte als geschichtlicher Auftrag. 4,50 Faschismus-Diskussion (II). 5,00 Studentenbewegung - und was danach? 5,00
Demokratische Hochschulreform. 4,00 Zur Ideologie der »Streitbaren Demokratie«. 4,50 Ideologie/Warenästhetik/Massenkultur. 4,00 Psychiatrie und Herrschaft. 4,00 Arbeitsmedizin. 6,00 Emanzipation der Frau. 8,00 Bildungsökonomie und Bildungsreform. 8,00 Sozialepidemiologie psychischer Störungen. 4,00 Christentum/Demokratie/Sozialismus (I). 7,00
ARGUMENT-SONDERBÄNDE (AS) Die Taschenbuch-Reihe im ARGUMENT-Verlag AS AS AS AS
40 41 42 43
AS 44 AS 45 AS 46 AS 47 AS 48 AS 49 AS AS AS AS AS
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AS 55 AS 56 AS AS AS AS
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AS 61
Projekt Ideologie-Theorie 1: Theorien über Ideologie Forum Kritische Psychologie 5, hrsg.v. Klaus Holzkamp Musik 50er Jahre, hrsg.v. Dietrich Stern Projekt Automation und Qualifikation, Bd. IV: Automationsarbeit: Empirie (Bd. 1) Eurokommunismus und marxistische Theorie der Politik Frauenformen. Alltagsgeschichten und Theorie weiblicher Sozialisation. Hrsg. v. Frigga Haug Gulliver 7: Literatur und Politik in Irland. Sean O'Casey Materialistische Kulturtheorie — Alltagskultur — Kulturarbeit. Hrsg. v. W.F. Haug und K. Maase Jahrbuch für kritische Medizin, Bd. 5: BdWi-Gesundheitstagung Forum Kritische Psychologie 6: Handlungsstrukturtheorie. Hrsg. v. Klaus Holzkamp Aktualisierung Brechts. Hrsg.v. W.F. Haug, K. Pierwoss, K. Ruoff Sozialliberalismus oder rechter Populismus? Alternative Wirtschaftspolitik 2: Probleme der Durchsetzung Jahrbuch für Kritische Medizin, Bd. 6 Materialistische Wissenschaftsgeschichte am Beispiel der Evolutionstheorie Projekt Automation und Qualifikation, Bd. V: Gewerkschaften und Automationsarbeit (Empirie Bd. 2) Alternative Umweltpolitik: Probleme, Aufgaben, Fronten in der Umweltdebatte Gulliver 8: Commonwealth und Dritte Welt Schule und Erziehung VIII: Die Wertfrage in der Erziehung Forum Kritische Psychologie 7: Therapie. Hrsg. v. Klaus Holzkamp Projekt Ideologie-Theorie 2: Faschismus und Ideologie. Materialstudien Internationale Sozialismus-Diskussion. »Die subjektiven Kräfte des Sozialismus«
Auswahl-Abo: mind. 3 Bände des laufenden Jahrgangs. Abo-Preis pro Band: 12,80 (statt 15,50), f. Stud. 11,- (statt 12,80) zzgl. 1.50 Versandkosten. GULLIVER, FORUM KRITISCHE PSYCHOLOGIE und KRITISCHE MEDIZIN Abo: jeweils 2 Bände im Jahr zu Abo-Preisen. Das Argument-BEIHEFT '79 und '80: jeweils ca. 100 Besprechungen zu den wichtigsten wissenschaftlichen Neuerscheinungen. Je 192 S., 15,50 DM, f. Stud. 12,80. Abonnenten der Zeitschrift bzw. der AS: 12,80 bzw. 11,— DM. Wir liefern aus: W.F. Haug: DER ZEITUNGSROMAN oder Der Kongreß der Ausdrucksberater, rotpunkt verlag Zürich, 176 S., 12,80 DM; f. Argument/ AS-Abonnenten: 11,— DM.
Eine Arbeitswissenschaft, die diesen Namen verdient, entsteht jetzt. Was eine Menschheitsgeschichte lang im Dunkeln des Selbstverständlichen verborgen lag, kann heute wissenschaftlich bearbeitet werden, weil es selber praktisch-wissenschaftlich wird: die alltäglich Produktion. Wie arbeiten die Produzenten in der automatisierten Produktion? Welche Gedanken und Gefühle leiten ihre praktischen Taten; wie bewältigen sie die anstehenden Aufgaben und wie verarbeiten sie die Fesseln der Produktionsverhältnisse bei der täglichen Arbeit? Welche Schwierigkeiten bringt es, solche Fragen zu erforschen? Dies alles sind grundlegende Probleme einer Arbeitswissenschaft. Einige Schritte zu ihrer Lösung werden in diesem Band gegangen.
Projektgruppe Automation und Qualifikation Band IV: Automationsarbeit: Empirische Untersuchungen Teil 1
ARGUMENT-SONDERBAND AS 43
Interdisziplinäres Projekt am Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin Projektgruppe Automation und Qualifikation: Frigga Haug (Leitung), Hannelore May, Rolf Nemitz, Christof Ohm, Nora Räthzel, Werner van Treeck, Thomas Waldhubel, Silke Wenk, Gerhard Zimmer
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Psychologisches Institut «Berlin West» / Projektgruppe Automation und Qualifikation: Projektgruppe Automation und Qualifikation: [interdisziplinäres Projekt am Psycholog. Inst, d. Freien Univ. Berlin] / [Frigga Haug (Leitung) ...].- Berlin: Argument-Verlag. NE: Haug, Frigga [Hrsg.] Bd. 4: Automationsarbeit: empir. Unters; Teil 1. -1980. (Das Argument: Argument-Sonderband.; AS 43) ISBN 3-920037-12-X ISBN 3-920037-12-X
Copyright © Argument-Verlag GmbH Berlin 1980. Alle Rechte — auch das der Übersetzung — vorbehalten. — Redaktion und Verlag: Altensteinstr. 48 a, 1000 Berlin 33, Telefon 030/8314079. — Auslieferung: Argument-Vertrieb, Tegeler Straße 6,1000 Berlin 65, Telefon: 030/4619061. — Satz: Barbara Steinhardt, Berlin. Herstellung: MovimentoDruck, Berlin. — Umschlaggestaltung: nach einem Entwurf von Sigrid von Baumgarten und Hans Förtsch. — 1.-4. Tausend: August 1980
Errata zu Argument-Sonderband AS 43 Seite 4 im Abbildungsverzeichnis bei Abbildung 6 lies: 73 Meßwartenarbeitsplätze; Abbildung 12: entfällt Seite 5, Abbildung 13 lies: Qualifikation bei Konfliktlosigkeii Seite 6, Teil IV, Viertes Kapitel lies: Der gesellschaftliche Schein von Unternehmerstrategien Seite 36, Zeile 11 lies: Ebenso wie die fesselnden Produktionsverhältnisse für die Gleichartigkeit der von ihnen Gefesselten sorgen, verbieten sie auf der anderen Seite die Entwicklung, verhindern damit die Gleichartigkeit der von Entwicklung betroffenen Erscheinungen. Seite 91, lies: Anmerkungen zu Tabelle 2, Ergänzung zu Anmerkung 3: A = hypoth. Freisetzung bezogen auf neue Maschinen/Anlagen, die im Betrieb nur einen Teil des maschinellen Gesamtbestandes repräsentieren; A/G = hypoth. Freisetzung bezogen auf neue Maschinen/Anlagen, die den Gesamtbestand an Maschinerie darstellen; G = hypoth. Freisetzung bezogen auf globale Auskünfte über Produktions- und Produktivitätsentwicklung des Gesamtbetriebes. Seite 103, ABB. 2: leider fehlt hier die Legende: Typ I = mittleres, Typ II = rechtes und Typ III = linkes schraffiertes Feld Seite 124, Zeile 4: statt: »... genetischen Kette ...« muß es heißen: »... genetischen Reihe...« Seite 134, Zeile 6 von unten: statt»... behindert...« muß es heißen »... verhindert...« Seite 181: Versehentlich ist an die Stelle von ABB. 12 ein Teil der Legende geraten. Richtig hätte das Verhältnis von Angstkonflikten, Qualifikation vor Ort, beim Aufbau und theoretischem Anlernen veranschaulicht werden sollen. Seite 181, ABB. 13 lies: Qualifikation bei Konfliktlosigkeit Seite 192, Zeile 9 lies: Abbildung 15 ...
ARGUMENT SONDERBAND AS 43 ©
I 3
Inhalt Vorwort....
8
Prolog: Gang durch eine automatische Fabrik. Übersicht 1: Das Sample
14
Teil I: Überlegungen zu einer inhaltlichen Methode
19
- Erstes Kapitel: Theorie und Empirie 1. Das Standpunktproblem. 2. Das Hypothesenproblem 3. Das Statistikproblem 4. Das Theorieproblem — Eigenes Verfahren 5. Das Prognoseproblem.
9
19 19 21 24 28 38
Zweites Kapitel: Erhebungsinstrumente
42
1. 2. 3. 4. 5.
42 46 48 51 52
Informanten Beobachtung Interview Gruppendiskussion Dokumentenanalyse
Drittel Kapitel: Auswertung 1. Illustratives Denken 2. Indikatordenken 3. Progressive Problemverschiebung. 4. Tabellenkonstruktion.. 5. Anforderungsstruktur 6. Ansatzdenken 7. Neues Denken ermöglichen
54 54 55 55 56 58 59 60
Obersicht 2: Entwicklung der Methoden in Untersuchungen zur Automationsarbeit.
63
Teil II: Neue Produktionsstrukturen Erstes Kapitel: Berufe 1. Neue Berufsnamen 2. Aufgehobene Tätigkeiten
77 77 77 83
Zweites Kapitel: Arbeitsplätze 1. Der Arbeiter rückt auf strategischen Posten. 2. Verantwortung für fremdes Eigentum 3. Verallgemeinerung der Arbeitsvorbereitung
87 87 92 96
ARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
4 Drittes Kapitel: Innovationen
100
1. Neuerung als Alltag 2. Unternehmermotive beim Automatisieren 3. Automatisierungshemmnisse
. ' 100 104 111
Viertes Kapitel: Produktivkraft Automation 1. 2. 3. 4.
118
Logisierüng Mathematisierung Störungsregulierung... Experimentieren
118 125 128 133
Fünftes Kapitel: Anforderungsstruktur
135
Teil III: Vergesellschaftung der Privaten
143
Erstes Kapitel: Aneignung: 1. 2. 3. 4.
143
Vorzüge praktischen Denkens Von-Hand-Fahren Rundgänge durch die Produktion Spielen mit der Anlage
143 147 169 177
Zweites Kapitel: Kollektivität 1. Kooperation der Vereinzelten 2. Kampf um die Teilung der Arbeit 3. Begegnungen 4. Einsame Zusammenarbeit.... 5. Aufgabe der Untergebenen
186 186 202 211 216 226
1
Literaturverzeichnis
234
Sachregister
238
Abbildungs-Verzeichnis 1 Werte der Maschinen/Anlagen 2 Innovationszeiten Verfahrenstechnik 3 Innovationszeiten Fertigungstechnik 4 Hardware- und Software-Kostenentwicklung 5 Fehlerbeseitigungskosten 6 Ausbildung an 55 Meßwartenarbeitsplätzen. 7 Gliederung des Bildungssystems 8 Einarbeitungszeit im Verhältnis zur Bildungsbiographie. 9 Ausbildung von NC-Maschinenarbeitern. 10 Funktionale Besetzung der 29 Meßwarten/Anlagen 11 Qualifikation und Konflikte an Meßwartenarbeitsplätzen 12 Qualifikation und Angst. ARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
93 103 103 142 144 154 156 161 167 173 180 181
5 13 Qualifikation ohne Angst 14 Angst und kompetenzüberschreitendes Eingreifen 15 Systematische praktisch-theoretische Ausbildung, Angst und kompetenzüberschreitendes Eingreifen 16 Häufungen kooperativer Aufgabenstellungen 17 Häufungen hierarchischer und nicht-hierarchischer kooperativer Aufgabenstellungen. 18 Häufungen der kooperativen Aufgabenstellungen nach Produktivkraftarten 19 Ausbildung und Kooperationsformen an 52 NC-Maschinenplätzen 20 Widerstand, Programmiererherkunft und Kooperationsformen 21 Kooperative Aufgabenstellungen nach Sozialformen 22 Häufungen kooperativer Aufgabenstellungen an einsamen Arbeitsplätzen im Vergleich zur Gesamthäufung 23 Häufung kooperativer Aufgabenstellungen nach zentralen und peripheren Bereichen 24 Umfang der Kooperation an 42 einsamen Arbeitsplätzen. 25 Grad der arbeitsteiligen Abhängigkeit 26 Häufung kooperativer Tätigkeiten nach zentralen und peripheren Arbeitsplätzen geordnet 27 Arten der Vergesellschaftungsform »Einsamkeit« 28 Häufung kooperativer Aufgabenstellungen und Tätigkeiten an kollektiven Arbeitsplätzen 29 Differenz zwischen Aufgabenstellungen und tatsächlicher Kooperation in Prozent der Aufgabenstellungen
181 182 182 200 201 • 203 206 208 216 217 217 219 220 221 222 227 228
Tabellen-Verzeichnis 1 Neue Berufsnamen 2 Automatisierung und Arbeitslosigkeit 3 Kosten der Stillstände pro Stunde. 4 Gründe für Automatisierung 5 Bedingungsfeld technische Mittel 6 Bedingungsfeld Produktionsablauf 7 Bedingungsfeld individuelle und gesellschaftliche Bedürfnisse 8 Bedingungsfeld Arbeitskräfteeinsatz 9 Hemmnisse weiterer Automatisierung 10 Hemmnisse auf dem Bedingungsfeld individuelle und gesellschaftliche Bedürfnisse 11 Hemmnisse auf dem Bedingungsfeld technische Mittel 12 Hemmnisse auf dem Bedingungsfeld Arbeitskräfteeinsatz 13 Automatisierungshemmnisse und geplante Innovationen
79 90 95 105 105 107 108 110 112 113 114 115 116
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6 Inhalt von Band V (AS 55) Automationsarbeit, Empirische Untersuchungen, Teil 2 Teil III: Vergesellschaftung der Privaten Drittes Kapitel: Verwissenschaftlichung 1. Kommunikation 2. Störungswahrnehmung 3. Die Qualität der Zeit Viertes Kapitel: Gesellschaftliche Individualität 1. Tugenden der Facharbeiter 2. Nachdenken über den Gebrauch der Dinge 3. Kooperationslernen
Teil IV: Private Vergesellschaftung Erstes Kapitel: Das Gebrauchswertproblem 1. Integration durch Vergesellschaftung 2. Gebrauchswert und Profit 3. Produzentenstolz und Umweltschutz Zweites Kapitel: Das Planungsproblem 1. Planende Strategie brauch gesellschaftliche Kriterien 2. Kampf um die Daten 3. Krise des dualen Systems Drittes Kapitel: Das Kooperationsproblem 1. Gruppenbildung und Hierarchie 2. Neue Hierarchien Viertes Kapitel: Der gesellschaftliche Schien von Unternehmerstrategien 1. Die Brigade 2. Der Wettbewerb 3. Der Plan 4. Die Neuerer
Inhalt von Band VI(AS 67) Teil V: Arbeiterformen Erstes Kapitel: Tätigkeiten Zweites Kapitel: Lebensläufe
Teil VI: Zusammenfassung und Fragen der Gewerkschaftspolitik Mitbestimmung, Technologiepolitik, Managementpoiitik, Arbeits- und Betriebspsychologie, Humanisierung, Resttätigkeiten, Lohn, Datenschutz, Ausbildung, Gesundheit, Arbeitslosigkeit, Alternative Wirtschaftspolitik y ARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
7 Vorwort »Wenn die Weberschiffe selber webten und die Zitherschlägel von selber die Zither schlügen, dann freilich bedürfte es für die Meister nicht der Gehilfen und für die Herren nicht der Sklaven.« Aristoteles Es »bildet sich jetzt, eben jetzt, ein neuer Typus von Mensch heraus ...Er wird sich nicht durch die Maschinen verändern lassen, sondern er wird die Maschinen verändern, und wie immer er aussehen wird, vor allem wird er wie ein Mensch aussehen.« Brecht
Mit dieser Untersuchung setzen wir uns zwischen allerhand gutbesetzte Stühle, um nicht festzusitzen: auf Technikpessimismus und Technikeuphorie, auf Ökonomismus und Subjektivismus. Pessimismus und Optimismus sind bequem, das (Un-)Glück wird schon hereinbrechen. Beiden Haltungen ist die Perspektive fremd, daß die Menschen selber handeln, beide reduzieren die Menschen auf ihre Bedingungen, t)eide sind ökonomistisch. Dagegen wollen manche die Produktionsbedingungen überspringen. Das geschieht um den Preis der Ohnmacht und des Ausflippens. Wir versuchen, die neue Produktion zu begreifen als neue Handlungsmöglichkeit — die Eingreifen ermöglicht: nicht er1 setzt. Als wir vor acht Jahren begannen, die Folgen der Automatisierung zu untersuchen, waren wir nicht nur Außenseiter mit unseren Thesen; es war, unter fortschrittlichen Wissenschaftlern, auch noch die Ausnahme, sich überhaupt so eng auf die Produktion einzulassen. Damals konnte ein Bereich »Arbeit« an dem Psychologischen Institut, in dem wir zuhause sind, noch nicht durchgesetzt werden. In den vergangenen drei Jahren sind wohl ebenso viele Bücher über Arbeit erschienen wie in den drei Jahrzehnten davor. Eine Arbeitswissenschaft entsteht, die diesen Namen verdient. Wir hoffen, für sie einige Grundlagen und einige neue Fragen produziert zu haben. Die Menge des erhobenen Materials ließ sich mit der notwendigen theoretischen Durchdringung nicht in einem Band unterbringen. Diese Ausführlichkeit ist nicht zuletzt bestimmt durch bis zur Feindlichkeit ablehnende Reaktionen auf unsere ersten Thesen (siehe die Liste der Kritiken im Literaturverzeichnis S.237). Der nächste Band (AS 55) folgt in wenigen Wochen. 1981 wird der abschließende Teil erscheinen. Die Inhaltsverzeichnisse dieser folgenden Bände sind auf Seite 5 abgedruckt. ARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
8 In dem langen Arbeitsprozeß haben wir einige Mitarbeiter verloren, andere hinzugewonnen. Zuletzt ging Holm Gottschalch, der noch bei der Erhebung großer Teile des empirischen Materials mitarbeitete und den mühevollen Prozeß der theoretischen Aneignung des Gegenstands zum Teil mitgemacht hat. Wie immer, wenn sich jemand aus Arbeitszusammenhängen — zumal von so langer Dauer — herauslöst, war auch hier die Ursache nicht bloß Veränderung von Arbeitsschwerpunkten, sondern auch eine Umorientierung, die mit inhaltlichen Auseinandersetzungen einherging. Wir danken allen, die uns geholfen haben. Wir danken der Kommission für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs der Freien Universität Berlin, daß sie die Herstellung dieses Buches (wie schon zweier vorhergehender) durch Mittel für Schreib-, Zeichen- und Druckarbeiten erleichtert hat.
