Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche 9783161512209, 9783161500336

In der Aktiengesellschaft dürfen Mehrheitsaktionäre Entscheidungen gegen den Willen der übrigen Anteilsinhaber fällen (M

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German Pages 503 [505] Year 2009

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Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
§ 1 Einleitung
§ 2 Gegenstand der Arbeit
A) Definition des Themas und rechtsmethodische Grundlagen
I) Begriff des Abfindungsanspruchs
II) Erscheinungsbild der Aktiengesellschaft
III) Systembegriff
1) Definition des Systems
2) Begriff und Abgrenzung, Arten der Rechtsprinzipien
3) Gewinnung von Rechtsprinzipien
4) Grenzen des Systemdenkens
5) Kritik am zugrunde gelegten Systembegriff
IV) Europarechtliche Einflüsse im Abfindungsrecht
B) Weitere Vorgehensweise
I) Induktives oder deduktives Vorgehen?
II) Hermeneutischer Zirkel und Kreisgang
C) Das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung
I) Bindung des Gesetzgebers
1) Bestandsaufnahme
a) Rechtsprechung des BVerfG
aa) Art. 3 I GG
bb) Rechtsstaatsgebot
b) Verfassungsrechtliche Literatur
2) Diskussion
a) Begriff des Systembruchs
b) Verfassungsgebot einer widerspruchsfreien Rechtsordnung
aa) Art. 3 I GG
bb) Rechtsstaatsgebot
3) Zwischenergebnis
II) Bindung der Gerichte
1) Pflicht zur verfassungskonformen Auslegung
2) Verfassungsverstoß aufgrund systemwidriger Gesetzesanwendung
D) Zusammenfassung
§ 3 Rechtsökonomische Grundlagen
I) Ökonomische Funktionen des Abfindungsrechts
1) Funktion der mit dem Abfindungsanspruch verbundenen Rechtsmacht
a) Eliminierung eines Hold-out-Problems
b) Abfindungsregeln als Debiasing-Mechanismus
c) Senkung von Transaktionskosten
d) Parallele zur Enteignung
e) Förderung wohlfahrtssteigernder Übernahmen
f) Vermeidung eines Free-rider-Problems?
2) Funktion des Abfindungsanspruchs
a) Minderheitenschutz
aa) Bereitstellung von Liquidität
bb) Schutz vor Ex-post-Opportunismus des Mehrheitsaktionärs
cc) Schutz bei allen risikoändernden Transaktionen?
dd) Senkung von agency costs?
b) Schutz der Mehrheit
3) Kosten des Abfindungsrechts
a) Kosten des Abfindungsschuldners
aa) Prozesskosten im weiteren Sinne
bb) Finanzierungskosten
b) Kosten der abfindungsberechtigten Aktionäre
aa) Verlust des Investments
bb) Reinvestitionskosten
II) Wohlfahrtstheoretische Implikationen des Abfindungsrechts
§ 4 Grundlagen eines Vorverständnisses
A) Das Austrittsrecht aus wichtigem Grund
I) Kein ordentliches Austrittsrecht aus der AG
II) Das Austrittsrecht aus besonderem Grund
1) Bestandsaufnahme
2) Argumentation
III) Verhältnis zwischen Austrittsrecht und Abfindungsrecht
IV) Ungereimtheiten
B) Prinzipien
I) Prinzip der vollen Abfindung
II) Prinzip des Primärschutzes und des Bestandsschutzes »im weiteren Sinne«
III) Prinzip der Gattungsgleichheit
C) Mülberts Konzept des rein vermögensbezogenen Aktionärsschutzes
D) Ausstrahlungswirkung und überschießende Exklusivität des UmwG
I) Begriffliches
II) Inhalt, Einordnung und Abgrenzung der Rechtsfiguren
1) Ausstrahlungswirkung
2) Überschießende Exklusivität
3) Abgrenzung
III) Bedeutung der Rechtsfiguren
IV) Berechtigung der Rechtsfiguren
1) Überschießende Exklusivität
2) Ausstrahlungswirkung
a) Entwicklung der Rechtsprechung
b) Bestandaufnahme der Literatur
c) Diskussion
V) Argumentationsgewicht der Ausstrahlungswirkung
1) Minderheitenschutz versus Gestaltungsfreiheit
2) »lex posterior« und »lex specialis«
3) Ausstrahlung minderheitsschutzbegrenzender Wertungen
E) Zusammenfassung
§ 5 Verfassungsrechtliche Grundlagen
A) Verfassungsrecht und Zivilrecht
B) Art. 14 GG
I) Bestandsaufnahme zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
II) Analyse der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
1) Vermögensschutz versus Bestandsschutz
a) Inhalt
aa) Kaum Bestandsschutz
bb) Strenger Vermögensschutz
cc) Zwischenergebnis
b) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit
aa) Grundsätzliche Zulässigkeit
bb) Zulässigkeit für kapitalmarktferne Aktiengesellschaften
cc) Verfassungsmäßigkeit des übernahmerechtlichen Squeeze-out (§ 39a WpÜG)
2) Das Gebot der vollen Entschädigung
a) Verfassungsdogmatische Einordnung
b) Inhaltliche Fragen
aa) Anwendungsbereich
(1) Funktionale Betrachtungsweise
(2) Einbeziehung der §§ 29, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG
bb) Genaueres zur Rechtsfolgenseite
(1) Nicht nur voller, sondern ungeteilter Ausgleich?
(2) Ableitungsbasis ungeschriebener Abfindungsansprüche
c) Verhältnis zum Prinzip der vollen Abfindung
d) Prinzip der Gleichwertigkeit von Ausgleich i. S. d. § 304 AktG und Abfindung gem. § 305 AktG?
C) Sonstige Grundrechte
§ 6 Entwicklung des Systems
A) Rechtsnatur des Abfindungsanspruchs
I) Bestandsaufnahme
1) §§ 320b, 327a AktG
2) § 39a WpÜG
3) § 305 AktG
a) Vertragskonstruktionen
b) Gesetzlicher Anspruch
c) Kombinationslösungen
d) Die Rechtsprechung des BGH
4) § 29 UmwG
5) § 207 UmwG
6) §§ 7, 9, 12 SEAG, 122i UmwG
7) Zusammenfassung
II) Eine Theorie des gesetzlichen Anspruchs
1) Gesetzlicher Anspruch kraft Verfassungsrechts?
2) Gesellschafts- und zivilrechtliche Wertungen
a) Argumente der Vertragslösung
b) Noch einmal: Fragestellung
c) Entstehungsgeschichte der Abfindungsansprüche
aa) § 305 AktG
bb) §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG
d) Weitere Argumente für einen gesetzlichen Anspruch
e) Widerlegung der Argumente der Vertragslösung
aa) »Vertraglich zu gewährendes Angebot«
bb) Befugnis zur Fristsetzung (§ 305 IV AktG)
cc) Wahlrecht aus § 305 II Nr. 2 AktG
dd) Kündigungsrecht aus § 305 V 4 i. V. m. § 304 IV AktG
ee) Sonderzustimmungsrecht gem. §§ 295 II, 296 II, 297 II AktG
ff) Zwischenergebnis
3) Zusammenfassung und Vervollständigung der Überlegungen
4) Übertragung der Abfindungsberechtigung beim Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (»Jenoptik-Fall«)
5) Rechtsnatur des Ausgleichsanspruchs aus § 304 AktG
B) Dogmatische Einordnung des Abfindungsanspruchs in das Zivilrecht
I) »Kaufpreis für Rechtsmacht«?
II) Abfindung als Kompensation eines eigentlich gebotenen Individualzustimmungsrechts
III) Der Abfindungsanspruch als privatrechtlicher Aufopferungsanspruch
1) Die Gruppe aufopferungsrechtlicher Normen
2) Gemeinsame Merkmale der Aufopferungsansprüche
a) Interessenkonflikt
b) Usurpation
c) Aufopferungsprinzip
d) Finalität
e) Ersatz für Werteinbuße
f) Prinzip der Begünstigtenhaftung
g) Notwendigkeit aller genannten Merkmale?
3) Vorliegen dieser Merkmale bei den Abfindungsansprüchen
a) Interessenkonflikt
b) Aufopferungsprinzip
aa) Die grundsätzlichen Argumente pro Aufopferungsprinzip
bb) Bestätigung durch § 243 IV 2 AktG
cc) Außen- und Immanenztheorie beim Aktieneigentum
dd) Aktionär und Grundstückseigentümer
ee) Zwischenergebnis
c) Usurpation
aa) §§ 320b, 327a AktG, 39a WpÜG
bb) § 305 AktG
cc) §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 12 SEAG
dd) § 9 SEAG
ee) Zwischenergebnis
d) Eingriff, Rechtmäßigkeit des Eingriffs, Recht zum Eingriff, Finalität
e) Gesamtökonomische Wohlfahrtssteigerung
f) Ausgleich für Einbuße
aa) §§ 320b, 327a AktG, 39a WpÜG
bb) §§ 305 AktG, 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG
cc) Zwischenergebnis
g) Begünstigtenhaftung
aa) §§ 320b, 327a AktG, 39a WpÜG
bb) § 305 AktG
cc) §§ 29, 207 UmwG: Das Prinzip der mittelbaren Begünstigtenhaftung
dd) § 12 SEAG
ee) §§ 7, 9 SEAG
ff) § 122i UmwG
gg) Zwischenergebnis
h) Ergebnis
IV) Reflexion
1) Abstufung der aufopferungsrechtlichen Charakteristika im Abfindungsrecht
2) Argumentationsgewicht aufopferungsrechtlicher Prinzipien
V) Ausblick
1) Begünstigtenhaftung und der Begriff der außenstehenden Aktionäre
2) Usurpationsgedanke, Kontrahierungszwang und voller Ausgleich
3) Aufoperungsprinzip und Rechtmäßigkeitskontrolle des abfindungsauslösenden Beschlusses
C) Haftungsgrund der Abfindungsan
I) Begriff des Haftungsgrundes
II) Bedeutung des Haftungsgrundes der Abfindungsvorschriften
III) Verhältnis der Frage zu den bisher gewonnenen Erkenntnissen
1) Abfindung als Kompensation eines eigentlich gebotenen Individualzustimmungsrechts
2) Aufopferungsprinzip
3) Verfassungsrechtliches Entschädigungsgebot
IV) Die Sonderrechtstheorien
V) Bestandsaufnahme
1) Übergreifende Konzepte
2) Haftungsgründe der einzelnen Abfindungsansprüche
a) § 305 AktG
b) § 320b AktG
c) §§ 327a AktG, 39a WpÜG
d) § 29 I 1, 1. Hs., 1. Fall UmwG
e) § 29 I 2 UmwG und § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG
f) § 207 UmwG
g) § 122i UmwG
h) § 7 SEAG
i) § 9 SEAG
j) § 12 SEAG
3) Zwischenergebnis
VI) Entwicklung des Haftungsgrundes
1) Aufopferungsprinzip und grundsätzliche Veräußerungsmöglichkeit der Aktie
2) Aufopferungsprinzip und Usurpationsgedanke
a) Usurpation der Aktie an sich
b) Usurpation wesentlicher Verwaltungs- und Vermögensrechte
c) Vorübergehende Usurpation des Stimmrechts der dissentierenden Aktionäre
d) Weiteres Vorgehen
3) Abfindungsfreie Strukturmaßnahmen
a) Die Abfindungsfreiheit der Unternehmensverträge des § 292 AktG
b) Die Abfindungsfreiheit der einfachen Satzungsänderung
aa) Mehrheitsprinzip
bb) Kapitalerhaltungsgrundsatz
cc) Zwischenergebnis
c) Die Abfindungsfreiheit aufgrund anderer Schutzmechanismen
aa) Die Abfindungsfreiheit der Kapitalerhöhung
bb) Die Abfindungsfreiheit der Kapitalherabsetzung
cc) Die Abfindungsfreiheit des rein bestandsmäßigen Vermögensaustauschs
dd) Die Abfindungsfreiheit der (einfach) faktischen Unternehmensverbindung
(1) § 35 WpÜG als gegenläufi ge Norm
(2) § 9 I 1, 2. Fall SEAG als systemfremde Norm
ee) Zusammenfassung: Das Subsidiaritätsprinzip
d) Die Abfindungsfreiheit der formwahrenden Verschmelzung und Spaltung
aa) Inhalt und Begründung
bb) Grenzen
(1) Rechtliche Verfügungsbeschränkungen
(2) Verlust der Börsennotierung
(3) Sitzwechsel ins Ausland
(4) Beherrschung und Mehrheitsbesitz
cc) Zwischenergebnis
e) Die Abfindungsfreiheit der Liquidation
f) Zusammenfassung
4) Abwehrfähige Strukturmaßnahmen
a) Persönliche Haftung der Aktionäre und Belastungsverbot
b) Verlust von Sonderrechten
aa) Geltung im Aktienrecht
bb) Geltung im Umwandlungsrecht
cc) Geltung im Übernahmerecht
dd) Zwischenergebnis
c) Verlust von allgemeinen Mitgliedschaftsrechten, insbesondere des Stimmrechts
d) Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz?
e) Nicht-verhältniswahrende Spaltung
f) Zwischenergebnis
5) »Positive« Kriterien für die §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG
a) Usurpation des in der AG gesammelten Kapitals
b) Vertrauensschutz
aa) Verlust der rechtlichen oder tatsächlichen Veräußerungsmöglichkeit
bb) Rechtsformwechsel
cc) Gemeinsamkeiten und Unterschiede: gesellschafts- und kapitalmarktrechtlicher Vertrauensschutz
6) Zusammenfassung: Der Haftungsgrund der Abfindungsansprüche
7) Reflexion und Vertiefung
a) Ein oder mehrere Haftungsgründe?
b) Besonderheiten beim Haftungsgrund in den Fällen der vorübergehenden Usurpation des Stimmrechts
aa) Enumerationsprinzip?
bb) Bewegliches System?
D) Verhältnis zum Austrittsrecht der Aktionäre aus wichtigem Grund
E) Sonstige Prinzipien
I) Prinzip des Primärschutzes
1) Einordnung in das System
2) Allgemeine Rechtsfolge ungeschriebener Abfindungspflichten
3) Pfl icht zur Beschaffung fremder Aktien?
4) Bestandsschutz im weiteren Sinne
II) Prinzip der Gattungsgleichheit
1) Grundsatz
2) Ausnahmen
a) Abfindung von Stammaktionären mit Vorzugsaktien
aa) Vorzugsaktien zur Wahrung der Gattungsverhältnisse in der abfindungspflichtigen Gesellschaft
bb) Sonstige Ausnahmen?
cc) Zwischenergebnis
b) Abfindung von Vorzugsaktionären mit Stammaktien
III) Gegenläufige Prinzipien
IV) Technische Prinzipien
1) Stichtagsprinzip
a) Inhalt und Einordnung in das System
b) Ausnahme in § 39a III 1 WpÜG
2) Sonstiges
§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System
A) Ungeschriebene Abfindungsansprüche
I) Allgemeine Vorüberlegungen
1) Der allgemeine bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch
2) Der allgemeine aktien- und umwandlungsrechtliche Abfindungsanspruch?
II) Fälle ungeschriebener Abfindungsansprüche
1) Qualifi ziert faktischer Konzern
2) »Aktienrechtliches Sell-out« parallel zu § 327a AktG?
3) Änderung des Unternehmensgegenstands
a) Bedeutung des Unternehmensgegenstands
b) Abfindungspflicht bei der Änderung des Unternehmensgegenstands
c) Grenzen der Abfindung in Aktien
4) Änderung des Gesellschaftszwecks
a) Zustimmung aller Aktionäre?
b) Abfindungspflichtige Strukturmaßnahme
c) Ergebnis
5) Übertragende Auflösung
a) Begriff und Einordnung
b) Problematik
c) Entwicklung der Rechtsprechung
d) Vorfragen
aa) Zulässigkeit der übertragenden Auflösung?
bb) Ungeschriebene Mehrheitserfordernisse?
e) Abgrenzung
f) Bestandsaufnahme
g) Verfassungsrechtliche Seite
h) Einfach-gesetzliche Seite
i) Ergebnis
6) Verschmelzung, Spaltung und Formwechsel durch Einzelrechtsnachfolge
7) Totalrückzug von der Börse durch reguläres Delisting
a) Die »Macrotron-Diskussion«
b) Das Zweite Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes
c) Auswirkungen auf die Abfindung in Aktien
8) Segmentwechsel
a) Bestandsaufnahme
b) Einfach-gesetzliche Seite
c) Verfassungsrechtliche Seite
d) Ergebnis
9) Börseneinführung
10) Umtausch von Vorzugs- in Stammaktien
a) Abfi ndungsansprüche der Stammaktionäre
b) Abfi ndungsansprüche der überstimmten Vorzugsaktionäre
c) Ergebnis
d) Auswirkungen auf das Prinzip der Gattungsgleichheit
11) Entschädigung bei der nachträglichen Einführung von Höchststimmrechten
12) Zusammenfassung
B) Durchführungsprobleme ungeschriebener Abfindungsrechte
I) Materiell-rechtliche Seite
1) Vereinbarkeit ungeschriebener Abfindungsrechte mit den Kapitalbindungsregeln
a) Dritte als Abfindungsschuldner
b) AG als Abfindungsschuldnerin
aa) Drittgläubigerbeziehung?
bb) Ausnahmen vom Verbot des § 57 I 1 AktG
(1) Einziehung und Kapitalherabsetzung (§ 237 AktG)
(2) Zulässiger Erwerb eigener Aktien
(a) Grundsätzliche Möglichkeit gem. § 71 I Nr. 3 AktG analog.
(b) 10%-Grenze des § 71 II 1 AktG.
(aa) Rechtslage bei den geschriebenen Abfindungsansprüchen.
(bb) Rechtslage bei den ungeschriebenen Abfindungsansprüchen.
(c) Pflicht zur Rücklagenbildung nach §§ 71 II 2 AktG, 272 IV HGB.
2) Ergebnisse
II) Prozessuale Seite
C) Rechtmäßigkeit abfindungsauslösender Beschlüsse
I) Materielle Rechtmäßigkeit
1) Bestandsaufnahme
a) § 243 II 1 AktG
b) Materielle Beschlusskontrolle
c) Treuepflichten
d) § 53a AktG
2) Systematischer Ansatz
a) Aufopferungsprinzip als Leitlinie
b) Grenzen
aa) Verhalten im Vorfeld des abfindungsauslösenden Beschlusses
bb) Schranken der Beschlussfassung selbst
(1) Rechtswidrigkeit aufgrund des Beschlussinhalts
(a) Aktienrechtlicher Squeeze-out.
(b) Verschmelzung, Spaltung, Formwechsel, Sitzverlegung.
(aa) Rücksichtspflichten?
(bb) Missbrauchskontrolle.
(c) Mehrheitseingliederung.
(d) Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag.
(2) Rechtswidrigkeit aufgrund der Beweggründe und des Zwecks des abfindungsauslösenden Beschlusses
(a) §§ 305, 320b, 327a AktG.
(b) §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG.
(c) Grenzen.
(3) Zusammenfassung
II) Formelle Rechtswidrigkeit
1) Verletzung abfindungsbezogener Informationsrechte
2) Sonstige Verfahrensmängel
3) Zusammenfassung
III) Zusammenfassung: Das Aufopferungsmodell
D) Sonstige allgemeine Auslegungsprobleme
I) Der Abfindungsberechtigte
1) Begriff der außenstehenden Aktionäre i. S. d. § 305 AktG
a) Begriff
aa) Bestandsaufnahme
bb) Aufopferungsprinzip als Ausgangspunkt
cc) Lösung
b) Zeitpunkt
2) Auswirkungen des § 71b AktG auf die Abfindungsberechtigung
3) Abfindungsberechtigte in den umwandlungsrechtlichen Abfindungsfällen
II) Der sog. Abfindungsergänzungsanspruch
III) Kontinuitätsschutz, insbesondere des Anspruchs auf Abfindung in Aktien
1) Bedeutung und Fallgruppen
2) Abschichtung der Problemkreise
a) Differenzierung nach Aktionärsgruppen
b) »Schutzebenen«
3) Schutz der jeweiligen Aktionärsgruppen
a) Aktionäre, die bereits gegen Abfindung aus der AG ausgeschieden sind
b) Aktionäre, die sich beim Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag bereits verbindlich für den Verbleib in der AG entschieden haben
c) Aktionäre, deren Anspruch auf Abfindung in Aktien noch nicht erloschen ist
aa) Pflicht zur Abfindung in eigenen Aktien
(1) Verschmelzung der abfindungspflichtigen AG
(2) Spaltung und Formwechsel der abfindungspfl ichtigen AG
(3) Ausgliederung in der abfi ndungspflichtigen AG
(4) Eingliederung der abfi ndungspflichtigen AG
(5) Squeeze-out in der abfindungspflichtigen AG
(6) Aufbau eines mehrstufigen Vertragskonzerns
(7) (Einfach) faktische Abhängigkeit der abfindungspflichtigen AG
(8) Vertragsübernahme und Beitritt zum Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag
bb) Pflicht zur Abfindung in fremden Aktien
4) Zusammenfassung
E) Auslegungsprobleme des Vertragskonzernrechts
I) Sonderbeschlusserfordernis der §§ 295 II, 296 II, 297 II AktG
II) Schuldnerwechsel bei der Vertragsübernahme?
III) Wem steht das Wahlrecht gem. § 305 II Nr. 2 AktG zu?
§ 8 Zusammenfassung
A) »Abfindungsverfassungsrecht«
I) Prinzip der vollen Entschädigung
II) Keine zwingende Gleichwertigkeit von Abfindung gem. § 305 AktG und Ausgleich gem. § 304 AktG
B) Prinzip der vollen Abfindung
C) Rechtsnatur des Abfindungsanspruchs
D) Gesamt-zivilrechtlicher Hintergrund
I) Abfindungsansprüche als Aufopferungsansprüche
II) Abgrenzung gegenüber dem Austrittsrecht aus wichtigem Grund
E) Haftungsgrund
F) Sonstige Prinzipien
I) Prinzip des Primärschutzes
II) Prinzip der Gattungsgleichheit
G) Kontinuitätsschutz des Anspruchs auf Abfindung
H) Systemwidrigkeiten
Literaturverzeichnis
Stichwortverzeichnis
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 9783161512209, 9783161500336

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JUS PRIVAT UM Beiträge zum Privatrecht Band 143

Lars Klöhn

Das System der aktienund umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche

Mohr Siebeck

Lars Klöhn, geboren 1976, Studium der Rechtswissenschaft in Göttingen und Cambridge, Massachusetts (USA), Professor für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht sowie Rechtsvergleichung, an der Philipps-Universität Marburg.

