Primärmarkthaftung und Vermögensbindung der Aktiengesellschaft: Spezialgesetzliche und allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung sowie vertragliche Gewährleistungen für Aktien im Spannungsfeld mit der aktienrechtlichen Vermögensbindung [1 ed.] 9783428538980, 9783428138982

Während eine AG einem Aktionär für fehlerhafte Informationen über die Aktiengesellschaft aus der spezialgesetzlichen Pro

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Primärmarkthaftung und Vermögensbindung der Aktiengesellschaft: Spezialgesetzliche und allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung sowie vertragliche Gewährleistungen für Aktien im Spannungsfeld mit der aktienrechtlichen Vermögensbindung [1 ed.]
 9783428538980, 9783428138982

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Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 241

Primärmarkthaftung und Vermögensbindung der Aktiengesellschaft Spezialgesetzliche und allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung sowie vertragliche Gewährleistungen für Aktien im Spannungsfeld mit der aktienrechtlichen Vermögensbindung

Von

Julia Wahl

Duncker & Humblot · Berlin

JULIA WAHL

Primärmarkthaftung und Vermögensbindung der Aktiengesellschaft

Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 241

Primärmarkthaftung und Vermögensbindung der Aktiengesellschaft Spezialgesetzliche und allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung sowie vertragliche Gewährleistungen für Aktien im Spannungsfeld mit der aktienrechtlichen Vermögensbindung

Von

Julia Wahl

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München hat diese Arbeit im Jahre 2011 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2013 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 978-3-428-13898-2 (Print) ISBN 978-3-428-53898-0 (E-Book) ISBN 978-3-428-83898-1 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der LudwigMaximilians-Universität München im Wintersemester 2011 / 2012 als Dissertation angenommen. Für die Veröffentlichung wurden Literatur und Rechtsprechung bis Oktober 2011 berücksichtigt. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Lorenz Fastrich für die Betreuung der Arbeit sowie Herrn Prof. Dr. Wolfgang Servatius für die Anregung zur Befassung mit der aktienrechtlichen Vermögensbindung. Herrn Prof. Dr. Mathias Habersack danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Die Arbeit wurde durch ein Promotionsstipendium des Arbeitskreises Wirtschaft und Recht im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft gefördert. Besonders danken möchte ich meinem Mann Dr. Matthias Wahl, der mich während der Arbeit an dieser Dissertation stets liebevoll unterstützt und begleitet hat. Von ganzem Herzen danke ich meinen Eltern für ihre Unterstützung während meiner gesamten Ausbildung und der Entstehung dieser Dissertation. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. München, im August 2012

Julia Wahl

Inhaltsverzeichnis Problemaufriss



Unterschiedliche Schutzniveaus bei der Haftung der Gesellschaft gegenüber Aktionären für Angaben im Rahmen einer Kapitalerhöhung21

§ 1 Anspruchsgrundlagen für die Haftung der Gesellschaft gegenüber einem Aktionär für Angaben im Vorfeld des Aktienerwerbs. . . . . . . . 23 A. Kapitalmarktrechtliche Anspruchsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 I. Börsengesetzliche Prospekthaftung: §§ 44 ff. BörsG . . . . . . . . . . 24 II. Prospekthaftung für andere öffentliche Angebote: § 13 VerkProspG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 B. Allgemein-zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 I. Allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 II. Prospekthaftung im weiteren Sinne: Ansprüche aus §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB (c.i.c.) . . . . . . . . . . . . . . . . 40 III. Sonstige Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 § 2 Meinungsstand zur Haftung der Aktiengesellschaft gegenüber Aktionären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 A. Positionen zur Haftung der Gesellschaft nach der spezialgesetzlichen Prospekthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 I. Haftung außerhalb des Anwendungsbereichs des § 57 AktG. . . 45 II. Genereller Ausschluss einer Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 III. Haftung nur im Falle des derivativen Erwerbs . . . . . . . . . . . . . . 47 IV. Haftung nur mit bestimmten Vermögensbestandteilen . . . . . . . . 50 V. Insolvenzrechtlicher Nachrang  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 VI. Umfassende Haftung: Kapitalmarktrechtliche Haftung als lex specialis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 B. Positionen zur Haftung der Aktiengesellschaft gegenüber Aktionären aus der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung, aus c.i.c. oder aus Delikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 C. Keine Haftung aufgrund vertraglicher Zusagen der Aktiengesellschaft gegenüber Aktionären im Rahmen einer Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 I. Interesse der Praxis an vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten . 58 II. Herrschende Meinung: Verstoß gegen Vermögensbindung . . . . . 60

8 Inhaltsverzeichnis III. Zulässigkeit von Garantien gegenüber Emissionsbanken als Ausnahme? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 § 3 Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 A. Verhältnis von Aktien- und Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 I. Parallele Entwicklung von Aktienrecht und Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 II. Grundgedanken des Aktien- und des Kapitalmarktrechts . . . . . . 65 B. Konsequenzen für die Untersuchung: Differenzierung nach ­Interessenskonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Erster Teil

Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft gegenüber Aktionären73

§ 4 Haftung der Aktiengesellschaft gegenüber Aktionären mit nichtgläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen vereinbar mit dem Grundsatz der Kapitalerhaltung / Vermögensbindung. . . . . . . . . . 74 A. Meinungsstand zur aktienrechtlichen Kapitalerhaltung und ­Vermögensbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 I. Umfang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 1. Herrschende Meinung: Einheitliches Vermögensbindungsprinzip. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 2. Neuere Ansicht: Differenzierung zwischen Kapitalerhaltung und Vermögensbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 II. Schutzzwecke der Kapitalerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 1. Vermögensbindung allein gläubigerschützend . . . . . . . . . . . . . 80 2. Verschiedene Schutzzwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 B. Eigener Lösungsansatz im Hinblick auf die Grundsätze der Kapital­ erhaltung und der Vermögensbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 I. Historische Entwicklung der Kapitalerhaltungs- und ­Vermögens­bindungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 1. Preußisches Gesetz über die Aktiengesellschaften in der Fassung vom 09. November 1843 . . . . . . . . . . . . . . . . 85 a) Auf das Gesetz hinführende tatsächliche Entwicklung. . . 85 b) Erlass des Preußischen Aktiengesetzes . . . . . . . . . . . . . . . 86 2. Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch in der Fassung von 1861 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 a) Entstehung, Anwendungsbereich und Inhalt . . . . . . . . . . . 87 b) Regelungen und Gefährdungen der Kapitalaufbringung und -erhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 3. Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch in der Fassung vom 11. Juni 1870 – Abschaffung des Konzessionssystems  . 90

Inhaltsverzeichnis9   4. Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch in der Fassung vom 18. Juli 1884 – Erstmalige Bindung einer Gewinnund einer Kapitalrücklage  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 a) Anlass und Inhalt der Novelle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 b) Regelungen hinsichtlich des Kapitals: Zulassung der Über-Pari-Emission und Einführung eines Reservefonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 c) Abschaffung der Aktienliberierung  . . . . . . . . . . . . . . . . 97 d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97   5. Handelsgesetzbuch in der Fassung des Gesetzes vom 10. Mai 1897  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 a) Anlass und Inhalt der Reform. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 b) Meinungsstand der damaligen Literatur . . . . . . . . . . . . . 101   6. Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien vom 30. Januar 1937 . . . . . . . . . . . . . . . 103   7. Aktiengesetz vom 06. September 1965 . . . . . . . . . . . . . . . . . 105   8. Änderung des AktG 1965 durch das Bilanzrichtliniengesetz vom 19. Dezember 1985  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108   9. Einführung von Ausnahmen durch das MoMiG vom 23. Oktober 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 10. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 II. Bilanzielle Bindung: Differenzierung der Schutzzwecke der Bestandteile des Eigenkapitals der Aktiengesellschaft nach ­Verwendungsmöglichkeiten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 1. Herkunft und Verwendungsmöglichkeiten der einzelnen ­Eigenkapitalbestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 a) Gezeichnetes Kapital. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 b) Rücklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 aa) Kapitalrücklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 (1) Agio, § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB . . . . . . . . . . . . . . . 114 (2) Agio aus der Ausgabe von Wandelungs- und Optionsrechten, § 272 Abs. 2 Nr. 2 HGB . . . . . . 116 (3) Zuzahlungen für Gewährung eines Vorzugs, § 272 Abs. 2 Nr. 3 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 (4) Kapitalrücklagen gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB. 118 bb) Gewinnrücklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 (1) Rücklage des § 150 Abs. 1, 2 AktG (gesetzliche Rücklage) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 (2) Satzungsmäßige Rücklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 (3) Andere Gewinnrücklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 (4) Abschaffung der Rücklage für eigene Anteile . . . 120 cc) Bindung der Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB und der gesetzlichen Rücklage nach § 150 Abs. 3, 4 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

10 Inhaltsverzeichnis (1) Beträge bis zum maßgeblichen Anteil des Grundkapitals, § 150 Abs. 3 AktG . . . . . . . . . 122 (2) Beträge oberhalb des maßgeblichen Anteils am Grundkapital, § 150 Abs. 4 AktG . . . . . . . . . . . . . 123 c) Gewinn- bzw. Verlustvortrag, Jahresüberschuss bzw. -fehlbetrag und Bilanzgewinn oder -verlust  . . . . . . . . . . . 124 2. Auslegung der Vermögensbindungsvorschriften anhand der Schutzzwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 a) Differenzierung der Eigenkapitalbestandteile nach ­Gläubigerschutzerwägungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 aa) Gläubigerschützend: Grundkapital und Rücklagen gem. § 150 Abs. 1–3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 bb) Nicht gläubigerschützend: Ausschüttbare Vermögens­ bestandteile, satzungsmäßige Rücklagen . . . . . . . . . . 128 cc) Problematisch: Rücklagen im Rahmen des § 150 Abs. 4 AktG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 (1) Zwecke der Festsetzung der Zahlungen nicht gläubigerschützend  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (2) Zwecke der Verwendungsbindung nicht ­gläubigerschützend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 (3) Fazit: Übersteigende Beträge nicht gläubiger­ schützend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 b) Weitere Schutzzwecke der Vermögensbindungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 III. Risikoallokation: Gefahrtragung der verschiedenen Schutzgruppen bei Haftung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 1. Schutz der Kompetenzen der Gesellschaftsorgane . . . . . . . . . 135 2. Schutz vor Täuschungen des Kapitalmarkts   . . . . . . . . . . . . . 136 3. Schutz der Gläubiger der Gesellschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 4. Gleichbehandlung der Aktionäre – Schutz der Altaktionäre 137 a) Verantwortlichkeit der Altaktionäre für Fehler des Vorstands. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 b) Schutz der Gesellschaft und der Aktionäre vor überhöhter Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 aa) Anfechtungsmöglichkeit gem..§ 255 Abs. 2 AktG nur bei anfänglichem Missverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . 138 bb) Ansprüche der Gesellschaft gegen den Vorstand . . . . 139 cc) Ansprüche der Gesellschaft gegen den Investor . . . . 140 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 IV. Folgerung: Bilanzielles System der Kapitalerhaltung und der Vermögensbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 1. Einteilung der Eigenkapitalbestandteile in Gruppen. . . . . . . . 142

Inhaltsverzeichnis11 2. Probleme der Einordnung in Kapitalerhaltung und Vermögens­ bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 3. Verschiedene Auslegungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 a) Keine Differenzierung zwischen freiwilligen Leistungen und allgemeinen, gesetzlichen Ansprüchen . . . . . . . . . . . . 145 b) Diversifizierung des Begriffs der Vermögensbindung und Beschränkung der Kapitalerhaltung auf Gläubigerschutz . 147 aa) Kapitalerhaltung und Verbot der Einlagenrückgewähr für gläubigerschützende Eigenkapitalbestandteile . . . 147 bb) Materielle und formelle Vermögensbindung der nicht gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteile in Abhängigkeit von der Ausschüttbarkeit . . . . . . . . . . . 148 cc) Grafische Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 4. Keine Möglichkeit der Gesellschaft, haftendes Kapital unzulässig zu beeinflussen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 C. Vereinbarkeit dieses Lösungsansatzes mit Europarecht . . . . . . . . . . . . 151 D. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 § 5 Keine Kollision mit Vorschriften über die Kapitalaufbringung  . . . . . 154 A. Kein Verstoß gegen § 185 Abs. 3 AktG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 B. Einbringung der Schadensersatzforderung des Aktionärs als Sacheinlage nicht möglich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 C. Keine Beeinträchtigung der endgültig freien Verfügung durch ­Haftungsmöglichkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 D. Keine Kollision mit Befreiungsverbot  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 E. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 § 6 Zukunftsbezogene Aussagen über Zustand des Unternehmens als Verstoß gegen § 56 Abs. 3 AktG bzw. § 57 AktG . . . . . . . . . . . . . . . 161 A. Informationsmöglichkeit des Vorstands gegenüber Investoren trotz Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 B. Gesetzliche Vorgaben hinsichtlich des Inhalts der Information . . . . . 164 I. Verbot des § 56 Abs. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 1. Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 2. Vorgaben des § 56 Abs. 3 AktG zu Kursgarantien . . . . . . . . . 167 II. Abgrenzung zwischen § 56 Abs. 3 AktG und § 57 AktG bei Kursgarantien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 III. Übertragung der Grundsätze des § 56 Abs. 3 AktG auf § 57 Abs. 1 AktG für gesetzliche Haftung und derivativen Erwerb  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 C. Fazit: Rahmen der Information bei der vertraglichen und der gesetz­lichen Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 § 7 Keine Übernahme der Aktie durch die Gesellschaft und keine ­Rückzahlung des anteiligen Grundkapitals an den Aktionär  . . . . . . . 171 A. Kein Austritt aus wichtigem Grund aus der Aktiengesellschaft  . . . . 173 B. Keine Beschränkungen der Pflicht zum Aktienerwerb gem. § 185 Abs. 2 Alt. 3, Abs. 4 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174

12 Inhaltsverzeichnis C. Keine Lösung von der Beteiligung bei fehlerhaftem Beitritt . . . . . . . 175 I. Rückabwicklung der Zeichnung nur in Ausnahmefällen („Bestandskraft des Zeichnungsvertrages“) . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 1. Grundlegendes zum Zeichnungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 2. Differenzierung zwischen originärem und derivativem Erwerb nicht überzeugend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 II. Voraussetzungen der Anfechtung wegen Irrtums  . . . . . . . . . . . . 179 III. Ansprüche gegen die Gesellschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 1. Ansprüche des Zeichners gegen die Aktiengesellschaft auf ex-nunc-Rückabwicklung durch Vermittlung der Übernahme oder durch Kapitalherabsetzung? . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 2. Keine Ansprüche des Zeichners gegen die Aktiengesellschaft auf Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 D. Erwerb der Aktien durch die Aktiengesellschaft nicht zulässig . . . . . 186 E. Fazit: Einschränkung der Totalreparation und der Naturalrestitution durch aktienrechtliche Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 I. Ausschluss der Rückabwicklung der Beteiligung als aktien­ rechtlicher Grundsatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 II. Konsequenz: Beschränkung des Schadensersatzanspruchs auf Wertdifferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 1. Vertragsanpassung im Rahmen eines Anspruchs auf Ersatz des Vertrauensschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 2. Übertragbarkeit auf Verbot der Rückabwicklung bei der Zeichnung von Aktien?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 III. Grenze im Verbot der Unter-Pari-Emission . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 § 8 Behandlung von Ansprüchen, die das verfügbare Eigenkapital ­übersteigen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 A. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 I. Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 II. Behandlung in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 B. Kein Erlöschen der das verfügbare Eigenkapital übersteigenden ­Ansprüche  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 I. Interessensbewertung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 II. Parallele: Gegen § 30 GmbHG verstoßende Forderung . . . . . . . 197 III. Unsicherheiten aufgrund der Bilanzierungsgrundsätze . . . . . . . . 199 C. Bilanzielle Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 I. Bilanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 1. Keine Forderung aus künftigen Gewinnen wegen sofortiger wirtschaftlicher Belastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 2. Passivierung als Schuld oder Rückstellung . . . . . . . . . . . . . . . 201 II. Überschuldungsstatus und Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 D. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

Inhaltsverzeichnis13 § 9 Zusammenfassung des aktienrechtlichen Rahmens für die Haftung der Aktiengesellschaft gegenüber Aktionären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Zweiter Teil



Überlagerung des aktienrechtlichen Systems durch spezialgesetzliche Prospekthaftung gem. §§ 44 ff. BörsG, § 13 VerkProspG209

§ 10 Gleichrang des Funktionsschutzes des Kapitalmarktes mit dem ­Gläubigerschutz bei spezialgesetzlicher Prospekthaftung. . . . . . . . . . . 209 A. Kollision der spezialgesetzlichen Prospekthaftung mit der aktien­ rechtlichen Vermögensbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 B. Auslegung der Prospekthaftungsvorschriften nach lex-posteriorund lex-specialis-Grundsätzen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 I. Konkurrenz von Rechtsnormen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 1. Grundsatz „lex posterior derogat legi priori“ . . . . . . . . . . . . . 214 2. Grundsatz „lex specialis derogat legi generali“ . . . . . . . . . . . 215 II. Historisch-teleologische Auslegung (nach dem Willen des Gesetzgebers) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 C. Aussagen der Rechtsprechung des BGH in Sachen EM.TV und ­Comroad (zur Haftung für fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen) . . . . . . . 218 I. Zusammenfassung der Urteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 1. Kein Entgegenstehen der Kapitalerhaltung und des Verbots des Erwerbs eigener Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 a) BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 b) Vergleichbare Argumentation des OLG München und des OLG Frankfurt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 2. Keine Haftungsbeschränkung auf das freie Kapital und kein Mitverschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 II. Stellungnahme: Keine Übertragbarkeit auf Prospekthaftung  . . . 223 1. Aussagen zur Haftung gem. § 826 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 400 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AktG . . . . 224 2. Übertragbarkeit auf andere Haftungskonstellationen . . . . . . . 225 3. Differenzierung zwischen originärem und derivativem Erwerb aus Wertungsgesichtspunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 D. Materieller Gleichrang: Überwindung des Vorrangs des abstrakten Gläubigerschutzes durch Schutzfunktion der Kapitalmarkteffizienz  . 228 I. Grundgedanken des kapitalmarktrechtlichen Schutzes und der spezialgesetzlichen Prospekthaftung im Besonderen . . . . . . 229 1. Schutzfunktionen des Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 229 2. Umsetzung durch spezialgesetzliche Prospekthaftung . . . . . . 230

14 Inhaltsverzeichnis II. Bedeutung des aktienrechtlichen Gläubigerschutzes . . . . . . . . . . 233 III. Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 IV. Ausgleich durch insolvenzrechtlichen Nachrang . . . . . . . . . . . . . 236 E. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Dritter Teil

Überlagerung des aktienrechtlichen Systems bei Haftung für vorsätzliche, sittenwidrige Schädigungen238

§ 11 Vorsätzliche deliktische Schädigung als allgemeiner Vorrangtatbestand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 A. Anhaltspunkte für ein Zurücktreten des Kapitalschutzes . . . . . . . . . . 240 I. Ausnahmen in §§ 44 ff. BörsG und § 13 VerkProspG. . . . . . . . . 240 II. Rechtsprechung des BGH zu EM.TV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 III. Fazit: Konkurrenz der Gläubigerinteressen mit anderen geschützten Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 B. Grundgedanken einer Vorsatzhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 I. Verhältnis der Haftung für Vorsatz zu anderen Haftungstatbeständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 II. Ratio legis der Haftung für Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 C. Vereinbarkeit der Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 I. Wertungen der untersuchten Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 II. Allgemeingültigkeit des Vorrangs der Vorsatzhaftung . . . . . . . . . 250 III. Umfang der Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 D. Erweiterte Anfechtungsmöglichkeiten?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 Zwischenergebnis



Allgemeines System der gesetzlichen Haftung der Aktiengesellschaft gegenüber Aktionären für fehlerhafte Angaben im Vorfeld der Beteiligung257

Vierter Teil

Möglichkeit von vertraglichen Haftungsabreden zwischen Aktiengesellschaft und zukünftigem Aktionär

259

§ 12 Grundlagen der vertraglichen Haftung basierend auf bisherigen ­Erkenntnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 A. Begriffe und dogmatische Grundlagen zur vertraglichen Haftung. . . 260 I. Ausgestaltung als Schadensersatzhaftung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 II. Begriff: Vertragliche Haftung mit der Folge einer Schadens­ ersatzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260

Inhaltsverzeichnis15 B. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 I. Haftungsabrede nur praxisrelevant außerhalb des Anwendungs­ bereichs der spezialgesetzlichen Prospekthaftung . . . . . . . . . . . . 262 II. Sonderfall: Vertragliche Abreden mit der Emissionsbank . . . . . . 263 C. Praktische Notwendigkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 D. Grundsätzliche Zulässigkeit einer vertraglichen Haftung der Aktien­ gesellschaft gegenüber Aktionären  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 I. Vereinbarkeit der vertraglichen Haftung mit der aktienrechtlichen Kapitalerhaltung resp. Vermögensbindung und der ­Kapitalaufbringung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 1. Wirksamkeit der vertraglichen Abrede – kein Entgegenstehen von § 185 Abs. 4 AktG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 2. Kapitalerhaltung: Verbot der finanziellen Unterstützung des Aktienerwerbs, § 71a Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 a) Schutzzweck des § 71a Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 b) Anwendungsbereich des § 71a Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . 271 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 3. Kapitalaufbringung: Spezielle Probleme der vertraglichen Haftung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 a) Keine Beeinträchtigung der endgültig freien Verfügung durch vertragliche Haftungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . 272 aa) Problemfälle der Abgrenzung zwischen Kapitalerhaltung und Kapitalaufbringung . . . . . . . . . . . . . . . 273 (1) Verdeckte Sacheinlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 (2) Verwendungsbindung und Rückzahlungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 (3) Darlehen an den Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . 279 bb) Folgerungen im Hinblick auf vertragliche Haftungsabreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 b) Kein Verstoß gegen Befreiungsverbot des § 66 Abs. 1 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 4. Umfang der Zusagen: Keine Kursgarantie gem. § 56 Abs. 3 AktG oder § 57 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 II. Keine Übernahme der Aktie durch die Gesellschaft und keine Rückzahlung des anteiligen Grundkapitals an den Aktionär ­ aufgrund einer vertraglichen Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 III. Keine Erweiterung durch Konzept des Drittvergleichs  . . . . . . . 284 1. Vorschläge der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 2. Grundlagen des Konzepts des zulässigen Drittgeschäfts . . . . 285 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 § 13 Vertragliche Regelung der Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 A. Möglichkeit der Erweiterung der Haftung über den gesetzlichen Rahmen hinaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292

16 Inhaltsverzeichnis I. Vertragsfreiheit: Gesetzliche Haftung grundsätzlich abdingbar. . 292 II. Kompetenzen innerhalb der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 B. Inhaltlicher Rahmen für vertragliche Abreden  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 I. Parteien der vertraglichen Haftungsabrede  . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 II. Tatbestand der Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 1. Möglicher Inhalt der Informationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 2. Anknüpfungspunkt Verschulden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 a) Haftungsverschärfung als Folge freiwilliger Übernahme  . 297 b) Möglichkeit einer freiwilligen Übernahme einer ­verschuldensunabhängigen Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 aa) Kein Verstoß gegen Verbot der Übernahme für Rechnung der Gesellschaft, § 56 Abs. 3 AktG . . . 299 bb) Kein unzulässiger Regimewechsel . . . . . . . . . . . . . . . 300 3. Geltungsdauer der Richtigkeitszusage: Keine Aussagen über künftige Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 III. Verhältnis zu einer due diligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 IV. Haftungsumfang  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 1. Haftungsbegrenzungen nicht durch Gedanken des § 444 BGB ausgeschlossen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 2. Übertragbarkeit üblicher Regelungen aus Unternehmens­ kaufverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 3. Ersatzfähige Positionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 C. Keine Prüfungskompetenz des Registergerichts bei Handelsregister­ eintragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 I. Voraussetzungen einer Pflicht zur Vorlage beim Handelsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 II. Konsequenzen einer Überschreitung des zulässigen Regelungs­ rahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 III. Folgerungen hinsichtlich der Vorlagepflicht  . . . . . . . . . . . . . . . . 309 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 § 14 Weitergehende Gestaltungsmöglichkeiten mittels „schuldrechtlichen Agios“?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 A. Konzeption freiwilliger Mehrleistungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 B. Zulässigkeit und Folgen freiwilliger Mehrleistungen . . . . . . . . . . . . . 313 I. Zulässigkeit einer derartigen Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 II. Prüfungsbefugnisse des Registergerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 III. Auswirkungen auf Anfechtungsmöglichkeit gem. § 255 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 IV. Bilanzielle Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324

Inhaltsverzeichnis17 Anhang: Frühere Gesetzesfassungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 A. Börsengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 B. Preußisches Gesetz über die Aktiengesellschaften in der Fassung vom 09. November 1843 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 C. Allgemeines deutsches Handelsgesetzbuch in der Fassung von 1861 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 D. Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch in der Fassung vom 11. Juni 1870 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 E. Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch in der Fassung vom 18. Juli 1884 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 F. Handelsgesetzbuch in der Fassung des Gesetzes vom 10. Mai 1897  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 G. Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien vom 30. Januar 1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 H. Aktiengesetz vom 06. September 1965 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 Sachverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365

Abkürzungsverzeichnis 2. FFG

Gesetz über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften – Zweites Finanzmarktförderungsgesetz, vom 26. Juli 1994, BGBl. I 1994, S. 1749.  3. FFG Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland – Drittes Finanzmarktförderungsgesetz, vom 24. März 1998, BGBl. I 1998, S. 529. 4. FFG Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland – Viertes Finanzmarktförderungsgesetz, vom 21. Juni 2002, BGBl. I 2002, S. 2010, berichtigt S. 2316. a. A. andere Ansicht ABl. EG Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft ABl. EU Amtsblatt der Europäischen Union Abs. Absatz ADHGB Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch a. F. alte Fassung AG Zeitschrift „Die Aktiengesellschaft“ AktG Aktiengesetz Art. / Artt. Artikel / Artikel (Plural) ARUG Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie vom 30. Juli 2009, BGBl. I 2009, S. 2479. BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHSt Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen BilMoG Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts vom 25. Mai 2009, BGBl. I 2009, S. 1102 („Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz“) BiRiLiG Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 19. Dezember 1985, BGBl. I 1985, S. 2355 („Bilanzrichtlinien-Gesetz“) BörsG Börsengesetz bspw. beispielsweise BT-Drucks. Bundestagsdrucksache

Abkürzungsverzeichnis19 bzw. beziehungsweise c.i.c. culpa in contrahendo DCGK Deutscher Corporate Governance Kodex f. / ff. folgende FRUG Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Fi­ nanz­instrumente (RiL 2004 / 39 / EG, MiFID) und der Durchführungsrichtlinie (RiL 2006 / 73 / EG) der Kommission (Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz) vom 16. Juli 2007, BGBl. I 2007, 1330 v. 19. Juli 2007. gem. gemäß GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbHG Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GuV Gewinn- und Verlustrechnung HGB Handelsgesetzbuch Hrsg. / hrsg. Herausgeber / herausgegeben i. S. d. im Sinne des i. V. m. in Verbindung mit KapRiLi Zweite Richtlinie 77 / 91 / EWG des Rates vom 13. Dezember 1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABl. EG Nr. L 26 vom 31. Januar 1977, S. 1–13 („Kapitalrichtlinie“). KapRiLiG Gesetz zur Durchführung der Zweiten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 13. Dezember 1978, BGBl. I 1978, S. 1959 („Kapitalrichtlinie-Gesetz“). KG Kommanditgesellschaft MiFID Richtlinie 2004  /  39  /  EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85  /  611  /  EWG und 93 / 6 / EWG des Rates und der Richtlinie 2000 / 12 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93 / 22 / EWG des Rates, ABl. EU Nr. L 145 / 1 vom 30. April 2004 („Finanzmarkt-Richtlinie“). MiFID Umsetzungs- Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanz  gesetz instrumente (RiL 2004 / 39 / EG, MiFID) und der Durchführungsrichtlinie (RiL 2006  /  73  /  EG) der Kommission vom 16. Juli 2007, BGBl. I 2007, 1330 vom 19. Juli 2007. In Kraft getreten am 01. November 2007 („FinanzmarktRichtlinie-Umsetzungsgesetz“).

20 Abkürzungsverzeichnis MoMiG

Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008, BGBl. I 2008, S. 2026–2047. m. w. N. mit weiteren Nachweisen n. F. neue Fassung Nr. Nummer ProspektRL Richtlinie 2003  /  71  /  EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001  /  34  /  EG, ABl. L 354 vom 31. Dezember 2003, S. 64 („Prospektrichtlinie“). ProspektVO Verordnung (EG) Nr.  809  /  2004 der Kommission vom 29. April 2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003 / 71 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Angaben sowie die Aufmachung, die Aufnahme von Angaben in Form eines Verweises und die Veröffentlichung solcher Prospekte sowie die Verbreitung von Werbung („Prospektverordnung“), berichtigt in ABl. EU Nr. L 186 / 3 vom 18. Juli 2005. resp. respektive RM Reichsmark Rn. Randnummer S. Seite u. a. und andere(s) u. ä. und ähnliche(s) UMAG Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts vom 22. September 2005, BGBl. I 2005, S. 2802. VerkProspG Verkaufsprospektgesetz vgl. vergleiche WM Zeitschrift „Wertpapiermitteilungen – Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht“ WpPG Gesetz über die Erstellung, Billigung und Veröffentlichung des Prospekts, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei der Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem organisierten Markt zu veröffentlichen ist (Wertpapierprospektgesetz – WpPG) vom 22. Juni 2005 (BGBl. I S. 1698). z. B. zum Beispiel

Problemaufriss

Unterschiedliche Schutzniveaus bei der Haftung der Gesellschaft gegenüber Aktionären für Angaben im Rahmen einer Kapitalerhöhung Ein Investor, der sich im Rahmen einer Kapitalerhöhung an einer Aktiengesellschaft1 beteiligen will, benötigt eine verlässliche Informationsgrundlage, um beurteilen zu können, ob seine Einlage dem Wert der zu zeichnenden Aktien angemessen ist. Der Investor kann dies vor dem Erwerb nur schwer überprüfen und wird die Aktien daher regelmäßig nur erwerben, wenn er sich auf die Informationen über das Unternehmen verlassen kann.2 Dies ist insbesondere der Fall, wenn ihm im Fall der Unrichtigkeit der Informationen Haftungsansprüche zustehen. Das Aktienrecht sieht indes nicht vor, dass der Aktionär die Gesellschaft wegen fehlerhafter Informationen im Vorfeld der Beteiligung in die Haftung nehmen und Schadensersatz oder „Rückabwicklung“ verlangen kann. Die Voraussetzungen allgemeiner bürgerlich rechtlicher Anspruchsgrundlagen, sei es der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung oder der Haftung gem. §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB, sind an sich zwar erfüllt. Jedoch schließt nach überwiegender Ansicht die aktienrechtliche Vermögensbindung entsprechende Zahlungen an die Aktionäre aus: Jede Leistung aus dem Vermögen der Aktiengesellschaft an einen Aktionär, die außerhalb der ordnungsgemäßen Ausschüttung des Bilanzgewinns erbracht 1  Im Rahmen der Untersuchung soll der Blick lediglich auf die Aktiengesellschaft und nur auf die Primärmarkthaftung gerichtet werden. Bei der GmbH geht der Kapitalschutz nicht über das Stammkapital hinaus, so dass sich Probleme der Haftung gegenüber den Gesellschaftern in weitaus geringerem Umfang stellen. Im Bereich der Primärmarkthaftung, also der Haftung für Informationen über Aktien, die aus einer Kapitalerhöhung entstehen und sofort von Aktionären übernommen werden, sind die Parallelen zwischen der kapitalmarktaktiven und der kapitalmarktinaktiven Gesellschaft offensichtlich. Im Bereich der Sekundärmarkthaftung, also der Haftung für Informationen der Gesellschaft über bereits bestehende Aktien, die von anderen Aktionären erworben werden (Anspruchsgrundlage insb. §§ 37b, c WpHG), gibt es in rechtlicher, vor allem aber auch in tatsächlicher Hinsicht, so gut wie keine Parallelen, da kapitalmarktinaktive Gesellschaften keine I­nformationen über ihr Unternehmen veröffentlichen, die Kapitalmarktinformationen entsprechen. 2  Fleischer, in: Gutachten F für den 64. Juristentag, S. F 23.

22 Problemaufriss

wird und nicht ausnahmsweise auf Grund einer speziellen gesetzlichen Regelung zugelassen ist, ist nach herrschender Meinung unzulässig, es sei denn, dass sie unter drittgleichen Bedingungen erfolgt. Außerdem ist es der Aktiengesellschaft durch das Verbot des Erwerbs eigener Aktien verwehrt, die Aktien im Rahmen einer Rückabwicklung zurückzunehmen. Damit korrespondiert, dass auch eine Anfechtung der Zeichnung wegen Willensmängeln nach herrschender Ansicht nach der Handelsregistereintragung nicht mehr möglich ist. Eine vertragliche Absicherung wird dem Aktionär, der sich an der kapitalmarktinaktiven Gesellschaft beteiligt, ebenfalls verwehrt. Der Aktionär scheint also nach dem Vollzug seiner Beteiligung im Verhältnis zur Gesellschaft schutzlos zu sein. In den letzten Jahren lassen die Rechtsprechung und die herrschende Meinung in der Literatur für bestimmte Anspruchsgrundlagen jedoch eine Haftung der Aktiengesellschaft zu: So wird sowohl für die spezialgesetzliche Prospekthaftung gem. §§ 44  ff. BörsG, §§ 13, 13a VerkProspG, als auch für die Haftung der Gesellschaft für vorsätzlich-sittenwidriges Handeln ihres Vorstands eine umfassende Haftung der Gesellschaft angenommen, die es dem Aktionär auch erlaubt, seine Aktien an die Aktiengesellschaft zurückzugeben und Schadensersatz zu verlangen. In diesen Fällen soll die aktienrechtliche Vermögensbindung also hinter den Interessen der Investoren zurücktreten. Nach der herrschenden Meinung ist also ein Aktionär, der er sich an einer Gesellschaft beteiligt, die kapitalmarktaktiv ist und daher der spezialgesetzlichen Prospekthaftung unterliegt, deutlich besser geschützt als ein Aktionär, der sich an einer kapitalmarktinaktiven Gesellschaft beteiligt. Diese unterschiedlichen Schutzniveaus geben Anlass zu untersuchen, ob die herrschende Meinung in den beschriebenen Konstellationen das Verhältnis der Haftung zur Vermögensbindung zutreffend beurteilt. Andernfalls gilt es zu erwägen, die Haftung der kapitalmarktaktiven Gesellschaft gegenüber der herrschenden Meinung zu beschränken oder eine Haftung einer kapitalmarktinaktiven Gesellschaft in einem gewissen Umfang zuzulassen. Diese Arbeit hat sich zum Ziel gesetzt, grundlegend zu untersuchen, wie eine Aktiengesellschaft für die von ihr ausgegebenen Aktien gegenüber den erwerbenden Aktionären haften kann. Einleitend sollen die Ansprüche, die einem Aktionär im Falle einer Fehlinformation über das Unternehmen im Vorfeld der Beteiligung zustehen können, kurz umrissen werden.3 Im Anschluss daran wird der Meinungsstand dazu, ob und inwieweit die Gesellschaft aus diesen Anspruchsgrundlagen in Anspruch genommen werden kann, dargestellt.4 In der Untersuchung sollen dann zunächst die Vorgaben des Aktienrechts geprüft und dann 3  Siehe 4  Siehe

§ 1. § 2.



§ 1 Anspruchsgrundlagen für Angaben im Vorfeld des Aktienerwerbs23

auf die Besonderheiten des Kapitalmarktrechts resp. einer vorsätzlichen sittenwidrigen Fehlinformation eingegangen werden. Basierend auf diesen Erkenntnissen wird untersucht, im welchem Umfang eine vertragliche Regelung der Haftung möglich ist.5 

§ 1 Anspruchsgrundlagen für die Haftung der Gesellschaft gegenüber einem Aktionär für Angaben im Vorfeld des Aktienerwerbs Grundlegend für das Verständnis der Haftung der Aktiengesellschaft gegenüber Aktionären ist, auf welche Anspruchsgrundlagen ein Aktionär einen Anspruch stützen könnte. In Betracht kommen neben der kapitalmarktrechtlichen Prospekthaftung gem. §§ 44 ff. BörsG und §§ 13, 13a VerkProspG (siehe hierzu unten A.) Ansprüche aus der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung und aus der Prospekthaftung im weiteren Sinne gem. §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB sowie nach allgemeinen, insbesondere deliktsrechtlichen Regeln (unten B.). Nachdem in den letzten Jahren die kapitalmarktrechtliche Prospekthaftung zunehmend ausgeweitet wurde, stellt sich die bisher wenig untersuchte Frage, welcher Anwendungsbereich für die Haftung nach allgemein-zivilrechtlichen Grundsätzen verbleibt, denn soweit der jeweilige Anwendungsbereich der spezialgesetzlichen Informa­ tionshaftungstatbestände der §§ 44 ff. BörsG, § 13 VerkProspG eröffnet ist, gilt die allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung nicht für Aktien.6 Unter diesem Aspekt sind sowohl die Voraussetzungen der spezialgesetzlichen Haftung als auch der Haftung nach allgemeinen Grundsätzen zu untersuchen. Darüber hinaus wurde in der Rechtsprechung bisher nie die Haftung der Aktiengesellschaft aus der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung befürwortet, so dass es auch zu untersuchen gilt, ob sich diese Haftung überhaupt gegen die Aktiengesellschaft richten kann.

A. Kapitalmarktrechtliche Anspruchsgrundlagen Verschiedene kapitalmarktrechtliche Regelungen sehen eine Haftung (unter anderem) der Aktiengesellschaft vor, wenn eine kapitalmarktrechtliche 5  Zum

Gang der Untersuchung siehe § 3. 13 / 8933 S.  81, Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rn. 100, Schwark, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rn. 73, Assmann, in: Assmann  /  Schütze, Handbuch Kapitalanlagerecht, § 6 Rn. 134, Mülbert / Steup, in: Habersack / Mülbert / Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, §  33 Rn. 141, 143, für eine Konkurrenz im Bereich des grauen Kapitalmarkts: Emmerich, in: MünchKomm BGB § 311 Rn. 185 ff. 6  BT-Drucks.

24 Problemaufriss

Pflichtveröffentlichung unterblieb oder wenn sie fehlerhaft war. Werden Aktien aus einer Kapitalerhöhung mittels eines öffentlichen Angebots am Markt platziert, muss nach dem WpPG in der Regel zwingend ein Prospekt veröffentlicht werden, der das Unternehmen und die angebotenen Wertpapiere darstellt. Für diese Prospekte haften die Prospektverantwortlichen, worunter auch die emittierenden Aktiengesellschaften selbst fallen, gemäß §§ 44 ff. BörsG (siehe unten I.) bzw. gem. §§ 13 f. VerkProspG (siehe unten II.). Daneben gibt es sowohl weitere kapitalmarktrechtliche Prospekthaftungstatbestände, die jedoch nicht für Aktien gelten, als auch weitere Tatbestände der kapitalmarktrechtlichen Haftung für Aktien, die jedoch nicht im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung stehen und aus diesem Grund keine Entsprechung bei den kapitalmarktinaktiven Aktiengesellschaften haben.7 Beide Gruppen von Tatbeständen sollen hier deshalb nicht behandelt werden. I. Börsengesetzliche Prospekthaftung: §§ 44 ff. BörsG Gemäß § 44 BörsG kann der Erwerber von Wertpapieren, die aufgrund eines Prospekts zum Börsenhandel am regulierten Markt zugelassen sind, in dem für die Beurteilung der Wertpapiere wesentliche Angaben unrichtig oder unvollständig sind, von denjenigen, die für den Prospekt die Verantwortung übernommen haben oder von denen der Erlass des Prospekts ausging, als Gesamtschuldner die Übernahme der Wertpapiere gegen Erstattung des Erwerbspreises und der Erwerbskosten verlangen. Voraussetzung ist, dass das Erwerbsgeschäft nach der Veröffentlichung des Prospekts und innerhalb von sechs Monaten nach erstmaliger Einführung der Wertpapiere abgeschlossen wurde. Der Anspruchsgegner wird gem. § 45 Abs. 1 BörsG durch den Nachweis, dass er die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben des Prospekts ohne grobe Fahrlässigkeit nicht gekannt habe, von der Ersatzpflicht befreit. Der Prospekthaftungsanspruch ist unter anderem gemäß § 45 Abs. 2 BörsG ausgeschlossen, wenn die Wertpapiere nicht aufgrund des Prospekts erworben wurden, wenn der Erwerber die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit kannte oder wenn der unrichtig oder unvollständig dargestellte Sachverhalt nicht zu einer Minderung des Börsenpreises der Wertpapiere beigetragen hat. Der Zweck der Prospekthaftung nach heutiger Rechtslage ist es, dem Anleger eine informierte Transaktionsentscheidung zu ermöglichen;8 anders als die Haftung für fehlerhafte Ad-hoc-Meldungen 7  Beispielsweise die Haftung für fehlerhafte oder unterbliebene Ad-hoc-Meldungen, §§ 37b, c WpHG. 8  Prospektrichtlinie 2003 / 71 / EG vom 04. November 2003, 19. Erwägungsgrund, kritisch de lege ferenda Hopt / Voigt, in: Hopt / Voigt, Prospekt- und Kapitalmarkt­ informationshaftung, S. 9 (93).



§ 1 Anspruchsgrundlagen für Angaben im Vorfeld des Aktienerwerbs25

soll sie nicht nur die Wahrheit der Preisbildung am Markt durch vollständige und zutreffende Information gewährleisten.9 Prospekt im Sinne des § 44 BörsG ist nur der Prospekt, aufgrund dessen die Wertpapiere zum Börsenhandel zugelassen wurden, also nur der Börsenzulassungsprospekt im Sinne des § 32 Abs. 3 Nr. 2 BörsG in Verbindung mit dem Wertpapierprospektgesetz.10 Es kommt dabei nicht darauf an, ob eine Prospektpflicht bestand.11 Die Prospekthaftung setzt voraus, dass die im Prospekt enthaltenen, für die Beurteilung der Wertpapiere wesentlichen Angaben unrichtig oder unvollständig sind. Unrichtig sind Tatsachen, die im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Prospekts nicht der Wahrheit entsprechen.12 Werturteile oder Prognosen sind unrichtig, wenn sie nicht durch Tatsachen gedeckt bzw. gestützt werden oder kaufmännisch nicht vertretbar sind.13 Der Gesamteindruck des Prospekts muss insgesamt ein wahrheitsgetreues, vollständiges und realistisches Gesamtbild der Vermögens-, Ertragsund Liquiditätslage des Emittenten abgeben.14 Vollständig ist der Prospekt in der Regel, wenn er alle in § 38 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 7 WpPG und den Anhängen der Prospektverordnung vorgegebenen Angaben enthält. Für die Beurteilung der Unrichtigkeit oder der Unvollständigkeit stellt die Rechtsprechung und mit ihr Teile der Literatur auf das Verständnis eines durchschnittlichen Anlegers ab, der nicht unbedingt mit der speziellen Schlüsselsprache vertraut sein muss, da Erklärungsadressat das breite Publikum ist15, während andere Stimmen in der Literatur vorschlagen, auf einen verständigen Anleger abzustellen, der im beispielsweise in der Lage ist, einen Jahresabschluss nach IFRS mit Sachverstand zu lesen.16 Beurteilungszeitpunkt 9  Siehe

unten § 10 D.I. Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rn. 23, Mülbert / Steup, in: Habersack / Mülbert / Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rn. 14, Ehricke, in: Hopt / Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 187 (194). 11  Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rn. 26, Ellenberger, Prospekthaftung im Wertpapierhandel, S. 12. 12  Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rn. 44. 13  Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rn. 44. 14  Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rn. 44. 15  Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 2279 (S. 1158), Ehricke, in: Hopt / Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 187 (220), BGH WM 1982, 862 (865), OLG Düsseldorf, WM 1984, 586 (593 f.), OLG Frankfurt, ZIP 2004, 1411 (1412), OLG Frankfurt, WM 1994, 291 (295). a. A. Schwark, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rn. 19. In manchen Fällen genügt es aus diesem Grund nicht, nur das vollständige Datenmaterial offenzulegen, gegebenenfalls muss dem noch eine für den Durchschnittsanleger verständliche und nachvollziehbare Erläuterung beigefügt werden (so auch Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 2279 (S. 1158)). 16  Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rn. 41, Fleischer, Gutachten F für den 64. Juristentag, S. F 44 f. 10  Groß,

26 Problemaufriss

ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Prospekterstellung oder der Veröffentlichung, später gewonnene Erkenntnisse dürfen nicht berücksichtigt werden.17 Stellt sich heraus, dass Angaben in dem Prospekt unvollständig oder fehlerhaft sind, kann im Inland im Rahmen des Jahresabschlusses oder eines Zwischenberichts des Emittenten, in einer Ad-hoc-Mitteilung oder in einer vergleichbaren Bekanntmachung eine deutlich gestaltete Berichtigung der Angaben veröffentlicht werden. Dies hat zur Folge, dass eine Haftung aufgrund des Prospekts für alle Erwerbsgeschäfte, die nach Veröffentlichung der Berichtigung abgeschlossen werden, gem. § 45 Abs. 2 Nr. 4 BörsG ausgeschlossen wird. Haftungsadressaten sind nach dem Wortlaut des § 44 Abs. 1 BörsG diejenigen, die für den Prospekt die Verantwortung übernommen haben, sowie diejenigen, von denen der Erlass des Prospekts ausgeht.18 Jeweils muss die Tatsache, dass Verantwortung für den Prospekt übernommen wird, nach außen erkennbar werden. Dies trifft bei den Unterzeichnern des Prospekts19 ebenso zu wie bei diejenigen, welche gem. § 5 Abs. 4 WpPG im Prospekt als für dessen Inhalt verantwortlich aufgeführt werden. Diejenigen, von denen der Prospekt ausgeht, sind die tatsächlichen Urheber des Prospekts.20 Darunter fallen nach h. M. nur Personen, die ein eigenes geschäftliches Interesse an der Emission haben. Auf diese Weise sollen eventuelle Lücken der Prospekthaftung geschlossen werden, indem nicht nur die – oft illiquiden – Unterzeichner erfasst werden, sondern auch die – möglicherweise liquideren – Personen, die den Prospekt tatsächlich veranlasst haben.21 17  Groß,

Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rn. 43. Verantwortung für den Prospekt zu übernehmen bedeutet nichts anderes als die frühere Formulierung, den Prospekt zu erlassen: Reg.begr. zum 3. FFG, BTDrucks. 13 / 8933 S. 54, 78, Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rn. 30, Mülbert / Steup, in: Habersack / Mülbert / Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rn. 58, Assmann, in: Assmann / Schütze, Handbuch Kapitalanlagerecht, § 6 Rn. 222. 19  Den Prospekt unterzeichnen gem. § 5 Abs. 3 S. 2 WpPG i. V. m. § 30 Abs. 2 Satz 1 BörsG die Gesellschaft / der Emittent und gem. § 5 Abs. 4 S. 2 WpPG i. V. m. § 30 Abs. 2 Satz 1 BörsG der Emissionsbegleiter. Emissionsbegleiter kann sowohl ein einzelnes Kreditinstitut als auch ein Konsortium sein (Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rn. 33, Mülbert / Steup, in: Habersack / Mülbert / Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rn. 59 ff.). 20  Hamann, in: Schäfer  / Hamann, Kapitalmarktgesetze, §§ 44, 45 BörsG Rn. 91, Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rn. 35, Reg.begr. zum 3. FFG, BTDrucks. 13 / 8933 S. 54, 78, Assmann, in: Assmann / Schütze, Handbuch Kapitalanlagerecht, § 6 Rn. 223. 21  Hamann, in: Schäfer  / Hamann, Kapitalmarktgesetze, §§ 44, 45 BörsG Rn. 91. Das können beispielsweise die Konzernmuttergesellschaft (Schwark, in: Schwark /  Zimmer, Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rn. 9), aber auch ein Großaktionär, der seine Beteiligung verkauft, Aufsichtsratsmitglieder, die die Prospekterstellung maß18  Die



§ 1 Anspruchsgrundlagen für Angaben im Vorfeld des Aktienerwerbs27

Entgegen der Konzeption des ursprünglichen Gesetzgebers der Prospekthaftung22 richtet sich die Haftung heute eindeutig auch gegen die Gesellschaft. Zum einen unterzeichnet die Gesellschaft den Prospekt. Zum anderen entspricht das auch der Konzeption späterer Änderungen der Prospekthaftung. Insbesondere geht auch die Regierungsbegründung zum 3. FFG davon aus, dass der Prospekthaftungsanspruch gegenüber der Gesellschaft geltend gemacht werden kann.23 Gem. § 47 BörsG bleiben weitergehende Ansprüche, die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes auf Grund von Verträgen oder vorsätz­ lichen oder grob fahrlässigen unerlaubten Handlungen erhoben werden können, unberührt. Sie können also grundsätzlich neben der Prospekthaftung gem. §§ 44 ff. BörsG geltend gemacht werden. Darunter fällt jedoch nicht die richterrechtlich entwickelte allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung24, sondern nur die Ansprüche, die sich aus der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens ergeben, also die Prospekthaftung im weiteren Sinne aus §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB.25 Die Rechtsnatur der börsenrechtlichen Prospekthaftung gem. §§ 44  f. BörsG ist umstritten: Sie wird teilweise als kraft Gesetzes eintretende Vergeblich steuern, oder Vorstandsmitglieder mit eigenem geschäftlichem Interesse sein (Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rn. 35). Liefern Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte oder Sachverständige unrichtiges Material für die Aufstellung des Prospekts, ohne ein eigenes geschäftliches Interesse an der Emission zu haben, so geht von ihnen nach überwiegender Auffassung der Prospekt nicht aus und sie können nicht gem. § 44 Abs. 1 BörsG in Anspruch genommen werden (Hamann, in: Schäfer  /  Hamann, Kapitalmarktgesetze, §§ 44, 45 BörsG Rn. 93, Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rn. 35, Assmann, in: Assmann / Schütze, Handbuch Kapitalanlagerecht, § 6 Rn. 224, Ellenberger, Prospekthaftung im Wertpapierhandel, S.  27 f., Fleischer, Gutachten F für den 64. Juristentag, S. F 67). In Betracht kommt jedoch jeweils eine Haftung aus anderen Haftungstatbeständen (Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rn. 37). 22  Vgl. hierzu Fleischer, in: Gutachten F für den 64. Juristentag, S. F 62. 23  Begr. RegE BT-Drucks. 13 / 8933, S. 78. 24  BT-Drucks. 13  / 8933 S. 81 führt aus, dass „sonstige Ansprüche, insbesondere solche aus allgemeiner zivilrechtlicher Prospekthaftung, (…) im Anwendungsbereich der Haftung für fehlerhafte Börsenzulassungsprospekte ausgeschlossen“ sind. Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rn. 100, Schwark, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rn. 73, Assmann, in: Assmann / Schütze, Handbuch Kapitalanlagerecht, § 6 Rn. 134, 259, Mülbert / Steup, in: Habersack / Mülbert / Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rn. 77, 141, Fleischer, BKR 2004, 339 (343), kritisch Emmerich, in: MünchKomm BGB § 311 Rn. 185 ff. 25  Fleischer, BKR 2004, 339 (343 in Fn. 67), Mülbert / Steup, in: Habersack / Mülbert / Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rn. 142, Emmerich, in: MünchKomm BGB § 311 Rn. 190, Assmann, in: Assmann / Schütze, Handbuch Kapitalanlagerecht, § 6 Rn. 259.

28 Problemaufriss

trauenshaftung angesehen26, während andere davon ausgehen, dass mit der Prospekthaftung die Verletzung deliktischer, vertragsunabhängiger (Informations-)Verkehrspflichten sanktioniert wird27. Bei der Einführung der börsengesetzlichen Prospekthaftung im Jahre 1896 ging der Gesetzgeber davon aus, eine deliktische Haftung zu schaffen28, obwohl damals schon erkannt worden war, dass die Prospekthaftung auch Probleme des Vertragsrechts aufwarf.29 Seit der Einführung der börsengesetzlichen Prospekthaftung wurde jedoch in dem Bereich zwischen Vertrags- und Deliktsrecht die vorvertragliche Haftung, insbesondere die c.i.c., zunächst „wiederentdeckt“ und dann kodifiziert. Die vom BGH in Anlehnung an die spezialgesetzliche Prospekthaftung entwickelte allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung wurde dementsprechend auch als Vertrauenshaftung, also als vorvertragliche Haftung, entwickelt. Diese Einordnung wird richtigerweise auch von der überwiegenden Literatur geteilt, weil die spezialgesetzliche Prospekthaftung die Lücke schließt, die sich daraus ergibt, dass bei dem Erwerb der Aktien kein Vertrag über den Zustand des Unternehmens zustande kommt, und weil die Anforderungen an die inhaltliche Richtigkeit der Prospekte keine Verkehrspflichten sind, die dem Schutz eines abstrakten Marktes dienen, sondern sie vertraglichen Pflichten näher stehen als deliktischen. II. Prospekthaftung für andere öffentliche Angebote: § 13 VerkProspG Eine weitere Form der spezialgesetzlichen Prospekthaftung für Aktien findet sich in §§ 13, 13a VerkProspG. Danach sind die Vorschriften der §§ 44–47 BörsG entsprechend anzuwenden, wenn wesentliche Angaben in einem Prospekt im Sinne des WpPG für die Beurteilung der Wertpapiere, die nicht zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen30 sind, unrich26  Schwark, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rn. 5 ff., Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 2277 (S. 1157), Coing, WM 1980, 206 (211), Schwark, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rn. 5, Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rn. 9, Hopt, Verantwortlichkeit, Rn. 100 in Fn. 133, wohl auch Schwark, Anlegerschutz (1979), S. 203 f. 27  Assmann, Prospekthaftung (1985), S. 252 ff., von Bar, ZHR 1983, 476 (496 ff.), Gebauer, Börsenprospekthaftung und Kapitalerhaltungsgrundsatz, S. 77 ff. (80), Assmann, in: Assmann / Schütze, Handbuch Kapitalanlagerecht, § 6 Rn. 25 ff. (39 f.). 28  Schulz, Das deutsche Börsengesetz, S. 389. 29  Assmann, Prospekthaftung (1985), S. 373, Ellenberger, Prospekthaftung im Wertpapierhandel, S.  7 f. 30  Dass nach dem eindeutigen Wortlaut ein Prospekt für das öffentliche Angebot von bereits zugelassenen Aktien nicht von § 13 VerkProspG erfasst wäre, entspricht nicht dem Willen des Gesetzgebers (Groß, Kapitalmarktrecht, § 13 VerkProspG Rn.  3 f., Mülbert / Steup, in: Habersack / Mülbert / Schlitt, Unternehmensfinanzierung



§ 1 Anspruchsgrundlagen für Angaben im Vorfeld des Aktienerwerbs29

tig oder unvollständig sind, oder wenn entgegen § 3 Abs. 1 S. 1 WpPG kein Prospekt veröffentlicht wurde. Nachdem die Problemstellung dieser Arbeit auf den Unterschieden aufbaut zwischen der Haftung der Gesellschaft, die nach kapitalmarktrechtlichen Vorschriften haftet, und der Gesellschaft, die lediglich nach allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften haftet, kann die Haftung gem. § 13a VerkProspG, die an ein Unterlassen einer verpflichtenden Prospektveröffentlichung anknüpft, hier außer Betracht bleiben, weil es nach allgemeinem Zivilrecht keine entsprechenden Veröffentlichungspflichten gibt. Zu untersuchen ist allein die Haftung gem. § 13 VerkProspG für unrichtige oder unvollständige Angaben. Aus den § 13 Abs. 1 VerkProspG i. V. m. §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 S. 1 WpPG ergibt sich, dass die Haftung nur eingreift, wenn die Wertpapiere öffentlich angeboten werden: Zunächst gilt die Prospekthaftung gem. § 13 VerkProspG nur für Prospekte im Sinne des WpPG. Der Anwendungsbereich des WpPG ist jedoch gemäß § 1 Abs. 1 WpPG für Wertpapiere, die nicht zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen, nur eröffnet, wenn mit dem Prospekt Wertpapiere öffentlich angeboten werden sollen. Werden Wertpapiere also nicht öffentlich angeboten, ist weder der Anwendungsbereich des WpPG eröffnet, noch besteht dann eine Prospektpflicht. Der Begriff des öffentlichen Angebots ist in § 2 Nr. 4 WpPG definiert. Danach ist ein öffentliches Angebot von Wertpapieren jede Mitteilung an das Publikum in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise, die ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Wertpapiere enthält, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, über den Kauf oder die Zeichnung dieser Wertpapiere zu entscheiden.31 Das Angebot ist öffentam Kapitalmarkt, § 33 Rn. 19 f., Assmann, in: Assmann / Schütze, Handbuch Kapitalanlagerecht, § 6 Rn. 59). Groß und Kind nehmen aus diesem Grund an, dass alle Wertpapierprospekte nach dem Wertpapierprospektgesetz, auch wenn sie sich auf bereits zugelassene Wertpapiere beziehen, von der Haftungsregelung des § 13 VerkProspG erfasst werden. Darunter können beispielweise Informationsmemoranden fallen, die der Umplatzierung und damit dem öffentlichen Angebot von bereits zugelassenen Aktien dienen. Diese sind weder Börsenzulassungsprospekte, da sie nicht die Grundlage für die Börsenzulassung bilden, und auch keine einen Börsenzulassungsprospekt ersetzenden Darstellungen im Sinne von § 44 Abs. 4 BörsG, da sie keine prospektbefreiende Funktion haben (Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rn.  27 f., Kind, in: Arndt / Voß, § 13 VerkProspG Rn. 11). Allerdings könnte die BaFin das Dokument auch antragsgemäß als Börsenzulassungsprospekt behandeln und die Zulassungsstelle die Wertpapiere erneut zulassen (Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rn. 28). Eine andere Ansicht vertritt Schäfer, der annimmt, dass dieser Prospekt den Regelungen der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung unterliege (Hamann, in: Schäfer  /  Hamann, Kapitalmarktgesetze, §§ 44, 45 BörsG Rn. 57). 31  Nach Aussage der Regierungsbegründung zum WpPG (BT-Drucks. 15  / 4999, S. 28) entspricht die Definition dem Begriffsverständnis nach dem VerkProspG. Aus

30 Problemaufriss

lich, wenn es sich an das Publikum, also an einen unbestimmten Personenkreis, richtet.32 Maßgeblich ist nicht die Zahl der Personen, sondern die Qualität des Angebots.33 Dementsprechend bildet das Gegenstück zum öffentlichen Angebot das private placement, bei dem zwischen dem Anbietenden bzw. einem Beauftragten und dem Anleger bereits im Vorfeld eine persönliche Verbindung besteht.34 Eine Haftung gem. § 13 VerkProspG greift auch ein, wenn die Aktien im Freiverkehr35 gehandelt werden. Zwar schließt § 48 Abs. 3 BörsG für den Freiverkehr die direkte Anwendung der §§ 44–47 BörsG explizit aus. Dieser Regelung ist jedoch nach der Gesetzgebungsgeschichte nicht zu entnehmen, dass jede Form der Prospekthaftung ausgeschlossen werden sollte.36 Liegen somit die Voraussetzungen von § 13 VerkProspG vor, kann diesem Grund soll dazu die Literatur dazu sowie die Aussagen des BAWe (u. a. Bekanntmachung des BAWe zum Verkaufsprospektgesetz, BAnz. vom 21. September 1999, 16180) fruchtbar gemacht werden können: Groß, Kapitalmarktrecht, § 2 WpPG Rn. 8. 32  Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rn. 162, Groß, Kapitalmarktrecht, § 2 WpPG Rn. 16. Dagegen führt ein Vorentwurf zur Emissionsprospekt-RL aus, dass sich das Angebot an einen beschränkten Personenkreis richten müsse, was jedoch letztlich nicht konsensfähig war und nicht Gesetz wurde: Heidelbach, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrecht, § 1 VerkProspG Rn. 7. 33  Groß nimmt an, dass dafür nicht die Zahl der Personen, sondern die Qualität der Beziehungen zwischen Anbietendem und Empfänger entscheidend ist. Insbesondere die Befreiung von der Prospektpflicht, wenn sich das Angebot an weniger als 100 Personen richtet, gem. § 3 Abs. 2 Nr. 2 WpPG und Art. 3 Abs. 2 lit. b) ProspektRL ist als Unterscheidungskriterium nicht geeignet, da daraus zum einen hervorgeht, dass auch bei weniger als 100 Adressaten des Angebots ein öffentliches Angebot vorliegen kann, und weil zum anderen diese Schwelle nicht in der Definition des öffentlichen Angebots erwähnt wird. Das Bundesamt für den Wertpapierhandel verwendete 1996 zur Auslegung des Merkmals „öffentlich“ die Kriterien, dass die Angebotsempfänger dem Anbieter nicht im Einzelnen bekannt sein sollen und von ihm nicht auf Grund einer gezielten Auswahl nach individuellen Gesichtspunkten angesprochen wurden (Groß, Kapitalmarktrecht, § 2 WpPG Rn. 16 f.). 34  Groß, Kapitalmarktrecht, § 2 WpPG Rn. 16 f., Ehricke, in: Hopt  / Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 187 (207). 35  Bei dem Freiverkehr handelt es sich gem. § 48 BörsG um ein Marktsegment, in das Wertpapiere, die nicht zum regulierten Markt zugelassen sind, einbezogen werden können, wenn durch Handelsrichtlinien eine ordnungsgemäße Durchführung des Handels und der Geschäftsführung gewährleistet erscheint. Er ist kein organisierter Markt im Sinne des § 2 Abs. 5 WpHG oder des § 2 Nr. 16 WpPG (Groß, Kapitalmarktrecht, § 2 WpPG Rn. 35). 36  Diese Regelung erhielt die gegenwärtige Fassung im Finanzausschuss, und die Begründung führt aus, dass unter anderem die Vorschriften über die Zulassung von Wertpapieren nicht anwendbar sein sollen, da die Zulassung von Wertpapieren nach der EU-Finanzmarktrichtlinie dem regulierten Markt als organisierten Markt vorbehalten ist (BT-Drucks. 16 / 4899, S. 35). Zur Prospekthaftung gem. §§ 44–47 BörsG



§ 1 Anspruchsgrundlagen für Angaben im Vorfeld des Aktienerwerbs31

dies zu einer Haftung führen. Wie bereits dargestellt, knüpft § 13 VerkProspG an einen Prospekt im Sinne des WpPG an, der wiederum ein öffentliches Angebot voraussetzt. Die bloße Aufnahme in den Freiverkehr, ohne dass damit weitere Werbemaßnahmen einhergehen, soll jedoch kein öffentliches Angebot darstellen. Kommt es allerdings zu weiteren Werbemaßnahmen, handelt es sich um ein öffentliches Angebot.37 Dieser Haftung steht nicht entgegen, dass gem. § 13 Abs. 1 VerkProspG die Wertpapiere nicht zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sein dürfen, da eine „Zulassung“ im Sinne eines förmlichen Zulassungsverfahrens im Freiverkehr nicht stattfindet.

B. Allgemein-zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen Außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 44 ff. BörsG, § 13 VerkProspG gibt es keine spezialgesetzlichen Bestimmungen, die die Haftung der Aktiengesellschaft für gegenüber Aktionären für neue Aktien regeln. Zur Sanktionierung der Emittentenpublizität kommen allerdings das Vertragsund Deliktsrecht einschließlich der c.i.c. (§§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB) sowie die allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung in Betracht. Die allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung und die Haftung aus c.i.c. unterscheiden sich danach, ob typisiertes Vertrauen (führt zur Anwendung der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung) oder persönliches Vertrauen (führt zur Haftung aus c.i.c.) in Anspruch genommen wurde. Ob diese Ansprüche gegenüber der Aktiengesellschaft bestehen und durchgesetzt werden können, ist jedoch nicht geklärt. Nach der herrschenden Meinung kann die Gesellschaft diesen Ansprüchen die Kapitalerhaltung und das Verbot des Erwerbs eigener Aktien sowie die Bestandskraft des Zeichnungsvertrages entgegenhalten. Anders als bei der spezialgesetzlichen Haftung ist die Gesellschaft hier nicht verpflichtet, gegenüber dem zukünftigen Aktionär Angaben über das Unternehmen zu machen. Es wird sich jedoch zeigen, dass die Gesellschaft, wenn sie sich entschließt Angaben zu machen, nicht falsch informieren darf, und dass Schadensersatzansprüche entstehen können, wenn sie eine Fehlinformation zu vertreten hat.

wurde jedoch nicht Stellung genommen. Daraus kann man im Umkehrschluss folgern, dass der Gesetzgeber nicht jede Haftung für einen im Freiverkehr veröffentlichten Prospekt ausschließen wollte, sondern in erster Linie die üblichen Zulassungsvoraussetzungen ausschließen wollte. 37  BT-Drucks. 15 / 4999, Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, S. 28.

32 Problemaufriss

I. Allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung Die allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung knüpft an ein Vertrauen an, das sich allein aus einer schriftlichen Darstellung ergibt. Für sie werden außer dem hier verwendeten Begriff der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung auch die Begriffe zivilrechtliche, allgemeine und bürgerlichrechtliche Prospekthaftung synonym gebraucht. Ursprünglich wurde sie im Jahr 1978 für Beteiligungen an Publikums-Kommanditgesellschaften auf dem grauen Kapitalmarkt entwickelt.38 Im Jahr 1993 erweiterte der BGH den Anwendungsbereich auf Aktien, die auf dem grauen Kapitalmarkt angeboten werden.39 Bei der Ausgestaltung einzelner Aspekte der allgemeinzivilrechtlichen Prospekthaftung strebte der BHG explizit eine Übereinstimmung mit der spezialgesetzlichen Haftung an.40 In Bezug auf Aktien ist jedoch ein großer Teil der Fälle, die ursprünglich unter die allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung fielen, mittlerweile durch § 13 VerkProspG geregelt, so dass ihr Anwendungsbereich sehr klein geworden ist. Allerdings bleiben die Regelungen der börsengesetzlichen Prospekthaftung, die als über das allgemeine Privatrecht hinausgehender Schutz von Anlegern gedacht waren, heute hinter den Grundsätzen der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung zurück,41 insbesondere weil bei letzterer bereits bei leichter Fahrlässigkeit gehaftet wird, während die kapitalmarktrechtliche Prospekthaftung grobe Fahrlässigkeit erfordert, und weil der Schadensbegriff der kapitalmarktrechtlichen Prospekthaftung beschränkt ist. Soweit der jeweilige Anwendungsbereich der spezialgesetzlichen Informationshaftungstatbestände der §§ 44 ff. BörsG, § 13 VerkProspG eröffnet ist, findet die allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung auf Aktien keine Anwendung.42 Daraus ergibt sich nach dem Ausschlussverfahren der verbleibende Anwendungsbereich der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaf38  BGHZ 71, 284, fortentwickelt durch die Urteile BGHZ 72, 382 und BGHZ 77, 172. Die Literatur geht davon aus, dass der BGH mit den beiden letzten Urteilen den bisherigen Rahmen der c.i.c. eindeutig verlassen habe (von Bar, ZGR 1983, 476 (485)), da diese keine tragfähige Grundlage mehr für die Haftung derjenigen, die am Vertragsschluss nicht beteiligt waren, bietet. 39  BGHZ 123, 106 – Hornblower Fisher. Außerdem dehnte der BGH in weiteren Entscheidungen den sachlichen Anwendungsbereich zunächst auf Bauherrenmodelle (BGHZ 111, 314), gemischte Anlagemodelle (sog. „Hamburger Modell“, BGHZ 115, 213) und Bauträgermodelle (BGHZ 145, 121) aus. 40  BGHZ 79, 337 (342), BGH WM 1981, 1021, BGHZ 83, 222 (224). 41  So auch Assmann, Prospekthaftung (1985), S. 308. 42  BT-Drucks. 13 / 8933 S.  81, Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rn. 100, Schwark, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rn. 73, Assmann, in: Assmann  /  Schütze, Handbuch Kapitalanlagerecht, § 6 Rn. 134, Mülbert / Steup, in: Habersack / Mülbert / Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, §  33



§ 1 Anspruchsgrundlagen für Angaben im Vorfeld des Aktienerwerbs33

tung für Aktien: Sie greift nicht ein, wenn die Aktien am regulierten Markt zugelassen sind und / oder wenn die Aktien öffentlich angeboten werden, es sei denn, bei dem öffentlichen Angebot muss kein Prospekt im Sinne des WpPG veröffentlicht werden43. Positiv formuliert greift die allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung ein, wenn die Aktien nicht am regulierten Markt zugelassen sind und wenn die Aktien nicht öffentlich angeboten werden bzw. wenn bei dem öffentlichen Angebot kein Prospekt im Sinne des WpPG veröffentlicht werden muss. Der Prospektbegriff der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung orientiert sich an dem Prospektbegriff der spezialgesetzlichen Prospekthaftung. Definiert wird er als jede marktbezogene schriftliche Darstellung, die die für die Beurteilung der angebotenen Anlage erheblichen Angaben enthält oder den Eindruck eines solchen Inhalts erweckt.44 Lediglich Dokumente, bei denen ein nicht fachkundiger Anleger unschwer erkennen kann, dass diese ihm kein richtiges und vollständiges Bild über die wesentlichen Umstände und Risiken der Anlage vermitteln können, sind keine Prospekte in diesem Sinne.45 Diese Definition stimmt mit dem Prospektbegriff des § 264a StGB überein.46 Die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospekts ist genau so zu beurteilen wie bei der spezialgesetzlichen Prospekthaftung.47 Allerdings wird bei der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung eine eigenständige Rn. 141, 143, für eine Konkurrenz im Bereich des grauen Kapitalmarkts: Emmerich, in: MünchKomm BGB § 311 Rn. 185 ff. 43  Vom Anwendungsbereich des WpPG ausgenommen sind bestimmte öffentliche Angebote von geringerer Bedeutung, die in § 3 Abs. 2 WpPG genannt werden. Darunter fallen u. a. Emissionen an einen begrenzten Personenkreis von nicht mehr als 100 Personen oder mit einem Gesamtvolumen von nicht mehr als 100.000 Euro. 44  Assmann, in: Assmann  /  Schütze, Handbuch Kapitalanlagerecht, § 6 Rn. 67, Fleischer, in: Gutachten F für den 64. Juristentag, S. F 56, Grumann, BKR 2002, 310 (311), weitgehend übereinstimmend Hamann, in: Schäfer  /  Hamann, Kapitalmarktgesetze, §§ 45, 46 BörsG a. F. Rn. 25, Emmerich, in: MünchKomm BGB § 311 Rn. 199. 45  Grumann, BKR 2002, 310 (311). 46  Regierungsbegründung zu § 264a StGB – BT-Drucks. 10  / 318 S. 23, Meyer, WM 2003, 1301 (1303), Fischer, § 264a StGB Rn. 12 („Jedes Schriftstück, das für die Beurteilung der Geldanlage erhebliche Angaben enthält oder den Eindruck eines solchen Inhalts erwecken soll.“), BGHSt 40, 385 (388). 47  Der Prospekt muss als allgemeine Grundlage der Anlageentscheidung ein zutreffendes Bild der Anlage vermitteln und über alle potentiell entscheidungserheb­ lichen Umstände sachlich richtig und vollständig unterrichten (Mülbert / Steup, in: Habersack  /  Mülbert  /  Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rn. 144). Die Information muss insbesondere die mit der speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig darstellen (BGH NJW-RR 2004, 1407).

34 Problemaufriss

Fortschreibungs- bzw. Aktualisierungspflicht der Prospektverantwortlichen,48 die bis zur Beendigung des Vertriebsprozesses gilt49, angenommen, da die Haftung bezweckt, dem Anleger eine „im Zeitpunkt seines Anlageentschlusses informierte Investitionsentscheidung zu ermöglichen“.50 Für die Angaben in einem Prospekt im Sinne der allgemein-zivilrecht­ lichen Prospekthaftung haften manche Prospektverantwortliche umfassend und andere nur eingeschränkt: Eine unbeschränkte Haftung trifft diejenigen, die den Prospekt herausgeben oder für die Prospekterstellung verantwortlich sind51, sowie diejenigen, die hinter der Anlagegesellschaft stehen, besonderen Einfluss auf die Gesellschaft ausüben und Mitverantwortung tragen, unabhängig davon, ob sie nach außen in Erscheinung getreten sind52. Dagegen haften diejenigen, die mit Rücksicht auf ihre besondere berufliche oder wirtschaftliche Position als berufliche Sachkenner eine Garantenstellung einnehmen, sofern sie durch ihr nach außen in Erscheinung tretendes Mitwirken am Emissionsprospekt einen besonderen Vertrauenstatbestand schaffen, nur soweit, wie das so geschaffene Vertrauen in Bezug auf den Prospektinhalt reicht.53 Fraglich ist hier vor allem, ob auch die Gesellschaft, insbesondere eine Aktiengesellschaft, aus der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung haftet. Grundsätzlich wäre sie unter diejenigen zu subsumieren, die den Prospekt herausgeben. Allerdings geht die Rechtsprechung in den bisherigen Entscheidungen, insbesondere zur Publikums-KG, überwiegend davon aus, dass bei einem fehlerhaften Beitritt kein Schadensersatzanspruch aus c.i.c. oder der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung gegen die Gesellschaft geltend gemacht werden kann,54 sondern nur ein außerordentliches Kündigungsrecht in Betracht kommt: Zum einen sei die Gesellschaft an dem Beitrittsvertrag mit dem getäuschten Anleger nicht beteiligt.55 Die Täuschung eines Gesell48  Assmann, in: FS Ulmer (2003), S. 757 (760 ff.), Hamann, in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, §§ 45, 46 BörsG a. F. Rn. 23, Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rn. 60. 49  Assmann, in: FS Ulmer (2003), S. 757 (763). 50  Assmann, in: FS Ulmer (2003), S. 757 (762). 51  BGHZ 71, 284 (287), BGHZ 72, 382 (384 f.), BGHZ 77, 172 (175), BGHZ 79, 337 (340 f.), BGHZ 111, 314 (317), BGHZ 115, 213 (218). 52  BGHZ 72, 382 (386), BGHZ 77, 172 (175), BGHZ 79, 337 (340 ff.), BGHZ 145, 121 (127). 53  BGH NJW-RR 2007, 1479 (1480), BGH NJW 1984, 865 (866), Assmann, in: Assmann  /  Schütze, Handbuch Kapitalanlagerecht, § 6 Rn. 137, Ellenberger, Prospekthaftung im Wertpapierhandel, S. 97, Grumann, BKR 2002, 310 (314 f.). 54  Zum ganzen Hopt, in: FS 50 Jahre BGH, S. 497 (530) m. w. N. Zustimmend Mülbert / Steup, WM 2005, 1633 (1648 f.). 55  BGH NJW-RR 2000, 624 (625).



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schafters durch den Initiator im Zusammenhang mit dem Gesellschaftsbeitritt sei jedenfalls bei Publikumsgesellschaften den Gesellschaftern nicht zurechenbar, denn bei rein kapitalistisch organisierten Gesellschaftsbeteiligungen habe der einzelne Gesellschafter auf die Beitrittsverträge neuer Gesellschafter keine Einwirkungsmöglichkeiten und trete er gegenüber dem Beitrittsinteressenten überhaupt nicht in Erscheinung.56 Der Beitrittsinteressent bringe deshalb das Vertrauen allein dem die Verhandlungen führenden Vertreter der Gesellschafter entgegen, und nicht den Gesellschaftern selbst oder der Gesellschaft.57 Insbesondere seien die anderen Gesellschafter regelmäßig auch getäuscht worden, weshalb sich ein Schadensersatzanspruch auch nicht mittelbar über die Gesellschaft gegen die anderen Gesellschafter richten dürfe.58 Aus diesem Grund hafteten nicht die Gesellschafter oder die Gesellschaft, sondern nur die Vertreter. Außerdem bestehe bei einer unmittelbaren Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die Gesellschaft auch die Gefahr, dass die Gesellschafter einem Wettlauf um das Gesellschaftsvermögen, einem sogenannten „Windhundrennen“, ausgesetzt sind, da nur der Gesellschafter, der seine Ansprüche mit als erster geltend macht, die volle Summe erhält.59 Die Situation im hier diskutierten Fall gleicht jedoch der in der Publikums-KG nicht: Eine Haftung aus der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung kommt nur in Frage, wenn die Aktien nicht zum regulierten Markt zugelassen sind und nicht öffentlich angeboten werden oder wenn bei dem öffentlichen Angebot kein Prospekt im Sinne des WpPG veröffentlicht werden muss. Zum einen wird eine Aktiengesellschaft – im Gegensatz zu einer Personengesellschaft – bei Abschluss des Zeichnungsvertrages selbst Vertragspartnerin des Anlegers. Außerdem wird in der Aktiengesellschaft die Kapitalgrundlage zunächst bei den bisherigen Gesellschaftern durch eine Kapitalerhöhung mit Bezugsrecht erweitert. Sollen sich Außenstehende an der Gesellschaft beteiligen, muss entweder das Bezugsrecht ausgeschlossen werden oder die Altaktionäre dürfen von ihrem Bezugsrecht keinen Gebrauch machen. Jedenfalls ist ein Beschluss der Altaktionäre erforderlich. Auf diese Weise haben die Altaktionäre Einfluss auf die Beteiligung neuer Gesellschafter und müssen sich dementsprechend ein Verschulden der Organe der Gesellschaft zurechnen lassen. Es erscheint somit nicht unangemessen, im Falle einer (schuldhaften) Fehlinformation durch den Vorstand die Gesellschaft und – über ihren Anteil am Gesellschaftsvermögen mittelbar – die Aktionäre für dieses Verschulden haften zu lassen. Für die Frage, ob ein Schadensersatzanspruch aus c.i.c. sich gegen die Gesellschaft richten kann, ist also ent56  BGH

LM § 132 HGB Nr. 3 Bl. 3, BGHZ 71, 284 (286), BGHZ 63, 338 (345). LM § 132 HGB Nr. 3 Bl. 3, BGHZ 71, 284 (286), BGHZ 77, 172 (176). 58  BGH NJW-RR 2004, 1407 (1408). 59  BGH DStR 2008, 1100 (1103), OLG München, NZG 2000, 305, Ziegler, DStR 2005, 30, Wiedemann / Schmitz, ZGR 1980, 129 (138). 57  BGH

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scheidend, ob die Altgesellschafter Einfluss auf das Handeln des Organs / Vertreters hatten und ob sich die Gesellschaft das Handeln des Organs / Vertreters zurechnen lassen muss. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, steht einer Subsumption der Gesellschaft unter „diejenigen, die den Prospekt herausgeben“, nichts entgegen.60 Auch das beschriebene Problem des Windhundrennens besteht bei einer Gesellschaft, die nicht nach kapitalmarktrechtlichen Regeln haftet, nur in begrenztem Umfang. Regelmäßig wird sich an der Gesellschaft in einem solchen Verfahren nur ein Investor oder eine Gruppe abgestimmt handelnder Investoren beteiligen. Dementsprechend werden auch Ersatzansprüche nur von einer Person oder nur konzertiert geltend gemacht werden. Das Problem eines Windhundrennens tritt dann nicht auf. Anspruchsberechtigt ist, wer aufgrund eines unrichtigen oder unvollständigen Prospekts zum Erwerb einer Kapitalanlage veranlasst wurde. Da es sich bei der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung um eine Form der Vertrauenshaftung handelt, muss der Anleger den Vertrauenstatbestand, also den Prospekt, positiv gekannt haben.61 Außerdem muss er die Aktie nach Prospektveröffentlichung erworben haben.62 Maßgeblich für die allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung ist der Haftungsmaßstab der §§ 276, 278 BGB: Die Prospektverantwortlichen haften also bereits für leichte Fahrlässigkeit.63 Der Verschuldensvorwurf bezieht 60  So auch Hamann, in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, §§ 45, 46 BörsG a. F. Rn.  49 f., ähnlich Assmann, in: Assmann / Schütze, Handbuch Kapitalanlagerecht, § 6 Rn. 139, Assmann, Prospekthaftung (1985), S. 332, 337. 61  Ochs, Einheitliche Prospekthaftungstheorie, S. 82, Canaris, Vertrauenshaftung, S. 507. So auch OLG Saarbrücken, NJOZ 2006, 2088. 62  So auch Assmann, Prospekthaftung (1985), S. 361. Kein Schadensersatzanspruch steht jedoch Anlegern zu, die aufgrund des Prospekts die Anlage gehalten haben, statt sie zu verkaufen, oder denjenigen, die sich erst gar nicht beteiligt haben. Fraglich ist allerdings, ob aus der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung auch diejenigen berechtigt sind, die ihre Aktien bereits wieder (mit Verlust) verkauft haben (siehe dazu Förster, Prospekthaftung (2002), S. 215). Grundsätzlich ist mit dem Erwerb der Schaden entstanden. Durch einen Weiterverkauf zu einem geringeren Preis entfällt der Schaden nur zum Teil, der Anspruch bleibt im Übrigen bestehen. Die Frage, ob der Folgeerwerb auch Prospekthaftungsansprüche begründen kann, ist von geringer Bedeutung, da es auf dem Grauen Kapitalmarkt praktisch keinen Sekundärmarkt gibt. Nimmt man an, dass die Prospekthaftung auf der Verletzung vertraglicher oder vorvertraglicher Aufklärungspflichten beruht, so ist eine Anspruchsberechtigung des Folgeerwerbers schwer herzuleiten. (So auch Assmann, in: Assmann / Schütze, Handbuch Kapitalanlagerecht, § 6 Rn. 174, a. A. noch Assmann, Prospekthaftung (1985), S. 359. Förster, Prospekthaftung (2002), S. 215 hält dagegen eine Anspruchsberechtigung der Zweiterwerber für unproblematisch, wenn die Prospekthaftung auf eine deliktische Grundlage gestützt wird.). 63  In der Literatur wird diskutiert, ob (und in welcher Weise) de lege ferenda der Haftungsmaßstab der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung und der Haftungs-



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sich darauf, dass der Anspruchsgegner die Umstände kannte, die die Aufklärungspflicht begründeten, und Kenntnis von den Tatsachen hatte oder haben musste, über die die Anleger aufzuklären waren.64 Wie bei § 280 Abs. 1 S. 2 BGB wird das Verschulden vermutet.65 Die erforderliche Kausalität setzt voraus, dass der Anleger von den falschen oder unvollständigen Angaben zum Anlageentschluss veranlasst worden sein muss (haftungsbegründende Kausalität)66 und die Pflichtverletzung den Schaden herbeigeführt haben muss (haftungsausfüllende Kausalität)67. Wenn der Vertragsschluss für den Anleger trotz der fehlerhaften Darstellung insgesamt nicht nachteilig maßstab der spezialgesetzlichen Prospekthaftung, nach der nur für grobe Fahrlässigkeit gehaftet wird, einander angeglichen werden sollten. Im Zuge der Neufassung der börsengesetzlichen Prospekthaftung wurde keine Angleichung des Verschuldensmaßstabs an die allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung erreicht (Schwark, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rn. 3). Assmann nimmt an, dass sich auch Bestrebungen, die Haftung aus der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung auf Fälle grober Fahrlässigkeit oder Vorsatzes zu beschränken, nicht durchgesetzt haben, und sie auch sachlich nicht geboten seien (Assmann, in: Assmann / Schütze, Handbuch Kapitalanlagerecht, § 6 Rn. 183). Auf dem risikoträchtigeren grauen Kapitalmarkt müsse der Anlegerschutz weiter ausgeprägt sein als auf dem stärker regulierten Effektenmarkt (Köndgen, AG 1983, 85 (87)). Nach anderer Ansicht kenne das Deliktsrecht keine Regel, nach der ein besonderes Haftungsrisiko eine Milderung des Verschuldensmaßstabes erfordere (Assmann, Prospekthaftung (1985), S. 366). Dennoch wird in der Literatur weiterhin die Ansicht vertreten, dass das börsenrechtliche Haftungsprivileg des Ausschlusses der Haftung für normale Fahrlässigkeit zu weitgehend sei (Assmann, Prospekthaftung (1985), S. 366, 379, Köndgen, AG 1983, 120 (130)). Andere erachten dagegen den Verschuldensmaßstab der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung als zu weit; dies öffne die Grenze zur Garantiehaftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit von Prospektangaben (­ Meyer, WM 2003, 1301 (1303)). De lege lata bleibt es bei den unterschiedlichen Haftungsmaßstäben. Auch de lege ferenda spricht gegen eine Angleichung, dass die Risiken für die Gesellschaft aus der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung regelmäßig deutlich geringer sind als aus der spezialgesetzlichen Prospekthaftung, was die unterschiedlichen Haftungsmaßstäbe rechtfertigt. 64  BGHZ 79, 337 (345). 65  Fleischer, BKR 2004, 339 (344 f.), OLG München WM 2008, 581 (587). 66  Bei Prospektmängeln lässt es die Rechtsprechung genügen, wenn der Anleger behauptet, in Kenntnis der wahren Sachlage hätte er die Anlage nicht erworben (BGH NJW 1982, 1095 (1096), Assmann, in: Assmann / Schütze, Handbuch Kapitalanlagerecht, § 6 Rn. 177, Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 2297 (S. 1167)). Dies wird damit begründet, dass die allgemeine Lebenserfahrung dafür spreche, dass ein in wesentlichen Punkten unrichtiger Prospekt für den auf seiner Grundlage erklärten Beitritt ursächlich gewesen ist (OLG München, WM 2008, 581 (587), KG Berlin, WM 2007, 2142 (2146)). 67  Dabei muss die Anlageentscheidung muss nicht genau aus dem Grund unrentabel sein, der im Prospekt fehlerhaft dargestellt war (Gummert, in: Münch. Hdb. GesR II, § 69 Rn. 65, Grunewald, in: MünchKomm HGB, § 161 Rn. 194, Assmann, in: Assmann / Schütze, Handbuch Kapitalanlagerecht, § 6 Rn. 178).

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ist, kann ein Schaden zu verneinen sein. Auch im Erwerb der werthaltigen Anlage sah der BGH jedoch einen Schaden, als der Anleger ein vom beschriebenen grundlegend abweichendes Anlagemodell68 oder eine für ihn ungünstige Anlageform69 erhalten hat. Dem kann man entnehmen, dass der Zweck der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung nicht nur darin besteht, Wertverluste zu vermeiden, sondern auch darin, eine informierte Anlageentscheidung zu gewährleisten.70 Dies stellt einen weiteren Unterschied zur spezialgesetzlichen Prospekthaftung dar, bei der gem. § 45 Abs. 2 Nr. 2 BörsG die unrichtige oder unvollständige Angabe zur Minderung des Börsenpreises beigetragen haben muss.71 In einer werthaltigen Anlage kann dort also gerade kein Schaden liegen. Der Anspruch richtet sich auf Rückabwicklung des getätigten Geschäfts, also auf Erstattung der für den Erwerb gemachten Aufwendungen gegen Rückgabe der Anlage.72 Das negative Interesse ist nicht nach oben auf das Erfüllungsinteresse begrenzt73, und auch nicht – anders als bei der spezialgesetzlichen Prospekthaftung – auf den ersten Ausgabepreis. So gestellt zu werden, als seien die Angaben zutreffend (positives Interesse), kann der Anleger dagegen nicht verlangen.74 Die Rechtsprechung geht davon aus, dass eine durch konkrete Umstände begründete Vertrauenshaftung nicht durch formularmäßige Klauseln in einem Prospekt zurückgenommen werden könne. Sie hält – unter Verweis auf §§ 307 Abs. 2, 309 Nr. 7 BGB – sogar den Ausschluss der Haftung für 68  BGHZ

115, 213 (221). NJW-RR 2004, 1407. 70  Assmann, in: Assmann / Schütze, Handbuch Kapitalanlagerecht, § 6 Rn. 181. 71  Durch diese Regelung wurde die frühere Auffassung, dass es für die Kausalität der falschen Angabe nicht auf den Schaden, sondern nur auf die Beitrittsentscheidung ankomme, für die börsengesetzliche Prospekthaftung aufgegeben: Zustimmend Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rn. 92. 72  BGHZ 123, 106 (110) – Hornblower Fischer, Emmerich, in: MünchKomm BGB § 311 Rn. 204. Nebenkosten, die sich aus einer Drittfinanzierung der Anlage ergeben, sind dann zu ersetzen, wenn sie integraler Bestandteil der Kapitalanlage sind. Andernfalls sind sie nur ersatzfähig, wenn dem Schädiger zumindest Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass der Anleger die Investition durch einen Kre­ dit finanzieren werde (Assmann, in: Assmann  /  Schütze, Handbuch Kapitalanlagerecht, § 6 Rn. 193 ff.). Entgangenen Gewinn kann der Anleger entweder in der Form eines allgemein üblichen Zinssatzes, entgangener Steuervorteile oder durch Nachweis einer konkreten anderen, unterlassenen Investitionsmöglichkeit geltend machen. 73  So für den Anspruch aus §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB: Emmerich, in: MünchKomm BGB § 311 Rn. 261, Grüneberg, in: Palandt, § 311 BGB Rn. 55, BGH NJW 1988, 2234 (2236), a. A. Löwisch, in: Staudinger (2005), § 311 BGB Rn. 141. 74  Assmann, in: Assmann / Schütze, Handbuch Kapitalanlagerecht, § 6 Rn. 197 f. 69  BGH



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leichte Fahrlässigkeit (sowie für grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz) durch eine im Prospekt vorgenommene Haftungsfreizeichnung für unwirksam.75 Teilweise wird angenommen, dass Ansprüche aus der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung im engeren Sinne, u. a. solche aus dem Erwerb von Kommanditanteilen oder Aktien am grauen Kapitalmarkt, analog §§ 42, 127 Abs. 5 InvG76 innerhalb eines Jahres nach Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit des Prospekts verjähren.77 Andere wenden dagegen § 13 Abs. 1 Nr. 3 VerkProspG i. V. m. § 46 BörsG analog an. Daraus ergibt sich ebenfalls eine Verjährung innerhalb eines Jahres nach Kenntnis, diese endet jedoch spätestens drei Jahre nach der Prospektveröffentlichung.78 Wie bereits oben erwähnt, ist die Rechtsnatur sowohl der spezialgesetz­ lichen als auch der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung umstritten.79 Die allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung wird von der Rechtsprechung als „Weiterführung der Grundgedanken einer Vertrauenshaftung, wie sie für die Grundfälle eines Verschuldens bei Vertragsverhandlungen entwickelt worden ist, in einem bestimmten vom Gesetzgeber als regelungsbedürftig 75  Ein solcher Haftungsausschluss stehe im Widerspruch zur Aufgabe des Prospekts, die potentiellen Anleger verlässlich, umfassend und wahrheitsgemäß zu informieren (BGH NJW 2002, 1711 (1712), so auch Emmerich, in: MünchKomm BGB § 311 Rn. 205). Anderes nimmt teilweise die Ansicht an, die auch andere gesetzliche Dokumente wie Zwischenberichte unter den Prospektbegriff subsumiert: Bei diesen soll es möglich sein, das Vertrauen durch eine entsprechende Klausel nicht entstehen zu lassen. 76  Früher § 20 Abs. 5 KAGG, § 12 Abs. 5 AuslInvG. 77  Die Rechtsprechung orientierte sich hinsichtlich der Verjährung bereits an den Vorgänger-Regelungen, die eine Verjährungsfrist von sechs Monaten ab Kenntnis von der Unrichtigkeit des Prospekts vorsahen (BGHZ 83, 222 (224)). Kenntnis vom Prospektmangel liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn bei verständiger Würdigung der Umstände so viel Erfolgsaussicht gegeben ist, dass dem Geschädigten die Klage, wenn auch nicht risikolos, zugemutet werden kann: BGH WM 1980, 825, KG WM 2003, 1066 (1068). Das 4. FFG verlängerte diese Frist, weil sich sechs Monate vielfach als zu kurz erwiesen hatten, um den Anlegern die zur Vorbereitung eines Haftungsanspruchs erforderlichen Recherchen zu erlauben (Regierungsbegründung zum 4. FFG, BT-Drucks. 14 / 8017, S. 81, 103 f., 109.). Weil diese Begründung auf die allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung übertragbar ist, sollte diese Änderung hier entsprechend angewendet werden (so auch Möllers, LMK 2003, 223 (224), skeptisch dagegen Groß, Kapitalmarktrecht, § 47 Rn. 8). 78  Fleischer, BKR 2004, 339 (345), Peters / Jacoby, in: Staudinger (2009), § 195 BGB Rn. 55. 79  Diese Diskussion steht im Zusammenhang mit dem Bestreben, den engen Schutz des Vermögens im deutschen Recht zu erweitern, sei es durch eine Ausdehnung der Schutzpflichten im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB oder durch eine Fortentwicklung des Vertragsrechts im vorvertraglichen Bereich: Schwark, in: Schwark  /  Zimmer, Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rn. 6, vgl. hierzu Wagner, in: Münch­Komm BGB § 823 Rn. 184–186, 225 ff.

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nicht vorhergesehenen, aber ausfüllungsbedürftigen Bereich“ angesehen.80 Die wesentlichen Stimmen in der Literatur81 nehmen entweder – in Anlehnung an die Rechtsprechung – an, dass es sich um eine kraft Gesetzes eintretende Vertrauenshaftung handele82, oder gehen davon aus, dass mit der Prospekthaftung die Verletzung deliktischer, vertragsunabhängiger (Informations-)Verkehrspflichten sanktioniert werde83. Das Hauptproblem liegt jeweils in der schlüssigen Herleitung der Haftung der Hintermänner der Gesellschaft und der Leitungsgruppe, die den tatsächlichen Einfluss ausübt. II. Prospekthaftung im weiteren Sinne: Ansprüche aus §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB (c.i.c.) Die in diesem Abschnitt dargestellten Ansprüche stützen sich auf ein tatsächliches, persönliches Vertrauen, das nicht in erster Linie an einen Prospekt anknüpft. Zu unterscheiden ist innerhalb dieser Haftung aus c.i.c. zwischen der zivilrechtlichen Prospekthaftung im weiteren Sinne einerseits (uneigentliche Prospekthaftung), bei der neben einem persönlichen, vertrauensbildenden Kontakt ein fehlerhafter Prospekt oder eine sonstige Unterlage verwendet wurde84, und andererseits solchen Ansprüchen, bei denen sich die Haftung nicht auf die Verwendung eines Dokuments, sondern nur auf per80  BGHZ

79, 337 (341). Positionen kann man als Seitenwege der Diskussion ansehen: Köndgen vertritt eine rechtsgeschäftliche Einordnung der Prospekthaftung im Sinne eines in Selbstbindungsabsicht abgegebenen Qualitätsversprechens (Köndgen, AG 1983, 85 (91). Wiedemann und Schmitz wollen das Ergebnis der Rechtsprechung auf der Basis einer Fortbildung des deliktischen Wettbewerbsrechts begründen, wobei der fehlerhafte Prospekt unter den Tatbestand der irreführenden Werbung, §§ 3, 4 UWG, subsumiert wird (Wiedemann / Schmitz, ZGR 1980, 129 (143)). Lutter und Canaris schlagen vor, für die Ansprüche gegen den Vermittler oder Gehilfen der Emission die Grundsätze der Maklerhaftung gem. § 98 HGB entsprechend anzuwenden ­(Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 2292 (S. 1164), Lutter, in: FS Bärmann, S. 605 (611–615)). Coing schlägt vor, die allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung als Analogie zur spezialgesetzlichen Prospekthaftung (zitiert werden §§ 45, 46 BörsG, § 20 KAGG, § 12 AuslInvG, das entspricht den heutigen §§ 44, 45 BörsG, §§ 42, 127 InvG) zu sehen und auch entsprechend auszugestalten (Coing, WM 1980, 206 (212)). 82  Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rn. 9, Pleyer / Hegel, ZIP 1986, 681 (691), Schwark, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rn. 4, Grüneberg, in: Palandt, § 311 Rn. 67, Ochs, Einheitliche Prospekthaftungstheorie, S. 62, Ehricke, in: Hopt  /  Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 187 (191). 83  Assmann, Prospekthaftung (1985), S. 275, von Bar, ZGR 1983, 476 (508). 84  Emmerich, in: MünchKomm BGB § 311 Rn. 193, Assmann, in: Assmann / Schütze, Handbuch Kapitalanlagerecht, § 6 Rn. 138, BGH NZG 2008, 661 (662). 81  Folgende



§ 1 Anspruchsgrundlagen für Angaben im Vorfeld des Aktienerwerbs41

sönliches Vertrauen stützt. Im Gegensatz dazu greift die allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung (= Prospekthaftung im engeren Sinn, oben I) ein, wenn das Vertrauen ausschließlich auf der Basis eines Prospekts gebildet wurde (typisiertes Vertrauen). An dieser Stelle sollen nur Ansprüche erörtert werden, die sich gegen die Aktiengesellschaft selbst richten können. Ansprüche aus c.i.c. können sowohl neben der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung85 als auch neben der spezialgesetzlichen Prospekthaftung86 stehen. Die uneigentliche Prospekthaftung unterscheidet sich von der allgemeinzivilrechtlichen Prospekthaftung in erster Linie dadurch, dass die Verjährung länger ist, da sie sich nach den §§ 195 und 199 BGB richtet.87 Dagegen verjähren die Ansprüche aus der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung analog § 46 BörsG innerhalb eines Jahres ab Kenntniserlangung von der Fehlerhaftigkeit des Prospekts, spätestens jedoch drei Jahre nach der Veröffentlichung des Prospekts.88 Wurden vorvertragliche Pflichten verletzt, kann der Geschädigte aus den §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB grundsätzlich verlangen, so gestellt zu werden, wie er ohne die Pflichtverletzung jetzt stünde. Damit ist der Ersatzanspruch in der Regel auf das negative Interesse, also den Vertrauensschaden, gerichtet. Der Vertrauensschaden kann auch darin liegen, dass infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Schädigers ein Vertrag zustande gekommen ist, der Schadensersatzanspruch richtet sich dann auf Rückgängigmachung des Vertrages. Außerdem lässt die Rechtsprechung verschiedene Varianten der Vertragsanpassung zu. Zum einen kommt ein Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses in Betracht, wenn der Geschädigte nachweist, dass die Parteien ohne die Pflichtverletzung einen günstigeren Vertrag abgeschlossen hätten, als sie es tatsächlich getan haben.89 Gelingt dieser Nachweis nicht, gesteht die Rechtsprechung dem Geschädigten immer noch ein Wahlrecht zwischen Vertragsaufhebung und Vertragsanpassung zu, letztere jedoch nur im Wege der Herabsetzung des Preises.90

85  Grüneberg, in: Palandt, § 311 Rn. 71, BGHZ 83, 222 (227), BGH NJW-RR 2003, 1351. 86  Benecke, BB 2006, 2597 (2600). 87  Emmerich, in: MünchKomm BGB § 311 Rn. 209. 88  BGHZ 83, 222, BGH NJW 2004, 3420 (3421). 89  BGH NJW 2006, 3139, Emmerich, in: MünchKomm BGB § 311 Rn. 261, a. A. Löwisch, in: Staudinger (2005), § 311 BGB Rn. 139. 90  BGH NJW 2006, 3139, Emmerich, in: MünchKomm BGB § 311 Rn. 261, 271.

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III. Sonstige Ansprüche In Betracht kommen darüber hinaus Ansprüche aus der Verletzung eines Auskunftsvertrages91 und aus der Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht92. Diese Ansprüche haben jedoch im Wesentlichen die gleichen Voraussetzungen wie die Ansprüche aus der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung. Darüber hinaus kommen deliktische Ansprüche gem. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB oder i. V. m. § 264a StGB93 oder i. V. m. § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG sowie gem. § 826 BGB in Betracht, nachdem – nach der Rechtsprechung und Teilen der Literatur – die Sonderbeziehung zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern die Anwendbarkeit des Deliktsrechts nicht ausschließt.94 Diese Ansprüche setzen jeweils mindestens bedingten Vorsatz voraus. Ansprüche gem. § 823 Abs. 1 BGB bestehen dagegen nicht: Zwar ist nach herrschender Meinung das Mitgliedschaftsrecht des Anteilsinhabers einer Körperschaft ein absolutes Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB,95 da es als Herrschaftsrecht mit Ausschlussfunktion und Zuweisungsgehalt zu qualifizieren ist.96 Es ist gegen Eingriffe geschützt, die sich unmittelbar gegen seinen Bestand oder die in ihm verkörperten Rechte richten.97 Be91  BGH NJW 1979, 1449 m. w. N., Wiedemann / Schmitz, ZGR 1980, 129 (133), Wagner, in: MünchKomm BGB § 826 Rn. 61 f. 92  Die h. M. geht davon aus, dass der Aktiengesellschaft eine umfassende Treuepflicht gegenüber ihren Aktionären obliegt (BGH NJW 1994, 3094 (3095) = BGHZ 127, 107 (111), Henze / Notz, Großkomm AktG § 53a Rn. 7 und Anh. § 53a Rn. 27, Bungeroth, in: MünchKomm AktG Vor § 53a Rn. 19, 22, 30 und § 53a Rn. 4, Lutter, AcP 180 (1980), 84 (122), Fleischer, in: K. Schmidt / Lutter, § 53a AktG Rn. 48). Ungeklärt ist jedoch, ob Schadensersatzansprüche bei jeder Verletzung oder nur bei Stimmrechtsverstößen von einem vorsätzlichen Verstoß abhängen (BGHZ 129, 136 (162) – Girmes, vgl. hierzu Bungeroth, in: MünchKomm AktG Vor § 53a Rn. 45). 93  BGH NJW 1992, 241 (242 f.), BGH NZG 2004, 811 (813) – Infomatec, BGH NZG 2004, 816 (818) – Infomatec, Wagner, in: MünchKomm BGB § 823 Rn. 369, Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 264a StGB Rn. 18 ff. 94  So auch BHG NJW 1990, 2877 (2878, 2880) – Schärenkreuzer, Sprau, in: Palandt, § 823 BGB Rn. 21, Hager, in: Staudinger (1999), § 823 BGB Rn. B 148, a. A. Spindler, in: MünchKomm AktG § 93 Rn. 271, Wagner, in: MünchKomm BGB § 823 Rn. 173, Hopt, in: Großkomm AktG § 93 AktG Rn. 473, Spindler, in: Handbuch des Vorstandsrechts, § 13 Rn. 38, Krieger / Sailer, in: K. Schmidt / Lutter, § 93 AktG Rn. 65. 95  Hopt, in: Großkomm AktG § 93 AktG Rn. 173, Wagner, in: MünchKomm BGB § 823 Rn. 165. 96  Hager, in: Staudinger (1999), § 823 BGB Rn. B 141. 97  Spindler, in: MünchKomm AktG § 93 Rn. 267. Unter diesen Schutz fallen jedoch keine reinen Vermögensschäden, bei denen mittelbar durch eine Schädigung der Gesellschaft eine Wertminderung der Anteile herbeigeführt wird: Spindler, in: MünchKomm AktG § 93 Rn. 268.



§ 1 Anspruchsgrundlagen für Angaben im Vorfeld des Aktienerwerbs43

grifflich setzt ein mitgliedschaftsbezogener Eingriff voraus, dass die Mitgliedschaft im Zeitpunkt des Eingriffs schon besteht – dies ist im Falle fehlerhafter Informationen bei der Beteiligungsentscheidung nicht gegeben. Darüber hinaus muss die Mitgliedschaft durch den Eingriff verschlechtert werden – auch das ist nicht der Fall, da der Schaden des Aktionärs im Erwerb der Mitgliedschaft liegt, aber diese sich nicht verschlechtert. Außerdem richtet sich eine fehlerhafte Information im Rahmen der Beteiligungsentscheidung weder gegen den Bestand der Mitgliedschaft noch gegen die in der Mitgliedschaft verkörperten Rechte. Es ist deshalb davon auszugehen, dass fehlerhafte Angaben des Vorstands, die den Aktionär zur Beteiligung an der Gesellschaft veranlassen, keine Verletzung des Mitgliedschaftsrechts als absolutes Recht darstellen.

C. Fazit Hat eine Aktiengesellschaft im Zuge einer Kapitalerhöhung einen Aktionär falsch informiert, sind die zentralen Anspruchsgrundlagen die kapitalmarktrechtliche Prospekthaftung gem. §§ 44 ff. BörsG und gem. § 13 VerkProspG sowie die allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung und eine deliktsrechtliche Haftung. Die kapitalmarktrechtliche Prospekthaftung knüpft außerdem an die pflichtwidrig unterlassene Veröffentlichung eines Prospektes an, wozu es keine Entsprechung nach allgemeinen Regeln gibt. Die Haftungsanforderungen unterscheiden sich beim Haftungsmaßstab und beim Kreis der Haftenden: Während bei der spezialgesetzlichen Prospekthaftung all diejenigen umfassend haften, die die Verantwortung für den Prospekt übernommen haben oder von denen der Erlass des Prospekts ausging, kommt für die Haftungsadressaten der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung ein weiterer Kreis von „Hintermännern“ in Betracht, von denen manche jedoch nur begrenzt haften. Die Aktiengesellschaft erfüllt jedoch in beiden Konstellationen die Voraussetzungen einer vollumfänglichen Haftung. Das Verschulden wird in beiden Fällen vermutet, aber bei der spe­ zialgesetzlichen Prospekthaftung kann sich der Haftende dadurch entlasten, dass er nachweist, dass die Fehlerhaftigkeit des Prospekts nur auf leichter Fahrlässigkeit beruht, während bei der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung keinerlei Vertretenmüssen vorliegen darf. Es zeigt sich also, dass die erweiterten Informationspflichten, die der spezialgesetzlichen Prospekthaftung zugrunde liegen, mit einer Beschränkung des Haftungsmaßstabs einhergehen. Außerdem können die beiden Komplexe nunmehr gegeneinander abgegrenzt werden: Beruht die Haftung nicht allein auf einem Prospekt, sondern zusätzlich oder ausschließlich auf persönlichem Vertrauen, ergibt sich eine Haftung als den Regeln der §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB. Beruht die Haftung auf einem Prospekt, greift die allgemein-zivil-

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rechtliche Prospekthaftung ein, wenn die Aktien nicht am regulierten Markt zugelassen sind und wenn die Aktien nicht öffentlich angeboten werden bzw. wenn bei dem öffentlichen Angebot kein Prospekt im Sinne des WpPG veröffentlicht werden muss. In allen anderen Fällen, in denen das Vertrauen ausschließlich in einen Prospekt gesetzt wurde, sind dagegen die Vorschriften der spezialgesetzlichen Prospekthaftung vorrangig.

§ 2 Meinungsstand zur Haftung der Aktiengesellschaft gegenüber Aktionären Die Frage, in welchem Umfang eine Gesellschaft gegenüber Aktionären haftet, die von ihr vor dem Aktienerwerb fehlerhaft informiert wurden, ist nicht neu. Jedoch bezieht sich die bisherige Diskussion im Wesentlichen auf die Haftung nach Kapitalmarktrecht (§§ 44 f. BörsG, § 13 VerkProspG). Ob und in welchem Umfang die Gesellschaft dagegen nach der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung haftet, oder ob einer solchen Haftung generell die Grundsätze der Kapitalerhaltung entgegenstehen, ist nicht abschließend untersucht. Ob die Gesellschaft gar vertraglich eine Haftung übernehmen kann, ist bisher kaum erörtert. In allen Fällen werden die Gegenargumente vor allem dem Bereich der aktienrechtlichen Vermögensbindung entnommen: Nach § 57 Abs. 1 AktG dürfen den Aktionären die Einlagen nicht zurückgewährt werden. Vielmehr darf gem. § 57 Abs. 3 AktG vor Auflösung der Gesellschaft unter den Gesellschaftern nur der Bilanzgewinn verteilt werden. Die herrschende Ansicht entnimmt diesen Regelungen, dass jede Leistung der Aktiengesellschaft, die wegen der Mitgliedschaft erbracht wird, verboten ist. Anderes gilt nur dann, wenn es sich um die förmliche Ausschüttung von Bilanzgewinn handelt oder eine gesetzliche Sonderregelung die Leistung erlaubt. Lutter formuliert diesen Grundsatz besonders prägnant: „Was nicht Verteilung von Bilanzgewinn (oder Ausnahmefall) ist, ist Einlagenrückgewähr: Tertium non datur“.98 Dies soll auch die Leistung von Schadensersatz ausschließen. Darüber hinaus besteht grundsätzlich ein Erwerbsverbot für eigene Aktien, § 71 AktG. Dieses hindert die Gesellschaft, Aktien zurückzunehmen. Im Folgenden sollen die einzelnen Positionen in Abhängigkeit von der Anspruchsgrundlage dargestellt werden.

98  Lutter, in: KK AktG2 § 57 Rn. 5, Raiser / Veil, Kapitalgesellschaftsrecht4, § 19 I. Rn. 1 (S. 268). Diese Ansicht geht zurück auf Brodmann, Aktienrecht (1928), Anm. 1a zu § 213.



§ 2 Meinungsstand zur Haftung der Aktiengesellschaft 45

A. Positionen zur Haftung der Gesellschaft nach der spezialgesetzlichen Prospekthaftung I. Haftung außerhalb des Anwendungsbereichs des § 57 AktG Ohne auf das eigentliche Problem einzugehen, verneinen einzelne Autoren bereits den Konflikt und nehmen an, dass die Schadensersatzleistung als reguläres Geschäft nicht gegen die Vermögensbindung verstoße. Dies wird damit begründet, dass die Pflichtverletzung zeitlich vor der Emission liege und der Anspruchsberechtigte in diesem Zeitpunkt noch nicht oder nur zufällig Aktionär sei.99 In diese Richtung geht auch die Annahme, das Verbot des § 57 AktG sei nicht einschlägig, weil die Verleitung zum Erwerb einer Mitgliedschaft mit Hilfe eines fehlerhaften Prospekts gegenüber jedermann möglich sei und somit auch der Schaden jeden hätte treffen können. Der Anspruch aus der Prospekthaftung sei deshalb kapitalmarktrechtlicher Natur und nicht gesellschaftsrechtlicher.100 Andere begründen dieses Ergebnis damit, dass § 57 AktG regulären Umsatzgeschäften und also auch Schadensersatzansprüchen nicht im Weg stehe, so dass auch die Abwicklung gesetzlich begründeter Prospekthaftungsansprüche nicht erfasst sei: Bei der Prospekthaftung sowie bei anderen gesetzlichen Schadensersatzansprüchen liege im Hinblick auf § 57 AktG ein Umsatzgeschäft vor, dessen Verpflichtung unmittelbar aus dem Gesetz folge, weshalb Zahlungen nicht causa societatis erfolgten.101 Für diese Ansicht wird außerdem vorgebracht, dass der Anleger ohne den Publizitätsverstoß nicht Aktionär geworden wäre. Ihm nun diese Aktionärsstellung entgegenzuhalten sei treuwidrig.102 Darüber hinaus könne man Regressansprüche gegen Vorstandsmitglieder in der Bilanz den Schadensersatzforderungen des Aktionärs entgegenstellen, so dass sich die Schadensersatzleistung nicht vermögensmindernd auswirke und damit nicht den Tatbestand des § 57 AktG erfülle.103

99  Hommelhoff / von Aerssen, EWiR 1998, S. 579 (580), vergleichbar wohl OLG Frankfurt ZIP 2005, 710 – Comroad, Krämer / Baudisch, WM 1998, 1161 (1164, 1167), Schwark, in: FS Raisch (1995), S. 269 (287). 100  Gebauer, Börsenprospekthaftung und Kapitalerhaltungsgrundsatz, S. 197. 101  Hommelhoff / von Aerssen, EWiR 1998, S. 579 (580). Dieser Ansicht folgen Groß, WM 2002, 477 (481), ders., Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG, Rn. 16 sowie das OLG Frankfurt, in: ZIP 2005, 710 – Comroad. 102  Langenbucher, ZIP 2005, 239 (242). 103  Wild, Prospekthaftung / Kapitalschutz, S.  117, Gebauer, Börsenprospekthaftung und Kapitalerhaltungsgrundsatz, S. 193 ff.

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II. Genereller Ausschluss einer Haftung Andere Stimmen in der Literatur lösten die Kollision zugunsten der Kapitalerhaltung: Sie lehnten eine Haftung der Gesellschaft gegenüber Anlegern ab, da diese den Kapitalerhaltungsgrundsatz verletze. So wendete beispielsweise Lutter den lex posterior-Grundsatz so an, dass die neueren §§ 57, 71 ff. AktG die älteren §§ 45, 46 BörsG verdrängen würden,104 ohne diesen Standpunkt genauer zu begründen. Nach heutiger Sicht ist die Prospekthaftung in der Fassung durch das 3. FFG die neuere Regelung, so dass Lutters Ansicht sich überholt hat.105 Auch die Literatur lehnt diese Aus­ legung überwiegend ab, da sie – im Verhältnis zur Gesellschaft – zu einem völligen Leerlauf der Prospekthaftung führt, der vom Gesetzgeber nicht gewollt sein kann.106 Mittlerweile vertreten Lutter / Drygala diese Ansicht nicht mehr.107 Auch andere nehmen an, dass eine Haftung der Emittentin nicht möglich sei. Der historische Gesetzgeber habe eine Haftung der Emissionshäuser angestrebt, aber nicht eine solche der Emittenten. Die Emittentin setze in der Regel auch keinen Vertrauenstatbestand, sondern liefere nur Informa­ tionen. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts, die den Verkauf eigener Aktien wie ein Umsatzgeschäft behandelt, passt nach dieser Ansicht nur auf Banken, nicht aber auf reguläre Emittenten. Außerdem werde der Konflikt im Gesetz nicht erwähnt, weshalb zum Schutz der Gläubiger und der übrigen Gesellschafter die Bestimmungen über die Kapitalerhaltung den Bestimmungen über die Prospekthaftung vorgingen.108 De lege ferenda vertritt diese Ansicht die Regierungskommission Corporate Governance, die zugunsten einer allgemeine Regelung der zivilrechtlichen Haftung von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften eine Haftung der Gesellschaft selbst ablehnt, da dort dem Gläubigerschutz der Vorrang gebühre.109

in: KK AktG2, § 71 Rn. 69. 105  Schwark, in: Schwark  / Zimmer, Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rn. 13, Renzenbrink / Holzner, BKR 2002, 434 (438), Langenbucher, ZIP 2005, 239 (241). Vgl. zur Konkurrenz der beiden Normen-Komplexe unten § 10 B.I. 106  Hamann, in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, §§ 44, 45 BörsG Rn. 82. 107  Lutter / Drygala, KK Akt3, § 71 Rn. 98 ff. 108  Erman, AG 1964, 327 (328 f.). 109  Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, BT-Drucks. 14 / 7515, S. 88. Für die Haftung für fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen spricht sich auch Kindler für einen absoluten Vorrang der Kapitalerhaltung aus: Kindler, in: FS Hüffer (2010), S. 417 (428 f.). 104  Lutter,



§ 2 Meinungsstand zur Haftung der Aktiengesellschaft 47

III. Haftung nur im Falle des derivativen Erwerbs Andere Stimmen in der Literatur, die sich teilweise noch auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts stützen, lösen die Kollision zwischen Prospekthaftung und Kapitalerhaltung dergestalt, dass eine Haftung der Gesellschaft nur möglich sein soll, wenn der Aktionär die Aktie auf dem Sekundärmarkt derivativ erworben hat. Die Gesellschaft soll dagegen nicht haften, wenn die Aktien originär durch Zeichnung erworben wurden. Das Reichsgericht nahm in seinen ersten Entscheidungen zum Erwerb von Aktien aufgrund eines Börsenzulassungsprospekts unproblematisch eine Haftung der Aktiengesellschaft an.110 Nachdem die Literatur jedoch auf das Spannungsverhältnis zwischen der aktienrechtlichen Vermögensbindung und der Haftung gegenüber Aktionären aufmerksam geworden war, lehnte das Reichsgericht in zwei Urteilen eine Haftung der Gesellschaft ab, da diese gegen die gesellschaftsrechtliche Vermögensbindung verstoße, wobei in beiden Fällen kein Prospekt vorgelegen hatte, so dass die Haftung auf allgemeines Deliktsrecht gestützt wurde.111 Nach Kritik in der Literatur modifizierte das Reichsgericht in der nächsten Entscheidung112 zur gesetzlichen Prospekthaftung seinen Standpunkt: Dabei hält der Senat „zwar an der Auffassung fest, dass der Aktionär seine durch Zeichnung oder durch Ausübung des Bezugsrechts bei der Gründung oder Kapitalerhöhung einer Aktiengesellschaft 110  RGZ 46, 83. Dies entsprach auch der damaligen Literaturauffassung: Zur Gebundenheit der Einlage merken Puchelt / Petersen / von Pechmann lediglich an, dass ein Aktionär sich an der Gesellschaft schadlos halten kann, wenn der Aktionär durch dolus des Vorstands veranlasst worden war, Aktien der Gesellschaft zu einem übertrieben hohen Preise zu erwerben: Puchelt / Petersen / von Pechmann, Aktiengesetz (1890), S. 401 f. (Anm. 2 zu Artt. 216–220) unter Verweis auf Urteile des RG vom 16. März 1884, Hanseat. Gerichtszeitung 1887, S. 53 und 229. 111  RGZ 54, 128, RGZ 62, 29. Das Reichsgericht führte aus, dass sich aus der gesetzgeberischen Ausgestaltung der Aktiengesellschaft ergebe, dass dem Aktionär Ansprüche, die über die (damals noch) im Handelsgesetzbuch normierten Ansprüche hinausgehen, nicht zustehen können. Eine Anfechtung der Zeichnungserklärung sei sowohl bei der Gründung als auch bei der Kapitalerhöhung wegen ihres „rechtspoli­ zeilichen Charakters“ (RGZ 54, 128 (129), RGZ 71, 97 (98)) ausgeschlossen. Das Gesetz stelle außerdem klar, dass das in der Aktiengesellschaft konzentrierte Kapital nicht zum Vorteil einzelner Aktionäre nachträglich zweckentfremdet werden könne, denn nach dem Grundsatz des § 213 HGB können die Gesellschafter ihre Einlagen nicht zurückfordern und haben sie nur Anspruch auf den Reingewinn. Dem Aktionär sei es unter keinen Umständen gestattet, seine Aktienbeteiligung in ein Gläubigerrecht umzuwandeln und so den Gesellschaftsgläubigern Konkurrenz zu machen. Das RG weist darauf hin, dass es diesbezüglich keinen Unterschied mache, ob der Ak­ tionär die Aktien gezeichnet hat oder ob er sie von einem Dritten erworben hat (RGZ 62, 29). 112  RGZ 71, 97, so auch RGZ 88, 271.

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ausgesprochene Beteiligung nicht nachträglich (…) anfechten und auch keinen Schadensersatzanspruch gegen die Gesellschaft geltend machen kann, der in seinem Erfolge der Aufhebung seiner Beteiligung und der Rückzahlung seiner Einlage gleichkommt (…). Er lehnt nunmehr aber eine Ausdehnung dieses Grundsatzes auf Fälle ab, in denen die Beteiligung an der Aktiengesellschaft in anderer Weise als durch Zeichnung oder Übernahme des ursprünglichen oder des erhöhten Grundkapitals bewirkt wurde.“113 Diese differenzierende Auffassung wurde in der Literatur lange Zeit weiterhin vertreten114 und vielfach, unter anderem vom BGH in dem EM.TVUrteil115, als herrschende Meinung bezeichnet.116 Die spezialgesetzliche Prospekthaftung verdrängt nach dieser Ansicht § 57 AktG nur bei derivativem Erwerb, also bei einem Erwerb durch ein Umsatzgeschäft. Wurden dagegen die Aktien durch Zeichnung oder durch Bezugserklärung originär von der Gesellschaft erworben, soll eine Haftung der Gesellschaft ausgeschlossen sein.117 Teilweise wird die Ausnahme von der Prospekthaftung noch weiter gefasst und angenommen, dass der Kapitalerhaltung bei jedem eigenkapitalfinanzierungsnahen Vorgang der Vorrang gebühren müsse.118 Die Differenzierung zwischen originärem und derivativem Erwerb wird – und wurde bereits vom Reichsgericht – zusätzlich damit begründet, dass derjenige, der eine Einlage auf das ursprüngliche oder erhöhte Grundkapital leiste, sich von demjenigen unterscheide, der eine Beteiligung an der Ak­ tiengesellschaft in Form eines Umsatzvertrages erwerbe.119 Die Haftung beruhe in diesem Fall auf einer Verletzung einer Informationspflicht der Gesellschaft gegenüber Akteuren am Kapitalmarkt, die Aktionäre der Gesellschaft sein können oder auch nicht. Sei der Anspruch also im Kern kapitalmarktrechtlicher Art und fließe nicht aus der Gesellschafterstellung, liege eine Kollision mit der Vermögensbindung nicht mehr vor.120 Die Ak113  RGZ

71, 97 (98 f.). in: Großkomm AktG § 57 Rn. 22 ff., Schwark, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rn. 13. 115  BGH, NZG 2005, 672 (674) – EM.TV, siehe hierzu § 10 C. 116  Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 22, Schwark, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rn. 13, Huber, ZIP 1998, 645 (646). Andere halten sie dagegen für eine „überkommene Gegenansicht“: Fleischer, in: K. Schmidt / Lutter, AktG, § 57 Rn. 39, zweifelnd auch Hüffer, § 57 AktG Rn. 3. 117  Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 22, Schwark, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rn. 13, Schwark, BB 1979, 897 (901), Krämer / Baudisch, WM 1998, 1161 (1168 f.), Assmann, in: Assmann / Schütze, Handbuch Kapitalanlagerecht, § 6 Rn. 139. 118  Schwark, in: FS Raisch (1995), S. 269 (287 ff.). 119  RGZ 71, 97 (99), Schwark, in: FS Raisch (1995), S. 269 (271). 120  Schwark, in: FS Raisch (1995), S. 269 (287 f.). 114  Henze,



§ 2 Meinungsstand zur Haftung der Aktiengesellschaft 49

tionäre befänden sich dann in einer Position, die einem Gläubiger ähnlich ist.121 Bei einem Umsatzgeschäft handle es sich um ein reguläres Geschäft ohne Sachzusammenhang mit der Gesellschafterstellung, während bei einem Erwerb durch Zeichnung die unmittelbare aktienrechtliche Beziehung zwischen Gesellschafter und Gesellschaft betroffen sei.122 Diese Ansicht zieht Probleme bei der Ausübung eines mittelbaren Bezugsrechts gemäß § 186 Abs. 5 AktG123 nach sich: Entweder muss an die formelle Ausgestaltung angeknüpft werden, also daran, dass Zeichner nur die Bank ist, so dass aufgrund des derivativen Erwerbs eine Haftung der Gesellschaft zulässig wäre.124 Sieht man die Einschaltung der Bank lediglich als technische Erleichterung ohne materielle Folgen an, müssten die Aktionäre wie Zeichner behandelt werden, so dass eine Haftung der Gesellschaft aus der Prospekthaftung unzulässig wäre.125 Diese Differenzierung hat zur Folge, dass die Gesellschaft umso größeren Haftungsrisiken ausgesetzt ist, je kürzer die Zeichner die Aktien halten. Außerdem sind Zeichner aus einer Selbstemission der Gesellschaft126 schutzlos gestellt,127 während bei einem Erwerb über die Börse die Prospekthaftung eingreifen würde, da dort die Aktien derivativ von der zeichnenden Bank erworben werden.128 121  Schwark, BB 1979, 897 (902), Schwark, in: FS Raisch (1995), S. 269 (287), Assmann, Prospekthaftung (1985), S. 332. 122  Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 22. 123  Beim mittelbaren Bezugsrecht übt der Aktionär nicht sein Bezugsrecht durch Bezugserklärung aus, sondern er kauft die Aktien von der Bank. Der Vertrag zwischen Gesellschaft und Bank ist ein Vertrag zugunsten Dritter gem. § 328 Abs. 2 BGB, der den Aktionären einen einklagbaren Anspruch auf ein Angebot der Aktien durch die Bank nach Eintragung der Kapitalerhöhung verschafft (BGHZ 114, 203 (208), Hüffer, AktG, § 186 Rn. 47, 51.). Die Bank zeichnet hier allein alle Aktien, die die Aktionäre dann durch Umsatzgeschäft von dieser erwerben. Eine Selbstemission ist angesichts des erhöhten Risikos des Scheiterns keine wirkliche Alternative für einen Emittenten, da die Kapitalerhöhung nur in das Handelsregister eingetragen wird, wenn alle Aktien gezeichnet sind (Krämer / Baudisch, WM 1998, 1161 (1170)). Dem Urteil BGHZ 123, 106 = WM 1993, 1787 ff. lag jedoch eine Selbstemission zugrunde. 124  Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 24, im Ergebnis so Krämer / Baudisch, WM 1998, 1161 (1169), Renzenbrink / Holzner, BKR 2002, 434 (436). 125  Schwark, in: FS Raisch (1995), S. 269 (286 ff.), Schwark, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rn. 13, Kort, EWiR 1999, 501 (502), sowie Henze, NZG 2005, 115 (118), welcher im Jahr 2000 im Großkommentar noch anderes annahm. 126  Vorgekommen in BGHZ 123, 106 = WM 1993, 1787 ff. 127  Krämer / Baudisch, WM 1998, 1161 (1168). 128  Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 24, Bayer, in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 22. Nach a. A. ist wegen § 186 Abs. 5 AktG ein mittelbares Bezugsrecht einem Bezug direkt von der Gesellschaft gleichzustellen, so dass kein Umsatzgeschäft vorliegen soll, Schwark, in: FS Raisch (1995), S. 269 (284 ff.), EWiR 1999, 501 (502).

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IV. Haftung nur mit bestimmten Vermögensbestandteilen Ein weiterer Ansatz der Literatur ist, die Haftung der Gesellschaft nur mit manchen Vermögensbestandteilen zuzulassen. Sowohl Stimmen, die einen generellen Vorrang der Haftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformationen vor der Vermögensbindung befürworten, als auch solche, die zwischen originärem und derivativem Erwerb differenzieren, wollen die Haftung der Gesellschaft auf bestimmte Teile des Gesellschaftsvermögens beschränken. Auf diese Weise soll eine Benachteiligung der Gläubiger ausgeschlossen werden.129 Diese Beschränkung des Haftungsumfangs geht auf Beiträge von Breit und Flechtheim von Anfang des 20. Jahrhunderts zurück. Breit geht davon aus, dass die Kapitalerhaltung sich – gegen einen Anspruch des Gesellschafters gegen die Gesellschaft auf Schadensersatz wegen der arglistigen Verleitung zur Aktienzeichnung oder zum Aktienkauf – nur durchsetze, wenn der Schadensersatz und die Rückzahlung wirtschaftlich wieder die Auszahlung der Stammeinlage bedeute.130 Das Reichsgericht hat in einer Entscheidung gegen diesen Vorschlag nur die praktischen Schwierigkeiten der Durchführung eingewandt.131 Flechtheim möchte dagegen eine Haftung der Gesellschaft nur dann zulassen, wenn sie Dividende ausschüttet, da die aus der Täuschung Vorteile ziehende Gesellschaft keine Dividende verteilen solle, während der geschädigte Aktionär auf seine Ansprüche gegen die (möglicherweise vermögenslosen) Betrüger (Vorstandsmitglieder, Gründer) verwiesen wird.132 Während Breit eine Haftung zuzulassen scheint, solange nur das Grundkapital als solches unberührt bleibt, zeigt Flechtheims Verweis auf die Dividende, dass er von einer Haftung nur mit dem ausschüttbaren Kapital ausgeht. Auch heute unterscheiden sich die verschiedenen Meinungen, die eine Haftung der Aktiengesellschaft nur mit bestimmten Vermögensbestandteilen zulassen wollen, in diesen Details. Am weitesten gehen Zöllner und Winter, die auf einer Arbeit von Martens aufsetzen. Martens will eine Haftung der Gesellschaft durch Überleitung von Ansprüchen gegen die Organe gem. § 31 BGB zulassen, wenn die beeinträchtigte Rechtsposition einem Gläubigerrecht zumindest nahe steht und die verletzte Pflicht als Gesellschafts- und nicht nur als Organpflicht ausgestaltet ist.133 Darauf stützen sich Zöllner / Winter, wenn sie vertreten, dass 129  Schwark, in: FS Raisch (1995), S. 269 (288 f.), Bayer, in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 23. 130  Breit, ZHR 76 (1915), 415 (450). 131  RGZ 88, 187 (188 f.). So auch Flechtheim, JW 1916, 937 (939). 132  Flechtheim, JW 1916, 937 (939). 133  Martens, ZGR 1972, 254 (284 ff.).