9
Prolog: Gang durch eine automatische Fabrik Was uns beim ersten Gang beispielsweise durch eine chemische Fabrik überwältigt, ist nicht lebendige, es ist die vergegenständlichte Arbeit. Monumental türmen Anlagen sich auf, strecken sich weithin aus, durchzogen von einem Rohrgewirr. In diesen Produktionskathedralen, in diesen Maschinenschluchten trifft man kaum auf Menschen, obwohl diese Monumente technischer Kraft nicht still dastehen zum Anschauen, sondern produzieren. Wo bleiben die menschlichen Betätiger dieser Produktion? Man stößt schließlich doch auf einen von ihnen. Er schreitet dahin, verringert manchmal sein Schrittempo, verharrt kurz bei dieser oder jener Armatur, wirft einen kurzen prüfenden Blick auf sie, geht weiter. Er macht insgesamt weder den Eindruck eines bloß beschaulich gestimmten, gemütlich-ziellos dahinschlendernden Spaziergängers, noch scheint er ganz Bestimmtes zu suchen, hat also nicht den scharf prüfenden Blick des Handwerkers, der etwa in einem Raum eine Leitung verlegen will. Sein Ziel scheint es zu sein, sich knapp umzuschauen. Gelegentlich liest er von einem der Meßinstrumente, die sich an manchen der Apparate befinden, Werte ab, schreibt sie auf ein schon mit Zahlen besätes Stück Papier, das er mit sich herumträgt. Manche dieser Produktionswanderer, deren fester Arbeitsplatz offensichtlich diese riesigen Hallen sind, tragen ein Funkgerät bei sich. Es muß da also eine Art Zentrale geben, mit der Informationen ausgetauscht werden. Der Berufsname dieses Arbeiters sagt über den Tätigkeitsinhalt fast nichts: Er wird in der Regel »Rundgänger« genannt, hie und da auch »Außenoperator«. Auf Nachfragen erfährt man, er solle darauf achten, ob irgendetwas mit der Anlage nicbt stimme, ob da irgendwo merkwürdige Geräusche, Gerüche, sonstige Phänomene maschineller Dysfunktion wahrzunehmen seien. Unklar bleibt dem Besucher, warum diese Symptome nicht irgendwie gemessen und mit der Schnelligkeit elektrischen Stroms dorthin gemeldet werden, wohin sie der »Rundgänger« auch melden würde. Ist mit diesem Herumschlendern in der Produktion die Automationsarbeit schon erfaßt? Wie lang der Marsch durch die Anlagen auch immer dauert, er führt schließlich in einen Raum, dem die Begleiter offensichtlich große Bedeutung zumessen. Gelegentlich drückt sich das darin aus, daß sie auf kurzen Aufenthalt in dieser Räumlichkeit drängen, schon eine geringe Störung der Arbeit dort scheint ihnen bedenklich. Wenn man den Raum betritt, ist der Produktionslärm nur noch als fernes Rauschen vernehmbar, der Raum selbst erinnert an ein Büro, einige Arbeiter sitzen an einer Art von Schreibtischen. Doch schon bald ARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
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Prolog
wird der Besucher hin und hergerissen zwischen dem Eindruck verwirrender Fülle und verwirrenden Nichts, wenn er sich genauer zu orientieren sucht. Sein Blick mustert eine Wand, der auch die Arbeiter beiläufig und doch aufmerksam Blicke zuwerfen. Sie ist übersät mit Meßinstrumenten, Kurvenschreibern, Schaltknöpfen, schematischen Darstellungen von Maschinen. Er ist konfrontiert mit einem Brief, verfaßt in einer ihm gänzlich fremden Sprache. Der Nutzen eines Meßinstruments, der Nutzen eines Kurvenschreibers, der Nutzen eines Schalters steht für sich genommen ja völlig außer Frage, — aber was bedeutet es, wenn man sie da so scheinbar willkürlich versammelt sieht? Man wendet sich alsbald den Menschen in der Meßwarte zu und versucht, ein Gespräch anzuknüpfen, durch Fragen herauszufinden, um was es hier eigentlich geht. Eine Gelegenheit dazu ergibt sich in der Regel leicht, weil die Meßwartenarbeiter — ganz im Gegenteil zum Bild des angeblich automationstypischen Fließbandarbeiters — entspannt, ja scheinbar sogar etwas gelangweilt an wiederum instrumentengespickten Pulten sitzen. Hin und wieder streicht ihr Blick gelassen über die Instrumente, mit einer kaum merklichen Handbewegung tippen sie auf eine winzige Taste, drehen einen Knopf, wie wir ihn vom Radioapparat kennen. Der leicht verunsicherte Erkunder der Produktion sieht nun eine Chance, zu Klarheit und Konkretion vorzustoßen, und fragt: Was tun Sie denn jetzt? Die Antwort ist freundlich, aber unverständlich und zugleich auch wieder scheinplausibel: Ich messe die Temperatur im Kessel 18. Oder: Ich habe die Reservepumpe für das Speisewasser eingeschaltet, weil die Hauptpumpe unregelmäßig arbeitet. Etc. Etc. Der Besucher hat wieder das Gefühl, nach etwas Ungreifbarem zu greifen, etwas und doch nichts in der Hand zu haben. Er entspannt ein etwas verkrampftes Gespräch, indem er Nachfragen stellt und höchst konkrete Antworten des beschriebenen Typs bekommt, die ihm indessen auch nichts nützen. Er erhält szenische Ausschnitte aus dem Alltag des Automationsarbeiters, ohne zu begreifen, in welches Drama sein Held verstrickt ist, wogegen er kämpft, welche Bewährungsproben er zu bestehen hat, welche Strategie er verfolgt, um die effizienten Maschinenriesen im Griff zu behalten. Helden sind mitunter bescheiden, die Helden der automatischen Produktion sind es übrigens zumeist. Aus vielerlei Gründen haben sie nicht gelernt, ihre Taten als historische zu begreifen und sie einem allgemeinen Publikum als solche darzustellen. Um den Erkundungsdialog zwischen Besucher und Arbeiter ergiebiger zu machen, muß die Dramaturgie der Produktionsszenen begreifbar gemacht werden. Notwendig ist es also, sich vorab ein »Bild« von den Taten der Automationsarbeiter zu machen und zu prüfen, ob den Taten eine durchgreifende Logik zukommt. Eine erste elementare Feststellung: Die Taten des AutomationsarARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
Prolog
11
beiters sind zumeist, obwohl als Einzeltaten von außen wahrnehmbar, nur verständlich als Momente einer Sequenz von Tätigkeiten. Ein Haupttätigkeitsfeld des Automationsarbeiters heißt »Kontrollieren/Überwachen«. Der Blick auf einzelne Taten in diesem Tätigkeitsfeld zeigt, daß es da immer um ein synchron und diachron organisiertes Tatenfeld geht. — Beobachten wir einen dieser »Kontrolleure/Überwacher«, wenn er zu Schichtbeginn seine Arbeit aufnimmt. Meist kommt er schon, bevor sein Kollege von der vorangehenden Schicht den Arbeitsplatz verlassen hat: Er läßt sich von ihm über den Prozeß informieren. Offensichtlich hat der Prozeß eine nicht unkomplizierte Eigendynamik, von deren aktuellem Stand er sich ein »Bild« machen muß, um überhaupt imstande zu sein zu effektiven Eingriffen. Die Kompliziertheit dieser Eigendynamik tritt darin zutage, daß offensichtlich bei ihm als Neuankommer der historische Horizont noch zu kurz ist, um ihr auf die Sprünge zu kommen, und daß auch sein Verstand und seine Instrumentenablesungen nicht ausreichen, um sich alsbald alleine ein Bild zu machen. Das Feld der Kontrolltaten ist also schichtübergreifend diachron organisiert, und ihre Organisierung ist eine kollektive Anstrengung. Verfolgen wir noch ein Stück das Überwachen/Kontrollieren in der Meßwarte einer verfahrenstechnischen Anlage, während alles ganz »normal« läuft, während also gar nichts Dramatisches wie etwa eine Störung, eine Umstellung der Anlage auf ein anderes Produkt, eine Reparatur bei laufender Maschinerie, etc. geschieht. Die Meßwarte sitzen an ihren Pulten, sprechen über dieses und jenes, lassen ihren Blick im Abstand von einer oder mehreren Minuten kurz über ein begrenztes Feld von 20 oder 30 Anzeigeinstrumenten wandern. Was ihnen da entgegenblickt, nennen sie die »Mimik« der Anlage. Sie suchen sie ab nach Abweichungen, die sie aufgrund ihres geübten Blicks sofort erkennen. Der Normallauf besteht nämlich in einem ständigen Schwanken der Prozeßwerte um die Sollwerte, aber erst wenn die Abweichungen eine gewisse Bandbreite überschreiten, greift der Meßwart wirklich ein. Die Überwachung geht in eine Kontrollaktion über: Mit einer Fingerbewegung gibt der Meßwart den Impuls zur Ingangsetzung entgegenwirkender Ursachen, er wirkt als Fernveränderer, indem er mit seinem Impuls die Operationsweise eines fernabgelegenen Teilsystems der Maschinerie verändert. Dies geschieht ganz beiläufig, scheinbar gedankenlos. Er kann sich mit dem Besucher dabei sogar unterhalten. Und doch müssen allerlei Überlegungen im Spiel sein. Da er eine Fülle von Schaltern, Tasten, etc. vor sich hat, kann er eine Fülle von Eingriffen tun. Aber er tut nur einen bestimmten, und ihn nur in bestimmter Ausprägung. Aber vielleicht ist seine Reaktion auf die Abweichung nur eine Reflexhandlung? Wenn man ihn fragt, so stellt sich herARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
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Prolog
aus, daß er die Abweichung schon längere Zeit im »Auge« hat. Er muß sich eine Theorie über sie gemacht haben: Was ist Ursache und Prognose der Abweichung? Worauf läuft sie hinaus? Wir hatten es hier mit Arbeitern zu tun, die offensichtlich damit befaßt sind, ein kompliziertes Maschinensystem daran zu hindern, sich aus dem vorgegebenen Feld der Naturbeherrschung »herauszuschwingen«, aus »legitimen«, d.h. noch produktionsfunktionalen Schwankungen in die Felder dysfunktionaler Schwankungen hineinzudriften oder auch schlagartig hineinzukippen. Der Ort dieser tendenziell unkontrollierbaren Abweichungen ist Hunderte von Metern entfernt, Abweichungen an einem Ort können sich, wie wir erfahren, »aufschaukeln«, können sich durch die ganze Anlage fortpflanzen. Das Terrain dieser Abweichungs- und Störungsjäger umfaßt Tausende von Quadratmetern, das Jagdwild, seine Unruhe, seine Bewegung ist nicht durch Fernstecher verfolgbar, nicht »vor Ort« konkret betrachtbar, seine Bewegung findet statt als Bewegung im Innern der Anlagen und Apparate und teilt sich mit in Gestalt von Signalen. Betritt man eine moderne Fabrik der Metallverarbeitung, so stößt man auf einen anderen Typus von Automationsarbeiter. Sie sind nicht Fernveränderer wie die Meßwartenarbeiter, ihre Maschinerie, etwa eine numerisch gesteuerte Drehmaschine, steht vor ihnen, kann in ihren Aktionen, z.B. beim Abschälen des Stahlspans vom Arbeitsgegenstand unmittelbar beobachtet werden. Der Besucher, die Maschinenoperation beobachtend, kann sich relativ schnell ein Bild von der Logik dieses Naturbearbeitungsprozesses machen, kann das geschwinde Eingreifen der Werkzeuge beobachten. Etwas eigentümlich erscheint ihm, daß der Führer dieser Maschine nur gelegentlich einen Blick auf die Werkzeugeingriffe wirft, ansonsten Arbeiten verrichtet, die mit diesen Eingriffen nicht in direktem Zusammenhang stehen. Der Besucher erhält die Auskunft, Aufgabe des Maschinenbedieners sei während des Werkzeugeingriffs, während der Abarbeitung des Programms »nur« die Überwachung der Maschine. Bei atypischen Phänomenen schalte er die Maschine einfach ab. Ist er also dem »Rundgänger« vergleichbar? Woher aber ist seine nur gelegentliche Beobachtung der Werkzeugeingriffe begreifbar? Woher weiß er, daß sie das Richtige in richtigen Bahnen tun, so daß das Werkstück schließlich auf ± 1/100 Millimeter genau ist? Wir erfahren: Manche dieser Maschinenüberwacher neuen Typs sind an der Erstellung des Programms beteiligt gewesen, haben es mit dem Programmierer zusammen an einem Werkstück ausgetestet und verbessert, wissen überdies, wie die Lochstreifeninformationen von der Maschinerie in seh- und hörbare Maschinenoperationen übersetzt werden. Beruht also die Ruhe, ja die Lässigkeit, mit der sie gelegentlich einen Blick auf die Werkzeugoperationen werfen, vielARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
Prolog
13
leicht darauf, daß sie ihre Arbeitsenergie strategisch entscheidend schon investiert haben in die Rekonstruktion des Programmablaufs mit dem Programmierer? Ist die angespannte Aufmerksamkeit, mit der der Maschinenführer an der vorautomatischen Drehmaschine auf die Werkzeugeingriffe starrt, womöglich Folge des Umstands, daß dieser Vorfahre des Automationsarbeiters in der Metallbearbeitung den Ablauf der Bearbeitungsschritte noch nicht »planmäßig«, d.h. nach Raum und Zeit effizient auskalkuliert vorab festlegen konnte? Wenn dies aber der Fall ist, was bedeutet eigentlich dieses gemeinsame Vorab-Festlegen zusammen mit dem Programmierer? Welches Denken gesellschaftlicher Zusammenhänge und welche Konflikte erwachsen aus dieser Zusammenarbeit? Offensichtlich kann es sich bei dem Automationsarbeiter an der numerisch gesteuerten Werkzeugmaschine nicht einfach um einen »Rundgänger« im Zwergmaßstab handeln, der im wesentlichen Abweichungssymptome registriert und weitermeldet, ohne selbst zur Intervention fähig zu sein. Denn er interveniert, wie man erfährt, nicht nur beim Entwurf des Plans, den die Maschine später abarbeitet, er führt auch »gewisse« Veränderungen des Plans durch, wenn dieser sich im Zuge fortgesetzten Produzierens als nicht realitätsangemessen genug erweist. Welche Entwicklung und welcher Konflikt aber macht sich ungewiß durch die Auskunft: »gewisse Veränderungen«? Wissen wir mehr, wenn wir erfahren: »Er tippt Korrekturwerte ein.«? Ist es vielleicht gar so, daß sowohl die Zusammenarbeit mit dem Programmierer wie auch die späteren Veränderungseingriffe in Wirklichkeit nur irrelevante Handlungen sind, bei denen der Arbeiter »zum Schein« beteiligt wird, damit er umso motivierter die Maschinerie auf mögliche Abweichungen belauscht? Müßte man hier also vom objektiven Schein der Kooperation und der strategischen Eingriffe ins Programm sprechen? Der Verdacht ist nicht aus der Luft gegriffen, gibt es doch Betriebe, in denen die Arbeiter an der Programmentwicklung unbeteiligt sind und in keiner Weise in ein laufendes Bearbeitungsprogramm eingreifen können. Ist die entscheidende Determinante eine Art Machtkampf zwischen dem Programmierer als Kopfarbeiter und dem NC-Maschinenbediener als einem Handarbeiter, wobei das Management den Programmierer mit möglichst weitgehender Macht gegenüber dem Handarbeiter ausrüsten will? Dieses Ineinander möglicher Entwicklungsschübe und Kämpfe zu begreifen, verlangt neuartige methodische Anstrengungen. Andernfalls kommt es zur vorzeitigen und resignativen Formulierung einer Art »Unschärferelation« bei der Untersuchung des sozialen Feldes; sie würde besagen, es ist durch die methodischen Instrumentarien und durch die Verfassung der Wirklichkeit unmöglich, Entwicklungsschübe und zugleich ihre Aufhebung/Zurückdämmung zu erfassen. ARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
Das Sample Übersicht 1: Untersuchte Arbeitsplätze1 Betriebe
Branche
Produktivkraftarten2
Arbeitsplätze3 Produktionsmittel automat. nichtvorautomat. automat.
2 Steuerstände 2 Einzelautomaten Maschinen
2 2
1
Kokerei
1 Meßwarte 1 Steuerstand 1 Maschine
2 1
2
Mineralölverarbeitung
2 Meßwarten
10
2
7
Chemische Industrie
4 Meßwarten 1 Steuerstand 4 Einzelautomaten Maschinen
21 1 1
3 • 16
3
Eisen- u. Stahlerzeugung
2 Meßwarten 4 Steuerstände 3 Maschinen
1
Eisen-Stahlu. Jempergießerei
1 Meßwarte 3 Steuerstände 4 Maschinen
1 3
3
Steine und Erden
3 Meßwarten 2 Steuerstände 3 Maschinen
1
Feinkeramik
1 Meßwarte
2
Papiererzeugung
5 Meßwarten 7 Steuerstände
CO CO
Land- u. Forstwirtschaft
00 00
2
5
7
Stallanlagen Melkmaschine/Kapsäge Traktoren/Vereinzeler/Förderanlage
3
Ofenanlage Druckmaschine Füllwagen
1
Raffinerien
3
28
Clorierungsanlage/Petrochemie-Anlage/Klima-Anlage Klebebandanlage Verpackungsautomaten Labor/Extraktion/RührwerkeA/erpackungsmaschinen
53
Drehofen/Energieerzeugung Transportanlage/Wälzgerüst/Zurichtung/Mittelstahlstraße Reversiergerüst/Ofen/Adjustage
14
Glühofen Verzinkung/Adjustage/Betonierung Gattieranlage/Kupolofen/Gießmaschine/Lackieranlage
16
Brennofen/Mahlanlage/Mischanlage Mischanlage/Bewehrungsautomat Sortierung/Verpackung/Säge
65
6 1
1 7 12
Mischanlage. 4
Mahl- u. Mischanlagen/Kesselhaus/Pastetenaufbereitung Papier-u. Streichmaschinen
4
Holzbe- und Verarbeitung
2 4 5 1
Meßwarten Steuerstände Einzelautomaten EDV-Anlage Maschinen
2 4 1 5
Kunststoffverarbeitung
1 Steuerstand 1 Einzelautomat Maschinen
3 2
2
Elektrotechnik
2 NC-Maschinen 1 Einzelautomat 3 Maschinen Handarbeit
CM CM
2 Meßwarten
7
Elektrizitätsversorgung
4
Maschinenbau
3
46 NC-Maschinen
46
4 EDV-Anlagen 1 Maschine
23
Büromaschinen, 3 NC-Maschinen EDV-Verarbei1 EDV-Anlage tungsgeräte u.a. 30 Maschinen
4 84
1
1
1
2
Feinmechanik, Optik, Uhren Straßenfahrzeugbau
Einzelautomaten Maschinen 1 NC-Maschine 3 Steuerstände
25
Druckanlage Extrusionsanlage Konfektionierung
3 12
Bearbeitungszentrum/Drahterodiermaschine Rundtischautomat Kunststoffvergießmasch./Rundtisch-u.Steckerfelddrehautomat. Montage Energie/Wasseraufbereitung
6 5
1 3 19 27 25
Fließband 2
6
7 36
2 6
Kesselhaus Formstrang/Pressen/Beleimung/Zerspaner Verpackung/Handhabung/Presse Fertigungssteuerung div. Bleistiftmaschinen/Schleifanlage/Beschichtungsmaschine/Säge/Trockenanlage/Kantenbeleimung/Türblatt- u. Zargenfertig.
18
Bearbeitungszentren/Bohr-, Dreh-, Fräs-, Stanz- u. Nippel-, Karussell u. Revolverdrehmaschinen Programmierungsrechner Rundtischbohrmaschine Bohr-, Erodier-, u. Fräsmaschinen Prüfcomputer Gummifertigungs-, Druckgieß-, Kunststoffspritzguß-, Typenfertigungs- und Stanzmaschinen Montage Montageautomaten (verkettet)/Kunststoffspritzgußautomaten Kunststoffspritzguß-, Schleif-, u. Drehmaschinen, Dreh-, Röhrcheneinsetz-, Montage- u. Verpackungsautomaten u.a. Bearbeitungszentrum Schweißtransferstraße/Hochregallager/Punktschweißanlage
Betriebe
1
Branche
Luft- u. Raumfahrzeugbau
Produktivkraftarten2
5 EDV-Anlagen
Arbeitsplätze3 Produktionsmittel automat. nichtvorautomat. automat. Rechenzentrum/computergestützte Konstruktion/Zeichenanlage/Programmierungsrechner/Fotosatz
26
1
Stahlbau
1 Steuerstand
1
2
Textilindustrie
1 Einzelautomat Maschinen
2
1
Bekleidungsindustrie
Verzinkung
8 7 17
Maschinen- und Handarbeit
120
Brauereien
2 Meßwarten
2
1
Zuckerindustrie
1 Meßwarte
6
10
2
4
Nahrungsund Genußmittelindustrie
4 Meßwarten 4 Steuerstände Maschinen
10 5
1 6
2
Tabakverarbeitende Industrie
5 Steuerstände Einzelautomaten
8 5
300
Handel
1 Meßwarte 1 Maschine
1
1 5
Gebietskörperschaften und Sozialversich.
3
Post
67
15 EDV-Anlagen
EDV-Anlagen 1 Steuerstand Einzelautomaten
6+664 1 4 + 224 331 X- OQCM + 3884
Gärkeller/Sudhaus
Kesselhaus/H-Milch-Anl./Filtrationu.Extraktion/Mahl-ü.Mischanl. Teilhomogenisierung/Annahme/Hochregallager/Abfüllanlage Eindampfanlage/Rührwerk/Verpackung/Raffinerie/Abfüllanlage Mühlen- u. Sonderlabor, Versuchsbäckerei Entrippstraßen/Befeuchtungs-/Schneide- u. Trocknungsanlagen Zigaretten-, Filter- u. Verpackungsautomaten
56 40 + 3004
Näh- u.a. Spezialmaschinen
Raffinierte
CO
2
Kartenschläger Ausrüstungsanlage/Webmaschinen
3
40 6
16
419
734
Kühlanlagen Reinigungs^; Sortier- u. Verpackungsmaschine Textautomaten, Rechenzentren, Opt. Belegleser, Dateneingabe über Bildschirmgeräte Rechenzentrum/Päckchenverteilung Paketverteilung Formattrenn- u. Stempelmaschine/Vor- u. Feinverteilungsanlage
Obersicht 1
17
Anmerkungen 1
2
3
4
Die Arbeitsplätze der Reparateure, die wir ebenfalls untersucht haben, sind in dieser Übersicht nicht aufgeführt; sie werden im 2. Band unserer Untersuchung besonders behandelt. Das gleiche gilt für die Einrichter an nicht-automatisierten Maschinen und Anlagen. Die Einrichter an automatischen Maschinen und Anlagen sind als Automationsarbeitsplätze erfaßt. Produktivkraftarten: Meßwarte: Überwachungs- und Kontrollorgane sowie Eingriffs- und Steuerungsorgane sind räumlich zentralisiert, getrennt von den Produktionsanlagen. Die Messung von Produktqualitäten und Korrektur bzw. Veränderung von Produktionsvariablen erfolgt in der Regel automatisch, d.h. über technisch geschlossene Regelkreise. Es können hier mehrere Entwicklungsstufen unterschieden werden: einzelne Regelkreise, verkettete oder vernetzte Regelkreise, prozeßrechnergesteuerte Regelkreise. Steuerstand: Überwachungs- und Kontrollorgane sowie Eingriffs- und Steuerungsorgane sind räumlich zentralisiert, getrennt von den Anlagen für Produktion, Transport oder Verteilung von Produkten. In den meisten Fällen handelt es sich um technisch offene Steüerungsabläufe, d.h. zwischen gemessenen Produktqualitäten und Korrekturen besteht kein automatischer Zusammenhang. Steuerungstechnisch können mehrere Entwicklungsstufen unterschieden werden: Führungssteuerung von Hand, elektrische oder elektronische Programmsteuerung nach Zeiten, Wegen oder Abläufen, Prozeßrechnersteuerung. NC-Maschine: Elektronische Programmsteuerung, mit Lochstreifen oder frei programmierbar. Einzelautomat: Elektrische oder elektronische Überwachungs- und Kontrollorgane sowie Eingriffs- und Steuerungsorgane, die in die automatische Maschine integriert sind oder in unmittelbarer Nähe der Prozesse angeordnet sind, z.B. in Schaltschränken. Der Prozeßverlauf geschieht in sieht- und greifbarer Nähe des Automationsarbeiters. Steuerungstechnisch können unterschieden werden: Führungssteuerung von Hand, Programmsteuerung nach Zeiten, Wegen und Abläufen, Prozeßrechnersteuerung. EDV-Anlagen: Darunter werden all§ automatischen Anlagen zur Be- und Verarbeitung von Informationen verstanden. Darunter folgende Maschinenarten: Rechenanlage (Zentraleinheit), Datenendgeräte (Dateneinund -ausgabe), Zusatzgeräte (z.B. Magnetspeicher), Textautomaten, Programmierungsrechner, Konstruktionsrechenanlagen, Rechenanlagen für Fertigungssteuerung, Prüfcomputer u.a.m. Maschine: Alle vorautomatischen Maschinen und Anlagen. Als Arbeitsplatz gilt der Platz in Produktion oder Verwaltung, an dem ein Arbeiter (Angestellter oder Beamter) während seiner Arbeitszeit ganz oder teilweise arbeitet. Arbeitsplätze: automat. = Arbeitsplätze der Automationsarbeiter; nicht-automat. = nicht-automatisierte Arbeitsplätze an automatischen Anlagen (alte Arbeitsplätze bzw. Arbeitstätigkeiten, die an den automatischen Anlagen beibehalten wurden); vorautom. = vorautomatische Arbeitsplätze. Hier sind älle Arbeitsplätze aufgeführt, die um die EDV-Anlage herumgruppiert sind. Die Arbeitsplätze der Datentypistinnen, Codierinnen und Locherinnen sind mit + besonders gezählt.
ARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
Übersicht 1
18 Betriebsexterne Experteninterviews 4 1 2 3 2 1 1 1 4 2 2 1
mit Ingenieuren über Landwirtschaftsautomation mit einem Ingenieur über den Steinkohlenbergbau mit einem Ingenieur über Kraftwerksautomation mit Maschinenbauingenieuren über Fertigungsautomation mit Systemanalytikern über den Prozeßrechnereinsatz in der Bierproduktion mit einem Systemanalytiker über den Prozeßrechnereinsatz in der Fertigung und über Software-Engineering mit einem Maschinenbauingenieur über computergestützte Konstruktion mit einem Bauingenieur über computergestützte Konstruktion mit Sachbearbeitern über Verwaltungsautomation mit Gewerkschaftsexperten über Folgen der Automation für die Tarifpolitik mit staatlichem Leitungspersonal über staatliche Berufsbildungsplanung mit einem Forschungsleiter über staatliche Arbeitsmarktpolitik
Erhebungen in Automatisierungsinstituten Universitätsinstitut für Werkzeugmaschinenproduktion Universitätsinstitut für Brautechnologie, Abteilung Prozeßrechnerentwicklung Universitätsinstitut für Landwirtschaftstechnik Universitätsinstitut für Schiffsbau, Abteilung computergestützte Konstruktion Staatliches Institut für Datenverarbeitung im Verwaltungsbereich Privatwirtschaftliches Unternehmen für Software-Produktion Weitere Erhebungen Begleitend zur empirischen Forschung nahmen wir kontinuierlich an Tagungen und Kongressen zu Fragen der Automatisierung und Rationalisierung vor allem in gewerkschaftlichen Zusammenhängen teil, waren auf zahlreichen wissenschaftlichen Tagungen und Kongressen vertreten und besuchten eine Reihe von Industrie- und Büromessen. In Form von Betriebspraktika wurden Intensiverhebungen in Betrieben der Mineralölverarbeitung und im Steinkohlenbergbau durchgeführt.
ARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
19
Teil I Überlegungen zu einer inhaltlichen Methode Erstes Kapitel: Theorie und Empirie 1. Das Standpunktproblem Im Kampf gegen die drohenden Entlassungen bei Rationalisierung und Automatisierung, gegen die Zerstörung bisheriger Qualifikationen, gegen die Unterlaufung alter Lohnansprüche formieren sich die Betroffenen zu einem gewerkschaftlichen Abwehrkampf, in dem jede von den Unternehmern in Gang gesetzte Veränderung argwöhnisch beobachtet wird und Möglichkeiten ihrer Verhinderung oder Abmilderung gesucht werden. Wird dieser gewerkschaftliche Standpunkt in die empirische Forschung übernommen, vermag er scharfsichtig die Gefahren in den Veränderungen aufzuspüren und Warnungen auszusprechen, die die Kampfbereitschaft der Arbeitenden auf Gefahrenpunkte lenken. Im Fall der Automationsarbeit wird oftmals das Hauptgewicht auf die neu entstehenden Belastungen gelegt, insbesondere deswegen, weil Lohnreduzierung droht. Bislang wurden körperliche Belastungen und solche durch Schadstoffe im Lohnsystem hoch bewertet, so daß bei zunehmendem Wegfall dieser Faktoren neue Belastungsarten gefunden werden müssen, solange dies Lohnsystem bestehen bleibt. Die gewerkschaftliche Praxis zwingt hier dazu, das Begreifen und Einordnen des Neuen an der Automationsarbeit mit alten Kategorien zu leisten. Welche neuen Entwicklungsmöglichkeiten in den Veränderungen durch die Automationsarbeit stecken und im Interesse der Arbeitenden nach vorne gewendet werden könnten, läßt sich so nur schwer erkennen (vgl. AS 31). In vielen Untersuchungen wird das düstere Bild stetiger Verschlechterung gemalt. Fuhrmann beispielsweise betont das Zurückdrängen am Arbeitsplatz gewonnener Erfahrungen durch die Automatisierung (Fuhrmann 1971). Feinfühligkeit, Sicherheit und Schnelligkeit zur Steuerung des Supports benötige der NC-Dreher nicht mehr, diese Fertigkeiten befänden sich jetzt im Lochstreifen. Aber ist er damit funktionslos geworden, übt er nicht neue Tätigkeiten aus, die neue Qualifikationen erfordern? Das Interesse an der Verhinderung von Qualifikationsentwertungen hindert offenbar, so zu fragen. Während allerdings das Profitprinzip weiterhin den Kampf gegen seine Menschenfeindlichkeit fordert, gerät der in einer Abwehrhaltung fixierte gewerkschaftliche Standpunkt unter den Druck praktischer Lösungsmöglichkeiten. Rationalisierungsschutzabkommen vermögen die Arbeitslosigkeit um ein oder mehrere Jahre hinauszuzögern und entlasARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
20
Teil II
sen dann die Betroffenen in eine ungewisse Zukunft. Betriebsräte stehen hilflos ganzen Branchenumwälzungen gegenüber, Arbeitslosigkeitsprobleme entstehen, die nicht einzig auf der betrieblichen Ebene gelöst werden können. In den Diskussionen um die Folgen der Technikentwicklung versuchen die Gewerkschaften eine Technologiepolitik zu entwickeln, die positiv auf die Richtung der Technikentwicklung Einfluß nehmen will. Bereits 1952 sah Lutz die Notwendigkeit, eine »neue Phase der Gewerkschaftspolitik« einzuleiten. Eine »negative Verteidigung mit gewerkschaftlichen Kampfmitteln« und die Verhinderung der »schlimmsten Auswirkungen der Rationalisierung« seien nicht mehr ausreichend, eine »positive Umgestaltung der Rationalisierungsförmen und -methoden« müsse erreicht und notfalls erzwungen werden; das Ziel sei eine »bessere, richtigere, und dies bedeutet, eine menschlichere Rationalisierung«. Die Frage ist, wie sich der bislang abwehrende gewerkschaftliche Standpunkt verändern kann, um diese Kämpfe führen zu können. Lutz schlägt, die »volkswirtschaftliche Verantwortung« der Gewerkschaften ansprechend, einen reformistischen Standpunkt vor (Lutz 1952). Wir haben an Problempunkten gesehen, daß der gewerkschaftliche Kampf nicht stehen bleiben kann bei einem oft vergeblichen Sich-Stemmen gegen »Naturereignisse«: Verteidigung des Erreichten und Erträglichermachen des Vorgefundenen sind Handlungsweisen, in denen die Arbeitenden noch von Entwicklungen beherrscht werden, da keine Eingriffsmöglichkeiten erkannt werden. Den Übergang von der Symptombehandlung zur Ursachenveränderung vollziehend, nutzt die gewerkschaftliche Praxis Eingriffsmöglichkeiten, um die Willkür des Kapitals nicht nur zu begrenzen, sondern ihm die Vorherrschaft bei der Organisierung der gesellschaftlicher! Entwicklung streitig zu machen. Dieser Kampf kann zum Ziel haben, daß die gesellschaftliche Arbeit durch die Arbeitenden selbst organisiert wird. Er setzt daher auf die Entwicklung dieser Arbeit, auf deren Produktivitätssteigerung und die darin eingeschlossenen Entwicklungsmöglichkeiten für die Arbeitenden. Eingenommen wird der Standpunkt der allgemeinen Arbeit, von dem aus die Eingriffs- und Entwicklungsmöglichkeiten aus der Form »enthüllt« werden können, in der sie durch das Kapital entwickelt werden (vgl. W.F. Haug 1972). Widerspruchsdenken, Standpunkt der allgemeinen Arbeit und ihrer Entwicklung, Analyse der Gesellschaftsformation sind Bedingungen, mit denen Wissenschaft die Eingriffspunkte herausfinden kann, die gewerkschaftliches Handeln orientieren. Nicht Wissenschaft an sich, sondern Wissenschaftsanstrengung in der Perspektive des Eingreifens ist also notwendig. Das Eingreifen ist auf die Zukunft gerichtet; wissenschaftliche Ergebnisse sind folglich je gravierender, je genauer und klarer sie Entwicklungen unter dem Aspekt aufschließen, in welche ARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
Theorie und Empirie
21
Richtung das Handein gehen muß, wenn die heranwachsenden Möglichkeiten ihrer Beherrschung genutzt werden sollen. Im Aufzeigen des Jetzigen als ein Noch-Nicht besteht die orientierende Aufgabe von Wissenschaft; sie steht damit in fruchtbarer Spannung zur aktuellen gewerkschaftlichen Praxis. Das Ausmaß der Spannung wird dadurch bestimmt, wie weit sich die Produzenten in ihrer gewerkschaftlichen Praxis von der blinden Herrschaft der Kapitalbewegungen befreien und die Möglichkeiten, real Subjekte der Arbeit zu werden, nutzen. Wissenschaftliche Ergebnisse über Handlungsmöglichkeiten müssen daher immer auch ein Moment der Kritik augenblicklicher Praxis enthalten. Diese Spannung ist nicht dadurch zu bewältigen, daß Wissenschaft das Ausmaß ihrer Eingriffsperspektive, in der sie Entwicklungen herausarbeitet, auf dasjenige beschränkt, welches die Gewerkschaften in ihrem Handeln faktisch erreichen. Sie kann produktiv nur durch Vorwärtsentwicklung der Praxis gelöst werden, wozu Wissenschaft nur die Möglichkeiten aufzeigen kann. 2. Das Hypothesenproblem Praktisches Handeln erfordert Widerspruqhsdenken. Für das Verhältnis von materialistischer Gesellschaftstheorie und empirischer Forschung bedeutet dies, daß im Blick auf praktisches Handeln bloßes Theorienbestätigen durch die Empirie unpraktisch ist. Das Verhältnis von theoretischer Hypothese und Wirklichkeit muß neu gedacht werden. »Automation führt zur Höherqualifikation«! Aus Gründen polemischer Positionsbestimmung haben wir für einen Beitrag — ursprünglich verfaßt für ein Gewerkschaftsseminar, später veröffentlicht in einer Zeitschrift für Lehrer (Demokratische Erziehung 4/1975, S.90-96) — diesen Titel gewählt. Wäre dies unsere Hypothese, die wir in den 67 Betrieben und an 719 Arbeitsplätzen zu verifizieren gedachten, so daß jetzt zunächst zur Diskussion stünde, ob unser Sample repräsentativ für dieses Unterfangen war, ob unsere Stichproben zumindest alle Merkmale aufwiesen, ob wir weiterhin zu Recht jene These vertreten könnten, die eine Annäherung an die Wahrheit — die heute weitestmögliche — darstellte? Genügte also ein Fall — oder gar mehrere — von Dequalifikation, um diese unsere »Hypothese« zu Fall zu bringen? Tatsächlich nehmen wir die Mühen empirischer Untersuchung keinesfalls auf uns, um eine Annahme als richtig zu beweisen/Umgekehrt versuchen wir theoretisches Vorwissen über gesellschaftliche Zusammenhänge für die Erkenntnis von Wirklichkeit zu nutzen; d.h., wir gehen in die Betriebe, um mehr zu erfahren, um etwas Nicht-Gewußtes kennenzulernen. Insofern handelt es sich bei unserem theoretischen Vorverständnis auch nicht um Hypothesen, die nach Verifikationsgesetzen ARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
22
Teil II
zu überprüfen wären. Wir erwarten sogar nicht einmal, daß wir unsere Annahmen nicht selber ohne weiteres falsifizieren könnten im Sinne eines einfachen Nachweises etwa von Dequalifikation an einzelnen Arbeitsplätzen. Das Forschungsinteresse, Möglichkeiten der Subjektwerdung in der sozialen Praxis aufzuspüren, verbietet ein solches Vorgehen. Auch wäre das umgekehrte Verfahren untauglich, den Zusammenhang zwischen allgemeinen Gesetzmäßigkeiten und konkreten Einzelfällen auf die Weise herzustellen, daß das theoretisch Abgeleitete zum »Wesen« erklärt und in den Phänomenen bloße, das »Wesen« verbergende »Erscheinungen« gesehen werden. Die Abdichtung der Theorie von der empirischen Wirklichkeit ist hier vollendet. Althusser _ hat dieses Konzept der Erkenntnisproduktion mit dem Vorwurf des Empirismus einer scharfen Kritik unterzogen. Die Redeweise von »Wesentlichem« und »Unwesentlichem« setze voraus, daß in dem Gegenstand selbst diese Unterscheidung enthalten ist, so daß die Erkenntnis als »Wesen« in dem Gegenstand bereit liegt und nur durch einen »Enthüllungsakt« vom »Unwesentlichen« zu trennen ist. Das Forschungsproblem, die Erkenntnis zu produzieren, ist damit immer schon gelöst; praktisch läuft die Sache darauf hinaus, zum Wesen der Empirie zu erklären, was zuvor theoretisch als Wesen bestimmt wurde. Forschung ist hier wesentlich Wiedererkennen. Dagegen handelt es sich bei unseren Vorannahmen infolgedessen nicht um Hypothesen, die eine Praxis gegenüber den Subjekten begründen sollen, sondern um eine Art Vor-Wissen, welches selber keine unmittelbare Entsprechung in der zu erforschenden Wirklichkeit hat, sondern allgemeine, aber lebensnotwendige Determinationszusammenhänge bezeichnet, denen soziale Praxis letztlich unterworfen ist. Die Besorgung des Lebensnotwendigen geschieht in dieser Gesellschaft widersprüchlich; das private Profitinteresse treibt die gesellschaftliche Arbeit voran. Dies ist Grundwissen, Wissen über bestimmende Gesetze der Entwicklung unseres Forschungsgegenstandes, das in die Betrachtung der Gegenwart Eingang finden muß, wenn der Forschungsgegenstand in seiner Selbstbewegung erfaßt werden soll. Eine Grundeinsicht ist, daß die gesellschaftlichen Produktivkräfte entwickelt werden — inwieweit diese Produktivkräfte unter der Herrschaft des Profits entwickelt nur potentiell Produktivkräfte, real aber »Destruktivkräfte« sind, steht an dieser Stelle nicht zur Diskussion (vgl. Jonas, Linsbauer und Marx 1969, S.25; AS 7, S.159ff.). Grundwissen ist aber auch, daß die gesellschaftlichen Produktivkräfte nicht einheitlich und gleichmäßig vorangetrieben werden, sondern mit naturgesetzlichem Zwang einzig die Produktions- oder Arbeitsinstrumente produktiver werden, während die gesellschaftliche Aufgabe der Entwicklung der produktiven Fähigkeiten der Hauptproduktivkraft Mensch unter der ARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
Theorie und Empirie
23
Herrschaft dieses Zwanges Profit nicht bewußt planend geleistet wird, sondern gehemmt, reagierend, in Katastrophenform. Die These »Automation führt zur Höherqualifikation« ist daher nicht als Aussage über die Qualifizierung der Arbeitenden zu lesen — etwa, daß an allen automatisierten Arbeitsplätzen höher qualifizierte Arbeitskräfte vorfindlich sind (eine These, deren empirische Überprüfung nur geringen Aufwand verlangen würde) —, sondern sie ist als Theorem zu lesen, wonach die Automation zwangsweise hervorgetrieben wird und als Arbeitsinstrument innerhalb der Arbeit bestimmend wirkt, so daß neuartige Bedingungen entstehen und als Handlungszwänge in der sozialen Praxis sich bemerkbar machen. Da unter neuen Bedingungen neu über das Ausmaß an Entwicklung und Einfluß entschieden wird, welches die Arbeitenden sich erobern können, entstehen in diesen Auseinandersetzungen Formen, in denen in kapitalistischen Verhältnissen die Anforderungen der automatischen Arbeitsinstrumente an die Entwicklung der Arbeitenden aufgenommen werden und die als konkrete unbekannt sind, selber zur Untersuchung jetzt stehen. Daß gegenüber dem treibenden Faktor Automation gehandelt wird, gehört ebenso zu unserem Vor-Wissen, wie die Interessen und Instanzen vorab bestimmt werden können, die leitend sind in dem Ringen um die Potenzen der Automation: Von den Produzenten selber und ihrer Subjektivität, von den Unternehmern, von der Verträglichkeit mit den Produktionsverhältnissen, von der Kenntnis der Notwendigkeit der subjektiven Produktivkräfte, vom Staatshaushalt usw. hängt ab, wie die soziale Praxis verläuft, die über die Wirklichkeit der Qualifikationsentwicklung entscheidet. Das heißt für die empirische Forschung: Die wissenschaftlich überprüfbar abgeleitete Vorannahme, daß die Automatisierung die Möglichkeit und Notwendigkeit von Höherqualifikation schafft, bedeutet keinesfalls das automatische Eintreten derselben. Sie besagt vielmehr, daß die zwangsweise technische Entwicklung für die Produzenten günstigere Ausgangspositionen für Entwicklung hervorbringt, deren praktische Realisierungsformen in dem Feld gegensätzlicher Interessen der heutigen Wirklichkeit aber Gegenstand empirischer Forschung sein müssen, nicht theoretisch ermittelt werden können. Die genauer formulierte Forschungshypothese müßte lauten: Die Automation schafft Bedingungen, die die Entwicklung der menschlichen Arbeit als Entwicklung der Arbeitenden ermöglichen. Diese Hypothese wäre in der Untersuchung falsifizierbar. Unser Forschungsinteresse allerdings schließt zwar die Möglichkeit einer Falsifizierbarkeit jener These nicht aus, jedoch ist Forschungsziel — wie oben ausgeführt —• nicht die AbStützung von Theorie, sondern die Ermittlung der praktischen — vor der Untersuchung unbekannten — Formen, in denen sich diese Entwicklung vollzieht. ARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
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Teil II
3. Das Statistikproblem Antwort besitzen wir auf die Frage nach dem Wozu empirischer Forschung: Handeln soll begründet werden und auf Einsicht sich gründen können, welches in den vorhandenen Formen der Fremdbestimmung Möglichkeiten ergreift, Einfluß auf die Entwicklung zu nehmen. Diese Antwort unterwirft die Funktion der Hypothese ebenfalls dem praktischen Interesse und erzwingt ihre Veränderung zu einer Hypothese über die Entwicklung von neuen Handlungsmöglichkeiten in der Automationsarbeit. Wie aber kann das empirische Erforschen der realen Bewegungen in und um diese Handlungsmöglichkeiten aussehen? Ist nicht trotz aller materialistischen Gesellschaftstheorie und des Erforschens konkreter Taten von Menschen gleichwohl weiterhin der Anspruch an die Ergebnisse des Forschens zu richten, gesichert, für die Allgemeinheit relevant zu sein, d.h. das Kriterium der Repräsentativität zu erfüllen, statt Präsentation von Einzelfällen zu sein? Wie diese Ansprüche erfüllt werden können, besagen die Regeln empirischer Sozialforschung, zu finden in den einschlägigen Handbüchern. Gelöst werden soll vor allem ein Problem, welches der ökonomischen und technischen Unmöglichkeit von »Vollerhebungen« geschuldet ist: Wie kann man »bei der Beschränkung der Untersuchung auf das intensivere Studium einer relativ kleinen Zahl von Fällen dennoch zu gesicherten Verallgemeinerungen« kommen (Scheuch 1974, S.1 f.)? Theorien über Auswahlverfahren zeigen Wege, auf denen dieser Schluß vom Teil aufs Ganze möglich ist und erlangt werden kann, was »Repräsentativität« genannt wird. Die Auswahl konstituiert ein Untersuchungssample, in unserem Fall Automationsarbeitsplätze, das, mit geeigneten Instrumenten befragt, empirische Daten hervorbringt, hier zu den sozialen Folgen der Automation. Um über eine reine Beschreibung hinausgelangen zu können, verlangen die Methoden empirischer Sozialforschung über die Auswahl hinaus die Aufbereitung der Daten zu Häufigkeitsverteilungen. Von diesen ausgehend, können Hypothesen über Bedingungen der erhobenen Befunde statistisch getestet werden, indem mathematische Verteilungsmodelle zugrunde gelegt werden und die Differenz zur Verteilung der empirischen Befunde berechnet wird. Auf diese Art bestimmt sich ihre Aussagefähigkeit, die Signifikanz. Die Ansprüche an empirische Sozialforschung haben ihr begründendes Zentrum in den formalen Verfahren der Statistik. Zentrale Frage ist, inwieweit mathematisch-statistische Verfahren zur empirischen Erfassung sozialer Wirklichkeit geeignet sind (vgl. dazu ausführlich F. Haug 1978). Ein Blick in die Werkstatt der sozialwissenschaftlichen Forscher müßte eigentlich das Leistungsvermögen der Methoden für die angezielte Erkenntnis dokumentieren: ARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
Theorie und Empirie
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Eine nahezu vollständige Überprüfung der empirischen Untersuchungen zu den Folgen der Automation auf die Arbeitenden (vgl. die Übersicht in diesem Band, S.65ff.) zeigt, wie diese Forscher sich bei expliziter Anerkennung der gängigen statistischen Methoden höchst unbekümmert den Zwängen entziehen, die diese Methoden den Erhebungen auferlegen. Die wenigsten Untersuchungen berücksichtigen Regeln der Repräsentativität — wo dies geschah, sind die Ergebnisse besonders mager —, in einigen Erhebungen wird Repräsentativität einfach behauptet, ohne daß die Auswahl auch nur im entferntesten nachprüfbar den Kriterien genügt; die meisten entziehen sich einem solchen Zwang durch Verweise auf die Komplexität des Forschungsgegenstandes, seine Neuartigkeit, auf die notwendige Forschungsökonomie hinsichtlich Zeit und Geld oder durch die lakonische positive Feststellung, sie zögen für ihren Gegenstand eine »qualitative Analyse« vor. Noch seltener werden statistische Prüfverfahren, mathematisch-statistische Berechnungen angewandt. Die allgemeine Zurückhaltung wird nicht einmal als problematisch empfunden. So trifft die ständige Verfeinerung der statistischen Rechenverfahren auf weitgehende Uninteressiertheit eben derjenigen Forscher, die von ihrem Selbstverständnis her durchweg Befürworter mathematisch-statistischer Verfahren sind. In der Praxis lassen sie diese Verfahren links liegen. Berechtigt könnte hier eingewandt werden, es seien die Untersuchungen über Automationsfolgen — wie überhaupt alle über soziale Prozesse — in der Tat zu »komplex« oder zu »differenziert« für mathematisch-statistische Verfahren, die ihre Stärke an ganz anderen Gegenständen erwiesen. Befragen wir die Statistiker selber über die Anwendungsgebiete, die sie für ihre Methoden geeignet finden. Neurath etwa gibt zur Veranschaulichung der Methoden wie zur Demonstration ihrer Leistung bei der Diskussion der Streuungsmaße und Variationskoeffizienten folgendes Beispiel: »In einer Arbeit über Unterschiede zwischen verschiedenen menschlichen Gruppen vergleicht G.M. Morant... die Körpergrößen von... Kongo Pygmäen, die zu den kleinsten, und von ... Sudanesischen Dinkas, die zu den größten Menschengruppen gehören.« Er kam zu dem Ergebnis: »Obwohl die Durchschnitte und auch die Standardabweichungen beträchtlich voneinander differieren, variieren offenbar die sehr kleinen Pygmäen relativ zu ihrer Durchschnittsgröße ungefähr ebenso voneinander wie die sehr großen Dinkas.« (Neurath 1974, S.52f.) Der Beweis der Leistungsfähigkeit statistischer Methoden bei der Erzielung eines solchen Ergebnisses braucht kaum erst erbracht zu werden. Die Stimmigkeit von Methode und Ergebnis ist auf eine Weise zwingend, daß man vergessen kann, Zweifel am Sinn der zugrundeliegenden Fragestellung für sozialwissenschaftliche Erkenntnis anzumelARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
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Teil II
den. Das Unbehagen an solchen Verfahren und Ergebnissen (vgl. dazu etwa Holzkamp 1977) richtete sich auf die Diskrepanz zwischen der Genauigkeit solcher Daten und ihrer Aussagekraft. — Hinter dem Unbehagen steckt die bei Cicourel (1970) explizierte Einsicht, daß die statistischen Verfahren sich auf quantifizierbare Eigenschaften der Objekte beziehen, die ihnen zuvor erst zum Zwecke der Messung zugeschrieben wurden, wie z.B. Meter, Jahr oder Stunde etc. Sie sind den Objekten äußerlich, sind das vergleichende Dritte, das von jeder spezifischen Qualität absieht wie Geld vom Gebrauchswert der Dinge. Sie sagen zwar nicht nichts aus über die Objekte, aber nur das Unbesondere. Sie beziehen sich auf eine bestimmte Form des Umgangs mit den Objekten. So mag es z.B. für einen Hemdenhersteller von Bedeutung sein, welchen Durchschnittsumfang die Hälse haben, damit er seine Quantitäten richtig festlegen kann; diese statistischen Methoden sind also für die Planung und Verteilung von Produktmengen von hoher Bedeutung; wie aber verhalten sie sich zum Gegenstand der Sozialwissenschaften? Cicourel hat das Verdienst, darauf hingewiesen zu haben, daß die Beziehungen in den Systemen — dem zu untersuchenden und dem Messungssystem — übereinstimmen müssen (1970, S.141), die Methoden müssen den Gegenständen angemessen sein. Die Aussage klingt banal, außerdem tautologisch, und dennoch eröffnet die Beschäftigung mit diesem Postulat eine bessere Aussicht auf die Probleme, deren Lösung erarbeitet werden soll. Wie ermittle ich, welche Methoden »angemessen« sind, wenn ich über den Gegenstand noch nichts weiß, den ich, mit diesen Methoden erforschen will? Die Frage klingt übertrieben. Immerhin weiß ich vom Gegenstand, warum ich ihn erforschen will, welche Fragen ich an ihn habe, welchen Umgang ich also mit ihm haben will. Z.B. weiß ich in Morants Beispiel über die Größenverteilung bei den Dinkas, mit welchen Variationen und Quantitäten eine Kleiderfabrik zu rechnen hätte. Was also für einen Gegenstand angemessen wäre, bestimmt sich danach, was für einen Umgang ich mit dem Gegenstand haben will, ist mithin eine Frage nach der Praxis. Der Satz über die Angemessenheit der Methoden an ihren Gegenstand scheint jetzt vollends der subjektiven Willkür des Forschers Tür und Tor zu öffnen. Wie ich mit meinem Gegenstand verfahre — heißt es jetzt übersetzt —, bestimmt sich danach, wie ich mit ihm verfahren will. Fragen wir also, welchen Umgang die Sozialwissenschaftler mit ihren Forschungsgegenständen haben wollen, wie sie verfahren wollen. In der hier notwendigen Kürze läßt sich formulieren: Der Sozialwissenschaftler hat es mit Menschen und von Menschen gestifteten Zusammenhängen zu tun. Sein Gegenstand ist also selber schon Praxis, noch bevor der einzelne Forscher sich ihm im praktischen Interesse nähert. ARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
