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German Pages [335] Year 1975
DAS ARGUMENT AS 7
Projektgruppe Automation und Qualifikation: Automation in der BRD Probleme der Produktivkraftentwicklung (II)
ARGUMENT-SONDERBÄNDE
AS 7
Interdisziplinäres Projekt am Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin Frigga Haug und Margret Baumgarten, Uwe Gluntz, Holm Gottschalch, Hannelore May, Rolf Nemitz, Christof Ohm, Ilse Schütte, Werner van Treeck, Silke Wenk, Gerhard Zimmer
ISBN 3-920037-15-4 Copyright ® Argument-Verlag GmbH Berlin 1975. Alle Rechte — auch das der Übersetzung — vorbehalten. Gesamtherstellung: C. F. Müller, Großdruckerei und Verlag GmbH, 75 Karlsruhe 21, Rheinstraße 122. Gestaltung: Hans Förtsch und Sigrid von Baumgarten. — Vierfachheft. 1.—3. Tausend: April 1975.
VIII. Automation in Verwaltung, Handel und Bankwesen . 1. Datenerfassung 2. Dokumentation . . . 3. Automatische Textverarbeitung 4. Handel und Bankwesen .
214 , . . 216 220 223 224
IX. Automation in der Produktion 1. Prozeßrechner und Systemautomatisierung 2. Anwendung des Prozeßrechners 3. Numerisch gesteuerte Werkzeugmaschinen . 4. Roboter 5. Perspektiven der Fertigungstechnik 6. Konstruktion . . . 7. Lager 8. Instandhaltung und Reparatur 9. öffentlicher Transport und Verkehr 10. Zusammenfassung . .
227 227 228 237 241 245 246 248 251 253 256
X. Zusammenfassung
258
Anmerkungen .
. 262
Inhalt Vorwort
1
Teil A: Methodische Vorbemerkungen L Begriff und Ermittlungsverfahren von Automation 1. Begriff von Automation 2. Ermittlungsverfahren von Automation
. .
II. Bedingungen und Schranken von Automation
3 5 9 16
Teil B: Indikatoren für technischen Fortschritt III. Entwicklung der Produktivität 1. Umsatz 2. Arbeitsproduktivität 3. Kapitalzusammensetzung 4. Zusammenfassung
26 27 41 57 74
IV. Entwicklung der Arbeitskräftestruktur 1. Arbeitskräftestruktur 2. Berufe. 3. Arbeitsmarkt 4. Zusammenfassung V. Entwicklung der Staatstätigkeit 1. Regulierung des Arbeitsmarkts 2. Infrastruktur 3. Bildung 4. Wissenschaft
.
! . . . . .
79 79 92 117 123 129 129 137 .145 148
Teil C: Entwicklung und Ausbreitung von Automation VI. Genese von Automation 159 1. Massenproduktion und Staatsauftrag . 159 2. Zweiter Weltkrieg als „Initialzündung" 161 3. Kalter Krieg 165 4. Kernwaffentechnologie . 168 5. Elektronik . 176 6. Mensch- und Maschinenwissenschaft 188 7. Die Überführung von Resultaten der Vernichtungstechnologie in die zivile Produktion 189 VII. Ausbreitung automatischer Datenverarbeitung . . . . . . . . . . 1. Datenverarbeitungs-Anlagen 2. Datenverarbeitungs-Netze 3. Datenverarbeitungs-Programme .
195 196 203 210
Abbildungs-Verzeichnis 1 2 3 4 5
Ausstattung mittlerer Arbeitnehmerhaushalte 4 Reales Bruttoinlandsprodukt und Erwerbstätige . . 27 Beiträge der Wirtschaftsbereiche zum Bruttoinlandsprodukt . . . . 28 Umsatz und Beschäftigte in der Industrie 30 Industriezweige mit Verdoppelung bis Verachtfachung des Umsatzes, verglichen mit der Entwicklung der Beschäftigten 33 6 Entwicklung des Umsatzes in Zweigen mit überdurchschnittlichem und sprunghaftem Wachstum und in schrumpfenden Zweigen . . . 34 7 Entwicklung des Umsatzes und der Beschäftigten mit durchschnittlichem Wachstum 35 8 Umsatz je Beschäftigten 39 9 Entwicklung des Umsatzes und der Marktanteile im Einzelhandel. 40 10 Entwicklung der Produktivität . 43 11 Produktion, Beschäftigte, Arbeiter und geleistete Arbeitsstunden . 45 12 Produktionsergebnisindices je Beschäftigten, je Beschäftigtenstunde, je Arbeiter, je Arbeiterstunde . 45 13 Entfällt 14 Steigerung der Arbeitsproduktivität in Industriezweigen mit mehr als 20,— DM je Arbeiterstunde 48 15 Fortsetzung von Abbildung 14 49 16 Industriezweige mit mehr als 100 Prozent Steigerung der Produktivität je Arbeiterstunde 50 17 Entwicklung des effektiven Nettoproduktionsvolumens je geleistete Arbeiterstunde, je Beschäftigtenstunde und je Beschäftigten . . . . 52 18,19, 20 Fortsetzung von Abbildung 17 53, 54, 55 21 Technische und organische Zusammensetzung des Kapitals . . . . . 65 22 Entwicklung des Brutto-Anlagevermögens je Beschäftigten . . . . 67 23, 24, 25 Entwicklung des Brutto-Anlagevermögens je Beschäftigten in ausgewählten Industriezweigen 72, 73 26 Unterschiedliche Entwicklung der Arbeiter- und Angestelltenbeschäftigung in der Industrie 81 27 Entwicklung der Arbeiter, Angestellten, Beamten und Lohnabhängigen 1882 bis 1971 . . 82 28 Entwicklung des Angestelltenanteils in Industriezweigen 85 29 Entfällt 30 Veränderung der Erwerbspersonen nach Berufsbereichen 104 31 Veränderung der Erwerbspersonen nach Berufsgruppen und »Ordnungen 105 32 Förderungsprogramme der Bundesregierung . 157 33 Anzahl elektronischer Schaltelemente in US-amerikanischen Bombenflugzeugen 179 34 Entwicklung des Bestandes an Universal- und Prozeßrechnern . . . 198 35 Entwicklung des Kleincomputer-Bestandes 201 36 Entwicklung des Bestandes an Mehrzweckrechnern bis 1978 . . . . 202 37 Entwicklung des Verhältnisses von Hardware zu Organisation und Programmierung zu Software 211
Tabellen-Verzeichnis 1 Wachstumsraten von BSP und Erwerbstätigen 2 Veränderungsraten des Umsatzes über 20 Prozent
28 31
3 Umsatz- und Beschäftigtenentwicklung der 11 ranghöchsten Zweige 32 4 Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse und Betriebsmittel . . . 37 39 5 Anlageinvestitionen in Warenhäusern 6 Anteil der Selbstbedienungsläden am Lebensmitteleinzelhandel . . 41 46 7 Produktionsergebnis und sein Wachstum 8 Effektives Nettoproduktionsvolumen je Arbeiterstunde . . . . . . 47 51 9 Branchen mit geringster Arbeitsproduktivität . 59 10 Produktion und Wert von NC-Maschinen 11 Aufgliederung von NC-Maschinen nach Maschinengruppen . . . . 60 12 Produktion und Wert von NC-Maschinen mit Bahnsteuerung . . . 60 13 Aufgliederung von NC-Maschinen mit Bahnsteuerung nach Maschinengruppen 61 14 Organische Zusammensetzung des industriellen Kapitals . . . . . . 63 64 15 Technische Zusammensetzung des industriellen Kapitals 16 Brutto-Anlagevermögen je Beschäftigten in den Industriebereichen 66 17 Rangreihenvergleich der Industriezweige nach absoluter Höhe und Entwicklungsgeschwindigkeit des Brutto-Anlagevermögens je Beschäftigten 69 18 Rangreihe nach absoluter Höhe der Arbeitsproduktivität je Arbeiterstunde im Vergleich zur Rangreihe nach der Höhe des BruttoAnlagevermögens je Arbeiter in den Industriezweigen 75 19 Entwicklung der Industriezweige nach Umsatz, Arbeitsproduktivität und Brutto-Anlagevermögen je Beschäftigten , . 77 20 Entwicklung der Arbeiter-, Angestellten- und Beamtenzahlen . . . 82 83 21 Angestelltenanteile nach Wirtschaftsbereichen 84 22 Industriezweige nach Höhe des Angestelltenanteils 87 23 Verteilung der Industriearbeiter auf Leistungsgruppen 24 Verteilung der Industriearbeiter auf Leistungsgruppen in ausgewählten Branchen 87 25 Branchen mit dem höchsten Anteil technischer Angestellter . . . . 90 100 26 Erwerbspersonen nach Berufsgruppen 27 Anteil ausgewählter Berufsgruppen an allen Erwerbspersonen . . . 102 28 Erwerbstätige in naturwissenschaftlich-technischen Bereichen . . . 109 29 Entwicklung von EDV-Berufen 110 30 EDV-Fachkräfte, Bestand und Prognose 115 31 EDV-Berufe nach Wirtschaftsgruppen und Anteil an den Organisations-, Verwaltungs- und Büroberufen .117 32 Rangordnung der Wirtschaftsgruppen nach Veränderungen in der Arbeitskräftestruktur 125 33 Bruttosozialprodukt, staatliche Nettoausgaben und Infrastrukturausgaben 140 34 Entwicklung und Struktur des Brutto-Anlagevermögens 141 35 Entwicklung der Beschäftigten, der geleisteten Arbeiterstunden und des Umsatzes in der Industrie 143 36 Anteil der Wissenschaftsaüsgaben am Bruttosozialprodukt 150
37 Verteilung der Forschungsmittel des Bundes auf Schwerpunktbereiche . . 38 Leistungsverbesserungen und Anwendungsmöglichkeiten der Mikroelektronik 39 Entwicklung des Einsatzes von Computern und Prozeßrechnern . . 40 Gesamtzahl der Prozeßrechner nach Industriebeteichen . . . . . . 41 Prozeßrechneranzahl in Forschung, Ausbildung, Dienstleistung und Handel ^ . 42 Regionale Verteilung der Prozeßrechner 43 Produktion von NC-Maschinen nach Maschinengruppen . . . . . . 44 Weltwerkzeugmaschinenherstellung, Außenhandel und Inlandsverbrauch . . . . . . . . . . . . 45 Produktion von NC-Maschinen 46 Verteilung von NC-Maschinen auf Industriezweige
156 183 197 199 200 200 237 238 239 239
1
Vorwort Wozu braucht man eigentlich ein Buch über Automation? Weil Automation die Produktivkraft der Zukunft ist? Was bedeutet das und wen interessiert das? Es bedeutet, daß Automation, wo sie sich durchsetzt, die Arbeit und damit das Leben des Menschen bestimmt. Sie verändert den Arbeitsplatz und damit die Tätigkeiten, mit den Tätigkeiten die Anforderungen, die an den Menschen gestellt werden; mit seiner Qualifikation ändert sich seine Ausbildung, damit gesamtgesellschaftlich die Arbeitskräftestruktur und das Bildungssystem. Mit veränderter Arbeit und Ausbildung wandeln sich die Beziehungen der Menschen zur Natur und untereinander, wird die Gesellschaft noch spannungsreicher und widersprüchlicher. Die Analyse dieser Entwicklung ist von Interesse für die, die davon betroffen sind, und das sind, da es sich um wirklich grundlegende Veränderungen handelt, fast alle. Wie sollen sich z. B. Lehrer in den Veränderungen im Bildungsbereich orientieren können, wenn der Zusammenhang mit den Anforderungen durch die Produktion nicht berücksichtigt wird? Auch Gewerkschafter brauchen Kenntnisse über Automation, um die Entwicklung der Arbeitsplätze und der Anforderungen an die Produzenten einschätzen zu können. Die Projektgruppe „Automation und Qualifikation" hat sich die Analyse des oben skizzierten Zusammenhangs zur Aufgabe gemacht. Sie legt hier ihren ersten Untersuchungsschritt vor, der die Frage nach dem Entwicklungsstand und der Entwicklungsperspektive von Automation beantworten soll. Der Leser muß sich dabei auf eine Reihe ökonomischer, technischer, politischer Spezialprobleme einlassen, deren Klärung jedoch grundlegend ist, zunächst für die Entwicklung der Arbeitstätigkeiten und -anforderungen, deren Analyse als nächstes vorgelegt werden soll. Als Charakteristikum des hier eingeschlagenen Verfahrens kann zum einen die Vielfalt der Quellen und Methoden gelten. Da Automation die unterschiedlichsten, scheinbar unzusammenhängenden Bereiche ergreift, findet sie ihren Niederschlag in ganz disparaten Formen. In die Analyse gingen deshalb ein: offizielle Statistiken und firmeninterne Zahlen und Daten, Spezialliteratur heterogenster Gebiete, Tageszeitungen, Wirtschaftszeitungen u. a. Daneben wurden Industriebetriebe, Technische Hochschulen, Industriemessen, das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung besucht und Interviews mit Experten durchgeführt. Der Reichtum des Materials wird den Stoff, wo er in der Bannmeile fachspezifischer Trockenheit verbleibt, verständlicher und lesbarer machen. Andererseits lag die Stoßrichtung der Analyse gerade darauf, nicht einfach eine Fülle von Details zu präsentieren, sondern die sich darin durchsetzenden Triebkräfte und Entwicklungstendenzen aufzuspüren. Nur durch deren Analyse lassen sich Prognosen über die Entwicklung von Automation aufstellen, die als Handlungsorientierung zu dienen vermögen.
3
Teil A: Methodische Vorbemerkungen I. Begriff und Ermittlungsverfahren von Automation Die Resultate von Automation sind für jedermann in vielfältiger Gestalt sichtbar. Jeder weiß, wenn er auch sonst nichts von Automation weiß, daß weltweit und bis in sein privates Heim automatische Steuerung und Regelung eingezogen sind. Zeitungen, Funk und Fernsehen übermitteln Direktberichte vom Mond und aus allen Erdteilen — aber was ist der erste Mann auf einem anderen Planeten gegen die technischen und wissenschaftlichen Voraussetzungen, die seinen Flug ermöglichten? In Romanen und Filmen wird eine phantastisch-grausige Zukunft gemalt, in der Roboter regieren und Raumschiffe unbekannter Mächte sich bekämpfen — aber eine automatische Waschmaschine kann jedes Schulkind bedienen; sie ersetzt unangenehme Hausarbeit und findet sich in immer mehr Haushalten. Selbstverständliches und Fremdes erscheinen derart nebeneinander, verbunden zu einem Alltagsbewußtsein über Automation. Dabei erscheint die Entwicklung und Anwendung von Automation für menschheitsbedrohende Kriegstechnologie ebenso selbstverständlich als gleichzeitig eine Ungeheuerlichkeit. Unversehens wird hier das Alltagsbewußtsein über Automation gekoppelt an die Konkurrenz der Systeme und deren Voraussetzung, den Klassengegensatz. Man sieht: Der Faden läßt sich unmittelbar von Automation zu politischen Lebensfragen spinnen. Aber an dieser Stelle soll zunächst nur der erste Blick geschärft werden — man kann ihn beliebig auf die nächste Umwelt richten: Im Briefkasten der Kontoauszug — vom Computer geschrieben. — Die Fahrt zur Arbeit mit der U-Bahn oder im Auto — eine Verkehrsregelung, die ein Computer steuert. — Das Telefongespräch — vom Computer vermittelt. — Die ebenmäßige, immer gleich gedrehte Zigarette — von Automaten produziert. — Der Schliff der Brille, die Genauigkeit der Armbanduhr, die Maße der Kleidung — vom Computer ausgerechnet und kontrolliert. — Wen würde es da noch sonderlich verwundern, wenn man demnächst im Supermarkt eine elektronische Wein-Beratung in Anspruch nehmen kann?1 Aber man kommt nicht nur allenthalben mit Automation in Berührung, man kann sie auch in Produkt-Form erwerben. Der elektronische Taschenrechner ist ein Musterbeispiel für den Einzug der Automation in den Alltag: selber ein kleiner Automat, an dem sich der komplizierte technologische Prozeß der Miniaturisierung und Standardisierung vorführen läßt, ist er zugleich Produkt von Automation und Nachfahre großer Datenverarbeitungsanlagen, die zum Beispiel regelmäßig die Rechnungen für Energieverbrauch an alle Haushalte schreiben. „Das rasante Vordringen der elektronischen Tisch- und Taschenrechner läßt sich nicht allein durch das Zurückdrängen der elektromechanischen Technologie bei Rechenmaschinen erklären... Nur durch das Eindringen der elektronischen Rechenmaschinen, vor allem der untersten Ausstattungskategorien, in neue Benutzerschichten (der »personal calculator' für den Chef, den Außendienstmitarbeiter, der Rechner für Studenten, für die häuslichen Arbeiten der Schüler, für die Hausfrau...) kann der Markterfolg plausibel erklärt werden."2
das Auto mit möglichst geringem Aufwand hergestellt werden. War aber die Massenproduktion mit vorgefundener Technik gelungen7, so zugleich auch die beste Voraussetzung zur Automatisierung der Autoproduktion erreicht. Ein anderes Exempel sind Kunstfaser-Strümpfe: Strümpfe zu tragen ist gewiß nichts Neues, aber künstliche Fasern wurden massenweise erst produziert, als äußerst präzise Maschinerie sie verarbeiten konnte und anders herum nur für Massenproduktion lohnende Automaten nach einem beliebig vermehrbaren und exakt gestaltbaren Rohstoff verlangten. Wenn in der Feinstoffindustrie heute bereits ein Stricker 100 Maschinen „bedient" und es in Kürze gar 200 bis 500 sein werden8, so läßt sich ahnen, wie hoch automatisiert erst die gesamte Kunststoffherstellende Industrie sein muß. Sofort fallen einem dazu alle jene Produkte des täglichen Lebens ein, deren Grundsubstanz — Kleidung, Möbel, Fußbodenbelag — oder deren Hülle — Telefon, Kühlschrank, Staubsauger — aus chemisch hergestelltem Material sind. In der zunehmenden Ausstattung durchschnittlicher Arbeiterhaushalte mit elektrischen Geräten, die überwiegend kunststoffverkleidet sind, darüber hinaus zahllose Teile aus automatischer Produktion enthalten — Fernseher, Fotoapparat, Plattenspieler u. a. — und teilweise selbst Automaten sind — Wasch- und Geschirrspülmaschine — läßt sich auch statistisch sinnfällig zeigen, was jedermann mit Automation verbindet. 1. Begriff von Automation Was ist überhaupt Automation? Es liegt auf der Hand, daß davon die Bestimmung des Ausbreitungsgrades entscheidend abhängt. Das Spektrum der vorliegenden Antworten ist breit. Einige behaupten, eigentlich seien alle Maschinen Automaten, andere verfechten die Ansicht, daß es genaugenommen überhaupt keine Automation gebe. Sicher ist jedenfalls eines, daß weder über den Begriff von Automation Einigkeit noch über den Ausbreitungsgrad Klarheit herrscht. Dies ist genaugenommen nicht verwunderlich, solange die Produktionsmittel der Menschen durch Eigentumsverhältnisse von denen, die sie anwenden, zugleich getrennt sind. In diesem Verhältnis, in dem die Arbeiter an fremde Maschinen angestellt werden, können ihnen diese Maschinen selber nicht ais das erscheinen, was sie sind, nämlich als Befreiung des Menschen von schwerer und monotoner Arbeit, sondern statt dessen z. B. als Kapital oder als fremde Macht, als Dämonen, als Ungeheuer. Solange also Arbeit und Eigentum voneinander getrennt vorkommen, wird die Art und Weise der Menschen zu produzieren schwer durchschaubar bleiben, werden falsches Bewußtsein auf der einen Seite und interessierte Vorurteile auf der anderen eine klare Sicht verhindern, wird das, was ein scheinbar neutrales naturwissenschaftlich-technisches Problem ist, zur Frage des Klassenkampfes. Gehören auch die Maschinenstürmer, die für die Erhellung dieses Problems ein einleuchtendes Beispiel sind, in die Rumpelkammer der Geschichte, so ist doch die Diskussion etwa, die um die Frage der Automation entbrannte, weiterhin vom gleichen Verhältnis geprägt, bedeuten neue, bessere Maschinen immer noch den Verlust des Arbeitsplatzes und damit der Existenzsicherung für viele.