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Schadensersatzansprüche gegen die Gesellschaft, die sich auf Fehler beim Beitritt stützen,134 mit der Kapitalerhaltung vereinbar sind, soweit sie aus dem das Grundkapital übersteigenden Nettovermögen geleistet werden könnten. Auf diese Weise werde den aktuellen Gläubigern der nötige Vorrang eingeräumt, aber zugleich eine Entwertung der Ansprüche der Geschädigten vermieden.135 Diese Haftung ist sehr weitgehend, da unter anderem auch auf die Kapitalrücklage zugegriffen werden könnte. Werde diese weitgehende Haftung abgelehnt, so müsse zumindest eine Haftung aus freiem, von den aktienrechtlichen Kapitalbindungsvorschriften nicht geschütztem Vermögen zugelassen werden, also insbesondere aus Bilanzgewinn oder Gewinnrücklagen; denn es sei nicht angemessen und auch mit Gläubigerschutzerwägungen nicht zu begründen, einen geschädigten Aktionär auch bei Vorhandensein von freiem Gesellschaftsvermögen allein auf die handelnden Organe zu verweisen.136 Verschiedene andere Literaturstimmen folgen diesem zweiten, gemäßigten Vorschlag. Diese Ansichten entziehen das Grundkapital und die gesetzlichen Rücklagen im Sinne des § 150 Abs. 1, 2 AktG dem Zugriff, halten aber eine Haftung aus den freien Mitteln (Gewinnrücklagen und Gewinn) für möglich. Fraglich bleibt dagegen vielfach die Behandlung der Kapitalrücklage, soweit sie den als gesetzliche Rücklage vorgesehenen Teil des Grundkapitals übersteigt. Einen Zugriff auf sie hält Henze für ausgeschlossen: Dem Schutzzweck der §§ 57, 58 Abs. 4 AktG entnimmt er, dass das darin enthaltene aktienrechtliche Kapitalerhaltungsgebot Schadensersatzleistungen an Aktionäre aus der Verletzung mitgliedschaftsbezogener Rechte nicht entgegenstehe, soweit diese aus den freien Rücklagen erfolgen.137 Solle jedoch eine Leistung aus Kapitalziffer und gebundener Rücklage im Sinne der §§ 150, 300 AktG erfolgen, so schließe das aktienrechtliche Kapitalerhaltungsgebot eine Schadensersatzleistung aus.138 Aus den meisten Beiträgen geht aber nicht eindeutig hervor, wie die Kapitalrücklage zu behandeln ist, da der Begriff der „gesetzlichen Rücklage“ uneinheitlich und uneindeutig verwendet wird und nicht deutlich wird, ob damit nur die ge134  Der Aufsatz von Zöllner / Winter, in: ZHR 158 (1994), S. 59  ff., behandelt konkret Ansprüche gegen die Gesellschaft wegen einer fehlerhaften und für nichtig erklärten Kapitalerhöhung. In der Literatur werden die Thesen allgemein auf das Verhältnis von gesellschaftsrechtlich fundierten Schadensersatzansprüchen von Ak­ tionären gegen die Gesellschaft angewendet, z. B. von Henze, NZG 2005, 115 (120). 135  Zöllner / Winter, ZHR 158 (1994), 59 (78). 136  Zöllner / Winter, ZHR 158 (1994), 59 (78). 137  Henze, NZG 2005, 115 (118  ff., 121), Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 23. 138  Henze, NZG 2005, 115 (118  ff., 121), Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 23.

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setzliche Rücklage im Sinne des § 150 Abs. 1 AktG oder die gesamte, gegen Ausschüttungen geschützte Rücklage gem. § 150 Abs. 1–3 AktG gemeint ist.139 Die beschränkte Haftung wird in erster Linie damit begründet, dass der Gläubigerschutz eine Erhaltung der freien Rücklagen nicht erfordere.140 Eine Beschränkung der Zugriffsmöglichkeiten der Aktionäre sei auch mit der gesetzlichen Risikoverteilung zwischen Gläubigern und Aktio­ nären konform, da die Aktionäre mit der Bereitstellung von Eigenkapital ein höheres Risiko übernehmen, aber zugleich Mitwirkungs- und Kontrollrechte sowie eine erhöhte Renditeerwartung erhalten würden.141 Zuletzt lasse auch die Kapitalrichtlinie Auszahlungen aus dem gebundenen Gesellschaftvermögen nicht zu.142 V. Insolvenzrechtlicher Nachrang Langenbucher kritisiert, dass mit der Einführung einer umfassenden Haftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformationen im Stillen Abschied genommen werde vom Kapitalerhaltungsgrundsatz, da der aktienrechtliche Gläubigerschutz vollständig verfehlt werde, wenn in der Insolvenz Fremdgläubiger mit Aktionären gleichrangig seien.143 Die Grenzen zwischen Eigenkapitalgeber und Fremdkapitalgeber verwischten, wenn ein Eigenkapitalgeber einerseits die Vorteile der Stellung als Aktionär erlange, andererseits aber nicht bereit sei, hinter die Interessen der Fremdgläubiger der Gesellschaft zurückzutreten, sondern eine Gleichstellung mit den Fremdkapitalgläubigern beanspruche.144 Die Haftung nur mit bestimmten Vermögensbestandteilen bringe unüberwindbare dogmatische und bilanzielle Probleme mit sich.145 Sie schlägt deshalb vor, dass Aktionäre nur so lange vollständig befriedigt werden, wie die AG lebensfähig ist. In der Insolvenz müssten ihre Ansprüche dagegen im Sinne des § 39 Abs. 1 InsO hinter Forderungen von Fremdgläubigern zurücktreten.146 Auch Baums betont, dass die Aktionäre das endgültige Ausfallrisiko tragen müssen, und befürwortet deshalb für das deutsche Recht eine Regelung, die der amerikanischen „subordination“ entspricht, also einen Vorrang der Ansprüche der 139  Schön, in: FS Röhricht (2005), 559 (563, 567  f.), Schwark, in: FS Raisch (1995), S. 269 (288 f.), Altmeppen, ZIP 2006, 1025 (1031). 140  Schwark, in: FS Raisch (1995), S. 269 (288 f.). 141  Langenbucher, ZIP 2005, 239 (242). 142  Schwark, in: FS Raisch (1995), S. 269 (288 f.). 143  Langenbucher, ZIP 2005, 239 (242). 144  Langenbucher, ZIP 2005, 239 (242). 145  Langenbucher, ZIP 2005, 239 (243 f.). 146  Langenbucher, ZIP 2005, 239 (244).



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Fremdkapitalgeber gegenüber Schadensersatzansprüchen der Aktionäre in der Insolvenz.147 Dieser Ansicht haben sich nunmehr auch Drygala und Lutter angeschlossen.148 VI. Umfassende Haftung: Kapitalmarktrechtliche Haftung als lex specialis Zum Verhältnis der Kapitalerhaltung zur spezialgesetzlichen Prospekthaftung gem. §§ 44 ff. BörsG ist mittlerweile herrschende Meinung149, dass die Prospekthaftung vorrangig sei und die Gesellschaft daraus in vollem Umfang hafte. Diese Meinung basiert auf der Gesetzesbegründung zur Neufassung der börsengesetzlichen Prospekthaftung durch das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz im Jahr 1998.150 Die Regierungsbegründung führte hinsichtlich des Verhältnisses zur Kapitalerhaltung aus: „Sofern der Anspruch gegenüber einer Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien geltend gemacht wird, die als Emittentin Wertpapiere begeben hat, kann diese sich gegenüber dem Anspruchsteller nicht auf die aktienrechtlichen Verbote der Einlagenrückgewähr gem. § 57 Abs. 1 Satz 1 und des Verbots des Erwerbs eigener Aktien gemäß §§ 71 ff. AktG berufen. Die in § 45151 getroffenen Regelungen enthalten insoweit abschließende Spezialregelungen, die den soeben erwähnten allgemeinen Grundsätzen vorgehen.“152

Der Gesetzgeber ging davon aus, dass die Aktiengesellschaft als Prospektverantwortliche von der Prospekthaftung erfasst wird und dass sie dieser Haftung gem. §§ 44 ff. BörsG weder die Kapitalerhaltung noch das Verbot des Erwerbs eigener Aktien entgegenhalten kann. Aus diesem Grund ist sich die überwiegende Literatur einig, dass die Prospekthaftung (§§ 44 ff. BörsG) im Verhältnis zur aktienrechtlichen Kapitalerhaltung (§§ 57, 71 ff. AktG) das neuere Gesetz ist. Zum einen gingen das Einlagenrückgewährverbot und der Grundsatz der Kapitalerhaltung in ihrem Kern auf Art. 216 f. ADHBG aus dem Jahr 1870 zurück, während die Prospekthaftung erst 1896 eingeführt worden sei.153 Zum anderen sei die börsengesetzliche Prospekthaftung durch das 3. FFG im Jahr 1998 komplett neu gefasst worden.154 Die Regierungs147  Baums,

ZHR 167 (2003), 139 (170). in: KK Akt3, § 57 Rn. 33, Lutter / Drygala, in: KK Akt3, § 71 Rn. 100. 149  So auch Fleischer, in: K. Schmidt / Lutter, § 57 AktG Rn. 39, etwas einschränkend („wohl“) Groß, in: Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rn. 13, Engelhardt, BKR 2006, 443 (444). 150  Zur historischen Entwicklung der börsengesetzlichen Prospekthaftung vergleiche unten § 4 B. 151  Heute: § 44 BörsG. 152  Begr. RegE BT-Drucks. 13 / 8933, S. 78. 153  Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 20. 148  Drygala,

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begründung zum 3. FFG zeige, dass die Prospekthaftung im Verhältnis zu den Vorschriften der Kapitalerhaltung auch das speziellere Gesetz ist.155 In systematischer Hinsicht ergebe sich die Spezialität der Prospekthaftung gegenüber der Kapitalerhaltung außerdem daraus, dass die Prospekthaftung nur einen einzigen Sachverhalt regelt, nämlich die Leistung von Schadensersatz wegen des Aktienerwerbs aufgrund eines unvollständigen oder unrichtigen Prospekts, während die Kapitalerhaltung und das Verbot des Erwerbs eigener Aktien ganz allgemein das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Aktionär regeln.156 Der Vorrang der börsengesetzlichen Prospekthaftung verstoße auch nicht gegen die Kapitalrichtlinie, da die Prospektrichtlinie explizit in Art. 6 Abs. 1 die Einführung einer Haftung des Emittenten bei fehlerhaftem Prospekt gestattet.157 Trotz der überwiegenden Befürwortung eines Vorrangs der Prospekthaftung vor der Kapitalerhaltung wird in der Literatur vielfach vorgebracht, dass es besser gewesen wäre, eine Klarstellung zur Spezialität in eine Norm in das BörsG oder das AktG aufzunehmen.158 Dagegen wendet sich Möllers: Ein Geltungsvorrang müsse nicht durch den Gesetzgeber eingeführt werden, da diese Auslegung „des Richters täglich Brot“ sei.159 154

Der Vorrang der Prospekthaftung wird unter Wertungsgesichtspunkten damit begründet, dass die Aktionäre ein höheres Anlagerisiko eingingen als die Gläubiger und deshalb schutzwürdiger seien.160 Die Gläubiger könnten nicht darauf vertrauen, dass der Gesellschaft Mittel verbleiben, die ihr 154  Groß, Kapitalmarktrecht, § 44, 45 BörsG Rn. 14, Fleischer, in: K. Schmidt / Lutter, § 57 AktG Rn. 39, Renzenbrink / Holzner, BKR 2002, 434 (436), Hamann, in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, §§ 44, 45 BörsG Rn. 83, Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 20, Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 8.112. Gegen die lex-specialis-Argumentation: Gebauer, Börsenprospekthaftung und Kapitalerhaltungsgrundsatz, S.  204 f. 155  Vgl. Zitat oben aus BT-Drucks. 13  / 8933, S. 54, 78. Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 20, Hamann, in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, §§ 44, 45 BörsG Rn. 83, Hüffer, AktG § 57 Rn. 3, Fleischer, in: K. Schmidt / Lutter, § 57 AktG Rn. 39, Renzenbrink / Holzner, BKR 2002, 434 (436), Huber, ZIP 1998, 645 (646), Keusch / Wankerl, BKR 2003, 744 (745), Wild, Prospekthaftung / Kapitalschutz, S. 154. 156  LG Frankfurt, ZIP 1998, 641 (645), Huber, ZIP 1998, 645 (646), Krämer / Baudisch, WM 1998, 1161 (1164 f.), Ellenberger, Prospekthaftung im Wertpapierhandel, S.  74 ff., Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rn. 14. 157  Möllers, BB 2005, 1637 (1641). 158  Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rn. 14, Fleischer, Gutachten F für den 64. Juristentag, S. F 74, Henze, NZG 2005, 115 (121). 159  Möllers, BB 2005, 1637 (1640). 160  Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 20. Ähnlich Renzenbrink / Holzner, BKR 2002, 434 (436). Vergleichbar mit anderem Bezugspunkt: LG Frankfurt / M., ZIP 1998, 641 (645).



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durch Täuschung zugeflossen sind. Aus Wertungsgesichtspunkten liege ein hinreichender Anlegerschutz außerdem auch im Interesse der Gläubiger, da sich nur auf diese Weise ein Vertrauen der Anleger bilde, aufgrund dessen sie der Gesellschaft Mittel zuführen und die allokative Funktionsfähigkeit des Finanzmarktes sichern.161 Das Aktienrecht könne schon deswegen nicht vorrangig gegenüber der Haftung der Gesellschaft sein, weil das Kapital der Gesellschaft aus dem Vermögen der geschädigten Anleger stamme und § 57 AktG kein Freibrief für folgenloses, deliktisches Handeln sein könne.162 Außerdem gefährde eine zu starke Betonung des Gläubigerschutzes im internationalen Vergleich die Wettbewerbschancen deutscher Aktiengesellschaften sowie die Attraktivität des Finanzplatzes Deutschland.163 Andere Lösungen würden dem Stellenwert des Anlegerschutzes nicht gerecht und von § 57 AktG, dessen Wortlaut und Normzweck andere Auslegungen zulassen, auch nicht explizit gefordert. Vielmehr sei es mit dieser Auslegung möglich, den Schutz der Aktiengesellschaft vor Mittelabflüssen zum Schutz des Anlegers vor betrügerischer Anwerbung in ein neues Verhältnis zu setzen.164 In der Begründung zur Neufassung der §§ 13 f. VerkProspG fanden sich zwar keine entsprechenden Aussagen zum Verhältnis dieser Haftung zur Kapitalerhaltung. § 13 VerkProspG enthält jedoch keine vollkommen eigenständige Regelung, sondern erklärt die Haftung gem. §§ 44–47 BörsG in bestimmten Fällen für entsprechend anwendbar. Bei einem derartigen Verweis kann man annehmen, dass der Gesetzgeber die Haftung der Gesellschaft hier explizit ausgenommen hätte, wenn er nicht vom identischen Haftungsumfang und Kreis der Haftenden ausgegangen wäre. Man kann also annehmen, dass auch in diesem Fall die Gesellschaft umfassend haften soll.165 Die Literatur stützt den Meinungsumschwung hin zur Annahme eines generellen Vorrangs des Anlegerschutzes – und damit der Prospekthaftung vor der Kapitalerhaltung – auch auf die Aussagen des BGH und verschiedener Oberlandesgerichte in den Urteilen zu EM.TV166 und Comroad167. In 161  Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 20, Renzenbrink / Holzner, BKR 2002, 434 (436). 162  Möllers, BB 2005, 1637 (1641). 163  Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 20, Renzenbrink / Holzner, BKR 2002, 434 (436). 164  Hüffer, AktG § 57 Rn. 3. 165  Heidelbach, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrecht, § 13 VerkProspG Rn. 28. 166  BGH NZG 2005, 672 – EM.TV. 167  OLG Frankfurt ZIP 2005, 710, OLG München ZIP 2005, 901 und ZIP 2005, 1141, BGH ZIP 2007, 681 – Comroad I, BGH ZIP 2007, 679 – Comroad II, BGH ZIP 2007, 326 – Comroad III, BGH ZIP 2007, 1560 – Comroad IV, BGH ZIP 2007,

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diesen Urteilen hatten die Gerichte Ansprüche von Aktionären, die ihre Aktien aufgrund fehlerhafter Ad-hoc-Mitteilungen erworben hatten, gegen eine Aktiengesellschaft gem. § 826 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 400 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AktG bejaht, da diese gegenüber der aktienrechtlichen Kapitalerhaltung und dem Verbot des Erwerbs eigener Aktien vorrangig seien. Sie begründeten dies im Wesentlichen damit, dass die Stellung der Aktionäre der eines Drittgläubigers angenähert sei und aus diesem Grund die Gesellschaft eine Haftung nicht unter Hinweis auf die Kapitalerhaltung verweigern könne. Sie nahmen außerdem Bezug auf die Begründung des Gesetzgebers zum 3. FFG, aus der sie folgerten, dass anlegerschützende Vorschriften grundsätzlich den Sicherungsmechanismen der Kapitalerhaltung vorgehen können. Heute ist deshalb in der Literatur die Ansicht vorherrschend, dass die Aktiengesellschaft gegenüber den Aktionären in vollen Umfang für diese Ansprüche haftet.168

B. Positionen zur Haftung der Aktiengesellschaft gegenüber Aktionären aus der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung, aus c.i.c. oder aus Delikt Nach herrschender Ansicht ist in der Aktiengesellschaft eine Anfechtung der Zeichnung (mit der Folge des automatischen Entfallens der Mitgliedschaft, sei es rückwirkend oder ex nunc) ausgeschlossen. Damit ist jedoch die Frage noch nicht beantwortet, ob nicht an die Willensmängel beim Beitritt andere Rechtsfolgen anknüpfen, insbesondere Schadensersatzansprüche gegen die Gesellschaft. Solche Schadensersatzansprüche wären mit den Ansprüchen aus der spezialgesetzlichen Prospekthaftung vergleichbar. Während bei diesen mittlerweile überwiegend eine Inanspruchnahme der Aktiengesellschaft zugelassen wird, wird anderes jedoch im Hinblick auf jene Ansprüche angenommen, die sich gegen eine Gesellschaft richten, die nicht den §§ 44 ff. BörsG, § 13 VerkProspG unterfällt. Im Wesentlichen sind das die allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung und die Prospekthaftung im weiteren Sinne (§§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB, „c.i.c.“) sowie deliktsrechtliche Ansprüche. Insbesondere letztere könnten bei auch bei ei1564 – Comroad V, BGH ZIP 2008, 407 – Comroad VI, BGH ZIP 2008, 410 – Comroad VII, BGH ZIP 2008, 829 – Comroad VIII. 168  Groß, Kapitalmarktrecht, § 44, 45 BörsG Rn. 14  f., Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 20, Hamann, in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, §§ 44, 45 BörsG Rn. 83, Hüffer, AktG § 57 Rn. 3, Fleischer, in: K. Schmidt / Lutter, § 57 AktG Rn. 39, Hopt, in: FS 50 Jahre BGH, S. 497, (526 f.), Renzenbrink / Holzner, BKR 2002, 434 (436), Huber, ZIP 1998, 645 (646), Keusch / Wankerl, BKR 2003, 744 (745), Bayer / Weinmann, EWiR 2005, 689 (690), Goette, DStR 2006, 139 (140), Wild, Prospekthaftung / Kapitalschutz, S. 154, OLG Stuttgart, NZG 2008, 951 (952).



§ 2 Meinungsstand zur Haftung der Aktiengesellschaft 57

ner arglistigen Täuschung des zukünftigen Aktionärs durch die Gesellschaft gegeben sein. Diese Ansprüche sollen nach herrschender Ansicht durch die aktienrechtliche Kapitalbindung ausgeschlossen werden. Dieses Auseinanderdriften der Haftung nach Kapitalmarktrecht einerseits und nach allgemeinen Regeln andererseits widerspricht der Empfehlung des 64. Deutschen Juristentages, die gesetzliche und die allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung einander anzugleichen.169 Die Haftung der kapitalmarktinaktiven Gesellschaft gegenüber Aktionären wird in Literatur und Rechtsprechung kaum behandelt, da sie nach herrschender Ansicht durch die aktienrechtliche Kapitalbindung ausgeschlossen wird. Kommt das Problem zur Sprache, wird eine Haftung der Emittentin aufgrund der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung überwiegend abgelehnt.170 Eine Haftung der Gesellschaft auf Schadensersatz würde dazu führen, dass die regelmäßig aus Agio und Nennbetrag bestehende Einlage ganz oder teilweise von der Gesellschaft an den Aktionär zurückfließt. Dies verstieße nach herrschender Meinung gegen den Grundsatz der Kapitalerhaltung. Aus diesem Grund sind sowohl Ansprüche, die sich originär gegen die Gesellschaft richten, als auch die Haftung der Gesellschaft für den Vorstand gem. § 31 BGB171 einzuschränken. Die Anspruchsgrundlagen gegen die Gesellschaft sind – anders als die spezialgesetzliche Prospekthaftung – nicht leges speciales gegenüber der Kapitalbindung.172 Vielmehr wird die Kapitalbindung in vollem Umfang als Ausdruck des Gläubigerschutzes gewertet, der der Haftung gegenüber Aktionären vorgehen muss. Lediglich einzelne Stimmen in der Literatur nehmen an, der Gesetzgeber habe in der Begründung zum Zweiten und Dritten Finanzmarktförderungs­ gesetz eine generelle Entscheidung zum Konkurrenzverhältnis zwischen Anlegerschutz und Kapitalerhaltungsgrundsatz getroffen. Räume der Gesetz­ 169  Meyer, WM 2003, 1301 (1302 in Fn. 5) unter Verweis auf den Maßnahmenkatalog der BReg zur Stärkung der Unternehmensintegrität und des Anlegerschutzes vom 06. Juni 2003. 170  Mülbert / Steup, in: Habersack / Mülbert / Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rn. 153, Hopt, in: FS 50 Jahre BGH, S. 497 (530). 171  Kort, NZG 2005, 496 (498). 172  Etwas anderes könnte man hinsichtlich der c.i.c. und der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung daraus ableiten, dass der Gesetzgeber in der Begründung zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz bei der gesetzlichen Regelung der c.i.c. explizit auf die Prospekthaftung Bezug genommen hat. Man kann die c.i.c. somit in jedem Fall als lex posterior ansehen. Aber sie auch als lex specialis einzuordnen, geht wohl zu weit, da in der Gesetzesbegründung als Haftungsverpflichtete (wenn auch nur exemplarisch) explizit lediglich die Gründer und Initiatoren von Anlagegesellschaften angesprochen sind (BT-Drucks. 14 / 6040, S. 85, 161). Eine Haftung der Aktiengesellschaft ist also gar nicht angesprochen, und schon gar nicht wurde eine vergleichbare Aussage wie zu §§ 44, 45 BörsG gemacht.

58 Problemaufriss

geber den Anlegerinteressen im Rahmen der spezialgesetzlich geregelten Kapitalmarkthaftung gem. §§ 44 ff. BörsG (sowie gem. der hier nicht untersuchten §§ 37b, c WpHG) ausdrücklich einen Vorrang vor dem Kapitalerhaltungsgrundsatz ein, so lasse sich kaum begründen, warum dies nicht auch für Ansprüche aus allgemeinem Deliktsrecht gelten soll. Auch der BGH wolle deshalb ungeachtet der einschlägigen Anspruchsgrundlage dem Anlegerschutz den Vorrang vor dem Kapitalerhaltungsgrundsatz einräumen.173 Andere Stimmen halten auch in diesem Bereich eine Haftung der Aktiengesellschaft mit bestimmten Vermögensbestandteilen für möglich. Sowohl Breit als auch Zöllner / Winter treten dafür ein, dass eine Haftung der Aktiengesellschaft auch außerhalb kapitalmarktrechtlicher Anspruchsgrundlagen mit den Eigenkapitalbestandteilen möglich sei, die das Grundkapital bzw. die Stammeinlage überstiegen.174 Dies räume dem Schutz der derzeitigen Gläubiger den erforderlichen Vorrang ein.175 Dagegen übernimmt Assmann auch für die allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung die Differenzierung zwischen originärem und derivativem Erwerb und hält eine Haftung der Gesellschaft für möglich, wenn der Aktionär die Aktie derivativ erworben hat.176

C. Keine Haftung aufgrund vertraglicher Zusagen der Aktiengesellschaft gegenüber Aktionären im Rahmen einer Kapitalerhöhung I. Interesse der Praxis an vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten Eine Haftung der Gesellschaft gegenüber einem Aktionär für Angaben im Rahmen einer Kapitalerhöhung könnte – außer auf den spezialgesetzlichen und allgemeinen gesetzlichen Anspruchsgrundlagen – auch auf einer vertraglichen Abrede der Aktiengesellschaft mit dem zukünftigen Aktionär bzw. Investor beruhen. Beteiligt sich beispielsweise ein Investor im Rahmen einer Kapitalerhöhung gegen Einlage an einer Aktiengesellschaft, könnte die Gesellschaft in einem gesonderten Beteiligungsvertrag Zusagen über ihr Unternehmen abgeben. Treffen diese Zusagen dann nicht zu, und ist aus diesem Grund der Geschäftsanteil weniger wert als die vom Investor erbrachte Einlage, stellt sich die Frage, ob dem Investor Ansprüche gegen die Aktiengesellschaft zustehen können.177 Das Interesse der Praxis an derartigen Gestaltungen liegt zum einen darin, dass sich auf diese Weise eine 173  Engelhardt,

BKR 2006, 443 (445), a. A. Schäfer, NZG 2005, 985 (989 f.). ZHR 76 (1915), 415 (449 ff.), Zöllner / Winter, ZHR 158 (1994), 59 (78). 175  Zöllner / Winter, ZHR 158 (1994), 59 (78). 176  Assmann, in: Assmann / Schütze, Handbuch Kapitalanlagerecht, § 6 Rn. 139. 177  Sachverhalt orientiert sich an Schaefer / Grützediek, NZG 2006, 204. 174  Breit,



§ 2 Meinungsstand zur Haftung der Aktiengesellschaft 59

höhere Einlage erzielen lässt. Ein Investor wird regelmäßig bereit sein, für eine sicherere Anlage einen höheren Preis zu zahlen, indem geringere Risikoabschläge vorgenommen werden. Auf diese Weise kann die Einlage des Investors besser an den Wert der Gesellschaft gekoppelt werden. Die Alternative läge vielfach in Zusagen der Altgesellschafter.178 Diese bedeuten jedoch ein Risiko für die Altgesellschafter, das diese nicht immer eingehen möchten. Zum anderen ist für den Investor die Solvenz der Altgesellschafter möglicherweise weniger sicher als die Solvenz der Gesellschaft, an die gerade die Mittel des Investors geflossen sind. In Erwägung gezogen wird auch, einem Investor ein Rücktrittsrecht für den Fall der Verletzung der Gewährleistung einzuräumen, das nur bis zur Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung ausgeübt und durchgeführt werden kann. In der Vertragspraxis wurden in verschiedenen Verträgen bereits derartige Klauseln vereinbart.179 Diese bieten einem Investor jedoch keine vergleichbare Sicherheit, da dieser vor Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung nicht Aktionär ist und deshalb keine weitergehenden Erkenntnismöglichkeiten über die Gesellschaft hat als ein Außenstehender. In Betracht kommen Gewährleistungsabreden insbesondere bei der Beteiligung eines außenstehenden Investors, insbesondere eines Private-Equity- oder Venture-CapitalInvestors, sowie in Sanierungsfällen. In der Regel wird eine solche Kapitalerhöhung mit einem Bezugsrechtsausschluss verbunden werden. Dies birgt die Gefahr einer Anfechtung gem. § 255 Abs. 2 AktG, wenn der Ausgabebetrag unangemessen niedrig ist. Bei der Kapitalerhöhung kommt es nicht darauf an, ob diese als reguläre Kapitalerhöhung gegen Einlagen von der Hauptversammlung beschlossen wird oder ob sie aus genehmigtem Kapital bedient wird, sofern in dem zugrundeliegenden Beschluss ein entsprechender Grund für den Ausschluss des Bezugsrechts formuliert ist. Zusagen der Gesellschaft können sich – wie Zusagen der Altgesellschafter auch – beispielsweise auf die Errichtung und den Bestand der Gesellschaft, die Abschlüsse der Gesellschaft, den Beteiligungsbesitz, gewerbliche Schutzrechte, Wettbewerbsverbote, behördliche Genehmigungen und Konzessionen, Versicherungen und Versicherungsschutz, Rechtsstreitigkeiten, Steuerpflichten, Sozialabgaben und sonstige öffentliche Abgaben, Wettbewerbsbeschränkungen und ungewöhnliche Rechtsgeschäfte und Risiken beziehen.180 Dies entspricht im Großen und Ganzen den Angaben, die auch in einem Prospekt oder in einem Unternehmenskaufvertrag gemacht werden würden.181 Fraglich ist hierbei unter anderem, in welchem Verhältnis die 178  Mellert,

NZG 2003, 1096 (1099), Sieger / Hasselbach, BB 2004, 60 (63). Brandi, NZG 2004, 600 (603). 180  Weitnauer, NZG 2001, 1065 (1970). 181  Technau, AG 1998, 445 (454), Aha, BB 2001, 2225 (2230). 179  Vgl.

60 Problemaufriss

Garantien zu einer zusätzlich durchgeführten due diligence stehen.182 Auf diese Frage ist später zurückzukommen.183 Darüber hinaus stellt sich auch die Frage, worauf die Gewährleistungen gerichtet sein können. In Betracht kommen sowohl eine Rückzahlung eines Teils der Einlage bei Fortbestehen der Beteiligung184 als auch eine vollständige Rückabwicklung der Beteiligung185. Die Gewährleistungen können auch – wie bei einem Unternehmenskauf – durch sog. knowledge qualifier abgemildert werden.186 In anderen europäischen Ländern werden Gewährleistungen der Aktiengesellschaft weniger kritisch gesehen. So können beispielsweise in Großbritannien gem. Sec. 152 (1) (a) (ii) des UK-Companies Act 1985 den Zeichnern neuer Aktien Gewährleistungen durch die Emittentin gegeben werden.187 II. Herrschende Meinung: Verstoß gegen Vermögensbindung Die herrschende Meinung hält derartige Zusagen für einen Verstoß gegen das Aktiengesetz, insbesondere gegen den Grundsatz der Kapitalerhaltung.188 Lediglich gegenüber einer Emissionsbank werden sie in gewissem Rahmen für zulässig gehalten. Dabei werden im Wesentlichen die selben Argumente verwendet wie gegen eine gesetzliche Haftung der Gesellschaft gegenüber den Aktionären für fehlerhafte Angaben im Rahmen der Kapitalerhöhung: Gibt eine Aktiengesellschaft im Rahmen einer Kapitalerhöhung gegenüber einem späteren Investor eine Zusage über ihren Zustand ab und zahlt sie aus dieser Abrede später Geld an den Investor zurück, liege darin ein Verstoß gegen die aktienrechtliche Kapitalerhaltung, insbesondere eine verbotene Einlagenrückgewähr.189 In der Literatur wird teilweise argumentiert, dass eine derartige Zusage der Aktiengesellschaft nicht unter das Verbot der Einlagenrückgewähr falle, weil sie unter drittgleichen Bedingungen erfolge. Ein zulässiges Drittgeschäft liegt vor, wenn das Rechtsgeschäft unter den gleichen Umständen auch mit einem Nichtaktionär zu den gleichen BedinMaidl / Kreifels, NZG 2003, 1091 (1094). unten § 13 B.III. 184  Diese Annahme liegt dem Aufsatz von Schaefer / Grützediek zugrunde: Schae­ fer / Grützediek, NZG 2006, 204. 185  Dies scheint Brandi, NZG 2004, 600, für möglich zu halten, der annimmt, dass die Einlage „ganz oder teilweise“ zurückfließen könne. 186  Technau, AG 1998, 445 (454). 187  Aha, BB 2001, 2225 (2230 in Fn. 77). 188  Hüffer, § 57 AktG Rn. 5 (für Garantien gegenüber Sacheinlegern), Aha, BB 2001, 2225 (2230), Mellert, NZG 2003, 1096 (1099). 189  Maidl / Kreifels, NZG 2003, 1091 (1093). 182  Dazu

183  Siehe



§ 2 Meinungsstand zur Haftung der Aktiengesellschaft 61

gungen abgeschlossen worden wäre.190 Die überwiegende Literatur wendet sich jedoch ganz oder teilweise gegen diese Konstruktion der Zulässigkeit der Gewährleistungsabrede als Drittgeschäft.191 Wenn ein Drittvergleich für möglich gehalten wird, dann nur, wenn aus der Beteiligung des Investors eine bestimmte Summe festgesetzt wird, die nur als Gegenleistung für die Garantie gezahlt wird, und die dann allein für eine Rückzahlung in Betracht kommt.192 Der Ausgabebetrag ohne den „Gewährleistungsaufschlag“ müsse § 255 Abs. 2 AktG standhalten, er dürfe also nicht unangemessen niedrig sein. Auf diese Weise kann also maximal ein geringer Teil der Beteiligungssumme der Gewährleistung unterworfen werden, weshalb eine derartige Abrede im Wesentlichen zur Absicherung zukünftiger Ziele oder im Hinblick auf Nebenleistungen193 geeignet ist. Die Literatur hält der Zulässigkeit einer Gewährleistungsabrede außerdem entgegen, dass diese gegen die Bestandskraft des Zeichnungsvertrages verstoße. Nach einer in der Literatur in erster Linie zum Verhältnis der Prospekthaftung zur Kapitalerhaltung bemühten Ansicht, die sich auf § 188 AktG stützt, kann der Zeichnungsvertrag nach Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung – außer in Sonderfällen – nicht mehr angefochten oder auf andere Weise vernichtet oder rückabgewickelt werden.194 Eine Schadensersatzleistung durch die Gesellschaft, durch die die Einlage ganz oder teilweise an den Aktionär zurückfließt, käme grundsätzlich einer Rückabwicklung des Zeichnungsvertrages gleich und würde deshalb gegen dessen Bestandskraft verstoßen.195 Die Vereinbarung einer Gewährleistung für die aus einer Kapitalerhöhung erworbenen Aktien wirft auch Probleme im Hinblick auf das Verbot der finanziellen Unterstützung des Aktienerwerbs auf.196 Nach dem Wortlaut verbietet § 71a AktG nur die Gewährung eines Vorschusses oder eines Darlehens oder die Leistung einer Sicherheit durch die Gesellschaft. Doch nach überwiegendem Verständnis sind dies nur Beispiele und hat § 71a AktG einen grundsätzlich offenen Tatbestand.197 Zur Begründung der An190  Bayer,

in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 31 m. w. N. BB 2004, 60 (61), Maidl / Kreifels, NZG 2003, 1091

191  Sieger / Hasselbach,

(1093 f.). 192  Schaefer / Grützediek, NZG 2006, 204 (208), Maidl / Kreifels, NZG 2003, 1091 (1094), Brandi, NZG 2004, 600 (602). 193  So Brandi, NZG 2004, 600 (602). 194  Siehe hierzu § 7 C.I. 195  Brandi, NZG 2004, 600 (602). 196  Siehe hierzu § 12 D.I.2. 197  Hüffer, AktG § 71a Rn. 3, Oechsler, in: MünchKomm AktG § 71a AktG Rn. 19.

62 Problemaufriss

wendung der Norm soll es genügen, dass die Aktiengesellschaft Gesellschaftsvermögen zu dem Zweck einsetzt, den Erwerb ihrer Aktien zu ermöglichen.198 Ein Einsatz von Gesellschaftsvermögen soll dabei bereits das Eingehen eines Ausfall- oder Insolvenzrisikos sein, das die Aktiengesellschaft zuvor nicht tragen musste.199 Aus diesem Grund wird in der Literatur angenommen, dass § 71a AktG im Regelfall auch auf die Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen einer Kapitalerhöhung anzuwenden sei, da die Verringerung des Risikos des Investors schon eine Unterstützung des Anteilserwerbs darstellen könne.200 Andere nehmen dagegen an, dass bei der Übernahme einer Gewährleistung die Grenze zur verbotenen Kursgarantie überschritten sei.201 Garantien könnten außerdem einen Verstoß gegen das aktienrechtliche Gleichbehandlungsgebot des § 53a AktG – einen Teil der Treuepflicht, die der Aktiengesellschaft gegenüber ihren Aktionären obliegt202 – darstellen, da die anderen Aktionäre bei ihrem Aktienerwerb keine Gewährleistungen erhalten haben. Diese Ungleichbehandlung ist nach einer Ansicht nur sachlich gerechtfertigt, wenn die Beteiligung für die Gesellschaft zur Erreichung bestimmter Ziele geeignet und erforderlich sei und unter Berücksichtigung der Interessen der anderen Aktionäre nicht unverhältnismäßig erscheine.203 Nach anderer Ansicht werde der aktienrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt, wenn ein zulässiges Drittgeschäft vorliegt, weil der Aktionär für die Gewährleistungsübernahme einen Aufschlag bezahle.204 In der Literatur wird als Untergrenze der Garantie außerdem das Verbot der Unter-Pari-Emission angesehen.205 Auf diese Weise verbliebe den Gläubigern zumindest der Betrag als Haftungsmasse, der als Grundkapital aus dem Handelsregister hervorgehe. III. Zulässigkeit von Garantien gegenüber Emissionsbanken als Ausnahme? Im Gegensatz zu Gewährleistungszusagen an „normale“ Investoren hält die herrschende Meinung Zusagen gegenüber der Emissionsbank bei mittel198  Oechsler, in: MünchKomm AktG § 71a AktG Rn. 19, Hüffer, AktG § 71a Rn. 3, Sieger / Hasselbach, BB 2004, 60 (62). 199  Oechsler, in: MünchKomm AktG § 71a AktG Rn. 19. 200  Sieger / Hasselbach, BB 2004, 60 (62). 201  Mellert, NZG 2003, 1096 (1099). 202  Bungeroth, in: MünchKomm AktG § 53a Rn. 4. 203  Sieger / Hasselbach, BB 2004, 60 (63), Hüffer, § 53a AktG Rn. 10. 204  Schaefer / Grützediek, NZG 2006, 204 (206). 205  Schaefer / Grützediek, NZG 2006, 204 (206).



§ 3 Gang der Untersuchung63

barem Bezugsrecht, insbesondere Freistellungsabreden, überwiegend für zulässig.206 Bei einer solchen Freistellungsabrede handle es sich nämlich um eine Regelung des Gesamtschuldnerausgleichs gemäß § 426 BGB.207 Da es aber eigentlich an einer Gegenleistung der Emissionsbank fehlt, ist nur eine Regelung des Gesamtschuldnerausgleichs möglich, die die gesetzliche Konzeption nicht modifiziert. Dies wird angenommen, wenn die Emissionsbank nicht von Risiken freigestellt wird, die in ihrem eigenen Verantwortungsbereich liegen.208

§ 3 Gang der Untersuchung Der derzeitige Meinungsstand zur Haftung der Gesellschaft gegenüber Aktionären für fehlerhafte Informationen im Vorfeld des Aktienerwerbs ist uneinheitlich: Die herrschende Meinung gestattet eine Haftung der Gesellschaft nach Kapitalmarktrecht, lehnt aber eine Haftung nach allgemeinen Regeln und aufgrund von Verträgen ab, obwohl sich die Probleme der Vermögensbindung für kapitalmarktaktive wie -inaktive Gesellschaften in gleicher Weise stellen. Bisher ist nicht hinreichend geklärt, welche Wertungen dieser Differenzierung zugrunde liegen bzw. ob diese zutreffend ist. Diese Fragen gilt es zu untersuchen und entweder das bisherige System schlüssig zu erklären oder ein neues, in sich stimmiges System zu entwickeln.

A. Verhältnis von Aktien- und Kapitalmarktrecht Es hat sich bereits gezeigt, dass die bisherige Diskussion in Abhängigkeit von den Anspruchsgrundlagen (Börsengesetz und Verkaufsprospektgesetz oder allgemeine Vorschriften) geführt wird. Das Börsengesetz und das Verkaufsprospektgesetz sind dem Kapitalmarktrecht zuzuordnen. Nach K. Schmidt befasst sich das Kapitalmarktrecht mit den „Funktionsbedingungen und Regulativen des Marktes, auf dem mitgliedschaftliche oder obligatorische Kapitalanlagen angeboten und gehandelt werden.“209 Kümpel ver206  Brandi, NZG 2004, 600 (602), Schwark, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rn. 14, Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 55, Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 Rn. 17 ff., Krämer / Baudisch, WM 1998, 1161 (1168). Siehe zum ganzen unten § 12 B.II. 207  Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 24, Bayer, in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 89. 208  Technau, AG 1998, 445 (455–457), Bayer, in: MünchKomm AktG § 57 Rn.  89 ff. 209  K. Schmidt, GesR, § 1 II 3. a).

64 Problemaufriss

steht darunter „die Gesamtheit der Normen, Geschäftsbedingungen und Standards, mit denen die Organisation der Kapitalmärkte und der auf sie bezogenen Tätigkeiten sowie das marktbezogene Verhalten der Marktteilnehmer geregelt werden sollen.“210 Hopt definiert das Kapitalmarktrecht – weiter – als „die Gesamtheit der Grundsätze und Normen, die sich mit dem öffentlichen Vertrieb und Umlauf von Unternehmensbeteiligungen und verbrieften bzw. öffentlich registrierten Geldforderungstiteln (…) befassen, um den Individualschutz der Kapitalanleger und den Funktionenschutz von Kapitalmarkt und Wirtschaft zu gewährleisten.“211 Als Synonym wird auch der Begriff des „Investment Banking“ verwendet.212 Innerhalb des Kapitalmarktes wird zwischen dem Kapitalmarkt im engeren Sinne, einem Wertpapiermarkt, der den Handel mit den in § 2 Abs. 1 WpHG aufgeführten Wertpapieren umfasst, und dem Kapitalmarkt im weiteren Sinne, dem grauen oder freien oder Neben-Kapitalmarkt, an dem Anteile an Publikumspersonengesellschaften, geschlossenen Immobilienfonds etc. gehandelt werden, unterschieden. Die Vermögensbindung, die gegen die Haftung der Aktiengesellschaft ins Feld geführt wird, ist dagegen ein aktienrechtlicher Grundsatz. Der Begriff des Aktienrechts knüpft an die Rechtsform der Aktiengesellschaft an, die im Aktiengesetz geregelt ist. I. Parallele Entwicklung von Aktienrecht und Kapitalmarktrecht Sobald Aktien am Kapitalmarkt gehandelt werden, können aktienrechtliche und kapitalmarktrechtliche Problem nicht mehr isoliert betrachtet werden, sondern es kommt auf ihre Beziehung zueinander an. Dazu, wie sich Aktienrecht und Kapitalmarktrecht relativ zueinander entwickelt haben, gibt es verschiedene Interpretationen, die jedoch auf verschiedenen Sichtweisen beruhen: Während Assmann, der den Kapitalmarkt primär als Markt für Gesellschaftsanteile betrachtet, annimmt, dass sich das Kapitalmarktrecht aus dem Aktienrecht entwickelt habe, beschreibt Oechsler eine parallele Entwicklung der Rechtsformen, insbesondere der Aktiengesellschaften, und des Marktes. Der Begriff der Börse bezeichnete immer einen Handelsplatz, entwickelte aber erst mit der Zeit die Bedeutung des Handels von Finanzinstrumenten. Während im 16. Jahrhundert an den Börsen bereits Staatsanleihen gehandelt wurden, gewann der Handel mit Gesellschaftsanteilen, damals vor 210  Kümpel,

Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 1.6. ZHR 141 (1977), S. 389 (431). 212  Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rn. 1, Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, vor Rn. 8.1. 211  Hopt,



§ 3 Gang der Untersuchung65

allem Anteilen an Handelskompagnien, später an Bedeutung.213 Im 19. Jahrhundert wurde das Aktienrecht – als Reaktion auf den gestiegenen Kapitalbedarf in der Industrialisierung – erstmals kodifiziert. Die Aktiengesellschaft war somit von Anfang an auf einen großen Kapitalbedarf und damit auf einen größeren Kreis von Aktionären angelegt. Auch die Aktien wurden bald an den Börsen gehandelt. Jedoch blieben erste Fälle von Anlagebetrug, die teilweise große Skandale auslösten, nicht aus. Hierauf versuchte der Gesetzgeber zum einen mit verschärften Regelungen für die Börsen, aber auch mit erhöhten Anforderungen an Aktiengesellschaften, insbesondere an deren Gründung, zu reagieren. Bis in die siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts hinein entwickelte sich dementsprechend das Kapitalmarktrecht als Bereich des Aktienrechts sowie des darauf bezogenen Bank- und Börsenrechts weitgehend aus diesem heraus und an die Anlageform der Aktie gebunden. Weil jedoch die Aktiengesellschaft hohe Organisationsanforderungen hatte, was zu relativ hohen Eigenkosten führte, wurden andere Anlageprodukte entwickelt, die eine höhere Rendite versprachen.214 Der Verbreitung von ausländischen Investments und einem darauf folgenden Betrugsskandal begegnete die Gesetzgebung zunächst mit dem Auslandsinvestmentgesetz. Auf das Ausweichen auf Beteiligungen an Publikumskommanditgesellschaften fand jedoch zunächst keine gesetzgeberische Reaktion statt, sondern die Rechtsprechung versuchte, den Anlegerschutz auf dem grauen Kapitalmarkt durch Entwicklung neuer Konzepte und die Übertragung von Modellen aus dem Kapitalmarktrecht zu gewährleisten. Mittlerweile wird das deutsche Kapitalmarktrecht stark durch europäische Einflüsse bestimmt: Mehr als 80 % der kapitalmarktrechtlichen, nationalen Vorschriften basieren auf Entscheidungen des europäischen Gesetzgebers.215 II. Grundgedanken des Aktien- und des Kapitalmarktrechts Für die Haftung einer Aktiengesellschaft gegenüber Aktionären sind in jedem Fall die Vorgaben maßgeblich, die das Aktienrecht macht. Sofern die Gesellschaft kapitalmarktaktiv ist, sind darüber hinaus die Regeln des Ka213  Oechsler,

in: Bayer / Habersack, Aktienrecht im Wandel II, S. 155 f. anderen Ländern, beispielsweise in den USA, gab es derartige Entwicklungen deutlich früher: Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts kam es in den USA zu Fällen von Anlagebetrug, die die Gesetzgebung veranlassten, Anlageprodukte registrierungspflichtig zu machen. Der „Roosevelt’s Securities Act“ von 1933 führte das Recht ein, unregistrierte Anlagen gegen Erstattung des Kaufpreises an den Emittenten zurückzugegeben. Dieser Individualschutz stellte jedoch nur einen Reflex des eigentlichen Regelungsziels, die Anlagemärkte zu stabilisieren und dauernd funktionsfähig zu halten, dar (Oechsler, in: Bayer / Habersack, Aktienrecht im Wandel II, S. 157 f.). 215  Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rn. 31. 214  In

66 Problemaufriss

pitalmarktrechtes einschlägig. Beide Bereiche sollen hier kurz umrissen werden. Das Aktienrecht – als das im Aktiengesetz geregelte Recht – regelt die Innen- und Außenverhältnisse der Aktiengesellschaft. Dabei liegt der Blickpunkt im Wesentlichen auf der Entstehung der Gesellschaft, auf ihrer Organisation, ihrem Auftreten nach außen und ihrer Beschlussfassung sowie auf dem Verhältnis der Aktionäre untereinander. Dies bedeutet, dass es sich um Verbandsrecht handelt, das auf die Rechtsform und die darunter zusammengefassten Verbandsmitglieder und -organe ausgerichtet ist und Struktur-, Organisations- und Verhaltensnormen enthält. Lediglich einzelne Normen regeln die Emission, so beispielsweise die Vorschriften über die Aktienausgabe, über die Publizität vor und bei der Aktienausgabe sowie § 47 Abs. 3 AktG, der die Haftung im Falle öffentlicher Ankündigungen von Aktien regelt. Im Aktienrecht beschäftigten sich dementsprechend die wesentlichen Fragestellungen lange Zeit mit Treuepflichten, Kontrollmöglichkeiten und Bezugsrechtsausschlüssen, also mit Fragen des Verhältnisses der Aktionäre untereinander sowie zu den Organen der Gesellschaft. In den vergangenen 15 Jahren rückte jedoch der Aktionär als Mitgesellschafter / Verbandsmitglied aus dem Focus und – parallel zur sich verbreiternden Streuung der Aktien in der Bevölkerung – die Konzentration richtete sich auf den Aktionär als Anleger.216 Dies ging auch mit der voranschreitenden Erforschung des Kapitalmarktrechts als eigenem Rechtsgebiet einher. Für eine stärkere Berücksichtigung der Anlage-Aspekte wird angeführt, dass in einer typischen Aktiengesellschaft die Mitgliedschaft kapitalbezogen ausgestaltet sei, weil der Aktionär keinen persönlichen Einsatz, und die Gesellschaft dem Aktionär eine profitable Vermögensverwaltung, aber keinen Einfluss auf die Unternehmensführung verspreche. Erst mit einer wachsenden Beteiligung und Einflussmöglichkeit stiegen die Informationsund Publizitätspflichten sowie die Verantwortung für die Gesellschaft und mit ihr für die Kleinaktionäre (Pflichten zur Gleichbehandlung und Rücksichtnahme, Treuepflichten).217 Auch sei der Aktionär typischerweise nicht 216  Während jedoch Henssler / Wiedemann annehmen, dass sich das Bild vom Aktionär zunehmend von einem Mitgesellschafter zu einem Kapitalanleger verändere, was eine Reduzierung der mitgliedschaftlichen Teilhaberechte, eine Einschränkung eigentumsrechtlicher Positionen und eine weitgehende Beschränkung der Gesellschafterstellung auf ein Minimum mit sich bringe (Henssler / Wiedemann, in: Bayer / Habersack, Aktienrecht im Wandel II, S. 20), geht Habersack davon aus, dass die kapitalmarktrechtliche Überlagerung des Aktienrechts keinen Anlass zu einer Abkehr von einer streng mitgliedschaftlichen Betrachtungsweise gebe, weil die Regelungen, die sich auf börsennotierte Gesellschaften beziehen, lediglich punktuell seien (Habersack, in: MünchKomm AktG Einl. Rn. 193). 217  Henssler / Wiedemann, in: Bayer / Habersack, Aktienrecht im Wandel II, S. 17 f.



§ 3 Gang der Untersuchung67

so sehr an der Erreichung des Gesellschaftszwecks interessiert wie an seinem persönlichen Gewinn.218 Gerade ein Börsengang wird unter anderem deshalb als Strukturentscheidung eingestuft, weil sich in einer börsennotierten Gesellschaft die Treuebindungen unter den Aktionären lockerten.219 Gegen eine Verschiebung der typischen Interessenskonstellation von einem Mitgesellschafter-Aktionär auf einen Anleger-Aktionär spricht jedoch, dass es sich bei dem Anleger-Gesellschafter tatsächlich nicht um einen verallgemeinerungsfähig-vorherrschenden Aktionärstyp handelt. Im Jahr 2009 waren von insgesamt ca. 13.900 Aktiengesellschaften und KGaAs in Deutschland nur ca. 1.000 börsennotiert.220 Der weit überwiegende Teil hatte also eine begrenzte Anzahl von Aktionären, die dem beschriebenen Bild des AnlegerAktionärs nicht entsprechen. Für eine Bewertung von Aktionären primär als Anleger spricht auch nicht, dass die Aktiengesellschaft von Vornherein als Kapitalsammelbecken für eine Vielzahl von Aktionären gedacht war, denn in der Konzeption des Aktiengesetzes zeigt sich, dass die Rechtsform für ein derartiges Unternehmen zwar besonders geeignet ist, dass dies jedoch in keiner Regelung zwingend vorausgesetzt wird. Es ist deshalb davon auszugehen, dass eine kleine, nicht börsennotierte AG mit geschlossenem Aktionärskreis dem gesetzlichen Bild einer Aktiengesellschaft genauso entspricht wie ein großes, börsennotiertes Unternehmen mit einer Vielzahl von Kleinanlegern. Es ist deshalb nicht angemessen, von einem gesetzlichen Leitbild eines Aktionärs als Anleger auszugehen. Vielmehr gilt es für jeden Einzelfall zu prüfen, welche Interessen und Motivationen einem einzelnen Aktionär zukommen und wie sich diese auf seine Stellung innerhalb der AG auswirken. Es sollte deshalb grundsätzlich nach dem Typ der Aktiengesellschaft unterschieden werden, wie es Lutter bereits für die Börsen-AG im Gegensatz zur privaten, geschlossenen, kleinen Aktiengesellschaft vorgeschlagen hat.221 Die Sichtweise des Aktionärs als Anleger beruht unter anderem auf der fortschreitenden Untersuchung des Kapitalmarktrechts. Wie bereits dargestellt, ist das Kapitalmarktrecht kein altes, systematisch entwickeltes Rechtsgebiet, sondern es beruht darauf, dass sich an der Schnittstelle von Bank-, Börsen- und Gesellschaftsrecht Regelungsbedarf gezeigt hat, dem mit Konzepten gleicher Art begegnet werden konnte. Aktien können nach dem 218  Oechsler,

in: Bayer / Habersack, Aktienrecht im Wandel II, S. 154. in: FS Zöllner (1998), S. 363 (378). 220  Stallknecht / Schulze-Uebbing, AG 2010, 657 (656). Habersack, AG 2009, 1 (4) geht davon aus, dass davon weniger als 700 die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 AktG erfüllen. Im Oktober 2007 waren es noch 14.953 Aktiengesellschaften und KGaAs, von denen nur 1.103 börsennotiert waren (Marsch-Barner, in: MarschBarner / Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 1 Rn. 1). 221  Lutter, in: FS Zöllner (1998), S. 363 (383). 219  Lutter,

68 Problemaufriss

Börsengesetz entweder am regulierten Markt oder im Freiverkehr gehandelt werden. Die frühere Unterscheidung zwischen dem amtlichen Markt, dem geregelten Markt und dem Freiverkehr entfiel dadurch, dass das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 16. Juli 2007 (FRUG) den amtlichen und den geregelten Markt zum sog. „regulierten Markt“ fusionierte, nachdem die Finanzmarktrichtlinie („MiFID“) nicht mehr zwischen verschiedenen Marktsegmenten unterscheidet.222 Der Freiverkehr besteht weiterhin. Der übrige Aktienhandel findet außerhalb der Börsen auf dem grauen Kapitalmarkt statt. Das Kapitalmarktrecht ist in verschiedenen Gesetzen geregelt, die gleichwertig nebeneinander stehen. Die zentralen Gesetze sind das WpHG, das WpÜG, das WpPG, das BörsG und das KapMuG. Innerhalb dieser Gesetze regelt das Börsengesetz vor allem die Markteinrichtungen, während die vertriebs- und kapitalmarktbezogenen Regelungen im WpHG enthalten sind. Lediglich die Prospekt- und Unternehmensberichtshaftung und bestimmte Informationspflichten gegenüber dem Kapitalmarkt sind noch als vertriebsbezogene Fremdkörper im Börsengesetz enthalten.223 Während das Aktienrecht in großen Teilen dispositiv ist, sind die kapitalmarktrechtlichen Gesetze zwingend. Diese zwingenden Regelungen betreffen neben den eigentlichen Marktakteuren, den Börsen, Banken etc., auch die Objekte des Marktes, die Gesellschaften, indem sie ihnen neue Pflichten auferlegen, die die Organe der Gesellschaften wahrnehmen und einhalten müssen. Dabei handelt es sich insbesondere um Zulassungs- und Zulassungsfolgepflichten.224 Die bereits beschriebene starke europarechtliche Prägung beinhaltet auch eine Vereinheitlichung der Zulassungswirkungen: In den Richtlinien ist regelmäßig vorgesehen, dass die Zulassung eines Kapitalmarktprodukts oder die Erlaubnis einer kapitalmarktbezogenen Tätigkeit durch die Behörde des Herkunftsstaats in allen anderen EU-Mitgliedsstaaten anerkannt wird. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass die Emittenten die Börse mit den niedrigsten Standards auswählen.225 Das Kapitalmarktrecht beinhaltet verschiedene Kategorien von Regelungen: Zu den ältesten gehören die aktien- und börsenrechtlichen Straftatbestände, die auf Skandale der Gründerzeit zurückgehen. Sowohl diese als auch daraus resultierende zivilrechtliche Schadensersatzhaftung (§  823 Abs. 2 BGB) zeigen meist erst Wirkung, wenn der Schaden bereits entstanden ist.226 Effektiver zeigen sich im Vergleich dazu bereits die Regelungen, 222  Gomber / Hirschberg,

AG 2006, S. 777 (779). in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrecht, BörsG Einl. Rn. 17. 224  Habersack, in: MünchKomm AktG Einl. Rn. 192. 225  Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rn. 31. 226  Hopt, ZHR 141 (1977), S. 389 (411). 223  Schwark,



§ 3 Gang der Untersuchung69

die besondere Anforderungen an die Zuverlässigkeit und das Verhalten der die Anlageprodukte vertreibenden Kaufleute stellen.227 Das moderne Kapitalmarktrecht ist dagegen von Publizität und Rechnungslegung als zentralem Mechanismus geprägt, wobei die Publizität wiederum in eine bloße Emis­ sionspublizität und eine kontinuierliche Rechnungslegungspublizität unterteilt werden kann.228 Die Literatur geht mittlerweile davon aus, dass das Kapitalmarktrecht zum einen dem Funktionieren des Kapitalmarktes und zum anderem dem Schutz der Anleger dient. Dabei wird die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes als vorrangiges Schutzgut bezeichnet.229 Als Zweck wird auch immer wieder die „Stärkung des Finanzplatzes Deutschland“ genannt. Dieser Begriff, der auch als Kapitalmarkteffizienz bezeichnet wird, bezweckt einen Funktionenschutz von Kapitalmarkt und Wirtschaft in dem Sinne, dass sie rationale Marktentscheidungen ermöglichen und über diese unter Wettbewerbsbedingungen für die wirtschaftlich richtige Allokation knapper Ressourcen sorgen.230 Das Recht bezweckt einen Funktionsschutz des Kapitalmarktes, weil es davon ausgeht, dass ein öffentliches Interesse an effizienten Märkten gibt. Auf den Kapitalmärkten werden der Geldbedarf nicht nur der Unternehmen, sondern auch der öffentlichen Haushalte gedeckt, außerdem werden Kapitalanlagen als Ergänzung der Altersvorsorge verwendet.231 Anlegerschutz bedeutet in erster Linie die Gewährleistung von Austauschgerechtigkeit und die Verhinderung von Schäden der Anleger.232 Der Anlegerschutz wird allgemein als Regelungszweck (Postulat, Normzweck, dogma­ tische Kategorie) akzeptiert, auch wenn seine konzeptionellen Grundlagen ungeklärt sind.233 Allerdings sieht die Mehrheit der Regelungen nur einen institutionellen Anlegerschutz vor, der auf das Vertrauen der Anleger in die Integrität und Stabilität der Märkte sowie auf den Erhalt der Wettbewerbsmechanismen auf den Kapitalmärkten gerichtet ist. Diese Schutzreflexwirkungen werden auch als kapitalmarktrechtliches Paradigma bezeichnet.234 Jedoch befinden sich die Regelungen mit individuellen Schutzzwecken auf dem Vormarsch.235 Zu den kapitalmarktrechtlichen Regelungen, die individualschützend sind, zählt auch die Prospekthaftung. 227  Hopt,

ZHR 141 (1977), S. 389 (412 f.). ZHR 141 (1977), S. 389 (414 f.). 229  Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 1.8. 230  Hopt, ZHR 141 (1977), S. 389 (415). 231  Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rn. 12. 232  Hopt, ZHR 141 (1977), S. 389 (415). 233  Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rn. 12. 234  Oechsler, in: Bayer / Habersack, Aktienrecht im Wandel II, S. 154. 235  Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rn. 13 f. 228  Hopt,

70 Problemaufriss

B. Konsequenzen für die Untersuchung: Differenzierung nach Interessenskonstellationen Es zeigt sich also, dass das Aktienrecht als Verbandsrecht für sich alleine stehen kann, während das Kapitalmarktrecht immer im Zusammenspiel mit den Regelungen für die gehandelten Produkte zu sehen ist. Dies beruht unter anderem darauf, dass das Kapitalmarktrecht im Wesentlichen als Reaktion auf Missstände an der Schnittstelle von Bank-, Börsen- und Gesellschaftsrecht entstanden ist. Sind auf eine Gesellschaft nur die Regelungen des Aktienrechts (und keine kapitalmarktrechtlichen Vorschriften) anzuwenden, gilt also das Aktienrecht unbeeinflusst von anderen Regelungskomplexen236, lassen sich die eigentlichen aktienrechtlichen Mechanismen und Wertungen erkennen. Werden die Aktien der Gesellschaft dagegen öffentlich angeboten oder sind sie an der Börse zugelassen, werden die originär aktienrechtlichen Konzepte durch andere Zielsetzungen überlagert. Es kommt nicht mehr nur auf die Aktionäre, die Organe und die Gläubiger an, sondern auch auf unbestimmte, künftige Anleger und abstrakte, volkswirtschaftliche Zielsetzungen wie das Funktionieren des Kapitalmarktes als solchem. In diesem Kontext sind auch die Verflechtungen des Aktienrechts mit dem Kapitalmarktrecht zu berücksichtigen, die sich aus aktienrechtlichen Regelungen ergeben, in denen schon immer kapitalmarktrechtliche Regelungsziele angelegt waren und die nun in Abstimmung mit den verbandsrechtlichen Regelungsprinzipien fortentwickelt werden müssen.237 Soweit also für eine Aktiengesellschaft kapitalmarktrechtliche Regelungen gelten, wird das Recht der Aktiengesellschaft vom Kapitalmarktrecht überlagert, so dass eine Art Sonderrecht der Aktiengesellschaft am Kapitalmarkt entsteht. Dieses führt jedoch nicht zu einem anderen Verständnis der Aktiengesellschaft, für die kapitalmarktrechtliche Regelungen nicht gelten. Einen Grund, diese Überlegungen mit dem Negativetikett „korporationistisches Denken“ zu versehen238, besteht nicht. Für den Fortgang der Untersuchung ist dabei nach verschiedenen Interessenskonstellationen zu unterscheiden. Das Aktiengesetz – und in der Folge 236  Wenn die Gesellschaft nicht der unternehmerischen Mitbestimmung unterliegt, sie kein Kreditinstitut, eine Hypothekenbank oder eine Bausparkasse, auch keine Anlagegesellschaft, die dem Investmentgesetz oder dem REIT-Gesetz unterfiele, oder keine Wirtschaftsprüfungs-, Steuerberatungs- oder Rechtsanwalts-AG ist, und wenn ihre Aktien auch nicht an der Börse notiert sind oder in anderer Weise öffentlich angeboten werden. 237  Oechsler, in: Bayer  / Habersack, Aktienrecht im Wandel II, S. 159 unter Verweis auf Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt. 238  K. Schmidt, GesR, § 1 II 3. c).



§ 3 Gang der Untersuchung71

auch die überwiegende Literatur239 – differenzieren im Wesentlichen zwischen börsennotierten Gesellschaften und nicht börsennotierten Gesellschaften. Das Aktienrecht definiert in § 2 Abs. 2 AktG solche Gesellschaften als börsennotiert, deren Aktien zum Handel zum regulierten Markt zugelassen sind.240 Dagegen sind Gesellschaften, deren Aktien im Freiverkehr gehandelt werden, nicht börsennotiert. Fraglich ist, ob dieser Ansatz auch für diese Untersuchung geeignet ist. Die Sonderregelungen für die Haftung der Gesellschaft bestehen nämlich nicht nur für Aktiengesellschaften, die börsennotiert im Sinne des § 3 Abs. 2 AktG sind. Vielmehr knüpfen zwar §§ 44 ff. BörsG an Wertpapiere an, die zum regulierten Markt zugelassen sind, während §§ 13, 13a VerkProspG die Haftung für Wertpapiere regeln, die öffentlich angeboten werden. Lediglich wenn die Aktien nicht am regulierten Markt zugelassen sind und nicht öffentlich angeboten werden bzw. wenn bei dem öffentlichen Angebot kein Prospekt im Sinne des WpPG veröffentlicht werden muss, greift für fehlerhafte Angaben keine kapitalmarktrechtliche Haftungsvorschrift ein. An diese Abgrenzung soll auch hier angeknüpft werden: Dabei soll eine Gesellschaft, deren Aktien weder zum regulierte Markt zugelassen noch öffentlich angeboten werden, als kapitalmarktinaktive Gesellschaft bezeichnet werden. Diese entspricht in etwa der ersten Stufe des Modells von Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, der Privaten Aktiengesellschaft241. Greifen dagegen die kapitalmarktrechtlichen Haftungsregeln ein, soll die Gesellschaft als kapitalmarktaktive Gesellschaft bezeichnet werden.242 In der Untersuchung soll dementsprechend zunächst geprüft werden, welchen Regelungsrahmen das Aktienrecht allein, also ohne Einflüsse des Kapitalmarktrechts, für die Haftung der Gesellschaft gegenüber Aktionären bietet. Es wird sich zeigen, dass es für die Beantwortung dieser Frage unter anderem darauf ankommt, in wessen Interesse das Vermögen in der Aktiengesellschaft gebunden ist und wie sich diese Interessen zu den Interessen fehlerhaft informierter Aktionäre verhalten (unten Erster Teil). Eine andere Interessenskonstellation ergibt sich, sobald das Aktienrecht durch das Kapitalmarktrecht (§§ 44 ff. BörsG, §§ 13, 13a VerkProspG) überlagert wird, welches zusätzlich dem Anlegerschutz und dem Schutz der Kapitalmarkt­ effizienz dient. Die Zielsetzungen und Konsequenzen dieser Überlagerung müssen in einem eigenen Abschnitt geprüft werden (unten Zweiter Teil). Fleischer, ZIP 2006, 451 (454 ff.), Habersack, AG 2009, 1. Aktiengesetz, § 3 Rn. 6. 241  Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, Deregulierung des Aktienrechts, 1988, S.  36 ff. 242  Eine vergleichbare Differenzierung schlagen Döge / Jobst, BKR 2010, 136 ff., vor. Dagegen differenziert Bayer, in: Gutachten E für den 67. Juristentag zwischen börsennotierten und geschlossenen Gesellschaften. 239  Vgl.

240  Hüffer,

72 Problemaufriss

Wenn besonders schwere Verstöße vorliegen, insbesondere wenn der Aktionär vorsätzlich getäuscht wurde, könnten die Interessenbewertungen anders ausfallen. Es muss deshalb auch geprüft werden, ob diese andere Interessenskonstellation möglicherweise zu einer weitergehenden Haftung der Gesellschaft führt. In diese Richtung weist bereits die Rechtsprechung des BGH im EM.TV-Urteil (unten Dritter Teil). Die Zusammenschau dieser drei Interessenskonstellationen kann als allgemeines System der Haftung der Gesellschaft bezeichnet werden. Aufbauend auf diesem System wird dann die Frage aufgeworfen, ob und wie es durch vertragliche Abreden modifiziert werden kann (unten Vierter Teil).

Erster Teil

Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft gegenüber Aktionären Ist eine Aktiengesellschaft nicht kapitalmarktaktiv, richtet sich ihre Haftung allein nach dem Aktiengesetz und nach allgemeinen Regeln. Eine Überlagerung durch das Kapitalmarktrecht findet nicht statt. Wie die Aktiengesellschaft nach diesen Regeln haftet, soll in diesem Abschnitt anhand einer genauen, schutzzweckorientierten Auslegung der aktienrechtlichen Grundsätze untersucht werden. Das Ergebnis sagt aus, in welchem Umfang das Aktienrecht eine Haftung der Aktiengesellschaft zulässt. Dem Meinungsstand kann man entnehmen, dass das zentrale Argument gegen eine Haftung der Gesellschaft für Angaben im Vorfeld einer Beteiligung ist, dass diese nach den Grundsätzen der Kapitalerhaltung / Vermögensbindung ausgeschlossen sei, welche nach herrschender Meinung jede Leistung aus dem Vermögen der Aktiengesellschaft an einen Aktionär verbieten, wenn sie außerhalb der ordnungsgemäßen Ausschüttung des Bilanzgewinns erfolgt und nicht ausnahmsweise aufgrund einer speziellen gesetzlichen Regelung zugelassen ist. Anhand des Meinungsstandes zur vertraglichen Haftung zeigt sich jedoch, dass sich für den Fall, dass man eine Haftung unter Gesichtspunkten der Kapitalerhaltung / Vermögensbindung für zulässig hält, weitere Probleme stellen. Insbesondere werden Fragen der Grundsätze der Kapitalaufbringung, der Bestandskraft des Zeichnungsvertrages, des Verbots des Erwerbs eigener Aktien und des Verbots von Kursgarantien aufgeworfen. Führt eine Überprüfung der Grundsätze der Kapitalerhaltung / Vermögensbindung dazu, dass das Aktienrecht eine Haftung der Gesellschaft gegenüber Aktionären für Angaben um Vorfeld der Beteiligung komplett ausschließt, kommt es auf diese anderen Aspekte nicht mehr an. Ist eine Haftung der Gesellschaft mit diesen Grundsätzen vereinbar, gälte es im Weiteren zu prüfen, ob die anderen genannten Grundsätze und Verbote einer Haftung entgegenstehen.

74

1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

§ 4 Haftung der Aktiengesellschaft gegenüber Aktionären mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen vereinbar mit dem Grundsatz der Kapitalerhaltung / Vermögensbindung Der zentrale Wesenszug der Kapitalgesellschaft ist es, dass die Haftung der Aktionäre auf ihre Einlage, die sie an die Gesellschaft geleistet haben, beschränkt ist. Dies rechtfertigt es, das Gesellschaftsvermögen zum Schutz der Gläubiger der Aktiengesellschaft besonders gegen Zugriffe der Aktionäre zu schützen. Auf diese Weise werden außerdem die Aktionäre unter­ einander vor Sonderzuwendungen an Einzelne geschützt, die gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen könnten. Nach herrschender Meinung ist deshalb jede Leistung aus dem Vermögen der Aktiengesellschaft an einen Aktionär unzulässig, wenn sie außerhalb der ordnungsgemäßen Ausschüttung des Bilanzgewinns erfolgt und nicht ausnahmsweise aufgrund einer speziellen gesetzlichen Regelung zugelassen ist.1 In der Literatur wird dieser Grundsatz vielfach – wie im Recht der GmbH – als Grundsatz der Kapitalerhaltung bezeichnet. Es ist jedoch ganz herrschende Ansicht, dass der Grundsatz der Kapitalerhaltung im Recht der Aktiengesellschaft wesentlich weiter reicht als im Recht der GmbH.2 Während das Gesellschaftsvermögen in einer GmbH nur nicht unter die Stammkapitalziffer herabsinken darf, ist im Aktienrecht nach herrschender Meinung – mit wenigen Ausnahmen – jede direkte oder indirekte Vermögenszuwendung an die Aktionäre verboten, die keine Ausschüttung des ordnungsgemäß festgestellten Bilanzgewinns darstellt. In der Literatur wird deshalb statt dem Begriff der Kapitalerhaltung vermehrt der Begriff der Vermögensbindung verwendet3, um hervorzuheben, dass ein Unterschied zum Recht der GmbH besteht, bei welcher lediglich der Betrag des Stammkapitals geschützt ist (§ 30 Abs. 1 GmbHG). Der Grundsatz der Vermögensbindung stellt das stärkste Argument dar, eine umfassende Haftung der Gesellschaft gegenüber Aktionären für fehlerhafte Angaben im Rahmen einer Kapitalerhöhung zu versagen. Aus diesem Grund sind hier nicht nur die geltenden Regeln, sondern auch ihre Herleitung, ihr historischer Hintergrund sowie ihre innere Berechtigung zu untersuchen. Stellt sich heraus, dass die Vermögensbindung einer Haftung entgegensteht, gilt es zu prüfen, ob deshalb eines der Tatbestandsmerkaller: Hüffer, Aktiengesetz, § 57 Rn. 2. Konzepte finden sich bei Wilhelm, in: FS Flume II (1978), S. 337 und, ihm folgend, Fabritius, ZHR 144 (1980), 628. 3  Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 10, Bayer, in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 10: „Prinzip einer umfassenden Vermögensbindung“, vergleichbar auch Hüffer, AktG § 57 Rn. 2. 1  Statt

2  Andere



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen75

male der Haftung nicht mehr erfüllt ist, ob die Gesellschaft dies als Einrede geltend machen muss oder auf welche andere Weise es der Durchsetzung des Anspruchs entgegensteht.  

A. Meinungsstand zur aktienrechtlichen Kapitalerhaltung und Vermögensbindung I. Umfang 1. Herrschende Meinung: Einheitliches Vermögensbindungsprinzip

Die Kapitalerhaltung und die Vermögensbindung sind im Aktiengesetz nicht zweifelfrei und klar begrenzt festgeschrieben, sondern werden von Literatur und Rechtsprechung aus einem Bündel von Vorschriften entnommen: § 57 Abs. 1 AktG verbietet es, den Aktionären die Einlagen zurück zu gewähren. Gemäß § 57 Abs. 2 AktG dürfen den Aktionären keine Zinsen zugesagt oder gewährt werden, und gemäß § 57 Abs. 3 AktG (und § 58 Abs. 4 AktG) darf unter den Aktionären vor der Auflösung nur der Bilanzgewinn verteilt werden. Diese Regelungen werden ergänzt durch die §§ 59, 62, 66 Abs. 2, 71 ff. AktG.4 Nicht aus dem genauen Wortlaut, sondern aus einer Zusammenschau der §§ 57, 59, 62, 66 Abs. 2 und 71 ff. AktG ergeben sich Vermögensbindung und Kapitalerhaltung.5 Die herrschende Meinung räumt ein, dass das Gesetz das Gemeinte nur unvollkommen zum Ausdruck bringt.6 Andere bezeichnen die gesetzliche Formulierung sogar als unvollkommen und mehrfach missverständlich7 oder als höchst unglücklich und nur noch historisch zu verstehen8. Diese Grundsätze der Kapitalerhaltung / Vermögensbindung sind zwingend und abschließend im Sinne des § 23 Abs. 5 Satz 1, 2 AktG und können statuarisch nicht eingeschränkt werden.9 Nach herrschender Meinung schließen sie auch eine Anfechtung des Zeichnungsvertrages und damit eine Rückabwicklung der Beteiligung aus.10 Sie ergreifen in zeitlicher Hinsicht 4  Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 4, Bayer, in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 1, Fleischer, in: K. Schmidt / Lutter, § 57 AktG Rn. 1, Cahn / v.  Spannenberg, in: Spindler / Stilz, §  57 Rn.  1. 5  Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 4. 6  Hüffer, AktG § 57 Rn. 2, Lutter, in: KK AktG2 § 57 Rn. 5, Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 8, ählich Cahn / v.  Spannenberg, in: Spindler / Stilz, § 57 Rn. 14. 7  Bayer, in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 9. 8  Fleischer, in: K. Schmidt / Lutter, § 57 AktG Rn. 9. 9  Henze, in: Großkomm § 57 Rn. 6. 10  Siehe hierzu § 7 C.I.

76

1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

jeden Zeitraum ab Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister und dauern auch in der Abwicklung oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch fort.11 Vom Verbot der Einlagenrückgewähr werden auch Zuwendungen an zukünftige oder ehemalige Gesellschafter erfasst, sofern diese Zuwendungen im Zusammenhang mit Vorgängen aus der Zeit ihrer Mitgliedschaft stehen.12 Die herrschende Meinung betrachtet das Verbot der Einlagenrückgewähr und die Begrenzung der Ausschüttung auf den Bilanzgewinn überwiegend als einen einheitlichen Grundsatz, nach dem jede Leistung aus dem Vermögen der Aktiengesellschaft an einen Aktionär unzulässig ist, wenn sie „außerhalb der ordnungsgemäßen Ausschüttung des Bilanzgewinns – oder im Rahmen einer zulässigen Abschlagszahlung (§ 59) – erfolgt und nicht ausnahmsweise aufgrund einer speziellen gesetzlichen Regelung zugelassen ist (…), es sein denn, dass sie unter drittgleichen Bedingungen erfolgt“.13 Bei den speziellen gesetzlichen Ausnahmen handelt es sich beispielsweise um die Regelung, dass gemäß § 26 AktG gewisse Sondervorteile gewährt werden können oder nach einer förmlichen Kapitalherabsetzung der frei werdende Teil des Grundkapitals an die Aktionäre verteilt werden kann. Auch der Erwerb eigener Aktien und der Erwerb wechselseitiger Beteiligungen sind nur aufgrund besonderer gesetzlicher Regelungen zulässig. Austrittsrechte von Minderheitsaktionären gegen einen Anspruch auf Barabfindung fallen ebenfalls in diese Kategorie. Diese Ausnahmen folgen keinem bestimmten System und sind für die Bestimmung der eigentlichen Grenzen der Kapitalerhaltung nicht von Bedeutung. Auf die Frage, wann ein Geschäft unter drittgleichen Bedingungen abgeschlossen ist, kommt es nur für die Frage der vertraglichen Haftung an. Das Verbot der Einlagenrückgewähr in § 57 Abs. 1 AktG bildet die zentrale Norm der Kapitalerhaltung. Danach dürfen den Aktionären die Einlagen nicht zurückgewährt werden. Diese Regelung korrespondiert mit den Grundsätzen der Kapitalaufbringung14 sowie mit dem Verbot der Befreiung von der Einlagepflicht in § 66 AktG. Eine Rückgewähr liegt nach der h. M. vor, wenn das Vermögen der Gesellschaft zu Gunsten des Aktionärs geschmälert wird. § 57 Abs. 3 AktG als Verbot sonstiger Vermögensverteilung entspricht nach dieser Ansicht inhaltlich vollständig dem Verbot der Einla11  Bayer, in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 13, Cahn / v.  Spannenberg, in: Spindler / Stilz, §  57 Rn.  50. 12  Canaris, FS Rob. Fischer (1979), S. 31 (32 f.), Fleischer, in: K. Schmidt / Lutter, § 57 AktG Rn. 38, wohl auch Cahn / v.  Spannenberg, in: Spindler / Stilz, § 57 Rn. 55. 13  Bayer, in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 7. 14  Hüffer, AktG § 57 Rn. 1, Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 5.



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen77

genrückgewähr.15 Unter die Aktionäre darf vor Auflösung der Gesellschaft nur der Bilanzgewinn verteilt werden. Verboten ist dementsprechend nicht nur die Rückgewähr der tatsächlichen Einlage (gem. § 54 Abs. 1 AktG der Ausgabebetrag, also der Nennbetrag der Aktie sowie das Agio), sondern jede wertmäßige Beeinträchtigung des Gesellschaftsvermögens zugunsten des Aktionärs.16 Dabei wird nicht auf den gegenständlichen Bestand, sondern auf den rechnerischen Wert des Gesellschaftsvermögens abgestellt.17 Lutter formuliert diesen Grundsatz besonders einprägsam: „Was nicht Verteilung von Bilanzgewinn (oder Ausnahmefall) ist, ist Einlagenrückgewähr: Tertium non datur“.18 2. Neuere Ansicht: Differenzierung zwischen Kapitalerhaltung und Vermögensbindung

Neuere Ansätze wenden sich von diesem einheitlichen Verständnis der Vermögensbindung ab und nehmen an, dass das Verbot der Einlagenrückgewähr nur bestimmte Teile des Kapitals der Gesellschaft bindet. Die weitergehende Vermögensbindung in der Aktiengesellschaft ergibt sich dagegen aus anderen Vorschriften und dient anderen Schutzzwecken.19 Diese Ansicht ist mit den Ansätzen von Breit vergleichbar, der annahm, dass eine (unzulässige) Rückzahlung der Einlage nur vorliege, wenn durch die Zahlung die Grundkapitalziffer beeinflusst werde.20 Der übersteigende Teil könne nach einer Anfechtung oder im Rahmen einer Schadensersatzleistung an Aktionäre ausgezahlt werden.21 Die heutigen Vertreter dieser Ansicht stützen sich unter anderem auf einen Aufsatz von Lutter, der die Vermögensbindung in der Aktiengesellschaft als Drei-Schranken-System interpretiert: Als erste Schranke für eine Ausschüttung müsse das Nettovermögen der Gesellschaft höher sein als die Summe von Grundkapital und gesetzlicher Rücklage. Als zweite 15  Bayer, in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 131, Fleischer, in: K. Schmidt / Lutter, § 57 AktG Rn. 44. 16  Hüffer, AktG § 57 Rn. 2, Lutter, in: KK AktG2 § 57 Rn. 2, Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 8, Fleischer, in: K. Schmidt  /  Lutter, § 57 AktG Rn. 9, Cahn / v.  Spannenberg, in: Spindler / Stilz, § 57 Rn. 14 f. 17  Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 5. 18  Lutter, in: KK AktG2 § 57 Rn. 5. So auch Raiser / Veil, Kapitalgesellschaftsrecht4, § 19 I. Rn. 1 (S. 268), diese Ansicht geht zurück auf Brodmann, Aktienrecht (1928), Anm. 1a zu § 213. 19  Bezzenberger, Das Kapital (2005), S. 201–207, Fabritius, ZHR 144 (1980), 628 (632), Drygala, in: KK Akt3, § 57 RN. 9 ff., wohl auch Cahn, Kapitalerhaltung im Konzern, S. 15. 20  Breit, ZHR 76 (1915), 415 (447). 21  Breit, ZHR 76 (1915), 415 (438).

78

1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

Schranke müsse der diese Summe übersteigende Betrag als Bilanzgewinn ausgewiesen sein und als dritte Schranke müsse die Hauptversammlung die die Verteilung dieses Bilanzgewinns beschlossen haben. Dabei diene nur die erste Schranke dem Kapitalschutz. Die zweite Schranke sichere die Abgrenzung der Kompetenzen innerhalb der Gesellschaft und die dritte Schranke diene dem Schutz – insbesondere der Minderheit – vor ungleichmäßiger Verteilung.22 Als Lutter diese Ansicht im Jahr 1987 vertrat, war das Bilanzrichtlinien-Gesetz, das die gesetzliche und die Kapitalrücklage voneinander trennte, bereits (am 01. Januar 1986) in Kraft getreten. Da Lutter die Vermögensbestandteile für ausschüttbar hält, die über das Grundkapital und die gesetzliche Rücklage hinausgehen, ist dennoch anzunehmen, dass er mit dem Begriff „gesetzliche Rücklage“ weder die gesetz­ liche, aus Gewinnen gespeiste Rücklage (§ 150 Abs. 1, 2 AktG) noch den Anteil von 10 % oder einem in der Satzung festgelegten, höheren Anteil am Grundkapital (§ 150 Abs. 3 AktG) meinte, sondern sämtliche Bestandteile der gesetzlichen Rücklage und der Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB.23 Hätte er tatsächlich die gesetzliche Rücklage im heutigen Sinne gemeint, hätte es einer Begründung bedurft, weshalb Teile der Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB entgegen § 150 Abs. 3 AktG ausschüttbar sein sollten. Damit nahm Lutter also an, dass das Vermögen, das nicht ausschüttbar ist, auch vom Verbot der Einlagenrückgewähr erfasst wird. Aufbauend auf dieser Ansicht wurde vor einigen Jahren von Bezzenberger24 vorgeschlagen, den Begriff der (materiellen) Kapitalerhaltung zu verwenden, soweit es um die Erhaltung der Einlagen (§ 57 Abs. 1 AktG) geht, und die darüber hinausgehende Ausschüttungsbeschränkung als (formale) Gesamtvermögensbindung zu bezeichnen (§ 57 Abs. 3 AktG).25 Das Verbot der Einlagenrückgewähr, § 57 Abs. 1 AktG, erfasse nur das Grundkapital und die gebundenen Rücklagen der Gesellschaft. Diese gebundenen Rücklagen seien vor allem die Kapitalrücklage und die gesetzliche Gewinnrücklage.26 Das darüber hinausgehende Vermögen der Aktiengesellschaft sei ausschüttungsfähiges Eigenkapital, § 57 Abs. 3 AktG. Dieses Vermögen dürfe an die Aktionäre verteilt werden, wenn es als Bilanzgewinn ausgewiesen und in einem bestimmten Verfahren zur Ausschüttung bestimmt werde. Die materielle Kapitalerhaltung ordnet Bezzenberger dabei als gläubigerschützend ein. Die Vermögensbindung schütze dagegen die Aktionäre, in22  Lutter,

in: FS in: FS 24  Bezzenberger, 25  Bezzenberger, 26  Bezzenberger, 23  Lutter,

Stiefel, S. 505 (526 f.). Stiefel, S. 505 (527). Das Kapital (2005), S. 201–207. Das Kapital (2005), S. 206. Das Kapital (2005), S. 195.



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen79

dem sie eine gleichmäßige Behandlung und Teilhabe an der Verwendungsentscheidung garantiert.27 In eine ähnliche Richtung geht auch Fabritius, der sich auf Vorarbeiten von Wilhelm28 stützt. Er geht davon aus, dass den Gläubigern als „Garantiekapital“ nur das Grundkapital, das Agio und die gesetzliche Reserve versprochen sind. Nur die Rückgewähr dieser Leistungen sei durch das Verbot der Einlagenrückgewähr ausgeschlossen. Sämtliches Vermögen, das das Grundkapital übersteigt, könne dagegen – unter bestimmten, formalen Voraussetzungen – verteilt werden.29 Keiner der Beiträge geht auf die Frage einer Haftung der Gesellschaft gegenüber Aktionären ein. Im Ergebnis kommen sie für die Ausschüttung zu dem gleichen Ergebnis wie die herrschende Meinung: Das Grundkapital, die gesetzliche Rücklage und die Kapitalrücklage können nicht an die Aktionäre ausgeschüttet werden. Dieses Ergebnis leuchtet wegen § 150 Abs. 3, 4 AktG unmittelbar ein und soll hier auch nicht angezweifelt werden. Es stellt sich jedoch die Frage, ob auch aus diesen Ansätzen folgt, dass jede Leistung an einen Aktionär, die weder Verteilung von Bilanzgewinn noch ausnahmsweise zugelassen ist30, zwingend eine Einlagenrückgewähr darstellt. Differenziert man zwischen der Kapitalerhaltung, die im Wesentlichen aus dem Verbot der Einlagenrückgewähr besteht, und der Gesamtvermögensbindung, die sich mit den formalen Voraussetzungen einer Gewinnausschüttung beschäftigt, so öffnet sich ein Spalt zwischen beiden Regelungskomplexen, der es erlauben könnte, Zahlungen an Aktionäre zuzulassen, die nicht unter das Verbot der Einlagenrückgewähr fallen, ohne Ausschüttung von Bilanzgewinn zu sein. Diese Möglichkeit wird von Henze ausgeführt: Im Hinblick auf eine Haftung der Gesellschaft gegenüber einem Aktionär aufgrund der Verletzung von Mitgliedschaftsrechten hält er zwar eine Haftung mit dem Grundkapital sowie den gebundenen Rücklagen (Rücklagen gem. § 150 AktG) durch das Verbot der Einlagenrückgewähr für ausgeschlossen. Hinsichtlich der übersteigenden Vermögensmassen legt er anhand der historischen Entwicklung der Normen dar, dass das Kapitalerhaltungsgebot Schadensersatzleistungen an Aktionäre nicht wegen der Verletzung mitgliedschaftsbezogener Rechte entgegensteht, soweit diese aus freien Rücklagen erfolgen. Die Beschränkung der Aktionäre auf den Bilanzgewinn ist danach im Zusammenhang sowohl mit dem Verbot der Zinszahlung als auch mit den Regelungen über die Rücklagenbildung zu sehen. Sie stellt jedoch nicht das Gegenstück dar zum Verbot der Einlagenrückgewähr. Aus diesem Grund wendet sich Henze gegen die Ansicht der 27  Bezzenberger,

Das Kapital (2005), S. 287. in: FS Flume II (1978), S. 337. 29  Fabritius, ZHR 144 (1980), 628 (632). 30  So die Formulierung der h. M.: Statt aller Hüffer, § 57 Rn. 2, m. w. N. 28  Wilhelm,

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

herrschenden Meinung31, dass alles, was nicht Ausschüttung von Bilanzgewinn ist, eine verbotene Einlagenrückgewähr sei.32 Diese Ansätze zeigen, dass die gesetzliche Regelung der Kapitalerhaltung nicht notwendigerweise als einheitliches System verstanden werden muss. II. Schutzzwecke der Kapitalerhaltung Die weitreichende Vermögensbindung im Aktienrecht wird traditionell in erster Linie mit dem Gläubigerschutz gerechtfertigt. Im Interesse der Gläubiger solle sichergestellt werden, dass das Kapital der Gesellschaft nicht an die Aktionäre zurückfließt, sondern ausschließlich zur Erfüllung von Verbindlichkeiten der Aktiengesellschaft verwendet werde.33 Außerdem werde durch eine umfassende Bindung des Kapitals der Gesellschaft die Haftungsmasse faktisch vergrößert, was ebenfalls den Interessen der Gläubiger zugute komme. Diese Interessen der Gläubiger kollidieren mit dem Interesse der Aktionäre, über ihr wirtschaftliches Eigentum an der Gesellschaft zu verfügen, und den daraus resultierenden Gewinnverwendungsrechten. Aus diesem Grund besteht in der Literatur keine Einigkeit darüber, welche Teile des Vermögens der Aktiengesellschaft aus Gläubigerschutzgründen gebunden sind. 1. Vermögensbindung allein gläubigerschützend

Teilweise wird angenommen, dass bei der Aktiengesellschaft das gesamte Reinvermögen der Gesellschaft der gesetzlichen Bindung zugunsten der Gläubiger unterliege.34 Der einzige Zweck der Kapitalerhaltung gem. § 57 AktG sei der Gläubigerschutz, die übrigen Wirkungen seien lediglich Nebenfolgen.35 Andere halten jedenfalls das Grundkapital, die Kapitalrücklage und die gesetzliche Rücklage für gläubigerschützend.36 31  „Was nicht Verteilung von Bilanzgewinn (oder Ausnahmefall) ist, ist Einlagenrückgewähr: Tertium non datur“: Lutter, in: KK AktG2 § 57 Rn. 5. 32  Henze, NZG 2005, 115 (120 f.). In diese Richtung auch Hentzen, DStR 2006, 948 (bei Fn. 12). 33  Bayer, in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 1. 34  Wilhelm, in: FS Flume II (1978), S. 337 (339), Fleischer, in: K. Schmidt / Lutter, § 57 AktG Rn. 3. 35  Fleischer, in: K. Schmidt / Lutter, § 57 AktG Rn. 3, Fleischer, WM 2007, 909 (910), Cahn / v.  Spannenberg, in: Spindler / Stilz, § 57 AktG Rn. 6, Cahn, Kapitalerhaltung im Konzern, S. 12 ff. 36  Bezzenberger, Das Kapital (2005), S. 204  f., Wild, Prospekthaftung / Kapitalschutz, S. 29, Bommert, Verdeckte Vermögensverlagerungen im Aktienrecht, S. 98, uneindeutig: Drygala, in: KK Akt3, § 57 Rn. 30: „das Grundkapital (…) und die gesetzlichen Rücklagen“.



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen81 2. Verschiedene Schutzzwecke

Andere Stimmen in der Literatur gehen davon aus, dass die aktienrechtliche Kapitalerhaltung / Vermögensbindung nicht nur dem Schutz der Gläubiger dient. Überwiegend anerkannt werden der Schutz der Gleichbehandlung der Aktionäre und der Schutz der Kompetenzen der Gesellschaftsorgane.37 Darüber hinaus werden als weitere Schutzzwecke noch die korrekte bilanzielle Darstellung resp. der volle Gewinnausweis sowie der Schutz des Kapitalmarktes vor Täuschungen genannt.38 Wirtschaftlich stehe den Aktionären der Gewinn der Gesellschaft zu. Eine Ausschüttung dieses Gewinns sei nur möglich, wenn ein entsprechender Gewinnverwendungsbeschluss gefasst wurde. Die Gleichbehandlung der Aktionäre werde also geschützt, indem Sonderzuwendungen an einzelne unter Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz verhindert werden.39 Dafür, dass die aktienrechtliche Kapitalerhaltung  /  Vermögensbindung auch dem Schutz der Aktionäre dient, spräche unter anderem, dass in den Erwägungsgründen der Kapitalrichtlinie der Schutz der Aktionäre neben dem Schutz der Gläubiger als gleichwertiges Ziel bezeichnet werde.40 Darüber hinaus werde die Kompetenzverteilung innerhalb der Gesellschaft geschützt.41 Nur die Hauptversammlung dürfe darüber befinden, ob den Aktionären aus dem Vermögen der Aktiengesellschaft Zuwendungen gemacht werden.42 Allerdings ergebe sich der Bilanzgewinn, über dessen Verwendung die Aktionäre in der Hauptversammlung beschließen können, erst nach Einstellungen in und Entnahmen aus Rücklagen im Zuge der Aufstellung des Jahresabschlusses durch Vorstand und Aufsichtsrat, § 158 Abs. 1 AktG. Der Hauptversammlung stehe die Entscheidung über den Verteilungsschlüssel für die Höhe der einzelnen Dividendenrechte sowie über 37  Hüffer, § 57 AktG Rn. 1, Bayer, in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 2, Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 7. 38  Schön, in: FS Röhricht (2005), S. 559 (561), Ballerstedt, Kapital (1949), S. 132 ff. 39  Lutter, in: KK AktG2 § 57 Rn. 2, Bayer, in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 2, Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 7, Hüffer, AktG § 57 Rn. 1, Bezzenberger, Das Kapital (2005), S. 205, Ballerstedt, Kapital (1949), S. 133, Schön, in: FS Röhricht (2005), S. 559 (561, 564 f.). 40  Zweite Richtlinie 77 / 91 / EWG des Rates vom 13. Dezember 1976 – 2. Erwägungsgrund, Bayer, in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 2. 41  Lutter, in: KK AktG2 § 57 Rn. 2, Bayer, in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 2, Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 7, Hüffer, AktG § 57 Rn. 1, Bezzenberger, Das Kapital (2005), S. 205, Ballerstedt, Kapital (1949), S. 133. 42  Lutter, in: KK AktG2 § 57 Rn. 2, Bayer, in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 2, Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 7, Hüffer, AktG § 57 Rn. 2, Ballerstedt, Kapital (1949), S. 133, Bezzenberger, Das Kapital (2005), S. 205, Schön, in: FS Röhricht (2005), S. 559 (561, 565).

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

den für die Gewinnverteilung maßgeblichen Zeitpunkt zu.43 Dieses Kompetenzgefüge würde durch Ausschüttungen an Aktionäre außerhalb dieses Systems ausgehöhlt. Hinsichtlich der korrekten bilanziellen Darstellung durch vollen Gewinnausweis ist fraglich, ob diese noch heute als Schutzzweck der Kapitalerhaltung benannt werden sollte. Die These besagt, der Gewinn, den die Gesellschaft erwirtschaftet, dürfe nicht durch Vorabführungen an die Aktionäre verkürzt werden, sondern solle voll als Gewinn der Gesellschaft ausgewiesen werden.44 Sie beruht auf der Arbeit von Ballerstedt aus dem Jahr 1949 und entstand somit vor Einführung des AktG 1965 und vor der Umsetzung der Bilanzrichtlinie durch das BiRiLiG. Darüber hinaus wird der Schutz des anlagesuchenden Publikums vor Täuschungen über den Ertragswert der Aktie durch die Verteilung von nicht dem Bilanzgewinn entstammenden Dividenden und vor der damit einhergehenden künstlichen Erhöhung des Aktienkurses als Schutzzweck genannt.45 Nach Ansicht von Bayer handelt es sich dabei nur um einen kapitalmarktrechtlichen Nebeneffekt.46 Darüber hinaus wird in der Literatur vertreten, dass die Beschränkung der Aktionäre auf den zur Verteilung bestimmten Gewinn die rechtliche Eigenständigkeit der Aktiengesellschaft als juristische Person47 oder zumindest ihr wirtschaftliches Bestandsinteresse48 schütze. Es ist zwar sicherlich anzuerkennen, dass es ein Interesse der Arbeitnehmer und somit ein volkswirtschaftliches Interesse an dem Funktionieren von Unternehmen gibt. Weshalb in einer Aktiengesellschaft, anders als in allen anderen Gesellschaften, das volkswirtschaftliche Interesse und das Interesse der Arbeitnehmer sich jedoch auf die Kapitalbindung auswirken sollte, wird durch diese Stimmen in der Literatur nicht erläutert. Dieser Ansatz ist dementsprechend abzulehnen, da ein über die kumulierten Interessen von Gesellschaftern und Gläubigern hinausgehendes, eigenständiges Unternehmensinteresse nicht existiert.49 Vielmehr entspringen dieser Interessenskonstellation lediglich Pflichten des Vorstands und der Gesellschafter. 43  Henze,

in: Großkomm AktG § 57 Rn. 7. Kapital (1949), S. 133 f., ihm folgend Schön, in: FS Röhricht (2005), S. 559 (561, 565 f.). 45  Lutter, in: KK AktG2 § 57 Rn. 2, Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 7. 46  So aber Bayer, in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 3. 47  Flume, AT I / 2, § 8 IV 2 a (S. 286). 48  Flechtheim, in: Düringer / Hachenburg, HGB3, Anm. 1 zu § 213, Ebenroth, in: FS Trinkner, 1995, S. 119 (124 f.). 49  Hüffer, Aktiengesetz, § 76 Rn. 15, 13 bezeichnet das als sehr strittig, nimmt es aber im Ergebnis so an. 44  Ballerstedt,



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen83

III. Zusammenfassung Die herrschende Meinung hält den Grundsatz der Kapitalerhaltung für ein einheitliches Prinzip, nach dem jede Leistung an einen Aktionär, die nicht im Rahmen der Gewinnausschüttung erfolgt oder ein zulässiges Dritt­ geschäft darstellt oder von einer gesetzlichen Ausnahme gedeckt ist, ver­ boten ist. Diese weitgehende Auslegung insbesondere des Verbots der ­Einlagenrückgewähr ergibt sich jedoch nach der herrschenden Ansicht nicht aus dem Wortlaut des Gesetzes, sondern erst aus der Zusammenschau ­verschiedener Vorschriften. Dementsprechend sehen einige andere Autoren kein einheit­liches Prinzip der Kapitalerhaltung verwirklicht, sondern nehmen an, dass zwischen der Kapitalerhaltung im Sinne einer materiellen Bindung des Grundkapitals und mancher Rücklagen auf der einen Seite und der Vermögensbindung im Sinne einer nur formellen Bindung der darüber hinausgehenden Eigenkapitalbestandteile auf der anderen Seite zu unterscheiden ist. Einigkeit besteht im Hinblick auf die Schutzzwecke dahingehend, dass die Vermögensbindung jedenfalls dem Gläubigerschutz dient. Die Stimmen in der Literatur, die neben diesem noch weitere Schutzzwecke anerkennen, benennen den Schutz der aktienrechtlichen Kompetenzordnung, den Schutz der Gleichbehandlung der Aktionäre, den Schutz der korrekten bilanziellen Darstellung sowie den Schutz vor Täuschungen des Kapitalmarktes.

B. Eigener Lösungsansatz im Hinblick auf die Grundsätze der Kapitalerhaltung und der Vermögensbindung Die herrschende Meinung, die eine sehr weitgehende Bindung des Vermögens in der Aktiengesellschaft annimmt, soll im Folgenden überprüft werden. In der Literatur werden diese Annahmen überwiegend zugrundegelegt, ohne dass ihre Herleitung deutlich gemacht wird. Es ist weder eindeutig, dass der Gesetzgeber eine so weitgehende Bindung anstrebte, noch ergibt sich diese Bindung zwingend aus dem Wortlaut des Gesetzes. Auch die Zwecke dieser umfassenden Bindung wurden bisher nicht ausreichend ­untersucht. Es ist deshalb erforderlich, zunächst genau zu prüfen, aus welchen Vorschriften sich die Normen entwickelt haben, auf die heute die Vermögensbindung gestützt wird, und was der Gesetzgeber bei ihrer Einführung bezweckt hat. Hierzu liegen bisher lediglich unvollständige Ansätze vor.50 Auf dieser 50  Wilhelm,

in: FS Flume II (1978), S. 337, Henze, NZG 2005, 115 (120 f.).

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

Untersuchung aufbauende Aussagen über die Intention des Gesetzgebers stellen einen wesentlichen Aspekt bei der Auslegung der heutigen Normen dar (I.). Im Anschluss daran gilt es zu überprüfen, wie das Aktiengesetz heute die Vermögensbindung ausgestaltet. Anhand der unterschiedlichen Verwendungsmöglichkeiten der Eigenkapitalbestandteile können Aussagen darüber getroffen werden, welchen Schutzzwecken die einzelnen Bestandteile dienen (II.). Dies erlaubt eine Allokation der aus der Haftung resultierenden Risiken zu den Schutzzwecken sowie Aussagen darüber, wie sich diese Schutzzwecke zum durch die Haftung der Aktiengesellschaft bewirkten Schutz der Aktionäre verhalten (III.). Anhand dessen können Aussagen darüber getroffen werden, in welchem Umfang die Vorschriften über die Kapitalerhaltung einer Haftung der Gesellschaft entgegenstehen (IV.). I. Historische Entwicklung der Kapitalerhaltungsund Vermögensbindungsvorschriften Um zu verstehen, worauf die sehr weitgehende, heute herrschende Meinung zur Kapitalerhaltung beruht, gilt es, im Rahmen einer historisch-teleologischen Auslegung51 die Entwicklung der Regelungen zur Kapitalerhaltung im Laufe der Entwicklung des Aktienrechts zu verfolgen.52 Die Entstehung der Aktiengesellschaft beginnt nicht mit einem Rechtssetzungsakt eines Gesetzgebers, sondern als rein tatsächliche Entwicklung aus Banken der Renaissance-Zeit (mit einer Haftungsbeschränkung und übertragbaren Anteilen)53 sowie aus den Handelskompagnien des 17. Jahrhunderts.54 Die ersten in Deutschland geltenden Gesetze, die diese Entwicklung aufnahmen, waren der Code de Commerce von 180755 sowie das 1808 / 1809 eingeführte Badische Landrecht.56 Beide enthielten ein Konzessionssystem für Aktiengesellschaften. In Preußen traf zunächst nur das „Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten“ von 1794 einige verstreute Regelungen im Hinblick auf Aktien, die die Aktiengesellschaft von den Handelsgesellschaften unterschieden.57 Das moderne deutsche Aktienrecht geht jedoch in erster 51  Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft6, S. 344, vgl. auch Bydlinski, Grundzüge Methodenlehre, S. 21. 52  Die relevanten historischen Vorschriften sind im Anhang abgedruckt. 53  a. A. Assmann, in: Großkomm AktG Einl Rn. 14. 54  K. Schmidt, GesR § 26 II 1 a) (S. 759), Assmann, in: Großkomm AktG Einl Rn. 14. 55  Dieser galt in den deutschen Ländern, in denen das französische Recht Anwendung fand, also insbesondere in den preußischen Rheinprovinzen, Rheinhessen und der bayerischen Rheinpfalz (Assmann, in: Großkomm AktG Einl Rn. 34). 56  Dieses galt in Baden und enthielt einen Anhang „Von den Handelsgesetzen“ (Baums, AktG 1843 Materialien, S. 23–26). 57  Baums, AktG 1843 Materialien, S. 15 f.



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen85

Linie auf das preußische Gesetz über die Aktiengesellschaft vom 09. November 1843 zurück. Eine einheitliche deutsche Regelung des Handelsrechts, die dann auch das Aktienrecht umfasste, entstand erst mit dem Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch, das am 01. März 186258 in Kraft trat. 1. Preußisches Gesetz über die Aktiengesellschaften in der Fassung vom 09. November 1843

a) Auf das Gesetz hinführende tatsächliche Entwicklung In Brandenburg-Preußen wurden im 17. und 18. Jahrhundert zahlreiche „Kompagnien auf Aktien“ gegründet, ohne dass dafür ein gesetzlicher Rahmen bestand. Vielmehr wurden diese als „erlaubte Privatgesellschaft“ staatlich geduldet. Die rechtliche Grundlage dieser Aktienkompagnien lag zum einen in ihren Statuten und zum anderen in der „Octroi“ genannten, obrigkeitlichen Urkunde über die Genehmigung einer privilegierten Handelsgesellschaft. In diesem „Octroi“ waren alle den Beteiligten und deren Rechtsnachfolgern bewilligten Ausnahmen von der Anwendung des allgemeinen Rechts fixiert.59 Erst mit der Zeit entwickelte sich eine klare Trennung zwischen den Statuten der Gesellschaft und den Octroi.60 Das heute übliche Grundkapital und der Dividendenanspruch bildeten sich im Laufe des 18. Jahrhunderts heraus. Mit dieser Entwicklung geht auch die Herausbildung von Regeln zu Erhaltung und Sicherung des Kapitals durch die Zurückdrängung von Austritts- und Einlagerückforderungsrechten, durch ver58  Art. 1

des Einführungsgesetzes zum ADHGB. AktG 1843 Materialien, S. 13 m. w. N., Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 20 f. Der Aktiengesellschaft konnten bestimmte Privilegien verliehen werden wie beispielsweise die Wechsel- und Grundbuchfähigkeit, das Recht einer beschränkten Haftung oder die Rechte einer moralischen Person (Baums, AktG 1843 Materialien, S. 16 f.). „Die moralische Person ist dabei keine von der Gesamtheit der Mitglieder zu unterscheidende juristische Person, sondern lediglich eine Bezeichnung für die Gesamtheit der Mitglieder hinsichtlich ihres Auftretens in Rechtsverkehr“ (Baums, AktG 1843 Materialien, S. 21). Diese Privilegien wurden jedoch äußerst zögerlich vergeben: Die Rechte einer moralischen Person wurden nur erteilt, wenn in einem Geschäftszweig ein bereits bestehendes Monopol aufgebrochen werden sollte oder wenn die Gesellschaft einen im allgemein staatswirtschaftlichen Interesse wurzelnden, gemeinnützigen Zweck verfolgte. Die übrigen Gesellschaften erlangten lediglich Teilprivilegien (Baums, AktG 1843 Materialien, S. 27 f.). Das Prinzip der Privilegien wurde jedoch kritisiert, es führe zur Rechtsunsicherheit und stehe im Widerspruch zum Legitimationsprinzip (Baums, AktG 1843 Materialien, S. 20). Das Oktroi-System erlaubte es dem Staat, auf die Geschicke der Gesellschaft starken Einfluss zu nehmen: Aktiengesellschaften waren mehr Instrumente staatlicher Interessenverfolgung als Instrumente privater Erwerbstätigkeit (Assmann, Prospekthaftung (1985), S. 40 f.). 60  Assmann, in: Großkomm AktG Einl Rn. 23, Assmann, Prospekthaftung (1985), S.  40 f. 59  Baums,

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

minderte Zugriffsrechte der Gläubiger der Aktionäre und durch eine Reglementierung des Dividendenanspruchs einher.61 b) Erlass des Preußischen Aktiengesetzes Insgesamt war die Rechtslage für die Aktienkompagnien in Preußen und den anderen deutschen Staaten zersplittert und in Preußen zusätzlich noch unsicher und wenig praxistauglich. Dies stellte angesichts des wachsenden Kapitalbedarfs der Unternehmen in der Industrialisierung, insbesondere im Eisenbahnbau, ein Problem dar. Ab dem Jahr 1837 wurde aus diesem Grund ein Aktiengesetz ausgearbeitet, das am 09. November 1843 erlassen wurde.62 Dieses preußische Aktiengesetz beruhte gem. § 1 auf dem Konzes­ sionssystem.63 Zur Kapitalerhaltung und Gewinnverwendung enthielt das Gesetz die im Anhang abgedruckten Regelungen der §§ 15–17 AktG 1843. Die §§ 15, 16 AktG 1843 drücken dabei den Grundsatz der nach innen und außen beschränkten Haftung aus. Im Hinblick auf die Kapitalerhaltung war in der Entstehungsphase umstritten, ob ein Aktionär – wie bei einer Personengesellschaft – ein Recht auf Austritt aus der Gesellschaft verbunden mit einem Rückzahlungsanspruch bezüglich der von ihm erbrachten Einlage haben sollte. Dem Aktionär ist es nach den Motiven des ersten Entwurfs verwehrt, aus der Gesellschaft auszutreten und sein eingeschossenes Kapital wieder zu verlangen. Dadurch soll das Unternehmen davor geschützt werden, dass das einkalkulierte Kapital durch das Ausscheiden einzelner Mitglieder geschmälert wird. Andererseits sollte ein Aktionär aber auch nicht dauerhaft an der 61  Assmann,

in: Großkomm AktG Einl Rn. 24. AktG 1843 Materialien, S. 29–35. 63  Vgl. hierzu Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 29 f. In der Diskussion im Vorfeld des Erlasses war strittig, ob die Privilegien der Aktiengesellschaft wie die beschränkte Haftung nur solchen Unternehmen zugute kommen sollten, die einen im staatswirtschaftlichen Interesse liegenden, gemeinnützigen Zweck haben, oder ob dieses Vorrecht allen Aktiengesellschaften unabhängig von ihrem Zweck zustehen sollte. Insbesondere aufgrund eines Votums Savignys sah das Aktiengesetz von 1843 keine Differenzierung zwischen Gesellschaften mit einem gemeinnützigen Zweck und anderen Gesellschaften vor. Gem. § 8 sollten Aktiengesellschaften durch die Genehmigung die Eigenschaften juristischer Personen erhalten. Allerdings sollten die Bedingungen für die Genehmigung in einer Verwaltungsvorschrift festgelegt werden. Über diese Ermessensrichtlinie für die Genehmigung von Aktiengesellschaften führte die Ministerialverwaltung später die Differenzierung zwischen gemeinnützigen und anderen Aktiengesellschaften jedoch wieder ein: Der Antrag auf Genehmigung der Errichtung einer Aktiengesellschaft sollte überhaupt nur berücksichtigt werden, wenn der Zweck des Unternehmens aus allgemeinen Gesichtspunkten nützlich und der Beförderung wert erscheine (Baums, AktG 1843 Materialien, S. 29–35). 62  Baums,



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen87

Beteiligung an der Gesellschaft festgehalten werden. Als Mittelweg wurde gewählt, dass der einzelne zwar aus der Gesellschaft ausscheiden kann (indem er den Anteil veräußert, oder indem er den Austritt erklärt und das Kapital der Gesellschaft belässt), aber das eingelegte Kapital nicht zurückziehen kann.64 Geregelt war also schon damals, dass die Einlage nicht an die Aktionäre zurückgezahlt werden kann. Der Aktionär konnte nur einen Anteil am Jahresüberschuss fordern. Da es weder Regelungen über das Agio noch über gebundene Rücklagen gab, war in der Gesellschaft sämtliches Eigenkapital, abgesehen vom Grundkapital, Gewinn der Gesellschaft. Das Verbot der Einlagenrückgewähr korrespondierte tatsächlich mit der Aussage, dass an die Gesellschafter (nur) der Gewinn der Gesellschaft ausgeschüttet werden kann: Das gesamte Eigenkapital der Gesellschaft ist also entweder Grundkapital oder Gewinn. 2. Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch in der Fassung von 1861

a) Entstehung, Anwendungsbereich und Inhalt Im Jahre 1861 wurde das ADHGB beschlossen, das die Rechtslage des Handelsrechts in ganz Deutschland vereinheitlichen sollte. Es wurde in den einzelnen deutschen Staaten durch Einführungsgesetze erlassen.65 Obwohl das ADHGB unter anderem auf rechtsvergleichenden Studien beruht, folgte es im Hinblick auf die Aktiengesellschaften eindeutig dem Preu­ ßischen Aktiengesetz von 1843.66 Das Konzessionssystem wurde im AD­ HGB grundsätzlich aufrecht erhalten. Jedoch hatten die Landesgesetzgeber gem. Art. 249 ADHGB die Möglichkeit, vom Konzessionserfordernis abzuweichen.67 64  Motive zum Entwurf der Kommission für die Revision des Handelsrecht, abgedruckt bei Baums, AktG 1843 Materialien, S. 47 ff. (60 f.). 65  Assmann, in: Großkomm AktG Einl Rn. 76. Das Preußische Einführungsgesetz stammt vom 24. Juni 1861. Im Ganzen wurden im ADHGB fünf Arten von Handelsgesellschaften geregelt, nämlich die offene Handelsgesellschaft, die Commanditgesellschaft, die Commanditgesellschaft auf Actien, die Actiengesellschaft und die stille Gesellschaft: Kräwel, Handels-Gesetzbuch (1862), S. 99. 66  Assmann, in: Großkomm AktG Einl Rn. 70. Die Vorschriften des ADHGB 1861 für die Aktiengesellschaft ersetzten für solche Aktiengesellschaften, deren Unternehmensgegenstand in Handelsgeschäften besteht, die Bestimmungen des Gesetzes über die Aktiengesellschaften vom 09. November 1843, Art. 12 des Einführungsgesetzes zum ADHGB. Soweit der Unternehmensgegenstand nicht in Handelsgeschäften bestand, galt das Aktiengesetz vom 09. November 1843 fort (Makower, HGB 18612, Vor Art. 207 ADHGB Anm. 1). 67  Assmann, in: Großkomm AktG Einl. Rn. 73, Assmann, Prospekthaftung (1985), S. 44 bei Fn. 36.

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

Die Grundkonzeption des Preußischen Gesetzes wurde für die Aktiengesellschaft beibehalten. Innerhalb der hier interessierenden Normen wurde vor allem konkretisiert, wie der ausschüttbare Überschuss zu bestimmen ist. Reiner Gewinn sollte nur dann vorhanden sein, wenn nach Ergänzung des etwa verminderten Stammkapitals noch Gewinn bestand. Bei der Berechnung des Reingewinns ist daher in der Bilanz jeweils das Stammkapital in seiner ursprünglichen Höhe anzusetzen, auch wenn nach der letzten Bilanz dasselbe durch Verluste verringert sein sollte.68 Erstmals wurde mit Art. 248 ADHGB 1861 eine Regelung über die Rückzahlung von Teilen des Nominalkapitals aufgenommen, was eine Vorläufer-Regelung zur heutigen Kapitalherabsetzung darstellt. Im Vergleich zu heute fehlen unter anderem Normen über die Kapitalerhöhung, das Agio und die Bindung der Rücklagen. b) Regelungen und Gefährdungen der Kapitalaufbringung und -erhaltung Aus heutiger Sicht stellte die Möglichkeit der sog. „Aktienliberierung“ die größte Gefahr für die ordnungsgemäße Aufbringung des Grundkapitals dar. Nach dieser Regelung konnte – gemäß der Regelung des Art. 222 Nr. 3 ADHGB 1861 – der Gesellschaftsvertrag die Möglichkeit vorsehen, dass nach Einzahlung von 40 % des Nominalkapitals der Zeichner von der Haftung für die weiteren Einzahlungen befreit werden konnte. Dieser Regelung entsprach keine Vorschrift des preußischen Aktiengesetzes von 1843. Da auch die Ausgabe von Aktienurkunden vor der Volleinzahlung gestattet war, war diese nicht voll eingezahlte Aktie als Inhaberpapier frei handelbar.69 Für die Gläubiger bedeutete dies, dass das angegebene Nominalkapital nicht notwendigerweise auch tatsächlich als Haftkapital eingezahlt werden musste – für unser heutiges Empfinden ein sehr merkwürdiges Ergebnis. Auch die Dogmatik zur Kapitalerhaltung war selbstverständlich noch nicht so weit fortgeschritten wie heute. Grundsätzlich hatten das Gesetz und auch die Literatur erkannt, dass das Grundkapital das wesentliche Zugriffsobjekt für die Gläubiger war, weshalb es vor einer Rückzahlung an die Aktionäre geschützt werden muss. Damit wurde beispielsweise die Regelung des Art. 248 ADHGB 1861 begründet: Die Gesellschaftsgläubiger müssten gegen eine vorzeitige Kapitalrückzahlung und gegen eine Beseitigung aller Mittel für ihre Befriedigung geschützt werden. Eine solche Garantie sei für die Gläubiger einer Aktiengesellschaft unentbehrlich, da diese nicht den Gesell68  Makower,

HGB 18612, Art. 217 Anm. 1 c. Hundert Jahres modernes Aktienrecht (1985), S. 78 f.

69  Schubert / Hommelhoff,



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen89

schaftern, sondern dem zusammengeschlossenen Vermögen vertrauen.70 Allerdings war die Überzeugung, dass das Grundkapital unbedingt zu erhalten sei, nicht die allein herrschende Meinung. Wilhelm71 zeigt, dass im Zeitpunkt des Erlasses des ADHGB zwar manche die Ansicht vertraten, dass das Grundkapital nicht zurückgezahlt werden dürfe und an die Aktionäre nur der Jahresabschlussgewinn verteilt werden darf. War das Grundkapital vermindert, konnten nach dieser Ansicht keine Gewinne ausgezahlt werden (es müsse erst das Grundkapital wieder aufgefüllt werden). Andere gingen allerdings davon aus, dass ein Herabsinken des Gesellschaftsvermögens unter den Betrag des Grundkapitals nicht in allen Fällen zu einem Ausschluss der Gewinnauszahlung führen sollte.72 Jedoch nahm niemand an, dass eine Bindung bestehen sollte, die über das Grundkapital hinausgehen sollte.73 In der Literatur wurden auch noch weitergehende Ansichten vertreten. Es wurde beispielsweise für möglich gehalten, dass der Gesellschaftsvertrag die Rückzahlung des eingezahlten Betrages nach einer gewissen Frist oder nach Eintritt eines gewissen Ereignisses zusichert.74 Diese Rückzahlung wurde für völlig unproblematisch gehalten, wenn der Gesellschaftsvertrag die staatliche Genehmigung erhalten hatte. Aber auch in den Staaten, in denen die Bestätigung eines Vertrages über die Errichtung einer Aktiengesellschaft nach den Landesgesetzen nicht erforderlich ist, sollte Art. 216 ADHGB, der die Rückforderung des eingezahlten Betrages ausschließt, nicht zur Anwendung kommen, wenn er dem Gesellschaftsvertrag widerspräche, da er nicht als unbedingtes Verbotsgesetz anzusehen sei.75 Zusammenfassend stimmt die Kapitalerhaltung nach dem ADHGB 1861 weitgehend mit der Konzeption des Preußischen Aktiengesetzes von 1843 überein. Grundsätzlich waren die Kapitalaufbringung und die Kapitalerhaltung hinsichtlich des Nominalbetrages festgelegt.76 Eine über das Nominalkapital hinausgehende Bindung des Gesellschaftsvermögens existierte nicht. Zusätzlich bot die Figur der Aktienliberierung die Möglichkeit, den Nominalbetrag nicht vollständig einzahlen zu müssen.

70  Kräwel,

Handels-Gesetzbuch (1862), S. 293 f. (Erl. zu Art. 248). in: FS Flume II (1978), S. 337 (351). 72  Die zweite Ansicht wurde durch die Änderung des Art. 217 ADHGB durch die Reform von 1870 unvertretbar, siehe unten. 73  Wilhelm, in: FS Flume II (1978), S. 337 (351). 74  Kräwel, Handels-Gesetzbuch (1862), S. 265 (Anm. 2 zu Art. 216). 75  Kräwel, Handels-Gesetzbuch (1862), S. 265 (Anm. 2 zu Art. 216). 76  Vgl. hierzu Wilhelm, in: FS Flume II (1978), S. 337 (351). 71  Wilhelm,

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft 3. Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch in der Fassung vom 11. Juni 1870 – Abschaffung des Konzessionssystems

Schon während der Kodifikation des Aktienrechts im ADHGB von 1861 gab es Stimmen, die das Konzessionssystem kritisierten. Dieses gewährleiste weder die Solidität der Gründungsprojekte noch ein ordnungsgemäßes Geschäftsgebaren der Gesellschaften nach innen und außen und garantiere auch nicht den Schutz des breiten Publikums.77 Ursprünglich lag dieser gesetzlichen Regelung die Annahme zugrunde, dass durch die Konzessionierung das Publikum vor Schäden bewahrt werden könnte, die sich aus der beschränkten Haftung der Aktionäre ergeben könnten.78 Später setzte sich die Erkenntnis durch, dass ein Schutz gegen die Benachteiligung durch unsolide Unternehmungen unerreichbar sei. Vielmehr verlasse sich das Publikum auf die Fürsorge des Staates, wodurch die Opfer des Schwindels vermehrt und nicht verhütet würden.79 Als eine nur mehr theoretische Gefahr wurde die allgemeine wirtschaftspolitische Furcht vor der Kumulation von Kapitalien gesehen.80 Die Genehmigungsbedürftigkeit der Aktiengesellschaft hatte außerdem dazu geführt, dass Unternehmen, bei denen es zweifelhaft war, ob die staat­ liche Genehmigung ohne weiteres erteilt werden würde (z. B. Großbanken), auf die – genehmigungsfreie – Rechtsform der KGaA ausgewichen waren.81 Die bisherige staatliche Kontrolle durch das Konzessionssystem wurde deshalb mit dem ADHGB 1870 durch ein Registrierungsverfahren mit gewissen Normativbedingungen ersetzt, die sich auf die Gründung und die laufende Verwaltung der Aktiengesellschaft bezogen.82 Wesentliche Modifikationen der Kapitalerhaltung wurden durch diese Änderungen nicht bewirkt. Außerdem wurde durch die Novelle von 1870 die Beschränkung der Gesellschaftsform der Aktiengesellschaft auf Handelsgeschäfte aufgehoben.83 Zusätzlich kam es zu einer weitgehenden Reform der internen Verfassung der Aktiengesellschaft,84 unter anderem wurde gemäß Art. 209 Nr. 6 ADHGB 1870 erstmals die Bildung eines Aufsichtsrats verpflichtend. Der Wegfall der Konzessionierung sollte durch erweiterte Möglichkeiten der Kontrolle und der Interessenswahrnehmung durch die Aktionäre – insbeson77  Assmann, in: Großkomm AktG Einl. Rn. 68. Vgl. hierzu auch Hopt, Kapitalanlegerschutz, S.  32 ff. 78  Schubert, ZGR 1981, 285 (286). 79  Schubert, ZGR 1981, 285 (287), Assmann, in: Großkomm AktG Einl Rn. 81, Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 33 f. 80  Schubert, ZGR 1981, 285 (288). 81  Klausing, Aktiengesetz (1937), Einleitung III 1. a) (S. 10*). 82  Schubert, ZGR 1981, 285 (288). 83  Assmann, in: Großkomm AktG Einl Rn. 80. 84  Assmann, in: Großkomm AktG Einl Rn. 80.



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dere im Aufsichtsrat – gegenüber dem Vorstand und der Gesellschaft aufgewogen werden.85 Darüber hinaus wurde die Möglichkeit der Aktienliberierung noch erweitert, indem die Landesgesetzgeber die Befugnis erhielten, die Höhe der Einzahlung, ab der der Gesellschaftsvertrag von der Erbringung der weiteren Einzahlungen befreien konnte, auf 25 % des Nominalbetrages abzusenken (Art. 222 Abs. 2 ADHGB 1870). Es zeigt sich also, dass der Wegfall der Konzessionierung nicht durch verschärfte Regeln über die Kapitalerhaltung kompensiert wurde. Gesetzlich war nicht mehr als die Erhaltung des Grundkapitals gesichert.86 Zusätzlich war die Möglichkeit zur Aktienliberierung erweitert worden. 4. Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch in der Fassung vom 18. Juli 1884 – Erstmalige Bindung einer Gewinn- und einer Kapitalrücklage

a) Anlass und Inhalt der Novelle Die weitreichende Reform von 1884 wird als einer der bedeutsamsten Schritte in der Geschichte des Aktienrechts eingestuft.87 In der Novelle von 1870 war das schützend wirkende Konzessionssystem abgeschafft worden, ohne dass in ausreichendem Umfang neue Schutzmechanismen eingeführt worden waren.88 Da die danach vermehrt auftretenden Betrugsfälle jedoch genauso an dem kurzsichtigen Interesse der Aktionäre an Dividende, Kurs und Handelbarkeit der Aktie sowie an außerrechtlichen Ursachen wie dem Aufschwung im Zusammenhang mit dem Krieg von 1870  /  71 und einer allgemeinen Spekulationsbereitschaft und Gewinnsucht festgemacht wurden, kam es nicht zu einer radikalen Reform89, sondern nur zu maßvollen Ände85  Schubert,

ZGR 1981, 285 (305 f.), Assmann, in: Großkomm AktG Einl Rn. 86. in: FS Flume II (1978), S. 337 (352). 87  K. Schmidt, GesR § 26 II 2 b) (S. 762). Positive Einschätzung auch bei Schubert, ZGR 1981, 285 (315) m. w. N., und bei Schubert / Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht (1985), S. 102 f. 88  Die allgemeine Begründung zur Novelle von 1884 führt aus, dass schon in den Motiven der Reform von 1870 befürchtet worden war, dass mit der Abschaffung des Konzessionserfordernisses eine „Periode des Aktienschwindels“ eintreten könne. Dieses Risiko habe sich jedoch in viel größerem Maße als angenommen verwirklicht: Allgemeine Begründung zum Entwurf eines Gesetzes betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften, Aktenstück Nr. 21 vom 07. März 1884, S. 216 ff. (237), abgedruckt bei Schubert / Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht (1985), S. 387 ff. (408). 89  Sogar eine Abschaffung der Gesellschaftsform der Aktiengesellschaft war erwogen worden: Assmann, in: Großkomm AktG Einl Rn. 87, Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 37. 86  Wilhelm,

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

rungen.90 Durch diese wurde das 1870 eingeführte Normativsystem nicht durch ein anderes System ersetzt, sondern nur abgesichert.91 Auch der Gedanke des Anlegerschutzes kam damals bereits zum Ausdruck: In der Gesetzesbegründung wurde es als Pflicht des Staates angesehen, „durch seine Gesetzgebung dem Publikum in der Abwehr gegen Uebervortheilung und Vergewaltigung nach Möglichkeit Schutz zu bieten; denn es liegt in der Natur des Aktienwesens, daß bei der Gründung und Verwaltung der Aktiengesellschaften das Publikum wie der Einzelne ohne besondere Schutzmittel nicht in der Lage sind, eine ausreichende Einwirkung und Kontrolle zu üben.“92 Erwogen wurde im Zuge der Reform von 1884 auch, eine Prospekthaftung einzuführen. Im 19. Jahrhundert wurden Aktienzeichner mit Hilfe von Prospekten oder mit Hilfe von Publikationen im redaktionellen Teil bestimmter Zeitschriften gesucht.93 Da es dafür keine gesetzliche Regelung gab, hatten diese Prospekte und Veröffentlichungen keinen zwingenden Inhalt und ließen vielfach ihren Urheber nicht erkennen. Eine sinnvolle Herausbildung von Haftungsregeln in Bezug auf Prospekterklärungen war nicht möglich.94 Die sich damals entwickelnde Prospekttheorie wollte die Gründer und Vertriebshelfer einer Gesellschaft zu einer Offenlegung ihres Projekts 90  Schubert / Hommelhoff,

Hundert Jahre modernes Aktienrecht (1985), S. 56 f. Hundert Jahre modernes Aktienrecht (1985), S. 62, Assmann, in: Großkomm AktG Einl Rn. 93. Die Mängel des Gesetzes wurden vor allem in der unzureichenden Überprüfung des Gründungsvorgangs, der Unfähigkeit der Vorgesellschaft, ihre Interessen gegen die gegensätzlichen Interessen der Gründer und sonstigen Initiatoren zu verteidigen, und in der Tatsache, dass die Initiatoren vom Anlegerpublikum nicht zu Rechenschaft gezogen werden konnten, gesehen (Allgemeine Begründung zum Entwurf eines Gesetzes betreffend die Kommandit­ gesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften, Aktenstück Nr. 21 vom 07. März 1884, S. 216 ff. (260), abgedruckt bei Schubert / Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht (1985), S. 387 ff. (431)). Dem begegnete das Gesetz durch eine erhebliche Verschärfung der Normativbestimmungen insbesondere für qualifizierte Gründungen (z. B. Sacheinlagen oder -übernahmen), allgemein durch verstärkte Gründungsverfahren, sowie durch eine Stärkung der Position der Vorgesellschaft. Erweitert wurden auch die Publizität, die Verantwortlichkeit der Gründer, der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats, sowie der Schutz der Kleinaktionäre (Klausing, Aktiengesetz (1937), III 1. c) (S. 11*), Schubert / Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht (1985), S. 65). Außerdem wurden die Kontrollbefugnisse des Aufsichtsrats ausgedehnt und die Generalversammlung zum zentralen Organ ausgestaltetet (Wild, Prospekthaftung / Kapitalschutz, S. 68 m. w. N.). 92  Allgemeine Begründung zum Entwurf eines Gesetzes betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften, Aktenstück Nr. 21 vom 07. März 1884, S. 216 ff. (244), abgedruckt bei Schubert / Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht (1985), S. 387 ff. (415). 93  Assmann, Prospekthaftung (1985), S. 57. 94  Assmann, in: Assmann / Schütze, Handbuch Kapitalanlagerecht, § 6 Rn. 28. 91  Schubert / Hommelhoff,



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zwingen, um mit einer zivilrechtlichen Haftung an diese Angaben anknüpfen zu können. Dieser Ansatz stieß jedoch von Anfang an auf so viel Kritik, dass eine Aufnahme entsprechender Regelungen in das ADHGB im Zuge der Aktienrechtsnovelle von 1884 mit der Begründung unterblieb, dass die Solidität des Unternehmens durch einen Prospekt nicht gefördert werde und die Prospektpflicht mit möglichen Geheimhaltungsinteressen der Unternehmen kollidieren könne.95 Der Gesetzgeber fürchtete außerdem die Normierung eines bestimmten Prospektinhalts sowie eine Wettbewerbsverzerrung gegenüber ausländischen Anlagen.96 Das Gesetz schuf deshalb nur neue Informationspflichten im Hinblick auf den Gründungsvorgang und die wesentlichen Organisationsvorgaben der Statuten, aber nicht über das von der Gesellschaft zu verfolgende Projekt.97 Zur Einführung einer Prospekthaftung kam es erst im Börsengesetz von 1896. b) Regelungen hinsichtlich des Kapitals: Zulassung der Über-Pari-Emission und Einführung eines Reservefonds Durch die Novelle von 1884 wurde erstmalig eine Regelung über die Über-Pari-Emission (sowie ein Verbot der Unter-Pari-Emission in Art. 209a Abs. 2 ADHGB 1884) in das aktienrechtliche Regelungsgefüge aufgenommen. Die Artt. 209a Nr. 2, 215a Abs. 2 Satz 2 ADHGB 1884 sahen vor, dass sowohl bei der Gründung im Gesellschaftsvertrag als auch bei der Kapitalerhöhung im Kapitalerhöhungsbeschluss die Leistung eines höheren als des Nominalbetrages festgesetzt werden kann. In der Praxis hatten jedoch auch vorher Über-Pari-Emissionen stattgefunden.98 Bei der Zulassung der Über-Pari-Emission sah der Gesetzgeber die Gefahr, dass der Betrag, um den der Ausgabebetrag den Nominalbetrag übersteigt, also das Agio, zur Verteilung fiktiver Dividenden verwendet werden könnte.99 Diese Befürchtung war begründet, da es tatsächlich in vielen Fällen zur 95  Allgemeine Begründung zum Entwurf eines Gesetzes betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften, Aktenstück Nr. 21 vom 07. März 1884, S. 216 ff. (267), abgedruckt bei Schubert / Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht (1985), S. 387 ff. (438), Assmann, Prospekthaftung (1985), S.  57 ff. 96  Assmann, Prospekthaftung (1985), S. 39 f. 97  Assmann, in: Großkomm AktG Einl Rn. 110. 98  Allgemeine Begründung zum Entwurf eines Gesetzes betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften, Aktenstück Nr. 21 vom 07. März 1884, S. 216 ff. (283), abgedruckt bei Schubert / Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht (1985), S. 387 ff. (411). 99  Allgemeine Begründung zum Entwurf eines Gesetzes betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften, Aktenstück Nr. 21 vom

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

sogenannten Agiotage gekommen war.100 Aus diesem Grund schuf der Gesetzgeber zugleich einen gesetzlichen Reservefonds, in den das Agio eingestellt werden musste. Nach der früheren Gesetzeslage war es zum einen den Gesellschaften selbst überlassen, ob sie einen Reservefonds bildeten und was sie in diesen einstellten. Zum anderen ging die herrschende Meinung davon aus, dass es sich bei dem Agio um Gewinn handele, der als solcher an die Aktionäre ausgeschüttet werden konnte. Nach der Regelung der Artt. 239b, 185b ADHGB 1884 musste in der Bilanz einer Aktiengesellschaft zwingend ein Reservefonds gebildet werden. In diesen musste zum einen mindestens ein Zwanzigstel des jährlichen Reingewinns eingestellt werden, bis der Reservefonds ein Zehntel des Grundkapitals (oder einen im Gesellschaftsvertrag festgelegten, höheren Betrag) erreichte. Zum anderen musste der Gewinn, der bei der Ausgabe von Aktien für einen höheren als den Nennbetrag erzielt wurde, also das Agio, in den Reservefonds eingestellt werden. Der Reservefonds konnte nur zur Deckung eines sich aus der Bilanz ergebenden Verlusts verwendet werden. Anders als nach der heutigen Regelung war der Teil, der aufgrund eines erhöhten Ausgabebetrags in den Reservefonds eingestellt wurde (die heutige Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB), nicht auf den Teil des Reservefonds anzurechnen, der aus Gewinnen gespeist werden sollte. Mit anderen Worten befreite die Tatsache, dass der Reservefonds mit Hilfe der Aufgelder insgesamt die Schwelle von 10 % des Grundkapitals überschritten hatte, die Gesellschaft nicht von der Verpflichtung zur Abführung von Gewinnen an den Reservefonds. Die allgemeine und die besondere Begründung zur Aktienrechtsnovelle von 1884 führen zwei verschiedene Gründe für die verpflichtende Bildung dieses Reservefonds – der in der Entwurfsphase auch teilweise als Grund­ kapital-Garantiefonds bezeichnet wurde101 – an. Die Einstellung des Agios wird damit gerechtfertigt, dass dieser „Gewinn nicht im gewöhnlichen Geschäftsverlaufe erzielt ist und deshalb nicht zur Verteilung als Dividende geeignet erscheint. Auch soll verhindert werden, dass die Erhöhung des Grundkapitals lediglich in der Hand einer Koterie102 zur Agiotage benutzt wird.“103 07. März 1884, S. 216 ff. (305), abgedruckt bei Schubert / Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht (1985), S. 387 ff. (454). 100  Allgemeine Begründung zum Entwurf eines Gesetzes betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften, Aktenstück Nr. 21 vom 07. März 1884, S. 216 ff. (241), abgedruckt bei Schubert / Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht (1985), S. 387 ff. (412 re. Sp). 101  Schubert / Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht (1985), S. 84 in Fn. 143. 102  Eine abgeschlossene Gruppe, eine Clique. 103  Allgemeine Begründung zum Entwurf eines Gesetzes betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften, Aktenstück Nr. 21



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Die Vorschriften über den Reservefonds dienten außerdem dem Schutz der Gläubiger vor zu hoher Dividendenverteilung.104 Das Gesetz führt daneben an, dass ein sorgsamer Geschäftsmann in guten Jahren eine Rücklage zu ­bilden pflege, um in schlechteren Jahren eintretende Verluste ausgleichen zu können. Bei der Aktiengesellschaft bestehe die Notwendigkeit für eine solche Rücklage in besonderem Maße, da das den Gläubigern allein haftende Gesellschaftsvermögen (= Grundkapital) bei einem Verlust unmittelbar gefährdet sei. Aus diesem Grund wurde die Aufsparung eines Reservefonds verpflichtend.105 Diese zwei verschiedenen Zwecke sind dabei den beiden Bestandteilen des Reservefonds zuzuordnen: Der Teil, der durch den Gewinn gespeist wird, diente den Gläubigern. Durch ihn sollte ein „zweiter Ring“ um das Grundkapital gelegt werden, durch den Verluste weniger schnell auf das Grundkapital durchschlagen. Demgegenüber diente der Teil des Reservefonds, der durch das Agio gespeist wird, allein dem Schutz der Aktionävom 07. März 1884, S. 216 ff. (305), abgedruckt bei Schubert / Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht (1985), S. 387 ff. (476). 104  Besondere Begründung zum Entwurf eines Gesetzes betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften, Aktenstück Nr. 21 vom 07. März 1884, S. 316 ff. (321), abgedruckt bei Schubert / Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht (1985), S. 487 ff. (492). Der Wortlaut der Begründung an dieser Stelle ist:  „Sodann erschien es geboten, die in den Artikel 185a, 185b, 185c enthaltenen (…) Normativbestimmungen für die Aufstellung der Bilanz, wie für die Aktiengesellschaften, so auch für die Kommandit-Aktiengesellschaften zu geben. Denn auch bei ihnen bedürfen (…) die Gläubiger der Gesellschaft eines Schutzes gegen die Gefahr, daß durch zu hohe Dividendenverteilung das Kapital der Kommanditisten, welches vielleicht und sogar zumeist das wesentliche Haftobjekt bildet, angegriffen wird. Aus dem gleichen Grunde (…) glaubt der Entwurf auch die über die Bildung des Reservefonds gegebenen Vorschriften auf die Kommandit-Aktiengesellschaften anwenden (…) zu sollen.“   Dabei bezieht sich der zweite Satz, der gegen einen Eingriff in das Kapital der Kommanditisten schützen will, nur auf die Bestimmung des Art. 185a Nr. 5 AD­ HGB, der bestimmt, dass der Betrag des Gesamtkapitals der Kommanditisten unter die Passiva aufzunehmen ist. Eine Rückzahlung des Kapitals der Kommanditisten an diese wird zusätzlich durch Art. 197 Abs. 1 ADHGB ausgeschlossen. Lediglich der Dritte Satz bezieht sich auf den Reservefonds. Es soll also hierdurch nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass jegliches Kapital der Kommanditisten, also auch das eventuelle Agio, als Haftungsobjekt für die Gläubiger besonders geschützt werden soll. Die Gläubiger sollen durch den Reservefonds lediglich vor einer zu hohen Dividendenverteilung geschützt werden, indem ein Teil des Gewinns in den Reservefonds eingestellt wird. 105  Allgemeine Begründung zum Entwurf eines Gesetzes betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften, Aktenstück Nr. 21 vom 07. März 1884, S. 216 ff. (305), abgedruckt bei Schubert / Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht (1985), S. 387 ff. (476).