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Sein Interesse ist es, vorhandene Praxisstrukturen zu begreifen. Im Begreifen ist der Anspruch enthalten, praktisch eingreifen zu können. Sozialwissenschaftliche Forschung sucht also Erkenntnis, um in menschliche Praxis eingreifen zu können. Nehmen wir an, und hier stellt sich dann die Moralfrage, sie sucht einzugreifen mit dem Ziel der Verbesserung. Wir sahen, daß die Methodenwahl bestimmt war durch den praktischen Zweck. Sie schien damit allein ins Belieben des Forschers gestellt. Die Besonderheit sozialer Gegenstände, wie die Wissenschaftlichkeit des Anspruchs sind allerdings für den Sozialwissenschaftler vorgegeben. Daher ist die subjektive Willkür des Forschers für seine Art des Umgangs mit seinem Gegenstand ausgeschaltet. Wie begreift der Forscher seinen Gegenstand? Er untersucht zugleich, wie er geworden ist, als auch, wie er sich zusammensetzt. Dieses doppelte Vorgehen ist ein strukturell-genetisches. Der Forscher läßt sich also ein auf die Entwicklung, die sein Forschungsobjekt selber durchläuft. In der Frage der Entwicklung der gesellschaftlichen Menschen und der menschlichen Gesellschaft, den Gegenständen der Sozialforschung, braucht er also eine Theorie über die Bewegungsweise menschlicher Entwicklung, wenn er sich ihren Erscheinungsformen begreifend nähern will. Die Frage nach der Angemessenheit der Methoden an ihren Gegenstand läßt sich jetzt umformulieren: Lassen sich die unterschiedlichen menschlichen Praxisfelder in ihrem Zusammenhang begreifen und abbilden mit Methoden, die ausdrücklich einerbestimmten Praxis sich verdanken? Die Frage scheint versimplifiziert. Sie beantwortet sich selber, das läßt sie als Nicht-Frage erscheinen. Und doch impliziert die Anwendung statistischer Methoden auf soziale Gegenstände eben jene Merkwürdigkeit. Die Basistheorie für das Begreifen der Praxiszusammenhänge in der bürgerlichen Gesellschaft sehen wir in der »Kritik der politischen Ökonomie«. Das praktische Interesse, welches hier den theoretischen Zugriff auf die menschliche Praxis organisiert, wird methodisch wirksam in der »sozialistischen Perspektive« und zielt an, daß die Menschen ihre Verhältnisse selbst machen, und zwar bewußt geplant. Entwicklungen interessieren »nur« unter diesem Gesichtspunkt notwendiger Vermenschlichung der Lebensbedingungen. Kern der materialistischen Theorie gesellschaftlicher Entwicklungen ist die These von der widersprüchlichen Bewegungsform. Der Widerspruch von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen treibt die Menschheitsentwicklung voran, wobei über das konkrete Ausmaß an möglicher Entwicklung der Stand der Produktivkräfte entscheidet: Das jeweilige MenschNatur-Verhältnis, der darin erlangte Grad der Naturbeherrschung beARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
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stimmen die Entwicklungsmöglichkeiten der sich vergesellschaftenden Individuen. Die auf bewußte Vergesellschaftung drängenden Produktivkräfte rebellieren gegen die privaten Produktionsverhältnisse, von denen sie selbst vorangetrieben werden. Der Widerspruch gesellschaftlicher Produktion in privater Form durchzieht sämtliche Praxisfelder, jede Veränderung eines Praxisfeldes ist als Bewegung des Widerspruchs zu entziffern. Der Widerspruch muß durchschlagen auf jedes Phänomen, jeden Vorgang. Die Bewegung bedeutet, daß nichts bleibt, wie es ist, daß also jede Erscheinung auch in ihrem Nicht-Mehr und im NochNicht aufzufassen ist, in gerichteter Bewegung. Die Richtung der Bewegung ist dabei bestimmbar und muß bestimmt werden aus dem Kampf, den die treibenden Kräfte gegen die sie beengenden Umstände in der Geschichte führen müssen. Dabei tritt die Entwicklung in den Erscheinungen nicht eindeutig zutage, sondern als Krise, als Gewalt, gar als Zurück — eindeutig bleibt die Tendenz. Tendenzaussagen oder Tendenzgesetze haben demnach einen prognostischen Wert, wiewohl sie nicht zuverlässig sind in Bezug auf den Zeitpunkt des Eintretens bestimmter Erscheinungen, noch darüber, ob sie überhaupt eintreffen. Offenkundig wird sofort die prinzipielle Unmöglichkeit, mit mathematisch-statistischen Verfahren eben jene widersprüchliche Bewegung zu erkennen, sie auch nur zu formulieren. Denn alle mathematisch-statistischen Methoden sind Konstruktionen auf der Basis widerspruchsfreier Logik, Das Dritte, das sie ausschließen, kann das Wesentliche sein; widersprüchliche Bewegung ist in statistisch fixierter Gestalt nicht zu fassen, weil die Praxis, als deren Widerspiegelung logisch-formalisierte Verfahren begriffen werden können, sich auf Orientierung zwischen festen Fakten bezieht, nicht auf Entwicklung menschlicher Praxis selber. Daß es eben jene Festgelegtheit auf Widerspruchsfreiheit ist, die das Scheitern statistischer Verfahren, gesellschaftliche Prozesse zu durchdringen, ausmacht, findet sich — zumindest als Andeutung — in vielen Reflexionen über die Methodologie in den Sozialwissenschaften. 4. Das Theorieproblem — Eigenes Verfahren Was aber folgt positiv aus der Kritik an den statistischen Verfahren? Wie wäre die Erkenntnis der Widersprüchlichkeit der Gesellschaftsentwicklung für die empirische Forschung zu nutzen? An den durch die Automatisierung bewirkten Veränderungen interessiert der Widerspruch zwischen Anforderungen der neuartigen Arbeitsinstrumente und den Privatinteressen, interessieren die praktischen Handlungen und Kämpfe, in denen sich dieser Widerspruch bewegt. Durch welche praktischen Handlungen und Kämpfe wird die Entwicklung bewegt, werden Widersprüche zugespitzt und Lösungsformen in Gestalt des ARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
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Fortschritts wie auch in Gestalt der zeitweiligen Sistierung des Konflikts und Strategien ergriffen, die durch den Druck der Bewegung hervorgerufen Gegendruck erzeugen, so daß bei oberflächlicher Betrachtung Bewegungslosigkeit der Eindruck ist?.— Adorno warnte insbesondere davor, daß die formalisierten Methoden in ihrer gleichmacherischen Art die wesentlichen Elemente und Formen übersähen, ein gleichgültiges Einerlei herstellten. Um die widersprüchlichen Bewegungen erfassen zu können, muß offenbar gewußt werden, was wesentlich an der Entwicklung zur Automationsarbeit ist, an welchen Punkten, Aspekten, Bewegungen durch Nachforschen erwartet werden kann, einen Zipfel der widersprüchlichen Bewegung in die Hände zu bekommen. In den einschlägigen Untersuchungen finden wir ein breites Spektrum von Merkmalen, die dann jeweils Grundlage für Tendenzaussagen werden. Da geht es um die Einstellung der Arbeiter zur technischen Veränderung, den Grad der Informiertheit darüber, ihre Einstellung zu Schichtarbeit, ihr Verhältnis zu den Vorgesetzten, über Bewußtsein ganz allgemein, über Entfremdung und Autonomie am Arbeitsplatz, über Qualifikationen und Facharbeiteranteil, um Konflikte, um die Anzahl von Augenbewegungen bei Bildschirmarbeiten usw. Dies sind alles reale und darum mögliche Untersuchungsmerkmale. Wie vermeidet man in solcher Vielfalt die Fixierung auf unwesentliche Elemente? Die historische Analyse (vgl. AS 19) ergab, daß unter den vielen Gesichtspunkten, unter denen man die arbeitenden Menschen betrachten mag, es fünf Hauptformen sind, in denen sich die widersprüchliche Bewegung vor allem vollzieht. Vereinfacht ausgedrückt: Im Bereich der Motivation, der Handlungsbereitschaft gibt die Art und Weise zu produzieren an, wie sehr die Qualität des Produkts (der Hinwendung der Produzenten bedarf, während die Eigentumsverhältnisse die Bereitschaft zu dieser Hinwendung bestimmen. In der Form der Arbeitsteilung findet sich das Kampffeld zwischen der Fortgeschrittenheit der Arbeit und der Beengung und Einschnürung der einzelnen Produzenten. Im spiegelbildlichen Bereich der Kooperation zeigt sich das Produktivkraftgemäße dennoch gegen die isolierenden Verhältnisse, solange sie auf dem Eigentum an Produktionsmitteln beruhen. Im Denken, welches aus der Arbeit resultiert, bzw. beim Arbeiten auch gebraucht wird, äußern sich der Grad der Einsicht in natürliche und gesellschaftliche Zusammenhänge, das Ausmaß an Kontrolle über die Lebensbedingungen zumindest der Möglichkeit nach. Die Verweigerung der Kontrolle durch die Verhältnisse, manifestiert in der Art der Arbeitsteilung, zeigt die Fessel, welche die Entwicklung prägt, ihre Widersprüchlichkeit bestimmt. Die Art der Aneignung des akkumulierten Wissens der Menschheit, also wie gelernt wird, ist im Ausmaß bestimmt durch die Art der Arbeit, die Form der Verhältnisse. Inwieweit auch im Lernbereich die WiderARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
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sprüchlichkeit der Entwicklung in der rebellischen Form verläuft wie in den übrigen vier Bereichen, wäre Resultat einer noch zu erarbeitenden Lerntheorie — wie sich überhaupt zeigt, daß eine Theorie der Entwicklung der verschiedenen menschlichen Aspekte wie Motivation, Kognition etc. und ihres Zusammenhangs Voraussetzung der empirischen Arbeit ist. Die Auffassung, welche empirisches Forschen mit einem ungetrübten Sehvorgang auf die »nackten Tatsachen« identifiziert, ist folglich naiv und negiert mit der Bedeutungshaftigkeit menschlicher Wahrnehmung die wissenschaftliche Aufgabe, die selbstverständlichen, weil alltäglichen, Wahrnehmung leitenden Vorstellungen und Erfahrungen explizit zu machen und zu verwissenschaftlichen (vgl. Holzkamp 1973). Diese Auffassung entzieht sich gewissermaßen der eigenen Verantwortung für die empirischen Ergebnisse, indem sie darüber zu schweigen sucht, daß empirisches Forschen eine menschliche Produktion ist. Die einzige Methode, diese Produktion empirischer Ergebnisse zu verwissenschaftlichen, besteht also im Studium der Baugesetze — in unserem Fall des menschlichen Arbeitshandelns — im Doppelsinn des Sich-Aufbauens und des Aufgebautseins. Ist erst begriffen, daß soziale Wirklichkeit keine feststehende Tatsache ist, sondern Entwicklungsprozeß, etwas Gewordenes, bei dem die Kenntnis der Entstehung zugleich das Wissen um die Veränderung und Orientierung über ihre Richtung abgibt, so sind damit allerdings Fragen der empirischen Herangehensweise noch ganz unbeantwortet, ja kaum gestellt. Wenn alles in Bewegung ist, wie kann man diese Bewegung erfassen und gleichzeitig sicher sein, daß durch das Festhalten nichts verändert, verzerrt, verbogen wird? — Genügt es angesichts dieser Risiken nicht, einfach theoretisch abzuleiten, was heute ist und die Empirie so gewissermaßen in die Historie abzuschieben? Die Antwort muß ein klares Nein sein, solange wir an der selbstgestellten Aufgabe empirischer Forschung festhalten wollen, nicht Theorien bestätigen zu wollen, sondern praktisch zu sein. Das verändernde Handeln der Arbeitenden und ihrer Organisation ist auf neues Wissen angewiesen. Auch der bisherige Vorschlag, nach Veränderungen Ausschau zu halten, die in die durch die historische Analyse der Grunddimensionen der Entwicklung menschlicher Arbeit angegebene Richtung weisen, gibt keine befriedigende Antwort, auch wenn dadurch innerhalb der Betriebe bei der Untersuchung der Arbeitsplätze eine Zentrierung auf Wesentliches möglich ist. Auch das Prüfen und Feststellen, ob Veränderungen in die theoretisch bestimmte Richtung weisen, heißt immer, sie aus einem Zusammenhang herauszunehmen, bei dem alles in Bewegung ist.
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Es entwickelt sich die technische Grundlage beständig weiter — dies zur Zeit in atemberaubender Geschwindigkeit —, noch während darum gestritten wird, ob es sich bei der zweiten industriellen Revolution überhaupt um eine solche handle, scheint mit den Mikroprozessoren eine dritte sich zu vollziehen —; es entwickelt sich auch das Wissen um die notwendigen Anforderungen, so daß die tatsächlich vorhandenen Qualifikationen an den verschiedenen Maschinen und Anlagen auch ohne deren weitere Entwicklung sich verändern — so hat sich z.B. inzwischen herumgesprochen, daß die Werbung der NC-Maschinenhersteller, man könne an ihren Maschinen ungelernte Kräfte, also billiges Arbeitspersonal verwenden, ein Verkaufsslogan war, dessen Befolgung weit teurer wurde (wegen der Maschinenstillstandszeiten bei unsachgemäßer Bedienung) als je an der Ausbildung eingespart werden könnte —; es entwickeln sich auch die wissenschaftlich erarbeiteten Strategien der Unternehmer, Motivations- und Kooperationsgeist zu erzeugen, ohne die Besitzverhältnisse allzusehr in Frage zu stellen; schließlich verändern sich die Qualifikationen der tatsächlich Beschäftigten sowie deren schulische Vorbildung, und es verändern sich durch die Erfahrung des Umgangs mit den neuen Maschinen und Anlagen auch die Produzenten selber. Nach wie vor ist offen, wie in diesem Meer von Bewegungen empirisch vorzugehen ist, welcher Faktenordnung man sich bedienen soll, nachdem die treibenden Kräfte historisch-logisch bestimmt sind und nachdem klar ist, daß nach Entwicklungselementen gesucht wird, nicht nach einer schrankenlosen Bestandsaufnahme des Ganzen. Auswahl Der Weg geht über die Zerlegung der Bewegung. Denn jede empirische Messung bedeutet eine Sistierung: Was und wie gemessen werden soll, bestimmt sich aus den unterschiedlichen Praxen der Menschen. Daher gelten für die einzelnen möglichen und notwendigen Sistierungen unterschiedliche Regeln des Umgangs. (Über den Zusammenhang von Praxis und Denkform, vgl. Leiser 1978 und F. Haug 1978). Nach der Seite der Auswahl des Samples bestimmt die Messung und Festlegung über die »Repräsentativst« der Forschungsergebnisse und damit über deren prognostischen Wert. So besagt die Untersuchung der Automationsfolgen, daß zuvor alle technischen Neuerungen auf diesem Gebiet auch zur Kenntnis genommen werden. Die Anzahl der auszuwählenden Maschinen und Anlagen liegt also fest: Von jedem Typus sollte zumindest ein Exemplar im Untersuchungssample vorhanden sein — Variationen (etwa Meßwarte mit und ohne Prozeßrechner) sind aufzunehmen; mögliche Unterscheidungen je nach verarbeiteter Materie sind wahrscheinlich möglich, daher sollte ARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
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die Anzahl der untersuchten Anlagen nach dieser Seite hin alle betroffenen Branchen umfassen. Wir haben versucht, diesen Maximen gerecht zu werden (vgl. dazu unsere Voruntersuchung in AS 7, S.74ff. und den Aufweis unseres Samples in diesem Band S.13f.). Aus organisatorischen Schwierigkeiten (Zeit, Geld) haben wir es versäumt, die technische Ausstattung bei der Produktion von Schiffen, bei der Ledererzeugung, im Eisenerzbergbau und in der NE-Metallerzeugung einzubeziehen. Vor der konkreten Untersuchung des Einsatzes automatisierter Maschinen und Anlagen weiß man, technisch bedeutet Automatisierung die fortwährende Übergabe menschlichen Routinehandelns (vor allem im kognitiven Bereich, aber auch noch immer körperlicher Arbeit) an die Maschinen. Wie weit dies bei den einzelnen Maschinen durchgeführt ist, wieviel »Restfunktionen« übrig sind, ist eine Frage empirischer Überprüfung. Die ständige Einbeziehung neuester Entwicklungen (durch Expertengespräche, durch Messebesuche, durch das Studium der einschlägigen internationalen Zeitschriften und den Vergleich mit noch fortgeschritteneren Industrienationen) sichert dabei, daß die Aussagen über die neuen Anforderungsstrukturen, die technischer Unzulänglichkeit oder ökonomischen Gründen (die mit der Verbilligung der jeweiligen technischen Elemente hinfällig werden) geschuldet sind, nicht das Gesamtbild über die notwendigen Tätigkeitsveränderungen allzusehr belasten. Bei der Auswahl des Untersuchungssamples ist also darauf zu achten, daß alle Maschinenarten sowie alle Branchen — einschließlich Verwaltung — einbezogen sind. Die Stichprobe muß mindestens so groß sein wie die Anzahl der Elemente der Grundgesamtheit. Deren Zusammenstellung beschäftigte uns in AS 7 (betroffene Branchen, typische Maschinen und Anlagen, betroffene Arbeitsplätze). Die Schnelligkeit der Entwicklung hat einige dort getroffene Bestimmungen — so die, daß in einigen Branchen keine Automatisierung zu erwarten sei — inzwischen überholt; im Großen und Ganzen haben sich jedoch die dort abgeleiteten Bestimmungen für unsere Untersuchung als tragfähig erwiesen. Fragen Die begründete Auswahl des Untersuchungssamples verschafft uns Zugang zu automatisierten Arbeitsplätzen, sagt uns aber noch nicht, wie wir in den Betrieben empirisch vorgehen sollen. Die Untersuchungsfrage zielt nicht auf den derzeitigen Stand der Automatisierung, sondern auf die Folgen der neuen Technologie für die Arbeitskräfte. Wiederum müssen wir uns der praktischen Absicht vergewissern, um Ansprüche an die Erhebungsart der empirischen Befunde formulieren ARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
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zu können, so daß Aussagen allgemeiner Art möglich sind, die einen prognostischen Wert besitzen: Wo immer automatisiert wird, treten die Ereignisse x, y, z auf. Die Art der Prognose hängt wiederum von der zugrundeliegenden Hypothese ab. Die Autoren der Hauptstudie »Produktion und Qualifikation« sehen ihre Hypothese verifiziert, wonach mit einer generellen Tendenz der Unternehmen zu rechnen sei, »die Qualifikationsanforderungen breiter Tätigkeitsbereiche nicht nur nicht zu erweitern, sondern überwiegend sogar deutlich zu beschränken« (Mickler u.a. Teil II, 1977, S.516). Als Subjekt dieser Tendenz wird das private Profitinteresse ausgemacht; in der »Produktivkraftsteigerung unter privatwirtschaftlichen Bedingungen« sei ein »ökonomischer Zwang« angelegt, »die Durchsetzung effizienter Arbeitsprozesse über die Auflösung komplizierter Arbeitsfunktionen zu erreichen« (ebd., S.517). Die widersprüchliche Entwicklung der Produktivkräfte in privater Form gerät zur allgemeinen Tendenz »kapitalistischer Produktivkräfte«, da mit dem alleinigen Subjekt »Kapital« die Arbeitenden als Handelnde aus der Entwicklung in der Arbeitswelt eliminiert sind (vgl. AS 31). Die Prognose der gleichbleibenden Qualifikationsauflösung formuliert daher eine Entwicklung, zu der sich die Arbeitenden nur verhalten können, die sie aber nicht selbst in den Formen der Fremdbestimmung machen können. Der Anspruch an praktische, eingreifendes Handeln ermöglichende Prognosen muß also sein, daß in ihnen das Handeln der Arbeitenden vorkommt. Allerdings ist die Frage, in welcher Form dies Handeln in der Prognose aufgenommen werden kann, denn es hieße einen Automatismus unterstellen, wollte man das konkrete Ausmaß der Selbstvörgesellschaftung der Automationsarbeiter in der Zukunft prognostizieren. Diesen Irrtum haben wir bereits mit der Formulierung unserer Hypothese vermieden. Das entwicklungsträchtige Handeln der Arbeitenden kann in der Prognose daher nur in Möglichkeitsform enthalten sein. Unter diesem Gesichtspunkt hängt der prognostische Wert der Befunde ab von der Genauigkeit, mit der die entscheidenden Bedingungen des möglichen Handelns erfaßt werden. Die angezielten neuen Möglichkeiten der Arbeitenden, ihre Entwicklung zur Erlangung größerer Kontrolle über ihre Arbeitsbedingungen voranzubringen, treten niemals »rein« oder »als solche« in der Empirie auf: Jeder Schritt in Richtung Selbstvergesellschaftung, feststellbar an den Dimensionen Kognition, Kooperation, Lernen der Persönlichkeitsentwicklung, wird gegen die beharrenden Kräfte fremdbestimmter Gesellschaftsverhältnisse durchgesetzt werden müssen. In der Empirie finden wir daher das Resultat dieser gegensätzlichen Bewegung, neue Formen der Entwicklung, des Verhältnisses von Selbstbestimmung und Fremdbestimmung in der Arbeit. Für das empirische Vorgehen bedeutet dies, daß sich das AugenARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
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merk auf das Sich-Entwickelnde richten muß, das gegen die Fesselung durch die Produktionsverhältnisse hier und heute konkret rebelliert. Um einfache Fragestellungen, Operationalisierungen der Hypothese, entwickeln zu können, die auf empirischem Wege Antworten über den Stand des Neuen erlauben, muß zunächst herausgearbeitet werden, welches die bestimmenden Merkmale des Alten sind, in ihrer konkreten Gestalt hervorgebracht durch die Verhältnisse und die ihnen gemäßen Produktivkräfte bzw. Arbeitsinstrumente. Verkürzt zwar und vereinfacht vorgestellt heißt dies im vorliegenden Fall: Die Arbeit ist in ihrer wesentlichen Gestalt geteilt in Kopf- und Handarbeit, ein Verhältnis, das noch einmal nach außen tritt als Arbeitsteilung zwischen Vorgesetzten und Untergebenen; die Arbeitsvollzüge sind partialisiert, so daß die notwendigen gedanklichen Operationen auf ein Minimum beschränkt sind; entsprechend muß für die Arbeit wenig, in ihr noch weniger gelernt werden; Motivation zur Arbeit ist schon aus diesen Gründen, darüber hinaus wegen des Lohnarbeiterstatus (Nicht-Eigentum an Produktionsmitteln) nur durch den Lohn aufrechterhaltbar. Zusammenarbeit geschieht bei gleichzeitigem Gegeneinander im Kampf um die Arbeitsplätze. Die spezifizierte Frage also lautet: Negieren die durch die neuen Arbeitsinstrumente verlangten Anforderungen an Denken, Fühlen, Wollen, Zusammenwirken, Entwicklung der Arbeiter eine oder mehrere Bestimmungen, die aus der bisherigen, den kapitalistischen Produktionsverhältnissen gemäßen Weise zu produzieren, resultieren? Die Frage ist jetzt für empirische Zwecke vereinfacht und kann übersetzt werden in eine Anzahl von Einzelfragen etwa über das Ausmaß an Verantwortung, das der Lohnarbeiter tragen soll für ihm nicht gehörende Produktionsmittel; über die Überschreitung herkömmlicher Arbeitsteilung zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, zwischen Maschinenbedienern und Konstrukteuren usw. Der Widerspruch, der statistische Verfahren ausschloß, der zur Problemformulierung aber nicht ausgeschlossen werden konnte, ist für die empirische Herangehensweise herausgenommen, indem die Seite theoretisch sistiert wurde, die, wiewohl vergänglich, selber das Sistierende in dieser Gesellschaft ist. Indem konstant gesetzt wird, was selber zum Bleiben auffordert, gewinnt man erst die Möglichkeit, die Veränderung auch als Veränderung wahrzunehmen. Die solcherart logisch widerspruchsfrei formulierten empirischen Fragen erlauben jetzt hypothetisch durchaus die Anwendung der herkömmlichen statistischen Methoden mit ihrem Herzstück der Überprüfung von Häufigkeiten, ihren Verteilungen, Abweichungen, Streubreiten, Wahrscheinlichkeitsfehlern etc. Sie erlauben dies allerdings nur auf der fixierten Seite, auf der Seite also des sistierten Alten. Das Neue, indem es eben jenes Alte negiert, träte im gleichen Verfahren auf als Zufall, als Abweichung, ARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
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als Verzerrung, als — je nach gewähltem Verfahren — mehr oder weniger eliminierter Extremwert, allenfalls als Größe, die den Gesamtdurchschnitt hebt, wie eine Steigerung der Unternehmereinkommen im statistischen Abbild das Durchschnittseinkommen der Arbeiter heben wird. Das Neue tritt ja nicht sogleich auf als Massenerscheinung, als Durchschnitt. Es ist nicht schon allgemein durchgesetztes Resultat, sondern selber Beginn. Dabei werden die Bestimmtheiten durch die Verhältnisse, bzw. wird die Form, die Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse zusammen vorstellen, im sistierten Moment ihrer Adäquanz als vollständig und absolut angenommen. Jedes Dagegen ist ein Phänomen, welches Erklärung verlangt. Ob es das Neue ist, entscheidet die Geschichtlichkeit der Kategorien, unter denen es geprüft wird. Jedes einzelne Neue kann also über das Wesen des Prozesses mehr aussagen als die Ermittlung des gegenwärtigen Durchschnitts. So wie ein einzelner Mensch, der als nicht käuflich erfahren wird, mehr über die Wesenskräfte des Menschen aussagt als die Statistik über die Käuflichkeit der anderen. Diese Herangehensweise erlaubt es, die allgemeine Entwicklung in den Einzelerscheinungen herauszufinden, den Vorboten als solchen zu erkennen und z.B. nicht gleichermaßen als Skurrilität zu verbuchen, ob ein Meßwart seinen Helm mit Abziehbildern beklebt, ob er Vergleichskurven über verschiedene Fahrweisen zeichnet oder gar die Konstruktionspläne heimlich entwendet, um sie in seiner Freizeit zu studieren, weil er sonst mit der Anlage nicht klar kommt. Die Aufgabe des empirischen Forschers erschöpft sich dabei nicht darin, das .Neue zu finden in den unterschiedlichen Erscheinungsformen: als Aufbruch, als Protest, als Gegenkraft. Wesentlich wird die Erforschung der Bedingungen, die die erscheinende Entwicklung hervorbrachten, bzw. möglich machten. Sie gilt es zu verallgemeinern. Ihre Verallgemeinerung selber aber ist praktische Tat, nicht eine Frage der Theorie. So wird man z.B. feststellen, daß die verbreitetste Form, die Qualifikationen für die neuen Maschinen und Anlagen zu vermitteln und sich anzueignen, die Beteiligung der späteren Automationsarbeiter beim Aufbau der Anlagen ist. Das erworbene Konstruktionswissen als Grundlage für den Vollzug des abstrakten Umgangs mit dem Produktionsprozeß ist nicht formalisiert. Es ist demnach weder vermittelbar an die nächste Arbeitergeneration, nicht Bestandteil der Berufsausbildung und findet auch nicht Eingang in die Lohnleitlinien. Ebenso viele Probleme wie Aufgaben für die Sozialwissenschaftler.