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT. e-ISBN PDF 978-3-16-151220-9 ISBN 978-3-16-150033-6 ISSN 0940-9610 (Jus Privatum) Die deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2009 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen aus der Garamond-Antiqua gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2006/2007 von der Juristischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen als Habilitationsschrift angenommen. Sie hat eine längere Geschichte, als man ihr ansieht. Die Untersuchung begann im Juli 2001 als Dissertationsprojekt, wurde nach meinem Masterstudium in den USA zur Habilitationsschrift erweitert und fortwährend aktualisiert. Dabei habe ich mich bemüht, die ursprüngliche dogmatische Ausrichtung beizubehalten. Aus diesem Grund habe ich einen rechtsvergleichenden und regulierungstheoretischen Teil, der ursprünglich enthalten war, für eine spätere Veröffentlichung ausgeklammert. Das Manuskript befindet sich auf dem Stand vom 1. 9. 2008; vereinzelt konnte auch danach veröffentliche Rechtsprechung und Literatur berücksichtigt werden. Mein Dank gilt meinem Lehrer Gerald Spindler, der mich ermutigte, diese Arbeit zu schreiben, und mein Habilitationsverfahren mit Weitsicht und Nachdruck unterstützte. Ohne ihn wäre ich nicht Rechtswissenschaftler geworden. Danken möchte ich auch Alexander Bruns und Hans-Martin Müller-Laube für die zügige Erstellung des Zweit- und Drittgutachtens. Ich danke meinen Eltern und meinem Bruder Nils für Ihre Unterstützung. Ihnen und meiner Frau Farahnaz widme ich diese Arbeit. Hilfreiche Kritik erhielt ich von Peter Mülbert (Mainz), Andreas Fleckner (Hamburg) und Vice Chancellor Leo Strine (Delaware Court of Chancery). Alle Fehler und Unvollständigkeiten sind selbstverständlich allein meine. Für die Durchsicht früherer Versionen dieser Arbeit danke ich Katharina Apel, Olaf Berner, Martin Born, Guido Brinkel, Fabian Ludwig Christoph und Sascha Knauf. An der redaktionellen Überarbeitung der Druckfahnen haben meine Marburger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitgewirkt, namentlich Sabine Albrecht, Fabian Dippel, Wolfgang Fischer, Benjamin Krause, Karsten Löw, Martin Malkus, Denis Rudolph, Martin Schaper, Dorit Westermann und Jens Zabbée. Die Studienstiftung des Deutschen Volkes hat die Arbeit durch ein Promotionsstipendium gefördert und gegen ihre »Umwidmung« keine Einwände gehabt. Die VG Wort hat den Druck finanziert. Beiden sei herzlich gedankt. Marburg, im September 2009

Lars Klöhn

Inhaltsübersicht § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

§ 2 Gegenstand der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5

A) B) C) D)

Definition des Themas und rechtsmethodische Grundlagen Weitere Vorgehensweise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

5 15 18 30

§ 3 Rechtsökonomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

§ 4 Grundlagen eines Vorverständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

A) B) C) D) E)

Das Austrittsrecht aus wichtigem Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . Prinzipien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mülberts Konzept des rein vermögensbezogenen Aktionärsschutzes Ausstrahlungswirkung und überschießende Exklusivität des UmwG Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45 52 57 61 75

§ 5 Verfassungsrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

A) Verfassungsrecht und Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B) Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C) Sonstige Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78 79 112

§ 6 Entwicklung des Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

115

A) Rechtsnatur des Abfindungsanspruchs: gesetzlich oder rechtsgeschäftlich? B) Dogmatische Einordnung des Abfindungsanspruch in das Zivilrecht C) Haftungsgrund der Abfindungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . D) Verhältnis zum Austrittsrecht der Aktionäre aus besonderem Grund E) Sonstige Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

115 154 197 270 271

VIII

Inhaltsübersicht

§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

287

A) B) C) D) E)

. . . . .

287 329 338 369 395

§ 8 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

401

A) B) C) D) E) F) G) H)

401 402 402 403 405 407 408 409

Ungeschriebene Abfindungsansprüche . . . . . . . . . . . . . Durchführungsprobleme ungeschriebener Abfindungsrechte Rechtmäßigkeit abfindungsauslösender Beschlüsse . . . . . . Sonstige allgemeine Auslegungsprobleme . . . . . . . . . . . . Auslegungsprobleme des Vertragskonzernrechts. . . . . . . .

»Abfindungsverfassungsrecht« . . . . . . . . . . . . Prinzip der vollen Abfindung. . . . . . . . . . . . . Rechtsnatur des Abfindungsanspruchs . . . . . . . Gesamt-zivilrechtlicher Hintergrund . . . . . . . . Haftungsgrund. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontinuitätsschutz des Anspruchs auf Abfindung . Systemwidrigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . .

. . . . . . . .

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. . . . . . . .

. . . . . . . .

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Abkürzungsverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIII

§ 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

§ 2 Gegenstand der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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A) Definition des Themas und rechtsmethodische Grundlagen . . . .

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I) Begriff des Abfindungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . II) Erscheinungsbild der Aktiengesellschaft. . . . . . . . . . . III) Systembegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1) Definition des Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2) Begriff und Abgrenzung, Arten der Rechtsprinzipien 3) Gewinnung von Rechtsprinzipien . . . . . . . . . . . . 4) Grenzen des Systemdenkens . . . . . . . . . . . . . . . 5) Kritik am zugrunde gelegten Systembegriff . . . . . . IV) Europarechtliche Einflüsse im Abfindungsrecht . . . . . .

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5 5 6 6 7 9 10 12 14

B) Weitere Vorgehensweise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I) Induktives oder deduktives Vorgehen?. . . . . . . . . . . . . . II) Hermeneutischer Zirkel und Kreisgang . . . . . . . . . . . . .

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C) Das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung . . . . . .

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I) Bindung des Gesetzgebers . . . . . . . . 1) Bestandsaufnahme. . . . . . . . . . a) Rechtsprechung des BVerfG. . . aa) Art. 3 I GG . . . . . . . . . . bb) Rechtsstaatsgebot . . . . . . b) Verfassungsrechtliche Literatur . 2) Diskussion . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff des Systembruchs . . . .

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X

Inhaltsverzeichnis

b) Verfassungsgebot einer widerspruchsfreien Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Art. 3 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtsstaatsgebot . . . . . . . . . . . . 3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . II) Bindung der Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . 1) Pflicht zur verfassungskonformen Auslegung 2) Verfassungsverstoß aufgrund systemwidriger Gesetzesanwendung. . . . . . . . . . . . . . .

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D) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 3 Rechtsökonomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I) Ökonomische Funktionen des Abfindungsrechts. . . . . . . . 1) Funktion der mit dem Abfindungsanspruch verbundenen Rechtsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eliminierung eines Hold-out-Problems . . . . . . . . . b) Abfindungsregeln als Debiasing-Mechanismus . . . . . c) Senkung von Transaktionskosten. . . . . . . . . . . . . d) Parallele zur Enteignung. . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Förderung wohlfahrtssteigernder Übernahmen . . . . f) Vermeidung eines Free-rider-Problems?. . . . . . . . . 2) Funktion des Abfindungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . a) Minderheitenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bereitstellung von Liquidität . . . . . . . . . . . . . bb) Schutz vor Ex-post-Opportunismus des Mehrheitsaktionärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Schutz bei allen risikoändernden Transaktionen? dd) Senkung von agency costs? . . . . . . . . . . . . . . b) Schutz der Mehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3) Kosten des Abfindungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kosten des Abfindungsanspruchs . . . . . . . . . . . . aa) Prozesskosten im weiteren Sinne . . . . . . . . . . bb) Finanzierungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kosten der abfindungsberechtigten Aktionäre . . . . . aa) Verlust des Investments . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Reinvestitionskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . II) Wohlfahrtstheoretische Implikationen des Abfindungsrechts

31 31 32 32 34 34 34 35 36 36 36 36 37 38 39 40 40 40 41 41 41 42 42

XI

Inhaltsverzeichnis

§ 4 Grundlagen eines Vorverständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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A) Das Austrittsrecht aus wichtigem Grund . . . . . . . . . . . . . . .

45

I) Kein ordentliches Austrittsrecht aus der AG . . . . . . . II) Das Austrittsrecht aus besonderem Grund . . . . . . . . 1) Bestandsaufnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2) Argumentation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III) Verhältnis zwischen Austrittsrecht und Abfi ndungsrecht IV) Ungereimtheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B) Prinzipien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I) Prinzip der vollen Abfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II) Prinzip des Primärschutzes und des Bestandsschutzes »im weiteren Sinne« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III) Prinzip der Gattungsgleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C) Mülberts Konzept des rein vermögensbezogenen Aktionärsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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D) Ausstrahlungswirkung und überschießende Exklusivität des UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I) Begriffliches. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II) Inhalt, Einordnung und Abgrenzung der Rechtsfiguren. . . . 1) Ausstrahlungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2) Überschießende Exklusivität . . . . . . . . . . . . . . . . . 3) Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III) Bedeutung der Rechtsfiguren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV) Berechtigung der Rechtsfiguren. . . . . . . . . . . . . . . . . . 1) Überschießende Exklusivität . . . . . . . . . . . . . . . . . 2) Ausstrahlungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entwicklung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . b) Bestandaufnahme der Literatur . . . . . . . . . . . . . . c) Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V) Argumentationsgewicht der Ausstrahlungswirkung . . . . . . 1) Minderheitenschutz versus Gestaltungsfreiheit . . . . . . 2) »lex posterior« und »lex specialis« . . . . . . . . . . . . . . 3) Ausstrahlung minderheitsschutzbegrenzender Wertungen 4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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E) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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XII

Inhaltsverzeichnis

§ 5 Verfassungsrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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A) Verfassungsrecht und Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B) Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I) Bestandsaufnahme zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II) Analyse der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 1) Vermögensschutz versus Bestandsschutz . . . . . . . . . a) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kaum Bestandsschutz. . . . . . . . . . . . . . . . bb) Strenger Vermögensschutz . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit . . . . . . . . . . . aa) Grundsätzliche Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . bb) Zulässigkeit für kapitalmarktferne Aktiengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verfassungsmäßigkeit des übernahmerechtlichen Squeeze-out (§ 39a WpÜG). . . . . . . . . . . . . 2) Das Gebot der vollen Entschädigung . . . . . . . . . . . a) Verfassungsdogmatische Einordnung . . . . . . . . . b) Inhaltliche Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anwendungsbereich. . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Funktionale Betrachtungsweise . . . . . . . . .

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(2) Einbeziehung der §§ 29, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG . . . . . . . . . . . . . . .

bb) Genaueres zur Rechtsfolgenseite. . . . . . . . . . . (1) Nicht nur voller, sondern ungeteilter Ausgleich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ableitungsbasis ungeschriebener Abfindungsansprüche? . . . . . . . . . . . . . . .

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c) Verhältnis zum Prinzip der vollen Abfindung. . . . . . d) Prinzip der Gleichwertigkeit von Ausgleich i. S. d. § 304 AktG und Abfindung gem. § 305 AktG? III) Zusammenfassung zu Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . .

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C) Sonstige Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 6 Entwicklung des Systems. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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A) Rechtsnatur des Abfindungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . .

115

I) Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1) §§ 320b, 327a AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

116 116

XIII

Inhaltsverzeichnis

2) § 39a WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3) § 305 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vertragskonstruktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesetzlicher Anspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kombinationslösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . 4) § 29 UmwG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5) § 207 UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6) §§ 7, 9, 12 SEAG, 122i UmwG . . . . . . . . . . . . . . . 7) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II) Eine Theorie des gesetzlichen Anspruchs . . . . . . . . . . . 1) Gesetzlicher Anspruch kraft Verfassungsrechts? . . . . 2) Gesellschafts- und zivilrechtliche Wertungen . . . . . . a) Argumente der Vertragslösung . . . . . . . . . . . . . b) Noch einmal: Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . c) Entstehungsgeschichte der Abfindungsansprüche . . aa) § 305 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG . . . . . . d) Weitere Argumente für einen gesetzlichen Anspruch e) Widerlegung der Argumente der Vertragslösung . . . aa) »Vertraglich zu gewährendes Angebot« . . . . . . bb) Befugnis zur Fristsetzung (§ 305 IV AktG) . . . cc) Wahlrecht aus § 305 II Nr. 2 AktG . . . . . . . . dd) Kündigungsrecht aus § 305 V 4 i. V. m. § 304 IV AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Sonderzustimmungsrecht gem. §§ 295 II, 296 II, 297 II AktG . . . . . . . . ff) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3) Zusammenfassung und Vervollständigung der Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4) Übertragung der Abfindungsberechtigung beim Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (»Jenoptik-Fall«) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5) Rechtsnatur des Ausgleichsanspruchs aus § 304 AktG .

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B) Dogmatische Einordnung des Abfindungsanspruchs in das Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I) »Kaufpreis für Rechtsmacht«? . . . . . . . . . . . . . . . . . . II) Abfindung als Kompensation eines eigentlich gebotenen Individualzustimmungsrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . III) Der Abfindungsanspruch als privatrechtlicher Aufopferungsanspruch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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XIV

Inhaltsverzeichnis

1) Die Gruppe aufopferungsrechtlicher Normen . . . . . . . 2) Gemeinsame Merkmale der Aufopferungsansprüche . . . a) Interessenkonflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Usurpation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Aufopferungsprinzip. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Finalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ersatz für Werteinbuße . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Prinzip der Begünstigtenhaftung. . . . . . . . . . . . . g) Notwendigkeit aller genannten Merkmale? . . . . . . . 3) Vorliegen dieser Merkmale bei den Abfindungsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Interessenkonflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufopferungsprinzip. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die grundsätzlichen Argumente pro Aufopferungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bestätigung durch § 243 IV 2 AktG . . . . . . . . . cc) Außen- und Immanenztheorie beim Aktieneigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Aktionär und Grundstückseigentümer . . . . . . . ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Usurpation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) §§ 320b, 327a AktG, 39a WpÜG . . . . . . . . . . . bb) § 305 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 12 SEAG. . . . . . . . . dd) § 9 SEAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Eingriff, Rechtmäßigkeit des Eingriffs, Recht zum Eingriff, Finalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Gesamtökonomische Wohlfahrtssteigerung. . . . . . . f) Ausgleich für Einbuße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) §§ 320b, 327a AktG, 39a WpÜG . . . . . . . . . . . bb) §§ 305 AktG, 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Begünstigtenhaftung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) §§ 320b, 327a AktG, 39a WpÜG . . . . . . . . . . . bb) § 305 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) §§ 29, 207 UmwG: Das Prinzip der mittelbaren Begünstigtenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) § 12 SEAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) §§ 7, 9 SEAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) § 122i UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

XV

IV) Reflexion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1) Abstufung der aufopferungsrechtlichen Charakteristika im Abfindungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2) Argumentationsgewicht aufopferungsrechtlicher Prinzipien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V) Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1) Begünstigtenhaftung und der Begriff der außenstehenden Aktionäre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2) Usurpationsgedanke, Kontrahierungszwang und voller Ausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3) Aufoperungsprinzip und Rechtmäßigkeitskontrolle des abfindungsauslösenden Beschlusses . . . . . . . . . . .

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C) Haftungsgrund der Abfindungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . I) Begriff des Haftungsgrundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II) Bedeutung des Haftungsgrundes der Abfindungsvorschriften III) Verhältnis der Frage zu den bisher gewonnenen Erkenntnissen 1) Abfindung als Kompensation eines eigentlich gebotenen Individualzustimmungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 2) Aufopferungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3) Verfassungsrechtliches Entschädigungsgebot . . . . . . . IV) Die Sonderrechtstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V) Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1) Übergreifende Konzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2) Haftungsgründe der einzelnen Abfindungsansprüche . . a) § 305 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 320b AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) §§ 327a AktG, 39a WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . d) § 29 I 1, 1. Hs., 1. Fall UmwG . . . . . . . . . . . . . . . e) § 29 I 2 UmwG und § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG . . . f) § 207 UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) § 122i UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) § 7 SEAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) § 9 SEAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) § 12 SEAG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI) Entwicklung des Haftungsgrundes. . . . . . . . . . . . . . . . 1) Aufopferungsprinzip und grundsätzliche Veräußerungsmöglichkeit der Aktie . . . . . . . . . . . . . 2) Aufopferungsprinzip und Usurpationsgedanke . . . . . . a) Usurpation der Aktie an sich . . . . . . . . . . . . . . .