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

re / Anleger vor der Vorspiegelung nicht erwirtschafteter Gewinne und damit einer höheren Ertragskraft. Die Gesetzesbegründung ging davon aus, dass die Gläubiger durch eine zu hohe Dividendenverteilung zu Lasten der Bildung von Rücklagen „für schlechte Zeiten“ gefährdet werden. Eine Gefahr für die Gläubiger dadurch, dass das Agio dezimiert (oder erst gar nicht eingefordert) wird, sah die Gesetzesbegründung dagegen nicht. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass die Bindung des Agios eingeführt wurde, um den Gläubigerschutz zu stärken. Diesem Zweck dient allein die gesetzliche Gewinnrücklage. Der Reservefonds sollte „zur Deckung eines aus der Bilanz sich ergebenden Verlustes“ dienen, Art. 185b ADHGB 1884. Dies wurde in zwei Richtungen verstanden: Zunächst durfte der gesetzliche Reservefonds zu keinem anderen Zweck verwendet werden als zur Deckung eines Bilanzverlusts (Unterbilanz). Darüber hinaus war die Gesellschaft aber auch verpflichtet, eine Unterbilanz durch den gesetzlichen Reservefonds auszugleichen. Die h. M. hielt es für unzulässig, andere Reserven zu verwenden oder den Verlust vorzutragen.106 Man ging davon aus, dass die Nichtverwendung des Fonds den Aktionär verletzen würde, da dann später ein Gewinn nicht ausgeschüttet werden kann, sondern zur Deckung der Unterbilanz verwendet werden muss.107 Als während der Geltung des ADHGB 1884 das GmbHG erlassen wurde, nahm die amtliche Begründung an, dass der Artikel 217 ADHGB 1884 denselben Grundsatz ausdrückt wie § 30 GmbHG, nämlich dass unter die Gesellschafter nur dasjenige verteilt werden darf, was sich nach der jähr­ lichen Bilanz als Reingewinn ergibt.108 Weiter führt die Begründung des GmbH-Gesetzes aus:109 106  Staub, ADHGB, Anm. 3 zu Art. 239b (Art. 185b). So auch Makower, HGB13, § 262 Anm. I.c. (zum HGB 1897). 107  Puchelt, ADHGB4, Art. 185b Anm. 3. So auch Makower, HGB13, § 262 Anm. I.c. (zum HGB 1897). 108  Wilhelm, in: FS Flume II (1978), S. 337 (348) unter Verweis auf das RT-Aktenstück Nr. 660 S. 3745.   Als nächstes führt das RT-Aktenstück aus, dass allerdings nicht – wie bei der AG – alle Beiträge, die von den Gesellschaftern zu leisten sind, zur Bildung dieses dauerhaft zu konservierenden Kapitals verwendet werden, aber soweit die im Gesellschaftsvertrag festzusetzende Höhe des Kapitals betroffen ist, werden im Wesent­ lichen die gleichen Grundsätze Anwendung finden, welche für die Aufbringung und Konservierung des Grundkapitals der Aktiengesellschaften gelten. Daraus könnte man folgern, dass die Kapitalerhaltung bei der AG und der GmbH doch grundlegende Unterschiede haben, und dass das Agio in der gleichen Weise gebunden sein soll wie das Grundkapital. Allerdings ist ja auch nach der damals geltenden Fassung des ADHGB das Agio vorrangig vor dem Grundkapital zu verringern, und muss es auch nicht wieder aufgefüllt werden. Die Formulierung bezieht sich deshalb nur auf die



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen97 „Den berechtigen Interessen der Gläubiger wird (…) [durch die Rückzahlbarkeit der Nachschüsse, Anm. des Verf.] nicht zu nahe getreten, denn diesen ist nur das im Gesellschaftsvertrag bestimmte Stammkapital als dauerndes Vermögen der Gesellschaft in Aussicht gestellt und als Grundlage des Kredits derselben öffentlich bekannt gemacht. Den Gläubigern geschieht daher genüge, wenn die Aufbringung und Erhaltung dieses Kapitals in ihrem Interesse durch die Vorschriften des Gesetzes gesichert wird. Daß auch alles andere Vermögen der Gesellschaft in gleicher Weise behandelt werde, können sie nicht beanspruchen, wie denn auch bei der Aktiengesellschaft ein derartiges Recht nicht besteht, soweit das außer dem Grundkapital vorhandene Vermögen der Gesellschaft in Frage kommt. An sich kann es aber in dieser Beziehung keinen Unterschied begründen, ob der betreffende Teil des Gesellschaftsvermögens aus der Aufsparung von Betriebserträgnissen oder aus besonderen Beiträgen herstammt, welche die Gesellschafter neben ihren Einlagen auf das Stammkapital zu leisten haben.“

Der damalige Gesetzgeber ging also eindeutig davon aus, dass nur das Grundkapital, nicht aber andere Beiträge, darunter das Agio, gläubigerschützend sind. c) Abschaffung der Aktienliberierung Um den Grundsatz der Kapitalerhaltung weiter zu stärken, wurde auch die Möglichkeit der Aktienliberierung abgeschafft.110 Die Möglichkeit in Art. 222 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 ADHGB 1870 barg das Risiko, dass der Aktionär seinen Verlust auf 40 % der Einlageleistung (oder noch weniger, wenn dies ein Landesgesetz zuließ) begrenzen konnte, wodurch den Gläubigern ein überhöhtes Haftkapital vorgespiegelt wurde. Diese Aktie war als Inhaberpapier frei handelbar und damit als Spekulationsobjekt besonders geeignet. Der Reformgesetzgeber beseitigte dieses Risiko, indem er die Möglichkeit der Haftungsbegrenzung des Aktionärs abschaffte und die Ausgabe von Urkunden über nicht voll eingezahlte Aktien verbot. Dieses Verbot gilt im Kern noch heute und wurde im Wesentlichen auch auf die GmbH übertragen.111 109

d) Fazit Wie bereits dargestellt, war nach dem ADHGB 1870 nur das Grundkapital vor der Verteilung an die Aktionäre geschützt, eine weitergehende VerBindung des Agios zur Verhinderung einer Agiotage, die ja bei der GmbH so nicht eingeführt wurde. 109  Wilhelm, in: FS Flume II (1978), S. 337 (348 f.) unter Verweis auf RT-Aktenstück Nr. 660 S. 3730. 110  Assmann, in: Großkomm AktG Einl Rn. 96. 111  Schubert / Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht (1985), S. 78 ff.

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

mögensbindung gab es nicht. Mit der neuen Regelung der Art. 239a i. V. m. Art. 185b ADHGB 1884 über die zwingende Einstellung des Agios in den Reservefonds war nun erstmalig ein Unterschied zwischen der aktienrechtlichen und der GmbH-rechtlichen Vermögensbindung begründet.112 „Es war deshalb eine ganz entscheidende, ja historische Weichenstellung, als der deutsche Gesetzgeber im Zuge der Aktienrechtsreform von 1884 die Einlageaufgelder, also nach heutigem Verständnis die Kapitalrücklage, in die Kapitalerhaltung mit einbezog.“113 Zum Ausdruck kommen mit der Reform auch bereits verschiedene Schutzzwecke: Nicht nur der Schutz der Gläubiger, auch der Schutz der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes und der Anlegerschutz114 werden berücksichtigt. Mit der Aktienrechtsnovelle von 1884 wurden Regelungen geschaffen, die in ihren wesentlichen Zügen noch immer gelten. In der Rückschau enthielt das ADHGB in diesem Zeitpunkt alle wesentlichen Regelungen des modernen Aktienrechts – abgesehen vom Konzernrecht – bereits im Ansatz.115 Die Novelle setzte insbesondere das Gebot der Aufbringung des Grundkapitals mit der Abschaffung der Aktienliberierung konsequent durch. Die Kapitalerhaltung wurde gestärkt, indem mit der Einführung des gesetzlichen Reservefonds ein Teil des Gewinns sowie das Agio nicht mehr als Dividende an die Aktionäre ausgeschüttet werden durfte. Damit war erstmals mehr als das Nominalkapital der Gesellschaft gegen eine Ausschüttung an die Aktionäre gebunden. 5. Handelsgesetzbuch in der Fassung des Gesetzes vom 10. Mai 1897

a) Anlass und Inhalt der Reform Die Reform der Vorschriften über die Aktiengesellschaft von 1897 hatte es sich zum Ziel gesetzt, den verbliebenen Missständen, die durch die Reform von 1884 nicht beseitigt worden waren, entgegenzutreten.116 Gegen112  Wilhelm,

in: FS Flume II (1978), S. 337 (353). Das Kapital (2005), S. 71. 114  Es trifft deshalb nicht zu, wenn Wiedemann annimmt, dass sich bis zum AktG 1965 der Gedanke des Anlegerschutzes noch nicht entwickelt habe: Wiedemann, BB 1975, 1591 (1593). 115  Assmann, in: Großkomm AktG Einl Rn. 112, Zöllner, in: KK AktG1 Einl Rn. 64. 116  Begründung zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für das Deutsche Reich von 1895, S. 105, abgedruckt bei Schubert / Schmiedel / Krampe, Quellen HGB, Bd. 2 / 1, S. 105, Denkschrift zum HGB, S. 287 f., abgedruckt bei Schubert / Schmiedel / Krampe, Quellen HGB, Bd. 2 / 2, S. 1047 f. Auf einen großen Teil der Missstände wurde allerdings bereits durch den Erlass des Börsengesetzes reagiert. Die wesent113  Bezzenberger,



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über der Novelle von 1884 wurden jedoch keine grundlegenden Änderungen gemacht.117 Die Regelung der Kapitalerhaltung in den §§ 213, 215 Abs. 1 HGB 1897 entspricht den Regelungen des Artt. 216 Abs. 2, 217 Abs. 1 ADHGB 1884 über das Verbot der Einlagenrückgewähr und die Beschränkung der Ansprüche der Aktionäre auf den anteiligen Gewinn. Die Begründung geht davon aus, dass sie im Allgemeinen übereinstimmen.118 Unterschiede liegen darin, dass § 213 HGB 1897 nun auch die Möglichkeit vorsieht, dass der Gewinn durch Gesetz von der Verteilung ausgeschlossen ist. Außerdem wurde der Begriff des reinen Gewinns durch den des Reingewinns ersetzt. Die Änderungen sind also marginal. Allerdings wurde mit § 217 Abs. 1 HGB erstmals eine Haftung der Aktionäre wegen unzulässiger Auszahlungen eingeführt, nach welcher die Aktionäre unmittelbar gegenüber den Gesellschaftsgläubigern in Höhe der verbotswidrig empfangenen Leistung einzustehen hatten. Bisher galt eine vergleichbare Regelung nur für die Gesellschafter der KGaA.119 Diese Neuregelung wurde wie folgt begründet: „Das Vermögen der AG bildet den einzigen Gegenstand der Befriedigung für die Gesellschaftsgläubiger, und wenn Theile dieses Vermögens in ungesetzlicher Weise, insbesondere durch Auszahlung eines in Wirklichkeit nicht erzielten Gewinns oder durch Rückzahlung von Einlagen, den Aktionären ausgeantwortet werden, so ist die Haftung der letzteren gegenüber den Gesellschaftsgläubigern gerechtfertigt (…). Wenn auch nur der Reservefonds seinem gesetzlich bestimmten Zwecke zuwider den Aktionären ausgeantwortet wird, liegt eine unmittelbare Verletzung der berechtigten Interesse der Gläubiger vor.“120

Diese Begründung wird von Cahn so verstanden, dass „die Vermögensbindung, insbesondere die Haftung der Aktionäre wegen des Empfangs un­ lichen Änderungen im Aktienrecht betrafen die Gründungsprüfung, die Erhöhung und Herabsetzung des Grundkapitals, die Veräußerung des Vermögens der Gesellschaft im Ganzen, die Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen im öffentlichen Interesse und die Nichtigerklärung der Aktiengesellschaften. 117  Schubert / Schmiedel / Krampe, Quellen HGB, Bd. 1, S. 66 f., Begründung zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für das Deutsche Reich von 1895, S. 106, abgedruckt bei Schubert / Schmiedel / Krampe, Quellen HGB, Bd. 2 / 1, S. 106, Denkschrift zum HGB, S. 288, abgedruckt bei Schubert / Schmiedel / Krampe, Quellen HGB, Bd.  2 / 2, S.  1048. 118  Begründung zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für das Deutsche Reich von 1895, S. 119, abgedruckt bei Schubert / Schmiedel / Krampe, Quellen HGB, Bd. 2 / 1, S. 119, Denkschrift zum HGB, S. 300, abgedruckt bei Schubert / Schmiedel / Krampe, Quellen HGB, Bd. 2 / 2, S. 1060. 119  Denkschrift zum HGB, S. 301 f., abgedruckt bei Schubert / Schmiedel / Krampe, Quellen HGB, Bd. 2 / 2, S. 1061 f., Cahn, Kapitalerhaltung im Konzern, S. 12 f. 120  Begründung zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für das Deutsche Reich von 1895, S. 119 f., abgedruckt bei Schubert / Schmiedel / Krampe, Quellen HGB, Bd.  2 / 1, S.  119 f.

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zulässiger Leistungen der Gesellschaft, dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger zu dienen bestimmt war.“121 Gegen dieses Verständnis spricht, dass in der Literatur sich zu diesem Zeitpunkt der Gedanke einer umfassenden Vermögensbindung noch nicht durchgesetzt hatte, und dass bisher auch der Gesetzgeber davon ausging, dass nicht das komplette Vermögen der Gesellschaft dem Schutz der Gläubiger dient.122 Lediglich hinsichtlich des Reservefonds könnte der zweite Satz so verstanden werden, als sei dieser in vollem Umfang gläubigerschützend. Diese Intention des Gesetzgebers hätte jedoch deutlicher gemacht werden müssen: In den Reservefonds musste ja nicht nur das Aufgeld, sondern auch ein Teil des Gewinns eingestellt werden. Aus der Gesetzesbegründung des ADHGB 1884 ergab sich, dass der Gewinnanteil innerhalb des Reservefonds tatsächlich gläubigerschützende Wirkung haben sollte, während der Teil, der aus Aufgeldern gespeist wurde, anderen Zwecken diente. Da nur ein Reservefonds gebildet wird, der nicht nach der Herkunft der Mittel unterscheidet, basiert die Formulierung darauf, dass der Reservefonds zumindest auch dem Gläubigerschutz dient und jedenfalls nicht als Gewinn oder Einlagenrückgewähr an die Aktionäre ausgezahlt werden kann. Die Intention einer Erweiterung des Gläubigerschutzes kann dieser Formulierung jedoch nicht entnommen werden. Neu ist in diesem Kontext auch die Regelung des § 262 Nr. 3 HGB, nach der auch Zuzahlungen, die ohne Erhöhung des Grundkapitals von Aktionären gegen Gewährung von Vorzugsrechten für ihre Aktien geleistet werden, in den Reservefonds eingestellt werden müssen, außer es wird eine Verwendung dieser Zahlungen zu außerordentlichen Abschreibungen oder zur Deckung außerordentlicher Verluste beschlossen. Diese Norm wird damit begründet, dass diese Zahlungen nicht dazu benutzt werden dürfen, in der Bilanz den Anschein eines zur beliebigen Verwendung geeigneten Gewinnes hervorzurufen, während ein solcher in Wirklichkeit jedenfalls in diesem Umfang nicht vorhanden ist. Dabei ziehen die Materialien zum HGB auch die Parallele zur zwingenden Einstellung des Agios in den Reservefonds. Einen Bezug zum Gläubigerschutz stellt die Denkschrift jedoch nicht her.123 Weiterhin gilt also: Das Grundkapital und der Reservefonds können nicht an die Aktionäre ausgeschüttet werden. Der Reservefonds bezweckt jedoch nicht in vollem Umfang den Schutz der Gläubiger. An der festgestellten Zwecksetzung des Gesetzgebers hat sich nichts geändert.

121  Cahn, Kapitalerhaltung im Konzern, S. 13, wiederholt in Cahn / Senger, in: Spindler / Stilz, §  57 AktG Rn.  7. 122  Siehe oben § 4 B.I.2.b). 123  Denkschrift zum HGB, S. 313, abgedruckt bei Schubert / Schmiedel / Krampe, Quellen HGB, Bd. 2 / 2, S. 1073.



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen101

b) Meinungsstand der damaligen Literatur An dieser Stelle soll auch kurz darauf eingegangen werden, wie die Änderungen durch die Novellen von 1884 und 1897 durch die Literatur aufgenommen wurden. Unter anderem setzte sich die Erkenntnis durch, dass das Agio keinen Gewinn / Ertrag der Gesellschaft darstellt, sondern dem Kapital zuzuordnen ist.124 Diese Erkenntnis führte insoweit zu einer Gesetzesänderung, als Art. 185b ADHGB 1884 vom Agio noch als einem Gewinn sprach, der durch Ausgabe der Aktien erzielt werde, während die Neufassung des § 262 HGB den Begriff des Gewinns durch „Betrag“ ersetzte, da das Agio in Wirklichkeit eine „Kapitalsvermehrung“ sei.125 Es haben sich jedoch noch keine deutlich voneinander abgegrenzten Literaturmeinungen gebildet. Einigkeit besteht darüber, dass eine Ausschüttung nicht aus dem Grundkapital und dem Reservefonds erfolgen könne.126 Einzelne Stimmen in der Literatur nehmen an, dass vom Verbot der Einlagenrückgewähr (ausschließlich) die freiwillige Rückzahlung erfasst sei. Die freiwillige Rückzahlung der Einlage sei nur statthaft, wenn es sich um die Rückzahlung eines Teils des Grundkapitals unter Beobachtung der gesetz­ lichen Vorschriften handele.127 Andere Stimmen in der Literatur vertreten jedoch bereits damals eine weitergehende Bindung des Kapitals. Die Vorschrift des § 213 HGB verbiete jedes Rechtsgeschäft, das wirtschaftlich den auf die Aktien geleisteten Beitrag zum Grundkapital der Gesellschaft zugunsten von Aktionären schmälert. Indem das Gesetz dem Aktionär nur den Anspruch auf den Reingewinn zugestehe und andererseits der Gesellschaft untersage, an die Aktionäre etwas anderes als den bilanzmäßigen Reingewinn zu verteilen, werde jede andere Zahlung an den Aktionär auf Rechnung seiner Beteiligung verboten. „Auf seine Beteiligung“ erfolge aber jede Leistung der Gesellschaft, die das mit der Beteiligung des Aktionärs an der Gesellschaft verbundene Kapitalrisiko ihm zu Lasten der Gesellschaft ab124  Abweichend hatte noch das preußische Oberverwaltungsgericht entschieden, welches das Agio für einen – steuerpflichtigen – Geschäftsgewinn hielt: Staub, HGB, Fn. 1 zu Anm. 14 zu § 262 m. w. N. 125  Denkschrift zum HGB, S. 313, abgedruckt bei Schubert / Schmiedel / Krampe, Quellen HGB, Bd. 2 / 2, S. 1073, so auch Staub, HGB, Fn. 1 zu Anm. 14 zu § 262. Andere Stimmen in der Literatur betonen zwar, dass die sog. „Agioreserven“ von den Gewinnreserven deutlich verschieden sind, aber arbeiten die Parallele zum Kapital noch nicht heraus (Passow, Aktiengesellschaft2 (1922), S. 274.). Pinner führte dagegen noch aus, dass „ein Reservefonds (…) begrifflich Gewinn [ist und bleibt], der nur Kraft besonderer Bestimmung von der Verteilung ausgeschlossen und dem Grundkapital zugeschlagen ist“ (Aktienrecht (1899), Anm. II zu § 262). 126  Cosack, Handelsrecht6 (1903), S.  601, 605, Passow, Aktiengesellschaft2 (1922), S. 223. 127  Esser, Die Aktiengesellschaft (1907), Anm. 3 zu § 213.

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nehme oder erleichtere.128 Ein Drittes zwischen der Rückzahlung der Einlage und der Zahlung von Dividende gebe es nicht.129 Die Problematik fehlerhafter Angaben bei der Kapitalerhöhung wurde sowohl im Zusammenhang mit der Anfechtung der Zeichnung als auch mit der Kapitalerhaltung diskutiert. Pinner nahm an, dass durch § 213 HGB nicht die Klage eines Aktionärs ausgeschlossen sei, der durch betrügerische Handlungen des Vorstands, für welche die Gesellschaft verantwortlich ist, zum Erwerb veranlasst wurde.130 Mankower vertrat die Ansicht, dass auch bei der Zeichnung die allgemeinen Regeln des Zivilrechts gelten und damit eine Anfechtung möglich sei.131 Auch Breit nahm an, dass § 213 HGB eine Rückforderung als Schadensersatz oder infolge Anfechtung nach allgemeinem Recht nicht ausschlösse.132 Dagegen ging Esser davon aus, dass ein getäuschter Aktionär keinen Schadensersatzanspruch gegen die Gesellschaft habe, sondern sich nur an die Vertreter der Aktiengesellschaft wenden könne, die ihn getäuscht hatten.133 Auch Staub nahm an, dass eine Anfechtung der Zeichnung wegen Irrtums oder Betrugs nicht zulässig sei. Dabei stützt er sich auf die Theorie von der Verkehrserklärung, nach der die Zeichnungserklärung nicht nur gegenüber der Gesellschaft, sondern auch gegenüber dem Verkehr abgegeben werde.134 Es zeigt sich also, dass sich in der Literatur noch keine herrschende Meinung gebildet hatte: Die Bindung des Reservefonds war strittig. Bei den überwiegenden Stimmen, die eine umfassende Bindung der Einlage und des Reservefonds annehmen, ist nicht eindeutig, ob die Auswirkungen der Neuregelungen in die Beurteilungen einflossen. Bei der Anfechtungsmöglichkeit und der Haftung der Aktiengesellschaft finden sich keine detaillierten Aussagen zur Haftung in Bezug auf den Reservefonds.

in: Düringer / Hachenburg, HGB3, Anm. 2 zu § 213. 129  Brodmann, Aktiengesetz 1928, § 213 Anm. 1a. 130  Pinner, Aktienrecht (1899), Anm. I zu § 213, RGZ 18, 116 (121 f.). 131  Staub, HGB, Anm. 24 zu § 189 unter Verweis auf Makower, 12. Auflage, S. 367. 132  Breit, ZHR 76 (1915), 415 (434). 133  Esser, Die Aktiengesellschaft (1907), Anm. 6 zu § 189. 134  Staub, HGB, Anm. 24 zu § 189, Anm. 3 zu § 213. 128  Flechtheim,



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen103 6. Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien vom 30. Januar 1937

Nach der Reform des HGB von 1897 gab es verschiedene kleinere Änderungen im Aktienrecht135, bei denen jedoch die hier interessierende Kapitalerhaltung und die Vorschriften über die Rücklagenbildung in der Fassung des HGB 1897 unberührt blieben. Die Aktienrechtsreform von 1937 löste die Regelungen über die Aktiengesellschaft und die KGaA sowie über die Verschmelzung, Vermögensübertragung und Umwandlung von Kapitalgesellschaften aus dem HGB heraus und formte ein eigenständiges Aktiengesetz. Das AktG 1937 wurde vom Gedanken des Schutzes der Aktienanstalt, also des sich selbst verwaltenden Unternehmens, geleitet. Die Begründung zum Aktiengesetz 1937 entspricht der Terminologie des nationalsozialistischen Regimes, indem beispielsweise die Stärkung der Stellung des Vorstands als „Umsetzung des Führerprinzips“ tituliert wird. Die heutige Literatur nimmt jedoch an, dass das Gesetz als solches mehr von der Reformdiskussion der Zwanziger und Dreißiger Jahre geprägt ist als von faschistischen Vorstellungen.136 Aus diesem Grund konnte das Gesetz bis 1965 in einem „liberal-rechtsstaatlichen“ Sinne angewendet werden.137 Prägend 135  So führte beispielsweise die Goldbilanzverordnung von 1923 erstmals einen Mindestnennbetrag des Grundkapitals von 50.000 Goldmark ein (Schubert / Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht (1985), S. 82, RegE AktG 1965, abgedruckt bei Kropff, Aktiengesetz 1965, S. 22). Außerdem gab es eine kleine Aktienrechtsreform durch Notverordnungen von 1931 (K. Schmidt, GesR § 26 II 2 d) (S. 762), Assmann, in: Großkomm AktG Einl Rn. 12.) Die Notverordnung vom 19. September 1931 („Die aktienrechtlichen Vorschriften der Verordnung des Reichspräsidenten über Aktienrecht, Bankenaufsicht und über eine Steueramnestie“) ist abgedruckt im RGBl. I S. 493 und bei Schubert / Hommelhoff, Aktienrechtsreform (1987), S. 833–848. Sie brachte Bestimmungen über den Erwerb eigener Aktien, Pflichten von Vorstand und Aufsichtsrat, über die Pflichtrevision, die Jahresbilanz und den Geschäftsbericht sowie über die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats (Schubert / Hommelhoff, Ak­ tienrechtsreform (1987), S. 34). Eine weitere Notverordnung vom 6. Oktober 1931 bezog sich auf die Sicherung von Wirtschaft und Finanzen, sie ist abgedruckt im RGBl. I S. 537. Zu beiden Notverordnungen ergingen zahlreiche Durchführungsverordnungen (vgl. dazu Assmann, in: Großkomm AktG Einl Rn. 147 mit Fn. 289). 136  K. Schmidt, GesR § 26 II 2 e) (S. 763), Assmann, in: Großkomm AktG Einl Rn. 152. 137  K. Schmidt, GesR § 26 II 2 e) (S. 763). Kritische Stimmen nehmen an, dass diese Aktienrechtsreform das Unternehmen als kleinste Einheit einer Wirtschaftsordnung verselbständigen und demgegenüber den Zusammenschluss der Kapitalgeber zurückdrängen sollte. Dies habe zu einer Überbetonung der Unternehmensinteressen geführt, die die Eignung der Aktiengesellschaft als Finanzierungsinstrument gefährdete (Ballerstedt, Kapital (1949), S. 9 ff.).

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waren die Erhöhung des Grundkapitals auf 500.000 RM, eine Stärkung der Stellung des Vorstands zu Lasten der Stellung des Aufsichtsrats und der Hauptversammlung, eine Beschränkung von Mehrstimmrechten sowie Depotstimmrechten der Banken, eine Verschärfung der Gründungsvorschriften, eine Erleichterung der Kapitalerhöhung und die Zulassung der stimmrechtslosen Vorzugsaktie.138 Nach der amtlichen Begründung zu den §§ 48–69 AktG 1937 entsprechen diese Vorschriften über die Kapitalerhaltung – abgesehen von den §§ 51, 65 AktG 1937 – im Wesentlichen dem vorher geltenden HGB. Die Änderungen sind größtenteils sprachlicher Art.139 Beispielsweise wurde der frühere Wortlaut des Verbots der Einlagenrückgewähr „Die Aktionäre dürfen die Einlagen nicht zurückfordern“ durch „Den Aktionären dürfen die Einlagen nicht zurückgewährt werden“ ersetzt. Dagegen wurde § 130 AktG gegenüber § 262 HGB stark geändert. Es war jetzt nicht mehr erforderlich, im Jahresabschluss einen Verlust auszuweisen, um dann im Anschluss die Rücklage zu mindern. Nach der neuen Regelung konnte die Gesellschaft – ohne Ausweisung eines Verlusts – die Rücklagen auflösen, um den Ausweis eines negativen Ergebnisses zu vermeiden. Das Verlustergebnis sollte aber dennoch nicht verschleiert werden können, da in der Gewinn- und Verlustrechnung die Verwendung der gesetzlichen Rücklage ersichtlich gemacht werden muss. Die gesetzliche Rücklage durfte auch dann zur Verlustdeckung verwendet werden, wenn auch andere, freie Rücklagen zur Verlustdeckung hätten verwendet werden können.140 Allerdings ging der Gesetzgeber nicht mehr davon aus, dass im Fall von Verlusten diese auch zwingend aus dem gesetzlichen Reservefonds zu decken seien, damit in dem Folgejahren nicht das Recht auf Gewinnverteilung der Aktionäre eingeschränkt werde.141 Vielmehr sollte es der Gesellschaft freistehen, die Verluste – trotz des Bestehens eines Reservefonds – vorzutragen oder aus anderen, freien Rücklagen auszugleichen.142 Diese Novelle bedeutete also keine wesentliche Änderung der Kapitalerhaltungsvorschriften. Weiterhin konnten das Grundkapital und der Reservefonds nicht ausgeschüttet werden. Dem Gesetz ist auch nicht zu entnehmen, dass der gesamte Reservefonds dem Gläubigerschutz dienen sollte.

138  K. Schmidt, GesR § 26 II 2 e) (S. 763), Assmann, in: Großkomm AktG Einl Rn. 164. 139  Klausing, Aktiengesetz (1937), Vor § 48 (S. 40). 140  Klausing, Aktiengesetz (1937), Amtl. Begr. zu § 130 (S. 117 f.). 141  Anders noch die h. M. zum ADHGB 1884 und zum HGB 1897, siehe oben § 4 B.I.4 und § 4 B.I.5. 142  Klausing, Aktiengesetz (1937), Amtl. Begr. zu § 130 (S. 117 f.).



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen105 7. Aktiengesetz vom 06. September 1965

Bevor es zu der großen Reform von 1965 kam, wurde das AktG 1937 nach dem Krieg zunächst in einzelnen Punkten geändert.143 Neu eingeführt wurde durch das Gesetz über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung vom 23. Dezember 1959144 („Kapitalerhöhungsgesetz“) die Möglichkeit der Verwendung von Rücklagen zu einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln. Die Regeln wurden durch das AktG 1965 weitgehend übernommen145 und durch das BiRiLiG vom 19. Dezember 1985 geändert und teilweise neu gefasst.146 Vor dem Kapitalerhöhungsgesetz wurde angenommen, dass es sich bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln um eine Ausschüttung und eine daran anschließende Einbringung der Forderung als Sacheinlage handle (sog. „Theorie der Doppelmaßnahme“).147 Dies schloss eine Umwandlung der heutigen Kapitalrücklage, die damals noch Teil der gesetzlichen Rücklage war, aus. Seit dem Kapitalerhöhungsgesetz werden dagegen – mit wenigen Ausnahmen – alle Rücklagen, die die gesetzliche Rücklage in Höhe von 10 % des Grundkapitals übersteigen, als umwandlungsfähig angesehen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Kapitalerhöhungsgesetz148, § 208 AktG 1965). Für die Kapitalrücklage bedeutet dies eine völlig neue Verwendungsart. Dennoch ist dieser Möglichkeit nicht zu entnehmen, dass die Kapitalrücklage in weiterem Umfang als bisher dem Gläubigerschutz dienen sollte. Die Bindung des Agios bezweckt weiterhin nur die Verhinderung der Agiotage, eine gläubigerschützende Komponente erhält es erst, wenn die Umwandlung in Grundkapital (Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln) vollzogen ist. Erst durch die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln wird die Bindung der Rücklagen verstärkt.149 Hauptziel der Aktienrechtsreform, die zum AktG 1965 führte, war die Erleichterung der Kapitalbeschaffung bei möglichst breiter Streuung des Aktienbesitzes.150 Eingeführt wurden unter anderem konzernrechtliche Vorschriften. Die Kompetenzverteilung der Organe wurde nur im Detail geän143  Unter anderem wurde vorab der Mindestbetrag des Grundkapitals auf 100.000 DM abgesenkt (K. Schmidt, GesR § 26 II 2 f) (S. 763)). 144  BGBl. I, S. 789, vgl. Lutter, in: KK AktG2 Vorb. § 207 Rn. 3. 145  Lutter, in: KK AktG2 Vorb. § 207 Rn. 4 f., Hirte, in: Großkomm AktG § 207 Rn. 6. Zum AktG 1965: Begr. RegE, Vorb. § 207, Kropff, AktG, S. 309. 146  Lutter, in: KK AktG2 Vorb. § 207 Rn. 4 f., Hirte, in: Großkomm AktG § 207 Rn. 7. 147  Lutter, in: KK AktG2 Vorb. § 207 Rn. 1, Fock / Wüsthoff, in: Spindler / Stilz, § 207 AktG Rn. 3, Hirte, in: Großkomm AktG § 207 Rn. 1. 148  Abgedruckt bei Brönner, Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (1961). 149  Veil, in: K. Schmidt / Lutter, § 207 AktG Rn. 3. 150  Assmann, in: Großkomm AktG Einl Rn. 191 m. w. N.

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dert. Außerdem wurden die Regelungen über die Rechnungslegung und ihre Prüfung verfeinert und im Hinblick auf die Finanzierung die bedingte Kapitalerhöhung, die Schaffung von genehmigtem Kapital und die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln eingeführt.151 § 57 AktG behält nach der Gesetzesbegründung den Grundsatz des § 52 AktG 1937 bei, nach welchem den Aktionären die Einlagen nicht zurückgewährt werden dürfen.152 Darüber hinaus übernimmt die Vorschrift die Bestimmungen des § 52 Satz 1 Hs. 1, Satz 2 AktG 1937 sowie die Vorschriften des § 54 Abs. 1 Hs. 2, Abs. 2 AktG 1937. Auf diese Weise werden alle Vorschriften über den Schutz der Einlage in einer Norm zusammengefasst.153 Die Literatur aus den Anfangsjahren der Geltung des AktG 1965 geht davon aus, dass einerseits zur Einlage alles gehört, was ein Aktionär für sein Mitgliedschaftsrecht geleistet hat, also auch das Agio, und dass andererseits jede Zuwendung, die einem Aktionär ohne Erhalt einer vollwertigen Gegenleistung außerhalb der allein zulässigen Gewinnausschüttung gemacht wird, eine (verbotene) Rückgewähr darstellt.154 Nach anderer Ansicht schließt das Verbot nur die freiwillige Rückgewähr der Einlageleistung aus, nicht auch eine solche aufgrund Anfechtung der Einlage durch Gläubiger oder Konkursverwalter.155 Die Regelung des § 150 AktG erfuhr im Hinblick auf die Verwendung der gesetzlichen Rücklage eine stärkere Änderung gegenüber der Fassung des § 130 AktG 1937. Nach dem ADGHB 1884 und dem HGB 1897 musste, nach dem AktG 1937 konnte die gesetzliche Rücklage auch dann zur Deckung eines Verlustes verwendet werden, wenn freie Rücklagen vorhanden waren. Das AktG 1965 vollzog in dieser Hinsicht eine Kehrtwende: Die gesetzliche Rücklage in Höhe von 10 % des Grundkapitals durfte nur zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrags oder eines Verlustvortrags aus dem Vorjahr verwendet werden, wenn diese nicht durch einen Jahresüberschuss, Gewinnvortag aus dem Vorjahr oder – und darauf kommt es an – die Auflösung freier Rücklagen ausgeglichen werden kann. Die gesetzliche Rücklage in ­Höhe von 10 % des Grundkapitals kann also erst als letztes, nach Auflösung aller anderen (mit Ausnahme bestimmter zweckgebundener) Rücklagen zur Deckung eines Jahresfehlbetrages verwendet werden. Soweit die gesetzliche Rücklage dagegen den Betrag von 10 % des Grundkapitals übersteigt, kann sie sofort zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrags verwendet werden. Eine obligatorische Verwendung wie unter der Geltung des ADHGB 1884 und des 151  Assmann,

in: Großkomm AktG Einl Rn. 193–198. AktG 1965, abgedruckt bei Kropff, Aktiengesetz 1965, S. 73. 153  Godin / Wilhelmi, Aktiengesetz3, § 57 Anm. 1. 154  Gessler, Aktiengesetz3, § 57 Anm. 2. 155  Godin / Wilhelmi, Aktiengesetz3, § 57 Anm. 5. 152  RegE



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen107

HGB 1897 war aber nicht vorgesehen. Dies wird damit begründet, das die alte Regelung nicht genügend Rücksicht darauf genommen habe, dass „die gesetzliche Rücklage die letzte Reserve der Gesellschaft darstellt, die nur angegriffen werden soll, wenn der Jahresfehlbetrag nicht auf andere Weise gedeckt werden kann.“156 Durch die neue Regelung sollte auch vermieden werden, dass zunächst die gesetzliche Rücklage zur Deckung eines Jahresfehlbetrages verwendet wird und dass dann in einem Folgejahr die erhaltenen Gewinnrücklagen aufgelöst und als Gewinn ausgeschüttet werden. Die neue gesetzliche Regelung in den § 150 Abs. 3, 4 AktG führt dazu, dass der zehnte oder der in der Satzung bestimmte, höhere Teil des Grundkapitals, der mindestens in der gesetzlichen Rücklage angesammelt werden muss, besser geschützt ist als die darüber hinaus gehenden Beträge.157 Abgeschafft wurde in diesem Zusammenhang auch die Möglichkeit, die Kosten der Ausgabe von Aktien und Wandelschuldverschreibungen von dem in die Rücklage einzustellenden Betrag des Aufgelds abzuziehen. Andernfalls werde der Gewinnausweis verzerrt, wenn bei einer Pari-Emission die Ausgabekosten den Gewinn mindern, bei einer Über-Pari-Emission aber nicht.158 Weitere Änderungen wurden bei der Berechnung des in die gesetzliche Rücklage einzustellenden Anteils durchgeführt, dieser bestimmte sich nicht mehr nach dem Bilanzgewinn, sondern nach dem Jahresüberschuss.159 Außerdem wurde der prozentuale Anteil, der in die gesetzliche Rücklage einzustellen ist, festgelegt, und der frühere Spielraum der Satzung abgeschafft. Neu eingefügt wurde § 255 AktG, der es den Aktionären erlaubt, einen Kapitalerhöhungsbeschluss anzufechten, der bei einem Bezugsrechtsausschluss einen zu geringen Ausgabebetrag festsetzt. Die Gesetzesbegründung hierzu ist sehr knapp und führt nur aus, dass die allgemeinen Anfechtungsgründe nach § 243 AktG nicht ausreichen. Die Vorschrift soll dabei sowohl für den Fall gelten, dass im Kapitalerhöhungsbeschluss ein Mindestbetrag festgesetzt worden ist, als auch für den Fall, dass im Erhöhungsbeschluss kein Ausgabetrag bestimmt worden ist, sowie dann, wenn die Hauptversammlung im Erhöhungsbeschluss einen über dem Nennbetrag der neuen Aktie liegenden Ausgabebetrag bestimmt hat.160 Es zeigt sich also, dass auch das Aktiengesetz 1965 keine wesentlichen Änderungen der Kapitalerhaltung anstrebte. Die geänderte Verwendungsmöglichkeit der „gesetzlichen Rücklage“, die dem früheren Reservefonds entspricht, durch eine weitergehende Bindung des Anteils von 10 % des AktG 1965, abgedruckt bei Kropff, Aktiengesetz 1965, S. 222. AktG 1965, abgedruckt bei Kropff, Aktiengesetz 1965, S. 222. 158  RegE AktG 1965, abgedruckt bei Kropff, Aktiengesetz 1965, S. 222. 159  Kropff, in: MünchKomm AktG § 150 Rn. 10. 160  Kropff, Aktiengesetz 1965, S. 342. 156  RegE 157  RegE

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

Grundkapitals führte zu einem verbesserten Schutz des „zweiten Rings“ um das Grundkapital. Der Gesetzgeber erkannte an, dass diese Rücklage als letzte Reserve der Gesellschaft nur in Sonderfällen angegriffen werden sollte. Der übersteigende Betrag der damaligen gesetzlichen Rücklage durfte dagegen gleichzeitig mit oder vor den freien Rücklagen verwendet werden und unterlag damit einer weniger strengen Bindung. 8. Änderung des AktG 1965 durch das Bilanzrichtliniengesetz vom 19. Dezember 1985

Nach Erlass des AktG 1965 liegt die wesentliche Änderung im Hinblick auf das Kapital der Aktiengesellschaft in der Änderung der Vorschriften über die Rücklagenbildung. Unter der Geltung des AktG 1965 musste eine gesetzliche Rücklage gebildet werden, in der die Kapitalbestandteile und die Gewinnbestandteile vermischt wurden. Darüber hinaus war die Aufstellung der Bilanz im Wesentlichen im AktG 1965 geregelt. Die 4. EG-Richtlinie führte jedoch zu einer Neuregelung der Rechnungslegung. Insbesondere wurden die Vorschriften über die Bilanzierung im HGB zusammengefasst, das AktG sollte nur noch einzelne, aktienspezifische Regelungen enthalten. So wurde beispielweise die Gliederung der Bilanz aus § 151 AktG 1965 in § 266 HGB verschoben. Auch die Vorschriften über das Eigenkapital und bestimmte Rücklagen wurden in § 272 HGB für alle Kapitalgesellschaften zusammengefasst. Im Aktiengesetz verblieben nur die Regelungen über die Dotierung der gesetzlichen Rücklage sowie über die Verwendung der gesetzlichen Rücklage und der Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB. Die 4. EG-Richtlinie differenzierte in Art. 9 Passiva A. II, IV 1 zwischen dem Agio und der gesetzlichen Rücklage. Dies machte es nötig, auch bei der Umsetzung in deutsches Recht zwischen den Rücklagen, die dem Kapital zuzurechnen waren, und den aus Gewinnen gespeisten Rücklagen zu unterscheiden.161 Nach dem AktG 1965 und den Vorgängerregelungen seit dem ADHGB 1884 waren die Eigenkapitalbestandteile und die Gewinn­ bestandteile gemeinsam, zunächst als Reservefonds und später unter dem Begriff „gesetzliche Rücklage“, ausgewiesen worden. In der Neuregelung wurde zwischen der (gewinngespeisten) „gesetzlichen Rücklage“ und der dem Kapital zuzurechnenden „Kapitalrücklage“ unterschieden. Die Bildung, die Dotierung (aus dem Jahresüberschuss) und die Verwendungsmöglichkeiten der gesetzlichen Rücklage wurden in § 150 AktG festgelegt. Bei der Kapitalrücklage ist die Dotierung dagegen in § 272 Abs. 2 HGB geregelt, 161  Regierungsbegründung zum Regierungsentwurf eines Bilanzrichtlinie-Gesetzes hins. § 150 AktG, abgedruckt bei Biener / Berneke, BiRiLiG, S. 499, Kropff, in: MünchKomm AktG § 150 Rn. 9.



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen109

die Beschränkung der Verwendungsmöglichkeiten der Bestandteile des § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB dagegen in § 150 Abs. 3, 4 AktG. Diese Modifizierung führt zu einer Verdeutlichung der Mittelherkunft in der Bilanz. Eine inhaltliche Änderung, insbesondere eine Neuordnung der Schutzzwecke der verschiedenen Rücklagen, war jedoch nicht beabsichtigt. 9. Einführung von Ausnahmen durch das MoMiG vom 23. Oktober 2008

Das MoMiG bezweckte keine wesentlichen Änderungen des Systems der Kapitalerhaltung, sondern formulierte lediglich im Interesse der Rechtssicherheit neue Ausnahmen von diesem Prinzip. Danach verstoßen Leistungen, die durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Aktionär gedeckt sind, und Leistungen, die bei Bestehen eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages erfolgen, nicht gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr, § 57 Abs. 1 S. 3 AktG. Diese Änderung resultierte daraus, dass unter anderem aufgrund des sog. „November-Urteils“ des BGH162 die Zulässigkeit von aufsteigenden Darlehen und von cash pools umstritten war. Nach diesem Urteil konnte ein Darlehen an den ­Gesellschafter, das aus Mitteln gewährt wurde, die der Bindung des § 30 GmbHG unterlagen, auch dann gegen die Kapitalerhaltung verstoßen, wenn der Gesellschaft gegen den Gesellschafter ein vollwertiger Rückgewähranspruch zustand und dementsprechend keine Unterbilanz eintrat. Durch die Gesetzesänderung soll zur bilanziellen Betrachtungsweise zurückgekehrt werden. Dies erleichtere Gesellschaften (insb. innerhalb eines Konzerns) wirtschaftlich sinnvolle Leistungsbeziehungen mit ihren Gesellschaftern, bei denen sie durch das Vollwertigkeits- und Deckungsgebot vor einer Ausplünderung geschützt würden.163 Diese Änderung wird parallel im Aktien- und im GmbH-Recht durchgeführt, weshalb die Literatur annimmt, dass der Gesetzgeber von einem einheitlichen Leistungsbegriff im Kapitalerhaltungsrecht ausgehe.164 Damit bedeutet die Änderung im Recht der GmbH eine Rückkehr zur bilanziellen Betrachtungsweise, während es im Aktienrecht weder für das Vorliegen einer Auszahlung noch für die Reichweite der Vermögensbindung auf eine bilanzielle Betrachtungsweise ankam, so dass die Gesetzesänderung im Aktienrecht zu einer deutlichen Einschränkung der Reichweite der Kapitalerhaltung führe.165 162  BGH

163  RegE

NJW 2004, 1111. MoMiG, BT-Drucks. 16 / 6140, S. 100 zur parallelen Änderung des § 30

GmbHG. 164  Mülbert / Leuschner, NZG 2009, 281. 165  Mülbert / Leuschner, NZG 2009, 281 (282).

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft 10. Ergebnis

Aus der Gesetzgebungsgeschichte des Aktiengesetzes ergibt sich nicht, dass der Gesetzgeber eine Bindung des Vermögens der Aktiengesellschaft anstrebte, die so weit geht, wie es jetzt von der Literatur überwiegend angenommen wird. Seit dem preußischen Gesetz über die Aktiengesellschaften von 1843 sollte das Grundkapital gegen einen Rückfluss an die Aktionäre geschützt werden, um den Gläubigern als Haftungsmasse zur Verfügung zu stehen. Mit der Abschaffung der Aktienliberierung wurde auch sichergestellt, dass dieses Grundkapital vollständig aufgebracht wird. Mit Ausnahme des ADHGB 1884, durch das der Reservefonds eingeführt wurde, beabsichtigte aber keine der Neuregelungen eine Änderung an diesem System, vielmehr wurde bei jeder Änderung der Vorschriften betont, dass die neue Regelung der vorherigen (im Wesentlichen) entspreche. Die einheitliche Bindung von Mitteln im Reservefonds – bzw. in der gesetzlichen Rücklage im Sinne des AktG 1965 – verfolgte in Abhängigkeit der Herkunft der Mittel unterschiedliche Zwecke. Die ADHGB-Novelle von 1884 bestimmte, dass in den Reservefonds ein bestimmter Prozentsatz der Gewinne sowie die Aufgelder bei Gründung oder Kapitalerhöhung eingestellt werden mussten. Durch den Teil, der durch den Gewinn gespeist wurde, sollte ein „zweiter Ring“ um das Grundkapital gelegt werden, durch den Verluste weniger schnell auf das Grundkapital durchschlagen. Dieser zweite Ring erfuhr durch die verstärkte Bindung gem. § 150 Abs. 3 AktG 1965 einen zusätzlichen Schutz. Dieser Bestandteil des Reservefonds diente also den Gläubigern. Demgegenüber diente der Teil des Reservefonds, der durch die Aufgelder gespeist wird, allein dem Schutz der Aktionäre vor der Vorspiegelung nicht erwirtschafteter Gewinne und damit einer höheren Ertragskraft („Agiotage“).166 Damit korrespondiert, dass der den „zweiten Ring“ übersteigende Betrag gem. § 150 Abs. 4 AktG 1965 auch weniger stark gebunden ist. Eine gläubigerschützende Komponente ist hier nicht zu erkennen. Es zeigt sich also, dass der historische Gesetzgeber nur das Grundkapital und die gesetzliche Rücklage zugunsten der Gläubiger in der Gesellschaft binden wollte. Die Regelungen, die die Ausschüttung der übersteigenden Eigenkapital­ bestandteile ausschließen, haben andere Zielsetzungen.

166  So

auch Wilhelm, in: FS Flume II (1978), S. 337 (348 ff.).



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen111

II. Bilanzielle Bindung: Differenzierung der Schutzzwecke der Bestandteile des Eigenkapitals der Aktiengesellschaft nach Verwendungsmöglichkeiten Nachdem der Gesetzgeber in keinem Zeitpunkt eine so umfassende Kapitalerhaltung / Vermögensbindung anstrebte, wie sie die heute h. M. vertritt, stellt sich die Frage, ob der Schutz der Gläubiger und die anderen Schutzzwecke der Kapitalerhaltung / Vermögensbindung eine so weitgehende Bindung des Vermögens der Gesellschaft erforderlich machen. Als Zweck der Vermögensbindung werden neben dem Schutz der Gläubiger von der h. M. die Gleichbehandlung der Aktionäre, die Zuständigkeit der Gesellschafts­ organe (konkret der Hauptversammlung zur Beschlussfassung über die Ausschüttung von Dividenden und von Vorstand und Aufsichtsrat zur Bildung von Rücklagen) sowie der volle Gewinnausweis in der Bilanz, der nicht durch außerbilanzielle Wertverschiebungen verfälscht werden soll, angeführt. Außerdem soll der Kapitalmarkt davor geschützt werden, dass durch Scheindividenden ein erhöhter Gewinn dargestellt wird, ohne dass die Gesellschaft diese Ertragskraft tatsächlich besitzt. Im Rahmen der hier vorzunehmenden objektiv-teleologischen Auslegung ist zu prüfen, ob die Bindung des gesamten Eigenkapitals der Gesellschaft zur Erreichung jedes einzelnen Schutzzwecks und damit aller Schutzzwecke gemeinsam erforderlich ist, oder ob es möglich ist, verschiedene Teile des gebundenen Eigenkapitals der Aktiengesellschaft den verschiedenen Zwecken zuzuordnen. Dazu sollen zunächst die Herkunft und die Verwendungsmöglichkeiten der einzelnen Bestandteile des Eigenkapitals der Gesellschaft dargestellt werden. Gem. § 272 Abs. 3 A. HGB ist das Eigenkapital der Gesellschaft in der Bilanz in gezeichnetes Kapital, Kapitalrücklage, Gewinnrücklagen (gesetzliche Rücklage, satzungsmäßige Rücklagen, andere Gewinnrücklagen), Gewinnvortrag / Verlustvortrag und Jahresüberschuss / Jahresfehlbetrag aufzuschlüsseln. Anhand dieser Untersuchung können im Anschluss die verschiedenen Schutzzwecke der einzelnen Eigenkapitalbestandteile genau geprüft werden. 1. Herkunft und Verwendungsmöglichkeiten der einzelnen Eigenkapitalbestandteile

a) Gezeichnetes Kapital Das gezeichnete Kapital im Sinne von § 272 Abs. 1 HGB ist das Kapital, auf das die Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber den Gläubigern beschränkt ist. Dieser Posten bildet also das

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

Grundkapital der Gesellschaft ab.167 Es ist zum Nennbetrag anzusetzen, § 272 Abs. 1 S. 2 HGB. Von der Position „gezeichnetes Kapital“ auf der Passivseite werden „Nicht eingeforderte Einlagen“ offen abgesetzt, § 272 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 HGB, der verbleibende Betrag ist als „Eingefordertes Kapital“ in der Hauptspalte auf der Passivseite auszuweisen. Das Aktiengesetz geht davon aus, dass die Forderungen der Gläubiger vollständig beglichen werden können, wenn die Aktiva der Gesellschaft die echten Passiva noch um den Betrag des Grundkapitals übersteigen.168 Auf diese Weise wird unter anderem Bewertungsunsicherheiten vorgebeugt. Dafür spricht, dass die Gesellschaft keinen Gewinn ausschütten kann, wenn der Betrag des Eigenkapitals unter den Betrag des gezeichneten Kapitals herabgesunken ist; vielmehr ist dieses Haftkapital vorrangig wieder aufzufüllen. Darüber hinaus ist dieses Kapital durch die Warnpflicht des § 92 Abs. 1 AktG geschützt, die den Vorstand verpflichtet, die Hauptversammlung einzuberufen, wenn ein Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals besteht. Das zur Deckung der Grundkapitalziffer erforderliche Vermögen darf nur nach Auflösung der Gesellschaft im Rahmen der Abwicklung an die Aktionäre zurückgelangen.169 Eine Nachschusspflicht der Aktionäre besteht allerdings nicht. Das Grundkapital verschafft dem Unternehmen nach der Gründung ein Anfangsvermögen, das ihm unabhängig von den Intentionen der Gesellschafter erhalten bleibt.170 Das haftende Kapital dient insoweit als Zugriffsmasse für die Gläubiger.171 Vor Fehlbewertungen schützen darüber hinaus die Grundsätze des Bilanzrechts, z. B. das Vorsichtsprinzip. Das Grundkapital (gezeichnete Kapital) kann also nicht ausgeschüttet, sondern höchstens durch Verluste oder den Erwerb eigener Aktien verringert werden. Bevor es durch Verluste gemindert wird, müssen erst sämtliche Kapitalrücklagen und Gewinnrücklagen aufgebraucht sein. Kann es aus diesem Grund nicht vollständig ausgewiesen werden, hindert der Fehlbetrag die Ausschüttung von Gewinn. Dieses Grundkapital ist auch der primäre Gegenstand des Vertrauens der Gläubiger: Es wird bei der Gründung gem. § 39 AktG, § 10 HGB bekannt gemacht und kann dem Handelsregisterauszug entnommen werden. Aus § 80 Abs. 1 S. 3 AktG ergibt sich auch, dass es im Rahmen von Angaben über das Kapital der Gesellschaft als die zentrale Information angesehen wird. Darüber hinaus wirkt sich seit der Änderung des Bilanzrechts durch das BilMoG172 der Erwerb eigener Aktien auf das gezeichnete Kapital aus. 167  Merkt,

in: Baumbach / Hopt, § 272 HGB Rn. 1. NZG 2005, 115 (119), Henze, AG 2004, 405 (406), Baums, ZHR 167 (2003), 139 (169). 169  Henze, AG 2004, 405. 170  Lutter, in: KK AktG2 § 57 Rn. 2. 171  Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 7. 172  Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz vom 25. Mai 2009. 168  Henze,



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen113

Zunächst dürfen die eigenen Aktien nicht mehr auf der Aktivseite der Bilanz aufgenommen werden und es kann keine Rücklage für eigene Aktien mehr gebildet werden. Stattdessen ist gem. § 272 Abs. 1a S. 1 HGB der Nennbetrag oder, falls ein solcher nicht existiert, der rechnerische Wert von erworbenen eigenen Anteilen in der Vorspalte offen von dem Posten „Gezeichnetes Kapital“ abzusetzen. Der Unterschied zwischen dem Nennbetrag oder dem rechnerischen Wert und den Anschaffungskosten der eigenen Anteile ist mit den frei verfügbaren Rücklagen zu verrechnen.173 Dieser „Nettoausweis des Garantiekapitals“174 bedeutet, dass sich der Rückerwerb eigener Aktien auf das gezeichnete Kapital auswirkt wie eine Kapitalherabsetzung: Es wird um den Nennbetrag der Anteile vermindert, was insgesamt zu einer Bilanzverkürzung führt. Allerdings führt die Absetzung vom gezeichneten Kapital nicht dazu, dass in diesem Umfang eine Ausschüttungssperre entstünde, da die ausschüttbaren Eigenkapitalbestandteile nicht verringert werden. Zwar darf gem. § 71 Abs. 2 S. 2 AktG die Gesellschaft die eigenen Anteile nur erwerben, wenn sie – wie nach altem Recht – eine entsprechende Rücklage dafür bilden könnte. Dies verhindert jedoch die mögliche Ausschüttung der aus dem gezeichneten Kapital frei gewordenen Eigenkapitalbestandteile nicht.175 b) Rücklagen Die Rücklagen der Aktiengesellschaft werden nach ihrer Herkunft in Kapitalrücklagen und Gewinnrücklagen unterteilt. Über diesen Unterschied hinweg werden Teile der Rücklagen durch § 150 AktG einer besonderen Bindung unterworfen. Aus diesem Grund soll hier zunächst die Mittelherkunft und die Mittelverwendung nach Kapitalrücklagen und Gewinnrücklagen getrennt dargestellt werden. Lediglich die Bindung der Mittel, die § 150 AktG unterfallen, wird am Ende in einem eigenen Abschnitt behandelt. aa) Kapitalrücklagen In der Kapitalrücklage (§ 266 Abs. 3 A. II. HGB) sind gem. § 272 Abs. 2 HGB das Agio (Nr. 1), der bei der Ausgabe von Wandelungs- und Optionsrechten erzielte Betrag (Nr. 2), Zuzahlungen von Gesellschaftern gegen Gewährung eines Vorzugs (Nr. 3) und sonstige Zuzahlungen der Gesellschafter in das Eigenkapital der Gesellschaft (Nr. 4) einzustellen. Diesen Kropff, ZIP 2009, 1137 (1138). ZIP 2009, 1137. 175  Aus diesem Grund kritisch: Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, BB 2008, 209 (215), Kropff, ZIP 2009, 1137. 173  Vgl.

174  Kropff,

114

1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

Zahlungen ist gemein, dass es sich nicht um Ertrag, sondern materiell um Eigenkapital handelt. Die erweiterte Bindung der § 150 Abs. 3, 4 AktG erstreckt sich nur auf die Bestandteile der Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB. (1) Agio, § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB Gemäß § 9 Abs. 2 AktG können Aktien bei der Gründung oder gem. § 182 Abs. 3 AktG bei einer Kapitalerhöhung „über pari“, also für den Nennbetrag bzw. den anteiligen Betrag am Grundkapital zuzüglich Agio / Aufgeld, ausgegeben werden. Das Agio, das bei Gründung oder Kapitalerhöhung eingezahlt wird, ist bilanziell in der Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB auszuweisen. Zweck des Agios bei einer Kapitalerhöhung ist es, die Altaktionäre vor einer Verwässerung ihres Anteils zu schützen:176 Übersteigt der Wert des Unternehmens die Grundkapitalziffer, so entfällt auf jede Aktie der gleiche Anteil am das Grundkapital übersteigenden Unternehmenswert. Wird nun das Kapital der Aktiengesellschaft erhöht, erwirbt der Neu-Aktionär über seine Aktie einen Anteil an dem Unternehmen. Bei einer Beteiligung zum Nennbetrag / anteiligen Grundkapital erhielte der Neu-Aktionär auf Kosten der Altaktionäre einen Anteil an dem übersteigenden Unternehmenswert. Dies kann vermieden werden, indem der Neu-Aktionär zusätzlich zum Nennbetrag resp. anteiligen Grundkapital den Betrag einzahlt, um den der anteilige Unternehmenswert bei den Aktien der Altaktionäre das Grundkapital übersteigt. Auf diese Weise kann, muss aber nicht der Betrag des Agios festgelegt werden. Es steht der Gesellschaft grundsätzlich frei, ob eine Aktie zum Nennbetrag resp. anteiligen Grundkapitalbetrag oder zusätzlich mit einem Agio ausgegeben wird,177 der Ausgabebetrag ist nur nach pflichtgemäßem Ermessen festzusetzen.178 Begrenzt wird dieses Recht durch die Möglichkeit der Aktionäre, den Erhöhungsbeschluss anzufechten, wenn das Bezugsrecht der Aktionäre ganz oder teilweise ausgeschlossen ist und der sich aus dem Erhöhungsbeschluss ergebende Ausgabebetrag (oder der Mindestbetrag, unter dem die Aktien nicht ausgegeben werden sollen) unangemessen niedrig ist, § 255 Abs. 2 AktG. Maßgeblich für die Angemessenheit des Ausgabe- oder Mindestbetrags ist der wirkliche Wert des Unternehmens, stille 176  Heider, in: MünchKomm AktG § 9 Rn. 40, Vatter, in: Spindler  /  Stilz, § 9 AktG Rn. 27, Hüffer, § 255 AktG Rn. 2, Schwab, in: K. Schmidt / Lutter, § 255 AktG Rn. 1, Priester, in: FS Lutter (2000), S. 617 (618). 177  Mellert, NZG 2003, 1096. 178  Heider, in: MünchKomm AktG § 9 Rn. 39.



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen115

Reserven und innerer Geschäftswert sind dabei zu berücksichtigen.179 Im Umkehrschluss ist bei einer Kapitalerhöhung mit Bezugsrecht auch eine Kapitalerhöhung a pari zulässig.180 Eine Grenze der Zulässigkeit bei der Festsetzung des Agios ist erreicht, wenn der Ausgabebetrag der neuen Aktien durch den Mehrheitsaktionär unangemessen hoch festgesetzt wird, um Minderheitsaktionäre an der Ausübung ihres Bezugsrechts zu hindern.181 Dies wird nur in extremen Einzelfällen gegeben sein. Das Registergericht ist nicht befugt, die Eintragung einer a-pari-Kapitalerhöhung zu verweigern. Anderes vertritt Hermanns, nach dessen Ansicht bei erheblichen stillen Reserven oder bei einem Bezugsrechtsausschluss immer ein Agio festgesetzt werden muss.182 Andernfalls soll das Gericht berechtigt sein, die Eintragung zu verweigern. Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass gesellschaftsrechtlichen Beschlüssen durch das Mehrheitserfordernis eine gewisse Richtigkeitsgewähr zukommt. Diese Richtigkeitsgewähr sowie die Autonomie der Gesellschafter können nicht durch das Registergericht überwunden werden. Vielmehr muss ein derartiger Beschluss angefochten werden, um ihn zu vernichten. Das Agio kann grundsätzlich völlig frei festgesetzt werden – oder auch nicht. Oben wurde bereits darstellt, dass die Rechtswissenschaft das Agio ursprünglich als Ertrag der Gesellschaft behandelte, der im Rahmen der Gewinnverwendung an die Aktionäre ausgeschüttet werden konnte. Erst im Laufe der Zeit entwickelte sich die Erkenntnis, dass das Agio, da es nicht im regulären Geschäft des Unternehmens erwirtschaftet wurde, nicht dem Gewinn, sondern dem Kapital der Gesellschaft zuzuordnen ist. Da es kein Zeichen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ist, darf das Agio nicht wie ein Gewinn ausgeschüttet werden. Andernfalls würde die Gesellschaft eine Ertragsstärke vortäuschen, die sie in Wirklichkeit nicht besitzt. Eine solche Agiotage ist durch die Bindung der Kapitalrücklage gem. § 150 AktG ausgeschlossen. Die Neuregelung der bilanziellen Darstellung des Erwerbs eigener Aktien durch das BilMoG hat dazu geführt, dass auch der Gewinn aus der Veräußerung der eigenen Aktien in die Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB einzustellen ist, vgl. § 272 Abs. 1b S. 3 HGB. Fraglich ist, wie diese Änderung in das bisherige System einzuordnen ist, insbesondere welche Zwecke hinter dieser Regelung stehen. Grundsätzlich dient die Festsetzung des regulären Agios aus der Ausgabe von Aktien dem Schutz der Altaktio179  Hüffer,

§ 255 AktG Rn. 5, BGHZ 71, 40 (51) (zu Sacheinlagen). in: Spindler / Stilz, § 182 AktG Rn. 50. 181  Heider, in: MünchKomm AktG § 9 Rn. 39, Vatter, in: Spindler  /  Stilz, § 9 AktG Rn. 29. 182  Hermanns, ZIP 2003, 788 (789 f.). 180  Servatius,

116

1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

näre vor einer Verwässerung ihres Anteilswertes. Die Bindung des regulären Agios in der Kapitalrücklage dient der Verhinderung einer Vorspiegelung von Gewinnen, die nicht aus dem regulären Geschäftsverlauf stammen. Diese Schutzzwecke können nicht pauschal auf den Gewinn aus der Veräußerung eigener Aktien übertragen werden: Ob den anderen Aktionären eine Verwässerung droht, ist im Vergleich zu der Situation, in der die eigenen Aktien zum Anschaffungspreis wieder verkauft werden, zu beurteilen. Könnte die Gesellschaft einen höheren Veräußerungserlös erzielen, muss man annehmen, dass der Wert der Anteile gestiegen ist (Sonderfälle wie Paketzuschläge o. ä. sind hier weniger wahrscheinlich). Dementsprechend würde die Veräußerung unter Wert an einen Außenstehenden durchaus die Gefahr einer Verwässerung bergen. Ob dagegen die Gewinne aus der Veräußerung der eigenen Aktien gegen eine Ausschüttung als Gewinn geschützt werden müssen, ist nicht eindeutig. Selbstverständlich besteht das Geschäft der Aktiengesellschaft nicht im Handel mit eigenen Aktien, so dass man eine Erzielung des Gewinns im regulären Geschäftsverlauf bestreiten könnte. Andererseits handelt es sich auch nicht um einen Finanzierungsvorgang, der untrennbar mit der originären Beteiligung an der Aktiengesellschaft verbunden ist, so wie es beim regulären Agio aus der Gründung oder Kapitalerhöhung der Fall ist. Das BilMoG rückt jedoch mit den neuen Wirkungen des Erwerbs oder der Veräußerung der eigenen Aktien, die denen einer Kapitalherabsetzung oder Kapitalerhöhung entsprechen, den Erwerb der eigenen Aktien näher an die ursprüngliche Kapitalaufbringung. Damit werden diese Vorgänge zugleich vom normalen Handel mit Vermögensgegenständen entfernt. Dies spricht für eine Einordnung der Gewinne als außerhalb des regulären Geschäftsverlaufs erzielt. Man kann also davon ausgehen, dass die Gewinne aus der Veräußerung der eigenen Aktien dem Schutz vor einer Verwässerung der Anteile der anderen Aktionäre und ihre Bindung der Verhinderung einer Vorspiegelung von Gewinnen, die nicht im regulären Geschäftsverlauf erzielt wurden, dienen. Für eine Einstellung in die Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB spricht auch, dass eine Verletzung des bilanzrechtlichen Kongruenzprinzips nur vermieden wird, wenn ein Veräußerungserfolg nicht als sonstiger betrieblicher Ertrag zu bilanzieren ist, sondern sich nicht auf die GuV auswirkt.183 (2) A  gio aus der Ausgabe von Wandelungs- und Optionsrechten, § 272 Abs. 2 Nr. 2 HGB Wandelungs- und Optionsrechte sind Schuldverschreibungen, die zusätzlich mit dem Recht ausgestattet sind, die Schuldverschreibung in Aktien der 183  Vgl.

das Beispiel bei Küting / Reuter, BB 2008, 658 (661 f.).



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen117

Gesellschaft umzutauschen (Wandelanleihe) oder innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu einem bestimmten Preis eine bestimmte Menge an Aktien der Gesellschaft zu erwerben (Optionsanleihe). Beide Arten der Anleihe verbriefen in der Regel das Recht auf Rückzahlung des Nennbetrags nach Ablauf der Laufzeit und werden während der Laufzeit fest verzinst. Übersteigt der Ausgabebetrag der Anleihe den Rückzahlungsbetrag, erzielt die Gesellschaft ein Agio, das in die Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 2 HGB einzustellen ist. Der Rückzahlungsbetrag muss in der Bilanz als Anleiheschuld erfasst werden. Wird bei der Wandelanleihe das Umtauschrecht ausgeübt, wird der Rückzahlungsbetrag bei den Anleiheschulden ausgebucht und der auf den Nennwert bzw. den anteiligen Betrag des Grundkapitals entfallende Teil in das gezeichnete Kapital und das Agio in die Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB umgebucht.184 Wird das Umtauschrecht nicht ausgeübt, müssen die zunächst als Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 2 HGB ausgewiesenen Beträge des Agios bei der Ausgabe der Wandelanleihe als periodenfremde betriebliche Erträge über die Gewinn- und Verlustrechnung vereinnahmt werden. Würden sie in der Kapitalrücklage belassen, würde sich der Wert der Kapitalanteile der verbliebenen Gesellschafter erhöhen, obwohl das nicht Zweck des Agios ist.185 Bei der Optionsanleihe gilt vergleichbares. Dort tritt allerdings der Aktienbezug neben die Schuldverschreibung, der Berechtigte muss bei Bezug der Aktien den Nennbetrag (bzw. den Anteil am Grundkapital) sowie ein eventuelles Agio an die Gesellschaft zahlen, die dieses regulär als gezeichnetes Kapital sowie in der Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB bilanziert. (3) Z  uzahlungen für Gewährung eines Vorzugs, § 272 Abs. 2 Nr. 3 HGB In die Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 3 AktG werden Gegenleistungen für mitgliedschaftliche Vorzugsrechte eingestellt. Ein solches Vorzugsrecht muss sich aus den erworbenen Anteilen ergeben und aus diesem Grund in der Satzung verankert sein.186 Es kann sich beispielsweise um ein besonderes Recht bei der Gewinnverteilung oder bei der Verteilung des Gesellschaftsvermögens handeln, aber auch um den Verzicht der Gesellschaft auf eine Zusammenlegung von Aktien. Die Zahlung wird auch dann in der Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 3 HGB bilanziert, wenn die Verwendung der Leistung zweckgebunden ist und z. B. bestimmte Verluste bei Reiner, in: MünchKomm HGB § 272 Rn. 47. BiRiLiG, S. 196. 186  Biener / Berneke, BiRiLiG, S. 196. 184  Beispiel

185  Biener / Berneke,

118

1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

ausgleichen soll.187 In diesen Fällen handelt es sich um eine Art des Agios, da die Zahlung für die besondere Ausstattung der Aktie gezahlt wird, ohne den Nennbetrag (bzw. den Anteil am Grundkapital) der Aktie zu erhöhen, und das Vermögen nicht im regulären Geschäftsverlauf der Gesellschaft erwirtschaftet ist. (4) Kapitalrücklagen gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB Kapitalrücklagen gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB entstehen durch andere Zuzahlungen, die die Gesellschafter in das Eigenkapital einzahlen. In diese Rücklage werden nach herrschender Meinung insbesondere sogenannte freiwillige Zuzahlungen im Rahmen einer Kapitalerhöhung („schuldrechtliches Agio“) eingestellt.188 Den Leistungen ist gemein, dass sie freiwillig, also ohne Vereinbarung mit der Gesellschaft übernommen wurden,189 und dass der Gesellschafter für sie keine unmittelbare Gegenleistung erlangt.190 Außerdem kommt eine Zuzahlung gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB nur in Betracht, wenn die Leistung nicht von den § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB erfasst wird. Diese Rücklage unterliegt hinsichtlich ihrer Verwendung keiner Beschränkung, insbesondere nicht den Beschränkungen des § 150 AktG. Dies bedeutet, dass diese Rücklage aufgelöst und ausgeschüttet werden kann.191 Geschieht dies, besteht auch keine Verpflichtung, sie wieder aufzufüllen. Sie kann außerdem gemindert werden, wenn eigene Aktien der Gesellschaft erworben wurden, und muss entsprechend wieder aufgefüllt werden, wenn die eigenen Aktien wieder zu einem Betrag, der den Nennbetrag übersteigt, veräußert werden.192 bb) Gewinnrücklagen Gewinnrücklagen werden aus dem Geschäftsergebnis gebildet. Sie werden unterteilt in die gesetzliche Rücklage, satzungsmäßige Rücklagen und andere Gewinnrücklagen. Die Rücklage für eigene Anteile, die vor dem BilMoG gebildet werden musste, ist durch dieses Gesetz entfallen. 187  Reiner, in: MünchKomm HGB § 272 § 272 HGB Rn. 98. 188  Siehe hierzu unten § 14. 189  Reiner, in: MünchKomm HGB § 272 190  Reiner, in: MünchKomm HGB § 272 191  Reiner, in: MünchKomm HGB § 272 192  RegE BilMoG, BT-Drucks. 16 / 10067

Rn. 62, Kropff, in: MünchKomm AktG Rn. 39. Rn. 63. Rn. 63. S. 66.



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen119

(1) Rücklage des § 150 Abs. 1, 2 AktG (gesetzliche Rücklage) In die gesetzliche Rücklage sind jährlich fünf Prozent des um einen etwaigen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderten Jahresüberschusses einzustellen, bis die gesetzliche Rücklage und die Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB zusammen zehn Prozent oder einen in der Satzung bestimmten höheren Anteil des Grundkapitals erreichen, § 150 Abs. 2 AktG. Ein Gewinnvortrag aus dem Vorjahr wird nicht zum Jahresüberschuss hinzu addiert und wirkt sich somit auf die Einstellung in die gesetzliche Rücklage nicht aus, da der Gewinnvortrag aus dem Vorjahr im GuV-Schema des § 158 AktG erst nach dem feststehenden Jahresüberschuss im Rahmen der Feststellung des Bilanzgewinns berücksichtigt wird.193 Der Gewinnvortrag wurde damit schon im Vorjahr als Teil des Jahresüberschusses in die gesetzliche Rücklage einbezogen. Kann die gesetzliche Rücklage nicht vollständig ausgewiesen werden, müssen ihr zwingend Teile des Jahresüberschusses zugewiesen werden. Die verpflichtende Dotierung der gesetzlichen Rücklage zwingt die Gesellschafter zur Bildung einer Rücklage aus dem Jahresüberschuss und begrenzt ihre Entnahmemöglichkeiten. Bei Einführung des Vorläufers der gesetzlichen Rücklage durch das ADHGB 1884 führte der Gesetzgeber aus, dass auf diese Weise die Gläubiger gegen zu hohe Dividendenausschüttungen geschützt werden sollten. Diese zwingende Rücklagenbildung in einem „zweiten Ring“ um das Grundkapital sollte verhindern, dass Verluste der Gesellschaft direkt das Grundkapital angreifen.194 (2) Satzungsmäßige Rücklagen Satzungsmäßige Rücklagen (§ 266 Abs. 3 A. III 3. HGB) sind Rücklagen, deren Bildung die Satzung der Aktiengesellschaft zwingend vorschreibt. Diese sind Pflichtrücklagen (im Unterschied zu nach Ermessen zu bildenden Rücklagen).195 Zu einer Einstellung in die satzungsmäßigen Rücklagen kommt es nur, wenn die Hauptversammlung im Zuge der Verwendung des Bilanzgewinns gem. § 58 Abs. 4 AktG aufgrund einer Verpflichtung in der Satzung weitere Rücklagen bildet. Für diese Einordnung spricht auch die Regelung des § 158 Abs. 1 Nr. 4 c) AktG, die sonst ins Leere ginge.196 Im Rahmen der Feststellung des Jahresabschlusses durch Vorstand und Auf193  A / D / S, Rechnungslegung, § 150 AktG Rn. 24, Reiner, in: MünchKomm HGB § 272 Rn. 72, Hüffer, § 150 AktG Rn. 5. 194  Vgl. oben § 4 B.I.4. 195  Kropff, in: MünchKomm AktG § 272 HGB Rn. 111, Reiner, in: MünchKomm HGB § 272 Rn. 76 f. 196  A / D / S, Rechnungslegung, § 272 HGB Rn. 154, Fleischer, in: K. Schmidt / Lutter, § 58 AktG Rn. 42, Hoffmann-Becking, in: Münch. Hdb. AG, § 46 Rn. 16.

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

sichtsrat kann die Satzung nur die gesetzliche Ermächtigung zur Einstellung von Teilen des Jahresüberschusses in Rücklagen erweitern, aber nicht die zuständigen Organe dazu verpflichten. Bilden diese also weitergehende Rücklagen, handelt es sich nicht um satzungsmäßige, sondern um andere Gewinnrücklagen. Ist ausnahmsweise die Hauptversammlung gem. § 58 Abs. 1, 172, 173 Abs. 1 AktG für die Feststellung des Jahresabschlusses zuständig, kann sie durch die Satzung nur zu Einstellungen in „andere Gewinnrücklagen“ (§ 266 Abs. 3 A. III. 4. HGB) verpflichtet werden. Diesem Wortlaut entnimmt die herrschende Meinung, dass also trotz der Verpflichtung durch die Satzung die anderen und nicht die satzungsmäßigen Gewinnrücklagen dotiert werden.197 Bei der Verwendung satzungsmäßiger Rücklagen ist eine in der Satzung getroffene Regelung zu beachten. In Betracht kommt insbesondere eine Vorgabe, die Rücklagen erfolgswirksam auszuweisen (als Entnahmen aus der satzungsmäßigen Rücklage in der GuV) oder sie in Grundkapital umzuwandeln. (3) Andere Gewinnrücklagen Andere Gewinnrücklagen werden durch eine Entscheidung der zuständigen Gesellschaftsorgane gebildet, die weder durch das Gesetz noch durch die Satzung zwingend vorgeschrieben ist. Es sind alle Gewinnrücklagen, die nicht gesetzliche Rücklage oder satzungsmäßige Rücklage sind. Darunter fallen sowohl Einstellungen in die Gewinnrücklagen im Rahmen der Aufstellung des Jahresabschlusses durch Vorstand und Aufsichtsrat bzw. die Hauptversammlung als auch solche im Rahmen der Gewinnverwendung der Hauptversammlung. Die anderen Gewinnrücklagen können grundsätzlich aufgelöst und – nach einem Gewinnverwendungsbeschluss – ausgeschüttet werden. Anderes gilt lediglich, wenn sie zur Umwandlung von Rücklagen im Rahmen einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln bestimmt sind und somit nur eine Umbuchung innerhalb der Passiva stattfindet.198 (4) Abschaffung der Rücklage für eigene Anteile Nach der Rechtslage vor dem BilMoG musste in manchen Fällen bei Erwerb eigener Aktien eine Rücklage für eigene Anteile gebildet werden, § 272 Abs. 4 HGB a. F., die die (damals) zulässige Bilanzierung der eigenen Aktien als Vermögensgegenstand auf der Aktivseite bilanziell neutralisierte. 197  A / D / S, Rechnungslegung, § 272 HGB Rn. 153, a. A. Kropff, in: MünchKomm AktG § 272 HGB Rn. 113. 198  Kessler / Freisleben, in: MünchKomm AktG § 277 HGB Rn. 225.



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen121

Diese Rücklage war bei der Aufstellung der Bilanz und nur aus dem Jahresergebnis oder den frei verfügbaren Gewinnrücklagen oder der (ausschüttbaren) Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB199 zu bilden. Ihre Bildung hatte die Wirkung einer Ausschüttungssperre im Umfang der für den Erwerb der eigenen Aktien aufgewendeten Mittel. Hätte die Gesellschaft die eigenen Aktien nur auf der Aktivseite der Bilanz aufgenommen, hätte dieser reine Aktivtausch sich nicht auf das Ergebnis ausgewirkt. Durch die Bildung einer Rücklage wurde die Aktivierung neutralisiert und eine Ausschüttung der für den Erwerb der eigenen Aktien aufgewendeten Mittel verhindert, indem der Erwerb der Aktien in vollem Umfang das Ergebnis der Gesellschaft belastete.200 Wurden die eigenen Aktien dagegen zur Einziehung erworben oder hing die spätere Veräußerung der Aktien von einem Beschluss der Hauptversammlung ab, musste ihr Nennbetrag oder rechnerische Wert in der Vorspalte offen vom Posten „Gezeichnetes Kapital“ abgesetzt werden; die Differenz zum Kaufpreis war mit den anderen Gewinnrücklagen zu verrechnen. Dieser sog. Nettoausweis entspricht der Regelung, die aufgrund des BilMoG für alle Fälle des Erwerbs eigener Aktien getroffen wurde (siehe oben § 4 B. II.1.a)). Auf diese Weise soll in der Bilanz ein Bild gezeigt werden, dass den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen entspricht. Außerdem handelt es sich de facto um eine Kapitalrückzahlung.201 An dieser Regelung wird kritisiert, dass auf diese Weise durch einen Erwerb eigener Aktien unabhängig von Regelungen zum Schutz der Gläubiger das Kapital herabgesetzt werde.202 Dieser Gefahr wird durch die Anforderung Rechnung getragen, dass die Aktien nur erworben werden dürfen, wenn die Gesellschaft in Höhe der Aufwendungen eine Rücklage bilden könnte, ohne das Grundkapital oder eine nach Gesetz oder Satzung zu bildende Rücklage zu mindern, die nicht zu Zahlungen an die Aktionäre verwendet werden darf, § 71 Abs. 2 S. 2 AktG. Allerdings hat diese Neuregelung zur Folge, dass die ausschüttbaren Eigenkapitalbestandteile nur mit dem Betrag belastet werden, der der Differenz zwischen dem Erwerbspreis und den Nennbetrag entspricht. Ein Betrag, der dem Anteil am Grundkapital entspricht, bleibt dagegen unberührt und kann weiterhin ausgeschüttet werden.203 Die Neuregelung schützt das Kapital der Gesellschaft somit schlechter als die frühere 199  A / D / S,

200  „… als

Rechnungslegung, § 272 HGB Rn. 191. ob es den Aktivwert eigene Anteile gar nicht gäbe.“: Kropff, ZIP 2009,

1137 (1140). 201  Claussen, AG 2008, 577 (581). 202  Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, BB 2008, 209 (215). 203  Kropff, ZIP 2009, 1137 (1141).

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

Rücklage für eigene Aktien. „Der Sache nach wird das gezeichnete Kapital ohne den sonst bei einer Kapitalherabsetzung eingreifenden Gläubigerschutz (§§ 225, 230 AktG) herabgesetzt.“204 cc) Bindung der Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB und der gesetzlichen Rücklage nach § 150 Abs. 3, 4 AktG Die satzungsmäßigen Rücklagen oder die anderen Rücklagen dienen in manchen Fällen einem bestimmten Zweck und können nur entsprechend verwendet werden. Im Übrigen können nicht zweckgebundene satzungsmäßige und andere Gewinnrücklagen sowie die Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB aufgelöst und zum Gegenstand eines Gewinnverwendungsbeschlusses gemacht werden. Einer weitergehenden Bindung unterliegen die gesetzliche (Gewinn-)Rücklage (§ 150 Abs. 1, 2 AktG) und die Kapitalrücklagen gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB. Diese können nur in den in § 150 Abs. 3, 4 AktG vorgesehenen Fällen gemindert werden. (1) B  eträge bis zum maßgeblichen Anteil des Grundkapitals, § 150 Abs. 3 AktG Übersteigt die Summe der Kapitalrücklagen gem. § 272 Abs. 1–3 HGB und der gesetzlichen Rücklage zehn Prozent oder den in der Satzung festgelegten, höheren Anteil des Grundkapitals nicht, können sie nur zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrages und zum Ausgleich eines Verlustvortrags aus dem Vorjahr, die nicht durch einen Gewinnvortrag aus dem Vorjahr bzw. einen Jahresüberschuss oder andere Gewinnrücklagen gedeckt sind, verwendet werden. Wie bereits gesagt, sollte auf diese Weise der „zweite Ring“ um das Grundkapital als letzte Reserve der Gesellschaft besser geschützt werden. Fraglich ist, wie in diesem Kontext die Kapitalrücklage des § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB zu behandeln ist. Einerseits ist sie keine Gewinnrücklage, nach dem Wortlaut des § 150 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AktG muss sie also nicht aufgelöst werden, bevor ein Jahresfehlbetrag oder ein Verlustvortrag aus dem Vorjahr die gesetzliche Rücklage vermindern können. Andererseits ist es der Zweck der vorrangigen Verwendung anderer (ausschüttbarer) Mittel, dass die gesetzliche Rücklage erst angegriffen wird, wenn keine anderen Mittel mehr zur Verfügung stehen. Es ist nicht ersichtlich, weshalb in einer Situation, in der die Gesellschaft durch Verluste die gesetzliche Rücklage mindern muss, die (ausschüttbare) Kapitalrücklage des § 272 Abs. 2 Nr. 4 AktG 204  Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, BB 2008, 209 (215).



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen123

erhalten bleiben sollte. Dafür spricht auch die Gesetzesbegründung zum BilMoG, die die Rücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB genauso behandeln möchte wie die freien Gewinnrücklagen.205 Es liegt also nahe, die Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB in diesem Zusammenhang wie eine Gewinnrücklage zu behandeln und ihre vorrangige Auflösung zu verlangen. Gesetzlich gefordert ist dies jedoch nicht. Die Regelung des § 150 Abs. 3 AktG schließt aus, die gesetzliche Rücklage auszuschütten oder sie zum Ausgleich von Verlusten zu verringern, solange noch andere Eigenkapitalbestandteile außer dem gezeichneten Kapital vorhanden sind. Wurde die gesetzliche Rücklage vermindert, muss sie gem. der Regel des § 150 Abs. 2 AktG solange aus Erträgen gespeist werden, bis sie zusammen mit den Kapitalrücklagen gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB wieder den zehnten oder den in der Satzung festgelegten, höheren Teil des Grundkapitals erreicht, was die Ausschüttung von Teilen des Jahresüberschusses verhindert. (2) B  eträge oberhalb des maßgeblichen Anteils am Grundkapital, § 150 Abs. 4 AktG Liegt diese Summe aus Kapitalrücklagen gem. § 272 Abs. 1–3 HGB und der gesetzlichen Rücklage dagegen über dem maßgeblichen Anteil am Grundkapital, darf der übersteigende Betrag gem. § 150 Abs. 4 AktG zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrages oder eines Verlustvortrags aus dem Vorjahr verwendet werden, wenn dieser nicht durch einen Gewinnvortrag aus dem Vorjahr bzw. einen Jahresüberschuss gedeckt ist. Jedoch dürfen nicht gleichzeitig Gewinnrücklagen zur Gewinnausschüttung aufgelöst werden. Außerdem kann aus dem übersteigenden Betrag eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln durchgeführt werden. Dies bedeutet, dass zwar in dem Jahr kein Gewinn ausgeschüttet werden kann, aber Gewinnrücklagen nicht vorrangig aufgelöst werden müssen. Im Ergebnis kann somit in einem verlustreichen Jahr (oder im Folgejahr) die Kapitalrücklage zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrages (oder eines Verlustvortrags aus dem Vorjahr) verwendet werden. Im nächsten Jahr kann jedoch durch Auflösung von Gewinnrücklagen wieder Gewinn ausgeschüttet werden. Dies entspricht der ursprünglichen Konzeption des Reservefonds im ADHGB 1884 und im HGB 1897, nach der der Reservefonds bei Verlusten vorrangig verwendet werden musste. Auf diese Weise kann über verschiedene Jahre hinweg die Rücklage gem. § 150 Abs. 4 AktG gemindert werden, ohne dass eine Gewinnausschüttung in anderen Jahren beschränkt wird. 205  RegE

BilMoG, BT-Drucks. 16 / 10067, S. 66.

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

Man könnte also vertreten, dass auf diese Weise eine der Agiotage ähnliche Wirkung herbeigeführt werden kann. Wegen der geringen Sicherheit dieser Ausschüttungssperre wird in der Literatur auch gefordert, sie ganz abzuschaffen.206 Die unterschiedliche Zugriffsmöglichkeit einerseits auf die gesetzliche Rücklage und die Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB nach § 150 Abs. 3 AktG, soweit diese zehn Prozent des Grundkapitals nicht übersteigen, und andererseits auf die übersteigenden Teile der Kapitalrücklage nach § 150 Abs. 4 AktG, wird auch an anderen Stellen des Aktiengesetzes bestätigt: Eine vereinfachte Kapitalherabsetzung gem. § 229 AktG zum Zwecke der Einstellung in die Kapitalrücklage ist gem. § 231 AktG nur möglich, wenn die gesetzliche Rücklage und die Kapitalrücklage zusammen zehn Prozent des Grundkapitals nicht übersteigen. Eine solche Regelung ist nur sinnvoll, da die gesetzliche Rücklage und die Kapitalrücklage, soweit sie 10 % des Grundkapitals betragen, besser geschützt sind als die restliche Kapitalrücklage. Wären alle Bestandteile der Kapitalrücklage gleich geschützt, bedürfte es dieser Begrenzung des Anwendungsbereichs der vereinfachten Kapitalerhöhung nicht. c) Gewinn- bzw. Verlustvortrag, Jahresüberschuss bzw. -fehlbetrag und Bilanzgewinn oder -verlust Aus Jahresüberschuss / -fehlbetrag, Gewinn- / Verlustvortrag und Entnahmen aus und Einstellungen in Rücklagen berechnet sich gem. § 158 Abs. 1 AktG der Bilanzgewinn oder Bilanzverlust. Der Jahresüberschuss oder Jahresfehlbetrag ist das Geschäftsergebnis eines Geschäftsjahres, das in der Bilanz (§ 266 Abs. 3 A. V HGB) ausgewiesen wird. Der Gewinnvortrag ist jener Teil des Bilanzgewinns des Vorjahres, der weder in die Rücklagen eingestellt, noch an die Anteilseigner ausgeschüttet oder zum Ausgleich eines Fehlbetrags aus dem laufenden Geschäftsjahr verwendet wurde. Er wurde aus Jahresüberschüssen / -fehlbeträgen des oder der Vorjahre gebildet, aber noch keinem Verwendungszweck zugeführt. Ein Verlustvortrag ergibt sich dagegen, wenn der Vorjahresabschluss mit einem Bilanzverlust abschloss. Vorstand und Aufsichtsrat haben verschiedene Möglichkeiten, den Bilanzgewinn resp. Bilanzverlust zu beeinflussen. Sie können ihn gegenüber dem Jahresüberschuss erhöhen, indem sie Beträge aus der Kapital- oder Gewinnrücklage entnehmen. Dagegen verringert sich der Bilanzgewinn, wenn ­Beträge in die Gewinnrücklage eingestellt werden. Auch ein Gewinn- oder Verlustvortrag aus dem Vorjahr beeinflusst das Ergebnis. 206  von

Falkenhausen, NZG 2009, 1096 (1098).



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen125

Die Aktionäre haben gemäß § 58 Abs. 4 AktG Anspruch auf den Bilanzgewinn, solange eine Verteilung nicht ausgeschlossen ist. Der mitgliedschaftliche Gewinnanspruch entsteht mit Feststellung eines Jahresabschlusses, der einen Bilanzgewinn ausweist. Inhalt dieses Anspruchs ist die Teilhabe am Bilanzgewinn nach Maßgabe des Gewinnverwendungsbeschlusses und der rechtlichen Ausgestaltung der Aktie. Der Aktionär hat gegen die Gesellschaft außerdem einen Anspruch auf Herbeiführung des Gewinnverwendungsbeschlusses. Der Zahlungsanspruch entsteht dagegen erst mit Wirksamwerden des Gewinnverwendungsbeschlusses und wird als Gläubigerrecht eingeordnet. 2. Auslegung der Vermögensbindungsvorschriften anhand der Schutzzwecke

Im vorangegangenen Abschnitt wurde untersucht, woher die verschiedenen Bestandteile des Eigenkapitals stammen und wie sie verwendet werden können. Dabei zeigte sich, dass die Bindung der Eigenkapitalbestandteile in der Gesellschaft unterschiedlich stark ist. Anhand der Unterschiede in der Herkunft, in den Verwendungsmöglichkeiten und in der Bindung sollen in diesem Abschnitt im Rahmen einer teleologischen Auslegung, also der ­Frage nach dem objektiv den Gesetzesnormen zugrundeliegenden Zweck, Aussagen über unterschiedliche Schutzzwecke getroffen werden. Nachdem unstreitig ist, dass die Bindung des Vermögens in der Aktiengesellschaft zumindest auch dem Schutz der Gläubiger dient, soll zunächst untersucht werden, ob dies für sämtliche Eigenkapitalbestandteile zutrifft. Sollte sich ergeben, dass nicht sämtliche Bestandteile dem Gläubigerschutz dienen, muss untersucht werden, in wessen Interesse die Bindung stattdessen besteht. a) Differenzierung der Eigenkapitalbestandteile nach Gläubigerschutzerwägungen aa) Gläubigerschützend: Grundkapital und Rücklagen gem. § 150 Abs. 1–3 AktG Das Grundkapital der Gesellschaft, das in der Bilanz als „Gezeichnetes Kapital“ dargestellt und auch als „Mindesthaftkapital“ oder „Garantiekapital“ bezeichnet wird207, kann nicht an die Aktionäre ausgeschüttet werden, sondern nur im Rahmen einer Kapitalherabsetzung oder nach Auflösung der Gesellschaft im Rahmen der Abwicklung an die Aktionäre zurückgelan207  Fock,

in: Spindler / Stilz, § 1 AktG Rn. 83.

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

gen.208 Wird es durch Verluste gemindert, können Gewinne in den Folgejahren nicht ausgeschüttet werden, solange das Grundkapital nicht wieder aufgefüllt ist und voll ausgewiesen werden kann. Das Grundkapital stellt das Korrelat zu der Beschränkung der Haftung auf das Vermögen der Gesellschaft dar.209 Dafür, dass es dem Schutz der Gläubiger der Gesellschaft dient, spricht zunächst, dass es nicht nur zu erhalten, sondern bei einer Verringerung durch Verluste zwingend und vorrangig durch Gewinne wieder aufzufüllen ist. Gläubigerschützend ist außerdem seine Funktion als Zugriffsmasse und als „bilanzieller Sicherheitszuschlag“ für die Gläubiger.210 Auch seine Publizierung, ein wichtiges Mittel der Darstellung gegenüber den Gläubigern, bestätigt die Einordnung als gläubigerschützend.211 Dagegen ist nicht ersichtlich, welchen anderen Zwecken außer dem Schutz der Gläubiger das Grundkapital dienen sollte. Insbesondere die Aktionäre haben kein Interesse an der dauerhaften Überlassung von Kapital an die Gesellschaft. Im Ergebnis ist also anzunehmen, dass die Aufbringung und die Erhaltung des Grundkapitals der Gesellschaft allein dem Schutz der Gläubiger dienen.212 Die gesetzliche, aus Gewinnen gespeiste Rücklage gem. § 150 Abs. 1, 2 AktG wurde geschaffen, um durch eine verpflichtende Rücklagenbildung der Gesellschaft eine Art „zweiten Ring“ um das Grundkapital zu legen. Erst später wurde eingeführt, dass auch ein entsprechender Anteil der Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 AktG in der gleichen Weise gebunden ist. Dieser zweite Ring sollte eine letzte Reserve der Gesellschaft darstellen, die verhindert, dass das Grundkapital durch Verluste der Gesellschaft unmittelbar angegriffen wird.213 Bereits diese Zwecksetzung ist gläubigerschützend. Für die Einordnung als gläubigerschützend spricht darüber hinaus, dass die freie Gewinnverwendung der Aktionäre durch verpflichtende Einstellungen in die gesetzliche Rücklage beschränkt ist. Die Rücklage kann nicht ausgeschüttet werden und muss nach einer Verringerung durch Verlus208  Henze,

AG 2004, 405. in: MünchKomm AktG § 1 Rn. 95, Reiser / Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 8 Rn. 28 f., Fock, in: Spindler / Stilz, § 1 AktG Rn. 83. 210  Seine Bilanzierung als unechtes Passivum bewirkt außerdem, dass der Wert des Aktivvermögens den Wert der echten Passivposten übersteigt. Auf diese Weise soll nach Begleichung aller Forderungen noch ein Sicherheitszuschlag existieren, durch den auch Fehlbewertungen ausgeglichen werden können, so dass die Forderungen der Gläubiger in jedem Fall befriedigt werden können: Henze, AG 2004, 405 (406), Henze, NZG 2005, 115 (119). 211  Ähnlich Technau, AG 1998, 445 (449). 212  Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 7, Heider, in: MünchKomm AktG § 1 Rn. 91, 95. 213  Siehe hierzu oben § 4 B.I.4.b) und § 4 B.I.5.a). 209  Heider,



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen127

te aus dem Jahresüberschuss wieder aufgefüllt werden. Andere Schutzzwecke als der Schutz der Gläubiger sind dagegen nicht ersichtlich: Sowohl die Organe der Gesellschaft als auch die Aktionäre werden durch diese Regelung in gleicher Weise eingeschränkt, weshalb die Regelung nicht der Kompetenzabgrenzung zwischen den einzelnen Organen und den Gesellschaftern dient. Die Regelung verhindert auch keine Ungleichbehandlungen einzelner Aktionäre. Aus diesem Grund dienen die Bildung und die Bindung der gesetzlichen Rücklage sowie die Bindung der Teile der Kapitalrücklage, die zur Erreichung der Grenze von 10 % oder des in der Satzung bestimmten höheren Anteils des Grundkapitals erforderlich sind, allein dem Schutz der Gläubiger.214 Im Falle einer Kapitalerhöhung stellt sich die Frage, wie zu bestimmen ist, in welcher Höhe die gesetzliche Rücklage gem. § 150 Abs. 1–3 AktG dem Gläubigerschutz dient. Probleme ergeben sich, wenn die gesetzliche Rücklage und die Kapitalrücklage vor der Kapitalerhöhung zusammen nicht den zehnten oder den in der Satzung festgelegten, höheren Anteil des Grundkapitals erreichten, nun aber durch die Kapitalerhöhung die Kapitalrücklage des § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB aufgefüllt wird, so dass auch die gem. § 150 Abs. 3 AktG gebundene Rücklage gespeist wird. Für den Schutz der Gläubiger könnte entweder die vor der Kapitalerhöhung bestehende, geringere gesetzliche Rücklage maßgeblich sein, oder die durch die Kapitalerhöhung vermehrte gesetzliche Rücklage. Wie bereits angemerkt, dient eine Ausgabe der Aktien über pari nicht dem Interesse der Gläubiger, sondern allein dem Schutz der Altaktionäre. Auch der Publizität der Kapitalerhöhung kann regelmäßig nur die Erhöhung des Nennbetrages, nicht jedoch der übersteigende Ausgabebetrag entnommen werden. Ein Vertrauen in den Zufluss des Agios bildet sich also bei den Gläubigern regelmäßig nicht. Dies spricht dafür, dass der geringere Betrag der Rücklage bestimmend ist. Dem Investor, der einen Haftungsanspruch geltend macht, ist es nicht zu vermitteln, dass im Interesse der Gläubiger Mittel in der Gesellschaft verbleiben müssen, deren Festsetzung diese nicht verlangen können. Auch für die Alt­ aktionäre erscheint es als unverdientes Glück, dass die gesetzliche Rücklage aufgefüllt wird und in Zukunft der Jahresüberschuss ohne eine Verminderung durch Einstellungen in die gesetzliche Rücklage als Bilanzgewinn festgestellt werden kann. Aus diesen Gründen ist für die Bindung des Kapitals die vor der Kapitalerhöhung bestehende, geringere gesetzliche Rücklage maßgeblich.

214  Ähnlich

Henze, AG 2004, 405 (406).

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

bb) Nicht gläubigerschützend: Ausschüttbare Vermögensbestandteile, satzungsmäßige Rücklagen Für den Bilanzgewinn, den Gewinnvortrag, andere, nicht zweckgebundene Rücklagen und die Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB wurde oben festgestellt, dass diese bei Erfüllung bestimmter formaler Voraussetzungen (insb. Rücklagenauflösung durch die Verwaltung) zum Gegenstand eines Gewinnverwendungsbeschlusses der Hauptversammlung gemacht werden können und dann an die Aktionäre ausgeschüttet werden können. Werden diese Vermögensbestandteile aufgelöst und ausgeschüttet oder durch Verluste der Gesellschaft verringert, zwingt das Aktiengesetz die Gesellschaft nicht, sie wieder aufzufüllen. Vermögensbestandteile, die ausgeschüttet werden können, ohne dass Maßnahmen zum Schutz der Gläubiger getroffen werden müssen, und die nicht wieder aufgefüllt werden müssen, können nicht dem Schutz der Gläubiger dienen. Soweit sie dennoch durch formale Schranken gegen eine Ausschüttung gebunden sind, dient das dem Schutz der Zuständigkeiten der einzelnen Organe und der Gleichbehandlung der Aktionäre.215 Auf diese Schutzzwecke ist an späterer Stelle zurückzukommen. Nicht gläubigerschützend sind auch die satzungsmäßigen Rücklagen. Diese werden aus Gewinnen gespeist, die auch hätten ausgeschüttet werden können. Ihre Einstellung in Rücklagen basiert auf einer Regelung in der Satzung, die ebenfalls nicht dem Schutz der Gläubiger dient. cc) Problematisch: Rücklagen im Rahmen des § 150 Abs. 4 AktG Die Frage, ob die Bindung der Teile der gesetzlichen Rücklage und der Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB, die den Anteil von 10 % oder den in der Satzung festgelegten höheren Anteil am Grundkapital übersteigen, dem Schutz der Gläubiger dient, ist noch nicht beantwortet. Bei diesen Teilen wird es sich regelmäßig um Teile der Kapitalrücklage handeln, da keine Einstellungen in die gesetzliche Rücklage mehr erfolgen, sobald der maßgebliche Anteil des Grundkapitals erreicht ist. Sie stammen also aus dem Agio, das bei der Ausgabe von Aktien erzielt wird, sowie aus Gewinnen aus der Veräußerung eigener Aktien, aus dem Agio aus der Ausgabe von Wandelungs- und Optionsrechten und aus Zuzahlungen für die Gewährung eines Vorzugs. In der Literatur wird vielfach nicht korrekt zwischen den verschiedenen Komponenten des § 150 AktG unterschieden. Obwohl das Gesetz nur eine Rücklage in Höhe von 10 % oder einen in der Satzung festgelegten, höheren 215  Schön,

in: FS Röhricht (2005), S. 559 (562 ff.).



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen129

Anteil am Grundkapital vorschreibt, werden oft sämtliche Mittel der gesetzlichen Rücklage (§ 150 Abs. 1, 2 AktG) und der Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB gleich behandelt. Auch in den detailliertesten Untersuchungen werden die unterschiedlichen Verwendungsmöglichkeiten und die unterschiedlichen Zwecksetzungen der Aufbringung und der Bindung nicht deutlich voneinander unterschieden.216 Stattdessen werden sämtliche Bestandteile wie nach dem AktG 1965 vor dem BiRiLiG als „gesetzliche Rücklage“ betitelt und unterschiedslos behandelt.217 Die Zwecksetzungen der einzelnen Vermögensbestandteile werden – soweit ersichtlich – überhaupt nicht genauer untersucht. Stattdessen wird vielfach auf die von der herrschenden Meinung angenommene umfassende Vermögensbindung des § 57 AktG zurückgegriffen, nach der jede Leistung an einen Aktionär, die nicht im Rahmen eines Gewinnverwendungsbeschlusses erfolgt, unzulässig ist. Wenn man dann annimmt, dass diese umfassende Vermögensbindung in vollem Umfang dem Gläubigerschutz diene, ist eine differenzierte Betrachtung nicht mehr möglich. Schön unterscheidet zwar zwischen den eindeutig gläubigerschützenden Bestandteilen des Eigenkapitals, die nur im Wege einer Kapitalherabsetzung vermindert werden können, und den nicht-gläubigerschützenden, ausschüttbaren Bestandteilen. Die Rücklagen, die von § 150 AktG erfasst werden, hält er für bedingt gläubigerschützend.218 Auch hier findet keine detaillierte Untersuchung der Zwecke der verschiedenen Bestandteile des § 150 AktG statt. Insbesondere für die Teile der Rücklagen gem. § 150 AktG, die die gesetzliche Rücklage von 10 % oder einem in der Satzung festgelegten, höheren Anteil des Grundkapitals übersteigen, stellt sich die Frage, ob sich aus den Zwecken ihrer Festsetzung oder den Zwecken ihrer Bindung ein gläubigerschützender Aspekt ergibt. (1) Zwecke der Festsetzung der Zahlungen nicht gläubigerschützend Eine gläubigerschützende Zwecksetzung könnte sich aus den Gründen ergeben, aus denen die Zahlungen ursprünglich von den Aktionären eingefordert werden. Das Agio, das bei der Ausgabe von Aktien erzielt wird (§ 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB), dient dazu, die Altaktionäre vor einer Verwässerung ihrer Anteile zu schützen. Es steht den Altaktionären frei, in einem Kapitalerhöhungsbeschluss oder bei der Gründung eine Ausgabe a pari oder über pari zu beschließen. Lediglich bei Zusammentreffen mit einem Bezugsrechtsausschluss kann eine Ausgabe zu einem zu niedrigen Ausgabebetrag andere bspw. Henze, AG 2004, 405 (408). AG 2004, 405 (408). 218  Schön, in: FS Röhricht (2005), S. 559 (563). 216  Siehe

217  Henze,

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

Aktionäre zu einer Anfechtung der Kapitalerhöhung berechtigen, § 255 Abs. 2 AktG. Das Agio wird aber nicht festgesetzt, um den Gläubigern der Gesellschaft eine vergrößerte Zugriffsmasse zu sichern.219 Auch haben die Gläubiger keine Möglichkeit, die Festsetzung eines Agios zu fordern oder gegen eine Aktienausgabe a pari oder zu einem unangemessen niedrigen Ausgabebetrag vorzugehen.220 Die Festsetzung des Agios dient also nur den Altaktionären der Gesellschaft, aber nicht den Gläubigern.221 Entsprechendes gilt für die Gewinne aus der Veräußerung eigener Aktien, die seit dem BilMoG gem. § 272 Abs. 1b S. 3 HGB in die Rücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB eingestellt werden müssen. Die Gläubiger können keine Rechtsfolgen daraus herleiten, dass die Gesellschaft die eigenen Aktien „zu billig“ verkauft. Stattdessen droht lediglich den Aktionären bei einer „zu billigen“ Veräußerung ein der Verwässerung ähnlicher Effekt. Vergleichbares gilt für das Agio, das bei der Ausgabe von Wandelungsund Optionsrechten erzielt wird (§ 272 Abs. 2 Nr. 2 HGB). Diese Zahlung wird als ausschüttbarer Gewinn der Gesellschaft eingeordnet, wenn das Wandelungs- oder das Optionsrecht nicht ausgeübt werden. Solange diese Rechte bestehen, wird es im Vorgriff auf die gesellschaftsrechtliche Beteiligung des Berechtigten nicht dem Gewinn, sondern dem Kapital der Gesellschaft zugeordnet und aus diesem Grund in der Kapitalrücklage verbucht. Wurde das Recht ausgeübt, handelt es sich um einen Teil des Kapitals, das der Aktionär eingebracht hat. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass diese Mittel im Hinblick auf die Interessen der Gläubiger eingebracht werden. Vielmehr nimmt die Gesellschaft eine Gesamtkalkulation der Leistungen vor, die der potentielle neue Aktionär erbringt: Sowohl bei der Wandel- als auch bei der Optionsanleihe erhält der Berechtigte die Möglichkeit, Aktien der Gesellschaft in der Zukunft zu einem vorher bestimmten Preis zu erhalten. Bei der Wandelanleihe bestimmt sich der Preis aus dem Umtauschverhältnis, bei der Optionsanleihe ist er in Geld bestimmt. Da der Berechtigte das Options- oder Wandelungsrecht insbesondere ausüben wird, wenn der Preis der Aktie über dem angesetzten Preis im Rahmen des Options- oder Wandelungsrechts liegt, wird eine drohende Verwässerung auch durch das vorab gezahlte Agio ausgeglichen. Wird das Recht nicht ausgeübt, dient die Zahlung der Gewinnerzielung und damit ebenfalls den Aktionären und nicht den Gläubigern. Die Gläubiger haben auch keine Möglichkeit, die Festsetzung eines Agios einzufordern oder die Angemessenheit des Agios überprüfen zu lassen. Auch die Festsetzung dieses Agios dient also allein den Aktionären der Gesellschaft und nicht den Gläubigern der Gesellschaft. 219  Siehe

hierzu (1). NZG 2003, 1096 (1097). 221  Technau, AG 1998, 445 (449). 220  Mellert,



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen131

Die Zuzahlung für die Gewährung eines Vorzugs, § 272 Abs. 2 Nr. 3 HGB, gleicht gegenüber den anderen Aktionären die vermehrten Rechte und Möglichkeiten (und damit auch den gesteigerten Aktienwert) aus, die der Aktionär durch die Gewährung des Vorzugs erhält. Die Zahlung schützt somit ebenfalls die anderen Aktionäre vor einer Verwässerung ihres Anteils. Die Gläubiger haben jedoch kein schützenswertes Interesse an der Zuzahlung und werden durch die Gewährung des Vorzugs auch nicht gefährdet. Ihrem Schutz dient die Festsetzung der Zuzahlung also nicht. Es zeigt sich also, dass alle Bestandteile der Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB nur im Interesse der Aktionäre festgesetzt und geleistet werden. (2) Zwecke der Verwendungsbindung nicht gläubigerschützend Eine gläubigerschützende Zwecksetzung könnte sich allerdings noch aus den Gründen ergeben, aus denen die Zahlungen gem. § 150 Abs. 4 AktG gebunden sind. Gemäß § 150 Abs. 4 AktG darf der Betrag aus der Summe aus Kapitalrücklagen gem. § 272 Abs. 1–3 HGB und der gesetzlichen Rücklage, der über dem maßgeblichen Anteil am Grundkapital liegt, zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrages oder eines Verlustvortrags aus dem Vorjahr verwendet werden, wenn dieser nicht durch einen Gewinnvortrag aus dem Vorjahr bzw. einen Jahresüberschuss gedeckt ist. Dabei dürfen nicht gleichzeitig Gewinnrücklagen zur Gewinnausschüttung aufgelöst werden. Außerdem kann aus dem übersteigenden Betrag eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln durchgeführt werden. Ausgeschlossen sind dagegen insbesondere eine Auflösung der Rücklagen und eine Ausschüttung an die Aktionäre. Die Bindung des Agios aus einer Kapitalerhöhung, § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB, wurde eingeführt, um die Vorspiegelung üppiger Gewinne und damit falsche Darstellungen des Ertragswerts durch eine Ausschüttung des Agios zu unterbinden, die sogenannte Agiotage.222 Bei dieser besteht die Gefahr, dass Anleger von zu hohen Erträgen des Unternehmens ausgehen und über die Situation der Gesellschaft getäuscht werden. Für die Gewinne aus der Veräußerung eigener Anteile sowie für die Kapitalrücklagen gem. § 272 Abs. 2 Nr. 2 und 3 HGB gilt Vergleichbares. Sie wurden erst später einer entsprechenden Bindung unterworfen, folgen aber dem gleichen Schema. Sowohl bei dem Agio aus der Ausgabe von Options- und Wandelschuldverschreibungen als auch bei Zuzahlungen für die Gewährung eines Vorzugs handelt es sich um Kapital der Gesellschaft. In glei222  Siehe

hierzu § 4 B.I.4.

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

cher Weise führt dessen Ausschüttung zu einer Vorspiegelung von Gewinnen, die tatsächlich nicht erzielt wurden.223 Die Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB kann jedoch auf andere Weise, insbesondere durch Verluste der Gesellschaft, gemindert werden. In einem solchen Fall müssen auch nicht vorrangig andere (Gewinn-) Rücklagen aufgelöst werden.224 Lediglich mit einer Gewinnausschüttung darf die Verminderung durch Verluste nicht zusammentreffen. Wurde sie vermindert, ist die Kapitalrücklage auch nicht durch die Einstellung von Gewinnen wieder aufzufüllen. Auch gibt es keine dem § 92 Abs. 1 AktG vergleichbare Anzeigepflicht bei Verlust von bestimmten Teilen der Kapitalrücklage. Daran zeigt sich, dass die Gläubiger auf das Bestehen und die Erhaltung der Kapitalrücklage nicht vertrauen können. Die Bindung dient nicht ihnen, sondern dem Schutz der Anleger vor einer Vorspiegelung von Gewinnen. Gemeinsam mit den allgemeinen Regeln über die Voraussetzungen einer Gewinnausschüttung dient sie außerdem der Sicherstellung der Gleichbehandlung der Aktionäre. Auch die gesetzliche Rücklage ist nicht mehr gläubigerschützend, soweit sie zusammen mit der Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB die Grenze von 10 % oder den in der Satzung festgelegten höheren Anteil übersteigt. Zugunsten der Gläubiger wurde nur die Bindung einer der Höhe nach begrenzten Rücklage eingeführt. Übersteigen die Rücklagen, die dieser Bindung unterliegen, diese Grenze, so ist ihre Verwendung erleichtert und sie dienen keinem gläubigerschützenden Zweck mehr. Gegen eine Einordnung der übersteigenden Teile der Kapitalrücklage und der gesetzlichen Rücklage als gläubigerschützend spricht auch, dass sie zu einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln verwendet werden können, § 150 Abs. 4 S. 2 AktG. Erst durch diese Kapitalerhöhung unterliegen die Mittel der weitgehenden Bindung und dem starken Schutz, der für das Grundkapital gilt. Wären die übersteigenden Bestandteile der gesetz­lichen Rücklage und der Kapitalrücklage in der gleichen Weise geschützt wie das Grundkapital, wären die Durchführung einer Kapitalerhöhung und die Umbuchung in das Gezeichnete Kapital überflüssig. Erst nachdem eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln durchgeführt wurde, dienen die Vermögensbestandteile also dem Gläubigerschutz.

223  Pauschal zur gesamten Vermögensbindung: Lutter, in: KK AktG2 § 57 Rn. 2, Bayer, in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 3, Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 7. 224  Kritisch Bezzenberger, Das Kapital (2005), S. 174.



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen133

(3) Fazit: Übersteigende Beträge nicht gläubigerschützend Es zeigt sich also, dass weder die Beträge, die in die Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB eingestellt werden, im Interesse der Gläubiger festgesetzt werden, noch dass die Bindung der Beträge, um die die Summe aus der gesetzlichen Rücklage und der Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB den Anteil von 10 % oder den in der Satzung bestimmten höheren Anteil übersteigt, dem Schutz der Gläubiger dient. Zwar vergrößert die Bindung dieser Beträge in der Gesellschaft faktisch die Zugriffsmasse der Gläubiger, dabei handelt es sich jedoch nur um einen Reflex, auf den die Gläubiger nicht vertrauen dürfen. Gläubigerschützend sind demgegenüber das Grundkapital und die nach § 150 Abs. 3 AktG gebundenen Rücklagen, also die gesetzliche Rücklage und die Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB, soweit sie zusammen die Grenze von 10 % oder einen in der Satzung bestimmten, höheren Anteil des Grundkapitals nicht übersteigen. b) Weitere Schutzzwecke der Vermögensbindungsvorschriften Es hat sich gezeigt, dass nur bestimmte Eigenkapitalbestandteile im In­ teresse der Gläubiger gebunden sind. Die Vermögensbindung muss also noch weitere Schutzzwecke verwirklichen. Auch diese gilt es kurz zu untersuchen. Der Schutzzweck der Gleichbehandlung der Aktionäre erfordert die Bindung des gesamten Vermögens der Aktiengesellschaft. Eine Sonderzuwendung an einen einzelnen Aktionär verstößt gegen das Gleichbehandlungsgebot unabhängig davon, welcher Eigenkapitalbestandteil durch die Zahlung gemindert wird. Denkbar ist eine gleichmäßige Leistung an alle Aktionäre, die nicht im Rahmen der ordnungsgemäßen Ausschüttung des Bilanzgewinns erfolgt. Eine solche verstößt zwar nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot, ist aber problematisch im Hinblick auf den sogleich zu prüfenden Schutz der Kompetenzverteilung innerhalb der Gesellschaft. Der Schutz der Kompetenzverteilung innerhalb der Gesellschaft erfordert ebenfalls die Bindung des gesamten Vermögens der Aktiengesellschaft. Jede Zuwendung an einen Aktionär und auch jede gleichmäßige Zuwendung an sämtliche Aktionäre – die unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten unproblematisch sein könnte –, die außerhalb des vorgesehenen Verfahrens durch ein Organ der Gesellschaft beschlossen / vorgenommen wird, verkürzt die Rechte der übrigen Organe der Gesellschaft. Dementsprechend dient die umfassende Bindung des Vermögens der Aktiengesellschaft jedenfalls der Kompetenzverteilung innerhalb der Gesellschaft.

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

Hinsichtlich der korrekten bilanziellen Darstellung durch vollen Gewinnausweis wurde bereits dargestellt, dass diese These von Ballerstedt aus dem Jahr 1949 stammt225 und somit vor Einführung des AktG 1965 und vor der Umsetzung der Bilanzrichtlinie durch das BiRiLiG entstand. Nach dieser umfassenden Überarbeitung und Verfeinerung des Bilanzrechts sollte man jedoch davon ausgehen, dass der Schutz der korrekten bilanziellen Darstellung in erster Linie durch das Bilanzrecht geschützt wird und im Rahmen der Kapitalerhaltung resp. Vermögensbindung nur einen Schutzreflex darstellt. Als weiterer Schutzzweck wird der Schutz vor Täuschungen des Kapitalmarktes genannt, also der Schutz des anlagesuchenden Publikums vor Täuschungen über den Ertragswert der Aktie durch die Verteilung von nicht dem Bilanzgewinn entstammenden Dividenden und vor der damit einhergehenden künstlichen Erhöhung des Aktienkurses.226 Dies entspricht dem bereits bekannten Schutzzweck der Bindung des Agios zur Verhinderung einer Agiotage. Fraglich ist, ob auch der Schutz vor Täuschungen des Kapitalmarktes die Bindung des gesamten Vermögens der Aktiengesellschaft erfordert. Lutter nahm an, dass eine Vorspiegelung eines erhöhten Ertragswertes nur drohe, wenn Dividenden verteilt werden, die nicht dem Bilanzgewinn entstammen. Richtigerweise geht es hier aber nicht um den Bilanzgewinn im Sinne des § 158 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 AktG, da es nicht darauf ankommt, dass die Leistungen nur aus einem Betrag stammen, der nicht das Ergebnis der Gewinn- und Verlustrechnung ist. Vielmehr kommt es nur darauf an, ob die Bestandteile, die als Dividende ausgeschüttet werden, grundsätzlich – unter bestimmten formellen Voraussetzungen – ausschüttbar wären oder nicht. Eine Vorspiegelung von Erträgen, die die Gesellschaft nicht erwirtschaftet hat, liegt nur dann vor, wenn als Dividende Mittel ausgeschüttet werden, die nicht ausschüttbar sind. Darunter fallen das Grundkapital, die gesetzliche Rücklage und die Kapitalrücklagen gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB. Auch bestimmte, zweckgebundene Rücklagen können nicht ausschüttbar sein. Der Schutz vor Täuschungen des Kapitalmarktes erfordert also nur die Bindung der nicht ausschüttbaren Eigenkapitalbestandteile. 3. Zwischenergebnis

Die obenstehende detaillierte Untersuchung der historischen Entwicklung der Vorschriften über die Kapitalerhaltung und die Vermögensbindung hat gezeigt, dass der Gesetzgeber in keinem Zeitpunkt anstrebte, das gesamte 225  Ballerstedt, Kapital (1949), S. 133  f., ihm folgend Schön, in: FS Röhricht (2005), S. 559 (561, 565 f.). 226  Lutter, in: KK AktG2 § 57 Rn. 2.



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen135

Vermögen der Gesellschaft mit dem Verbot der Einlagenrückgewähr zu erfassen.227 Aus den oben untersuchten weiteren Schutzzwecken der Vermögensbindung hat sich ergeben, dass dem Schutz der Gläubiger nur das Grundkapital, die Summe aus gesetzlicher Rücklage gem. § 150 Abs. 1, 2 AktG und Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB bis zur Grenze von 10 % oder einem in der Satzung bestimmten höheren Anteil am Grundkapital dienen. Alle anderen Eigenkapitalbestandteile mögen in ihrer Ausschüttung durch materielle oder formelle Regelungen beschränkt sein, dienen aber nicht dem Gläubigerschutz, sondern dem Schutz der Gleichbehandlung der Aktionäre, der Wahrung der Kompetenzen der Gesellschaftsorgane und dem Schutz vor Täuschungen durch die Ausschüttung nicht erzielter Dividenden. Die korrekte bilanzielle Darstellung wird dagegen durch das Bilanzrecht geschützt und stellt hier nur einen Schutzreflex dar. III. Risikoallokation: Gefahrtragung der verschiedenen Schutzgruppen bei Haftung der Gesellschaft Die Erkenntnis, dass nicht sämtliche Bestandteile des Eigenkapitals sämtlichen Schutzzwecken dienen, wirft die Frage auf, ob bestimmte Schutzzwecke der Kapitalerhaltung  /  Vermögensbindung mit der Möglichkeit einer Haftung der Gesellschaft gegenüber Aktionären vereinbar sind. Eine Haftung der Gesellschaft gegenüber einem Aktionär darf nicht dazu führen, dass vorrangige Schutzzwecke der aktiengesetzlichen Regelungen übergangen werden. Vorrangig in diesem Sinne ist der Schutz solcher Gruppen, die das Risiko von Fehlinformationen zum Nachteil eines Neu-Aktionärs durch die Organe der Gesellschaft nicht tragen müssen. Im Rahmen einer Risikoabwägung ist also zu prüfen, welche der denkbaren Schutzzwecke der Vermögensbindung durch eine Haftung der Aktiengesellschaft gegenüber einem Investor berührt werden könnten und ob die Einschränkung des Schutzes hinzunehmen wäre oder nicht. 1. Schutz der Kompetenzen der Gesellschaftsorgane

Die aktienrechtliche Vermögensbindung dient zum einen dem Schutz der Kompetenzen der Gesellschaftsorgane.228 Fraglich ist, ob eine Haftung der Gesellschaft gegenüber einem Aktionär diese Kompetenzverteilung inner227  § 4 A.I.

228  Lutter, in: KK AktG2 § 57 Rn. 2, Bayer, in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 2, Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 7, Hüffer, AktG § 57 Rn. 1, Bezzenberger, Das Kapital (2005), S. 205, Ballerstedt, Kapital (1949), S. 133.

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

halb der Gesellschaft berühren kann: Zwar verringert sich der Bilanzgewinn, über den die Hauptversammlung beschließen kann. Jedoch steht es nicht zur Disposition eines der Gesellschaftsorgane, die Forderung zu begleichen. Vielmehr kann objektiv ermittelt werden, ob und in welcher Höhe ein Anspruch besteht. Bei der Erfüllung dieses Anspruchs kommt dem zuständigen Vorstand kein Ermessenspielraum mehr zu, so dass eine Kompetenzverschiebung nicht eintritt. Eine Haftung der Gesellschaft gegenüber Aktionären kann somit mit dem Schutz der Kompetenzen der Gesellschaftsorgane nicht kollidieren. 2. Schutz vor Täuschungen des Kapitalmarkts

Lutter und Henze gehen davon aus, dass die aktienrechtliche Vermögensbindung dem Schutz des Kapitalmarktes vor der Vorspiegelung nicht erzielter Gewinne und vor der daraus resultierenden künstlichen Steigerung des Aktienkurses dient.229 Dies entspricht der Begründung des Gesetzgebers zum ADHGB 1884, in dem ein Reservefonds eingeführt wurde, um der Gefahr, dass das Agio zur Verteilung fiktiver Dividenden verwendet werden könnte, zu begegnen.230 Bei der Erfüllung einer Haftungsforderung eines Aktionärs durch die Gesellschaft werden jedoch weder nicht erzielte Erträge vorgespiegelt, noch ist die Erfüllung der Haftungsforderung geeignet, den Aktienkurs zu verfälschen. Ein Schutz vor Täuschungen des Kapitalmarktes kann mit einer Haftung der Gesellschaft gegenüber Aktionären somit nicht kollidieren. 3. Schutz der Gläubiger der Gesellschaft

Unstreitig ist, dass die Vermögensbindung in der Aktiengesellschaft dem Schutz der Gläubiger dient. Fraglich ist wiederum, ob eine Fehlinformation durch den Vorstand und eine daran anknüpfende Haftung gegenüber einem Aktionär zu ihren Lasten gehen darf. Die Gläubiger haben keinen Einfluss auf die Auswahl der Organe sowie auf deren Amtsführung. Sie haben keine Möglichkeit, das Risiko, das vom Vorstand der Gesellschaft ausgeht, zu kontrollieren oder abzuwenden. Aus diesem Grund kann eine Haftung der Gesellschaft für ein Fehlverhalten des Vorstands gegenüber Aktionären nicht zu Lasten der Eigenkapitalbestandteile gehen, die dem Schutz der Gläubiger dienen.