12 Erbittert wird theoretisch gestritten, ob Automation z. B. im Kapitalismus überhaupt möglich ist — dies angesichts real automatisierter Bereiche — oder ob nicht Automation allein die Produktionsweise des Sozialismus sei. Am heißesten umkämpft ist die Frage, ob es sich bei der Automation um eine „wissenschaftlich-technische Revolution" handele, so als ob mit dem Zugeständnis einer Revolution in den Produktivkräften die Revolution in den Produktionsverhältnissen zwingend folge und durch bloßen Wortund Begriffszauber verhindert werden könne. Im Grunde genommen geht es bei diesen ideologischen Auseinandersetzungen um die Stellung des Menschen im praktisch-konkreten Produktionsprozeß, um sein Verhältnis zu den Maschinen. Es ist aber dies ein Komplex, in dem Fragen nach der Stellung und den Möglichkeiten, dem Schicksal der Arbeiterklasse gestellt werden, ein Komplex also, der in jedem Fall politisch brisant ist. Wenn von konservativer bis liberaler Seite von der Entwicklung der Produktivkräfte überhaupt die Rede ist, wird eindrücklich auf einer stufenweisen Entwicklung insistiert (man vergleiche etwa die 11 Mechanisierungsstufen der Studie „Wirtschaftliche und soziale Aspekte des technischen Wandels in der Bundesrepublik" vom Rationalisierungskuratorium der Deutschen Wirtschaft [RKW]), auf nur graduellem Fortschritt, sicher aber auf einem evolutionären Prozeß. Im Brockhaus z. B., in dem Anwendungsbereiche und Arbeitsweise automatisierter Anlagen sehr differenziert beschrieben werden — und zwar als vierstufiger kontinuierlicher Entwicklungsprozeß der Technik — kommt der Mensch in seiner Stellung zu den Produktionsmitteln überhaupt nicht vor. Statt dessen tritt er dreimal unter Verwertungsgesichtspunkten auf: einmal als Anlaß der Automation, die dem „Anwachsen der Lebensansprüche breiter Massen" geschuldet sei, wie auch der „Begrenztheit der menschlichen Leistungsfähigkeit"9, dann als Zwang für Automatisierung „Arbeitskräftemangel, steigende Lohnkosten" und zum dritten als Objekt „arbeitsmedizinischer und psychologische(r) Rückwirkungen der Automation". Sie werden unterschieden in günstige, wie: „Verringerung der Unfallgefahren, der Rückgang der Berufskrankheiten und die bessere hygienische Gestaltung mancher Arbeitsvorgänge" und ungünstige, wie: „nervliche Belastungen mit ihren psychologischen Auswirkungen als Folgen unvollständiger Anpassung"10. Eine Vorstellung von der Bandbreite der Erklärungen zur Automation und auch vom Charakter der Unterschiede erhält man, wenn zum Vergleich mit der Brockhaus-Angabe eine Bestimmung aus dem ökonomischen Lexikon der DDR zum gleichen Sachverhalt herangezogen wird: „. . . Die Realisierung der Automation erfordert eine ständige politisch-ideologische Arbeit mit den Werktätigen und die Lösung komplizierter ökonomischer und technischer Probleme. Die Automation entwickelt sich im Prozeß der schöpferischen Arbeit der Menschen und schafft gleichzeitig günstige Bedingungen für eine umfassende schöpferische Tätigkeit. Sie befreit den Menschen zunehmend von der Ausführung monotoner und sich ständig wiederholender Arbeit sowohl körperlicher als auch geistiger Natur. Den Maschinen werden immer mehr steuernde und regelnde Funktionen im Produktionsprozeß übertragen. Mit der Automation wächst der Anteil der geistigschöpferischen Tätigkeiten an der Arbeit.. Nun sollte man meinen, daß die wirkliche Anschauung der Automation hinreichen würde, um den Streit um Begriffe zu beenden, daß einer Untersuchung über Automation — wie der vorliegenden — erst im Nachhinein
13 Diese neuen Benutzerschichten können den automatischen Taschenrechner aber nur erwerben, wenn er billig angeboten wird. In jedem Kaufhaus kann ein Schüler für 50 Mark und weniger3 einen elektronischen Taschenrechner kaufen. Was man nicht sehen kann, gleichwohl derartigen Angeboten vorausgesetzt ist, das ist die automatische Herstellung dieser Rechner4. Anders kann ein Unternehmensleiter nicht die Prognose wagen, daß demnächst jedermann einen elektronischen Taschenrechner besitze, „so wie heute jeder einen Kugelschreiber h a t . . Immerhin wurde der Absatz dieser Geräte in der Bundesrepublik für 1973 auf 60 000 geschätzt6. Wenn zunächst nur jene Resultate von Automation sich aufdrängen, denen es auf den Leib geschrieben ist, daß sie Produkt dieser neuen Technologie sind, so weitet sich das Blickfeld, wenn man all jene Produkte berücksichtigt, die ohne Automation nicht in den täglichen Konsum eingegangen wären. Wie das eine in Wahrheit mit dem anderen zusammenhängt, kann man etwa in der Autoproduktion verfolgen: Um neue Käufer für das ehemalige Luxusgut Auto zu finden, mußte es massenweise und billig produziert werden; um billig produziert werden zu können, mußte Abbildung 1: Ausstattung mittlerer Arbeitnehmerhaushalte, Zuwachs 1965
7 Bestimmungen und Antworten zu entnehmen seien. Tatsächlich aber zeigt sich bisher, daß der Automatisierungsprozeß sich auch jenen, die mit seiner Untersuchung sich befaßten, einer präzisen begrifflichen Aneignung entzog, daß die analytischen Kategorien keineswegs automatisch aus ihm schon entspringen. Die Vielfältigkeit der Automaten selber bzw. der als automatisch oder teilautomatisch zu bezeichnenden Prozesse verursachen — wenn nicht eine präzise Fragestellung gekoppelt mit einer genauen Begrifflichkeit vorhergehen — in einer Art naiver Widerspiegelung eine gleichgroße Vielzahl an differenzierten Einordnungskriterien. (Man betrachte etwa neben den 11 Mechanisierungsgraden der RKW-Studie die ausführliche Beobachtung aller möglichen verschiedenen Seiten des Prozesses wie: Betriebsmittel, Organisation, Rohstoffe, Energie, Produktveränderung etc., die die Einsicht in die Charakteristik des Prozesses als Einsicht in ein Chaos zurücklassen.) Obwohl es zweifellos sehr verschiedenartige mögliche Betrachtungsweisen im Zusammenhang mit Automation gibt, leuchtet es sicher allgemein ein, daß es nicht Fragen nach der Profithöhe etwa oder dem Energieverbrauch sein können, die das Wesen, dpn Kern der Automation treffen. Wesentlich gemeint ist vielmehr die Art des Produktionsprozesses, also die Art und Stufe der Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur, die Art der Lebensbewältigung. Ausgangspunkt für die Bestimmung des Wesens von Automation ist also die spezifische Arbeit des Menschen, und zwar zum einen als Konstrukteur der Maschinen — damit steht die technische Besonderheit der Maschinerie zur Diskussion — zum anderen als jener, der mit den Maschinen — ihnen untergeordnet oder sie überwachend — arbeitet; hierbei geht es um die Stellung des Menschen im Arbeitsprozeß, sein Verhältnis zur Maschinerie, soweit es aus der konkret-nützlichen Tätigkeit ableitbar ist, zunächst unabhängig von der kapitalistischen Formbestimmtheit. Wodurch ist nun das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine bei automatisierter Produktion bestimmt? Was unterscheidet sie von anderen Produktionsweisen? Automation setzt ein bestimmtes Niveau der Produktivkraftentwicklung voraus und findet auf dieser vorgefundenen Basis neue, ihr eigentümliche Wege der Einsparung menschlicher Arbeit. Es wird deshalb im folgenden zunächst das historische Fundament von Automation rekonstruiert, um sie dann zu entwickeln als das Verfahren, das dazu und dadurch bestimmt ist, die Schranken eines speziellen Produktivkraftniveaus zu überwinden. Die spezifisch menschliche Weise der Besorgung des Lebensnotwendigen ist dadurch charakterisiert, daß die Menschen durch bewußte Indienstnahme von Naturgesetzen und die Schaffung technischer Gebilde sich von der Notwendigkeit befreien, den Stoffwechsel mit der Natur durch die Herausbildung einseitig spezialisierter Organsysteme, Verhaltensformen, Wahrnehmungsweisen etc. zu bewältigen. Mit der Benutzung scharfkantiger Steine zum Schneiden und mit der Befestigung derartiger Schneidewaffen an Stöcken beispielsweise entfällt jede Notwendigkeit einer spezialisierten „Verkrüppelung" der Greiforgane zur Klaue und es eröffnen sich mit ihrer Entspezialisierung zur Hand zugleich neuartige Möglichkeiten des Jagens. Der Entwicklung einseitiger „künstlicher Organe" zur Verteidigung, zur Jagd und nicht zuletzt zur Produktion neuer „künstlicher Organe" korrespondiert die Herausbildung einer neuen Einheit von viel-
8 seitiger Intelligenz (Fähigkeit zur symbolischen Repräsentation der Wirklichkeit und ihrer zielbewußten Umwandlung gemäß durchdachten Entwürfen), Wahrnehmungsweisen und motorischem Geschick12. Damit nimmt — trotz vieler Schwankungen und trotz Phasen äußerst langsamer Entwicklung — die Kraft der menschlichen Gattung zur Produktion immer besserer Lebensbedingungen unablässig zu. In jeder Phase der Entwicklung kann auf den vergegenständlichten Formen der Bewältigungsweise des Stoffwechsels mit der Natur, bereits vorhandenen Werkzeuginventaren und Naturerkenntnissen aufgebaut werden. Ein steiler Anstieg der Fähigkeit der Arbeitenden zur Produktion gesellschaftlichen Reichtums setzt Anfang des 18. Jahrhunderts mit der Industriellen Revolution ein, als unter dem Druck des kapitalistischen Verwertungsinteresses Schranken weiterer Vergegenständlichung menschlicher Fähigkeiten und Kräfte in der Manufaktur radikal herausgearbeitet worden waren. Extreme Zergliederung der Arbeit und extreme Anpassung der Werkzeuge an den jeweiligen Sonderzweck waren nicht unbegrenzt weiterzutreiben, sondern führten an einen Punkt, an dem der Profit nur noch durch eine neue Produktionsmethode steigerbar war: die Werkzeugmaschine wurde eingeführt. Diese verrichtete zwar dieselben Operationen wie früher der Arbeiter mit dem Werkzeug. Aber: „Die Anzahl der Werkzeuge, womit dieselbe Werkzeugmaschine gleichzeitig spielt, ist von vornherein emanzipiert von der organischen Schranke, wodurch das Handwerkszeug eines Arbeiters beengt wird."13 Mit der Vergegenständlichung des Geschicks der Werkzeughandhabung durch einen Mechanismus wächst der Umfang der Werkzeugmaschine und die Zahl der von ihr betätigten Werkzeuge. Mit der Verallgemeinerung der Dampfmaschine „ . . . erhielt nun auch die (dem Antrieb dienende — d. Verf.) Bewegungsmaschine eine selbständige, von den Schranken menschlicher Kraft völlig emanzipierte Form." 14 Die Möglichkeit, virtuose Werkzeughandhabung und physische Kraft maschinell zu ersetzen, verwirklicht sich in den folgenden eineinhalb Jahrhunderten überall dort, wo Produkte in großen Stückzahlen produziert werden, so also z. B. im Automobilbau15. Das Resultat dieser Bewegung war die Reduktion des arbeitenden Menschen in der unmittelbaren Produktion auf die Funktion eines „Regelgliedes", das aufgrund seines hochentwickelten Wahrnehmungsapparates aus dem Datenstrom eines laufenden Prozesses maschinell noch nicht erfaßbare Daten selektiert, diese unter mehr oder weniger hohem Zeitdruck nach mehr oder weniger komplizierten Prinzipien beurteilt, um dann motorisch relativ einfache, weil durch Mechanismen unterstützte Eingriffe in den Prozeß durchzuführen, die — falls ihnen falsche Wahrnehmungen und/oder Entscheidungen zugrundeliegen — verhängnisvolle Folgen haben können — je nach Art oder Umfang der bedienten Apparatur. Der historische „Gewinn" dieser Vereinfachung des Arbeiters zum Regelglied liegt darin, daß mit ihr die Voraussetzung zur schließlichen Befreiung der Arbeitskraft von der Fesselung an den laufenden Prozeß geschaffen ist. Gerade in dieser Vereinfachung liegt, ebenso wie in der Herausbildung bestimmter spezieller Werkzeuge und ihnen entsprechender einzelner Arbeitsgänge, die Möglichkeit weitergehender Maschinisierung. Ebenso wie es die Werkzeugmaschine und die Dampfmaschine möglich machten, im Rückblick auf die Epoche der Manufaktur die maßgebenden Schranken auszusprechen, deren Überwindung die Voraussetzung für die
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9 Entwicklung neuer „Organe des Gesellschaftsmenschen" bildete, erlaubt es heute die Existenz einer Fülle vollautomatisierter Produktionsprozesse die organische Schranke auszusprechen, von der sich die menschliche Gattung emanzipieren mußte, damit eine neue Etappe der Umwälzung der Produktivkräfte beginnen konnte. Zu überwinden ist die Unfähigkeit des Menschen, über bestimmte Schwellen hinaus komplexe Datenströme mit der nötigen Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit zu verarbeiten und mit der erforderlichen Präzision und Schnelligkeit Handgriffe zu verrichten. Weil also die „Organe des Gesellschaftsmenschen" eine von den Schranken menschlichen Körpergeschicks und menschlicher Kraft emanzipierte Bildungsschicht durchlaufen, erzwingen sie schließlich die Herausbildung von Informationsrezeptoren und von Instanzen intelligenter Entscheidung, die ihnen gemäß sind; eine neue Etappe der Produktivkraftentwicklung beginnt da, wo die informationsverarbeitende Regeltätigkeit des Arbeiters durch Servomechanismen auf breiter Front ersetzt wird — wobei hier unter Servomechanismen Regelkreise zu verstehen sind, deren Meßglied einem laufenden Prozeß permanent Daten entnimmt und deren Regelglied aufgrund konstruktiv festgelegter Prinzipien permanent Eingriffe in den Prozeß durchführt. „Die Veränderungen, die heute in der Industrie, vor allem in Industrien mit Massenproduktion, vor sich gehen, sind nicht einfach Erweiterungen der Mechanisierung. Wir dürfen hier von einer neuen industriellen Revolution sprechen, und zwar aufgrund der Einführung von Regelungs-, Rechen- und Präzisionsvorrichtungen, die durch die Elektronik verfügbar geworden sind, sowie der beträchtlich höheren Geschwindigkeit, mit der sich heute industrielle Operationen durchführen lassen."1* 2. Ermittlungsverfahren von Automation Wer nach Angaben über den Entwicklungsstand der Automatisierung sucht, stößt bald auf Erklärungen wie: „Die Automatisierung schreitet schnell voran", oder: „viele Bereiche sind weitgehend automatisiert"17, oder: „Automatisierungsprozesse in größerem Umfang (werden) in die Wirtschaft eingeführt"18 oder: „eine Reihe bestimmter Wirtschaftszweige, vor allem in den USA, (sind) bereits auf dem Wege zur Vollautomatisierung weit fortgeschritten"19. Gelegentlich findet man auch Prozentangaben, insbesondere von jenen, die die Nichtexistenz der Automation oder zumindest ihre Belanglosigkeit zu erklären sich zur Aufgabe gemacht haben, so z. B. bei Helmut Schelsky: „Die Schätzungen des Umfangs der Automatisierung gehen von etwa 8 % der Beschäftigten bis zu 25 % der Beschäftigten, die von der Automatisierung betroffen würden; im wesentlichen rechnet man aber mit Zahlen, die für die nächsten 20 Jahre bei 10 bis 20 Prozent der Arbeitnehmer liegen. Also zahlenmäßig ist dies durchaus eine Minderheit der Beschäftigten. Es ist wohl kaum fahrlässig gefolgert, wenn wir das Tempo und das Ausmaß der Automatisierung der deutschen Wirtschaft und Verwaltung als noch wesentlich langsamer und geringer einschätzen."20 Einen quasi empirischen Charakter haben die diversen einverständigen Aussagen über automatisierte Branchen oder Firmen, die in der einschlägigen Literatur auffindbar sind. Da es keinen Grund gibt, an ihrem Wahrheitsgehalt zu zweifeln, ^cheint es sinnvoll, sie als einen Ausgangspunkt hinzuzuziehen. So schreibt z. B. Fritz Sternberg: „Neben der Automatisie-