190 193 194 194 194 197 197 198 199 199 199 200 201 202 202 203 204 204 207 207 207 208 208 209 209 209 210 210 211 211 211 212

XVI

Inhaltsverzeichnis

b) Usurpation wesentlicher Verwaltungs- und Vermögensrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorübergehende Usurpation des Stimmrechts der dissentierenden Aktionäre. . . . . . . . . . . . . . . . . d) Weiteres Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3) Abfindungsfreie Strukturmaßnahmen . . . . . . . . . . . a) Die Abfindungsfreiheit der Unternehmensverträge des § 292 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Abfindungsfreiheit der einfachen Satzungsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Mehrheitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kapitalerhaltungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Abfindungsfreiheit aufgrund anderer Schutzmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Abfindungsfreiheit der Kapitalerhöhung. . . . bb) Die Abfindungsfreiheit der Kapitalherabsetzung cc) Die Abfindungsfreiheit des rein bestandsmäßigen Vermögensaustauschs . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Abfindungsfreiheit der (einfach) faktischen Unternehmensverbindung . . . . . . . . . . . . . . (1) § 35 WpÜG als gegenläufige Norm . . . . . . . . . (2) § 9 I 1, 2. Fall SEAG als systemfremde Norm . . . ee) Zusammenfassung: Das Subsidiaritätsprinzip . . . d) Die Abfindungsfreiheit der formwahrenden Verschmelzung und Spaltung . . . . . . . . . . . . . . . aa) Inhalt und Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtliche Verfügungsbeschränkungen . . . . . . (2) Verlust der Börsennotierung . . . . . . . . . . . . (3) Sitzwechsel ins Ausland . . . . . . . . . . . . . . (4) Beherrschung und Mehrheitsbesitz. . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Abfindungsfreiheit der Liquidation . . . . . . . . . f) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4) Abwehrfähige Strukturmaßnahmen. . . . . . . . . . . . . a) Persönliche Haftung der Aktionäre und Belastungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verlust von Sonderrechten. . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Geltung im Aktienrecht. . . . . . . . . . . . . . . . bb) Geltung im Umwandlungsrecht . . . . . . . . . . . cc) Geltung im Übernahmerecht. . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

212 212 213 213 213 221 221 223 223 224 224 225 226 228 228 229 233 235 236 237 237 237 239 241 243 244 245 246 246 248 248 252 254 254

Inhaltsverzeichnis

c) Verlust von allgemeinen Mitgliedschaftsrechten, insbesondere des Stimmrechts . . . . . . . . . . . . . . d) Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz? . . . e) Nicht-verhältniswahrende Spaltung . . . . . . . . . . . f) Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5) »Positive« Kriterien für die §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Usurpation des in der AG gesammelten Kapitals . . . . b) Vertrauensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verlust der rechtlichen oder tatsächlichen Veräußerungsmöglichkeit. . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtsformwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gemeinsamkeiten und Unterschiede: gesellschaftsund kapitalmarktrechtlicher Vertrauensschutz . . . 6) Zusammenfassung: Der Haftungsgrund der Abfindungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7) Reflexion und Vertiefung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ein oder mehrere Haftungsgründe? . . . . . . . . . . . b) Besonderheiten beim Haftungsgrund in den Fällen der vorübergehenden Usurpation des Stimmrechts. . . aa) Enumerationsprinzip? . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bewegliches System? . . . . . . . . . . . . . . . . .

XVII 255 256 257 258 259 259 262 263 263 265 265 267 267 268 268 269

D) Verhältnis zum Austrittsrecht der Aktionäre aus wichtigem Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

270

E) Sonstige Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

271

I) Prinzip des Primärschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1) Einordnung in das System . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2) Allgemeine Rechtsfolge ungeschriebener Abfindungspflichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3) Pflicht zur Beschaffung fremder Aktien? . . . . . . . . . . 4) Bestandsschutz im weiteren Sinne . . . . . . . . . . . . . . II) Prinzip der Gattungsgleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2) Ausnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abfindung von Stammaktionären mit Vorzugsaktien . aa) Vorzugsaktien zur Wahrung der Gattungsverhältnisse in der abfindungspflichtigen Gesellschaft bb) Sonstige Ausnahmen? . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abfindung von Vorzugsaktionären mit Stammaktien

272 272 272 274 276 276 277 278 278 278 281 282 282

XVIII

Inhaltsverzeichnis

III) Gegenläufige Prinzipien . . . . . . . . . . . . IV) Technische Prinzipien . . . . . . . . . . . . . 1) Stichtagsprinzip . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt und Einordnung in das System b) Ausnahme in § 39a III 1 WpÜG . . . 2) Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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282 283 283 283 284 285

§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

287

A) Ungeschriebene Abfindungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . .

287

I) Allgemeine Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1) Der allgemeine bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2) Der allgemeine aktien- und umwandlungsrechtliche Abfindungsanspruch? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II) Fälle ungeschriebener Abfindungsansprüche . . . . . . . . 1) Qualifiziert faktischer Konzern . . . . . . . . . . . . . 2) »Aktienrechtliches Sell-out« parallel zu § 327a AktG? 3) Änderung des Unternehmensgegenstands . . . . . . . a) Bedeutung des Unternehmensgegenstands . . . . . b) Abfindungspflicht bei der Änderung des Unternehmensgegenstands . . . . . . . . . . . . . . c) Grenzen der Abfindung in Aktien . . . . . . . . . . 4) Änderung des Gesellschaftszwecks . . . . . . . . . . . a) Zustimmung aller Aktionäre?. . . . . . . . . . . . . b) Abfindungspflichtige Strukturmaßnahme . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5) Übertragende Auflösung . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff und Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Entwicklung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . d) Vorfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zulässigkeit der übertragenden Auflösung? . . bb) Ungeschriebene Mehrheitserfordernisse? . . . . e) Abgrenzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Verfassungsrechtliche Seite . . . . . . . . . . . . . . h) Einfach-gesetzliche Seite. . . . . . . . . . . . . . . . i) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6) Verschmelzung, Spaltung und Formwechsel durch Einzelrechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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287

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287

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289 290 290 294 296 297

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297 300 300 300 302 302 303 303 304 305 307 307 307 309 309 310 310 313

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313

XIX

Inhaltsverzeichnis

7) Totalrückzug von der Börse durch reguläres Delisting . . a) Die »Macrotron-Diskussion« . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Zweite Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auswirkungen auf die Abfindung in Aktien . . . . . . 8) Segmentwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einfach-gesetzliche Seite. . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verfassungsrechtliche Seite . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9) Börseneinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10) Umtausch von Vorzugs- in Stammaktien . . . . . . . . . . a) Abfindungsansprüche der Stammaktionäre . . . . . . . b) Abfindungsansprüche der überstimmten Vorzugsaktionäre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Auswirkungen auf das Prinzip der Gattungsgleichheit 11) Entschädigung bei der nachträglichen Einführung von Höchststimmrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

313 314 316 317 317 317 318 318 319 319 320 321 325 325 325 326 328

B) Durchführungsprobleme ungeschriebener Abfindungsrechte . . .

329

I) Materiell-rechtliche Seite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1) Vereinbarkeit ungeschriebener Abfindungsrechte mit den Kapitalbindungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Dritte als Abfindungsschuldner. . . . . . . . . . . . . . b) AG als Abfindungsschuldnerin . . . . . . . . . . . . . . aa) Drittgläubigerbeziehung?. . . . . . . . . . . . . . . bb) Ausnahmen vom Verbot des § 57 I 1 AktG . . . . .

330

(1) Einziehung und Kapitalherabsetzung (§ 237 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zulässiger Erwerb eigener Aktien . . . . . . (a) Grundsätzliche Möglichkeit gem. § 71 I Nr. 3 AktG analog . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) 10%-Grenze des § 71 II 1 AktG . . . . . . . (aa) Rechtslage bei den geschriebenen Abfindungsansprüchen . . . . . . . . . . . . (bb) Rechtslage bei den ungeschriebenen Abfindungsansprüchen . . . . . . . . . . . . (c) Pflicht zur Rücklagenbildung nach §§ 71 II 2 AktG, 272 IV HGB. . . . . . . . . . . . . .

330 330 330 330 331

. . . . . .

331 331

. . . . . .

331 333

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334

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335

. . . 2) Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II) Prozessuale Seite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

336 336 337

XX

Inhaltsverzeichnis

C) Rechtmäßigkeit abfindungsauslösender Beschlüsse . . . . . . . . . I) Materielle Rechtmäßigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1) Bestandsaufnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 243 II 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Materielle Beschlusskontrolle . . . . . . . . . . . . . . c) Treuepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) § 53a AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2) Systematischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufopferungsprinzip als Leitlinie . . . . . . . . . . . b) Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verhalten im Vorfeld des abfindungsauslösenden Beschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schranken der Beschlussfassung selbst . . . . . . (1) Rechtswidrigkeit aufgrund des Beschlussinhalts . (a) Aktienrechtlicher Squeeze-out . . . . . . . . . .

338

. . . . . . . . .

338 339 339 340 344 345 345 345 347

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348 349 349 350

(b) Verschmelzung, Spaltung, Formwechsel, Sitzverlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Rücksichtspflichten? . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Missbrauchskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . (c) Mehrheitseingliederung . . . . . . . . . . . . . . (d) Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag . . (2) Rechtswidrigkeit aufgrund der Beweggründe und des Zwecks des abfindungsauslösenden Beschlusses (a) §§ 305, 320b, 327a AktG . . . . . . . . . . . . . . (b) §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG . . . . . . . (c) Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . .

350 350 354 355 357

. . . . .

358 358 360 362 363 364 365 367 367 368

D) Sonstige allgemeine Auslegungsprobleme. . . . . . . . . . . . . . .

369

I) Der Abfindungsberechtigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1) Begriff der außenstehenden Aktionäre i. S. d. § 305 AktG. a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bestandsaufnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Aufopferungsprinzip als Ausgangspunkt . . . . . . cc) Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2) Auswirkungen des § 71b AktG auf die Abfindungsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

369 369 370 370 371 372 374

II) Formelle Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1) Verletzung abfindungsbezogener Informationsrechte . 2) Sonstige Verfahrensmängel . . . . . . . . . . . . . . . . 3) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III) Zusammenfassung: Das Aufopferungsmodell. . . . . . . .

. . . . .

375

XXI

Inhaltsverzeichnis

3) Abfindungsberechtigte in den umwandlungsrechtlichen Abfindungsfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II) Der sog. Abfindungsergänzungsanspruch . . . . . . . . . . . III) Kontinuitätsschutz, insbesondere des Anspruchs auf Abfindung in Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1) Bedeutung und Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . 2) Abschichtung der Problemkreise . . . . . . . . . . . . . a) Differenzierung nach Aktionärsgruppen . . . . . . . b) »Schutzebenen«. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3) Schutz der jeweiligen Aktionärsgruppen . . . . . . . . . a) Aktionäre, die bereits gegen Abfindung aus der AG ausgeschieden sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aktionäre, die sich beim Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag bereits verbindlich für den Verbleib in der AG entschieden haben . . . . . . c) Aktionäre, deren Anspruch auf Abfindung in Aktien noch nicht erloschen ist . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Pflicht zur Abfindung in eigenen Aktien . . . . . (1) Verschmelzung der abfindungspflichtigen AG . .

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377 377

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379 379 380 380 380 381

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381

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381

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382 383 383

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387 387 387 388 389

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390

. bb) Pflicht zur Abfindung in fremden Aktien. . . . . . 4) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

391 393 394

E) Auslegungsprobleme des Vertragskonzernrechts . . . . . . . . . .

395

I) Sonderbeschlusserfordernis der §§ 295 II, 296 II, 297 II AktG II) Schuldnerwechsel bei der Vertragsübernahme? . . . . . . . . . III) Wem steht das Wahlrecht gem. § 305 II Nr. 2 AktG zu? . . . .

395 398 399

§ 8 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

401

A) »Abfindungsverfassungsrecht« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

401

I) Prinzip der vollen Entschädigung . . . . . . . . . . . . . . . .

401

(2) Spaltung und Formwechsel der abfindungspflichtigen AG . . . . . . . . . . . . (3) Ausgliederung in der abfindungspflichtigen AG . (4) Eingliederung der abfindungspflichtigen AG . . (5) Squeeze-out in der abfindungspflichtigen AG . . (6) Aufbau eines mehrstufigen Vertragskonzerns . . (7) (Einfach) faktische Abhängigkeit der abfindungspflichtigen AG . . . . . . . . . . . . (8) Vertragsübernahme und Beitritt zum Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag .

XXII

Inhaltsverzeichnis

II) Keine zwingende Gleichwertigkeit von Abfindung gem. § 305 AktG und Ausgleich gem. § 304 AktG . . . . . . .

401

B) Prinzip der vollen Abfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

402

C) Rechtsnatur des Abfindungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . .

402

D) Gesamt-zivilrechtlicher Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . .

403

I) Abfindungsansprüche als Aufopferungsansprüche . . . . . . . II) Abgrenzung gegenüber dem Austrittsrecht aus wichtigem Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

403 405

E) Haftungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

405

F) Sonstige Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

407

I) Prinzip des Primärschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II) Prinzip der Gattungsgleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . .

407 408

G) Kontinuitätsschutz des Anspruchs auf Abfindung. . . . . . . . . .

408

H) Systemwidrigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

409

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

411

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

471

Abkürzungsverzeichnis A. A.2d aff’d. Am. B. Found. Res. J. Am. L. & Econ. Rev.

Atlantic Reporter Atlantic Reporter, Second Series affirmed American Bar Foundation Research Journal American Law & Economics Review

B. C. L. Rev. Bell J. Econ. Bus. Law.

Boston College Law Review Bell Journal of Economics The Business Lawyer

C. A. Cal. Cal. L. Rev. Cir. Cog. Psychol. Colum. L. Rev. Conn. Corp.

Civil Action California California Law Review Circuit Court of Appeals (federal) Cognitive Psychology Columbia Law Review Connecticut Corporation

D. D. C. Del. Del. Ch. Del. L. Rev. DGCL

District Court (federal) District of Columbia Delaware Delaware Court of Chancery Delaware Law Review Delaware General Corporation Law

E. D. Ed. ed. eds. Eur. Econ. Rev.

Eastern District Edition Editor Editors European Economic Review

F. F. 2d F. 3d F.Supp. Fin. Analyst J. Fin. Rev.

Federal Reporter Federal Reporter, Second Series Federal Reporter, Third Series Federal Supplement Financial Analyst Journal Financial Review

Geo. L.J.

Georgetown Law Journal

XXIV

Abkürzungsverzeichnis

Harv. L. Rev. Hofstra L. Rev.

Harvard Law Review Hofstra Law Review

Inc. Indus. Mgmt. Rev. Int. Econ. Rev.

Incorporated Industrial Management Review International Economic Review

J. Bus. J. Corp. L. J. Econ. Lit. J. Econ. Psychol. J. Fin. J. Fin. & Quant. Analysis J. Fin. Econ. J. Fin. Markets J. Fin. Services Res. J. L. & Econ. J. Legal Stud. J. Monetary Econ. J. Personality & Soc. Psychol. J. Pol. Econ. JPE

Journal of Business Journal of Corporation Law Journal of Economic Literature Journal of Economic Psychology Journal of Finance Journal of Financial and Quantitative Analysis Journal of Financial Economics Journal of Financial Markets Journal of Financial Services Research Journal of Law and Economics Journal of Legal Studies Journal of Monetary Economics Journal of Personality and Social Psychology Journal of Political Economy Journal of Private Equity

KRL

Kapitalrichtlinie

MBCA Mich. L. Rev.

Model Business Corporation Act Michigan Law Review

N. D. N. E. N. E. 2d N.W. N. W.2d N. Y. NASDAQ No. NYSE

Northern Disctrict oder North Dakota North Eastern Reporter North Eastern Reporter, Second Series North Western Reporter North Western Reporter, Second Series New York National Association of Securities Dealers Automated Quotation System Number New York Stock Exchange

P. P.2d Pa. Psychol. Rev. Psychol. Sci.

Pacific Reporter Pacific Reporter, Second Series Pennsylvania Psychological Review Psychological Science

Q. J. Econ.

Quarterly Journal of Economics

S. D. S. E.

Southern District oder South Dakota South Eastern Reporter

Abkürzungsverzeichnis

XXV

S. E.2d S. W. S. W.2d SE SEC

South Eastern Reporter, Second Series South Western Reporter South Western Reporter, Second Series Societas Europaea Securities Exchange Commission

U. Pa. L. Rev. U. Chi. L. Rev U. S. UCLA L. Rev

University of Pennsylvania Law Review University of Chicago Law Review United States oder United States Supreme Court Reporter UCLA Law Review

Va. L. Rev. Vand. L. Rev.

Virginia Law Review Vanderbilt Law Review

Wash. & Lee L. Rev.

Washington and Lee Law Review

Yale L. J.

Yale Law Journal

zusf.

zusammenfassend

Hinsichtlich der oben nicht aufgeführten Abkürzungen wird verwiesen auf Kirchner, Hildebert/ Butz, Cornelie: Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 5. Aufl., Berlin, New York, 2003.

§ 1 Einleitung Seit dem »DAT/Altana«-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27. 4. 19991 ist das Thema »Abfindungsansprüche der Aktionäre« in aller Munde. Die Schaffung des aktienrechtlichen Squeeze-out zum 1. 1. 2002 (§§ 327a ff. AktG) 2 und übernahmerechtlichen Ausschlussverfahrens zum 14. 7. 2006 (§§ 39a ff. WpÜG), die Einführung des SEAG3 und der §§ 122a ff. UmwG4 sowie einige viel beachtete Entscheidungen des BVerfG und BGH5 liefern der Diskussion fortwährend neuen Stoff. Es verwundert daher nicht, dass mittlerweile eine kaum zu überblickende Flut von Aufsätzen und Monographien erschienen ist, die sich mit Aspekten der aktienund umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche beschäftigen. Sämtliche dieser Publikationen behandeln allerdings Detailfragen – z. B. nach ungeschriebenen Abfindungsansprüchen beim Segmentwechsel6 , nach der Missbrauchskontrolle des Squeeze-out-Beschlusses7 oder nach der Konkretisierung der »DAT/AltanaGrundsätze« zur Unternehmensbewertung8 . Ebenso intensiv diskutiert wurde 1

BVerfGE 100, 289 (DAT/Altana). Vgl. Art. 7 des Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen vom 20. Dezember 2001, BGBl. I, S. 3822. 3 Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) (SE-Ausführungsgesetz – SEAG), Art. 1 des Gesetzes zur Einführung der Europäischen Gesellschaft (SEEG) v. 22. 12. 2004, BGBl. I, S. 3675. 4 Zweites Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes v. 19. 4. 2007, BGBl. I, S. 542. 5 BVerfG ZIP 1999, 1804 (Hartmann & Braun); BVerfG NJW 2001, 279 (Moto Meter); BVerfG NJW 2007, 3265 (Jenoptik); BVerfG NJW 2007, 3266, 3268 (Wüstenrot und Württembergische AG); BVerfG NJW 2007, 3268, 3269 (Edscha); BGHZ 146, 179 (MEZ); BGHZ 147, 108 (DAT/Altana); BGHZ 152, 29 (Rütgers); BGHZ 153, 47 (Macrotron); BGHZ 155, 110 (Philips); BGHZ 156, 57 (Ytong); BGHZ 166, 195 (Null-Ausgleich); BGH 174, 378; BGH ZIP 2008, 778 (EKU). 6 Im Zusammenhang mit OLG München ZIP 2008, 1137 (Lindner II); LG München ZIP 2007, 2143 (Lindner II): Feldhaus, BB 2008, 1307; Goslar, EWiR 2008, 461; Paefgen/Hörtig, WuB I G 7-1.08; Schwichtenberg, AG 2005, 911, 913 ff. 7 Etwa Amberger, Die Missbrauchskontrolle im Rahmen des aktienrechtlichen Squeeze-out, 2007; Kort, ZIP 2006, 1519; Markwardt, BB 2004, 277; Posegga, Squeeze-out, Unter besonderer Berücksichtigung möglicher Missbrauchsfälle sowie der Besonderheiten der Bemessung der Barabfindung, 2006. 8 Umfassend zuletzt Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, 2007; W. Baums, Der Ausgleich nach § 304 AktG, 2007, S. 112 ff.; Gude, Strukturänderungen und Unternehmensbewertung zum Börsenkurs, 2004. Vgl. auch Winner, Wert und Preis im Zivilrecht, 2008. 2