229  Lutter, in: KK AktG2 § 57 Rn. 2, Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 7, a. A. Bayer, in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 3. 230  Siehe hierzu oben § 4 B.I.4.b).



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen137 4. Gleichbehandlung der Aktionäre – Schutz der Altaktionäre

a) Verantwortlichkeit der Altaktionäre für Fehler des Vorstands Die Vermögensbindung dient dem Schutz der Aktionäre vor Ungleichbehandlungen einzelner durch die Verwaltung. In Betracht kommt eine Ungleichbehandlung der Aktionäre, wenn die Gesellschaft an einen Neu-Ak­ tionär Schadensersatz leistet – eine Leistung, die die Alt-Aktionäre nicht erhalten. Eine solche Ungleichbehandlung erscheint jedoch gerechtfertigt: Eine Haftung der Gesellschaft für Fehlinformationen zum Nachteil eines Neu-Aktionärs beruht auf einem Fehlverhalten des Vorstands, der die Gesellschaft gegenüber dem Neu-Aktionär vertritt. Jedoch müssen die Gesellschaft und mittelbar auch die Alt-Aktionäre das Risiko tragen, das aus dem Fehlverhalten des Vorstands hervorgeht.231 Dies wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Vorstand nicht weisungsgebunden ist: Als Kontrollmöglichkeit reicht die Bestellung (mittelbar über den Aufsichtsrat) und die Abberufungsmöglichkeit aller Gesellschafter aus. Diese Kontrollmöglichkeit vermittelt die Haftung der Gesellschaft und mittelbar der Aktionäre für Fehler des Vorstands. Aus diesem Grund kann das Risiko eine Ungleichbehandlung bei Erfüllung einer angemessenen Haftungsforderung die Haftung nicht ausschließen. b) Schutz der Gesellschaft und der Aktionäre vor überhöhter Leistung Anders könnte sich die Situation aber darstellen, weil eine Haftung der Gesellschaft gegenüber einem Investor die Gefahr bergen würde, dass der Investor nach Durchsetzung eines Ersatzanspruchs weniger an die Gesellschaft geleistet hat als den auf seinen Anteil entfallenden Unternehmenswert. Dazu kann es – außer durch ein (kollusives) Zusammenwirken von Vorstand und Investor – insbesondere durch Fehler des Vorstands kommen. Diese Fehler können in einer fehlerhaften Berechnung des Unternehmenswerts oder in einer fehlerhaften Bewertung der Minderung des Unternehmenswerts durch die fehlerhafte Angabe liegen. Ein derartiger Fehler hat zur Folge, dass der Gesellschaft weniger zufließt, als der auf die Aktien des Investors entfallende, anteilige Wert des Unternehmens beträgt. Dies bedeutet für die Altaktionäre eine Verwässerung des Wertes ihrer Anteile sowie eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der Altaktionäre gegenüber dem Neuaktionär. Fraglich 231  Gottschalk, DStR 2005, 1648 (1652). Fleischer, in: Gutachten F für den 64. Dt. Juristentag, S. F 99, geht davon aus, dass das Risiko einer Haftung der Gesellschaft zum typischen Anlagerisiko eines Aktionärs gehöre.

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

ist, ob das Gesetz die Altaktionäre gegen derartige Fehler schützt. Wäre das nicht der Fall, müsste man untersuchen, ob die Aktionäre auch das Risiko derartiger Werteinbußen ihrer Aktien tragen müssen. aa) Anfechtungsmöglichkeit gem. § 255 Abs. 2 AktG nur bei anfänglichem Missverhältnis Fließt der Gesellschaft im Rahmen einer Kapitalerhöhung weniger zu, als es dem anteiligen Unternehmenswert entspricht, kann die Möglichkeit einer Anfechtung des Kapitalerhöhungsbeschlusses gem. § 255 Abs. 2 AktG bestehen. § 255 Abs. 2 AktG erlaubt eine Anfechtung eines Beschlusses über eine Kapitalerhöhung gegen Einlagen mit Bezugsrechtsausschluss, wenn der Ausgabebetrag der Aktien oder der im Kapitalerhöhungsbeschluss festgelegte Mindestbetrag, unter dem die Aktien nicht ausgegeben werden sollen, unangemessen niedrig sind. Diese Norm schreibt als einzige neben § 186 Abs. 3 S. 4 AktG eine Ausgabe über dem Nennbetrag vor. Sie dient dem Schutz der Aktionäre gegen eine Verwässerung ihres Anteilswerts und dem Schutz des Bezugsrechts.232 Bei der Beteiligung eines außenstehenden Investors wird regelmäßig eine Kapitalerhöhung gegen Einlagen mit Bezugsrechtsausschluss vereinbart, so dass der Anwendungsbereich dieser Anfechtung grundsätzlich eröffnet ist. Eine Anfechtung wendet sich gegen einen Hauptversammlungsbeschluss und setzt grundsätzlich voraus, dass das Gesetz oder die Satzung verletzt wurden (§ 243 Abs. 1 AktG). Wer zur Anfechtung befugt ist, richtet sich nach § 245 AktG. Im Falle des § 255 Abs. 2 AktG wird sich die Anfechtungsbefugnis in der Regel daraus ergeben, dass der Aktionär in der Hauptversammlung gegen den Beschluss Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat (§ 245 Nr. 1 AktG). § 255 Abs. 2 S. 1 AktG erlaubt die Anfechtung, wenn „der sich aus dem Erhöhungsbeschluss ergebende Ausgabebetrag oder der Mindestbetrag, unter dem die neuen Aktien nicht ausgegeben werden sollen, unangemessen niedrig ist.“ Ob der Ausgabebetrag unangemessen niedrig ist, ist nicht anhand des Börsenkurses, sondern anhand des wirklichen Wertes des Unternehmens zu beurteilen, bei dem die stillen Reserven und der innere Geschäftswert zu berücksichtigen sind.233 Ist der Mindestbetrag unangemessen niedrig, werden die Aktien jedoch später zu einem angemessenen Ausgabekurs platziert, wird die Anfechtungsklage unbegründet.234 232  Technau,

AG 1998, 445 (449). § 255 AktG Rn. 5, Hüffer, in: MünchKomm AktG § 255 AktG Rn. 15. 234  Schwab, in: K. Schmidt  / Lutter, § 255 AktG Rn. 5, Hüffer, in: MünchKomm AktG § 255 Rn. 17. 233  Hüffer,



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen139

Dies wirft die Frage auf, in welchen Fällen die Gefahr einer Haftung dazu führen kann, dass der Ausgabebetrag unangemessen niedrig ist. Oben wurde ausgeführt, dass eine fehlende Haftung der Gesellschaft Risiko­ abschläge auf Seiten des Investors zur Folge hat, weil sich dieser auf die Richtigkeit der Selbstdarstellung der Gesellschaft nicht verlassen kann. Solche Risikoabschläge können aber nicht mehr vorgenommen werden, wenn die Gesellschaft für die Aussagen, die sie über den Zustand des Unternehmens getroffen hat, haftet. Der Bestimmung des Ausgabebetrags ist also der Wert zugrunde zu legen, den das Unternehmen hat, wenn sämtliche Aussagen, für die die Gesellschaft haftet, zutreffen. Liegt dieser Wert des Unternehmens unter Berücksichtigung der Haftung nicht nur unwesentlich über dem anteiligen Ausgabebetrag, ist der Erhöhungsbeschluss anfechtbar. bb) Ansprüche der Gesellschaft gegen den Vorstand In Betracht kommen außerdem Ansprüche der Gesellschaft gegen den Vorstand. Diese können sich aus § 93 Abs. 2 AktG ergeben, der eine Pflichtverletzung des Vorstands voraussetzt. Es handelt sich um eine Verschuldenshaftung, so dass die Schadensersatzpflicht nicht eintritt, wenn der Vorstand die Sorgfalt eines ordentlichen, gewissenhaften Geschäftsleiters angewendet hat, § 93 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 AktG. Besonderer Prüfung bedarf hier der Sondertatbestand des § 93 Abs. 3 Nr. 1 AktG, nach dem der Vorstand in jedem Fall haftet, wenn Einlagen zurückgewährt werden. Die Haftung gegenüber einem Aktionär stellt jedenfalls einen Verstoß gegen die Kapitalerhaltung dar, wenn sie Eigenkapitalbestandteile, die dem Schutz der Gläubiger dienen, angreift. Nur in diesen Fällen kann man auch annehmen, dass der Vorstand gem. § 93 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1 AktG haftet. Leistet der Vorstand dagegen aus den Eigenkapitalbestandteilen, die nicht dem Schutz der Gläubiger dienen, eine zu hohe Haftungssumme, greift keiner der Sondertatbestände des § 93 Abs. 3 AktG ein. Maßgeblich für eine Haftung des Vorstands ist dann gem. § 93 Abs. 2, Abs. 1 AktG nur, ob der Vorstand seine Pflichten verletzt hat oder ob er die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewendet hat. Dies ist nach folgenden Maßgaben zu beurteilen: Macht ein Investor / Aktionär gesetzliche oder vertragliche Haftungsansprüche aus der Kapitalerhöhung gegen die Gesellschaft geltend, ist der Vorstand verpflichtet, das Bestehen dieser Ansprüche mit der gebotenen Sorgfalt zu prüfen. Diese Prüfung muss insbesondere beinhalten, wie sich der aus dem Unternehmenswert folgende Wert der erworbenen Aktien aufgrund der veränderten Tatsachengrundlage darstellt. Dabei muss der Vorstand gegebenenfalls externe Berater hinzuziehen. Auf diese Weise sollte der Vorstand hinsichtlich des Bestehens und des Umfangs des Haftungsanspruchs des Aktionärs

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

zu einem korrekten Ergebnis kommen. Im Zweifelsfall muss der Vorstand nachweisen, dass er die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewendet hat, § 93 Abs. 2 S. 2 AktG. Es zeigt sich also, dass der Vorstand jedenfalls aus § 93 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1 AktG haftet, wenn die Leistung auf die Haftungsforderung die gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteile angegriffen hat. Wenn eine überhöhte Leistung auf die Haftungsforderung aus den Eigenkapitalbestandteilen beglichen wurde, die grundsätzlich für eine Haftung gegenüber Gesellschaftern zur Verfügung stehen, wird sich eine Haftung des Vorstands regelmäßig aus einer Verletzung der Sorgfaltspflichten ergeben. cc) Ansprüche der Gesellschaft gegen den Investor Eine überhöhte Leistung kann die Gesellschaft außerdem vom Investor selbst zurückverlangen. Erhält er eine Zahlung, die zu hoch ist, weil der Unternehmenswert fehlerhaft bestimmt wurde, ist diese Leistung nicht geschuldet und es bestehen Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung, § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB. Ansprüche der Gesellschaft gegen den Investor könnten sich außerdem aus § 62 Abs. 1 S. 1 AktG ergeben. Voraussetzung wäre, dass der Investor als Aktionär Leistungen von der Gesellschaft entgegen den Vorschriften des Aktiengesetzes empfangen hat. Es stellt sich also die Frage, wann eine Rückzahlung an den Investor aufgrund einer gesetzlichen oder vertraglichen Haftung gegen die Vorschriften des Aktiengesetzes verstößt. Eine Zahlung verstößt in jedem Falle gegen das Aktiengesetz, wenn sie aus den Vermögensbestandteilen geleistet wurde, die dem Gläubigerschutz dienen. Wurde die Zahlung dagegen aus den Eigenkapitalbestandteilen geleistet, die für eine Haftung gegenüber Aktionären grundsätzlich zur Verfügung stehen, stellt sich die Frage, ob ein Verstoß gegen das Aktiengesetz sich daraus ergeben kann, dass es zu einer Verwässerung des Anteilswerts kommt. Der Schutz der Aktionäre gegen eine Verwässerung des Anteilswerts kommt im Gesetz besonders im Zusammenhang mit einem Bezugsrechtsausschluss zum Ausdruck. Neben § 255 Abs. 2 AktG, der bereits untersucht wurde235, bestimmt § 186 Abs. 3 S. 4 AktG, dass ein Bezugsrechtsausschluss immer zulässig ist, wenn die Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen nicht mehr als 10 % des Grundkapitals beträgt und der Ausgabebetrag den Börsenpreis nicht wesentlich unterschreitet.236 Dennoch bringt § 186 Abs. 3 235  Siehe

oben aa). gilt für Aktien, die zum Handel im regulierten Markt oder zum Freiverkehr zugelassen sind, regelmäßig die spezialgesetzliche Prospekthaftung (au236  Allerdings



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen141

S. 4 AktG zum Ausdruck, dass es durch einen Bezugsrechtsausschluss nicht zu einer Verwässerung der Anteile der Altaktionäre kommen soll. Allerdings sind die Aktionäre bei einem Bezugsrechtsausschluss nicht umfassend gegen eine Verwässerung ihrer Anteile geschützt. Ein unangemessen niedriger Ausgabebetrag hindert auch im Falle des § 186 Abs. 3 S. 4 AktG nicht die Kapitalerhöhung, sondern berechtigt die Aktionäre nur gem. § 255 Abs. 2 AktG zu einer Anfechtung. Wird der Beschluss nicht angefochten, kann die Kapitalerhöhung Bestand haben und die Verwässerung sich verfestigen. Nähme man für das hier untersuchte Problem dagegen an, dass die Erfüllung einer überhöhten Ersatzforderung des Aktionärs immer einen Anspruch gem. § 62 Abs. 1 AktG auslösen würde, wäre der Vorstand in jedem Fall verpflichtet, diese Forderung gegen den Investor geltend zu machen. Die Aktionäre würden dann umfassender gegen eine Verwässerung geschützt als durch die gesetzliche Anfechtungsmöglichkeit. Dies ist im Gesetz nicht angelegt. Aus diesem Grund ist anzunehmen, dass bei einer überhöhten Rückzahlung, durch die die Anteilswerte der Alt­ aktionäre verwässert werden, eine Leistung entgegen den Vorschriften des Aktiengesetzes nicht vorliegt und die Gesellschaft dementsprechend keinen Anspruch gem. § 62 AktG erlangt. c) Fazit Durch die Haftung wird der effektive Mittelzufluss an die Gesellschaft (der sich aus der ursprünglichen Einlageleistung abzüglich der Haftungssumme ergibt) an den tatsächlichen Unternehmenswert angepasst. Die Tatsache, dass sämtliche Eigenkapitalbestandteile der Gesellschaft im Interesse der Altaktionäre gebunden ist, schließt aber eine Haftung der Gesellschaft nicht aus, da die Altaktionäre vor Ungleichbehandlungen durch Fehler des Vorstands hinreichend geschützt sind. Dieser Schutz ergibt sich zum einen aus der Pflicht zur Berücksichtigung der Haftungsmöglichkeit bei der Festsetzung des Ausgabebetrags und die daran anknüpfende Anfechtungsmöglichkeit gem. § 255 Abs. 2 AktG. Dieser Schutz ergibt sich außerdem daraus, dass die Gesellschaft und damit die Altaktionäre gegen Fehler des Vorstands bei der Feststellung des Haftungsumfangs durch das Entstehen von Schadensersatzansprüchen gegen den Vorstand gem. § 93 Abs. 2 AktG geschützt sind. Hier ergeben sich lediglich kleine Schutzlücken, wenn eine Fehlbeurteilung des Vorstands keinen Verstoß gegen seine Sorgfaltspflichten darstellt. Die minimale anfängliche Gefahr einer Ungleichbehandlung von Alt- und ßer wenn die im Freiverkehr gehandelten Aktien nicht öffentlich angeboten werden oder wenn aufgrund einer gesetzlichen Ausnahme kein Prospekt veröffentlicht werden muss), in deren Anwendungsbereich es auf die allgemeinen Regeln (insbesondere die allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung) nicht ankommt (siehe § 1 A.).

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

Neuaktionären ist hinzunehmen. Es verstößt nicht gegen schutzwürdige Interessen der Altaktionäre, wenn Beträge zurückgezahlt werden, die aufgrund von schuldhaft fehlerhaften Angaben erlangt wurden.237 Im Ergebnis müssen hier nicht die Altaktionäre vor Fehlverhalten der Verwaltung zu Lasten der Neu-Aktionäre geschützt werden, sondern die Altaktionäre müssen gegenüber den Neu-Aktionären für das Fehlverhalten des Vorstands einstehen. 5. Zwischenergebnis

Es zeigt sich also, dass die Gleichbehandlung der Aktionäre nicht durch die Möglichkeit einer Haftung gegenüber einzelnen beschränkt wird. Auch der Schutz der Kompetenzen der Gesellschaftsorgane und der Schutz vor Täuschungen des Kapitalmarktes sind mit einer Haftung der Gesellschaft gegenüber einem Aktionär vereinbar. Also kann eine Haftung der Gesellschaft von sämtlichen Schutzzwecken, die die Kapitalerhaltung resp. Vermögensbindung verfolgen, lediglich zum Schutz der Gläubiger ausgeschlossen sein kann. Es hat sich jedoch bereits gezeigt, dass nicht sämtliche ­Eigenkapitalbestandteile dem Schutz der Gläubiger dienen. Haftet die Gesellschaft aber nur mit den Eigenkapitalbestandteilen, die nicht gläubigerschützend sind, werden die Risiken angemessen zwischen Investor, Alt­ aktionären und Gesellschaft verteilt. Damit steht fest, dass eine Haftung der Gesellschaft gegenüber Aktionären für schuldhafte Falschinformationen im Rahmen der Beteiligung grundsätzlich möglich ist. Das Verbot der Einlagenrückgewähr sowie die allgemeine Kapitalerhaltung können ihr weder aus der historischen Entwicklung noch aus vorrangigen Schutzgesichtspunkten entgegenstehen. Es gilt deshalb eine Auslegung des Systems der Kapitalerhaltung  /  Vermögensbindung zu finden, die den Weg für eine Haftung öffnet, ohne den Schutz der Gesellschaft und der Gläubiger zu vernachlässigen. IV. Folgerung: Bilanzielles System der Kapitalerhaltung und der Vermögensbindung 1. Einteilung der Eigenkapitalbestandteile in Gruppen

Anhand der oben gefundenen Ergebnisse kann man die Eigenkapitalbestandteile der Aktiengesellschaft nach den Kriterien, ob die Mittel an die Aktionäre ausgeschüttet werden können oder nicht, ob die Gesellschaft mit ihnen gegenüber Aktionären haftet oder nicht, weil sie gläubigerschützend 237  Krämer / Baudisch, WM 1998, 1161 (1166), für die Prospekthaftung: Fleischer, in: Gutachten F für den 64. Juristentag, S. F 73 f.



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen143

sind, und ob es sich um Kapital oder Erträge der Gesellschaft handelt, in verschiedene Gruppen einteilen. Es ergibt sich folgende Einordnung: –– Am stärksten gebunden sind das Grundkapital und der Anteil der Summe von gesetzlicher Rücklage gem. § 150 Abs. 1, 2 AktG und Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB, der 10 % oder einen in der Satzung festgelegten Anteil am Grundkapital nicht übersteigt. Diese Mittel dienen dem Schutz der Gläubiger. Lediglich das Grundkapital kann durch einen Erwerb eigener Aktien gemindert werden, im Übrigen können diese Eigenkapitalbestandteile weder ausgeschüttet noch im Rahmen einer Haftung gegenüber Aktionären angegriffen werden. (Anderes könnte lediglich für Haftungstatbestände gelten, die vom Gesetzgeber als Spezialregelungen konzipiert wurden, die sich gegen die allgemeinen Grundsätze in der Aktiengesellschaft durchsetzen, wie beispielsweise die spezialgesetzliche Prospekthaftung (siehe unten Zweiter Teil)). Während es sich beim Grundkapital und der Kapitalrücklage um Kapital handelt, wird die gesetzliche Rücklage aus Gewinnen gespeist und ist deshalb den Erträgen der Gesellschaft zuzuordnen. –– Der Anteil der Rücklagen, der nur den Bindungen des § 150 Abs. 4 AktG unterliegt (= Summe von gesetzlicher Rücklage gem. § 150 Abs. 1, 2 AktG und Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB, der 10 % oder einen in der Satzung festgelegten Anteil am Grundkapital übersteigt), stellt die nächste Gruppe von Eigenkapitalbestandteilen dar. Dieser kann ebenfalls nicht ausgeschüttet werden. Da dieser Teil aber, wie oben aufgezeigt, nicht dem Schutz der Gläubiger dient, können aus ihm Haftungsansprüche von Aktionären beglichen werden. Auch dieser Eigenkapitalbestandteil besteht sowohl aus Kapital als auch aus Er­ trägen. –– Die Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 AktG stellt eindeutig Kapital der Gesellschaft dar, kann aber dennoch aufgelöst und ausgeschüttet werden, dient nicht dem Schutz der Gläubiger und steht somit für eine Haftung gegenüber Aktionären zur Verfügung. –– Satzungsmäßige und andere, auf der Satzung beruhende Gewinnrücklagen stehen für eine Haftung der Gesellschaft zur Verfügung, außer sie sind ausnahmsweise als gläubigerschützend konzipiert. Diese Zwecksetzung kann auch einer Ausschüttung entgegenstehen. –– In eine letzte Gruppe können alle übrigen Bestandteile des Eigenkapitals zusammengefasst werden. Darunter fallen der Jahresüberschuss, der Gewinnvortrag aus dem Vorjahr und die anderen Gewinnrücklagen. Diese stehen sowohl dem Zugriff der Aktionäre als Gläubiger eines Haftungsanspruchs offen, als auch können sie – bei Erfüllung der formalen Voraussetzungen – an die Aktionäre ausgeschüttet werden.

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

2. Probleme der Einordnung in Kapitalerhaltung und Vermögensbindung

Anhand dieser Gruppen von Eigenkapitalbestandteilen soll nun untersucht werden, ob sich diese Einteilung mit der Differenzierung zwischen Kapitalerhaltung und Vermögensbindung vereinbaren lässt. Verschiedene neuere Ansichten betrachten die Kapitalerhaltung nicht mehr als einheitliches, allumfassendes Prinzip, sondern differenzieren zwischen der Kapitalerhaltung als dem Interesse der Gläubiger dienende Bindung des Kapitals der Gesellschaft und der Vermögensbindung als formale Hürde der Ausschüttung von Eigenkapitalbestandteilen.238 Überwiegend werden dabei das Grundkapital, die gesetzliche Rücklage und die Kapitalrücklage der Kapitalerhaltung zugeordnet; alle anderen Bestandteile sind ausschüttbar und nur durch formale Grenzen der Vermögensbindung gebunden. Fraglich ist nun, ob es möglich ist, die aufgrund der bisherigen Erkenntnisse dieser Arbeit gebildeten Fallgruppen, insbesondere im Hinblick auf die Haftung der Gesellschaft, in diese oder vergleichbare Kategorien einsowie den Regelungen der § 57 Abs. 1, Abs. 3 AktG zuzuordnen. Ein wortlautgetreues Verständnis des Verbots der Einlagenrückgewähr scheidet auch in Zukunft aus: Zum einen nimmt der Begriff der Einlage Bezug auf den Ausgabebetrag, der aus dem Nennbetrag der Aktien und Agio bestehen kann (§§ 9 Abs. 2, 54 Abs. 1, 57 Abs. 1 S. 1 AktG). Es kann jedoch im Rahmen der Haftung zu einer Rückgewähr von Teilen des Agios kommen, da dieses nicht in vollem Umfang dem Gläubigerschutz dient. Darüber hinaus können Teile der gesetzlichen Rücklage weder ausgeschüttet werden noch kann die Gesellschaft Haftungsforderungen der Aktionäre aus ihnen begleichen, obwohl es sich bei diesen um gebundene Erträge und nicht um Teile der Einlage, also Kapital, handelt. Will man die Möglichkeit der Haftung in die allgemeinen Grundsätze einbeziehen, gibt es für das Verbot der Einlagenrückgewähr keine Auslegung, die unmittelbar aus dem Wortlaut zu entnehmen ist. Dies stimmt damit überein, dass die herrschende Literatur annimmt, dass das Verbot der Einlagenrückgewähr in seiner Formulierung veraltet ist, nicht wörtlich verstanden werden kann und nur noch historisch zu erklären ist.239 3. Verschiedene Auslegungsmöglichkeiten

Das System aus Kapitalerhaltung und Vermögensbindung besteht aus einer Vielzahl von Vorschriften, deren zentrale Normen die §§ 57 Abs. 1 und 238  Siehe

§ 4 A.I.2. in: FS Stiefel, S. 505 (526 in Fn. 60), Hüffer, AktG § 57 Rn. 2, Lutter, in: KK AktG2 § 57 Rn. 5, Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 8, Bayer, in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 9, siehe auch oben § 4 A.I.1. 239  Lutter,



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen145

3, 58 Abs. 4 AktG sind. Nach den oben dargestellten, differenzierenden Ansichten schließen der Grundsatz der Kapitalerhaltung und der Grundsatz der Vermögensbindung aneinander an. Beide Grundsätze beziehen sich auf sämtliche Leistungsverhältnisse zwischen Gesellschaft und Aktionären. Außerdem stimmen die Grundsätze jeweils mit gesetzlichen Normen und mit bestimmten Schutzrichtungen überein. So wird der Grundsatz der Kapital­ erhaltung in § 57 Abs. 1 AktG verankert und dient dem Gläubigerschutz, während der Grundsatz der Vermögensbindung in §§ 57 Abs. 3, 58 Abs. 4 AktG verankert wird und vor allem der Gleichbehandlung der Aktionäre und der Kompetenzwahrung dient. Anhand der neuen Differenzierungen nach Haftungsmöglichkeiten soll ein System entwickelt werden, dass ähnlich einfach und klar strukturiert ist. a) Keine Differenzierung zwischen freiwilligen Leistungen und allgemeinen, gesetzlichen Ansprüchen In Betracht käme es, das System von Kapitalerhaltung bzw. Verbot der Einlagenrückgewähr hinsichtlich der nicht ausschüttbaren Eigenkapitalbestandteile einerseits und Grundsatz der Vermögensbindung hinsichtlich der ausschüttbaren Eigenkapitalbestandteile andererseits beizubehalten, es aber auf freiwillige Leistungen der Gesellschaft zu beschränken. Die Zulässigkeit allgemeiner gesetzlicher Ansprüche gegen die Gesellschaft wie die Haftung für fehlerhafte Angaben im Rahmen einer Kapitalerhöhung würde allein danach beurteilt, ob ihre Erfüllung gegen den Schutz der Gläubiger verstößt oder nicht. Für eine derartige Auslegung spricht, dass das Wort „zurückgewährt“ in § 57 Abs. 1 AktG in seiner Grundform „zurückgewähren“ mit dem Wortteil „gewähren“ eine Komponente der begünstigenden Entscheidung enthält. Man kann also vertreten, dass eine Einlagenrückgewähr nur die Rückgabe der Einlage umfasst, der eine begünstigende Entscheidung zugrunde liegt. Wird jedoch eine gesetzliche Haftung durchgesetzt, muss die Gesellschaft keine begünstigende Entscheidung treffen. Für ein solches Verständnis spricht bei der aktuellen Gesetzeslage, dass auch der Ausschluss einer Zinszahlung an Aktionäre (§ 57 Abs. 2 AktG) und die Beschränkung des Gewinnanspruchs der Aktionäre auf den Bilanzgewinn (§ 57 Abs. 3 AktG) nur die Ansprüche der Aktionäre gegen die Gesellschaft regeln, die die unmittelbare gesellschaftsrechtliche Beziehung Einlagenleistung – Dividendenberechtigung betreffen. Auch bei diesen handelt es sich um Leistungen, die eine „gewährende“ Komponente einer begünstigenden Entscheidung enthalten. In historischer Sicht spricht dafür, dass der Begriff der Einlage sich während der Geltung der aktienrechtlichen Regelungen veränderte: Während zu-

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

nächst nur das Grundkapital gemeint war, umfasst der Begriff heute auch das Agio. Das Verbot der Einlagenrückgewähr wurde im Preußischen Aktiengesetz von 1843 eingeführt, um eine Kündigung oder einen Austritt des Aktionärs aus der Gesellschaft auszuschließen. Um auch Umgehungen dieser Zwecksetzung zu erfassen, wurde jegliche Rückzahlung der Einlage ausgeschlossen. Von Zweck der Verhinderung des Austritts / der Kündigung ist es jedoch nicht erfasst, wenn der Aktionär aus einem anderen Rechtsgrund Ansprüche gegen die Gesellschaft hat.240 Dafür spricht auch, dass bis zum AktG 1937 das Verbot der Einlagenrückgewähr immer im direkten Zusammenhang mit der Beschränkung der Ansprüche der Aktionäre auf den Bilanzgewinn geregelt war. Die Ausschüttung des Bilanzgewinns ist eine Zahlung, die die Gesellschaft freiwillig beschließt. Dagegen entstehen Haftungsansprüche gegen die Gesellschaft regelmäßig kraft Gesetzes und unabhängig vom „Willen“ der Gesellschaft. Auch die Bindung der Kapitalrücklage wurde eingeführt, um eine Agiotage, also die Ausschüttung des Agios als Gewinn, zu verhindern. Sie richtet sich also wiederum nur gegen die Ausschüttung und nicht gegen die Geltendmachung anderer Ansprüche durch einen Aktionär. Für diese Auslegung spricht auch, dass die Vermögensbindung und die Kapitalerhaltung weiterhin gegensätzliche Begriffe darstellen, und dass der Begriff der Einlage (abgesehen von der gesetzlichen Rücklage) übereinstimmend mit §§ 9 Abs. 2, 54 Abs. 1 AktG ausgelegt werden kann. Außerdem erfasst der Begriff der Vermögensbindung weiterhin nur die grundsätzlich ausschüttbaren Bestandteile, während die nicht ausschüttbaren Bestandteile der Kapitalerhaltung unterfallen. Der Nachteil dieses Systems ist, dass die Erfüllung eines gesetzlichen Anspruchs gegenüber einem Aktionär nicht mehr unter das Regime der Kapitalerhaltung / Vermögensbindung fällt, und man dessen Zulässigkeit anhand anderer Kriterien, insbesondere einer Interessensabwägung, beurteilen muss. Dies macht dann bei gesetzlichen Ansprüchen auch die Rückforderung gem. § 62 AktG problematisch. Klammert man alle gesetzlichen Ansprüche aus dem System von Kapitalerhaltung und Vermögensbindung aus, besteht die Gefahr, dass auf diese Weise mehr Probleme herbeigeführt als bewältigt werden. Entscheidet man sich für diese Ansicht, entfällt außerdem die Kollision mit der Prospekthaftung: Diese wäre ja dann ein gesetzlicher Anspruch, dessen Erfüllung vom Verbot der Einlagenrückgewähr nicht mehr erfasst wäre, sondern nur noch anhand allgemeiner Kriterien zu beurteilen ist. Auf diese Weise würde der in der Gesetzesbegründung zum Dritten Finanzmarktförderungsgesetz geäußerte Willen des Gesetzgebers, mit der börsengesetzlichen Prospekthaftung eine Spezialregelung zum Verbot der Einlagenrückgewähr zu schaffen, ausgehöhlt. 240  Vgl.

hierzu § 4 B.I.1.b).



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen147

b) Diversifizierung des Begriffs der Vermögensbindung und Beschränkung der Kapitalerhaltung auf Gläubigerschutz Aus diesem Grund ist eine Auslegung vorzuziehen, die für sämtliche Beziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter ein einheitliches System entwirft. Ein solches muss jedoch mindestens drei Kategorien umfassen: Eigenkapitalbestandteile, die weder ausgeschüttet noch im Rahmen einer Haftung gemindert werden dürfen, müssen von solchen unterschieden werden, die nicht ausgeschüttet werden können, aber auf die Aktionäre im Rahmen von Haftungsansprüchen zugreifen können, sowie von solchen, die sowohl für eine Ausschüttung als auch für eine Haftung zur Verfügung stehen. aa) Kapitalerhaltung und Verbot der Einlagenrückgewähr für gläubigerschützende Eigenkapitalbestandteile Den Begriff der Kapitalerhaltung sowie die Regelung des § 57 Abs. 1 AktG könnte man auf die Eigenkapitalbestandteile beziehen, die gläubigerschützend sind und weder ausgeschüttet noch im Rahmen einer Haftung verringert werden dürfen. Dies stimmt im Grundsatz mit dem Vorschlag von Fabritius überein, unter das Verbot der Einlagenrückgewähr nur das „Garantiekapital“ der Gesellschaft zu fassen. Unter Garantiekapital der ­Gesellschaft versteht Fabritius nur die gläubigerschützenden Bestandteile, wozu er allerdings neben dem Grundkapital sämtliche von § 150 AktG erfassten Rücklagen zählt.241 Die vorliegende Untersuchung geht dagegen davon aus, dass das Grundkapital und der Anteil der Summe von gesetzlicher Rücklage gem. § 150 Abs. 1, 2 AktG und Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB, der 10 % oder einen in der Satzung festgelegten Anteil am Grundkapital nicht übersteigt, gläubigerschützend sind. Problematisch an dieser Auslegung ist jedoch, dass damit der Begriff der Einlage anders verstanden wird als in anderen Vorschriften des Aktiengesetzes, insbesondere in § 54 Abs. 1 AktG. Dies ist jedoch nach der herrschenden Meinung auch der Fall. Diese Auslegung führt zu einer starken Begrenzung des Anwendungsbereichs des Verbots der Einlagenrückgewähr gegenüber der bisher herrschenden Meinung. Erfolgt beispielsweise eine Ausschüttung von Eigenkapitalbestandteilen, die nicht dem Gläubigerschutz dienen, außerhalb einer regulären Gewinnausschüttung, würde dies keinen Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr mehr darstellen. Die Ausschüttung ist dennoch unzulässig und führt zu einem Rückzahlungsanspruch gem. § 62 AktG. Es ergeben sich also – abgesehen von der Mög241  Fabritius,

ZHR 144 (1980), 628.

148

1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

lichkeit der Haftung der Gesellschaft gegenüber einem Aktionär – keine anderen Rechtsfolgen, lediglich die Terminologie ändert sich. bb) Materielle und formelle Vermögensbindung der nicht gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteile in Abhängigkeit von der Ausschüttbarkeit Die übrigen Bestandteile des Eigenkapitals, die nicht dem Schutz der Gesellschafter dienen, können in vollem Umfang für eine Haftung gegenüber den Aktionären verwendet und teilweise an diese ausgeschüttet werden. Diese könnte man unter dem Begriff der Vermögensbindung zusammenfassen. Problematisch ist jedoch, dass der Begriff der Vermögensbindung üblicherweise die nur formelle Bindung der ausschüttbaren Eigenkapital­ bestandteile bezeichnet. Zur Klarstellung kann man jedoch differenzieren zwischen der formellen Vermögensbindung, die tatsächlich nur die – bei Erfüllung bestimmter Verfahrensvoraussetzungen – ausschüttbaren Eigenkapitalbestandteile erfasst, und einer materiellen Vermögensbindung, die die Ausschüttung nicht gläubigerschützender Eigenkapitalbestandteile aus anderen Zwecksetzungen heraus verhindert und nur eine Haftung gegenüber Aktionären mit diesen Mitteln gestattet. Dafür spricht, dass die formelle Vermögensbindung den Regelungen der §§ 57 Abs. 3, 58 Abs. 4 AktG entspricht. Der Begriff des Bilanzgewinns ist im Sinne des § 158 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 AktG zu verstehen, er ergibt sich also erst nach Entnahmen aus und Einstellungen in Rücklagen. Aus diesem Grund kann auch eine Ausschüttung, die aus der Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 AktG erfolgt, unter den Begriff des Bilanzgewinns subsumiert werden, obwohl es sich bei diesem Eigenkapitalbestandteil nicht um Erträge der Gesellschaft, sondern um Kapital handelt.242 Demgegenüber fällt die gesetzliche Rücklage, die aus dem Jahresüberschuss zu bilden ist, nicht unter den Begriff des Bilanzgewinns, obwohl es sich um Erträge der Gesellschaft handelt, weil sie aus dem Jahresüberschuss gebildet wird, aus dem erst später der Bilanzgewinn errechnet wird. Es zeigt sich also wieder, dass eine scharfe Trennung nach Verwendungsmöglichkeiten für das Kapital der Gesellschaft einerseits und Erträgen der Gesellschaft andererseits nicht möglich ist. Es zeigt sich aber auch, dass die Beschränkung der Ausschüttungen auf den Bilanzgewinn von vielen, nach anderen Regelungen zu beurteilenden Vorfragen abhängt, insbesondere von §§ 150, 158 Abs. 1 AktG. So ergibt sich beispielsweise nicht aus dem Begriff des Bilanzgewinns, dass 242  Dementsprechend kann auch dem von Bezzenberger gebildeten Beispiel, nach dem die Gewinnrücklagen nicht unter den Begriff des Bilanzgewinns fallen, nicht gefolgt werden: Bezzenberger, Das Kapital (2005), S. 202.



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen149

die gesetzliche Rücklage nicht ausgeschüttet werden kann, sondern aus den §§ 150 Abs. 1–3 AktG. Lediglich das Verbot der Ausschüttung des Grundkapitals ergibt sich aus der Beschränkung auf den Bilanzgewinn selbst, da das Grundkapital niemals gem. § 158 Abs. 1 AktG aufgelöst und als Bilanzgewinn ausgeschüttet werden kann.243 In diesen Vorfragen, nach denen sich die Ausschüttbarkeit bemisst, ist das Prinzip der materiellen Vermögensbindung zu sehen. Dieses verhindert, dass Eigenkapitalbestandteile, die nicht dem Schutz der Gläubiger dienen, an die Aktionäre ausgeschüttet werden. Es umfasst den Teil der Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB und der gesetzlichen Rücklage gem. § 150 Abs. 1, 2 AktG, welcher den Anteil von 10 % oder den in der Satzung festgelegten, höheren Anteil des Grundkapitals übersteigt. Dieses Prinzip der materiellen Vermögensbindung kann somit in § 150 Abs. 4 AktG verankert werden. cc) Grafische Darstellung Diese Auslegung deckt sich in vielen Bereichen auch mit der Ansicht von Bezzenberger. Dieser nimmt an, dass in Höhe des Einlagekapitals kein Gesellschaftsvermögen an die Aktionäre fließen darf, da diese Mittel dem Gläubigerschutz dienen. Das übersteigende Gesellschaftsvermögen unterliegt bestimmten Anforderungen an die Ausschüttung, die Bezzenberger als formale Gesamtvermögensbindung bezeichnet. Diese bezweckt nicht den Schutz der Gläubiger, sondern den Schutz der Aktionäre.244 Der Schutz der Aktionäre wird jedoch nicht nur durch die Sicherung der Gleichbehandlung bei der Ausschüttung durch ein bestimmtes Verfahren, sondern auch durch die Verhinderung einer Agiotage gewährleistet. Dementsprechend können sowohl die formelle als auch die materielle Vermögensbindung unter einen Schutz der Aktionäre im weiteren Sinne gefasst werden. Lediglich die Abgrenzung der Kompetenzen zwischen den verschiedenen Organen der Gesellschaft wird allein durch die formelle Vermögensbindung geschützt. Diese Auslegung kann – im Anschluss an das Schaubild von Bezzenberger245 – wie folgt graphisch dargestellt werden. Das untere, innenliegende Gefäß symbolisiert die Kapitalerhaltung als undurchlässig. Das äußere Gefäß symbolisiert die formelle Vermögensbindung. Es ist durchlässig, was sich aber nur auswirkt, soweit es die beiden auch Bezzenberger, Das Kapital (2005), S. 203. Das Kapital (2005), S. 204 f. 245  Bezzenberger, Das Kapital (2005), S. 206. 243  So

244  Bezzenberger,

150

1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

§ 57 Abs. 3 AktG, Beschränkung von Ausschüttungen aus dem Bilanzgewinn: Formelle Vermögensbindung

§ 150 Abs. 4 AktG, keine Ausschüttung, aber Zugriff durch Haftung möglich: Materielle Vermögensbindung

§ 57 Abs. 1 AktG: Verbot der Einlagenrückgewähr, Kapitalerhaltung

anderen Gefäße übersteigt. Der obere, innenliegende Einsatz symbolisiert die materielle Vermögensbindung. Er verhindert durch seine Seiten eine Ausschüttung und durch seinen (das untere Kapitalerhaltungs-Gefäß abdeckenden) Boden einen Zugriff im Rahmen einer Haftung auf die gläubigerschützenden Bestandteile. Während man sich eine Ausschüttung als ein Auslaufen durch die Seitenwand vorstellen kann, entspricht eine Haftung einem Hineingreifen von oben. 4. Keine Möglichkeit der Gesellschaft, haftendes Kapital unzulässig zu beeinflussen

Gegen eine Haftung der Gesellschaft, die auf das freie Vermögen der Aktiengesellschaft beschränkt ist, wandte das OLG Frankfurt unter Verweis auf das Reichsgericht ein, dass Schadensersatzansprüche sich kaum noch durchsetzen lassen würden, wenn „in derartigen Verfahren ausnahmslos eine Bilanz erstellt und um diese gestritten werden müsste“.246 Das Reichsgericht seinerseits nahm an, dass „die Feststellung, ob ein Gewinn erzielt worden sei, auf mancherlei Art der richterlichen Nachprüfung entzogen werden“ könne.247 In der Literatur wird dies außerdem darauf gestützt, dass die Gesellschaft über die Bildung von Rücklagen oder deren Auflösung den Umfang des Vermögens zu steuern vermag.248 246  OLG

Frankfurt, ZPI 2005, 711 (713) unter Verweis auf RGZ 88, 187 (189). 88, 187 (189). 248  Möllers, BB 2005, 1637 (1641). 247  RGZ



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen151

Diese Einwände greifen nicht durch. Es trifft zwar zu, dass die Gesellschaft die Möglichkeit hat, Rücklagen zu bilden oder aufzulösen. Dies führt jedoch nur zu Verschiebungen innerhalb bestimmter Positionen des Eigenkapitals, z. B. zwischen dem Jahresüberschuss und den Gewinnrücklagen: Gem. § 58 Abs. 2 AktG können Vorstand und Aufsichtsrat bei der Feststellung des Jahresabschlusses bereits einen Teil des Jahresüberschusses in andere Gewinnrücklagen einstellen, bevor die Hauptversammlung über die Verwendung des (dann noch verbliebenen) Bilanzgewinns beschließt. Dies stellt jedoch nur dann ein Problem dar, wenn man die Ansicht vertritt, dass die Gesellschaft nur mit dem ausschüttungsfähigen Vermögen haftet, nicht aber mit den anderen Gewinnrücklagen. Nimmt man jedoch – wie hier – an, dass die Gesellschaft mit sämtlichen Bestandteilen des Eigenkapitals haftet mit Ausnahme des Grundkapitals und der Rücklagen gem. § 150 Abs. 1–3 AktG, bestehen solche Möglichkeiten nicht. Diese Positionen stehen jeweils nicht zur Disposition der Gesellschaft. Darüber hinaus kann die Gesellschaft über Bewertungswahlrechte des Bilanzrechts die Bilanzsumme als solche beeinflussen. Dies ist jedoch kein Problem, das sich spezifisch bei einer Haftung der Gesellschaft nur mit bestimmten Bestandteilen des Eigenkapitals auswirkt, sondern es stellt sich bei jeder Inanspruchnahme einer Gesellschaft durch beliebige Gläubiger. Soweit das Reichsgericht annahm, dass es nicht möglich sei, in jedem Prozess eine Bilanz zu erstellen, ist hiergegen zunächst einzuwenden, dass heute keine Aktiengesellschaft ohne Computersystem auskommt, mittels dessen innerhalb kürzester Zeit ein Überblick über die relevanten Positionen der Bilanz gewonnen werden kann.249

C. Vereinbarkeit dieses Lösungsansatzes mit Europarecht Die aktienrechtlichen Regelungen zur Kapitalerhaltung werden durch die Vorgaben des Europarechts überlagert, die die Kapitalrichtlinie250 aufstellt. Diese bezweckt den Schutz der Gläubiger sowie den Schutz der Aktionäre.251 Hinsichtlich der Kapitalerhaltung sieht sie in Art. 15 Abs. 1 KapRiLi folgendes vor: auch Schwark, in: FS Raisch, S. 269 (289). gesellschaftsrechtliche Richtlinie vom 13. Dezember 1976, 77 / 91 / EWG – Kapitalrichtlinie, geändert durch Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 77 / 91 / EWG vom 06.  September 2006, 2006 / 68 / EG. 251  Zweite Richtlinie 77 / 91 / EWG des Rates vom 13. Dezember 1976, 2. Erwägungsgrund, Habersack, EuGesR, § 6 Rn. 3. 249  So

250  Zweite

152

1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

(1) a) Ausgenommen in den Fällen einer Kapitalherabsetzung darf keine Ausschüttung an die Aktionäre erfolgen, wenn bei Abschluß des letzten Geschäftsjahres das Nettoaktivvermögen, wie es der Jahresabschluß ausweist, den Betrag des gezeichneten Kapitals zuzüglich der Rücklagen, deren Ausschüttung das Gesetz oder die Satzung nicht gestattet, durch eine solche Ausschüttung unterschreitet oder unterschreiten würde. b) Der Betrag des unter Buchstabe a) genannten gezeichneten Kapitals wird um den Betrag des gezeichneten Kapitals, der noch nicht eingefordert ist, vermindert, sofern der letztere nicht auf der Aktivseite der Bilanz ausgewiesen wird. c)  Der Betrag einer Ausschüttung an die Aktionäre darf den Betrag des Ergebnisses des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahres, zuzüglich des Gewinnvortrags und der Entnahmen aus hierfür verfügbaren Rücklagen, jedoch vermindert um die Verluste aus früheren Geschäftsjahren sowie um die Beträge, die nach Gesetz oder Satzung in Rücklagen eingestellt worden sind, nicht überschreiten. d)  Der Begriff „Ausschüttung“ unter den Buchstaben a) und c) umfasst insbesondere die Zahlung von Dividenden und von Zinsen für Aktien.

Anders als in § 57 Abs. 1 AktG ist hier nicht von einer Rückgewähr der Einlagen, sondern nur von der Ausschüttung die Rede. Art. 15 Abs. 1 d) KapRiLi benennt nur Dividenden und Zinsen als Beispiele für eine Ausschüttung. Auch nach dem vierten Erwägungsgrund der Kapitalrichtlinie soll nur verhindert werden, dass „das Kapital durch nicht geschuldete Ausschüttungen an die Aktionäre verringert wird“.252 Richtigerweise werden nicht nur offene, sondern auch verdeckte Gewinnausschüttungen von dieser Regelung erfasst.253 Die Richtlinie regelt also keine anderen Leistungen der Gesellschaft an den Aktionär als Ausschüttungen. Art. 15 Abs. 1 KapRiLi schließt eine Haftung der Gesellschaft gegenüber Aktionären nicht aus, da es sich bei dieser um keine Ausschüttung handelt.254 Im Hinblick auf die gesetzliche Emittentenhaftung ergibt sich das zusätzlich daraus, dass Art. 6 ProspektRL die Möglichkeit einer Haftung des Emittenten ausdrücklich eröffnet. Diese Regelung wird allgemein als gemeinschaftsrechtlicher Vorrang des Anlegerschutzes vor dem Gläubigerschutz verstanden.255 Andere Autoren nehmen dagegen an, dass die Emittentenhaftung, die durch die Pro­ spektrichtlinie und die Transparenzrichtlinie zugelassen werden, eine Ausnahme darstellt; eine Haftung der Gesellschaft im Übrigen jedoch nicht 252  Zweite Richtlinie 77 / 91 / EWG des Rates vom 13. Dezember 1976, 4. Erwägungsgrund. 253  Fleischer, WM 2007, 909 (911). 254  Cahn / Senger, in: Spindler / Stilz, §57 Rn. 47, Fleischer, in: K. Schmidt / Lutter, § 57 AktG Rn. 40, Fleischer, ZIP 2005, 1805 (1811), Langenbucher, ZIP 2005, 239 (241 f.). 255  Cahn / Senger, in: Spindler / Stilz, § 57 Rn. 47, Fleischer, in: K. Schmidt / Lutter, § 57 AktG Rn. 40, Langenbucher, ZIP 2005, 239 (241 f.).



§ 4 Haftung mit nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen153

ohne weiteres zulässig ist.256 Diese Auslegung vernachlässigt jedoch den eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, die nur Ausschüttungen regelt. Die oben gefundene Auslegung, nach der eine Haftung mit dem nicht-gläubigerschützenden Eigenkapital zulässig ist, verstößt somit nicht gegen die Kapitalrichtlinie.

D. Fazit Die aktienrechtlichen Regelungen über das Verbot der Einlagenrückgewähr, die Beschränkung der Ausschüttungen auf den Bilanzgewinn und die Bindung von Rücklagen müssen als dreigeteilter Grundsatz verstanden werden: Der Grundsatz der Kapitalerhaltung erfasst das Gesellschaftsvermögen in Höhe des Grundkapitals sowie des Teils der Summe aus gesetzlicher Rücklage gem. § 150 Abs. 1, 2 AktG und Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB, der den Anteil von 10 % oder einen in der Satzung bestimmten höheren Anteil am Grundkapital nicht übersteigt. Nach diesem Grundsatz können diese Eigenkapitalbestandteile weder (offen oder verdeckt) an die Aktionäre ausgeschüttet werden, noch können die Aktionäre auf diese Eigenkapitalbestandteile im Rahmen von Haftungsansprüchen gegen die Gesellschaft zugreifen, die ihren Ursprung in der gesellschaftsrechtlichen Beziehung haben. Der Grundsatz der formellen Vermögensbindung bindet die Ausschüttung des Bilanzgewinns, der sich u. a. aus § 158 Abs. 1 AktG ergibt, an ein bestimmtes Verfahren. Auch ein Zugriff im Rahmen einer gesellschaftsrechtlich begründeten Haftung ist möglich. Zwischen diesen beiden Grundsätzen ist der Grundsatz der materiellen Vermögensbindung angesiedelt. Dieser betrifft den Teil der Summe aus gesetzlicher Rücklage gem. § 150 Abs. 1, 2, AktG und Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB, der den Anteil von 10 % oder einen in der Satzung bestimmten höheren Anteil am Grundkapital übersteigt. Dieser kann nicht ausgeschüttet werden, steht jedoch für eine Haftung der Gesellschaft gegenüber Aktionären aufgrund eines gesellschaftsrechtlich begründeten Haftungsanspruchs zur Verfügung. Dafür spricht zunächst, dass der Gesetzgeber in keinem Zeitpunkt eine so umfassende Vermögensbindung anstrebte, wie sie die heute herrschende Meinung annimmt. Dafür spricht auch, dass das Verbot der Einlagenrückgewähr sowohl in seinem historischem als auch in seinem heutigen Kontext als Regelung anzusehen ist, die dem Schutz der Gläubiger dient. Die Zulässigkeit allgemeiner Haftungsansprüche ist danach zu beurteilen, ob ihre Geltendmachung die Rechte anderer schutzwürdiger Parteien verletzt. Schutzwürdig sind dabei allein die Gläubiger der Gesellschaft. Die 256  Habersack,

(395).

EuGesR, § 6 Rn. 35. Zweifelnd auch Veil, ZHR 167 (2003), 365

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

Aktionäre, die ein Interesse an Gleichbehandlung und einer Wahrung der Organkompetenzen haben, müssen dagegen für Fehlinformationen von NeuAktionären durch den Vorstand einstehen. Eine Untersuchung der Schutzzwecke der verschiedenen Bestandteile des Eigenkapitals hat gezeigt, dass lediglich das Grundkapital und die Summe aus gesetzlicher Rücklage gem. § 150 Abs. 1, 2 AktG und Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB bis zur Höhe von 10 % oder einem in der Satzung festgelegten, höheren Anteil des Grundkapitals gläubigerschützend sind. Nicht gläubigerschützend sind dagegen die Bestandteile des Eigenkapitals, die – bei Erfüllung bestimmter formaler Vorgaben – an die Gesellschafter ausgeschüttet werden können. Ebenfalls nicht gläubigerschützend ist auch der Teil der Rücklagen, der der erleichterten Bindung des § 150 Abs. 4 AktG unterliegt. Darunter fällt insbesondere der Teil der Summe aus gesetzlicher Rücklage gem. § 150 Abs. 1, 2 AktG und Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB, der den Anteil von 10 % oder einen in der Satzung bestimmten höheren Anteil am Grundkapital übersteigt. Es hat sich gezeigt, dass weder die Festsetzung und Aufbringung des – die Kapitalrücklage maßgeblich speisenden – Agios noch seine Bindung den Gläubigern dienen; vielmehr dient seine Aufbringung den Vermögensinteressen der Altaktionäre und seine Bindung der Verhinderung einer Agiotage, die zu einer Fehlinformation potentieller Anleger führen könnte. Dementsprechend muss nach der aktienrechtlichen Vermögensbindung eine Haftung der Gesellschaft mit sämtlichen Mitteln, die das Grundkapital und die gesetzliche Rücklage gem. § 150 Abs. 1, 2 AktG übersteigen, zulässig sein. Auf diese Weise wird das Verständnis der aktienrechtlichen Kapitalerhaltung an die Stammkapitalbindung in der GmbH angenähert.257

§ 5 Keine Kollision mit Vorschriften über die Kapitalaufbringung In der Literatur wird zur Haftung gegenüber Aktionären vertreten, dass diese auch einen Verstoß gegen die Grundsätze der Kapitalaufbringung in ihren verschiedenen Ausprägungen darstellen könne. Das Prinzip der Kapitalaufbringung besteht aus –– dem Verbot der Stufengründung (§§ 2, 29 AktG), –– dem Verbot der Unterpariemission (§ 9 Abs. 1 AktG), –– der Satzungspublizität von Sondervorteilen, Gründungsaufwand, Sacheinlagen und -übernahmen (§§ 26, 27 AktG), 257  Dazu

Wilhelm, in: FS Flume II (1978), S. 337.



§ 5 Keine Kollision mit Vorschriften über die Kapitalaufbringung 155

–– der Gründungsprüfung (§§ 32 Abs. 2, 33 Abs. 2 Nr. 4, 34 AktG), –– den Vorschriften über die Einlageleistung (§§ 36 Abs. 2 i. V. m. 54 Abs. 3, 36a AktG), –– der gerichtlichen Prüfung des Gründungsvorgangs (§ 38 Abs. 2 AktG), –– der Regelung der Gründungshaftung (§§ 46 ff. AktG) –– und dem Nachgründungserfordernis (§ 52 AktG). Andere zählen auch –– die Einlagepflicht (§ 54 AktG), –– die Einforderung der Einlagen und die Folgen der Nicht-Zahlung (§ 63– 65 AktG), –– das Verbot der Befreiung der Aktionäre von den Leistungspflichten (§ 66 AktG) –– und das Verbot der Zeichnung eigener Aktien durch die Aktiengesellschaft dazu. Im Hinblick auf den Grundsatz der Stufengründung, die Satzungspublizität von Sondervorteilen und Gründungsaufwand, die Gründungsprüfung, die Regelung der Gründungshaftung und das Nachgründungserfordernis kommt ein Verstoß durch eine Haftung der Aktiengesellschaft gegenüber Aktionären nicht in Betracht. Auch die Folgen der Nicht-Zahlung und das Verbot der Zeichnung eigener Aktien durch die Aktiengesellschaft können nicht berührt sein. Die Wahrung des Verbots der Unterpariemission wird an anderer Stelle erläutert (siehe unten § 7 E.III.). Fraglich ist deshalb zunächst, ob die Möglichkeit einer Haftung mit den Vorschriften über die Einlageleistung und die Einlagepflicht kollidieren würde. Denkbar erscheint auch ein Verstoß gegen das Verbot der Befreiung der Aktionäre von den Leistungspflichten (§ 66 AktG) oder die Einordnung der Haftung als Übernahme der Aktien für Rechnung der Aktiengesellschaft (§ 56 Abs. 3 AktG). Eine ordnungsgemäße Kapitalaufbringung setzt voraus, dass das eingezahlte Kapital trotz des Risikos einer Haftung gegenüber den Aktionären endgültig zur freien Verfügung des Vorstands eingezahlt ist. Nach einer Ansicht soll das schon an der Vorschrift des § 185 Abs. 3 AktG scheitern (A). Man kann in Erwägung ziehen, die Haftung als verdeckte Einbringung einer Forderung zu sehen (B), allgemein an der endgültig freien Verfügbarkeit zu zweifeln (C) oder die Haftung als – gegen das Befreiungsverbot verstoßende – Befreiung (D) einzuordnen.

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

A. Kein Verstoß gegen § 185 Abs. 3 AktG § 185 Abs. 3 AktG bestimmt, dass sich der Zeichner nach Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung nicht auf die Nichtigkeit oder Unverbindlichkeit des Zeichnungsscheins berufen kann, wenn er auf Grund des Zeichnungsscheins als Aktionär Rechte ausgeübt oder Verpflichtungen erfüllt hat. Henze geht davon aus, dass – bei der spezialgesetzlichen Prospekthaftung – die Rückgabe der Aktien gegen Erstattung des Ausgabepreises und der mit dem Erwerb verbundenen Kosten im Widerspruch zum Grundsatz der Kapitalaufbringung stehe:258 Die Haftung verstoße bei originärem Erwerb der Aktien (und bei gleichzustellendem mittelbaren Erwerb) gegen die der Kapitalaufbringung dienende Norm des § 185 Abs. 3 AktG. Anderes gelte dagegen für den derivativen Erwerb.259 Fraglich ist schon, ob § 185 Abs. 3 AktG überhaupt zu den Normen der Kapitalaufbringung zu zählen ist. Wenn in der Literatur der Grundsatz der Kapitalaufbringung allgemein dargestellt wird, wird regelmäßig die Norm des § 185 Abs. 3 AktG nicht erwähnt. Näherliegend ist es, die Norm des § 185 Abs. 3 AktG dem Kontext der Zeichnung zuzuordnen. Die Zeichnung ist der Kapitalaufbringung vorgelagert, sie begründet erst die Verpflichtung zur Aufbringung des Kapitals. Außerdem scheitert eine direkte Anwendung des § 185 Abs. 3 AktG oft schon am Tatbestand, denn in vielen Fällen hat der Aktionär als solcher weder Rechte ausgeübt noch Verpflichtungen erfüllt. Selbst wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen sollten, ist die Geltendmachung von Haftungsansprüchen nicht mit der Berufung auf eine Nichtigkeit oder Unverbindlichkeit des Zeichnungsscheins gleichzusetzen. Die Haftung knüpft nicht an den Inhalt des Zeichnungsscheins an, sondern an darüber hinaus gemachte Angaben über die Situation des Unternehmens. Auch ist die Haftung, anders als die Berufung auf Mängel des Zeichnungsvertrages, nicht notwendigerweise auf eine Rückgängigmachung der Beteiligung gerichtet. Aus diesem Grund steht § 185 Abs. 3 AktG einer Haftung der Aktiengesellschaft nicht entgegen. Dementsprechend ist auch die Differenzierung Henzes zwischen originärem und derivativem Erwerb gestützt auf die Kapitalaufbringung abzulehnen. Dies bedeutet, dass sich nach Eintragung der Kapitalerhöhung und unter der Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Aufbringung des Grundkapitals im Hinblick auf die Haftung identische Resultate ergeben müssen, unabhängig davon, ob die Aktie originär oder derivativ erworben wurde. Weiterhin zu prüfen gilt es jedoch, ob die Möglichkeit der Haftung eine ordnungsgemäße Aufbringung des Kapitals grundsätzlich behindert. 258  Henze, 259  Henze,

NZG 2005, 115 (118). NZG 2005, 115 (121).



§ 5 Keine Kollision mit Vorschriften über die Kapitalaufbringung 157

B. Einbringung der Schadensersatzforderung des Aktionärs als Sacheinlage nicht möglich Fraglich ist, ob in der Haftung eine verdeckte Sacheinlage zu sehen ist. Eine verdeckte Sacheinlage liegt vor, „wenn der wirtschaftlich einheitliche Vorgang der Sacheinlage in rechtlich getrennte Geschäfte aufgespalten wird, von denen eines eine Bareinlage zu sein scheint, während das andere dem Abfluss der Geldmittel bei der Gesellschaft und zugleich der Annahme anderer Vermögensgegenstände als Leistung auf die Einlagenschuld dient“.260 Nach herrschender Meinung gelangt bei einer solchen Gestaltung das Kapital nicht zur endgültig freien Verfügung des Vorstands.261 Als möglicher Sacheinlagegegenstand kommt hier nur der Anspruch auf Schadensersatz in Betracht, der zwischen Gesellschaft und Aktionär bei fehlerhaften Angaben entsteht. Dieser ist jedoch so eng mit der konkreten Kapitalerhöhung verbunden, dass es gar nicht möglich ist, ihn als Sacheinlage einzubringen: Der Anspruch entsteht erst mit der Entstehung eines Schadens.262 Der Schaden wiederum entsteht jedoch nicht vor Begründung der Zahlungsverpflichtung durch Zeichnung, nach anderer Ansicht erst mit Zahlung der Einlage. In beiden Fällen wäre es im Vorfeld nicht möglich gewesen, für diese Forderung den Weg der Sachkapitalerhöhung zu wählen, da nach herrschender Meinung eine künftige Forderung nicht sacheinlagefähig ist.263 Bei der Schadensersatzforderung handelt es sich auch nicht um die Aufspaltung eines wirtschaftlichen Vorgangs in zwei rechtlich selbständige Geschäfte. Es wird nicht das Ziel der Einbringung einer Forderung verschleiert, sondern die Forderung entsteht aus der Barkapitalerhöhung. Dementsprechend handelt es sich nicht um eine verdeckte Sacheinlage. Maßgeblich sind also für die gesetzliche wie für die vertragliche Haftung allein die Vorschriften über die Bareinlage.

260  Hüffer,

§ 27 AktG Rn. 10. 96, 241 (242), BGHZ 113, 335 (347), Döbereiner, in: Spindler / Stilz, § 36 AktG Rn. 20, Pentz, in: MünchKomm AktG § 27 Rn. 98, Bayer, in: FS Horn, S. 271 (275), Henze, in: ZHR 154 (1990), S. 105 (126 f.). 262  Ellenberger, in: Palandt, § 199 BGB Rn. 15. 263  Röhricht, in: Großkomm AktG § 27 Rn. 80, Heidinger, in: Spindler / Stilz, § 27 AktG Rn. 25, Bayer, in: K. Schmidt / Lutter, § 27 AktG Rn. 15, der für die künftigen Forderungen auf die h. M. zum GmbHG verweist: Bayer, in: Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 5 Rn. 16, Ulmer, in: Ulmer / Habersack / Winter, GmbHG, § 5 Rn. 55. 261  BGHZ

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

C. Keine Beeinträchtigung der endgültig freien Verfügung durch Haftungsmöglichkeit Im Aktiengesetz wird in den § 36 Abs. 2 („endgültig zur freien Verfügung des Vorstands“), § 46 Abs. 1 S. 2 („zur freien Verfügung des Vorstands“) und § 54 Abs. 3 S. 1 AktG („zu seiner freien Verfügung“) vorgegeben, dass das eingezahlte Kapital (endgültig) zur freien Verfügung des Vorstands stehen muss. § 36 Abs. 2 AktG findet gem. § 188 Abs. 2 S. 1 AktG bei der Anmeldung der Durchführung einer Kapitalerhöhung sinngemäße Anwendung. Durch die Einzahlung zur endgültig freien Verfügung des Vorstands wird die Einlagepflicht erfüllt. Dazu muss die Einlage aus dem Herrschaftsbereich des Einlegers in den Herrschaftsbereich des Vorstands gelangen, so dass dieser nach eigenem Ermessen unter Berücksichtigung seiner Verantwortung für die Gesellschaft über die Einlage verfügen kann.264 Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Mittel aus dem Vermögen des Gesellschafters endgültig in das Vermögen der Gesellschaft übergegangen sind.265 Nach Ansicht von Karsten Schmidt soll durch den Begriff der endgültig freien Verwendung zum einen für eine effektive Bareinlage (ohne Verrechnungsabreden oder Scheinleistungen) gesorgt und zum anderen der Abschluss der Mittelaufbringung sichergestellt werden.266 Es stellt sich die Frage, ob das Risiko einer Haftung gegenüber einem Aktionär dazu führt, dass dieser seine Einlage nicht zur endgültig freien Verfügung des Vorstands erbracht hat. Dies ist für eine gesetzliche und eine vertragliche Haftung unterschiedlich zu beurteilen. Hier soll zunächst nur die Problematik einer gesetzlichen Haftung untersucht werden, auf die vertragliche Haftung ist später zurückzukommen.267 Die Möglichkeit einer gesetzlichen Haftung schließt nicht aus, dass die Einlage endgültig zur freien Verfügung des Vorstands steht. Die Einlage gelangt so in den Herrschaftsbereich des Vorstands, dass dieser tatsächlich nach eigenem Ermessen darüber verfügen kann. Die Gefahr einer Haftung beschränkt die freie Verfügbarkeit des Vorstands nicht, da der Vorstand vor Inanspruchnahme in seiner Verfügungsmacht nicht eingeschränkt ist. Er ist nicht verpflichtet, bestimmte Mittel für eine Haftung zu reservieren. Durch die Möglichkeit einer gesetzlichen Haftung ist er nicht stärker an der Verwendung gehindert als durch andere (Haftungs-)Risiken. Aus diesem Grund 264  Hüffer, § 36 AktG Rn. 7, Döbereiner, in: Spindler  / Stilz, § 36 AktG Rn. 19, Röhricht, in: Großkomm AktG § 36 Rn. 56, Pentz, in: MünchKomm AktG § 36 Rn. 48. 265  Lutter, NJW 1989, 2649 (2651). 266  K. Schmidt, AG 1986, 106 (109). 267  Siehe unten § 12 D.I.3.a).



§ 5 Keine Kollision mit Vorschriften über die Kapitalaufbringung 159

ist trotz des Risikos einer gesetzlichen Haftung gegenüber Aktionären davon auszugehen, dass die Einlage endgültig zur freien Verfügung des Vorstands stand.

D. Keine Kollision mit Befreiungsverbot Das Befreiungsverbot in § 66 Abs. 1 S. 1 AktG bestimmt, dass die Aktionäre und ihre Vormänner nicht von ihren Leistungspflichten gem. §§ 54, 65 AktG befreit werden können. § 54 AktG legt für Bar- und Sacheinlagen die Einlagepflicht fest und bestimmt damit die interne Beitragspflicht. § 65 AktG regelt die Verpflichtung der Vormänner. Gemäß § 66 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 AktG gilt das Befreiungsverbot entsprechend für die Verpflichtung zur Rückgewähr von Leistungen, die entgegen den Vorschriften des Aktiengesetzes empfangen wurden. Zusammen mit den §§ 63–65 AktG dient das Befreiungsverbot des § 66 AktG der Sicherung der realen Kapitalaufbringung;268 hierbei stellt es die zentrale Vorschrift dar.269 Es wird vertreten, dass § 66 AktG außerdem die Regelung des § 57 AktG ergänze und damit auch der Sicherung der Kapitalerhaltung diene.270 Nach richtiger Ansicht dient § 66 AktG jedoch nur der Sicherung der Kapitalerhaltung, soweit Rückgewährpflichten erfasst werden.271 Dafür spricht, dass nach Erfüllung der Einlagepflicht die Vorschriften über die Kapitalaufbringung nicht mehr einschlägig sind. Also kann sich eine Befreiung nur noch auf den Rückgewähranspruch gegen den Aktionär beziehen. Dieser ist jedoch dem System der Kapitalerhaltung zuzurechnen. Mit seiner Bezugnahme auf Rechtsgeschäfte hat das Befreiungsverbot keine Berührungspunkte mit der gesetzlichen Haftung (sei es aus der spezialgesetzlichen oder der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung oder aus c.i.c.). § 66 AktG dient in erster Linie der Kapitalaufbringung. Ist das Kapital einmal aufgebracht und damit die Einlagepflicht erfüllt, kann eine Rückzahlung – egal aus welchem Rechtsgrund – nicht mehr als Befreiung gewertet werden. Eine Befreiung kann sich nur auf noch nicht erfüllte Einlagepflichten oder auf einen Rückgewähranspruch gem. § 62 AktG beziehen. Regelmäßig existieren aber im hier diskutierten Fall keine nicht erfüllten Einlagepflichten, und nach der obigen Argumentation entstehen durch die gesetzliche Haftung auch keine Rückgewähransprüche der Gesellschaft gem. § 62 AktG. Auf die Problematik einer vertraglichen Haftung als mög268  Bayer, in: MünchKomm AktG § 66 Rn. 2, Hüffer, § 66 AktG Rn. 1, Fleischer, in: K. Schmidt / Lutter, § 66 AktG Rn. 1. 269  Lutter, in: KK AktG2 § 66 Rn. 2. 270  Bayer, in: MünchKomm AktG § 66 Rn. 2 m. w. N., Cahn, in: Spindler / Stilz, § 66 AktG Rn. 2. 271  Lutter, in: KK AktG2 § 66 Rn. 2, Hüffer, § 66 AktG Rn. 1.

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

licher Verstoß gegen das Befreiungsverbot ist an späterer Stelle zurückzukommen (siehe unten § 12 D.I.3.b)).

E. Fazit Auch die Vorschriften über die Kapitalaufbringung schließen eine Haftung in diesem Umfang nicht aus. Zwar hält Henze eine Haftung im Falle des originären und des mittelbaren Erwerbs für einen Verstoß gegen § 185 Abs. 3 AktG. § 185 Abs. 3 AktG ist jedoch keine Norm aus dem Kontext der Kapitalaufbringung. Außerdem ist der Tatbestand im hier untersuchten Fall regelmäßig nicht erfüllt. Darüber hinaus ist die Geltendmachung von Ersatzansprüchen aus der Kapitalerhöhung nicht mit der Berufung auf bestimmte Mängel des Zeichnungsvertrages vergleichbar, da die fehlerhaften Angaben nicht Teil des Zeichnungsscheins waren und die Haftung nicht allein auf die Rückgängigmachung der Beteiligung gerichtet ist. Bei der Haftung der Gesellschaft gegenüber Aktionären handelt es sich auch nicht um eine Umgehung der Vorschriften über die Sacheinlage. Der Anspruch gegen die Gesellschaft aus den Fehlinformationen im Rahmen der Kapitalerhöhung entsteht erst mit der Begründung der Zahlungsverpflichtung durch Zeichnung oder möglicherweise auch erst mit Zahlung der Einlage. Eine derartige künftige Forderung ist nicht sacheinlagefähig. Außerdem handelt es sich bei der Haftung nicht um die Aufspaltung eines wirtschaftlichen Vorgangs in zwei rechtlich selbständige Geschäfte. Dementsprechend handelt es sich nicht um eine verdeckte Sacheinlage. Die Möglichkeit einer Haftung gegenüber Aktionären verhindert es auch nicht, dass die Einlage zur freien Verfügung des Vorstands an die Gesellschaft geleistet wird. Maßgeblich ist, ob der Vorstand die Einlage rechtlich und tatsächlich frei verwenden kann. Durch die Möglichkeit einer gesetzlichen Haftung ist er nicht stärker an der Verwendung gehindert als durch andere (Haftungs-)Risiken. Auch das Verbot der Befreiung von den Leistungspflichten gem. §§ 54 und 65 AktG sowie insbesondere von der Rückzahlungsverpflichtung gem. § 62 Abs. 1 AktG steht einer Haftung nicht entgegen. Ob die Rückzahlungsverpflichtung besteht, hängt davon ab, ob die Haftung zulässig ist. Das Befreiungsverbot sichert diese Rückzahlungsverpflichtung lediglich, ohne diesbezüglich einen eigenen, materiellen Inhalt zu haben. Aus dem Befreiungsverbot kann also eine Unzulässigkeit der Haftung allein nicht abgeleitet werden. Eine gesetzliche Haftung der Gesellschaft für Angaben über den Zustand des Unternehmens ist somit mit der Kapitalerhaltung  /  Vermögensbindung sowie mit der Kapitalaufbringung vereinbar, wenn das dem Gläubigerschutz dienende Eigenkapital, also das Grundkapital, die Summe aus gesetzlicher Rücklage gem. § 150 Abs. 1, 2 AktG und Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB bis zur Höhe von 10 % oder einem in der Sat-



§ 6 Zukunftsbezogene Aussagen über Zustand des Unternehmens161

zung festgelegten, höheren Anteil des Grundkapitals, nicht angegriffen wird. Dieses Ergebnis korrespondiert in gewissem Rahmen mit dem Vorschlag Fleischers, de lege ferenda das Grundkapital prospekthaftungsfest auszugestalten.272

§ 6 Zukunftsbezogene Aussagen über Zustand des Unternehmens als Verstoß gegen § 56 Abs. 3 AktG bzw. § 57 AktG Ein weiteres Problem ergibt sich aus dem Verbot von Kursgarantien, das teilweise aus dem – den Kapitalaufbringungsvorschriften zuzuordnenden – § 56 Abs. 3 AktG und teilweise aus dem Kapitalerhaltungsgrundsatz des § 57 Abs. 1 AktG abgeleitet wird. Fraglich ist, ob unter dieses Verbot auch bestimmte Aussagen über den Zustand der Gesellschaft, an die eine Haftung anknüpft, zu subsumieren sind. Dies soll unter B. geprüft werden. Im Voraus soll unter A. die Vorfrage beantwortet werden, ob und in welchem Umfang der Vorstand, der grundsätzlich zur Geheimhaltung verpflichtet ist, einen Investor über den Zustand des Unternehmens informieren darf.

A. Informationsmöglichkeit des Vorstands gegenüber Investoren trotz Verschwiegenheitspflicht Grundsätzlich ist der Vorstand der Aktiengesellschaft zur Verschwiegenheit verpflichtet, § 93 Abs. 1 S. 3 AktG.273 Die Verschwiegenheitspflicht folgt unmittelbar aus der organschaftlichen Treuepflicht der Vorstandsmitglieder. Danach haben die Vorstandsmitglieder über vertrauliche Angaben274 und Geheimnisse275 der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die ihnen durch ihre Tätigkeit im Vorstand bekanntgeworden 272  Fleischer,

in: Gutachten F für den 64. Juristentag, S. F 74. in: MünchKomm AktG § 93 Rn. 96. 274  Vertrauliche Angaben sind Angelegenheiten, deren Mitteilung sich für die Gesellschaft nachteilig auswirken kann, mögen sie auch allgemein bekannt und daher keine Geheimnisse mehr sein (Spindler, in: MünchKomm AktG § 93 Rn. 03, Körber, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 10 Rn. 8 f., vergleichbar Krieger / Sailer, in: K. Schmidt / Lutter, AktG, § 93 Rn. 19). 275  Geheimnisse sind Tatsachen, die nicht offenkundig sind, wenn sie nach dem bekundeten oder mutmaßlichen Willen der Gesellschaft geheim gehalten werden sollen oder und an ihrer Geheimhaltung ein wirtschaftliches Interesse besteht (Spindler, in: MünchKomm AktG § 93 Rn. 100, Krieger / Sailer, in: K. Schmidt / Lutter, AktG, § 93 Rn. 18, Körber, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 10 Rn. 4, Müller, NJW 2000, 3452 (3453)). 273  Spindler,

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

sind, Stillschweigen zu bewahren. Das Geheimhaltungsinteresse ist letztlich eine Unterkategorie des Unternehmensinteresses.276 Eine Haftung der Aktiengesellschaft gegenüber einem Investor knüpft an fehlerhafte Informationen an, die der Investor von der Gesellschaft über das Unternehmen erhalten hat. Solche Informationen können mit Hilfe eines Dokuments erteilt werden, das einem Prospekt ähnlich ist, oder in einem Vertrag enthalten sein, der an die Informationen bestimmte Zusagen knüpft. Zusätzlich könnte die Gesellschaft dem Investor wie bei einer due diligence die Einsicht in Unterlagen des Unternehmens gestatten. In diesen Fällen stellt sich die Frage, wie diese Offenlegung von Informationen mit dem Geheimhaltungsinteresse des Unternehmens und der damit korrespondierenden Verschwiegenheitspflicht des Vorstands zu vereinbaren ist. Diese Frage wird in der Literatur und der Praxis diskutiert, wenn der Vorstand – insbesondere im Rahmen eines Paketerwerbs von Aktien der Gesellschaft – eine due diligence ermöglichen soll. Ob er im Hinblick auf das eigene Unternehmen eine due diligence zulässt, stellt eine unternehmerische Entscheidung dar, die am Maßstab des Gesellschaftsinteresses zu treffen ist. Nach einer restriktiven Ansicht besteht grundsätzlich keine Befugnis des Vorstands zur Weitergabe von Informationen, außer in Ausnahme- und Extremsituationen, wenn es sich um ein „ungewöhnliches und überragendes, anders nicht erreichbares, eigenes unternehmerisches Interesse der Gesellschaft handelt, gewissermaßen um eine einmalige und unwiederbringliche unternehmerische Chance“.277 Diese Ansicht engt jedoch den unternehmerischen Entscheidungsspielraum mehr ein als nötig. Richtigerweise ist die Entscheidung in einer Interessenabwägung zu treffen: Die Gesellschaft muss ein eigenes, ihr Geheimhaltungsinteresse überwiegendes Interesse an dem Zustandekommen des Erwerbsgeschäfts haben.278 Die Entscheidung über die Ermöglichung der due diligence ist dem Gesamtvorstand vorbehalten.279 Dabei muss nicht die due diligence ganz oder gar 276  Müller,

NJW 2000, 3452 (3453). in: MünchKomm AktG § 93 Rn. 120. 278  Krieger / Sailer, in: K. Schmidt / Lutter, AktG, § 93 Rn. 22, Müller, NJW 2000, 3452 (3456), Schiessl, AG 2009, 385 (390). Ob das der Fall ist, ist anhand verschiedener Kriterien zu beurteilen. Es wird in der Literatur gefordert, dass die due diligence für das Zustandskommen des Geschäfts unumgänglich sein müsse (Hüffer, AktG, § 93 Rn. 8 m. w. N.). Die Verhandlungen sollen bereits fortgeschrittener Natur sein (Spindler, in: MünchKomm AktG § 93 Rn. 120), idealerweise sollte ein letter of intent, in dem der Erwerber seine Erwerbsaussichten manifestiert, unterzeichnet sein (Spindler, in: MünchKomm AktG § 93 Rn. 120, Müller, NJW 2000, 3452 (3456)). 279  Krieger / Sailer, in: K. Schmidt / Lutter, AktG, § 93 Rn. 22. Müller, NJW 2000, 3452 (3455) wirft noch die Frage auf, ob bei diesem Beschluss Einstimmigkeit erforderlich ist. 277  Spindler,



§ 6 Zukunftsbezogene Aussagen über Zustand des Unternehmens163

nicht zugelassen werden,280 vielmehr ist die Entscheidung eine abgestufte Einzelentscheidung darüber, wem, wann, in welchem Umfang und auf welche Art und Weise eine due diligence gestattet werden soll.281 Das Verfahren ist dabei so auszugestalten, dass das Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft möglichst weitgehend geschützt wird.282 Eine Veröffentlichung der geheimen Informationen über den Umweg des Auskunftsanspruchs des § 131 Abs. 4 AktG ist nicht zu befürchten.283 Diese Grundsätze sind auf die Information eines Investors durch die Gesellschaft selbst, mit oder ohne due diligence, zu übertragen:284 Entscheidend ist auch hier, ob das Interesse an der Beteiligung die Geheimhaltungsinteressen des Unternehmens übersteigt. Genau wie bei der due diligence gefährdet auch hier nicht jede Information die Unternehmensinteressen in gleicher Weise: Je mehr Details bekanntgegeben werden, desto größer muss der Nutzen der Gesellschaft durch die Bekanntgabe sein. Allerdings lässt sich die Beschränkung der Information leichter begründen als bei einer due diligence: Zum einen kann der Investor nicht annehmen, jedes Detail in einem Bericht wieder zu finden. Außerdem geht ein Käufer bei einer due diligence in der Regel davon aus, umfassende Informationen im Datenraum vorzufinden. Je280  Müller, NJW 2000, 3452 (3454), Körber, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 10 Rn. 25, Fleischer, in: Spindler / Stilz, AktG, § 93 Rn. 159. 281  Es können nur bestimmte Gesellschaftsdaten offengelegt werden, andere Informationen können geschwärzt oder anonymisiert werden (Müller, NJW 2000, 3452 (3454)). Besonders sensible Informationen können erst in einem späteren Stadium der Verhandlungen offen gelegt werden (Müller, NJW 2000, 3452 (3454), Krieger / Sailer, in: K. Schmidt / Lutter, AktG, § 93 Rn. 22). Es ist auch möglich, Berater einzuschalten, die an den Käufer nicht sämtliche Informationen, sondern nur eine Auswertung ihrer Prüfungsergebnisse oder einen abgekürzten Bericht weitergeben (Müller, NJW 2000, 3452 (3455), Körber, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 10 Rn. 26, Fleischer, in: Spindler / Stilz, AktG, § 93 Rn. 159, Spindler, in: MünchKomm AktG § 93 Rn. 121). 282  Krieger / Sailer, in: K. Schmidt / Lutter, AktG, § 93 Rn. 22. Beispielsweise sollte eine Vertraulichkeitsvereinbarung abgeschlossen werden, um die Gefahr des Missbrauchs der Information zu minimieren (Hüffer, AktG, § 93 Rn. 8 m. w. N., Spindler, in: MünchKomm AktG § 93 Rn. 120, Müller, NJW 2000, 3452 (3456)). Je größer die Gefahr eines Informationsmissbrauchs ist, desto umfangreichere Schutzmaßnahmen muss der Vorstand treffen (Fleischer, in: Spindler / Stilz, AktG, § 93 Rn. 158 f.). 283  Grundsätzlich kann jeder Aktionär in der Hauptversammlung die Auskünfte verlangen, die einem anderen Aktionär außerhalb der Hauptversammlung wegen seiner Eigenschaft als Aktionär gegeben wurden. Da die Informationen im Rahmen einer due diligence jedoch zur Vorbereitung der Transaktion und nicht an den Investor in seiner Eigenschaft als Aktionär gegeben wurden, muss keine Auskunft über den Inhalt einer due diligence erteilt werden (Schiessl, AG 2009, 385 (391), Semler, in: Münch. Hdb. AG, § 37 Rn. 18). 284  So für die Eigenkapitalaufnahme über Venture-Capital-Fonds: Krömker, Due Diligence, S.  26 f.

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

de Beschränkung bedarf dort einer gewissen Begründung. Anders ist es jedoch, wenn weniger detaillierte Informationen in aufbereiteter Form übermittelt werden: Hier ist der geringere Detaillierungsgrad Teil des Systems. Dieser schadet auch weniger, wenn der Investor sich – aufgrund einer Haftung der Gesellschaft – auf diese Informationen verlassen kann. Eine Leitlinie für die Ermessensausübung bildet jeweils die business judgement rule, die der BGH seit der ARAG / Garmenbeck-Entscheidung285 im Aktienrecht anwendete. Eine vergleichbare Regelung ist seit Inkrafttreten des UMAG im neuen S. 2 des § 93 Abs. 1 AktG verankert. Nach dieser Norm liegt keine Pflichtverletzung vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Diese Grenze soll erst dann überschritten sein, wenn der Vorstand das mit der unternehmerischen Einschätzung verbundene Risiko in völlig unverantwortlicher Weise falsch beurteilt.286 Als Ergebnis ist also festzuhalten, dass der Vorstand im Rahmen einer Ermessenentscheidung beschließen kann, dass ein Investor durch die Gesellschaft informiert wird.

B. Gesetzliche Vorgaben hinsichtlich des Inhalts der Information Dementsprechend kann nun wieder auf die Ausgangsfrage zurückgekommen werden, ob eine Haftung der Gesellschaft für Angaben über das Unternehmen als verbotene Kursgarantie (§ 56 Abs. 3 AktG, § 57 Abs. 1 AktG) einzuordnen ist. Um dies zu beurteilen, kommt es darauf an, an welche Angaben eine Haftung üblicherweise anknüpft. Es ist bekannt, dass Prospekte im Sinne des WpPG gem. § 5 Abs. 1 WpPG auch Angaben über die Zukunftsaussichten der Gesellschaft enthalten müssen. Darin müssen in vielen Fällen Trendaussagen getroffen werden, Gewinnprognosen können dagegen freiwillig veröffentlicht werden. Auf diese Regelungen ist im Zweiten Teil zurückzukommen. Zunächst soll untersucht und gewürdigt werden, in welchem Umfang das Aktienrecht Kursgarantien zulässt und welche Aussagen über das Unternehmen darunter fallen. Im Aktienrecht wird das Schlagwort der „verbotenen Kursgarantie“ vielfach verwendet, ohne dass eindeutig definiert wird, was von diesem Verbot genau erfasst wird. Unter diesen Begriff der Kursgarantie werden in der 285  BGHZ

135, 244 (253 f.) – ARAG / Garmenbeck. 15  /  5092 S. 11 unter Verweis auf BGHZ 135, 244 (253) – ARAG / Garmenbeck. 286  BT-Drucks.



§ 6 Zukunftsbezogene Aussagen über Zustand des Unternehmens165

Literatur teilweise auch (vertragliche) Garantien der Gesellschaft gegenüber Investoren, die sich wie bei einem Unternehmenskauf auf den Zustand des Unternehmens beziehen, subsumiert.287 Das Schlagwort der Kursgarantien wird dabei sowohl in Verbindung mit § 56 Abs. 3 AktG, einer Norm der Kapitalaufbringung, als auch in Verbindung mit § 57 Abs. 1 AktG, also der Kapitalaufbringung  /  Vermögensbindung, diskutiert. Die enge Verquickung von Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung macht eine gemeinsame Untersuchung beider Fragenkomplexe erforderlich. Dazu gilt es zunächst, den Regelungsinhalt des § 56 Abs. 3 AktG zu untersuchen, bevor dessen Anwendungsbereich von dem des § 57 Abs. 1 AktG abgegrenzt werden kann, und die jeweiligen Aussagen im Hinblick auf „Kursgarantien“ und den möglichen Inhalt von Aussagen über den Zustand des Unternehmens erörtert werden können. I. Verbot des § 56 Abs. 3 AktG 1. Grundlagen

§ 56 Abs. 3 AktG bestimmt, dass sich ein Gründer oder Zeichner nicht darauf berufen kann, dass er eine Aktie nicht für eigene Rechnung, sondern für Rechnung der Gesellschaft übernommen hat. Diese Norm sichert das Verbot der Zeichnung eigener Aktien in § 56 Abs. 1 AktG gegen Umgehung.288 Die Norm bezweckt darüber hinaus, dass sich die Gesellschaft auf diese Weise nicht einer effektiven Kontrolle durch unabhängige Aktionäre entziehen können soll. Mit ihrer Einführung reagierte der Gesetzgeber auf die frühere Praxis der Vorratsaktien, die üblicherweise von Mitgliedern der Verwaltung oder der Hausbank auf Kosten der Gesellschaft übernommen und zu ihrer Verfügung gehalten wurden.289 Allgemein übernahmen dabei mittelbare Stellvertreter im eigenen Namen, aber für Rechnung der Gesellschaft die Aktien.290 § 56 Abs. 3 AktG bewirkt, dass die Aktienübernahme gültig ist und alle Pflichten des Aktionärs, insbesondere die Einlagepflicht, wirksam entstehen. Im Innenverhältnis kann der Zeichner aus dem gültigen Vertragsverhältnis keine Rechte gegen die Aktiengesellschaft herleiten, wohingegen die Rechte der Aktiengesellschaft bestehen bleiben.291 Der Aktio287  Mellert,

NZG 2003, 1096 (1099), siehe hierzu unten § 12 D.I.4. in: Spindler  /  Stilz, § 56 AktG Rn. 4, Henze, in: Großkomm AktG § 56 Rn. 47, Fleischer, in: K. Schmidt / Lutter, § 56 AktG Rn. 1, Hüffer, § 56 AktG Rn. 1. 289  Lutter, in: KK AktG2 § 56 Rn. 3. 290  Cahn / Senger, in: Spindler / Stilz, § 56 AktG Rn. 41. 291  Hüffer, § 56 AktG Rn. 14, Bungeroth, in: MünchKomm AktG § 56 Rn. 72, a. A. Cahn / Senger, in: Spindler / Stilz, § 56 AktG Rn. 43, 50 f. unter Hinweis darauf, 288  Cahn / Senger,

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

när kann seine Mitgliedsrechte in der Gesellschaft erst geltend machen, wenn er die Aktien für eigene Rechnung übernommen hat. Eine Übernahme für Rechnung der Aktiengesellschaft liegt nach herrschender Meinung vor, wenn die Gesellschaft im Innenverhältnis zum Übernehmer das aus der Aktienübernahme folgende wirtschaftliche Risiko ganz oder teilweise tragen muss.292 Dies soll der Fall sein, wenn die Abrede zwischen der Gesellschaft und dem Aktionär dazu führt, dass im Ergebnis die Gesellschaft die Einlage erbringt293 oder auf andere Weise das Zeichnungsrisiko übernimmt.294 Noch weiter geht die Ansicht, die annimmt, dass § 56 Abs. 3 AktG die reale Kapitalaufbringung schütze und deshalb alle Vorgänge von diesem Verbot erfasst werden müssten, die zu einer Vermögensbelastung der Aktiengesellschaft führen, also auch jede Kursgarantie der Gesellschaft.295 Es gilt also zu prüfen, was tatsächlich unter einer Übernahme für Rechnung der Gesellschaft zu verstehen ist. Allen Regelungen im Aktiengesetz, die an den Begriff „für Rechnung“ anknüpfen, ist gemein, dass sie die Verlagerung wirtschaftlicher Folgen betreffen.296 Typischerweise hat ein solches Handeln seine Grundlage in einem Auftrag, einem Geschäftsbesorgungsvertrag oder einem Treuhandverhältnis, bei denen jeweils ein Geschäftspartner fremdnützig für den anderen tätig wird.297 Dennoch zählt die herrschende Meinung auch andere Rechtsgeschäfte, die diesen Typisierungen nicht entsprechen, unter § 56 Abs. 3 AktG. Maßgeblich für den Inhalt des Begriffs „für Rechnung“ und damit für den Begriff des wirtschaftlichen Risikos sollte jedoch der Schutzzweck des § 56 Abs. 3 AktG sein. Aus der Entstehungsgeschichte und der systematischen Stellung ergibt sich, dass § 56 Abs. 3 AktG in erster Linie das Verbot der Zeichnung eigener Aktien gegen Umgehung schützen soll.298 Das Verbot der Zeichnung eigener Aktien ist nur ein Bestandteil des Systems der realen Kapitalaufbringung. Deshalb sollten unter § 56 Abs. 3 AktG dass die zugrunde liegende Regelung der Kapitalrichtlinie eine Unwirksamkeit der Abrede im Innenverhältnis vorgebe. 292  Hüffer, § 56 AktG Rn. 12, Bungeroth, in: MünchKomm AktG § 56 Rn. 57, Fleischer, in: K. Schmidt / Lutter, § 56 Rn. 22, Cahn / Senger, in: Spindler / Stilz, § 56 AktG Rn.  44 ff., Lutter, in: KK AktG2 § 56 Rn. 38, Henze, in: Großkomm AktG § 56 Rn. 53. 293  Cahn / Senger, in: Spindler / Stilz, § 56 AktG Rn. 44. 294  Hüffer, § 56 AktG Rn. 12. 295  Krause, in: RWS-Forum Gesellschaftsrecht 2003, S. 301 (320 f.). 296  Vedder, Zum Begriff „für Rechnung“, S. 12. 297  Vedder, Zum Begriff „für Rechnung“, S. 113 ff. 298  Cahn / Senger, in: Spindler  /  Stilz, § 56 AktG Rn. 4, Henze, in: Großkomm AktG § 56 Rn. 47, Fleischer, in: K. Schmidt / Lutter, § 56 AktG Rn. 1, Hüffer, § 56 AktG Rn. 1.



§ 6 Zukunftsbezogene Aussagen über Zustand des Unternehmens167

nur solche Gestaltungen fallen, die den Risiken einer Zeichnung eigener Aktien durch die Gesellschaft ungefähr entsprechen, und nicht jede Gestaltung, die die reale Kapitalaufbringung irgendwie gefährden könnte. Maßnahmen, die zwar die reale Kapitalerhaltung möglicherweise gefährden, aber nicht mit einer Zeichnung eigener Aktien durch die Aktiengesellschaft vergleichbar sind, sollten nur – wie bereits geschehen – an den allgemeinen Regeln geprüft, aber nicht unter § 56 Abs. 3 AktG subsumiert werden. 2. Vorgaben des § 56 Abs. 3 AktG zu Kursgarantien

Fraglich ist also, unter welchen Voraussetzungen eine Abrede, die als Kursgarantie angesehen werden könnte (also insbesondere eine Aussage über den Zustand des Unternehmens, an die Haftungsansprüche anknüpfen), die gleichen Risiken birgt wie die Übernahme eigener Aktien. Das spezifische Risiko der Zeichnung eigener Aktien liegt – wie das Risiko des Erwerbs eigener Aktien – in der Verstärkung von Wertminderungen der Gesellschaft durch parallele Wertminderungen der eigenen Aktien. Außerdem wird die Kontrollfunktion der Hauptversammlung gefährdet, wenn der Vorstand seinerseits die Mittelsmänner, die für die Gesellschaft die Aktien halten, beeinflussen kann. Jedenfalls die Kontrollfunktion wird durch eine gesetzliche oder vertragliche Haftung der Gesellschaft nicht berührt: Eine Einflussnahme auf die Hauptversammlung ist mittels der Gewährleistungsabrede nicht möglich. Problematisch ist also die Gefahr der Verstärkung von Wertminderungen. Würde die Gesellschaft die Aktien selbst übernehmen, wäre ihr der aktuelle Zustand des Unternehmens bekannt. Sie würde die Aktien also nur zu einem Preis übernehmen, der dem tatsächlichen Wert des Unternehmens entspräche. Wären allerdings Haftungsgrundlagen daran geknüpft, wie sich das Unternehmen in der Zukunft entwickelt, kann die Gesellschaft die Richtigkeit dieser Aussagen nicht einschätzen. In einer Veränderung des Wertes der Aktien aufgrund einer späteren Entwicklung liegt also eines der typischen Risiken der Übernahme eigener Aktien. Dagegen ist nahezu ausgeschlossen, dass die Gesellschaft Aktien übernimmt, die im Zeitpunkt der Übernahme nicht zutreffend bewertet sind. Die Gefahr einer anfänglichen Fehlbewertung der ausgegebenen Aktien ist also kein typisches Risiko der Zeichnung eigener Aktien durch die Aktiengesellschaft. In der gleichen Weise sollte man im Hinblick auf Aussagen über das Unternehmen gegenüber einem Aktionär differenzieren, die die Grenze zu einer unzulässigen Kursgarantie überschreiten könnten: Solche Aussagen dürfen nicht dazu führen, dass die Gesellschaft eine Gefahr trägt, die der Gefahr aus der Übernahme der eigenen Aktien gleichkommen. Dies bedeutet, dass die Gesellschaft nicht das Risiko von Wertveränderungen, die erst

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

nach der Entstehung der Aktien erkennbar werden, tragen darf. Sind jedoch Risiken innerhalb des Unternehmens bereits angelegt und  /  oder bekannt, kann die Gesellschaft das Risiko eingehen, da durch eine sorgfältige Untersuchung diese Risiken regelmäßig aufgedeckt werden können. Um Angaben, die innerhalb des Unternehmens bereits angelegt und / oder bekannt sind, handelt es sich bei allen Angaben, die sich auf den aktuellen Zustand der Gesellschaft beziehen. Problematisch sind dagegen Angaben, die die zukünftige Entwicklung der Gesellschaft zum Gegenstand haben. Trifft die Gesellschaft Aussagen über Tatsachen, die noch nicht eingetreten sind, übernimmt sie das typische Risiko aus der Zeichnung, weshalb der Aktionär die Aktie für Rechnung der Gesellschaft erwirbt. Um eine Tatsache, die noch nicht eingetreten ist, handelt es sich aber nicht, wenn die Gesellschaft ihre aktuellen Planungen oder Ziele mitteilt. Diese überschreiten erst dann die Grenze zum Erwerb für Rechnung, wenn sie auch im aktuellen Zeitpunkt unrealistisch waren und die Absicht einer Umgehung des Verbots des § 56 Abs. 3 AktG nahelegen. II. Abgrenzung zwischen § 56 Abs. 3 AktG und § 57 AktG bei Kursgarantien Das Problem der Kursgarantien und vergleichbarer Gestaltungen wird in der aktienrechtlichen Literatur nicht nur im Hinblick auf § 56 Abs. 3 AktG (Kapitalaufbringung), sondern auch unter dem Aspekt des § 57 Abs. 1 AktG (Kapitalerhaltung) erörtert. Fraglich ist, wie sich diesbezüglich diese beiden Regelungskomplexe voneinander abgrenzen lassen. Richtigerweise ist die Phase der Kapitalaufbringung abgeschlossen, wenn der Gesellschaft Liquidität zugeflossen ist, über die sie rechtlich und tatsächlich verfügen kann.299 Eine Kursgarantie hindert diese freie Verfügung grundsätzlich nicht. Dies würde bedeuten, dass sämtliche Leistungen aus Kursgarantien allein an § 57 Abs. 1 AktG zu messen wären. Grundsätzlich greift § 56 Abs. 3 AktG nur ein, wenn die Aktien durch Gründung oder Zeichnung oder in Ausübung eines Umtausch- oder Bezugsrechts erworben werden. Bei einem derivativen Erwerb besteht das Abgrenzungsproblem somit nicht. Unterstellt man Kursgarantien im Rahmen des originären Erwerbs jedoch den Vorschriften über die Kapitalerhaltung, würde der Regelungsinhalt des § 56 Abs. 3 AktG weitestgehend ausgehöhlt. Damit dies nicht geschieht, muss man annehmen, dass es sich um eine gesetzliche Regelung handelt, nach der ein Bereich, der auch nach Kapitalerhaltungsrecht beurteilt werden könnte, ausdrücklich zur Kapitalaufbringung zählen soll. Außerdem würden die Regelungen der Kapitalerhaltung erst mit Zahlung aus der Kursgarantie eingreifen, während 299  Siehe

§ 12 D.I.3.a)bb).



§ 6 Zukunftsbezogene Aussagen über Zustand des Unternehmens169

die Rechtsfolgen des § 56 Abs. 3 AktG bereits ab dem Zeitpunkt der Übernahme eingreifen. Aus diesem Grund ist die Kursgarantie für originär erworbene Aktien nach § 56 Abs. 3 AktG und die Kursgarantie für derivativ erworbene Aktien nach § 57 Abs. 1 AktG zu beurteilen.300 Darüber hinaus ist fraglich, ob § 56 Abs. 3 AktG auch auf eine gesetzliche Haftung angewendet werden kann. § 56 Abs. 3 S. 2 AktG legt nahe, dass der Regelfall einer Übernahme der Aktien für Rechnung der Gesellschaft auf einer Vereinbarung zwischen dem Aktionär und der Gesellschaft beruht. Wendete man die Rechtsfolgen des § 56 Abs. 3 AktG bei Bestehen einer gesetzlichen Haftung an, würde der Aktionär die Rechte aus der Aktie erst erlangen, wenn er die Aktie für eigene Rechnung übernimmt – was er nur durch einen Verzicht auf den gesetzlichen Anspruch tun könnte. Da er jedoch von diesem gesetzlichen Anspruch möglicherweise keine Kenntnis hat, könnte es in der Zwischenzeit zu einer Vielzahl unwirksamer Rechtsgeschäfte des Aktionärs kommen. Dementsprechend sollte man annehmen, dass die Anwendung des § 56 Abs. 3 AktG nur bei einer vertraglichen Haftung in Betracht kommt, und sämtliche Fälle einer gesetzlichen Haftung, auch bei originärem Erwerb, gem. § 57 Abs. 1 AktG beurteilen. Festzuhalten ist also, dass § 56 Abs. 3 AktG nur für den originären Erwerb eingreift, bei dem eine vertragliche Haftung vereinbart wird.301 Wird die Aktie dagegen derivativ erworben, ist eine Haftung, gleichgültig ob vertraglicher oder gesetzlicher Natur, an § 57 AktG zu prüfen. Gleiches gilt für einen originären Erwerb, bei dem eine gesetzliche Haftung eingreift. III. Übertragung der Grundsätze des § 56 Abs. 3 AktG auf § 57 Abs. 1 AktG für gesetzliche Haftung und derivativen Erwerb Auch für die Fälle des derivativen Erwerbs und der gesetzlichen Haftung gilt es zu untersuchen, welche Angaben über das Unternehmen gemacht werden können. § 57 Abs. 1 AktG verbietet nach herrschender Ansicht Kursgarantien.302 Als Kursgarantien werden dabei sowohl Abreden angese300  Bayer, in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 86, Lutter, in: KK AktG2 § 56 Rn. 31, so wohl auch Krause, in: RWS-Forum Gesellschaftsrecht 2003, S. 301 (321), Winter, in: FS Röhricht (2005), S. 709 (712) zum Problem vo Aktien als Akquisitionswirkung. 301  Siehe dazu unten § 12 D.I.4. sowie § 13 B.II.2. und 3. 302  Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 68 f., Fleischer, in: K. Schmidt / Lutter, AktG, §57 Rn. 32, Bayer, in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 89, Lutter, in: KK AktG2 § 57 Rn. 31, Cahn / Senger, in: Spindler / Stilz, § 57 AktG Rn. 42.

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

hen, nach denen Kursdifferenzen erstattet werden, als auch solche, nach denen die Aktien zu einem bestimmten Preis zurückgekauft werden.303 Diese Ansicht der herrschenden Meinung knüpft mehr an das Schlagwort der Kursgarantie an als an den tatsächlichen Wortlaut des Gesetzes. Aus § 57 Abs. 1 AktG ergibt sich nicht zweifelsfrei, was genau unter den Begriff der (verbotenen) Kursgarantie fallen soll. Ziel der Auslegung muss es allerdings sein, einen Gleichlauf zwischen der Kapitalerhaltung und der Kapitalaufbringung zu erzielen: Da aus Kursgarantien keine unterschiedlichen Gefahren drohen, je nachdem, ob sie auf Vertrag oder Gesetz beruhen oder ob sie im Rahmen eines derivativen oder eines originären Aktienerwerbs vorkommen, können an ihre Zulässigkeit auch keine unterschiedlichen Anforderungen gestellt werden. Dementsprechend sollte die Definition einer Kursgarantie, die bei § 56 Abs. 3 AktG unter den Begriff der „Übernahme für Rechnung der Gesellschaft“ subsumiert wird, in § 57 Abs. 1 AktG vergleichbar mit § 56 Abs. 3 AktG festgelegt werden. Es hat sich gezeigt, dass eine Übernahme für Rechnung der Gesellschaft verboten ist, weil sie die Wirkungen einer Übernahme der eigenen Aktien hat. Also sollte auch eine (gem. § 57 Abs. 1 AktG verbotene) Kursgarantie nur dann angenommen werden, wenn die Gesellschaft ein finanzielles Risiko trägt, das dem eines Erwerbs der eigenen Aktien vergleichbar ist. Dementsprechend kann auch die oben gefundene Differenzierung übernommen werden: Angaben über den Zustand des Unternehmens bringen nur dann Risiken mit sich, die der Übernahme eigener Aktien vergleichbar sind, wenn sie sich auf die zukünftige Beschaffenheit des Unternehmens beziehen. Angaben über den gegenwärtigen Zustand des Unternehmens sind dagegen unproblematisch. Angaben, die den aktuellen Zustand der Gesellschaft beschreiben einschließlich solcher, die Planungen oder Ziele zum Gegenstand haben, sind also grundsätzlich zulässig. Lediglich die Haftung für Angaben, die den zukünftigen Zustand der Gesellschaft beschreiben, verstößt gegen den Grundsatz der Kapitalerhaltung.

C. Fazit: Rahmen der Information bei der vertraglichen und der gesetzlichen Haftung Im Ergebnis sind also Aussagen der Gesellschaft gegenüber dem Unternehmer, die sich auf den Zustand des Unternehmens beziehen, an § 56 Abs. 3 AktG zu messen, wenn bei originärem Erwerb eine vertragliche in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 86, Lutter, in: KK AktG2 § 57 Rn. 31, Fleischer, in: K. Schmidt / Lutter, AktG, § 57 Rn. 32, Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 68. a. A. hinsichtlich der Verpflichtung zum Wiederkauf: Cahn / Senger, in: Spindler / Stilz, §  57 AktG Rn.  42. 303  Bayer,



§ 7 Keine Übernahme der Aktie durch die Gesellschaft171

Haftung vereinbart wird. In allen Fällen des derivativen Erwerbs sowie bei Eingreifen nur einer gesetzlichen Haftung sind Leistungen, die an entsprechende Angaben anknüpfen, dagegen an § 57 Abs. 1 AktG zu messen. Zur Auslegung des Verbots von Kursgarantien gem. § 57 Abs. 1 AktG kann die Vorschrift des § 56 Abs. 3 AktG entsprechend herangezogen werden. Daraus ergibt sich, dass eine Kursgarantie nicht dazu führen darf, dass das Verbot des Erwerbs eigener Aktien umgangen oder eine vergleichbare Wirkung herbeigeführt wird. Dies würde geschehen, wenn eine gesetzliche Haftung der Gesellschaft an Angaben über das Unternehmen anknüpft, die nicht den gegenwärtigen, sondern einen zukünftigen Zustand des Unternehmens betreffen. Der Vorstand kann also grundsätzlich einen Investor über das Unternehmen informieren. Dabei richtet sich die Auswahl der Informationen und der Detaillierungsgrad nach dem Unternehmensinteresse an der Information. Informationen über die aktuelle Lage und über die Vergangenheit sind allein am Unternehmensinteresse zu messen. An Aussagen über die Zukunft der Gesellschaft kann eine Haftung dagegen nur anknüpfen, wenn Planungen o. ä. mitgeteilt wurden, die schon im Zeitpunkt des Aktienerwerbs unrichtig waren. Trifft der Vorstand im Namen der Gesellschaft dennoch Aussagen, die einer Kursgarantie gleichkommen, verstößt die Erfüllung einer Haftungsforderung gegen § 56 Abs. 3 AktG oder § 57 AktG, so dass der Investor die Forderung dauerhaft nicht gegenüber der Gesellschaft durchsetzen kann.

§ 7 Keine Übernahme der Aktie durch die Gesellschaft und keine Rückzahlung des anteiligen Grundkapitals an den Aktionär Das in § 4 gefundene Ergebnis besagt, dass für die Haftung der Aktiengesellschaft gegenüber Aktionären maximal die Vermögensbestandteile zur Verfügung stehen, die das Grundkapital und den Teil der Summe aus gesetz­ licher Rücklage gem. § 150 Abs. 1, 2 AktG und Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB bis zum Anteil von 10 % oder einem in der Satzung festgelegten, höheren Anteil am Grundkapital übersteigen. Dabei wurde zunächst nur betont, dass der Gesellschaft auch nach der Erfüllung der Ansprüche ein Eigenkapital verbleiben muss, das den Betrag des Grundkapitals und der gesetzlichen Rücklage gem. § 150 Abs. 1, 2 AktG abdeckt. Es stellt sich jedoch die weitere Frage, ob der Aktionär bis zu dieser Grenze seine Beteiligungssumme vollständig zurückverlangen und die Aktien an die Gesellschaft zurückgeben kann oder ob er sich an seiner Beteiligungsentscheidung als solcher festhalten lassen muss und auch von seiner Einlageleistung nur den Be-

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

trag zurückverlangen kann, der den Grundkapital-Anteil übersteigt, und die Aktien behalten muss. Grundsätzlich könnte ein Schadensersatzanspruch gem. §§ 249 ff. BGB dazu führen, dass die Aktien gegen Erstattung des Erwerbspreises zurückgegeben werden können, nachdem der Geschädigte so zu stellen wäre, wie er ohne das schädigende Ereignis stünde.304 Es ist jedoch ein Grundsatz des Aktienrechts, dass der Aktionär die Aktie nur verkaufen, aber nicht – zu Lasten der Gesellschaft – aus der Gesellschaft austreten kann. Der Aktionär kann auch nicht wegen Willensmängeln bei der Zeichnung seine Beteiligungsentscheidung anfechten. Außerdem kann die Gesellschaft grundsätzlich keine eigenen Aktien erwerben. Diese Prinzipien kollidieren mit dem Grundsatz der Totalreparation, nach dem der hypothetische schadensfreie Zustand ohne Einschränkung hergestellt werden muss, und dem Grundsatz der Naturalrestitution, nach dem der Schädiger den Zustand herzustellen hat, der bestünde, wenn man den zum Schadensersatz verpflichtenden Umstand hinweg denkt. Aktionäre werden bei fehlerhaften Angaben der Gesellschaft vielfach vortragen, dass der nun abweichende Aspekt sie überhaupt zum Erwerb der Beteiligung bewegt hat und sie nun die Beteiligung rückgängig machen möchten. Zu untersuchen ist deshalb, ob die schadensersatzrechtlichen Grundsätze des § 249 Abs. 1 BGB im Aktienrecht ohne Einschränkung angewendet werden können. Es kommt darauf an, ob bzw. in welchen Fällen eine Übernahme der Aktie durch die Gesellschaft verlangt werden kann. Das hängt davon ab, ob im Aktienrecht überhaupt Möglichkeiten bestehen, die Beteiligung wieder rückgängig zu machen (A. bis C.). (Auf kapitalmarktrechtliche Anspruchsgrundlagen, aufgrund derer ein Aktionär von der Gesellschaft die Übernahme der Aktie verlangen kann, wird jedoch erst im Zweiten Teil eingegangen.) Nachdem eine solche Rückgängigmachung auch zu einem Erwerb der Aktie durch die Aktiengesellschaft führen würde, ist zu prüfen, ob dies gegen das Verbot des Erwerbs eigener Aktien gem. § 71 AktG verstößt (D.). Anhand dieser allgemeinen Leitlinien ist zu beurteilen, ob der Grundsatz der Totalreparation dahingehend eingeschränkt werden muss, dass der Aktionär bei einem Schadensersatzanspruch gegen die Gesellschaft wegen fahrlässiger Falschinfor304  Der Schaden des Aktionärs könnte zum einen im Erwerb der Beteiligung zu einem überhöhten Preis, zum anderen im Erwerb der Beteiligung generell gesehen werden. Bei ersterem kann die Wertdifferenz zwischen dem Ausgabebetrag und dem tatsächlichen Wert als Schadensersatz verlangt werden. Bei letzterem beruft sich der Aktionär darauf, dass er bei Kenntnis von der tatsächlichen Lage die Aktien nicht erworben hätte. Gestützt auf diese Argumentation wird er verlangen, die Beteiligung rückgängig zu machen. Dies würde durch Rückübertragung der Aktie an die Gesellschaft Zug um Zug gegen Rückzahlung des Ausgabebetrages geschehen.



§ 7 Keine Übernahme der Aktie durch die Gesellschaft173

mationen im Vorfeld der Beteiligung nicht die Übernahme der Aktie, sondern lediglich die Wertdifferenz zwischen dem Ausgabebetrag und dem tatsächlichen Wert verlangen kann (E.).

A. Kein Austritt aus wichtigem Grund aus der Aktiengesellschaft Bei Personengesellschaften besteht regelmäßig die Möglichkeit, die Auflösung der Gesellschaft zu verlangen oder aus der Gesellschaft auszutreten. Die Übertragung des Gesellschaftsanteils ist allerdings in deren gesetzlicher Konzeption nicht vorgesehen. Bei einer GmbH kann sich ein Gesellschafter dagegen regelmäßig durch einen Verkauf seines Anteils von der Gesellschaft lossagen, außerdem wird ihm ein Austrittsrecht aus wichtigem Grund zugebilligt.305 Ein solcher wichtiger Grund liegt vor, wenn Umstände eingetreten sind, die einem Gesellschafter das Verbleiben in der Gesellschaft unzumutbar machen und wenn eine andere zumutbare Problemlösung (Veräußerung) nicht möglich ist.306 Der Austritt erfolgt durch einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung des Austrittswilligen. Da eine Anwachsung wie im Personengesellschaftsrecht nicht stattfindet, kommen als Rechtfolgen nur die Einziehung oder die Veräußerung des Geschäftsanteils in Frage. Die Abfindung erfolgt zum Verkehrswert. Für das Aktienrecht wird in der Literatur dagegen nur vereinzelt angenommen, dass ein allgemeines Austrittsrecht aus wichtigem Grund bestehe.307 Ein solches liege in der Konsequenz der gesetzlich ausformulierten und der von der Literatur entwickelten Austrittsrechte.308 Die Gesellschaft müsse die Mittel für die Abfindung entweder aus dem nicht gebundenen Eigenkapital entnehmen oder eine Kapitalherabsetzung durchführen oder für eine anderweitige Übernahme des Gesellschaftsanteils sorgen.309 Nach anderer Ansicht kollidiert die Verpflichtung der Gesellschaft zum Erwerb ihrer eigenen Aktien mit dem Verbot des Erwerbs eigener Aktien, so dass eine Einziehung der Aktien gem. § 237 AktG erforderlich ist.310 Die überwiegende Gegenansicht lehnt demgegenüber ein Austrittsrecht einzelner Aktionäre aus der Aktiengesellschaft aus wichtigem Grund ab.311 Dafür spricht 305  Hueck / Fastrich, in: Baumbach  /  Hueck, GmbHG, Anh §  34 Rn.  18  ff., K. Schmidt, GesR § 35 IV 3 (S. 1064), BGHZ 116, 359 (369). 306  K. Schmidt, GesR § 35 IV 3 b) (S. 1065). 307  Grunewald, in: FS Claussen (1997), S. 103 (111 ff.), Wiedemann, in: GesR I (1980), § 7 IV 2 b) (S. 401). 308  Grunewald, in: FS Claussen (1997), S. 103 (111). 309  Wiedemann, in: GesR I (1980), § 7 IV 2 b) (S. 402). 310  Grunewald, in: FS Claussen (1997), S. 103 (113).

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

z­ unächst die Konzeption des ursprünglichen Gesetzgebers. Das Verbot der Einlagenrückgewähr des Preußischen Gesetzes über die Aktiengesellschaften von 1843 sollte einen Austritt aus der Gesellschaft und eine damit verbundene Rückgewähr der Einlage ausschließen, damit die Gesellschaft das für das Unternehmen eingeplante Kapital behalten konnte. Lediglich eine Veräußerung des Anteils war zugelassen (vgl. oben § 4 B.I.1.). Darüber hinaus besteht auch kein Bedürfnis für einen Austritt aus der Gesellschaft aus wichtigem Grund. Anders als bei der GmbH sind keine Fälle denkbar, in denen der Austritt aus der Gesellschaft ultima ratio ist, weil eine Übertragung des Anteils ausscheidet. Selbst bei vinkulierten Namensaktien ist eine Veräußerung der Aktie immer vorrangig. Im Aktienrecht besteht somit kein Austrittsrecht aus wichtigem Grund.

B. Keine Beschränkungen der Pflicht zum Aktienerwerb gem. § 185 Abs. 2 Alt. 3, Abs. 4 AktG § 185 AktG regelt, wie sich Beschränkungen der Pflicht zum Aktienerwerb, die innerhalb oder außerhalb des Zeichnungsscheins getroffen werden, auswirken. Der Zeichnungsschein ist gem. § 185 Abs. 2 Alt. 2 AktG nichtig, wenn Beschränkungen der Pflicht des Zeichners (mit Ausnahme des Zeitpunkts, in dem die Zeichnung unverbindlich wird) enthalten sind. Gestattet ist lediglich eine Annahmefrist gem. § 148 BGB, da diese nicht die Verpflichtung, sondern die Zeichnungsofferte beschränkt.312 Wird außerhalb des Zeichnungsscheins eine Beschränkung der Verpflichtung zum Aktienerwerb getroffen, ist diese der Aktiengesellschaft gegenüber unwirksam und gilt als von Anfang an nicht getroffen. Im Übrigen wird die Wirksamkeit der Zeichnung nicht berührt.313 311

An diesen Regelungen zeigt sich, dass der Zeichner an eine einmal abgegebene Zeichnungserklärung und den daraus entstandenen Zeichnungsvertrag gebunden sein soll. Er soll keine Möglichkeit haben, sich von der eingegangenen Verpflichtung wieder zu lösen. Eine gesetzliche Haftungsmöglichkeit der Gesellschaft ist jedoch in keinem Fall eine Beschränkung der Verpflichtung des Zeichners außerhalb des Zeichnungsscheins. Ob eine vertragliche Haftungsabrede als solche einzuordnen ist, wird an späterer Stelle erörtert werden (siehe unten § 12 D.I.1.). 311  K. Schmidt, GesR § 28 I 1 b) (S. 798). Auch Wiesner, in: Münch. Hdb. AG, § 17 Rn. 2, und Zätzsch / Maul, in: Beck’sches Hdb. AG, § 4 Rn. 2, nennen bei der Aufzählung der Gründe für den Verlust der Mitgliedschaft nicht den Austritt. 312  Hüffer, § 185 AktG Rn. 15, Lutter, in: KK AktG2 § 185 Rn. 42. 313  Hüffer, § 185 AktG Rn. 22, Lutter, in: KK AktG2 § 185 Rn. 65, Veil, in: K. Schmidt / Lutter, § 185 AktG Rn. 28, Peifer, in: MünchKomm AktG § 185 Rn. 53.



§ 7 Keine Übernahme der Aktie durch die Gesellschaft175

C. Keine Lösung von der Beteiligung bei fehlerhaftem Beitritt Eine Fehlinformation des Investors im Vorfeld der Kapitalerhöhung und seiner Beteiligung hat vielfach zur Folge, dass sein Beitritt mit Willensmängeln behaftet ist. An dieser Stelle soll hier insbesondere ein Irrtum, aufgrund dessen der Zeichner gem. § 119 BGB anfechten könnte, untersucht werden. Auf die Frage, wie sich eine arglistige Täuschung auswirken könnte, soll erst im Rahmen des Dritten Teils eingegangen werden. Grundlegend für diese Fragestellung ist, in welchem Rahmen überhaupt die Möglichkeit besteht, Willensmängel beim Abschluss des Zeichnungsvertrages nachträglich geltend zu machen. Nachdem die bisher herrschende Meinung, nach welcher die Gesellschaft nur gegenüber Aktionären, die die Aktien derivativ erworben haben, haftet, an die als „Bestandskraft des Zeichnungsvertrages“ genannte Bindung anknüpft, gilt es auch auf diese Argumentation einzugehen. Danach muss geprüft werden, ob eine fehlerhafte Information des Zeichners die Voraussetzungen der Irrtumsanfechtung gem. § 119 BGB erfüllt. Im Anschluss daran soll zu den von Teilen der Literatur befürworteten Rechten eines Aktionärs, dessen Zeichnung mit einem Willensmangel behaftet ist (Vermittlung der Übernahme durch einen Dritten, Kapitalherabsetzung), Stellung genommen werden. I. Rückabwicklung der Zeichnung nur in Ausnahmefällen („Bestandskraft des Zeichnungsvertrages“) Wird ein Aktionär im Vorfeld der Zeichnung der Aktien von der Gesellschaft fehlerhaft informiert, ist seine Willenserklärung in vielen Fällen mit einem Willensmangel behaftet, was zu einer Fehlerhaftigkeit des Zeichnungsvertrages führt. Auf den Zeichnungsvertrag finden – jedenfalls vor Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung314 – die allgemeinen Regeln über Rechtsgeschäfte und Verträge grundsätzlich Anwendung.315 Nach der bisher herrschenden Meinung wohnt diesem Zeichnungsvertrag eine besondere Bestandskraft inne, die zur Folge hat, dass eine Haftung der Gesellschaft bei Bestehen eines Zeichnungsvertrages, also bei originärem Erwerb, ausgeschlossen ist, während sie bei derivativem Erwerb, also dem Erwerb von einem anderen als der Gesellschaft, zugelassen wird.316

314  Wiedemann,

in: Großkomm AktG § 185 Rn. 59. in: KK AktG2 § 185 Rn. 13, Hüffer, § 185 AktG Rn. 28, Peifer, in: MünchKomm AktG § 185 Rn. 56. 316  Siehe hierzu § 2 A.III. 315  Lutter,

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft 1. Grundlegendes zum Zeichnungsvertrag

Die in § 185 AktG geregelte Zeichnung ist eine auf den Erwerb junger Aktien gerichtete Offerte i. S. d. § 145 BGB, deren Erklärungsempfänger die Aktiengesellschaft ist und die im Zeichnungsschein verkörpert wird. Mit Zeichnung und korrespondierender Willenserklärung der Aktiengesellschaft kommt der Zeichnungsvertrag, nach herrschender Meinung ein korpora­ tionsrechtlicher und unvollkommen zweiseitig verpflichtender Vertrag317, zustande. Jedenfalls bis zur Eintragung finden auf diesen die allgemeinen Regeln über Rechtsgeschäfte und Verträge Anwendung. Der Zeichner wird jedoch nicht mit Abschluss des Zeichnungsvertrages Mitglied der Gesellschaft, sondern erst mit Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung im Handelsregister. Nach herrschender Meinung können aus der Fehlerhaftigkeit des Zeichnungsvertrages nach der Eintragung der Kapitalerhöhung generell keine Rechte mehr hergeleitet werden, weshalb die rückwirkende Abwicklung der Beteiligung ausgeschlossen ist.318 Dabei regelt das Gesetz die Folgen von Mängeln des Zeichnungsscheins oder des Zeichnungsvertrages nur unvollständig. § 185 Abs. 2–4 AktG enthalten Sonderregeln für Mängel des Zeichnungsscheins und Möglichkeiten ihrer Heilung, wobei die Regelungen sich nur auf die Voraussetzungen hinsichtlich Inhalt und Form des Zeichnungsvertrages des § 185 Abs. 1 AktG beziehen, diese aber nicht vollständig abdecken. Die Folgen von Mängeln, die von § 185 Abs. 1 AktG nicht erfasst werden, sind im AktG nicht geregelt. Auch eine Heilung nach § 185 Abs. 3 AktG ist nur im Falle der Nichtigkeitsgründe des Abs. 2 und der Unverbindlichkeit des Abs. 1 S. 3 Nr. 4 möglich und nicht im Fall allgemeiner Wirksamkeitshindernisse der Zeichnungserklärung oder des Zeichnungsvertrages. Die Heilung tritt ein, wenn der Zeichner nach Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung als Aktionär Rechte ausgeübt oder Verpflichtungen erfüllt hat. Mit der Heilung wird der nichtige Zeichnungsschein als von Anfang an wirksam angesehen.319 Eine fehlerhafte Information, die zu Haftungsansprüchen des Aktionärs gegenüber der Gesellschaft führt, stellt jedoch weder einen Nichtigkeitsgrund gem. Abs. 2 noch einen Unverbindlichkeitsgrund gem. Abs. 1 S. 3 Nr. 4 dar, so dass eine Heilung nicht eintritt. Eine Ausnahme macht die herrschende Ansicht lediglich dann, wenn das 317  Peifer,

in: MünchKomm AktG § 185 Rn. 59. § 185 AktG Rn. 28, Veil, in: K. Schmidt / Lutter, § 189 AktG Rn. 6, Peifer, in: MünchKomm AktG § 185 Rn. 58, Wiedemann, in: Großkomm AktG § 185 Rn. 66, K. Schmidt, GesR § 6 V 1 a) (S. 160), Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, (1960), S. 221, 251 f., Kort, Bestandsschutz (1998), S. 196, RGZ 124, 279 (287 f.), a. A. wohl Lutter, in: FS Röhricht (2005), S. 369. 319  Wiedemann, in: Großkomm AktG § 185 Rn. 55 ff. 318  Hüffer,



§ 7 Keine Übernahme der Aktie durch die Gesellschaft177

Gesetz den Schutz des Zeichners höher einordnet das Interesse der Allgemeinheit und der Gläubiger am Schutz der Kapitalgrundlagen: In einem solchen Fall soll die Geltendmachung von Willensmängeln noch möglich sein.320 Der Ausschluss einer rückwirkenden Geltendmachung ergebe sich dabei jedenfalls aus der Anwendbarkeit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft.321 Diese schütze den Grundsatz der Kapitalaufbringung.322 An § 185 Abs. 3 AktG zeige sich, dass der Verkehrsschutz sich gegenüber dem Individualschutz durchsetze. Auch aus der Beschränkung der Nichtigkeitsgründe bei der Gründung gem. § 275 Abs. 1 S. 2 AktG ergebe sich ein solches. Die These, dass sich aus der Natur des Zeichnungsvertrages ergebe, dass dieser nach Eintragung der Kapitalerhöhung nicht revidierbar ist, wird auch unter dem Begriff der „Bestandskraft des Zeichnungsvertrages“ zusammengefasst.323 Darauf, dass in dem Zeichnungsakt eine Garantieerklärung an die Öffentlichkeit liege, wird die Bestandskraft heute dagegen nicht mehr gestützt.324 2. Differenzierung zwischen originärem und derivativem Erwerb nicht überzeugend

Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, auf welche die „Bestandskraft des Zeichnungsvertrages“ zurückzuführen ist, wurde von der Literatur zu einer umfassenderen Lehre vom fehlerhaften Organisationsakt fortentwickelt. Nach der Lehre vom fehlerhaften Organisationsakt ergibt sich aus den gesellschaftsrechtlichen Regeln für fehlerhafte Rechtsgeschäfte der Mitglieder oder Organe ein zeitlicher Bestandsschutz der durchgeführten Organisationsakte: Fehlerhafte Organisationsakte gelten so lange als wirksam, wie ihre Unwirksamkeit nicht gerichtlich festgestellt ist. Im vorliegenden Fall werden diese Regeln aus § 185 Abs. 3 AktG, der dem Aktionär bestimmte Einwendungen gegen die Wirksamkeit des Zeichnungsvertrages verwehrt, 320  Hüffer, § 185 AktG Rn. 29, Veil, in: K. Schmidt  / Lutter, § 189 AktG Rn. 6, Peifer, in: MünchKomm AktG § 185 Rn. 58, Wiedemann, in: Großkomm AktG § 185 Rn. 66, Kort, Bestandsschutz (1998), S. 196. 321  Peifer, in: MünchKomm AktG § 185 Rn. 61, Wiedemann, in: Großkomm AktG § 185 Rn. 63, Veil, in: Spindler / Stilz, § 185 AktG Rn. 24, Schäfer, Die Lehre von fehlerhaften Verband (2002), S. 309, 424, Kort, Bestandsschutz (1998), S. 196. 322  Hüffer, § 185 AktG Rn. 28. 323  RGZ 71, 97, (98 f.), RGZ 88, 271 (272), Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 18 ff. (20, 22), Schwark, in: FS Raisch (1995), S. 269 (287 ff.), zweifelnd: Fleischer, in: Gutachten F für den 64. Juristentag, S. F 73 ff. (F 75). 324  So noch BGHZ 21, 378 (382) und RGZ 54, 128 (129), RGZ 71, 97, 99, RGZ 88, 271 (272). Zur heutigen Bewertung Wiedemann, in: Großkomm AktG § 185 Rn. 61 und Peifer, in: MünchKomm AktG § 185 Rn, 8.