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Verallgemeinerbarkeit Es könnte so aussehen, als sei hier plädiert für eine Empirie, die ausschließlich auf Einzelphänomene sich beschränken solle, der Massenhaftigkeit der Erscheinungen von vornherein mißtraue, wie man das z.B. in vielen Formulierungen Adornos lesen kann. Das mag richtig sein bezogen auf konkrete Austragungsformen, die Gesamttendenz kann nur als allgemeine auftreten: So wie — in unserem Beispiel — die technische Produktivkraftentwicklung voranschreitet, muß auch die Bewegung der subjektiven Produktivkräfte in den untersuchten Bewegungsformen voranschreiten. Dieser Prozeß geschieht massenhaft. Nicht massenhaft, weil nicht gleichartig, sind die Austragungsformen dieser Entwicklung. Ebenso wie die fesselnden Produktionsverhältnisse für die Gleichartigkeit der von der Entwicklung betroffenen Erscheinungen. Solange die Produktionsverhältnisse beibehalten werden, tritt Entwicklung auf als ein bestimmtes Dennoch, als unterschiedliche Grade und Formen von Negation. In der Mannigfaltigkeit der Austragungsformen wird man natürlich Häufungen finden. Sie zeigen an, wo die Kraft am größten ist und/oder der Widerstand am geringsten ist, und zwar von beiden Seiten aus. Daß solche Phänomene gehäuft auftreten, scheint ihre Abbildung in eine statistische Häufigkeitsverteilung nahezulegen. Tatsächlich würde aber ein solcher Versuch die Aussagefähigkeit der Phänomene ganz und gar verfehlen. — Die Nennung der Anzahl der betroffenen Fälle hat zudem den eigentümlichen Effekt, unter den Sozialwissenschaftlern Enttäuschung auszulösen. Denn obzwar sie die statistischen Methoden für die Analyse sozialer Prozesse durchweg nicht anwenden — wie weiter oben angeführt —, prägen die mathematisch-statistischen Erwartungen entscheidend die Auswertung und Bewertung ihrer Befunde. Sie können bei diesen Bewertungen zudem auf unmittelbares Einverständnis mit den Lesern rechnen, da auch der Alltagsverstand die gleiche Formung erfahren hat. So kann man in der 1977 veröffentlichten Untersuchung aus dem Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen »Produktion und Qualifikation« lesen, es könne keine Rede davon sein, daß zunehmend Instandhaltungsarbeiten wesentlich würden, mithin konstruktives strategisches Wissen zu den geforderten Qualifikationen gehören müsse. In einem von ihnen untersuchten Hüttenwerk hätte der Anteil der Instandhaltungsarbeiter an allen gewerblich Beschäftigten nur 18 bis 25% ausgemacht (Mickler u.a. 1977, Teil II, S.508). Marx schrieb das Kapital, in dem von der Arbeiterklasse als der wesentlichen historischen Kraft ausgegangen wird, zu einer Zeit, als der Anteil der in der Industrie Beschäftigten (einschließlich Kapitalisten) an der Bevölkerung in England und Wales 8 % ausmachte (berechnet nach Marx, Das Kapital, Bd 1, S. ARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
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469f.)> nur wenig mehr als der Anteil der Dienstboten. Ein Jahr nach der Entstehung des Kommunistischen Manifests betrug der Anteil der Arbeiter in Preußen sogar nur zwischen 2 und 3 % (Becker 1960, S.212f.). Die Aussagekraft unserer Befunde über die konkreten Austragungsformen der Subjektivitätsentwicklung der Arbeitenden kann sich daher nicht über einen statistischen Test bestimmen, der die Bedingungen für gewisse Merkmale der Automationsarbeiter zu finden sucht, indem die Verteilung der gefundenen Merkmale mit dem mathematischen Modell einer erwarteten Verteilung verglichen werden. Indem die Subjektivitätsentwicklung etwas von den Arbeitenden selbst Gemachtes ist, liegt die Aussagekraft in dem Aufweis dieses Machens und seiner Bedingungen. Indem wir die neuen Entwicklungsformen »von unten« her analysieren als Formen, in die hinein die Arbeitenden sich bewegt haben und die sie zu dem vorgefundenen Verhältnis von Selbstbestimmung und Fremdbestimmung getrieben haben, und uns dabei auf Theorien über das Machen der Verhältnisse durch die Individuen stützen (vgl. AS 19), entgehen wir der Gefahr, Nebensächliches, Skurriles für aussagefähig zu halten. Die Anzahl der relevanten Befunde hat also im üblichen statistischen Sinn keine Bedeutung für unsere Untersuchung. Auch läßt sich nicht mit Wahrscheinlichkeitskoeffizienten berechnen, ob wir die bestmögliche Praxis, die entwickeltste Durchsetzungsform des Neuen in unsere Untersuchung überhaupt einbezogen haben. Wegen der vielfältigen Praxisform, in der sich das Neue durchsetzt, ist es empfehlenswert, ein möglichst großes Sample zu wählen. Jeder zusätzliche Betrieb, jeder weitere Arbeitsplatz wird das Wissen um die menschlichen Möglichkeiten erweitern. Da es in unserem Fall darum geht, die Bedingungen für die beste Entwicklung der menschlichen Arbeit und also der Produzenten heute zu ermitteln mit dem Ziel ihrer praktischen Verallgemeinerung ist der Fehler, den wir machen können, wenn wir das Sample zu klein wählen, bzw. wenn wir die entwickeltsten Formen nicht berücksichtigen, der, daß das hier und heute schon Machbare nicht in seinem vollen Ausmaß analytisch herausgearbeitet wird. Wofern die Herausarbeitung der von uns untersuchten Denk- und Kooperationsformen, von neuer Arbeitsteilung, Mitbestimmung und Lernweisen einfach und klar genug — nachvollziehbar — geschieht, lassen sich solche Versäumnisse, das Bestmögliche nicht einbezogen zu haben, durch Widerspruch und Ergänzungen aus anderen empirischen Untersuchungen oder von den Betroffenen selber, aufholen. Unser Fehler wäre es also, nicht weit genug voranzuschreiten, ein Mangel, der bei der Untersuchung der ohnehin fortgeschrittensten Technologie nicht so schwer ins Gewicht fällt.
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5. Das Prognoseproblem Wenn das durchschnittliche Auftreten von sozialen Ereignissen und Phänomenen kein Beweis für die Relevanz derselben ist, wenn wir die Aussagekraft unserer Befunde zu den neuen Austragungsformen der Entwicklungsmöglichkeiten in der Automationsarbeit nicht in einer signifikanten Häufung sehen, stellt sich die Frage, weshalb die Kräfte einer auf die Emanzipation aller Arbeitenden gerichteten Bewegung sich für derartige »Exotika« interessieren sollen. Worin läge ihre in unseren verschiedenen Aufsatzveröffentlichungen behauptete allgemeine Relevanz nicht nur für den Bereich der Arbeit, sondern auch für Reformkämpfe im Bildungs- und Ausbildungsbereich, im Gesundheitssystem, im Kulturbereich? Die allgemein-gesellschaftliche Relevanz muß nicht in dem konkreten Handeln und Sich-Entwickeln der empirisch vorgefundenen Automationsarbeiter liegen, sondern in der Dynamik des Heranreifens derartiger Möglichkeiten der Entwicklung. Wie ist der Stand der Ausbreitung von Automation, welche Prognosen lassen sich über die weitere Ausdehnung treffen? Für die Ermittlung der Verbreitung automatischer Maschinen und Anlagen z.B. im Jahre 1980 eignen sich durchaus — sofern man keine wirkliche Zählung durch die einzelnen Verbände der Anwender zugrundelegen kann — die üblichen statistischen Verfahren und Hochrechnungen. Allerdings stößt man sofort auf die Schwierigkeit, daß über diese Momentaufnahmen hinaus kaum Aussagen mit prognostischem Wert getroffen werden können. Zum Beispiel überstieg bereits 1972 die Anzahl der eingesetzten Prozeßrechner die vorausgesagte um das Fünffache (vgl. AS 7, S.199); noch 1974 sagen die Autoren des Pretest »Produktion und Qualifikation« dem Fotosatz eine geringe Zukunft voraus und wenig später entbrennen schon die heftigsten Arbeitskämpfe um die Folgen der elektronischen Satzherstellung (Gerstenberger u.a. 1974). Die menschliche Praxis, die die Verbreitung der automatisierten Anlagen betrifft, gehorcht offensichtlich anderen als den mathematisch-formalisierten Gesetzen, die Trendextrapolationen zugrundelegen. In welchem Ausmaß subjektives Handeln Prognosen und Schätzungen hinfällig werden läßt, kann einem weiteren Beispiel entnommen werden, das sich im Tagesspiegel vom 6.10.78 unter dem Titel »Überangebot an Lehrern nicht mehr dramatisch« fand: Noch 1977 war die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung davon ausgegangen, daß im Jahre 1985 »ein Überschuß von 102000 bis 132000 Lehrern zu erwarten sei«. Dazu hätten nach den Schätzungen 1975 61200,1976 70100 und 1977 62400 Studenten ein Studium fürs Lehramt beginnen müssen. Die »von den Politikern immer wieder ausgesprochenen Warnungen vor einem Lehrerstudium (aber haben) ihre Wirkung getan«: ARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
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Tatsächlich begannen das Studium 1975 nur 40700,1976 34400 und 1977 gar nur noch 28500 Studenten! Müssen bei der Vorhersage sozialer Ereignisse wissenschaftliche Mittel versagen? Ist man zurückgeworfen auf blindes Tasten, auf Spekulation und Zukunftsmalerei? Folgen wir der Argumentation von Popper, so dürfen als wissenschaftliche Prognosen nur solche gelten, die auf einen bekannten, gesetzmäßigen Zusammenhang sich stützen. Derartige Prognosen haben die Form von Wenn-Dann-Aussagen: Wenn ich den Schirm im Regen aufspanne, bleibe ich trocken. »Sie sind sozusagen konstruktiv und teilen uns mit, welche Maßnahmen wir ergreifen können, wenn wir bestimmte Resultate erzielen wollen« (Popper 1974, S.35). Da gesellschaftliche Ereignisse aus individuellem Handeln sich zusammensetzen und nicht vorhergesagt werden kann, ob dies Handeln stattfindet, verbleiben konsequenterweise nur Prognosen, die angeben, was passiert, wenn gehandelt wird. Wer dennoch das Eintreffen sozialer Geschehnisse vorhersagen will, betreibt — so Popper — »Prophetie« und setzt die Existenz von ehernen Zwangsgesetzen voraus, die den Gang der Geschichte bestimmen und die Menschen sich unterwerfen; die handelnden Subjekte werden degradiert zu bestenfalls Ausführenden, sich Anpassenden. Zwangsgesetze, die sich auch ohne besonderes Zutun der Menschen durchsetzen, lassen ein Jetzhandelr) zur Verbesserung der Lebensbedingungen überflüssig werden. Gerade um dieses verbessernde, das bestehende optimierende Eingreifen geht es Popper aber, darum negiert er derartige, subjektives Handeln entmachtende Vorstellungen. Die Alternative zu den Zwangsgesetzen scheint demnach die Beliebigkeit und damit die Unvorhersehbarkeit zu sein. Ist es aber wirklich beliebig, ob, wann und wieviel die Individuen arbeiten, welche Produkte und Lebensmittel sie herstellen, ob sie für ihre Tätigkeiten ausgebildet sind? Das millionenfache individuelle Handeln muß in ein Resultat münden: Reproduktion der Gesellschaft. Auch wenn sich dieser Zwang nur über Katastrophen bemerkbar macht, wenn er vom Standpunkt des individuellen Handelns nicht zu existieren scheint, ist er dennoch als Reproduktionsnotwendigkeit beständig wirksam, dem das Handeln unterworfen ist. Alternativen für menschliches Handeln bestehen nur darin, ob die Menschen von den Zwängen beherrscht werden oder ob sie ihre Reproduktion in bewußter Tat herstellen. Poppers Argumentation führt zu einem Resultat, welches im Gegensatz zu dem Anspruch steht, aktuelles Eingreifen und Handeln zu ermöglichen. Gerade aus diesem Interesse heraus kritisiert er zu Recht Anschauungen, in denen die Menschen nur als Objekte der »blinden, unerbittlichen Gesetze der geschichtlichen Entwicklung« vorkommen (ebd., S.41). Zugleich verhindert er aber die Analyse real beARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
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stehender Fremdbestimmungen und ihre Beseitigung. Wo gesellschaftlich in privater Form produziert wird, setzen sich die Reproduktionszwänge blind und unbeherrscht über Krisen durch, da die private Form bewußte gesellschaftliche Regulierungen verhindert. Wenn Popper im Interesse des Handelns nur seine Möglichkeiten sieht, so bleibt dies ein Handeln innerhalb der fremdbestimmten Gesellschaftsformation mit dem Ziel, sich darin besser zurechtzufinden und die Auswüchse der Planlosigkeit abzumildern; auf diese Möglichkeiten fixiert versäumt er, die Unmöglichkeiten und Fremdbestimmungen des Handelns zu analysieren. Das Denken über die Gesellschaftsformation wird tabuisiert. Die Kenntnis der Reproduktionsnotwendigkeiten und ihrer Entwicklungen läßt Aussagen darüber zu, was durch das subjektive Handeln, welches als Gesamt nicht vorausgesagt werden kann, mindestens gewährleistet werden muß. — Hier zeigt sich, daß die Poppersche Negation des Lebensnotwendigen ihr Pendant hat in Auffassungen von anderer Seite, die die Widersprüche in dieser Gesellschaft still gestellt sehen und zur Erklärung der allmächtigen und schrankenlosen Manipulation der Beherrschten greifen; negiert werden nicht beliebig verletzbare Lebensinteressen und -bedürfnisse (vgl. das Kapitel über Manipulation in der Erziehung, in F. Haug 1977). Mit der mathematischen Exaktheit möglicher Trendextrapolationen kontrastiert das in ihnen enthaltene Nicht-Wissen über die Triebkräfte der zu prognostizierenden Entwicklung. Besteht eine andere und erfolgreichere Methode zu realitätsgerechten Aussagen über die Entwicklung der Automation zu kommen, wenn der resultierende Trend sich aus einer Vielzahl individueller, durch unwägbare Entscheidungen veranlaßter Handlungen zusammensetzt? In Überwindung Popperscher Beschränkungen suchen wir nach einem Gesetz, welches den Handlungen in letzter Instanz zu Grunde Hegt. Die Marxsche Theorie befaßt sich gerade mit den Verwicklungen der ungeplanten Handlungen zu einem gesellschaftlichen Reproduktionsorganismus und erkennt in dieser Gesellschaftsformation den Grundwiderspruch privat/gesellschaftlicher Produktion. In diesem Widerspruch bewegt sich die gesellschaftliche Reproduktion, und zwar nach einem Bewegungsgesetz, welches den Widerspruch ständig weiterentwickelt: Die Gesetze der relativen Mehrwertproduktion zwingen die Unternehmer, zur Steigerung ihrer Profite die gesellschaftliche Arbeit und ihre Produktivität zu entwickeln. In der Studie »Automation in der BRD« (AS 7) haben wir von diesem Gesetz ausgehend die Potenzen der Automation aufgezeigt, die eine nahezu explosionsartige Ausbreitung verursachten, aber auch die Widersprüche der Privatproduktion analysiert, die als hemmende und entgegenwirkende Faktoren auftreten. Ist eine solche Prognose, die auf ARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
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der Basis der Entwicklung der Triebkräfte getroffen wird, nicht spekulativ? Die Trendextrapolation verfährt, als sei die unbeherrschte, naturhafte Entwicklung geplant: Das Chaos der millionenfachen, willkürlichen Handlungen zeitigt zü einem bestimmten Zeitpunkt eine bestimmte Anzahl eingesetzter automatischer Anlagen, Jahre später resultiert eine gestiegene Anzahl; um nicht vollkommen blind handeln zu müssen, orientieren sich die Handelnden an der Resultante und operieren mit der Trendextrapoiation als sicherer Größe. In diese Prognoseform ist das Scheitern, die quantitative Abweichung der realen Entwicklung von der Voraussage, mit Notwendigkeit eingebaut. Ob der Einsatz von automatischen Anlagen in arithmetischer oder geometrischer Progression verläuft, hängt u.a. von Konjunktur und Krise ab, Faktoren, die in derartige Rechenformeln kaum einbeziehbar sind (vgl. dazu Leiser 1978). Auf die Scheingenauigkeit dieser Prognosen muß sich aber stützen, wer als Maschinenhersteller seine Produktion dem zu erwartenden Bedarf anpassen muß, wer als Staat den zukünftigen Bedarf an auszubildenden Fachkräften kennen muß. Wo immer Handeln mit Rücksicht auf gesellschaftliche Zusammenhänge geschieht, wo regelnd, steuernd und lenkend in das Chaos eingegriffen werden soll, muß aus diesem »manipulativen« Interesse heraus die unbeherrschte Entwicklung als beherrschte betrachtet werden, mit allen darin liegenden Risiken der Fehlorientierung. Die Genauigkeit der quantitativen Prognosen vermittelt denjenigen eine unpraktische Haltung, die von der Rasanz der Technikentwicklung nicht überrollt werden wollen und nach Eingriffsmöglichkeiten suchen, weil die Genauigkeit irreal ist und als beherrscht ausgibt, was in blinden Zusammenhängen nur sich durchsetzt. Die auf der Triebkräfteexplikation beruhende Prognose dagegen trägt dieser ungezügelten Entwicklung Rechnung und ist dadurch praktischer, weil sie eine produktive Haltung vermittelt, sie hält eine explosionsartige Entwicklung für möglich, weil explosive Antriebskräfte wirken. Was also aussieht wie Spekulation, ist in Wirklichkeit den phantastischen Verhältnissen geschuldet, die der kurzsichtigen, aber umso mächtigeren Privatinitiative überlassen, was Sache gesellschaftlicher Gestaltung ist. Aber auch vor der Verwechselung mit Zukunftsmalerei muß gewarnt werden. Im Gegensatz zu einer Futurologie, die aus den heutigen fortgeschrittensten Elementen ein komplettes Bild und Modell der Zukunftsgesellschaft entwirft, kommt es uns auf die Entwicklungsdynamik an. Die Zuspitzung von Widersprüchen interessiert, in denen die Möglichkeiten des Eingreifens entwickelt werden.