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§ 1 Einleitung

zuletzt, ob für die Berechnung der Abfindungshöhe auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung oder Bekanntgabe des Squeeze-out abzustellen ist9 oder ob (und gegebenenfalls wie) Abfindungsansprüche des § 305 AktG nach Beendigung des Unternehmensvertrags vom Rechtsnachfolger eines außenstehenden Aktionärs erworben werden können10 . Eine umfassende Arbeit über den teleologischen Hintergrund und die dogmatischen Wurzeln des Abfindungsrechts fehlt. Gerade eine solche Arbeit könnte aber Gewinn bringen, denn Kenntnisse der Grundlagen ermöglichen überzeugende Antworten in den Details. Am Abfindungsrecht Interessierte würden in die Lage versetzt, Thesen anderer aufzugreifen und fortzuentwickeln. Ausländische Rezipienten könnten das deutsche Recht besser verstehen. Dem Gesetzgeber würde eine Hilfestellung zu guter Gesetzgebung gegeben. Ein solcher Beitrag könnte darin liegen, das System aufzuzeigen, das den aktienund umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüchen zugrunde liegt11. Systematisch zu denken ist nicht nur schon immer betontes Ziel jeder Wissenschaft12 . Der Nutzen von Systematik zeigt sich gerade in der Jurisprudenz13 : Ein juristisches System macht Vorschriften transparent14 , erleichtert ihre Auslegung15 und hilft bei der Rechtsfortbildung16 . Systembrüche, systemfremde Normen und Systemlücken 9 KG ZIP 2007, 75 (DeTeWe II); OLG Stuttgart ZIP 2007, 530 (DaimlerChrysler); Just/Lieth, NZG 2007, 444; Kocher/Widder, Konzern 2007, 351; Pluskat, NZG 2008, 365. 10 Aus der reichen Literatur zu BGHZ 167, 299 (Jenoptik) und OLG Jena ZIP 2005, 525 (Jenoptik) s. zunächst nur Altmeppen, FS Ulmer, 2003, 3; Bayer, ZIP 2005, 1053; Bilda, NZG 2005, 375; Habersack, AG 2005, 709; Hirte, FS Hadding, 2004, 427; Koppensteiner, DStR 2006, 1603. 11 Die Systembildung als Ziel der Rechtsdogmatik hervorhebend Diederichsen, FS Seiler, 1999, 65, 70; speziell als Aufgabe gesellschaftsrechtlicher Dogmatik definierend Lutter, ZGR 1998, 397, 397 f. 12 Vgl. schon Leibniz, Monadologie, 1720 (Neuabdruck 1994), sub. 31: »Unsere Schlüsse stützen sich auf zwei Hauptgrundsätze: jenen des Widerspruchs (principe de le contradiction), kraft dessen wir dasjenige für falsch eklären, was einen Widerspruch enthält, und dasjenige für wahr halten, was dem Falschen entgegengesetzt oder widesprechend ist«. Zum Wissenschaftschaftscharakter der Jurisprudenz und seiner Verknüpfung mit dem Systemdenken dezidiert J. Binder, Philosophie des Rechts, 1925, S. 841, 843; Wolff, Studium generale 5 (1952), S. 195, 205 (»Rechtswissenschaft zumindest ist systematisch, oder sie ist nicht!«); Sauer, Juristische Methodenlehre, 1940, § 22 = S. 171 (»Alle Erkenntnis ist systematische Erkenntnis«); kurzer Abriss über die Geschichte des Systemdenkens bei Vesting, Rechtstheorie, 2007, Rn. 67 ff. 13 Im Gesellschaftsrecht mahnend Beuthien, JZ 2003, 969 unter dem Titel »Zur Systemvergessenheit im deutschen Gesellschaftsrecht«. Dazu auch noch ausführlich unter S. 6 ff.. 14 Coing, Grundzüge der Rechtsphilosophie, 5. Aufl. 1993, S. 292 f., Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 2003, S. 26 f.; Zippelius, Rechtsphilosophie, 5. Aufl. 2007, § 38 III = S. 194; zur Vereinfachungsfunktion der Systematisierung auch F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 1996, S. 35. 15 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 90 ff.; Engisch, ZStW 84 (1972), 103, 106; E. E. Ott, Die Methode der Rechtsanwendung, 1979, S. 267 Fn. 844; Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 2003, S. 27 f.; Rüthers, Rechtstheorie, 3. Aufl. 2007, Rn. 744 ff.; Zippelius, Rechtsphilosophie, 5. Aufl. 2007, § 38 III = S. 194. 16 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 95 ff.; Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 2003, S. 29 f.; Zippelius, Rechtsphilosophie, 5. Aufl. 2007, § 38 III = S. 194; einschränkend Röhl, Allgemeine Rechtslehre,

§ 1 Einleitung

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werden aufgezeigt und behoben oder ihre Wirkungen begrenzt17. All dies erhöht die Rechtssicherheit18 und senkt Transaktionskosten19. Schließlich kann ein System dem Gesetzgeber helfen, Widersprüche bei zukünftiger Gesetzgebung zu vermeiden und bestehende Widersprüche auszuräumen 20 . Mit den §§ 305, 320b, 327a ff. AktG, §§ 29 ff. (i. V. m. § 125 S. 1), 122i, 207 ff. UmwG, §§ 7, 9 SEAG, 39a WpÜG ist eine Reihe von Vorschriften vorhanden, die das »Abfindungsrecht der Aktionäre« regeln 21. Hinzu kommt § 12 SEAG, der zwar nicht für die Gesellschafter einer deutschen Aktiengesellschaft, sondern die Anteilsinhaber einer Europäischen Gesellschaft gilt, der aufgrund der dogmatischen Nähe beider Gesellschaftsformen [vgl. Art. 9 I lit. c)ii) SE-VO] aber auch für das Recht der AG Bedeutung hat. Die vorliegende Arbeit unternimmt den Versuch, das »innere« System des durch diese Normen abgesteckten Rechtsgebiets herauszuarbeiten 22 , um hierdurch seine wertungsmäßige Folgerichtigkeit und innere Einheit darzustellen und zu verwirklichen. Die Abfindungsansprüche des AktG, UmwG, SEAG und WpÜG erscheinen dabei als eine zur Systematisierung besonders reizvolle Materie: Während das UmwG mit Kodifikationsgedanken und Verweisungstechnik »wie kaum ein anderes modernes Gesetz (. . .) als ein ›geordnetes Ganzes‹ und damit exemplarisch für zwei Hauptmerkmale eines Systems« erscheint 23 , wird das Recht der gesetzlichen Lösungsrechte häufig als »Flickwerk« bezeichnet, das »weniger systemhaft planvoll als punktuell-augenblicksbezogen vorgeht, und daher absichtlich oder unabsichtlich Widersprüche in Kauf nimmt und auf eine geschlossene Systematik verzichtet«24 . Ob dies zutrifft, ist Gegenstand dieser Arbeit.

2. Aufl. 2001, § 52 IV = S. 419. Speziell bei der Rechtsfortbildung der Abfindungsvorschriften wird das Systemargument etwa gebraucht von Lutter/Leinekugel, ZIP 1999, 261, 262. Im Zusammenhang mit der Squeeze-out-Regelung: Ehricke/Roth, DStR 2001, 1120, 1127; Habersack, ZIP 2001, 1230, 1235. 17 Hierzu Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 112 ff. 18 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 17; Mastronardi, Juristisches Denken, 2001, Rn. 848; Zippelius, Rechtsphilosophie, 5. Aufl. 2007, § 38 III = S. 194. 19 Mülbert, ZHR 159 (1995), 2, 7. 20 Vgl. Zippelius, Rechtsphilosophie, 5. Aufl. 2007, § 38 III = S. 194; zur Systematik in der Gesetzgebung auch Noll, Gesetzgebungslehre, 1973, S. 202 ff. Zur Bedeutung des Systemdenkens in der Rechtsvergleichung Coing, FS Dölle, Bd. 1, 1963, 25. 21 Im Folgenden wird der Begriff des »Systems der aktien- und umwandlungsrechtlichen Ansprüche« gleichbedeutend mit dem Begriff des »Systems des Abfindungsrechts der Aktionäre« verwandt. 22 Zum Begriff des inneren Systems noch u. S. 6 ff. 23 Hommelhoff/Riesenhuber in Grundmann, Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, 2000, S. 259, 259 f. 24 So Kalss, wbl 2001, 366, 372; ähnlich Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 493 f.: »Stückwerk«.

§ 2 Gegenstand der Arbeit A) Definition des Themas und rechtsmethodische Grundlagen I) Begriff des Abfindungsanspruchs Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit sind nur diejenigen Ansprüche des geltenden Rechts, die Abfindung gewähren und die Aktionären zustehen können, d. h. auch den Gesellschaftern einer (deutschen oder Europäischen) Aktiengesellschaft1. Dies sind die §§ 305, 320b, 327a AktG, §§ 29 (i. V. m. § 125 S. 1), 122i, 207 UmwG, §§ 7, 9, 12 SEAG, § 39a WpÜG. Wenn im Folgenden von »Abfindungsrecht«, »Abfindungsansprüchen« oder verwandten Begriffen die Rede ist, so sind nur diese Ansprüche gemeint 2 . Wird von »umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüchen« gesprochen, bezieht sich dies grundsätzlich sowohl auf die §§ 29, 122i, 207 UmwG als auch auf die §§ 7, 9, 12 SEAG. Wenn verallgemeinernd von den »aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüchen« die Rede ist, ist hiermit – soweit nicht ausdrücklich ausgenommen – auch § 39a WpÜG gemeint, obwohl es sich hierbei um eine übernahmerechtliche Norm handelt. Abfindungsähnliche Ansprüche (z. B. § 304 AktG, § 5 EGAktG, §§ 33b V WpÜG) werden beleuchtet, soweit es die hier unternommene Systematisierung erfordert oder sich ein Exkurs anbietet.

II) Erscheinungsbild der Aktiengesellschaft Die folgenden Ausführungen gelten für börsennotierte und kapitalmarktferne Aktiengesellschaften. Mit Ausnahme von § 39a WpÜG (s. § 1 I WpÜG) und § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG gelten auch die aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche für beide Erscheinungsformen der AG. Auf etwaige Besonderheiten, die nur einen bestimmten Typ der AG betreffen, wird gesondert eingegangen. 1 Nicht problematisiert wird daher der Abfindungsanspruch aus § 36 LwAnpG; hierzu etwa Hommelhoff/Schubel, ZIP 1998, 537 ff. 2 Nicht behandelt werden die Abfindungsansprüche, die Zeichnern einer nichtigen Kapitalerhöhung im Rahmen der Rückabwicklung zugesprochen werden; dazu U. Huber, FS Claussen, 1997, 147 ff.; Kort, ZGR 1994, 291 ff.; Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S. 193 ff.; Meyer-Panhuysen, Die fehlerhafte Kapitalerhöhung, 2003, S. 119 ff.; C. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 2002, S. 427 ff.; WpHG, 1999, Zöllner, AG 1993, 68 ff.; Zöllner/Winter, ZHR 158 (1994), 59 ff.

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§ 2 Gegenstand der Arbeit

III) Systembegriff Die vorliegende Arbeit versteht sich nicht als Beitrag zur Methodenlehre, sondern als rechtsdogmatische Arbeit. Sie hat daher nicht den Anspruch, den Systembegriff zu hinterfragen oder fortzubilden, sondern bedient sich seiner, um aktienund umwandlungsrechtliche Fragen zu beantworten 3 . Im Folgenden soll daher lediglich der hier zugrunde gelegte Systembegriff dargestellt werden4 . Selbstverständlich ist dabei auf die Kritik an diesem Systembegriff einzugehen, denn diese Kritik zweifelt die Legitimation des gesamten weiteren Vorgehens an. 1) Definition des Systems Unter den vielen Definitionen des juristischen Systembegriffs5 ragt die von Canaris heraus6 : System ist hiernach die »teleologische Ordnung allgemeiner Rechtsprinzipien«7. Kennzeichnend für den Systembegriff Canaris’ ist das Merkmal der Ordnung – also einer rational erfassbaren, »inneren«, von der Sache her begründeten Folgerichtigkeit – sowie der Einheit, also die Eigenschaft, dass die Ordnung des Systems auf wenige tragende Grundprinzipien zurückgeführt werden kann8 . Dieses System wird oftmals auch als »inneres System« (der Gedanken) bezeichnet, im Gegensatz zu dem sog. »äußeren System« (der formalen Anordnung der Rechts3 Für einen knappen Überblick über die Entwicklung und Diskussion des Systemdenkens in der Jurisprudenz Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 165 ff.; ausführlich zuletzt Höpfner, Die systemkonforme Auslegung, 2008, S. 3 ff. 4 Instruktiv auch Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 2003, S. 5 ff. 5 Nicht weiter eingegangen wird im Rahmen dieser Arbeit auf die viel diskutierte soziologische oder »allgemeine« Systemtheorie, insbesondere Niklas Luhmanns (dazu Luhmann, Zweckbegriff und Systemrationalität, 1968; Luhmann, Rechtssystem und Rechtsdogmatik, 1974; Luhmann, Rechtssoziologie, 2. Aufl. 1983, S. 354 ff. S. auch Eckhoff/Sundby, Rechtssysteme, 1988, S. 14, 183 et passim, die nicht nur die Rechtsordnung, sondern auch die Tätigkeit von Gesetzgebung und Rechtsprechung als Bestandteile des Systems ansehen). Zur Systemtheorie Luhmanns als Einführung immer noch empfehlenswert Schreiber/Loos, Rechtstheorie, 1980, S. 127 ff. sowie G.-P. Calliess in Buckel/Christensen/Fischer-Lescano, Neue Theorien des Rechts, 2006, S. 57; Vesting, Rechtstheorie, 2007, Rn. 108 ff. 6 Canaris zustimmend Engisch, ZStW 84 (1972), 103, 108; vgl. auch Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, 1976, S. 3. Auf den Systembegriff Canaris’ für das Gesellschaftsrecht aufbauend Hommelhoff/Riesenhuber in Grundmann, Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, 2000, S. 259, 261; für das Steuerrecht Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. 1, 1993, S. 111; für das Bilanzrecht Euler, Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, 1996, S. 15 ff. 7 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 156 (zusf.); ähnlich Diederichsen, FS Seiler, 1999, 65, 70 (»hierarchisch gegliedertes, zur Einheit geordnetes Ganzes«); ebenso Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 2003, S. 5 m. w. N. 8 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 12 f. Kritisch zum Gebot der Folgerichtigkeit etwa Manning, 72 Yale L. J. 223, 257 (1962): »Consistency in the law is a tertiary virtue at best. Presumably consistent idiocy is not to be preferred to intermittent idiocy«.

A) Defi nition des Themas und rechtsmethodische Grundlagen

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normen einer bestimmten Rechtsordnung) 9. Ebenso kann man es »System der Erkenntnisse« nennen, im Gegensatz zum »System der Gegenstände der Erkenntnis«10 , oder »materiales System«, im Gegensatz zum »formalen«11. 2) Begriff und Abgrenzung, Arten der Rechtsprinzipien Das System besteht aus Rechtsprinzipien. Beispiele aus dem allgemeinen Aktienrecht sind etwa das Prinzip realer Kapitalaufbringung im Gründungsrecht (z. B. §§ 27 II, 36a II AktG), das Kollegialprinzip im Vorstandsrecht (§ 77 I 1 AktG) oder das Subsidiaritätsprinzip im Recht der Kapitalherabsetzung (§ 222 IV 2 AktG). Rechtsprinzipien lassen sich definieren12 als nicht unmittelbar subsumierbare Maßstäbe ohne Rechtsfolgenanordnung13 , die auf Optimierung angelegt sind14 9 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 19; Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, 1935, S. 83; Engisch, Studium generale 10 (1957), 173, 180; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 437 ff., 474 ff.; E. Meyer, Grundzüge einer systemorientierten Wertungsjurisprudenz, 1984, S. 114 f.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. 1, 1993, S. 105 ff., 110 ff.; Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl. 2008, § 4, Rn. 5 ff., 9 ff.; ähnlich Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, 3. Aufl. 1999, Rn. 226; weiterführend und vertiefend F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 1996, S. 5 ff. Zu den Begriffen schon grundlegend, aber mit abweichendem Verständnis Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, 1932, S. 84 ff., 139 ff. Kritisch Noll, Gesetzgebungslehre, 1973, S. 207 mit Fn. 69. 10 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 13 in Anknüpfung an Eisler, Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Bd. III, 4. Aufl. 1913, Stichwort »System«. 11 So Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. 1, 1993, S. 105 Fn. 1. 12 Gegen die Definierbarkeit von Rechtsprinzipien Larenz, Richtiges Recht, 1979, S. 27. Überblick über das Folgende auch bei Michael, Der allgemeine Gleichheitssatz als Methodennorm komparativer Systeme, 1997, S. 96 ff. Die Unterscheidung zwischen Prinzipien und »Zielsetzungen« sowie »Regeln« spielt für die vorliegende Arbeit keine Rolle, dazu Dworkin, Taking Rights Seriously, 1977, 22 ff. (»policies« und »rules« im Gegensatz zu »principles«); mit dieser Unterscheidung ebenfalls arbeitend Fleischer in 64. DJT, Gutachten F, 2002, S. 19 f.; zur Abgrenzung von Prinzipien und Regeln daneben insbesondere Alexy in Krawietz u. a., Argumentation und Hermeneutik in der Jurisprudenz, 1979, S. 59, 63 ff.; Alexy in Maccormick/Panou/Vallauri, Conditions of Validity and Cognition in Modern Legal Thought (ARSP Beiheft 25), 1985, S. 13 ff.; Alexy, Theorie der Grundrechte, 4. Aufl. 2001, S. 71 ff. 13 Dworkin, Taking Rights Seriously, 1977, S. 25 [erstmals erschienen unter dem Titel: The Model of Rules, 35 U.Chi.Law.Rev. 14 (1967)] = Dworkin, Bürgerrechte erstgenommen, 1990, S. 59; Esser, Grundsatz und Norm, 4. Aufl. 1990, S. 50 f.; Larenz, Richtiges Recht, 1979, S. 23; Larenz, FS Wilburg, 1975, 217, 222; Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 2003, S. 12 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 8 II 3 b = S. 434 (zum Treuegebot); vgl. aber auch Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 479 f. zur Unterscheidung von »offenen« und »rechtssatzförmigen« Prinzipien. 14 Alexy in Krawietz u. a., Argumentation und Hermeneutik in der Jurisprudenz, 1979, S. 59, 80; Alexy in Maccormick/Panou/Vallauri, Conditions of Validity and Cognition in Modern Legal Thought (ARSP Beiheft 25), 1985, S. 13, 19; Alexy in Schilcher/Koller/Funk, Regeln, Prinzipien und Elemente im System des Rechts, 2000, S. 31, 32; Alexy, Theorie der Grundrechte, 4. Aufl. 2001, S. 75 f.; R. Dreier, JZ 1985, 353, 356; Fleischer in Fleischer/Kalss, Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2002, S. 71; Höpfner, Die systemkonforme Auslegung, 2008, S. 97; Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 2003, S. 13;

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§ 2 Gegenstand der Arbeit

und in abgestuftem Maße verwirklicht werden können15 , die miteinander in Konflikt geraten16 und kombiniert werden können17 und die zu ihrer Verwirklichung der Konkretisierung bedürfen18 . Man kann sie einteilen19 in oberste Rechtsprinzipien (auch: Fundamentalprinzipien 20 ) und deren Konkretisierungen, die sog. Unter- oder Subprinzipien21, wobei hier verschiedene Konkretisierungsstufen denkbar sind 22 . Ein oberstes Prinzip des Aktienrechts ist z. B. der Minderheitenschutz23 . Konkretisiert wird dieses Prinzip etwa durch den Gleichbehandlungssatz (§ 53a AktG), dessen spezielle Ausprägung wiederum z. B. das Prinzip informationeller Gleichbehandlung darstellt (vgl. § 131 IV 1 AktG) 24 . Es gibt wertende Prinzipien, deren Ziel die Verwirklichung von Gerechtigkeit ist (vgl. die bisher genannten), und technische Prinzipien, die in erster Linie auf Zweckmäßigkeitserwägungen ohne besonderen Gerechtigkeitsgehalt beruhen 25 , etwa der Schriftformgrundsatz des Unternehmensvertragsrechts (§§ 293 III, 295 I, 296 I 3, 297 III AktG). Ferner kann man unterscheiden zwischen systemtragenden Prinzipien, die prägend für das gesamte System sind (s. o., Minderheitenschutz), und solchen, die sich nur auf Teilbereiche

Wiedemann in Lutter/Wiedemann, Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht, 1998, S. 5, 25; inzident Larenz, FS Wilburg, 1975, 217, 223. Kritisch Otte in Bydlinski/Krejci/Schilcher/Steininger, Das Bewegliche System im geltenden und künftigen Recht, 1986, S. 271, 277 ff. 15 Dworkin, Taking Rights Seriously, 1977, S. 26 f.; zust. Fleischer in Fleischer/Kalss, Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2002, S. 71; grds. zust. Alexy in Krawietz u. a., Argumentation und Hermeneutik in der Jurisprudenz, 1979, S. 59, 79 ff.; inzident Larenz, FS Wilburg, 1975, 217, 223. 16 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, 53, 55 f.; Dworkin, Taking Rights Seriously, 1977, S. 26, 27 f.; Engisch, Studium generale 10 (1957), 173, 176; Fleischer in Fleischer/Kalss, Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2002, S. 71; Höpfner, Die systemkonforme Auslegung, 2008, S. 97; Larenz, Richtiges Recht, 1979, S. 42; Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 2003, S. 14 f. 17 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 55 (»wechelseitige Ergänzung«); Larenz, FS Wilburg, 1975, 217, 223. 18 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 57; Dworkin, Taking Rights Seriously, 1977, S. 25 f.; Larenz, FS Wilburg, 1975, 217, 223 f.; Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 2003, S. 15 ff. 19 Weitere Differenzierungen bei Esser, Grundsatz und Norm, 4. Aufl. 1990, S. 39 ff., 87 ff., 107 ff.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. 1, 1993, S. 113 ff. 20 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. 1, 1993, S. 111; ähnlich Tipke, Steuergerechtigkeit in Theorie und Praxis, 1981, S. 48 (»Fundamentalregeln«). 21 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 53; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. 1, 1993, S. 111; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 475; mit teilweise anderer Terminologie auch F. Bydlinski, Fundamentale Rechtsgrundsätze, 1988, S. 124. 22 Davon geht auch Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 60 aus. 23 Grundlegend Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 8 = S. 404 ff. 24 Hierzu Verse, Der Gleichbehandlungsgrundsatz im Recht der Kapitalgesellschaften, 2006, S. 509 ff. 25 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. 1, 1993, S. 115 f.; Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl. 2008, § 4 Rn. 18.