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

sowie aus § 275 Abs. 1 Satz 2 AktG, der die Nichtigkeitsgründe beschränkt, entnommen.325 Von anderen wird dies daraus abgeleitet, dass die Kapital­ erhöhung mit ihrer Eintragung einen körperschaftlichen Organisationsakt darstellt. Sobald der Aktionär Mitglied der Gesellschaft ist, kann er sich nicht mehr aus der entstandenen Bindung lösen.326 Wieder andere Autoren folgern die Bindungswirkung aus einer Wertung der Interessen, die hier ergibt, dass unter dem Gesichtspunkt der Garantiefunktion des Grundkapitals der Schutz Dritter (bzw. des Verkehrs) der Individualgerechtigkeit im Verhältnis zwischen Aktionär und Aktiengesellschaft vorgeht und die Anfechtung ausgeschlossen ist, soweit sie zum Nachteil Dritter führen könnte.327 Ebenso wenig soll Schadensersatz von der Aktiengesellschaft verlangt werden können, da dadurch die reale Kapitalaufbringung tangiert würde.328 Die Herleitung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft zeigt, dass diese zum einen dem Schutz des Rechtsverkehrs, insbesondere der Gläubiger, dient. Der Schutz des Rechtsverkehrs macht es allerdings nicht erforderlich, bei einer kapitalmarktrechtlichen Haftung zwischen Erst- und Zweiterwerbern der Aktie zu unterscheiden. Weil die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft auch dem Schutz des körperschaftlichen Organisationsakts dient, stellt sich die Frage, ob der körperschaftliche Organisationsakt gegenüber einem Ersterwerber stärker geschützt werden muss als gegenüber einem Zweiterwerber. Nur in diesem Fall würde sich aus der Bestandskraft des Zeichnungsvertrages ergeben, dass kapitalmarktrechtliche Informationshaftungsansprüche wie die Prospekthaftung unterschiedlich zu beurteilen sind, je nachdem, ob die Aktie originär oder derivativ erworben wurde. Diese Frage wird – soweit ersichtlich – in der Literatur bisher nicht angesprochen. Gegen eine solche Differenzierung zwischen Ersterwerbern und Zweiterwerbern spricht, dass in keiner anderen Situation die Rechte der Aktionäre sich danach unterscheiden, ob der Aktionär die Aktie gezeichnet oder anderweitig erworben hat. Außerdem zeitigt nach richtiger Ansicht die Anteilsübertragung keine strukturändernden Wirkungen.329 Vielmehr legt die weitgehende Wirkung der Durchführung der Kapitalerhöhung nahe, dass das Verhältnis zwischen Aktiengesellschaft und Aktionär nach der Eintragung auf einer neuen Grundlage steht.330 Als neue Grundlage muss man dabei die Mitgliedschaft ansehen. Der Zeichnungsvertrag selbst hat jedoch mit der Eintragung der Kapitalerhöhung seinen Zweck erfüllt und ist nicht 325  Wiedemann,

in: Großkomm AktG § 185 Rn. 60 ff. in: MünchKomm AktG § 185 Rn. 8. 327  Lutter, in: KK AktG2 § 185 Rn. 15. 328  Lutter, in: KK AktG2 § 185 Rn. 18, so auch Hüffer, § 185 Rn. 28. 329  Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 314. 330  Siehe hierzu auch Groß, in: Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rn. 15. 326  Peifer,



§ 7 Keine Übernahme der Aktie durch die Gesellschaft179

mehr bestimmend für das Verhältnis Aktionär – Aktiengesellschaft. Im Ergebnis ist deshalb der Begriff „Bestandskraft des Zeichnungsvertrages“ irreführend. Der Zeichnungsvertrag, der zeitweilig zwischen Gesellschaft und Aktionär besteht, geht vielmehr vollständig in der Mitgliedschaft auf. Diese Mitgliedschaft bindet den Aktionär an die Gesellschaft. Im Ergebnis rechtfertigt die Bestandskraft des Zeichnungsvertrages nicht die von der bisher herrschenden Meinung vertretene Schlechterstellung eines Aktionärs, der die Aktien gezeichnet hat, gegenüber einem Aktionär, der die Aktien derivativ erworben hat. Vielmehr sind beide Gruppen gleich zu behandeln. II. Voraussetzungen der Anfechtung wegen Irrtums Nimmt der Zeichner eine bestimmte, in Wirklichkeit nicht vorliegende Beschaffenheit des Unternehmens der Aktiengesellschaft an, kann es sich um einen Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB handeln: Bei einem solchen Eigenschaftsirrtum irrt der Erklärende nicht über die Erklärungshandlung oder den Erklärungsinhalt, sondern über die „Eigenschaften des Geschäftsgegenstandes und damit über die außerhalb der Erklärung liegende Wirklichkeit.“331 Der Irrtum muss sich dabei auf eine verkehrswesentliche Eigenschaft beziehen. Verkehrswesent­ liche Eigenschaft kann dabei nur ein wertbildendes Merkmal, nicht aber der Wert als solcher sein. Grundsätzlich stellen die Verhältnisse der Gesellschaft Merkmale dar, die den Wert der Aktie bestimmen. Bei den Anfechtungsgründen wird innerhalb des § 119 Abs. 2 BGB zwischen einer Anfechtung wegen eines Irrtums über Eigenschaften der Sache oder über Eigenschaften der Person, also des Geschäftsgegners, differenziert. Teilweise wurde bei dem Kauf von Aktien bestritten, dass es sich bei den Verhältnissen der Gesellschaft um eine Eigenschaft der Aktie handele: Die Verhältnisse der Gesellschaft seien lediglich mittelbare Eigenschaften der Aktie, welche nicht zu einer Anfechtung gem. § 119 Abs. 2 BGB berechtigen würden.332 Fraglich ist, ob dies bei der Zeichnung von Aktien auch gelten muss. Bei der Zeichnung kauft der Aktionär nicht das Wirtschaftsgut Aktie, sondern beteiligt sich auf direktem Wege an der Gesellschaft. Zwar verkörpert dabei die Aktie das Mitgliedschaftsrecht. Dennoch haften die Verhältnisse der Gesellschaft der Beteiligung unmittelbar an. Aus diesem Grund stellen die Verhältnisse der Gesellschaft im Rahmen der Zeichnung von Aktien verkehrswesentliche Eigenschaften der Beteiligung dar. Alternativ könnte man annehmen, dass die Verhältnisse der Gesellschaft, an der man sich durch einen Zeichnungsvertrag beteiligt, keine Eigenschaften der Sache, sondern 331  Ellenberger, 332  Ellenberger,

in: Palandt, § 119 BGB Rn. 23. in: Palandt, § 119 BGB Rn. 27.

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

beachtliche Eigenschaften des Geschäftsgegners sind und eine Anfechtung wegen eines Irrtums über verkehrswesentliche Eigenschaften des Geschäftsgegners zulassen. Dieses Ergebnis spiegelt auch den Gedanken wider, dass sich ein Zeichner bei Zeichnung der Aktie gegenüber der Gesellschaft viel mehr auf Angaben der Gesellschaft selbst über ihre Verhältnisse verlassen wird als auf die Angaben eines Dritten bei Kauf der Aktie von diesem. Die Anwendbarkeit des § 119 Abs. 2 AktG wird nicht durch ein spezielles Mängelhaftungssystem ausgeschlossen, da es ein solches beim Zeichnungsvertrag nicht gibt.333 Die Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtum muss gem. § 121 Abs. 1 S. 1 BGB ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Als Obergrenze wird eine Frist von zwei Wochen angenommen.334 Die Anfechtung führt grundsätzlich dazu, dass die Willenserklärung und damit der Zeichnungsvertrag von Anfang an nichtig sind, § 142 Abs. 1 BGB. Diese allgemeinen Regeln gelten jedoch im Aktienrecht nur sehr eingeschränkt. III. Ansprüche gegen die Gesellschaft Die herrschende Meinung geht davon aus, dass Willensmängel nach Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung nicht mehr geltend gemacht werden können. Dies könnte zur Folge haben, dass die Gesellschaft auch im Rahmen der Erfüllung eines Schadensersatzanspruchs nicht verpflichtet ist, die Aktie des Aktionärs gegen Rückzahlung des gesamten Einlagebetrages zurückzunehmen. Möglicherweise könnte der Aktionär darauf verwiesen werden, dass er die Aktie behält und lediglich die Wertdifferenz zu dem Wert verlangen kann, den die Aktie gehabt hätte, wenn die Angaben der Gesellschaft zugetroffen hätten. Lediglich dann, wenn das Gesetz den Schutz des Zeichners höher einordnet das Interesse der Allgemeinheit und der Gläubiger am Schutz der Kapitalgrundlagen, lässt die herrschende Meinung die Geltendmachung von Willensmängeln zu.335 In welchen konkreten Fällen der Schutz des Zeichners vorrangig sein soll, ist jedoch nicht abschließend geklärt: Die herrschende Meinung versteht hierunter Fälle von geschäftsunfähigen Zeichnern oder Fälle, in denen die 333  Existiert ein spezielles Mängelhaftungsregime, wie beispielsweise im Kaufrecht oder bei Miet- oder Werkverträgen, wird die Anwendbarkeit des § 119 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, um diese Regelungen nicht zu unterlaufen: Ellenberger, in: Palandt, § 119 BGB Rn. 28. 334  Ellenberger, in: Palandt, § 121 BGB Rn. 3. 335  Hüffer, § 185 AktG Rn. 29, Veil, in: K. Schmidt  / Lutter, § 189 AktG Rn. 6, Peifer, in: MünchKomm AktG § 185 Rn. 58, Wiedemann, in: Großkomm AktG § 185 Rn. 66, Kort, Bestandsschutz (1998), S. 196.



§ 7 Keine Übernahme der Aktie durch die Gesellschaft181

Zeichnung durch den vermeintlichen Aktionär nicht veranlasst wurde, z. B. bei fehlender, erzwungener oder gefälschter Zeichnung.336 Wiedemann lässt dagegen die Geltendmachung der Mängel auch zu, wenn der Zeichner „nur“ bedroht oder arglistig getäuscht wurde, oder wenn der Zeichnungsvertrag sittenwidrig ist oder gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, und bestreitet dafür die Relevanz der beschränkten Geschäftsfähigkeit.337 Wenn der Schutz des Zeichners vorrangig ist, werde derjenige nicht Aktionär, da auch bei Eintragung der Kapitalerhöhung eine Heilung gem. § 185 Abs. 3 AktG nicht stattfinde. Stattdessen könne der vermeintliche Aktionär seine Leistung gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zurückverlangen, die wirksam entstandenen Mitgliedsrechte stünden der AG zu.338 Lediglich einzelne lehnen diesen Ansatz ab mit der Begründung, dass eine Nichtanerkennung der fehlerhaften juristischen Person mit dem Sinn der Eintragung nicht zu vereinbaren sei.339 Soweit ein Ausschluss der Geltendmachung der Willensmängel angenommen wird, besteht jedoch keine Einigkeit dahingehend, ob dies eine Heilung der Willensmängel und damit der Fehlerhaftigkeit bewirkt oder nicht. Während eine Ansicht annimmt, dass Erklärungsmängel der Zeichnung nach §§ 117, 118, 119, 123, 134 und 138 BGB durch die Eintragung geheilt werden,340 lehnt eine andere Ansicht eine solche Heilung ab.341 Unabhängig von der Frage der Heilung, und obwohl sie die Beteiligung für wirksam halten, nimmt die überwiegende Ansicht in der Literatur an, dass der Ak­ tionär von der Gesellschaft entweder die Vermittlung der Übernahme durch einen Dritten oder eine Kapitalherabsetzung mit entgeltlicher Einziehung der Aktien verlangen kann.342 Lutter nimmt sogar an, dass ein fehlerhafter 336  Hüffer, § 185 AktG Rn. 29, Lutter, in: KK AktG2 § 185 Rn. 14, Peifer, in: MünchKomm AktG § 185 Rn. 58, Kort, Bestandsschutz (1998), S. 196, Veil, in: K. Schmidt / Lutter, § 185 AktG Rn. 25 (a. A. allerdings in § 189 AktG Rn. 6), ähnlich Servatius, in: Spindler / Stilz, § 189 AktG Rn. 8 und Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, (1960), S. 221. 337  Wiedemann, in: Großkomm AktG § 185 Rn. 66. 338  Hüffer, § 185 AktG Rn. 29. 339  K. Schmidt, GesR § 6 III 3 b), Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 287. 340  Peifer, in: MünchKomm AktG § 185 Rn. 60, Servatius, in: Spindler / Stilz, § 190 AktG Rn. 8. 341  Wiedemann, in: Großkomm AktG §  185 Rn. 66, so wohl auch Veil, in: K. Schmidt / Lutter, § 185 AktG Rn. 24. 342  Lutter, in: KK AktG2 § 185 Rn. 18, Hüffer, § 185 AktG Rn. 29, Servatius, in: Spindler / Stilz, §  189 AktG Rn.  8, Kort, Bestandsschutz (1998), S. 197, Peifer, in: MünchKomm AktG § 185 AktG Rn. 61 (mit gewisser Skepsis hinsichtlich des Anspruchs auf Kapitalherabsetzung), ähnlich Lutter, in: FS Röhricht (2005), S. 369 372). Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 335 f. setzt mit diesen

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Beitritt zu einer Kapitalgesellschaft immer ex nunc rückabgewickelt werden könne.343 Schadensersatzansprüche gegen die Gesellschaft werden dagegen überwiegend abgelehnt.344 Nach anderer Ansicht sind auch Schadensersatzansprüche möglich, wenn sie aus dem Bilanzgewinn oder anderen Gewinnrücklagen befriedigt werden können.345 Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft und die daraus resultierende Bestandskraft schützen in erster Linie die Allgemeinheit und die Gläubiger, die auf die Richtigkeit des Handelsregisters vertrauen durften. Aus diesem Grund wird der Ausschluss der Geltendmachung von Willensmängeln vor allem mit dem Schutz der Gläubiger begründet. Nun bestünde jedoch die Möglichkeit, die Beteiligung so rückabzuwickeln, dass die Rechte der Gläubiger und der Allgemeinheit nicht berührt werden. Dies kann insbesondere durch einen Anspruch auf Vermittlung der Übernahme durch Dritte oder auf eine Kapitalherabsetzung durch Einziehung der Aktien erfolgen. Ein solcher Anspruch wird in der Literatur überwiegend befürwortet.346 Dabei ist jedoch zu bedenken, dass eine Kapitalherabsetzung für die Gesellschaft einerseits einen großen Aufwand und andererseits das Risiko eines Ansehensverlusts durch die Aufforderung an die Gläubiger, Sicherheitsleistung zu verlangen, mit sich bringt. Darüber hinaus schützt der Ausschluss der Geltendmachung von Willensmängeln das Vertrauen der Mitgesellschafter in das zur Verfügung gestellte Kapital. Es ist zudem fraglich, ob der Zeichner, dessen Willenserklärung mangelhaft war, schutzwürdig ist. Sind die Schutzinteressen der Gesellschaft und der Mitgesellschafter schutzwürdiger als die Interessen des Zeichners, dessen Willenserklärung mangelhaft war, kann man den Zeichner auf einen Verkauf der Aktie, gegebenenfalls unterstützt durch einen Anspruch gegen die Gesellschaft auf Vermittlung eines Übernehmers, verweisen und eine Rückabwicklung im Wege einer Kapitalherabsetzung ablehnen.

Ansprüchen das von ihm angenommene Austrittsrecht um. Veil, in: K. Schmidt / Lutter, § 189 AktG Rn. 6, Wiedemann, in: Großkomm AktG §  185 Rn.  64–68, K. Schmidt, GesR § 6 V 1 a) (S. 160) erwähnen diesen Anspruch nicht, ohne ihn explizit abzulehnen. 343  Lutter, in: FS Röhricht (2005), S. 369 (370). 344  Wiedemann, in: Großkomm AktG § 185 AktG Rn. 68, Peifer, in: MünchKomm AktG § 185 AktG Rn. 61, Lutter, in: KK AktG2 § 185 Rn. 18. 345  Kort, Bestandsschutz (1998), S. 199. 346  Lutter, in: KK AktG2 § 185 Rn. 18, Hüffer, § 185 AktG Rn. 28, Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 309.



§ 7 Keine Übernahme der Aktie durch die Gesellschaft183 1. Ansprüche des Zeichners gegen die Aktiengesellschaft auf ex-nunc-Rückabwicklung durch Vermittlung der Übernahme oder durch Kapitalherabsetzung?

Mittlerweile befürwortet die überwiegende Zahl der Stimmen in der Literatur einen Anspruch des Aktionärs gegen die Gesellschaft auf Vermittlung der Übernahme der Aktie durch einen Dritten und hilfsweise auf die Durchführung einer Kapitalherabsetzung.347 Dieser Ansatz überrascht, nachdem postuliert worden war, dass aus der Fehlerhaftigkeit keine Rechte mehr hergeleitet werden können. In der Literatur gibt es – abgesehen von der Untersuchung von Lutter348 – keine ausführlicheren Auseinandersetzungen mit diesen Ansprüchen, weshalb auch die Probleme bisher nur sehr wenig untersucht sind. Nach Ansicht von Lutter dient der grundsätzliche Ausschluss der Geltendmachung von Willensmängeln des Zeichnungsvertrages nicht der Gesellschaft und ihrem Bestandsinteresse, sondern lediglich den Gläubigern und der Allgemeinheit. Deren Interessen werden jedoch durch die Übernahme der Aktie durch einen Dritten oder durch eine Kapitalherabsetzung gewahrt.349 Ein absoluter Bestandsschutz bestehe nicht.350 Anhand anderer langfristiger Rechtsverhältnisse wie einem Arbeitsvertrag zeige sich, dass der Ausschluss der Rückabwicklung ex-tunc nicht zugleich einen Ausschluss einer Loslösung ex-nunc bewirke.351 Um dieses von ihm angenommene Recht auf Rückgängigmachung der Beteiligung zu verwirklichen, hält Lutter den Weg einer regulären Kapitalherabsetzung für wenig geeignet, da auf diese Weise gem. § 225 Abs. 2 AktG nur der Nominalbetrag der Aktien von der Kapitalbindung frei werde und der Aktionär das eingezahlte Agio im Zweifel verlieren würde.352 Stattdessen wendet er die Regeln zur Zwangseinziehung entsprechend an. Grundsätzlich wird auch hier eigentlich nur der Nominalbetrag von der Kapitalbindung befreit. Jedoch besteht gem. § 237 347  Lutter, in: KK AktG2 § 185 Rn. 18, Hüffer, § 185 AktG Rn. 29, Servatius, in: Spindler / Stilz, §  189 AktG Rn.  8, Kort, Bestandsschutz (1998), S. 197, Peifer, in: MünchKomm AktG § 185 AktG Rn. 61 (mit gewisser Skepsis hinsichtlich des Anspruchs auf Kapitalherabsetzung), ähnlich Lutter, in: FS Röhricht (2005), S. 369 372). Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 335 f. setzt mit diesen Ansprüchen das von ihm angenommene Austrittsrecht um. Veil, in: K. Schmidt / Lutter, § 189 AktG Rn. 6, Wiedemann, in: Großkomm AktG §  185 Rn.  64–68, K. Schmidt, GesR § 6 V 1 a) (S. 160) erwähnen diesen Anspruch nicht, ohne ihn explizit abzulehnen. 348  Lutter, in: FS Röhricht (2005), S. 369. 349  Lutter, in: KK AktG2 § 185 Rn. 18. 350  Lutter, in: FS Röhricht (2005), S. 369 (370). 351  Lutter, in: FS Röhricht (2005), S. 369 (371 f.). 352  Lutter, in: FS Röhricht (2005), S. 369 (373).

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Abs. 3 Nr. 2 AktG die Möglichkeit, die Aktien zu Lasten des freien, ausschüttungsfähigen Vermögens einzuziehen. Dabei finden die gläubigerschützenden Beschränkungen des § 225 AktG keine Anwendung.353 Diese Rückabwicklung ist nach Ansicht von Lutter sogar ohne einen Hauptversammlungsbeschluss möglich: § 237 Abs. 6 AktG bestimmt, dass bei einer in der Satzung angeordneten Zwangseinziehung – also wenn die Voraussetzungen so genau bestimmt sind, dass es keines Willensentschlusses, sondern nur des Vollzugs bedarf – kein Hauptversammlungsbeschluss erforderlich ist. Lutter nimmt nun an, dass die Anordnung des Gesetzes, dass die mangelhaft begründeten Mitgliedschaften zu beseitigen seien, ebenfalls keinen Entscheidungsspielraum ließe und deshalb der Rechtsgedanke des § 237 Abs. 6 AktG entsprechend angewendet werden könne.354 2. Keine Ansprüche des Zeichners gegen die Aktiengesellschaft auf Schadensersatz

In der Literatur wird außerdem diskutiert, ob dem Zeichner bei einer mit Willensmängeln behafteten Zeichnung Schadensersatzansprüche gegen die Aktiengesellschaft zustehen können. Dies wird überwiegend unter Hinweis auf die Kapitalerhaltung oder die Kapitalaufbringung abgelehnt.355 Nach anderer Ansicht sind auch Schadensersatzansprüche möglich, wenn sie aus dem Bilanzgewinn oder anderen Gewinnrücklagen befriedigt werden können.356 3. Stellungnahme

Die von der herrschenden Meinung vorgeschlagenen Ansprüche auf Kapitalherabsetzung oder auf Vermittlung der Übernahme der Aktie sind nur eingeschränkt geeignet, die Rechte des Aktionärs zu wahren: Einen Dritten zu finden, der die Aktie zu dem Preis, den der Aktionär an die Gesellschaft gezahlt hat, übernimmt, wird nicht in allen Fällen erfolgreich sein. Steht der Gesellschaft im Falle einer Kapitalherabsetzung nicht genügend ausschüttungsfähiges Kapital zur Verfügung, ist – worauf Lutter zutreffenderweise hingewiesen hat357 – über § 237 Abs. 2 AktG die Norm des § 225 Abs. 2 AktG anzuwenden, nach der lediglich das durch die Kapitalherabsetzung 353  Lutter,

in: FS Röhricht (2005), S. 369 (373 f., 378 f.). in: FS Röhricht (2005), S. 369 (376 f.). 355  Wiedemann, in: Großkomm AktG § 185 AktG Rn. 68, Peifer, in: MünchKomm AktG § 185 AktG Rn. 61, Lutter, in: KK AktG2 § 185 Rn. 18, Hüffer, § 185 AktG Rn. 28. 356  Kort, Bestandsschutz (1998), S. 199. 357  Lutter, in: FS Röhricht (2005), S. 369 (373). 354  Lutter,



§ 7 Keine Übernahme der Aktie durch die Gesellschaft185

frei werdende Grundkapital ausgeschüttet werden kann. Das Agio wäre jedoch verloren. Dafür bedeutet das Verfahren einer Kapitalherabsetzung für die Gesellschaft nicht nur einen immensen Aufwand, sondern möglicherweise – durch den Hinweis an die Gläubiger, dass sie berechtigt sind, Sicherheitsleistung zu verlangen – einen deutlichen Schaden im Ansehen. Auch der von Lutter bevorzugte Weg der Zwangseinziehung ist jedoch nicht unproblematisch: Ob das Gesetz die Beseitigung der mangelhaft begründeten Mitgliedschaften wirklich anordnet, so dass ein Hauptversammlungsbeschluss entbehrlich wäre, begegnet gewissen Zweifeln. Darüber hinaus ist auch auf die Zwangseinziehung gem. § 237 Abs. 2 AktG die Norm des § 225 Abs. 2 AktG anzuwenden, nach der lediglich das durch die Kapitalherabsetzung frei werdende Grundkapital ausgeschüttet werden kann. Das Agio wäre wiederum verloren. Man muss sich deshalb die Frage stellen, ob nicht die Zulassung von Schadensersatzansprüchen die Möglichkeit ist, welche die Interessen von Gesellschaft und Aktionär am besten zum Ausgleich bringt. Bei Willensmängeln des Beitritts stellt sich allerdings die Frage nach der Anspruchsgrundlage, da die Gesellschaft in vielen Fällen den Willensmangel des Zeichners nicht zu vertreten haben wird. Sollte dies anders sein, könnten die Zeichner Schadensersatzansprüche gegenüber der Gesellschaft geltend machen, wenn die Vermittlung der Übernahme durch einen Dritten nicht gelingt. Dies wird in der Literatur bereits befürwortet, wenn die Ansprüche aus dem Bilanzgewinn oder anderen Gewinnrücklagen befriedigt werden können.358 Im Übrigen wird diesen Ansprüchen der Grundsatz der Kapitalerhaltung entgegengehalten. Es hat sich jedoch gezeigt, dass die Kapitalerhaltung Schadensersatzansprüchen der Aktionäre nicht entgegensteht, solange nicht die gläubigerschützenden Bestandteile des Vermögens der Aktiengesellschaft angegriffen werden.359 Auch die herrschende Meinung versteht das Postulat, dass Willensmängel bei der Zeichnung nach Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung nicht mehr geltend gemacht werden können, offenbar nicht so, dass daran keinerlei Rechtsfolgen mehr anknüpfen, sondern lediglich in dem Sinne, dass eine tatsächliche Anfechtung (mit der Folge der Nichtigkeit des Zeichnungsvertrages und des Entstehens der Aktie bei der Gesellschaft) ausgeschlossen sein soll. Dies entspricht auch den Folgen, die üblicherweise an fehlerhafte Organisationsakte anknüpfen: Ausgeschlossen ist regelmäßig nämlich nicht jede Berücksichtigung des Mangels, sondern lediglich die rückwirkende Vernichtung. Eine Auflösung ex nunc ist dagegen möglich. Es spricht deshalb vieles dafür, dem Aktionär bei Willensmängeln des Zeichnungsvertrages bestimmte Lö358  Kort,

359  Siehe

Bestandsschutz (1998), S. 199. oben § 4 B.

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sungsrechte zuzubilligen. Dabei sind Schadensersatzansprüche besser geeignet als ein Anspruch auf Durchführung einer Kapitalherabsetzung, aber sie sollten jeweils nachrangig nach einem Anspruch auf Vermittlung der Aktie an einen Dritten sein. Ob sich diese Ansprüche lediglich auf Auszahlung einer eventuellen Wertdifferenz richten, oder die Aktie an die Gesellschaft zurückgegeben werden kann, ist damit noch nicht beantwortet.

D. Erwerb der Aktien durch die Aktiengesellschaft nicht zulässig Die Rückgabe der Aktien an die Aktiengesellschaft gegen Schadensersatz in Höhe des Wertes der Aktie würde dazu führen, dass die Aktiengesellschaft die Aktien erwirbt. Wenn dieser Erwerb nicht – ausnahmsweise – zulässig wäre, müsste man annehmen, dass ein Aktionär von der Gesellschaft nicht die Übernahme der Aktie gegen Rückzahlung des an die Gesellschaft gezahlten Betrages, sondern lediglich die Wertdifferenz verlangen dürfte. Ein Erwerb eigener Aktien ist der Aktiengesellschaft grundsätzlich verboten und nur in den enumerativ aufgezählten Fällen des § 71 Abs. 1 AktG gestattet. Diese Fälle erfassen den Erwerb aufgrund eines Schadensersatzanspruchs nicht.360 In der Literatur wird zwar versucht, die Schadensersatzleistung, insbesondere die Prospekthaftung, als ausnahmsweise zulässigen Erwerb eigener Aktien gem. § 71 Abs. 1 Nr. 1 AktG einzuordnen, weil der Erwerb notwendig sei, um einen schweren, unmittelbar bevorstehenden Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. Von einer europarechtlichen Warte aus wäre es zulässig gewesen, für den Fall eines gesetzlichen Schadensersatzanspruchs gegen die Gesellschaft einen Erwerb eigener Aktien zuzulassen, da Art. 20 Abs. 1 lit. d der Zweiten Gesellschaftsrechtlichen Richtlinie / Kapitalrichtlinie361 einen Erwerb eigener Aktien „auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung“ ausdrücklich ermöglicht. Der deutsche Gesetzgeber hat jedoch von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht.362 Im Umkehrschluss daraus ist der Ansatz, der Erwerb sei zur Abwendung eines Schadens notwendig, abzulehnen. Das Verbot des Erwerbs eigener Aktien wird vielfach als Teil des Regelungskomplexes der Kapitalerhaltung angesehen.363 Nun wurde jedoch oben 360  Groß, 361  Vom

Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rn. 10. 13. Dezember 1976, 77 / 91 / EWG, ABl. EG Nr. L 26 vom 31. Januar

1977, S. 1. 362  Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rn. 10. 363  Wild, Prospekthaftung / Kapitalschutz, S.  106.



§ 7 Keine Übernahme der Aktie durch die Gesellschaft187

(§ 4 B.) dargelegt, dass die Kapitalerhaltung einer Haftung der Aktiengesellschaft gegenüber Aktionären nicht entgegensteht, solange durch die Schadensersatzleistung die gläubigerschützenden Vermögensbestandteile nicht angegriffen werden. Würde sich der Schutzzweck des Verbots des Erwerbs eigener Aktien mit den Schutzzwecken der Kapitalerhaltung decken, müsste man annehmen, dass eine Schadensersatzleistung Zug um Zug gegen Rückgabe der Aktie an die Gesellschaft auch solange zulässig ist, wie die gläubigerschützenden Vermögensbestandteile nicht angegriffen werden. Das Verbot des Erwerbs eigener Aktien soll jedoch nicht nur den Mittelabfluss, sondern zugleich den Übergang der Aktie in das Vermögen der Gesellschaft verhindern. Durch das Verbot des Erwerbs eigener Aktien soll ausgeschlossen werden, dass sich Wertverluste bei der Aktiengesellschaft selbst potenzieren (sog. „Doppelschaden“).364 Bei einem beliebigen Wertverlust verliert die Gesellschaft nicht nur direkt an Wert, sondern auch die von ihr gehaltenen eigenen Aktien. Auf diese Weise sinkt der Wert der Gesellschaft nicht nur um den Betrag des eigentlichen Wertverlusts, sondern zusätzlich um den Verlust durch die eigenen Aktien. Damit drohen durch den Erwerb eigener Aktien Risiken, die über die Risiken durch den Mittelabfluss hinausgehen. Diese Risiken drohen nicht nur den Altaktionären, bei denen man vertreten könnte, dass sie dieses Risiko tragen müssten, sondern auch späteren Erwerbern, die für die Schadensersatzansprüche gegen die Gesellschaft nicht einstehen müssen. In der Literatur wurde zur Rechtslage vor dem BilMoG vertreten, dass die Gefahr des Doppelschadens, der vom Erwerb eigener Aktien ausgeht, durch die Rücklage für eigene Anteile ausgeschlossen werde.365 Fraglich ist, ob das zutraf und auf die bilanzielle Neutralisierung nach neuem Recht366 übertragbar ist. Grundsätzlich führte die Bildung der Rücklage nach altem Recht nur zu einer Ausschüttungssperre im Umfang des Wertes der aktivierten eigenen Aktien.367 Dieser Effekt trat aber nur in der Bilanz ein. Wäre eine Unternehmensbewertung vorgenommen worden, während die Gesellschaft die eigenen Aktien hielt, wäre ein erzielbarer Verkaufserlös in die Ermittlung des Wertes des Unternehmens einbezogen worden. Gleiches geschah bei der Bewertung der einzelnen Aktien. Dementsprechend konnte die Rücklage für eigene Aktien das Risiko, dass sich Verluste der GesellAktG 1965, abgedruckt bei Kropff, Aktiengesetz 1965, S. 90. in: MünchKomm AktG § 71 Rn. 19, a. A. Cahn, in: Bayer / Habersack, Aktienrecht im Wandel II, S. 775, Cahn, in: Spindler / Stilz, § 71 AktG Rn. 14, Merkt, in: Großkomm AktG § 71 Rn. 9. 366  Vgl. (4). 367  BT-Drucks. 8 / 1678 S.  17, Hüttemann, in: Großkomm HGB, § 272 Rn. 61, Kropff, in: MünchKomm AktG § 272 HGB Rn. 118. 364  RegE

365  Oechsler,

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schaft potenzieren, nicht ausschließen. Für die durch das MoMiG geänderte bilanzielle Darstellung durch Abzug des Erwerbspreises vom gezeichneten Kapital und von den frei verfügbaren Rücklagen ergibt sich nichts anderes: Durch diese Bilanzierung entsteht eine Ausschüttungssperre in dem Umfang, in dem der Erwerbspreis den Nennbetrag übersteigt. (Die Mittel, die dem Nennbetrag entsprechen, können dagegen – zumindest ausweislich der Bilanz – weiterhin ausgeschüttet werden, da aus ihnen nur eine Minderung des gezeichneten Kapitals, nicht aber eine Minderung der ausschüttbaren Eigenkapitalbestandteile folgt.368) Der Begriff von der „bilanziellen Neutralisierung“ beschreibt jedoch bereits das Problem: Es handelt sich lediglich um eine bilanzielle Auswirkung. Bei der Bewertung der Aktie wird die Tatsache, dass die Gesellschaft eigene Aktien hält, welche voraussichtlich wieder veräußert werden können, weiterhin berücksichtigt. Es handelt sich um eine Effekt vergleichbar der Entstehung stiller Reserven: Wenn bekannt ist, dass die Gesellschaft bestimmte, nicht in der Bilanz aktivierte Werte besitzt, werden diese bei der Einschätzung des Wertes der Gesellschaft dennoch berücksichtigt. Werden derartige nicht aktivierte Werte vernichtet und entfallen damit die stillen Reserven, mindert sich auch die Einschätzung des Wertes des Unternehmens.369 Dieses Beispiel kann man unproblematisch auf eigene Aktien übertragen: Unabhängig von der Ausschüttungssperre werden sie bei einer Bewertung des Unternehmens einbezogen und steigern den Wert des Unternehmens. Dementsprechend besteht weiterhin die Gefahr der Potenzierung von Verlusten. Dies gilt auch, wenn die Gesellschaft die Aktien im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs eines Aktionärs übernehmen würde: Für die Minderung der Aktivseite der Bilanz kommt es nicht darauf an, aus welchem Rechtsgrund die Gesellschaft Geld an einen Aktionär auszahlt. Auch für die Berücksichtigung auf der Passivseite der Bilanz durch Absetzung des Nennbetrags vom gezeichneten Kapital und einer Verrechnung der Differenz zwischen Anschaffungspreis und Nennwert mit den freien Rücklagen kommt es auf den Grund des Erwerbs nicht an. Offen ist damit noch der Schutzzweck des Verbots eigener Aktien. Soweit das Verbot des Erwerbs eigener Aktien der Kapitalerhaltung dient, schützt es – wie diese – in erster Linie die Gläubiger, außerdem unter anderem die Kompetenzabgrenzung zwischen der Verwaltung und der Hauptversammlung mit ihrem Gewinnverwendungsrecht. Soweit es sich gegen das Halten der eigenen Aktien durch die Gesellschaft richtet, schützt es einerseits die Gläubiger. Diese würden durch einen potenzierten Wertverlust der Gesellschaft geschädigt und müssen dies nicht in weiterem Rahmen hinnehmen, 368  Kritisch aus diesem Grund Oechsler, AG 2010, 105 (106 ff.), der zum Ausgleich für die Bildung einer zweckgebundenen Rücklage plädiert. 369  So auch Lutter / Drygala, in: KK Akt3 § 71 Rn. 21.



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als es das Gesetz zulässt. Andererseits haben die Aktionäre ein Interesse an einer korrekten Bewertung des Unternehmens. Insbesondere die Aktionäre, die die Aktien erst nach der Kapitalerhöhung erworben haben, bei der es zu der Fehlinformation kam, müssen für die Fehler der Verwaltung dabei nicht einstehen. Sowohl an der Funktion des Abzugs der Differenz zwischen Erwerbspreis und Nennbetrag der eigenen Aktien von den frei verfügbaren Rücklagen als Ausschüttungssperre als auch an der Regelung des § 57 Abs. 1 S. 2 AktG zeigt sich, dass sich der Grundsatz der Kapitalerhaltung in seiner Ausprägung als Einlagenrückgewährverbot und das Verbot des Erwerbs eigener Aktien teilweise decken. Dies bedeutet aber nicht zwingend, dass sie sich vollständig decken bzw. dass die Schutzzwecke des Verbots des Erwerbs eigener Aktien nicht über die Schutzzwecke der Kapitalerhaltung hinausgehen können. Nimmt man jedoch an, dass das Verbot des Erwerbs eigener Aktien nicht nur den Mittelabfluss, sondern auch das Halten der Aktien verhindern soll, so muss der Erwerb der eigenen Aktien im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs nicht nur anhand der Kapitalerhaltung, sondern auch anhand des Verbots des Erwerbs eigener Aktien geprüft werden. Es stellt sich dann die Frage, ob das Verbot des Erwerbs eigener Aktien wegen des Grundsatzes der Totalreparation gegenüber dem Schadensersatzanspruch des Aktionärs zurückstehen müsste. Dies gilt es im Folgenden zu untersuchen.

E. Fazit: Einschränkung der Totalreparation und der Naturalrestitution durch aktienrechtliche Grundsätze I. Ausschluss der Rückabwicklung der Beteiligung als aktienrechtlicher Grundsatz Es hat sich gezeigt, dass die Rückabwicklung der Beteiligung ein Konzept ist, das dem Aktienrecht fremd ist. Zum Schutz der Gläubiger ist eine Rückzahlung des Grundkapitals ausgeschlossen, da dieses als Haftungsfonds zur Verfügung stehen soll. Dessen Erhaltung wird durch das Aktienrecht in sehr weitem Umfang gesichert. So ist im Aktienrecht ein Austritt auch bei Vorliegen eines wichtigen Grundes niemals möglich. Auch die Fehlerhaftigkeit des Beitrittsvertrages berechtigt den Aktionär nicht, sich von der Beteiligung zu lösen und seine Zahlung zurückzuverlangen. Anderes gilt lediglich, wenn sich die Fehlerhaftigkeit des Beitritts aus überwiegenden, schutzwürdigen Interessen einzelner (z. B. Minderjähriger) ergibt. Außerdem ist es der Aktiengesellschaft auch nicht gestattet, im Rahmen eines Schadens­ ersatzanspruchs ihre eigenen Aktien zu erwerben. Es hat sich gezeigt, dass

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aus dem Erwerb eigener Aktien Risiken drohen, die über die Risiken aus dem Mittelabfluss hinausgehen, und dass aus diesem Grund auch der Schutzzweck des Verbots eigener Aktien über den Schutzzweck der Kapitalschutzvorschriften hinausgeht. Würde man nun zulassen, dass der Aktionär sich bei einer (fahrlässigen) Fehlinformation im Vorfeld der Beteiligung mittels eines Schadensersatzanspruchs von der Beteiligung löst, würde dies einen Fremdkörper im System des Aktienrechts darstellen, der die beschriebenen Schutzmechanismen negiert. Aus diesem Grund kann der Schadensersatzanspruch eines Aktionärs gegen die Gesellschaft wegen fahrlässiger Fehlinformationen im Vorfeld der Beteiligung nicht auf die Rückgängigmachung der Beteiligung gerichtet sein. Auf diese Weise wird der Grundsatz der Naturalrestitution eingeschränkt. Es gilt also zu untersuchen, welche anderen Rechte dem Aktionär aus der Falschinformation zustehen. In Betracht kommt dabei insbesondere eine Beschränkung der Ansprüche auf die Wertdifferenz. II. Konsequenz: Beschränkung des Schadensersatzanspruchs auf Wertdifferenz 1. Vertragsanpassung im Rahmen eines Anspruchs auf Ersatz des Vertrauensschaden

Im Rahmen des Schadensersatzanspruchs aus §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB (c.i.c.) nimmt die Rechtsprechung an, dass der Geschädigte außer einer Rückgängigmachung des Vertrages auch Vertragsanpassung einfordern kann: Weist der Geschädigte nach, dass die Parteien ohne die Pflichtverletzung einen günstigeren Vertrag abgeschlossen hätten, als sie es tatsächlich getan haben, kommt ein Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses in Betracht.370 Gelingt dieser Nachweis nicht, hat der Geschädigte immer noch ein Wahlrecht zwischen Vertragsaufhebung und Herabsetzung des Preises.371 Hält der Geschädigte an dem Vertrag fest und verlangt Schadensersatz, muss er nicht nachweisen, dass sich die andere Partei auf einen niedrigeren Kaufpreis eingelassen hätte. Diese Rechtsprechung bezieht sich hierbei insbesondere auf Fälle des Unternehmens- und Anteilskaufs.372 370  BGH NJW 2006, 3139, Emmerich, in: MünchKomm BGB § 311 Rn. 261, a. A. Löwisch, in: Staudinger (2005), § 311 BGB Rn. 139. 371  BGH NJW 2006, 3139, Emmerich, in: MünchKomm BGB § 311 Rn. 261, 271. 372  BGH NJW-RR 2003, 1192 (1195), BGH NJW 2006, 3139 (3141), Emmerich, in: MünchKomm BGB § 311 Rn. 271.



§ 7 Keine Übernahme der Aktie durch die Gesellschaft191

Bei der Vertragsanpassung ist umstritten, ob sie entsprechend § 441 durch eine Anpassung der Leistung im Wege ihrer verhältnismäßigen Herabsetzung zu erfolgen hat oder ob sie auf den bloßen Abzug des Vermögensschadens von der geschuldeten Leistung beschränkt ist.373 Für eine verhältnismäßige Anpassung spricht, dass auf diese Weise das subjektive Äquivalenzprinzip gewahrt bliebe, da den Parteien die Vorteile aus dem Vertrag zumindest anteilig erhalten bleiben.374 Eine Anpassung wäre jedoch ein Fremdkörper im Recht der § 249 ff. BGB. Aus dem Charakter als Schadensersatzanspruch ergibt sich, dass ein Schaden in erster Linie in einer Zahlung liegt, die den eigentlichen Wert übersteigt. Dementsprechend kann man annehmen, dass nur der den tatsächlichen Wert übersteigende Betrag zurückverlangt werden kann.375 So wird auch die neuere Rechtsprechung des BGH verstanden.376 Schon früher verlangte sie – in Abgrenzung zur Anfechtung – für einen auf Vertragsaufhebung gerichteten Schadensersatzanspruch, dass ein Vermögensschaden vorliegt.377 Meint der Käufer, ein „gutes Geschäft“ zu machen, weil der angenommene Wert über dem Preis liegt, und stellt sich heraus, dass fehlerhafte Angaben gemacht wurden und aus diesem Grund der Wert dem Kaufpreis entspricht, so fehlt es an einem Vermögensschaden. Der fehlerhaft Informierte soll in diesen Fällen zu einer Anfechtung berechtigt sein, aber – nach Ablauf der Anfechtungsfrist – keine Schadensersatzansprüche mehr geltend machen können. Ist auf diese Weise das Vertrauen in ein „gutes Geschäft“ durch die c.i.c. nicht geschützt, kann auch bei einer Vertragsanpassung ein eventueller Vorteil aus dem Geschäft nicht anteilig erhalten bleiben. Anders ist es bei einem schlechten Geschäft: Liegt der Preis über dem angenommenen Wert, kann der Geschädigte nur die Differenz zwischen dem angenommenen Wert und dem tatsächlichen, niedrigeren Wert als Schadensersatz verlangen. Soweit eine Wertdifferenz zwischen dem vereinbarten Preis und einem niedrigeren, angenommenen Wert besteht, ist die Pflichtverletzung für diese Vermögenseinbuße nicht kausal. 2. Übertragbarkeit auf Verbot der Rückabwicklung bei der Zeichnung von Aktien?

Diese Rechtsprechung unterscheidet sich jedoch von der hier vorliegenden Situation in einem entscheidenden Punkt: Während dort dem Geschä373  Emmerich,

in: MünchKomm BGB § 311 Rn. 272. AcP 200 (2000), 273 (316 f.). 375  Tiedtke, JZ 1989, 569 (571 f.), Lorenz, NJW 1999, 1001 f., BGH NJW 2006, 3139 (3141). 376  Theisen, NJW 2006, 3102 (3103 f.). 377  BGH NJW 1998, 302 (304), dagegen Löwisch, in: Staudinger (2005), § 311 BGB Rn. 143. 374  Canaris,

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

digten das Wahlrecht zugestanden wird, ob er anstelle einer Rückabwicklung eine Anpassung des Vertrages fordern möchte, muss hier dem fehlerhaft Informierten die Rückabwicklung versagt und er – unabhängig von seinem Willen – an dem Vertrag, wenn auch zu verbesserten Konditionen, festgehalten werden. Nun muss man jedoch die Überlegung anstellen, dass wohl für den Schädiger in den von der Rechtsprechung behandelten Fällen die Möglichkeit bestanden hätte, den fehlerhaft Informierten – möglicherweise gegen dessen Willen – zu einem niedrigeren Preis an dem Vertrag festzuhalten: Gelingt dem Vertragspartner, der gegen die vorvertraglichen Pflichten verstoßen hat, der Nachweis, dass die andere Partei bei Kenntnis von den fehlerhaft dargestellten Umständen sich zu anderen Konditionen ebenfalls auf den Vertrag eingelassen hätte, so ist die andere Partei nach dem Grundsatz des § 249 Abs. 1 BGB ebenfalls so zu stellen, als wäre der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten – dann hätten die Parteien aber immer noch einen Vertrag zu verbesserten Konditionen geschlossen. Eine Rückabwicklung scheidet als Rechtsfolge dann aus. Es ist also keineswegs so, dass die Vertragsanpassung immer nur von einer Seite verlangt werden kann. Vielmehr gilt lediglich die Beweiserleichterung, nach der der Nachweis nicht geführt werden muss, dass die andere Partei sich auf den niedrigeren Preis eingelassen hätte, nur für die fehlerhaft informierte Partei. In vergleichbarer Weise kann auch angenommen werden, dass der im Rahmen einer Kapitalerhöhung fehlerhaft informierte Aktionär – unter Ausschluss der Rückabwicklung – auf eine Vertragsanpassung verwiesen werden kann, wenn die Gesellschaft, die gegen die vorvertraglichen Pflichten verstoßen hat, aus allgemeinen aktienrechtlichen Grundsätzen an einer Übernahme der Aktie gehindert ist. Wenn eine Rückabwicklung der Zeichnung gegenüber der Gesellschaft aus allgemeinen Grundsätzen ausgeschlossen ist, ist dies durchaus mit der Situation vergleichbar, dass sich der Ak­ tio­när in jedem Fall (zu einem niedrigeren Kaufpreis) an der Gesellschaft beteiligt hätte. Dem Aktionär wird letztlich versagt, sich darauf zu berufen, dass er bei Kenntnis von den fehlerhaften Angaben die Aktien nicht gezeichnet hat. Dies bedeutet eine Einschränkung des Grundsatzes der Totalreparation, die wegen der vorrangigen aktienrechtlichen Schutzprinzipien hinzunehmen ist. III. Grenze im Verbot der Unter-Pari-Emission Die Rückzahlung des Differenzbetrages zwischen dem angenommenen Wert der Aktien, begrenzt durch den Ausgabebetrag, und dem tatsächlichen Wert findet eine weitere Schranke im Verbot der Unter-Pari-Emission. Das Verbot der Unter-Pari-Emission besagt, dass Aktien nicht zu einem Ausga-



§ 8 Behandlung von Ansprüchen, die verfügbares Eigenkapital übersteigen193

bebetrag ausgegeben werden dürfen, der unter dem Nennbetrag oder – bei Stückaktien – unter dem anteiligen Betrag des Grundkapitals liegt, § 9 Abs. 1 AktG. Es ist auch in Art. 8 Abs. 1 KapRiLi verankert. Das Verbot der Unter-Pari-Emission bezweckt den Schutz der Gläubiger durch Sicherung der Kapitalaufbringung.378 Nach herrschender Meinung betrifft § 9 Abs. 1 AktG nicht nur die offene Unter-Pari-Emission durch Festsetzung eines unter dem Nennbetrag bzw. anteiligen Grundkapital liegenden Ausgabebetrags, sondern auch die verdeckte Unter-Pari-Emission durch Rabatte u. ä.379 Das Verbot der Unter-Pari-Emission bewirkt, dass der Gesellschaft in jedem Fall mindestens der Nennbetrag der Aktien bzw. der auf die Ak­tien entfallende Anteil am Grundkapital zufließt. Diese Wertung darf durch die Schadensersatzleistung nicht unterlaufen werden. Aus diesem Grund kann eine Wertdifferenz nur ausgeglichen werden, soweit der tatsächliche Anteilswert den Nennbetrag nicht unterschreitet. Dies bedeutet, dass die Schadensersatzhaftung auf das Agio begrenzt ist. Dies kann zu einer Einschränkung des Grundsatzes der Totalreparation führen.

§ 8 Behandlung von Ansprüchen, die das verfügbare Eigenkapital übersteigen Lässt man eine Haftung der Gesellschaft nur mit einem Teil des Eigenkapitals zu, stellt sich die Frage, wie zu verfahren ist, wenn die Haftungsforderung das verfügbare Eigenkapital übersteigt. Dazu kann es kommen, wenn das Eigenkapital der Gesellschaft schon im Voraus unter das Grundkapital abgesunken war, oder wenn die Gesellschaft in dem Zeitraum zwischen der Zahlung der Einlage und der Geltendmachung des Haftungsanspruchs Verluste macht. Wird das vom Investor eingezahlte Agio weder zur Auffüllung des Grundkapitals benötigt noch durch Verluste angegriffen, steht (in der durch die Kapitalerhöhung geschaffenen Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB) genügend Eigenkapital zur Verfügung, um die zulässige Haftungsforderung in vollem Umfang zu erfüllen. 

A. Problemaufriss Grundsätzlich darf die Gesellschaft eine Haftungsforderung des Investors, die das verfügbare Eigenkapital übersteigt, nicht erfüllen. Offen ist 378  Hüffer,

§ 9 AktG Rn. 1, Brändel, in: Großkomm AktG § 9 Rn. 2. in: MünchKomm AktG § 9 Rn. 11, Brändel, in: GroßKomm AktG § 9 Rn. 17, Dauner-Lieb, in: KK Akt3 § 9 Rn. 16, a. A. Ziemons, in: K. Schmidt / Lutter, § 9 AktG Rn. 7, 10 ff. 379  Heider,

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

jedoch, ob die Forderung in dem übersteigenden Umfang erst gar nicht entsteht oder ob sie bei Vorliegen dieser Voraussetzungen erlischt oder ob die Gesellschaft ihr eine dauernde Einwendung entgegen halten kann oder ob die Forderung aus Gewinnen späterer Jahre befriedigt werden muss. Anders als bei den Vorschlägen der Literatur, nach denen nur der Bilanzgewinn verwendet werden kann, bestehen bei dem hier angenommenen Lösungsweg keine bilanziellen Gestaltungsmittel, mittels derer die Haftungsmasse durch Einstellungen in Rücklagen verringert werden kann.380 Aus diesem Grund greifen auch die in der Literatur vorgebrachten Einwände hinsichtlich der Praktikabilität einerseits und der Gerechtigkeit andererseits nicht ein. I. Lösungsansätze Für die Frage, ob der Anspruch in dem Umfang, in dem er das verfügbare Kapital übersteigt, noch geltend gemacht werden kann, wurden verschiedene Antworten entwickelt. Eine Begrenzung des Anspruchs auf die verfügbaren Mittel könnte man herbeiführen, indem man annimmt, dass die Forderung überhaupt nur in dem Umfang entsteht, in dem die Gesellschaft über verwendbares Vermögen verfügt. Ein Konzept, in dem das Vermögen des Schuldners zu einer Anspruchsvoraussetzung erhoben wird, ist jedoch im Recht ohne Parallele.381 Alternativ könnte man annehmen, dass das Fehlen verfügbarer Mittel für die Gesellschaft eine rechtsvernichtende oder dauernde, rechtshemmende Einwendung darstellt. Eine derartige Einwendung ist jedoch gesetzlich nicht geregelt. Nimmt man an, dass die Forderung in vollem Umfang besteht, ist der Betrag, der das sofort verfügbare Eigenkapital übersteigt, aus Mittelzuflüssen in späteren Jahren zu begleichen. Die Forderung muss als Verbindlichkeit bilanziert werden,382 oder die Gesellschaft muss eine Rückstellung für eine ungewisse Verbindlichkeit bilden, die sich jedoch in gleicher Weise auf das Ergebnis und das Eigenkapital auswirkt. Nach derzeitiger Rechtslage kann die Forderung nicht als nachrangige Verbindlichkeit bewertet werden, da ein vertraglicher Rangrücktritt nicht vorliegt und die gesetzlichen Tatbestände der Nachrangigkeit des § 39 InsO nicht erfüllt sind.383 Es stellt sich also die Frage, ob 380  Schwark, in: FS Raisch, S. 269 (289) begründet das damit, das – anders als zu Zeiten des Reichsgerichts – heute ein Rechnungswesen üblich sei, das jederzeit die Aufstellung einer kurzen Bilanz zulasse. 381  Langenbucher, ZIP 2005, 239 (245). 382  Langenbucher, ZIP 2005, 239 (243 f.). 383  Eine solche Lösung halten Langenbucher, ZIP 2005, 239 (244 f.) und Baums, ZHR 167 (2003), 139 (170), de lege ferenda für wünschenswert.

§ 8 Behandlung von Ansprüchen, die verfügbares Eigenkapital übersteigen195

es andere Möglichkeiten gibt, eine Bilanzierung als Verbindlichkeit zu verneinen, oder ob die Forderung in vollem Umfang und ergebnisrelevant in der Bilanz berücksichtigt werden muss. Im letzteren Fall könnte es auch zu einer Überschuldung der Gesellschaft kommen, welche die Insolvenzantragspflicht der Gesellschaft auslöst.384 Dieses Risiko könnte der Zwecksetzung der Haftungsbeschränkung widersprechen. Bei einer Verlagerung auf die Folgejahre werden außerdem durch die Haftung nicht nur die Altaktionäre, sondern auch Aktionäre, die sich nach dem Investor an der Gesellschaft beteiligt haben, belastet. Dabei stellt sich die Frage, ob nicht nur die Altaktionäre, sondern auch die neuen Aktionäre das Risiko einer vor ihrer Beteiligung liegenden Fehlinformation durch die Gesellschaft tragen müssen. II. Behandlung in der Literatur Wie oben bereits dargelegt, nehmen zum Verhältnis der börsengesetz­ lichen Prospekthaftung zur Kapitalerhaltung verschiedene Autoren an, dass eine Haftung der Gesellschaft nur mit dem (unterschiedlich bestimmten) freien Vermögen der Gesellschaft möglich ist (vgl. § 2 A.IV.). In vielen Fällen ist jedoch nicht eindeutig, ob sie annehmen, dass der übersteigende Teil zu einem späteren Zeitpunkt geltend gemacht werden kann, oder ob der Anspruch nur in dem Umfang besteht, in dem er sofort beglichen werden darf. Einzig Breit vertritt klar, dass der Anspruch in den Folgejahren geltend gemacht werden kann. Dazu sei die Gesellschaft zur Zahlung aus dem „bilanzmäßigen Gewinne des laufenden Jahres bzw. der folgenden Jahre“ zu verurteilen: „Solange Gewinn nicht erzielt wird, braucht die Beklagte nicht zu zahlen“.385 Zöllner / Winter sprechen davon, dass die Ansprüche erst zugelassen werden sollen, wenn sie aus dem „das Grundkapital übersteigenden Nettovermögen geleistet werden können“.386 Dies könnte man auch so verstehen, dass in anderen Fällen der Anspruch gar nicht erst entstehen soll. Auch Flechtheims Ansicht ist nicht eindeutig, wenn er annimmt, dass die Geltendmachung der Ansprüche erst zugelassen werden soll, wenn Gewinn als Dividende an die Aktionäre ausgeschüttet werden soll.387 Henze hält eine Geltendmachung des Anspruchs nur für möglich, wenn das Gesellschaftsvermögen eine bestimmte Schwelle überschreitet.388 Unter diesen Voraussetzungen scheitert also zunächst die Durchsetzung, nicht zwingend 384  Langenbucher,

ZIP 2005, 239 (243), siehe hierzu § 8 C.II. ZHR 76 (1915), 415 (451 f.). 386  Zöllner / Winter, ZHR 158 (1994), 59 (78). 387  Flechtheim, JW 1916, 937 (939). 388  Henze, AG 2004, 405 (410). 385  Breit,

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

jedoch die Anspruchsentstehung. Schwark schreibt dagegen vorsichtig, dass Leistungen aus der Prospekthaftung nur zugelassen werden können, wenn bestimmtes Kapital nicht angegriffen wird.389 Er bezieht damit weder zur Anspruchsentstehung noch zur Geltendmachung Stellung. Keiner dieser Autoren geht genauer darauf ein, was geschehen soll, wenn die Forderung die Haftungsmasse übersteigt. Vorschläge zur Lösung des Problems existieren von Langenbucher und Baums. Gegen eine Beschränkung der Anspruchsentstehung auf das vorhandene, verfügbare Vermögen spricht aus Langenbuchers Sicht, dass eine solche Kappung des Anspruchs „dogmatisch ohne Vorbild“ wäre. Außerdem stünden de lege lata der Beschränkung der Haftung auf das freie Vermögen „nahezu unüberwindliche Schwierigkeiten in der praktischen Umsetzung entgegen.“390 Aus diesem Grund sprechen sowohl Langenbucher als auch Baums sich de lege ferenda dafür aus, die Ansprüche der Aktionäre mit einer insolvenzrechtlichen Nachrangigkeit zu versehen.391

B. Kein Erlöschen der das verfügbare Eigenkapital übersteigenden Ansprüche I. Interessensbewertung Ob es im Grundsatz angemessen ist, die Forderung des Investors auf das in einem bestimmten Jahr verfügbare Vermögen der Gesellschaft zu beschränken, oder ob der übersteigende Teil der Forderung, für den im Jahr der Geltendmachung keine ausreichenden Mittel verfügbar waren, zu einem späteren Zeitpunkt geltend gemacht werden kann, könnte anhand einer Interessensbewertung beurteilt werden. Der hier vertretene Ansatz schließt unabhängig von der Frage der Kappung oder der Verlagerung der Ansprüche in spätere Jahre eine unzulässige Belastung der Gläubiger mit den Risiken der Haftung aus. Das ihren Interessen dienende Eigenkapital (Grundkapital, Rücklagen gem. § 150 Abs. 1–3 AktG) wird in keinem Fall durch die Haftung angegriffen. Belastet werden lediglich die Aktionäre. Gegenüber den Altaktionären ist es nicht ungerechtfertigt, ihre zukünftigen Gewinne mit den Haftungsforderungen des Investors zu belasten. Die oben getroffene Interessenabwägung hat gezeigt, dass 389  Schwark,

in: FS Raisch (1995), S. 269 (289). ZIP 2005, 239 (245). 391  Langenbucher, ZIP 2005, 239 (244 f.), Baums, ZHR 167 (2003), 139 (170). Ähnlich der Vorschlag von Hopt / Voigt, in: Hopt / Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 1 ((5), 9 (64 f.). 390  Langenbucher,

§ 8 Behandlung von Ansprüchen, die verfügbares Eigenkapital übersteigen197

die Altaktionäre für das Verhalten der Verwaltung einstehen müssen. Fraglich ist, ob es auch gerechtfertigt ist, Aktionäre, die erst nach der hier problematisierten Kapitalerhöhung Aktien erworben haben, mit der Haftung gegenüber dem Investor zu belasten. Grundsätzlich müssen diese nicht für Fehler des Vorstands einstehen, die dieser vor ihrer Mitgliedschaft gemacht hat. Jedoch haftet die Gesellschaft immer auch für andere Verbindlichkeiten, die aus einer Zeit stammen, in der die Zusammensetzung der Aktionäre möglicherweise ganz anders war. Richtigerweise sollte man neuen Aktionären deshalb höchstens eigene Rechte einräumen, aber nicht die Rechte des Investors zu ihrem Schutz beschneiden. Dieser Haftung soll auch nicht entgegenstehen, dass nicht nur auf Gewinne zugegriffen werden kann, sondern beispielsweise auch auf die aus Aufgeldern der Neuaktionäre geschaffenen Kapitalrücklagen. Ein solcher Zugriff ist möglich, solange durch diese Kapitalrücklagen nicht die gesetzliche Rücklage gem. § 150 Abs. 1–3 AktG aufgefüllt wird. Der übersteigende Betrag dient nicht dem Interesse der Gläubiger, und auch der Neuaktionär ist nicht davor geschützt, dass sein Aufgeld durch Verbindlichkeiten der Gesellschaft, die vor seiner Beteiligung bestanden, aufgezehrt wird. Der Investor hat durch die Fehlinformation einen Schaden erlitten und es ist nicht ersichtlich, weshalb der Umfang, in dem er Ersatz erlangt, von Zufälligkeiten abhängig sein sollte. Aus der Kappung des Anspruchs ergeben sich nämlich noch weitere Probleme: Unklar ist insbesondere, in welchem Zeitpunkt das Vermögen, auf das die Haftung begrenzt ist, bestimmt werden soll. Soll es dem Investor gestattet sein, mit der Geltendmachung der Ansprüche zu warten, bis die Gesellschaft Gewinn erwirtschaftet hat? Für die Beantwortung dieser Frage gibt es weder gesetzliche Vorbilder noch sinnvolle Maßgaben. Aufgrund der schnellen Verjährung ist ein solches Vorgehen allerdings nicht zielführend. Eine Kappung der Ansprüche würde dazu führen, dass nicht alle Investoren einen vergleichbaren Schutz erlangen. Um dieses Ergebnis zu vermeiden, sollte man aus Wertungsgründen nicht den Ansatz einer Kappung der Ansprüche auf die Haftungsmasse in einem bestimmten Zeitpunkt weiter verfolgen, sondern die Frage prüfen, auf welche Weise die Forderung des Investors bilanziert wird und ob und wie sie in einer eventuellen Insolvenz der Gesellschaft zu berücksichtigen ist. II. Parallele: Gegen § 30 GmbHG verstoßende Forderung Die Frage, wie der übersteigende Teil behandelt werden soll, stellt sich auch bei einer Forderung eines GmbH-Gesellschafters gegen die GmbH (beispielsweise aus einem Gewinnausschüttungsbeschluss), die nicht aus dem Vermögen geleistet werden kann, das das Stammkapital übersteigt,

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

und deren Erfüllung deshalb an § 30 GmbHG scheitert. Rechtsprechung und Literatur thematisieren dieses Problem nicht aus dem Blickwinkel der Bilanz, nehmen jedoch an, dass die Forderung nicht durch das Fehlen verfügbaren Vermögens erlischt: Verstößt eine Zahlung an einen Gesellschafter gegen § 30 GmbHG, entsteht zugunsten der Gesellschaft ein Erstattungsanspruch gegen den Gesellschafter in der Höhe, in der die Leistung gegen § 30 GmbHG verstieß, § 31 Abs. 1 GmbHG. Früher nahm der BGH an, dass dieser Erstattungsanspruch zum Erlöschen gebracht werden könne, wenn sich die Vermögenssituation der Gesellschaft bessere, also wenn das Stammkapital aus anderen Quellen wieder aufgefüllt worden sei.392 Diese Rechtsprechung stieß in der Literatur zunehmend auf Kritik.393 Der BGH änderte daraufhin seine Rechtsprechung dahingehend, dass der Erstattungsanspruch auch bei Behebung der Unterbilanz fortbesteht.394 Allerdings ergebe sich aus der Bedeutung des § 30 GmbHG, dass eine gegen diese Norm verstoßende Zahlung auch keine Erfüllungswirkung bezüglich der zugrundeliegenden Forderung haben könne. Bessert sich also die finanzielle Situation der Gesellschaft, kann auch der Erfüllungsanspruch wieder eingefordert werden. Es stehen sich dann der Erstattungsanspruch der Gesellschaft und der Erfüllungsanspruch des Gesellschafters gegenüber.395 In dieser Konstellation wird angenommen, dass die Gesellschaft, um ein unnötiges Hin- und Herzahlen zu vermeiden, mit dem Erstattungsanspruch gegen den Erfüllungsanspruch aufrechnen kann. Dem Gesellschafter ist eine solche Aufrechnung jedoch analog § 19 Abs. 2 S. 2 GmbHG versagt.396 Dieser Rechtsprechung kann man entnehmen, dass Ansprüche nicht in Abhängigkeit von der Vermögenslage der Gesellschaft erlöschen.397 Der Gesellschaft steht gegen den Anspruch lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht zu, das sich aus § 30 GmbHG ergibt,398 dessen zivilrechtliche Einordnung jedoch nicht eindeutig ist.399 Ein vergleichbares Leistungsver392  BGH

NJW 1988, 139 (140). in: Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 31 Rn. 11. 394  BGHZ 144, 341 – Balsam / Procedo. 395  Kort, ZGR 2001, 615 (627  ff.), Hueck / Fastrich, in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 31 Rn. 17, Westermann, in: Scholz, GmbHG, § 31 Rn. 7, Habersack, in: Ulmer / Habersack / Winter, GmbHG, §  31 Rn.  28 f. 396  Habersack, in: Ulmer / Habersack / Winter, GmbHG, § 31 Rn. 30. 397  Das hält auch Westermann, in: Scholz, GmbHG, § 31 Rn. 6 für eine „zivilrechtliche Systemwidrigkeit“. 398  Westermann, in: Scholz, GmbHG, § 30 Rn. 13, Hueck / Fastrich, in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 30 Rn. 2, 31, Hommelhoff, in: Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 30 Rn. 38, Heidinger, in: Michalski, GmbHG, § 30 Rn. 88. 399  Westermann, in: Scholz, GmbHG, § 30 Rn. 13. 393  Hommelhoff,

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weigerungsrecht (das zugleich eine Leistungsverweigerungspflicht ist) steht der Aktiengesellschaft zu, wenn eine vereinbarte Leistung gegen § 57 AktG verstößt.400 III. Unsicherheiten aufgrund der Bilanzierungsgrundsätze Eine Kappung der Ansprüche scheidet außerdem aus, weil die Bilanz der Gesellschaft nicht sämtliche Vermögenswerte verlässlich widergibt. Dies gilt insbesondere für stille Reserven. Solche entstehen unter anderem, weil die Gesellschaft Vermögensgegenstände abschreiben darf, diese aber bei einer Abschreibung auf Null nicht notwendigerweise wertlos sind. Der Wert darf aber erst in die Bilanz aufgenommen werden, wenn er – beispielsweise durch einen Verkauf – tatsächlich realisiert wurde. Auch von der Gesellschaft selbst entwickelte Patente oder Warenzeichen dürfen nicht aktiviert werden (§ 248 Abs. 2 HGB). Diesen kommt aber dennoch ein Wert zu. Aus diesem Grund ist die Summe der Aktiva nicht mit dem Unternehmenswert identisch. Es ist also möglich, dass die Gesellschaft über Vermögenswerte verfügt, bei deren Verkauf das Eigenkapital über die Summe von Grundkapital und der Summe aus gesetzlicher Rücklage und Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB in Höhe von 10 % oder einem in der Satzung festgelegten, höheren Anteil steigen würde. Ohne Realisierung der stillen Reserven kann die Gesellschaft eine Haftung aber unter Hinweis auf fehlendes, verfügbares Eigenkapital verweigern. In diesem Fall hätte die Gesellschaft die Möglichkeit, das verfügbare Eigenkapital dadurch zu beeinflussen, dass sie die Realisierung stiller Reserven vermeidet. Würde das in einem bestimmten Jahr zu einem Erlöschen der Forderung des Aktionärs führen, wäre das ein unredliches oder zufälliges Ergebnis. Geht man dagegen davon aus, dass der Anspruch bis in die Insolvenz hinein geltend gemacht werden kann, sobald Eigenkapital zur Verfügung steht, das für die Haftung verwendet werden kann, kann die Gesellschaft die Realisierung der stillen Reserven nicht zu Lasten des Aktionärs beeinflussen.

C. Bilanzielle Lösung Es hat sich gezeigt, dass weder rechtstechnisch noch aus Wertungsgründen angenommen werden sollte, dass die Forderung in dem Umfang erlischt, in dem sie nicht sofort erfüllt werden kann. Die Forderung besteht also fort, 400  Flume, ZHR 144 (1980), 18 (23), Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 206, Bayer, in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 155, Fleischer, in: K. Schmidt / Lutter, § 57 AktG Rn. 52, Lutter, in: KK AktG2 § 57 Rn. 65, K. Schmidt, GesR § 29 II 2 b) aa) (S. 893).

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

der übersteigende Teil kann in einem späteren Zeitpunkt geltend gemacht werden. Grundsätzlich sind Verbindlichkeiten im Zeitpunkt ihrer Entstehung in vollem Umfang zu bilanzieren. Diese Passivierung der Forderung kann je nach der Vermögenssituation der Gesellschaft eine einfache Unterbilanz (Eigenkapital sinkt unter den Betrag des Grundkapitals) oder eine Überschuldung der Gesellschaft (Verbindlichkeiten übersteigen die Aktiva) herbeiführen. Die einfache Unterbilanz kann durch Gewinne in den Folgejahren ausgeglichen werden und bereitet der Gesellschaft für sich betrachtet wenige Schwierigkeiten. Sie ist außerdem nur eine rechnerische Unterbilanz, da die Forderung nicht beglichen werden darf. Eine Überschuldung der Gesellschaft zwingt den Vorstand dagegen, innerhalb von drei Wochen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu beantragen, wenn nicht eine positive Fortführungsprognose vorliegt, § 19 Abs. 2 InsO. Innerhalb dieses Verfahrens stellt sich dann die Frage, wie der Investor seine Forderung geltend machen kann. Für beide Aspekte des Problems kann zum Vergleich wieder die Frage aufgeworfen werden, wie der Anspruch eines GmbH-Gesellschafters in der Bilanz darzustellen ist, wenn die GmbH über kein das Stammkapital übersteigendes Vermögen verfügt. I. Bilanzierung Zunächst stellt sich die Frage, ob die Gesellschaft die Möglichkeit hat, die Forderung nicht zu passivieren, um eine Unterbilanz zu vermeiden. Muss die Forderung passiviert werden, kann dies als Schuld / Verbindlichkeit oder als Rückstellung geschehen. 1. Keine Forderung aus künftigen Gewinnen wegen sofortiger wirtschaftlicher Belastung

Im Bilanzrecht wird die Möglichkeit anerkannt, Forderungen nicht als Verbindlichkeiten in die Bilanz aufzunehmen, die aus künftigen Gewinnen bezahlt werden sollen und die die Gesellschaft im gegenwärtigen Zeitpunkt wirtschaftlich noch nicht belasten sollen.401 Dieser Grundsatz wird auf gewinnabhängige oder einnahmeabhängige Verpflichtungen angewendet, bei denen keine wirtschaftliche Last besteht, da sie nur aus künftigen Gewinnen oder Einnahmen zu erfüllen sind. Das Entstehen dieser Verpflichtungen ist 401  Winnefeld, Bilanzhandbuch D 1595, D 1537, A / D / S, Rechnungslegung, § 246 HGB Rn.  153 f., 157 ff., Kozikowski / Schubert, in: Beck’scher Bilanz-Kommentar7, § 249 Rn. 100 (Stichwort: Zuwendungen, bedingt rückzahlbare), Schulze-Osterloh, in: Baumbach  /  Hueck, § 42 GmbHG Rn. 281, Merkt, in: Baumbach  /  Hopt, § 266 HGB Rn. 18.

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aufschiebend bedingt und sie sind erst zu passivieren, wenn der Mittel­ zufluss vorliegt.402 Ähnlich wird ein Rangrücktritt beurteilt, mit dem nur künftiges Vermögen, das zum Stichtag noch nicht bilanziert ist, belastet wird.403 Solche Verbindlichkeiten sind hinsichtlich der Tilgung abhängig vom Bilanzgewinn. Sie können insbesondere Folge eines Besserungsscheins sein.404 Hat so ein Besserungsschein oder eine vergleichbare Verbindlichkeit zum Inhalt, dass die Forderung nur aus Jahresüberschüssen auszugleichen ist, handelt es sich wiederum um eine gewinnabhängige Verpflichtung, die vor der Erzielung der Gewinne keine wirtschaftliche Last darstellen und nicht zu passivieren sind.405 Fraglich ist jedoch, ob diese Überlegungen auch auf die Konstellation einer begrenzten Haftung der Gesellschaft für fehlerhafte Informationen bei einer Kapitalerhöhung übertragbar sind. Anders als in den dargestellten Beispielen ist hier nicht eindeutig, dass die Forderung wirtschaftlich dem späteren Zeitpunkt zuzuordnen ist. Eine aktuell fehlende wirtschaftliche Belastung ist jedoch der Grund dafür, dass die Passivierung der zukünftigen Verbindlichkeit verneint wird und auch keine Rückstellung gebildet wird. Die Grundsätze ordnungsgemäßer Bilanzierung verlangen jedoch eine periodengerechte Zuordnung der Aufwendungen. Hier korrespondiert die Haftung mit der Kapitalerhöhung und der Fehlinforma­ tion. Der Tatbestand der Haftung ist somit vollständig erfüllt, lediglich die Leistung darf nicht erfolgen. Eine wirtschaftliche Belastung ist damit spätestens im Zeitpunkt der Geltendmachung der Ansprüche durch den Aktionär entstanden. Eine Verschiebung der Passivierung auf den Zeitpunkt der Leistungsfähigkeit widerspricht dem Grundsatz der Bilanzvollständigkeit. 2. Passivierung als Schuld oder Rückstellung

Es stellt sich also nur noch die Frage, ob die Forderung als Schuld aufzunehmen ist oder ob für sie eine Rückstellung gebildet werden muss. Aus dieser Entscheidung ergeben sich keine signifikanten Unterschiede, da die Mittel in beiden Fällen aus dem Betriebsvermögen der Gesellschaft ausgegliedert und dem Fremdkapital zugeordnet werden. Schulden sind Verbindlichkeiten, die die Gesellschaft wirtschaftlich belasten und erzwingbar 402  Winnefeld, Bilanzhandbuch, D 1595, A / D / S, Rechnungslegung, § 246 HGB Rn. 157. 403  Winnefeld, Bilanzhandbuch, D 1537, D 1541. 404  A / D / S, Rechnungslegung, § 246 HGB Rn. 157. Bei einem Besserungsschein handelt es sich um eine auflösende Bedingung eines Erlassvertrages, nach welcher der Forderungserlass bei Besserung der Vermögensverhältnisse entfällt. 405  A / D / S, Rechnungslegung, § 246 HGB Rn. 150, a.  A. Schulze-Osterloh, in: Baumbach / Hueck, § 42 GmbHG Rn. 282, Merkt, in: Baumbach / Hopt, § 266 HGB Rn. 18.

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1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

sind.406 Im Gegensatz dazu sind bei den hier in Frage kommenden Rückstellungen für eine ungewisse Verbindlichkeit, § 249 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 HGB, das Bestehen der Forderung und / oder die Höhe der Forderung ungewiss.407 Dass die Forderung trotz dieser Ungewissheit in die Bilanz aufgenommen werden muss, dient dazu, den Aufwand der richtigen Verursachungsperiode zuzurechnen. Im vorliegenden Fall kann die Aktiengesellschaft der Erfüllung der Haftungsforderung des Investors möglicherweise ganz oder teilweise entgegenhalten, dass kein dazu verwendbares Eigenkapital zur Verfügung steht. Die Forderung ist also erst durchsetzbar, wenn sich die Eigenkapitalsituation der Aktiengesellschaft verbessert hat. Man kann deshalb annehmen, dass es sich um eine ungewisse Verbindlichkeit handelt: Die Gesellschaft kann nicht wissen, ob und wann eine derartige Verbesserung eintritt. Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen einer Verbindlichkeit und einer Rückstellung sollte nicht die Frage des Bestehens der Forderung im zivilrechtlichen Sinne sein, sondern die Frage, welche Wahrscheinlichkeit für eine Inanspruchnahme der Gesellschaft besteht.408 Soweit die Forderung in dieser Weise ungewiss ist, ist für sie eine Rückstellung zu bilden.409 Ist die Forderung durch die Gesellschaft erfüllbar, weil genügend Eigenkapital verfügbar ist, wurde sie aber noch nicht erfüllt, so ist sie selbstverständlich als Verbindlichkeit aufzunehmen. In der Höhe sind Rückstellungen nur in Höhe des Betrages anzusetzen, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist.410 Maßgeblich für die Höhe ist der voraussichtliche Erfüllungsbetrag, also der Betrag, der zur Erfüllung der ungewissen Verpflichtung voraussichtlich aufgebracht werden muss.411 Wie viel voraussichtlich aufgebracht werden muss, wird in der Literatur nicht einheitlich beurteilt. Nach einer Ansicht müssen Rückstellungen für Verpflichtungen, die dem Grunde nach ungewiss, in der Höhe aber sicher sind, mit dem vollen Betrag angesetzt werden.412 Nach anderer Ansicht ist die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme abzuschätzen und die Rückstellung danach zu bilden.413 Gegen die Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeit spricht, dass diese nur sehr schwer 406  Merkt,

in: Baumbach / Hopt, § 246 HGB Rn. 13. Rechnungslegung, § 249 HGB Rn. 42, Schulze-Osterloh, in: Baumbach / Hueck, § 42 GmbHG Rn. 236, Merkt, in: Baumbach / Hopt, § 249 HGB Rn. 2. 408  Merkt, in: Baumbach / Hopt, § 249 HGB Rn. 2. 409  Für die Bildung von Rückstellungen sprechen sich auch Krämer / Baudisch, WM 1998, 1161 (1167) aus. 410  Großfeld / Luttermann, Bilanzrecht4, Rn.  778 f. 411  Kozikowski / Schubert, in: Beck’scher Bilanz-Kommentar7, § 253 HGB Rn. 151. 412  Kozikowski / Schubert, in: Beck’scher Bilanz-Kommentar7, § 253 HGB Rn. 155, Merkt, in: Baumbach / Hopt, § 253 HGB Rn. 3. 413  A / D / S, Rechnungslegung, § 253 HGB Rn. 193. 407  A / D / S,

§ 8 Behandlung von Ansprüchen, die verfügbares Eigenkapital übersteigen203

zu verifizieren ist, außerdem könnte die Passivierung zu einem niedrigeren als dem tatsächlichen Betrag die Klarheit der Bilanz beeinträchtigen. Aus diesem Grund ist für den Teil der Haftung, der nicht aus dem dafür zur Verfügung stehenden Vermögen erfüllt werden konnte, in voller Höhe eine Rückstellung zu bilden. II. Überschuldungsstatus und Insolvenz Die Forderung des Aktionärs muss also, sei es als Verbindlichkeit oder als Rückstellung, in die Handelsbilanz aufgenommen werden. Durch diese Passivierung kann sich rechnerisch das Eigenkapital verringern. Dies ist jedoch nicht problematisch, solange dadurch keine Überschuldung indiziert wird, die – bei Fehlen einer positiven Fortführungsprognose – ein Eröffnungsgrund für ein Insolvenzverfahren ist, § 19 Abs. 1, 2 InsO, und zu einer Insolvenzantragspflicht des Vorstands führt, § 92 Abs. 2 S. 2 AktG. Eine Überschuldung ist anhand einer Überschuldungsbilanz festzustellen. Das Gesetz und die Rechtsprechung sehen verschiedene Gründe vor, weshalb eine Forderung nicht in eine Überschuldungsbilanz aufzunehmen sein kann: Unabhängig davon, ob eine positive oder negative Fortführungsprognose besteht, werden Gesellschafterdarlehen und vergleichbare Gestaltungen sowie Forderungen, für die ein Nachrang vertraglich vereinbart ist, gem. § 19 Abs. 2 S. 2 InsO nicht berücksichtigt. Bei einer GmbH werden außerdem Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern, denen ein Auszahlungsverbot aus § 30 GmbHG entgegensteht, nicht in einer Überschuldungsbilanz angesetzt.414 Aus der obigen Argumentation ergibt sich, dass die Beschränkung der Haftung der Gesellschaft auf die Eigenkapitalbestandteile, die das Grundkapital und die gesetzliche Rücklage gem. § 150 Abs. 1–3 AktG übersteigen, dem Schutz der Gläubiger dient. Es wäre also widersinnig, wenn der Investor nun bei Aufstellung der Überschuldungsbilanz und in der Insolvenz der Gesellschaft seine Forderung in der ersten Phase des Insolvenzverfahrens geltend machen könnte und auf diese Weise doch mit den Forderungen der Gläubiger konkurrieren würde. Es stellt sich deshalb die Frage, ob eine Haftungsforderung des Investors bei der Aktiengesellschaft mit diesen Konstellationen vergleichbar ist, so dass sie deshalb nicht in einer Überschuldungsbilanz zu berücksichtigen sein könnte. Mit einer Forderung eines Gesellschafters gegen eine GmbH, der ein Auszahlungsverbot entgegensteht, ist die hier untersuchte Haftungskonstellation nicht vergleichbar, da sie im Rahmen der Durchführung des Insolvenzverfahrens befriedigt werden muss, bevor ein eventueller Überschuss an die Gesellschafter ausgeschüttet wird, § 199 S. 2 HGB. Auch mit einem Gesellschafterdarlehen ist die Haftung nicht vergleichbar. 414  Winnefeld,

Bilanzhandbuch, N 862.

204

1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

Offen ist damit noch die Frage, ob eine Haftung aus der Falschinformation im Rahmen einer Kapitalerhöhung nachrangig ist. Wörtlich ist diese Konstellation in § 39 InsO nicht erwähnt. Fraglich ist also, ob § 39 InsO eine Norm ist, die alle nachrangigen Forderungen abschließend aufzählt, oder ob es auch weitere Forderungen geben kann, die kraft ihrer Natur nachrangig sind, ohne in § 39 InsO genannt zu sein. Die Annahme einer Nachrangigkeit ist nicht an besondere Voraussetzungen geknüpft, sondern die Nachrangigkeit kann durch einseitige Erklärung herbeigeführt werden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es Forderungen gibt, die kraft Gesetzes entstehen, bei denen sich aber aus ihrer Entstehung ein immanenter Nachrang ergibt. Auch an dieser Stelle kann wieder § 30 GmbHG zum Vergleich herangezogen werden: Kann eine Forderung des Gesellschafters wegen § 30 GmbHG nicht erfüllt werden, so darf sie in der Insolvenz der Gesellschaft einerseits nicht mit den Forderungen der Gläubiger konkurrieren. Andererseits soll sie aber nicht ausfallen, wenn ein Überschuss unter den Gesellschaftern verteilt wird. Es zeigt sich also, dass es Forderungen geben kann, die in der Insolvenz nachrangig sind, ohne dass dies in § 39 InsO angeordnet ist. Vergleichbares kann man auch für die Haftung der Gesellschaft gegenüber einem Investor für fehlerhafte Angaben im Rahmen einer Kapitalerhöhung annehmen. Auch bei diesen ergibt sich aus der Forderung selbst, dass sie nicht mit den Forderungen der regulären Gläubiger konkurrieren kann. Sie ist deshalb nachrangig, ohne dass dies in § 39 Abs. 1 InsO angeordnet oder vertraglich vereinbart wäre. Dementsprechend ist auch eine Haftungsforderung des Aktionärs gegenüber der Gesellschaft nicht in eine Überschuldungsbilanz aufzunehmen.415 Zu prüfen gilt es dann, an welcher Position innerhalb eines Insolvenzverfahrens diese Forderungen einzustellen sind. Das Gesetz bestimmt, dass die nachrangigen Forderungen in der Reihenfolge zu befriedigen sind, in der sie in § 39 Abs. 1, 2 InsO genannt sind. Außerdem werden in anderen Normen Forderungen bestimmt, die nach den nachrangigen Forderungen zu befriedigen sind.416 Dieses gesetzliche System darf durch die hier untersuchten Forderungen nicht gestört werden. Sie werden somit als letztes vor einer Ausschüttung eines eventuellen Überschusses an die Gesellschafter beglichen. Eine derartige Einstufung verstößt nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG: Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verstößt es zwar gegen Art. 20 Abs. 3 GG, Sozialplanabfindungen im Rahmen einer richterlichen Auslegung als vorranging vor Ansprüchen gem. § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO einzuordnen, weil eine gesetzliche Regelungslücke nicht gegeben sei, wenn durch die Rechtsfortbildung massive Einbußen der 415  A. A.

Langenbucher, ZIP 2005, 239 (243). Art. 108 Abs. 2 EGInsO, § 51 VAG.

416  Beispielsweise



§ 9 Zusammenfassung des aktienrechtlichen Rahmens205

zurückgesetzten Konkursgläubiger in Kauf genommen würden.417 Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich jedoch nicht, dass jegliche Rechtsfortbildung im Bereich der Rangfolge der Insolvenzforderungen ausgeschlossen ist.418 Anders als in der Literatur angenommen,419 bedarf es deshalb auch nicht einer gesetzgeberischen Klarstellung, damit die Forderungen als nachrangig eingestuft werden können. Die dortige Konstellation ist mit der hier untersuchten auch nicht vergleichbar. Befürwortet wird lediglich eine weitere nachrangige Stufe nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Durch die Einführung einer solchen Kategorie erleiden die übrigen Insolvenzgläubiger, die deren Forderungen allesamt vorrangig wären, keine Einbußen. Lediglich die anderen Gesellschafter, deren mögliches Auseinandersetzungsguthaben geschmälert wird, tragen das Risiko eines Verstoßes gegen die Kapitalerhaltungsregeln.

D. Fazit Im Ergebnis kann der Investor somit die Gesellschaft in vollem Umfang in Anspruch nehmen. Die Gesellschaft darf den Haftungsanspruch nur aus dem Vermögen erfüllen, das das Grundkapital und die gläubigerschützenden Rücklagen übersteigt. Kann die Gesellschaft die Forderung im Zeitpunkt der Geltendmachung nicht vollständig erfüllen, besteht die Schuld fort und kann vom Investor geltend gemacht werden, wenn die Gesellschaft wieder über Eigenkapital verfügt, das über Grundkapital und gläubigerschützende Rücklagen hinausgeht. In der Zwischenzeit muss die Gesellschaft die Forderung als Rückstellung passivieren. Diese Passivierung kann jedoch nicht zu einer Überschuldung und damit zu einer Insolvenzantragspflicht führen, da die Forderung ihrer Natur nach nachrangig ist.

§ 9 Zusammenfassung des aktienrechtlichen Rahmens für die Haftung der Aktiengesellschaft gegenüber Aktionären Es besteht eine Kollision zwischen dem Aktienrecht, das das Vermögen der Aktiengesellschaft bindet, und der Haftung gegenüber Aktionären. Soweit diese Kollision mit dem Argument abgelehnt wird, dass die Pflichtverletzung zeitlich vor der Emission liege und der Anspruchsberechtigte in 417  BVerfG

NJW 1984, 475. Kindler, in: FS Hüffer (2010), S. 417 (426). 419  Baums, ZHR 167 (2003), 139 (170). Ähnlich der Vorschlag von Hopt / Voigt, in: Hopt / Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 9 (64 f.). 418  A. A.

206

1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

diesem Zeitpunkt noch nicht oder nur zufällig Aktionär sei420 und dass es treuwidrig sein könnte, dem Aktionär seine Aktionärsstellung entgegenzuhalten, weil er ohne die fehlerhafte Information nicht Aktionär geworden wäre,421 greifen diese Einwände nicht durch. Zunächst hat sich gezeigt, dass ein Aktionär trotz eines mit Willensmängeln behafteten Beitritts wirksam Aktionär wird. Damit entsteht ihm gegenüber auch die aktienrechtliche Kapitalbindung. Auf die Frage, ob vor der Beteiligung eine Pflichtverletzung stattgefunden hat, kommt es hierfür nicht an. Im Übrigen ist die Entscheidung auf fehlerhafter Grundlage eines der Risiken, die der Aktionär mit der Beteiligungsentscheidung eingeht. Ausnahmen von der Vermögensbindung aus Treuwidrigkeitsgesichtspunkten sind nicht anerkannt. Auch die Argumentation, dass eine Einlagenrückgewähr gem. § 57 AktG nicht vorliege, weil der Schadensersatzleistung an den Aktionär Regressansprüche gegen Vorstandsmitglieder gegenüberstünden, so dass sich die Schadensersatzleistung nicht vermögensmindernd auswirke,422 greift nicht durch: Zunächst käme es hierauf nach der hier vertretenen Ansicht nur an, wenn tatsächlich der gläubigerschützende Anteil ausbezahlt würde. Auch dann spricht jedoch gegen diese Kompensationslösung, dass die Ansprüche gegen Vorstandsmitglieder in vielen Fällen nicht vollwertig sein werden, insbesondere wenn die Forderungen das Vermögen des Vorstands übersteigen, so dass regelmäßig doch eine Wertminderung entsteht. Im Ergebnis lässt es das Aktienrecht zu, dass die Gesellschaft nach allgemeinen Regeln für schuldhaft fehlerhafte Informationen über das Unternehmen haftet, die sie potentiellen Investoren im Vorfeld einer Beteiligung an dem Unternehmen im Rahmen einer Kapitalerhöhung gibt. Die Haftung ist dabei begrenzt auf die Eigenkapitalbestandteile, die das Grundkapital und den vor der Kapitalerhöhung bestehenden Teil der Summe aus gesetzlicher Rücklage gem. § 150 Abs. 1, 2 AktG und Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB bis zum Anteil von 10 % oder einem in der Satzung bestimmten, höheren Anteil am Grundkapital (§ 150 Abs. 1–3 AktG) übersteigen. Der Aktionär kann maximal den Betrag des Agios zurückverlangen, aber er kann die Aktie nicht an die Gesellschaft zurückgeben oder verlangen, so gestellt zu werden, als hätte er die Aktie zu einem Ausgabepreis unterhalb des Nennbetrags erworben. Dieser Anspruch ist in jedem Falle zu bilanzieren, auch wenn er nicht erfüllt werden darf, ist jedoch in einer Überschuldungsbilanz der Gesellschaft nicht zu berücksichtigen. In der Insolvenz 420  Hommelhoff / von Aerssen, EWiR 1998, S. 579 (580), vergleichbar wohl OLG Frankfurt ZIP 2005, 710 – Comroad, Krämer / Baudisch, WM 1998, 1161 (1164, 1167), Schwark, in: FS Raisch (1995), S. 269 (287). 421  Langenbucher, ZIP 2005, 239 (242). 422  Wild, Prospekthaftung / Kapitalschutz, S.  117, Gebauer, Börsenprospekthaftung und Kapitalerhaltungsgrundsatz, S. 193 ff.



§ 9 Zusammenfassung des aktienrechtlichen Rahmens207

der Gesellschaft kann der Anspruch nur nach Erfüllung aller anderen, auch der nachrangigen Forderungen, vor der Auskehrung eines Überschusses an die Gesellschafter geltend gemacht werden. Diese doppelte Beschränkung des Haftungsrahmens der Aktiengesellschaft beruht auf folgenden Erwägungen: Die Auslegung der Vermögensbindungsvorschriften hat ergeben, dass diese Auszahlungen an die Aktionäre in weitaus größerem Umfang verbieten als die Geltendmachung gesetzlicher Ansprüche gegen die Aktiengesellschaft. Auszahlungen aus dem gebundenen Vermögen (Grundkapital, gesetzliche Rücklage, Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB) können nicht beschlossen werden, da das Kapital zum Teil als Haftungsfonds für die Gläubiger der Gesellschaft zur Verfügung stehen soll und zum Teil nicht ausgeschüttet werden kann, damit die Gesellschaft nicht höhere Erträge vortäuschen kann, als sie tatsächlich erwirtschaftet. Bei einer Haftung gegenüber einem bei einer Kapitalerhöhung fehlerhaft informierten Aktionär stellt sich die Interessenlage jedoch grundlegend anders dar als bei der Ausschüttung: Unantastbar sind hier die Interessen der Gläubiger, so dass Eigenkapitalbestandteile, die zu ihrem Schutz gebunden sind, nicht im Wege einer Haftung angegriffen werden dürfen. Dem Schutz der Gläubiger dienen dabei das Grundkapital und der vor der Kapitalerhöhung bestehende Teil der Summe aus gesetzlicher Rücklage gem. § 150 Abs. 1, 2 AktG und Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB bis zum Anteil von 10 % oder einen in der Satzung bestimmten, höheren Anteil am Grundkapital (§ 150 Abs. 1–3 AktG). Soweit die Summe aus Kapitalrücklage und gesetzlicher Rücklage den gläubigerschützenden Anteil übersteigt oder die Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1 AktG erst durch die konkrete Kapitalerhöhung geschaffen oder aufgefüllt wurde, dient sie nicht den Interessen der Gläubiger, sondern lediglich dem Interesse der Alt-Aktionäre an einer Vermeidung der Verwässerung ihres Anteilswerts. Da ein Fehlverhalten des Vorstands, das hier in der Fehlinformation des Investors liegt, den Alt-Aktionären zuzurechnen ist, müssen diese Eingriffe in die ihren Interessen dienenden Eigenkapitalbestandteile hinnehmen. Zu diesen zählen neben den von § 150 Abs. 4 AktG geregelten Teilen der Kapitalrücklage auch die freien, ausschüttungsfähigen Vermögensbestandteile (insb. freie Gewinnrücklagen, Gewinnrückstellungen und Bilanzgewinne). Der Anspruch des Investors ist allerdings beschränkt auf Schadensersatzansprüche maximal in der Höhe des Agios. In der Aktiengesellschaft ist es – außer in Fällen persönlich besonders schutzwürdiger Aktionäre – grundsätzlich ausgeschlossen, sich von einer einmal erworbenen Beteiligung durch Rückgabe an die Gesellschaft wieder zu lösen. Vorrangig ist immer der Verkauf der Aktie an einen Dritten. Auch darf die Aktiengesellschaft die Aktien nicht erwerben, da sie nicht nur vor dem Vermögensabfluss, sondern auch vor den Risiken aus dem Besitz der eigenen Aktien geschützt werden

208

1. Teil: Aktienrechtliches System der Haftung der Gesellschaft

soll. Ausnahmen, wie bei verschiedenen kapitalmarktrechtlichen Haftungstatbeständen, müssen im Gesetz ausdrücklich angeordnet werden. Eine Schadensersatzleistung, die den Betrag des Agios übersteigt, würde einer unzulässigen Unter-Pari-Emission gleichkommen. Reicht das verfügbare Eigenkapital nicht aus, ist im Übrigen eine Rückstellung für eine ungewisse Verbindlichkeit zu bilden. Diese Rückstellung ist in einem Überschuldungsstatus der Gesellschaft nicht aufzunehmen und kann somit auch nicht zu einer Insolvenz der Aktiengesellschaft beitragen. Im Insolvenzverfahren darf der Anspruch nicht mit den Ansprüchen der Gläubiger konkurrieren, sondern kann erst erfüllt werden, wenn alle, auch die nachrangigen Forderungen, beglichen wurden. Die Argumentation, die der Differenzierung zwischen einem originären und einem derivativem Erwerb zugrunde liegt423, nämlich dass die Aktiengesellschaft grundsätzlich nicht hafte, aber ein derivativer Erwerber einem Drittgläubiger ähnlich sei, weshalb die Kapitalerhaltung nicht eingreife, ist für die Haftung der kapitalmarktinaktiven Gesellschaft nicht von Bedeutung, da ein derivativer Erwerb, der auf einer Verlautbarung der Aktiengesellschaft beruht, nahezu niemals vorkommen wird. Für die spezialgesetzliche Prospekthaftung ist auf diese Argumentation an späterer Stelle zurückzukommen (siehe hierzu Zweiter Teil). Die Gefahren, die der Aktiengesellschaft aus einer Haftung im hier vertretenen Umfang drohen, sind weitaus geringer als die Risiken aus der spezialgesetzlichen Prospekthaftung. Insbesondere erstreckt sich die Haftung aus der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung oder der c.i.c. nicht auf alle anderen, ausstattungsgleichen Aktien, die nicht aus der konkreten Kapitalerhöhung stammen, wie dies bei der spezialgesetzlichen Prospekthaftung vorgesehen ist. Im Ergebnis haftet die Gesellschaft somit nur mit einem Betrag, der ihr ohnehin aus der Kapitalerhöhung zugeflossen ist. Daran zeigt sich, dass die gesetzliche Haftung nach allgemeinen Regeln nicht so stark ausgestaltet ist wie die spezialgesetzliche Haftung, aber ein Investor dennoch nicht schutzlos gestellt ist. Es handelt sich weniger um einen absoluten Schutz des Anlegers (wie bei der spezialgesetzlichen Prospekthaftung), sondern vielmehr um eine Möglichkeit, das Agio an den tatsächlichen Wert der Aktie anzupassen.

423  Für diese treten bei der Haftung nach allgemeinen Regeln Assmann, in: Assmann / Schütze, Handbuch Kapitalanlagerecht3, § 6 Rn. 139, ein.

Zweiter Teil

Überlagerung des aktienrechtlichen Systems durch spezialgesetzliche Prospekthaftung gem. §§ 44 ff. BörsG, § 13 VerkProspG § 10 Gleichrang des Funktionsschutzes des Kapitalmarktes mit dem Gläubigerschutz bei spezialgesetzlicher Prospekthaftung Die spezialgesetzlichen Prospekthaftungsnormen kollidieren mit der ak­ tienrechtlichen Kapitalerhaltung und Vermögensbindung. Nach herkömm­ lichem Verständnis liegt die Kollision darin, dass das Aktienrecht jede Auszahlung an einen Aktionär verbietet, die nicht im Rahmen eines zulässigen Drittgeschäfts, der Ausschüttung des festgestellten Bilanzgewinns oder einer gesetzlichen Ausnahme erfolgt. Die Erfüllung der Prospekthaftungsforderung stellt eine solche Auszahlung dar. Die im Ersten Teil gefundene Auslegung erlaubt dagegen grundsätzlich eine Haftung der Gesellschaft aufgrund von gesetzlichen, im Gesellschaftsverhältnis begründeten Ansprüchen mit den Eigenkapitalbestandteilen, die das Grundkapital und den Anteil von 10 % oder einen in der Satzung bestimmten, höheren Anteil am Grundkapital aus der Summe von gesetzlicher Rücklage gem. § 150 Abs. 1, 2 AktG und Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB, der vor der Kapitalerhöhung bestand, übersteigen.1 Sie schließt jedoch eine Übernahme der Aktie durch die Gesellschaft sowie eine vollständige Rückzahlung der Einlage aus.2 § 44 Abs. 1 BörsG gewährt dem Erwerber von Wertpapieren dagegen einen Anspruch auf Übernahme der Wertpapiere durch die Gesellschaft gegen Rückgewähr des Erwerbspreises, in der Höhe begrenzt auf den ersten Ausgabepreis der Wertpapiere. Auf diese Weise haftet die Gesellschaft mit sämtlichen Eigenkapitalbestandteilen und ist verpflichtet, die Aktie zu übernehmen.   Darüber hinaus schließt es das Aktiengesetz aus, dass eine Haftung an Aussagen über die Zukunft des Unternehmens anknüpft.3 Demgegenüber 1  Siehe

oben § 4. oben § 7. 3  Siehe oben § 6. 2  Siehe

210 2. Teil: Überlagerung des aktienrechtlichen Systems durch Prospekthaftung

beschränken die Bestimmungen über kapitalmarktrechtliche Dokumente den Inhalt der Aussagen, die über das Unternehmen getroffen werden dürfen, nicht generell. Das WpPG schreibt in § 5 Abs. 1 WpPG vor, dass Prospekte Angaben über die Zukunftsaussichten der Gesellschaft enthalten müssen. Im Prospektrecht wird dabei zwischen Gewinnprognosen und Trendinformationen unterschieden. Gewinnprognosen sind nach der Prospektverordnung freiwillig.4 Unter den Begriff der Gewinnprognose fällt gem. Art. 2 Nr. 10 ProspektVO jeder Text, in dem ausdrücklich oder implizit eine Zahl oder eine Mindest- oder Höchstzahl der Gewinne oder Verluste im laufenden oder in zukünftigen Geschäftsjahren genannt wird. Es reicht auch aus, dass Daten enthalten sind, aus denen man künftige Gewinne oder Verluste errechnen kann, auch wenn keine bestimmten Zahlen oder das Wort „Gewinn“ genannt werden. Trendinformationen sind demgegenüber vielfach verpflichtend.5 Dieser und der weitergehende Inhalt des Prospekts bezwecken gemäß dem 19. Erwägungsgrund der ProspektRL, derzeitige und potenzielle Anleger in die Lage zu versetzen, eine fundierte Bewertung der Anlagerisiken vornehmen und somit Anlageentscheidungen in voller Kenntnis der Sachlage treffen zu können. Die Informationen dienen also nur dazu, die Risiken richtig einzuschätzen, und sollen nicht zu einer darüber hinausgehenden Risikobegrenzung führen.6 Die von §§ 44, 45 BörsG vorgesehene Haftung geht also insoweit über das hinaus, was das Aktienrecht zulässt, als verlangt werden kann, dass die 4  Vgl.

ProspektVO, 8. Erwägungsgrund. ProspektVO, Anhang I Nr. 12, Anhang IV Nr. 8, Anhang IX Nr. 7, Anhang X Nr. 12, Anhang XI Nr. 7. 6  Fleischer, in: Gutachten F für den 64. Juristentag, S. F 29, zur alten Rechtslage nach der Emissionsprospektrichtlinie (Richtlinie 89 / 298 / EWG vom 17. April 1989, ABl. EG Nr. L 124 vom 05. Mai 1989).   Damit stimmt es überein, dass bei der Haftung für fehlerhafte Ad-hoc-Meldungen die Möglichkeit einer Rückgabe der Aktie an die Gesellschaft vielfach mit dem Argument abgelehnt wurde, dass die Gesellschaft nur das Risiko aus der Fehlinformation tragen müsse, aber nicht das allgemeine Markt- und Kursrisiko (Fleischer, BB 2002, 1869 (1872), Fuchs / Dühn, BKR 2002, 1063 (1069)). Vorrangig gestützt auf die Erwägung, dass ein Allgemeininteresse an der Richtigkeit von Ad-hocMeldungen besteht und nicht in erster Linie die Anleger geschützt werden sollen, ist heute auch herrschende Meinung zu den §§ 37b, c WpHG, dass nur der Kursdifferenzschaden ersetzt wird und der Aktionär nicht die Übernahme der Aktie durch die Aktiengesellschaft und die Erstattung des Kaufpreises verlangen kann (siehe unten § 10 D.I.2). Demgegenüber sieht das Gesetz für die spezialgesetzliche Prospekthaftung der §§ 44 ff. BörsG, § 13 VerkProspG ausdrücklich vor, dass die Gesellschaft die Aktien gegen Erstattung des Erwerbspreises, maximal des ersten Ausgabepreises, übernehmen muss. Dies hat zur Folge, dass die Gesellschaft möglicherweise für Kursverluste, die der Aktionär während der Zeit seiner Mitgliedschaft erlitten hat, aufkommen muss, auch wenn diese nicht allein auf die Fehlerhaftigkeit des Prospekts zurückzuführen sind. 5  Vgl.



§ 10  Funktionsschutz bei spezialgesetzlicher Prospekthaftung211

Gesellschaft die Aktie übernimmt und den vollen Ausgabebetrag zurückbezahlt, sie dabei mit sämtlichen Eigenkapitalbestandteilen haftet und dass die Haftung auch an fehlerhafte Prognosen anknüpfen kann. Ob die Forderung aus der Prospekthaftung auch als insolvenzrechtlich nachrangig einzustufen ist, ist zu untersuchen. Es stellt sich deshalb die Frage, wie sich das dargestellte, aktienrechtliche System mit der gesetzlichen Regelung der spezialgesetzlichen Prospekthaftung gem. §§ 44 ff. BörsG, § 13 VerkProspG vereinbaren lässt, nachdem die gesetzliche Haftung den aktienrechtlichen Rahmen überschreitet. Dabei ist insbesondere darauf einzugehen, woraus sich eine Spezialität der gesetzlichen Regelungen ergibt, und welches Regelungsziel das Überschreiten des allgemeinen Rahmens rechtfertigt.

A. Kollision der spezialgesetzlichen Prospekthaftung mit der aktienrechtlichen Vermögensbindung In der Literatur wird vertreten, dass eine Kollision zwischen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung und der Vermögensbindung nicht vorliege, weil der Anspruch aus der Prospekthaftung kapitalmarktrechtlicher Natur und nicht gesellschaftsrechtlicher Natur sei7 oder weil im Hinblick auf § 57 AktG ein Umsatzgeschäft vorliege, dessen Verpflichtung unmittelbar aus dem Gesetz folge, so dass die Zahlung nicht causa societatis erfolge8. Dreh- und Angelpunkt dieser Argumentation ist das schon von Martens formulierte Abgrenzungsproblem: „Je mehr das verletzte Recht dem Bereich der originären und substantiellen Aktionärsrechte zugehört, um so diffiziler wird die Restitution durch die Gesellschaft. (…) Je mehr das beeinträchtigte Recht ohne affinen Bezug zum Haftungsfonds und so einem Gläubigerrecht vergleichbar ist, um so weniger problematisch ist die Ersatzberech­ tigung.“9 Handelt es sich bei dem verletzten Recht aber um den Informa­ tionsanspruch aus der Prospektpflicht, der die Prospekthaftung auslöst, wird in der überwiegenden Literatur zu Recht angenommen, dass dieser einem Gläubigerrecht nicht vergleichbar ist, sondern dem Bereich der Aktionärsrechte zuzuordnen ist.10 Da die Veröffentlichung eines Prospekts keinen anderen Zweck hat, als den Erwerb der Aktien zu befördern, unterscheidet sich der Anspruch aus der Prospekthaftung auch signifikant von dem An7  Gebauer,

Börsenprospekthaftung und Kapitalerhaltungsgrundsatz, S. 197. Aerssen, EWiR 1998, S. 579 (580). Dieser Ansicht folgen Groß, WM 2002, 477 (481), ders., Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG, Rn. 16 sowie das OLG Frankfurt, in: ZIP 2005, 710 – Comroad. 9  Martens, ZGR 1972, 254 (284 f.). 10  Renzenbrink / Holzner, BKR 2002, 434 (436), Henze, NZG 2005, 115 (117), Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 19, Möllers, BB 2005, 1637 (1640). 8  Hommelhoff / von

212 2. Teil: Überlagerung des aktienrechtlichen Systems durch Prospekthaftung

spruch aus der Veröffentlichung fehlerhafter Ad-hoc-Mitteilungen, der in der EM.TV-Entscheidung behandelt und vom BGH als dem Anspruch eines Drittgläubigers nahe stehend angesehen wurde.11 Gegen das Argument, die Verletzung der Informationspflicht als das die Haftung auslösende Ereignis liege vor dem Erwerb der Mitgliedschaft, wird vor allem eingewendet, dass bei dem Erwerbsgeschäft und der Verletzungshandlung ein mitgliedschaft­ licher Bezug vorliege, der beide Vorgange verbindet. Deshalb sei auch der Bereich der Kapitalerhaltung betroffen.12 Außerdem bestehe der Schutz durch die Prospekthaftung nur wegen der – zukünftigen – Stellung als Mitglied, so dass Anspruch und Aktionärseigenschaft nicht nur zufällig zusammenfallen.13 Kern der Ansprüche ist die Entscheidung, die Wertpapiere zu erwerben und sich damit an der Gesellschaft zu beteiligen. Deshalb kann auch nicht jeder geschädigt werden, sondern nur derjenige, der das Risiko einer Aktienbeteiligung eingeht. Der Zeichner oder der Erwerber der Aktie muss sich aus diesem Grund auch wie ein Aktionär behandeln lassen. Außerdem geht der BGH davon aus, dass die Vorschriften über die Kapitalerhaltung auch einen zukünftigen Aktionär binden können.14 Deshalb greift auch das Argument, die Zahlung erfolge nicht causa societatis, nicht durch:15 Im Rahmen der Prospekthaftung kann nur an einen gegenwärtigen oder früheren Aktionär gezahlt werden, der Ansprüche aus dem Beitrittsvorgang geltend macht. Anzuknüpfen ist hier an die eigentliche Natur des Anspruchs, also an den Zusammenhang mit der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung, und nicht nur an die formale Gleichheit mit anderen gesetz­ lichen Schadensersatzansprüchen: Es zeigt sich dann, dass die Zahlung doch causa societatis erfolgt. Aus diesem Grund ist es auch nicht treuwidrig, dem Aktionär die Aktionärsstellung entgegenzuhalten: Der Erwerb von Aktien stellt eine Investition in Risikokapital dar. Dieses Risiko ist mannigfaltig und umfasst auch Nachteile aus der Stellung als Aktionär als solcher. Da der Aktionär dieses Risiko bewusst eingegangen ist, ist es auch zulässig, ihn nun einen Teil der Folgen tragen zu lassen. Der vermeintliche Ausgleich der Bilanz durch Regressansprüche gegen Vorstandsmitglieder besteht keinesfalls immer, und selbst wenn er bestehen sollte, ist seine Gleichwertigkeit zweifelhaft. Im Ergebnis ist also davon auszugehen, dass die Zahlung an 11  BGH, NZG 2005, 672 – EM.TV, kritisch Henze, in: FS Schwark (2009), S.  425 (428 ff.). 12  Henze, NZG 2005, 115 (117), ähnlich Henze, in: FS Schwark (2009), S. 425 (429 f.) zum EM.TV-Urteil. 13  Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 19, Renzenbrink / Holzner, BKR 2002, 434 (436), Wild, Prospekthaftung / Kapitalschutz, S. 112 ff., vergleichbar auch Möllers, BB 2005, 1637 (1640) zur Haftung für fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen. 14  BGH BB 2008, 524. 15  So auch Fleischer, in: K. Schmidt / Lutter, § 57 AktG Rn. 45.



§ 10  Funktionsschutz bei spezialgesetzlicher Prospekthaftung213

einen Aktionär im Rahmen der Prospekthaftung mit dem herrschenden Verständnis zur Kapitalerhaltung kollidiert.

B. Auslegung der Prospekthaftungsvorschriften nach lex-posterior- und lex-specialis-Grundsätzen Oben wurde bereits dargestellt, dass in der Literatur in den letzten Jahren ein Meinungsumschwung stattgefunden hat: Während früher die herrschende Ansicht unter Berufung auf reichsgerichtliche Urteile eine Haftung der Gesellschaft nur für derivativ erworbene Aktien zuließ, geht heute die überwiegende Zahl der Literaturstimmen davon aus, dass dem Anlegerschutz und damit der Regelung der Prospekthaftung im vollem Umfang der Vorrang vor den Kapitalerhaltungsregeln gebührt (siehe oben § 2 A.VI.). Hauptsächlich stützt sich diese Literaturansicht auf den lex-posterior- und den lex-specialis-Grundsatz, die Aussagen des Gesetzgebers bei der Neuregelung der Prospekthaftung im Dritten Finanzmarktförderungsgesetz und die Urteile des BGH zu EM.TV und Comroad. Im folgenden Abschnitt wird untersucht, ob diese Argumentation auch im Verhältnis zur eigenen Auslegung der aktienrechtlichen Vermögensbindung aus dem Ersten Teil zutrifft. I. Konkurrenz von Rechtsnormen Dazu soll das Verhältnis der Normen zunächst mit Hilfe der klassischen Auslegungsinstrumente zur Konkurrenz untersucht werden. Eine Normenkonkurrenz liegt vor, wenn der Wortlaut mehrerer Normen auf den gleichen Sachverhalt zutrifft.16 Die Auslegungsregeln beantworten die Frage nach dem Verhältnis zweier, sich widersprechender Normen in den Fällen, in denen sich aus dem Gesetz nicht ergibt, welcher Norm der Vorrang gebühren soll.17 Es besteht die Möglichkeit, dass beide Normen nebeneinander anwendbar sind, dass eine Norm die Anwendung der anderen Norm für den Konkurrenzbereich ausschließt oder dass eine Norm die andere für den Konkurrenzbereich endgültig ungültig macht. Schließen sich die Rechtsfolgen gegenseitig aus, kann nur einer der beiden Rechtssätze zur Anwendung kommen.18 Macht ein Aktionär Ansprüche aus der Prospekthaftung gegen die Gesellschaft geltend, ist es ausgeschlossen, dass die Gesellschaft sowohl 16  Zippelius,

Juristische Methodenlehre, S. 37. solche gesetzliche Klarstellung ist auch nicht notwendig. Das Gegenteil vertritt Henze, NZG 2005, 115 (118), der gegen eine Haftung bei originärem Erwerb der Aktien einwendet, dass sich aus dem Börsengesetz nicht ergebe, dass die Prospekthaftung vorrangig vor der Kapitalaufbringung sein solle. 18  Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft6, S. 266. 17  Eine

214 2. Teil: Überlagerung des aktienrechtlichen Systems durch Prospekthaftung

dem Verbot der Einlagenrückgewähr als auch der Prospekthaftung mit der Verpflichtung zur Übernahme der Aktie gegen Erstattung des Erwerbspreises Folge leistet; die Rechtsfolgen schließen sich also aus. 1. Grundsatz „lex posterior derogat legi priori“

Das Verhältnis zweier sich widersprechender Rechtsnormen zueinander kann durch den lex-posterior-Grundsatz beantwortet werden. Danach verdrängt eine jüngere eine ältere Regelung. Im Hinblick auf die aktienrechtliche Kapitalerhaltung und die börsengesetzliche Prospekthaftung liegt die erste Schwierigkeit schon darin, zu bestimmen, welches die ältere Norm ist. Lutter ging zunächst davon aus, dass „die (neuen) §§ 57, 71 ff. (AktG) die (alten) §§ 45, 46 BörsG verdrängen“, da die §§ 57, 71 ff. AktG durch die Umsetzung der 2. EG-Richtlinie verändert worden seien, während die Fassung der Prospekthaftung bereits deutlich älter sei.19 Richtigerweise nimmt inzwischen jedoch die herrschende Meinung an, dass die Prospekthaftung der Kapitalerhaltung zeitlich nachfolgt:20 Die aktienrechtliche Kapitalerhaltung findet sich bereits in den ältesten Vorläufernormen des heutigen Aktiengesetzes, z. B. in § 17 des Preußischen Gesetzes über die Aktiengesellschaften aus dem Jahr 1843 und in Artt. 216 f. des ADHGB aus dem Jahr 1870. Die Börsenprospekthaftung wurde dagegen erstmals durch die §§ 43, 44 des Börsengesetzes von 1896 eingeführt. Beide Regelungskomplexe haben sich seitdem verändert. Die Kapitalerhaltung wurde zuletzt durch die Änderungen des AktG 1965 sowie durch das Gesetz zur Umsetzung der Bilanzrichtlinie aus dem Jahr 1983 modifiziert. Das Aktiengesetz als solches wurde noch wesentlich öfter geändert. Die Prospekthaftung wurde zuletzt durch das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz aus dem Jahr 1998 sowie durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz aus dem Jahr 2007 geändert. Diesen vielen Änderungen kann nicht jeweils der Wille des Gesetzgebers, die Kollision völlig neu zu regeln, entnommen werden. Es kann deshalb bei der lex-posteriorRegel nicht allein auf die neueste Veränderung, sondern höchstens auf die zeitliche Reihenfolge bei Entstehung des Konflikts abgestellt werden. Dies würde für eine frühere Entstehung der Kapitalerhaltung und eine nachfolgende Einführung der Prospekthaftung sprechen. Dafür spricht weiterhin, dass in: KK AktG2 § 71 Rn. 69. Die börsengesetzliche Prospekthaftung befindet sich heute nicht mehr, wie von Lutter zitiert, in den §§ 45, 46 BörsG, sondern in den §§ 44, 45 BörsG. 20  Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 20, Groß, Kapitalmarktrecht, § 44, 45 BörsG Rn. 14, Fleischer, in: K. Schmidt  /  Lutter, § 57 AktG Rn. 39, Renzenbrink / Holzner, BKR 2002, 434 (436), Hamann, in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, §§ 44, 45 BörsG Rn. 83. Gegen die lex-specialis-Argumentation: Gebauer, Börsenprospekthaftung und Kapitalerhaltungsgrundsatz, S. 204 f. 19  Lutter,



§ 10  Funktionsschutz bei spezialgesetzlicher Prospekthaftung215

auch die Regelung des § 13 VerkProspG eindeutig nach der Kapitalerhaltung und der börsengesetzlichen Prospekthaftung eingeführt wurde, ihr Verhältnis zur Kapitalerhaltung aber genauso beantwortet werden muss wie das Verhältnis der börsengesetzlichen Prospekthaftung zur Kapitalerhaltung. Der lex-posterior-Grundsatz dient jedoch in erster Linie dazu, einem jüngeren Gesetz den Geltungsvorrang zu verschaffen, in dem die gleiche Materie geregelt ist wie in einem älteren Gesetz, welches nicht ausdrücklich aufgehoben wurde. Kern der Auslegungsregel ist, dass der Gesetzgeber mit dem Erlass der jüngeren Norm die frühere Rechtslage ändern und die ältere Regel aufheben wollte, ohne dies ausdrücklich zu tun.21 Dies ist allerdings schwierig zu beurteilen, wenn das neuere Gesetz die Materie nicht im gleichen Umfang regelt wie das ältere Gesetz. In diesen Fällen muss man anhand des Inhalts und der Zielsetzungen der unterschiedlichen Regelungen fragen, um ihr Verhältnis zueinander zu bestimmen. Dafür kommt zunächst der lex-specialis-Grundsatz in Frage. 2. Grundsatz „lex specialis derogat legi generali“

Der lex-specialis-Grundsatz ermöglicht es, vom Vorrang einer Norm auszugehen, die einer anderen Norm widerspricht.22 Er besagt, dass Spezialvorschriften die Anwendbarkeit der allgemeinen Vorschriften ausschließen. Es gibt dabei verschiedene Kategorien der Spezialität, in denen sich die Rechtsfolgen nicht miteinander vereinbaren lassen. Geht der Anwendungsbereich einer Norm vollständig in dem Anwendungsbereich einer anderen Norm auf, bliebe der Norm mit dem engeren Anwendungsbereich kein Anwendungsfall mehr, so dass die allgemeinere Norm in jedem Fall zurücktreten muss.23 Dies ist hier jedoch nicht gegeben. Stattdessen gibt es Fälle, in denen die Kapitalerhaltung und die Prospekthaftung sich widersprechen; jede Regelung hat aber auch ihren Anwendungsbereich, in dem sie nicht mit der anderen Norm kollidiert. Zu einer Kollision kommt es konkret, wenn eine Aktiengesellschaft aus der Prospekthaftung in Anspruch genommen werden soll. Dagegen kommt es nicht zu einer Kollision, wenn andere Leistungen durch die Gesellschaft unter Verweis auf die Kapitalerhaltung verweigert werden, oder wenn aus der Prospekthaftung andere Haftende als die Aktiengesellschaft in Anspruch genommen werden. Die lex-specialis-Regel ist nicht eindeutig, wenn sich die Tatbestände der Normen nur teilweise decken. Hier kommt es vielmehr auf den Sinn und Methodenlehre der Rechtswissenschaft6, S. 267. Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriffe2, S. 465. 23  Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft6, S.  267 f., Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriffe2, S. 465. 21  Larenz,

22  Bydlinski,

216 2. Teil: Überlagerung des aktienrechtlichen Systems durch Prospekthaftung

Zweck der Regelungen und den dahinterstehenden Wertungen an.24 Es müssen deshalb weitere Kriterien herangezogen werden, um zu beurteilen, welcher Norm der Vorrang gebühren soll. Diese allgemeinen Auslegungsregeln sind unabhängig vom lex-specialis-Grundsatz und dem lex-posteriorGrundsatz, die hier zu keinem eindeutigen Ergebnis geführt haben. Man könnte annehmen, dass der Wille des Gesetzgebers die Spezialität implizieren kann. Es wird sich zeigen, dass der Wille des Gesetzgebers eindeutig davon ausging, dass die Kapitalerhaltung und das Verbot des Erwerbs eigener Aktien der Erfüllung der Prospekthaftungsansprüche nicht entgegenstehen sollen. II. Historisch-teleologische Auslegung (nach dem Willen des Gesetzgebers) Die historische (subjektive) Auslegung befasst sich mit der Absicht des historischen Gesetzgebers. Zur Ergründung der Absicht des Gesetzgebers können unter anderem die Gesetzesmaterialien herangezogen werden, daneben auch die Rechtslage vor der Gesetzesänderung oder die Literatur, die zum damaligen Zeitpunkt vorlag. In einem demokratischen Staat geht man dabei davon aus, dass die offiziellen Gesetzgebungsinstanzen mit dem Text auch die Erwägungen übernehmen, unabhängig, von wem der Entwurf des Gesetzes und der Gesetzesbegründung stammt.25 Die Auslegung beschränkt sich also nicht mehr auf die Bewertung des (sprachlichen) Inhalts der entsprechenden Norm, sondern zieht außerhalb des Gesetzestextes liegende Materialien heran.26 Anhand der problemrelevanten Gründe und Zwecke, die sich aus diesen Materialien ergeben, ist von mehreren Auslegungsvarian­ ten derjenigen der Vorzug zu geben, die „der Regelungsabsicht des Gesetzgebers und dem Zweck der betreffenden Norm am ehesten gerecht wird (historisch-teleologische Auslegung).“27 Schon an früherer Stelle wurde ausgeführt, dass die heute herrschende Literaturansicht, die einen Vorrang der spezialgesetzlichen Prospekthaftung vor der Kapitalerhaltung annimmt, sich unter anderem auf die Gesetzesbegründung zum Dritten Finanzmarktförderungsgesetz28 stützt (siehe oben § 2 A.VI). Nach dieser kann die Gesellschaft sich „nicht auf die aktienrechtMethodenlehre der Rechtswissenschaft6, S. 268. Grundzüge Methodenlehre, S. 19 ff. 26  Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriffe2, S. 451. 27  Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft6, S. 344, vgl. auch Bydlinski, Grundzüge Methodenlehre, S. 21. 28  Drittes Finanzmarktförderungsgesetz vom 24. März 1998, BGBl.  I 1998, S. 529, Begründung Regierungsentwurf BT-Drucks. 13 / 8933. 24  Larenz,

25  Bydlinski,



§ 10  Funktionsschutz bei spezialgesetzlicher Prospekthaftung217

lichen Verbote der Einlagenrückgewähr gem. § 57 Abs. 1 Satz 1 und des Verbots des Erwerbs eigener Aktien gemäß §§ 71 ff. AktG berufen. Die in § 4529 getroffenen Regelungen enthalten insoweit abschließende Spezialregelungen, die den soeben erwähnten allgemeinen Grundsätzen vorgehen.“30 Nach dem Wortlaut ging der Gesetzgeber also davon aus, eine Regelung zu schaffen, die lex specialis gegenüber dem Verbot der Einlagenrückgewähr und dem Verbot des Erwerbs eigener Aktien ist. Fraglich ist, ob es eine bestimmte Bedeutung hat, dass der Gesetzgeber der Haftung nicht den Vorrang vor der gesamten Vermögensbindung resp. Kapitalerhaltung, sondern nur vor dem Verbot der Einlagenrückgewähr (und dem Verbot des Erwerbs eigener Aktien) einräumt. Ginge man – mit der hier vertretenen Ansicht – davon aus, dass eine Haftung mit den Eigenkapitalbestandteilen, die nicht gläubigerschützend sind und nur der Vermögensbindung zum Schutz der Gleichbehandlung der Aktionäre dienen, in jedem Fall möglich ist, könnte man genau diesen Wortlaut wählen, um zum Ausdruck zu bringen, dass die spezialgesetzliche Prospekthaftung sich nur gegenüber dem Schutz des Grundkapitals und der gläubigerschützenden Rücklagen durchsetzen muss. Andererseits kann man auch vertreten, dass der Gesetzgeber sich nicht auf ein Institut beziehen wollte, das zwar in der Literatur und Rechtsprechung herrschende Ansicht, aber nicht wörtlich im Gesetz verankert ist. Jedenfalls kann man dem Wortlaut der Regierungsbegründung entnehmen, dass der Gesetzgeber die spezialgesetzliche Prospekthaftung gem. §§ 44 ff. BörsG auch zu Lasten der Aktiengesellschaft in vollem Umfang einführen wollte. Diese Argumentation muss auch auf die Prospekthaftung gem. § 13 ­ erkProspG übertragen werden. Hier kann es zu der identischen Kollision V zwischen Haftung und Kapitalerhaltung (Verbot der Einlagenrückgewähr) und Verbot des Erwerbs eigener Aktien kommen. Der Text des § 13 VerkProspG erklärt die Vorschriften der §§ 44–47 BörsG unter bestimmten Maßgaben für anwendbar. Es handelt sich also nicht um eine völlig eigenständige Anspruchsgrundlage. Auch der Anwendungsbereich bezieht sich unter anderem auf Wertpapiere, die nicht zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind. Darunter fallen offensichtlich auch Aktien. Hätte der Gesetzgeber also die Haftungsadressaten oder den Haftungsumfang anders bestimmen wollen als bei den §§ 44 ff. BörsG, so hätte dies leicht als weitere Maßgabe aufgenommen werden können. Da das nicht geschehen ist, darf man annehmen, dass auf den gesamten Umfang der §§ 44 ff. BörsG verwiesen werden sollte, einschließlich des Vorrangs vor den Verboten der Einlagenrückgewähr und des Erwerbs eigener Aktien.

29  Heute: 30  Begr.

§ 44 BörsG. RegE BT-Drucks. 13 / 8933, S. 78.

218 2. Teil: Überlagerung des aktienrechtlichen Systems durch Prospekthaftung

III. Fazit Es zeigt sich also, dass der Gesetzgeber bei der Neuregelung der börsengesetzlichen Prospekthaftung durch das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz im Jahr 1998 der Prospekthaftung der Vorrang vor den aktienrechtlichen Grundsätzen des Verbots der Einlagenrückgewähr und des Verbots des Erwerbs eigener Aktien einräumen wollte. Entsprechendes ist für die Haftung gem. § 13 VerkProspG anzunehmen. Die Aktiengesellschaft kann dementsprechend von den Aktionären aus der spezialgesetzlichen Prospekthaftung in Anspruch genommen werden. Dies beinhaltet, dass sie die Aktie gegen Rückzahlung des Ausgabepreises unabhängig davon, ob aus welchen Eigenkapitalbestandteilen diese Leistung erbracht werden kann, zurücknehmen muss. Dies beinhaltet wiederum den Erwerb der Aktie durch die Gesellschaft. Die oben dargelegten Beschränkungen des Aktienrechts (mit der Ausnahme des insolvenzrechtlichen Nachrangs, auf den an späterer Stelle einzugehen ist), gelten hier also nicht. Dieser Vorrang gilt unabhängig davon, ob die Aktie originär oder derivativ erworben wurde, so dass die an die Rechtsprechung des Reichsgerichts anknüpfende Differenzierung zwischen originärem und derivativem Erwerb nicht mehr aufrecht erhalten werden kann.

C. Aussagen der Rechtsprechung des BGH in Sachen EM.TV und Comroad (zur Haftung für fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen) Vielfach werden auch die Urteile des BGH in Sachen EM.TV und Comroad zitiert, um darzulegen, dass die Prospekthaftung vor der Kapitalerhaltung vorrangig sei. Da die Urteile jedoch de facto nicht in einer Prospekthaftungs-Konstellation ergangen sind, gilt es zu prüfen, welche Aussagen sie genau treffen und inwieweit diese auf die Prospekthaftung gem. §§ 44 ff. BörsG, § 13 VerkProspG zu übertragen sind. Als Folge des Zusammenbruchs des „Neuen Marktes“ erhielten Gerichte die Gelegenheit, über verschiedene Haftungskonstellationen für fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen zu befinden. In den Urteilen aus dem InfomatecKomplex wurde dabei über die Haftung der Vorstände entschieden und in den Urteilen zu Comroad und EM.TV über die Haftung der Aktiengesellschaft selbst. Das EM.TV-Urteil und die Comroad-Urteile betreffen dabei nur die Haftung der Aktiengesellschaft aus § 826 BGB und aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 400 AktG wegen der Veröffentlichung falscher Ad-hoc-Mitteilungen. Die Spezialregelungen zur Haftung für fehlerhafte oder fehlende Ad-hoc-Meldungen der §§ 37b, c WpHG fanden keine Anwendung, da sie im Zeitpunkt der Veröffentlichung der streitgegenständlichen Meldungen noch nicht in Kraft waren. In Zusammenhang mit der Haftung gem. § 826



§ 10  Funktionsschutz bei spezialgesetzlicher Prospekthaftung219

BGB sowie aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 400 AktG wurden Aussagen zum Verhältnis der Kapitalerhaltung und des Verbots des Erwerbs eigener Aktien zur Haftung gegenüber Aktionären getroffen. Fraglich ist jedoch, wie weit diesen Urteilen Aussagen hinsichtlich einer Haftung aus anderen Haftungstatbeständen, insbesondere §§ 44 ff. BörsG bzw. § 13 VerkProspG entnommen werden können. I. Zusammenfassung der Urteile 1. Kein Entgegenstehen der Kapitalerhaltung und des Verbots des Erwerbs eigener Aktien

Sowohl der BGH als auch die Oberlandesgerichte München und Frankfurt nahmen – mit etwas abweichenden Begründungen – an, dass die Ak­ tiengesellschaft sich gegenüber dem Schadensersatzanspruch gem. §§ 826, 31 BGB bzw. gem. § 400 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AktG i. V. m. §§ 823 II, 31 BGB weder auf das Verbot der Einlagenrückgewähr des § 57 AktG noch auf das Verbot des Erwerbs eigener Aktien gem. §§ 71 ff. AktG berufen kann. a) BGH Der BGH geht in Sachen EM.TV31 zunächst ausführlich darauf ein, dass die Aktionäre Naturalrestitution in der Form der Erstattung des gezahlten Kaufpreises gegen Übertragung der erworbenen Aktien verlangen können und nicht nur die Differenz zwischen dem tatsächlichen Transaktionspreis und dem Preis, der sich bei pflichtgemäßer Information gebildet hätte. Die Zurechnung gem. § 31 BGB werde nicht durch § 15 Abs. 6 WpHG ausgeschlossen, da Schadenersatzansprüche, die auf anderen Rechtsgrundlagen beruhen, von dieser Norm nicht berührt werden: Im Gesetzgebungsverfahren sei besonders darauf hingewiesen worden, dass es mit den Grundsätzen der Rechtsordnung nicht vereinbar sei, wenn die Haftung des Emittenten in Fällen betrügerischer oder sittenwidriger Schädigung Dritter ausgeschlossen wäre.32 Die Haftung der Aktiengesellschaft sei dabei nicht durch das Verbot der Einlagenrückgewähr (§ 57 AktG) und das Verbot des Erwerbs eigener Ak­ 31  BGH

NZG 2005, 672 (674) – EM.TV. BGH (BGH NZG 2005, 672 (673) – EM.TV) verweist dazu auf den Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 12 / 7918, welcher ausführte, dass ein Haftungsausschluss zu Gunsten des Emittenten in Fällen betrügerischer oder sittenwidriger Schädigung Dritter mit den Grundsätzen der Rechtsordnung nicht vereinbar sei und eine sachlich nicht vertretbare Bevorzugung des Emittenten gegenüber anderen Unternehmen darstellen würde. 32  Der

220 2. Teil: Überlagerung des aktienrechtlichen Systems durch Prospekthaftung

tien (§§ 71 ff. AktG) beschränkt: Der BGH referiert zunächst die Rechtsprechung des Reichsgerichts zur Unterscheidung zwischen originärem und derivativem Erwerb. Es könne aber dahinstehen, ob es dieser Unterscheidung im Lichte der eindeutig auf eine uneingeschränkte Haftung der Aktiengesellschaft deutenden Äußerungen des Gesetzgebers in der Begründung zu § 15 Abs. 6 Satz 2 WpHG, zu §§ 37b, c WpHG und zu §§ 44 f., 47 Abs. 2 BörsG noch bedürfe. Auch auf der Grundlage dieser Differenzierung müsse jedenfalls bei einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung und einem vorsätzlichen Verstoß gegen das anlegerschützende Gesetz des § 400 AktG der Kapitalschutzgedanke zurückstehen. Da die Aktien derivativ auf dem Sekundärmarkt erworben worden seien, beruhten die Schadensersatzforderungen nicht in erster Linie auf der mitgliedschaftlichen Sonderrechtsbeziehung als Aktionäre, sondern auf ihrer Stellung als Drittgläubiger. Die Haftung knüpfe an die Verletzung gesetzlicher Publizitätspflichten an, die in erster Linie die Funktionsfähigkeit des sekundären Kapitalmarkts schützten, so dass das Gesellschaftsvermögen nicht anders als bei sonstigen Deliktsansprüchen außenstehender Gläubiger in Anspruch genommen werde. Es verstoße auch nicht gegen §§ 71 ff. AktG, dass die Gesellschaft im Rahmen der Naturalrestitution die Aktien des geschädigten Aktionärs übernehme und dadurch eigene Aktien erwerbe. Die Tatsache, dass es zu einer Übernahme eigener Aktien durch die Gesellschaft komme, sei als Besonderheit der kapitalmarktrechtlichen Naturalrestitution von der Gesellschaft hinzunehmen: Der Geschädigte müsse die Aktien vor allem herausgeben, damit ihm aus Anlass der Schädigung kein über den Ersatz des Schadens hinausgehender Vorteil verbleibe.33 Auf diese Argumentation nahm der BGH in den Revisionsentscheidungen in Sachen Comroad Bezug: Dort erläuterte er wiederholt, dass die Gesellschaft gem. § 31 BGB für die vorsätzlichen, sittenwidrigen Schädigungen des Vorstands einzustehen habe und die Naturalrestitution nicht durch die aktienrechtlichen Gläubigerschutzvorschriften über das Verbot der Einlagenrückgewähr und das Verbot des Erwerbs eigener Aktien begrenzt oder ausgeschlossen seien. „Die hiergegen gerichtete Kritik der Revision gibt dem Senat zu einer Änderung seiner neuen Rechtsprechung keine Veranlassung“.34 Der BGH stützt also den Vorrang der Haftung der Aktiengesellschaft in gleicher Weise auf die Stellung des derivativen Erwerbers, die einem Drittgläubiger vergleichbar ist, und auf die sittenwidrige vorsätzliche Schädi33  BGH NZG 2005, 672 (674) – EM.TV, zustimmend Kort, NZG 2005, 708 (709). 34  BGH ZIP 2007, 1560 (1561) – Comroad IV, BGH ZIP 2007, 1564 – Comroad V, vergleichbar BGH ZIP 2008, 407 (408) – Comroad VI, BGH ZIP 2008, 410 (411) – Comroad VII, BGH ZIP 2008, 829 (830) – Comroad VIII.