10 rang der Produktion von automatischer Energie sind eine Reihe bestimmter Wirtschaftszweige, vor allem in den USA, bereits auf dem Wege zur Vollautomatisierung weit fortgeschritten. Das gilt vor allem für die, die ein kontinuierliches Produkt zulassen. Dazu gehören unter anderem: Ölraffinerien, weiter ein großer Teil der chemischen Industrie. Dazu gehören aber auch Brotbäckereien, Fabriken zum Abfüllen von Getränken, Fabriken zur Produktion von Kunstseidenstoffen, Textilfabriken . . . Produktionszweige, in denen die Teilautomatisierung bereits erhebliche Fortschritte gemacht hat, sind unter anderem die Automobilproduktion, die Produktion von Werkzeugmaschinen, die Stahlindustrie. In der Automobilindustrie wird ständig berichtet, daß neue Produktionsgänge automatisiert sind." 21 Beispiele „weitgehend automatisierter Anlagen" sind laut BrockhausEnzyklopädie „die Erdölraffinerien, Fabriken, die Kunststoffe als Rohmaterial herstellen22, und die Verfahrenstechnik in der Hüttenindustrie." Ferner heißt es dort: „Weit verbreitet ist die Automatisierung in der industriellen Produktionstechnik mit ihren Hauptgebieten Energie-, Verfahrensund Fertigungstechnik und ihren Hilfstechniken, Förder- (Verkehrstechnik u. a.) und Informationstechnik (Nachrichtentechnik u. a.)." 23 Seit solche Sätze geschrieben wurden, ist die Automation nicht nur einen großen Sprung vorangekommen, auch im alltäglichen Bewußtsein hat sie inzwischen einen breiteren Raum eingenommen: nicht nur die Industrieausstellungen sind ohne die Vorführung weitgehend automatischer Anlagen überhaupt nicht mehr denkbar, auch in den Tageszeitungen wird nahezu in jeder Nummer über die Einführung irgendeines Computers in einem neuen Bereich berichtet. Um über eine oberflächliche Einschätzung hinauszukommen, sollte deshalb genauer gefragt werden, wie sich der Ausbreitungsgrad von Automation eigentlich messen läßt. Die Frage, welche hierauf eine Antwort in Zahlen mit genauer Berechnung der Stellen hinter dem Komma erwartet, ist auf Unbeantwortbarkeit hin angelegt, denn unklar bleibt in einer so global gestellten Frage, welches Verhältnis zur Diskussion steht (daß ein Verhältnis erfragt wird, steckt im Begriff Grad): das der automatischen Maschinen zu den nicht automatischen? Eine solche Angabe würde äußerst wenig sagen, da unbeantwortet bliebe, welcher Anteil der Produktion auf die eine oder andere Weise hergestellt wird, ebensowenig wieviele der Arbeitenden unter den unterschiedlichen Bedingungen arbeiten. Eine andere Möglichkeit, die Messung der automatisch hergestellten Produkte am Gesamtprodukt der Gesellschaft, stößt auf das Hindernis der Maßzahl für die Produkte, die doch nur als Wertgröße sinnvoll sein kann, als solche aber die im Kapitalismus mit dieser Größe verbundenen Schwierigkeiten mit sich bringt, wie sie etwa aus der Berechnung des Sozialprodukts bekannt sind24. Eine letzte Möglichkeit wäre die Berechnung der unter automatisierten Bedingungen Arbeitenden oder der zum Komplex Automation gehörigen Tätigkeiten, bezogen auf die Gesamtarbeitenden bzw. die Gesämttätigkeiten25. Obwohl eine solche Berechnungsart im Hinblick auf die umfassendere Frage nach den Veränderungen von Tätigkeiten und Qualifikationen viele Vorzüge aufweist, kann auch sie nur ein sehr schiefes Bild vermitteln, da sie ihren Ausgangspunkt in einer widersprüchlichen Bestimmung hat: indem nämlich gerade das Spezifikum der Automation der tendenziell vollständige Ersatz des Menschen durch die Maschine ist, könnte eine geringe empirische Anzahl von Automationsarbeitern auf einen hohen
11 Grad vollkommen automatisierter Prozesse schließen lassen, deren gesellschaftlicher Aüsbreitungsgrad dann auch beliebig hoch sein kann, und umgekehrt. Als weitere Schwierigkeit kommt hinzu, daß die Bestimmung des Automationsgrades durch die automatisch hergestellten Produkte und durch die unter automatisierten Bedingungen Arbeitenden als bekannt voraussetzt, was erst noch zu ermitteln ist: die Ausbreitung automatisierter Produktionsanlagen. Es scheint deshalb nahezuliegen, mit der Analyse des Verbreitungsgrades zu beginnen, indem man die entsprechenden Statistiken heranzieht, und sich dann den anderen Berechnungsweisen zuzuwenden. Auch dieser Weg führt jedoch sofort zu einer Reihe von Schwierigkeiten, die ein anderes Vorgehen erzwingen: der augenblickliche Stand der Automatisierung, ob und in welchem Ausmaß er welche Bereiche erfaßt hat, hängt von vielen Zufälligkeiten ab. Aussagen darüber können täglich als überholt gelten. Damit stünde das Ergebnis einer schlichten Bestandsaufnahme in keinem Verhältnis zum Aufwand, da es seinen Nutzen schnell verlieren würde. Deshalb wird hier versucht, durch Erforschung der inneren Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung die Perspektiven — soweit im Kapitalismus möglich — auszumachen. Ein solches Vorgehen, welches von vornherein auf Erforschung der inneren Bedingungen angelegt ist, um Prognosen erstellen zu können, erweist sich als um so dringlicher, als bisherige Versuche der Bestimmung von Automation und ihrer Folgen der Verallgemeinerung historischer Zufälligkeiten nicht entgehen konnten. (So z. B. auch nicht die RKW-Studie, die in der Krise von 1966/67 mit ihrer Erhebung abschloß, einem Zeitpunkt, in dem ein zweiter Automatisierungsschub seinen Anfang nahm, den sie in diesem Umfang und in diesen Bereichen ausgeschlossen hatte.) Verschiedene Faktoren bedingen die relative Unbekanntheit der Automation von Produktion und Verwaltung und der Verbreitung dieses Phänomens; diese Ignoranz der Vorgänge betrifft natürlich die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen — je nach Stellung zum Produktionsprozeß — in unterschiedlicher Weise; am verbreitetsten ist sie unter den sogenannten Geisteswissenschaftlern, die durchschnittlich noch anzunehmen scheinen, daß Automation wesentlich der Romanwelt des science fiction angehört. Diese Einstellung ist nicht ganz folgenlos, da es ja die den Geisteswissenschaften zugerechneten Sozialwissenschaften sind oder sein sollen, die mit den Folgen der Automation für die dort arbeitenden Menschen in erster Linie sich wissenschaftlich auseinandersetzen müssen. Aus diesem Grunde wird in der vorliegenden Untersuchung über den Ausbreitungsgrad der Automation auf eine Weise didaktisch und allgemeinverständlich verfahren, daß der Problemkomplex nachhaltiger verbreitbar wird. Das gewählte Verfahren versucht in der Art eines Indizienbeweises, jeweils am Voraussetzbaren — sei es an der Alltagserfahrung, sei es an allgemeinem Wissen — anzuknüpfen, also aus dem, was „man" schon weiß, den Automationsverdacht zuzuspitzen. Unter diesem Aspekt werden in einem ersten Teil (B) nach der Diskussion der allgemeinen Begriffe wie auch der Bedingungen und Schranken der Produktivkraftentwicklung v unter den Gesetzen der Kapitalverwertung (die allen übrigen Ableitungen jeweils zugrunde liegen) in einer Art Umkreisungsverfahren die verschiedenen offiziell bekannten und als Indikatoren verwendbaren Daten dargestellt und diskutiert. Die Statistiken zum Wachstum, zur Arbeitsproduktivität und zur Kapitalzusammensetzung
19 In Zeitreihen überprüft und auf ihre Aussagekraft für den zu beweisenden Zusammenhang diskutiert werden das Verhältnis von Arbeitern zu Angestellten, von kaufmännischen zu technischen Angestellten sowie von Facharbeitern zu Angelernten und Ungelernten; wegen der methodischen Schwächen der statistischen Erfassungen und der Schwammigkeit der benutzten Begriffe werden zusätzlich die Leistungsgruppen — trotz der erhöhten Fehlerwahrscheinlichkeit — zur Ergänzung überprüft. Die Bewegungen in der Arbeitskräftestruktur werden nach Bereichen und anschließend nach Industriebranchen untersucht. Besonders beweiskräftig ist das im folgenden untersuchte Auftreten jener neuen Berufe und Berufsbildungsgänge, die entweder eine Verwissenschaftlichung andeuten oder aber ihren der Automation geschuldeten Charakter unmittelbar im Namen tragen (wie etwa Datenverarbeitungsfachleute und Computertechniker). Unter der Voraussetzung, daß die Betriebe mit automatisierter Produktion — wie auch schon mit Produktion mittels hohen Maschinenanteils — einen fortschreitend hohen Marktanteil beherrschen müssen; unter der weiteren Voraussetzung, daß die Verwissenschaftlichung der Produktion notwendig einen hohen, vom Einzelkapital kaum mehr tragbaren Forschungs- und Entwicklungsaufwand verlangt und daß ferner die automatisierte Produktion eine Arbeitskräftestruktur erfordert, die erstens auf dem Markt nicht vorfindbar ist, und deren Ausbildungskosten zweitens so hoch sind, daß die ungeregelte Anarchie des Marktes zu hohe gesellschaftliche Unkosten darstellen würde — ganz zu schweigen von den individuell getragenen —, ist zu erwarten, daß staatliche Regulierungs-, Planungsund Lenkungsfunktionen in den angesprochenen Bereichen zunehmend auftreten werden. Im nächsten Arbeitsschritt wird daher geprüft, ob zunehmende Planungsaktivitäten des Staates im genannten Bereich zu verzeichnen sind. Dies geschieht wiederum nicht, um die Folgen der Automation für den Staat zu untersuchen, sondern um umgekehrt staatliche Maßnahmen als Indikatoren für den Druck, der sich aus der schon erfolgten Automatisierung oder auch aus Gründen ihrer Einführung ergibt, zu benutzen. In diesem Zusammenhang werden sowohl staatliche Planungsund Regulierungsversuche auf dem Arbeitsmarkt selbst (Gründung von Institutionen etc.) analysiert und aufgezeigt, als auch die Staatsaufgaben der allgemeinen Gewährleistung der Produktion — soweit sie als Infrastrukturpolitik ausmachbar sind — als Indikatoren geprüft werden. Besondere Bedeutung wird dabei den Bereichen Bildung und Wissenschaft sowie Forschung und Entwicklung zugemessen, da sie als Voraussetzung der Produktion in zeitlichem Vorlauf auftreten müssen und daher für prognostische Einsichten geeignet sind. Absicht des gesamten Teil B ist es also, auf eine umkreisende und möglichst allseitige Weise das partiell schon vorhandene und diffuse Wissen zu einer Einsicht in das Ausmaß der Veränderungen in den Bereichen der Produktion sowie der Dienstleistungen und der Verwaltung zu verwandeln. Dieses Vorgehen, welches daher in besonderem Maße neben den offiziellen Statistiken auf ein allgemeines Zeitungswissen aufbaut, indem es Nachrichten und Kommentare aus den Medien wieder ins Gedächtnis ruft, versucht so auf exemplarische Weise verstreutes Wissen durch eine zusammenhangstiftende Interpretation wissenschaftlicher Einsicht nutzbar zu machen. Während die Schärfung der Aufmerksamkeit in Richtung auf die Entwicklung der Produktivkräfte im Mittelpunkt des ersten Teiles steht,
20 und die Untersuchung praktisch von der Peripherie her vorgeht, also Folgen, Resultate und Reflexe der Automation bzw. des technischen Fortschritts überhaupt zum Gegenstand hat, wird im zweiten Hauptteil (C) quasi umgekehrt vorgegangen. Hier wird historisch und systematisch untersucht, welche technischen Entwicklungen innerhalb welcher ökonomischer und politischer Gesetzmäßigkeiten wirklich und möglich sind. Dies mit einem doppelten Ziel: einerseits sollen die Entwicklungsgesetze der Automation ausgemacht werden — natürlich unter Berücksichtigung der kapitalismusspezifischen Besonderheiten und Schranken —, um solcherart Perspektiven angeben zu können, zumindest aber Entwicklungsrichtungen aufzuzeigen, ohne die die Untersuchung — wie oben ausgeführt — sinnlos wäre; zum anderen ist die genaue Untersuchung der technischen Seite der Automation, die Frage nach Art und Anzahl der von automatischen Maschinen übernommenen Tätigkeiten oder Tätigkeitsteile mit der gleichzeitigen Uberprüfung der verbliebenen und der qualitativ neuartigen Arbeitsarten eine Vorbedingung für den zweiten, empirischen Teil der Gesamtuntersuchung, also für die Untersuchung der Folgen der Automation für die Produzenten im weitesten Sinne, welche im Mittelpunkt des gesamten Projektes steht. Im ersten Untersuchungsschritt des zweiten Hauptteiles (C) wird die Genese der Automation im Kapitalismus untersucht. Gegenstand der Analyse sind die Gesetze und Bedingungen, die zur Entwicklung automatischer Anlagen führten. Dieses Vorgehen erweist sich als um so dringlicher, als die oben erwähnte Ignoranz gegenüber den Vorgängen in der Produktion von Seiten der Geisteswissenschaftler weitgehend darauf zurückzuführen ist, daß ein implizites Vorverständnis von den Gesetzen der Kapitalverwertung die Einführung von Automation im Kapitalismus als unmöglich erscheinen läßt. Aus dem richtigen Vorverständnis, daß Maschinen im Kapitalismus nicht schon eingesetzt werden, wenn sie Arbeit überhaupt einsparen, sondern nur dann, wenn die eingesparte Arbeit in einem angebbaren Amortisationszeitraum mehr Lohnkosten verursachen würde als die dafür eingekaufte Maschine kostet; aus der zweiten Voraussetzung, daß das eingesetzte Kapital in einem Ausmaß, wie es etwa für automatische Anlagen erforderlich ist, für die meisten Unternehmen zu hoch ist, zudem für alle die Gewinne in Relation zum eingesetzten Kapital zu klein wären, um die kapitalistische Produktion aufrechtzuerhalten; und schließlich aus der Vorstellung, daß kapitalistisch betriebene Automation zu unbewältigbarer Arbeitslosigkeit führen würde, wird meist gefolgert, daß also die Einführung der Automation im Kapitalismus nicht möglich und schon gar nicht wirklich sei. Ohne etwa die Profitgesetze widerlegen zu wollen, ja gerade unter Berücksichtigung und Zugrundelegung ihrer Wirksamkeit, wird im Teil C in impliziter Auseinandersetzung mit dem angegebenen Diskussionsstand versucht, jene Gesetze ausfindig zu machen, die dennoch zur Einführung der Automation im Kapitalismus führten. Die gesamtgesellschaftliche Anstrengung und Planung, die schon zur Entwicklung und Forschung notwendig sind, die ja der Einführung von Automation vorhergehen müssen, scheint in kapitalistischen Gesellschaften einzig im Krieg gegeben. Es wird im folgenden untersucht, welche Problemstellungen der Kriegstechnologie es waren, die zu den bestimmten, für die Automation erforderlichen Entdeckungen in der Technologie führten. Es wird bei dieser Ableitung natür-
21 werden jeweils auf ihre methodischen Schwächen, ihre eingeschränkte Aussagekraft und auf die verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten hin diskutiert, um abschließend in einem Vergleich der Indikatoren bei gleichzeitigem Auftreten der Hinweise auf den vermehrten Einsatz höher entwickelter Maschinerie, auf technischen Fortschritt zu schließen. Die Möglichkeiten, daß organisatorische Veränderungen, allgemeine Rationalisierungen, Intensivierung der Arbeit oder einfach vermehrter Arbeitskräfteeinsatz Ursache etwa für steigendes Wachstum oder erhöhte Arbeitsproduktivität waren, werden in diesem Zusammenhang diskutiert und können jeweils durch Kombination mehrerer Faktoren eingeschränkt werden: etwa Erhöhung der Produktivität der Arbeit bei Vermehrung des Bruttoanlagevermögens oder Erhöhung des Wachstums bei abnehmender Arbeiteranzahl und Zunahme des Anlagevermögens etc. — In diesem Zusammenhang, also bei Überprüfung von Wachstum, Produktivität und Anlagevermögen läßt sich allerdings noch nicht mit Sicherheit auf automatisierte Produktion schließen, da die genannten Faktoren, bzw. deren Zunahme zwar notwendige, aber nicht hinreichende Bedingungen für diesen Schluß darstellen. Es wird daher in diesem Zusammenhang auch der Begriff Automation —• außer in zweifelsfreien Fällen — ausdrücklich nicht verwandt, sondern der weitere Begriff des technischen Fortschritts, der Entwicklung der Produktivkräfte etc., weil auf dieser Stufe noch nicht mehr gemeint sein kann. In einem zweiten Untersuchungsschritt wird die Arbeitskräftestruktur als Indikator für technischen Fortschritt, in zweifelsfreien Fällen auch der Automation analysiert. Vorüberlegungen zu diesem Schritt waren, daß die Veränderungen der Art und Weise zu produzieren, bzw. auch die Veränderungen in den Dienstleistungs- und Verwaltungsbereichen Auswirkungen auf die Arbeitskräftestruktur haben müßten, die sich zum Teil schon in bekanntem und nachweisbarem Umfang niederschlagen. Das komplizierte in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, daß die Folgen der Automation auf die Arbeitskräfte uns als Untersuchungsgegenstand erst in einem späteren empirischen Teil der Gesamtuntersuchung beschäftigen, an dieser Stelle also nicht selbst Gegenstand wissenschaftlicher Analyse sind, sondern lediglich in ihrem phänomenologischen Auftreten — gleichsam als bekannte und an der Oberfläche der Gesellschaft sich vollziehende Entwicklungen — rückwärts als Indikatoren für vorhergehende Umwälzungen in der Produktion gedeutet werden können. (Es kann daher an dieser Stelle, wie überhaupt in diesem Band, nicht darum gehen, Arbeitsbedingungen, Arbeitsorganisation, Art der Arbeitsplätze, soziale Folgen, Intensität der Arbeit zu beschreiben oder auch die Polarisierungsthese zu überprüfen; dies können und werden erst Ergebnisse der empirischen Untersuchung sein.) Diskutiert werden also in diesem Teil Erscheinungen in der Struktur der Arbeitskräfte, deren Zusammenhang mit technischem Fortschritt oder/und Automation als allgemein bekannt voraussetzbar ist oder unmittelbar einsichtig abgeleitet werden kann. Die in diesem Zusammenhang benutzten Daten und Kategorien haben dabei zwar den Nachteil eines relativ großen Interpretationsspielraums — der auch diskutiert wird —, sind aber andererseits in ihrer Aussagekraft insofern gewichtiger, weil solche Reflexe auf Veränderungen in der materiellen Produktion außerordentlich verzögert auftreten, gerade erkennbare Verschiebungen daher auf drastische Veränderungen schließen lassen.