A) Defi nition des Themas und rechtsmethodische Grundlagen

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des Systems beziehen (s. o., Subsidiaritätsprinzip des § 222 IV 2 AktG) 26 . Außer nach dem Grad der Konkretisierung, dem Ziel und dem Anwendungsbereich lassen sich die Prinzipien weiterhin unterteilen nach ihrem Inhalt – für ein gewisses Ergebnis streitend oder hiergegen sprechend (letztere die sog. gegenläufigen Prinzipien27) – sowie nach ihrer Wirkungsweise: Der Haftungsgrund etwa gibt die allgemeinen Voraussetzungen an, warum der Gläubiger den Anspruch hat28 , der Zurechnungsgrund, warum gerade der Schuldner haftet 29. 3) Gewinnung von Rechtsprinzipien Gewonnen werden Rechtsprinzipien vor allem im Wege der objektiv-teleologischen Auslegung30 . Die wichtigsten Arbeitshypothesen dieser Auslegungsmethode lauten erstens, dass ein Gesetz »sachgemäß« sein muss, also den Strukturen des geregelten Sachbereiches31 zu entsprechen hat 32 , zweitens, dass solche Ergebnisse gefunden werden müssen, die Gleiches gleich, wesentlich Ungleiches proportional ungleich behandeln (Gleichbehandlungsgebot) 33 . Dass Gesetze sachgemäß sein müssen, liegt an dem Charakter der Jurisprudenz als »praktische Wissenschaft«34 und dem damit einhergehenden Ziel, gerechte und damit einsichtige Ergebnisse zu produzieren. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist ein auch für die Systembildung zentraler allgemeiner Gerechtigkeitssatz35 .

26 Vgl. Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 47 f.; Tipke/Lang Steuerrecht, 2002, § 4 Rn. 13. 27 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 52 f. 28 Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 470; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, 13. Aufl. 1994, § 85 V 1 a = S. 670; zust. L. Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, 1980, S. 15; für ein weiteres Verständnis des Begriffs des Zurechnungsgrundes Larenz, JuS 1965, 373 ff.; Dubischar, Grundbegriffe des Rechts, 1968, S. 48. 29 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 470; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, 13. Aufl. 1994, § 85 V 1 a = S. 670; zust. L. Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, 1980, S. 14 ff. 30 Vgl. Larenz, FS Wilburg, 1975, 217, 223 (Rechtsprinzipien als »rationes leges«); Larenz, Richtiges Recht, 1979, S. 26. Weiterführend Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 153: zum Einfluss des topischen Denkens auf die Erkenntnis von Rechtsprinzipien. 31 Mit inzwischen diffiziler Unterscheidung hierzu F. Müller/Christensen, Juristische Methodik, Bd. 1, 9. Aufl. 2004, Rn. 485 ff. 32 Hierzu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 333 ff.; vgl. auch Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, 1935, S. 72. 33 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 334 ff.; Zippelius, Juristische Methodenlehre, 10 Aufl. 2006, § 10 III c = S. 54 f. 34 Dazu Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, 1932, S. 16 f.; Engisch, Studium generale 10 (1957), 173, 188; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 234 ff. 35 Dazu sogleich S. 10. Zum Gleichheitssatz als zentrales Element der Gerechtigkeitsidee etwa Larenz, Richtiges Recht, 1979, S. 38 ff.

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§ 2 Gegenstand der Arbeit

Für die Wirkungsweise des Systems folgt hieraus die wichtige Erkenntnis, dass das System eigentlich nichts anderes ist als dokumentiertes Verständnis von der Teleologie des Rechts. »Aus dem System abgeleitete Argumente« sind aus diesem Verständnis abgeleitete Argumente36 . Für die folgende Arbeit bedeutet dies: Die Entwicklung eines Systems der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfi ndungsansprüche erfordert eine intensive Auseinandersetzung mit dem teleologischen Hintergrund der Abfindungsvorschriften. 4) Grenzen des Systemdenkens Wichtig für den Fortgang der Arbeit ist die Gewissheit über die Grenzen des Systemdenkens. Dies lenkt den Blick auf seine Legitimation: die generalisierende Tendenz der Gerechtigkeitsidee und das Ziel der Rechtssicherheit 37. Die generalisierende Tendenz der Gerechtigkeitsidee ergibt sich aus dem Gleichheitssatz38 und fordert, dass sich gerechte Entscheidungen auf wenige Wertungsgesichtspunkte (oberste Rechtsprinzipien) zurückführen lassen müssen 39. Dies macht den Rechtsfindungsprozess transparent und überprüfbar40 , die Auslegung und Rechtsfortbildung vorhersehbar und schafft auf diesem Wege Rechtssicherheit 41. So kann man beispielsweise die zahlreichen Informationsrechte des AktG, UmwG, SEAG und WpÜG auf den Grundsatz zurückführen, dass Aktionäre die Informationen benötigen, die sie für eine sachgerechte Willensbildung brauchen. Dieses Prinzip diente dem BGH in seinem »Altana/Milupa«-Urteil als Basis, um im Wege der Rechtsfortbildung spezielle Aktionärs-Informationsrechte zu schaffen, falls der Vorstand von der Vorlagemöglichkeit des § 119 II AktG Gebrauch macht 42 . Die schwierige Vorschrift des § 27 II AktG wird erst dann verständlich und transparent, wenn man sie vor dem Hintergrund des Prinzips realer Kapitalaufbringung sieht. Dass im Umwandlungsrecht das Prinzip der Gestaltungsfreiheit gilt43 , gibt der Rechtspraxis eine nicht zu unterschätzende Rechtssicherheit. Gleiches gilt etwa für das allgemeine gesellschaftsrechtliche Prinzip, dass per Mehrheitsbeschluss keine Nachschusspflichten eingeführt werden dürfen (§ 54 I AktG) oder

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Hierzu auch Esser, Vorverständnis und Methodenwahl in der Rechtsfindung, 1970, S. 96. Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 16 f. Hierzu als Elemente der Gerechtigkeitsidee auch Coing, Geschichte und Bedeutung des Systemgedankens in der Rechtswissenschaft, 1957, S. 29; Larenz, Richtiges Recht, 1979, S. 36, 41. 38 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 16 f., 83; vgl. auch Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, 1935, S. 62 f. 39 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 17; s. auch Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, 3. Aufl. 1999, Rn. 158. 40 Vgl. insoweit auch die Ausführungen von Vesting, JURA 2001, 299, 304, bezogen auf juristische Dogmatik im Allgemeinen. 41 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 17 f. 42 BGHZ 146, 288, 294 ff. (Altana/Milupa). 43 Dazu noch u. S. 61 ff. 37

A) Defi nition des Themas und rechtsmethodische Grundlagen

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dass für die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft grundsätzlich keine Finanzierungspflicht, sondern nur eine Finanzierungsfolgenverantwortung besteht44 . Aus dem Systembegriff und seinem soeben skizzierten Geltungsgrund ergeben sich die Grenzen der Systembildung: Erstens darf niemand erwarten, aus dem System für jede denkbare Fragestellung ein konkretes Ergebnis ableiten zu können. Dann hätte man nämlich kein System von Prinzipien mehr, sondern, um eine Wendung Alexys aufzugreifen, eine Kodifikation von Normen45 . Zweitens kann ein System nur sehr begrenzt die individualisierende Tendenz der Gerechtigkeitsidee berücksichtigen, also die Forderung nach Einzelfallgerechtigkeit, denn die Rechtsprinzipien des Systems sind begriffsnotwendig generalisierend46 . Ebenso wenig fragt das System nach der Praktikabilität und ökonomischen Vernunft der aus ihm abgeleiteten Ergebnisse, und es kann als auf das nationale Recht beschränktes System keine rechtsvergleichenden Argumente berücksichtigen. Gleichwohl haben solche Erwägungen ihre Daseinsberechtigung. Sie können berücksichtigt werden, indem man die aus dem System abgeleiteten Ergebnisse einer Kontrolle durch außersystematische Argumente unterzieht. Überzeugt das systemimmanente Ergebnis auch aus »nichteingebetteter« Perspektive, besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass es sich um ein dauerhaft konsensfähiges Ergebnis handelt, das die jeweilige Rechtsfrage sinnvoll löst. Die außerhalb des Systems gefundenen Erkenntnisse werden auf diese Weise in juristische Termini übersetzt, d. h. »dogmatisch geerdet« und dem Fachpublikum zugänglich gemacht47. Zu betonen ist allerdings, dass der Übergang zwischen der Systemzugehörigkeit bestimmter Argumente und ihrem außersystematischen Charakter fließend ist: Einerseits sind Systeme in der Form sog. »beweglicher« Systeme hochgradig in der Lage, die individualisierende Tendenz der Gerechtigkeitsidee zu berücksichtigen48 . Andererseits können Praktikabilitätserwägungen und andere auf den ersten Blick außersystematisch erscheinende Argumente sehr wohl zur Teleologie des Gesetzes gehören und demnach Systembestandteile sein. Augenfällig wird dies etwa, wenn ökonomische Zielvorgaben des Gesetzgebers zu Rechtsprinzipien im Wege der subjektiv-teleologischen Auslegung werden49. Wichtig ist hier, sich nicht von den Gegensätzen »systemimmanent«/«außersystematisch« vereinnahmen zu lassen,

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Dazu etwa Henze in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, § 57 Rn. 106. Alexy in Krawietz u. a., Argumentation und Hermeneutik in der Jurisprudenz, 1979, S. 59, 84. Vgl. auch Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 29; Larenz, Richtiges Recht, 1979, S. 43. 46 Eingängig Coing, Geschichte und Bedeutung des Systemgedankens in der Rechtswissenschaft, 1957, S. 28 f.; wie im Text auch Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 2003, S. 10. Skeptisch gegenüber dem Systembegriff daher Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, 3. Aufl. 1999, Rn. 165. Hierzu auch Vesting, JURA 2001, 299, 303. 47 Zu dieser Rolle des Juristen als »interface actor« Fleischer, ZGR 2007, 500, 501. 48 Zum beweglichen System noch u. S. 269 ff. 49 S. etwa Grundmann, RabelsZ 61 (1997), 423, 434 f. Zur »Effizienz als Rechtsprinzip« s. die gleichnamige Schrift von Eidenmüller, 3. Aufl. 2005. 45

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§ 2 Gegenstand der Arbeit

sondern zu berücksichtigen, dass das System nur ein Instrument ist, um Ableitungen aus gesetzlichen Wertungen zu verdeutlichen und zu erleichtern 50 . 5) Kritik am zugrunde gelegten Systembegriff51 Ob der soeben umrissene Systembegriff zutrifft bzw. ob er für die juristische Arbeit verwandt werden sollte, wird bezweifelt.52 Die Kritik richtet sich vor allem gegen die auch hier zugrunde gelegte Prämisse, das Systemdenken sei eine Forderung des Gerechtigkeitsgebotes, genauer: der generalisierenden Tendenz der Gerechtigkeitsidee53 . Am ausführlichsten ist diese Kritik von Franz-Joseph Peine vorgetragen worden. Peine lehnt das Systemdenken Canaris’ ab, denn dieser gehe von einer »real nicht existenten, vielleicht idealistischen Basis« aus54 . Aus dem Gebot einer bestimmten Struktur der Rechtsordnung dürfe nicht auf die tatsächliche Beschaffenheit der Rechtsordnung geschlossen werden 55 . Die einzige Ordnung, die der einfachen Rechtsordnung Struktur vorgeben könne, sei die Verfassung. Diese enthalte aber mit dem als reines Willkürverbot ausgestalteten Art. 3 GG und trotz des teilweise postulierten Gebots der »Einheit der Verfassung« keine Anforderungen, die sich mit den Maßstäben Canaris’ decken würden 56 . Auch der Hinweis auf die generalisierende Tendenz der Gerechtigkeitsidee genüge dafür nicht, weil dieser Topos inhaltlich ungeklärt sei 57. Die Ansicht, allein die Verfassung könne der einfachen Rechtsordnungen Struktur vorgeben, erscheint allerdings zu positivistisch 58 . Zu bedenken ist nämlich, dass der Jurisprudenz – anders als den »exakten« Wissenschaften – kein von ihr unabhängiges Objekt der Erkenntnis zugrunde liegt. Welchen Inhalt ein Gesetz hat, kann nicht bereits nach dessen Erlass »einseitig linear« ermittelt werden 59, sondern ergibt sich erst aus seiner Anwendung auf bestimmte Fälle. Mit der Aus50

Dazu o. S. 9: System als dokumentiertes Verständnis von der Teleologie des Rechts. Nicht speziell eingegangen wird auf die Kritik, die sich aus der Freirechtslehre und Topik gegen das Systemdenken ergibt bzw. herleiten lässt; zur Auseinandersetzung mit der Topik sei verwiesen auf Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 1982, S. 141 ff.; Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 135 ff.; Diederichsen, NJW 1966, 697. 52 Vgl. Peine, Das Recht als System, 1983, S. 16 ff. sowie die kritischen Rezensionen Canaris’ »Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz« von Grimm, AcP 171 (1971), 266 ff.; Wieacker, Rechtstheorie 1970, 107 ff. 53 Grimm, AcP 171 (1971), 266; Peine, Das Recht als System, 1983, S. 23 ff.; skeptisch auch Wieacker, Rechtstheorie 1970, S. 107, 108. 54 Peine, Das Recht als System, 1983, S. 27 mit Verweis auf Noll, Gesetzgebungslehre, 1973, S. 207 Anm. 69. 55 Peine, Das Recht als System, 1983, S. 23; zust. D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, 1998, S. 13. 56 Peine, Das Recht als System, 1983, S. 23 ff.; Peine, Systemgerechtigkeit, 1985, S. 299 (zusf.). 57 Peine, Das Recht als System, 1983, S. 24. 58 Ähnlich Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 2003, S. 8 (Vermischung methodologischer und methodenrechtlicher Anforderungen). 59 Dazu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 207. 51

A) Defi nition des Themas und rechtsmethodische Grundlagen

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legung breitet der Rechtsanwender aus, was im Gesetzestext nur unvollständig zur Sprache gebracht wurde 60 . Die Auslegung ist schöpferische Tätigkeit 61, nicht reine Erkenntnis dessen, was objektiv vorhanden ist. So kann nicht bezweifelt werden, dass sich der Gesetzesinhalt im Laufe der Zeit ändern kann62 , eindrucksvolles Beispiel ist etwa der Wandel in der Auslegung des § 11 II GmbHG 63 . Wenn aber der Gesetzesinhalt nicht bereits nach Erlass des Gesetzes endgültig definiert ist, dann kann auch die Tatsache, dass der Gesetzgeber der einfachen Rechtsordnung kein ausgeklügeltes System zugrunde gelegt hat, nicht verbieten, ein solches System bei der Auslegung des Rechts anzustreben64 . Die gleiche Überlegung liegt schließlich der objektiv-teleologischen Auslegungsmethode zugrunde 65 . Die Verfassung ist daher gerade nicht die einzige Ordnung, die der einfachen Rechtsordnung Strukturvorgaben machen kann66 . Auch wird weder von Canaris noch hier bestritten, dass Gesetze unsystematisch sein können67, und gerade das »in Permanenz«68 reformierte Aktienrecht scheint weit entfernt von einem einheitlichen Grundkonzept. Wie mit dem »Nicht-Systemhaften« umgegangen werden muss, ist jedoch eine zweite Frage 69. Sie widerlegt nicht die These, dass Gesetze grundsätzlich so auszulegen sind, dass sie eine »einheitliche Ordnung« ergeben. Ebenso wie der Ansicht Peines oben vorgeworfen wurde, sie sei zu positivistisch, könnte man die soeben vorgetragene Argumentation damit attackieren, dass sie »zu viel Naturrecht« enthalte. So ist die Prämisse Canaris’, dass die Gerechtigkeitsidee Systemgerechtigkeit fordere, dem Vorwurf ausgesetzt, sie berge einen Zirkelschluss, denn sie lade die Gerechtigkeitsidee zuerst mit einem als a priori feststehend vorausgesetzten Inhalt auf (»Gerechtigkeitsidee fordert Systemdenken«), um aus diesem Inhalt die gewünschte Schlussfolgerung zu ziehen. Jedoch enthalten die oben genannten Aspekte der Gerechtigkeitsidee, die Systemdenken fordern (Transparenz, Rechtssicherheit, Gleichbehandlung wesentlich Gleichem), allesamt Ziele, die dem Zusammenleben der Menschen höchst förderlich sind und daher als sinnvolle Zielsetzungen einer »praktischen Wissenschaft« erscheinen70 . Außerdem ist zu bedenken, dass Rechtsprinzipien mithilfe der bekannten Ausle60

Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 313. Kirchhof, NJW 1986, 2275; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 315. Grundlegend schon Bülow, Gesetz und Richteramt, 1885, S. 32, 45; Ehrlich, Freie Rechtsfindung und Freie Rechtswissenschaft, 1903, S. 29. 62 Vgl. nur Husserl, Recht und Zeit, S. 26. 63 Instruktiv dazu Müller-Laube, 20 Probleme aus dem Handels-, Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht, 3. Aufl. 2001, S. 101 ff. 64 Übereinstimmend auch Sodan, JZ 1999, 864, 865: »Positivrechtlich gegenläufige Rechtssätze dürfen nicht zu der Annahme verführen, daß Normwidersprüche jeder Rechtsordnung immanent seien.« 65 Dazu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 317. 66 So aber Peine, Das Recht als System, 1983, S. 23. 67 Dazu Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 112 ff. 68 Zuerst wohl Zöllner, AG 1994, 336. 69 Dazu noch u. S. 14. 70 Zur Jurisprudenz als praktische Wissenschaft o. S. 9. 61

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§ 2 Gegenstand der Arbeit

gungsmethoden gewonnen werden, insbesondere unter Berücksichtigung des Willens des Gesetzgebers. Bei richtiger Anwendung besteht daher nicht die Gefahr, dass aus dem System Ergebnisse abgeleitet werden, die mit dem geschriebenen Recht nichts zu tun haben71. Erneut: Richtig verstandenes Systemdenken ist nicht mehr – aber auch nicht weniger – als dokumentiertes Verständnis von der Teleologie des Rechts72 .