§ 10  Funktionsschutz bei spezialgesetzlicher Prospekthaftung221

gung: Er bezeichnet die Handlung des Vorstands als „kapitalmarktbezogene sittenwidrige Beeinträchtigung der Willensfreiheit des Anlegers“.35 b) Vergleichbare Argumentation des OLG München und des OLG Frankfurt Anders als der BGH, der deutliche Zweifel an der herrschenden Ansicht anmeldet, die für das Verhältnis zwischen Kapitalerhaltungsgrundsatz und Verbot eigener Aktien einerseits und der börsengesetzlichen Prospekthaftung andererseits zwischen originärem und derivativem Erwerb differenziert, schließt sich das OLG Frankfurt dieser auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts zurückgehenden Ansicht an.36 Im vorliegenden Fall komme es jedoch für die Haftung für fehlerhafte Ad-hoc-Meldungen auf diese Differenzierung nicht an, da der Anleger seine Aktien jedenfalls über die Börse erworben habe. Die Ansprüche der getäuschten Anleger aus § 826 BGB seien vorrangig vor den §§ 57 Abs. 1, 71 Abs. 1 AktG, da die Haftung aus § 826 BGB die Folge eines Verhaltens sei, das zeitlich vor der Begründung der Aktionärsstellung liege. Die Haftung knüpfe deshalb nicht an gesellschaftsrechtliche, sondern an kapitalmarktrechtliche Beziehungen zwischen Anleger und Gesellschaft an. Bei wirtschaftlicher Betrachtung erschwere eine Überbetonung des Gläubigerschutzes zum Nachteil des Anlegerschutzes den Zugang von Investoren, die bereit seien, Risikokapital bereit zu stellen. Auch in anderen Fällen beziehe es die Rechtsprechung in eine Abwägung mit ein, wenn Ansprüche – wie § 826 BGB – ein besonders schweres Fehlverhalten und dementsprechend ein besonderes Schutzbedürfnis des Geschädigten voraussetzen. Dieser Entscheidung des OLG Frankfurt schloss sich der 23. Zivilsenat des OLG München – ebenfalls unter Hinweis auf den derivativen Erwerb – in einer Entscheidung an.37 Der 7. Zivilsenat des OLG München hielt für die Frage, ob sich die Gesellschaft auf §§ 57, 71 ff. AktG berufen kann, für entscheidend, ob sich die Parteien wie Dritte gegenüberstehen oder ob ihr Verhältnis organisationsrechtlich geprägt ist.38 Bei der öffentlichen Erstbegebung von Aktien stünden sich Aktionär und Gesellschaft nur anfangs wie Dritte gegenüber, vollzögen dann aber wesentliche gesellschaftsrechtliche Schritte. Dagegen stünden sich bei einem späteren derivativen Erwerb der Aktien der Käufer und die Gesellschaft immer wie Dritte gegenüber, das dem derivativen Er35  BGH 36  OLG

NZG 2005, 672 (674) – EM.TV. Frankfurt ZIP 2005, 710 (713) – Comroad, OLG Frankfurt NZG 1999,

1072. 37  OLG München ZIP 2005, 1141 (1143) – Comroad. 38  OLG München ZIP 2005, 901 (903) – Comroad.

222 2. Teil: Überlagerung des aktienrechtlichen Systems durch Prospekthaftung

werb zugrunde liegende Rechtsgeschäft sei also nicht gesellschaftsrechtlich geprägt. Dementsprechend werde seit dem Urteil RGZ 88, 271 der Gesellschaft abgesprochen, sich auf das aktienrechtliche Verbot der Einlagenrückgewähr zu berufen. Dieses Ergebnis hinsichtlich des derivativen Erwerbs entspreche auch ökonomischen Gegebenheiten: Kapitalmarktteilnehmer seien bei unrichtigen Angaben einer Gesellschaft nicht weniger schützenswert als Teilnehmer am Warenverkehr oder Kreditgläubiger der Gesellschaft. Es sei auch nicht nachvollziehbar, wenn die Aktiengesellschaft auf Kosten der Geschädigten an die Aktionäre Dividende ausschütte. Außerdem habe der Gesetzgeber selbst in der Begründung zum Dritten Finanzmarktförderungsgesetz ausgeführt, dass das Verbot der Einlagenrückgewähr und das Verbot des Erwerbs eigener Aktien hinter die Prospekthaftung zurücktreten müssen. Auch wenn bei einer Rückabwicklung die Stellung des Erwerbers als Aktionär rückgängig gemacht werde, so geschehe das nur deswegen, weil eine unmittelbare Rückabwicklung (mit dem Verkäufer) ausscheide. Die Vorschriften der §§ 71 ff. AktG gälten dementsprechend nur für den aktiven Erwerb eigener Aktien.39 Es zeigt sich also, dass beide Oberlandesgerichte der Ansicht des Reichsgerichts folgen und einen Vorrang der kapitalmarktrechtlichen Haftung nur in Fällen des derivativen Erwerbs gestatten. Beide leiten den Vorrang der Haftung daraus ab, dass sich die Gesellschaft und der Aktionär wie Dritte gegenüberstehen, begründen das aber unterschiedlich. Oben hat sich jedoch bereits gezeigt, dass die Argumentation, die zu einer Differenzierung zwischen derivativem und originärem Erwerb führt, nicht überzeugt.40 Auch die Einordnung des Aktionärs als einem Dritten gleichstehend ist problematisch. 2. Keine Haftungsbeschränkung auf das freie Kapital und kein Mitverschulden

Keines der Gerichte folgte der in der Literatur diskutierten Beschränkung der Haftung auf bestimmte Vermögensbestandteile der Gesellschaft, insbesondere das freie Vermögen. Das OLG Frankfurt führt aus, dass eine Beschränkung der Haftung auf das freie Kapital in der Prozesspraxis zu kaum lösbaren Schwierigkeiten führen würde, da bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen immer eine Bilanz erstellt werden müsste, um die dann gestritten würde.41 Das OLG München nimmt an, dass eine Beschränkung des Schadensersatzes auf das freie Vermögen der Aktiengesellschaft oder die Begrenzung auf einen Differenzschaden nicht möglich seien, 39  OLG

München ZIP 2005, 901 (903 f.) – Comroad. § 7 C.I.2. 41  OLG Frankfurt ZIP 2005, 710 (713) – Comroad. 40  Siehe



§ 10  Funktionsschutz bei spezialgesetzlicher Prospekthaftung223

weil die Gesellschaft sich generell nicht auf das Verbot der Einlagenrückgewähr berufen könne.42 Der BGH verneint ebenfalls eine Möglichkeit der Beschränkung auf das freie Vermögen, da die Gesellschaft bei der kapitalmarktbezogenen sittenwidrigen Schädigung der Willensfreiheit des Anlegers sich nicht auf den Vermögensbindungsgrundsatz berufen könne, da sie nicht anders als bei sonstigen Deliktsansprüchen außenstehender Gläubiger in Anspruch genommen werde.43 Diese Ablehnung einer Differenzierung nach Vermögensmassen beruht darauf, dass die Gerichte annehmen, die Aktionäre seien in der streitgegenständlichen Konstellation Drittgläubigern ähnlicher als Aktionären. Gegenüber Drittgläubigern haftet die Gesellschaft aber niemals beschränkt auf bestimmte Vermögensbestandteile. Diese Rechtsprechung schließt es jedoch nicht aus, in anderen Konstellationen, in denen die Aktionäre nicht mit Drittgläubigern zu vergleichen sind, nach dem Schutzzweck der verschiedenen Vermögensbestandteile zu fragen und auch eine gewisse Haftung gegenüber Aktionären zuzulassen. Auch eine Kürzung des Schadenersatzanspruchs wegen Mitverschuldens lehnen die Gerichte ab.44 Vor dem OLG Frankfurt trug die Aktiengesellschaft vor, dass eine derartige Kürzung vorzunehmen sei, weil der Aktionär in ein hochspekulatives Papier investiert habe. Nach Ansicht des Gerichts wiegt der Betrug so schwer, dass der Beitrag des Anlegers als nicht haftungsrelevant zurückgedrängt wird, da sich kein allgemeines Kursrisiko verwirklicht hat, sondern der Anleger betrogen worden ist.45 Nach Ansicht des OLG München liegt ebenfalls in dem spekulativen Moment der Aktienkäufe kein Mitverschulden. Auch eine Schadensminderungsmöglichkeit des Aktionärs bestand nicht, da mit der Aufklärung des Sachverhalts der Ak­ tienkurs dauerhaft verfallen ist.46 II. Stellungnahme: Keine Übertragbarkeit auf Prospekthaftung Der BGH, das OLG München und das OLG Frankfurt treffen in diesen Urteilen Aussagen über das Verhältnis der Haftung der Gesellschaft gegenüber Aktionären zum Grundsatz der Vermögensbindung und zum Verbot des Erwerbs eigener Aktien. Diese beziehen sich dabei in erster Linie auf die Haftung der Aktiengesellschaft gem. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 400 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AktG und gem. 826 BGB, jedoch nach dem überwiegenden Verständnis – insbesondere der Entscheidung des BGH – werden auch allge42  OLG

München ZIP 2005, 901 (903) – Comroad. NZG 2005, 672 (674) – EM.TV. 44  Zustimmend Kort, NZG 2005, 496 (498). 45  OLG Frankfurt ZIP 2005, 710 (713 f.) – Comroad. 46  OLG München ZIP 2005, 901 (904) – Comroad. 43  BGH

224 2. Teil: Überlagerung des aktienrechtlichen Systems durch Prospekthaftung

meine Aussagen zum Verhältnis einer kapitalmarktrechtlichen Informationshaftung zur Vermögensbindung getroffen. 1. Aussagen zur Haftung gem. § 826 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 400 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AktG

Die Urteile stimmen darin überein, dass die Haftung gem. § 826 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 400 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AktG nicht durch die aktienrechtliche Kapitalerhaltung gem. § 57 Abs. 1 AktG und das Verbot des Erwerbs eigener Aktien gem. § 71 AktG ausgeschlossen ist. Bei der zentralen Frage, weshalb die Leistung von Schadensersatz an einen Aktionär nicht gegen die Kapitalerhaltungsvorschrift des § 57 Abs. 1 AktG verstößt, wählt jedoch das OLG Frankfurt im Detail eine andere Begründung als das das OLG München und der BGH. Während das OLG Frankfurt annimmt, dass das Verbot der Einlagenrückgewähr nicht vorrangig sei, weil der Geschädigte im Zeitpunkt der Schädigung nicht Aktionär ist, nehmen das OLG München und der BGH an, dass der Grundsatz der Vermögensbindung hier zwar gelten würde, aber zurücktreten müsse, weil die Verantwortlichen sittenwidrig und vorsätzlich handelten und weil die Leistung mit einer deliktischen Haftung gegenüber einem beliebigen Dritten vergleichbar sei. Alle drei Gerichte nehmen also an, dass der Aktionär ausnahmsweise nicht als solcher zu behandeln ist, weil seine Stellung der eines Drittgläubigers ähnlicher ist. Einer Haftung gegenüber Drittgläubigern kann eine Aktiengesellschaft jedoch nicht die Kapitalerhaltung und das Verbot des Erwerbs eigener Aktien entgegenhalten. Auf diese Weise erhalten die Aktionäre den gleichen Rang wie die regulären Gläubiger der Gesellschaft und damit den Vorrang vor den Ansprüchen der anderen Aktionäre.47 Diese auf die Vergleichbarkeit mit einem Drittgläubiger abstellende Argumentation dürfte allerdings in den meisten Fällen zu den gleichen Ergebnissen führen wie die zwischen originärem und derivativem Erwerb differenzierende Rechtsprechung des Reichsgerichts: Schädigt die Gesellschaft einen Aktionär, der die Aktie von einem Dritten kauft, indem sie auf seine Beteiligungsentscheidung einwirkt, so wird man regelmäßig annehmen können, dass der Aktionär im Verhältnis zur Gesellschaft einem Drittgläubiger vergleichbar ist. Schädigt die Gesellschaft dagegen in dieser Weise einen Aktionär, der die Aktie direkt bei ihr zeichnet, hängt die Schädigung so sehr mit der Beteiligung zusammen, dass die Position des Aktionärs mit der eines Drittgläubigers nicht mehr zu vergleichen ist. Das OLG Frankfurt und das OLG München folgen ja auch ausdrücklich der Differenzierung zwischen originärem und derivativem Erwerb. Dieses Er47  Fleischer,

ZIP 2005, 1805 (1810).



§ 10  Funktionsschutz bei spezialgesetzlicher Prospekthaftung225

gebnis stellt keinen Widerspruch dazu dar, dass der BGH nach der überwiegenden Rezeption in der Literatur dazu geneigt scheint, bei der börsengesetzlichen Prospekthaftung die Differenzierung zwischen originärem und derivativem Erwerb aufzugeben: Hier berücksichtigt der BGH erstmals die Aussagen des Gesetzgebers, die eindeutig von einer nicht durch die Kapitalerhaltung und das Verbot des Erwerbs eigener Aktien beschränkten Haftung ausgehen. Deshalb ist der BGH frei, in der nächsten Entscheidung zur Prospekthaftung gem. § 44 BörsG (sowie zu anderen Haftungstatbeständen, die als Spezialregelung eingeordnet werden können) nach der lexspecialis-Regel auch bei originärem Erwerb der Aktie eine unbeschränkte Haftung der Aktiengesellschaft zuzulassen. Auf die Kollision mit dem Verbot des Erwerbs eigener Aktien geht das OLG Frankfurt nicht gesondert ein. Das OLG München legt § 71 AktG so aus, dass dadurch nicht jeder Erwerb eigener Aktien, sondern nur der aktive Ankauf verboten werde.48 Der BGH nimmt Vergleichbares an, wenn er davon ausgeht, dass die Übernahme der Aktien lediglich eine Folge der Naturalrestitution sei.49 Die Urteile setzen sich also nicht damit auseinander, ob dem Verbot des Erwerbs eigener Aktien ein anderer oder weitergehender Schutzzweck zukommt als der Kapitalerhaltung. Dies wäre jedoch bei der Haftung aus § 826 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 400 AktG angebracht gewesen. Nur beim Verhältnis der Kapitalerhaltung zur spezialgesetzlichen Prospekthaftung kann man aus dem Willen des Gesetzgebers und dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes annehmen, dass das Verbot eigener Aktien nicht entgegenstehen sollte. 2. Übertragbarkeit auf andere Haftungskonstellationen

Darüber hinaus stellen die Urteile die Diskussion um das Verhältnis der kapitalmarktrechtlichen Haftung (Prospekthaftung gem. §§ 44, 45 BörsG, Haftung für fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen gemäß §§ 37b, c WpHG sowie wohl auch die Haftung gem. § 13 VerkProspG) zur Kapitalerhaltung und zum Verbot eigener Aktien dar. Sie stellen dabei unter anderem auf die Gesetzesbegründung zum Dritten Finanzmarktförderungsgesetz ab, nach welcher die Haftung nicht auf die Fälle eines derivativen Erwerbs beschränkt ist, sondern umfassend gilt. Der BGH tendiert ebenfalls eindeutig dazu, die vom Reichsgericht und von Teilen der Literatur vertretene Differenzierung zwischen originärem und derivativem Erwerb aufzugeben50 und der kapi48  OLG

München, ZIP 2005, 901 (904) – Comroad. NZG 2005, 672 (674) – EM.TV, kritisch Henze, in: FS Schwark (2009), S.  425 (431 ff.). 50  Selbe Einschätzung bei Hutter / Stürwald, NJW 2005, 2428 (2430), Kort, NZG 2005, 708 (709), Engelhardt, BKR 2006, 443 (444), Goette, DStR 2006, 139 (140). 49  BGH

226 2. Teil: Überlagerung des aktienrechtlichen Systems durch Prospekthaftung

talmarktrechtlichen Informationshaftung unabhängig von dem Erwerbsweg den Vorrang vor der Vermögensbindung und dem Verbot des Erwerbs eigener Aktien einzuräumen. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass es für die Entscheidung des BGH letztlich in keinster Weise darauf ankam, die bisherige Rechtsprechung in Zweifel zu ziehen, da Ansprüche der Anleger auch bei Differenzierung zwischen originärem und derivativem Erwerb begründet gewesen wären, nachdem die Aktien ja derivativ erworben worden waren. Die Rezensionen in der Literatur gehen im Grundsatz davon aus, dass das Problem der Kollision der Haftung gegenüber Aktionären mit der Kapitalerhaltung und dem Verbot des Erwerbs eigener Aktien sich in gleicher Weise bei der Haftung gem. § 826 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 400 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AktG wie bei der spezialgesetzlichen Haftung (§§ 44 ff. BörsG, § 13 VerkProspG) stellt.51 Für die Problemstellung trifft das zu. Es führt allerdings nicht dazu, dass die in dem Urteilen EM.TV und Comroad entwickelten Lösungsansätze auf die spezialgesetzlich geregelte Prospekthaftung übertragen werden könnten: Der Aktionär, der einen Prospekthaftungsanspruch geltend macht, steht der Gesellschaft jedenfalls bei originärem oder mittelbarem Erwerb so nahe, dass er nicht als Drittgläubiger eingeordnet werden kann, weshalb eine Haftung auf diesem Wege nicht begründet werden kann. Bei der spezialgesetzlichen Prospekthaftung ergibt sich der Vorrang des Anlegerschutzes vor der Kapitalerhaltung jedoch aus den eindeutigen Aussagen des Gesetzgebers, die auch der BGH anzuerkennen scheint. 3. Differenzierung zwischen originärem und derivativem Erwerb aus Wertungsgesichtspunkten

Die Differenzierung zwischen originärem und derivativem Ererb wird und wurde bereits vom Reichsgericht zusätzlich damit begründet, dass derjenige, der eine Einlage auf das ursprüngliche oder erhöhte Grundkapital leistet, sich von demjenigen unterscheidet, der eine Beteiligung an der Aktiengesellschaft in Form eines Umsatzvertrages erwerbe.52 Die Haftung beruht in diesem Fall auf einer Verletzung einer Informationspflicht der Gesellschaft gegenüber Akteuren am Kapitalmarkt, die Aktionäre der Gesellschaft sein können oder auch nicht. Ist der Anspruch also im Kern kapitalmarktrecht­ licher Art und fließt nicht aus der Gesellschafterstellung, liegt eine Kolli­sion mit der Vermögensbindung nicht mehr vor.53 Die Aktionäre befänden sich 51  Fleischer, ZIP 2005, 1805 (1810), Hutter / Stürwald, NJW 2005, 2428 (2431), Braun, BKR 2005, 415 (416), Möllers, BB 2005, 1637 (1639). 52  RGZ 71, 97 (99), Schwark, in: FS Raisch (1995), S. 269 (271). 53  Schwark, in: FS Raisch (1995), S. 269 (287 f.).



§ 10  Funktionsschutz bei spezialgesetzlicher Prospekthaftung227

dann in einer Position, die einem Gläubiger ähnlich ist.54 Bei einem Umsatzgeschäft handle es sich um ein reguläres Geschäft ohne Sachzusammenhang mit der Gesellschafterstellung, während bei einem Erwerb durch Zeichnung die unmittelbare aktienrechtliche Beziehung zwischen Gesellschafter und Gesellschaft betroffen sei.55 Diese Ansicht entspricht teilweise der Rechtsprechung des BGH in Sachen EM.TV: Auch dort nahm der BGH an, dass der Geschädigte einem Drittgläubiger näher stehe als einem Aktionär, da in vorsätzlich-sittenwidriger Weise gegen kapitalmarktrechtliche Informationspflichten verstoßen wurde.56 Das Reichsgericht bezieht sich jedoch nur auf die Prospekthaftung. Die Veröffentlichung eines Prospekts dient in erster Linie dem Absatz der Aktien aus der Kapitalerhöhung, und zwar sowohl auf dem Primär- als auch auf dem Sekundärmarkt. Da er nur anlässlich der Ausgabe neuer Aktien veröffentlicht wird, dient er auch nicht in erster Linie der Information der Allgemeinheit: Anders ist es bei Ad-hoc-Mitteilungen, die veröffentlicht werden, wenn bestimmte Vorfälle eine entsprechende Information notwendig machen. Sie dienen in erster Linie einer allgemeinen Information, die Beförderung des Handels in den Aktien ist im Gegensatz dazu nur ein Nebeneffekt. Aus diesem Grund trifft die Einschätzung des Reichsgerichts nicht zu, dass der Erwerber von Aktien auf dem Sekundärmarkt sich wegen der Kapitalmarktbezogenheit der Information vom Erwerber auf dem Primärmarkt unterscheide: Die Prospekthaftung erfasst nach Wortlaut und Intention die Beteiligung durch Zeichnung genauso wie die Beteiligung durch Erwerb von Aktien auf dem Kapitalmarkt. Sie ist aus diesem Grund keine allgemeine Regel, die für das typische Umsatzgeschäft jedenfalls gelten muss. Sowohl die Erwerber von Aktien auf dem sekundären Kapitalmarkt als auch die Erwerber von Aktien auf dem Primärmarkt sind im Zeitpunkt der Information an der Gesellschaft möglicherweise nicht beteiligt; sie erlangen durch die Zeichnung oder den Aktienerwerb identische Rechte. Auch sind sie gleich schutzwürdig.57 Der Erwerb im Rahmen einer Zeichnung oder auf dem Kapitalmarkt führt also nicht zu einer unterschiedlichen Stellung der Aktionäre, weshalb die Anknüpfung an die Art des Erwerbs nicht geeignet ist, im Rahmen einer kapitalmarktrechtlichen Haftung zwischen den Erwerbern zu differenzieren.

54  Schwark, BB 1979, 897 (902), Schwark, in: FS Raisch (1995), S. 269 (287), Assmann, Prospekthaftung (1985), S. 332. 55  Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 22. 56  BGH NZG 2005, 672 (674) – EM.TV, siehe hierzu unten § 10 C. 57  Hamann, in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, §§ 44, 45 BörsG Rn. 81.

228 2. Teil: Überlagerung des aktienrechtlichen Systems durch Prospekthaftung 4. Ergebnis

Es zeigt sich also, dass das EM.TV-Urteil für die Haftung gem. §§ 44 ff. BörsG und § 13 VerkProspG nur Bedeutung hat, als es die Tendenz des BGH andeutet, den Aussagen des Gesetzgebers über den Vorrang der Haftung zu folgen und die seit den Zeiten des Reichsgerichts angenommene Differenzierung zwischen originärem und derivativem Erwerb aufzugeben. Dafür spricht insbesondere, dass die Erwerber von Aktien auf dem sekundären Kapitalmarkt und die Erwerber von Aktien auf dem Primärmarkt gleich schutzwürdig sind.58 Die Begründung des Vorrangs der Haftung kann dagegen im Detail nicht übernommen werden.

D. Materieller Gleichrang: Überwindung des Vorrangs des abstrakten Gläubigerschutzes durch Schutzfunktion der Kapitalmarkteffizienz In den meisten europäischen Staaten hat sich ein Konzept durchgesetzt, nach dem die Gesellschaft in vollem Umfang aus der Prospekthaftung in Anspruch genommen werden kann, so dass der Schutz der Gläubiger nicht im sonst üblichen Umfang besteht.59 Eine solche Einschränkung der Rechte der Gläubiger könnte gerechtfertigt sein, wenn diese durch andere (kapitalmarktspezifische) Regelungen in anderen Aspekten besser gestellt würden, so dass die Einbuße an kapitalerhaltungsrechtlichem Schutz kompensiert wäre. Man könnte hier vertreten, dass durch die gesteigerten Publizitätspflichten der Gesellschaften auf dem Kapitalmarkt die Informationssituation der Gläubiger signifikant verbessert wäre, was zu einer Verringerung ihres Ausfallrisikos führen könnte. Allerdings dienen die kapitalmarktrechtlichen Informationspflichten dem Schutz der Anleger und dem allgemeinen Inte­ resse an korrekter Preisbildung, nicht jedoch dem Schutz der Gläubiger. Andere Kompensationen für den Gläubigerschutz sind nicht ersichtlich. Konstatiert man also eine Verschiebung zu Lasten des Schutzes der Gläubiger und zugunsten des Schutzes der Anleger, stellt sich die Frage nach einer Rechtfertigung. Hierfür müssen einerseits die besonderen Erfordernisse des Kapitalmarktes mit seinem Grundgedanken des Anlegerschutzes und die Schutzzwecke der spezialgesetzlichen Prospekthaftung sowie andererseits die Grundgedanken des aktienrechtlichen Gläubigerschutzes genauer untersucht und gegeneinander abgewogen werden.

58  Hamann,

in: Schäfer / Hamann, Kapitalmarktgesetze, §§ 44, 45 BörsG Rn. 81. in: Hopt  /  Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 1 (5), 9 (60 ff.). 59  Hopt / Voigt,



§ 10  Funktionsschutz bei spezialgesetzlicher Prospekthaftung229

I. Grundgedanken des kapitalmarktrechtlichen Schutzes und der spezialgesetzlichen Prospekthaftung im Besonderen 1. Schutzfunktionen des Kapitalmarktrechts

Die Prospekthaftung ist Teil des Kapitalmarktrechts. Für das Kapitalmarktrecht werden regelmäßig zwei Schutzzwecke genannt, zum einen der Funktionsschutz des Kapitalmarktes und zum anderen der Anlegerschutz. Während manche Stimmen in der Literatur davon ausgehen, dass das Kapitalmarktrecht beiden Schutzzwecken diene60, hält die überwiegende Meinung den Funktionsschutz für den einzigen Schutzzweck und den Anlegerschutz lediglich für einen Reflex61. Die Notwendigkeit des Funktionsschutzes ergibt sich zum einen daraus, dass ein volkswirtschaftliches Interesse an funktionierenden Kapitalmärkten besteht62, weil sich sowohl die öffentlichen Haushalte über den Kapitalmarkt finanzieren als auch die Kapitalmärkte zunehmend der privaten Altersversorgung dienen63. Zum anderen ergibt sie sich daraus, dass Unternehmen Gelder in- und ausländischer Investoren benötigen, um ihren Finanzbedarf zu decken. Dabei wird zwischen drei Bereichen des Funktionsschutzes unterschieden: Die institutionelle Funktionsfähigkeit zielt darauf ab, dass die Grundvoraussetzungen eines wirksamen Marktes erfüllt sind, also ein möglichst ungehinderter Marktzugang von Emittenten und Anlegerpublikum, standardisierte und damit verkehrsfähige Anlageprodukte und die Aufnahmefähigkeit  / Liquidität des Marktes. Die operationale Funktionsfähigkeit bezweckt, Transaktionskosten zugunsten höherer Renditen niedrig zu halten. Die allokative Funktionsfähigkeit bezeichnet die Steuerungsleistung des Marktes, also die Frage, ob das Kapital dahin fließt, wo bei ausreichender Sicherheit der Anlage die höchste Rendite erzielt wird. Um diese allokative Funktionsfähigkeit zu gewährleisten, müssen die Anleger informiert werden und die Märkte transparent sein.64 60  Fleischer, in: Gutachten F für den 64. Juristentag, S. F 25, Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rn. 7, 12 ff., Merkt, Jus 2003, 217 (220), Kindler, in: FS Hüffer (2010), S. 417 (423). Die These von Hopt, nach der im Bankrecht aufgrund ihrer unterlegenen Stellung ein Individualschutz der Anleger erforderlich ist (Hopt, Kapitalanlegerschutz, passim, insb. S. 89 ff., 413 ff.), gilt vor allem de lege ferenda, außerdem ist sie nur beschränkt übertragbar auf den Kapitalmarkt als solchen. 61  Assmann, in: Großkomm AktG Einl. Rn.  364  ff., Hommelhoff, ZHR 153 (1989), 182, Hirte / Heinrich, in: KK WpHG, Einl. Rn. 12, Lenenbach, Kapitalmarktund Börsenrecht, Rn. 1.37. 62  Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 8.393 ff. 63  Merkt, JuS 2003, 217 (220). 64  Merkt, JuS 2003, 217 (220).

230 2. Teil: Überlagerung des aktienrechtlichen Systems durch Prospekthaftung

Der Anlegerschutz hat wiederum zwei Komponenten: Zum einen bezeichnet der Begriff den Schutz des individuellen Investors durch die Gewährung von Informations- und Schadensersatzansprüchen. Darüber hinaus hat der Anlegerschutz eine überindividuelle Komponente, der das Vertrauen des Anlegerpublikums als dem gesamten Angebots- und Nachfragepotential der Anleger in die Integrität und Stabilität der Märkte schützt. Dieser ist ein herausragender Bestandteil des Funktionenschutzes.65 Fleischer unterscheidet vier verschiedene sachliche Leitprinzipien des Anlegerschutzes: Der Anleger soll durch ein möglichst dichtes Informationsumfeld in die Lage versetzt werden, eine wohlüberlegte Investitionsentscheidung zu treffen („informierte Transaktionsentscheidung“). Die „Markttransparenz“ ist durch die (periodische und anlassbezogene) Unternehmenspublizität sowie durch die Beteiligungspublizität umgesetzt. Ein weiterer Grundsatz ist der der „Anlegergleichbehandlung“. Außerdem wird das Vertrauen der Anleger in den Markt durch einen Schutz dieser vor Marktmissbräuchen geschützt („Marktintegrität“).66 2. Umsetzung durch spezialgesetzliche Prospekthaftung

Fraglich ist, inwiefern diese Schutzzwecke (Anlegerschutz resp. Schutz der Funktionsfähigkeit des Marktes) durch die Prospekthaftung verwirklicht werden sollen. Zunächst ist nicht eindeutig, ob die Prospekthaftung auch dem Schutz der Individualinteressen der Anleger dient67 oder ob lediglich die Funktionsfähigkeit des Marktes geschützt wird68, insbesondere die allokative Effizienz69. Die Rechtsprechung ging für die allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung davon aus, dass im Interesse eines rechtlich gebotenen Kapitalanlegerschutzes auf eine wahrheitsgemäße und vollständige Aufklärung des Rechtsverkehrs über das Risiko möglicher Anlagen hingewirkt werden muss.70 Der Charakter der Prospekthaftung als Vertrauenshaftung könnte ebenfalls für einen Individualschutz sprechen.71 65  Merkt, JuS 2003, 217 (220), Fleischer, in: Gutachten F für den 64. Juristentag, S. F 25. 66  Fleischer, in: Gutachten F für den 64. Juristentag, S. F 27 f. 67  Hamann, in: Schäfer  / Hamann, Kapitalmarktgesetze, §§ 44, 45 BörsG Rn. 1, Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rn. 186 ff., Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 8.78. 68  Mülbert / Steup, in: Habersack / Mülbert / Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rn. 5. 69  Fleischer, in: Gutachten F für den 64. Juristentag, S. F 41 (zum Prospektzwang). 70  BGHZ 79, 337, 341. 71  Siehe hierzu § 1 A.I.



§ 10  Funktionsschutz bei spezialgesetzlicher Prospekthaftung231

Zu berücksichtigen ist jedoch, dass bei der Haftung der Gesellschaft gem. §§ 37b, c WpHG ein Individualschutz der Anleger von vielen Stimmen verneint wurde. An die Schutzzwecke der §§ 37b, c WpHG knüpft die Diskussion an, ob als Schadensersatz lediglich der Kursdifferenzschaden verlangt werden kann, also der Betrag, um den der Aktienkurs durch die fehlerhafte oder unterlassene Ad-hoc-Meldung zu hoch oder zu niedrig war, oder ob der volle Erwerbspreis gegen Übernahme der Aktie durch die Gesellschaft verlangt werden kann. Soweit vertreten wird, dass der volle Erwerbspreis verlangt werden könne, wird hierfür ins Feld geführt, dass die Haftung dem Individualschutz der Anleger, konkret der individuellen, sachgerechten Anlageentscheidung, dienen solle.72 Die überwiegende Ansicht, die lediglich ­einen Anspruch auf den Kursdifferenzschaden gewähren möchte, nimmt dagegen an, dass die Haftung für fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen nur die korrekte Preisbildung an den Märkten schützen solle und dieser Zweck lediglich diese begrenzte Haftung erfordere.73 Diese Ansicht stützt sich auf Regierungsbegründung zu § 15 Abs. 6 WpHG, die ausführte, dass die Pflicht zur Veröffentlichung von Ad-hoc-Mitteilungen des § 15 WpHG kein Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB sei, sondern allein der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte diene.74 Anknüpfend an diese Ansicht entwickelte sich die Auslegung der §§ 37b, c WpHG, nach der auch diese nicht dem Individualschutz, sondern in erster Linie der Sicherung der Funktions­ fähigkeit der Finanzmärkte, konkret der korrekten Marktpreisbildung, dienen. Nachdem mittels eines Prospekts in erster Linie Aktien abgesetzt werden sollen, spricht viel dafür, dass ein Individualschutz der Anleger – und nicht nur der Schutz der Funktionsfähigkeit des Marktes – eines der Ziele der spezialgesetzlichen Prospekthaftung ist. Zweck eines Prospektes, anders als Zweck einer Ad-hoc-Meldung, ist es, das konkrete Informationsbedürfnis eines Anlegers, der die Aktie erwerben will, zu bedienen. Die Verwirklichung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes durch die Prospekthaftung beruht darauf, dass im Interesse transparenter und damit effizienter Märkte Prospekte veröffentlicht werden sollen, die die Kapitalanlagen zutreffend darstellen. Wird diese Pflicht, die nur zum Teil zu verpflichtenden Veröffentlichungen nach dem WpPG geführt hat, verletzt, liegt die Sanktion in der Prospekthaftung. Anders gewendet, dient die Prospekthaftung dazu, im Interesse transparenter Märkte die Veröffentlichung zutreffender Informationen in Prospekten sicherzustellen. 72  Möllers / Leisch,

in: KK WpHG, §§ 37 b, c Rn. 240-301, insb. 258 ff. in: Schwark  /  Zimmer, Kapitalmarktrecht, §§ 37b, c WpHG Rn. 86 ff., insb. 89, 91, Sethe, in: Assmann / Schneider, WpHG, §§ 37b, c WpHG Rn.  73 ff. 74  BT-Drucks. 12 / 7918, S.  102. 73  Zimmer / Grother,

232 2. Teil: Überlagerung des aktienrechtlichen Systems durch Prospekthaftung

Im Ergebnis muss man annehmen, dass die Prospekthaftung nicht nur dem Schutz der Funktionsfähigkeit des Marktes, sondern auch dem Schutz der Anleger dient. Um diese Schutzrichtungen in eine Beziehung zum Gläubigerschutz zu setzen, gilt es zu untersuchen, auf welche Weise sie genau verwirklicht werden. Der Prospekt dient dem Ziel einer informierten Transaktionsentscheidung, indem er die zentralen Aspekte der Aktie und des entsprechenden Unternehmens darstellt. Eine Information mittels einer standardisierten Unterlage ist hier notwendig, da eine direkte Kommunikation zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern bei einer kapitalmarktaktiven Gesellschaft mit typischerweise breitem Streubesitz deutlich erschwert ist. Ein Prospekt dient zugleich der Markttransparenz, da auch Anleger, die die Aktien innerhalb des SechsMonats-Zeitraums auf dem Sekundärmarkt gekauft haben, sowie Erwerber von ausstattungsgleichen, alten Aktien den Anspruch gem. § 44 Abs. 1 BörsG geltend machen können. Die Marktintegrität wird nur wirksam geschützt, wenn Verstöße gegen Prospektveröffentlichungspflichten effektiv sanktioniert werden.75 Da die Prospektpflicht insbesondere die Aktiengesellschaft verpflichtet, muss diese auch vollumfänglich haften.76 Da neben der Gesellschaft regelmäßig auch die anderen Prospektverantwortlichen als Gesamtschuldner haften, würde es diese unangemessen benachteiligen, wenn die Gesellschaft sich als einzige innerhalb des Gesamtschuldverhältnisses auf eine Haftungsbeschränkung berufen könnte. Dieses Risiko besteht bei kapitalmarktinaktiven Gesellschaften in der Regel nicht, da bei diesen die Beteiligung des Investors allein zwischen der Gesellschaft und dem Investor abgewickelt wird und beispielsweise keine Emissionsbank eingeschaltet werden muss. Durch das Risiko einer Haftung für fehlerhafte Angaben im Prospekt wird die Gesellschaft auch gezwungen, Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zur Sicherstellung einer korrekten Kapitalmarktkommunikation einzurichten.77 Die Prospekthaftung wird außerdem als Preis für die Möglichkeit, die Finanzierungsmöglichkeiten des Kapitalmarkts nutzen zu können, eingestuft.78 Geht man davon aus, dass diese Zielsetzungen durch die Prospekthaftung erreicht werden, zeigt sich, welche Wirkungen die Prospekthaftung im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit des Marktes zeitigt: Hierfür kommt es auf die Prospektpflicht an, die ihrerseits durch die Prospekthaftung abgesichert wird. Die durch die Prospektpflicht bewirkte Information dient der institutionellen und der allokativen Funktionsfähigkeit, als sie zu einer Vergleichbarkeit der Aktien führt und damit Anlegern den Marktzugang erleichtert. 75  Technau,

AG 1998, 445 (456). in: Hopt  /  Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung,

76  Hopt / Voigt,

S.  9 (62 f.). 77  Hopt / Voigt, in: Hopt  /  Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 9 (63). 78  Technau, AG 1998, 445 (456).



§ 10  Funktionsschutz bei spezialgesetzlicher Prospekthaftung233

II. Bedeutung des aktienrechtlichen Gläubigerschutzes Der aktienrechtliche Gläubigerschutz wird als Ziel zwar häufig genannt, ist dafür aber systematisch wenig durchdrungen. Eindeutig ist, dass die Notwendigkeit des Gläubigerschutzes sich aus der Haftungsbeschränkung gem. § 1 Abs. 1 S. 2 AktG ergibt: Haftet für die Forderungen der Gläubiger nur das Vermögen der Aktiengesellschaft, aber nicht die Aktionäre mit ihrem Privatvermögen, muss das Gesellschaftsvermögen besonders gegen Abflüsse an die Aktionäre geschützt werden. Gläubigerschutz bedeutet also zunächst einen Schutz der Gläubiger vor Forderungsausfällen, die in einem System der Haftungsbegrenzung angelegt sind. Allerdings zeigt sich hierin bereits, dass der Möglichkeit der Haftungsbegrenzung per se die Gefahr von Forderungsausfällen innewohnt, so dass ein umfassender Gläubigerschutz nicht geboten werden kann. Dem Gläubigerschutz beinhaltet also bereits eine Abwägungskomponente: Maßgeblich ist nicht allein, was dem Gläubiger den umfassendsten Schutz bietet, sondern es geht um einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Gläubiger einer Gesellschaft und denen der Betreiber.79 Wie bereits dargelegt, sind die Vorschriften über die Kapitalerhaltung und die Kapitalaufbringung die zentralen Bestandteile des Gläubigerschutzes. Dem Gläubigerschutz kommt dabei ebenfalls eine individuelle und eine institutionelle Schutzrichtung zu: Geschützt werden zum einen die konkreten Gläubiger einer Gesellschaft gegen Ausfälle der bestehenden Forderungen. Dies ist die individuelle Schutzrichtung. Geschützt wird darüber hinaus aber auch das Vertrauen der Gläubiger als Teil der Allgemeinheit in die Zuverlässigkeit der Aktiengesellschaft als Rechtsform: An diesem Vertrauen besteht ebenfalls ein volkswirtschaftliches Interesse dergestalt, dass eine leistungsfähige Volkswirtschaft Aktiengesellschaften benötigt, die mit dem Geld einer Vielzahl von Investoren umfangreiche Projekte durchführen kann. Besteht jedoch kein Vertrauen in die wirtschaftliche Stabilität dieser Unternehmen, wird diesen das Eingehen von Verträgen stark erschwert und damit ihre Tätigkeit und Funktion gefährdet. Dieser Schutzzweck kann als institutioneller Gläubigerschutz bezeichnet werden. III. Abwägung Vorliegend soll abgewogen werden, ob und gegebenenfalls wie es aus den Schutzzwecken des Kapitalmarktrechts zu erklären ist, dass der Gesetzgeber der spezialgesetzlichen Prospekthaftung den Vorrang einräumt vor dem aktienrechtlichen Kapitalschutz. Ein Unterschied zwischen dem Schutzbedürf79  Schall,

Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 7.

234 2. Teil: Überlagerung des aktienrechtlichen Systems durch Prospekthaftung

nis der Anleger am Kapitalmarkt und dem Schutzbedürfnis von Anlegern abseits des Kapitalmarktes ist jedoch nicht ersichtlich: Beide sind in der gleichen Weise auf Informationen des Unternehmens angewiesen und nehmen bei der Anlage im Wesentlichen die gleichen Risiken in Kauf. Man kann auch nicht annehmen, dass abseits des Kapitalmarktes lediglich Unternehmer tätig werden, während die Aktienerwerber auf dem Kapitalmarkt überwiegend Verbraucher seien, da auch institutionelle Anleger über signifikante Anlagevolumen auf dem Kapitalmarkt verfügen. Eine erhöhte Schutzbedürftigkeit der Anleger am Kapitalmarkt ist somit nicht gegeben. Selbst wenn man also annimmt, dass ein Individualschutz durch die Prospekthaftung angestrebt wird, kann dieser nicht zu einer anderen Interessenbewertung im Verhältnis zu den Gläubigern führen. Für eine abweichende Interessensbewertung kann es somit ausschließlich auf den Funktionsschutz des Kapitalmarkts ankommen. Es gilt dementsprechend, einen Ausgleich zu finden zwischen dem Funktionsschutz des Kapitalmarktes und dem Gläubigerschutz in seiner individuellen und institutionellen Komponente. Anders als der Anlegerschutz muss der individuelle Gläubigerschutz berücksichtigt werden, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gesetz die Gläubiger einer kapitalmarktinaktiven Gesellschaft für schutzwürdiger hält als die Gläubiger einer kapitalmarktaktiven Gesellschaft. Dafür könnte sprechen, dass kapitalmarktaktive Gesellschaften in vielen Fällen größer sind und stärker kontrolliert werden als kapitalmarktinaktive Gesellschaften, z. B. durch Veröffentlichungspflichten; unabhängig davon, ob diese Instrumente dazu dienen, die einzelnen Gläubiger der Gesellschaften vor Forderungsausfällen zu schützen. Für einen Vorrang des Funktionsschutzes des Kapitalmarktes vor dem individuellen Gläubigerschutz spricht, dass für die einzelnen Gläubiger die Möglichkeit besteht, sich durch vertragliche Abreden oder Sicherheitsleistungen gegen Forderungsausfälle zu wappnen. Demgegenüber stehen für den Funktionsschutz des Kapitalmarktes, soweit dieser durch die Prospekthaftung verwirklicht wird, keine anderen Sicherungsmechanismen zur Verfügung, die annähernd gleichwertig sein könnten: Das Risiko, von den Aktionären in Anspruch genommen zu werden mit der Folge, dass diese ihre Aktien an die Gesellschaft zurückgeben können, stellt einen viel stärkeren Anreiz für eine korrekte Prospektveröffentlichung dar, als es jede staatliche Sanktion könnte. Allerdings wird durch eine verstärkte Notwendigkeit zur Absicherung für die Gläubiger zugleich der institutionelle Gläubigerschutz geschwächt. Gegen einen Vorrang des individuellen Gläubigerschutzes spricht auch, dass der Funktionsschutz des Kapitalmarktes ausgehöhlt werden würde, wenn sich die Haftung der Gesellschaft auf die Eigenkapitalbestandteile beschränken würde, die nicht dem Schutz der Gläubiger dienen: Regelmäßig wird durch einen fehlerhaften Prospekt eine Vielzahl von An-



§ 10  Funktionsschutz bei spezialgesetzlicher Prospekthaftung235

legern geschädigt. Haftet die Gesellschaft nur in begrenztem Umfang, besteht die Gefahr eines Windhundrennens, bei dem nur die ersten Anleger, die ihre Ansprüche geltend machen, befriedigt werden.80 Ein Verfahren zur gleichmäßigen, gegebenenfalls anteiligen Befriedigung aller Gläubiger, wie in einem Insolvenzverfahren, existiert hier nicht. Bei der Haftung der kapitalmarktinaktiven Gesellschaft nach allgemeinen Regeln wird dagegen regelmäßig nicht eine Vielzahl von Aktionären, sondern oft nur ein einziger Investor fehlerhaft informiert, so dass es zu einem Windhundrennen in der Regel nicht kommt. Damit die Funktion des Kapitalmarktes ausreichend geschützt wird, darf eine Haftung aus der spezialgesetzlichen Prospekthaftung bei kapitalmarktaktiven Gesellschaften deshalb nicht auf die nicht gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteile beschränkt werden. Kommt man demnach dazu, dass der individuelle Gläubigerschutz hinter dem Funktionsschutz des Kapitalmarktes zurücktreten muss, gilt es, den institutionellen Gläubigerschutz und den Funktionsschutz des Kapitalmarkts gegeneinander abzuwägen. Dabei handelt es sich in beiden Fällen um Mechanismen, die nicht individuellen Interessen einzelner oder den Interessen bestimmter Gruppen dienen, sondern einem übergeordneten, volkswirtschaftlichen Allgemeininteresse. Aspekte, die es rechtfertigen, das Vertrauen der Gläubiger in Aktiengesellschaften als solche höher oder geringer zu bewerten als das Vertrauen des Anlegerpublikums in die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes, sind nicht ersichtlich. Verfolgen also der institutionelle Gläubigerschutz und der Funktionsschutz des Kapitalmarkts jeweils allgemein-volkswirtschaftliche Ziele, kann man also eigentlich nicht von einer Interessenskollision sprechen, nachdem das gleiche (oder zumindest ein vergleichbares) Interesse auf zwei Weisen geschützt wird, die sich teilweise widersprechen. Es ist deshalb nicht möglich, einem den Vorrang vor dem anderen einzuräumen. Es ist kann deshalb nicht von einem Vorrang des Anlegerschutzes gesprochen werden, sondern lediglich von einem Gleichrang des ansonsten vorrangigen Gläubigerschutzes mit dem Funktionsschutz des Kapitalmarktes. Einen Vorrang erhält durch den Gesetzgeber lediglich die Prospekthaftung gegenüber der Kapitalerhaltung. Dass nach der gegenwärtigen gesetzliche Lage kein Vorbehalt in der Insolvenz der Gesellschaft gemacht wurde, zeigt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die geschädigten Anleger auch in der Insolvenz mit den regulären Gläubigern um das Vermögen der Gesellschaft konkurrieren.81 80  Hopt / Voigt, in: Hopt  /  Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 9 (65). 81  So auch Bayer, in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 27.

236 2. Teil: Überlagerung des aktienrechtlichen Systems durch Prospekthaftung

IV. Ausgleich durch insolvenzrechtlichen Nachrang Fraglich ist, wie beide Schutzzwecke, der Gläubigerschutz und der Funktionsschutz des Kapitalmarktes, optimal zum Ausgleich gebracht werden können. Der gesetzlichen Regelung liegt – wie gesagt – der Gedanke zugrunde, dass sich die Aktiengesellschaft nicht auf das Verbot der Einlagenrückgewähr und das Verbot des Erwerbs eigener Aktien berufen darf.82 Fraglich ist jedoch, ob dies bedeutet, dass die Ansprüche aus der Prospekthaftung in jeder Hinsicht Ansprüchen sonstiger Gläubiger vollkommen gleichgestellt sein müssen. In der Literatur wird vorgeschlagen, die Ansprüche der Aktionäre in der Insolvenz als nachrangig zu behandeln, damit sich in der Insolvenz nicht Aktionäre und Gläubiger gegenüberstehen.83 Für die Ansprüche von fehlerhaft informierten Aktionären einer kapitalmarktinaktiven Gesellschaft wurde dies ebenfalls angenommen.84 Die Konsequenz dieser Ansicht ist, dass die Ansprüche der Aktionäre nicht in eine Überschuldungsbilanz aufzunehmen wären und somit die Gesellschaft zumindest nicht den Eröffnungsgrund der Überschuldung erfüllen würde. Eine solche Lösung würde sich in das grundsätzliche System der Interessen von Aktionären einerseits und Gläubigern andererseits schlüssig einfügen: Mit dem größeren Einfluss des Aktionärs in der Aktiengesellschaft gegenüber einem Gläubiger muss ein gesteigertes Risiko einhergehen, dies beinhaltet auch ein größeres Risiko eines Totalausfalls. Fraglich ist jedoch, ob der durch die Prospekthaftung angestrebte Funktionenschutz geschmälert wird, wenn die Ansprüche der Aktionäre nicht dazu führen können, dass die Gesellschaft insolvent wird. Man könnte überlegen, ob die von der Prospekthaftung geschaffene Drohkulisse entwertet würde mit der Folge, dass die Motivation zur Veröffentlichung eines zutreffenden Prospekts sinken würde. Andererseits wird das Vertrauen in den Kapitalmarkt weder dadurch befördert, dass Aktiengesellschaften aufgrund von Ansprüchen der Aktionäre insolvent werden, noch dadurch, dass Aktionäre in der Insolvenz nachrangig behandelt werden. Die Interessen der Gläubiger werden jedoch angemessen berücksichtigt, wenn sie in der Insolvenz der Gesellschaft vor den Ansprüchen der fehlerhaft informierten Aktionäre befriedigt werden. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Ansprüche auch aus der spezialgesetzlichen Prospekthaftung in der Insolvenz nachrangig sind. 82  Begr.

RegE BT-Drucks. 13 / 8933, S. 78. ZIP 2005, 239 (244 f.), Baums, ZHR 167 (2003), 139 (170), Lutter / Drygala, in: KK Akt3 § 71 Rn. 100. Ähnlich der Vorschlag von Hopt / Voigt, in: Hopt / Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 1 (5), 9 (64 f.). 84  Siehe § 8 C.II. 83  Langenbucher,



§ 10  Funktionsschutz bei spezialgesetzlicher Prospekthaftung237

E. Fazit Die spezialgesetzliche Prospekthaftung der §§ 44–47 BörsG, § 13 VerkProspG stellt eine Spezialregelung zu den aktienrechtlichen Grundsätzen der Kapitalerhaltung und der Vermögensbindung dar. Einen Hinweis darauf gibt der lex-posterior-Grundsatz, da die Börsenprospekthaftung zu einem Zeitpunkt eingeführt wurde, als der Vorläufer des heutigen Aktiengesetzes mit entsprechenden Regelungen zur Kapitalerhaltung und zur Vermögensbindung bereits galt. Aus neuerer Zeit spricht vor allem der deutliche Wille des Gesetzgebers, eine Regelung zu schaffen, die sich gegenüber den allgemeinen aktienrechtlichen Grundsätzen durchsetzt, für den Vorrang der Prospekthaftung. Dieser Vorrang gilt unabhängig davon, ob die Aktie originär oder derivativ erworben wurde.85 Diese Vorrangstellung ist mit dem Funktionenschutz des Kapitalmarktrechts zu erklären: Ein Anreiz zur Erstellung eines korrekten Prospekts wird nur durch eine effektive Prospekthaftung gesetzt. Dieser Funktionenschutz macht es jedoch nicht erforderlich, den Aktionären auch in der Insolvenz die gleiche Stellung wie den Gläubigern einzuräumen. Vielmehr werden der Funktionenschutz und der Gläubigerschutz optimal zum Ausgleich gebracht, wenn man die größeren Einflussnahmemöglichkeiten der Aktionäre dadurch ausgleicht, dass ihre Ansprüche aus der spezialgesetzlichen Prospekthaftung in der Insolvenz gegenüber den Ansprüchen der regulären Gläubiger als nachrangig behandelt. Dieser Vorrang hat zur Folge, dass die Aktiengesellschaft – über den Rahmen, den das Aktienrecht vorgibt – die Aktie gegen Auszahlung des Ausgabebetrages zurückzunehmen muss, ohne einer Beschränkung hinsichtlich der verwendbaren Eigenkapitalbestandteile zu unterliegen, und dass die Haftung auch an zukunftsgerichtete Aussagen anknüpft. Jedoch ist weiter dafür zu plädieren, die Forderungen der Aktionäre in der Insolvenz als nachrangig einzustufen.

85  So auch Wild, Prospekthaftung / Kapitalschutz, S. 168. Gegen eine Differenzierung auch Fleischer, ZIP 2005, 1805 (1811): Eine Differenzierung laufe dem erkennbaren Willen des modernen Gesetzgebers zuwider. Vgl. zur Argumentation der Bestandskraft des Zeichnungsvertrages: § 7 C.I.2.

Dritter Teil

Überlagerung des aktienrechtlichen Systems bei Haftung für vorsätzliche, sittenwidrige Schädigungen § 11 Vorsätzliche deliktische Schädigung als allgemeiner Vorrangtatbestand Bisher hat sich gezeigt, dass das Aktienrecht eine Haftung der Gesellschaft in einem beschränkten Rahmen zulässt, und dass in den Fällen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung dieser Rahmen durch die gesetzliche Konzeption, die auf Erwägungen des Funktionsschutzes des Kapitalmarktes beruht, erweitert wird. In beiden Fällen wurde jedoch dafür plädiert, die Ansprüche der Aktionäre im Falle einer Insolvenz der Gesellschaft gegenüber den Ansprüchen der Gläubiger als nachrangig einzustufen. Nun ergibt sich jedoch aus dem EM.TV-Urteil des BGH, und hierbei handelt es sich um eine seit langem tradierte Argumentation, dass im Falle einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung (§ 826 BGB) sowie eines vorsätzlichen Verstoßes gegen ein Schutzgesetz (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 400 AktG) der Kapitalschutzgedanke zurückstehen müsse, weil die Ersatzforderungen nicht auf ihrer – durch die unerlaubten Handlungen erst begründeten – mitgliedschaftlichen Sonderrechtsbeziehung als Aktionäre, sondern auf ihrer Stellung als Drittgläubiger beruhten. Das Gesellschaftsvermögen werde nicht anders als bei sonstigen Deliktsgläubigern in Anspruch genommen. Der Übernahme der Aktie durch die Gesellschaft stehe auch nicht das Verbot des Erwerbs eigener Aktien entgegen, zum einen müsse auch dieses gegenüber dem Interesse des vorsätzlich sittenwidrig geschädigten Aktionärs zurückstehen, zum anderen sei die Übernahme der Aktie lediglich Folge der Besonderheiten der Naturalrestitution im Kapitalmarktrecht.1 Dies wirft die Frage auf, ob es sich um einen verallgemeinerungsfähigen Grundsatz handelt, dass die Gesellschaft einer Haftung für vorsätzlich-sittenwidriges Handeln ihres Vorstands weder § 57 AktG noch § 71 AktG entgegenhalten kann. Sie würde dann in allen Fällen, in denen die Haftung auf einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung beruht, gegenüber einem Aktionär mit 1  BGH

NZG 2005, 673 (674) – EM.TV.

§ 11 Vorsätzliche deliktische Schädigung als allgemeiner Vorrangtatbestand239

sämtlichen Eigenkapitalbestandteilen haften und wäre verpflichtet, die Aktien des Aktionärs zu übernehmen. Nähme man dies an, würde die Haftung nach allgemeinen Regeln (allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung und Haftung aus c.i.c.) verschärft, während die Haftung gegenüber der spezialgesetzlichen Prospekthaftung ebenfalls verschärft würde, wenn man annähme, dass im Falle der Vorsatzhaftung der Anspruch des Aktionärs in der Insolvenz der Gesellschaft nicht mehr nachrangig gegenüber den Ansprüchen anderer Gläubiger wäre. Die bisherige Untersuchung stellt Ansprüche aus der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung, aus der c.i.c. sowie aus der spezialgesetzlichen Prospekthaftung in den Mittelpunkt. Diese Anspruchsgrundlagen wären jeweils erfüllt, wenn die falsche Information vorsätzlich erfolgt. Zusätzlich kommen jedoch Ansprüche gem. §§ 826, 31 BGB oder gem. §§ 823 Abs. 2, 31 BGB i. V. m. § 400 AktG oder i. V. m. § 263 StGB in Betracht, die jeweils ein vorsätzliches Handeln erfordern. Diese deliktischen Ansprüche können jeweils neben den allgemeinen bürgerlich-rechtlichen bzw. neben den kapitalmarktrechtlichen Anspruchsgrundlagen geltend gemacht werden. Im allgemeinen Zivilrecht ist dies unproblematisch möglich. Aber auch im Kapitalmarktrecht bestimmt § 47 Abs. 2 BörsG, dass weitergehende Ansprüche, die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts auf Grund von Verträgen oder vorsätzlichen unerlaubten Handlungen erhoben werden können, unberührt bleiben. Auch § 13 VerkProspG verweist auf diese Vorschrift. Sowohl eine kapitalmarktaktive als auch eine kapitalmarktinaktive Gesellschaft kann somit auch nach den genannten, deliktsrechtlichen Vorschriften haften. Es gilt soll deshalb zunächst untersucht werden, welche Gemeinsamkeiten den Ausnahmen vom Kapitalschutz innewohnen. Dem wird eine Untersuchung der Grundgedanken und Ausprägungen der Haftung für Vorsatz im Allgemeinen gegenübergestellt. Darauf aufbauend wird untersucht, ob es sich bei der vorsätzlichen Falschinformation um einen Fall handelt, der sich sowohl in das System der Ausnahmen vom Kapitalschutz als auch in das System des Vorrangs der Vorsatzhaftung einfügt. Sollte sich daraus ergeben, dass Schadensersatzansprüche wegen vorsätzlicher, falscher Information dem Kapitalschutz vorgehen müssen, stellt sich die zusätzliche Frage, ob dies zu einer anderen Beurteilung der Frage, ob bei einer vorsätzlichen Falschinformation eine Anfechtung des Zeichnungsvertrages gem. § 123 BGB zugelassen werden muss, führt.

240

3. Teil: Haftung für vorsätzliche, sittenwidrige Schädigungen

A. Anhaltspunkte für ein Zurücktreten des Kapitalschutzes I. Ausnahmen in §§ 44 ff. BörsG und § 13 VerkProspG Es hat sich gezeigt, dass der Gesetzgeber mit den Normen der §§ 44 ff. BörsG und § 13 VerkProspG einen Vorrang der Haftung vor dem aktienrechtlichen Kapitalschutzsystem einführen wollte. Dieser Vorrang ist mit dem Funktionenschutz des Kapitalmarkts zu begründen. Ob die aktienrechtliche Kapitalerhaltung einer Haftung entgegensteht, wird darüber hinaus zu den §§ 37b, c WpHG, also der Haftung für fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen diskutiert. Die herrschende Meinung geht auch hier davon aus, dass der Emittent nach den §§ 37b, c WpHG in vollem Umfang haftet, da die kapitalmarktrechtliche Emittentenhaftung lex specialis gegenüber den aktienrechtlichen Gläubigerschutzvorschriften sei.2 Dabei kann dieser Vorrang wiederum mit dem Funktionsschutz des Kapitalmarktes begründet werden. II. Rechtsprechung des BGH zu EM.TV Die Rechtsprechung des BGH kam für eine Haftung aufgrund der vorsätzlichen Veröffentlichung falscher Ad-hoc-Mitteilungen im Fall EM.TV zum Ergebnis, dass die Aktiengesellschaft für Ansprüche gem. §§ 31, 826 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 400 AktG in vollem Umfang hafte und sich demgegenüber nicht auf die §§ 57, 71 AktG berufen könne. Dabei stützt sich der BGH darauf, dass der Aktionär wie ein Drittgläubiger zu behandeln sei. Der zentrale Satz des Urteils lautet dabei: „Die Ersatzforderungen der in sittenwidriger Weise geschädigten Kläger gegen die Gesellschaft beruhen daher in erster Linie nicht auf ihrer – durch die unerlaubten Handlungen des Vorstands erst begründeten – mitgliedschaftlichen Sonderrechtsbeziehung als Aktionäre, sondern auf ihrer Stellung als Drittgläubiger; die deliktische Haftung der Aktiengesellschaft knüpft an die Verletzung von gesetzlichen Publizitätspflichten (§ 15 WpHG) an, die ihr in erster Linie zum Schutz der Funktionsfähigkeit des (sekundären) Kapitalmarktes auferlegt wurden (…). Das Gesellschaftsvermögen wird also durch die Belastung mit einer derartigen Schadensersatzverbindlichkeit nicht anders als bei sonstigen Deliktsansprüchen außenstehender Gläubiger in Anspruch genommen.“3

Dabei nimmt er zum einen darauf Bezug, dass der Gesetzgeber wohl der Prospekthaftung gem. §§ 44 ff. BörsG einen Vorrang vor dem Kapitalschutz2  Zimmer / Grotheer, in: Schwark  / Zimmer, Kapitalmarktrecht, §§ 37b, c WpHG Rn.  11 ff., Sethe, in: Assmann / Schneider, WpHG, §§ 37b, c WpHG Rn. 6 ff., Möllers / Leisch, in: KK WpHG, §§ 37b, c Rn. 37 ff. 3  BGH NZG 2005, 672 (674) – EM.TV.

§ 11 Vorsätzliche deliktische Schädigung als allgemeiner Vorrangtatbestand241

system habe einräumen wollen, als auch auf die Gesetzesbegründung zu § 15 Abs. 6 WpHG, die annahm, dass ein Haftungsausschluss in Fällen betrügerischer oder sittenwidriger Schädigung Dritter mit den Grundsätzen der Rechtsordnung nicht vereinbar wäre. Die Rechtsfolge, dass die Aktiengesellschaft die Aktien übernehmen muss, ergab sich in dem Urteil aus einer konsequenten Anwendung der §§ 249 ff. BGB auf die Vorgabe, dass die Aktionäre die Aktie nicht erworben hätten, wenn wahrheitsgemäße Mitteilungen veröffentlicht worden wären.4 Das Integritätsinteresse der Anleger, die durch vorsätzlich sittenwidriges oder strafbares Handeln des Vorstands geschädigt worden seien, habe Vorrang vor dem Verbot des Erwerbs eigener Aktien.5 Es zeigt sich also, dass der BGH das Zurücktreten der Kapitalerhaltung vor allem mit dem Kapitalmarktbezug der Schädigung sowie mit der Vergleichbarkeit des Geschädigten, der die Aktien derivativ von einem Dritten erworben hat, mit einem Drittgläubiger begründet. Dabei wird der Aktionär durch §§ 823 Abs. 2, 826 BGB nach Ansicht des BGH – abweichend von der herrschenden Literaturansicht zur den §§ 37b, c WpHG – in der Dispositionsfreiheit geschützt, nicht nur im Vermögen.6 III. Fazit: Konkurrenz der Gläubigerinteressen mit anderen geschützten Interessen Es zeigt sich, dass derzeit ein Vorrang von Ansprüchen von fehlerhaft informierten Aktionären angenommen wird, wenn der Gesetzgeber dies aufgrund anderer Schutzbedürfnisse (konkret jeweils der Schutz der Funk­ tionsfähigkeit des Kapitalmarktes) dementsprechend regelt, oder – nach der Rechtsprechung des BGH – die Aktiengesellschaft Ansprüchen gem. §§ 31, 826 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 400 AktG ausgesetzt ist. Während man den Vorrang in den Fällen der spezialgesetzlichen Haftung auf eine Interessensbewertung zurückführen kann, ist dies für die BGH-Rechtsprechung nicht so eindeutig: Das zentrale Argument des BGH lautet ja, dass der Aktionär einem Drittgläubiger vergleichbar ist. Dies folgert der BGH zwar unter anderem daraus, dass die verletzten Pflichten dem Schutz des Kapitalmarktes dienen, aber nur im Hinblick auf den Vorrang vor dem Verbot des Erwerbs eigener Aktien wägt er tatsächlich die verschiedenen Interessen gegeneinander ab. Die genauen Wertungen, die der Rechtsprechung zugrunde liegen, gilt es noch genauer zu untersuchen.

4  BGH

NZG 2005, 672 (673) – EM.TV. NZG 2005, 672 (674) – EM.TV. 6  Kowalewski / Hellgardt, DB 2005, 1839 (1840). 5  BGH

242

3. Teil: Haftung für vorsätzliche, sittenwidrige Schädigungen

B. Grundgedanken einer Vorsatzhaftung Nachdem dargestellt wurde, in welchen Fällen ein Vorrang vor dem aktienrechtlichen Kapitalschutzsystem angenommen werden kann, stellt sich die Frage, ob sich eine Haftung für Vorsatz in stärkerem Maße gegenüber anderen Regelungen durchsetzt als andere Haftungsvorschriften. Bei der Einführung von § 15 Abs. 6 WpHG, der im Falle einer fehlerhaften Ad-hocMeldung Schadensersatzansprüche auf Basis des § 15 WpHG in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB ausschloss, aber Schadensersatzansprüche aus anderen Rechtsgrundlagen zuließ, führte die Gesetzesbegründung aus: „Ein Haftungsausschluss in Fällen betrügerischer oder sittenwidriger Schädigung Dritter wäre mit den Grundsätzen unserer Rechtsordnung nicht vereinbar und stellte eine sachlich nicht vertretbare Bevorzugung des Emittenten gegenüber anderen Unternehmen dar, die für betrügerisches Verhalten ihrer gesetzlichen Vertreter haften, gegebenenfalls mit existenzbedrohenden Konsequenzen für das Unternehmen.“7

Diese Gesetzesbegründung scheint einen allgemeinen Grundsatz anzunehmen, nach dem in Fällen betrügerischer oder sittenwidriger Schädigung Dritter – wobei sich die Frage aufdrängt, ob nicht jede betrügerische Schädigung auch eine sittenwidrige Schädigung ist – ein Haftungsausschluss nicht zulässig ist. Ein solcher Grundsatz ist bisher im deutschen Recht nicht nachgewiesen. Um zu untersuchen, ob es sich tatsächlich um einen Grundsatz des Rechts handelt, stellt sich die Frage, welche anderen Fälle es gibt, in denen eine Haftung für Vorsatz auf einen Haftungsausschluss oder eine Haftungsbegrenzung trifft, wie diese Fälle gelöst werden, und welches allgemeine Prinzip der Haftung für Vorsatz zugrunde liegt. Eine deliktische Haftung für Vorsatz kann grundsätzlich an alle drei „kleinen Generalklauseln“ (§ 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB, § 826 BGB) angeknüpft werden. Oben hat sich jedoch gezeigt, dass im Falle einer vorsätzlichen Falschinformation des Investors über das Unternehmen durch den Vorstand keines der absoluten Rechtsgüter des § 823 Abs. 1 BGB verletzt wird. Vorliegend können also nur die verhaltensbezogenen8 Deliktstatbestände der § 823 Abs. 2 BGB und § 826 BGB tatbestandlich erfüllt werden (hierzu § 1 B.III.).

7  Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, 12 / 7918, S.  102. 8  G. Schiemann, in: Erman, BGB, Vor § 823 Rn. 2.

BT-Drucks.

§ 11 Vorsätzliche deliktische Schädigung als allgemeiner Vorrangtatbestand243

I. Verhältnis der Haftung für Vorsatz zu anderen Haftungstatbeständen Es stellt sich die Frage, wie sich diese Deliktshaftung zu vertraglichen oder vertragsähnlichen Haftungstatbeständen verhält. Fraglich ist insbesondere, auf welche Weise sich vertragliche oder vertragsähnliche Haftungsausschlüsse und Haftungsbegrenzungen auf die deliktische Haftung auswirken. Grundsätzlich nimmt die herrschende Meinung eine Anspruchskonkurrenz zwischen der vertraglichen und der deliktischen Haftung an, es bestehen also mehrere Ansprüche nebeneinander.9 Mildert allerdings das für den Vertrag geltende Recht den Sorgfaltsmaßstab, wird diese Wertung regelmäßig auch auf den Deliktsanspruch übertragen.10 So wird beispielsweise die Beschränkung der Haftung auf schweres Verschulden in den §§ 521, 599, 690 BGB auch auf den deliktischen Anspruch angewendet. Schäden, die mit dem Gegenstand des Vertrages im Zusammenhang stehen, werden also sowohl nach Delikt als auch nach Vertrag nur ersetzt, wenn ein entsprechend schweres Verschulden vorliegt. Diese Überlegung lässt sich jedoch nur begrenzt auf die hier problematische Situation übertragen: Die Gesellschaft haftet nach den im Ersten Teil dargestellten Grundsätzen ja nicht nur für bestimmtes Verschulden des Vorstands, sondern sie haftet für jede Art des Verschuldens, allerdings nur mit bestimmten Vermögensbestandteilen. Aus diesem Grund sind die Überlegungen zur Beschränkung der Haftung durch Milderung des Verschuldensmaßstabs nicht auf die Beschränkung der Haftung der Gesellschaft auf die nicht gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteile bei der deliktischen Haftung zu übertragen. Es stellt sich deshalb die Frage, wie allgemein eine Haftung für eine vorsätzliche Schädigung begrenzt werden kann. Gem. § 276 Abs. 3 BGB kann die Haftung für Vorsatz nicht im Voraus erlassen werden. Dies erfasst nicht nur einen Ausschluss der Haftung, sondern auch summenmäßige Begrenzungen11 und eine Verkürzung der Verjährung (§ 202 Abs. 1 BGB). § 276 Abs. 3 BGB gestattet dagegen den Verzicht auf Ansprüche aus vorsätzlicher Schädigung, die bereits entstanden sind. Schutzzweck dieser Regelung ist, dass sich niemand der Willkür eines anderen ausliefern können soll.12 Bei der Begrenzung der Haftung auf nicht-gläubigerschützende Eigenkapitalbestandteile für fehlerhafte Informationen über das Unternehmen 9  Hager, in: Staudinger (1999), Vorbem zu §§ 823  ff. BGB, Rn. 40, G. Schiemann, in: Erman, BGB, Vor § 823 Rn. 25, Sprau, in: Palandt, Einf v § 823 BGB Rn. 5, Wagner, in: MünchKomm BGB Vor § 823 Rn. 68. 10  G. Schiemann, in: Erman, BGB, Vor § 823 Rn. 26. 11  Grüneberg, in: Palandt, § 276 BGB Rn. 35, Löwisch, in: Standinger (2001), § 276 BGB Rn. 105. 12  Grundmann, in: MünchKomm BGB § 276 Rn. 182.

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3. Teil: Haftung für vorsätzliche, sittenwidrige Schädigungen

im Rahmen einer Beteiligungsentscheidung liegt zwar eine summenmäßige Begrenzung vor, jedoch beruht diese nicht auf einem Individualvertrag, sondern auf den aktienrechtlichen Kapitalerhaltungs- und Vermögensbindungsgrundsätzen. Fraglich ist, ob die gesetzliche Konzeption der Vorsatzhaftung die Möglichkeit beinhaltet, dass der Vorstand die Anleger vorsätzlich schädigt, ohne dass die Gesellschaft dafür haftet. In verschiedenen Rechtsbereichen sieht das Gesetz allgemeine Ausschlüsse der Haftung oder Begrenzungen der Haftung auf bestimmte Summen vor. Da an die Haftung als solche und nicht nur an das vorwerfbare Verhalten angeknüpft wird, sind diese Regelungen mit der Beschränkung der Haftung auf nicht-gläubigerschützende Eigenkapitalbestandteile weitaus besser vergleichbar als die oben geschilderten Sorgfaltsmilderungen. Ein Beispiel für einen gesetzlichen Haftungsausschluss stellen die §§ 104, 105 SGB VII dar. Diese schließen die vertragliche und die deliktische Haftung des Arbeitgebers und von Arbeitskollegen desselben Betriebs aus, da der Arbeitnehmer in diesem Umfang Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung erhält.13 Dieser Haftungsausschluss gilt jedoch nicht, wenn der Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt wurde, §§ 104 Abs. 1 S. 1, 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII. In ähnlicher Weise ist auch im Recht des Frachtführers die Haftung generell beschränkt: Grundsätzlich haftet der Frachtführer, wenn der Schaden auf Umständen beruht, die der Frachtführer auch bei größter Sorgfalt nicht vermeiden und deren Folgen er nicht abwenden konnte, § 426 HGB. Dieser Verschärfung auf der Tatbestandsseite steht eine Begrenzung in der Höhe gegenüber. Zunächst ist die Haftung auf den Wert des Gutes beschränkt, § 429 HGB. Darüber hinaus ist der Haftungshöchstbetrag auf einen bestimmten Wert pro Kilo des Rohgewichts der Sendung begrenzt, § 431 HGB. Diese Beschränkungen gelten gem. § 434 Abs. 1 HGB auch für außervertragliche Ansprüche, also insbesondere für Ansprüche aus Delikt. Wenn der Schaden jedoch auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder einer seiner Leute vorsätzlich oder bewusst leichtfertig begangen haben, gelten diese Haftungsbeschränkungen nicht, § 435 HGB. Auch hier zeigt sich also wieder: Die Haftung des Frachtführers ist sehr weit beschränkt. Diese Beschränkung eröffnet dem Frachtführer jedoch nicht die Möglichkeit, die Rechtsgüter seines Vertragspartners vorsätzlich zu schädigen. Viele weitere Regelungen sehen entsprechende Ausnahmen von Haftungsbeschränkungen in Fällen vorsätzlicher Herbeiführung des Schadens vor, beispielsweise § 46 Abs. 2 S. 1 BeamtVG sowie § 46 Abs. 2 S. 2 LuftVG. Lediglich für den Fall von Lieferausfällen, die auf rechtmäßigen Aussperrungen beruhen, soll es möglich sein, vertraglich die Haftung auszuschließen. 13  Wagner,

in: MünchKomm BGB Vor § 823 Rn. 67.

§ 11 Vorsätzliche deliktische Schädigung als allgemeiner Vorrangtatbestand245

In diesen Fällen wird § 276 Abs. 3 BGB verfassungskonform ausgelegt.14 Diese Situation ist jedoch nicht mit der Täuschung eines Anlegers durch die Gesellschaft zu vergleichen. Zunächst ist die Aussperrung nicht auf die Lieferausfälle gerichtet, der Haftende bezweckt also nicht den Schaden. Dagegen dient die Fehlinformation der Gesellschaft dazu, den Anleger zur Zeichnung der Aktien zu bewegen. Ein anderes Ziel ist nicht ersichtlich. Außerdem dient die Aussperrung dem verfassungsrechtlich garantierten Arbeitskampf. Ein verfassungsrechtlich geschütztes Recht zur Fehlinformation existiert demgegenüber nicht. Darüber hinaus erfüllt eine zu Lieferausfällen führende Aussperrung auch nicht die Voraussetzungen der § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. einem Schutzgesetz oder des § 826 BGB, da ein entgegenstehendes Schutzgesetz nicht ersichtlich ist und im Hinblick auf § 826 BGB die Schädigung nicht sittenwidrig wäre. Eine Übertragung der Argumentation zu Lieferausfällen durch Aussperrungen scheidet somit offensichtlich aus. Es zeigt sich also, dass das Gesetz in keinem Falle eine Haftung für eine vorsätzliche, unerlaubte Handlung beschränkt. Vielmehr ist die Haftung für Vorsatz in den meisten haftungsbeschränkenden Normen explizit ausgenommen. Dies stimmt mit dem Rechtsgedanken überein, nach dem die Haftung für Vorsatz nicht im Voraus erlassen werden kann. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Haftung der Gesellschaft auf einer Zurechnung gem. § 31 BGB beruht. Grundsätzlich ist es möglich, die Haftung für vorsätzliche Handlungen von Erfüllungsgehilfen im Voraus auszuschließen, § 278 S. 2 BGB. Allerdings ist der Vorstand kein Erfüllungsgehilfe, und dem Fehlen einer entsprechenden Regelung bei § 31 BGB kann man entnehmen, dass die Haftung für Vorsatz von Organen nicht ausgeschlossen werden kann.15 II. Ratio legis der Haftung für Vorsatz Um zu beantworten, in welchen Fällen eine Haftung für Vorsatz generell ausgeschlossen oder beschränkt sein kann, muss man sich die Frage stellen, welchen Zweck die Haftung für Vorsatz haben soll. Wie bereits gesagt, gibt es im deutschen Deliktsrecht keine zentrale Haftungsnorm, sondern die herrschende Ansicht hält die § 823 Abs. 1, § 823 Abs. 2 und § 826 BGB für drei Generalklauseln.16 Diese können nebeneinander eingreifen, keine schließt die Anwendbarkeit der anderen aus. Während § 823 Abs. 1 BGB nur bestimmte Rechtsgüter gegen jede Art des rechtswidrigen und schuld14  Grundmann,

in: MünchKomm BGB § 276 Rn. 182. in: Staudinger (2001), § 276 BGB Rn. 106, § 278 Rn. 112, Grüneberg, in: Palandt, § 278 BGB Rn. 6, 42. 16  Larenz / Canaris, Schuldrecht II / 2, S. 354, 448. 15  Löwisch,

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3. Teil: Haftung für vorsätzliche, sittenwidrige Schädigungen

haften Eingriffs schützt, werden durch § 823 Abs. 2 BGB und § 826 BGB die Verletzungen sämtlicher Rechtsgüter, auch des Vermögens, durch den Verstoß gegen ein Schutzgesetz oder die vorsätzlich-sittenwidrige Schädigung ersetzt. § 823 Abs. 2 BGB und § 826 BGB knüpfen also beide an ein bestimmtes Verhalten an: Während die Tathandlung des § 823 Abs. 2 BGB gegen ein Schutzgesetz verstoßen muss, aber dafür nur allgemein schuldhaft sein muss, setzt § 826 BGB eine vorsätzliche Handlung voraus, die einen anderen in sittenwidriger Weise geschädigt haben muss. Bei § 826 BGB wird also die weniger konkrete Anforderung an den Rechtsverstoß durch eine Erhöhung der Anforderungen an das Verschulden ausgeglichen. Diese Klausel wird auch als Auffangtatbestand bezeichnet,17 da mit ihrer Hilfe Verstöße gegen ethische Standards, die (noch) nicht in einem (Schutz-)Gesetz manifestiert sind, sanktioniert werden können.18 Der Zweck der Haftung des § 826 BGB wird von Oechsler in „der Deprivilegierung des Vorsatztäters zum Schutz seiner Opfer“ gesehen. Dies bedeutet, dass die Norm den allgemeinen Vermögensschutz für den Fall der Vorsatztat soweit ergänzt, „als Haftungsbeschränkungen und -ausschlüsse, die ansonsten die Ersatzansprüche der Geschädigten einschränken, nicht zugunsten desjenigen gelten, der bewusst und mindestens unter Inkaufnahme von Vermögensschäden seines Opfers handelt und dabei gegen die guten Sitten verstößt.“19 Erhöht der Täter die Gefährdung der Opfer, muss daran auf der Rechtsfolgenseite ein erhöhter Schutz geknüpft werden.20 Die üblichen Haftungsprivilegien sollen nicht zugunsten derer eingreifen, die bewusst und unter Inkaufnahme von Schäden gegen andere vorgehen.21 In die gleiche Richtung geht Deutsch, der in der Überwindungsfunktion, beispielsweise in der Außerkraftsetzung einer formalen Rechtsposition wegen sittenwidriger Erschleichung, eine der Funktionen des § 826 BGB sieht.22 Dieser Überwindungsfunktion kommt ein sehr weiter Schutzbereich zu: Dieser wird in dem latinisierten Satz fraus omnia corrumpit zusammengefasst.23 Gegenstimmen in der Literatur wenden sich in erster Linie gegen die Begrifflichkeiten: Der Überlegung von Oechsler wohne ein Ansatz inne, nach dem § 823 Abs. 1 BGB als Privilegierung gegenüber einer angenommenen, 17  Hönn, in: Soergel, BGB, § 826 Rn. 2, Kritisch Larenz / Canaris, Schuldrecht II / 2, S.  448. 18  Deutsch / Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 301. 19  Oechsler, in: Staudinger (2009), § 826 BGB Rn. 1. 20  Oechsler, in: Staudinger (2009), § 826 BGB Rn. 14. 21  Oechsler, in: Staudinger (2009), § 826 BGB Rn. 12. 22  Deutsch, Haftungsrecht2, Rn. 65. 23  Deutsch, Haftungsrecht2, Rn. 67, Oechsler, in: Staudinger (2009), § 826 BGB Rn. 12.

§ 11 Vorsätzliche deliktische Schädigung als allgemeiner Vorrangtatbestand247

allgemeinen Ersatzpflicht für sämtliche Schäden (im Sinne einer Ersatzpflicht nur für Schaden an bestimmten Rechtsgütern) wirke. Diese Privilegierung werde von § 826 BGB wieder zurückgenommen. Hönn kritisiert, dass es sich bei § 823 Abs. 1 BGB nicht um eine Privilegierung handle, sondern die Norm eine wertende Grundsatzentscheidung im Hinblick auf eine freiheitliche Gesellschaft sei.24 Fraglich ist jedoch, ob der Ansatz von Oechsler nur basierend auf der Annahme einer allgemeinen Ersatzpflicht vertretbar ist. Dagegen spricht, dass ein Schädiger, der nur nach § 823 Abs. 1 BGB haftet, eindeutig besser steht als ein Schädiger, den die Haftung des § 826 BGB trifft. Der Begriff der Deprivilegierung lässt sich hier auch als bloße „Schlechterstellung“ verstehen, die unstreitig sein dürfte. Fraglich ist lediglich, was der Grund für die Deprivilegierung oder Schlechterstellung ist. Oechsler sieht diesen in der erhöhten Gefährlichkeit eines Vorsatztäters.25 Zusätzlich kann die Schlechterstellung mit einer gesteigerten Vorwerfbarkeit begründet werden: Wer bewusst gegen allgemein anerkannte Regeln verstößt und dadurch einen anderen schädigt, sollte umfassender haften als derjenige, der lediglich fahrlässig schädigt. Aus diesem Grund ist Hönn auch nicht zu folgen, wenn er annimmt, dass das Konzept der Deprivilegierung das Erfordernis eines Sittenverstoßes in den Hintergrund dränge.26 Auch hier verschwindet das Problem, wenn man im Begriff des Vorsatztäters die Sittenwidrigkeit (oder einen Verstoß gegen ein Schutzgesetz) impliziert sieht. Außerdem liegen der Begriff der Sittenwidrigkeit und die für eine deliktische Haftung immer erforderliche Rechtswidrigkeit sehr nah beieinander.27 Wagner wendet gegen das Konzept Oechslers ein, dass die vorsätzliche Handlung des Täters folgenlos bleibe, solange § 823 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB eingreifen würden.28 Dies ist jedoch nicht die richtige Blickrichtung: Solange der Täter fahrlässig gehandelt hat, haftet er nur, wenn er ein von § 823 Abs. 1 BGB geschütztes Rechtsgut oder ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB verletzt hat. Hat der Täter dagegen vorsätzlich gehandelt, haftet er in jedem Fall, in dem die Schädigung als sittenwidrig angesehen wird, ohne dass die Haftung auf gesetzliche Normierungen oder bestimmte Rechtsgüter beschränkt wird. Die Haftung des Täters intensiviert sich also bei vorsätzlicher Begehung nicht, aber der Tatbestand, an den die Haftung anknüpft, verbreitert sich. Auch dies bedeutet eine Schlechterstellung oder Deprivilegierung. Der Grund für die weitergehende Haftung für Vorsatz liegt darin, dass der Täter sich bewusst über das Recht hinwegsetzt. Aus dieser Negation des 24  Hönn,

in: Soergel, BGB, § 826 Rn. 6. in: Staudinger (2009), § 826 BGB Rn. 14. 26  Hönn, in: Soergel, BGB, § 826 Rn. 7. 27  Deutsch / Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 300. 28  Wagner, in: MünchKomm BGB § 826 Rn. 5. 25  Oechsler,

248

3. Teil: Haftung für vorsätzliche, sittenwidrige Schädigungen

Rechtsstaats ist er rechenschaftspflichtig, muss er also vollen Schadensersatz (und ein möglicherweise erhöhtes Schmerzensgeld) leisten.29 Derjenige, der die Rechts- und Güterordnung bewusst missachtet, ist nicht schutzwürdig.30 Grundlage des Unrechtsurteils ist also nicht in erster Linie der Erfolg, sondern der Verstoß gegen ein Verhaltensgebot oder -verbot.31 Dem Zweck der Deprivilegierung des Vorsatztäters würde es zuwiderlaufen, wenn die Ersatzpflicht nach § 826 BGB hinter Normen zurücktreten würde, die die Haftungsverantwortung einschränken. Solche Einschränkungen dürfen nicht als Freiräume für den Vorsatztäter genutzt werden.32 Privilegierungen der sonstigen Haftung und Reduktionsklauseln versagen aus diesem Grund bei vorsätzlicher Schädigung.33 Dienen die Haftungsprivilegierungen allerdings sonstigen, übergeordneten Regelungszwecken gegenüber Dritten oder der Allgemeinheit und stellt die Einschränkung der Haftung lediglich einen Reflex dieser übergeordneten Anliegen dar, setzt sich die Haftung gem. § 826 BGB nicht durch.34 Es zeigt sich also, dass die umfassende Haftung für vorsätzliche, sittenwidrige Schädigungen dazu dient, einen Ausgleich für die erhöhte Gefährlichkeit sowie die größere Vorwerfbarkeit einer vorsätzlichen Handlung zu schaffen. Dieser Zweck wird nur effektiv verwirklicht, wenn gegenüber der Haftung für vorsätzliche, sittenwidrige Schädigungen andere Haftungsbeschränkungen zurücktreten, um keine Freiräume zugunsten des Vorsatztäters zu öffnen. Lediglich solche Haftungsbeschränkungen, die einem sonstigen, übergeordneten Regelungszweck dienen, setzten sich gegenüber der Haftung für Vorsatz durch. Unter den Begriff der Haftung für Vorsatz sollte dabei neben der Haftung gem. § 826 BGB auch ein vorsätzlicher Verstoß gegen ein Schutzgesetz gefasst werden. Auch bei diesem gilt es zu verhindern, dass sich für den Täter Freiräume für die Missachtung der Rechtsordnung öffnen.

C. Vereinbarkeit der Prinzipien I. Wertungen der untersuchten Fälle Es hat sich gezeigt, dass der aktienrechtliche Kapitalschutz zurücktritt, weil der Gesetzgeber in manchen Fällen andere Schutzzwecke als vorrangig Haftungsrecht2, Rn. 333. Haftungsrecht2, Rn. 336. 31  Larenz / Canaris, Schuldrecht II / 2, S. 364 f. 32  Oechsler, in: Staudinger (2009), § 826 BGB Rn. 133. 33  Deutsch, Haftungsrecht2, Rn. 331. 34  Oechsler, in: Staudinger (2009), § 826 BGB Rn. 134.

29  Deutsch, 30  Deutsch,

§ 11 Vorsätzliche deliktische Schädigung als allgemeiner Vorrangtatbestand249

vor einem sehr weitgehenden Gläubigerschutz, dem zentralen Motiv des Kapitalschutzes, einordnet. Welche Wertung dagegen der EM.TV-Rechtsprechung zugrundeliegt, ist noch ungeklärt. Der BGH begründet ein Zurücktreten des Kapitalschutzes in erster Linie damit, dass der Aktionär einem Drittgläubiger vergleichbar sei, so dass ihm gegenüber die Beschränkungen keine Anwendung finden. Bereits die ersten Urteile des Reichsgerichts stützten es auf die Vergleichbarkeit des Aktionärs mit einem Drittgläubiger, wenn sie annahmen, dass die Aktiengesellschaften gegenüber Aktionären, die die Aktien derivativ erworben haben, haften. In der Literatur wurde die Rechtsprechung überwiegend damit zusammengefasst, dass der BGH dem Schutz der Adressaten der Falschinformationen den Vorrang vor den Interessen der Gläubiger eingeräumt habe.35 Lediglich Möllers weist darauf hin, dass bei der Frage, ob der Aktionär als solcher oder als Dritter zu behandeln ist, nicht die formale Stellung maßgeblich sein könne, sondern wertende Kriterien hinzutreten müssten.36 In welchen Fällen ein Aktionär jedoch einem Drittgläubiger vergleichbar ist, ist nicht abschließend beantwortet. Nachdem dies auch in der Rechtsprechung nicht abstrakt untersucht wird, gilt es zu prüfen, welche Wertungen dieser Einordnung zugrunde liegen. Der BGH stützt die Vergleichbarkeit darauf, dass die deliktische Haftung der Aktiengesellschaft an die Verletzung von gesetzlichen Publizitätspflichten (§ 15 WpHG) anknüpfe, die ihr in erster Linie zum Schutz der Funk­ tionsfähigkeit des (sekundären) Kapitalmarktes auferlegt worden seien.37 Fraglich ist jedoch, ob darin die zentrale Wertung liegt: Kommt es darauf an, dass die Pflichten dem Schutz des Kapitalmarktes dienen? Oder hätte die deliktische Verletzung jeder Pflicht ausgereicht, um den Kapitalschutz zurücktreten zu lassen? Hätte auch ein nicht-vorsätzliches Handeln ausgereicht? Die vom BGH im Zusammenhang mit der Vergleichbarkeit mit einem Drittgläubiger genannten Kriterien machen nicht deutlich, weshalb gerade diese ein Zurücktreten des Gläubigerschutzes rechtfertigen, nachdem man annehmen muss, dass nicht alle Fälle einer deliktischen Pflichtverletzung zu einer vollumfassenden Haftung der Gesellschaft führen können. Im Zusammenhang mit der Frage, ob die Gesellschaft grundsätzlich – und nicht nur der Vorstand – in Anspruch genommen werden kann, stellte der BGH auf die Gesetzesbegründung zu § 15 Abs. 6 WpHG ab. Diese geht davon aus, dass „ein Haftungsausschluss zu Gunsten des Emittenten in Fällen betrügerischer oder sittenwidriger Schädigung Dritter mit den Grundsätzen 35  Goette, DStR 2006, 139 (140), Bayer / Weinmann, EWiR 2005, 689 (690), Möllers, BB 2005, 1637 (1639). 36  Möllers, BB 2005, 1637 (1639 f.). 37  BGH NZG 2005, 672 (674) – EM.TV.

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3. Teil: Haftung für vorsätzliche, sittenwidrige Schädigungen

der Rechtsordnung nicht vereinbar wäre und eine sachlich nicht vertretbare Bevorzugung des Emittenten gegenüber anderen Unternehmen darstellen würde, die für betrügerisches Verhalten ihres gesetzlichen Vertreters – gegebenenfalls mit existenzbedrohenden Konsequenzen für das Unternehmen – haften müssten.“38 Diese Wertung ist nicht an die Anwendbarkeit von § 15 Abs. 6 WpHG geknüpft und damit verallgemeinerungsfähig, da § 15 Abs. 6 WpHG lediglich klarstellt, dass bestimmte, allgemeine Anspruchsgrundlagen nicht ausgeschlossen werden. Hierin ist die tatsächliche Wertung des BGH zu sehen: Der Kapitalschutz tritt nicht hinter den Schutz der Anleger, sondern hinter den Schutz der betrügerisch oder sittenwidrig Getäuschten zurück. Es zeigt sich also, dass sowohl in den spezialgesetzlich geregelten Fällen als auch in der Konstellation, die der EM.TV-Rechtsprechung zugrunde liegt, der Kapitalschutz zurücktritt, wenn andere Schutzzwecke als gleichoder höherrangig eingestuft werden. Eine verallgemeinerungsfähige Wertung liegt dabei möglicherweise in der Rechtsprechung des BGH: Fraglich ist, ob allgemein gesagt werden kann, dass der Kapitalschutz zurücktreten muss, wenn Aktionäre bei der Beteiligungsentscheidung über die Beschaffenheit des Unternehmens vorsätzlich getäuscht worden sind. Dies hätte zur Folge, dass – über die Rechtsprechung des BGH hinaus – nicht nur für vorsätzlich fehlerhafte Ad-hoc-Meldungen, sondern auch für jede andere vorsätzlich falsche Information gegenüber einem Aktionär im Zusammenhang mit der Beteiligungsentscheidung die Gesellschaft in vollem Umfang haften würde. II. Allgemeingültigkeit des Vorrangs der Vorsatzhaftung Der zivilrechtliche Rahmen der Haftung für Vorsatz stellt sich dabei wie folgt dar: Das BGB geht in § 276 Abs. 3 BGB davon aus, dass eine Haftung für Vorsatz im Voraus nicht erlassen werden kann. Auf diese Weise soll sich keiner der Willkür eines anderen ausliefern können. Lediglich in Ausnahmefällen, die mit der vorsätzlichen Falschinformation des Aktionärs nicht vergleichbar sind und die Voraussetzungen der §§ 823 Abs. 2, 826 BGB nicht erfüllen, ist eine vertragliche Beschränkung der Haftung für Vorsatz zulässig. In Spezialgesetzen, die verschiedene Beschränkungen der deliktischen Haftung enthalten, sind von der Haftungsbeschränkung Ausnahmen für den Fall, dass Schäden vorsätzlich herbeigeführt wurden, vorgesehen. Diese Umsetzung stimmt mit dem Zweck der Haftung für vorsätzliche, sittenwidrige Schädigungen, der Deprivilegierung des Vorsatztäters, überein: Wer sich bewusst gegen die Rechts- und Sittenordnung stellt, muss die 38  BGH NZG 2005, 672 (674) – EM.TV unter Verweis auf BT-Drucks. 12 / 7918, S. 102.

§ 11 Vorsätzliche deliktische Schädigung als allgemeiner Vorrangtatbestand251

Folgen seines Handelns voll tragen. Dies bedeutet zum einen eine Haftung für sämtliche Schäden, insbesondere auch Vermögensschäden. Zum anderen kann sich der Vorsatztäter nicht auf Haftungsbeschränkungen berufen. Eine Haftung für Vorsatz setzt sich also immer gegenüber Haftungsbegrenzungen durch. Dieser Befund für die vorsätzliche Haftung spricht dafür, dass die Haftung für Vorsatz ebenfalls vorrangig vor dem Kapitalschutz sein könnte. Es gilt also zu prüfen, ob die Wertung einer vorsätzlichen Falschinforma­tion es immer rechtfertigen würde, den Kapitalschutz zurücktreten zu lassen, so dass die Gesellschaft umfassend haftet. Im Verhältnis zur Gesellschaft gibt es eine Vielzahl von Aspekten, die es unangemessen erscheinen lassen, dass die Gesellschaft die Mittel, die sie durch das vorsätzliche, deliktische Handeln ihres Vorstands erlangt hat, behalten kann. Die zivilrechtlichen Regeln, die eine Haftungsbeschränkung aufheben, wenn dem Ersatzanspruch eine vorsätzliche Handlung zugrunde liegt, zeigen, dass üblicherweise gewährte Vorzüge in diesem Fall entfallen sollen. Dies stimmt vollständig mit dem Gedanken der Deprivilegierung des Vorsatztäters überein. Entsprechendes muss auch im Verhältnis zwischen der Gesellschaft, der das Handeln ihres Vorstands gem. § 31 BGB zuzurechnen ist, und dem Aktionär gelten. Grundsätzlich führt eine Begrenzung der Haftung auch zu Freiräumen deliktischen Handelns. Solche Freiräume deliktischen Handelns widersprechen sowohl dem Rechtsgedanken, dass sich niemand der Willkür eines anderen ausliefern soll, als auch dem Grundsatz, dass derjenige, der die Rechtsordnung bewusst missachtet, nicht schutzwürdig ist. Diese Einschätzung wird auch nicht durch eine mögliche persönliche Haftung des Organs der Gesellschaft aufgehoben. Diese mindert zwar möglicherweise das Risiko des Anlegers in gewissem Umfang. Jedoch erscheint es nicht angemessen, dass die Gefahr der Haftung für eine vorsätzliche Schädigung nur das Organmitglied persönlich trifft und nicht die Gesellschaft, die von der Schädigung profitiert. Dies gilt auch im Vergleich zu der vom BGH entschiedenen Konstellation: Die direkte vertragliche Beziehung muss zu gesteigerten deliktischen Schutzpflichten führen, nicht zu ihrer Verringerung. Es kann nicht sein, dass die Tatsache, dass eine Gesellschafterstellung begründet werden soll, den Aktionär schutzlos gegen vorsätz­ liche, sittenwidrige Schädigungen stellt. Wenn der Vorstand bereit ist, im Rahmen seiner Tätigkeit für die Aktiengesellschaft andere vorsätzlich-sittenwidrig zu schädigen, können diese nicht nur dann einen Schadensersatzanspruch gegen die Gesellschaft erlangen, wenn sie keine Aktionäre sind. Das Risiko einer vorsätzlichen, sittenwidrigen Schädigung steht nicht in ausreichendem Zusammenhang mit der Beteiligung. Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb die Gesellschaft voll haften soll, wenn zufällige Anleger des Kapitalmarktes geschädigt werden, aber sich auf entgegenstehende, aktienrecht­ liche Grundsätze berufen können soll, wenn ein sich direkt beteiligender

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3. Teil: Haftung für vorsätzliche, sittenwidrige Schädigungen

Neu-Aktionär vorsätzlich-sittenwidrig falsch informiert wird. Aber auch im Verhältnis zwischen dem Aktionär und den Gläubigern überzeugt die Wertung, dass die Aktionäre in gleicher Weise auf das Vermögen der Gesellschaft zugreifen dürfen wie die Gläubiger: Zum einen würden aus einer vorsätzlichen Falschinformation auch die Gläubiger mittelbar profitieren, wenn das Eigenkapital der Gesellschaft auf diese Weise gestärkt würde. Außerdem gehört das Risiko einer fahrlässigen Falschinformation zum allgemeinen Anlagerisiko und ist vom Anleger zu tragen, während vorsätzliche Täuschungen im allgemeinen Interesse verboten sind, so dass grundsätzlich auch ein breiterer Personenkreis das Risiko solchen Fehlverhaltens tragen muss. Außerdem ist der arglistig getäuschte Aktionär nicht weniger schutzwürdig als die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes. Für einen solchen generellen Vorrang der Haftung für vorsätzliche, unerlaubte Handlungen, auch im Geltungsbereich der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung, sprechen sich auch mittlerweile viele Stimmen in der Literatur aus.39 III. Umfang der Haftung Fraglich ist also, was es im Detail bedeutet, dass die Gesellschaft für vorsätzliche Täuschungen in jedem Fall haften muss. Für die spezialgesetzliche Prospekthaftung hat sich gezeigt, dass die Gesellschaft gegenüber den Aktionären mit sämtlichen Vermögensbestandteilen haftet, lediglich in der Insolvenz der Gesellschaft sind die Forderung der Aktionäre nachrangig gegenüber den Forderungen der Gläubiger. Der Gedanke von der Deprivilegierung des Vorsatztäters kommt hier nur dann vollständig zum tragen, wenn die Gesellschaft in weiterem Umfang haftet als wenn der Vorstand nur fahrlässig gehandelt hätte. Die vom BGH herangezogene und damit bestätigte Gesetzesbegründung geht davon aus, dass die vorsätzliche Täuschung für die Gesellschaft möglicherweise existenzbedrohende Folgen hat. Hält man die Forderungen der getäuschten Aktionäre für insolvenzrechtlich nach39  Renzenbrink / Holzner, BKR 2002, 434 (437), Möllers / Leisch, in: Möllers / Rotter, Ad-hoc-Publizität, § 15 Rn. 99, Sprau, in: Palandt, §  826 BGB Rn. 35a, Cahn / Senger, in: Spindler / Stilz, § 57 AktG Rn. 45 f., Spindler, in: Bamberger / Roth, § 826 BGB Rn. 67, Wagner, in: MünchKomm BGB § 826 Rn. 71, wohl auch Braun, BKR 2005, 415 (416), Hüffer, § 248 AktG Rn. 6 („Grundsatz umfassender Vermögensbindung muss zurücktreten, wenn Anleger durch Täuschungshandlungen des Vorstands Aktionäre geworden sind und die AG deshalb gem. § 31 BGB für ihre Vorstandsmitglieder zu haften hat. Auch eine Beschränkung des Haftungsstocks auf Grundkapital und gesetzliche Rücklage ist in den krassen Fällen letztlich nicht hilfreich. Vorrang des Anlegerschutzes gilt nach richtiger, wenngleich noch ungesicherter Meinung ohne Rücksicht darauf, ob Anleger originär durch Zeichnung oder derivativ durch Umsatzgeschäft Aktionär geworden sind.“), a. A. Oechsler, in: MünchKomm AktG § 71 Rn. 309.

§ 11 Vorsätzliche deliktische Schädigung als allgemeiner Vorrangtatbestand253

rangig und müsste die Gesellschaft sie demensprechend nicht in eine Überschuldungsbilanz einstellen, würde die existenzbedrohende Wirkung abgemildert. Auch darin liegt eine Privilegierung, die nach dem Gedanken der Deprivilegierung des Vorsatztäters entfallen muss. Fraglich ist jedoch, woraus sich ergibt, dass die Gläubiger nochmals schlechter gestellt werden als bei der spezialgesetzlichen Prospekthaftung. Dafür spricht, dass die getäuschten Aktionäre im Falle einer vorsätzlichen Fehlinformation deutlich schutzwürdiger sind als im Falle der spezialgesetzlichen Prospekthaftung. Schädigt der Vorstand vorsätzlich, verwirklicht sich ein allgemeines Risiko, das die Gläubiger immer tragen müssen, und nicht ein Risiko, das nur der Sphäre der Gesellschaftsbeteiligung entspringt und sich nur innerhalb dieser Sphäre auswirken kann. Nimmt man an, dass die Haftung für eine vorsätzliche Schädigung sich immer gegenüber dem aktienrechtlichen Kapitalschutz durchsetzt, haftet auch die Gesellschaft, die nicht kapitalmarktaktiv ist, unabhängig von den Beschränkungen, die im Ersten Teil festgestellt wurden: Dies bedeutet, dass die Gesellschafter auf das gesamte Vermögen der Aktiengesellschaft zugreifen können und ihre Aktie an die Gesellschaft zurückgeben können, und dass sie in der Insolvenz gleichrangig mit anderen Gläubigern wären. Für die Anleger dort führt die Erweiterung des Haftungsumfangs zu einer echten Verbesserung ihres Schutzniveaus, da die Gesellschaft nicht schon aufgrund der spezialgesetzlich geregelten Haftung mit ihrem gesamten Gesellschaftsvermögen haftet. Fraglich ist lediglich, was geschieht, wenn der Vorstand der Gesellschaft vorsätzlich falsche Angaben über die zukünftige Entwicklung der Gesellschaft macht. Im Rahmen der Prospekthaftung ist das Vertrauen in Prognosen und Gewinnprognosen insoweit geschützt, als die Gesellschaft haftet, wenn diesen im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Prospekts keine hinreichenden Tatsachen zugrunde lagen. Treffen die auf einer ausreichenden Grundlage abgegebenen Prognosen dagegen später nicht ein, weil sich die Gegebenheiten anders entwickeln, als es vorhersehbar war, haftet die Gesellschaft dagegen nicht. Greift die spezialgesetzliche Prospekthaftung dagegen nicht ein, ist es der kapitalmarktinaktiven Gesellschaft aufgrund des Verbots von Kursgarantien versagt, Aussagen über die zukünftige Entwicklung zu treffen. In diesem Bereich muss man also möglicherweise weiterhin von einer Differenzierung zwischen der Haftung der kapitalmarktaktiven und der kapitalmarktinaktiven Gesellschaft ausgehen: Wenn bei der kapitalmarktaktiven Gesellschaft das Vertrauen der Anleger in Prognosen in einem gewissen Rahmen geschützt ist, muss auch die vorsätzliche Verletzung dieses Vertrauens zu einer umfassenden Haftung führen. Demgegenüber ist bei der kapitalmarktinaktiven Gesellschaft das Vertrauen in Aussagen über die zukünftige Entwicklung gerade nicht geschützt. Macht der Vorstand

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3. Teil: Haftung für vorsätzliche, sittenwidrige Schädigungen

fahrlässig fehlerhafte Angaben, haftet die Gesellschaft also nicht. Nimmt man also an, dass das Vertrauen der zukünftigen Aktionäre in Angaben über die zukünftige Entwicklung der Gesellschaft gar nicht geschützt ist, kann es, wenn solche nicht zutreffen, nicht darauf ankommen, ob die fehlerhaften Angaben vorsätzlich oder fahrlässig gemacht wurden. Dementsprechend bildet die Haftung für zukunftsbezogene Aussagen den einzigen Aspekt, in dem die kapitalmarktaktive Gesellschaft für vorsätzliche Schädigungen durch den Vorstand in weiterem Umfang haftet als die kapitalmarktinaktive Gesellschaft.

D. Erweiterte Anfechtungsmöglichkeiten? Kommt man zu dem Ergebnis, dass Aktionäre, die bei der Beteiligung vom Vorstand der Gesellschaft getäuscht wurden, von der Gesellschaft Schadensersatz verlangen können, stellt sich die Frage, ob man auch im Hinblick auf die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB), die nach herrschender Meinung ausgeschlossen ist, zu einem anderen Ergebnis kommen muss. Es hat sich gezeigt, dass die Rechte der Aktionäre gegen die Gesellschaft nach herrschender Meinung eng begrenzt sind, wenn die Zeichnung trotz der Fehlerhaftigkeit des Zeichnungsvertrages bestandskräftig ist. Jedoch lassen die meisten Stimmen in der Literatur sowie die Rechtsprechung eine Ausnahme von dem Grundsatz der Bestandskraft zugunsten besonders schutzwürdiger Individualinteressen zu, die das Interesse der Allgemeinheit und der Gläubiger am Schutz der Kapitalgrundlagen übersteigen.40 Ein derartiger Willensmangel bewirkt, dass die Aktien nicht bei den – vermeint­ lichen – Zeichnern entstehen, sondern bei der Aktiengesellschaft, die zur Verwertung verpflichtet ist.41 Der Zeichner kann seine Leistung gem. § 812 Abs. 1 S. 1 BGB zurückverlangen.42 Bei einem fehlerhaften Zeichnungsvertrag müssen also die ehemaligen Mitglieder nicht nur noch abgefunden 40  Hüffer, § 185 AktG Rn. 29, Veil, in: K. Schmidt  / Lutter, § 185 AktG Rn. 25 und § 189 AktG Rn. 6, Peifer, in: MünchKomm AktG § 185 Rn. 58, Wiedemann, in: Großkomm AktG § 185 Rn. 66, Lutter, in: KK AktG2 § 185 Rn. 14, Kort, Bestandsschutz (1998), S. 196, a. A. K. Schmidt, GesR § 6 III 3 b), Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband (2002), S. 287. Servatius, in: Spindler / Stilz, § 189 AktG Rn. 8, nimmt in diesen Fällen einen Ausnahmefall an, in dem eine Heilung gem. § 189 AktG nicht eintrete. 41  Lutter, in: KK AktG2 § 185 Rn. 14, Kort, Bestandsschutz (1998), S. 200, Hüffer, § 185 AktG Rn. 29, Veil, in: K. Schmidt / Lutter, § 185 AktG Rn. 25, Peifer, in: MünchKomm AktG § 185 Rn. 59. 42  Lutter, in: KK AktG2 § 185 Rn. 14, Hüffer, § 185 AktG Rn. 29, Veil, in: K. Schmidt / Lutter, § 185 AktG Rn. 25, Peifer, in: MünchKomm AktG § 185 Rn. 59.

§ 11 Vorsätzliche deliktische Schädigung als allgemeiner Vorrangtatbestand255

werden, sondern zusätzlich noch die Mitgliedschaften beseitigt werden.43 Als besonders schutzwürdige Individualinteressen stuft die herrschende Meinung den Schutz Minderjähriger und Geschäftsunfähiger44 sowie Fälle ein, in denen die Zeichnung auf Zwang beruht45, gefälscht wurde46 oder vollständig fehlt47. Darüber hinaus gehen einzelne noch von einem Vorrang der Individualinteressen aus beim Handeln eines vollmachtlosen Vertreters48, bei einer arglistigen Täuschung oder Drohung (§ 123 BGB)49 oder beim Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB)50. K. Schmidt nimmt dagegen an, dass der arglistig Getäuschte im Innenverhältnis die Einlage verweigern, geleistete Einlagen zurückfordern und den Austritt aus wichtigem Grund erklären könne.51 Um zu überprüfen, ob in Fällen einer arglistigen Täuschung ebenfalls eine Ausnahme von der Bestandskraft angenommen werden sollte, gilt es das Augenmerk darauf zu richten, dass einerseits das Aktienrecht eine Geltendmachung von Mängeln nach einer Eintragung möglichst weit beschränkt, und dass andererseits die schutzwürdigen Individualinteressen nach allgemeinen Regeln zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes führen. Nachdem diese beiden Prämissen miteinander unvereinbar sind, bedarf es einer Abwägung der Interessen, um einer von beiden den Vorzug zu geben. In den meisten Fällen wird danach – gemäß der Lehre vom fehlerhaften Organisationsakt – der vom Aktienrecht angestrebten Bestandskraft der Vorzug eingeräumt. Lediglich in wenigen Ausnahmefällen sollen die Interessen der Aktionäre so schutzwürdig sein, dass sie die aktienrechtliche Bestandskraft überwinden, 43  Lutter,

in: FS Röhricht (2005), S. 369 (371). in: Spindler / Stilz, § 189 AktG Rn. 8, Lutter, in: KK AktG2 § 185 Rn. 14, Kort, Bestandsschutz (1998), S. 196, Veil, in: K. Schmidt / Lutter, Peifer, in: MünchKomm AktG § 185 Rn. 58, § 185 AktG Rn. 25, Hüffer, § 185 AktG Rn. 29, a. A. für beschränkte Geschäftsfähigkeit: Wiedemann, in: Großkomm AktG § 185 Rn. 66. 45  Servatius, in: Spindler  / Stilz, § 189 AktG Rn. 8, Veil, in: K. Schmidt / Lutter, § 185 AktG Rn. 25, Lutter, in: KK AktG2 § 185 Rn. 14 (vis absoluta), Hüffer, § 185 AktG Rn. 29, Peifer, in: MünchKomm AktG § 185 Rn. 58, Kort, Bestandsschutz (1998), S. 196. 46  Servatius, in: Spindler  / Stilz, § 189 AktG Rn. 8, Veil, in: K. Schmidt / Lutter, § 185 AktG Rn. 25, Lutter, in: KK AktG2 § 185 Rn. 14, Hüffer, § 185 AktG Rn. 29, Peifer, in: MünchKomm AktG § 185 Rn. 58. 47  Veil, in: K. Schmidt  / Lutter, § 185 AktG Rn. 25, Lutter, in: KK AktG2 § 185 Rn. 14, Hüffer, § 185 AktG Rn. 29, Kort, Bestandsschutz (1998), S. 196. 48  Peifer, in: MünchKomm AktG § 185 Rn. 58. 49  Wiedemann, in: Großkomm AktG § 185 Rn. 66. 50  Wiedemann, in: Großkomm AktG § 185 Rn. 66. 51  K. Schmidt, GesR § 6 V 1 a) unter Verweis auf eine andere Ansicht des BGH, in: NJW 1992, 1503 (1504). 44  Servatius,

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3. Teil: Haftung für vorsätzliche, sittenwidrige Schädigungen

so dass der vermeintliche Zeichner nicht Aktionär wird, sondern die Aktie der Gesellschaft zusteht. Fraglich ist nun, ob der individuelle Schutz es wirklich erforderlich macht, dass die Aktie nicht bei dem vermeintlichen Zeichner entsteht. Eine Alternative wäre es, die Beteiligung für wirksam zu halten und dem Aktionär lediglich Ansprüche auf Rückgängigmachung der Beteiligung zuzubilligen. Problematisch an der herrschenden Meinung ist nämlich, dass die Fehlerhaftigkeit der Beteiligung regelmäßig nicht sofort, sondern erst nach einiger Zeit bemerkt wird. In der Zwischenzeit hat der vermeintliche Zeichner aber alle Rechte aus der Aktionärsstellung ausgeübt, beispielsweise hat er an Abstimmungen teilgenommen. Dies birgt die Gefahr, dass gefasste Beschlüsse anfechtbar sind, § 243 Abs. 1 AktG, und – durch Urteil – rückwirkend vernichtet werden können. Um diese Risiken zu vermeiden, ist eine Lösung, in der sich der Aktionär nur für die Zukunft lösen kann, vorzugswürdig. Darüber hinaus liegt die Gemeinsamkeit der Fälle, in denen die herrschende Meinung bisher eine Anfechtung zulässt, darin, dass eine rechtlich relevante Willensbildung überhaupt nicht stattgefunden hat. Im Falle einer arglistigen Täuschung hat dagegen eine Willensbildung stattgefunden; diese ist lediglich fehlerbehaftet. Ließe man eine Anfechtung des Zeichnungsvertrages wegen arglistiger Täuschung zu, würde dies im bisherigen System der Ausnahmen einen Fremdkörper darstellen. Darüber hinaus ist es auch zum Schutz der Aktionäre nicht erforderlich, ihnen eine Anfechtungsmöglichkeit zuzubilligen: Mit der oben aufgezeigten Möglichkeit, Schadensersatz von der Gesellschaft zu verlangen und die Aktie an die Gesellschaft zurückzugeben, sind die Aktionäre genau so gut geschützt, wie wenn die Aktie von Anfang an bei der Gesellschaft entstanden wäre und die vermeintlichen Aktionäre lediglich ihre Zahlung gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zurückverlangen könnten. Eine Ausdehnung der Anfechtung auf Fälle der arglistigen Täuschung ist somit abzulehnen.

Zwischenergebnis

Allgemeines System der gesetzlichen Haftung der Aktiengesellschaft gegenüber Aktionären für fehlerhafte Angaben im Vorfeld der Beteiligung An dieser Stelle kann zusammenfassend dargestellt werden, welche gesetzlichen Regelungen für die Haftung der Gesellschaft gelten. Die Haftung der Gesellschaft richtet sich zunächst nach den allgemeinen Regeln des BGB, wenn keine spezialgesetzlichen Prospekthaftungsansprüche eingreifen. In diesem Fall ergeben sich Beschränkungen des Haftungsrahmens allein aus aktienrechtlichen Vorschriften. Die herrschende Meinung geht davon aus, dass die aktienrechtlichen Vorschriften eine Haftung ausschließen, weil diese eine Leistung der Aktiengesellschaft darstellen würde, die weder Ausschüttung des Bilanzgewinns noch ausdrücklich gesetzlich zugelassen ist, und auch kein neutrales Drittgeschäft vorliegt. Eine kritische Überprüfung dieser Annahmen führt jedoch dazu, dass lediglich der Teil der Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB, der 10 % oder einen in der Satzung festgelegten Anteil am Grundkapital nicht übersteigt, dem Schutz der Gläubiger dient. Die Bindung aller anderen Eigenkapitalbestandteile der Gesellschaft, also insbesondere großer Teile der aus dem Agio gespeisten Kapitalrücklage, dient anderen Zwecken, die hinter dem Schutz der fehlerhaft informierten Aktionäre zurückstehen müssen. Mit diesen Eigenkapitalbestandteilen haftet die Gesellschaft gegenüber fehlerhaft informierten Aktionären. Das Verbot des Erwerbs eigener Aktien führt jedoch dazu, dass die Gesellschaft die Aktie von dem Aktionär nicht übernehmen darf, sondern der Einzahlungsbetrag nur zum Teil zurückgezahlt werden darf, der Aktionär aber die Aktie behalten muss. Der Rückzahlungsbetrag ist dabei entsprechend den Regeln zur Minderung zu berechnen. Kann die Gesellschaft diesen Betrag nicht aus den zur Verfügung stehenden Eigenkapitalbestandteilen erbringen, ist eine Rückstellung in der Bilanz zu bilden. Weil den Ansprüchen ein natürlicher Nachrang gegenüber den Ansprüchen der Gläubiger innewohnt, sind die Ansprüche jedoch nicht in einer Überschuldungsbilanz aufzunehmen und können nicht die Insolvenz der Gesellschaft wegen Überschuldung herbeiführen. Für die spezialgesetzlichen Prospekthaftungsansprüche gem. §§ 44  ff. BörsG, § 13 VerkProspG hat der Gesetzgeber einen Vorrang vor den allge-

258 Zwischenergebnis

meinen aktienrechtlichen Beschränkungen geschaffen. Dieser Vorrang dient dem Schutz der Kapitalmarkteffizienz: Zur Sicherung der Erfüllung der Verpflichtung, einen korrekten Prospekt zu veröffentlichen, bedarf es der Prospekthaftung. Dieser Vorrang hat zur Folge, dass die Begrenzung der Haftung, die sich aus dem Verbot des Erwerbs eigener Aktien ergibt, keine Anwendung mehr findet. Nachdem der Gesetzgeber zur Behandlung der Ansprüche in der Insolvenz keine Aussage getroffen hat, und die Perspektive der Überschuldung der Gesellschaft zur Sicherung der Prospekt-Verpflichtung nicht erforderlich ist, sollten die Forderungen der Aktionäre jedoch weiterhin als nachrangig behandelt werden.   Wird der Aktionär im Vorfeld seiner Beteiligungsentscheidung nicht nur fahrlässig fehlerhaft informiert, sondern vorsätzlich getäuscht, tritt auch diese Beschränkung zurück: Die Aktionäre können in der Insolvenz der Gesellschaft gleichrangig mit den Gläubigern auf das Vermögen der Aktiengesellschaft zugreifen. Dies folgt daraus, dass der Schutz vor vorsätzlichen Schädigungen zum Zwecke der Deprivilegierung des Vorsatztäters Vorrang haben muss vor Haftungsbeschränkungen, und dass vorsätzliche Täuschungen im allgemeinen Interesse verboten sind, so dass auch die Allgemeinheit und damit die Gläubiger das Risiko solchen Handelns durch den Vorstand tragen müssen. Lediglich im Falle vorsätzlicher, falscher Informationen über die zukünftige Entwicklung der Gesellschaft ist ein Anspruch gegen die kapitalmarktinaktive Gesellschaft nicht durchsetzbar, weil aufgrund des Verbots von Kursgarantien das Vertrauen der zukünftigen Aktionäre in Aussagen über die zukünftige Entwicklung der Gesellschaft nicht geschützt ist.

Vierter Teil

Möglichkeit von vertraglichen Haftungsabreden zwischen Aktiengesellschaft und zukünftigem Aktionär Nachdem die gesetzliche Haftung einer Aktiengesellschaft gegenüber Aktionären für Informationen im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung dargestellt wurde, ist die Frage noch offen, ob die Gesellschaft und ein Investor die Folgen der Information, insbesondere das Entstehen von Haftungsansprüchen, auch vertraglich regeln können. Solche Regelungen zwischen der Gesellschaft und einem Investor werden in der Praxis insbesondere bei freundlichen Übernahmen angestrebt.1 Regelmäßig wird zunächst mit dem Investor verhandelt, was in ein Investors Agreement mündet, erst im Anschluss daran wird die Beteiligung gesellschaftsrechtlich umgesetzt (z. B. durch einen Beschluss über die Ausnutzung genehmigten Kapitals (§§ 202 ff. AktG), die Zeichnung der Aktien und die Eintragung ins Handelsregister). Im Hinblick darauf sollen zuerst die Grenzen untersucht werden, die die Erkenntnisse aus der gesetzlichen Haftung für die vertragliche Haftung vorgeben. Außerdem beschränken bestimmte Normen des Aktienrechts nur Rechtsgeschäfte, nicht aber eine Inanspruchnahme aus der gesetzlichen Haftung, weshalb sich die Frage stellt, ob diese die Möglichkeit einer vertraglichen Haftung ausschließen oder beschränken (§ 12). Aufbauend auf diesen Grenzen sollen mögliche Vertragsbestimmungen geprüft werden, die in einem Vertrag über die Haftung denkbar sind, wobei vielfach Parallelen zu Unternehmenskaufverträgen gezogen werden können (§ 13). Zuletzt gilt es, den Alternativ-Vorschlag, der in der Literatur am weitesten verbreitet ist, nämlich eine vertragliche Haftung nur auf ein „schuldrechtliches Agio“ zu erstrecken, auf seine Zulässigkeit, rechtliche Gestaltung und Zweckmäßigkeit zu untersuchen (§ 14).

1  Schiessl,

AG 2009, 385 (391).

260

4. Teil: Möglichkeit von vertraglichen Haftungsabreden

§ 12 Grundlagen der vertraglichen Haftung basierend auf bisherigen Erkenntnissen A. Begriffe und dogmatische Grundlagen zur vertraglichen Haftung I. Ausgestaltung als Schadensersatzhaftung Die spezialgesetzliche und die allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung stellen gesetzliche Schadensersatzansprüche dar, die an die fehlerhafte Darstellung der Gesellschaft und des von ihr betriebenen Unternehmens im Vorfeld der Kapitalerhöhung anknüpfen. Fraglich ist, ob auch die Gestaltung der Rechtsfolgen einer fehlerhaften Information durch einen Vertrag auf Schadensersatz gerichtet sein muss. Es käme grundsätzlich in Betracht, anstelle einer Schadensersatzpflicht eine nachträgliche Abänderung der Einlagepflicht oder die Rückzahlung eines Teils der Einlage zu vereinbaren. Gegen eine Anpassung / Abänderung der Einlagepflicht spricht jedoch, dass sich die Einlagepflicht aus dem Zeichnungsvertrag ergibt. Die herrschende Meinung postuliert, dass der Zeichnungsvertrag nach der Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung nicht revidierbar sei2, und bezeichnet diese Wirkung als „Bestandskraft des Zeichnungsvertrages“. Es hat sich jedoch gezeigt, dass der Zeichnungsvertrag, der zeitweilig zwischen Gesellschaft und Aktionär besteht, vollständig in der Mitgliedschaft aufgeht.3 Diese Mitgliedschaft, und nicht die „Bestandskraft des Zeichnungsvertrages“, bindet den Aktionär an die Gesellschaft. Ist jedoch mit wirksamer Entstehung der Mitgliedschaft der Zweck des Zeichnungsvertrages erfüllt, ist eine Veränderung der Bestimmungen des Zeichnungsvertrages nach der Eintragung nicht möglich. Vertragliche Ansprüche können deshalb – wie die gesetzliche Haftung – nicht auf eine Vertragsänderung, sondern nur auf Kompensation gerichtet sein. II. Begriff: Vertragliche Haftung mit der Folge einer Schadensersatzpflicht Die spezialgesetzliche und die allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung knüpfen an die fehlerhafte Darstellung der Gesellschaft und des von ihr betriebenen Unternehmens im Vorfeld der Kapitalerhöhung an. Dement2  RGZ 71, 97 (98  f.), RGZ 88, 271 (272), Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 18 ff. (20, 22), Schwark, in: FS Raisch (1995), S. 269 (287 ff.), zweifelnd: Fleischer, in: Gutachten F für den 64. Juristentag, S. F 73 ff (F 75). 3  Siehe hierzu oben § 7 C.I.



§ 12 Grundlagen der vertraglichen Haftung261

sprechend sollen auch hier nur solche vertraglichen Abreden untersucht werden, die im Vorfeld der Beteiligung des Investors im Zuge einer Kapitalerhöhung abgeschlossen werden, sich auf den Zustand der Gesellschaft und des von ihr betriebenen Unternehmens beziehen und die Entstehung von Haftungsansprüchen beeinflussen. Abreden, durch die einmal entstandene Ansprüche, sei es aus der spezialgesetzlichen oder der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung, modifiziert werden, sollen hier nicht untersucht werden. Fraglich ist, wie diese vertraglichen Abreden zu bezeichnen sind. Die Terminologie in der Literatur ist uneinheitlich: Für die Situation, dass die Aktiengesellschaft vertragliche Zusagen über den Zustand ihres Unternehmens trifft, wird sowohl der Begriff der Gewährleistung4 als auch der Begriff der Garantie5 verwendet. In beiden Fällen wird für die Rechtsfolge (Zahlung auf die Haftungsforderung) der Begriff der Schadensersatzleistung verwendet.6 Der Begriff der Gewährleistung entstammt dem besonderen Schuldrecht des BGB und bezeichnete originär die Folgen einer fehlerhaften Hauptleistung beim Kauf- oder Werkvertrag. Seit der Schuldrechtsreform verwendet das BGB hierfür den allgemeineren Begriff der Mängelhaftung. Grundsätzlich impliziert der Begriff der Gewährleistung die Möglichkeit der Nacherfüllung, die jedoch bei der Haftung für Angaben über das Unternehmen nicht besteht. Eine Garantie ist nach dem direkten Wortsinn weniger auf Schadensersatz, sondern mehr auf Herstellung des garantierten Zustands bzw. ein nachträgliches Abstandnehmen vom Vertrag gerichtet. Deshalb sind weder der Begriff der Gewährleistung noch der Begriff der Garantie geeignet. Vorzugwürdig erscheint unter diesem Blickwinkel der Begriff der Haftung. Dieser wird zwar in der Literatur teilweise nur für die Stellung als Zugriffsobjekt in der Zwangsvollstreckung verwendet7, was hier nicht passt. Andere Autoren benutzen den Begriff der Haftung aber auch, wenn der Schuldner die versprochene Leistung nicht erbringt und weiteren Ansprüchen des Gläubigers ausgesetzt ist, insbesondere Schadensersatzansprüchen.8 Dies entspricht auch dem allgemeinen Sprachgebrauch. Im Schadensersatzrecht bedeutet Haftung „so viel wie Verantwortlichkeit, und zwar mit der 4  Technau, AG 1998, 445 (454), Schaefer / Grützediek, NZG 2006, 204, Sieger / Hasselbach, BB 2004, 60, Brandi, NZG 2004, 600. 5  Maidl / Kreifels, NZG 2003, 1091 (1093 f.), Seibt / Raschke / Reiche, NZG 2002, 256 (262), Mellert, NZG 2003, 1096 (1099). 6  Brandi, NZG 2004, 600, Technau, AG 1998, 445 (454), Mellert, NZG 2003, 1096 (1099). 7  Fikentscher / Heinemann, Schuldrecht, Rn. 30. 8  Esser / Schmidt, AT 1 § 7 I. 1.

262

4. Teil: Möglichkeit von vertraglichen Haftungsabreden

Folge einer möglichen Schadensersatzpflicht.“9 Mit diesem Verständnis ist es vereinbar, wenn man die Haftung der Gesellschaft als vertragliche Haftung bezeichnet, an die eine Schadensersatzpflicht anknüpft.

B. Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich bezeichnet die Voraussetzungen, unter denen der Abschluss einer vertraglichen Haftungsvereinbarung überhaupt möglich ist. Interessant ist an dieser Stelle insbesondere das Verhältnis zur spezialgesetzlichen Prospekthaftung. Zunächst ist anzumerken, dass selbst unter der Prämisse, dass eine vertragliche Modifikation der spezialgesetzlichen Prospekthaftung (sei es als Erweiterung oder als Beschränkung dieser) zulässig wäre, dem Abschluss vertraglicher Haftungsabreden erhebliche praktische Probleme entgegenstünden. Zunächst ist der Abschluss einer Individualabrede mit allen Neuaktionären kaum zu bewerkstelligen. Ist die Gesellschaft kapitalmarktaktiv und erfüllt die konkrete Kapitalerhöhung die Voraussetzungen einer Prospektpflicht und einer daran anknüpfenden Prospekthaftung, wird in der Regel zwischen die Gesellschaft als Emittentin und den erwerbenden Aktionär eine Emissionsbank zwischengeschaltet. Ein Zeichnungsvertrag zwischen der Gesellschaft und dem Aktionär kommt also regelmäßig nicht zustande. Es fehlt damit auch an der Gelegenheit zum Abschluss einer vertraglichen Haftungsabrede. In Betracht kommt lediglich eine Modifikation der vertraglichen Haftung gegenüber der Emissionsbank. I. Haftungsabrede nur praxisrelevant außerhalb des Anwendungsbereichs der spezialgesetzlichen Prospekthaftung Der Anspruch aus der spezialgesetzlichen Prospekthaftung (§ 44 BörsG, § 13 VerkProspG) darf im Voraus weder ermäßigt noch erlassen werden. Das ergibt sich aus § 47 Abs. 1 BörsG, auf den auch § 13 VerkProspG ohne Modifikationen verweist. Eine Beschränkung der Prospekthaftung durch eine neben dieser stehende vertragliche Abrede ist im Voraus also nicht zulässig. Möglich erscheint dagegen eine Verschärfung der spezialgesetz­ lichen Prospekthaftung. § 47 Abs. 2 BörsG, auf den § 13 VerkProspG wieder ohne Modifikationen verweist, bestimmt, dass weitergehende Ansprüche, die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes auf Grund von Verträgen (oder vorsätzlichen oder grob fahrlässigen unerlaubten Handlungen) erhoben werden können, unberührt bleiben. Hier stellen sich die praktischen 9  Larenz,

Schuldrecht I, § 2 IV (S. 22).