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Zweites Kapitel: Erhebungsinstrumente 1. Informanten Wir sahen bereits, daß die Methoden der Erforschung gesellschaftlicher Wirklichkeit abhängig sind vom praktischen Zweck und von'der Praxisform des Gegenstandes selbst. Welche Ansprüche stellt die Automatisierung in den Betrieben und Verwaltungen an die Methoden der Informationsgewinnung? Das Studium der automatisierten Arbeit im Kapitalismus und der Folgen für die Persönlichkeitsentwicklung der Arbeitenden verlangt ein Instrumentarium der Informationserhebung, das einen aktuell sich umwälzenden Entwicklungsprozeß mitsamt seinen Bedingungen und Wirkungen zu erfassen gestattet, das dazu geeignet ist, die Herausbildung und Entwicklung der Auseinandersetzungen und Problemzuspitzungen, die Erarbeitung und Durchsetzung je interessierter Lösungsvorstellungen zu erfassen. Der empirische Zugriff muß mit einem hohen Maß an Neuartigkeit und Umstrittenheit der auftretenden Probleme und an Unsicherheit ihnen gegenüber rechnen, das es verbietet, fix und fertige Einsichten oder Meinungen abzurufen und auf ihre bloße Verteilung hin zu untersuchen. Entsprechend sind die in die Untersuchung einbezogenen Personen nicht als lebendige Datenspeicher, sondern als Problemlöser aufzufassen und anzusprechen. Insbesondere dort, wo die Arbeitenden eher als Betroffene denn als aktiv Eingreifende im Arbeitsprozeß angetroffen werden, sind sie durch die Erhebungsmethoden nicht wie ein Inventar von Reaktionen oder Reflexen zu behandeln, die durch geschickte Stimulierung auszulösen wären, und dergestalt nicht noch ein zweites Mal zu passivieren. Noch dort, wo auf Schablonen und Gemeinplätze zurückgegriffen wird, wird eine an der sich entwickelnden Handlungsfähigkeit der Befragten interessierte empirische Forschung dies als gehemmte Reflexions- und Handlungsfähigkeit der Individuen begreifen und auf ihre Bedingungen untersuchen müssen. Inwieweit vermögen die verfügbaren Erhebungsinstrumente solchen Ansprüchen zu genügen? Verfolgt man die Entwicklung der Automationsforschung (vgl. 2. Übersicht. S.65), so zeigt sich eine wachsende Bewegung in der Verwendung traditioneller Erhebungstechniken und über sie hinaus: versucht wird mehr und mehr, durch Zusammenführung verschiedener Instrumente und wechselseitige Beleuchtung der mit ihnen erzielten Ergebnisse die Leistungskraft empirischer Sozialforschung zu erhöhen. Lutz und Schmidt sprechen von einer »weit ausgreifenden Methodeninnovation« in der »jüngste(n) Entwicklung der Industriesoziologie«, verbunden mit einem »wachsenden Bedürfnis nach ARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
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methodischer Reflexion und besserer methodischer Kontrolle des forschungspraktischen Vorgehens« (1977, S.229). Eine Auswertung von 16 Projektentwürfen, die dem DFG-Forschungsschwerpunkt Industrieund Betriebssoziologie im Frühjahr 1976 vorlagen, konstatiert »augenscheinliche^) Ungenügen des traditionellen Instrumentariums« und »mehr oder weniger kreative Versuche, die methodologische Distanz zur sozialen Realität zu überwinden«, insbesondere einen verstärkten Trend zu qualitativen Verfahren. Die Gründe werden in der »Eigenart... des Forschungsgegenstands« gesehen: die widersprüchliche Entwicklung kapitalistischer Arbeit werde vermittels der traditionellen Zugriffsweisen nur oberflächlich erschlossen, ein Großteil der bisherigen Ergebnisse sei nicht unbedingt falsch, aber »irrelevant«. Überdies wachse die Zahl der im Forschungsprozeß verwandten Verfahren, was durch »Validierungsbemühungen« motiviert sei: »Die gegenseitige Absicherung und der Vergleich der durch unterschiedliche Techniken erbrachten Ergebnisse soll insbesondere den experimentellen Erhebungsmethoden den Charakter subjektiver Beliebigkeit nehmen ...« (Lau 1977, S.144ff.) Die Verwendung qualitativer Verfahren, die Bündelung verschiedener Methoden und der Vergleich der mit unterschiedlichen Instrumenten erhobenen Daten genügen jedoch noch nicht. In jedem EDV-Lehrbuch steht: Automatische Maschinerie ist datenverarbeitende Maschinerie. Daraus folgt, daß der widersprüchliche und umkämpfte Entwicklungsprozeß der Automatisierung der Arbeit als ein Kampf um Daten und Informationen abzubilden ist, als ein Vorgang der Informationsgewinnung, -Verarbeitung und -Vervielfältigung, aber auch der Informationsvorenthaltung, -filterung und -Verzerrung. Mittels EDV werden Informationszusammenhänge in einem Maße aufdeckbar wie nie zuvor, können Institutionen wie Personen »durchsichtig« gemacht werden. Verwissenschaftlichung der Produktion ermöglicht Kontrolle, Eingriff und Entscheidung im betrieblichen Produktionsprozeß praktisch von jedem Ort aus. So verwundert es nicht, daß die Beteiligten höchst gegensätzliche Interessen daran haben, Informationssperren entweder einzureißen oder zu befestigen. Wo die Produzenten betriebsstrategische Informationen sogar produktionsnotwendig brauchen, suchen die Unternehmer sie noch zu begrenzen; wo die Unternehmer ihre Kontrolle über die Arbeitenden verstärken wollen, suchen diese nach Informationsbarrieren. Und dies alles wird im Bewußtsein der Beteiligten noch einmal auf höchst unterschiedliche Weise verarbeitet. Auf solche Veränderungen der informationellen Dimensionen in der sich entwickelnden Arbeit stößt der Forscher, der zum Zwecke der Informationsgewinnung die Fabrik oder das Büro betritt und wissen will, wo und wie konkret, in welcher Richtung und durch welche Widerstände gehemmt, ARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
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diese Veränderungen wirksam werden. Einigermaßen bekannt sind ihm die strukturellen Informationsbeziehungen in der kapitalistischen Arbeit und ihre Grundlagen im Gegensatz von Lohnarbeit und Kapital, in der Konkurrenz der Lohnarbeiter untereinander, in der wachsenden Gesellschaftlichkeit privater Arbeit: die Informationen fließen von oben nach unten spärlicher als umgekehrt und haben ihr Maß an dem Interesse, die Produktion nicht ins Stocken geraten zu lassen; die Formen, in denen sie artikuliert werden, sind nach mehreren Seiten beschränkt: die buchhalterisch offenlegend-verschleiernde Redeweise des Managers, die technische Funktionssprache des Ingenieurs, die eingeschränkte Verbalisierbarkeit des in der industriellen Produktion zum Tragen kommenden Denkens der Arbeiter. Im AS 19 (S.203ff.) hatten wir darauf hingewiesen, daß in den unterschiedlichen Artikulationsweisen sich der jeweils unterschiedliche praktische Umgang mit der Wirklichkeit ausdrückt, das jeweils unterschiedliche praktische Interesse an ihr, daß auch vom Standpunkt der Arbeitenden nicht notwendig die gesamte Perspektive erfaßt werde, da der einzelne Arbeitende zwangsläufig den Widersprüchen der Wirklichkeit ebenso ausgesetzt sei, wie er auf der anderen Seite den interessierten Standpunkt des Managements korrigieren müsse. Sich als empirischer Forscher bei der Informationsgewinnung von vorneherein »auf nur einen Standpunkt zu begeben, hieße, die zu untersuchende Wirklichkeit auf eine spezifisch einseitige, verkürzte Weise zu erfassen. Notwendig ist also der Rückbezug einzelner Aussagen auf ihren praktischen Grund, um ihnen den Schein der Selbstverständlichkeit und Geschlossenheit zu nehmen und ihre Grenzen zu bestimmen. Notwendig ist darüber hinaus die Einbeziehung möglichst aller Standpunkte, um, wenn Richtiges und interessiert Falsches in den verschiedenen Informationen entmischt und die adäquaten Aspekte herausgearbeitet sind, ein möglichst umfassendes Bild der Wirklichkeit automatisierter Arbeit zusammensetzen zu können. Das bedeutet, möglichst alle an den untersuchten Produktionsprozessen in irgendeiner Form Beteiligten und also Interessierten in die empirische Untersuchung einzubeziehen ...«(ebd., S.204) Dieses Interesse an den praktisch Involvierten als Informanten verbietet übrigens deren Aufteilung in Experten und wie auch immer bestimmte sonstige Meinungsträger. In unseren Erhebungen haben wir unsere Informanten immer als Experten aufgefaßt für ihren Bereich; wir haben Arbeiter in der industriellen Produktion, Verwaltungsangestellte, davon Betriebsund Personalräte, Unternehmensvertreter (Abteilungsleiter, Personalchefs, Geschäftsführer, Werksleiter etc.), Betriebsingenieure, Ausbilder, Betriebspsychologen und -Soziologen in unsere Untersuchungen einbezogen. Wenn sich mit der automatischen Maschinerie die betrieblichen InARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
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formationsbeziehungen, die produktionsnotwendigen Kommunikationsweisen und die Verarbeitungsformen im Bewußtsein der Beteiligten verändern, dann muß der Forscher auch bei der Herstellung der Instrumente der Informationsgewinnung dem Rechnung tragen. Er kann erwarten, daß die Automatisierung einen Druck zu größerer Rationalität des Denkens und Sprechens in der Arbeit entfaltet, diese jedoch nicht einfach an die Stelle der alten informationellen Restriktionen tritt, sondern mit diesen auf neuartige und zugespitzt widersprüchliche Weise verschmilzt. Wenn etwa der Manager eines automatisierten Chemie-Betriebs sagt: »Unser Werk ist im Grunde ein sozialistischer Betrieb« — so kann dies bedeuten, daß er das Wachstum betrieblicher Sozialleistungen herausstreichen will, oder aber auch, daß er eine Tendenz zur innerbetrieblichen Demokratisierung beschwören und mittels einer Formel, die Unvereinbares zusammenbindet, seiner Furcht vor explosiven Veränderungen Ausdruck verleihen will. Wenn ein Sachbearbeiter in einer Verwaltung die Veränderungen seiner Arbeit durch den Einzug eines EDV-Systems in dem Satz zusammenfaßt: »Die Arbeit war früher einfacher zu bewältigen; sie ist jetzt vielschichtiger geworden, man muß mehr mitdenken, logischer denken« — dann drückt sich darin eine starke Ambivalenz der Erfahrung wachsender Anforderungen aus, Unzufriedenheit und Zufriedenheit zugleich über eine sinnvollere, vielseitigere, in stärkerem Maße rationale Arbeit; woher aber rührt diese Ambivalenz? Wo mit solcherlei Mehrdeutigkeiten und Ambivalenzen in den Informationen zu rechnen ist, mit einer neuen Qualität der Informationsvielfalt und der Anforderungen an ihre Verarbeitung bei gleichzeitiger Gebrochenheit und Frägmentarisierung der Botschaften, wo die verbale Konzentration auf einen Punkt von einem anderen ablenken und das Schweigen beredt sein kann, dort ist die Rekonstruktion realer Entwicklungszusammenhänge auf dem Wege nur eines Informationszugangs nicht zu leisten. Zugleich muß hier die Arbeitskraft bloß Einzelner versagen: Wir haben uns kollektive Arbeitsformen zur Pflicht gemacht, kollektive Formen der Informationsgewinnung und -auswertung, um die Informationsverluste so gering wie möglich und die eigene Informationsverarbeitung wechselseitig unter Kontrolle zu halten, um im Vergleich, in der gegenseitigen Ergänzung und Korrektur der individuell protokollierten Informationen ein Stück Rekonstruktionsarbeit am Gegenstand zu leisten. Da wir für den Fall der Nutzung technischer Medien, die nichts auslassen und gnadenlos noch das kleinste Detail dokumentieren, mit größerer Zurückhaltung, wenn nicht Angst der Informanten rechneten, haben wir auf sie verzichtet und handschriftlich protokolliert; dabei versteht sich, daß eine Gruppe mehr Informationen festhält als ein Einzelner. Es sei nicht verschwiegen, daß kollektive Formen der Informationsgewinnung mit Belastungen und ReibungsverluARGUMENT-SONDERBAND
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sten eigener Art verbunden sind: Abgesehen von individuellen Kompetenz- und Erfahrungsdifferenzen, gibt es individuelle Interessenfixierungen, die situationsinadäquat sein und eine Erhebungsstrategie durchkreuzen können. Die Mitglieder der Gruppe können sich selbst im Wege stehen. Anhand von Differenzen in den erhobenen Informationen konnten wir die Neigung ausmachen, schon bei der handschriftlichen Prötokollierung gleichsam zu »beschönigen«, im Sinne vorgängiger theoretisch-historischer Überlegungen zu selektieren; als erkannte wird eine solche Neigung freilich auch der Kontrolle zugänglich. Für die Konstruktion des Instrumentariums der Informationsgewinnung ist es von Bedeutung, daß sich mit der Automatisierung der Arbeit Verschiebungen zwischen den sinnvollerweise einsetzbaren Erkenntnismitteln verbinden. Es genügt also nicht die einfache Bündelung verschiedener Erhebungsinstrumente, vielmehr unterscheiden sich diese hinsichtlich ihres spezifischen Gewichts, ihres Leistungsvermögens im Erkenntnisprozeß. 2. Beobachtung Weiß man aus der Geschichte der Arbeit, daß die Bedeutung der Anschauung im Arbeitsprozeß mit dem Vordringen der Wissenschaft abnimmt, so bestätigen Beobachtungsversuche von Tätigkeiten unter Automationsbedingungen das beschleunigte Voranschreiten dieser Entwicklung; etwas vereinfacht: Wenn beispielsweise der Funktionszusammenhang eines mechanischen Uhrwerks noch »sichtbar« ist und Rückschlüsse etwa auf die kognitiven Anforderungen seiner Zusammensetzungen erlaubt, gilt dies für die Abläufe in einer integrierten Schaltung und ihre Wirkungen in gar keiner Weise mehr. Automatische Maschinen stellen sich der ersten Wahrnehmung etwa als geschlossene Schränke dar, denen man nicht ansieht, wie sie im Innern funktionieren, und auch wenn man einen Blick ins Innere tut, begreift man zumeist noch weniger. Hinzu kommen spezifische Täuschungsgefährdungen durch die zunehmende Unanschaulichkeit der Arbeit: Als ein typisches Produkt »getäuschter« Beobachtung erscheint uns der in der Automationsforschung geläufige Begriff der »Passivzeiten«: er ist aus der Wahrnehmung körperlicher Bewegungslosigkeit bei Überwachungstätigkeiten abgezogen und blendet die unmittelbarer Beobachtung nicht zugängliche, möglicherweise sehr angeregte psychische Aktivität aus. Oder: Die Bewegung der Hand als Eingriff in einen maschinell selbsttätigen Arbeitsablauf verrät auch der angestrengtesten Beobachtung nicht, was da bewegt wird: Die Folge kann der Anstoß eines komplexen Programmablaufs sein oder die schlichte Eingabe eines Datums; vollends bleibt verschlossen, was für diesen Eingriff im Kopf an Denk- und Antriebsleistungen mobilisiert werden muß. BeobARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
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achtung automatisierter Tätigkeiten bleibt also hilflos, wo sie nicht eingebettet ist in andere Erschließungsweisen dessen, was in den Tätigkeiten vor sich geht. Dergestalt muß Beobachtung »belehrt« werden durch die geschichtliche Entwicklung bestimmter Arbeitsprozesse, durch das allgemeine technologische Verständnis maschineller Funktions- und Verfahrenszusammenhänge, um das, was am Gegenstand beobachtbar ist, in seiner Bedeutung für den Arbeitsprozeß erfassen zu können, um der in der sinnlichen Wahrnehmung von Haus aus beschlossenen Tendenz zur Ausgleichung und Harmonisierung von Wahrnehmungsdaten zu widerstehen. Was aber kann Beobachtung leisten? Nützlich ist fraglos, die Unanschaulichkeit der Arbeitsprozesse und ihrer räumlichen Bedingungen überhaupt in das Vorstellungsvermögen aufzunehmen. Darüberhinaus konnten wir uns in Beobachtungen gelegentlich erste Aufschlüsse und Daten besonderer, häufig ungeplanter Situationen im Arbeitsprozeß verschaffen: Wie ist das Erscheinungsbild des Handelns der Arbeitenden etwa im Falle einer Störung? oder im Falle einer Umstellung der Arbeitsweise, des Einfahrens neuer Programme oder neuer Maschinen? Eine Situation, die bei beschleunigtem Innovationsrhythmus immer alltäglicher wird und für die ein hohes Maß an neuen Aufgabenstellungen und unfertigen Lösungen charakteristisch ist. Das gab Stoff für genaueres Nachfragen nach den Anforderungen ans handlungsnotwendige Denken und Wissen, an die besonderen Kooperations- und Entscheidungsprozesse etc. Wo immer solche Situationen nicht oder nicht konkret genug antizipiert werden können, ist ihre unmittelbare Beobachtung von großer Bedeutung; zugleich verlangt sie jedoch, sollen diese Situationen und ihre persönlichkeitswirksamen Anforderungen voll erfaßt werden, ihre Kombination mit anderen Erhebungstechniken. Eine solche Kombination hat dann zugleich auch die Funktion wechselseitiger Kontrolle der Instrumente und der mittels ihrer erhobenen Daten. Über die notwendige Beobachtungsdauer läßt sich in unserem Zusammenhang keine einheitliche und begründbare Norm erheben: könnte man mit Blick auf mechanisierte Arbeitsprozesse noch sagen, daß mit zunehmender Dauer der Beobachtung das Verständnis für die Bedeutung und den Zusammenhang körperlicher Bewegungen verbessert wird, so gilt das hinsichtlich automatisierter Arbeit nur bedingt. Die Dauer unserer Beobachtungen schwankte zwischen einer halben Stunde und fünf Stunden. Gerade weil man Gefahr läuft, blind vor einem undurchdrungenen Geschehen zu stehen, und dauere das Draufschauen auch noch so lange, wächst die Bedeutung vorgängiger Beobachterschulung, soll die sowieso schon eingeschränkte Möglichkeit der Anschauung auch wirklich genutzt und ausgeschöpft werden. Beobachtungsschulung bedeutet nicht nur einfache Übung, sondern ARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
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schließt das Wissen um die geschichtliche Entwicklung spezifischer Produktherstellungsprozesse und das allgemeine technologische Verständnis maschineller Funktions- und Verfahrenszusammenhänge ein. Je besser diese Schulung, desto sicherer und effektiver die Konzentration auf das für die Beobachtung Wesentliche. 3. Interview Gegenüber der Beobachtung scheint das Interview durch seine Sprachlichkeit die angesichts unseres Gegenstandes leistungsmächtigere Form empirischer Erfassung. Dort, wo Wissenschaft, wie begrenzt auch immer, in die Arbeit einzieht, wird diese zunehmend sprachlich durchdrungen, wächst die Notwendigkeit ihrer sprachlich vermittelten Reflexion. Die Diskrepanz, daß die Beschäftigten es mit Arbeitshandlungen zu tun haben, die häufig differenzierter sind als die sie abbildenden Sprachhandlungen, verringert sich in diesem Entwicklungsprozeß, wird jedoch nicht ohne weiteres aufgehoben. An dieser Diskrepanz kann das Interview ansetzen: als Instrument zur schrittweisen Bewußtmachung von Arbeitshandlungen, zur Aufdeckung und Reflexion von Problemlösungen, oder gar zu deren Erarbeitung und Verallgemeinerung auf Seiten der Befragten. Das wird beispielsweise dort deutlich, wo der Interviewte zugesteht, auf ein Problem aufmerksam geworden zu sein, das er so noch gar nicht wahrgenommen hatte. Es versteht sich, daß für eine solche Aufgabe eine Form des Interviews, die die Befragten als Reaktionsapparaturen auffaßt, die auf vorgegebene Stimuli in Bewegung geraten und »zu verbalen Informationen veranlaßt werden« (Scheuch 31973, S.70f.), völlig ungeeignet ist; Scheuch zufolge ist das bei dem aus geschlossenen Fragen aufgebauten, standardisierten Interview der Fall. Für unsere Zwecke kommt nur das qualitative Interview in Frage, das sich an einem Leitfaden orientiert, die konkrete Ausformulierung der einzelnen Fragen und ihre Reihenfolge jedoch der Situationseinschätzung der Interviewer überläßt. Aus der Methodologie des Interviews ist einiges zur Leistungsfähigkeit dieser Form der Informationsgewinnung bekannt (vgl. ebd. S.84ff., 96ff., 121ff.): Die offene Frage stelle höhere Anforderungen als eine vergleichbare geschlossene Frage. Letztere sei wahrscheinlich am geeignetsten, »das bloße Vorkommen einer Eigenschaft festzustellen«; demgegenüber bewirke die offene Frage »durch ihre unbezweifelbare größere Selektivität..., daß nur die im Bewußtsein des Befragten aktuellsten und damit (angeblich!) wichtigsten Sachverhalte hervorgehoben würden.« Darüberhinaus werde durch das qualitative Interview »die Möglichkeit überraschender Einsichten vergrößert« und die Chance eröffnet, durch »freies Nachfragen« weitergehende und andere Antworten als die zunächst erhalteARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
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nen zu ermitteln. Ermöglicht wird die flexible »Anpassung des Vorgehens an den einzelnen Befragten und die jeweilige Situation.« (ebd., S.122) Solche Möglichkeiten eröffnen sich freilich nicht mit einem Mal. unsere eigenen Erfahrungen bestätigen die Scheuch'sche Feststellung, daß die Qualität der Antworten in hohem Maße von der Kompetenz der Arbeit der Interviewer abhängt (ebd., S.84). Hier waren lange Lernprozesse notwendig. Auf der einen Seite mußten wir die spezifischen Potenzen kollektiver Befragung entdecken und nutzbar machen: etwa kreuzfeuerähnliche Techniken entwickeln, oder Techniken der Umzingelung, bei denen jeweils ein anderer Interviewer eine ausweichend beantwortete Frage auf einem anderen Wege erneut ansteuert. Auf der anderen Seite lernten wir, spezifische Antwortstrategien der Interviewpartner zu identifizieren und adäquate Reaktionen darauf zu entwickeln, vor allem zu Beginn unserer Untersuchungen haben wir uns von Informanten geradezu an der Nase herumführen oder durch allgemeine Sätze abspeisen lassen von der Art: »der Meßwart behebt Störungen« (auf die Frage nach seiner Tätigkeit); daß man hier sofort nachfragen muß nach Art und Schwere der Störungen, was denn »beheben« heißt, ob er in allen Fällen allein behebt etc., mußte erst gelernt werden. Wir mußten lernen, daß viele Unternehmervertreter eine Management-Schulung im »Einseifen« absolviert haben, daß Betriebsingenieure gerne technische »Steckenpferde« reiten und damit das Gespräch leicht auf Abwege führen, daß Betriebs- und Personalräte mitunter von sozialwissenschaftlichen Thesen (wie etwa der Polarisierungsthese) geradezu imprägniert sind, unbeschadet ihrer Wirklichkeitserfahrungen. — Ein besonderes Problem bilden Tabuwörter wie »Problem« oder »Konflikt«; bestimmte Fragen wird man, im Interesse des Gesamtinterviews, besser vermeiden. Bei Unternehmensvertretern z.B. gerät man mit Fragen nach Umwelt oder Lohn auf vermintes Gelände. Probleme, Konflikte, Fehler in Automatisierungsprozessen wird man indirekt erschließen müssen, etwa aus emphatischer Akzentuierung einer notwendigen Anforderung: »Programmierer und Maschinenbediener müssen ein Team bilden auf Gedeih und Verderb«. Direkte Antworten kann man hier nur von den Arbeitenden, von Betriebs- und Personalräten erwarten, und — auf einer allgemeineren Ebene — von betriebsexternen Experten wie etwa Unternehmensberatungen, die speziell mit Betriebskonflikten sich befassen (vgl. hierzu unsere Aufstellung, S.18). Auf ein generelles, »im Prinzip nicht aufhebbares Dilemma« der Kommunikationsstruktur des qualitativen Interviews hat Christel Hopf (1978, S.99ff.) aufmerksam gemacht: Die Beteiligten stehen sich ja nicht einfach distanziert-neutral gegenüber, sie müssen vielmehr zu ARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
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spontanen Reaktionen und Äußerungen fähig sein, diese jedoch zugleich zwecks Einlösung der Informationsfunktion bewußt zurücknehmen und unter Kontrolle halten. Hier liegt zweifellos eine Quelle laufender Verunsicherungen und Schwierigkeiten in der Interyiewführung. Hopf neigt jedoch dazu, die produktive Seite solcher Verunsicherungen, Spannungen und Konflikte, die spezifischen Lernmöglichkeiten, die darin beschlossen liegen, zu übersehen bzw. in der Beschwörung möglicher Störungen und Informationsverluste aufzulösen. Suggestive oder interpretierende Formulierungen des Interviewers z.B. engen nicht bloß den Artikulationsspielraum des Befragten ein (vgl. S.108ff.); sie können ebenso ein Element der Selbstkontrolle des Interviewers in seinem Erkenntnisprozeß sein, wie bei den Befragten die Fähigkeit der Verbalisierung bereits vorliegender Erfahrungen, den Abbau der Scheu vor offener Kritik etwa an bestimmten Merkmalen der Arbeitssituation befördern. Was Hopf als »Prozeß permanenter spontaner Operationalisierung« (ebd., S.111) beschreibt, birgt nicht nur das Risiko »vorschneller Kategorisierung«, sondern auch die Möglichkeit begrifflicher Anleitung eines erst schrittweise klarer werdenden Erkenntnisprozesses; auf die Schwierigkeiten, dies zu leisten, verweist sie freilich zu Recht: »In dem durch standardisierte Verfahren nicht geregelten Kommunikationsprozeß, in dem die Erfassung nicht antizipierter Reaktionen einen hohen Stellenwert hat, muß die Vermittlung von Abstraktem und Konkretem sozusagen improvisierend geleistet werden. Es müssen situationsgebunden allgemeinere Forschungsfragen in konkret bezogene Interviewfragen umgesetzt werden und umgekehrt müssen die von den Interviewten eingebrachten Informationen laufend unter dem Gesichtspunkt ihrer möglichen theoretischen Bedeutung beurteilt und auch bewertet werden — bewertet insofern, als der Interviewer unter dem dauernden Druck steht zu entscheiden, ob, an welcher Stelle und in welcher Form er Anknüpfungspunkte für ein Weiterfragen aufgreift« (ebd.). Gegenüber dem »Einwand mangelnder Vergleichbarkeit der Ergebnisse qualitativer Interviews wird zu Recht geltend gemacht, »daß gerade hier der Befragte statt nur mit formell identischen mit materiell äquivalenten Fragen konfrontiert werde.« (Scheuch 31973, S.122) Kontrolle wird hier ebenso wie bei der Beobachtung nicht durch das »Konstanzpostulat« gesichert: es kommt hier auf Entwicklungs- und Problemlösungsprozesse, und nicht auf die Identität der Situationen oder gar auf die Gleichheit der Wirkung von Stimuli an (etwa ob die Stimuli in der gleichen Reihenfolge, in vergleichbarer Länge und zum gleichen Zeitpunkt einwirken). Kontrolle wird zum einen personell gewährleistet, durch die kollektive Form der Erhebung und Auswertung; zum anderen instrumenteil, etwa durch Nutzung einer Reihe von Fragen als Kontrollfragen. ARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
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4. Gruppendiskussion Eine spezifische Beschränktheit des Interviews liegt dort, wo es Befragung Einzelner bleibt. Mit wachsender Vergesellschaftung der Arbeit, mit zunehmender Bedeutung der Kollektive auf den betrieblichen Kampffeldern, werden auch gesellschaftliche Formen der Informationsgewinnung unverzichtbar, nicht bloß auf der Seite der Interviewer, sondern auch auf der Seite der Informanten. Hier wird die methodische Tradition der Gruppendiskussion wichtig: »Man habe es nicht nur gleichzeitig mit mehreren Befragten zu tun, sondern die Gesprächspartner regten einander auch zu detaillierteren Meinungsäußerungen an« (Mangold 31973, S.230). Eher als die Situation des Einzelinterviews fördere die des Gruppengesprächs die Aktualisierung und Explikation sonst verstellter oder verdrängter Bewußtseinsinhalte. Eine industriesoziologische Arbeit hat etwa wesentliche Unterschiede zwischen den Urteilen derselben Arbeiter über arbeitsorganisatorische Veränderungen in den Einzelinterviews und in den Gruppendiskussionen festgestellt: Dies fand seinen Ausdruck in den Meinungen zum Management, die in den Gruppendiskussionen vorwiegend negativ waren, im Unterschied zu den Einzelinterviews, in denen nur eine Minderheit negativ sich äußerte (Banks 1957, zit. nach Mangold 31973, S.234f., 241f ). Auf Grund unterschiedlicher Interessen können Konflikte unmittelbar sichtbar werden, die sonst verborgen bleiben. Wir stießen aber auch auf eine Reihe von Schwierigkeiten in der praktischen Handhabung der Methode: Die ungleichmäßige Beteiligung der einzelnen Teilnehmer an der Diskussion; die soziale Kontrolle in der Gruppe, die möglicherweise einzelne Teilnehmer abhält, von der Gruppenmehrheit abweichende Anschauungen laut werden zu lassen; der behindernde Einfluß hierarchischer Unterschiede, der Anwesenheit von Vorgesetzten auf die Kommunikation. Zwar sehen die methodologischen Regeln des Verfahrens vor, daß die Diskussionsgruppe »Standards der Sachlichkeit« entwickeln, und von den Einzelnen eine »wissenschaftliche Grundhaltung« fordern solle, die Kontrollen entgegenwirkt (ebd., S.234). Die Bedingungen, unter denen in Betrieben und Verwaltungen Gruppendiskussionen durchgeführt werden, sind jedoch in vielen Fällen solchen Regeln nicht immer günstig: die auch sonst bestehenden Zeitrestriktionen wirken hier noch mehr, im Arrangement der Gespräche sind die Forscher nicht eben frei, die Einflußnahme von Vorgesetzten ist häufig nur schwer zu kontrollieren. Ein wichtiges (wenn auch beschränktes) Kontrollinstrument bleibt auch hier wieder der wechselseitige Vergleich der mittels verschiedener Instrumente erhobenen Informationen.