IV) Europarechtliche Einflüsse im Abfindungsrecht Für die hier angestrebte Systematisierung sollte schließlich festgehalten werden, welche Normen des Abfindungsrechts auf europäischem Sekundärrecht beruhen. Ohne dass die gesamte rechtsmethodische Diskussion im Europäischen Privatrecht nachgezogen werden kann 73 , dürfte Einigkeit darüber herrschen, dass es sich bei dem Gebot der richtlinienkonformen Auslegung um eine interpretatorische Vorrangregel handelt, nach der das nationale Recht so weit wie möglich nach dem Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszulegen ist74 . Diese Interpretationsregel hat einen vom nationalen Recht losgelösten Geltungsgrund (überwiegend wird er in den Artt. 10, 249 III EG verortet75) und ist daher »blind« für die Systematik des nationalen Rechts76 . Systemfremde, d. h. isolierte und nicht auf das übrige Recht abgestimmte Rechtsgedanken können daher gerade von Normen ausgehen, die europäisches Sekundärrecht umsetzen77. Dies vorweggeschickt, mag es aus systematischer Sicht zunächst beruhigen, dass nur bei einem Bruchteil der Abfindungsansprüche Richtlinienvorgaben zu berücksichtigen sind. Bei den §§ 305, 320b, 327a AktG existieren schon keine Richtlinien für die Transaktion, in deren Zusammenhang die Abfindungsansprüche entstehen (Vertragskonzern, Eingliederung und »gesellschaftsrechtlicher Squeeze-out«). Gleiches gilt für § 207 UmwG, denn auch der Formwechsel ist nicht europarechtlich geregelt. 71 Vgl. auch Engisch, Studium generale 10 (1957), 173, 189: »Keinesfalls darf das System dem Recht wie ein Netz übergeworfen werden, in dem die Bewegung ertötet wird«. 72 S. o. S. 10. 73 Dazu insbesondere Herresthal, Rechtsfortbildung im europarechtlichen Bezugsrahmen, 2006; Höpfner, Die systemkonforme Auslegung, 2008, S. 249 ff.; Höpfner/Rüthers, AcP 209 (2009), 1, 21 ff.; Ehricke, RabelsZ 59 (1995), 598; Hommelhoff in FS BGH, 2000, 889; Langenbucher in Langenbucher, Europäische Bezüge des Privatrechts, 2. Aufl. 2008, § 1 Rn. 1 ff.; Lutter, JZ 1992, 593; W.-H. Roth in FS BGH, 2000, 847; Schwab, ZGR 2000, 446; viele Facetten der europäischen Rechtsmethodik ausleuchtend Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, Grundfragen der Methoden des Europäischen Privatrechts, 2006; Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, Handbuch für Ausbildung und Praxis, 2006. 74 Zusf. Canaris, FS Bydlinski, 2002, 47, 67 ff. 75 S. nur BGHZ 179, 27 Rn. 19 (Quelle). 76 Canaris, FS Bydlinski, 2002, 47, 72 f.: «Vorrangregel der richtlinienkonformen Auslegung setzt sich (sofern Auslegungsspielraum besteht) auch dann durch, wenn die stärkeren Auslegungskriterien für das entgegengesetzte Ergebnis sprechen und diesem daher bei einer bloßen Abwägungslösung der Vorzug zu geben wäre». 77 Ausführlich dazu zuletzt Herresthal, JbJZivRWiss 2008, 139, 151 ff.

A) Defi nition des Themas und rechtsmethodische Grundlagen

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Die Verschmelzung und Spaltung sind zwar durch Verschmelzungs- 78 und Spaltungsrichtlinie79 reguliert. Ihrem Anwendungsbereich unterfallen aber nur formwahrende Umwandlungen (Art. 1 I VerschmelzungsRiLi, Art. 1 I SpaltungsRiLi i. V. m. Art. 1 I VerschmelzungsRiLi). Zwar sind sie im UmwG und den §§ 293a ff. AktG überschießend umgesetzt. Sie schützen die Minderheitsaktionäre jedoch in erster Linie durch Informationsrechte, aber nicht durch Abfindungsansprüche80 . Selbst die §§ 7, 9, 12 SEAG sind europarechtlich nicht zwingend. Die SE-VO81 enthält in ihren Artt. 8 V, 24 II, 34 lediglich die Ermächtigung an die Mitgliedstaaten, besondere Vorschriften zum Schutze der Minderheitsaktionäre zu erlassen. Die Ausgestaltung dieser Regeln überlässt sie aber dem nationalen Gesetzgeber. Dieses Regelungskonzept hat Art. 4 II der internationalen Verschmelzungsrichtlinie 82 übernommen83 . Die einzige europarechtlich zwingende Abfindungsvorschrift ist damit § 39a WpÜG – der übernahmerechtliche Squeeze-out. Dessen Grundlage findet sich in Art. 15 der Übernahmerichtlinie 84 , der einerseits bestimmt, dass der Bieter, der nach dem Übernahmeangebot mindestens 90% (bzw. 95%) des stimmberechtigten Kapitals erlangt hat, das Recht haben muss, die anderen Aktionäre aus der Gesellschaft auszuschließen, und andererseits die Mitgliedstaaten verpflichtet, für diesen Fall eine angemessene Abfindung zu garantieren (Art 15 V 1 ÜbernahmeRiLi).

B) Weitere Vorgehensweise Aus dem Charakter des Systems als dokumentiertes Verständnis von der Teleologie des Gesetzes85 ergibt sich das weitere Vorgehen dieser Arbeit: Ziel ist es, alle Wertungen und sonstigen dogmatischen Grundlagen herauszuarbeiten, die dem 78 Dritte Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 9. Oktober 1978 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Verschmelzung von Aktiengesellschaften (78/855/EWG), ABl. Nr. L 295 v. 20. 10. 1978, S. 36. 79 Sechste Richtlinie des Rates vom 17. Dezember 1982 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Spaltung von Aktiengesellschaften (82/891/EWG), ABl. Nr. L 378 v. 31. 12. 1982, S. 47. 80 Zusf. etwa Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 2006, § 7 Rn. 16 ff.; Riesenhuber, NZG 2004, 15. 81 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. 10. 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl. Nr. L 294 v. 10. 11. 2001, S. 1. 82 Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, ABl. Nr. L 310 v. 25. 11. 2005, S. 1. 83 Dazu Bayer/Schmidt, NJW 2006, 401, 405; Engert in Langenbucher, Europarechtliche Bezüge des Privatrechts, 2. Aufl. 2008, § 5 Rn. 86e; H.-F. Müller, Konzern 2007, 81, 86; Oechsler, NZG 2006, 161, 164. 84 Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. 4. 2004 betreffend Übernahmeangebote, ABl. Nr. L 142 v. 30. 4. 2004, S. 12. 85 S. o. S. 14.

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§ 2 Gegenstand der Arbeit

aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsrecht zugrunde liegen. Ist dies geschehen, können aus dem so gewonnenen Verständnis Antworten für Einzelfragen hergeleitet und anhand außersystematischer Erwägungen hinterfragt werden. Erforderlich ist dafür aber noch, sich die Wirkungsweise von Rechtsprinzipien vor Augen zu halten.

I) Induktives oder deduktives Vorgehen? Rechtsprinzipien können in einem Rangverhältnis zueinander stehen (Ober- und Unterprinzipien) 86 . Weiterhin können sie sich – das ist wichtig – wechselseitig beeinflussen87. Die Unterprinzipien sind keine bloßen Konkretisierungen der Oberprinzipien, sondern enthalten neue selbständige Wertungen88 innerhalb desselben Grundgedankens89, und sei es nur das Urteil, dass ein bestimmter Fall mit dem Prinzip hinsichtlich bestimmter Wertungen gleich liege90 . Die Oberprinzipien sind daher nur leitende Obergedanken, die durch die Unterprinzipien erhellt werden91. Was Minderheitenschutz i. S. d. Aktiengesetzes ist, erkennt man erst durch dessen Unterprinzipien, etwa die »beweglichen Schranken« der Mehrheitsherrschaft, insbesondere die materielle Beschlusskontrolle, die Treuepflichten und den Gleichbehandlungssatz (§ 53a AktG) 92 . Aus den Grenzen der Unterprinzipien folgen die Grenzen des Oberprinzips, die wiederum auf andere Konkretisierungen ausstrahlen; für den Minderheitenschutz etwa dessen Begrenzung durch den Rechtsmissbrauchsgedanken, der nicht nur rechtsmissbräuchlichen Anfechtungsklagen, sondern etwa auch Informationsverlangen entgegengesetzt werden kann. Aus dieser Wechselwirkung zwischen Oberprinzip und Unterprinzip ergibt sich eine wichtige methodische Vorgabe für die Systemarbeit: Zum einen verbietet sich ein streng deduktives Verfahren, bei dem bestimmte Obersätze postuliert und Untersätze abgeleitet werden93 . Andererseits kann man nicht streng induktiv vorgehen und die Oberprinzipien aus den Unterprinzipien herleiten. Dann nämlich wären die Obersätze nicht mehr als Zusammenfassungen der Untersätze, welche die Untersätze nicht beeinflussen könnten94 . Dem Prinzip wechselseitiger Beein-

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Dazu schon o. S. 8. S. o. III). 88 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 57. 89 Larenz, Richtiges Recht, 1979, S. 43. 90 Larenz, Richtiges Recht, 1979, S. 24. 91 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 475; skeptisch F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 1996, S. 38. 92 Dazu grundlegend Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den Personenverbänden, 1963, S. 287 ff. 93 Zu dieser Unmöglichkeit wegen der Beschaffenheit von Rechtsprinzipien auch Engisch, Studium generale 10 (1957), 173, 176; Engisch, ZStW 84 (1972), 103, 104. 94 Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 2003, S. 18 f. Dass Prinzipien nicht auf diesem Wege gewonnen werden, belegt auch Hüffer, FS Steindorff, 1990, 59, 72 f. 87

B) Weitere Vorgehensweise

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flussung wird man nur gerecht, wenn man leitende Prinzipien und Einzelwertungen »zusammen« im Wege des Voraus- und Zurückblickens entwickelt.

II) Hermeneutischer Zirkel und Kreisgang Hier zeigt sich, dass man bei der Systematisierung, wie bei jeder juristischen Interpretation, den viel zitierten sog. »hermeneutischen Zirkel« durchlaufen muss95 , der treffender als »hermeneutische Spirale« bezeichnet werden sollte 96 . Dieser »Zirkel der Erkenntnis«, der kein »großer Zirkelschluss«, sondern ein Weg zu höherer Erkenntnis ist97, beginnt mit einem Vorverständnis über den Gesamtzusammenhang des Interpretationsobjekts und setzt sich in dem Prozess des Vor- und Zurückblickens fort, der soeben beschrieben wurde98 . An diesem hermeneutischen Zirkel orientiert sich die Gestaltung der folgenden Systemarbeit. Erforderlich ist daher zunächst, ein Vorverständnis der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche zu gewinnen. Zu beginnen ist die Arbeit daher mit einer Bestandsaufnahme der Erkenntnisse von Rechtsprechung und Literatur über prägende Elemente eines möglichen Systems des Abfindungsrechts (§§ 4, 5). Danach sollen die einzelnen Säulen des Systems aufgestellt werden (§ 6). Diese Grundsätze sind sodann anhand ausgewählter Einzelfragen des geltenden Abfindungsrechts zu überprüfen und fortzubilden, wodurch wiederum das Gesamtsystem seinen Feinschliff bekommt (§ 7). Da der beabsichtigte Gedankengang nicht wie ein mathematischer Beweis »linear« verläuft99, sondern die bisher gewonnene Erkenntnis immer wieder hinterfragt werden muss, ist bei alledem unerheblich, an welcher Stelle des »Zirkels der Erkenntnis« man einsteigt100 .

95 Zum hermeneutischen Zirkel als Verstehensprozess bei der juristischen Interpretation etwa Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 206 ff.; Weinberger, Norm und Institution, 1988, S. 180 ff.; vertiefend Betti, Allgemeine Auslegungslehre als Methodik der Geisteswissenschaften, 1967, S. 204 ff., 613 ff. et passim; vgl. auch Petersen, Der Gläubigerschutz im Umwandlungsrecht, 2001, S. 22 ff., der in seiner Systemarbeit C. F. von Weizsäckers Methode des »Kreisgangs« folgt (dazu C. F. v. Weizsäcker, Zeit und Wissen, 1992, S. 29 ff.) und darauf hinweist, dass der »hermeneutische Zirkel« typischerweise bei der Interpretation einzelner Normen angewandt wird (Petersen a.a.O., S. 22 Fn. 101). Die Methode des Vor- und Zurückblickens ist aber – wie im Haupttext dargelegt – auch für die Systematisierung charakteristisch, so dass der »hermeneutische Zirkel« auch der Entwicklung eines juristischen Systems zugrunde gelegt werden kann. Im Übrigen dürften sich »Kreisgang« und »hermeneutischer Zirkel« weitgehend decken. 96 Dazu Arthur Kaufmann, FS Gallas, 1973, 7, 20; Weinberger, Norm und Institution, 1988, S. 178 f. 97 Vgl. die in Fn. 96 Genannten. 98 Vgl. statt aller in Fn. 95 Genannten Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 206 ff. 99 S. schon o. S. 12 f. Im vorliegenden Zusammenhang Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 207. 100 Hierzu C. F. von Weizsäcker, Zeit und Wissen, 1992, S. 30; dem folgend Petersen, Der Gläubigerschutz im Umwandlungsrecht, 2001, S. 22 ff. Dazu noch u. S. 115.

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§ 2 Gegenstand der Arbeit

C) Das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung Das rechtsmethodische Fundament dieser Arbeit wäre unvollständig gelegt, wenn nicht auf eine weitere Frage eingegangen würde: Inwieweit ist die hier vertretene Forderung nach Einheit und Folgerichtigkeit des Denkens nicht nur ein Gebot »guter Gesetzesanwendung«, sondern sogar Vorgabe des Verfassungsrechts? Gefragt ist damit nach dem sog. verfassungsrechtlichen Gebot einer widerspruchsfreien Rechtsordnung. Dieses war schon mehrfach Gegenstand von Dissertationsund Habilitationsschriften101 und soll daher nicht bis in alle Einzelheiten ausgebreitet werden. Es hat die gesteigerte Aufmerksamkeit der Rechtswissenschaft gewonnen, nachdem das BVerfG mit zwei Entscheidungen aus dem Jahre 1998 das Gebot der widerspruchsfreien Rechtsordnung zum bundes- und rechtsstaatlichen Prinzip erklärte102 . Praktische Bedeutung hat die Frage, weil das Verdikt der Verfassungswidrigkeit die unumstößliche Lösung eines Streits über unsystematische Normen sein kann. So ist der aktienrechtliche Squeeze-out schon mehrfach als »Fremdkörper im deutschen Gesellschaftsrecht« bezeichnet worden103 . Systemwidrigkeiten kann man zum einen darin sehen, dass die §§ 327a ff. AktG einen Ausschluss aus der Gesellschaft ohne besonderen Grund für geschlossene Gesellschaften vorsehen, obwohl Gleiches im GmbH-Recht nicht gilt104 . Außerdem hat der Gesetzgeber des Gesetzes zur Bereinigung des Umwandlungsrechts v. 28. 10. 1994 (UmwBerG) 105 ausdrücklich hervorgehoben: »Soweit es nach den §§ 1, 15, 23, 24 UmwG bisher möglich war, außenstehende Anteilsinhaber gegen eine Abfindung, aber ohne ihre Zustimmung aus der Gesellschaft hinauszudrängen, soll dies entfallen; denn es entspricht nicht den Grundsätzen des Minderheiten- und Anlegerschutzes, eine solche Möglichkeit zuzulassen«106 .107 Dogmatisch interessant ist die aufgeworfene Frage, weil ein verfassungsrechtliches Gebot der widerspruchsfreien Rechtsordnung den Verfechtern des hier vertretenen Systembegriffs ermöglicht, der von ihnen favorisierten Auslegungsmethode ein positiv-rechtliches Fundament zu verleihen108 . Darüber hinaus reiht sich 101

Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, 1976; D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, 1998; Peine, Systemgerechtigkeit, 1985. 102 BVerfGE 98, 93 (Landesabfallabgabengesetze); BVerfGE 98, 106 (Kommunalverpackungssteuer). Jarass, AöR 126 (2001), 588 Fn. 5 zählt etwa 20 Beiträge zu den Entscheidungen. 103 Kiem in Henze/Hoffmann-Becking, Gesellschaftsrecht 2001, 2001, S. 329, 332; ähnlich Fleischer, ZGR 2002, 757, 758 (»Eingriff in das aktienrechtliche Dogmengebäude«); Habersack, ZIP 2001, 1230, 1235: »Fremdkörper«; H. Hanau, NZG 2002, 1040: »Systembruch«. 104 Dazu Fleischer, ZGR 2002, 757, 770 f.; Habersack, ZIP 2001, 1230, 1235. 105 BGBl. I, S. 3210. 106 Begr. RegE UmwBerG bei Ganske, Umwandlungsrecht, 2. Aufl. 1995, S. 146. 107 Ausführlicher untersucht wurde bisher die Frage, ob die §§ 327a ff. AktG gegen Art. 14 GG verstoßen; dazu u. S. 89 f. m. w. N. in Fn. 106. 108 D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, 1998, S. 9 f.; s. auch Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 116. Zur »naturrechtlichen« und »positivistischen« Argumentation bei der Diskussion des Systemdenkens s. S. 12 ff.

C) Das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung

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die angesprochene Problematik neben die gerade in letzter Zeit wieder aufkommende Frage ein, inwieweit der Bürger einen grundrechtlichen »Anspruch auf gute Urteilsbegründung« hat, ohne dass dabei das BVerfG zu einer »Superrevisionsinstanz« wird109. Zunächst soll es darum gehen, inwieweit es dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen verboten ist, systemwidrige Rechtsnormen zu erlassen [sogleich unter I)]. Davon abzugrenzen ist die Frage, inwieweit die Gerichte verpflichtet sind, systemwidrige Gesetze verfassungskonform auszulegen [s. u. II) 1)], und wann ein Urteil mit Erfolg vor das BVerfG gebracht werden kann, das auf systemwidriger Auslegung systemkonformer Normen beruht [s. u. II) 2)].