§ 12 Grundlagen der vertraglichen Haftung263

Probleme einer Individualabrede mit sämtlichen Aktionären. Trifft die Gesellschaft eine die spezialgesetzliche Prospekthaftung verschärfende Abrede nur mit einzelnen Neuaktionären, ist dies unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung problematisch. Es zeigt sich also, dass im Anwendungsbereich der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nur eine Verschärfung der Haftung in Betracht kommt, und dass diese mit großen praktischen Problemen behaftet ist. Dementsprechend erscheint eine vertragliche Abrede nur dann praxisrelevant, wenn die Gesellschaft nicht der spezialgesetzlichen Prospekthaftung unterliegt. II. Sonderfall: Vertragliche Abreden mit der Emissionsbank Im Gegensatz zu vertraglichen Gewährleistungsabreden mit „normalen“ Investoren hält die herrschende Meinung Zusagen gegenüber der Emissionsbank bei mittelbarem Bezugsrecht, insbesondere Freistellungsabreden, überwiegend für zulässig.10 Dies überrascht, da die Emissionsbank in diesem Fall sämtliche Aktien zeichnet. Sie ist damit der erste Aktionär und verkauft die Aktien lediglich später weiter. In diesem Rahmen soll die Gesellschaft die Emissionsbank im Innenverhältnis von ihrer eigenen Haftung gegenüber den Aktionären freistellen können.11 Es handelt sich also um eine (Gewährleistungs-)Zusage der Gesellschaft gegenüber einem Aktionär. In der Praxis wird diese Freistellungsabrede teilweise damit gerechtfertigt, dass nach dem Grundgedanken der börsengesetzlichen Prospekthaftung primär die Gesellschaft für die Richtigkeit des Prospekts verantwortlich sei.12 Woraus sich dieser Vorrang ergeben soll, wird jedoch nicht deutlich; die gesetzliche Regelung bestimmt eine gleichrangige Haftung der Emittenten und der Emissionsbanken13, weshalb dieser Rechtfertigungsansatz anzulehnen ist. Nach überwiegender Ansicht ist eine Freistellungsabrede zulässig, weil es sich nur um eine Regelung des Gesamtschuldnerausgleichs gemäß § 426 BGB handelt.14 Allerdings stellt eine von der gesetzlichen Haftungsverteilung abweichende Regelung des Gesamtschuldnerausgleichs 10  Brandi, NZG 2004, 600 (602), Hoffmann-Becking, in: FS Lieberknecht, S. 25 (36 f.), Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 55, Schwark, in: Schwark / Zimmer, Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rn. 14, Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 Rn. 17 ff. 11  Schaefer / Grützediek, NZG 2006, 204 (205), Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 55, Brandi, NZG 2004, 600 (602), Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 Rn. 17 ff. 12  So Technau, AG 1998, 445 (455). 13  Ähnlich Technau, AG 1998, 445 (455–457). 14  Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 24, 55, Bayer, in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 89, Cahn / Senger, in: Spindler  /  Stilz, § 57 AktG Rn. 38, Fleischer, in: K. Schmidt / Lutter, § 57 Rn. 28, Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rn. 18.

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4. Teil: Möglichkeit von vertraglichen Haftungsabreden

eine Belastung der einen Seite und eine Begünstigung der anderen Seite dar. Würde die Emissionsbank durch die Regelung des Gesamtschuldnerausgleichs in unüblicher Weise begünstigt, müsste dem eine wertgleiche Gegenleistung gegenüberstehen. Wenn es – wie bei der Freistellungsabrede – an einer Gegenleistung fehlt, ist also nur eine Regelung des Gesamtschuldnerausgleichs möglich, die die gesetzliche Konzeption nicht modifiziert. Um eine solche Abrede handelt es sich, wenn – wie von der Literatur vorgeschlagen – die Emissionsbank nicht von Risiken freigestellt wird, die in ihrem eigenen Verantwortungsbereich liegen.15 Zweifel können daran lediglich bestehen, wenn die Bank – wie es vielfach gemacht wird – im Vorfeld eine vollumfängliche due diligence bei dem Unternehmen durchgeführt hat. Auf diese Weise würde sich der Anteil der Bank, der im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs zu tragen wäre, gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. § 254 BGB deutlich erhöhen.16 Im Ergebnis stellt also die Freistellungsabrede mit einer Emissionsbank keine Ausnahme von der herrschenden Meinung dar, die Gewährleistungen gegenüber Aktionären für einen Verstoß gegen das Aktienrecht, insbesondere gegen die Kapitalerhaltung, hält.

C. Praktische Notwendigkeit In der Literatur werden teilweise Gestaltungen erwogen, mittels derer Gewährleistungen und Garantien der Gesellschaft im Rahmen der Kapitalerhöhung zulässig wären, oder Alternativgestaltungen vorgeschlagen, die vorbehaltlich steuerlicher Auswirkungen zu einem ähnlichen Ergebnis führen. Es zeigt sich jedoch, dass diese entweder in ihrer Wirkung eingeschränkt sind oder die Zulässigkeit mit Recht bestritten wird. Zunächst zu den Alternativgestaltungen: Bei diesen wird keine Garantie der Gesellschaft abgegeben, sondern auf anderem Wege versucht, Zahlungen an das Zutreffen bestimmter Zusagen zu koppeln. Erwogen werden eine Darlehensgewährung mit nachgelagerter Einlagepflicht17 und die Ausgabe von Gesellschaftsanteilen mit bedingten Gewinnvorzügen18. Bei der ersten Gestaltung wird Kapital eingezahlt, das erst nachträglich als Einlage deklariert werden kann. Bei der anderen Variante ist von vornherein eine 15  Technau, AG 1998, 445 (455–457), Brandi, NZG 2004, 600 (602), Bayer, in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 89 ff. 16  Hirte, in: Lutter  /  Scheffler  /  Schneider Konzernfinanzierung, §  35 Rz.  36 (S. 1132). 17  Schaefer / Grützediek, NZG 2006, 204 (205). 18  Sieger / Hasselbach, BB 2004, 60 (63), Schaefer / Grützediek, NZG 2006, 204 (205), Zeidler, in: Michalski, GmbHG, § 5 Rn. 79 ff.



§ 12 Grundlagen der vertraglichen Haftung265

Rückzahlung in der Form des Gewinnvorzugs angelegt, die die Schadensersatzleistung ersetzt. Seltener in Frage kommt die Möglichkeit einer gemischten Sacheinlage: Dabei verpflichtet sich eine Kapitalgesellschaft im Rahmen eines Sachkapitalerhöhungsbeschlusses über die Gewährung von Anteilen hinaus zur Rückvergütung eines Barbetrages als (teilweisen) Ausgleich für den Mehrwert der eingebrachten Sacheinlage.19 All diese Gestaltungen sind aber weniger praktikabel als direkte Garantien durch die Gesellschaft und bieten nicht immer dieselbe Sicherheit. In der Literatur wird weiterhin vorgeschlagen, die Gewährleistungshaftung auf ein „schuldrechtliches Agio“20 zu beschränken. Dabei handelt es sich in der Regel um eine Abrede, nach der die Aktien zum Nennbetrag ausgegeben werden, aber der Aktionär zusätzlich eine Zahlung in das Eigenkapital leistet, die nicht förmlich als Agio festgestellt wird. Diese Zahlung kann dabei unter anderem an das Erreichen bestimmter Ziele gebunden werden. Regelmäßig wird diese Zahlung – in Übereinstimmung mit der wohl herrschenden Meinung – gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB als andere Zuzahlung, die ein Gesellschafter in das Eigenkapital geleistet hat, bilanziert. Damit unterliegt sie nicht der strengen Bindung des § 150 Abs. 2–4 AktG, da dieser sich nur auf die Bestandteile der Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB bezieht. Auf diese Weise ist die Kapitalerhaltung gelockert, und auch die „Bestandskraft des Zeichnungsvertrages“ würde der Rückzahlung nicht entgegenstehen, da die schuldrechtliche Zuzahlung nicht Bestandteil des Zeichnungsvertrages ist. Dem Investor könnte dann ein Anspruch gegen die Gesellschaft zugebilligt werden, der das schuldrechtliche Agio nicht übersteigt, und soweit das schuldrechtliche Agio in diesem Zeitpunkt nicht durch Verluste aufgebraucht ist.21 Problematisch ist jedoch außer der Zulässigkeit einer derartigen Gestaltung22 die richtige Bilanzierung.23

19  Schaefer / Grützediek,

NZG 2006, 204 (205). § 36a AktG Rn. 2a. 21  Brandi, NZG 2004, 600 (604). 22  Vgl. Herchen, Agio und verdecktes Agio im Recht der Kapitalgesellschaften. 23  Siehe zum schuldrechtlichen Agio unten § 14. 20  Hüffer,

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4. Teil: Möglichkeit von vertraglichen Haftungsabreden

D. Grundsätzliche Zulässigkeit einer vertraglichen Haftung der Aktiengesellschaft gegenüber Aktionären I. Vereinbarkeit der vertraglichen Haftung mit der aktienrechtlichen Kapitalerhaltung resp. Vermögensbindung und der Kapitalaufbringung Im Ersten Teil wurde geprüft, welchen allgemeinen Rahmen das Aktienrecht für eine Haftung der Aktiengesellschaft gegenüber Aktionären eröffnet. Grundlegend war dabei die Erkenntnis, dass eine Haftung der Gesellschaft gegenüber Aktionären nicht die Eigenkapitalbestandteile angreifen darf, die dem Schutz der Gläubiger dienen. Außerdem darf es nicht zu einer Auszahlung des Anteils an der Einlage kommen, der den Nennbetrag abdeckt. Auch eine Rückgabe der Aktie an die Gesellschaft ist nicht möglich. An verschiedenen Stellen hat sich jedoch gezeigt, dass für vertragliche Haftungsabreden andere Regeln gelten könnten als für die gesetzliche Haftung. Diese könnten die Zulässigkeit einer vertraglichen Haftung der Gesellschaft gegenüber einem Investor für die Aktien aus einer Kapitalerhöhung beschränken oder generell ausschließen. Auf diese Aspekte der Kapitalerhaltung und der Kapitalaufbringung soll im Folgenden eingegangen werden. 1. Wirksamkeit der vertraglichen Abrede – kein Entgegenstehen von § 185 Abs. 4 AktG

Oben wurde ausgeführt, dass die § 185 Abs. 2 Alt. 2 und Abs. 4 AktG die Möglichkeit von Beschränkungen der Verpflichtungen aus dem Zeichnungsschein ausschließen (§ 7B). Während Beschränkungen innerhalb des Zeichnungsscheins zu dessen Nichtigkeit führen (§ 185 Abs. 2 Alt. 2 AktG), sind Beschränkungen außerhalb des Zeichnungsscheins lediglich selbst nichtig (§ 185 Abs. 4 AktG). Da eine vertragliche Haftungsabrede außerhalb des Zeichnungsscheins getroffen wird, stellt sich nur die Frage, ob eine vertragliche Haftungsregelung als Beschränkung außerhalb des Zeichnungsscheins im Sinne des § 185 Abs. 4 AktG anzusehen ist. Eine Beschränkung der Pflicht zur Einlageleistung könnte in der Begründung eines Anspruchs auf Rückzahlung eines Teils der Leistung des Aktionärs liegen. Fraglich ist, was unter den Begriff der „Beschränkung“ fällt. Nach der Literatur muss sich die Beschränkung auf die Verpflichtung zum Aktienerwerb beziehen.24 Nach anderer Ansicht müssen die Verpflichtungen des 24  Veil,

in: K. Schmidt / Lutter, § 185 AktG Rn. 28, Hüffer, § 185 AktG Rn. 22.



§ 12 Grundlagen der vertraglichen Haftung267

Zeichners aus dem Zeichnungsvertrag (im Gegensatz zur Bindung an den Vertragsantrag) beschränkt werden.25 Fraglich ist, ob durch eine vertragliche Abrede über die Haftung die Verpflichtungen des Zeichners zum Aktienerwerb bzw. aus dem Zeichnungsvertrag beschränkt werden. Der Zeichner wird durch den Zeichnungsvertrag verpflichtet, den Ausgabebetrag an die Gesellschaft zu leisten. Diese Verpflichtung besteht weiterhin. Es wird den Parteien lediglich die Möglichkeit eingeräumt, den Ausgabebetrag – im oben beschriebenen Rahmen – an den tatsächlichen Wert der Aktie anzupassen. Allerdings bindet der Zeichnungsvertrag die Parteien lediglich bis zum Zeitpunkt der Entstehung der Aktien (Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung). Ab diesem Zeitpunkt bestimmt allein die Mitgliedschaft das Verhältnis zwischen Aktionär und Aktiengesellschaft. Rechte, die erst in diesem Zeitpunkt eingreifen, können deshalb keine Beschränkungen des Zeichnungsvertrages darstellen. 2. Kapitalerhaltung: Verbot der finanziellen Unterstützung des Aktienerwerbs, § 71a Abs. 1 AktG

§ 71a Abs. 1 AktG bestimmt, dass ein Rechtsgeschäft nichtig ist, das die Gewährung eines Vorschusses oder eines Darlehens oder die Leistung einer Sicherheit durch die Gesellschaft an einen anderen zum Zwecke des Erwerbs von Aktien dieser Gesellschaft zum Gegenstand hat. Durch die Neuregelung von Darlehen der Gesellschaft an einen Aktionär im Zusammenhang mit der Gründung oder Kapitalerhöhung gem. § 27 Abs. 4 AktG wird § 71a AktG nicht berührt, § 71a AktG ist insoweit vorrangig.26 Im Hinblick auf die gesetzliche Haftung der Aktiengesellschaft gegenüber Aktionären war diese Vorschrift nicht problematisch, da die Entstehung eines gesetz­ lichen Anspruchs kein Rechtsgeschäft ist.27 Bei der Vereinbarung einer vertraglichen Haftung stellt sich dagegen die Frage, ob § 71a Abs. 1 AktG eine solche Vereinbarung verbietet. Nach dem Wortlaut erklärt § 71a Abs. 1 AktG nur solche Rechtsgeschäfte für nichtig, die die Gewährung eines Vorschusses oder eines Darlehens oder die Leistung einer Sicherheit durch die Gesellschaft an einen anderen zum Zweck des Erwerbs von Aktien zum Gegenstand haben. Keine dieser Voraussetzungen ist durch eine Abrede über die Haftung der Gesellschaft erfüllt. Doch nach überwiegendem Verständnis nennt die Vorschrift nur Beispiele für Rechtsgeschäfte und hat 25  Peifer,

in: MünchKomm AktG § 185 Rn. 53. DNotZ 2009, 914 (927  f.), Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zum ARUG, BT-Drucks. 16 / 13098, S. 38. 27  Für die spezialgesetzliche Prospekthaftung: Cahn, in: Spindler  /  Stilz, § 71a AktG Rn. 29. 26  Herrler / Reymann,

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4. Teil: Möglichkeit von vertraglichen Haftungsabreden

ansonsten einen offenen Tatbestand.28 Zur Begründung der Anwendung der Norm soll es daher genügen, dass die Aktiengesellschaft Gesellschaftsvermögen zu dem Zweck einsetzt, den Erwerb ihrer Aktien zu ermöglichen.29 Vereinbart die Gesellschaft mit einem Investor eine vertragliche Haftung, so geht sie damit das Risiko ein, Teile der Beteiligungssumme zurückzahlen zu müssen. Dies gilt insbesondere, wenn die vertragliche Haftung die gesetzliche Haftung nicht nur konkretisiert, sondern sie erweitert. Es besteht auch ein hinreichender Funktionszusammenhang zwischen der Abrede und dem Aktienerwerb. Aus diesem Grund könnte man annehmen, dass vertragliche Abreden, aufgrund derer die Gesellschaft in einem weiteren Umfang haftet als nach dem Gesetz, einen Verstoß gegen das Verbot der Sicherung darstellen. In der Literatur wird angenommen, dass § 71a AktG auch auf die Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen einer Kapitalerhöhung anzuwenden sei, da die Verringerung des Risikos des Investors schon eine Unterstützung des Anteilserwerbs darstellen kann.30 Fraglich ist, ob diese Auslegung mit dem Schutzzweck der Norm übereinstimmt. § 71a AktG ist ein nicht ganz klar umrissener Tatbestand, dessen Ziele unterschiedlich beurteilt werden. Auch der Schutzzweck ist dementsprechend umstritten. Die ganze Vorschrift wird deshalb als „terra incognita“ bezeichnet.31 a) Schutzzweck des § 71a Abs. 1 AktG Aufgrund der Überschrift der Norm wird vertreten, dass § 71a Abs. 1 AktG zumindest auch einen Schutz vor Umgehung des § 71 AktG, des Verbots des Erwerbs eigener Aktien, bezweckt.32 Die Finanzierung des Er28  Hüffer, § 71a AktG Rn. 3, Oechsler, in: MünchKomm AktG § 71a AktG Rn. 19, Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs (1995), S. 178 f., kritisch Habersack, in: FS Röhricht (2005), S. 155 (170). 29  Oechsler, in: MünchKomm AktG § 71a AktG Rn. 19, Hüffer, § 71a AktG Rn. 3, Sieger / Hasselbach, BB 2004, 60 (62), T. Bezzenberger, in: K. Schmidt / Lutter, § 71a AktG Rn. 12 („auch andere Gestaltungen erfassen, die in vergleichbarer Weise die Gesellschaft mit finanziellen Risiken im Zusammenhang mit dem Erwerb ihrer Aktien belasten“), Cahn, in: Spindler / Stilz, § 71a AktG Rn. 26, 34. 30  Sieger / Hasselbach, BB 2004, 60 (62). Schaefer / Grützediek, NZG 2006, 204 (206) halten eine Anwendbarkeit des § 71a Abs. 1 AktG grundsätzlich für möglich, verneinen aber sein Eingreifen, wenn ein zulässiges Drittgeschäft im Sinne des § 57 AktG vorliegt. 31  Fleischer, AG 1996, 494, Merkt, in: Großkomm AktG § 71a Rn. 11. 32  Merkt, in: Großkomm AktG § 71a Rn. 2, Lutter / Drygala, in: KK Akt3 § 71a Rn. 2, 6, Habersack, in: FS Röhricht (2005), S. 155 (157, 159). Oechsler, in: MünchKomm AktG § 71a Rn. 3 bezeichnet das als „traditionelle Ansicht“. Zweifelnd Cahn, in: Spindler / Stilz, § 71a AktG Rn. 8, Hüffer, § 71a AktG Rn. 1, T. Bezzenberger, in: K. Schmidt / Lutter, § 71a AktG Rn. 6.



§ 12 Grundlagen der vertraglichen Haftung269

werbs eines Dritten berge vergleichbare wirtschaftliche Risiken wie der Erwerb eigener Aktien33 sowie die Gefahr eines Doppelschadens, da bei einem Kursverfall der eigenen Aktien auch der Kredit an den Aktionär ausfallen könne.34 Kritische Stimmen halten das Verbot der Finanzierung dagegen für eine eigenständige Kapitalschutznorm,35 da das zu verhindernde Risiko in der Insolvenz des Aktionärs liege und nicht in seinem Aktienbesitz. Außerdem findet § 71a Abs. 1 AktG auch Anwendung, wenn der Erwerb eigener Aktien durch die Aktiengesellschaft ausnahmsweise zulässig ist; der Anwendungsbereich der möglichen Umgehungsschutznorm reicht also weiter als der Anwendungsbereich der zu schützenden Norm.36 Ferner könnte der Schutzzweck in der Vermeidung einer Einflussnahme auf die Aktionärsstruktur durch den Vorstand liegen37, dies deckt sich jedoch teilweise mit dem Umgehungsschutz. Die eigentliche Bedeutung des § 71a Abs. 1 AktG wird in der Vermeidung der Heranziehung des Gesellschaftsvermögens zur Erwerbsfinanzierung außerhalb der legalen Gewinnausschüttung gesehen.38 Nach Ansicht von Oechsler wird eine wirtschaftlich sinnvolle Durchführung einer Unternehmensübernahme durch eine vorgelagerte Finanzierungsentscheidung ei33  Merkt,

in: Großkomm AktG § 71a Rn. 2. in: KK Akt3 § 71a Rn. 7, Merkt, in: Großkomm AktG § 71a Rn. 2, Oechsler, in: MünchKomm AktG § 71a Rn. 4, Cahn, in: Spindler / Stilz, § 71a AktG Rn. 8, Habersack, in: FS Röhricht (2005), S. 155 (159 f.). Nach der Gegenansicht besteht die Gefahr eines Doppelschadens anders als bei § 71 AktG nicht, da die AG liquide Mittel nicht gegen eigene Anteile, sondern gegen einen Rückgewähranspruch eintauscht, dessen Wert nicht automatisch mit dem Wert der Aktien korrespondiert: Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 107. 35  Cahn, in: Spindler  / Stilz, § 71a AktG Rn. 8, 9, so auch T. Bezzenberger, in: K. Schmidt / Lutter, § 71a AktG Rn. 6. 36  Cahn, in: Spindler  /  Stilz, §  71a AktG Rn.  8, T. Bezzenberger, in: K. Schmidt / Lutter, § 71a AktG Rn. 6, auch Hüffer, § 71a AktG Rn. 1. Auf diese Tatsache wies bereits die Gesetzesbegründung hin und es ist auch h. M. in der Literatur: Regierungsbegründung zum KapRiLiG, BT-Drucks. 8 / 1678, S. 16, Oechsler, in: MünchKomm AktG § 71a Rn. 39, Hüffer, § 71a AktG Rn. 3, Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, S. 109, a. A. Lutter / Drygala, in: KK Akt3 § 71a Rn. 42 f. 37  Oechsler, in: MünchKomm AktG § 71a Rn. 4, Cahn, in: Spindler / Stilz, § 71a AktG Rn. 7, Merkt, in: Großkomm AktG § 71a Rn. 3, Lutter / Drygala, in: KK Akt3 § 71a Rn. 8, Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs (1995), S. 108. 38  Oechsler, in: MünchKomm AktG § 71a Rn. 3, Oechsler, ZIP 2006, 1661, Cahn, in: Spindler / Stilz, § 71a AktG Rn. 9, Hüffer, § 71a AktG Rn. 1, 3, Merkt, in: Großkomm AktG § 71a Rn. 4, Lutter / Drygala, in: KK Akt3 § 71a Rn. 9 ff, T. Bezzenberger, in: K. Schmidt / Lutter, § 71a AktG Rn. 2, Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs (1995), S. 107 ff., kritisch Habersack, in: FS Röhricht (2005), S. 155 (165). 34  Lutter / Drygala,

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4. Teil: Möglichkeit von vertraglichen Haftungsabreden

ner Bank gesichert.39 Darin sieht die neuere Literatur auch eine Entscheidung des Gesetzgebers gegen die Praxis des leveraged buyouts, bei der der Investor in der Regel nach Erwerb der Aktien einen Teil der Finanzierung mit Hilfe von Gewinnausschüttungen der Zielgesellschaft zurückführt.40 § 71a Abs. 1 AktG setzt dabei nicht voraus, dass es zu einem Liquiditätsabfluss oder einer konkreten Vermögensgefährdung kommt.41 Mit der herrschenden Meinung ist also anzunehmen, dass § 71a Abs. 1 AktG einen Doppelzweck42 verfolgt, der in der Verhinderung von Umgehungen des Verbots des Erwerbs eigener Aktien und in der Verhinderung der Heranziehung des Gesellschaftsvermögens zur Finanzierung des Erwerbs der Aktie liegt. Fraglich ist nun, ob die Vereinbarung vertraglicher Gewährleistungen gegen einen dieser Schutzzwecke verstößt. Erwirbt der Investor von der Gesellschaft Aktien, für welche diese vertragliche Zusagen abgibt, ist das nicht mit dem Erwerb eigener Aktien durch die Gesellschaft zu vergleichen. Die Gesellschaft erlangt mittels der Gewährleistungsabrede nicht die Kontrolle über die Aktien, und das Risiko einer Inanspruchnahme aus der Gewährleistungsabrede hängt nur vom Zutreffen der Unternehmensdarstellung ab. Der für den Erwerb eigener Aktien charakteristische Doppelschaden kann hier nicht eintreten, da die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme nicht in Abhängigkeit von sinkenden Aktienkursen steigt. Die Gewährleistungsabrede hat auch nicht zur Folge, 39  Oechsler, in: MünchKomm AktG § 71a AktG Rn. 4, Oechsler, ZIP 2006, 1661 (1664 f.). Dabei soll es jedoch nicht ausreichen, wenn vor Erwerb nur eine Anschub-Finanzierung gewährt wird und die Hauptfinanzierung zu Lasten des Vermögens der AG nachfolgt: Hüffer, § 71a AktG Rn. 3. 40  T. Bezzenberger, in: K. Schmidt / Lutter, § 71a AktG Rn. 2. Vielfach wird auch die Zielgesellschaft mit der (verschuldeten) Muttergesellschaft (Akquisitionsvehikel) verschmolzen. 41  Grundsätzlich besteht Einigkeit dahingehend, dass alle von § 71a Abs. 1 AktG für nichtig erklärten Fälle den gesetzlichen Beispielen Vorschuss, Darlehen oder Sicherheitsleistung ähnlich sein müssen. Die Rechtsprechung sowie einzelne Stimmen in der Literatur gehen davon aus, dass diesen Beispielen gemeinsam ist, dass das Gesellschaftsvermögen konkret gefährdet wird oder abfließt (LG Düsseldorf, ZIP 2006, 516 (518) – Babcock Borsig / HDW, so auch Habersack, in: FS Röhricht (2005), S. 155 (161)). Dies wird in der Literatur jedoch bestritten (Kerber, ZIP 2006, 522, Oechsler, in: MünchKomm AktG § 71a Rn. 19, Cahn, in: Spindler / Stilz, § 71a AktG Rn. 28). Insbesondere bei der Unterstützungshandlung „Sicherheitsleistung“ komme es nicht zwingend zu einer konkreten Vermögensgefährdung (Kerber, ZIP 2006, 522, Oechsler, in: MünchKomm AktG § 71a Rn. 19). Der Schutzzweck der Kapitalerhaltung gebiete eine wirtschaftliche Betrachtungsweise, für die die Vermögensgefährdung und nicht der Vermögensverlust das entscheidende Kriterium sei (Kerber, ZIP 2006, 522). 42  Oechsler, in: MünchKomm AktG § 71a Rn. 4, Oechsler, ZIP 2006, 1661 (1662).



§ 12 Grundlagen der vertraglichen Haftung271

dass das Vermögen der Gesellschaft zur Finanzierung des Aktienerwerbs eingesetzt wird. Das Gesellschaftsvermögen wird durch die Beteiligung – trotz der Gewährleistungsabrede – insgesamt erhöht und weder dezimiert noch gefährdet. Der Schutzzweck der Vermeidung der Heranziehung des Gesellschaftsvermögens zur Erwerbsfinanzierung ist somit auch nicht berührt. Ein Fall des § 71a Abs. 1 AktG liegt also nicht vor, wenn lediglich das Risiko des Investors verringert wird. § 71a Abs. 1 AktG steht also vertraglichen Gewährleistungsabreden nicht entgegen. b) Anwendungsbereich des § 71a Abs. 1 AktG Darüber hinaus meint § 71a Abs. 1 AktG nach herrschender Meinung mit dem Wort „Erwerb“ nur den derivativen Erwerb der Aktien über den Markt (sowie den Erwerb aufgrund eines mittelbaren Bezugsrechts43), nicht den originären Erwerb durch Zeichnung von der Gesellschaft.44 Ein Vertrag über die Haftung der Gesellschaft wird zwischen Gesellschaft und Aktionär aber regelmäßig nur geschlossen, wenn sich der Aktionär durch Zeichnung von Aktien im Rahmen einer Kapitalerhöhung an der Gesellschaft beteiligt. Auch im Rahmen eines mittelbaren Erwerbs ist ein entsprechender Vertrag kaum denkbar. § 71a Abs. 1 S. 1 AktG steht einer vertraglichen Abrede über die Haftung zwischen Gesellschaft und Investor bei originärem Erwerb nicht entgegen. Im Rahmen eines derivativen Erwerbs würde die Übernahme einer vertraglichen Haftung durch die Gesellschaft dem Aktionär, der die Aktien verkauft, in nicht zulässiger Weise einen Vorteil zuwenden, in dem ein Verstoß gegen § 57 Abs. 1 AktG zu sehen wäre. Dieser wäre lediglich durch eine angemessene, gesonderte Vergütung der Gesellschaft durch den verkaufenden Aktionär aufzuwiegen. Unter diesen Umständen läge dann aber kein Verstoß gegen § 71a Abs. 1 AktG vor, da der oben beschriebene Schutzzweck nicht eingreifen würde. c) Fazit Ein Unterschied zwischen der vertraglichen und der gesetzlichen Haftung der Gesellschaft im Hinblick auf die Kapitalerhaltung ergibt sich nicht aus § 71a Abs. 1 AktG, obwohl diese Norm bestimmte Rechtsgeschäfte der 43  Oechsler, in: MünchKomm AktG § 71a Rn. 15, Merkt, in: Großkomm AktG § 71a Rn. 43, Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs (1995), S. 154, 44  Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs (1995), S.  152  ff., Merkt, in: Großkomm AktG § 71a Rn. 43, Oechsler, in: MünchKomm AktG § 71a Rn. 15.

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4. Teil: Möglichkeit von vertraglichen Haftungsabreden

Gesellschaft verbietet. Zum einen ist eine vertragliche Haftung der Gesellschaft vor allem bei einem originären Erwerb der Aktien durch Zeichnung denkbar. § 71a Abs. 1 AktG meint aber nur den Erwerb von Aktien durch derivativen Erwerb von einem Dritten. Außerdem dient § 71a Abs. 1 AktG der Verhinderung von Umgehungen des Verbots des Erwerbs eigener Aktien und der Verhinderung der Heranziehung des Gesellschaftsvermögens zur Finanzierung des Erwerbs der Aktie. Im Falle einer vertraglichen Haftung sind jedoch beide Schutzzwecke nicht einschlägig. § 71a Abs. 1 AktG steht somit einer vertraglichen Regelung der Haftung der Gesellschaft nicht entgegen. 3. Kapitalaufbringung: Spezielle Probleme der vertraglichen Haftung

Bei der vertraglichen Haftung stellt sich außerdem die Frage, ob das Kapital wirksam aufgebracht ist, wenn die Gesellschaft und der Aktionär vereinbart haben, dass die Gesellschaft für fehlerhafte Angaben haftet. Diese Vereinbarung ist mit Rückzahlungsvereinbarungen und Verwendungsbindungen zu vergleichen. Bei der gesetzlichen Haftung, sei es bei der spezialgesetzlichen Prospekthaftung oder bei der Haftung nach allgemeinen Regeln, tritt dieses Problem nicht auf, da die Haftung vom Gesetz angeordnet ist und deshalb nicht im Belieben der Parteien steht. Es hat dann nicht den Anschein, dass der Aktionär das Geld noch „an einem Gummiband“45 zurückholen kann. a) Keine Beeinträchtigung der endgültig freien Verfügung durch vertragliche Haftungsmöglichkeit Gemäß §§ 36 Abs. 2, 46 Abs. 1 S. 2 und 54 Abs. 3 S. 1 AktG muss das eingezahlte Kapital (endgültig) zur freien Verfügung des Vorstands stehen. Dies gilt gem. § 188 Abs. 2 S. 1 AktG i. V. m. § 36 Abs. 2 AktG bei der Anmeldung der Durchführung einer Kapitalerhöhung entsprechend. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Mittel aus dem Vermögen des Gesellschafters endgültig in das Vermögen der Gesellschaft übergegangen sind.46 Fraglich ist, ob ein Aktionär seine Einlage zur freien Verfügung des Vorstands erbracht hat, wenn für die Gesellschaft das Risiko einer Haftung gegenüber einem Aktionär besteht. Oben hat sich gezeigt, dass die Möglichkeit einer gesetzlichen Haftung die freie Verfügung des Vorstands nicht einschränkt (§ 5 C.). Problematisch ist die Leistung zur endgültig freien Verfügung des Vorstands jedoch bei der vertraglichen Haftung. Die Haftungsabre45  BGHZ 46  Lutter,

28, 314 (319 f.). NJW 1989, 2649 (2651).



§ 12 Grundlagen der vertraglichen Haftung273

de ist auf den ersten Blick vergleichbar mit Verwendungsabreden und ähnlichen Konstellationen, bei denen die Zuordnung zur Kapitalerhaltung oder zur Kapitalaufbringung nicht eindeutig ist. Die Vorschriften über die Kapitalerhaltung stehen einer vertraglichen Haftungsabrede nicht entgegen. Um zu beurteilen, ob die Einlage im Sinne der Kapitalaufbringung zur freien Verfügung des Vorstands erbracht wurde, müssen die strittigen Fälle der Kapitalerhaltung und / oder der Kapitalaufbringung zugeordnet werden. Anhand dieser Abgrenzung wird zu sehen sein, ob die Haftungsabrede dazu führt, dass die Einlage nicht zur freien Verfügung des Vorstands erbracht wurde. aa) Problemfälle der Abgrenzung zwischen Kapitalerhaltung und Kapitalaufbringung Grundsätzlich markiert der Zeitpunkt, in dem das Kapital zur endgültig freien Verfügung des Vorstands steht, den Abschluss der Kapitalaufbringung. Ab diesem Zeitpunkt greifen die Regeln über die Kapitalerhaltung ein.47 Es gibt jedoch Fälle, in denen Vorgänge, die eigentlich nach Eingang der Mittel bei dem Vorstand liegen, noch herangezogen werden, um zu begründen, dass die Einlage nie zur freien Verfügung des Vorstands gestanden habe. Einig sind sich Rechtsprechung und Literatur darüber, dass Scheinzahlungen nicht zu einer freien Verfügung des Vorstands führen können.48 Darunter fällt zum einen das „Vorzeigen“ von Geld, bei dem überhaupt keine Leistung an die Gesellschaft erfolgt. Auch wenn die Übertragungserklärungen nur zum Schein abgegeben werden, worüber sich die Parteien einig sind, ist die Tilgungsbestimmung gem. § 117 BGB nichtig, weshalb ebenfalls keine Leistung vorliegt.49 Für Konstellationen wie die verdeckte Sacheinlage, bestimmte Verwendungsabreden oder Darlehensgewährungen wird teilweise angenommen, dass es bei diesen an einer endgültig freien Verfügung des Vorstands fehlt. Die Gegenansicht nimmt an, dass es an der endgültig freien Verfügung des Vorstands nur fehlt, wenn der Vorstand zwar die rechtliche Verfügungsgewalt über die Mittel erlangt, davon aber tatsächlich keinen Gebrauch machen kann (z. B. weil die Bank einen der Verwendungsbindung widersprechenden Überweisungsauftrag nicht ausführen würde).50 Diese Streitpunkte verhindern einen klaren Blick auf die scharfe Grenze zwischen Kapi47  K. Schmidt,

AG 1986, 106 (109). in: MünchKomm AktG § 36 Rn. 55, Kleindiek, in: K. Schmidt / Lutter, § 36 Rn. 21, 26, Döbereiner, in: Spindler / Stilz, § 36 AktG Rn. 20, Arnold, in: KK Akt3 § 36 Rn. 31, Röhricht, in: Großkomm AktG § 36 Rn. 58, Hüffer, § 36 AktG Rn. 8 m. w. N. aus der Rechtsprechung, Hommelhoff / Kleindiek, ZIP 1987, 477 (486). 49  Pentz, in: MünchKomm AktG § 36 Rn. 55. 50  Habetha, ZGR 1998, 305 (317), Hommelhoff / Kleindiek, ZIP 1987, 477 (488 ff., 491). 48  Pentz,

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4. Teil: Möglichkeit von vertraglichen Haftungsabreden

talaufbringung und -erhaltung. Es gilt deshalb, die strittigen Konstellationen hinsichtlich der Kapitalaufbringung und der Kapitalerhaltung (verdeckte Sacheinlage, Verwendungsbindung, Darlehen an Gesellschafter) genauer zu untersuchen. Anhand einer scharfen Abgrenzung wird man beurteilen können, ob eine Haftungsabrede die freie Verfügung des Vorstands hindert. (1) Verdeckte Sacheinlage Die Voraussetzungen und Folgen einer verdeckten Sacheinlage wurden lange Zeit in erster Linie durch die Rechtsprechung und die Wissenschaft bestimmt. Die überwiegende Meinung ging davon aus, dass eine verdeckte Sacheinlage dazu führe, dass das Kapital nicht zur endgültig freien Verfügung des Vorstands steht,51 weshalb die Voraussetzungen der Kapitalaufbringung nicht erfüllt seien. Als Umgehung der Sacheinlagevorschriften bewirkte die verdeckte Sacheinlage eine Fortdauer der Geldleistungspflicht gem. § 27 Abs. 3 S. 3 AktG, so dass ohne Rücksicht auf bereits erbrachte Leistungen noch einmal voll zu zahlen war.52 Die (formunwirksame) Sacheinlageverpflichtung und das Vollzugsgeschäft sollten nichtig sein.53 Die Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage beruhten nicht darauf, dass das Kapital nicht zur freien Verfügung des Vorstandes eingezahlt wurde, sondern griffen auch ein, wenn man nur an die Umgehung der Sacheinlagevorschriften anknüpfte.54 Aus diesem Grund war in der Literatur umstritten, ob die verdeckte Sacheinlage immer eine Leistung zur freien Verfügung des Vorstands ausschließt. Durch das ARUG55 wurde erstmals in § 27 Abs. 3 S. 1 AktG legaldefiniert, was eine verdeckte Sacheinlage ist, und die Rechtsfolgen wurden abweichend von der bisherigen Rechtsprechung und Lehre geregelt. Grundsätzlich befreien verdeckte Sacheinlagen den Aktionär auch weiterhin nicht von seiner Bareinlagepflicht. Allerdings sind die schuldrechtlichen Sacheinlageverpflichtungen und die korrespondierenden Verfügungsgeschäfte nicht mehr unwirksam, vielmehr wird mit Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister der Wert des endgültig im Gesellschaftsvermögen verbleibenden Sachwertes auf die Einlageschuld angerechnet.56 51  BGHZ 96, 231 (242), BGHZ 113, 335 (347), Döbereiner, in: Spindler / Stilz, § 36 AktG Rn. 20, Pentz, in: MünchKomm AktG § 27 Rn. 98, Bayer, in: FS Horn, S. 271 (275), Henze, in: ZHR 154 (1990), S. 105 (126 f.). 52  K. Schmidt, GesR § 29 II 1 c) bb) (S. 889). 53  Bayer, in: K. Schmidt / Lutter, § 27 AktG Rn. 49. 54  K. Schmidt, AG 1986, 106 (112  f.), Hommelhoff / Kleindiek, ZIP 1987, 477 (488), Habetha, ZGR 1998, 305 (317). 55  Vom 30. Juli 2009, BGBl. I 2009, S. 2479.



§ 12 Grundlagen der vertraglichen Haftung275

Fraglich ist, ob im Falle einer verdeckten Sacheinlage eine Leistung zur freien Verfügbarkeit des Vorstandes erfolgt. Die früher herrschende Meinung nahm an, dass es an einer freien Verfügbarkeit in jeder Konstellation der verdeckten Sacheinlage fehle.57 Das ARUG bewirkt nun, dass die Sacheinlagen-Abrede und die Verfügungsgeschäfte nicht mehr nichtig sind. Werden sie allerdings nicht bei der Anmeldung offenlegt, tritt eine Heilung erst mit der Eintragung der Gesellschaft ein. Für den Zeitraum zwischen der Übertragung und der Eintragung fehlt es deshalb – nach der auch in der Gesetzesbegründung festgehaltenen herrschenden Ansicht – weiterhin an einer freien Verfügung des Vorstandes, so dass insbesondere die Versicherung des Vorstandes falsch ist, wenn die Sacheinlage nicht offengelegt wird.58 Dagegen ging zunächst Karsten Schmidt davon aus, dass dies nur der Fall sei, wenn keine effektive und endgültige Überführung der versprochenen Barzahlung in das Gesellschaftsvermögen vorliegt. Ist dagegen dem Vorstand Geld zur endgültig freien Verfügung zugeflossen, wird dies nicht dadurch beseitigt, dass die Mittel zur Finanzierung einer verdeckten Sacheinlage verwendet werden.59 Das Merkmal des Fehlens der endgültig freien Verfügung sei für die Rechtsfolgen, die die herrschende Meinung an eine verdeckte Sacheinlage knüpft, nicht erforderlich.60 Daraus ergebe sich, dass die verdeckte Sacheinlage nicht in jedem Fall mit dem Fehlen der endgültig freien Verfügung des Vorstands einhergeht.61 56

zur Neuregelung: Herrler / Reymann, DNotZ 2009, 914 (915 f.). wurde mit dem Argument bestritten, dass der Einleger in Falle einer verdeckten Sacheinlage seine Verfügungsmacht über das Geld nicht endgültig und vorbehaltlos aufgebe (Röhricht, in: Großkomm AktG § 36 Rn. 77, Henze, ZHR 154 (1990), 105 (117 f.)). Der BGH nahm an, dass bei einer Leistung, die „zwar ernstlich, aber in der Absicht bewirkt wird, aus ihr die eigene Forderung aus einer Übernahmeabrede befriedigt zu erhalten“, die Einlageschuld nicht erfüllt werde: „Eine solche Leistung gleicht einem geworfenen Ball, der an einem Gummiband hängt und wieder zurückschnellt. Sie scheidet nur vorübergehend aus dem Vermögen des Leistenden aus und soll nur zeitweilig der Gesellschaft gehören, aber wieder, wenn auch nur zur Erfüllung der Vergütungsforderung, ausgekehrt werden“ (BGHZ 28, 314 (319 f.)). Von einer Leistung zur endgültig freien Verfügung „kann (…) nicht die Rede sein, wenn der Inferent zwar das von ihm einzulegende Geld für kurze Zeit in die Hände des Geschäftsführers der Gesellschaft legt (…), diese aber schon vorher – mag die Verpflichtung rechtlich wirksam sein oder nicht – dergestalt gebunden ist, daß sie ihm das Geld umgehend (…) zurückzuzahlen hat. In einem solchen Fall hat die Gesellschaft weder den ihr zugesagten Liquiditätszufluss (…) erhalten noch kann die Rede davon sein, daß diese Bareinlage zu irgendeinem Zeitpunkt zur freien Verfügung des Geschäftsführers gestanden hat“ (BGHZ 113, 335 (349)). 58  Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zum ARUG, BT-Drucks. 16 / 13098, S.  36. 59  K. Schmidt, AG 1986, 106 (114, 116). 60  K. Schmidt, AG 1986, 106 (114), Hommelhoff / Kleindiek, ZIP 1987, 477 (487). 56  Vgl.

57  Dies

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4. Teil: Möglichkeit von vertraglichen Haftungsabreden

Für die Ansicht von Karsten Schmidt spricht, dass die Abgrenzung zwischen Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung durch die Abschaffung systemwidriger Ausnahmen an Klarheit gewinnt. In der Sache trifft insbesondere die Argumentation zu, nach der der Vorstand trotz einer Abrede über die verdeckte Sacheinlage rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, über die Mittel zu verfügen, und der Gesellschaft durchaus gesteigerte Liquidität zur Verfügung steht. Eine Bindung des Vorstands gegenüber dem Aktionär besteht also höchstens in psychologischer Hinsicht. Der innere Zusammenhang zwischen der vermeintlichen Leistung auf die Bareinlage und dem vermeintlichen Verkehrsgeschäft ist schon Voraussetzung der Anwendung der Lehre von der verdeckten Sacheinlage und muss nicht im Rahmen der Leistung zur endgültig freien Verfügung des Vorstands nochmal geprüft werden. Allerdings ist nach dem Konzept des ARUG die Strafbarkeit der falschen Versicherung eine der zentralen Sanktionen, durch die verdeckte Sacheinlagen verhindert werden sollen.62 61

Es zeigt sich also: Die Annahme, die Leistung stehe nicht zur freien Verfügung des Vorstandes, dient insbesondere einer Verhinderung der verdeckten Sacheinlage und einer Offenlegung durch die Praxis. Spätestens in dem Zeitpunkt, in dem die Gesellschaft eingetragen wird, steht die Leistung jedoch zur freien Verfügung des Vorstandes. Diese Zielsetzung des ARUG kann jedoch auf die hier untersuchte Konstellation der Haftung der Gesellschaft gegenüber Aktionären nicht übertragen werden: Nach den Ergebnissen des Ersten Teils haftet die Gesellschaft dem Aktionär gegenüber für schuldhafte Fehlinformationen. Eine vertragliche Regelung dieser Haftung führt nicht zu einer vergleichbaren Gefährdung der Gläubiger, wie dies die verdeckte Sacheinlage tut, weshalb sie auch nicht durch die Annahme, bei einer vertraglichen Haftungsabrede fehle es an einer Leistung zur freien Verfügung, unterbunden werden muss. (2) Verwendungsbindung und Rückzahlungsvereinbarung Abreden über die künftige Verwendung werden zum einen im Hinblick auf die Einschränkung der Handlungsfreiheit des Vorstands und zum anderen im Hinblick auf die Möglichkeit des Rückflusses an den Aktionär diskutiert. Anders als der GmbH-Geschäftsführer unterliegt der Vorstand keinen Weisungen der Gesellschafter, so dass es nicht entscheidend sein kann, ob 61  K. Schmidt, AG 1986, 106 (114), Hommelhoff / Kleindiek, ZIP 1987, 477 (487 f.), Habetha, ZGR 1998, 305 (317), Priester, ZIP 1994, 599 (604), Kleindiek, in: K. Schmidt / Lutter, § 36 AktG Rn. 26. 62  Herrler / Reymann, DNotZ 2009, 914 (916 f.), vgl. auch Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zum ARUG, BT-Drucks. 16 / 13098, S. 36.



§ 12 Grundlagen der vertraglichen Haftung277

die Verwendungsbindung geschäftspolitischen Zwecken dient, bei denen die Gesellschafter weisungsbefugt sind.63 Teilweise wird formuliert, dass nur solche Verwendungsabreden unschädlich seien, die als reine Absichtserklärungen den Vorstand nicht binden.64 Ist der Vorstand an der Verwendungsabrede beteiligt, ist heute ganz herrschende Ansicht, dass Verwendungsabreden, die nicht zu einem Mittelrückfluss an die Aktionäre führen, sowie ihre Umsetzung, der freien Verfügung des Vorstands nicht schaden.65 Das Erfordernis der Leistung zur endgültig freien Verfügung des Vorstands sichert nur den Mittelzufluss, aber nicht die endgültig freie Mittelverwendung durch den Vorstand.66 Abreden über die konkrete Investition der Einlage in den Erwerb von Unternehmen oder Anlagegegenständen oder die Rückführung eines Darlehens sind deshalb grundsätzlich zulässig.67 Problematisch ist jedoch die Gefahr einer Rückzahlung an den Aktionär. Die Rückzahlungsvereinbarung stellt eine besondere Art der Verwendungsabrede dar, die nach herrschender Ansicht die endgültig freie Verfügung des Vorstands ausschließt.68 Darunter fallen Verwendungsabreden, die die Rückzahlung der Barmittel in das Vermögen des Einlegers zum Gegenstand haben69. Dies wird teilweise aus dem Begriff der Endgültigkeit abgeleitet: Sei ein Rückfluss an den Aktionär beabsichtigt, stünde die Leistung nicht endgültig zur Verfügung des Vorstands.70 Auch eine Differenzierung in zeitlicher Hinsicht wird vertreten: Nur Rückzahlungsabreden, die schon bei der Leistung getroffen werden, hindern die endgültig freie Verfügbarkeit eindeutig.71 Wird die Rückzahlung nach der Leistung, aber vor Anmeldung vereinbart, steht dies der Versicherung, die Einlage stehe zur freien Verfügung des Vorstands, ebenfalls entgegen.72 Dies soll jedoch nicht gelten, wenn der Vorstand glaubwürdig behauptet, dass er diese Abrede nicht be63  BGHZ

153, 107 (110) zur GmbH. in: Spindler / Stilz, § 36 AktG Rn. 21. 65  Kleindiek, in: K. Schmidt  / Lutter, § 36 AktG Rn. 24, K. Schmidt, AG 1986, 106 (116). 66  Wiesner, in: Münch. Hdb. AG, § 16 Rn. 7, in diese Richtung auch K. Schmidt, GesR § 29 II 1 a) (S. 883). 67  So auch Pentz, in: MünchKomm AktG § 36 Rn. 53, Hommelhoff / Kleindiek, ZIP 1987, 477 (485). 68  Döbereiner, in: Spindler  / Stilz, § 36 AktG Rn. 20, Lutter, in: KK AktG2 § 54 Rn. 47, Bayer, in: FS Horn, 271 (275 f.). 69  Arnold, in: KK Akt3 § 36 Rn. 35, Hüffer, § 36 AktG Rn. 9, Kleindiek, in: K. Schmidt / Lutter, § 36 Rn. 25 BGHZ 113, 335 (347 ff.). 70  Pentz, in: MünchKomm AktG § 36 Rn. 48. 71  Pentz, in: MünchKomm AktG § 36 Rn. 59, Röhricht, in: Großkomm AktG § 36 Rn. 67. 72  Pentz, in: MünchKomm AktG § 36 Rn. 60, Röhricht, in: Großkomm AktG § 36 Rn. 68. 64  Döbereiner,

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4. Teil: Möglichkeit von vertraglichen Haftungsabreden

folgen wird.73 Nach anderer Ansicht führt eine solche Erklärung des Vorstands nicht zur Erfüllung der Einlageschuld, wenn die Abrede schon bei der Leistung getroffen wurde, weil in diesem Fall keine vorbehaltlose Leistung vorgelegen habe.74 Zwischen Anmeldung und Eintragung getroffene Rückzahlungsvereinbarungen erfasst das Gesetz nicht, da die freie Verfügung nur Anmeldevoraussetzung ist.75 Auch Autoren, die eine deutlichere Differenzierung zwischen Mittelaufbringung und Mittelverwendung befürworten, schließen sich dieser Ansicht an. Wenn der Vorstand die alsbaldige Rückzahlung zugesichert habe, handle es sich dabei nicht um Mittelverwendung, sondern um eine Aufhebung der Mittelaufbringung.76 Dies wiederum bestreitet Kleindiek, der eine Rückzahlungsvereinbarung nicht als Problem der Mittelverwendung ansieht.77 Schuldrechtliche Rückzahlungsverpflichtungen, bei denen zum Zwecke der Schuldtilgung auf eine Forderung des Gesellschafters gezahlt werden soll, stehen der freien Verfügung des Vorstands nicht entgegen, wenn der Vorstand zwischenzeitlich rechtlich und tatsächlich frei über die Mittel verfügen kann.78 Abzugrenzen sind diese Rückzahlungsvereinbarungen von Scheinzahlungen, also schlichten Rückzahlungen ohne Grund, bei denen die Zahlung keine endgültig freie Verfügung des Vorstands herbeiführen sollte und konnte.79 Bei Rückzahlungsvereinbarungen mit Rechtsgrund ist die Zulässigkeit unter dem Gesichtspunkt der Leistung zur endgültig freien Verfügung des Vorstands unabhängig von der sonstigen Zulässigkeit, beispielsweise unter dem Aspekt der verdeckten Sacheinlage, zu beurteilen.80 „Entscheidend ist das Verfügenkönnen, nicht das Verfügendürfen.“81 Anderes gelte nur, wenn die Einlageschuld verrechnet werde, da dann kein Geld fließe, über das der Vorstand verfügen könne.82 Grundsätzlich spricht für die Ansicht von Kleindiek wieder, dass sie zu schärferen Grenzen zwischen der Kapitalaufbringung und der Kapitalerhaltung führt. Dadurch kommt es nicht zu einer Gefährdung des Vermögens 73  Röhricht,

in: Großkomm AktG § 36 Rn. 76. in: MünchKomm AktG § 36 Rn. 59. 75  Röhricht, in: Großkomm AktG § 36 Rn. 69, Pentz, in: MünchKomm AktG § 36 Rn. 61. 76  K. Schmidt, AG 1986, 106 (110 f.), Habetha, ZGR 1998, 305 (316). 77  Kleindiek, in: K. Schmidt / Lutter, § 36 Rn. 26. 78  Hommelhoff / Kleindiek, ZIP 1987, 477 (486 f.), Kleindiek, in: K. Schmidt / Lutter, § 36 Rn. 26, a. A. Pentz, in: MünchKomm AktG § 36 Rn. 54, Godin / Wilhelmi, Aktiengesetz3, § 36 Anm. 13. 79  Hommelhoff / Kleindiek, ZIP 1987, 477 (486). 80  Hommelhoff / Kleindiek, ZIP 1987, 477 (487). 81  Priester, in: Scholz, GmbHG, § 56a Rn. 14. 82  Kleindiek, in: K. Schmidt / Lutter, § 36 Rn. 26. 74  Pentz,



§ 12 Grundlagen der vertraglichen Haftung279

der Aktiengesellschaft, da eine Rückzahlung (auch mit Rechtsgrund) nach den Regeln der Kapitalerhaltung einem Drittvergleich standhalten muss, was Vermögenseinbußen der Gesellschaft zum Vorteil eines Aktionärs ausschließen soll. In den meisten derartigen Fällen wird es sich außerdem bei der Rückzahlungsabrede zugunsten eines Aktionärs um eine verdeckte Sacheinlage oder um eine „schlichte Rückzahlung“, die wie eine Scheinzahlung zu behandeln ist, handeln. (3) Darlehen an den Gesellschafter Bei Darlehen an den Gesellschafter wird für zwei unterschiedliche Gestaltungen angenommen, dass sie die endgültig freie Verfügung des Vorstands ausschließen: Die Gesellschaft kann dem späteren Aktionär erst ein Darlehen gewähren, mit dessen Hilfe dieser dann die Einlageleistung erbringt.83 Alternativ kann der Aktionär erst die Einlageleistung erbringen, und die Gesellschaft kann ihm dann die Mittel als Darlehen wieder zurückzahlen.84 In beiden Fällen handelt es sich nicht um eine verdeckte Sacheinlage, da jeweils keine Forderung gegen die Gesellschaft besteht, die der Aktionär in die Gesellschaft einbringen könnte. Durch das ARUG wurde für beide Konstellationen in § 27 Abs. 4 S. 1 AktG eine Regelung eingeführt, nach der der Aktionär nur dann von seiner Einlageverpflichtung befreit wird, wenn gegen den Aktionär ein vollwertiger Rückzahlungsanspruch besteht, der jederzeit fällig ist oder von der Gesellschaft jederzeit fällig gestellt werden kann. Außerdem ist diese Vereinbarung in der Anmeldung anzugeben, § 27 Abs. 4 S. 2 AktG.85 Fraglich ist, ob diese Darlehen in beiden Fällen tatsächlich Einfluss auf die endgültig freie Verfügung des Vorstands haben, wenn die Voraussetzungen des § 27 Abs. 4 AktG nicht erfüllt werden. Fehlt es nur an der Offenlegung des S. 2, wird aber im Übrigen ein vollwertiger Rückzahlungsanspruch begründet, ergibt sich bereits aus dem Gesetz, dass der Aktionär von seiner Einlageverpflichtung frei wird und – korrespondierend dazu – die Einlage auch zur freien Verfügung des Vorstands stehen muss. Wird jedoch entgegen § 27 Abs. 4 S. 1 AktG kein vollwertiger und jederzeit fälliger oder fällig stellbarer Rückgewähranspruch begründet, muss der Vorstand die 83  Röhricht, in: Großkomm AktG § 36 Rn. 60, Döbereiner, in: Spindler / Stilz, § 36 AktG Rn. 20, Kleindiek, in: K. Schmidt / Lutter, § 36 Rn. 21, Pentz, in: MünchKomm AktG § 36 Rn. 57, Hüffer, § 36 AktG Rn. 8. 84  Röhricht, in: Großkomm AktG § 36 Rn. 60, 73, Pentz, in: MünchKomm AktG § 36 Rn. 59, Bayer, in: FS Horn, S. 271 (275), Hüffer, § 36 AktG Rn. 8, BGHZ 153, 107 (110), BGHZ 165, 113 (116), BGHZ 165, 352 (355). 85  Vgl. zur Neuregelung: Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zum ARUG, BT-Drucks. 16 / 13098, S. 37.

280

4. Teil: Möglichkeit von vertraglichen Haftungsabreden

Darlehensabrede nicht erfüllen, da sie wegen eines Verstoßes gegen das Aktiengesetz gem. § 134 BGB nichtig ist. Er kann also ohne Bindung durch die nichtige Abrede über die Mittel frei verfügen. Auch für die Sanktionierung, die an eine falsche Anmeldung des Vorstands anknüpft, ist nicht erforderlich, dass die Einlage als nicht zur freien Verfügung gelangt eingestuft wird, da hierfür ja bereits ausreicht, wenn die spezielle Anmeldeverpflichtung des § 27 Abs. 4 S. 2 AktG nicht beachtet wird. bb) Folgerungen im Hinblick auf vertragliche Haftungsabreden Betrachtet man die oben gefundenen Ergebnisse, so zeigt sich, dass die Kapitalaufbringung immer als abgeschlossen betrachtet werden kann, wenn der Vorstand über die zugeflossenen Mittel rechtlich und tatsächlich verfügen kann.86 Lediglich dann, wenn eigentlich kein Geld geleistet werden sollte (Scheinzahlung), fehlt es an einer endgültig freien Verfügung des Vorstands. In allen anderen Fällen sollte von der Fiktion, dass Leistungen, die der Einlageleistung nachgelagert sind, sich auf die (abgeschlossene) Kapitalerhaltung auswirken, Abstand genommen werden. Selbst wenn solche Zahlungen auf Abreden beruhen, die vor der Einlageleistung getroffen wurden, so binden diese Absprachen den Vorstand nicht, wenn sie nicht aus der Sicht der Kapitalerhaltung einem Drittvergleich standhalten. Leistet er jedoch an den Aktionär, so handelt es sich dabei um ein Problem der Kapitalerhaltung und nicht der Kapitalaufbringung. Dieses Ergebnis korrespondiert mit der Rechtsprechung des BGH zur Einzahlung der Einlage auf ein debitorisches Konto der Gesellschaft: An der freien Verfügbarkeit fehlt es nur, wenn die Bank die Einzahlung mit dem Soll verrechnet und keine weiteren Verfügungen über dieses Konto gestattet; kann der Vorstand dagegen über das Konto weiterhin verfügen, weil durch die Verrechnung der Einlage mit dem Soll der Kreditrahmen wieder eröffnet wurde, so ist die endgültig freie Verfügung des Vorstands zu bejahen.87 Anhand dieser Erkenntnisse ist nun also die kapitalaufbringungsrechtliche Zulässigkeit von Gewährleistungen zu überprüfen. Wurde eine vertragliche Gewährleistungsabrede getroffen, zahlt der Aktionär die volle Einlage an die Gesellschaft. Die Liquidität der Gesellschaft wird gesteigert und der Vorstand kann über die Mittel rechtlich und tatsächlich verfügen. Erst nach Eintragung der Gesellschaft wird sich möglicherweise herausstellen, dass die Zusagen nicht vollständig zutrafen, so dass es zur Geltendmachung von Ersatzansprü86  So

auch Hommelhoff / Kleindiek, ZIP 1987, 477 (485 ff.). in: MünchKomm AktG § 36 Rn. 68.

87  Pentz,



§ 12 Grundlagen der vertraglichen Haftung281

chen gegen die Gesellschaft kommt. Daran zeigt sich, dass die Gewährleistung nicht mit einer Rückzahlungsverpflichtung vergleichbar ist, die nach Ansicht der herrschenden Meinung die endgültig freie Verfügung hindert. Die Literatur und die Rechtsprechung legen immer Abreden zugrunde, die eine Rückzahlung in jedem Fall vorsehen. Diese Rückzahlungen nähern sich der Scheinzahlung an. Werden jedoch vertragliche Zusagen über den Zustand der Gesellschaft gemacht, hängen die Rückzahlung als solche sowie ihre Höhe von einer Vielzahl von Faktoren ab, deren Eintritt alles andere als sicher ist. Das vom BGH verwendete Bild des Balls am Gummiband, der automatisch wieder zum Aktionär zurückschnellt, passt hier offensichtlich nicht. Die Haftung der Gesellschaft hängt nicht vom Willen des Aktionärs ab, sondern beruht auf objektiven Kriterien. Außerdem ist der Aktionär ernsthaft bereit, sich mit dem vollen Betrag an der Gesellschaft zu beteiligen, und begibt sich dieser Mittel vollständig. Ob die Voraussetzungen der Haftung eingreifen, steht im Zeitpunkt der Leistung der Einlage und der Anmeldung nicht fest, so dass nicht sicher ist, dass es zu einer Rückzahlung kommen wird. Die Gewährleistung ist somit nicht mit einer Scheinzahlung im Sinne einer Rückzahlung sine causa zu vergleichen. Es ist also davon auszugehen, dass die Leistung des Aktionärs trotz der Gefahr einer Haftung aus der vertraglichen Gewährleistungsabrede endgültig zur freien Verfügung des Vorstands steht. Unter diesem Gesichtspunkt stehen einer vertraglichen Haftung die Kapitalaufbringungsregeln nicht entgegen. Auf diese Weise erzielt man einen Gleichlauf zwischen der Kapitalerhaltung und der Kapitalaufbringung. Die Kapitalaufbringung und die Kapital­ erhaltung dienen den gleichen Schutzzwecken, nämlich in erster Linie dem Gläubigerschutz. Insbesondere sind bei der Kapitalaufbringung keine Schutzzwecke erkennbar, die durch die Kapitalerhaltung nicht verfolgt würden. Im Hinblick auf das Schutzniveau und die Schutzzwecke entsprechen sich Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung. Aus diesem Grund müssen sich auch für die Haftung gegenüber Aktionären bei der Kapitalerhaltung und der Kapitalaufbringung identische Ergebnisse zeigen. b) Kein Verstoß gegen Befreiungsverbot des § 66 Abs. 1 S. 1 AktG Das Befreiungsverbot in § 66 Abs. 1 S. 1 AktG bestimmt, dass die Aktionäre und ihre Vormänner nicht von ihren Leistungspflichten gem. §§ 54, 65 AktG befreit werden können. Gemäß § 66 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 AktG gilt es entsprechend für die Verpflichtung zur Rückgewähr von Leistungen, die entgegen den Vorschriften des Aktiengesetzes empfangen wurden. Mit seiner Bezugnahme auf Rechtsgeschäfte hat das Befreiungsverbot keine Berührungspunkte mit der gesetzlichen Haftung, sei es aus der spezialgesetzlichen oder der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung oder aus c.i.c. (siehe

282

4. Teil: Möglichkeit von vertraglichen Haftungsabreden

oben § 5 D.). Das Befreiungsverbot kollidiert jedoch mit (rechtsgeschäft­ lichen) Abreden zwischen Aktionär und Gesellschaft, die einen weitergehenden Anspruch des Aktionärs auf eine Haftung wegen fehlerhafter Angaben enthalten, wenn man diese Abrede als Befreiung von der Einlagepflicht oder der Rückgewährverpflichtung auslegt. Allerdings ist dabei jeweils das Bestehen der Einlagepflicht oder des Rückgewähranspruchs Voraussetzung. Dieses richtet sich jedoch nach allgemeinen Regeln. Im Falle einer vertraglichen Haftung hilft somit das Befreiungsverbot nicht weiter: Entweder ist die vertragliche Haftung nach allgemeinen Regeln zulässig, dann ist der Einlageanspruch erfüllt und es entstehen kein Rückgewähranspruch und keine Kollision mit dem Befreiungsverbot. Ist jedoch die vertragliche Haftung nach allgemeinen Regeln unzulässig, darf die Gesellschaft nicht haften, im Falle einer Zahlung entsteht ein Rückgewähranspruch, und auf diesen kann die Gesellschaft nicht verzichten. Das Befreiungsverbot stellt also keine materielle Regelung dar, sondern nur eine formelle Bestimmung, die die Regeln der Kapitalerhaltung und -aufbringung absichert. Im vorliegenden Fall hat sich gezeigt, dass die Gefahr einer Haftung nicht die Erfüllung der Einlagepflicht durch Leistung der Einlage zur endgültig freien Verfügung des Vorstands ausschließt, und dass nach den Regeln über die Kapitalerhaltung regelmäßig kein Rückgewähranspruch entsteht. Aus diesem Grund ist auch die vertragliche Haftung nicht als Befreiung von der Einlage- oder Rückgewährpflicht anzusehen. Das Befreiungsverbot als solches steht einer Haftung der Aktiengesellschaft gegenüber Aktionären somit nicht entgegen. 4. Umfang der Zusagen: Keine Kursgarantie gem. § 56 Abs. 3 AktG oder § 57 Abs. 1 AktG

Oben hat sich gezeigt, dass die generell als verboten angesehenen Kursgarantien im Falle einer vertraglichen Haftung bei originärem Erwerb unter das Verbot der Übernahme der Aktien für Rechnung der Gesellschaft fallen. In allen anderen Fällen (vertragliche Haftung bei derivativem Erwerb, gesetzliche Haftung bei originärem oder derivativem Erwerb) werden sie unter die Generalklausel des § 57 Abs. 1 AktG subsumiert (siehe oben § 6 B.II)). Es hat sich auch gezeigt, dass sowohl § 56 Abs. 3 AktG als auch § 57 Abs. 1 AktG eine Kursgarantie nur verbieten, wenn diese das finanzielle Risiko so auf die Gesellschaft verlagert, als hätte sie die Aktien selbst erworben / gezeichnet (§ 6 B.). Dies ist nur der Fall, wenn die Haftung der Gesellschaft nicht an den aktuellen Zustand des Unternehmens, sondern an die zukünftige Entwicklung anknüpft. Daraus ergibt sich auch der Rahmen für eine vertragliche Haftung. Eine vertragliche Haftung wird im Wesentlichen in Betracht kommen, wenn ein



§ 12 Grundlagen der vertraglichen Haftung283

Investor Aktien bei der Aktiengesellschaft zeichnet. Die Voraussetzungen einer Zulässigkeit einer Haftungsabrede mit einem Investor, der die Aktien von einem Dritten erwirbt, werden kaum jemals vorliegen. Maßgeblich ist deshalb in erster Linie das Verbot der Übernahme der Aktien für Rechnung der Aktiengesellschaft, § 56 Abs. 3 AktG. Aus diesem ergibt sich für vertragliche Abreden (bei originärem Erwerb) eine Unwirksamkeit einer Haftungsabrede für zukunftsgerichtete Aussagen. Später wird noch darauf zurückzukommen sein, unter welchen Voraussetzungen eine Abrede an die zukünftige Entwicklung anknüpft (siehe § 13 B.II.3.) und ob eine verschuldensunabhängige Haftung als verbotene Kursgarantie eingeordnet werden muss (siehe § 13 B.II.2.). 5. Fazit

Es zeigt sich also, dass hinsichtlich der Haftung einer Aktiengesellschaft gegenüber Aktionären aus der Sicht der Kapitalerhaltung und der Kapitalaufbringung an eine vertragliche Haftung keine anderen Anforderungen zu stellen sind als an eine gesetzliche Haftung. II. Keine Übernahme der Aktie durch die Gesellschaft und keine Rückzahlung des anteiligen Grundkapitals an den Aktionär aufgrund einer vertraglichen Haftung Im Ersten Teil hat sich gezeigt, dass der Anspruch des Investors aus der allgemeinen gesetzlichen Haftung auf Schadensersatzansprüche maximal in der Höhe des Agios beschränkt ist.88 In der Aktiengesellschaft ist es – außer in Fällen persönlich besonders schutzwürdiger Aktionäre – grundsätzlich ausgeschlossen, sich von einer einmal erworbenen Beteiligung durch Rückgabe an die Gesellschaft wieder zu lösen. Vorrangig ist immer der Verkauf der Aktie an einen Dritten. Auch darf die Aktiengesellschaft die Aktien nicht erwerben, da sie nicht nur vor dem Vermögensabfluss, sondern auch vor den Risiken aus dem Besitz der eigenen Aktien geschützt werden soll. Ausnahmen, wie bei verschiedenen kapitalmarktrechtlichen Haftungstatbeständen, müssen im Gesetz ausdrücklich angeordnet werden. Eine Schadensersatzleistung, die den Betrag des Agios übersteigt, würde einer unzulässigen Unter-Pari-Emission gleichkommen. Es sind keine Ansatzpunkte ersichtlich, aufgrund derer die Gesellschaft im Rahmen einer vertraglichen Haftung gegenüber Aktionären etwas anderes vereinbaren können sollte. Weder ist die Gesellschaft in weiterem Um88  Siehe

§ 7.

284

4. Teil: Möglichkeit von vertraglichen Haftungsabreden

fang befugt, ihre eigenen Aktien zu erwerben, noch sind das Verbot der Unter-Pari-Emission oder das Verbot eines Austritts aus der Aktiengesellschaft beschränkt. Dementsprechend kommt auch bei der vertraglichen Haftung maximal eine Haftung mit dem Anteil der Einlage, der auf das Agio entfällt, in Betracht.89 III. Keine Erweiterung durch Konzept des Drittvergleichs In der Literatur wird teilweise argumentiert, dass eine vertragliche Haftung der Aktiengesellschaft zulässig sein könnte, wenn sie unter drittgleichen Bedingungen erfolgt. Ein zulässiges Drittgeschäft liegt vor, wenn das Rechtsgeschäft unter den gleichen Umständen und zu den gleichen Bedingungen auch mit einem Nichtaktionär abgeschlossen worden wäre.90 Wird zwischen Gesellschaft und Aktionär ein zulässiges Drittgeschäft abgeschlossen, kommt es nicht darauf an, ob die Gesellschaft die Leistung aus dem Grundkapital und den anderen gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen erbringt oder aus den übersteigenden, nicht gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen. Theoretisch könnte also die Tatsache, dass eine vertragliche Haftungsabrede einem Drittvergleich standhält, die Beschränkung der Haftung auf die nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteile überwinden. Nicht überwunden werden kann dagegen der Ausschluss der Übernahme der Aktien durch die Gesellschaft und das Verbot der Rückzahlung des anteiligen Grundkapitals. Weder das Verbot des Erwerbs eigener Aktien noch das Verbot der Unter-Pari-Emission oder der Ausschluss eines Austritts aus der Aktiengesellschaft treten gegenüber einem zulässigen Drittgeschäft zurück. 1. Vorschläge der Literatur

In der Literatur wird regelmäßig in Erwägung gezogen, die Vereinbarung einer vertraglichen Haftung zwischen der Gesellschaft und einem Aktienzeichner als zulässiges Drittgeschäft zuordnen, wodurch ein Verstoß gegen § 57 AktG ausscheiden würde.91 Eine Schadensersatzleistung, die aus den verfügbaren freien Rücklagen geleistet werden könne, verstoße grundsätzlich nicht gegen § 57 AktG.92 Auch bezüglich der anderen Eigenkapitalbestandteile sei die Vereinbarung einer vertraglichen Haftung mit der Verim Ergebnis auch Servatius, in: Spindler / Stilz, § 185 AktG Rn. 18 m. w. N. in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 31. 91  Sieger / Hasselbach, BB 2004, 60 (61), Maidl / Kreifels, NZG 2003, 1091 (1093), Brandi, NZG 2004, 600 (605), Schaefer / Grützediek, NZG 2006, 204 (206). 92  Brandi, NZG 2004, 600 (604), Maidl / Kreifels, NZG 2003, 1091 (1093). 89  So

90  Bayer,



§ 12 Grundlagen der vertraglichen Haftung285

pflichtung zu Schadensersatz durchaus auch gegenüber Dritten denkbar. Man könne annehmen, dass die Gesellschaft das Geschäft zu gleichen Bedingungen auch mit einem Dritten abgeschlossen hätte, wenn die Vereinbarung mit dem Aktionär durch ein eigenes betriebliches Interesse gerechtfertigt ist. Dieses Interesse müsse das Interesse der Gesellschaft an der weiteren Zuführung betrieblichen Eigenkapitals übersteigen und könne in bestimmten strategischen Aspekten oder signifikanten finanziellen Anreizen liegen.93 Nach anderer Ansicht müssten die Interessen der Gläubiger grundsätzlich durch das Verbot der Unter-Pari-Emission und die Begrenzung der Befriedigungsmöglichkeiten auf die freien Rücklagen gewahrt werden. Hinsichtlich der übrigen Eigenkapitalbestandteile komme als Gegenleistung für die Vereinbarung einer vertraglichen Haftung ein angemessener, marktüblicher Aufschlag in Betracht, der im Kapitalerhöhungsbeschluss festgesetzt werden müsse.94 Nur aus diesem Aufschlag dürfe die vertrag­ liche Haftung gewährt werden.95 Wieder andere lehnen die Vereinbarung einer vertraglichen Haftung hinsichtlich der gebundenen Eigenkapitalbestandteile mit dem Argument ab, dass ein Drittvergleich ausscheide, wenn ein Geschäft überhaupt nur mit einem Aktionär abgeschlossen werden könne und – wie die vertragliche Haftung – nicht ersichtlich leistungsäquivalent sei.96 Eine andere, ablehnende Ansicht nimmt an, dass die Ungleichbehandlung zwischen kapitalmarktaktiven Gesellschaften, bei denen die Prospekthaftung eingreift, und anderen Gesellschaften vom Gesetzgeber so gewollt sei. Eine Entschädigung von Aktionären im Zusammenhang mit der Aktienausgabe sei nicht generell, sondern nur bei den kapitalmarktaktiven Gesellschaften gewollt. Eine Gewährleistungsabrede könne deshalb niemals ein leistungsäquivalentes Geschäft sein, für das § 57 AktG Raum lasse.97 Andere halten den Ansatz des Drittvergleichs schlicht für konstruiert.98 2. Grundlagen des Konzepts des zulässigen Drittgeschäfts

Die Grundsätze der Kapitalerhaltung und der Vermögensbindung verbieten es einem Aktionär nicht, „normale“ Geschäfte mit dem Unternehmen zu tätigen, an dem er beteiligt ist. Es gilt jedoch zu verhindern, dass an einen 93  Brandi,

NZG 2004, 600 (605). NZG 2006, 204 (206). 95  Schaefer / Grützediek, NZG 2006, 204 (208). 96  Maidl / Kreifels, NZG 2003, 1091 (1093 f.). 97  Sieger / Hasselbach, BB 2004, 60 (61), Maidl / Kreifels, NZG 2003, 1091 (1093 f.). 98  Servatius, in: Spindler / Stilz, § 185 AktG Rn. 18. 94  Schaefer / Grützediek,

286

4. Teil: Möglichkeit von vertraglichen Haftungsabreden

Aktionär unter dem Deckmantel eines „normalen“ Geschäfts Gewinne ausgeschüttet werden. Nach ganz überwiegender Ansicht kommt es bei § 57 AktG nicht auf die Form der Leistung an, so dass verdeckte Gewinnausschüttungen bereits vom Wortlaut des § 57 AktG erfasst werden.99 Nach anderer Ansicht ist der Wortlaut zu eng gefasst und muss für verdeckte Leistungen im Wege einer teleologischen Extension praeter verba legis erweitert werden.100 In der historischen Entwicklung spielten nur offene Ausschüttungen eine Rolle,101 weshalb jedoch nicht bestritten wird, dass auch eine verdeckte Gewinnausschüttung gegen den Grundsatz der Ka­ pitalerhaltung verstößt. Dabei werden die Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen einem zulässigen Drittgeschäft und einer verbotenen verdeckten Vermögensverlagerung umso schwieriger, je weniger es sich um ein markt­ üb­li­ches Geschäft handelt. Auf diese umstrittene Abgrenzung soll im Folgenden kurz eingegangen werden. Zur Abgrenzung zwischen einem zulässigen Drittgeschäft und einer verbotenen verdeckten Vermögensverlagerung102 (verbotenen Vermögenszuwendung103) wird die steuerrechtliche Rechtsprechung zur verdeckten Gewinnausschüttung herangezogen: Eine verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne des § 8 Abs. 3 S. 1 KStG ist eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung auf Seiten der Kapitalgesellschaft, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des gesellschaftlichen Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht.104 Dabei nimmt der BFH immer eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis an, wenn die Gesellschaft bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters die Vermögensminderung gegenüber einer Person, die nicht Anteilsinhaber ist, unter gleichen Umständen sonst nicht hingenommen hätte.105 Das Steuerrecht will damit verhindern, dass durch unausgeglichene Geschäfte mit einem Anteilseigner künstlich der Gewinn und damit die Steuerpflicht verringert werden. Im Gesellschaftsrecht stellt das Verbot von verdeckten Vermögensverlagerungen einen Teilbereich der Kapitalerhaltung und der Vermögensbindung 99  BGH NJW 1992, 2821, K. Schmidt, GesR § 29 II 2 a) (S. 890), Lutter, in: KK AktG2 § 57 Rn. 15. 100  Lutter, in: FS Stiefel, S. 505 (529), Fleischer, in: K. Schmidt  / Lutter, AktG, § 57 Rn. 11, Bezzenberger, Das Kapital (2005), S. 209. 101  Wild, Prospekthaftung / Kapitalschutz, S. 24 m. w. N. in Fn. 24. 102  Wiedemann, in: GesR I (1980), § 8 III 1 a) (S. 440 f.). 103  Bezzenberger, Das Kapital (2005), S. 211. 104  BFH, BFHE 156, 155 (156), BFH, BFHE 158, 388 (390), BFH, BFHE 173, 412 (414), BFH, BFHE 186, 226 (227), BFH, BFHE 195, 228 (230), BFH, BFHE 200, 197 (198). 105  BFH, BFHE 173, 412 (414).



§ 12 Grundlagen der vertraglichen Haftung287

dar, weshalb die Schutzzwecke weitgehend identisch sind. Das Verbot dient also dem Gläubigerschutz, der Gleichbehandlung der Aktionäre und dem Schutz der Kompetenzordnung innerhalb der Gesellschaft. Diese unterschiedliche Zwecksetzung verhindert jedoch grundsätzlich eine Übertragung der steuerrechtlichen Grundsätze ins Gesellschaftsrecht nicht. Allerdings zeigt sich daraus, dass im Gesellschaftsrecht nicht alle Teile der steuerrechtlichen Definition angewendet werden müssen. So berühren zum Beispiel verhinderte Vermögensmehrungen die Grundsätze der Kapitalerhaltung und der Vermögensbindung sowie ihre Schutzzwecke nicht. Darüber hinaus ist es für das Gesellschaftsrecht nicht relevant, ob sich die Vermögensverlagerung auf den Gewinn (steuerrechtlich: das Einkommen) auswirkt, so dass auch dieses Tatbestandsmerkmal entfallen kann. Die gesellschaftsrechtliche Definition ist damit teilweise weiter, teilweise enger als die steuerrechtliche Definition. Sie verbietet im Ergebnis also eine Vermögensminderung der Gesellschaft zugunsten des Aktionärs („Vermögenstransfer“), die durch das Gesellschaftsverhältnis verursacht ist.106 Das Hauptproblem liegt darin, zu bestimmen, wann ein Vermögenstransfer durch das Gesellschaftsverhältnis verursacht ist. Die steuerrechtliche Definition, nach der der Vermögenstransfer durch das Gesellschaftsverhältnis verursacht ist, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter die Vermögensminderung nicht hingenommen hätte, sofern es sich nicht um einen Gesellschafter gehandelt hätte, wird im Gesellschaftsrecht in vergleichbarer Form verwendet. Dementsprechend sind (marktübliche) Geschäfte des Massengeschäfts, die zum Marktpreis abgeschlossen werden, in jedem Falle zulässig.107 Bei diesen kann immer angenommen werden, dass sie in der gleichen Form auch mit einem Nicht-Gesellschafter hätten abgeschlossen werden können. Handelt es sich um ein Geschäft außerhalb normaler Umsatzgeschäfte und außerhalb des Massengeschäfts, erhöht sich die Schwierigkeit, einen Marktpreis zu bestimmen. Kann ein Marktpreis nicht bestimmt werden und führen auch übliche Bewertungsmethoden nicht weiter108, kommt es darauf an, ob das unternehmerische Ermessen in vertretbarer Weise ausgeübt wurde, was nicht der Fall ist, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter die Vermögensminderung nicht hingenommen hätte, wenn es sich nicht um einen Gesellschafter gehandelt hätte.109 auch Bezzenberger, Das Kapital (2005), S. 288. in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 32 f., Lutter, in: KK AktG2 § 57 Rn.  17 f., Hüffer, § 57 AktG Rn. 9, Fleischer, in: K. Schmidt  /  Lutter, § 57 AktG Rn. 13, Wiesner, in: Münch. Hdb. AG, § 16 Rn. 44. 108  Fleischer, in: K. Schmidt / Lutter, § 57 AktG Rn. 13, Cahn / Senger, in: Spindler / Stilz, § 57 Rn. 22, ähnlich Hüffer, § 57 AktG Rn. 9. 109  Bayer, in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 40, Cahn / Senger, in: Spindler / Stilz, § 57 Rn. 22, ähnlich Lutter, in: KK AktG2 § 57 Rn. 19. 106  So

107  Bayer,

288

4. Teil: Möglichkeit von vertraglichen Haftungsabreden

Handelt es sich um ein Geschäft, das überhaupt nur mit einem Aktionär und nicht mit einem Dritten eingegangen werden kann, scheidet ein Drittvergleich aus, ohne dass zusätzlich noch ein objektives Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung erforderlich wäre.110 Solche dem Drittvergleich entzogenen Geschäfte verstoßen regelmäßig gegen das Verbot der verdeckten Gewinnausschüttung und den Grundsatz der Gleichbehandlung der Aktionäre.111 Darüber hinaus wird vielfach das Kapital der Gesellschaft beeinträchtigt und werden dadurch die Gläubiger gefährdet. Nur in Ausnahmefällen können nicht marktübliche Geschäfte zwischen Aktionär und Aktiengesellschaft gestattet sein, beispielsweise im Falle eines angemessenen Beitrags einer Aktiengesellschaft zu einer Konzernumlage.112 Im Gesellschaftsrecht wird teilweise angenommen, dass eine verbotene verdeckte Vermögensverlagerung nur vorliege, wenn – neben einem objektiven Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung – zusätzlich ein subjektives Element gegeben ist. Subjektiv soll erforderlich sein, dass die Aktiengesellschaft ihre Leistungen bewusst nur wegen der Mitgliedschaft des Empfängers (causa societatis) erbringt. Früher wurde überwiegend vertreten, dass die Aktiengesellschaft in dem Bewusstsein handeln müsse, dass die Vermögenszuwendung gerade wegen der Aktionärseigenschaft des Empfängers vorgenommen wird, also der mitgliedschaftliche Bereich berührt wird. Anderes sollte gelten, wenn bei dem konkreten Geschäft ein Drittvergleich ausscheidet: In diesen Fällen reicht das objektive Missverhältnis aus.113 Zur GmbH ist die ständige Rechtsprechung des BGH jedoch nunmehr, dass es auf subjektive Kriterien nicht ankommt.114 Auch ein Umkehrschluss zu § 62 Abs. 1 S. 2 AktG, der den guten Glauben der Aktionäre nur bei offenen Gewinnausschüttungen schützt, spricht für eine objektive Beurteilung.115 Aus dem – objektiven – Zweck der Verbotsvorschrift des § 57 AktG muss man auch entnehmen, dass es bei verdeckten Vermögensverlagerungen im Aktienrecht auch nur auf objektive Kriterien ankommt.116 110  Bayer, in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 42, Lutter, in: KK AktG2 § 57 Rn. 21, Maidl / Kreifels, NZG 2003, 1091 (1093 f.), BFH WM 1985, 537 (539), kritisch Cahn / Senger, in: Spindler / Stilz, § 57 AktG Rn. 19. 111  Bayer, in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 42. 112  Bayer, in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 42. 113  Flume, ZHR 144 (1980), 18 (20). 114  Hüffer, AktG § 57 Rn. 10, BGH NJW 1987, 1194 (1195), BGH NJW 1996, 589 (590). 115  Fleischer, WM 2007, 909 (914). 116  Bayer, in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 45., Hüffer, AktG § 57 Rn. 10, 11, Henze, in: Großkomm AktG § 57 Rn. 46 f., Lutter, in: KK AktG2 § 57 Rn. 23 ff., Fleischer, in: K. Schmidt / Lutter, § 57 AktG Rn. 19 f., Fleischer, WM 2007, 909 (914), Wiesner, in: Münch. Hdb. AG, § 16 Rn. 44, a. A. Barz, in: Großkomm Akt3, § 57 Rn. 3, Bezzenberger, Das Kapital (2005), S. 233 ff., Geßler, in: FS Rob Fischer,



§ 12 Grundlagen der vertraglichen Haftung289 3. Stellungnahme

Es zeigt sich also, dass Geschäfte zwischen Aktiengesellschaft und Aktio­ när aus der Sicht der Kapitalerhaltung zulässig sind, wenn es sich um ein (leistungsäquivalentes) Umsatzgeschäft handelt. Bei Umsatzgeschäften führt die objektive Unausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung zu Lasten der Aktiengesellschaft nur dann zu einem Verstoß gegen § 57 AktG, wenn der Vermögensabfluss bei der Aktiengesellschaft nicht durch die Gegenleistung kompensiert wird, die der Aktionär erbringt.117 Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Unausgewogenheit gerade auf der Stellung des Vertragspartners als Aktionär beruht. Anderes gilt jedoch für Geschäfte, die keine normalen Umsatzgeschäfte sind, sondern die nur mit einem Aktionär abgeschlossen werden können. Auf diese ist das Konzept des Drittvergleichs nicht anwendbar und sie sind unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Ausgewogenheit unzulässig.118 Der Grund für diese Differenzierung ist, dass das Konzept des Drittvergleichs in erster Linie verhindern soll, dass die normale Geschäftstätigkeit zwischen der Aktiengesellschaft und einem anderen Marktteilnehmer, der zugleich Aktionär der Gesellschaft ist, gestört wird.119 Der Inhalt eines Geschäfts, das nur mit einem Aktionär abgeschlossen wird, ist jedoch mit dieser normalen Geschäftstätigkeit nicht zu vergleichen. Kann ein Geschäft nur mit einem Aktionär (in dieser Eigenschaft) abgeschlossen werden, hat es regelmäßig eine Modifikation des Mitgliedschaftsverhältnisses zum Gegenstand. Eine solche Modifikation ist im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit anderen aktienrechtlichen Grundsätzen problematisch. Außerdem ist die wirtschaftliche Angemessenheit nicht verlässlich zu kontrollieren. Der Ansicht, die Rechtsgeschäfte, die nur mit einem Aktionär abgeschlossen werden können, immer für einen Verstoß gegen § 57 AktG hält, ist aus diesem Grund zuzustimmen. Entgegen manchen Stimmen in der Literatur120 handelt es sich auch bei vertraglichen Abreden über den Zustand der Gesellschaft und des von ihr betriebenen Unternehmens um Rechtsgeschäfte, die nur mit einem AktioS.  131, 136 f., Flume, ZHR 144 (1980), 18 (20), Wilhelm, in: FS Flume II (1978), S. 337 (382). 117  Hüffer, § 57 AktG Rn. 8. 118  Bayer, in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 42, Lutter, in: KK AktG2 § 57 Rn. 21, BFH WM 1985, 537 (539). 119  Lutter, in: KK AktG2 § 57 Rn. 15: „Die AG ist frei, Rechtsgeschäfte mit ihren Aktionären zu tätigen wie mit jeder anderen Person (Dritter) auch.“ Hüffer, § 57 AktG Rn. 8: „AG kann mit ihren Aktionären wie mit jedem Dritten Geschäfte machen und entsprechende Leistungen erbringen (Umsatz- oder Drittgeschäfte, neutrale Geschäfte).“ 120  Brandi, NZG 2004, 600 (605).

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4. Teil: Möglichkeit von vertraglichen Haftungsabreden

när abgeschlossen werden können. Selbstverständlich vereinbart eine Gesellschaft auch in anderen Konstellationen Arten der Gewährleistung, an die Schadensersatzverpflichtungen anknüpfen. Diese beziehen sich jedoch regelmäßig auf den verkauften Gegenstand und nicht auf die Gesellschaft selbst, und es ist auch keine andere Konstellation ersichtlich, in der die Gesellschaft Zusagen über ihre eigene Situation treffen sollte. Nur die Zusagen über den eigenen Zustand verändern jedoch die Grundlagen der Mitgliedschaft, nicht dagegen die denkbaren Zusagen über einen verkauften Gegenstand. Reguläre Gewährleistungen, die das gesetzliche Kaufrecht (oder Werkvertragsrecht) modifizieren, sind somit nicht mit vertraglichen Haftungsabreden über die Situation des Unternehmens zwischen Gesellschaft und Aktionär vergleichbar. Ein Drittvergleich scheidet somit aus. Dennoch führt die Tatsache, dass die vertraglichen Haftungsabreden nicht im Wege des Drittvergleichs dem Anwendungsbereich des § 57 AktG entzogen werden können, nicht dazu, dass diese Art der vertraglichen Gestaltung generell unzulässig wäre. Oben hat sich gezeigt, dass die Gesellschaft nach allgemeinen Regeln für die Informationen haftet, die sie im Zuge der Beteiligungsentscheidung im Vorfeld der Durchführung der Kapitalerhöhung erteilt. Zum einen sind die Neu-Aktionäre schützenswert. Zum anderen trifft eine Haftung nach allgemeinen Regeln, die auf die nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteile beschränkt ist, nicht die Gläubiger der Gesellschaft in ihrem gesetzlich garantierten Schutzfeld, sondern nur die Altaktionäre der Gesellschaft, die für Fehler des Vorstands einzustehen haben. In diesem Umfang kann die Gesellschaft die gesetzliche Haftung auch vertraglich modifizieren.121

E. Zusammenfassung Durch vertragliche Abreden zwischen der Gesellschaft und dem Aktionär kann nur eine Schadensersatzpflicht begründet werden, aber es kann keine Möglichkeit eröffnet werden, nachträglich die Einlagepflicht zu modifizieren. Für derartige Abreden ist der Begriff der vertraglichen Haftung am besten geeignet, da er – anders als „Gewährleistungen“ und „Garantien“ – weder einen Anspruch auf Herstellung noch eine verschuldensunabhängige Haftung impliziert. Im Anwendungsbereich der spezialgesetzlichen Prospekthaftung kommt nur eine Verschärfung der Haftung in Betracht, diese ist 121  Ähnlich Wieneke, NZG 2004, 61 (68  f.), Maidl / Kreifels, NZG 2003, 1091 (1093): „Insofern erscheint es erwägenswert, eine Garantie durch die Gesellschaft zuzulassen, jedenfalls solange die dadurch begründeten Verpflichtungen der Ge­ sellschaft das Kernkapital (Grundkapital und obligatorische Rücklage) nicht an­ greifen.“



§ 13 Vertragliche Regelung der Haftung291

jedoch mit großen praktischen Problemen behaftet. Dementsprechend erscheint eine vertragliche Abrede vor allem praxisrelevant, wenn die spezial­ gesetzliche Prospekthaftung nicht anwendbar ist. Im Übrigen unterliegt eine vertragliche Haftung der Gesellschaft gegenüber Aktionären den gleichen Beschränkungen, die im Ersten Teil für die gesetzliche Haftung aufgezeigt wurden. Aus den Vorschriften über die Kapitalaufbringung und die Kapitalerhaltung, die Rechtsgeschäfte anders behandeln als gesetzliche Ansprüche, ergeben sich keine Abweichungen. Die Gesellschaft haftet somit nur mit den nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen; eine Übernahme der Aktie durch die Gesellschaft sowie eine Schadensersatzzahlung, die den Betrag des Agios übersteigt, sind ausgeschlossen. Da das Konzept des Drittvergleichs bei Rechtsgeschäften, die nur mit einem Aktionär abgeschlossen werden können, nicht anwendbar ist, lässt sich auch mit diesem Argument keine Erweiterung des Haftungsrahmens begründen. Zu untersuchen ist noch, ob und inwieweit die Gesellschaft den Tatbestand, an den die Haftung anknüpft, erweitern kann, beispielsweise durch eine verschuldensunabhängige Haftung oder Aussagen über die Zukunft der Gesellschaft.

§ 13 Vertragliche Regelung der Haftung Nachdem sich gezeigt hat, dass die Gesellschaft grundsätzlich mit einem Anleger eine vertragliche Regelung über die Rechtsfolgen einer fehlerhaften Information im Vorfeld der Beteiligung treffen kann, stellt sich die Frage, in welchem Rahmen das möglich ist. Zu untersuchen ist dabei neben der Möglichkeit, die gesetzliche Haftung durch einen Vertrag zu modifizieren, und der entsprechenden Kompetenzen innerhalb der Gesellschaft (A.) insbesondere der inhaltliche Rahmen der vertraglichen Regelungen (B.). Modell können hier die in Unternehmenskaufverträgen üblichen Gewährleistungen stehen. Im Anschluss daran stellt sich die Frage, ob das Registergericht im Zuge der Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister berechtigt ist, die Vorlage des Vertrages zu fordern (C.).

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4. Teil: Möglichkeit von vertraglichen Haftungsabreden

A. Möglichkeit der Erweiterung der Haftung über den gesetzlichen Rahmen hinaus I. Vertragsfreiheit: Gesetzliche Haftung grundsätzlich abdingbar Das Zivilrecht geht, insbesondere im Bereich des Schuldrechts, von der Vertragsfreiheit als Ausprägung der Privatautonomie aus.122 Die Vertragsfreiheit wird teilweise durch inhaltliche Schranken wie § 138 BGB oder § 134 BGG begrenzt. Teilweise gilt auch ein System bestimmter Typen wie im Sachenrecht, in dem Verträge nur zulässig sind, soweit das Gesetz sie zulässt. Im Gesellschaftsrecht besteht grundsätzlich ebenfalls Vertragsfreiheit, ein Typenzwang wird überwiegend abgelehnt. Der Gesetzgeber habe es in der Hand, Abweichungen der Gesellschaftsverträge von der Normalverfassung zu verbieten. „Wo es an solchen Verboten fehlt, ist Vertragsfreiheit die Regel, und jede Beschränkung muß als Bestandteil des geltenden Rechts überzeugend begründet werden.“123 Im vorliegenden Fall wird allerdings nicht der Typus der Gesellschaft verändert, sondern durch die vertragliche Haftungsabrede wird nur die gesetz­ liche Haftung verändert. Dies ist in jedem Fall von der Vertragsfreiheit umfasst: Die gesetzliche Haftung kann ausgeschlossen werden, der Tatbestand, bei dem sie eingreift kann verändert werden, und die Rechtsfolgen können modifiziert werden. Die gesetzliche Haftung, sei es aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis oder aus Delikt, ist nicht zwingend und damit unabdingbar. Lediglich eine gesetzliche Haftung für Vorsatz kann nicht im Voraus erlassen werden, § 276 Abs. 3 BGB. Die übrigen gesetzlichen Vorschriften des Schuldrechts können durch abweichende Vereinbarungen der Parteien außer Kraft gesetzt werden; sie kommen nur subsidiär zur Anwendung, wenn keine abweichende vertragliche Regelung vereinbart wurde.124 Dementsprechend kann die gesetzliche Haftung (in den oben festgestellten Grenzen, die insbesondere der Gläubigerschutz vorgibt), verändert oder ausgeschlossen werden. II. Kompetenzen innerhalb der Gesellschaft Dem Vorstand kommt die Kompetenz zu, die Gesellschaft durch eine derartige Haftungsabrede zu verpflichten. Er leitet die Aktiengesellschaft 122  Die Vertragsfreiheit bezeichnet „die von der Rechtsordnung anerkannte und in bestimmten Grenzen gewährleistete Möglichkeit es einzelnen, seine Rechtsbeziehungen zu einem frei von ihm gewählten Partner einvernehmlich mit diesem und für beide verbindlich zu regeln“ (Larenz, Schuldrecht I, § 4 (S. 40 f.)). 123  K. Schmidt, GesR § 5 III 3 (S. 120). 124  Larenz / Wolf, Allg. Teil des BGB9, § 34 Rn. 48.



§ 13 Vertragliche Regelung der Haftung293

unter eigener Verantwortung (§ 76 Abs. 1 AktG), ihm kommt dabei ein unternehmerischer Ermessensspielraum zu und er ist nicht an Weisungen der Kapitalgeber gebunden. Die Vertretungsmacht umfasst jedes nach außen wirkende rechtsgeschäftliche und rechtsgeschäftsähnliche Handeln des Vorstands im Namen der Gesellschaft, sie ist unbeschränkt und unbeschränkbar.125 Ein Fall der Kollusion, also das bewusste Zusammenwirken des Vorstands und eines Vertragspartners zum Nachteil der Gesellschaft, würde die Vertretungsmacht entfallen lassen. Ein solcher ist jedoch im Abschluss einer vertraglichen Haftungsabrede nicht zu sehen, da die Gesellschaft mit dem zu erwartenden höheren Ausgabebetrag der Aktien ein berechtigtes Interesse an dieser Abrede hat und deshalb kein Handeln zum Nachteil der Gesellschaft vorliegt. Allerdings bedeutet eine erweiterte Übernahme einer Haftung für Angaben gegenüber einem Investor auch ein erhöhtes Risiko für die Altaktionäre. Mittelbar haften sie möglicherweise für Angaben, für die die Gesellschaft verschuldensunabhängig oder für einen längeren Zeitraum als nach dem Gesetz oder in pauschalierter Weise einstehen muss. Fraglich ist, ob diese Erweiterung des Risikos auch von den Altaktionären hingenommen werden muss. Dafür spricht, dass jede Vertretung durch den Vorstand das Risiko birgt, dass wirtschaftliche Belastungen auf die Gesellschaft zukommen. Dies ist vom unternehmerischen Ermessenspielraum des Vorstands umfasst. Die Aktionäre können den Vorstand insoweit nicht einschränken. Aus diesem Grund müssen die Aktionäre grundsätzlich auch (mittelbar) für eine zulässige Vereinbarung einstehen, durch die die Haftung gegenüber einem Investor vertraglich erweitert wird. Es zeigt sich also, dass der Vorstand die Gesellschaft in allen Situationen nach außen vertritt und seine Kompetenzen dabei nicht beschränkt oder beschränkbar sind. Von seiner Kompetenz ist auch der Abschluss einer vertraglichen Haftungsabrede erfasst. In Betracht kommt allerdings, dass für einen Vertrag über die Haftung gegenüber einem Investor ein Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats besteht. Seit dem TransPuG sind derartige Zustimmungsvorbehalte nicht mehr fakultativ, sondern zwingend, damit der Aufsichtsrat bei wesentlichen Entscheidungen an der Willensbildung beteiligt und seine präventive Überwachung erleichtert wird.126 Gem. § 111 Abs. 4 S. 2 AktG haben die Satzung oder der Aufsichtsrat zu bestimmen, dass bestimmte Arten von Geschäften nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden dürfen. Gem. 3.3 DCGK 125  Ausnahmen ergeben sich in der mitbestimmten Gesellschaft, bei Missbrauch der Vertretungsmacht und wenn dem Vorstand kraft Gesetzes die Vertretungsmacht nicht oder nicht allein zusteht. 126  Habersack, in: MünchKomm AktG § 111 Rn. 100 f., Drygala, in: K. Schmidt /  Lutter, § 111 AktG Rn. 38, Spindler, in: Spindler / Stilz, § 111 AktG Rn. 67.

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4. Teil: Möglichkeit von vertraglichen Haftungsabreden

werden Zustimmungsvorbehalte zugunsten des Aufsichtsrats für Geschäfte von grundlegender Bedeutung festgelegt. Dazu gehören Entscheidungen oder Maßnahmen, die die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage des Unternehmens grundlegend verändern. Dabei muss der Begriff der grundlegenden Geschäfte unternehmensbezogen konkretisiert werden.127 Dies bedeutet, dass die Geschäfte nach allgemeinen Merkmalen bestimmt sein müssen; eine Generalklausel, nach der alle wichtigen Geschäfte der Zustimmung bedürfen, reicht nicht aus.128 Zum einen wird regelmäßig die Satzung einen Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte festlegen. (Ist das nicht der Fall, muss der Aufsichtsrat selbst einen Katalog bestimmen.) Zusätzlich hat der Aufsichtsrat die Möglichkeit, durch gesonderten Beschluss Zustimmungsvorbehalte zu bestimmen.129 Für Investorenvereinbarungen, also für Verträge zwischen Gesellschaft und Investor im Zusammenhang mit der Beteiligung des Investors130, wird ebenfalls angenommen, dass deren Abschluss ein Geschäft von grundlegender Bedeutung sei.131 Ob im konkreten Einzelfall ein Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats besteht, ist zunächst anhand des in der Satzung oder durch den Aufsichtsrat festgelegten Katalogs der zustimmungspflichtigen Geschäfte zu beurteilen. Fällt der Abschluss einer Haftungsvereinbarung nicht darunter, kann der Aufsichtsrat die Zustimmungspflicht durch einen Ad-hoc-Beschluss herbeiführen. Ob dies geschieht, wird von der Bedeutung des Vertrages für die Gesellschaft abhängen, die sich anhand der Beteiligungsgröße und der Abweichung der Haftung von der gesetzlichen Haftung beurteilt.

B. Inhaltlicher Rahmen für vertragliche Abreden Der inhaltliche Rahmen der vertraglichen Abreden soll anhand der Regelungen bestimmt werden, die in einem Unternehmenskauf üblicherweise getroffen werden. Eine solche vertragliche Haftungsabrede muss vor der Zeichnung der Aktien geschlossen werden, um den Verdacht zu vermeiden, dass es sich um eine einseitige Zuwendung der Aktiengesellschaft an den Investor handelt. Insbesondere, wenn die Durchführung der Kapitalerhöhung schon eingetragen und der Investor Aktionär geworden ist, drängt sich bei einer Erweiterung der gesetzlichen Haftung ein Verstoß gegen § 57 AktG 127  Hüffer,

§ 111 AktG Rn. 17, Habersack, in: MünchKomm AktG § 111 Rn. 107. in: K. Schmidt / Lutter, § 111 AktG Rn. 45, Habersack, in: MünchKomm AktG § 111 Rn. 106, Spindler, in: Spindler / Stilz, § 111 AktG Rn. 69. 129  Drygala, in: K. Schmidt / Lutter, § 111 AktG Rn. 40 f., Habersack, in: MünchKomm AktG § 111 Rn. 115. 130  Kiem, AG 2009, 301. 131  Kiem, AG 2009, 301 (307). 128  Drygala,



§ 13 Vertragliche Regelung der Haftung295

auf. Der Vertrag bedarf keiner besonderen Form, sollte aber – um Beweisprobleme zu vermeiden – jedenfalls schriftlich geschlossen werden. I. Parteien der vertraglichen Haftungsabrede Grundsätzlich zielt die vertragliche Haftungsabrede darauf ab, dem Investor mit der Gesellschaft einen solventen Schuldner für den Ersatzanspruch zur Verfügung zu stellen. Regelmäßig wird also eine Haftung der Gesellschaft vereinbart werden. Es ist auch denkbar, dass neben oder anstelle der Gesellschaft sich der Vorstand oder die Altaktionäre zur Haftung verpflichten. Dies ist jedoch nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Begünstigter aus der Haftung ist der Investor und spätere Aktionär. Diesem steht es grundsätzlich frei, seine Ansprüche an einen späteren Erwerber der Aktien abzutreten. Um dieser Gefahr zu begegnen und die Haftung für die Gesellschaft zu begrenzen, kommt es allerdings in Frage, ein Abtretungsverbot zu vereinbaren. II. Tatbestand der Haftung 1. Möglicher Inhalt der Informationen

Bei einem Unternehmenskauf richten sich die Garantien und Gewährleistungen auf den Zustand des Unternehmens (Verschuldung, Vermögensgegenstände, Grundbesitz, gewerbliche Schutzrechte u. ä., wesentliche Verträge, Arbeitnehmer, Versicherungen, Produkte, Rechtsstreitigkeiten, Umweltfragen usw.)132 sowie auf die rechtlichen Verhältnisse der Gesellschaft und der zu übertragenden Anteile. Darüber hinaus werden Angaben zu Steuern und Jahresabschlüssen gemacht. Dabei wird teilweise in Form einer Bestandsgarantie das Bestehen eines bestimmten rechtlichen oder tatsächlichen Umstands garantiert, beispielsweise, dass die Beteiligung an einer Tochtergesellschaft rechtlich besteht. Alternativ kann mit einer Erfolgsgarantie auch das Eintreten eines bestimmten zukünftigen, noch ungewissen Umstands oder eines wirtschaftlichen Erfolgs zugesagt werden. Der Inhalt einer Wissensgarantie wird nur nach bestem Wissen übernommen, wobei der Nachweis des Wissens bzw. des Nicht-Wissens dem Käufer oder dem Verkäufer auferlegt werden kann. Weitgehend kommen vergleichbare Zusagen auch bei der Beteiligung an einer Aktiengesellschaft im Wege der Kapitalerhöhung in Betracht. Da es sich um eine vertragliche Haftung handelt, in der die Parteien fast vollkom132  Vgl.

auch Holzapfel / Pöllath, Unternehmenskauf, Rn. 843 ff.

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4. Teil: Möglichkeit von vertraglichen Haftungsabreden

men frei sind, kommt es – anders als bei der gesetzlichen Haftung bei einem Unternehmenskauf – nicht darauf an, ob es sich um Angaben handelt, die die Beschaffenheit des Unternehmens darstellen können. 2. Anknüpfungspunkt Verschulden?

Aktien können von der Gesellschaft erworben werden, was zum Eingreifen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung oder einer anderen, gesetzlichen Haftung führen kann, oder von einem Dritten, wobei sich Fragen der Haftung vor allem stellen, wenn es sich um einen Unternehmenskauf handelt. Obwohl diese verschiedenen Erwerbsmöglichkeiten in vielen Punkten vergleichbar sind, stellt sich die Rechtslage sehr unterschiedlich dar, wenn man die Frage betrachtet, ob nur verschuldensabhängig oder verschuldensunabhängig gehaftet wird: Die gesetzlichen Anspruchsgrundlagen für die Haftung kapitalmarktinaktiver Gesellschaften setzen immer ein Verschulden der Gesellschaft voraus: Sowohl der Anspruch aus der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung als auch der Anspruch aus c.i.c. (§§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB) knüpfen an die Unrichtigkeit der Information an. Diese ist zu vertreten, wenn der Vorstand, der die Aktiengesellschaft vertrat, die Fehlerhaftigkeit kannte oder kennen musste. Letzteres ist anhand der Grundsätze der Wissenszurechnung festzustellen. Aus der spezialgesetzlichen Prospekthaftung haftet sogar nur derjenige, der die Unrichtigkeit kannte oder grob fahrlässig nicht kannte (wohingegen Unkenntnis bei einfacher Fahrlässigkeit nicht schadet), § 45 Abs. 1 BörsG. Dagegen haftet im Falle eines Unternehmenskaufs nach den gesetzlichen Regeln der Verkäufer regelmäßig unabhängig von seinem Verschulden für jede Abweichung von der geschuldeten Beschaffenheit, außer auf Schadensersatz. Liegt jedoch kein Unternehmenskauf, sondern nur ein Anteilskauf vor133, sieht das Gesetz gar keine Haftung für die Beschaffenheit des Unternehmens vor. In Verträgen über den Kauf eines Unternehmens oder von Anteilen werden regelmäßig ausführliche Regelungen über die Haftung und Gewährleistung des Verkäufers getroffen. Diese sehen in der Regel entweder eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung oder eine Verschuldenshaftung vor, die vom Wissen (oder Wissen-Müssen) bestimmter Personen in der Gesellschaft abhängt. Letzteres entspricht der Situation bei der gesetzlichen Haftung. Erwirbt ein Investor nun Aktien direkt von der Gesellschaft im Rahmen einer Kapitalerhöhung und wird dabei eine vertragliche Haftungsabrede abgeschlossen, stellt sich die Frage, ob in dieser eine verschuldensunabhängige Haftung der Gesellschaft für die Informationen über das Unternehmen vereinbart werden kann. Dies würde einer typischen vertraglichen Regelung 133  Zur

Unterscheidung siehe Weidenkaff, in: Palandt, § 453 BGB Rn. 7, 23.



§ 13 Vertragliche Regelung der Haftung297

bei einem Unternehmenskauf entsprechen und eine Verschärfung der gesetzlichen Haftung darstellen. Auf diese Weise würde die Gesellschaft eine größere Flexibilität beim Abschluss einer vertraglichen Haftungsabrede erhalten und einen höheren Ausgabebetrag erzielen können. Umgekehrt kann sich der Investor aufgrund dieser Abrede darauf verlassen, dass das Unternehmen, an dem er sich beteiligt, entweder den Angaben der Gesellschaft entspricht oder dass er andernfalls einen finanziellen Ausgleich erhält. a) Haftungsverschärfung als Folge freiwilliger Übernahme Um überprüfen zu können, ob die Vereinbarung einer verschuldensunabhängigen Haftung zu Lasten der Gesellschaft mit aktienrechtlichen Grundsätzen kollidieren könnte, gilt es zunächst zu untersuchen, welche gesetz­ liche Wertung dem Verschuldensprinzip einerseits und Haftungsverschärfungen andererseits zugrunde liegt. Verschulden wird als „das objektiv pflichtwidrige und subjektiv vorwerfbare Verhalten eines Zurechnungsfähigen“ definiert.134 Während die objektive Pflichtwidrigkeit und die Zurechnungsfähigkeit vorausgesetzt werden, ist die subjektive Vorwerfbarkeit des Verhaltens charakteristisch für die Verschuldensprüfung. Diese subjektive Vorwerfbarkeit hat zur Folge, dass ein bestimmtes Verhalten zugerechnet werden kann und der Schuldner für dieses verantwortlich ist.135 Von dieser Verantwortlichkeit sind aber sowohl die Pflichtwidrigkeit als auch die Rechtswidrigkeit zu trennen. Normalerweise hat ein Schuldner gem. § 276 Abs. 1 BGB Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Anderes gilt jedoch, wenn eine strengere oder mildere Haftung bestimmt oder aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses zu entnehmen ist. Eine strengere oder mildere Haftung können dabei vor allem ein Vertretenmüssen ohne Verschulden oder ein Vertretenmüssen nur bei qualifizierter Fahrlässigkeit sein.136 Haftungsverschärfungen können innerhalb von Schuldverhältnissen auf gesetzlichen Regelungen beruhen. Solche verschuldensunabhängigen Einstandspflichten finden sich beispielsweise im Falle des Verzugs (§ 287 S. 2 BGB), bei anfänglichen Mängeln der Mietsache (§ 536a Abs. 1 Alt. 1 BGB), im Überweisungsverkehr im Rahmen des § 675y BGB gem. § 675z S. 2 Hs. 2 BGB und bei der Erklärungshaftung (§§ 122, 179 BGB). Diese Haftungsverschärfungen können in verschiedene Gruppen eingeteilt werden: Teilweise stellen sie Fälle einer Veranlassungshaftung oder einer Haftung für eine Risikoerhöhung dar, so z. B. § 122 134  Grüneberg,

in: Palandt, § 276 BGB Rn. 5. in: Bamberger / Roth, § 276 BGB Rn. 8. 136  Grundmann, in: MünchKomm BGB § 276 Rn. 2. 135  Unberath,

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4. Teil: Möglichkeit von vertraglichen Haftungsabreden

BGB137 und § 287 S. 2 BGB138. In diesen Fällen wird die subjektive Vorwerfbarkeit bereits in der Herbeiführung der Situation gesehen, weshalb auf eine Vorwerfbarkeit der konkreten Schadensherbeiführung verzichtet werden kann. Dagegen stellen § 179 BGB139, § 536a Abs. 1 Alt. 1 BGB und § 676b BGB Fälle einer stillschweigenden oder vermuteten Garantieübernahme dar.140 Diese sind mit den verschuldensunabhängigen Einstandspflichten vergleichbar, die sich durch die Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, also durch einen Vertrag, ergeben. Die Haftungsverschärfung knüpft hier daran an, dass die Vertragspartei selbst ihre Einstandspflicht erhöht hat. Derartige Haftungsverschärfungen sind in Individualverträgen bis zur Grenze des § 138 BGB wirksam. Außerhalb von vertraglichen Schuldverhältnissen beruhen Haftungsverschärfungen regelmäßig auf dem Gedanken der Gefährdungshaftung. Die Haftungsverschärfung knüpft hier daran an, dass der Haftende ein Risiko geschaffen oder erhöht hat und nun für dieses Risiko in gesteigertem Maße verantwortlich ist. Es zeigt sich also, dass manche gesetzliche Haftungsverschärfungen im Zivilrecht sowie die Fälle der Gefährdungshaftung im Grundsatz darauf beruhen, dass eine gefährliche Situation geschaffen wurde, aus der eine Verantwortlichkeit für sämtliche Schäden resultiert. Andere gesetzliche Haftungsverschärfungen im Zivilrecht sowie vertragliche Haftungsverschärfungen beruhen auf einer tatsächlichen oder angenommenen Garantieübernahme. Einen Investor zu informieren kann nicht allgemein als „gefährliche Situation“ angesehen werden, aus der heraus für sämtliche Schäden gehaftet werden muss. Grundsätzlich geht das Gesetz davon aus, dass es keine allgemeine Haftung für Auskünfte gibt, § 675 Abs. 2 BGB. Man kann deshalb nicht annehmen, dass Fälle, in denen ausnahmsweise für Information gehaftet wird, eine umfassende Haftung herbeiführen. Richtigerweise beruht somit eine mögliche verschuldensunabhängige Haftung nicht auf der Herbeiführung einer gefährlichen Situation, sondern allein auf einer freiwilligen Übernahme.

137  Veranlassungshaftung: Wendtland, in: Bamberger  /  Roth, § 122 BGB Rn. 1, Ellenberger, in: Palandt, § 122 BGB Rn. 1. 138  Unberath, in: Bamberger  / Roth, § 287 BGB Rn. 1, Ernst, in: MünchKomm BGB § 287 Rn. 1. 139  Ellenberger, in: Palandt, § 179 BGB Rn. 1. 140  Zu § 536a BGB: Ehlert, in: Bamberger / Roth, § 536a BGB Rn. 8, Weidenkaff, in: Palandt, § 536a BGB Rn. 9.



§ 13 Vertragliche Regelung der Haftung299

b) Möglichkeit einer freiwilligen Übernahme einer verschuldensunabhängigen Haftung Fraglich ist also, ob die Gesellschaft die Möglichkeit hat, eine verschuldensunabhängige Haftung für den Zustand des Unternehmens zu übernehmen. Aspekte des Gläubigerschutzes können nicht gegen eine verschuldens­ unabhängige Haftung vorgebracht werden. Für die Gläubiger ist es nur relevant, in welchem Umfang die Gesellschaft haftet resp. welche Eigenkapitalbestandteile gegen einen Zugriff der Aktionäre geschützt sind. Die Frage, für welche Tatbestände innerhalb dieses Rahmens die Gesellschaft die Haftung übernimmt, berührt die Rechte der Gläubiger dagegen nicht. Im Übrigen steht es der Gesellschaft frei, in anderen Bereichen des Geschäftslebens verschuldensunabhängige Garantien, beispielsweise für ihre Produkte, zu übernehmen. Man kann deshalb nicht annehmen, dass eine verschuldensunabhängige Haftung die Gesellschaft und mittelbar die Altaktionäre übermäßig belastet. Dies gilt umso mehr, als die Gesellschaft für die Zusagen gegenüber einem Investor nur mit den nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen haftet, gegenüber jedem Dritten allerdings eine verschuldensunabhängige Haftung eingehen kann, die das gesamte Vermögen betrifft. aa) Kein Verstoß gegen Verbot der Übernahme für Rechnung der Gesellschaft, § 56 Abs. 3 AktG Eine verschuldensunabhängige Haftung könnte als verbotene Kursgarantie anzusehen sein und aus diesem Grund gegen § 56 Abs. 3 AktG verstoßen. Oben hat sich gezeigt, dass sich das Verbot von Kursgarantien bei einer vertraglichen Haftung aus § 56 Abs. 3 AktG ergibt, wenn die Aktien originär von der Gesellschaft erworben werden, und bei einem derivativen Erwerb unter § 57 Abs. 1 AktG fallen würde (siehe § 6 B.II). Da die Übernahme einer vertraglichen Haftung der Gesellschaft im Falle eines derivativen Erwerbs wegen der damit einhergehenden Kapitalerhaltungsproblematik nicht sehr praxisrelevant sein dürfte, kommt in den meisten Fällen nur eine Unzulässigkeit in Betracht, die sich aus § 56 Abs. 3 AktG ergibt. Eine Abrede fällt unter dieses Verbot der Übernahme der Aktien für Rechnung der Gesellschaft, wenn sie finanzielle Folgen hat, die einer Übernahme der Aktien durch die Gesellschaft selbst entsprechen. Fraglich ist, ob es der Zweck des Verbots der Zeichnung und des Erwerbs eigener Aktien ist, der Gesellschaft das Risiko anfänglicher, unentdeckter Fehlbewertungen abzunehmen. Dagegen spricht, dass die anfängliche, unerkannte Fehlbewertung kein typisches Risiko darstellt, vor dem das Verbot der Übernahme

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4. Teil: Möglichkeit von vertraglichen Haftungsabreden

eigener Aktien schützen soll: Das Verbot der Übernahme für Rechnung der Gesellschaft schützt das Verbot der Zeichnung eigener Aktien gegen Umgehung.141 Im Wesentlichen drohen der Gesellschaft aus der Übernahme von Aktien auf ihre Rechnung Aufwendungsersatzansprüche, die den Risiken aus der Zeichnung eigener Aktien zugeordnet werden können. Ein Aufwendungsersatzanspruch könnte sich aus den Mitteln ergeben, die der Übernehmer zum Erwerb der Aktien aufgewendet hat. Vor diesem Aufwendungsersatzanspruch muss die Gesellschaft geschützt werden, um die reale Kapitalaufbringung nicht zu gefährden. Wirtschaftlich liegt hier der Schwerpunkt. Ein weiteres Risiko liegt in Verlusten der Gesellschaft, wenn der Wert der eigenen Aktien sich verändert. Dieses Risiko entspricht dem Zweck der Vermeidung von Doppelschäden, wenn die Gesellschaft eigene Aktien hält. Im Vergleich zum Risiko für die Kapitalaufbringung ist dieses Risiko wirtschaftlich deutlich weniger bedeutend. In diesem Bereich ist es schwer zu bestimmen, aus welchen Wertänderungen ein hier relevantes Risiko von Doppelschäden erwächst. Um die Praxis der Haftungsabreden nicht unnötig einzuschränken, sollte man an dieser Stelle nur solche Risiken erfassen, die typisch sind. Das ist vor allem das Risiko aus der späteren Kursveränderung aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft. Alle Risiken anfänglicher Fehlbewertung, sei es schuldhaft oder schuldlos, sollten nicht erfasst werden, da diese durch die Gesellschaft deutlich besser kontrollierund einschätzbar sind. Dafür spricht auch das allgemeine Verkehrsinteresse: Diese Haftung belastet allein die Wertpositionen der Altaktionäre, nicht aber das im Interesse der Gläubiger gebundene Eigenkapital. Die Interessen der Altaktionäre werden dagegen durch den aufgrund der verschuldensunabhängigen Haftung erhöhten Ausgabebetrag hinreichend geschützt. Dementsprechend ist anzunehmen, dass § 56 Abs. 3 AktG einer verschuldensunabhängigen Haftung nicht entgegensteht. bb) Kein unzulässiger Regimewechsel Man könnte auch annehmen, dass es sich beim Übergang von einer Haftung für Verschulden zu einer umfassenden Garantie um einen Regimewechsel handelt, und die Frage aufwerfen, ob ein solcher mit dem Charakter einer Aktienbeteiligung als Risikobeteiligung vereinbar ist. Möglicherweise ist im Aktiengesetz eine gewisse Unsicherheit bei der Beteiligung an einer Aktiengesellschaft bewusst angelegt. Typischerweise liegt jedoch das Risiko einer Aktienbeteiligung weniger in verdeckten Mängeln im Zeitpunkt der Beteiligung, sondern mehr in der Veränderung des Wertes der Aktie durch die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens. Dementsprechend 141  Siehe

oben § 6 B.I.



§ 13 Vertragliche Regelung der Haftung301

wird der Charakter der Aktienbeteiligung als solcher durch die verschuldens­ unabhängige Haftung nicht wesentlich modifiziert. Im Ergebnis kann die Gesellschaft gegenüber einem Investor verschuldensunabhängige Garantien hinsichtlich des aktuellen Zustands abgeben. Diese erhöhte Sicherheit des Investors muss sich im Ausbleiben jeglicher Risikoabschläge widerspiegeln, weshalb der Ausgabebetrag nicht unter dem anteiligen Unternehmenswert, der sich unter Zugrundelegung der Informa­ tionen ergibt, liegen darf. 3. Geltungsdauer der Richtigkeitszusage: Keine Aussagen über künftige Entwicklung

Oben hat sich gezeigt, dass die vertragliche Haftung, die die Gesellschaft gegenüber einem Aktionär übernehmen darf, nur an den aktuellen Zustand des Unternehmens anknüpfen darf und keine Zusagen hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung enthalten kann (siehe oben § 5 E. und § 12 D.I.4). Fraglich ist jedoch, was unter dem aktuellen Zustand der Gesellschaft genau zu verstehen ist. Grundsätzlich kann der Beteiligungsprozess in folgende Phasen unterteilt werden: bis zur Zeichnung und zum Vertragsabschluss, bis zur Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung im Handelsregister und ab der Eintragung der Durchführung und der damit einhergehenden Entstehung der Aktien. Dies entspricht weitgehend den beim Unternehmenskauf üblichen Phasen bis zum Signing, bis zum Closing und ab dem Closing. Bei einem Unternehmenskauf besteht die Möglichkeit zu definieren, auf welchen Zeitpunkt sich die Zusagen des Verkäufers beziehen. Dies kann eben das Signing sein, oder das Closing, oder spätere Zeitpunkte. Fraglich ist, ob eine vergleichbare Abrede auch bei der vertraglichen Haftung der Gesellschaft mit dem Aktionär, der die Aktien zeichnet, getroffen werden kann. Unproblematisch ist unter diesem Gesichtspunkt eine Zusage, die sich nur auf den Zustand der Gesellschaft bis zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und der darauf folgenden Zeichnung bezieht. Dagegen handelt es sich eindeutig um eine (unzulässige) Zusage über die künftige Entwicklung, wenn die Gesellschaft Aussagen über den Zustand der Gesellschaft nach Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung im Handelsregister trifft. Eine solche Zusage kann auch nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass der Investor bereit sein wird, einen höheren Betrag zu bezahlen, wenn er eine größere Sicherheit hat. Der Gesellschaft steht diese Erwerbsmöglichkeit nicht zu, ebenso wenig wie die Erwerbsmöglichkeit aus einer direkten Kursgarantie. Offen ist somit noch die Frage, ob die Gesellschaft zumindest Zusagen treffen kann, die den Zustand des Unternehmens bis zur Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung ins Handelsregister beschreiben. Aus der

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4. Teil: Möglichkeit von vertraglichen Haftungsabreden

Sicht des Vertragsschlusses handelt es sich dabei um eine auf die Zukunft gerichtete Zusage. Oben hat sich aber bereits gezeigt, dass unter den Begriff der Kursgarantie, der im Verbot der Übernahme der Aktien für Rechnung der Gesellschaft (§ 56 Abs. 3 AktG) verortet wird, nur solche Risiken zu fassen sind, die typischerweise bei einer Zeichnung (oder einem Erwerb) eigener Aktien entstehen. Darunter fallen Risiken aus einer Zeit, in der die Aktie noch nicht bestand, nicht. Wenn die Aktie noch gar nicht erworben war, kann außerdem von einem Erwerb für Rechnung der Gesellschaft nicht die Rede sein. Dementsprechend kann die Gesellschaft eine Haftung für die Richtigkeit der Informationen auch bis zum Zeitpunkt der Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister übernehmen. III. Verhältnis zu einer due diligence Bei einem Unternehmenskauf führt die Durchführung einer due diligence durch den Käufer dazu, dass dieser Ansprüche gegen den Verkäufer nicht mehr auf Aspekte des Unternehmens stützen kann, welche aus den Unterlagen ersichtlich waren, die in der due diligence angesehen werden konnten. Dies ergibt sich aus § 442 Abs. 1 BGB, wonach dem Käufer keine Gewährleistungsansprüche wegen Mängeln der Kaufsache zustehen, die ihm bei Abschluss des Kaufvertrages bekannt waren. Gleiches gilt bei grob fahrlässiger Unkenntnis von den Mängeln, außer der Verkäufer hat den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Beschaffenheitsgarantie übernommen. Bei Unternehmenskäufen kann es sein, dass der Verkäufer auch Angaben zu Umständen macht, die keine Beschaffenheit des Unternehmens darstellen können. Für diese haftet er aus c.i.c. (§§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB). Im Unternehmenskaufvertrag kann außerdem vorgesehen werden, dass alle Umstände, die ihm im Datenraum zugänglich gemacht worden sind, als dem Käufer bekannt gelten.142 Werden die Aktien originär von einer Aktiengesellschaft gezeichnet, ist § 442 Abs. 1 BGB nicht anwendbar, da kein Kaufvertrag vorliegt. Dennoch schadet die Kenntnis bestimmter negativer Eigenschaften des Unternehmens auch bei originärem Erwerb der Aktien der Geltendmachung von Haftungsansprüchen. Unabhängig von einer entsprechenden Anwendung des § 442 BGB ergibt sich das aus § 242 BGB sowie aus dem Grundsatz des venire contra factum proprium: Kennt der Zeichner einen bestimmten Umstand des Unternehmens, kann er nicht nach Aktienerwerb daran Haftungsansprüche knüpfen. Fraglich ist jedoch, was bei grob fahrlässiger Unkenntnis zu gelten hat. In Betracht kommt eine entsprechende Anwendung des § 442 Abs. 1 142  Semler, in: Hölters, Handbuch des Unternehmens- und Beteiligungskaufs, Teil VII Rn. 60 bezeichnet dies jedoch als problematisch.



§ 13 Vertragliche Regelung der Haftung303

S. 2 BGB. Eine solche wird jedoch in der Literatur nicht untersucht. Insbesondere im Hinblick auf die Beschränkung der Mängelgewährleistung bei grob fahrlässiger Unkenntnis des Käufers von dem Mangel handelt es sich auch nicht um einen verallgemeinerungsfähigen Rechtsgedanken: Bei anderen Vertragsarten mag eine geringere Obliegenheit einer Partei bestehen, den Vertragsgegenstand zu prüfen, so dass auch die grob fahrlässige Unkenntnis nicht schadet. Ein Ausschluss der Haftung bei grob fahrlässiger Unkenntnis von einem Mangel ist somit nicht eindeutig aus der entsprechenden Anwendung des § 442 Abs. 1 S. 2 BGB abzuleiten. In Fällen, in denen einem potentiellen Investor eine due diligence gestattet wird, ist es jedoch regelmäßig möglich, eine entsprechende Regelung in einen Vertrag aufzunehmen. Insbesondere kann – wie in einem Unternehmenskaufvertrag – vereinbart werden, dass alle Umstände, die im Datenraum offengelegt wurden, als bekannt gelten, und an sie keine Haftungsansprüche geknüpft werden können. IV. Haftungsumfang Eine vertragliche Abrede zwischen Investor und Gesellschaft kann nicht nur den Tatbestand, an den die Haftung anknüpft, beeinflussen, sondern auch den Umfang der Haftung modifizieren. 1. Haftungsbegrenzungen nicht durch Gedanken des § 444 BGB ausgeschlossen

Zur vertraglichen Haftung wurde teilweise vertreten, dass Garantien für die Beschaffenheit einer Sache nicht mehr beschränkbar seien, dass also die Rechtsfolgen einer Beschaffenheitsgarantie nicht abschließend geregelt werden könnten. Ausscheiden sollten aus diesem Grund unter anderem allgemeine Haftungshöchstsummen, die sich auch auf die von der Garantie umfassten Tatsachen beziehen.143 Diese Argumentation stützt sich auf § 444 BGB, der besagt, dass sich der Verkäufer nicht auf eine Vereinbarung berufen können soll, durch die die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, wenn er eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat. Dabei ist schon problematisch, ob dieser kaufrechtliche Grundsatz auf Beteiligungsverträge überhaupt anzuwenden ist.144 Dagegen spricht, dass die Aktien direkt in der Person des Inferenten entstehen und der Beitritt 143  Maidl / Kreifels,

NZG 2003, 1091 (1094). NZG 2002, 256 (262 f.), Maidl / Kreifels, NZG 2003,

144  Seibt / Raschke / Reiche,

1091 (1094).