15 lieh berücksichtigt, daß die Kriegstechnologie nicht unmittelbar in der Produktion anwendbar ist. Die ebenfalls vom Staat getragene Anwendungsforschung erweist sich als das letzte fehlende Glied, welches jetzt die „fertigen" automatischen Maschinen und Anlagen bzw. ihren Einsatz in der Produktion wieder unter den Gesetzen der Konkurrenz und des Profits erklärbar macht. Zusätzliche Verweise etwa auf die Kostendegression in der Herstellung von Automaten erleichtern die Einsicht in die Gesetzmäßigkeiten von Einsatz und Verbreitung. In den weiteren Untersuchungsschritten werden die verschiedenen der' Automation zugehörigen Technologien in ihren qualitativen und quantitativen Aspekten dargestellt. Ihre bisherige Verbreitung in der BRD wird — unter Berücksichtigung und Vorstellung einer Fülle von Datenmaterial — in Zusammenhang mit den Bedingungen ihres Einsatzes und also perspektivischen Einschätzungen diskutiert. Diese Untersuchung gilt zunächst den Datenverarbeitungsanlagen, -netzen und -programmen. Die Automatisierung wird konkret in den Bereichen Verwaltung und Handel und Produktion in den grundsätzlichen Entwicklungslinien und an vielen Beispielen dargestellt. Dabei wird im einzelnen auf die Datenerfassung und -dokumentation, die automatische Textverarbeitung und Datenverarbeitungssysteme im Handel und in den Banken eingegangen. Im Bereich der Produktion wird die Nutzung von Prozeßrechnern für die Systemautomatisierung in ihren neuesten Entwicklungen herausgearbeitet; NCMaschinen und Roboter werden hinsichtlich ihrer Funktionsweise und der neu entstandenen bzw. ersetzten Tätigkeiten analysiert; die Automatisierung der Bereiche Konstruktion, Lagerhaltung, Reparatur und Transportwesen wird an richtungsweisenden Beispielen veranschaulicht. Diese Untersuchung der technisch-ökonomischen Verwirklichung von Automation ist die Voraussetzung für das Begreifen und die empirische Untersuchung der an den automatischen Anlagen neu entstandenen Tätigkeiten, die in der folgenden empirischen Arbeit des Projekts durchgeführt wird.
23 so z. B. die Gesetze über die Senkung des Bleigehalts von Benzin zu Fall gebracht). Die auf diese Weise erpreßten Gewinne werden die Entwicklungen einer Reihe neuer automatischer Technologien ermöglichen5. Das Beispiel zeigt eindrucksvoll, mit welcher Gewalt die Steigerung der Profite und damit die Weiterentwicklung der Automation durchgesetzt wird: die halbe Welt muß bei dem hier inszenierten Manöver mitspielen; nicht nur werden ganze Völker systematisch betrogen und Regierungen bestochen und erpreßt, sondern bei diesem Streit um den Profit nehmen es die ölkonzerne mit dem Kapital der ganzen Welt auf. Das Beispiel lehrt auch, mit welch ungeheurer Flexibilität die Beschränktheiten des Privatbesitzes kompensiert werden, ohne ihn preiszugeben. Ergebnis der widersprüchlichen Bestimmung des Monopols, Ausschaltungsmittel der Konkurrenz auf der Basis von Konkurrenz zu sein, ist eine durch und durch widersprüchliche Produktivkraftentwicklung6. Seiner ökonomischen Macht entsprechend kann es sowohl die Produktivkräfte hemmen als auch ihre Entwicklung ungeheuer vorantreiben. Auf die Dauer setzt sich jedoch die Konkurrenz durch, die so immer vernichtendere Formen bekommt, sei es die massenhafte Zerstörung der ökonomischen Existenz ganzer Erwerbszweige, z. B. von Landarbeit, Handwerk, Kleinhandel, seien es kriegerische Auseinandersetzungen von globalen Ausmaßen. Langfristig gibt es also, falls in einem Betrieb automatisierte Produktion eingeführt worden ist, für die anderen Kapitale der Branche kein Entrinnen. Mit welchem Tempo sich dabei die Verallgemeinerung von Automation vollzieht, hängt von den wechselnden Umständen ab. Besonders in der Krise setzt sich die Konkurrenz als bestimmender Faktor durch. Es ist deshalb damit zu rechnen, daß die Automatisierung in Schüben verläuft, die dem Krisenverlauf entsprechen7. Profitsteigerung durch Automation ist erkauft durch wachsende organische Zusammensetzung des Kapitals, d. h. ein immer größerer Teil muß in Maschinen investiert werden. Die Mindesthöhe des profitabel einzusetzenden Kapitals steigt permanent an, und selbst für die größten internationalen Monopole (siehe „Ölkrise") wird es immer schwieriger, die Investitionen zu finanzieren. Bei der Einführung neuer Maschinen wie automatischer Anlagen steigt zudem das Risiko erheblich, da es schwierig ist, die anfallenden Störungen einzukalkulieren. So existieren ineins der Trieb, die jeweils neueste Maschine einzusetzen und der Trieb, nur das zu kaufen, was bereits altbewährt ist — niemand will der erste sein. Solche Schwierigkeiten fördern Ausweichbewegungen: das Kapital wirft sich auf Branchen mit hohem Lohnanteil und entsprechend niedriger Produktivität, um durch Lohndrücken die Profite zu steigern. Die inländischen Löhne können zwar kaum gesenkt werden, dafür werden ausländische Arbeitskräfte eingestellt, die sehr viel niedriger bezahlt werden können. Die Anzahl der Gastarbeiter verhält sich so gewissermaßen umgekehrt proportional zum Entwicklungsstand der Automation. Diese Lösung bringt jedoch neue Schwierigkeiten mit sich: Verstärkung der Infrastruktur8, politische Unruhe u.a. 9 . Eine andere Lohnsenkungsmethode ist die Verlagerung von Industrien mit niedrigem Produktivitätsstand in unterentwickelte Länder mit niedrigen Löhnen und staatlichen Subventionen, sogenannte „Billiglohn-" oder „Lohnfluchtländer". Auch dies bringt jedoch Schwierigkeiten mit sich, vor allem durch die Stärke der antiimperialistischen Bewegungen in vielen unterentwickelten Ländern. Das Kapital bevor-
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II. Bedingungen und Schranken von Automation Als Begründung für die Einführung von automatischen Maschinen wird von Kapitalseite gewöhnlich angegeben, es seien zu wenig Arbeitskräfte vorhanden; aufgrund dieses Arbeitskräftemangels müsse man Maschinen einsetzen, die zu ihrer Bedienung weniger Personal brauchen. Dies ist eine verschleiernde Redeweise dafür, daß zu den gezahlten Löhnen nicht genügend Arbeitskräfte zu haben sind. Da Lohnsenkungen kaum durchgesetzt werden können, wird der Lohnanteil des Gesamtkapitals gesenkt. Der Automat, die/ sich von selbst bewegende Maschine, ist in dieser Hinsicht das Ideal. Durch die Einführung arbeitssparender Maschinen werden die Kosten pro Produkt gesenkt, sie macht sich also in einer Steigerung der Produktivität bemerkbar1. Der Zwang zur Verbilligung der einzelnen Ware durch Entwicklung der Produktivkräfte wird dem Einzelkapital von außen durch den Konkurrenzdnxck aufgeherrscht. Es ist klar, daß in dem Ausmaß, in welchem Konkurrenz beseitigt wird, damit auch der Antrieb zur Weiterentwicklung der Automation schwächer wird. Die herrschende Kapitalform, das Monopol, ist ihrem Wesen nach gegen die Konkurrenz gerichtet. Man könnte deshalb annehmen, daß mit der Durchsetzung der Herrschaft der Monopole die Produktivität stagniert habe. Daß dies nicht der Fall ist, ist offenkundig. Das Monopol bringt zwar heftige Tendenzen zur Stagnation mit sich, es kann jedoch die Konkurrenz immer nur weiter hinausschieben, nicht aufheben. So entwickelt sich die Konkurrenz auf immer höherer Stufenleiter, zwischen immer weniger Beteiligten, die jedoch immer mächtiger werden und auch entsprechende Kampfmittel einsetzen. Selbst eine so hoch monopolisierte Branche wie die Ölindustrie, die zum größten Teil in der Hand einer amerikanischen Konzerngruppe ist, wird in ihrer Bewegung durch die erbittertsten Konkurrenzkämpfe bestimmt2. Ein aufschlußreiches Beispiel für die Entwicklung von Automation unter der Herrschaft der Monopole bietet die sogenannte Ölkrise. Durch den sehr weit fortgeschrittenen Entwicklungsgrad von Automation in der Ölindustrie3 war die Produktivität enorm gestiegen. Das viele ö l drückte auf die Preise und die Gewinne stagnierten. „Zu viel ö l " 4 heißt das in der Sprache des Kapitals. Gleichzeitig wurde jedoch zur langfristigen Absicherung der Position auf dem Energiesektor die Weiterentwicklung verschiedener neuerer Energiegewinnungstechniken notwendig (Kohlehydrierung, Abbau von Meeres- und Schieferöl, Atomenergie). Aufgrund des sehr hohen technologischen Niveaus in diesen Industrien überstiegen die Investitionskosten jedoch bei weitem die Finanzkraft der vereinigten ölkonzerne. Es wurde deshalb ein gigantisches Investitionsbeschaffungsprogramm ins Werk gesetzt, die Ölkrise. Die Förderländer wurden durch Erhöhung des Rohölpreises dazu bestochen, das ö l künstlich zu verknappen, um zum einen eine Preiserhöhung durchsetzen zu können, die die Steigerung des Rohölpreises bei weitem übersteigt, und um zum anderen kostspielige Auflagen für ökologische Maßnahmen durch Anheizen einer allgemeinen Krisenhysterie abzuschaffen (in der Bundesrepublik wurden
25 Beginn des Imperialismus — also seit der Zeit der Aufteilung der Entwicklungsländer unter die kapitalistischen Staaten —, aber insbesondere seit der russischen Revolütion, durch die Systemauseinandersetzung, ist die Verallgemeinerung der Kriege als latente Kriegsgefahr und damit der permanente Antrieb für die Aufrüstung gegeben. Der Schwerpunkt der staatlichen Förderung technologischer Entwicklungen liegt deshalb auf dem Gebiet der Vernichtungstechnik. In dem Maße, in dem die hier entwickelte Technologie automationsrelevant ist, wird durch den Staat die Automation vorangetrieben. Der prozentuale Anteil des Automations-„spin-off" an den Rüstungskosten ist dabei kein Maßstab für die Automationsrelevanz der Rüstung. Selbst wenn es nur wenige Prozent sein sollten — entscheidend ist die qualitative Seite dieses Prozesses: Rüstung wird dann zum entscheidenden Hebel für Automation, wenn der zivile „Abfall" 1. zentrale Bedeutung für die Produktion hat, 2. nicht nebenher, zufällig zustande kommt, sondern auf der Militär-Technologie aufbaut. Ohne Zweifel geht die Entwicklung zeitsparender Technologien durch die Rüstung mit einer, gesellschaftlich gesehen, ungeheuren Verschwendung und Zerstörung einher — dies entspricht jedoch einer Produktionsweise, die ungeheure Reichtümer vernichtet, um — noch immer — noch größere zu entwickeln15. Und sicherlich wäre es sehr viel rationeller, das Geld gleich in die „zivile" Forschung zu stecken — dies gilt jedoch nicht für die Ratio eines Systems, das dann die höchste Form der Gesellschaftlichkeit hat, wenn es sich als organisierte Gewalt nach außen richtet16. — Die Kosten zur Herstellung der modernsten Waffen übersteigen längst die finanziellen Kapazitäten der reichsten kapitalistischen Staaten; an die Stelle nationaler Kriegsproduktion tritt deshalb tendenziell die internationale. Automationsrelevante Rüstungstechnologie wird in dem Maße profitbringend einsetzbar, wie ihre Kosten gesenkt werden können. Hebel dazu sind die Massenhaftigkeit (durch Zerstörung und hohe Innovationsgeschwindigkeit) und Gebrauchswerteigentümlichkeiten von Kriegsgütern, die zum Einsatz der fortgeschrittensten Technologien auch bei der Herstellung von Militärtechnik drängen. Ist das „Transfer"-Problem für einige große Konzerne gelöst, hängt die Geschwindigkeit der weiteren Ausbreitung entscheidend davon ab, wieweit die Automaten selbst automatisch hergestellt und dadurch ihre Kosten gesenkt werden können17. Erhöhung der Produktivität bedeutet Vergrößerung des Warenausstoßes in gegebener Zeit18. Mit dem Anschwellen des Warenstroms wächst zugleich der Druck, seine Zirkulation immer schneller abzuwickeln. Notwendig wird z. B. die Vergrößerung und Beschleunigung des Transports. Hier bringt die Automation zugleich mit ihren Problemen die Mittel zu deren Lösung hervor: längst können nicht nur Flugzeuge, sondern auch Schiffe automatisch gesteuert werden19, lassen sich Signalanlagen, Stellwerke und Zugsicherungen bei der Eisenbahn automatisieren bis hin zur elektronischen Berechnung des richtigen Bremseinsatzes20. Daneben spielt eine wichtige Rolle die Verkürzung der Verladezeiten von einem Transportmedium (Schiff, Eisenbahn, Lastkraftwagen) in das andere, wie sie durch die Einführung genormter Behälter für Stückgut (Container) erreicht worden ist. — Auch die Beschleunigung des Verkaufs dieser wachsenden Warenmenge verlangt neue technische Lösungen, eine Erhöhung der Produktivkraft also auch im Handel. Neben der Entwicklung zeitsparender Verkaufs- und Zahlungstechniken auch im Einzelhandel (etwa Selbstbedie-
26 zugt deshalb faschistische Diktaturen, in denen die demokratische Bewegung durch staatlichen Terrorismus geschwächt ist. Es ist damit zu rechnen, daß sich allmählich eine Arbeitsteilung zwischen kapitalistischen Industrieländern und unterentwickelten Diktaturen herausbildet, bei der in den industrialisierten Ländern die automatisierte Industrie angesiedelt ist (außerdem die Herstellung von Waren mit sehr hohen Transportkosten, z. B. Schwermaschinen, und von solchen, die sehr schnell konsumiert werden müssen, wie manche Lebensmittel), die Industrien dagegen, die der völligen Automatisierung der BRD im Wege stehen, werden in die unterentwickelten Länder verlagert. Wegen der mit der Entwicklung der Automation steigenden Verwertungsschwierigkeiten ist behauptet worden, daß unter der Herrschaft des Profits die Einführung von Automation in der Industrie überhaupt nicht möglich sei — eigentümlicherweise sowohl von Theoretikern in der DDR10 als auch von den sich antirevisionistisch gebärdenden Gruppierungen der Neuen Linken. Die fallende Profitrate verhindere eine kapitalistische Automation, und nur bei wirklich gesellschaftlicher Produktion könnten die erforderlichen ungeheuren Mittel mobilisiert werden. Dieser Behauptung liegt ein falsches Verständnis der Bewegungsweise kapitalistischer Produktion zugrunde: sie läßt unberücksichtigt, inwieweit die Entwicklung der Automation zugleich mit ihren Schwierigkeiten entgegenwirkende Ursachen auf den Plan ruft, die die Durchsetzung von Automation auf kapitalistischer Basis vorantreiben. Hier muß vor allem der Eingriff des Staates berücksichtigt werden11. Zu den wachsenden Kosten der Maschinerie gehören nicht nur die reinen Anschaffungskosten, sondern auch die zunehmenden Kosten für Forschung und Entwicklung. Der Hauptgeschäftsführer des Unternehmerverbandes der chemischen Industrie stellte dazu fest: „Läßt sich nicht klar erkennen, ob ein bestimmtes Forschungsvorhaben bei angemessenem finanziellen Aufwand innerhalb eines nicht zu langen Zeitraumes durch seine gewinnbringende Anwendung in der Bilanz eines Unternehmens positiven Niederschlag finden wird, dann ist eine solche Forschung der Privatwirtschaft nicht zuzumuten"12, und verlangt deshalb die Übernahme solcher Kosten durch den Staat. Ein Vorbild für das Kapital in der BRD ist z. B. der Konzern IBM, der nach Darstellung des ehemaligen Krupp-Direktors und Bundesministers für wissenschaftliche Forschung, Stoltenberg, in den Jahren 1951 bis 1959 70 % seines Forschungsaufwandes für EDV staatlich finanziert hatte und so, laut Stoltenberg, „ohne unternehmerisches Risiko ein reiches Potential an Kenntnissen und Erfahrungen zu sammeln"13 vermochte. In dem Maße, wie es gelingt, Forschungs- und Entwicklungskosten für Automation auf den Staat abzuwälzen, wird dies die Durchsetzung von Automation fördern14. Da weder anzunehmen ist, daß der Staat sich so fest in Händen von Einzelkapitalen befindet, daß sie* ihm ihre dringlichen Forschungsvorhaben einfach übertragen können, noch der Staat völlig autonom Forschungsvorhaben mit großen Teilen seines Haushaltes nach irgendwelchen zufälligen Maßstäben vergeben kann, muß ein gesamtgesellschaftlicher Bedarf existieren, für den — auf der Basis kapitalistischer Produktionsverhältnisse und unter Einbeziehung der Konkurrenz der Einzelkapitale — die erforderlichen Forschungs- und Entwicklungsprogramme finanziert werden. Höchste Form des gemeinsamen Gesellschaftlichen (oder Scheingemeinsamen) ist im Kapitalismus der Krieg. Schon seit