I) Bindung des Gesetzgebers 1) Bestandsaufnahme a) Rechtsprechung des BVerfG Die Rechtsprechung des BVerfG zum Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung hat mehrere Entwicklungslinien, die man nach ihrem dogmatischen Anknüpfungspunkt systematisieren kann. Außer Betracht bleiben sollen dabei Urteilsstellen, die das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung unter dem Stichpunkt der »Bundestreue« 110 , anhand der Kompetenzregeln der Artt. 70 ff. GG111 sowie als Objekt des Art. 31 GG112 behandeln. Dabei geht es um das Verhältnis zwischen Bundes- und Landesgesetzgeber113 , das im aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsrecht keine praktische Relevanz hat. aa) Art. 3 I GG Zu Art. 3 I GG lässt sich die Rechtsprechung des BVerfG folgendermaßen zusammenfassen: Art. 3 I GG enthält insoweit ein Gebot der Systemgerechtigkeit, als die Systemwidrigkeit eines einfachen Gesetzes den Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz indiziert114 . Von einem selbst gesetzten Regelungssystem darf der Ge109 BVerfG ZIP 2002, 1986 (Metabox). Grundlegend schon BVerfGE 34, 269, 287 (die Entscheidung des Richters muss auf »rationaler Argumentation« beruhen). Inwieweit der Bürger überhaupt einen Anspruch auf Entscheidung von Rechtsfragen hat, ist für die registergerichtliche Tätigkeit behandelt worden durch OLG Stuttgart ZIP 2002, 1807, dazu Klöhn, ZIP 2003, 420. 110 Etwa BVerfGE 4, 115, 140; BVerfGE 8, 122, 138; BVerfGE 13, 54, 75 f.; BVerfGE 32, 199, 218; BVerfGE 43, 291, 348; BVerfGE 81, 310, 337; dazu Jarass, AöR 126 (2001), 588, 594. 111 Dazu Fischer, JuS 1998, 1096, 1098 m. w. N. 112 Dazu Fischer, JuS 1998, 1096, 1098; Jarass, AöR 126 (2001), 588, 594 je m. w. N. 113 Bei Art. 31 GG geht es außerdem um Normwidersprüche, nicht aber um Wertungswidersprüche, vgl. aus neuerer Zeit BVerfGE 96, 354, 364; sowie D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, 1998, 176 f.; Jarass, AöR 126 (2001), 588, 592; Jobs, DÖV 1998, 1039, 1043. 114 BVerfGE 34, 103, 115; BVerfGE 59, 36, 49; BVerfGE 61, 138, 149; BVerfGE 68, 237, 253; BVerfGE 75, 382, 395 f.; BVerfGE 76, 130, 139 f.; BVerfGE 78, 104, 123; BVerfGE 85, 238, 247;

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§ 2 Gegenstand der Arbeit

setzgeber abweichen, wenn es dafür einen ausreichenden Grund gibt, wobei hinsichtlich der Prüfung dieses Grundes unterschiedliche Formeln verwandt werden: Teilweise wird die im Rahmen des Art. 3 GG bekannte Verhältnismäßigkeitsformel angewendet, wonach »das Gewicht der für die Abweichung sprechenden Gründe der Intensität der getroffenen Ausnahmeregelung« entsprechen müsse115 ; gerade in neueren Entscheidungen ist das BVerfG aber zurückhaltender und fordert lediglich »plausible«116 oder »hinreichende«117 Gründe. Teilweise soll eine systemwidrige Norm nur dann gegen Art. 3 I GG verstoßen, wenn die Unsachlichkeit der Differenzierung evident ist118 . Zurückhaltung übt das BVerfG, wenn es ausführt, es könne eine Regelung »nur nach den Maßstäben der Verfassung, nicht aber unter dem Gesichtspunkt der Systemwidrigkeit für verfassungswidrig erklären«119. Hiermit wird einem immer wieder gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Widerspruchsfreiheit vorgebrachten Einwand Reverenz erwiesen, über ein solches Gebot werde der Gesetzgeber nicht an die Verfassung, sondern an die (vorher erlassene) einfache Gesetzesordnung gebunden120 . Für das Steuerrecht allerdings folgt das BVerfG dem Grundsatz, der Gesetzgeber habe »eine einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umzusetzen«121, was eine strengere Bindung des Gesetzgebers an das hier zu besprechende Gebot vermuten lässt. bb) Rechtsstaatsgebot Mit seinen beiden Urteilen vom 7. 5.1998 – das eine zur Zulässigkeit von Landesabfallabgaben verschiedener Bundesländer122 , das andere zur kommunalen Verpackungssteuer der Stadt Kassel123 – hat der Zweite Senat des BVerfG die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung zu einem rechtsstaatlichen Gebot erklärt124 : »Das Rechtsstaatsprinzip verpflichtet alle rechtsetzenden Organe des Bundes und der Länder, ihre Regelungen jeweils so aufeinander abzustimmen, daß den Normadressaten nicht gegenläufige Vorschriften erreichen, die Rechtsordnung also nicht vgl. auch BVerfGE 13, 31, 38; BVerfGE 15, 313, 318; BVerfGE 18, 315, 334; BVerfGE 24, 75, 100; schwächer (»allenfalls« ein Indiz) BVerfGE 81, 156, 207; noch schwächer BVerfGE 9, 73, 81 f., wo Inkonsequenz und Willkür als voneinander unabhängig behandelt werden. Zu Art. 3 GG als Vorgabe für Systemgerechtigkeit auch schon BVerfGE 4, 219, 243 ff.; BVerfGE 7, 129, 153. 115 So schon BVerfGE 18, 366, 372 f.; vgl. ferner BVerfGE 59, 36, 49. 116 BVerfGE 81, 156, 207. 117 BVerfGE 85, 238, 245. 118 BVerfGE 55, 72, 90; BVerfGE 88, 87, 97; BVerfGE 89, 132, 142. 119 So BVerfGE 59, 36, 49; BVerfGE 50, 16, 42 f.; BVerfGE 61, 138, 149; BVerfGE 75, 382, 395 f.; BVerfGE 76, 130, 140. 120 Dazu etwa Robbers, DÖV 1988, 749, 756; inzident Hilgruber in Umbach/Clemens, GG, 2002, Art. 3 Rn. 176. 121 S. nur BVerfGE 93, 121, 136 (Vermögenssteuer). 122 BVerfGE 98, 93 (Landesabfallabgabengesetze). 123 BVerfGE 98, 106 (Kommunalverpackungssteuer). 124 Zum Gebot der Widerspruchsfreiheit einzelner Rechtsnormen schon BVerfGE 25, 216, 227.

C) Das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung

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aufgrund unterschiedlicher Anordnungen widersprüchlich wird«125 . Zwar befassen sich diese Entscheidungen mit dem Widerspruch zwischen Bundes- und Landesrecht. Die vom Zweiten Senat ausgesprochenen Grundsätze sollen jedoch auch auf Systemwidrigkeiten innerhalb derselben Normenhierarchie angwendet werden126 , gerade weil das BVerfG seine Grundsätze (auch) auf das Rechtsstaatsprinzip stützt127. In einer weiteren Entscheidung – ebenfalls aus dem Jahre 1998 – hat sich dann der Erste Senat des BVerfG den soeben wiedergegebenen Grundsätzen angeschlossen128 . b) Verfassungsrechtliche Literatur In der verfassungsrechtlichen Literatur wird das Gebot der Widerspruchsfreiheit überwiegend aus Art. 3 I GG hergeleitet129 und meist im Sinne des BVerfG darauf reduziert, dass ein Verstoß gegen das Prinzip der Systemgerechtigkeit den Gleichheitsverstoß nach Art. 3 I GG nur indiziere130 . Andererseits wird die Ansicht vertreten, aus Art. 3 I GG folge gerade kein Gebot der Systemgerechtigkeit131 ; Art. 3 I GG sei als bloßes Willkürverbot ausgestaltet, Systemgerechtigkeit sei aber mehr als Willkürfreiheit132 . Dass das BVerfG den Ruf nach einer widerspruchsfreien Rechtsordnung im Rechtsstaatsgebot verankert, wird teilweise begrüßt133 , teilwei125 BVerfGE 98, 106, 118 f. (Kommunalverpackungssteuer). BVerfGE 98, 93, 97, wo neben dem Rechtsstaatsprinzip noch das Bundesstaatsprinzip im wiedergegebenen Satz als Grundlage zitiert wird (Landesabfallabgabengesetze). 126 Frenz, BB 1999, 1849, 1850 f.; Jarass, AöR 126 (2001), 588, 598; Jobs, DÖV 1998, 1039, 1043. 127 Jarass, AöR 126 (2001), 588, 598. 128 BVerfGE 98, 265, 301; zu feinen Differenzen Jarass, AöR 126 (2001), 588, 600. 129 BK-Rüfner, GG (Loseblatt), Stand: Oktober 1992, Art. 3 Rn. 37 f.; Gubelt in v. Münch/ Kunig, GG, 5. Aufl. 2000, Art. 3 Rn. 30; Kannengießer in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 11. Aufl. 2008, Art. 3 Rn. 16; Osterloh in Sachs, GG, 4. Aufl. 2007, Art. 3 Rn. 98; Kirchhof, StuW 2000, 316, 322 ff., der (auf S. 324) lediglich deutlich macht, dass der Gesetzgeber auf anderen Rechtsgebieten andere Gesetzmäßigkeiten entwickeln darf; Schoch, DVBl. 1988, 863, 878; Zippelius, VVDStRL 47 (1989), 7, 30; wohl auch Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Aufl. 2005, Art. 3 Rn. 44. Ableitung aus mehreren verfassungsrechtlichen Prinzipien sowie aus wissenschaftstheoretischen Grundlagen Sodan, JZ 1999, 864, 866 ff. 130 BK-Rüfner, GG (Loseblatt), Stand: Oktober 1992, Art. 3 Rn. 38; Gubelt in v. Münch/Kunig, GG, 5. Aufl. 2000, Art. 3 Rn. 30; Hesse, AöR 109 (1984), 174, 188; Kannengießer in SchmidtBleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 11. Aufl. 2008, Art. 3 Rn. 16; wohl auch Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Aufl. 2005, Art. 3 Rn. 44, der den Gedanken der Systemgerechtigkeit als Rationalisierung des Willkürverbots ansieht und den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers betont. 131 Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, 1976, S. 56; Kischel, AöR 124 (1999), 193 ff.; Peine, Systemgerechtigkeit, 1985, S. 255 ff., 299 f. 132 Kischel, AöR 124 (1999), 193; inzident Sachs, Verfassungsrecht II, 2. Aufl. 2002, B 3 Rn. 17. Vgl. auch Heun in Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Art. 3 Rn. 36, wonach das Gebot der Systemgerechtigkeit »allenfalls nach Maßgabe des Willkürverbots« gelten solle. Inzident auch Battis, FS Ipsen, 1977, 11, 29 f. 133 Sommermann in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Aufl. 2005, Art. 20 Abs. 3 Rn. 289.

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§ 2 Gegenstand der Arbeit

se abgelehnt134 , teilweise im Grundsatz begrüßt, aber in der Formulierung als zu weitreichend oder missverständlich angesehen135 . 2) Diskussion Will man beantworten, inwieweit aus der Verfassung das Gebot folgt, die Rechtsordnung widerspruchsfrei (systemgerecht) zu gestalten, muss man zunächst die Frage klären, wann ein solcher Widerspruch überhaupt vorliegt. Fasst man diesen Begriff weit, liegt es nahe, ein Verfassungsgebot zur Vermeidung solcher Widersprüche restriktiv zu handhaben, denn die Verfassung soll dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers lediglich äußere Grenzen setzen136 . Fasst man diesen Begriff hingegen eng, ist die Bereitschaft höher, das hier diskutierte Verfassungsgebot zu bejahen. a) Begriff des Systembruchs Mit »Widersprüchen der Rechtsordnung« meint die herrschende Ansicht in terminologischer Anknüpfung an die grundlegende Arbeit Engischs »Normwidersprüche« und »Wertungswidersprüche«137. Normwidersprüche (auch: »logische Widersprüche«138 ) liegen vor, wenn zwei Gesetze an den gleichen Tatbestand zwei miteinander unvereinbare Rechtsfolgen knüpfen139. Von einem Wertungswiderspruch (auch: »axiologischer oder teleologischer Widerspruch«140 ) spricht man, wenn die Rechtsfolgen zweier Normen »gegenläufig sind, weil die zugrunde lie-

134 Sendler, NJW 1998, 2875, 2878; vgl. auch Peine, Systemgerechtigkeit, 1985, S. 299 f. (zusf.), der nur vereinzelt aus dem Rechtsstaatsgebot und dem Prinzip »venire contra factum proprium« Pflichten zur Systemgerechtigkeit ableiten möchte. 135 Jarass, AöR 126 (2001), 588, 601; ähnlich Hilgruber in Umbach/Clemens, GG, 2002, Art. 3 Rn. 179 (»offensichtliche Wertungswidersprüche«); Jobs, DÖV 1998, 1039, 1044, der die Meinung vertritt, Normenkollisionen müssten »nur durch ein Mindestmaß an Abstimmung« und nur in »Extremfälle(n) gegenläufiger Regelungen« ausgeschlossen werden. 136 Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Aufl. 2005, Art. 3 Rn. 45 spricht im hier vorliegenden Zusammenhang insofern vom »Rahmencharakter der Verfassung«. Vgl. im Übrigen Heun in Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Art. 3 Rn. 36; Jarass, AöR 126 (2001), 588, 60. 137 Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, 1935, S. 46, 59, 62 f., 64, der von den Wertungswidersprüchen noch »teleologische Widersprüche« abgrenzt (a.a.O., S. 63), ohne dass sich diese Unterscheidung durchgesetzt hätte. Ferner ordnet Engisch a.a.O., S. 64 den Wertungswidersprüchen noch die »Prinzipienwidersprüche« bei, versteht diesen Begriff jedoch in einem weiten Sinne, nämlich auch als bloßen Prinzipiengegensatz (vgl. dazu noch Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 112 Fn. 4, 115; Höpfner, Die systemkonforme Auslegung, 2008, S. 16 ff. und sogleich im Haupttext). 138 So Noll, Gesetzgebungslehre, 1973, S. 207; Peine, Das Recht als System, 1983, S. 99. 139 Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, 1935, S. 46; Engisch, Studium generale 10 (1957), 173, 177; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 155; Jarass, VVDStRL 50 (1991), 239, 261; Jarass, AöR 126 (2001), 588, 592. 140 So Noll, Gesetzgebungslehre, 1973, S. 207 f.; Peine, Das Recht als System, 1983, S. 102.

C) Das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung

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genden Wertungen einander widersprechen bzw. die Befolgung der einen Norm (lediglich) den Zweck der anderen Norm behindert«141. Im vorliegenden Zusammenhang geht es um die Frage, inwieweit das einleitend skizzierte Systemdenken142 nicht nur ein rechtsmethodisches, sondern auch verfassungsrechtliches Gebot ist. Der Begriff des Widerspruchs ist also aus diesem System zu entwickeln143 . Ausgangspunkt ist folgende Überlegung: Wenn das System aus den Begriffen »Einheit« und »Folgerichtigkeit« zusammengesetzt ist144 , dann ist das Nicht-Systemhafte, das Systemwidrige (Canaris nennt diese Normen »Systembrüche« oder »Wertungswidersprüche«) ein Verstoß gegen den Gedanken der Einheit oder der Folgerichtigkeit145 . Wenn man sich weiterhin verdeutlicht, dass das Systemdenken auf dem Gleichheitssatz beruht146 , dann ist es nur ein kleiner Schritt zu der Erkenntnis, dass der Systembruch einen Verstoß gegen eben diesen Gerechtigkeitsgrundsatz enthalten muss. Aus diesem Grund versteht Canaris unter Systembruch wertungsmäßige Inkonsequenzen147, die gegen das Gebot der Folgerichtigkeit verstoßen148 und daher begriffsnotwendig Brüche mit dem Gleichbehandlungsgebot enthalten149. Gerade diese Erkenntnis muss für den weiteren Gedankengang festgehalten werden: Legt man den hier verwandten Systembegriff zugrunde, dann setzt der Systembruch schon begriffsnotwendig einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz voraus150 .

141 So Jarass, AöR 126 (2001), 588, 592, der insoweit von »Normdivergenzen« spricht; ähnlich zum Begriff des Wertungswiderspruchs Jarass, VVDStRL 50 (1991), 239, 262; ähnlich auch schon Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, 1935, S. 62 f. 142 S. o. S. 6 ff. 143 Dazu Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, 112 ff. 144 S. o. S. 6. 145 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 112 f., 116. 146 S. o. S. 9, S. 10 ff. 147 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 113. 148 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 131. 149 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 116, 125; so auch Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, 1935, S. 62 f. Canaris unterscheidet von den Systembrüchen noch »systemfremde Normen« und »Systemlücken«. Systemfremde Normen basieren auf Rechtsgedanken, die anderen Wertungen nicht unversöhnlich gegenüberstehen, die aber »innerhalb des Ganzen der Rechtsordnung isoliert« geblieben sind und aufgrund ihrer ratio »nicht genügend Überzeugungskraft (besitzen), um als sinnvolle Bereicherungen der Grundwertungen des fraglichen Rechtsgebiets gelten zu können« (Canaris a.a.O., S. 131). Systemfremde Normen enthalten damit einen Verstoß gegen das Gebot der Einheit, während Systembrüche gegen das Gebot der Folgerichtigkeit verstoßen (Canaris a.a.O., S. 131). Systemlücken sind dagegen Normen, denen überhaupt keine Wertung zugrunde liegt (Wertungslücken, Canaris a.a.O., S. 133). Für das hier besprochene Problem sind diese Grenzen der Systembildung unerheblich, denn für den Begriff des Wertungswiderspruchs im hier gemeinten Sinne ist allein entscheidend, dass ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vorliegt. 150 Vgl. noch einmal Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 126 (»ex definitione«). S. auch Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, 1976, S. 52: »Hieraus liegt es nahe, in der Systemwidrigkeit eine im Sinn von Art. 3 GG relevante Ungleichbehandlung zu sehen«.

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§ 2 Gegenstand der Arbeit

Hiervon abzugrenzen sind insbesondere151 bloß gegenläufige Normen, also Normen, die lediglich auf gegensätzlichen Prinzipien beruhen152 . Sie enthalten nicht notwendigerweise einen Verstoß gegen den Grundsatz wertungsmäßiger Folgerichtigkeit, denn es gehört zum Begriff des Prinzips, dass dieses als Optimierungsgebot mit anderen Prinzipien in Konflikt gerät153 . Schließlich muss man sich verdeutlichen, dass jedes juristische System ein »offenes System« ist154 . Damit ist Folgendes gemeint: Einerseits muss jedes gedankliche System offen für Veränderungen sein, andererseits ist – und dies ist entscheidend – auch die Rechtsordnung offen für Wandelungen155 . Daher ist es selbstverständlich, dass man Systembindung nicht als Verbot verstehen darf, Gesetze mit neuen Wertungen in die Rechtsordnung einzuführen156 . Der Gesetzgeber ist nur gehalten, diese neue Wertung systemgerecht, d. h. konsequent umzusetzen157. Dass unser Aktienrecht bisher weder ein Austritts- noch ein Ausschlussrecht ohne wichtigen Grund kannte, verbietet dem Gesetzgeber also für sich genommen nicht, den Squeeze-out zu schaffen158 . Dass ihm dies erlaubt sein muss, ergibt sich nicht nur aus der Notwendigkeit gesetzgeberischer Gestaltungsfreiheit159, der Gefahr einer Verkrustung der Gesellschaftsordnung160 oder der Innovationshemmung bzw. -verhinderung161, sondern folgt aus dem Systembegriff selbst. Der Normgeber darf die Aktionäre mit den §§ 327a ff. AktG aber nicht willkürlich schlechter stellen, insbesondere im Vergleich zu Gesellschaftern anderer Rechtsformen, etwa der GmbH. 151 Zu weiteren Abgrenzungen Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 113 f. 152 Vgl. Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 115. Andere Terminologie bei Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, 1935, S. 64 Fn. 2 (vgl. dazu o. S. 23 Fn. 149), der die von Canaris vorgenommene Differenzierung später eine »diskutable (. . .), aber nicht ganz leicht durchführbare Unterscheidung« nennt [Engisch, ZStW 84 (1972), 103, 106]. 153 S. schon o. S. 7 ff. und Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 115. Dazu auch Canaris a.a.O., S. 115 f. zur bewussten Wahl der Terminologie des »Gegensatzes« auf der einen Seite und des »Widerspruchs« auf der anderen Seite, weil nur der »Widerspruch« indiziere, dass etwas vorliege, was eigentlich nicht sein solle. 154 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 61 ff.; Coing, Grundzüge der Rechtsphilosophie, 4. Aufl. 1985, S. 353. 155 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 63; Fikentscher, Methoden des Rechts, Band IV, S. 115 ff. 156 Anderes Verständnis wohl bei Kischel, AöR 124 (1999), 174, 194; Peine, Systemgerechtigkeit, 1985, S. 257 f., 299 f. 157 In diesem Sinne auch Schoch, DVBl. 1988, 863, 878 f.; zur Frage, ob auch immer ein Verstoß gegen Art. 3 I GG vorliegt, wenn er dieses Gebot nicht befolgt, s. sogleich unter S. 25. 158 A. A. H. Hanau, NZG 2002, 1040, 1047 (dem Gesetzgeber sei »eine gewisse Systemstimmigkeit abzuverlangen«). 159 Gubelt in v. Münch/Kunig, GG, 5. Aufl. 2000, Art. 3 Rn. 30; Robbers, DÖV 1988, 749, 755. 160 BVerfGE 60, 16, 43; BK-Rüfner, GG (Loseblatt), Stand: Oktober 1992, Art. 3 Rn. 39; Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Aufl. 2005, Art. 3 Rn. 45; s. auch Schoch, DVBl. 1988, 863, 878. 161 Heun in Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Art. 3 Rn. 36.