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4. Teil: Möglichkeit von vertraglichen Haftungsabreden

einen allein gesellschaftsrechtlichen Vorgang darstellt, der nicht mit einem Kauf zu vergleichen ist.145 Eine Anwendung des § 444 BGB auf Beteiligungsverträge ist nicht möglich, weshalb Garantien ihrerseits wieder beschränkt werden können. Darüber hinaus ist fraglich, ob diese Norm wirklich so zu verstehen ist, dass eine verschuldensunabhängige Garantie nicht in ihrem Umfang beschränkt werden kann, beispielsweise durch eine Haftungshöchstsumme o. ä. Der bloße Wortlaut lässt eine solche Auslegung zu.146 Aus diesem Grund wird in der Literatur teilweise dazu geraten, in jeden Beteiligungsvertrag eine Klarstellung dahingehend, dass keine Beschaffenheitsgarantie im Sinne der §§ 443 f. BGB gegeben wird, aufzunehmen.147 Gegen dieses Verständnis wird jedoch angeführt, dass der Gesetzgeber dadurch, dass er in §§ 444 und 639 BGB das Wort „wenn“ durch „soweit“ ersetzt hat, klargestellt habe, dass Garantien nach Art und Höhe begrenzt werden können.148 „Sinn und Zweck des § 444 BGB in seiner zweiten Alternative ist es allein, (…) ein widersprüchliches Verhalten zu verhindern, welches dann anzunehmen ist, wenn eine zunächst übernommene Garantie nachträglich in überraschender oder intransparenter Weise ausgeschlossen oder beschränkt wird. Werden jedoch Umfang und Inhalt der Garantie von vornherein eingeschränkt, wird also gar kein Vertrauenstatbestand geschaffen, der später enttäuscht werden könnte, kann § 444 BGB nach Sinn und Zweck der Regelung der Wirksamkeit und Bestandskraft einer solchen Garantie nicht entgegenstehen.“149 Im Ergebnis verbietet also die Übernahme einer Garantie nicht eine aus dem Vertrag ersichtliche Begrenzung der Garantenhaftung. Anderes gilt lediglich dann, wenn die Beschränkung einen Verstoß gegen das Gebot widersprüchlichen Verhaltens darstellt, beispielsweise, weil sie inhaltlich unklar gefasst oder im Vertragswerk an unklarer Stelle versteckt ist.150 Es zeigt sich also, dass § 444 BGB einer Beschränkung einer Garantie nicht per se entgegensteht und darüber hinaus auf Garantien und Beschränkungen in Beteiligungsverträgen nicht übertragbar ist. § 444 BGB stellt also kein Problem dar im Hinblick auf die Beschränkung der Haftung.

145  Seibt / Raschke / Reiche,

NZG 2002, 256 (262). NZG 2002, 256 (257 f.). 147  Maidl / Kreifels, NZG 2003, 1091 (1094). 148  Grüneberg, in: Palandt, § 276 BGB Rn. 29. 149  Bundesjustizministerium, Stellungnahme aus dem Bundesministerium der Justiz zu § 444 BGB, ZGS 2003, 307 (309). 150  H. P. Westermann, in: MünchKomm BGB § 444 Rn. 14 f., Stellungnahme des Bundesjustizministeriums, ZGS 2003, 307. 146  Seibt / Raschke / Reiche,



§ 13 Vertragliche Regelung der Haftung305 2. Übertragbarkeit üblicher Regelungen aus Unternehmenskaufverträgen

In Unternehmenskaufverträgen ist es üblich, die Haftung auf verschiedene Weise zu begrenzen. Zum einen werden teilweise Freigrenzen vereinbart, damit um kleine Summen keine aufwendigen Verfahren geführt werden müssen. Eine Haftungsfreigrenze ohne Selbstbehalt besagt, dass die Geltendmachung einzelner oder aller Ansprüche erst möglich ist, wenn ein bestimmter Betrag überschritten ist. Bei einer Haftungsfreigrenze mit Selbstbehalt (auch als Freibetrag bezeichnet) kann dagegen für einzelne oder alle Ansprüche nur der Betrag geltend gemacht werden, der den bestimmten Betrag übersteigt. Alternativ oder zusätzlich kann auch eine Haftungshöchstgrenze („cap“) vereinbart werden, sei es als kumulativer cap für alle Ansprüche oder als spezifischer cap für Ansprüche aus einzelnen Bereichen (bestimmte Tatsachen oder Garantien). Die Gewährleistung für das Eigentum an den Anteilen wird regelmäßig nicht von dem cap erfasst. Im hier untersuchten Fall wird die Haftung zunächst durch die Schranken begrenzt, die sich aus dem Gläubigerschutz ergeben. Weitere Haftungsbeschränkungen können vertraglich vereinbart werden. Dabei ist nicht ersichtlich, dass aktienrechtliche Prinzipien einzelnen Gestaltungsvarianten entgegenstehen könnten. Dementsprechend kann die Gesellschaft mit dem Investor vereinbaren, dass für die Haftung ein Freibetrag oder eine Freigrenze gilt, oder dass die Haftung insgesamt oder in Bezug auf bestimmte Bereiche durch ein cap begrenzt ist. 3. Ersatzfähige Positionen

Fraglich ist darüber hinaus, worauf der Schadensersatz gerichtet ist. Im Ersten Teil hat sich für die Haftung nach allgemeinen Regeln ergeben, dass eine Rückabwicklung der Beteiligung durch Rückgabe der Aktien an die Gesellschaft Zug um Zug gegen Rückzahlung des Einlagebetrages ausgeschlossen ist.151 Diese Grenze kann auch durch eine vertragliche Regelung nicht überwunden werden. Außerdem kann nach der allgemein-zivilrecht­ lichen Prospekthaftung grundsätzlich nur das negative Interesse verlangt werden. Dieses umfasst die Erstattung der für den Erwerb gemachten Aufwendungen gegen Rückerstattung der Anlage.152 Zu ersetzen ist der Schaden, den der Anleger in seinem Vertrauen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Prospektangaben erlitten hat.153 Er ist so zu stellen, wie er stehen 151  Siehe

oben § 7. 123, 106 (110) – Hornblower Fischer. 153  Assmann, in: Assmann  / Schütze, Handbuch Kapitalanlagerecht, § 6 Rn. 192, Coing, WM 1980, 206 (219). 152  BGHZ

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4. Teil: Möglichkeit von vertraglichen Haftungsabreden

würde, wenn der Anspruchsgegner seinen Pflichten nachgekommen wäre. Das negative Interesse ist nicht nach oben auf das Erfüllungsinteresse begrenzt.154 Durch die allgemeine Regelung wird also das negative Interesse ersetzt, der Aktionär kann sich jedoch nicht von der Beteiligung lösen. Dieser Haftungsumfang kann durch einen Vertrag beschränkt werden, beispielsweise durch eine Haftungsbegrenzung o. ä. Auch eine Haftungspauschalierung, die sich sowohl als Erweiterung der Haftung als auch als Beschränkung auswirken kann und in erster Linie der Vermeidung von Beweisschwierigkeiten dient, kann vereinbart werden. Fraglich ist jedoch, ob auch eine vollkommen andere Art der Haftung, z. B. auf das positive Interesse, begründet werden kann. In der Literatur wird teilweise angenommen, dass der Anleger verlangen können soll, so gestellt zu werden, als sei die Information zutreffend, wenn die Richtigkeit der fehlerhaften Information Gegenstand eines ausdrücklichen oder stillschweigenden Garantieversprechens war.155 Will man dieser Ansicht zustimmen, muss man strenge Anforderungen an den Nachweis, dass es sich bei einer bestimmten Information tatsächlich um ein Garantieversprechen handeln soll, stellen. Ein stillschweigendes Garantieversprechen kann dabei nicht ausreichen. Im Übrigen ist die Frage nach der Zulässigkeit einer Haftung auf das positive Interesse anhand des Risikos einer derartigen Abrede zu beurteilen. Man kann nicht allgemein sagen, dass das negative oder das positive Interesse regelmäßig höher wäre. Außerdem sind auch vertragliche Abreden denkbar, die sowohl an das negative als auch an das positive Interesse anknüpfen. In der vorliegenden Konstellation ist das Risiko der Gesellschaft dadurch beschränkt, dass sie nur mit den nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen haften kann. Aus diesem Grund sollte ihr die Möglichkeit offenstehen, auch eine Haftung auf das Erfüllungsinteresse zu vereinbaren, wenn diese wirtschaftlich ausgewogen ist. Lediglich die in § 12 aufgezeigten Grenzen der Haftung können dadurch nicht überwunden werden.

C. Keine Prüfungskompetenz des Registergerichts bei Handelsregistereintragung Oben wurde dargelegt, in welchen Grenzen die Gesellschaft und der Investor eine vertragliche Haftungsabrede eingehen dürfen. Fraglich ist, ob ein Überschreiten dieser Grenzen dazu führen könnte, dass die Kapitalerhöhung nicht in das Handelsregister eingetragen werden könnte und deshalb 154  So für den Anspruch aus §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB: Emmerich, in: MünchKomm BGB § 311 Rn. 261, Grüneberg, in: Palandt, § 311 BGB Rn. 55, a. A. Löwisch, in: Staudinger (2005), § 311 BGB Rn. 141. 155  Assmann, in: FS Lange (1992), S. 345 (351).



§ 13 Vertragliche Regelung der Haftung307

nicht wirksam wäre. Aus diesem Grund soll geprüft werden, welche Möglichkeit das Handelsregister hat, derartige Abreden auf ihre Zulässigkeit zu prüfen. I. Voraussetzungen einer Pflicht zur Vorlage beim Handelsregister Für Investor Agreements, in denen die Verpflichtung zu einer freiwilligen Mehrleistung („schuldrechtliches Agio“, siehe hierzu unten § 14) bei einer pari-Kapitalerhöhung vereinbart war, wird – basierend auf einem Urteil des BayObLG156 – teilweise angenommen, dass diese Vereinbarungen dem Handelsregister vorgelegt werden müssen. Fraglich ist, ob eine vergleichbare Pflicht auch für einen Vertrag über die Haftung der Gesellschaft für Informationen über den Zustand des Unternehmens besteht. Grundsätzlich ist das Registergericht bei der Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses wie bei der Durchführung der Kapitalerhöhung befugt, die Kapitalerhöhung in formeller und in materieller Hinsicht umfassend zu prüfen.157 Lediglich diese allgemeine Prüfungspflicht kann bei einer BarKapitalerhöhung als Grundlage für eine Vorlagepflicht dienen. Das Gesetz sieht in § 188 Abs. 3 Nr. 2 AktG nur für Sachkapitalerhöhungen die Verpflichtung zur Vorlage von weitergehenden Verträgen vor. Bei der Barkapitalerhöhung gibt es hierzu keine Parallele. Auf die allgemeine Prüfungspflicht kann eine Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen durch das Registergericht nur gestützt werden, wenn sich aus den Unterlagen ergeben könnte, dass die Kapitalerhöhung oder ihre Anmeldung in formeller oder materieller Hinsicht gegen das Gesetz verstoßen.158 Ein Vertrag über die Haftung für Informationen hinsichtlich des Unternehmens muss dem Registergericht nur vorgelegt werden, wenn der Vertrag zur Folge haben könnte, dass der Vorgang der Kapitalerhöhung nicht den Vorschriften des Gesetzes und der Satzung gemäß abgelaufen ist. Ob eine Überschreitung des zulässigen Regelungsrahmens eine solche Vorlagepflicht auslösen kann, wird im Folgenden geprüft. Für die Vereinbarung einer schuldrechtlichen Zuzahlung, der die Funktion eines Agios zukommt, stellt sich die gleiche Frage, darauf ist an späterer Stelle zurückzukommen (siehe unten § 14 B.).

156  BayObLG,

NZG 2002, 583. in: KK AktG2 § 188 Rn. 42, Wiedemann, in: Großkomm AktG § 188 Rn. 67, Servatius, in: Spindler / Stilz, § 188 AktG Rn. 37, Peifer, in: MünchKomm AktG § 188 Rn. 46, § 184 Rn. 20, Veil, in: K. Schmidt / Lutter, § 188 AktG Rn. 34 f., Hüffer, § 188 AktG Rn. 20, Priester, in: FS Röhricht (2005), S. 467 (474). 158  So auch BayObLG, NZG 2002, 583. 157  Lutter,

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4. Teil: Möglichkeit von vertraglichen Haftungsabreden

II. Konsequenzen einer Überschreitung des zulässigen Regelungsrahmens Eine Überschreitung des zulässigen Rahmens kann darin liegen, dass die Gesellschaft auch mit den gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteilen haften soll. Sieht der Vertrag lediglich keine Begrenzung der Haftung auf das nicht-gläubigerschützende Eigenkapital vor, so ist diese Begrenzung dem Gesetz zu entnehmen. Erstreckt sich die Haftung nach dem Vertrag jedoch explizit auch auf das gläubigerschützende Eigenkapital, so ist strittig, ob ein Vertrag, der eine offene oder verdeckte Einlagenrückgewähr enthält, nichtig oder wirksam ist.159 Nähme man an, dass der Verstoß gegen § 57 AktG zur Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts führt, so könnte dieser nichtige Vertrag keinesfalls die Ablehnung der Eintragung der Kapitalerhöhung rechtfertigen. Aber auch wenn man annimmt, dass der Vertrag wirksam ist, aber die Gesellschaft (soweit ein Verstoß gegen § 57 AktG vorliegt) die Erfüllung verweigern muss, wird dadurch nicht die Kapitalerhöhung fehlerhaft. Der Vertrag über die Haftung ist nicht Teil der Kapitalerhöhung dergestalt, dass seine Wirksamkeit oder Unwirksamkeit Einfluss auf die Kapitalerhöhung als solche hätte. Die Kapitalerhöhung könnte unabhängig von dem Vertrag in der gleichen Weise beschlossen und durchgeführt wer159  Die Diskussion beruht auf der Frage, ob § 57 Abs. 1, 3 AktG Verbotsgesetze im Sinne des § 134 BGB sind. Im GmbH-Recht ist herrschende Meinung, dass ein Verstoß gegen die Kapitalerhaltung nicht zu einer Nichtigkeit gem. § 134 BGB führt (Hueck / Fastrich, in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 30 Rn. 67, Bayer, in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 163). Demgegenüber nimmt die wohl überwiegende Ansicht im Aktienrecht an, dass das Verbot des § 57 AktG ein Verbot im Sinne des § 134 BGB darstellt, welches zur Nichtigkeit es Grundgeschäfts oder des Erfüllungsgeschäfts führt (OLG München AG 1980, 272 (273), Fabritius, ZHR 144 (1980), 628 (639), Hüffer, § 57 AktG Rn. 23, Wiesner, in: MünchHdbGesR IV, § 16 Rn. 59, Lutter, in: KK AktG2 § 57 Rn. 62 f. Nichtigkeit nur des Verpflichtungsgeschäfts: Geßler, in: FS Rob. Fischer, S. 140 ff., a. A. Joost, ZHR 149 (1985), 419 ff., Bayer, in: MünchKomm AktG § 57 Rn. 162 ff., § 62 Rn. 47, K. Schmidt, GesR § 29 II 2 b) aa) (S.  892 f.), Flume, ZHR 144 (1980), 18 (23 f.), Fleischer, in: K. Schmidt / Lutter, § 57 AktG Rn. 51, Fleischer, WM 2007, 909 (916)). Die eigentlich angezeigte Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht soll jedoch gegenüber der Spezialnorm des § 62 AktG zurücktreten (Lutter, in: KK AktG2 § 57 Rn. 62, Wiesner, in: MünchHdbGesR IV, § 16 Rn. 62, BGHZ 136, 125 (130 f.) (zur GmbH)). Gerade dieses Nebeneinander der bereicherungsrechtlichen Ansprüche und der Ansprüche gem. § 62 AktG ist jedoch das zentrale Argument gegen die Nichtigkeitsfolge: Die Ansicht, dass der Verstoß eine Nichtigkeit nach sich ziehen müsse, fußt noch in der Zeit vor Einführung des § 62 AktG. Seit dessen Einführung im Jahr 1965 kann jedoch die Ansicht, die von einer Nichtigkeit ausgeht, nicht schlüssig erläutern, was der Zweck dieser neuen Norm ist. Darüber hinaus widerspricht die Besserstellung der Gesellschaft in der Insolvenz eines Gesellschafters, zu der die Nichtigkeit führt, allgemeinen Grundsätzen. Aus diesem Grund ist der Ansicht, die Verträge, die gegen § 57 AktG verstoßen, für wirksam hält, der Vorzug zu geben.



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den. Dies unterscheidet den Vertrag über die Haftung der Gesellschaft von dem Investors Agreement über die freiwillige Zuzahlung, das dem Urteil des BayObLG160 zugrunde lag: Nimmt man mit dem Gericht an, dass bestimmte Arten der Zuzahlung zwingend förmlich als Agio festgesetzt werden müssen161, so müssten sowohl der Kapitalerhöhungsbeschluss als auch die Zeichnungsscheine anders gestaltet werden. Dies gilt jedoch nicht, wenn lediglich der Vertrag über die Haftung zu weitgehend ist. Aus diesem Grund führt ein zu weitgehender Vertrag über die Haftung nicht dazu, dass die Kapitalerhöhung als solche nicht den Vorschriften des Gesetzes und der Satzung gemäß abgelaufen wäre. Eine Vorlagepflicht besteht somit nicht. Eine Überschreitung des zulässigen Rahmens kann auch in einer Rücknahmeverpflichtung der Gesellschaft hinsichtlich der Aktien liegen. Eine solche würde zu einem verbotenen Erwerb eigener Aktien führen. Diese Abrede ist gem. § 71 Abs. 4 S. 2 AktG nichtig. Eine nichtige Abrede kann allerdings keinesfalls die Eintragung der Kapitalerhöhung hindern. III. Folgerungen hinsichtlich der Vorlagepflicht Dementsprechend kann man bei der Prüfungskompetenz des Registergerichts differenzieren: Liegt ein formeller oder materieller Verstoß gegen das Gesetz vor, dessen Korrektur nicht zu einer Veränderung der Beschlüsse und Dokumente der Kapitalerhöhung führen würde, so hat das Gericht nicht die Befugnis, wegen dieses Mangels die Eintragung der Kapitalerhöhung zu verweigern. Es handelt sich dann nicht um eine Frage der Gesetzmäßigkeit der Kapitalerhöhung. Auch wenn der Gesetzesverstoß geheilt ist oder sich nicht auswirkt, beispielsweise weil das gesetzwidrige Rechtsgeschäft nichtig ist, kann das Gericht nicht die Eintragung verweigern. In diese Richtung gehen auch die Stimmen der Literatur: Diese nehmen an, dass sich die Prüfungsbefugnis des Registerrichters nicht auf außerhalb getroffene Abreden erstreckt.162 Ein Vertrag, der gegen § 57 AktG oder gegen § 71 AktG verstößt, ist entweder nichtig, oder er würde nicht zu einer Veränderung der Dokumente der Kapitalerhöhung führen. Er wirkt sich also – unabhängig von seinem Inhalt – nicht auf die formelle und materielle Rechtsmäßigkeit der Kapitalerhöhung aus, weshalb das Gericht seine Vorlage nicht verlangen darf. Oben wurde auch untersucht, ob die Möglichkeit einer gesetzlichen Haftung oder die Vereinbarung einer vertraglichen Haftung dazu führen könnte, 160  BayObLG,

NZG 2002, 583. NZG 2002, 583. 162  Priester, in: FS Röhricht (2005), S. 467 (474), Schorling / Vogel, AG 2003, 86 (91). 161  BayObLG,

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dass die Einlage nicht wirksam erbracht ist. In diesem Fall könnte die Kapitalerhöhung tatsächlich nicht eingetragen werden, da das Registergericht die ordnungsgemäße Kapitalaufbringung gem. §§ 188 Abs. 2 S. 1 i. V. m. 36 Abs. 2, 36a AktG zu prüfen hat. Allerdings hat sich gezeigt, dass weder die gesetzliche Haftungsmöglichkeit noch das Vorliegen einer vertraglichen Haftungsabrede dazu führen, dass das Kapital nicht ordnungsgemäß aufgebracht wäre.163 Dementsprechend ergibt sich auch hieraus keine Pflicht zur Vorlage der Vereinbarung an das Gericht.

D. Zusammenfassung Im Rahmen ihrer allgemeinen Vertragsfreiheit kann die Gesellschaft die gesetzliche Haftung gegenüber Aktionären für Angaben im Rahmen einer Kapitalerhöhung durch einen Vertrag mit dem Investor modifizieren, d. h. erweitern oder beschränken. Die Gesellschaft wird dabei durch den Vorstand vertreten, von dessen Kompetenz der Abschluss eines derartigen Vertrages umfasst ist. Zugunsten des Aufsichtsrats kann allerdings ein Zustimmungsvorbehalt bestehen. Eine derartige vertragliche Abrede verpflichtet regelmäßig die Gesellschaft und begünstigt die neu hinzukommenden Gesellschafter. Die Gesellschaft kann dabei die Haftung für jeden Aspekt übernehmen, der den Zustand des Unternehmens ausmacht. Allerdings kann sie die Richtigkeit maximal für den Zeitpunkt der Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung zusagen, da im Falle einer zeitlich weiterreichenden Geltung die Grenze zur unzulässigen Kursgarantie überschritten würde. Entsprechende Zusagen können auch in verschuldensunabhängiger Weise gemacht werden, es ist nicht erforderlich, dass die Gesellschaft nur für Abweichungen haftet, die sie kannte oder kennen musste. Es empfiehlt sich jedoch eine Regelung, nach der sich der Investor nicht auf Aspekte des Unternehmens berufen können soll, die er im Rahmen einer due diligence erfahren hat oder hätte erfahren können. Soweit die in § 12 dargestellten, allgemeinen Grenzen beachtet werden, sind auch Modifikationen des Haftungsumfangs (z. B. eine Haftung auf das positive Interesse) möglich. Werden diese Grenzen der vertraglichen Modifikation der Haftung überschritten, kann die Gesellschaft insoweit die Erfüllung verweigern oder die entsprechende Klausel ist nichtig. Diese Gesetzeswidrigkeit führt jedoch nicht dazu, dass die Dokumente zur Kapitalerhöhung anders hätten abgefasst werden müssen, weshalb sie keine Fehlerhaftigkeit der Kapitalerhöhung bewirkt. Kann sie keine Fehlerhaftigkeit der Kapitalerhöhung bewir163  Vgl.

oben § 5 und § 12 D.I.3.



§ 14 Gestaltungsmöglichkeiten mittels „schuldrechtlichen Agios“?311

ken, kann das Registergericht auch nicht die Vorlage des Vertrages verlangen bzw. wegen der Gesetzwidrigkeit die Eintragung verweigern. Dieser Rahmen für eine vertragliche Haftung der Gesellschaft erweitert den Spielraum der Gesellschaft und der Investoren bedeutend. Für die Gesellschaft liegt der Nutzen in der Erzielung eines höheren Ausgabebetrags durch die Vermeidung von Risikoabschlägen. Für den Investor liegt der Nutzen in der erhöhten Sicherheit, dass die Aktien den Ausgabepreis wert sind. Diese gesteigerte Sicherheit dürfte auch eine erleichterte Finanzierung zur Folge haben. Da die Beschränkungen zugunsten der Gläubiger weiterhin bestehen, drohen diesen auch keine Risiken, die über die Risiken aus der Haftung nach allgemeinen Regeln hinausgehen. Im Ergebnis wird damit ein Mechanismus gestattet, der die wirtschaftliche Ausgewogenheit und damit die materielle Richtigkeit der Beteiligung stärkt, indem der Ausgabebetrag durch eine umfassende nachträgliche Haftung an den tatsächlichen Wert angepasst werden kann.  

§ 14 Weitergehende Gestaltungsmöglichkeiten mittels „schuldrechtlichen Agios“? Die Literatur, die sich bisher mit Gewährleistungen und Garantien bei der Ausgabe von Aktien befasste, schlug teilweise vor, anstelle eines echten Agios im Sinne des § 36a Abs. 1 AktG ein sog. „schuldrechtliches Agio“ zu vereinbaren und die Aktien im Übrigen zum Nennbetrag zeichnen zu lassen. Im Zusammenhang mit diesem sollten vertragliche Haftungsabreden in weiterem Rahmen möglich sein, da dieses nach der überwiegenden Ansicht in die Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB eingestellt werden kann und damit nicht § 150 AktG unterfällt. Die oben dargestellte gesetzliche Haftung und die Möglichkeit einer vertraglichen Haftung nach der hier vertretenen Ansicht gehen jedoch so weit, dass das „schuldrechtliche Agio“ keine Erweiterung des Haftungsumfangs mehr herbeiführt. Allerdings muss diese Zuzahlung nicht – wie das förmlich festgesetzte Agio – vor Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung gem. § 188 Abs. 2 AktG vollständig eingezahlt sein. Dementsprechend kann seitens des Investors weiterhin ein Interesse an der Vereinbarung eines schuldrechtlichen Agios bestehen. Aus diesem Grund gilt es zu untersuchen, in welchem Rahmen schuldrechtliche Zuzahlungen vereinbart werden können.

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4. Teil: Möglichkeit von vertraglichen Haftungsabreden

A. Konzeption freiwilliger Mehrleistungen Bei einem schuldrechtlichen Agio, das auch als freiwillige Mehrleistung bzw. Zuzahlung, schuldrechtliches Agio bzw. Aufgeld164 oder als schuldrechtliche Zusatzleistung165 bezeichnet wird, handelt es sich in der Regel um eine Abrede, nach welcher Aktien zum Nennbetrag ausgegeben werden, aber der Aktionär zusätzlich eine Zahlung in das Eigenkapital leistet, die nicht förmlich als Agio festgesetzt wird. Dies kommt sowohl bei der Bargründung als auch bei der Barkapitalerhöhung in Betracht.166 Teilweise werden anstelle von baren Zuzahlungen auch zinslose oder zinsbegünstigte Darlehen oder der Verzicht auf Forderungen vereinbart. In Beteiligungsverträgen (insb. mit Venture Capital Fonds), die neben der Satzung stehen und an denen aus diesem Grund sämtliche Aktionäre beteiligt sein müssen, wird vielfach vereinbart, dass die Aktien zu einem niedrigen Ausgabebetrag ausgegeben werden (meist a pari) und sich der Investor verpflichtet, in einem oder mehreren Beträgen ein schuldrechtliches Aufgeld zu leisten. Dabei verzichten die Altaktionäre in der Regel auf ihr Anfechtungsrecht gem. § 255 Abs. 2 Satz  2 AktG.167 Im Gegensatz zum schuldrechtlichen Agio muss das „echte“ Agio gem. §§ 188 Abs. 2 S. 1 i. V. m. 36 Abs. 2 AktG vor der Anmeldung der Durchführung der Barkapitalerhöhung zum Handels­ register eingezahlt werden und muss der Vorstand gem. §§ 188 Abs. 2 S. 1 i. V. m. 37 Abs. 1 AktG versichern, dass der eingeforderte Nominalbetrag und der gesamte Mehrbetrag zur freien Verfügung des Vorstands eingezahlt sind. Die Pflicht zur Zahlung des „echten“ Agios ist eine korporationsrechtliche Pflicht, die mit der Kaduzierung der Aktien gem. § 64 AktG sanktioniert werden kann.168 Die schuldrechtlichen Zahlungspflichten sind dagegen nach den Regeln des BGB zu beurteilen und begründen keine mitgliedschaftlichen oder korporativen Pflichten. Zweck der Vereinbarung eines schuldrechtlichen Agios ist, dass der Aktionär die Zahlung erst leisten möchte, wenn er auch tatsächlich Aktionär geworden ist, und dass er das „Ob“ der Zahlung vom Erreichen bestimmter Unternehmensziele oder bestimmter Investitionsmöglichkeiten abhängig machen kann. Damit erreicht man also eine größere Flexibilität für die rechtliche Strukturierung und damit auch für die Bewertung der Beteiligung, da einerseits der Aktionär eine am Unternehmenswert orientierte Leistung an die Gesellschaft erbringt, aber nicht den strengen Bindungen der Kapitalaufbringung unterliegt.169 164  Hüffer,

§ 36a AktG Rn. 2a. Agio und verdecktes Agio im Recht der Kapitalgesellschaften,

165  Herchen,

S.  279 ff. 166  Becker, NZG 2003, 510. 167  Mellert, NZG 2003, 1096. 168  Becker, NZG 2003, 510 (512).



§ 14 Gestaltungsmöglichkeiten mittels „schuldrechtlichen Agios“?313

B. Zulässigkeit und Folgen freiwilliger Mehrleistungen Fraglich ist, ob das Aktienrecht diese Gestaltungsmöglichkeit tatsächlich eröffnet oder ob es sich dabei nicht vielmehr um eine unzulässige Umgehung zwingender aktienrechtlicher Vorschriften handelt. I. Zulässigkeit einer derartigen Vereinbarung Die herrschende Meinung hält schuldrechtliche Mehrleistungen, durch die sich Aktionäre wie Dritte zu Leistungen beliebigen Inhalts verpflichten, für zulässig.170 Dabei darf die Nichtleistung jedoch nicht mit Kaduzierung oder vergleichbaren Sanktionen bedroht werden, auch dann nicht, wenn der Ak­ tionär sich dem freiwillig unterworfen hat.171 Gerade weil es sich nicht um eine korporative Pflicht handelt, kann die Verpflichtung nur mit schuldrechtlichen, nicht mit korporationsrechtlichen Mitteln durchgesetzt werden. Auch die Ausübung wirtschaftlichen Zwangs ist nach der herrschenden Meinung nicht zulässig.172 Nach anderer Ansicht kann für Sanierungsfälle vereinbart werden, dass diejenigen Aktionäre, die keine Zuzahlung in das Gesellschaftsvermögen leisten, eine Nennwertherabsetzung oder eine Zusammenlegung ihrer Aktien erleiden.173 Die Vereinbarung des schuldrechtlichen Agios ist formfrei möglich, sofern keine speziellen Formvorschriften eingreifen.174 Einen Anwendungsfall dieses schuldrechtlichen Agios stellt das „zweistufige Verfahren“ bei der Emission junger Aktien über die Börse unter Einschaltung einer Emissionsbank dar. Da zum Zeitpunkt des Kapitalerhöhungsbeschlusses der zukünftige Emissionskurs noch nicht feststeht, zeichnet und übernimmt die Bank die Aktien zum Nominalbetrag. Im Underwriting Agreement 169

169  Hergeht / Eberl, DStR 2002, 1818, Schorling / Vogel, AG 2003, 86, Becker, NZG 2003, 510. 170  Fleischer, in: K. Schmidt / Lutter, § 54 AktG Rn. 17, 20, Becker, NZG 2003, 510 (514), Henze, in: Großkomm AktG § 54 Rn. 53, 57 ff., Lutter, in: KK AktG2 § 54 Rn. 21, Priester, in: FS Röhricht (2005), S. 467 (468  ff.), Bungeroth, in: MünchKomm AktG § 54 Rn. 30, Hüffer, § 36a AktG Rn. 2a, § 54 Rn. 7 AktG, RGZ 79, 332 (335), RGZ 83, 216 (218 f.), RGZ 84, 328 (330 f.), OLG München WM 2007, 123 (126 li. Sp.). 171  Bungeroth, in: MünchKomm AktG § 54 Rn. 28. 172  Fleischer, in: K. Schmidt / Lutter, § 54 AktG Rn. 22 f., Henze, in: Großkomm AktG § 54 Rn. 78, Hüffer, § 54 AktG Rn. 9, Cahn / Senger, in: Spindler / Stilz, § 54 AktG Rn. 34, Becker, NZG 2003, 510 (512). 173  Cahn / Senger, in: Spindler / Stilz, § 54 AktG Rn. 35, a. A. Becker, NZG 2003, 510 (512 f.). 174  Bungeroth, in: MünchKomm AktG § 54 Rn. 34, Becker, NZG 2003, 510 (513), Hergeht / Eberl, DStR 2002, 1818 (1819 mit Fn. 5), Fleischer, in: K. Schmidt /  Lutter, § 54 Rn. 18, Henze, in: Großkomm AktG § 54 Rn. 54.

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4. Teil: Möglichkeit von vertraglichen Haftungsabreden

zwischen der Gesellschaft und der Bank wird vereinbart, dass der bei der Platzierung der Aktien an der Börse erzielte Mehrerlös an die Gesellschaft abzuführen ist. Auf diese Weise wird das Risiko für die Banken minimiert.175 Im Grundsatz ist unstrittig, dass die Aktionäre untereinander außerhalb der Satzung auf die Gesellschaft bezogene schuldrechtliche Vereinbarungen schließen können176 und in solchen Vereinbarungen auch Zahlungen an die Gesellschaft vereinbaren können.177 Problematisch ist lediglich die Verknüpfung der Zuzahlungsverpflichtung mit der Bargründung oder Barkapitalerhöhung und die daraus resultierende Ähnlichkeit zum korporativen, „echten“ Agio. Die herrschende Meinung geht davon aus, dass auch die Vereinbarung derartiger schuldrechtlicher Zuzahlungen zulässig ist.178 § 54 Abs. 1 AktG, der die Verpflichtung der Aktionäre zur Leistung von Einlagen auf den Ausgabebetrag der Aktien begrenzt, stehe dem nicht entgegen, da er sich nur auf die mitgliedschaftliche Einlagepflicht beziehe.179 § 54 Abs. 1 AktG enthalte keine abschließende Regelung, so dass nicht jede andere Finanzierungsvereinbarung unter den Gesellschaftern unzulässig sei.180 Auch der Verkehrsschutz gebiete keine Unzulässigkeit des schuldrechtlichen Agios: Zwar diene das Volleinzahlungsgebot beim echten Agio dem Schutz von Aktienerwerbern vor ausstehenden Ansprüchen. Die rechtliche Behandlung eines schuldrechtlichen Agio richte sich dagegen nach dem BGB, nicht nach Aktienrecht. Aus diesem Grund geht die Verpflichtung unter anderem nicht mit dem Eigentum an der Aktie über, weil sie nicht Teil der Mitgliedschaft ist.181 Gegen die Zulässigkeit des schuldrechtlichen Agios könne auch nicht eingewendet werden, dass die Kapitalaufbringungsvorschriften umgangen würden. Weder werde durch das Handelsregister der Eindruck erweckt, der Gesellschaft seien über den Nennbetrag hinaus Gelder zugeflossen, so dass Gläubiger Vertrauen in einen solchen Rechtsschein setzen könnten, noch haben die Gläubiger Anspruch auf die Festsetzung eines über dem Nennbetrag liegenden Ausgabebetrags.182 175  Becker,

NZG 2003, 510 (511). in: Großkomm AktG § 54 Rn. 53, Schorling / Vogel, AG 2003, 86 (87). 177  Schorling / Vogel, AG 2003, 86 (87) m.  w. N., Bungeroth, in: MünchKomm AktG § 54 Rn. 30, Fleischer, in: K. Schmidt / Lutter, § 54 Rn. 17. 178  Fleischer, in: K. Schmidt / Lutter, § 54 AktG Rn. 20. So jetzt auch BGH NZG 2008, 73 zur GmbH. 179  Fleischer, in: K. Schmidt  / Lutter, § 54 AktG Rn. 17, Henze, in: Großkomm AktG § 54 Rn. 53. 180  Gerber, MittBayNot 2002, 305 (306). 181  Fleischer, in: K. Schmidt  / Lutter, § 54 AktG Rn. 21, Hüffer, § 54 Rn. 8, Becker, NZG 2003, 510 (513 f.), Schorling / Vogel, AG 2003, 86 (88), Maidl / Kreifels, NZG 2003, 1091 (1092), Schlitt / Seiler, WM 2003, 2175 (2183). 182  Becker, NZG 2003, 510 (513), Schorling / Vogel, AG 2003, 86 (88 f.). 176  Henze,



§ 14 Gestaltungsmöglichkeiten mittels „schuldrechtlichen Agios“?315

Eine einschränkende Ansicht vertrat allerdings das BayObLG: Nach einem Beschluss183 sind schuldrechtliche Vereinbarungen über eine Zuzahlung an die Gesellschaft in jedem Fall zulässig, wenn sie unter den Gesellschaftern vereinbart wurden, ohne dass der Gesellschaft ein eigener Anspruch zusteht. Bei eigenem Anspruch der Gesellschaft soll dagegen immer von einer Einlage auszugehen sein.184 Diese Einschränkung des BayObLG ist jedoch kritisch zu sehen: Zur Bekräftigung seiner Ansicht zitiert der Beschluss die nach seiner Ansicht herrschende Literaturansicht von Henze185 und Lutter186. Dabei werden jedoch die Literaturstellen nicht korrekt wiedergegeben: Lutter differenziert nicht zwischen Vereinbarungen nur zwischen den Gesellschaftern und Vereinbarungen mit der Aktiengesellschaft, sondern nimmt an, dass diese im Wesentlichen identisch zu beurteilen sind. Auch Henze führt in der vom BayObLG zitierten Fundstelle aus, dass sich die Aktionäre auch in einer untereinander getroffenen Abrede schuldrechtlich gegeneinander binden oder zu einer Leistung gegenüber der Aktiengesellschaft gem. § 328 BGB verpflichten können. Dem kann man entnehmen, dass er die Beteiligung der Aktiengesellschaft an der Vereinbarung eigentlich als Regelfall ansieht und gegen diesen auch keine Bedenken hat.187 Auch das OLG München hielt in einem Urteil die Vereinbarung einer schuldrechtlichen Zuzahlung im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung für zulässig, obwohl an dieser Vereinbarung auch die Gesellschaft selbst beteiligt war.188 Gegen eine Differenzierung hinsichtlich der Zulässigkeit der Vereinbarung eines schuldrechtlichen Agios danach, ob die Gesellschaft ein eigenes Forderungsrecht erhält oder nicht, spricht zunächst, dass nach ganz einhelliger Ansicht Aktionäre mit der Gesellschaft auch Vereinbarungen treffen können, in denen sie sich zu Leistungen an die Gesellschaft verpflichten, ohne dass dem zwingend ein korporativer Charakter zukommt.189 Außerdem wird nicht klar, woraus das BayObLG die Differenzierung eigentlich ableitet. Aus diesem Grund ist kann dem BayObLG nicht gefolgt werden, wenn es annimmt, dass die Vereinbarung einer schuldrechtlichen Zusatzleistung im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung unzulässig ist. 183  BayObLG

NZG 2002, 583. AG 2003, 86 (91), Becker, NZG 2003, 510 (516 f.), Brandi, NZG 2004, 600 (604 in Fn. 52). Auch das neuere Urteil des BGH, das schuldrechtliche Zuzahlungen für zulässig hielt, urteilte über eine Vereinbarung unter den Gesellschaftern ohne Beteiligung der Gesellschaft: BGH NZG 2008, 73 (zur GmbH). 185  Henze, in: Großkomm AktG § 54 Rn. 53 ff., 55, 77 ff. 186  Lutter, in: KK AktG2 § 54 Rn. 26. 187  Henze, in: Großkomm AktG § 54 Rn. 55. 188  OLG München, WM 2007, 123. 189  Hüffer, § 54 AktG Rn. 7 m. w. N. 184  Schorling / Vogel,

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4. Teil: Möglichkeit von vertraglichen Haftungsabreden

Die Gegenansicht wird vor allem in einer viel beachteten Arbeit von Herchen vertreten:190 Gegen die Zulässigkeit der Vereinbarung eines schuldrechtlichen Agios spricht nach ihrer Ansicht, dass dies zu einer faktischen Verschiebung von Kompetenzen zulasten der Hauptversammlung und des Aufsichtsrats zugunsten des Vorstands führe, sowohl hinsichtlich des Ob eines Agios als auch hinsichtlich des Gegenstandes (Bar- oder Sachleistung).191 Darüber hinaus bestehe ein berechtigtes und schützenswertes Interesse neuer Aktionäre an der Möglichkeit, sich darüber informieren zu können, welche Einlagen bisher an die Gesellschaft erbracht wurden.192 Außerdem greifen die Sicherungsmechanismen der Kapitalaufbringung, bspw. das Erlassverbot, die Prüfung durch den Registerrichter oder die Differenzhaftung bei Sacheinlagen, bei einem schuldrechtlichen Agio nicht ein.193 Aus diesen Gründen müsse die Wahlmöglichkeit begrenzt werden, indem man annimmt, dass auch beim Agio ein Rechtsformzwang besteht, der dem bei der Wahl der Gesellschaftsform oder auch innerhalb des Aktienrechts (beispielsweise bei Sacheinlagevereinbarungen) entspricht. Danach ist jede Abrede, durch die materiell ein Agio vereinbart wird, an den Anforderungen an das korporative, „echte“ Agio zu messen.194 Dies kann gravierende Auswirkungen insbesondere auf die Wirksamkeit des Kapitalerhöhungsbeschlusses und des Zeichnungsvertrages haben.195 Gegen das Argument der Kompetenzverlagerung spricht, dass den Aktionären die Kompetenz zur Beschlussfassung über die Kapitalerhöhung als solche verbleibt, und sie – durch das Unterlassen entsprechender Vorgaben an das Agio im Kapitalerhöhungsbeschluss – die Kompetenzverlagerung erst herbeiführen. Das Interesse an der Information über die bisher erbrachten Einlagen mag zwar tatsächlich bestehen, aber es wird vom Gesetz nicht in besonderer Weise geschützt. Insbesondere Zuzahlungen in die Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB können niemals vollständig nachvollzogen werden. Dieses Interesse steht somit der Vereinbarung eines schuldrechtlichen Agios nicht entgegen. Die Sicherungsmechanismen der 190  Herchen, Agio und verdecktes Agio im Recht der Kapitalgesellschaften, S.  279 ff. 191  Herchen, Agio und verdecktes Agio im Recht der Kapitalgesellschaften, S.  315 ff. 192  Herchen, Agio und verdecktes Agio im Recht der Kapitalgesellschaften, S.  318 ff. 193  Herchen, Agio und verdecktes Agio im Recht der Kapitalgesellschaften, S. 352. 194  Vgl dazu im Einzelnen: Herchen, Agio und verdecktes Agio im Recht der Kapitalgesellschaften, S. 353. 195  Herchen, Agio und verdecktes Agio im Recht der Kapitalgesellschaften, S.  356 ff.



§ 14 Gestaltungsmöglichkeiten mittels „schuldrechtlichen Agios“?317

Kapitalaufbringung schützen in erster Linie die Aktionäre, die aber auf diesen Schutz verzichten können. Soweit diese Mechanismen das Vertrauen der Gläubiger schützen könnten, entsteht ein Vertrauen der Gläubiger nicht, wenn das Agio nicht förmlich festgesetzt und diese Festsetzung nicht veröffentlicht wird. Es steht deshalb der Vereinbarung eines schuldrechtlichen Agios nicht entgegen. Die Annahme eines begrenzten aktienrechtlichen Formenkanons ist plausibel: Man kann gut vertreten, dass die vom Aktiengesetz vorgegebenen Gestaltungsmöglichkeiten auch verwendet werden müssen. Dennoch ist nicht klar, welchen Schutzzwecken die Annahme dieses begrenzten Formenkanons dienen soll: Durch die Vereinbarung des schuldrechtlichen Agios werden weder die Rechte der Aktionäre noch die Rechte der Gläubiger beeinträchtigt. Der Schutzzweck des Voreinzahlungsgebots, den Übergang der Verpflichtung zur Leistung weitergehender Zahlungen auf erwerbende Aktionäre zu verhindern, greift nicht ein, wenn die Zahlungspflicht aus dem schuldrechtlichen Agio lediglich auf schuldrecht­ licher Ebene zwischen Gesellschaft und Gesellschafter besteht und nicht automatisch auf einen nachfolgenden Aktionär übergeht. Aus diesem Grund kann die formale Argumentation eines begrenzten Formenkanons nicht verwendet werden, um die Möglichkeit des schuldrechtlichen Agios vollständig auszuschließen. Im Ergebnis ist deshalb die Vereinbarung eines schuldrechtlichen Agios zulässig. Insbesondere für Aktiengesellschaften mit geschlossenem Aktionärskreis stellen diese eine geeignete und flexible Gestaltungsmöglichkeit dar. Um einen Missbrauch bei Publikumsgesellschaften zu vermeiden, ist kein völliges Verbot erforderlich: Im Folgenden wird sich zeigen, dass eine Regulierung an anderen strittigen Punkten ansetzen und auf diese Weise Missbrauch ausschließen kann, ohne die Gestaltungsmöglichkeit komplett zu verbieten. II. Prüfungsbefugnisse des Registergerichts Das BayObLG nahm in dem Beschluss aus dem Jahr 2002 an, dass das Registergericht umfangreiche Prüfungsrechte hinsichtlich des schuldrecht­ lichen Agios habe.196 Diese Argumentation stützt sich auf die Frage, ob der gesamte Vorgang der Kapitalerhöhung den Vorschriften des Gesetzes entsprechend abgelaufen sei. Dies könne nur beantwortet werden, wenn ein vom Gericht vermutetes Investor Agreement vorgelegt werde. Ohne dieses könne nicht beurteilt werden, ob die Verpflichtung der neuen Aktionäre zur Zahlung von Beträgen, die den Ausgabepreis übersteigen, als korporatives oder als 196  BayObLG

NZG 2002, 583.

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4. Teil: Möglichkeit von vertraglichen Haftungsabreden

schuldrechtliches Agio zu betrachten sind. Handle es sich um ein korporatives Agio, hätte es im Kapitalerhöhungsbeschluss und im Zeichnungsschein berücksichtigt werden müssen, weshalb die Eintragung anzulehnen wäre.197 Diese Entscheidung des BayObLG wurde in der Literatur teilweise kritisch bewertet.198 Gegen die Vorlagepflicht könnte man einwenden, dass immer anzunehmen ist, dass die Zahlung nicht als korporatives Agio gewollt ist, wenn sie weder im Kapitalerhöhungsbeschluss noch im Zeichnungsschein festgesetzt ist. Wie oben bereits ausgeführt, ist nicht unabhängig von der Festsetzung und vom Willen der Parteien ein korporatives Agio anzunehmen, wenn eine Zahlungspflicht gegenüber der Gesellschaft begründet worden ist. Ist aber eine schuldrechtliche Vereinbarung über eine Zuzahlung an die Gesellschaft unabhängig von ihrer genauen Gestaltung zulässig, wird die Argumentation hinfällig, nach der die (nach Ansicht des BayObLG nicht zulässige) Vereinbarung eines Forderungsrechts der Gesellschaft selbst dazu führe, dass die Vereinbarung an den Regeln des korporativen Agios zu messen sei. Ist diese Vereinbarung nicht an den Regeln des korporativen Agios zu messen, kommt es für die Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung auf diese Vereinbarung auch nicht mehr an und ihre Vorlage kann nicht verlangt werden. Teilweise wird in der Literatur jedoch angenommen, dass es Situationen gebe, in denen ein Agio aus gesellschaftsrechtlicher Sicht zwingend festzusetzen sei.199 Nur in diesen Fällen sei der Beschluss des BayObLG zutreffend. Handle es sich dagegen um eine rein freiwillige Leistung des Investors, stehe die schuldrechtliche Vereinbarung neben der Kapitalerhöhung und unterliege nicht der registerrechtlichen Kontrolle.200 Dieser Differenzierung ist nicht zu folgen, da die angenommenen Fälle, in denen ein Agio aus gesellschaftsrechtlicher Sicht zwingend festgesetzt werden muss, nicht existieren. Bereits oben wurde gezeigt, dass die Gesellschaft in der Entscheidung, ein Agio festzusetzen oder nicht, völlig frei ist.201 Dem Registergericht kommt hier auch keine Prüfungsbefugnis zu: Die Nicht-Festsetzung eines Agios als solche kann niemals die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit der Kapitalerhöhung zur Folge haben, sondern höchstens (gem. § 255 Abs. 2 AktG) die Anfechtbarkeit. Nach der herrschenden Meinung berechtigt die zur Anfechtbarkeit führende Gesetzeswidrigkeit eines nicht angefochtenen Beschlusses das Registergericht nur zur Verweigerung der Eintragung, 197  BayObLG

NZG 2002, 583 f. NZG 2003, 1096 (1097 in Fn. 11). Dem BayObLG zustimmend: Veil, in: K. Schmidt / Lutter, § 188 AktG Rn. 35. 199  Hermanns, ZIP 2003, 788 (789 f.). 200  Hermanns, ZIP 2003, 788 (792). 201  Siehe (1) und cc). 198  Mellert,



§ 14 Gestaltungsmöglichkeiten mittels „schuldrechtlichen Agios“?319

wenn durch die Gesetzeswidrigkeit die Interessen der Gläubiger, künftiger Aktionäre oder sonstige öffentliche Interessen verletzt werden. Dies ist bei der Nicht-Festsetzung eines Agios nicht gegeben, hier sind allein die Interessen der gegenwärtigen Aktionäre betroffen. Aus diesem Grund ist das Registergericht – abgesehen von Fällen einer Anfechtung gem. § 255 Abs. 2 AktG – in keinem Fall befugt, die Eintragung zu verweigern. Dementsprechend wird auch in der Literatur eingewendet, dass sich die Prüfungskompetenz des Registerrichters auf die Kapitalerhöhung selbst beschränke und etwaige außerhalb dieser getroffene Abreden nicht erfasse.202 III. Auswirkungen auf Anfechtungsmöglichkeit gem. § 255 Abs. 2 AktG Geht man davon aus, dass ein schuldrechtliches Agio grundsätzlich zulässig ist und das Registergericht auch nicht verlangen kann, dass eine entsprechende Vereinbarung vorgelegt wird, stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein damit verbundener Kapitalerhöhungsbeschluss gem. § 255 Abs. 2 AktG angefochten werden kann. Dieser eröffnet einem Aktionär bei einer Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss im Falle eines zu niedrigen Ausgabebetrages eine Anfechtungsmöglichkeit. In der Literatur ist strittig, ob hinsichtlich des Ausgabebetrags nur auf den förmlich festgesetzten Ausgabebetrag abzustellen ist203, was einer Anfechtung regelmäßig zum Erfolg verhelfen würde, wenn ein schuldrechtliches Agio vereinbart ist, oder ob eine darüber hinausgehende Leistung des neuen Aktionärs berücksichtigt werden kann.204 Nach letzterer Ansicht ist § 255 Abs. 2 AktG bei einer Trennung von Ausgabebetrag und schuldrechtlichem Agio nicht berührt, solange die Summe einen angemessenen Gegenwert für die Aktien darstellt. Für die Sacheinlage habe der BGH entschieden, dass für die Ermittlung der Angemessenheit analog § 255 Abs. 2 AktG nicht nur der Ausgabebetrag herangezogen werden kann, sondern auch ein übersteigender Wert der Sacheinlage.205 Entsprechendes solle auch für die Bareinlage gelten.206 Dafür könnte sprechen, dass das Anfechtungsrecht dem Schutz der Ak­ tionäre vor einer Verwässerung ihres Anteils dient, und sie auf diesen Schutz grundsätzlich verzichten können. Die Vereinbarung eines schuldrechtlichen 202  Priester,

(91).

in: FS Röhricht (2005), S. 467 (474), Schorling / Vogel, AG 2003, 86

203  Becker, NZG 2003, 510 (514), Herchen, Agio und verdecktes Agio im Recht der Kapitalgesellschaften, S. 358, Maidl / Kreifels, NZG 2003, 1091 (1093). 204  Mellert, NZG 2003, 1096 (1097), Priester, in: FS Röhricht (2005), S. 467 (473). 205  BGHZ 71, 40 (50 f.). 206  Mellert, NZG 2003, 1096, Priester, in: FS Röhricht (2005), S. 467 (473).

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4. Teil: Möglichkeit von vertraglichen Haftungsabreden

Agios ist jedoch nicht in jedem Fall als konkludenter Verzicht auf diese Anfechtungsmöglichkeit zu deuten, da bei einer nicht-einstimmigen Entscheidung gerade außenstehende Aktionäre schützenswert sind. Außerdem ist die Konstellation bei der Sacheinlage nicht mit der Konstellation beim schuldrechtlichen Agio zu vergleichen: Der Sacheinlage wohnt immer eine gewisse Bewertungsunsicherheit inne, die es erlaubt, den vollen Wert der Sacheinlage im Rahmen der Anfechtung zu berücksichtigen, auch wenn der festgesetzte Ausgabebetrag darunter liegt. Demgegenüber ergibt sich die Unsicherheit und Intransparenz beim schuldrechtlichen Agio aus der bewusst gewählten Gestaltung. Diese erschwert es einem außenstehenden Aktionär, die tatsächliche Gegenleistung für die Beteiligung zu beurteilen. Diese von der Gesellschaft und dem Investor geschaffene Unsicherheit kann nicht zu Lasten des außenstehenden Aktionärs gehen, der den Kapitalerhöhungsbeschluss mit Bezugsrechtsausschluss anficht. Aus diesem Grund kann das schuldrechtliche Agio im Rahmen der Anfechtung gem. § 255 Abs. 2 AktG nicht berücksichtigt werden, sondern lediglich der im Kapitalerhöhungsbeschluss oder Zeichnungsschein festgesetzte Ausgabebetrag.207 IV. Bilanzielle Behandlung Wie die zulässige Zuzahlung in bilanzieller Hinsicht zu behandeln ist, insbesondere ob sie in die Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 4 HGB eingestellt werden muss, ist ebenfalls umstritten. In der Praxis wird die Zahlung aus der Vereinbarung über das schuldrechtliche Agio – in Übereinstimmung mit der wohl herrschenden Meinung – vielfach gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB als andere Zuzahlung, die ein Gesellschafter in das Eigenkapital geleistet hat, bilanziert.208 Damit unterliegt sie nicht der strengen Bindung des § 150 Abs. 2–4 AktG, da dieser sich nur auf die Bestandteile der Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB bezieht; die Kapitalerhaltung ist also gelockert. Allerdings sind Zahlungen an eine Aktiengesellschaft im Zusammenhang mit der Ausgabe von Anteilen grundsätzlich in die Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB einzustellen. Dies ist für das echte Agio auch unbestritten.209 Andere Zuzahlungen in die Kapitalrücklage, die unabhängig von einer Kapitalerhöhung sind, werden dagegen 207  Dies hat keine Auswirkungen auf die Gestaltung des Vertrages mit der Emissionsbank beim mittelbaren Bezugsrecht, da in diesen Fällen mangels Bezugsrechtsausschluss die Anfechtung gem. § 255 Abs. 2 AktG ausscheidet. 208  So auch Gerber, MittBayNot 2002, 305, Haberstock, NZG 2008, 220, Hüffer, § 54 AktG Rn. 8, Priester FS Röhricht, 2005, S. 467 (476), OLG München WM 2007, 123 (126), a. A. A / D / S, Rechnungslegung, § 272 HGB Rn. 90, Becker NZG 2003, 510 (516). 209  Priester, in: FS Röhricht (2005), S. 467 (474) m. w. N.



§ 14 Gestaltungsmöglichkeiten mittels „schuldrechtlichen Agios“?321

gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB in die Kapitalrücklage eingestellt. Anderes gilt nur, wenn die Parteien sich bei einer Einzahlung darüber einig waren, dass die Zuzahlung erfolgswirksam, also beispielsweise zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrages, vereinnahmt werden soll.210 Fraglich ist jedoch, ob die Parteien trotz eines Zusammenhangs mit der Kapitalerhöhung vereinbaren können, dass es sich um eine Zuzahlung im Sinne des § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB handelt.211 Nach der in der Praxis bevorzugten Ansicht wird die schuldrechtliche Mehrleistung in der Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB ausgewiesen.212 § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB setze nur den Zugang eines eingelegten und aktivierten Vermögensgegenstandes oder den Wegfall einer Schuld voraus und diene ausschließlich dazu, aktivierbare Gesellschaftereinlagen, die keinen Erfolgsbeitrag darstellen, erfolgsneutral gegen die Kapitalrücklage zu verbuchen.213 Für eine Bilanzierung gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB wird ins Feld geführt, dass ein praktisches Bedürfnis nach der Gestaltungsmöglichkeit des schuldrechtlichen Agios bestünde und diese grundsätzlich zulässige Variante nicht über die Bilanz wieder verboten werden solle.214 Außerdem stünden der Bilanzierung in § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB keine schützenswerten Drittinteressen entgegen.215 Die Gläubiger bringen nach Argumentation des OLG München dem Zufluss der Mittel aus dem schuldrechtlichen Agio kein Vertrauen entgegen, da dieser Mittelzufluss nicht veröffentlicht wird.216 Der BGH lehnte eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung des OLG München ab, die es für zulässig hielt, dass ein schuldrechtliches Agio vereinbart, in die Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB eingestellt und an eine Schwestergesellschaft des Gesellschafters ausgezahlt wird.217 Gegen die Argumentation, dass die Zulässigkeit des schuldrechtlichen Agios durch die Bilanzierung „durch die Hintertür“ wieder zurückgenommen werde, spricht, dass die Bilanzierung nur die Verwendungsmöglichkeiten einschränkt, aber die flexiblere Einzahlung und die erweiterten Möglich210  Müller,

in: FS Heinsius, S. 591 (594 f.). die Fragestellung bei Becker, NZG 2003, 510 (511). 212  Fleischer, in: K. Schmidt  /  Lutter, § 54 AktG Rn. 20, Schorling / Vogel, AG 2003, 86 (88), Priester, in: FS Röhricht, (2005), S. 467 (476 f.), Hüffer, § 54 AktG Rn. 8, OLG München WM 2007, 123 (126), a. A. für Kapitalerhöhung A / D / S, Rechnungslegung, § 272 HGB Rn. 90, Becker NZG 2003, 510 (516). 213  Müller, in: FS Heinsius (1991), S. 591 (604). 214  Schorling / Vogel, AG 2003, 86 (89), Mellert, NZG 2003, 1096 (1098). 215  Schorling / Vogel, AG 2003, 86 (89). 216  OLG München, WM 2007, 123. 217  BGH NZG 2008, 76. 211  So

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4. Teil: Möglichkeit von vertraglichen Haftungsabreden

keiten bei der Einforderung unberührt lässt. Es ist außerdem nicht zutreffend, dass der Bilanzierung in § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB keine schützenswerten Interessen entgegen stünden: Die Bindung der Aufgelder aus Gründung und Kapitalerhöhung hatte von Anfang an den Zweck, die Vorspiegelung nicht erzielter Gewinne durch Ausschüttung von Teilen des Kapitals („Agiotage“) zu verhindern. Dies wurde von der Gesetzesbegründung zum ADHGB 1884 ausgeführt218 und gilt – als Schutzzweck der § 272 Abs. 2 HGB, § 150 AktG – bis heute. Wird nun eine schuldrechtliche Zuzahlung in die Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB eingestellt, ist sie nicht gebunden, sondern kann aufgelöst und ausgeschüttet werden. Dies läuft dem genannten Zweck der Verhinderung einer Agiotage zuwider. Dagegen kann auch nicht eingewendet werden, dass auch bei tatsächlich freiwilligen Zuzahlungen diese Gefahr der Agiotage bestünde, ohne dass diese so stark reglementiert seien.219 Das (schuldrechtliche wie echte) Agio stellt eine vollkommen übliche Leistung an die Gesellschaft dar, ohne die die Beteiligung nicht gewährt würde und die von hoher wirtschaftlicher Bedeutung für die Gesellschaft ist. Dagegen handelt es sich bei einer völlig freiwilligen Zahlung in die Kapitalrücklage der Gesellschaft um einen absoluten Ausnahmefall von wirtschaftlich viel geringerer Bedeutung. Bei diesem drohen dementsprechend auch deutlich geringere Gefahren. Unter anderem aus diesem Grund soll nach der Gegenansicht eine Vereinbarung über die Einstellung der Zuzahlung in die Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB nicht möglich sein, wenn die Beträge zur Herstellung eines angemessenen Ausgabekurses erforderlich sind oder in sachlicher Verbindung zur Kapitalerhöhung stehen.220 Die Regierungsbegründung zum AktG 1965 führt explizit aus, dass es nicht darauf ankomme, ob ein Aufgeld festgesetzt wurde, sondern darauf, ob ein Aufgeld erzielt werde. Dies sei bereits herrschende Meinung zur Vorgängerregelung gewesen.221 Auch die Formulierung des § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB, wonach der Betrag auszuweisen ist, der bei der Ausgabe von Anteilen über den Nennbetrag hinaus erzielt wurde, unterscheidet sich in seiner objektiven Formulierung deutlich von § 36a AktG, der auf den eingeforderten Betrag abstellt. § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB erfasst also den tatsächlich erzielten Betrag unabhängig von seiner Bestimmung. Aus diesem Grund überzeugt auch die Argumentation, § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB setze einen rechtlichen Zusammenhang zwischen der Zuzahlung und der Kapitalerhöhung voraus222, nicht. Darüber hinaus handelt es sich bei § 272 Abs. 2 218  Siehe

oben § 4 B.I.4. ungefähr Mellert, NZG 2003, 1096. 220  A / D / S, Rechnungslegung, § 272 HGB Rn. 90. Davon ging auch die Vorinstanz zum Beschluss des BayObLG, NZG 2002, 583, aus. 221  RegE AktG 1965, abgedruckt bei Kropff, Aktiengesetz 1965, S. 221. 222  Priester, in: FS Röhricht (2005), S. 467 (476). 219  So



§ 14 Gestaltungsmöglichkeiten mittels „schuldrechtlichen Agios“?323

Nr. 4 HGB nach dem Wortlaut um einen Auffangtatbestand.223 Es ist nicht naheliegend, dass einem solchen Auffangtatbestand willkürlich Beträge zugewiesen werden können, die eigentlich unter die spezielleren Regelungen fielen. Hätten die Parteien Einfluss auf die Einstellung in die Kapitalrücklage, könnten sie damit die zwingenden Vermögensbindungsvorschriften des § 150 AktG leicht umgehen.224 Aus diesen Gründen kann das schuldrechtliche Agio nicht entsprechend einer Vereinbarung unter den Parteien wie eine echte freiwillige Zuzahlung in die Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB, sondern muss zwingend in die Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB eingestellt werden. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB erfasst lediglich freiwillige Zuzahlungen, die unabhängig von der Gewährung von Anteilen geleistet werden, wie freiwillige Zuzahlungen zur Stärkung des Eigenkapitals.225 Unumstritten ist die Situation dagegen beim mittelbaren Bezugsrecht: Dort muss die Differenz zwischen dem Bezugskurs und dem Ausgabebetrag an die Aktiengesellschaft abgeführt werden und als Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1 AktG ausgewiesen werden.226

C. Fazit Im Ergebnis ist die Vereinbarung freiwilliger Mehrleistungen anstelle der Festsetzung eines korporativen Agios zulässig. Dies gilt sowohl für eine Vereinbarung nur zwischen den Gesellschaftern als auch für eine Vereinbarung, an der die Gesellschaft beteiligt ist, und unabhängig davon, ob der Gesellschaft ein eigenes Forderungsrecht eingeräumt wird. Allerdings ist diese im Rahmen der Anfechtung gem. § 255 Abs. 2 AktG nicht zu berücksichtigen. Außerdem muss die Zuzahlung in die Kapitalrücklage des § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB eingestellt werden. Das schuldrechtliche Agio bietet also als einzigen Vorteil die Möglichkeit, dass die Regeln über die Kapitalaufbringung, insbesondere das Volleinzahlungsgebot, nicht beachtet werden müssen. Dies wird mit der Gefahr einer Anfechtung gem. § 255 Abs. 2 AktG erkauft.

223  A / D / S,

Rechnungslegung, § 272 HGB Rn. 134. NZG 2003, 510 (516). 225  Becker, NZG 2003, 510 (516). 226  A / D / S, Rechnungslegung, § 272 HGB Rn. 97, Becker, NZG 2003, 510 (516), Schorling / Vogel, AG 2003, 86 (89) (nicht nur für das mittelbare Bezugsrecht, sondern generell für Emissionsbanken), Hüffer, § 186 AktG Rn. 47. 224  Becker,

Zusammenfassung 1. Die Frage, ob und in welchem Umfang eine Aktiengesellschaft gegenüber einem Aktionär haften kann, wird je nach Anspruchsgrundlage von der herrschenden Meinung sehr unterschiedlich beantwortet: Während die Aktiengesellschaft aus der spezialgesetzlichen Prospekthaftung gem. §§ 44 ff. BörsG, § 13 VerkProspG von einem Aktionär in vollem Umfang in Anspruch genommen werden kann1, wird eine Haftung aus der c.i.c. oder der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung überwiegend wegen eines angenommenen Verstoßes gegen die Kapitalerhaltung abgelehnt2. Aus den gleichen Gründen soll auch eine vertragliche Regelung der Haftung der Gesellschaft mit dem Aktionär unzulässig sein.3 Besteht dagegen gegen die Aktiengesellschaft ein Anspruch gem. § 826 BGB oder gem. § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz, hat sich die herrschende Ansicht der Rechtsprechung des BGH in Sachen EM.TV angeschlossen und vertritt, dass die Haftung der Aktiengesellschaft nicht durch das Verbot der Einlagenrückgewähr oder das Verbot des Erwerbs eigener Aktien ausgeschlossen sei.4 Dies hat zur Folge, dass ein Aktionär, der sich an einer kapitalmarktinaktiven Gesellschaft beteiligt, die nicht der spezialgesetzlichen Prospekthaftung unterliegt, deutlich schlechter geschützt ist als ein Aktionär, der sich an einer kapitalmarktaktiven Gesellschaft beteiligt. Dieses Ergebnis verwundert. Zum einen kollidiert die Möglichkeit, die Aktien im Rahmen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung an die Gesellschaft zurückzugeben und die Einlage zurückzuerhalten, mit den bisher feststehenden Grundsätzen, dass die Zeichnung nicht angefochten werden kann, und dass die aktienrechtliche Vermögensbindung lediglich Gewinnausschüttungen an Aktionäre erlaubt und alle anderen Zahlungen verbietet. Weiter stellt sich die Frage, weshalb die Privatautonomie einer kapitalmarktinaktiven Gesellschaft so stark eingeschränkt ist, dass sie durch einen Vertrag mit einem Aktionär diesem nicht die gleichen Ansprüche gewähren kann, die der Aktionär, der sich an einer kapitalmarktaktiven Gesellschaft beteiligt, automatisch erhält. Insgesamt sind die 1  § 1 A., 2  § 1 B., 3  § 2  C.

4  § 10  C.

§ 2 A. § 2 B.

Zusammenfassung 325

Wertungen, die es erforderlich machen, sowohl Aktionäre als auch Gläubiger so unterschiedlich zu behandeln, nicht geklärt. Diese Arbeit hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, grundlegend zu untersuchen, wie eine Aktiengesellschaft gegenüber Aktionären, die Aktien von ihr erwerben, haften kann. Um die verschiedenen Aspekte, die nach herrschender Ansicht einer Haftung entgegenstehen, nicht zu vermischen, war zunächst zu prüfen, welche Vorgaben das Aktienrecht im Hinblick auf eine Haftung macht.5 Erst wenn klar ist, in welchem Umfang und aus welchen Gründen das Aktienrecht eine Haftung gestattet, kann geprüft werden, inwiefern die spezialgesetzliche Prospekthaftung, die vom Gesetzgeber als speziellere Regelung ausgestaltet wurde,6 sowie eine Haftung für eine vorsätzliche Schädigung nach allgemeinen Grundsätzen7 die aktienrechtlichen Vorgaben modifiziert. Aufbauend darauf kann auch beantwortet werden, in welchem Umfang der Gesellschaft die Vereinbarung einer vertraglichen Haftung gegenüber einem Aktionär gestattet ist.8 2. Im Ergebnis gestatten die aktienrechtlichen Vorschriften eine Haftung der Aktiengesellschaft in einem weitaus größeren Rahmen, als es die bisher herrschende Ansicht annahm.9 Dieser Rahmen wird durch spezialgesetzliche Vorschriften des Kapitalmarktrechts10 und durch die besondere Interessenslage bei einer vorsätzlichen Schädigung11 überlagert; aufgrund dieser Überlagerung haftet die Gesellschaft in diesen Fällen gegenüber dem Aktionär ohne Begrenzung, lediglich in der Insolvenz der Gesellschaft bestehen Unterschiede. Außerdem eröffnet dieser aktienrechtliche Rahmen die Möglichkeit, ihn durch vertragliche Haftungsabreden weiter auszudehnen.12 3. Der aktienrechtliche Haftungsrahmen beruht auf einem neuen Verständnis der Kapitalerhaltung und Vermögensbindung.13 Zunächst hat sich gezeigt, dass der Gesetzgeber in keinem Zeitpunkt eine Vermögensbindung einführen wollte, die jede Leistung an einen Aktionär als unzulässig einordnet, wenn es sich nicht um eine Ausschüt5  Erster

Teil. Teil. 7  Dritter Teil. 8  Vierter Teil. 9  Erster Teil. 10  Zweiter Teil. 11  Dritter Teil. 12  Vierter Teil. 13  § 4. 6  Zweiter

326 Zusammenfassung

tung im Rahmen der ordnungsgemäßen Gewinnverwendung handelt.14 Auch die Schutzzwecke der Kapitalerhaltung / Vermögensbindung machen eine so weitgehende Bindung des Vermögens in der Gesellschaft nicht erforderlich.15 Grundsätzlich dient die Vermögensbindung dem Schutz der Gläubiger, der Gleichbehandlung der Aktionäre, dem Schutz der Kompetenzverteilung innerhalb der Aktiengesellschaft und dem Schutz vor Täuschungen des Kapitalmarktes. Anders als von der herrschenden Meinung angenommen, lassen sich jedoch die verschiedenen Bestandteile des Eigenkapitals diesen Schutzzwecken zuordnen, woran sich zeigt, dass nicht sämtliche Eigenkapitalbestandteile sämtlichen Schutzzwecken dienen. So dienen dem Schutz der Gläubiger der Gesellschaft nur das Grundkapital und die Summe aus gesetzlicher Rücklage gem. § 150 Abs. 1, 2 AktG und Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB bis zur Höhe von 10 % des Grundkapitals. Die übrigen Eigenkapitalbestandteile dienen dagegen der Verhinderung einer Agiotage und der Kompetenzverteilung innerhalb der Gesellschaft. Anders als der Schutz der Gläubiger kollidieren diese jedoch nicht mit der Haftung gegenüber einem Aktionär oder müssen zurückstehen. Allein die Gläubiger müssen keine Eingriffe in ihre Rechte hinnehmen, denn: Bei einer Haftung gegenüber einem Aktionär droht keine Agiotage und damit auch keine Täuschung des Kapitalmarktes.16 Daraus ergibt sich, dass die Gesellschaft gegenüber einem Aktionär mit sämtlichen Eigenkapitalbestandteilen haften kann, die nicht dem Gläubigerschutz dienen. Daraus resultiert das veränderte Verständnis der aktienrechtlichen Kapitalerhaltung / Vermögensbindung:17 Das einheitliche Verständnis der herrschenden Meinung, nach dem alles, was nicht ordnungsgemäße Gewinnausschüttung oder ein Ausnahmefall ist, gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstößt, sollte aufgegeben werden. Richtigerweise sollte nur für die Bindung der gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteile, die weder für eine Ausschüttung noch für eine Haftung gegenüber Aktionären zur Verfügung stehen, der Begriff der Kapitalerhaltung verwendet werden. Die gesetzliche Grundlage hierfür ist § 57 Abs. 1 AktG. Die Bindung jener Eigenkapitalbestandteile, die bei Erfüllung der formalen Voraussetzungen grundsätzlich ausgeschüttet werden können, sollte als formelle Vermögensbindung bezeichnet und in § 57 Abs. 3 AktG verortet werden. Die dazwischen liegende Bindung der Eigenkapitalbestandteile, die nicht gläubigerschützend sind, aber auch nicht ausgeschüttet werden 14  § 4  B.I.

15  § 4  B.II.

16  § 4  B.III. 17  § 4  B.IV.

Zusammenfassung 327

können, auf die aber im Wege einer Haftung der Aktiengesellschaft durch Aktionäre zugegriffen werden kann, sollte als materielle Vermögensbindung bezeichnet und in § 150 Abs. 4 AktG verortet werden. Diese Dreiteilung sowie die Diversifizierung der Begrifflichkeit spiegeln die unterschiedlichen Verwendungsmöglichkeiten besser wider als die herrschende Meinung eines einheitlichen Kapitalerhaltungsgrundsatzes. 4. Die Haftung der Gesellschaft gegenüber einem Aktionär kollidiert nicht mit den Regelungen über die Kapitalaufbringung, da diese abgeschlossen ist, sobald der Gesellschaft die Einlage endgültig zugeflossen ist, und ein Rückfluss im Rahmen der Haftung danach lediglich anhand der Kapitalerhaltung resp. Vermögensbindung zu prüfen ist.18 5. Das Verbot von Kursgarantien, das sich für vertragliche Abreden bei originärem Erwerb aus § 56 Abs. 3 AktG ergibt und in allen übrigen Fällen der gesetzlichen Haftung oder des derivativen Erwerbs aus § 57 Abs. 1 AktG abgeleitet wird, hat zur Folge, dass die Gesellschaft nicht für Angaben haftet, die sich auf die zukünftige Entwicklung des Unternehmens beziehen.19 6. Eine Haftung der Gesellschaft nach aktienrechtlichen Regeln für fehlerhafte Angaben im Rahmen einer Kapitalerhöhung darf nicht dazu führen, dass die Gesellschaft die Aktien gegen Rückzahlung des Ausgabebetrages übernehmen muss.20 Dem Aktienrecht ist eine Rückgängigmachung der Beteiligung fremd ist. Weder besteht ein Recht zum Austritt aus der Gesellschaft aus wichtigem Grund21 noch kann im Rahmen der Zeichnung die Erwerbspflicht begrenzt werden.22 Auch im Falle eines fehlerhaften Beitritts können die Mängel nur im Fall der fehlenden oder gefälschten oder durch physischen Zwang herbeigeführten Zeichnung sowie von geschäftsunfähigen und minderjährigen Zeichnern geltend gemacht werden. Darüber hinaus wird der Aktionär durch die Mitgliedschaft, nicht aber durch die vielfach angenommene „Bestandskraft des Zeichnungsvertrages“, an die einmal entstandene Beteiligung gebunden. Er kann von der Gesellschaft lediglich die Vermittlung der Übernahme durch einen Dritten verlangen. Im Übrigen muss er die Aktien gegebenenfalls verkaufen.23 Damit stimmt es überein, dass es der Gesellschaft grundsätzlich verboten ist, eigene Aktien zu erwerben und zu halten.24 18  § 5. 19  § 6. 20  § 7.

21  § 7 A. 22  § 7  B. 23  § 7  C.

24  § 7  D.

328 Zusammenfassung

7. Die Haftung der Gesellschaft ist deshalb auf die Wertdifferenz zwischen dem Ausgabepreis und dem tatsächlichen Wert beschränkt. Das Verbot der Unter-Pari-Emission hat zur Folge, dass der tatsächliche Wert nicht geringer angesetzt werden darf als der Nennbetrag (resp. der Anteil am Grundkapital bei Stückaktien) der einzelnen Aktien und dass die Gesellschaft auch nicht den vollen Erwerbsbetrag an den Aktionär zurückzahlen darf, ohne die Aktien zurückzuerhalten.25 8. Soweit die Ansprüche des Aktionärs das für eine Haftung zur Verfügung stehende, also das nicht gläubigerschützende, Eigenkapital, übersteigen, kann die Forderung geltend gemacht werden, sobald wieder verfügbares Eigenkapital vorhanden ist.26 In der Zwischenzeit muss in der Bilanz in entsprechender Höhe eine Rückstellung gebildet werden. Da die Forderung von Natur aus nachrangig ist, muss sie in einer Überschuldungsbilanz nicht aufgenommen werden und kann somit auch nicht zu einer Insolvenz der Gesellschaft beitragen. Gerät die Gesellschaft dennoch in Insolvenz, kann die Forderung erst nach Erfüllung sämtlicher, auch der nachrangigen Forderungen anderer Gläubiger durchgesetzt werden. Sie ist jedoch vor der Verteilung eines Überschusses an die Aktionäre zu begleichen.27 9. Somit kann als aktienrechtliches System der Haftung der Aktiengesellschaft gegenüber Aktionären folgendes festgehalten werden:28 Die Gesellschaft haftet für Angaben über den aktuellen Zustand des Unternehmens im Rahmen einer Kapitalerhöhung grundsätzlich nach allgemeinen Regeln, insbesondere der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung und der c.i.c. Dabei ist die Haftung der Gesellschaft auf die nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteile beschränkt. Dieser Begriff umfasst sämtliche Bestandteile des Eigenkapitals mit Ausnahme des Grundkapitals und des Anteils der Summe aus gesetzlicher Rücklage gem. § 150 Abs. 1, 2 AktG und Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 AktG, der 10 % des Grundkapitals nicht übersteigt. Die Ansprüche des Aktionärs sind dabei auf die Wertdifferenz zwischen dem Ausgabebetrag und dem tatsächlichen, nicht unter dem Nennwert bzw. dem auf eine Aktie entfallenden anteiligen Betrag des Grundkapitals liegenden Wert der Aktien beschränkt. Der Aktionär kann nicht verlangen, dass die Gesellschaft die Aktien zurücknimmt. In der Insolvenz wohnt den Ansprüchen ein natürlicher Nachrang inne, so dass die Gläubiger der Gesellschaft in der Insolvenz nicht mit den Aktionären konkurrieren. 25  § 7  E. 26  § 8.

27  § 8  C. 28  § 9.

Zusammenfassung 329

10. Die Haftung geht über dieses aktienrechtliche System hinaus, wenn eine der spezialgesetzlichen Prospekthaftungsnormen (§§ 44 ff. BörsG, § 13 VerkProspG) eingreift.29 Diese sind leges speciales gegenüber dem Aktiengesetz.30 Darin kommt eine Wertung des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass der Funktionsschutz des Kapitalmarktes gleichwertig mit dem institutionellen Gläubigerschutz ist. Demgegenüber muss der individuelle Gläubigerschutz gegenüber dem Funktionsschutz des Kapitalmarktes zurücktreten, nachdem für die einzelnen Gläubiger individuelle Absicherungsmöglichkeiten bestehen, der durch die Prospektveröffentlichung und Prospekthaftung verwirklichte Funktionsschutz des Kapitalmarktes aber nicht auf andere Weise verwirklicht werden kann. In diesen Fällen kann der Aktionär – wie im Gesetz vorgesehen – die Übernahme der Aktien durch die Gesellschaft Zug um Zug gegen Zahlung des Erwerbspreises, jedoch maximal des Ausgabebetrages, verlangen.31 Anders als vom Gesetzgeber wohl beabsichtigt, sollten in der Insolvenz der Gesellschaft die Ansprüche der Aktionäre dennoch nachrangig gegenüber den Ansprüchen der anderen Gläubiger sein. 11. Vergleichbares gilt, wenn ein Vertreter der Gesellschaft den Aktionär bei der Beteiligungsentscheidung vorsätzlich falsch informiert hat.32 Auch hier gelten die Beschränkungen des aktienrechtlichen Systems nicht, sondern die Gesellschaft haftet in vollem Umfang ohne Beschränkungen durch den Gläubigerschutz, das Verbot eigener Aktien o. ä. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass die Vorsatzhaftung der Deprivilegierung des Vorsatztäters dient. Der in den anderen Fällen angenommene insolvenzrechtliche Nachrang gilt hier nicht mehr, da Aktionäre, die vorsätzlich getäuscht werden, auf einer Stufe mit anderen Deliktsgläubigern und damit sämtlichen anderen Gläubigern stehen. 12. Das beschriebene aktienrechtliche System kann bei kapitalmarktinaktiven Gesellschaften durch einen Vertrag zwischen der Aktiengesellschaft und dem zukünftigen Aktionär erweitert werden.33 Die Beschränkung der Haftung auf die nicht-gläubigerschützenden Eigenkapitalbestandteile34 und das Verbot der Übernahme der Aktie durch die Gesellschaft35 können jedoch durch einen Vertrag nicht überwunden werden. Im Übrigen kann dabei hinsichtlich des Zustands der Gesellschaft das Gleiche 29  Zweiter 30  § 10  B.

31  § 10  D. 32  Dritter

Teil.

Teil. Teil. 34  § 12  D.I. 35  § 12  D.II. 33  Vierter

330 Zusammenfassung

vereinbart werden wie bei einem Unternehmens- oder Anteilskauf.36 Allerdings darf die Richtigkeit der Zusagen nur bis zum Zeitpunkt der Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung garantiert werden und nicht für einen späteren Zeitpunkt.37 Vereinbart werden kann außerdem, dass die Gesellschaft verschuldensunabhängig haftet.38

Geht der Vertrag über diesen zulässigen Rahmen hinaus, darf die Gesellschaft ihn nicht erfüllen. Lediglich die Vereinbarung einer Übernahme der Aktien durch die Gesellschaft hat gem. § 71 Abs. 4 S. 2 AktG eine Nichtigkeit der Abrede zur Folge. Da jedoch die Unzulässigkeit einzelner Vereinbarungen nicht dazu führt, dass die zum Handelsregister einzureichenden Dokumente anders zu gestalten wären, haben diese Regelungen auch keinen Einfluss auf die Gesetzmäßigkeit der Kapitalerhöhung. Dementsprechend ist das Handelsregister nicht befugt, wegen der fehlenden Vorlage des Vertrages die Eintragung der Kapitalerhöhung oder ihrer Durchführung zu verweigern.39

13. Mittels der von der Literatur vielfach vorgeschlagenen Gestaltungsvariante des „schuldrechtlichen Agios“ kann der Rahmen der Haftung nicht erweitert werden.40 Lediglich die Pflicht zur Einzahlung des vollständigen Agios vor Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung besteht in diesem Fall nicht. Im Übrigen ist die Vereinbarung eines schuldrechtlichen Agios grundsätzlich zulässig. Es ist jedoch im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit des Ausgabebetrages bei einer Anfechtung gem. § 255 Abs. 2 AktG nicht zu berücksichtigen, weshalb sich diese Gestaltungsvariante nur eignet, wenn eine Anfechtung nicht zu befürchten ist.41 Außerdem ist das schuldrechtliche Agio zur Verhinderung einer Agiotage nicht, wie vielfach vertreten, in die (ausschüttbare) Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB einzustellen, sondern wie das korporative Agio in die Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB.42 14. Aus diesen Ergebnissen kann man folgendes Fazit ziehen: Die beschriebenen Möglichkeiten einer Haftung der Gesellschaft gegenüber Aktionären erhöhen den Schutz der neuen Aktionäre, indem sie ihnen – zusätzlich zu einer möglichen Haftung des Vorstands – einen weiteren Schuldner zur Verfügung stellen, ohne die Gläubiger der Gesellschaft 36  § 13  B.

37  § 13  B.II.3. 38  § 13  B.II.2. 39  § 13  C. 40  § 14.

41  § 14  B.III. 42  § 14  B.IV.

Zusammenfassung 331

zu gefährden. Die Gesellschaft steht im schlechtesten Fall so da, als hätte sich der neue Aktionär zum Nennbetrag beteiligt. Diese Haftungsmöglichkeiten schwächen die Unterschiede der Haftung von kapitalmarktaktiven und kapitalmarktinaktiven Gesellschaften ab, die zur optimalen Verwirklichung des Anlegerschutzes, des Gläubigerschutzes und des Funktionsschutzes des Kapitalmarktes nicht erforderlich waren. Außerdem werden die Möglichkeiten einer vertraglichen Haftung denen eines Unternehmens- oder Anteilskaufs angenähert. Ziel der Haftung ist es – anders als in den Urteilen EM.TV und Comroad – nicht primär, bei einem vollständigen Wertverfall der Aktien den Verlust zu begrenzen oder nur auf schwerwiegende Täuschungen durch Gesellschaftsorgane zu reagieren. Vielmehr kann mit dieser Haftung, die grundsätzlich an jede schuldhafte Fehlinformation durch die Gesellschaft anknüpft, eine differenzierte Anpassung der Beteiligungssumme an den tatsäch­ lichen Wert der Beteiligung bewirkt werden. Diese Anpassung kann durch verschuldensunabhängige, vertragliche Garantien der Gesellschaft noch verbessert werden. In beiden Fällen entsteht auch bei geringen Abweichungen zwischen dem angenommenen und dem tatsächlichen Zustand des Unternehmens ein Anspruch des neuen Aktionärs. Auf diese Weise wird die wirtschaftliche Ausgewogenheit der Beteiligung gesichert, ohne die Interessen einer Partei einzuschränken.

Anhang: Frühere Gesetzesfassungen A. Börsengesetz § 38 BörsG – Stand 1896 (1) Nach Einreichung des Antrags auf Zulassung von Wertpapieren ist derselbe von der Zulassungsstelle unter Bezeichnung der Einführungsfirma, des Betrages sowie der Art der einzuführenden Wertpapiere zu veröffentlichen. Zwischen dieser Veröffentlichung und der Einführung an der Börse muß eine Frist von mindestens sechs Tagen liegen. (2)  Vor der Zulassung ist, sofern es sich nicht um deutsche Reichs- oder Staatsanleihen handelt, ein Prospekt zu veröffentlichen, welcher die für die Beurteilung des Wertes der einzuführenden Papiere wesentlichen Angaben enthält. Das Gleiche gilt für Konvertierungen und Kapitalserhöhungen. Der Prospekt muß den Betrag, welcher in den Verkehr gebracht, sowie den Betrag, welcher vorläufig vom Verkehr ausgeschlossen sein soll, ersichtlich machen. § 38 BörsG – Stand 1908 (1) Der Antrag auf Zulassung von Wertpapieren ist von der Zulassungsstelle unter Bezeichnung des Antragstellers, des Betrags sowie der Art der einzuführenden Wertpapiere zu veröffentlichen. Zwischen dieser Veröffentlichung und der Einführung an der Börse muß eine Frist von mindestens sechs Tagen liegen. (2)  Vor der Einführung an der Börse ist ein Prospekt zu veröffentlichen, der die für die Beurteilung der einzuführenden Wertpapiere wesentlichen Angaben enthält. Das Gleiche gilt für Konvertierungen und Kapitalserhöhungen. Wird der Antrag gestellt, ein an einer deutschen Börse eingeführtes Wertpapier an einer anderen Börse zuzulassen, so kann die Landesregierung auf Antrag der Zulassungsstelle genehmigen, daß von der Veröffentlichung eines Prospektes abgesehen wird. § 43 BörsG (1) Sind in einem Prospekt, auf Grund dessen Wertpapiere zum Börsenhandel zugelassen sind, Angaben, welche für die Beurteilung des Wertes erheblich sind, unrichtig, so haften diejenigen, welche den Prospekt erlassen haben, sowie diejenigen, von denen der Erlaß des Prospekts ausgeht, wenn sie die Unrichtigkeit gekannt haben oder ohne grobes Verschulden hätten kennen müssen, als Gesamtschuldner jedem Besitzer eines solchen Wertpapiers für den Schaden, welcher demselben aus der von den gemachten Angaben abweichenden Sachlage erwächst. Das Gleiche gilt, wenn der Prospekt infolge der Fortlassung wesentlicher Tatsachen unvollständig ist und diese Unvollständigkeit auf böslichem Verschweigen oder auf der böslichen Unterlassung einer ausreichenden Prüfung seitens derjenigen, welche den Prospekt erlassen haben, beruht.



Anhang: Frühere Gesetzesfassungen333

(2) Die Ersatzpflicht wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Prospekt die Angaben als von einem Dritten herrührend bezeichnet. § 44 BörsG (1)  Die Ersatzpflicht erstreckt sich nur auf diejenigen Stücke, welche auf Grund des Prospekts zugelassen und von dem Besitzer aufgrund eines im Inland abgeschlossenen Geschäfts erworben worden sind. (2)  Der Ersatzpflichtige kann der Ersatzpflicht dadurch genügen, daß er das Wertpapier gegen Erstattung des von dem Besitzer nachgewiesenen Erwerbspreises oder desjenigen Kurswertes übernimmt, den die Wertpapiere zur Zeit der Einführung hatten. (3) Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Besitzer des Papiers die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben des Prospekts bei dem Erwerbe kannte. Gleiches gilt, wenn der Besitzer des Papiers bei dem Erwerbe die Unrichtigkeit der Angaben des Prospekts bei Anwendung derjenigen Sorgfalt, welche er in eigenen Angelegenheiten beobachtet, kennen mußte, es sei denn, daß die Ersatzpflicht durch bösliches Verhalten begründet ist. § 45 BörsG Der Ersatzanspruch verjährt in fünf Jahren seit der Zulassung der Wertpapiere. § 46 BörsG (1)  Eine Vereinbarung, durch welche die nach den §§ 43 bis 46 begründete Haftung ermäßigt oder erlassen wird, ist unwirksam. (2) Weitergehende Ansprüche, welche nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts auf Grund von Verträgen erhoben werden können, bleiben unberührt.

B. Preußisches Gesetz über die Aktiengesellschaften in der Fassung vom 09. November 1843 § 15 Kein Aktionär ist schuldig, zu den Zwecken der Gesellschaft und zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeit mehr beizutragen, als den Nominalbetrag der Aktie; er kann aber auch, außer dem Falle der Auflösung der Gesellschaft, den eingezahlten Betrag niemals zurückfordern. § 16 Der Aktionär tritt für seine Person zu den Gläubigern der Gesellschaft nicht in das Verhältnis eines Schuldners, sondern bleibt, so weit der Betrag der Aktie noch nicht berichtigt ist, nur Schuldner der Gesellschaft. § 17 Die Gesellschaft darf das statutenmäßige Grundkapital durch Rückzahlung an die Aktionäre nicht verkleinern.

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Anhang: Frühere Gesetzesfassungen

Die Stipulation von Zinsen zu bestimmter Höhe ist nur für denjenigen, im Statute anzugebenden, Zeitraum zulässig, welchen die Vorbereitung des Unternehmens bis zum Anfange des vollen Betriebs erfordert. Von letzterem Zeitpunkte an darf unter die Aktionäre, sey es in Form von Zinsen oder Dividenden ein Mehreres als nach den Jahresabschlüssen sich an Überschuß ergiebt, nicht vertheilt werden.

C. Allgemeines deutsches Handelsgesetzbuch in der Fassung von 1861 Art. 216 Jeder Aktionär hat einen verhältnismäßigen Antheil an dem Vermögen der Gesellschaft. Er kann den eingezahlten Betrag nicht zurückfordern und hat, so lange die Gesellschaft besteht, nur einen Anspruch auf den reinen Gewinn, soweit dieser nach dem Gesellschaftsvertrage zur Vertheilung unter die Aktionäre bestimmt ist. Art. 217 Zinsen von bestimmter Höhe dürfen für die Aktionäre nicht bedungen, noch ausbezahlt werden; es darf nur dasjenige unter sie vertheilt werden, was sich nach der jährlichen Bilanz, und, wenn im Gesellschaftsvertrage die Innehaltung eines Reservekapitals bestimmt ist, nach Abzug desselben als reiner Ueberschuß ergiebt. Jedoch können für den in dem Gesellschaftsvertrage angegebenen Zeitraum, welchen die Vorbereitung des Unternehmens bis zum Anfange des vollen Betriebs erfordert, die Aktionären Zinsen von bestimmter Höhe bedungen werden. Art. 218 Der Aktionär ist in keinem Falle verpflichtet, die in gutem Glauben empfangenen Zinsen und Dividenden zurückzugeben. Art. 219 Der Aktionär ist nicht schuldig, zu den Zwecken der Gesellschaft und zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten mehr beizutragen, als den für die Aktie statutenmäßig zu leistenden Beitrag. Art. 222 Wenn die Aktien oder Aktienantheile auf Inhaber gestellt werden, so kommen folgende Grundsätze zur Anwendung: 1) Die Ausgabe der Aktien darf vor Einzahlung des ganzen Nominalbetrages derselben nicht erfolgen; ebensowenig dürfen über die geleisteten Partialzahlungen Promessen oder Interimsscheine, welche auf den Inhaber lauten, ausgestellt werden. 2) Der Zeichner der Aktie ist für die Einzahlung von 40 Prozent des Nominalbetrages der Aktie unbedingt verhaftet; von dieser Verpflichtung kann derselbe weder durch Uebertragung seines Anrechts auf einen Dritten sich befreien, noch Seitens



Anhang: Frühere Gesetzesfassungen335 der Gesellschaft entbunden werden; wird der Zeichner der Aktie, wegen verzögerter Einzahlung, seines Anrechts aus der Zeichnung verlustig erklärt (Art. 220), so bleibt er dessenungeachtet zur Einzahlung von 40 Prozent des Nominalbetrages der Aktie verpflichtet.

3) Im Gesellschaftsvertrag kann bestimmt werden, dass und unter welchen Maassgaben nach erfolgter Einzahlung von 40 Prozent die Befreiung des Zeichners von der Haftung für weitere Einzahlungen zulässig sei, und dass im Falle der eingetretenen Befreiung über die geleisteten Einzahlungen Promessen oder Interimsscheine, welche auf den Inhaber lauten, ausgestellt werden dürfen. Art. 248 Eine theilweise Zurückzahlung des Grundcapitals an die Actionäre kann nur auf Beschluss der Generalversammlung erfolgen; dieser Beschluß bedarf zu seiner Gültigkeit der staatlichen Genehmigung. Die Zurückzahlung kann nur unter Beobachtung derselben Bestimmungen erfolgen, welche für die Vertheilung des Gesellschaftsvermögens im Falle der Auflösung maaßgebend sind (Art. 243, 245). Die Mitglieder des Vorstands, welche dieser Vorschrift entgegenhandeln, sind den Gläubigern der Gesellschaft persönlich und solidarisch verhaftet.

D. Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch in der Fassung vom 11. Juni 1870 Art. 216 Jeder Aktionair hat einen verhältnissmäßigen Antheil an dem Vermögen der Gesellschaft.1 Er kann den eingezahlten Betrag nicht zurückfordern und hat, so lange die Gesellschaft besteht, nur einen Anspruch auf den reinen Gewinn, soweit dieser nach dem Gesellschaftsvertrage zur Vertheilung unter die Aktionäre bestimmt ist. Art. 217 Zinsen von bestimmter Höhe dürfen für die Aktionaire nicht bedungen noch ausbezahlt werden; es darf nur dasjenige unter sie vertheilt werden, was sich nach der jährlichen Bilanz und, wenn im Gesellschaftsvertrage die Innehaltung eines Reservekapitals bestimmt ist, nach Abzug desselben als reiner Ueberschuss über die volle Einlage ergiebt. Die Aktionaire können bis zur Wiederergänzung des durch Verlust geminderten Gesammtbetrages der Einlagen Dividenden nicht beziehen. Jedoch können für den im Gesellschaftsvertrage angegebenen Zeitraum, welchen die Vorbereitung des Unternehmens bis zum Anfang des vollen Betriebes erfordert, die Aktionairen Zinsen von bestimmter Höhe bedungen werden. 1  Artt. zitiert nach Schubert / Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht (1985), S. 107 ff. (118).

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Anhang: Frühere Gesetzesfassungen

Art. 218 Der Aktionair ist in keinem Falle verpflichtet, die in gutem Glauben empfangenen Zinsen und Dividenden zurückzugeben. Art. 219 Der Aktionair ist nicht schuldig, zu den Zwecken der Gesellschaft und zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten mehr beizutragen, als den für die Aktie statutenmäßig zu leistenden Beitrag. Art. 222 Wenn die Aktien oder Aktienanteile auf Inhaber gestellt werden, so kommen folgende Grundsätze zur Anwendung: 1) Die Ausgabe der Aktien darf vor Einzahlung des ganzen Nominalbetrages derselben nicht erfolgen; ebensowenig dürfen über die geleisteten Partialzahlungen Promessen oder Interimsscheine, welche auf den Inhaber lauten, ausgestellt werden. 2) Der Zeichner der Aktie ist für die Einzahlung von 40 Prozent des Nominalbetrages der Aktie unbedingt verhaftet; von dieser Verpflichtung kann derselbe weder durch Uebertragung seines Anrechts auf einen Dritten sich befreien, noch Seitens der Gesellschaft entbunden werden; wird der Zeichner der Aktie, wegen verzögerter Einzahlung, seines Anrechts aus der Zeichnung verlustig erklärt (Art. 220), so bleibt er dessenungeachtet zur Einzahlung von 40 Prozent des Nominalbetrages der Aktie verpflichtet. 3) Im Gesellschaftsvertrag kann bestimmt werden, dass und unter welchen Maassgaben nach erfolgter Einzahlung von 40 Prozent die Befreiung des Zeichners von der Haftung für weitere Einzahlungen zulässig sei, und dass im Falle der eingetretenen Befreiung über die geleisteten Einzahlungen Promessen oder Interimsscheine, welche auf den Inhaber lauten, ausgestellt werden dürfen. Diejenigen Landesgesetze, welche die Höhe der Einzahlung (Art. 222, Ziffer 2 und 3) auf 25 Prozent des Nominalbetrages der Aktie herabgesetzt haben, werden hierdurch nicht berührt. Art. 248 Eine theilweise Zurückzahlung des Grundcapitals an die Actionäre oder eine Herabsetzung desselben kann nur auf Beschluss der Generalversammlung erfolgen. Die Zurückzahlung oder Herabsetzung kann nur unter Beobachtung derselben Bestimmungen erfolgen, welche für die Vertheilung des Gesellschaftsvermögens im Falle der Auflösung maaßgebend sind (Art. 243, 245). Die Mitglieder des Vorstands, welche dieser Vorschrift entgegenhandeln, sind den Gläubigern der Gesellschaft persönlich und solidarisch verhaftet. Art. 239a Für die Aufstellung der Bilanz sind folgende Vorschriften maaßgebend:



Anhang: Frühere Gesetzesfassungen337

1) kurshabende Papiere dürfen höchstens zu dem Kurswert, welche dieselben zur Zeit der Bilanzaufstellung haben, abgesetzt werden; 2) die Kosten der Organisation und Verwaltung dürfen nicht unter die Aktiva aufgeführt werden, müssen vielmehr ihrem vollen Betrage nach in der Jahresrechnung als Ausgabe erscheinen; 3) der Betrag des Grundkapitals und des etwa im Gesellschaftsvertrage vorgeschriebenen Reserve- oder Erneuerungsfonds ist unter die Passiva aufzunehmen; 4) der aus der Vergleichung sämmtlicher Aktiva uns sämmtlicher Passiva sich ergebende Gewinn oder Verlust muss am Schlusse der Bilanz besonders angegeben werden.

E. Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch in der Fassung vom 18. Juli 1884 Art. 209e Werden nicht sämtliche Aktien durch die Gründer übernommen, so muss der Errichtung der Gesellschaft die Zeichnung der übrigen Aktien vorhergehen. Die Zeichnung erfolgt durch schriftliche Erklärung, aus welcher die Betheiligung nach Anzahl und, im Falle einer Verschiedenheit der Aktien, auch nach Betrag, Art oder Gattung derselben hervorgehen muss. Die Erklärung (Zeichnungsschein), welche in zwei Exemplaren unterzeichnet werden soll, hat zu enthalten: 1. das Datum des Statuts, die im Artikel 209 Absatz 2, 209b vorgesehenen Festsetzungen und im Falle verschiedener Gattungen von Aktien den Gesammtbetrag einer jeden; 2. den Namen, Stand und Wohnort der Gründer, 3. den Betrag, für welchen die Ausgabe der Aktie stattfindet, und den Betrag der festgesetzten Einzahlungen, 4. den Zeitpunkt, mit dessen Eintritt die Zeichnung unverbindlich wird, sofern nicht bis dahin die Errichtung der Gesellschaft beschlossen ist. Zeichnungsscheine, welche diesen Inhalt nicht vollständig haben oder außer dem unter Ziffer 4 bezeichneten Vorbehalte Beschränkungen in der Verpflichtung des Zeichners enthalten, sind ungültig. Ist ungeachtet eines hiernach ungültigen Zeichnungsscheins die Eintragung des Gesellschaftsvertrages in das Handelsregister erfolgt, so ist der Zeichner, wenn er auf Grund einer dem ersten Absatze einsprechenden Erklärung in der zur Beschlussfassung über die Errichtung der Gesellschaft berufenen Generalversammlung gestimmt oder später als Aktionär Rechte ausgeübt oder Verpflichtungen erfüllt hat, der Gesellschaft wie aus einem gültigen Zeichnungsscheine verpflichtet.2 Jede nicht im Zeichnungsscheine enthaltene Beschränkung ist der Gesellschaft gegenüber unwirksam. 2  Diese Fiktion war im Entwurf vom März 1884 noch nicht enthalten, auf dem die Begründung beruht.

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Art. 215a Eine Erhöhung des Grundkapitals der Gesellschaft darf nicht vor der vollen Einzahlung desselben erfolgen. Für Versicherungsgesellschaften kann der Gesellschaftsvertrag ein Anderes bestimmen. Über die Erhöhung hat die Generalversammlung zu beschließen. Für die neu auszugebenden Aktien kann die Leistung eines höheren als des Nominalbetrages festgesetzt werden; der Beschluss hat den Mindestbetrag zu bezeichnen, für welchen die Aktien auszugeben sind. Ein geringerer als der Nominalbetrag darf nicht festgesetzt werden3; der Beschluss hat den Mindestbetrag zu bezeichnen, für welchen die Aktien auszugeben sind. Ein geringerer als der Nominalbetrag darf nicht festgesetzt werden. Die Beschlussfassung unterliegt den Vorschriften im Artikel 215 Absatz 2 und 6. Der Beschluss ist in das Handelsregister einzutragen. Die Anmeldung hat die Angabe zu enthalten, daß das bisherige Grundkapital eingezahlt sei, für Versicherungsgesellschaften, inwieweit die Einzahlung desselben stattgefunden habe. Auf die Eintragung finden die Vorschriften im Artikel 214 Anwendung. Eine Zusicherung von Rechten auf den Bezug neu auszugebender Aktien, welche vor dem Beschlusse auf Erhöhung des Grundkapitals erfolgt, ist der Gesellschaft gegenüber unwirksam. Art. 216 Jeder Aktionär hat einen verhältnismäßigen Antheil an dem Vermögen der Gesellschaft. Er kann den eingezahlten Betrag nicht zurückfordern und hat, solange die Gesellschaft besteht, nur einen Anspruch auf den reinen Gewinn, soweit dieser nach dem Gesellschaftsvertrage zur Vertheilung unter die Aktionäre bestimmt ist. Art. 217 Zinsen von bestimmter Höhe dürfen für die Aktionäre nicht bedungen, noch ausbezahlt werden; es darf nur dasjenige unter sie vertheilt werden, was sich nach der jährlichen Bilanz als reiner Gewinn ergiebt. Jedoch können für den in dem Gesellschaftsvertrage angegebenen Zeitraum, welchen die Vorbereitung des Unternehmens bis zum Anfange des vollen Betriebes erfordert, den Aktionären Zinsen von bestimmter Höhe bedungen werden. Art. 218 Der Aktionär ist in keinem Falle verpflichtet, die in gutem Glauben empfangenen Zinsen und Dividenden zurückzugeben. Art. 219 Die Verpflichtung des Aktionärs, zu den Zwecken der Gesellschaft und zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten beizutragen, wird durch den Nominalbetrag der Aktie, 3  Im Entwurf vom März 1884 war noch vorgesehen, dass nur in den ersten zwei Jahren keine Unter-Pari-Emission möglich sein sollte.



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in den Fällen der Artikel 209a Ziffer 2, 215a Absatz 2 durch den Betrag, für welchen die Aktie ausgegeben ist, begrenzt. Rücksichtlich der Einzahlung der auf die Aktie zu leistenden Beträge, sowie rücksichtlich einer zu leistenden Einlage finden die Bestimmungen der Artikel 184 bis 184e auf den Aktionär und die Rechtsvorgänger desselben Anwendung. (Art. 184a Im Falle verzögerter Einzahlung kann die an die säumigen Gesellschafter eine erneute Aufforderung zur Zahlung unter Androhung ihres Ausschlusses mit dem Antheilsrechte erlassen werden. Die Aufforderung hat mindestens dreimal durch Bekanntmachung in den hierzu bestimmten öffentlichen Blättern, die erste Bekanntmachung mindestens drei Monate und die letzte Bekanntmachung mindestens vier Wochen vor Ablauf der für die Einzahlung gesetzten Nachfrist zu erfolgen. Statt der Bekanntmachungen in den öffentlichen Blättern genügt, falls das Antheilsrecht nicht ohne Einwilligung der Gesellschaft übertragbar ist, die Bekanntmachung der Aufforderung mit einer vier Wochen übersteigenden Nachfrist durch besonderen Erlaß an die säumigen Gesellschafter. Ein Gesellschafter, welcher den auf die Aktie zu leistenden Beitrag nicht einzahlt, obwohl die im vorstehenden Absatze bezeichnete Aufforderung stattgefunden hat, ist seiner Anrechte aus der Zeichnung verlustig zu erklären. Die den Ausschluß bewirkende Erklärung erfolgt mittels Bekanntmachung durch die hierzu bestimmten öffentlichen Blätter. An Stelle der bisherigen Urkunde ist eine neue auszugeben, welche außer den früher geleisteten Theilzahlungen den eingeforderten Betrag zu umfassen hat. Wegen des Ausfalls, welchen die Gesellschaft an diesem Betrage oder an den später eingeforderten Beträgen erleidet, bleibt ihr der ausgeschlossene Gesellschafter verhaftet. Von den vorstehenden Rechtsfolgen kann der Gesellschafter nicht befreit werden.) Art. 239b Die Vorschriften der Artikel 185a, 185b, 185c über die Bilanz und den Reservefonds finden entsprechende Anwendung. (Art. 185b Zur Deckung eines aus der Bilanz sich ergebenden Verlustes ist ein Reservefond zu bilden, in diesen ist einzustellen: 1. von dem jährlichen Reingewinne mindestens der zwanzigste Theil solange, als der Reservefonds den zehnten oder den im Gesellschaftsvertrage bestimmten höheren Theil des Gesammtkapitals nicht überschreitet; 2. der Gewinn, welcher bei der Errichtung der Gesellschaft oder einer Erhöhung des Gesammtkapitals durch Ausgabe von Aktien für einen höheren als den Nominalbetrag erzielt wird.)

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F. Handelsgesetzbuch in der Fassung des Gesetzes vom 10. Mai 1897 § 184 Für einen geringeren als den Nennbetrag dürfen Aktien nicht ausgegeben werden. Die Ausgabe für einen höheren Betrag ist statthaft, wenn sie im Gesellschaftsvertrage zugelassen ist. § 189 Übernehmen die Gründer nicht alle Aktien, so hat der Errichtung der Gesellschaft die Zeichnung der übrigen Aktien vorherzugehen. Die Zeichnung erfolgt durch schriftliche Erklärung, aus der die Beteiligung nach Anzahl und, falls verschiedene Aktien ausgegeben werden, nach dem Betrag oder der Gattung der Aktien hervorgehen muss. Die Erklärung (Zeichnungsschein) soll doppelt ausgestellt werden; sie hat zu enthalten: 1. den Tag der Feststellung des Gesellschaftsvertrages, die im § 182 Abs. 2 und im § 186 vorgesehenen Festsetzungen und, wenn mehrere Gattungen von Aktien mit verschiedener Berechtigung ausgegeben werden, den Gesamtbetrag einer jeden; 2. den Namen, Stand und Wohnort der Gründer, 3. den Betrag, für welchen die Ausgabe der Aktie stattfindet, und den Betrag der festgesetzten Einzahlungen, 4. den Zeitpunkt, in welchem die Zeichnung unverbindlich wird, sofern nicht bis dahin die Errichtung der Gesellschaft beschlossen ist. Zeichnungsscheine, welche diesen Inhalt nicht vollständig haben oder außer dem unter Nr. 4 bezeichneten Vorbehalte Beschränkungen in der Verpflichtung des Zeichners enthalten, sind nichtig. Erfolgt ungeachtet eines hiernach nichtigen oder wegen verspäteter Errichtung der Gesellschaft unverbindlichen Zeichnungsscheins die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister, so ist der Zeichner, wenn er auf Grund einer dem Abs. 2 einsprechenden Erklärung in der Generalversammlung, die zur Beschlussfassung über die Gesellschaft berufen wird, stimmt oder später als Aktionär Rechte ausübt oder Verpflichtungen erfüllt, der Gesellschaft wie aus einem gültigen Zeichnungsscheine verpflichtet. Jede nicht im Zeichnungsschein enthaltene Beschränkung ist der Gesellschaft gegenüber unwirksam. § 211 Die Verpflichtung des Aktionärs zur Leistung von Kapitaleinlagen wird durch den Nennbetrag der Aktie und, falls der Ausgabebetrag höher ist, durch diesen begrenzt. § 213 Die Aktionäre können ihre Einlagen nicht zurückfordern; sie haben, solange die Gesellschaft besteht, nur Anspruch auf den Reingewinn, soweit dieser nicht



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nach dem Gesetz oder dem Gesellschaftsvertrage von der Verteilung ausgeschlossen ist. § 214 Die Anteile am Gewinne bestimmen sich nach dem Verhältnisse der Aktien­ beträge. Sind die Einzahlungen nicht auf alle Aktien in dem selben Verhältnisse geleistet, so erhalten die Aktionäre aus dem verteilbaren Gewinne vorweg einen Betrag von vier vom Hundert der geleisteten Einzahlungen; reicht der Jahresgewinn hierzu nicht aus, so bestimmt sich der Betrag nach einem entsprechend niedrigeren Satze. Einzahlungen, die im Laufe des Geschäftsjahres zu leisten waren, werden nach dem Verhältnisse zu der Zeit berücksichtigt, welche seit dem für die Leistung bestimmten Zeitpunkte verstrichen ist. Im Gesellschaftsvertrage kann eine andere Art der Gewinnverteilung vorgesehen werden. § 215 Zinsen von bestimmter Höhe dürfen für die Aktionäre weder bedungen noch ausbezahlt werden; es darf nur dasjenige unter sie verteilt werden, was sich nach der jährlichen Bilanz als Reingewinn ergibt. Für den Zeitraum, welchen die Vorbereitung des Unternehmens bis zum Anfange des vollen Betriebs erfordert, können den Aktionären Zinsen von bestimmter Höhe bedungen werden; der Gesellschaftsvertrag muss den Zeitpunkt bezeichnen, in welchem die Entrichtung von Zinsen spätestens aufhört. § 217 Die Aktionäre haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, soweit sie den Vorschriften dieses Gesetzbuchs entgegen Zahlungen von der Gesellschaft empfangen haben. Was ein Aktionär in gutem Glauben als Gewinnanteil oder als Zinsen bezogen hat, ist er in keinem Falle zurückzuzahlen verpflichtet. Ist über das Vermögen der Gesellschaft der Konkurs eröffnet, so wird während der Dauer des Verfahrens das den Gesellschaftsgläubigern gegen die Aktionäre zustehende Recht durch den Konkursverwalter ausgeübt. Die nach diesen Vorschriften begründeten Ansprüche verjähren in fünf Jahren vom Empfange der Zahlung an. § 262 Zur Deckung eines aus der Bilanz sich ergebenden Verlustes ist ein Reservefonds zu bilden. In diesen ist einzustellen: 1. von dem jährlichen Reingewinne mindestens der zwanzigste Theil so lange, als der Reservefonds den zehnten oder den im Gesellschaftsvertrage bestimmten höheren Theil des Grundkapitals nicht überschreitet; 2. der Betrag, welcher bei der Errichtung der Gesellschaft oder bei einer Erhöhung des Grundkapitals durch Ausgabe der Aktien für einen höheren als den Nennbe-

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trag über diesen und über den Betrag der durch die Ausgabe entstehenden Kosten hinaus erzielt wird; 3. der Betrag von Zuzahlungen, die ohne Erhöhung des Grundkapitals von Aktionären gegen Gewährung von Vorzugsrechten für ihre Aktien geleistet werden, soweit nicht eine Verwendung dieser Zahlungen zu außerordentlichen Abschreibungen oder zur Deckung außerordentlicher Verluste beschlossen wird. § 278 Eine Erhöhung des Grundkapital durch Ausgabe neuer Aktien soll nicht vor der vollen Einzahlung des bisherigen Kapitals erfolgen. Für Versicherungsgesellschaften kann im Gesellschaftsvertrag ein Anderes bestimmt werden. Durch Rückstände, die auf einen verhältnismäßig unerheblichen Teil der eingeforderten Einzahlung verblieben sind, wird die Erhöhung des Grundkapitals nicht verhindert. Sind mehrere Gattungen von Aktien mit verschiedener Berechtigung vorhanden, so bedarf es neben dem Beschlusse der Generalversammlung eines in gesonderter Abstimmung gefassten Beschlusses der Aktionäre jeder Gattung; auf diese Beschlussfassung finden die Vorschriften des § 275 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Anwendung. Sollen die auf die Kapitalserhöhung entfallenden neuen Aktien für einen höheren als den Nennbetrag ausgegeben werden, so ist der Mindestbetrag, unter dem die Ausgabe nicht erfolgen soll, in dem Beschluss über die Erhöhung des Grundkapitals festzusetzen.

G. Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien vom 30. Januar 1937 § 49 – Hauptverpflichtungen der Aktionäre (1) Die Verpflichtung der Aktionäre zur Leistung der Einlagen wird durch den Nennbetrag oder den höheren Ausgabebetrag der Aktien begrenzt. (2)  Soweit nicht in der Satzung Sacheinlagen bedungen sind, haben die Aktionäre den Nennbetrag oder den höheren Ausgabebetrag der Aktien einzuzahlen. (3) Der vor der Anmeldung der Gesellschaft eingeforderte Betrag (§ 28 Abs. 2) kann nur in gesetzlichen Zahlungsmitteln oder durch Gutschrift auf ein Bankkonto im Inland oder Postscheckkonto der Gesellschaft oder des Vorstands zu seiner freien Verfügung eingezahlt werden. Forderungen des Vorstands aus diesen Einzahlungen gegen Banken oder die Reichspost gelten als Forderungen der Gesellschaft. § 52 – Keine Rückgewähr der Einlagen Den Aktionären dürfen die Einlagen nicht zurückgewährt werden; sie haben, solange die Gesellschaft besteht, nur Anspruch auf den Reingewinn, der sich aus der Jahresbilanz ergibt, soweit er nicht nach Gesetz oder Satzung von der Verteilung ausgeschlossen ist. Als Rückgewähr von Einlagen gilt nicht die Zahlung des Er­ werbs­preises beim zulässigen Erwerb eigener Aktien.



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§ 53 – Gewinnbeteiligung der Aktionäre (1)  Die Anteile am Gewinn bestimmen sich nach dem Verhältnis der Aktiennennbeträge. (2) Sind die Einlagen auf das Grundkapital nicht auf alle Aktien in demselben Verhältnis geleistet, so erhalten die Aktionäre aus dem verteilbaren Gewinn vorweg einen Betrag von vier vom Hundert der geleisteten Einlage; reicht der Gewinn dazu nicht aus, so bestimmt sich der Betrag nach einem entsprechend niedrigeren Satz. Einlagen, die im Laufe des Geschäftsjahres geleistet wurden, werden nach dem Verhältnis der Zeit berücksichtigt, die seit der Leistung verstrichen ist. (3)  Die Satzung kann eine andere Art der Gewinnverteilung bestimmen. § 54 – Keine Verzinsung der Einlagen (1)  Unter die Aktionäre darf nur der aus der Jahresbilanz sich ergebende Reingewinn verteilt werden; Zinsen dürfen ihnen weder zugesagt noch ausgezahlt werden. (2) Für den Zeitraum, den die Vorbereitung des Unternehmens bis zum Anfang des vollen Betriebs erfordert, können den Aktionären Zinsen von bestimmter Höhe zugesagt werden; die Satzung muß den Zeitpunkt bestimmen, mit dem die Entrichtung von Zinsen spätestens aufhört. § 55 – Vergütung von Nebenleistungen (…) § 56 – Haftung der Aktionäre beim Empfang verbotener Zahlungen (1) Die Aktionäre haften den Gläubigern für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, soweit sie entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes Zahlungen von der Gesellschaft empfangen haben. Dies gilt nicht, soweit sie Beträge in gutem Glauben als Gewinnanteile oder Zinsen bezogen haben. (2)  Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet, so übt während dessen Dauer der Konkursverwalter das Recht der Gesellschaftsgläubiger gegen die Aktionäre aus. (3)  Die Gesellschaft kann Beträge nicht zurückfordern, die die Aktionäre in gutem Glauben als Gewinnanteile oder Zinsen bezogen haben. (4) Die Ansprüche nach diesen Vorschriften verjähren in fünf Jahren seit dem Empfang der Zahlung. § 130 – Gesetzliche Rücklage (1)  Es ist eine gesetzliche Rücklage zu bilden. (2)  In diese sind außer den Beträgen, deren Einstellung in die gesetzliche Rücklage für den Fall der Kapitalherabsetzung nach den §§ 185, 192 Abs. 5 vorgeschrieben ist, einzustellen: 1. der Betrag, der mindestens dem zwanzigsten Teil des jährlichen Reingewinns entspricht, so lange, wie die Rücklage nicht den zehnten oder den in der Satzung bestimmten höheren Teil des Grundkapitals erreicht;

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Anhang: Frühere Gesetzesfassungen

2. der Betrag, der bei der ersten oder einer späteren Ausgabe von Aktien für einen höheren Betrag als den Nennbetrag über diesen und den Betrag der durch die Ausgabe entstehenden Kosten hinaus erzielt wird; 3. der Betrag, der bei er bedingten Kapitalerhöhung durch Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen für einen höheren Betrag als den Nennbetrag der Bezugsaktien über diesen und den Betrag der durch die Ausgabe der Schuldverschreibungen und der Bezugsaktien entstehenden Kosten hinaus erzielt wird, es sei denn, daß der Gesamtnennbetrag der Bezugsaktien zuzüglich der durch ihre Ausgabe sowie die Ausgabe der Schuldverschreibungen entstehenden Kosten den Gesamtbetrag erreicht oder übersteigt, zu dem die Schuldverschreibungen ausgegeben werden; 4. der Betrag von Zuzahlungen, die Aktionäre gegen Gewährung eines Vorzugs für ihre Aktien leisten. (3)  Die gesetzliche Rücklage darf nur zum Ausgleich von Wertminderungen und zur Deckung von sonstigen Verlusten verwandt werden. Der Verwendung der ge­ setzlichen Rücklage steht nicht entgegen, daß freie, zum Ausgleich von Wertminderungen und zur Deckung von sonstigen Verlusten bestimmte Rücklagen vorhanden sind.

H. Aktiengesetz vom 06. September 1965 § 54 – Hauptverpflichtung der Aktionäre (1) Die Verpflichtung der Aktionäre zur Leistung der Einlagen wird durch den Nennbetrag oder den höheren Ausgabebetrag der Aktien begrenzt. (2) Soweit nicht in der Satzung Sacheinlagen festgesetzt sind, haben die Aktionäre den Nennbetrag oder den höheren Ausgabebetrag der Aktien einzuzahlen. (3) Der vor der Anmeldung der Gesellschaft eingeforderte Betrag kann nur in gesetzlichen Zahlungsmitteln, in von der Deutschen Bundesbank bestätigten Schecks, durch Gutschrift auf ein Konto im Inland bei der Deutschen Bundesbank oder einem Kreditinstitut oder auf ein Postscheckkonto der Gesellschaft oder des Vorstands zu seiner freien Verfügung eingezahlt werden. Forderungen des Vorstands aus diesen Einzahlungen gelten als Forderungen der Gesellschaft. § 57 – Keine Rückgewähr, keine Verzinsung der Einlagen (1)  Den Aktionären dürfen die Einlagen nicht zurückgewährt werden. Als Rückgewähr von Einlagen gilt nicht die Zahlung des Erwerbspreises beim zulässigen Erwerb eigener Aktien. (2)  Den Aktionären dürfen Zinsen weder zugesagt noch ausgezahlt werden. (3) Für den Zeitraum, den die Vorbereitung des Unternehmens bis zum Anfang des vollen Betriebs erfordert, können den Aktionären in der ursprünglichen Satzung Zinsen von bestimmter Höhe zugesagt werden. Die Satzung muss den Zeitpunkt bezeichnen, mit dem die Entrichtung von Zinsen spätestens aufhört.



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§ 58 – Verwendung des Jahresüberschusses (1) Die Satzung kann für den Fall, daß die Hauptversammlung den Jahresabschluss feststellt, bestimmen, daß Beträge aus dem Jahresüberschuss in freie Rücklagen einzustellen sind. Auf Grund einer solchen Satzungsbestimmung kann höchstens die Hälfte des Jahresüberschusses in freie Rücklagen eingestellt werden. Dabei sind Beträge, die in die gesetzliche Rücklage einzustellen sind, und ein Verlustvortrag vorab vom Jahresüberschuss abzuziehen. (2) Stellen Vorstand und Aufsichtsrat den Jahresabschluss fest, so können sie einen Teil des Jahresüberschusses, höchstens jedoch die Hälfte, in freie Rücklagen einstellen. Die Satzung kann Vorstand und Aufsichtsrat zur Einstellung eines größeren Teils als der Hälfte des Jahresüberschusses ermächtigen. Auf Grund einer solchen Satzungsbestimmung dürfen Vorstand und Aufsichtsrat keine Beträge in freie Rücklagen einstellen, wenn die freien Rücklagen die Hälfte des Grundkapitals übersteigen oder soweit sie nach der Einstellung die Hälfte übersteigen würden. Absatz 1 Satz 3 gilt sinngemäß. (3)  Die Hauptversammlung kann im Beschluss über die Verwendung des Bilanzgewinns weitere Beträge in offene Rücklagen einstellen oder als Gewinn vortragen. Sie kann ferner, wenn die Satzung sie hierzu ermächtigt, auch eine andere Verwendung als nach Satz 1 oder als die Verteilung unter die Aktionäre beschließen. (4) Die Aktionäre haben Anspruch auf den Bilanzgewinn, soweit er nicht nach Gesetz oder Satzung, durch Hauptversammlungsbeschluss nach Absatz 3 oder als zusätzlicher Aufwand auf Grund des Gewinnverwendungsbeschlusses von der Verteilung unter die Aktionäre ausgeschlossen ist. (5) Vor der Auflösung der Gesellschaft darf unter die Aktionäre nur der Bilanzgewinn verteilt werden. § 62 – Haftung der Aktionäre beim Empfang verbotener Leistungen (1) Die Aktionäre haben von der Gesellschaft Leistungen, die sie entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes von ihr empfangen haben, zurückzugewähren. Haben sie Beträge als Gewinnanteile oder Zinsen bezogen, so besteht die Verpflichtung nur, wenn se wußten oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht wußten, dass se zum Bezuge nicht berechtigt waren. Ist streitig, ob die Voraussetzungen des Satzes 2 vorliegen, so trifft die Beweislast die Aktionäre. (2) Der Anspruch der Gesellschaft kann auch von den Gläubigern der Gesellschaft geltend gemacht werden, soweit sie von dieser keine Befriedigung erlangen können. Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet, so übt während dessen Dauer der Konkursverwalter das Recht der Gesellschaftsgläubiger gegen die Aktionäre aus. § 150 – Gesetzliche Rücklage (1)  Es ist eine gesetzliche Rücklage zu bilden. (2)  In diese sind außer den Beträgen, deren Einstellung in die gesetzliche Rücklage für den Fall der Kapitalherabsetzung nach den §§ 232, 237 Abs. 5 oder nach anderen Vorschriften vorgeschrieben ist, einzustellen

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Anhang: Frühere Gesetzesfassungen

1. der zwanzigste Teil des um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderten Jahresüberschusses, bis die Rücklage den zehnten oder den in der Satzung bestimmten höheren Teil des Grundkapitals erreicht; 2. der Betrag, der bei der Ausgabe von Aktien einschließlich von Bezugsaktien über den Nennbetrag der Aktien hinaus erzielt wird; 3. der Betrag, der bei der Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen über ihren Rückzahlungsbetrag hinaus erzielt wird; 4. der Betrag von Zuzahlungen, die Aktionäre gegen Gewährung eines Vorzugs für ihre Aktien leisten. (3) Übersteigt die gesetzliche Rücklage nicht den zehnten oder den in der Satzung bestimmten höheren Teil des Grundkapitals, so darf sie nur verwandt werden 1. zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrags, soweit er nicht durch einen Gewinnvortrag aus dem Vorjahr gedeckt ist und nicht durch Auflösung freier Rücklagen ausgeglichen werden kann; 2. zum Ausgleich eines Verlustvortrags aus dem Vorjahr, soweit er nicht durch einen Jahresüberschuß gedeckt ist und nicht durch Auflösung freier Rücklagen ausgeglichen werden kann. (4) Übersteigt die gesetzliche Rücklage den zehnten oder den in der Satzung bestimmten höheren Teil des Grundkapitals, so darf der übersteigende Betrag verwandt werden 1. zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrags, soweit er nicht durch einen Gewinnvortrag aus dem Vorjahr gedeckt ist; 2. zum Ausgleich eines Verlustvortrags aus dem Vorjahr, soweit er nicht durch einen Jahresüberschuß gedeckt ist; 3. zur Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln nach § 207 bis 220. Die Verwendung nach Nummern 1 und 2 ist nicht zulässig, wenn gleichzeitig freie Rücklagen zur Gewinnausschüttung aufgelöst werden.

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Sachverzeichnis Ad-hoc-Mitteilungen, Haftung für fehler­hafte  24, 56, 218, 231, 240, 242 Agio  93, 101, 114, 129 Agiotage  94, 105, 115, 134, 149, 322 AktG 1937  103 AktG 1965  105 Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch  87, 91, 214 Allgemein-zivilrechtliche Prospekt­ haftung –– Meinungsstand zum Verhältnis zur Vermögensbindung  56 –– Umfang der Haftung  32 Anfechtung der Zeichnung  75, 102, 175 Anfechtung des Kapitalerhöhungs­ beschlusses  107, 138, 312, 319 Anfechtung wegen arglistiger Täuschung  254 Anlegerschutz  229 Ansprüche der Gesellschaft gegen den Investor  140 Ansprüche, die das verfügbare Eigen­ kapital übersteigen  193 Austritt aus wichtigem Grund  173 Befreiungsverbot  159, 281 Bestandskraft des Zeichnungsvertrages  175 Bilanzgewinn  124, 128 Bilanzierung einer Forderung eines Aktionärs gegen die Gesellschaft  199 BiRiLiG  105, 108 c.i.c. –– Meinungsstand zum Verhältnis zur Vermögensbindung  56

–– Umfang der Haftung  40 –– Vertragsanpassung  190 Comroad-Entscheidungen    55, 218, 226 Darlehen an den Gesellschafter  279 Deliktische Ansprüche  42, 224, 238 –– Meinungsstand zum Verhältnis zur Vermögensbindung  56 Derivativer Erwerb  47, 156, 168, 177, 218, 220, 226, 271 Doppelschaden  187, 269, 300 Drittes Finanzmarktförderungsgesetz  53, 216, 225 Drittvergleich  60, 284 Due diligence  162, 302 Eigene Aktien  113, 172, 186 Einlage zur freien Verfügung des Vorstands  158, 272 Emissionsbank, Abrede mit  62, 263 EM.TV-Entscheidung  55, 218, 226, 240, 249 Entwicklung von Aktienrecht und Kapitalmarktrecht  64 Erstattungsanspruch der GmbH gg. Gesellschafter  198 Funktionsschutz des Kapitalmarktes  229, 241, 249 Gesetzliche Rücklage  119, 126, 132, 143 Gewinnrücklagen  118, 122, 143 Gewinnvortrag  128 Gezeichnetes Kapital  111 Gläubigerschutz  50, 80, 88, 100, 125, 136, 147, 233, 249, 299

366 Sachverzeichnis Gleichbehandlungsschutz  133, 137 Grundgedanken des Aktien- und des Kapitalmarktrechts  65 Grundkapital  112, 125, 143 Haftungsverschärfungen  297 HGB 1897  98 Insolvenzrechtlicher Nachrang  52, 196, 236, 253 Irrtumsanfechtung  175, 179 Kapitalaufbringung  154, 168, 272 Kapitalerhaltung, Begriff  77, 144, 147 Kapitalerhaltung und Kapital­ aufbringung, Abgrenzung  273 Kapitalmarkteffizienz  228 Kapitalmarktrechtliche Prospekthaftung  230 –– Meinungsstand zum Verhältnis zur Vermögensbindung  45, 211 –– Umfang gem. §§ 44 ff. BörsG  24 –– Umfang gem. VerkProspG  28 –– Vertragliche Modifikation  262 Kapitalrichtlinie  151, 186 Kapitalrücklage  113, 143 –– Bindung gem. § 150 Abs. 3, 4 AktG  122, 128 –– Gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB  118, 128, 311, 320 Kompetenzverteilung, Schutz der  133, 135 Kursdifferenzschaden  210, 222, 231 Kursgarantien, Verbot von  164, 282 Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft  177, 182 lex-posterior-Grundsatz  214 lex-specialis-Grundsatz  215 MoMiG  109 Naturalrestitution  189

Originärer Erwerb  47, 156, 168, 177, 218, 220, 226, 271 Preußisches Gesetz über die Aktien­ gesellschaften  85, 214 Prospektbegriff  25, 33 Prospekthaftung im weiteren Sinne. siehe c.i.c. Registergericht, Prüfungskompetenz  307, 317 Rückabwicklung der Zeichnung  175, 180, 189 Rücklage für eigene Anteile  113, 120, 187 Rückzahlungsvereinbarung  276 Schuldrechtliches Agio  118, 265, 311 Schutzfunktionen des Kapitalmarktrechts  229 Täuschungen des Kapitalmarktes, Schutz vor  134, 136 Totalreparation  172, 189 Übernahme der Aktie durch die Gesellschaft  172, 186 Übernahme für Rechnung der AG  166, 299 Über-Pari-Emission  93 Unternehmenskauf  59, 295, 301, 305 Unternehmenswert  137 Unter-Pari-Emission, Verbot der  93, 192 Verbot der finanziellen Unterstützung des Aktienerwerbs  61, 267 Verbot der Zeichnung eigener Aktien  165 Verdeckte Gewinnausschüttung  286 Verdeckte Sacheinlage  157, 274 Vermögensbindung –– Begriff  77, 144, 148 –– Historische Entwicklung der gesetzlichen Regelung  84

Sachverzeichnis367 –– Meinungsstand  75 –– Schutzzwecke  80, 111, 125, 133 Verschuldensprinzip  296 Verschuldensunabhängige Haftung aufgrund Vertrages  299 Vertragliche Haftungsabreden  58, 259, 291 Verwendungsbindung  276 Vorsatzhaftung  242 Vorstand

–– Haftung des Vorstands  139 –– Haftung für Fehler des Vorstands  137, 197 –– Verschwiegenheitspflicht  161 –– Zuständigkeit für vertragliche Haftungsabreden  292 Zeichnung  156, 174, 176, 266 Zusagen hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung  168, 253, 301