20 nung und Kreditkarte) ist ein wichtiger Hebel die Anwendung der Automation zur Bewältigung ihrer Folgen: man kann z. B. Kassen an elektronische Anlagen anschließen, die die Daten für Nachbestellung, Buchhaltung und Verkaufsstrategien speichern und verarbeiten21. Aber selbst wenn die technischen Schwierigkeiten des Transports und der Zirkulation der Waren gelöst sind, stößt die Realisation der immer massenhafter hergestellten Waren auf Schwierigkeiten, die in den Widersprüchen kapitalistischer Gesellschaften selbst begründet sind. Auf der Basis „antagonistischer Distributionsverhältnisse"22 macht sich die Automation wie alle Produktivkrafterhöhung als tendenzielle „Uberproduktion" bemerkbar. Produktion und Verkauf müssen mit immer raffinierteren Überlegungen verbunden werden, um das zunehmende Risiko zu vermindern oder auf die Konkurrenz abzuwälzen. Auch hierbei leistet die Automation ihrer Durchsetzung selbst Dienste: Computer werden auch für Marktanalysen eingesetzt. Die Verkaufsstrategien stehen jedoch zum Teil selbst wieder im Widerspruch zur Automation. So hemmt die Technik der Verkaufsförderung durch künstliche Produktveraltung in Gestalt von permanenter „ästhetischer Innovation"23 die Durchsetzung der Automation in der Bekleidungsindustrie24. Zur Lösung des Absatzproblems wird die Entwicklung des Weltmarktes weiter vorangetrieben. Sowohl der Handel mit den sozialistischen Ländern, seit neuem auch mit China und Kuba, muß forciert werden als auch der innerkapitalistische Handel. Die Konkurrenz zwischen europäischem, amerikanischem und japanischem Kapital wird den Zwang zur Automation verstärken und die damit sich entwickelnden Widersprüche weiter zuspitzen. Die Produktion von nicht zu den Massengütern zählenden Waren scheint zunächst nicht automatisierbar zu sein, denn nur die ununterbrochene, massenhafte Herstellung von Waren garantiert zunächst die Auslastung automatischer Maschinen. Jede Verzögerung würde sofort zu einer enormen Kostensteigerung für das einzelne Produkt führen und gleichzeitig die Gefahr des vorzeitigen „moralischen Verschleißes" der Maschinerie beschleunigen. So läßt sich denn auch zunächst die Herstellung von Fließgut, also die Verarbeitung gasförmiger, flüssiger oder granulierter Stoffe automatisieren, deren Steuerung und Regelung verhältnismäßig einfach ist und über lange Zeit konstant bleibt, also kein permanentes Umrüsten der Maschinerie erfordert. Jedoch auch solche Prozesse sind der Gefahr ungenügender Auslastung ausgesetzt: durch Störungen im Produktionsablauf. Da derartige Störungen zudem häufig sehr gefährlich sind (z. B. in Atomkraftwerken oder in der Chemieindustrie), ergibt sich die Notwendigkeit, auch die Behebung solcher Störungen zu automatisieren, z. B. durch parallel geschaltete Aggregate und durch sich selbst reparierende Maschinen25. Die Durchsetzung von Automation ist so zunächst an die Schranken Fließgut und Massenproduktion gebunden. Im Verlauf des Automatisierungsprozesses lassen sich beide Schranken überwinden. Das Problem der Automatisierung der Produktion ungleichförmiger Produkte kann von zwei Seiten angegangen werden: durch die Anpassung der Produkte an den Automaten und durch Anpassung des Automaten an die Produkte. Das Kapital sieht sich gezwungen, eine Planung der Gebrauchswertgestalt der Produkte vorzunehmen. Auf einer VDI-Tagung schon im Jahre 1957
21 wurden für die „Automatisierung in der Fertigung" (Thema der Tagung) Vereinheitlichungen in drei Ebenen vorgeschlagen: „Vereinheitlichungen im vorfabrikatorischen Feld. Gemeint ist die von Normenausschüssen organisierte und zum Großteil bereits durchgeführte konventionelle Vereinheitlichung, die über den Einzelbetrieb hinausgehende Normung z.B. von Gewinden, Abmessungen, Toleranzen usw., die vor allem für die universelle Verwendbarkeit von Einzelteilen und Vorfabrikaten wichtig sind. — Vereinheitlichung auf fabrikatorischem Gebiet. Sie ist autonom, wird vom Betrieb selbst durchgeführt, ist vor allem bei Sortenfertigung anwendbar und angebracht. Sie bezieht sich in erster Linie auf die Typung, die Festlegung der Programmbreite, Bauelemente und deren Verbindungs- und Variationsmöglichkeiten. Dabei soll einerseits der individuellen Gestaltungsmöglichkeit des Produkts noch genügend Raum bleiben, während andererseits eine Beschränkung des Katalogs dem Verbraucher nicht schaden soll. So stellt ein . . . Werk der Kunststoffindustrie, das bis vor kurzem noch 2700 Kammsorten herstellte, nach einer Typenbereinigung ,nur noch4 700 verschiedene Arten und Größen her, wobei diese Beschränkung sich in einer Preissenkung der verschiedenen Sorten auswirkt. Bei technischer Verwendung im Betrieb selbst ist eine Typenbereinigung noch leichter durchführbar als beim Gebrauchsgut. Eine Typenbegrenzung von Bauteilen für US-Armee-Motoren verringerte die vorhandenen 1827 Sorten auf 167. — Die außerbetriebliche Vereinheitlichungsebene. Hier ist der gesamte Markt ins Auge gefaßt und an eine Aufteilung der Bedarfsdeckung nach einer kartellähnlichen Abgrenzung gedacht, etwa in der Art, daß zwei Motorenfabriken, die beide bislang Motoren jeglicher Größe herstellten, übereinkommen, daß die eine nur noch Motoren bis 100 PS und die andere alle Leistungsgrößen darüber fertigt. (Aufteilung nach Größe der Produkte.) Sie haben dadurch den Vorteil größerer Stückzahlen und günstigerer Fertigungsmethoden. Oder es vereinbaren z. B. zwei Drehbankfabriken, daß die erste nur noch Spitzendrehbänke produziert, während die andere auf Revolverdrehbänke sich beschränkt und alle Anfragen und Aufträge entsprechend weitergeleitet und ausgetauscht werden (Aufteilung nach der Art der Produkte)."26 Am bekanntesten ist die Arbeit der Normenausschüsse im Bereich der privaten und öffentlichen Verwaltung, wo durch Normung die ständig anfallenden Arbeiten zum automatischen Fluß umgeformt werden können. Büros werden beschickt mit genormtem Papier und Inventar — einschließlich der Maschinen. „In allen diesen Fachnormenausschüssen arbeiten Hersteller, Anwender, industrielle und nichtindustrielle Käufer, die öffentliche Hand, der Handel und die Wissenschaft ehrenamtlich zusammen."27 Diesen Normierungen sind natürlich Grenzen gesetzt. Zur Überwindung dieser Grenzen muß die Flexibilität der Maschinerie, ihre Fähigkeit, sich an ungleichförmige, im Extremfall sogar von Produkt zu Produkt wechselnde Größen anzupassen, entwickelt werden. Dies ist besonders notwendig bei landwirtschaftlichen Produkten, wo die Unterschiedlichkeit der Produkte natürliche Ursachen hat. Durch Züchtung läßt sich zwar die Standardisierung des Produkts vorantreiben, jedoch nur in beschränktem Maße. Kompensatorisch muß die Flexibilität des Automaten erhöht werden. „Die vollautomatische Verrichtung von Arbeiten ist in der Pflanzenproduktion technisch durchaus in vielen Bereichen möglich. Als Beispiel dafür führt Batel eine vollautomatische Pflugmaschine an, die bisher ver-
22 suchsweise erprobt wurde. Nachdem durch Handlenkung eine Leitfurche in Arbeitsrichtung und an den Feldenden zwei Steuerfurchen quer zur Arbeitsrichtung gezogen sind, pflügt das Aggregat vollkommen selbsttätig, wobei alle Funktionen elektrohydraulisch gesteuert werden. Solche vollautomatischen Systeme haben bisher noch keinen Eingang in die Praxis gefunden, da ihre Kosten zu hoch sind. Auch in der Zukunft dürften sich solche Verfahren kaum durchsetzen."29 Diese Schlußfolgerung ist — ebenso wie im folgenden Beispiel aus der Fleischproduktion — falsch, da das „praktisch Unmögliche" in einigen Großproduktionen schon eingerichtet ist30. „Bei der Tierproduktion handelt es sich um einen Verarbeitungsprozeß, der in der Regel in ortsfesten Anlagen durchgeführt wird. Die Möglichkeiten der Automation sind daher grundsätzlich größer als in der Feldwirtschaft. Sie erfahren jedoch eine entscheidende Einengung dadurch, daß ein Glied des Produktionsprozesses das Tier selbst ist. Bei einer vollständigen Automatisierung müßte das Tier in die Regelkette einbezogen werden. In der Schweinemast z. B. wären die Gewichtsentwicklung sowie der Fleisch- und Fettansatz zu kontrollieren, und die Futtermenge und Futterzusammensetzüng wiederum automatisch auf die entsprechenden Verhältnisse einzustellen. Das ist praktisch unmöglich."31 Wenn bei naturbedingter Variabilität^ der Produkte der Hebel zur Automatisierung in der Verfeinerung der Meß- und Regelglieder liegt, so bei der Automatisierung der Produktion von Nichtmassengütern in der Verkürzung der Umrüstzeiten. Indem die Umrüstzeit gegen Null strebt, können Nicht-Massengüter, z. B. Teile von Spezialmaschinen, massengüterähnlich hergestellt werden. Bei elektronischer Steuerung der Bewegung der Maschine und des Werkzeugwechsels, wie sie in den numerisch gesteuerten Werkzeugmaschinen gelungen ist, kann diese Einsparung so groß werden, daß sich sogar die automatische Herstellung nicht nur von kleinen Losgrößen, sondern sogar von Einzelstücken lohnt32. Der Zwang zur Massenproduktion gilt auch für die automatische Verarbeitung von Informationen. Dem steht die geringe Größe der meisten Betriebe entgegen. Durch den Anschluß sehr vieler kleiner Anwender an eine Elektronische Datenverarbeitungsanlage lassen sich Massenproduktions-Bedingungen herstellen, Vergesellschaftungen rein auf der Ebene des Arbeitsprozesses durchführen und gleichzeitig der der Massenproduktion entgegenstehende Kleinbetrieb aufrechterhalten33. Langfristig werden jedoch auch diese Prozesse zu einer Vergesellschaftung durch Fusionierung von Kapitalien führen, wie es sich z. B. bei den Sparkassen bereits abzeichnet, die sich zum Einsatz von EDV zu „Buchungsgemeinschaften" zusammenschließen müssen34. So sehr die Automatisierung dazu führt, daß immer weniger Arbeiter immer mehr Maschinen bedienen, so wenig heißt dies, daß die Relevanz der Arbeitskraft für die Automation damit abnimmt. Im Gegenteil: Gerade in der Tatsache der Beherrschung immer umfassenderer Anlagen drückt sich die zunehmende Bedeutung der einzelnen Arbeitskraft für den Produktionsprozeß aus. Mit Automatisierung verbunden ist deshalb eine umfassende Umwälzung in den Anforderungen an die Qualifikation der Arbeitskraft, sowohl derjenigen, die die neue Technologie konstruieren und weiterentwickeln, als auch derjenigen, die sie anwenden35. Die Durchsetzung einer den neuen Anforderungen entsprechenden Bildungsplanung verlangt eine Gesellschaft, die selbstbewußt über den Einsatz und die Aus-
23 bildung der ihr zur Verfügung stehenden Arbeitskraft entscheidet. Planung erweist sich als notwendig. Sie kann dabei nicht von vorgegebenen Zwängen befreien, sondern nur auf die gesellschaftlich vernünftigste Weise diesen Notwendigkeiten und damit Unfreiheiten nachgehen. In einer auf Privatbesitz gegründeten Gesellschaft vollzieht sich Bildungsplanung in einer durch und durch widersprüchlichen Bewegung. Grundpfeiler kapitalistischer Freiheitsideologie ist die Tatsache, daß die Arbeiter ihre Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt frei verkaufen können. Die Freiheit der Berufswahl wird deshalb im Grundgesetz garantiert. Die Einschränkungen in der Freiheit der Berufswahl in den sozialistischen Ländern waren lange Zeit ein massenwirksamer Angriffspunkt antikommunistischer Propaganda. Diese Waffe wird man im Arsenal des Kalten Krieges immer seltener finden, denn die neue Produktionsweise verlangt gebieterisch nach Änderungen im Bildungssystem, die nur durch Einschränkungen des freien Verkaufs der Ware Arbeitskraft durchgesetzt werden können. Am naheliegendsten ist es, mit großem Aufwand zu versuchen, die spezifisch kapitalistischen Mittel zu optimieren, zum einen durch Ausweitung des Arbeitsmarktes, etwa im Rahmen der „Europäischen Gemeinschaft", so daß auf eine sehr viel größere Reservearmee zurückgegriffen werden kann. Zum anderen durch die Erhellung des unübersichtlichen Arbeitsmarktes mit Hilfe von Informationssystemen, die selbst wiederum durch den Einsatz automatischer Rechenanlagen unterstützt werden36. Daneben läßt sich die Strategie verfolgen, durch Beeinflussung der Berufswahl eine freie Entscheidung herbeizuführen, bei der die Ausbildungsgänge und Berufe gewählt werden, die den ökonomischen Bedürfnissen entsprechen. Wo dies alles nichts fruchtet, muß zu härteren Mittel gegriffen werden, wie sie z. B. im Bereich universitärer Ausbildung üblich sind, wo die Freiheit der Berufswahl durch Zulassungsbeschränkungen in den meisten Fällen verhindert wird. Die größten Schwierigkeiten bereitet der unmittelbare Eingriff in die freie Wahl des Arbeitsplatzes. Für den Staat stellt sich das Problem zur Zeit besonders drängend bei der Anpassung des Gesundheitswesens an die neuen Anforderungen. So sieht sich etwa die CSU zu einer gespaltenen Strategie gezwungen. Als Regierungspartei in Bayern schränkt sie die Niederlassungsfreiheit der Ärzte zugunsten der Erfüllung von Bedarfsplänen ein, als Oppositionspartei im Parlament protestiert sie dagegen — auf beiden Seiten hinkend, sich so mit Plan und Anarchie verbündend. — Die Unternehmer möchten garantiert sehen, daß diejenigen, die von ihnen ausgebildet werden, danach auch bei ihnen arbeiten und versuchen, dies durch den Einsatz ökonomischen Drucks zu erreichen, indem z. B. Unternehmen, die die Ausbildung bezahlen, die Ausbildungskosten einklagen. Ein weiterer Widerspruch bei der Bildungsplanung ist der zwischen den langfristigen Entwicklungstendenzen der Automation, die langfristige Investitionen auch im Ausbildungsbereich notwendig machen, und dem Interesse des Kapitals an maximaler Kostensenkung. Infolgedessen muß das Kapital versuchen, pri* ate Ausbildung durch den Staat finanzieren zu lassen37. Damit wird die Ausbildung jedoch zum Teil dem Einfluß des Kapitals entzogen: Gewerkschaften und Parteien könnten unerwünschten Einfluß auf die Ausbildung ausüben.