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5. Dokumentenanalyse Daß im Industrialisierungsprozeß generell Umfang und Bedeutung schriftlicher Informationen in der Arbeit explosionsartig zunehmen, daß mit der Automatisierung zugleich neue Informationstechnologien produktionsbestimmend werden, darauf ist oft aufmerksam gemacht worden (vgl. u.a. Szabö 1977). Den Forscher verweist dies auf den wachsenden Stellenwert des Studiums und der Analyse von Dokumenten. Wir bezogen in unsere Untersuchung ein: Geschäftsberichte, Arbeitsanleitungen, Systembeschreibungen, Benutzer-Handbücher, Stellenpläne und Stellenbeschreibungen, Organisatiönspläne, Aus- und Fortbildungsprogramme, Fließbilder und Organigramme, Werkszeitschriften, Werbematerialien und zugleich die Dokumente, die sich anderen Medien verdanken: Bildmaterial, Filme, Computer-Ausdrucke. Außer forschungsökonomischen Funktionen (Entlastung etwa der Interviews) hat die Dokumentenanalyse vor allem die Funktion eines verlängerten »Wahrnehmungsorgans« bei Sachverhalten, die der direkten Beobachtung und Befragung Widerstand bereiten. Zugleich werden umgekehrt die »Wahrnehmungsorgane« für Arbeitsplatzbeobachtungen und Interviews mit ihrer Hilfe enorm geschärft. Überdies werden mitunter in solchen Materialien Problemsituationen, notwendige Handlungen und Eingriffe der Arbeitskräfte dargestellt, die in der Praxis sporadisch und unregelmäßig auftreten, daher nur zufällig und häufig gar nicht unmittelbarer Erhebung zugänglich sind. Es versteht sich, daß für unsere Zwecke nur eine qualitative Inhaltsanalyse sinnvoll sein kann, und nicht eine quantitative als Klassifikation, als statistische Zusammenfassung symbolischen Materials durch geschulte Coder usw. Stattdessen ist an Kracauers Formulierung zu erinnern, daß die »Dokumente, die über eine platte Faktenanhäufung hinausgehen«, teilhaben »am Lebensprozeß und jedes ihrer Wörter vibriert von den Intentionen, aus denen sie herrühren und kündigt gleichzeitig die unbestimmten Wirkungen an, die sie künftig hervorbringen ... Die meisten Kommunikationen sind nicht so sehr fixierte Entitäten als ambivalente Herausforderungen. Sie fordern den Leser oder den Analytiker dazu heraus, sie zu absorbieren oder auf sie zu reagieren« (1952/53, 1972* S.57f.). Entsprechend verlangen die in der Untersuchung automatisierter Arbeit herangezogenen Dokumente ihre Übersetzung in die realen Kämpfe dieses Entwicklungsprozesses: Aus- und Fortbildungsprogramme etwa stellen sich als Themenlisten von Bildungsveranstaltungen dar und müssen als ein Stück Qualifizierungspolitik entziffert werden; Organisationspläne sind graphisch fixierte und harmonisierte Auseinandersetzungen um betriebliche Herrschaft etc. Zugleich müssen in der Forschungsarbeit fachspezifische SchranARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
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ken gesprengt werden. Insbesondere die traditionelle Spaltung zwischen Natur- und Gesellschaftswissenschaften verhindert eine adäquate Erkenntnis der Entwicklung der Arbeit. Sie muß aufgehoben werden; der Sozialwissenschaftler muß tendenziell Techniker werden, schon um der Gefahr zu entgehen, nur über Technik zu reden. Nicht zufällig stammen einige der industriesoziologischen Pionierarbeiten von ehemaligen Arbeitern oder Ingenieuren bzw. Leuten, die zeitweilig in der Industrie- und Verwaltungsarbeit praktische Erfahrungen gemacht haben (z,B. Friedmann, Jaeggi und Wiedemann, Bravermann, Mickler). Wo immer es möglich war, haben wir uns der technischen Beratung durch Angehörige wissenschaftlicher Institute des Maschinenbaus, der Informatik, der Schiffsbautechnik, der Brauereitechnologie etc. versichert. Wichtig waren für uns Messebesuche, technologiebezogene Grundlagenkurse und zwei mehrwöchige Betriebspraktika, in denen ganze Ablaufketten und Wirkungszusammenhänge rekonstruiert werden konnten und die Erfassung besonderer, vom Normallauf abweichender Situationen gesichert war. Solche Aktivitäten: Expertenberatungen, Messebesuche, Grundlagenkurse, Betriebspraktika, das Studium einschlägiger Lehrbücher, Zeitschriften und Betriebsanleitungen* dienten uns insbesondere zur Qualifizierung der Vorbereitung unserer empirischen Arbeit; auf die Vorbereitung haben wir umso mehr Gewicht gelegt, als sehr praktische Zwänge uns immer wieder zu einer entschiedenen »Ökonomisierung« der empirischen Arbeit anhielten: Die finanzielle Förderung der Universität war knapp bemessen, über Drittmittel haben wir nie verfügt, zum großen Teil haben wir unsere Arbeit aus den Honoraren unserer bisherigen Veröffentlichungen finanziert. Hinzu kamen die zeitlichen Restriktionen, denen man in Industriebetrieben und Verwaltungsbehörden unweigerlich unterliegt: man ist an Genehmigungsverfahren, an Zeitabsprachen, an individuelle Zeitund Arbeitspläne der Informanten gebunden; die Anwesenheit Fremder in Betrieben und Verwaltungen bedeutet in jedem Fall Kosten, Arbeitsunterbrechungen, Störungen, die zu Einschränkungen von Erhebungsplänen führen können. Die jeweils angesichts des Gegenstandes spezifischen Beschränkungen der Informationsgewinnungsinstrumente verlangen ihre wechselnde Integration in einen die wirkliche Entwicklung erschließenden Prozeß. Dies ist zugleich ein Prozeß der permanenten Entwicklung und Verbesserung des Erhebungsinstrumentariums selbst, der einhergeht mit der wechselseitigen Belehrung in der theoretisch-historischen Analyse der gesellschaftlichen Arbeit, mit der theoretisch-methodischen Kritik der vorliegenden empirischen Untersuchungen und dem laufenden Einsatz der Instrumente in der eigenen empirischen Forschungspraxis, als ein Prozeß ständiger Überprüfung, Kritik, Fehlerkorrektur ARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
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und Verbesserung der Erhebungsmethoden. Die Theoretisierung der laufenden Erhebungen schärft selbst wiederum den empirischen Blick. Dabei war uns nicht daran gelegen, Ungereimtheiten vorschnell aufzulösen; vielmehr waren wir darauf aus, durch Konfrontation von Aussagen von Beobachtungs-, Dokumenten- und Interviewdaten Widersprüche aufzudecken, um so die Entscheidung zu erleichtern, ob es sich um Mängel des Erhebungsinstrumentariums oder um Widersprüche in der sich bewegenden Sache selbst handelt. Auf die problematische Konsequenz unseres Vorgehens haben wir bereits im AS 19 verwiesen: »daß die eigene Forschungsarbeit die nach und nach herausgearbeiteten Ansprüche an eine theoretisch-empirische Erforschung automatisierter Arbeit selbst nicht restlos einzulösen vermag.« (S,205f.)
Drittes Kapitel: Auswertung 1. Illustratives Denken Bei der Untersuchung der Persönlichkeitsentwicklung durch die Arbeit fragen wir nach den Formen, in denen Vergesellschaftungsprozesse vollzogen werden. Über die konkreten Äußerungen solcher Prozesse und ihrer Teilmomente gibt es wenig Dissens, daher ist es nicht verwunderlich und muß wohl kaum extra begründet werden, daß wir Kooperationsstrukturen z.B. untersuchen, und daß wir sie durch Fragen nach Hierarchien, Kompetenzen und faktischem kooperativen Verhalten, der tatsächlichen Zusammenarbeit zu ermitteln suchen (vgl. dazu unseren Fragebogen im Anhang von AS 19). Wie aber verfahren wir jetzt, nachdem wir den Ausschnitt an Produktionswirklichkeit in Form von beantworteten Fragebögen, von Beobachtungen und Gesprächsprotokollen vor uns haben, bei der Auswertung und Vorstellung all dieser Daten? Es zeigt sich, die vorher ausgearbeitete und im Forschungsprozeß auch immer wieder verbesserte Theorie erspart uns einen eignen Forschungsprozeß »Auswertung« nicht, sie stellt vielmehr eine erste Gefahr dar. Sie verleitet dazu, daß die Forscher, die sich mit solcher Sorgfalt der historischen Herleitung um eine theoretische Absicherung bemühten und mit guten Grund darauf verweisen können, daß ein untheoretisches Herangehen an Wirklichkeit zu deren Begreifen nichts beiträgt, selber jetzt ihren theoretischen Rahmen so verstehen, daß sie die Wirklichkeit nurmehr als Veranschaulichung, als Illustration des vorher Gedachten mißbrauchen. Bekannt sind in diesem Zusammenhang z.B. Untersuchungen, die davon ausgehen, daß das Profitmotiv das Handeln der Unternehmer bestimmt und im Verlauf ihrer Arbeit Daten sammeln, die diese Annahmen bestätigen (vgl. dazu unsere Auseinandersetzung mit dem SoFi, in t ARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
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AS 31, S.65ff.). Am Ende ihrer Arbeit sind sie genau so schlau wie am Anfang, bestenfalls haben ihre Thesen an Farbigkeit, eben an Illustration gewonnen. Die Theorie, die Schlüssel sein sollte für den Zugang zur Wirklichkeit, wird zum Hindernis, welches die Möglichkeit, aus Erfahrung zu lernen, wirksam verbaut. 2. Indikatordenken Daß wir uns mit unseren theoretischen Erkenntnissen im Vorfeld unserer Untersuchung schon in heftige Auseinandersetzungen verwickelt fanden, begünstigte einen Umgang mit den erhobenen Daten, den wir im Unterschied zu dem eben erwähnten »Illustrativen Denken« mit dem Stichwort »Indikatordenken« belegten und, weil wir spontan immer wieder darauf verfielen, mit ausdrücklichem Verbot belegen mußten. Ausgehend von der historisch-funktional abgeleiteten Einsicht, daß die Änderung der maschinellen Produktionsbedingungen in automatisierte die Anforderungen an die Arbeitenden so ändern müsse, daß ein höherer Grad an Vergesellschaftung gefordert sei, versuchten wir die Daten so aufzubereiten, daß dieser Zusammenhang als einfache Kausalität sichtbar würde. Auch bei diesem Verfahren erfährt man nichts über die Wirklichkeit, was man nicht schon vorher wußte. Darüber hinaus ist eine Selektion der Daten unvermeidlich, die ihVe Grundlage allein in der Willkür der Forscher und nicht aus der Bewegung der Sache selber hat. Gegen solches Vorgehen wenden bürgerliche Sozialforscher zu Recht ein, daß die Theorie in die Daten hineinkonstruiert sei; ihr Verfahren, mit bescheideneren Theorien kleinere Ausschnitte zu betrachten, ist im Vergleich dazu sicher vorzuziehen. In unserem Fall war diese spontane Auswertungsmethode doppelt falsch. Sie widersprach nicht nur unserer Vorstellung, daß es nicht darum gehen kann, Theorien zu bestätigen, sondern Wirklichkeit zu erkennen; auch ist der in solchem Kausalitätsdenken enthaltene Reduktionismus und Ökonomismus unverträglich mit unserer Annahme, daß die Menschen sich selbst vergesellschaften, handelnde Subjekte sind und nicht bloße Reflexe von Umweltbedingungen. 3. Progressive Problemverschiebung Aber wie sollten wir mit den erhobenen Daten umgehen, unter der Voraussetzung, daß sie subjektive Verarbeitungsformen eines widersprüchlichen Feldes sind, in dem sich zudem die Feldstruktur geändert hat? Wir versuchten Thesen zu formulieren, Annahmen über neue Formen und diese zu verwenden als Suchstrategien, die uns zu Entdeckungen über die geänderte Wirklichkeit führen sollten. Aber auch diese Thesen bewegten sich spontan in den Formen des Bisherigen, ARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
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des Hergebrachten und erweisen sich in dieser Bestimmtheit als Verhinderer von neuen Entdeckungen. Dahinter verbirgt sich das allgemeine Problem, daß die Forscher im Grunde nicht wissenschaftlich denken, daß sie in den Formen verharren, statt über sie zu arbeiten, und daß das Denken als ein von der sozialen Wirklichkeit unabhängiger Prozeß begriffen wird, der es erlaubt, Veränderungen in der Wirklichkeit wahrzunehmen mit alten Begriffen, also ohne daß eben diese Wirklichkeit als Zwang für neue Begriffsbildungen aufgefaßt wird. So nahmen wir z.B. an, daß bisherige Verhinderungen in der Vergesellschaftung abnähmen, andere, der Entwicklung förderliche Elemente dafür an Umfang gewönnen, daß Widersprüche durch einseitige Auflösung tendenziell verschwänden, statt von vornherein an neue Qualitäten zu denken und als Auftrag zu begreifen, daß wir die Denkstrukturen, in denen das Neue gefaßt werden könnte, selber erst noch im »Auswertungsprozeß« produzieren mußten. Immerhin waren wir nicht so unbelehrbar, daß wir die Alarmzeichen nicht sahen. In vielen Fällen sperrten sich die von uns zusammengetragenen Daten gegen unseren durch thesenförmige Annahmen strukturierten Zugriff. Unsere Erwartungen wurden weder bestätigt, noch einfach verworfen, sondern das Forschungsfeld erwies sich hartnäckig als anders als das Denken darüber. Schließlich kamen wir darauf, daß die Probleme auf einer anderen Ebene lagen, als wir annahmen. Die wirklichen Vorgänge waren es, die uns als Forscher aus den gewohnten Denkformen herauszwangen. Wie also kann man verfahren, daß man auf neue Problemebenen vorstößt, daß man im Forschungsfeld sich den Blick auf das Neue nicht selbst verstellt? Wie kann man Erkenntnisfortschritte erreichen durch, wie Lakatos es nennt, »progressive Problemverschiebung«? Wie entdeckt man neue Zusammenhänge, statt sie zu konstruieren? Wir haben die Protokolle aus den Betrieben immer wieder studiert, ohne daß uns die neuen Probleme auffielen. Dies war nicht allein eine Frage der spontanen Vorurteile, sondern auch das Unvermögen, aus dem Ganzen die Besonderheiten ohne weiteres zu erkennen. Es mußte eine Forschungsweise gefunden werden, die es überhaupt erlaubt, daß das Neue sichtbar wird. Die Struktur des Feldes, in dem die Veränderungen vorgenommen waren von Seiten der Maschinerie und neue Verarbeitungsweisen von Seiten der Arbeiter und Unternehmer die Folge sein mußten, mußte von uns so zerlegt werden, daß der Blick auf neue Zusammenhänge frei werden konnte. Wir nannten diese Forschungsphase die Datentheorisierung. 4. Tabellenkonstruktion Um die zerlegten einzelnen Aspekte als Teillösungen anders gelagerter Widersprüche, als Momente neuer Zusammenhänge zu erschließen, ARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
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müssen sie mit den anderen Strukturelementen des Feldes so zusammengesetzt werden, daß die neuen Aktionen und Reaktionen sichtbar werden. Wir entschlossen uns also, Tabellen herzustellen und die Rubriken so zu wählen, daß im widersprüchlichen Feld die neuartige Lö-' sung als ebenso neues Ergebnis für uns auftauchen kann, daß wir wirklich Neues entdecken. Daß wir immer wieder in Versuchung gerieten, illustrative oder Indikatortabellen herzustellen, haben wir oben berichtet. Der in seiner Einfachheit künstliche Zusammenhang von nur wenigen Variablen verführt dazu, nur solche Zusammenhänge zuzulassen, deren theoretischer Richtigkeit man gewiß zu sein glaubt. Zudem stellt eine Zusammenstellung von Variablen in einem Koordinatensystem den Kausalzusammenhang fast naturwüchsig her; die Anstrengung muß also darauf gerichtet sein, diesen bequemen Eigenschaften der durch die Tabellenform hergestellten Logik entgegenzuarbeiten, ohne daß eine andere befriedigende Form gefunden wäre, Zerlegung und Zusammensetzung anders sinnfällig zu machen. So zeigt es sich, daß die Auswahl und Zusammenstellung der Daten überhaupt kein Problem ist, wenn wirklich mechanische Größen zueinander in Beziehung gesetzt werden wie z.B. die Wertgröße der Arbeitsplätze und die Kosten, die die Fehler verursachen. Die neue Information, die hier aus einer Tabelle entspringt, liegt in der Andersgeartetheit der sinnlichen Wahrnehmung, die bei zahlenmäßiger Vorführung und erst recht bei der Übersetzung in eine graphische Darstellung möglich ist. Welche Auswahl an Daten aber bringt man in einen Zusammenhang, ohne daß er damit als kausal konstruiert wird, noch bloß Theorie bestätigt wird? Für die Schwierigkeit unseres Unterfangens suchten wir Hilfe in den fortgeschrittensten Industriesoziologischen Untersuchungen. In der Studie aus dem Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen gibt es — neben einer Reihe einfacher mechanischer Daten — im wesentlichen eine Tabelle, die die Datenauswahl und -Verarbeitung für die verschiedenen Betriebe/Branchen zeigt. Hier werden die Qualifikationsanforderungen der verschiedenen Funktionsgruppen in vier Hauptanforderungen zerlegt und in ihrer Intensität (vercodet nach fünf Stufen, meist von sehr niedrig bis hoch) gemessen. Hinzu kommen 14 Feingliederungen für die verschiedenen Anforderungsgruppen. Es ist klar, daß die im Buch wiedergegebene Tabelle nur die Darstellung der vorhergehenden Auswertungsarbeit ist. Welches aber war die Auswertung, die es den Forschern ermöglichte, neue Einsichten über die Wirklichkeit zu gewinnen? Sie bestand im wesentlichen in der Bewertung und Subsumtion der Tätigkeitsanforderungen unter das vorher vorhandene KategorienARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
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system, welches von sensumotorischen über perzeptiv-routinemäßige und Denkanforderungen bis hin zu arbeitsmotivationalen Anforderungen reicht. Hier ist nicht der Ort, die Kategorien selber zu diskutieren, die zum Teil das Nicht-Begriffene, wie es spontan geäußert wird,cals Begriff aufnehmen — wie etwa »Materialgefühl« — zum Teil so weit von der Pröduktionswirklichkeit entfernt sind, daß die Zuordnung und Bewertung nach hoch und tief willkürlich scheint — wie z.B. Kommunikative Sensibilität — (vgl. dazu unsere Auseinandersetzung in AS 31, Berlin 1979, und unsere Kritik der Kategorien der Handlungsstrukturtheorie in Forum Kritische Psychologie 6, AS 49). 5. Anforderungsstruktur Allerdings ist die Fragestellung der Autoren eine andere als die unsere. Sie suchen nicht nach der Persönlichkeitsentwicklung durch die Arbeit, bzw. genauer, nach den Veränderungen der Bedingungen und ihrer Verarbeitung durch die Produzenten, sondern ihr Interesse gilt nur einem Element aus dem Gesamtzusammenhang, der der Anforderungen und ihrer Veränderung. In der Untersuchung des SoFi wird hier vergleichend in Kategorien der Zu- und Abnahme gemessen, wieviel an Motivation, an sensumotorischen Fertigkeiten, an Materialgefühl etc. an einem Arbeitsplatz benötigt wird, dies verglichen zum Stand vor der Einführung von Automation. Die Autoren arbeiten mit überhistorischen Strukturbegriffen — wie sensumotorisch, perzeptiv-begrifflich, Denkanforderungen, motivationale Anforderungen — und verdecken, indem sie Einzeltätigkeiten herauslösen und jetzt das Ausmaß der Inanspruchnahme des Kopfes, der Gefühle und der Hände als unmittelbaren Ausfluß dieser Einzeltätigkeiten betrachten, das Problem, daß das, was hier als »Anforderung« auftritt, selber ein Zusammengesetztes ist, Resultat des Kampfes zwischen den Anforderungen, die sich aus der Technologie des Arbeitsplatzes, seiner spezifischen Organisation, des darin enthaltenen Unternehmerhandelns und der durch die Arbeiterbewegung und -interessenverbände gesetzten Gegenwehr, der betrieblich hierarchischen Struktur, der zusätzlichen Unternehmerstrategien und auch des Lohnarbeiterstatus ergeben. Sie alle bestimmen, was schließlich konkret als Anforderung zur Verarbeitung auftritt, noch nicht, wie die Einzelnen oder auch das Kollektiv sie ergreifen. Gerade um die neue Art der Vergesellschaftung in der Arbeit zu begreifen, scheint es auch uns notwendig, die Anforderungen, die durch die Arbeitsinstrumente an die Produzenten gestellt werden, herauszuarbeiten. Sie stellen die Herausforderung dar, die das Feld der Vergesellschaftung zur Umschichtung bewegt. Um das Bewegende von seiner aktuellen Gestalt, von zufälligen Formen ebenso zu trennen wie von denen, zu denen es die MögARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
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iichkeit bietet, scheint es uns notwendig, den Komplex »Anforderungen« noch einmal zu zerlegen: die in den Maschinen enthaltenen Aufforderungen ans Handeln von den durch die Geschichte der Arbeitsteilung und der Klassenkämpfe bestimmten Strukturen zu trennen, sie analytisch vorzuführen. Damit aber stellt sich die Frage neu, wie denn Widersprüche in einer durch solche Zerlegung strukturierten Datenmenge — statt verdeckt — sichtbar gemacht werden können, so daß überhaupt eine Möglichkeit besteht, die Veränderungen nicht bloß zu konstatieren, sondern die durch die handelnden Menschen stets neu produzierten Lösungen als solche auch zu entdecken. Unsere Frage nach den neuartigen Vergesellschaftungsformen als Frage nach den neuen Verarbeitungen im veränderten widersprüchlichen Feld veranlaßt uns nicht, etwa zum Komplex der durch die Arbeitsinstrumente gegebenen Anforderungen oder der Tätigkeiten etc. eine vollständige Bestandsaufnahme zu machen. Die Frage nach den Umwälzungen entläßt uns aus dem Zwang, das Ganze vorzuführen. Welches aber ist der Leitfaden für die Selektion, der es uns erlaubt, große Teilbereiche einfach wegzulassen, einseitig vorzugehen? Wir erinnern uns, daß wir davon ausgingen, daß der Mensch sein menschliches Wesen außer sich findet, sein Vermenschlichungsprozeß also seine Vergesellschaftung ist (vgl. dazu AS 19, Berlin 21979, S.12ff). Dieser Aneignungsprozeß findet im Laufe der Menschheitsgeschichte in von den Menschen produzierten und sie zugleich unterwerfenden Formen statt, in Produktionsverhältnissen. Die einzelnen finden das Feld, in das sie sich hineinvergesellschaften, strukturiert vor, allerdings widersprüchlich als Kampffeld. Die Übernahme gesellschaftlicher Aufgaben wie die Verhinderung der Kontrolle der gesellschaftlichen Lebensbedingungen müssen beide als Lebenstätigkeit individuell verarbeitet werden. Dieser Prozeß beinhaltet immer die Möglichkeit und Notwendigkeit, neue, entwickeltere Lösungen für die vorhandenen Widersprüche zu finden — dies auf historisch möglichem Niveau. Perspektive ist der kollektive gesellschaftliche Plan oder in Begriffen des Werdens: der Abbau der Behinderungen in der Vergesellschaftung. 6. Ansatzdenken Orientiert an diesem Leitfaden suchen wir also nach den Umschichtungen im Untersuchungsfeld, die in der Perspektive der Selbstvergeseüschaftung von Bedeutung sind. Auch hier haben wir spontan viele Fehler gemacht, die zu endlosen Auseinandersetzungen führten. Wir nahmen an, daß wir die Veränderungen von der Perspektive her, also als »Ansätze«, als Miniaturausgaben einer »Endform« ausmachen könnten (vgl. dazu die Auseinandersetzung um die »sozialistische Persönlichkeit« in der Zeitschrift Sozialistische Politik 1976 und 1977). DaARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
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bei war es richtig, nicht zu versuchen, das Vorgefundene in den Formen des Alten, Vergangenen abzubilden. Allerdings verkannten wir, daß das perspektivische Denken ja selber nicht die Begriffe für die hier und heute möglichen Formen abgibt, ebensowenig übrigens wie für die zukünftigen. Solche Annahmen — wir nannten sie das »Ansatzdenken« — sind ebenso reduktionistisch wie die weiter oben geschilderten, die aus dem Vorhandensein von Automation die Verwissenschaftlichung als praktischen Reflex resultieren lassen wollten. Sie vergessen immer wieder, daß die handelnden Menschen selber ihr Leben produzieren und daß die konkrete Weise, wie sie dies tun und welche Lösungen sie für die anstehenden Widersprüche finden, weder genauen Gesetzen gehorcht, noch theoretisch ableitbar ist. 7. Neues Denken ermöglichen Statt dessen verfolgen wir die Entwicklung der Selbstbestimmung, wie sie sich in neuen Formen in der Fremdbestimmung entfaltet. Dabei nehmen wir an, daß der Formwechsel ausgelöst wird durch die Herausforderung der veränderten gegenständlichen Produktivkräfte, der Arbeitsinstrumente. Dadurch wird in der Feldstruktur die Anordnung der Elemente verändert. Was bisher den Arbeitseinsatz bestimmte — z.B. die Lohnform — reicht als dominante regulierende Größe u.U. nicht mehr aus, ohne daß jedoch die Produktionsverhältnisse aufhören, diese Dominanz zu fördern. In diesem schärfer widersprüchlichen Verhältnis müssen neue Handlungsformen gefunden werden, sie zu erfassen ist unser Problem. Es ist dies unter dem Gesichtspunkt der Erkenntnis vor allem ein Problem der Begriffsbildung. Für das Problem der Datenauswahl und -Zusammensetzung folgt aus alledem, daß sie die neuen Vergesellschaftungsformen, die Widerspruchslösungen vorführen müssen als Probleme der Produktionsprax/s, wie sie uns aus der Analyse der »Anforderungen« durch die Arbeitsinstrumente gegeben sind. Wie werden z.B. Anforderungen, den Produktionsprozeß in graphentheoretischer Anordnung zu begreifen, gelöst von den Produzenten? In welchen Lernarrangements werden sie darauf vorbereitet? Durch welche vorgängige Erfahrung können sie dieses leisten? Wie kooperieren sie, wenn die Maschinerie quer zu den gewohnten Hierarchien steht? Wie werden Unterordnungsverhältnisse durchgesetzt, Produktionsverhältnisse aufrechterhalten, wenn zugleich der gesellschaftliche Nutzen der Produktion zur motivierten Handlung propagiert werden muß, wie der private Profit als bestimmende Größe von den an ihm nicht beteiligten Produzenten beim Produzieren bewußt verfolgt werden soll usw. Die praktischen Probleme der Produktion und der Aufrechterhaltung der Produktionsverhältnisse, das eine im anderen, geben uns so vor, ARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
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wie wir die Materialien aus den Betrieben anordnen. Dabei können wir wichtige Einzellösungen finden — wichtig unter der Frage, wieviel Selbstbestimmung hier und heute schon möglich ist — ebenso wie Häufungen, also Lösungen, wie sie sich gängig herausbilden. Bei ihnen gilt, daß die Durchsetzungsweise des Neuen in dieser Form das Wahrscheinliche ist, wenn auch — unter dem Blickwinkel der Selbstbestimmung — nicht notwendig das Wünschbare. Hier kann sich, der Forscher u.U. als Aufklärer begreifen, der vor dieser bestimmten Durchsetzungweise, die die Möglichkeiten der Selbstbestimmung vertut, warnt und insbesondere dort, wo Unternehmer bewußt wissenschaftlich gestützte Arrangements der Verhinderung entwickelterer Vergesellschaftung treffen, die Gewerkschaften in ihren Strategien mit Gegenentwürfen ausstattet. Dabei zeigt sich, daß natürlich die Erfahrungen über die neuen Produktivkräfte und ihre Folgen zunehmen, je mehr Untersuchungen durchgeführt werden — wir haben bei jedem weiteren Betrieb Neues dazugelernt —, ohne daß dabei allerdings anzunehmen ist, daß bei Erreichung einer magischen Zahl — im Sinne der Repräsentativität — plötzlich die volle Wahrheit erkannt ist oder umgekehrt die Erkenntnisse bis dahin weniger wahr seien. Wir sind uns bewußt, daß wir viele Probleme und ihre Lösungen noch nicht erfaßt haben, daß mehr Erfahrungen und weniger Irrtümer uns mehr hätten erreichen lassen, daß wir noch am Anfang sind. Wir haben uns bemüht, soviel wie wir ökonomisch (mit unseren Kräften und wenig finanzieller Unterstützung) konnten,. zu leisten. Dabei liegen unsere wichtigsten Erkenntnisse wohl in Fragen der Erkenntnisgewinnung, des Theoriefortschritts. Will man mit empirischen Untersuchungen nicht einfach fertige Hypothesen bestätigen oder widerlegen, so findet man sich unversehens in folgendem Dilemma: Die Bereitschaft, in den Befunden Neuartiges zu sehen, sich von ihnen überraschen zu lassen, stößt einen fortwährend auf Fragen, über die man sich noch keine Gedanken gemacht hatte. Das theoretische Feld, auf dem man die Untersuchung konzipierte, erweist sich als winzig, verglichen mit den immer neuen Feldern, auf die die unvermuteten Befunde einen verweisen. Die Absicht, die Tatsachen zu ihrem Recht kommen zu lassen, wirft einen sofort zurück auf die Theorie, und zwar ungleich stärker als das einfache Ableiten. Man befindet sich in der Zwickmühle: man steht vor Tatsachen, die man entweder mit den bereits erarbeiteten Theorien erfaßt — dann wäre man aber beim bloß bestätigenden Blick auf die Tatsachen —, oder man bildet neue Theorien — dann gerät die Empirie ins Hintertreffen. Wie den Knoten lösen? Vermutlich gibt es keine sauberen Lösungen. Auf jeden Fall haben wir sie nicht gefunden. Es bleibt vorläufig nichts, ARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
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als die Theorien nebenher zu entwickeln, nicht bei ihnen hängen zu bleiben, aber sie auch nicht zu vernachlässigen. Daraus folgt eine Schwäche, die wir vorläufig für unüberwindbar halten. Es gibt einen Überhang an Tatsachen, die wir nicht »einordnen« konnten, wir geben sie weiter an andere. Es gibt, im Verhältnis zu anderen empirischen Studien, eine Menge an Theorie, die aber, im Verhältnis zu rein theoretischen Texten, skizzenhaft bleibt. Im Laufe der Forschung haben wir viele Forschungsgebiete unbebaut gefunden, mehr Lücken aufgerissen als wir Ergebnisse bringen konnten, dies auf fast allen Bereichen, die für die Produktion des menschlichen Lebens relevant sind. Einige wichtige neue Zusammenhänge gelang es uns, zu erschließen, einige Fundamente für gewerkschaftliche Strategien neu zu legen. Das Bestreben, Theorie und Empirie perfekt zu machen und zur Einheit zu bringen, droht einen immer wieder handlungsunfähig zu machen. »Perfektionismus« heißt das in der Alltagssprache. Er ist vermutlich einer überholten Forschungskonzeption geschuldet: in der der einzelne sein Buch schreibt, statt aufbauend auf andere einige weiterführende Vorschläge zu machen. So gesehen, stellt die Schwäche dieses Buchs vielleicht seine Stärke dar. Die wesentliche Erfahrung für uns Theoretiker war bei allem die außerordentlich schwierige und im Verfolg als mühselige, den Kopf immer aufs Neue fordernde, ihn umstrukturierende Erkenntnis, daß die Wirklichkeit uns belehren kann, daß sie ein aufregendes Feld voller noch zu entdeckender Geheimnisse ist, daß sie es ist, die den Erkenntnisfortschritt allein bringen kann, als Mittel, weiter die wirklichen Lebensverhältnisse voranzutreiben.