24 Schließlich wirkt gerade im Bildungsbereich der Interessengegensatz zwischen den großen und den kleinen Kapitalen, bei denen sich die Automation in geringerem Maße durchsetzen kann. Eine Bildungsreform, die dem Niveau der Produktivkräfte entspricht, muß deshalb die Ausbildung in den zurückgebliebenen kleineren Unternehmen verhindern. Diese sind wiederum gerade wegen des niedrigeren Produktivitätsniveaus auf Lehrlingsausbeutung angewiesen. Unter Ausnutzung der Bedrohung der Arbeitsplätze durch die Krise sowie unter Ausnutzung ihres politischen Gewichts als Mittelstand, um dessen Stimmen sich die Parteien reißen, versuchen die Kleinunternehmer, die Bildungsreform für Lehrlinge zu verhindern. In dem Maße, in dem sich trotz aller Schwierigkeiten die Bildungsreform durchsetzt, scheint sich ein weiterer Widerspruch herauszubilden. Es zeichnet sich ab, daß die Arbeitskraft zunehmend höher qualifiziert sein muß. Das Ende der Verkümmerung der Arbeitstätigkeit zu einer Detailfunktion ist in Sichtweite gerückt. Es sieht so aus, als ob eine neue, höhere Stufe der Disponibilität entstünde, eine Allspitigkeit, die auf der Entwicklung der spezifisch menschlichen und gesellschaftlichen Fähigkeiten des Individuums beruht38. Die beiden Hauptaufgaben von Ausbildung im Kapitalismus, Qualifizierung der Arbeitskraft und Integration in das System, geraten aufgrund der Anforderungen von Automation in zunehmenden Konflikt. Die genauere Analyse der damit ins Werk gesetzten Dialektik soll in einer späteren Untersuchung vorgenommen werden. Es ist jedoch von vornherein Idar, daß die hier entfesselte Dialektik nicht schon von sich aus zur Befreiung der Gesellschaft aus den Fesseln des Privatbesitzes führen wird. Denn sie , geht einher mit verstärkten Integrationsanstrengungen durch Manipulationstechniken aller Art und ungeheuren Ausmaßes, bis hin zur offenen politischen Unterdrückung in Gestalt von Berufsverboten. Im Lauf der Entwicklung wird sich jedoch die Anerkennung der Vergesellschaftung der Produktion in einer Weise durchsetzen, daß der Staat nicht nur für die Ausbildung, sondern auch für die Sicherung anderer allgemeiner Bedingungen der Reproduktion zunehmende Bedeutung bekommt39. Hierher gehören Bereiche der Infrastruktur wie etwa Nachrichtenwesen (z. B. für die Entwicklung des Datenfernverkehrs) und Medizin (in Zusammenhang mit psychischen und physischen Krankheiten, die auf die automatisierte Produktionsweise zurückzuführen sind). Es wird zunehmende Konflikte darüber geben, wie diese Kosten der Automation finanziert werden sollen, ob die Vergrößerung des Staatsetats vor allem durch die Besteuerung der Unternehmer oder der Arbeiter zustande kommen soll. Sollte, was zu erwarten ist, die gegenwärtige Tendenz zur steuerlichen Belastung vor allem der Arbeiter fortgesetzt werden, wird dies zu zunehmenden Schwierigkeiten der Integration der Arbeiterschaft führen. Zum anderen wird mit der Vergrößerung der Mittel und der Bedeutung ihrer Anwendung immer mehr umkämpft werden, wofür dieser gesellschaftliche Fonds ausgegeben wird. Dazu kommt, daß die Masse des vom Staat umverteilten Werts nicht beliebig vermehrt werden kann. Schon jetzt wird ungefähr die Hälfte des Nationaleinkommens über den Staat verteilt40. Die Durchsetzung gesellschaftlicher Planung unter der Herrschaft des Privateigentums macht jedoch nicht nur finanzielle und politische Schwierigkeiten. Der wissenschaftlichen Analyse der Probleme, die gelöst werden sollen, steht die anarchische Produktionsweise und das Interesse an Verschleierung entgegen. Die Versuche zur Bewältigung der Folgen von
25 Automation haben in kapitalistischen Gesellschaften notwendigerweise etwas Tastendes, Versuchendes, Zielloses an sich. Für die Analyse bedeutet dies, daß Fehlinvestitionen, abgebrochene Unternehmungen wie etwa die auf halben Wege steckengebliebene Bildungsreform usw. nicht unbedingt als Ausdruck dafür zu gelten haben, daß sich nichts tut. Im Gegenteil: Die Diffusität der Anstrengungen ist ein Indiz für Planung in einer planlosen Gesellschaft.
26
Teil B: Indikatoren für technischen Fortschritt III. Entwicklung der Produktivität Uber den mittelbaren Weg der Erschließung von Daten, welche selbst und für sich genommen keine direkte Auskunft geben über den Ausbreitungsgrad von Automation in allen Bereichen der Volkswirtschaft der BRD, wird im folgenden der Rahmen abgesteckt, innerhalb dessen Automation auffindbar sein muß. An Hand der amtlichen Statistiken wird dabei folgender Argumentationsweg zu beschreiten sein: Notwendige Folge von Automation ist zunächst quantitative Ausdehnung der betroffenen Bereiche und Branchen, wenngleich nicht jede Ausdehnung — jedes Wachstum — mit Notwendigkeit auf Automation schließen läßt. Hier sind zum einen solche Faktoren wie Ausdehnung des Arbeitsvolumens herauszusezieren, wie zum anderen, quer zu allgemeinen Wachstumsdaten, zu Prüfen ist, ob bei konstanter oder gar sinkender Menge an erarbeiteten Produkten und Dienstleistungen eine qualitative und quantitative Veränderung des Anlagevermögens, der angewandten Maschinerie und Büroausstattung stattgefunden hat. Wenn sich eine stattgefundene Automatisierung nicht in Produktivitätssteigerungen niederschlägt — bei kurzfristig steigendem Arbeitsaufwand nach einer technologischen Umstellung oder bei extremer Unterauslastung der Kapazitäten —, so wird sie gleichwohl durch die Daten zum Anlagevermögen erfaßt. Bereiche, in denen weder das mengenmäßige Arbeitsergebnis noch die Produktivität gestiegen sind noch quantitativ erfaßbare Veränderungen an Maschinerie und Büroausstattung stattgefunden haben, können mit Sicherheit als nichtautomatisierte Bereiche ausgeschaltet werden. Nicht so in umgekehrter Argumentationsrichtung. Hier gilt vielmehr, daß alle diejenigen Bereiche, die ein überdurchschnittliches Wachstum des Arbeitsergebnisses bei geringerer Zunahme der Arbeitskräfte aufweisen in den möglichen Rahmen automatisierter Bereiche fallen. Das Feld ist zu erweitern bei auffindbaren, bemerkenswerten Veränderungen im Anlagevermögen und zu präzisieren bei erheblichen Produktivitätsentwicklungen sowie durch detailliertere Untersuchung der Arbeitskräftebewegung. Ein schrumpfender und deshalb in unserer Vorgehensweise zunächst aus dem Kreis der möglichen automatisierten Bereiche ausgeschlossener Zweig muß dann wieder eingeschlossen werden, wenn die Anlagen erweitert oder erneuert werden. Aus demselben Grund schließt eine entsprechende niedrige Entwicklung der Anlagen auch bei steigenden Produktivitätskennziffern — die in einem solchen Fall verbesserter Organisation und zunehmender Intensität der Arbeit geschuldet wäre — den betroffenen Bereich oder die Branche aus unserem Rahmen aus. Leider reicht gleichwohl eine analytische Betrachtung der Daten zum Anlagevermögen für unsere Zielstellung nicht hin, weil erstens die amtlichen Statistiken weder vollständig noch ganz zuverlässig sind und zweitens dieses Vorgehen der mittelbaren Datenerschließung alle Informationen verarbeiten muß, die Indikator für Automation sein können. Im Ergebnis würden dann solche Branchen als stark „automationsverdächtig" herauskommen, für die die Indices für Wachstum, Produktivität und Anlage-
27 vermögen bemerkenswert ansteigen, solche, für die nur die beiden letztgenannten Indices ansteigen und solche, für die nur das Anlagevermögen bemerkenswert ansteigt. Resultat dieses Untersuchungsabschnitts wird ein Katalog produzierender und dienstleistender Branchen sein, die mehr oder weniger automationsverdächtig sind. Mit Sicherheit werden alle diese Branchen wichtige technische Veränderungen und Entwicklungen durchlaufen haben. Für einige dieser Branchen wird mit Hilfe von Zusatzinformationen mit Sicherheit, für andere nur mit Wahrscheinlichkeit auf Automation zu schließen sein. Dies gilt auch für die jeweilige Entwicklungsstufe von Teil- über Voll- zur System-(Komplex-)automatisierung2. 1. Umsatz Wachstum der Wirtschaftsbereiche und Branchen Unter Wirtschaftswachstum ist im folgenden das Wachstum der Warenmenge in der BRD zu verstehen, also das jährliche Resultat der produzierenden, verteilenden und dienstleistenden Bereiche und Branchen. Wenngleich die Indikatoren für dieses Wachstum in der amtlichen Statistik mit verschiedenen Mängeln behaftet sind3, können sie über einen längeren Zeitraum betrachtet doch einen realitätsnahen Eindruck über die Entwicklung vermitteln. Besondere Feinheiten können hier schon deshalb außer acht bleiben, weil die betrachteten statistischen Daten lediglich als Trendaussage gewertet werden. Wirtschaftswachstum kann zunächst einfacher Ausdehnung von Maschinerie und Arbeitskräften geschuldet sein, es kann auf die effektivere Ausnutzung der Roh-, Hilfsstoffe und Anlagen, auf höhere Ausbeutung der lebendigen Arbeit, auf organisatorische Erneuerungen und es kann auf technische Verbesserungen oder Innovationen zurückführbar sein. Je weni-
Quelle: K. Grenzdörfer: Probleme der Produktivitätsmessung in der empirischen Wirtschaftsforschung, in: Das Argument 73, S. 432. — Statistisches Jahrbuch 1972, S. 123; 1974, S. 136 und S. 512.
28 ger das Wirtschaftswachstum mit der Zufuhr an lebendiger Arbeit einhergeht, desto sicherer muß auf qualitative oder intensive „Wachstumsfaktoren" — so der Terminus der Wirtschaftsstatistik — geschlossen werden. Betrachten wir zunächst das sogenannte gesamtwirtschaftliche Wachstum in der BRD seit 1950, das „reale Bruttosozialprodukt" und „reale Bruttoinlandsprodukt"4. Konfrontiert man die Zuwachsraten des BIP/BSP und der Erwerbstätigen darüber hinaus nach einzelnen Zeitabschnitten, so fällt noch eindeutiger auf, daß die Zufuhr von lebendiger Arbeit immer weniger verantwortlich ist für das Wirtschaftswachstum — von zunehmender Intensität der Arbeit, die diese Entwicklung keinesfalls ausgleichen kann, wird dabei abgesehen. Tabelle I: Jahresdurchschnittliche Wachstumsraten von Bruttosozialprodukt und Erwerbstätigen in v. H. reales BSP Erwerbstätige Quelle?
1950/54 8,8 2,5
1954/60 7,5 2,0
1960/64 4,9 0,7
1964/70 4,7 0,2
B. Görrig und W. Kirner: Möglichkeiten und Grenzen einer mittelfristigen Einkommenspolitik im Rahmen einer allgemeinen Wirtschaftspolitik, in: DIW, Beiträge zur Strukturforschung, Heft 25,1973.
Die verschiedenen Entwicklungsreihen zeigen, daß zunehmend das globale Wirtschaftswachstum übertroffen wird von der sogenannten gesamtwirtschaftlichen Produktivität oder dem Wirtschaftswachstum je Erwerbstätigen. Eine von reinen Einkommensgrößen bereinigte Berechnung der Entwicklung des Nationaleinkommens der BRD belegt diese Abbildung 3: Beiträge der Wirtschaftsbereiche zum Bruttoinlandsprodukt
Quelle: Leistung in Zahlen 1971, Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen, S. 44.
29 Tendenz als Realität. Demnach wuchs von 1950—60 das Nationaleinkommen (NE) um 127 %, das NE je Erwerbstätigen um 93,1 %, während von 1960—68 das NE nur noch um 37,6 % gegenüber einem Zuwachs des NE je Erwerbstätigen um 46,2 % wuchs5. Die Schlußfolgerung, daß das gesamtwirtschaftliche Wachstum zunehmend auf technische und organisatorische Veränderungen zurückführbar ist, könnte nun bei differenzierterer Betrachtung nur dann widerlegt werden, wenn die Arbeitskräftebewegung zwischen den verschiedenen Wirtschaftsbereichen von den am wenigsten wachsenden zu den Wachstumsbereichen erfolgt wäre. Es ist offensichtlich, daß die Bewegung anders verläuft. Während sich der Beitrag des Warenproduzierenden Gewerbes zwischen 1950 und 1960 verdreifachte, nahm die Zahl der Erwerbstätigen in diesem Bereich im gleichen Zeitraum „nur" von 8,7 auf 12,5 Millionen zu6. Der Zuwachs an Waren verhält sich also zu dem Zustrom von Arbeitskräften wie 300:50 oder wie 6:1. Für den Zeitraum von 1960 bis 1970 erhält man ein vergleichbares Verhältnis von ungefähr 220:10 oder 22:1. Demgegenüber zeigen die zusammengefaßten Wirtschaftsbereiche Handel, Verkehr und Nachrichten sowie die Dienstleistungsunternehmen insgesamt einen allmählichen Verlauf des „Wirtschaftswachstums", dem ein ebenso gleichförmiger Zuwachs an Arbeitskräften folgt7. Auch in diesen beiden Bereichen läßt jedoch seit 1960 der Zustrom an Arbeitskräften nach. Während aber im Warenproduzierenden Bereich zwischen 1965 und 1970 nur ein Zuwachs an Arbeitskräften von 23 000 zu verzeichnen ist, strömen zu Handel, Verkehr und Nachrichten 24 000 und zu den Dienstleistungsunternehmen 454 0008. Nur ein Bereich, dessen Wirtschaftswachstum fast stagnant verläuft, gibt beständig Arbeitskräfte an die anderen ab: Fast 3 Millionen Arbeitskräfte wandern von 1950 bis 1970 vom Land in die Städte. Seit 1960 nimmt jedoch auch diese Arbeitskräftebewegung vom Land in die Stadt ab, so daß zwischen 1965 und 1970 nur noch 550 000 Abwanderten. Es ist abzusehen, daß dieses Arbeitskräftereservoir bald erschöpft sein wird. Es läßt sich also feststellen, daß augenscheinlich im Warenproduzierenden Bereich bemerkenswerte technische und organisatorische Veränderungen vor sich gegangen sein müssen, daß darüber hinaus das Nichtschrumpfen der Land- und Forstwirtschaft bei rapide sinkenden Arbeitskräften ohne Technisierung undenkbar ist und daß moderne Technologien die geringste Ausbreitung in den beiden übrigen Bereichen haben werden. Zunächst soll das Wachstum im wichtigsten Teil des „Warenproduzierenden Gewerbes", in der verarbeitenden Industrie, genauer untersucht werden. Gemessen am Umsatz und also in laufenden Preisen, stellt sich das Wachstum in der Industrie wie folgt dar. Nach der Rekpnstruktions- und Expansionsphase Anfang der 50er Jahre läßt seit 1957/58 die Zufuhr von Arbeitskräften merklich nach, während gleichzeitig die Umsätze kräftig steigen und nach jedem Kriseneinbruch (1957/58, 1962/63, 1967/68 und 1970/71) dieses Ansteigen beschleunigen. Zum geringsten widerspiegelt sich diese Entwicklung bei den Nahrungs- und Genußmittelindustrien, weshalb im folgenden bei dieser Gruppe besonders die vom Durchschnitt abweichenden Branchen zu betrachten sein werden. Die Verbrauchsgüter sowie die Grundstoff-
30 Abbildung 4: Umsatz und Beschäftigte in der Industrie 1950—1972
Quelle: Jahresgutachten des Sachverständigenrates: Zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung 1972/73, S. 240 und S. 244.
und Produktionsgüterindustrien wachsen nach dieser Darstellung progressiv, aber relativ gleichförmig — relativ in Anbetracht des Wachstums der Investitionsgüterindustrien und wenn man von den bezeichneten Krisensprüngen absieht. Ein starkes Indiz für Automation ist, daß seit Anfang der 60er Jahre das Umsatzwachstum nicht mehr nur den Beschäftigtenzustrom übertrifft, sondern fast unabhängig von ihm verläuft. Insbesondere die Tendenz zur Abnahme der Arbeiter demonstriert anschaulich eine neue Stufe technologischer Entwicklung. Da aus demselben Grund viele Arbeiter zu Angestellten werden und überhaupt die Angestellten schneller zunehmen als die Arbeiter, würde man zu falschen Schlußfolgerungen kommen, wenn man nur die Bewegung der Arbeiter in bezug auf die Branchen betrachtet9. Daher werden in diesem Abschnitt immer die Beschäftigten insgesamt behandelt. Für einen ersten differenzierten Uberblick sollen über 23 Jahre hinweg nach Jahren und Branchen solche Wachstumssprünge ausgemacht werden, die einen Automatisierungsschub vermuten lassen. Wie bereits gezeigt wurde, stagniert in den 60er Jahren die Entwicklung der Arbeitskräfte, so daß zunächst wieder allgemein selbst kleinere Wachstumsraten größere technologische Veränderungen indizieren müssen, weil auf einem bestimmten technischen Stand der Produktion größere Wachstumssprünge nur durch organisatorische Veränderungen und höhere Intensität der Arbeit nicht erreichbar sind. Erdölverarbeitende und Chemische Industrie stehen an der Spitze der „Wachstumsbranche Verfahrenstechnik" mit einem „Trend zu Großan-
38 Tabelle 3: Umsatz- und Beschäftigtenentwicklung der jeweils 11 ranghöchsten Zweige -•
Zweig
Luftfahrzeugbau KunststoffVerarbeitende Industrie Mineralölverarbeitung Holzverarbeitende Industrie Elektrotechnische Industrie Straßenfahrzeugbau Druckerei- und Vervielfältigungsindustrie Maschinenbau Papier- und Pappe verarbeitende Industrie Chemische Industrie Feinmechanische und optische Industrie Eisenerzbergbau Ledererzeugende Industrie Steinkohlenbergbau Kohlenbergbau Braunkohlenbergbau Tabakverarbeitende Industrie Erdcl- und Erdgasgewinnung Sonstiger Bergbau Kali- und Steinsalzbergbau sowie Salinen Lederindustrie Schuhindustrie Quelle:
,
.
Umsatz Rang1973 reihe 1962 = 100 827,6 549,0 339,5 339,4 328,4 322,0
1 2 3 4 5 6
295,7 291,8
7 8
291,5 283,4
9 10
276,0
11
•
-
'
Beschäftigte Rang1973 reihe 1962 = 100 •
15,6 31,2 42,1 42,5 46,7 47,0 47,4 51,2
1 2 3 4 5 6 7 8
54,4 64,9 66,1
9 10 11
DIW, Statistische Kennziffern, 15. Folge 1974, S. 3 und 15.
lagen, Optimierung, Fließbetrieb..." 11 Wie Abbildung 5 veranschaulicht, fällt der Zuwachs an Arbeitskräften auch in diesen beiden Branchen kaum ins Gewicht. Demgegenüber ist der Spitzenreiter im Produktionswachstum, die Kunststoffverarbeitende Industrie, nach dem Luftfahrzeugbau zugleich der Zweig mit der höchsten Zuwachsrate an Arbeitskräften. In der absoluten Wanderungsbewegung der Beschäftigten nimmt die Kunststoffverarbeitende Industrie gleichwohl einen niedrigen Rang ein: Zwischen 1962 und 1972 hat der Straßenfahrzeugbau mit 172 000 und die Elektrotechnik mit 139 000 Beschäftigten den kräftigsten Zustrom, umgekehrt haben der Kohlebergbau — dies wiederum unter besonderer Krisenentwicklung — mit 235 000 und die Textilindustrie mit 132 000 die meisten Beschäftigten abgestoßen12. Wenn dessenungeachtet von Kapitalseite geklagt wird über „vermehrte Personalprobleme quantitativer Natur infolge verlangsamten Wachstums des zur Verfügung stehenden Arbeitskräftepotentials" in eben dieser Textilindustrie13, dann bedeutet das angesichts des tatsächlichen Ersatzes von Arbeitskraft durch Maschinerie, daß die erreichbaren Arbeitskräfte zu teuer erscheinen und mit weiterer Mechanisierung respektive Automatisierung der Produktion zu rechnen ist; So schreibt die Frankfurter Rundschau, daß in der Textilindustrie „jährlich etwa 100 Betriebe und etwa 20 000 Arbeitskräfte . . . ausscheiden.. ." 14 Dabei steht diese Industrie erst an 13. Stelle im relativen Rückgang der Beschäftigten. (Siehe Tabelle 3.) Alle 13 Spitzenreiter
Tabelle 2: Jährliche Veränderungsraten des Umsatzes von 20 und mehr Prozent. 1953i-1973 Zweig
1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1963 1964 1967 1968 1969 1970 1971
Eisenerzbergbau Kali- und Steinsalzbergbau sowie Salinen Erdöl- und Erdgasgewinnung Eisen- und Stahlindustrie Eisenschaffende Industrie Eisen-, Stahl- und Tempergießereien Ziehereien und Kaltwalzwerke Nichtedel-Metallindustrie NE-Metallhütten NE-Metallgießereien Mineralölverarbeitung Gummi und Asbest verarbeitende Industrie Stahl- und Leichtmetallbau Maschinenbau Straßenfahrzeugbau Schiffbau Luftfahrzeugbau Elektrotechnische Industrie Eisen-, Blech- und MetallwarenIndustrie Stahlverformung Feinkeramische Industrie Musikinstrumenten-, Spiel-, Schmuckwaren- und Sportgeräte-Industrie Papier- und Pappe verarbeitende Industrie Kunststoffverarbeitende Industrie Ölmühlen- und Margarine-Industrie Zuckerindustrie Restliche Nahrungs- und Genußmittelindustrie Quelle:
25,7 21,5 33,3
27,4 23,7 23,6 24,4 26,4
44,9
31,1 31,7 27,9 32,0 23,4 21,0 44,3
21,0 41,9 24,2
23.5 23.6 22,8
20.7 20,6 25,3 23.8 24.6 20,2 21,4 22,8 22.7 20,6 21,5 36.9 25,5
21.4 24.5 24,7 35,7 23,0 200,0 300,0 350,0 174,1 91,9 59,4 115,1 50,0 24,4 30,4
20,2
28,4 21,4 20,7 22,8 22.3 26,4 33,8 22.4 20,4 21.5 27.6 20,2
23,4 32,9
24.4 26,5 21.5 31,8
M
23,4 28,2 24,5
23,0
38,3 22,2
DIW, Statistische Kennziffern, 13. Folge 1972; 14. Folge 1973 und 15. Folge 1974; jeweils S. 4.
20,6
33 Abbildung 5: Industriezweige mit Verdoppelung bis Verachtfachung des LJmsatzes, verglichen mit der Entwicklung der Beschäftigten, von 1960—1973 (1960 = 100) O 400 200 300 ioo 500 600 TÜO 800 Jndex « I i I • I « I » t 1 I • I Luftfahr zeugbau Kunststoffverarb. Industrie
1
Mineralölverarbeitung ^ Holzverarbeitende Industrie Elektrotechnische Industrie Straßenfahrzeugbau Druckerei u. Vervielfält. Ind. Maschinenbau ^ Papier u. Pappe verarb. Ind. Chemische Industrie Feinmechanische u. opt. Ind. Ind. d. Steine u. Erden Glasihdustrie Rest1. Nahrungs. - u. Genuß Eisen-, Blech-, Metallwaren Sonstige Nahrungs- u. Genuß NE-Metallhütten ESBM-Industrie 1 Stahl- und Leichtmetallbau NE-Metallindustrie J
Gummi u. Asbest verarb. Ind.
1 Musikinstrumente, Spielwaren Sägewerke u. Holzbearbeitung NE- Metallgießereien Stahlverformung Brauerei u. Mälzerei Erdöl u. Erdgasgewinnung Bekleidungsindustrie 3
Schiffbau
"1
_
_
Peinkeramische Industrie
]
•HHE
Umsatz Beschäftigte
Tabakverarbeitende Industrie 0
4QO
TLOO
300
fOO
500
6OO
*X>
8OO JnJex
Quelle: D1W, Statistische Kennziffern, 12. Folge 1972, S. 3 und 15; 15. Folge 1974, S. 3 und 15.
34 in der Freisetzung von Arbeitskräften gehören dem Bergbau und den Verbrauchsgüter- und Nahrungs- und Genußmittelindustrien an. Letztere sind durch die Freisetzung von Lohnempfängern zugleich bedroht wegen dem beförderten „unterdurchschnittlichen Zuwachs der Nachfrage"1S. Die Untersuchung der industriellen Produktivität wird den Rückschluß auf Automation hier zuspitzen. _ Das enorme Wachstum der Kunststoffverarbeitenden Industrie ist zugleich Folge der Entwicklung von Erdölverarbeitung als auch Bedingung für die Verbreitung von Kunststoff als Rohstoff, Halbfertig- und Endprodukt in zahlreichen anderen Zweigen. „Vom Umsatz entfallen in der Branche z. Z. 40 Prozent auf Halbzeug, 26 Prozent auf Einzelteile, gut 32 Prozent auf Fertigerzeugnisse und der Rest (an die 2 Prozent) auf Veredelungsarbeiten. Überdurchschnittliche Zuwachsraten erzielten zuletzt vor allem Produkte Abbildung 6: Entwicklung des Umsatzes in Zweigen mit überdurchschnittlichem und sprunghaftem Wachstum und in schrumpfenden Zweigen, 1960 = 100
Quelle: DIW — Statistische Kennziffern, 12. Folge 1972, S. 3 und 15, Folge, S. 3.
,
35 für die Bauwirtschaft . . . sowie Erzeugnisse des Möbelbereichs, die 1972 mit einer Steigerung von 41 Prozent gegenüber 1971 an der Spitze lagen. Ferner konnten die Produktgruppen Verpackungsmittel (+ 14 Prozent) sowie medizinische Bedarfsartikel (+ 19 Prozent) beträchtliche Zuwachsraten erzielen. Dagegen blieb das Wachstum von Konsumgütern aus Kunststoff mit 12 (!) Prozent leicht unter dem Branchendurchschnitt."16 Das stürmische, 1967 noch einmal beschleunigte Wachstum der Kunststoffverarbeitenden Industrie (Abbildung 6) dürfte also weiterhin anhalten und die expandierende Nachfrage ohne Automatisierung nicht bedienbar sein. Die Entwicklung der folgenden drei, ebenfalls durch sprunghaftes Wachstum gekennzeichneten, Spitzenreiter erscheint dagegen bereits gemäßigt (Abbildung 5). Gleichwohl indiziert die Höhe des Wachstums eindeutig technischen Fortschritt. „Die Erdölindustrie, einst weitgehend auf die Gewinnung von Benzin konzentriert, wird mit ihrer Hinwendung zur Petrochemie auch die Weiterverarbeitung ihrer aus dem Erdöl gewonnenen Grundstoffe betreiben. Beträchtliche Kostensenkungen sind vor allem über eine wirtschaftlichere Herstellung jener Grundstoffe zu erzielen... Verbilligung darf hier — und das gilt für viele andere chemische Produktionen ebenfalls — mit dem Trend zum Bau sehr großer Anlagen erwartet werden. Stark kostensenkend werden sich ferner die allgemein angestrebten kontinuierlichen, möglichst automatisch ablaufenden HerstellungsverfahIndex 4 Abbildung 7: Entwicklung des Umsatzes und der Beschäftigten mit -ÄA
ü Schiffbau U Tabakverarbeitende
U Holzschliff etc Industrie
ü Eisen-, Stahlgießereien U Lederindustrie
Jv. B Holzschliff etc. "VittSjj. Industrie ^s. B Eisen-, STahl- u. B Schiffbau B Lederindustrie
B Tabakverarbeitende
40J 1960
61
63
65"
67
69
71
73
Quelle: DIW — Statistische Kennziffern, 12. Folge 1972, S. 3 und 15. Folge 1975, S. 3 und 15.
43 mittelproduktion um 73 Prozent23 ohne Industrialisierung unmöglich wäre. Die Abwanderung der Landarbeiter in produktivere — und höhere Löhne zahlende — Bereiche zwang die Bauern bei Strafe des Untergangs zur Technisierung ihrer landwirtschaftlichen Produktion24. „Auf den Kopf der beschäftigten Personen bezogen war die Kapitalausstattung in der westdeutschen Landwirtschaft bereits seit dem Jahre 1960 höher als in der Industrie... In der westdeutschen Industrie erhöhte sich das Produktionsergebnis je Beschäftigten von 1950 bis 1964 auf 215 Prozent, in der Landwirtschaft auf 237 Prozent." 2S Die entscheidenden technischen und wissenschaftlichen Faktoren für diese Entwicklung waren die massenhafte Einführung des Traktors, der kombinierten Erntemaschinen und anderer arbeitssparender Maschinen und Geräte, die wachsende Stallmistproduktion und Verwendung von Handelsdünger, wodurch die Bodenfruchtbarkeit gesteigert wurde, sowie die Anwendung neuer biologischer Kenntnisse in der Züchtung, der Tiermedizin, der Fütterung und im Pflanzenschutz26. Seit Beginn der 60er Jahre nimmt die Technisierung und Chemisierung der westdeutschen Landwirtschaft zu. Das Verhältnis von vergegenständlichter zu lebendiger Arbeit entsprach Mitte der 60er Jahre bereits annähernd dem industriellen Durchschnitt27. Dieser gewachsenen technischen Ausstattung steht jedoch eine sinkende Auslastung der Maschinenkapazität gegenüber. So ging die Jahresleistung eines Traktors zwischen 1950 und 1968 um ein Drittel zurück28. Für diese Erscheinung ist die kleinbetriebliche Organisation in der Landwirtschaft verantwortlich, deren Auflösung sie zugleich erzwingt. Die Bewältigung der notwendig gewordenen Umwälzung vollzieht sich in gegensätzlichen Formen und auf verschiedenen Ebenen. Die Industrie landwirtschaftlicher Produktionsmittel als „Beschaffungsseite" und Ernährungsindustrie sowie Lebensmittelhandel auf der Absatzseite setzen die einfache Warenproduktion auf dem Land erheblich unter Druck! In der Form direkter Ausplünderung wird das an folgender Preisschere sichtbar: Tabelle 4: Landwirtschaftliche Preise für Erzeugnisse und Betriebsmittel Jahr 1950/51 1960/61 1965/66 1967/68 1973/74 Quelle:
Landwirtschaftl. Erzeugerpreise 118,2 141,5 126,3 «137
Preise für Betriebsmittel 106,8 138,6 158,5 161,5 «197
E. Rechtziegler: Westdeutsohe Landwirtschaft im Spätkapitalismus DWI-Forschungshefb 4,1969. Berlin/DDR, S. 11. Für 1973/74 geschätzte Umrechnung nach Blick durch die Wirtschaft vom 13. 8. 1974.