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Übersicht 2: Enwicklung der Methoden in Untersuchungen zur Automationsarbeit Die folgende Übersicht ist eine Fortschreibung des tabellarischen Überblicks der Untersuchungen zur Automationsarbeit in dem Band III (AS 31, S.155-179; dort findet der Leser auch die hier nicht aufgeführten genauen Literaturnachweise). Ging es uns im Zusammenhang mit der Entwicklung des eigenen Verfahrens um eine Darstellung der untersuchten Bereiche, der gewählten Fragestellungen und der Veränderung der Qualifikationsthesen, so stehen jetzt methodische Fragen im Vordergrund: die verwendeten Forschungsinstrumente, die Organisation des Forschungsablaufs und die Benennung von Schwierigkeiten und Problemen bei Auswertung und Darstellung der Forschungsergebnisse aufgrund der eingesetzten Instrumente. Wer seine Vorstellungen über den Forschungsprozeß aus den Handbüchern der empirischen Sozialforschung bezieht, wird mit Überraschung ein Auseinanderklaffen der formulierten methodischen Ansprüche und der praktischen Forschung bemerken. In nur 12% der Untersuchungen wird beispielsweise Repräsentativität beansprucht, in 90% dieser Fälle allerdings ohne Angabe einer Begründung der Sample-Auswahl. Insgesamt 23% der Untersuchungen scheinen die geltenden methodischen Ansprüche zu akzeptieren, führen aber mannigfache Gründe an, weshalb Repräsentativität nicht erreicht wurde. Und in 8% der Fälle wird der Anspruch auf Repräsentativität von vornherein nicht erhoben. Wo über Quantifizierung Repräsentativität angestrebt wurde, wird von den Forschern oftmals selbst die damit erkaufte geringe Differenziertheit der Ergebnisse problematisiert, wird die Ergänzungsbedürftigkeit der quantitativen Datenerhebung und -auswertung erkannt. Diese implizite und explizite forschungspraktische Kritik an den quantifizierenden Verfahren findet sich in 18% der Untersuchungen. Explizit statistische Verfahren bei der Auswertung wurden nur in 12% der Fälle eingesetzt. Den bisherigen Untersuchungen steht eine Gruppe mit 23% gegenüber, in der qualitative Erhebungsmethoden und Auswertungen gewählt wurden. Überwiegend wird dies mit der Komplexität des Gegenstandes begründet, wird die wissenschaftliche Relevanz in dem exemplarischen Charakter der Ergebnisse gesehen. Mit dieser Bewegung zu intensiven Einzelfallstudien wird das Problem der Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse aufgeworfen. Ca. 70% der aufgeführten Untersuchungen sprechen die Schwierigkeit an, einen Zusammenhang zwischen allgemein-theoretischen Entwicklungszusammenhängen und den untersuchten konkreten Einzelbewegungen herzustellen. Der skizARGUMENT-SONDERBAND AS 43 ©
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Untersuchungen zur Automationsarbeit
zierte erstaunliche Bruch zwischen den methodischen Ansprüchen der Sozialforschung und dem praktischen Vorgehen der Forscher — erkennbar in dem Bemühen, das eigene methodische Ungenügen zu rechtfertigen, in dem Verzicht auf die Ansprüche der Repräsentativität, in dem Ergreifen qualitativer Verfahren — verdient weitere Überlegungen, die hier nicht angestellt werden können. Insbesondere wäre zu verfolgen, wie trotz der forschungspraktischen Unfruchtbarkeit der lehrbuchmäßigen Methoden diese das allgemeine Bewußtsein bestimmen können, was wissenschaftlich sei, und welche wissenschaftspolitische Funktion dieser Bruch besitzt. — Man wird von der Übersicht kaum den Aufweis eindeutiger Entwicklungen erwarten können — so die einer zunehmenden Methodenreflexion oder einer zunehmenden Hinwendung zu qualitativen Verfahren. Bestimmend scheinen eher Linien theoretischer Ansätze und Forschungstraditionen sowie die institutionelle Einbindung der Forschungen, die Artikulation von Fragestellungen und die Formulierung von Forschungsaufträgen durch gesellschaftliche Interessengruppen. Beispielsweise findet sich in der frühen Industriesoziologie die Linie eines auf Dürkheim zurückgehenden phänomenologischen Ansatzes, welcher aus dem Anspruch heraus, Entwicklungszusammenhänge aufzuzeigen, der vor allem aus den USA kommenden quantifizierenden Forschung kritisch gegenübersteht; so finden sich aber auch in jüngerer Zeit durchaus Forschungen, die sich mit der Auswertung schriftlicher Befragungen begnügen. Gleichwohl ist seit den Forschungen von Kern und Schumann ein deutliches Überwiegen empirischer Untersuchungen festzustellen, in denen das Problem der Vermittlung von allgemeiner Gesellschaftstheorie und konkreter Empirie angegangen wird, was zu einer erhöhten Methodenreflexion zwingt (ablesbar an dem Verhältnis von Seitenzahl zu Methode und Gesamtumfang) und die Beschränkung auf wenige standardisierte Forschungsinstrumente nicht erlaubt. Für eine wissenschaftstheoretische Fundierung empirischer Forschung sind weiterhin die konkreten Versuche von Bedeutung, in denen durch die jeweilige Organisation des Forschungsablaufs das Problem der notwendigen gegenseitigen Befruchtung von theoretischen Hypothesen, kategorialen Zugriffen und empirischer Erfahrung bewältigt wird.
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Fragestellung/ Autor/Hrsg. Erscheinungs- Untersuchungsgegenstand jahr
Auswahl
Touraine 1955
1 Großbetrieb der Automobilindustrie; begründet kein Repräsentative tätsanspruch, weil in einem Betrieb verschiedene Arbeitsplätze historisch verglichen werden 1 großes Hüttenwerk; Einzelanalysen zur Kriteriengewinnung für Anthropologie der Arbeit
Einfluß der Technik Im Unterschied zu Ökonomie und sozialen Faktoren auf Charakter und Qualifikation der Arbeit; Entwicklung der Tätigkeiten
Popitz, Bahrdt, Bildung eines positiven ArbeitsbeJüres, Kesting griffs 1957
Walker 1957
Veränderung der »Human Relations« Erstes automat. Röhrendurch Automation: Arbeitsgruppen- walzwerk der USA verhalten, Arbeitszufriedenheit, Repräsentativität Lohnmethodeneffektivität, kognitive beansprucht für alle u. motivationale Anforderungen; Ein- vergleichbaren Arbeitsstellungen u. Meinungen d. Arbeiter gruppen
Bahrdt 1958
Neue Formen der Büroorganisation, keine näheren Angaben Relativierung d. Hierarchie durch (Großbetriebe, EDV-Abt. Mechanisierung u. Automatisierung u.a.) der Büroarbeit
c S
O
m
J3
a S
Methode Techniken g Auswertung
Forschungs- Nennung von prozeß Methodenproblemen
Datenerhe- Aussagefähigkeit der 15 Sekundäranalybung(15Mon) offiziell. Berufsstatistik 188 se,Dokumentenanalyse (empir. Auswertung Untersuchungsund zusätzl. techniken im BeStichproben trieb nicht genannt)
48 Arbeitsplatzbeobachtung, Er224 fahrungsberichte yon Arbeitern und Angestellten, Arbeitsbeschreibung
Pretest (3 Monate)
teilnehmende Beobachtung als Selbsttäuschung, Induktionsproblem zwischen »Vielfältigkeit« und allgemeinen Tendenzen
10 Intensivinter232 view, Expertengespräch, Arbeitsplatzbeobachtung, Dokumentenanalyse(Vergleich mit vorhergehender Produktionsstufe) — Arbeitsplatzbe— obachtung, Sekundäranalyse
Längsschnittstudie (4 Jahre, 3 Erhebungszeitpunkte)
»Krudheit« der Methoden führe zu »Empirizismus« ohne »Sinn f. Geschichte«, keine Veränderungen erfaßbar
keine nähe- zu viele unbekannte ren Angaben Faktoren, als daß Prognose möglich; nur Extrapolation des Beobachteten, statt Schreiben einer gesellschaftlichen Utopie
c 2 o z o
Fragestellung/ Autor/Hrsg. Erscheinungs- Untersuchungsgegenstand jahr
Auswahl r
Methode Techniken f Auswertung
Forschungs- Nennung von prozeß Methodenproblemen
Bright 1958
aktuelle Bedeutung der Automation 6 metallverarb. Betriebe für das Management: Planung, Per- (v.a. Auto-Ind.) sonal u.a. 2 Nahrungsmittel. 3 Chemiebetriebe 1 Elektrobetrieb 1 Bergwerk
4 Expertengespräch, Ergebnisdis- Erhebung quantifizierDokumentenanaly- kussion mit barer Daten unmög270 se, Analyse von lich, Auswahl nicht reExperten Bildungsveranstalpräsentativ, verzertungen, Erfahrend, fehlende rungsberichte von TechnologieArbeitern und AnGeschichte gestellten (qualitative, keine quantitative Auswertung)
Faunce 1958
Einfluß automat. Transfermaschinen 125 Arbeiter aus 4 auf Interaktionsmuster Abtlg. eines Automobilwerkes
Faunce 1959
notwendige individuelle, organisato- 1955 errichtete Autorische u. ökonomische Anpassunmobilfabrik gen an Transferstraßen
— Intensivinterview (tatsächliche Veränderungen, nicht Meinung) — keine näheren Angaben (Vergleich zwischen nicht-automat. u. automatischer Produktion) 4 Arb.-Platzbeobachtung (histor.-vergl., 78 morphol.-vergl, Beschreibung d. Arbeit, Technik, Organisation) 4 Expertengespräch, 226 Arbeitsplatzbeobachtung, Intensivinterview
Hammer 1959
Marenco 1959
Erfassung historischer Entwicklungszusammenhänge der Automobilindustrie und industriellen Arbeit von der Einzel- zur Massenfertigung
4 Automobilfabriken, weil Nebeneinander verschiedener Prod.stufen
Einstellung zu Arbeit, Arbeitsgruppe, 100 Bankangestellte, Arbeitszufriedenheit, Hierarchie, Zufallsstichprobe aus Unternehmen, Stellung i.d. Gesell- 2500 einer Bank schaft, Erkundungsstudie zur Bildung von Hypothesen
keine nähe- subjektive Verzerrunren Angaben gen durch Arbeiterbefragung zu den erfahrenen Veränderungen keine näheren Angaben
§
s §
quantifizierende Datensammlungen seien pragmatisch unbefriedigend und führten ohne Wissen um historische Ständige Ver- Entwicklungen und um Wertungen in der gebesserung der Fragen- schichtlichen Situation komplexe zu »hoffnungslosem Relativismus«
8 V C
i Q>
I
Andrieux, Lignon 1960
Arbeiterbewußtsein heute
Lutz, Willener 1960
Übergang vom Stück- zum Festlohn 21 Walzstraßen veraufgrund der Mechanisierung schiedener Art
Hammer 1960
Veränderung d. Arbeit aufgrund techn. Entwicklung
1 Automobilwerk, spanende u. verformende Fertigung
Knebel 1960
technischer u. arbeitsorganisatorischer Vergleich
2 Anlagen einer Mineralölfirma
1960
technische Neuerungen und soziale keine Angaben Auswirkungen
Mann, Hoffmann 1960
Metallbetriebe: 1 Großbetrieb u. mehrere Kleinbetriebe
Untersuchung der Arbeitereinstel1 automat. Kraftwerk lung zur Automation mit dem Ziel 1 älteres Kraftwerk der Durchsetzung von Schichtarbeit u. vorbeugender Wartung
32 Intensivinterview, 214 Arbeitsplatzbeobachtung (durch jahrelange Arbeit als Arbeiter im Betrieb) 13 Schriftliche Befragung, Dokumenten146 analyse, Intensivinterview, Expertengespräch
aus teilnehmender Beobachtung Meinungsfragebogen entwickelt Hauptstudie führt zu veränderten Hypothesen u.Auswertungen in »Zweitstudie« 1 ohne eingehende vorläufiger Arbeitsablauf-Ana- Überblick für die Studie 33 lyse 1959 1 Expertengespräch, einige Wochen AufentArbeitsbeschreihalt an Ar33 bung beitsplätzen, Vorstudie für Knebel 1963 1 Arbeitsplatzbeob- keine nähe37 achtung, Experten- ren Angaben gespräch
27 schriftliche Befragung, statistische 230 Auswertung
6 mon. Exploration, Pretest, Abspr. d. Fragebogens m. Untern, u. Gewerkschaften, Hauptstudie
nationale Unterschiede, Interviewereinfluß, Vergleich d. technisehen Niveaus, mangelnde Offenheit bei Lohnfragen Fehlen repräsentativer Daten, statt Statistik anschauliche Beschreibung relevantes Material über Arbeitsveränderungen nur durch Vergleichsstudien in mehreren Betrieben möglich
Beeinträchtigung der Totalerhebung durch Beantwortungsverweigerung, verzerrende Nebenfaktoren
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2
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Fragestellung/ Autor/Hrsg. Erscheinungs- Untersuchungsgegenstand jahr
Auswahl
Neuloh, Wiedemann 1960
Einstellung der Arbeiter zu technischen Neuerungen
Höos 1961
Auswirkung der Büro-Automatisieohne Begründung rung auf die Beschäftigten (Arbeits- 23 Betriebe unterlosigkeit, Arbeitstätigkeiten) schiedlicher Branchen, von 89-1000 Beschäft., Repräs. beansprucht
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4 Betriebe des Fahrzeug-, Motoren-, Maschinen- u. Apparatebaus 497 Arbeiter: 197 »Betroffene«, 300 »Beteiligte«, Zufallsstichprobe
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Methode Techniken Auswertung
Forschungs- Nennung von Methodenproblemen prozeß
33 schriftliche Befra- Pretest gung, Dokumenten- Hauptstudie 282 analyse. Arbeitsplatzbeobachtung, Expertengespräch
Fragebogenerstellung
3 Intensivinterview, keine näheGruppendiskussion, ren Angaben 187 Dokumentenanalyse, Intervallstudie
wichtige Begleitumstände bei Entlassung nicht in Zahlen ausdrückbar, Auswirkungen auf Arbeiter nur in direktem Gespräch ermittelbar.
Naville 1961
Höher- oder Niederqualifikation durch Automation
30 schriftl. Befragung nach Totaler- Automationsbegriff Metall- u. Elektroinduhebung Ver- uneinheitlich strie (schriftl. Tofalerhebesserung bung), 3.886 Betriebe, 1000 des Fragebo9 Fallstudien gens für FallStudien
IFO 1962
Folgen der Automatisierung: Berufskönnen, Leistungslohnbemessung, Zusammenarbeit von Belegschaft u. Betriebsleitung bei Einführung
30 Betriebe: 20 Industrie, 5 Handel, 1 Verkehr, 4 Banken/Versich., 90 Fallbeispiele
Pirker 1962
historisch-soziologische Darstellung der Büromechanisierung u. Automatisierung
8 Intensivinterview, Fallstudien 522
Sekundäranalyse
Pretest Haupttest Nachtest für begrenzte Fragestellung
Verallgemeinerbarkeit, Vergleichbarkeit verschiedener Entwicklungsniveaus
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Jaeggi, Wiedemann 1963
Knebel 1963
Konfliktabbau bei Einführung von Automation im Büro
4 Büros mit EDV 229 Angestellte Repräsentativitätsanspruch
11 Intensivinterview, Sekundäranalyse, 250 Arbeitsplatzbeobachtung
Bestimmungsfaktoren betrieblichen 6 Betriebe der MineralHandelns bei der Gestaltung von ölbranche Arbeitsbedingungen bei Automation
6 Arbeitsplatzbeobachtung, offenes 50 Gespräch, Vorstudie, Faktorenanalyse
Pirker 1963 Blauner 1964
Soziologie der maschinellen Informationsverarbeitung im Büro Entfremdung der Arbeiter in Abhän- 3000 Arbeiter in Druck-, gigkeit von technologischem EntTextil-, Automobil- u. wicklüngsstand, Arbeitsteilung u. Chemieindustrie Sozialstruktur
Literaturanalyse
Sultan, Prasow 1965 Economic Commission 1965 Turner, Lawrence 1965
Arbeitsmarktprobleme aufgrund Automation alle Regierungen euroAusbreitungsgrad der Automation päischer Staaten
:
Einfluß d. technologisch determinierten Arbeitsanforderungen auf die Arbeitszufriedenheit
11 verschiedene Betriebe 470 Arbeiter an 47 Arbeitsplätzen
14 Sekundäranalyse, Intensivinterview, 214 schriftliche Befragung
Erhebung über Umfang eingeführter EDV, Beobachtung, Befragung
Quantifizierung nicht alleiniger Maßstab der Darstellung, Trendaussagen aufgrund von informellen Gesprächen und Beobachtung
ausgearbeitete Hypothesen u. Erhebungsinstrument erst am Ende der Untersuchung
empirische Ausgangsbasis läßt nur Hypothesen zu; keine Repräsentativität, weil Hypothesen u. Instrumente erst am Ende der Untersuchung \
Sekundäranalyse, Fallstudie zur Erstellung des Fragebogens in 1 Betrieb, Hauptstudie
geringe Vergleichbarkeit der erhobenen Daten aufgrund zeitlicher Abstände und Unterschiedlichkeit der Fragestellungen; Verallgemeinerung nur in Thesenform
Sekundäranalyse 1 Schriftliche Befra- keine nähe- Überholung der veröf48 gung ren Angaben fentlichten Ergebnisse durch die Entwicklung 61 ArbeitsbeschreiPilotstudie bung, schriftliche Hauptstudie 168 Befragung, Intensivinterview
Auswahl
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Autor/Hrsg. Fragestellung/ Erscheinungs- Untersuchungsgegenstand jähr
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Economic Commission 1967 Koch, Quadflieg Roos 1967
Entwicklungsstand d. Mechanisie- keine näheren Angaben rung u. Automatisierung der Kokereien arbeitstechn. u. arbeitsorganisatori- 1 Betrieb sehe Anpassungsvorgänge aufgrund techn. Entwicklung in der Chemischen Industrie
Braun, Kern, Pflüger, Schumann 1968
Veränderung der Arbeitsanforderun- 1 chemischer Industriegen durch Automation betrieb, mehrere Abteilungen; 36 Meßwarte u. 24 Meß- u. Regeltechniker
1 Dokumentenanaly160 se, Sekundäranalyse, Arbeitsbeschreibung, Arbeitsplatzbeobachtung, Intensivinterview
Bayrisches Staatsministerium 1969
Stand des technischen Fortschritts Industriebetriebe mit und Entwicklung d. Beschäftigten- 500 und mehr Beschäfstruktur u.a. Personalplanung, Aus- tigten u. Fortbildung, Belastungen
Bayrisches Staatsministerium 1969
u.a. Auswirkungen techn. Veränderungen auf Entlassungen, Umsetzungen, Arbeitsplatzumwelt, Umschulung, Beschäftigungsstruktur
10 Schriftliche Befra.240 gung, Arbeitsplatzbeobachtung, offenes Gespräch, Expertengespräch 23 Sehr. Befragung 254 Intensivinterview
5 Z o
Betriebe d. verarbeitend. Industrie, d. Bergbaus und d. Bauwirtschaft; keine R. angestrebt
Methode Techniken Auswertung
Forschungs- Nennung von prozeß Methodenproblemen
Sekundäranalyse
keine näheren Angaben
— Dokumentenanalyse, Arbeitsbeschreibung, Arbeitsplatzbeobachtung
Branchenbericht, techn. Fallstudie, soziologische u. arbeitswiss. Intensivstudien Branchenbericht, Fallstudie: techn. Veränderungen, soziol. Intensivstudie, arbeitswiss. Intensivstudie keine nähe- unbefriedigende Beantren Angaben wortung der Fragebögen, verzerrende Auswahl d. Betriebe nur Hauptstudie in 10 Monaten
-vi o
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