Drängt auf der einen Seite die Nahrungsmittelindustrie nach einem einheitlichen, gleichmäßigen Angebot an landwirtschaftlichen Rohstoffen zur Steigerung der Produktivität, so erfordert auf der anderen Seite der Einsatz landwirtschaftlicher Produktionsmittel eine wachsende Mindestausstattung, deren Finanzierung und Ausnutzung für den einzelnen Bauern unmöglich sind. Antworten darauf sind die vertikale Kooperation vom
44 ren dadurch auswirken, daß die Produktionsleistung weit mehr als der Aufwand steigt. Mit was für Reserven hier noch zu rechnen ist, zeigen als repräsentatives Einzelbeispiel Filterautomaten mit einem endlosen Filterband, die etwa zehnmal soviel leisten wie die Filterpresse..." 17 Erdölindustrie, Chemiefaser- und Kunststoffverarbeitungsindustrie sind eng miteinander verzahnt und beschleunigen wechselseitig ihr Wachstum auf automatisierter Grundlage. Unter die Elektrotechnische Industrie fällt jener Bereich von „Büromaschinen, Datenverarbeitungsgeräten und -einrichtungen", der nicht unter Maschinenbau subsummiert wird. .Erstmals geriet die Büromaschinenindustrie 1973 in eine Absatzkrise18. Dieser Zweig, der erst seit 1970 von der amtlichen Statistik isoliert erfaßt wird19, realisierte 1971 mit 85 000 Beschäftigten einen Umsatz von 4,5 Mrd. DM und 1972 mit nur 78 000 Beschäftigten einen Umsatz von 5,2 Mrd. DM, davon knapp die Hälfte im Ausland. Im Schreibmaschinengeschäft stieg der „Produktionswert" von 1971 mit 351 Mio. DM auf 1972 mit 418 Mio. DM 20 . Der überwiegende Anteil der Produktion in dem „neuen" Zweig entfällt jedoch auf die Datenverarbeitung mit 67 %. Unter den Wachstumsbranchen befindet sich aber mit der Holzverarbeitenden Industrie auch eine, von der man eher ein Schrumpfen erwartet hätte. Die Substitution von Natur- durch Kunststoffe scheint sich auf diesen Industriezweig gerade in der Weise auszuwirken, daß bei fast gleichbleibenden Beschäftigtenzahlen (siehe Tabelle 3) durch verbesserte Maschinerie und höhere Konzentration von Kapital das Wachstum wider Erwarten ausgedehnt werden kann. Dies läßt sich exemplarisch für die Polstermöbelhersteller zeigen21. Wenn man schließlich neben den Wachstums- und Schrumpfbranchen die relativ kontinuierlich wachsenden Industriezweige mit sinkenden Beschäftigten und Beschäftigtenstunden betrachtet, so ergeben sich im wesentlichen drei Typen von Wachstum in der Industrie der BRD (siehe Abbildung 7): 1. sprunghaftes Wachstum bei sinkenden oder relativ gering steigenden Beschäftigtenzahlen; 2. schrumpfende Zweige mit starkem Rückgang der Beschäftigten; 3. kontinuierliches Wachstum mit Sprüngen bei kontinuierlichem Rückgang der Beschäftigten. Ausnahmen: Der Bergbau ohne die Erdöl- und Erdgasgewinnung, der Flugzeugbau und Schiffbau. Der Automatisierungsverdacht beim überwiegenden Teil aller Industriezweige wird in den folgenden Abschnitten zu erhärten, zu widerlegen oder zu modifizieren sein. Land- und Forstwirtschaft Im ganzen Bereich der Land- und Forstwirtschaft arbeiten 1972 nur noch 7,4 Prozent der Erwerbstätigen, darunter nur 1 Prozent sogenannter Abhängiger — gegenüber 84,4 Prozent Abhängige an allen Erwerbstätigen!22 Der Erwerbstätigenanteil ist damit in über zwanzig Jahren zweimal um die Hälfte geschrumpft, eine Entwicklung, die, bei gleichgebliebenem Beitrag der Land- und Forstwirtschaft zum Bruttoinlandsprodukt (siehe Abbildung 3) und einer Steigerung der landwirtschaftlichen Lebens-
38 landwirtschaftlichen Erzeuger zu Lebensmittelindustrie und -handel und die horizontale Kooperation in Form von Genossenschaften. Letztere ist zugleich ein Versuch der kapitalarmen Bauern, der finanziellen Abhängigkeit dominierender Lebensmittelkonzerne zu entgehen. Erst in jüngster Zeit wird auch diese Form landwirtschaftlicher Kooperation durch staatliche Subventionen teilweise gestützt. Mit dieser Entwicklung, und bei kontinuierlich abnehmenden Beschäftigtenzahlen, dringt die Automation in die Landwirtschaft ein. Sogenannte bodenunabhängige Produktionszweige wie „Hühner- und Schweinefabriken" 29 produzieren am Fließband, im Lebensmittelhandel wird auf Grundlage der Selbstbedienung elektronische Datenverarbeitung eingeführt30. Dieser vermutlich höchste technologische Stand im Bereich der landwirtschaftlichen Produktion und Verteilung wird sich um so schneller ausbreiten, als die Arbeitskräfte abwandern, die Konzentration von Kapital zunimmt und die Automatisierung in der Industrie voranschreitet32. Nachdem auf der Fachmesse in Frankfurt bereits beispielhaft vorgeführt wurde, wie Datenverarbeitung in der Landwirtschaft eingesetzt werden kann33, ist absehbar, daß auch in der BRD Ackerbau und Viehzucht zunehmend automatisch betrieben werden34. Einzelhandel Man muß davon ausgehen, daß der Bereich der letzten Station der Ware vor ihrer Konsumtion — und hier auch nur betrachtet für den Bereich der Konsumtionsmittel — den Anforderungen aus der Produktion erst mit Verspätung genügt. Unter dem Druck technologischer Umwälzungen in der Produktion vollziehen sich jedoch immer sichtbarer quantitative und strukturelle Veränderungen in den übrigen Wirtschaftsbereichen. Nach Prognosen über den Computermarkt in den kommenden Jahren wird damit gerechnet, daß über zwei Drittel aller Anlagen in Handel, Dienstleistungen, Verwaltung, Lehre und Forschung angewandt werden35. Der Einzelhandel gilt hier als Exempel für den gesamten Bereich des sogenannten Tertiären Sektors. Die Zahl der Beschäftigten im Handel nahm zwischen 1950 und 1960 um 42,9 Prozent, zwischen 1960 und 1970 um 12,8 Prozent zu36. Wenngleich diese Entwicklung in der Tat für den tertiären oder dienstleistenden Sektor insgesamt. gilt, müssen Schlüsse falsch werden, wenn sie voreilig — wie dies nicht selten geschieht — andere Entwicklungskomponenten außer acht lassen. Wenngleich der Beitrag des Einzelhandels zum Bruttoinlandsprodukt der BRD in den 60er Jahren etwa konstant blieb, ist die Produktivität oder der Pro-KopfUmsatz doch gehörig gestiegen. Eben diese Produktivitätssteigerungen im Einzelhandel konnten aber mit seit 1965 etwa konstanten Beschäftigtenzahlen (2,3 Mio) — bei gleichzeitig zunehmender Teilzeitbeschäftigung — nur durch Anwendung moderner Technologien gelingen37. So verdreifachte sich das .Bruttoanlagevermögen im Einzelhandel zwischen 1955 und 196738, nahmen die Arbeitsstätten mit 1—9 Beschäftigten zwischen 1961 und 1970 rapide ab 39 und wächst die Konzentration von Kapital40. Und diese Entwicklung verschärfte sich in den letzten Jahren: Die Investitionen stiegen von 3,1 Milliarden DM im Jahre 1969 auf 5,3 Milliarden im Jahre 1972 und die Zahl der Lohnarbeiter ging zurück42.
39 Abbildung 8: Umsatz je Beschäftigten in DM D* A 43aooo\ 1 = L e b e n s m i t t e l einzelhandel 2=Fach-Einzelhandel 3=Beleuchtungsu. Elektro400-000\ Fachhandel 4 = K a r S t a d t AG 5 = K a u f h o f AG 6 - H o r t e n AG x
50000
30.000 60
•
6X
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1
TT
i }0
Quelle: Warenhäuser in der Expansion. Karstadt — Kaufhof — Horten im Spiegel ihrer Bilanzen. Schriftenreihe für Betriebsräte und Vertrauensleute (Hrsg. Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen) Heft 4, S. 89.
Wie Abbildung 8 veranschaulicht, sind Produktivitätssteigerungen im Einzelhandel allgemein, besonders aber im Lebensmittelbereich und im Fach-Einzelhandel zu verzeichnen. Bezogen auf den Umsatz je qm Verkaufsfläche jedoch stehen die drei einzeln aufgeführten Kaufhauskonzerne an der Spitze, gefolgt vom Lebensmittel-, durchschnittlichen Fach- und Tabelle 5: Anlageinvestitionen in Prozent des Umsatzes und je Beschäftigten in Warenhäusern
Karstadt AG Kaufhof Horten AG Einzelhandel insgesamt
Jahr
Anlageinvestitionen in v.H. je Beschäftigten des Umsatzes in DM
1962 1971 1962 1971 1962 1971 1962 1969
6,7 4,3 6,0 4,5 6,9 5,0 2,5 2,3
3412 3967 2536 3448 3467 4449 1211 1766
Quelle: Warenhäuser in der Expansion. Karstadt-Kaufhof-Horten im Spiegel ihrer Bilanzen. Schriftenreihe für Betriebsräte und Vertrauensleute (Hrsg. v. Gewerkschaft, Handel, Banken und Versicherungen, Hauptvorstand), Heft 4, S. 35.
40 Abbildung 9: Entwicklung des Umsatzes und der Marktanteile im Einzelhandel von 1962—1971 (1962 = 100) 270 260
250 2 HO
I
230 220
110
P
ZOO
190 1$0 170
160
150 1k0 130
120
110 1$63? 100
JL
* Filialunternehmen: Unternehmen des Facheinzelhandels mit 5 und mehr Filialen ** Konsumgenossenschaften: ab 1969 Umsatz der Co-op-Gruppe Quelle: Hauptgemeinschaft des Deutschen Einzelhandels, 24. Arbeitsbericht, 1971, S. 109. Zit. nach: Warenhäuser in der Expansion. Karstadt — Kaufhof — Horten im Spiegel ihrer Bilanzen. Schriftenreihe für Betriebsräte und Vertrauensleute (Hrsg. v. Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen), Heft 4, S. 13:
Beleuchtungs- und Elektroeinzelhandel43. Hier wirkt sich das gemischte Warenlager, verbunden mit hohem Kapitalaufwand (vgl. Tabelle 5) zugunsten der Warenhäuser aus. Bei ihnen werden aber auch modernste Technologien eingesetzt. So gehören in jüngster Zeit der Kaufhof, Horten und das Quelle-Warenhaus zu den Anwendern von elektronischen Kassenterminals, von denen noch Ende der 60er Jahre vermutet wurde, daß sie frühestens 1977 Einzug in den Handel halten würden44. Diese Entwicklung wird beschleunigt durch zunehmende Konzentration und Zentralisation im Einzelhandel45 und durch den Umstand, daß hohe Produktivitätssteigerungen in der Industrie den kalkulierten Handelsprofit schmälern, wenn der Aufwand an lebendiger Arbeit für Lagerhaltung, -kontrolle und Verkauf nicht gesenkt wird. Die Klagen der Einzelhandelsunternehmer über zu wenig Personal weisen in diesem Zusammenhang auf in Wahrheit bereits zu teure Arbeitskraft gegenüber der anwendbaren Maschinerie. Offenbar können inzwischen selbst die extrem niedrigen Gehälter der Verkäuferinnen die Automatisierung im Einzelhandel nicht mehr aufhalten. Automatisierte Kassen — worauf die Chancen für Automation im Handel oft reduziert werden — stehen heute besonders in Ver-
41 brauchermärkten, „dort, wo hohe durchschnittliche Einkaufsbeträge je Kunde anfallen und die Notwendigkeit einer schnellen Verkaufs- und Bestandskontrolle besteht."46 Die im Lebensmitteleinzelhandel bereits Anfang der 60er Jahre entwickelte Selbstbedienung wurde inzwischen zur Uberwiegenden Verteilungsform. Tabelle 6: Anzahl und Lebensmittel-Umsatzanteil der Selbstbedienungsladen resp. Abteilungen am Lebensmittel-Einzelhandel
Quelle:
Jahr
Anzahl
Umsatzanteil in v.H.
1960 1965 1967 1970
22 619 62 714 80 214 86 398
34,8 65,1 76,6 88,4
J. Seheibe-Lange: Technischer Wandel im Einzelhandel - Fortsehritt oder Rüeksehritt für den Arbeitnehmer? Hrsg. v. der Gewerkschaft HBV, Düsseldorf 1972, S. 43.
Hatte die Selbstbedienung in den 60er Jahren die Standardisierung der landwirtschaftlichen Produktion herausgefordert, „wie gleichwertige Hähnchen einer Preisklasse, gleichgewichtige Rinder und Schweine für eine einheitliche Zerlegekalkulation oder möglichst große Äpfel gleicher Qualität und gleichen Kalibers, für das Abpacken auf vollautomatischen Abpackmaschinen . . ," 47 , so verlangt die standardisierte Massenproduktion der Lebensmittelindustrie heute eine Weiterentwicklung der Selbstbedienung. Aber dieser Entwicklungsweg betrifft nicht nur den Handel mit Lebensmitteln. Wie die Kennziffern zum Umsatz je Beschäftigten (Abbildung 8) in verschiedenen Zweigen und Abteilungen des Handels zeigen, übt die Entwicklung der industriellen Arbeitsproduktivität starken Rationalisierungsdruck auf das gesamte Wareriverteilende Kapital aus. Umgekehrt indizieren die Produktivitätsentwicklung im Handel wie auch die zunehmende Selbstbedienung — auch bei solchen Waren, die vorgeblich der „Fremd"bedienung für alle Zeiten bedürfen wie Kleidung und Bücher — jene Rationalisierungen in der Produktion, die stark automationsverdächtig sind48. Auch die Entwicklung in anderen Bereichen des Tertiären Sektors deutet nicht auf die Perspektive einer „Dienstleistungsgesellschaft", sondern vielmehr auf die einer Industrialisierung durch Automatisierung. Stellvertretend seien hier noch die Bereiche öffentlicher Personennahverkehr, Deutsche Bundespost, öffentliche Gaswirtschaft und Elektrizitätsversorgung erwähnt, wo int den 60er Jahren der Kapitaleinsatz erheblich vermehrt wurde und ein starkes Wachstum der Arbeitsproduktivität die Folge war. Teilautomatisierungen wurden in diesen Bereichen bereits 1968 ausgemacht49. 2. Arbeitsproduktivität Wachsende Arbeitsproduktivität, also die höhere Ergiebigkeit der Arbeit an Gebrauchswerten, ist notwendige Wirkung der Automatisierung der Produktion. Umgekehrt läßt ein Anstieg in der Produktivität der Arbeit auf die Möglichkeit vorhergehender Automatisierung schließen.
42 Höhere Arbeitsproduktivität kann sich wachsender Intensität, veränderter Organisation der Arbeit, höherer Qualifikation der Produzenten, am ehesten jedoch einer Veränderung in der materiell-technischen Ausrüstung verdanken. Aus der Beobachtung der Arbeitsproduktivität und ihrer Entwicklung läßt sich nicht mit Sicherheit auf Automatisierung schließen, als notwendiger Faktor jedoch erlaubt ihre Untersuchung eine Einschränkung und Zuspitzung des Forschungsbereichs. Da die Erhöhung der Arbeitsproduktivivtät auf den ersten Blick entscheidender Hebel ist zur Erhöhung des Profits, da sie als gewollte Wirkung Grund für die Entwicklung der Maschinerie, liegt auf der Hand, daß zu diesem Thema eine Fülle von Material, Berechnungen und Statistiken, Entwicklungstrends und Schaubilder über größere Zeiträume für die BRD offiziell vorliegen. Die Aufgabe reduziert sich demnach auf die Auswertung der weiterführenden Informationen. In der bürgerlichen Statistik — deren Unfähigkeit, verläßliche Angaben zu machen50, hier nicht weiter diskutiert werden soll, weil bei einem Zeitreihenvergleich, wie er für unsere Untersuchung allein lohnend ist, trotz grober Fehler Trendaussagen durchaus möglich sind — wird die Produktivität der Arbeit auf mehrere Weisen ausgedrückt. Es werden Berechnungen angestellt, nach Zeit oder Geld bezogen auf die Beschäftigten insgesamt, auf Angestellte und Arbeiter, und auf die jeweiligen Stunden (so etwa Wirtschaft und Statistik, DIW und Statistisches Jahrbuch der BRD). Berechnet man die Produktivität nach der Anzahl der Arbeiter oder Beschäftigten, so bringt dies zusätzliche Unschärfen in die Untersuchung, weil z. B. Überstunden oder Kurzarbeit, Streiks oder gesetzliche Arbeitszeitverkürzung als modifizierende Faktoren nicht erkennbar sind, bzw. den Trend verwischen können. In der Einschätzung der vorgefundenen Daten zur Arbeitsproduktivität kann man davon ausgehen, daß von einer Veränderung des technischen Niveaus, von der/Einführung neuerer potenterer Maschinen zu sprechen, bei drastischen., Zunahmen der Produktivität (etwa 100 % und mehr) zwingend ist, .da nach der Vervollkommnung des Fließbands, der „Taylorisierung der Produktion" allein durch andere Arbeitsteilung, Umorganisation und zunehmende Arbeitshetze derartige Daten nicht mehr vorkommen. In der RKW-Studie wird nach einem nicht unumstrittenen Berechnungsverfahren (Cobb-Douglas-Funktion) der technische Fortschritt zu 88 % als Erklärungskomponente bei der Erhöhung der Produktivität angenommen51. Spricht vieles zwingend dafür, Produktivitätserhöhungen dem technischen Fortschritt zuzurechnen, ist damit jedoch über die Art der Technologie, ihre Entwicklungshöhe nichts ausgesagt. Sie bestimmt sich nach der jeweiligen Ausgangshöhe in der Gesamtindustrie bzw. in den jeweiligen Branchen und Betrieben, die zum Teil, zwar unsystematisch aber explizit, genannt wird (etwa in „Wirtschaft und Statistik"), zum Teil in Gestalt von Allgemeinwissen (Chemische Industrie) vorhanden ist. Die folgende knappe Darstellung der Produktivitätsfortschritte wird ausgehen von gesamtgesellschaftlichen Angaben über Bereiche und Industriebranchen bis hin zu Einzelbeispielen.
43 Entwicklung der gesamtgesellschaftlichen Produktivität Während die bürgerliche Statistik in den Globalberechnungen wie „Bruttosozialprodukt", „Nationaleinkommen" größere Doppelberechnungen (bei unselbständigen Einkommensarten) und Auslassungen (bei Profiten durch Weglassung der indirekten Steuern bei der Gesamtrechnung) hinnimmt, weil sie sich über die Quelle des Nationaleinkommens, die materielle Produktion täuscht oder auch täuschen will, ist von solchen »«P = 100
Abbildung 10: Entwicklung der Produktivität
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