C) Das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung

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Zusammenfassend kann somit festgehalten werden: Der Systembruch enthält begriffsnotwenig einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Nur in diesem eng abgesteckten Anwendungsbereich kann ein verfassungsrechtliches Gebot zur widerspruchsfreien Rechtsordnung gelten162 . Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, Gesetze mit neuen Wertungen in die Rechtsordnung einzuführen, weil das System schon per definitionem offen für solche Veränderungen ist und daher keine entgegengesetzte Bindungswirkung entfalten kann163 . b) Verfassungsgebot einer widerspruchsfreien Rechtsordnung aa) Art. 3 I GG Hat man sich verdeutlicht, dass jeder Systembruch begriffsnotwenig einen Verstoß gegen das Gerechtigkeitsgebot »Gleiches ist gleich zu behandeln« enthält, dann liegt es nahe, das Gebot zur widerspruchsfreien Rechtsordnung in Art. 3 I GG zu verankern164 . Hiergegen wird eingewandt, zur Ermittlung des Systembruches vergleiche man einen Gegenstand in seiner gesetzlichen Behandlung mit einer imaginären, gerade nicht gesetzlich vorgesehenen Behandlung in einem bestimmten System165 . Dies kann jedoch nicht überzeugen. Versucht man etwa, die Systemwidrigkeit des Squeeze-out damit zu begründen, dass die §§ 327a AktG, 39a WpÜG im Gegensatz zu allen anderen Abfindungsvorschriften den Zwangsausschluss erlauben, ohne dass die Aktionäre ihre Mitgliedschaft zumindest in einem anderen Rechtsträger fortsetzen könnten, stellt man damit nicht auf eine fiktive, sondern reale Ungleichbehandlung ab: Auf der einen Seite stehen die dissentierenden Aktionäre in den von den §§ 305, 320b AktG, 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG geregelten Strukturmaßnahmen, auf der anderen Seite diejenigen Aktionäre, die nach §§ 327a AktG, 39a WpÜG aus der AG gedrängt werden. Beide Aktionärsgruppen sind insofern vergleichbar, als sie bestimmte Eingriffe in ihre Aktionärsrechte nur gegen Abfindung hinnehmen müssen. Die nach den §§ 327a ff. AktG, 39a f. WpÜG aus der AG gedrängten Aktionäre werden insoweit ungleich behandelt, als sie nicht die oben beschriebene Möglichkeit zur Fortsetzung ihrer in einem anderen Rechtsträger Mitgliedschaft haben. Dass die »einfache Systemwidrigkeit« deshalb nicht ohne Weiteres gegen Art. 3 I GG verstoße, weil die Regelung »jeden Rechtsgenossen gleich treffe«166 , ist kein 162

Insofern dürfte die hier vertretene Meinung mit der von Jarass, AöR 126 (2001), 588, 601 übereinstimmen, der das Gebot einer widerspruchsfreien Rechtsordnung auf Fälle beschränken will in denen »die Gegenläufigkeit zu wirklichen Widersprüchen führt«. 163 In diesem Sinne sind wohl auch Hommelhoff/Riesenhuber in Grundmann, Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, 2000, S. 259, 261 Fn. 14 zu verstehen. 164 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 125 ff.; zust. F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 1996, S. 33. 165 Kischel, AöR 124 (1999), 174, 194. 166 Dazu Grimm, AcP 171 (1971), 266, 269.

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§ 2 Gegenstand der Arbeit

schlagendes Gegenargument. Denn die Vergleichsgruppen setzen sich im oben genannten Beispiel nicht aus allen vom Squeeze-out potentiell betroffenen Aktionären zusammen, sondern einerseits aus den nach §§ 327a ff. AktG, 39a f. WpÜG Herausgedrängten, andererseits aus den nach anderen Abfindungsnormen zur Duldung einschneidender Maßnahmen Verpflichteten. Ob diese Vergleichsgruppen gleich betroffen werden, ist die entscheidende Frage. Das Gebot einer widerspruchsfreien Rechtsordnung würde daher nur dann nicht aus Art. 3 I GG folgen, wenn Art. 3 I GG lockerere Anforderungen an den Gesetzgeber stellen würde als der Gleichheitssatz, auf den das hier vertretene Systemdenken fußt167. Hier hat bereits Canaris nachgewiesen, dass der Systembruch zwar grundsätzlich einen Verstoß gegen Art. 3 I GG zur Folge hat, dass es aber Ausnahmesituationen geben kann, in denen eine systemwidrige Norm vor Art. 3 I GG besteht, weil die Systemwidrigkeit durch ein besonderes öffentliches Interesse gerechtfertigt ist168 . Dies ist etwa der Fall, wenn der deutsche Gesetzgeber systemwidrige Normen in einem Teilbereich erlässt, um internationale Rechtsvereinheitlichung zu erreichen, ohne gleichzeitig das übrige Recht zu ändern169. Gleiches gilt, wenn der Gesetzgeber berechtigterweise zögert, Widersprüche zu beseitigen, weil er noch nicht die Auswirkungen einer Neuregelung übersehen kann oder sich das Gesetzgebungsverfahren in die Länge zieht. Schließlich gehört der Fall hierhin, dass eine an sich erforderliche Gleichstellung nicht erreicht werden kann, weil sie faktisch unmöglich ist170 . All diesen Fällen ist gemein, dass der Gesetzgeber systemwidrige Regeln aus Gründen erlässt bzw. aufrechterhält, die zwar im öffentlichen Interesse liegen und daher im Rahmen des Art. 3 I GG zu berücksichtigen sind, die aber vom Systemdenken nicht beachtet werden können, weil sie sich außerhalb der Zielsetzungen dieses Denkens bewegen171 : So können systemimmanente Rechtsgedanken keine internationalen Zwänge berücksichtigen, die sich ansonsten nirgendwo im deutschen Recht niedergeschlagen haben, und selbstverständlich leuchtet es dem System nicht ein, wenn der Gesetzgeber systemwidrige Normen noch nicht beseitigt hat, weil er mit der Ausarbeitung des neuen Rechts noch nicht fertig ist. Als Zwischenergebnis lässt sich somit festhalten: Außerhalb der soeben genannten Sonderfälle verstoßen systemwidrige Gesetze gegen Art. 3 I GG. 167 Dass Art. 3 I GG auch auf privatrechtliche Normen anwendbar ist (insbesondere also auch auf die Vorschriften des AktG und UmwG), da es sich dabei um kein spezifisches Problem der Drittwirkung handelt, dürfte heute allgemein anerkannt sein [vgl. statt aller Jarass/Pieroth, GG, 9. Aufl. 2007, Art. 3 Rn. 13 und für das Abfindungsrecht BVerfGE 14, 263, 284 f. (Feldmühle)]. 168 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 126 ff. 169 Zur Umsetzung europäischer Richtlinien bereits o. S. 14 f. 170 So BVerfGE 50, 57, 77 ff.; Bleckmann, Staatsrecht II, 4. Aufl. 1997, § 24 Rn. 102. 171 Daher darf man auch bezweifeln, ob der zusätzlich von Canaris genannte Fall, dass der Gesetzgeber aus Rechtssicherheitsgründen systemwidrige Analogieverbote statuiert, unter diese Gruppe zu subsumieren ist, denn die Rechtssicherheit stellt einen solchen systemimmanenten Wert dar (zum Ziel der Rechtssicherheit jedes Systemdenkens schon o. S. 10 ff.) und sogleich im Haupttext).

C) Das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung

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bb) Rechtsstaatsgebot Mit den oben genannten Einschränkungen wird man das Gebot der Widerspruchsfreiheit darüber hinaus im Rechtsstaatsprinzip verankern können. Dieses Verfassungsprinzip enthält richtiger Ansicht zufolge das Gebot einer materiell gerechten Rechtsordnung172 , worin das Ziel einer systemgerechten Rechtsordnung enthalten ist173 . Praktische Bedeutung hat die Verankerung im Rechtsstaatsprinzip, weil der Gleichheitssatz den Gesetzgeber immer nur an die von ihm erlassenen Normen bindet174 . Über das Rechtsstaatsprinzip wird der Gesetzgeber dagegen an die Normen anderer Normgeber gebunden175 . 3) Zwischenergebnis Systemwidrige Gesetze verstoßen mit den oben genannten Einschränkungen gegen das aus Art. 3 I GG und dem Rechtsstaatsprinzip folgende Gebot einer widerspruchsfreien Rechtsordnung176 . Aufgrund der Offenheit des hier vertretenen Systembegriffs unterfallen Normen allerdings nur dann dem Verdikt der Systemwidrigkeit, wenn sie Wertungen inkonsequent umsetzen. Dass sie neue Wertungen in die Rechtsordnung einführen, reicht allein nicht aus.

II) Bindung der Gerichte Wie einleitend angedeutet, hat die Bindung der Gerichte an das Gebot der Systemgerechtigkeit zwei Dimensionen: Zum einen fragt sich, inwieweit Gerichte verpflichtet sind, systemwidrige Gesetze verfassungskonform auszulegen [sogleich unter 1)]. Zum anderen ist zu untersuchen, inwieweit Gerichtsurteile, die verfassungsmäßige Gesetze systemwidrig auslegen, mit der Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 I Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG angegriffen werden können [s. u. 2)].

172 So etwa BVerfGE 7, 89, 92; BVerfGE 7, 194, 196; BVerfGE 12, 99, 102, 107, 109; BVerfGE 20, 323, 331; BVerfGE 35, 41, 47, 49 f.; BVerfGE 49, 148, 164; BVerfGE 52, 131, 144 f.; BVerfGE 70, 297, 308; BVerfGE 84, 90, 121; BVerfGE 87, 48, 62 ff.; BVerfGE 94, 12, 34; BVerfGE 102, 254, 299; Sachs in Sachs, GG, 4. Aufl. 2007, Art. 20 Rn. 103; ausführlich Robbers, Gerechtigkeit als Rechtsprinzip, 1980, S. 23 ff.; Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, 1997, S. 91 ff. Auch wenn man mit der h.M. die Anforderungen an die materielle Gerechtigkeit allein aus dem Grundgesetz bestimmen will (s. etwa Jarass/Pieroth, GG, 9. Aufl. 2007, Art. 20 Rn. 30; zurückhaltend auch Sachs a.a.O., Rn. 103), ändert dies nichts an dem im Haupttext gefundenen Ergebnis, weil das Gebot der Systemgerechtigeit, wie gezeigt, auch in Art. 3 GG seinen Ursprung hat. 173 Allgemein skeptisch gegenüber der Ableitung von Unterprinzipien aus dem rechtsstaatlichen Gebot materialer Gerechtigkeit aber Sachs in Sachs, GG, 4. Aufl. 2007, Art. 20 Rn. 103. 174 Dazu etwa BVerfGE 33, 224, 231; BVerfGE 21, 54, 68; BVerfGE 76, 1, 73; BVerfGE 79, 127, 158; Hilgruber in Umbach/Clemens, GG, 2002, Art. 3 Rn. 177. 175 Hilgruber in Umbach/Clemens, GG, 2002, Art. 3 Rn. 179; Jarass, AöR 126 (2001), 588, 595. 176 Zur verfassungskonformen Auslegung s. sogleich S. 28 f.

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§ 2 Gegenstand der Arbeit

1) Pfl icht zur verfassungskonformen Auslegung Da Systemgerechtigkeit im oben beschriebenen Sinne177 eine Forderung unseres Verfassungsrechts ist, müssen systemwidrige Normen nach dem Gebot der verfassungskonformen Auslegung grundsätzlich systemgerecht ausgelegt werden, um den Verfassungsverstoß zu vermeiden. Die Bedeutung dieses Gebots neben dem allgemeinen rechtsmethodischen Gebot zur systemkonformen Auslegung ist allerdings begrenzt. Denn schon aus den oben genannten Gründen »guter Gesetzesauslegung«178 ist das systemkonforme Auslegungsergebnis anderen Ergebnissen vorzuziehen. Eine Situation, »in der mehrere Auslegungsergebnisse möglich sind« und daher »das Ergebnis vorzuziehen ist, dass allein mit der Verfassung im Einklang steht«179, ist hinsichtlich des Gebots einer widerspruchsfreien Rechtsordnung daher nicht denkbar. Eine eigenständige Bedeutung bliebe dem Gebot der verfassungskonformen Auslegung daher nur, wenn man sich mit diesem Gebot über Schranken der allgemeinen Auslegungslehre hinwegsetzen könnte, insbesondere über den gesetzgeberischen Willen. Dies ist das zentrale Problem etwa bei der Frage, ob Aktionäre ein Veto-Recht haben sollen, falls ihre AG auf einen Rechtsträger verschmolzen wird, in dem sie von Nebenleistungspflichten betroffen wären. Zwar entspricht es einem allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Prinzip, dass den Gesellschaftern Nebenleistungen nur mit ihrer Zustimmung auferlegt werden dürfen (§§ 707 BGB, 180 I Art. 6, 53 III GmbHG, sog. Belastungsverbot) 180 . Dieser Grundsatz soll im Umwandlungsrecht ausweislich der Begründung des Gesetzgebers aber nicht gelten, um Umwandlungen »nicht zu verhindern«181. Wer hierin nicht nur die Einführung eines neuen Gedankens in das grundsätzlich offene Rechtssystem der aktien- und umwandlungsrechtlichen Strukturentscheidungen sieht, sondern einen unerträglichen Wertungswiderspruch zu § 707 BGB und §§ 51 I, 53 III UmwG182 , der stößt an die Grenze des klaren gesetzgeberischen Willens183 . Hier hat das BVerfG mehrfach betont, dass sich die verfassungskonforme Auslegung an die bekannten Auslegungsgrundsätze halten muss184 . Gesetzgeberische Versehen dürfen korrigiert werden185 . Den eindeutigen gesetzgeberischen Willen 177

S. o. S. 25 ff. S. o. S. 9 f. 179 Zu dieser gängigen Formulierung des Anwendungsbereichs verfassungskonformer Auslegung vgl. statt aller Jarass/Pieroth, GG, 9. Aufl. 2007, Einl. Rn. 8. 180 Vgl. vorerst nur K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 16 III 3b cc = S. 480 f. 181 Begr. RegE UmwG bei Ganske, Umwandlungsrecht, 2. Aufl. 1995, S. 61. 182 Grunewald/Winter in Lutter, Kölner Umwandlungsrechtstage, 1995, S. 19, 46 f., 48, der sich allerdings nicht auf eine verfassungskonforme Auslegung unter dem Gesichtspunkt der Systemgerechtigkeit beruft, sondern auf fehlende Problemkenntnis des Gesetzgebers und eine daraus resultierende Lückenhaftigkeit des Gesetzes (a.a.O., S. 17). 183 Zur Lösung des Problems noch u. S. 246 ff. 184 Hinsichtlich des Wortlautes lockerere Anforderungen (»braucht nicht am Wortlaut zu haften«) in BVerfGE 8, 210, 221; BVerfGE 22, 28, 37; BVerfGE 35, 263, 278 f.; dagegen aber strikt z. B. BVerfGE 95, 64, 93. 185 BVerfGE 11, 139, 149 (technische Versehen bei der Gesetzgebung); inzident auch BVerfGE 18, 38, 45. 178

C) Das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung

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muss die verfassungskonforme Auslegung jedoch respektieren186 . Zwar hat das BVerfG auch ausgesprochen, dass sich die Gerichte »über eine Entscheidung des Gesetzgebers hinwegsetzen dürfen, wenn das gefundene Ergebnis noch vom Wortlaut der Vorschrift gedeckt ist«187. Diese Entscheidung ist jedoch vereinzelt geblieben188 . Ihr ist auch nicht zuzustimmen: Grundlage des Gebots verfassungskonformer Auslegung ist das Prinzip der »favor legis«189, also der Grundsatz, dass der Richter als an das Gesetz Gebundener von dem gesetzlichen und gesetzgeberischen Willen so viel wie möglich aufrecht erhalten muss190 . Daraus folgt, dass Gerichte den gesetzgeberischen Willen zwar kassieren, aber niemals verfälschen dürfen. An eine Entscheidung des Gesetzgebers sind die Gerichte daher im Rahmen der verfassungskonformen Auslegung gebunden. Gleiches gilt aus den genannten Gründen für die sonstigen allgemeinen Grenzen der Auslegungslehre. Neben den allgemeinen »Grundsätzen guter Gesetzesauslegung« hat das verfassungsrechtliche Gebot zur widerspruchsfreien Auslegung daher keine Bedeutung. 2) Verfassungsverstoß aufgrund systemwidriger Gesetzesanwendung Von der Bindung des Gesetzgebers streng zu unterscheiden ist, inwieweit Gerichtsurteile vor dem BVerfG zu Fall gebracht werden können, die systemgerechtes Recht so anwenden, dass es zu Wertungswidersprüchen kommt. Hier geht es um die Frage, wann das BVerfG die Kompetenz hat, schlecht begründete Urteile der »einfachen« Gerichtsbarkeit aufzuheben, der Bürger also einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf »gute Rechtsprechung« hat191. Dieses Kompetenzproblem taucht bei allen Urteilsverfassungsbeschwerden auf, denn zwar verschafft Art. 2 I GG dem Bürger einen »Anspruch auf rechtmäßiges Staatshandeln«192 , das BVerfG ist aber keine »Superrevisionsinstanz«193 . Es beschränkt seine Prüfung daher auf die Frage, ob sog. »spezifisches Verfassungsrecht« verletzt wird (sog. Heck’sche Formel) 194 . Gerichtsurteile prüft das BVerfG nur darauf, ob 186 BVerfGE 8, 71, 78 f.; BVerfGE 18, 97, 111; BVerfGE 52, 357, 368 f.; BVerfGE 69, 1, 55; BVerfGE 71, 81, 105; BVerfGE 88, 143, 166; BVerfGE 95, 64, 93; aus der Literatur etwa Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, S. 136. 187 BVerfGE 2, 336, 340 f. (Armenrecht). 188 Offen gelassen wurde die Bindung an den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers von BVerfGE 8, 28, 34. 189 Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 7. Aufl. 2007, Rn. 443. 190 BVerfGE 86, 288, 320 f. (»Respekt vor der gesetzgeberischen Gewalt«); vgl. im Übrigen Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, S. 136. 191 S. dazu die Nachweise o. S. 19 in Fn. 109. 192 Dazu zusf. Pieroth/Schlink, Grundrechte, 23. Aufl. 2007, Rn. 1172. 193 S. nur BVerfGE 7, 198, 207 (Lüth); BVerfGE 18, 85, 92; aus der Literatur etwa Herzog, FS Dürig, 1990, 431, 432; Jung, JZ 2001, 1004, 1006 f.; Korioth, FS 50 Jahre BVerfG, Bd. 1, 2001, 55, 81. 194 Grundlegend BVerfGE 1, 418, 420; danach etwa BVerfGE 85, 248, 258; BVerfGE 87, 287, 323; zusf. aus der Literatur etwa Jarass/Pieroth, GG, 9. Aufl. 2007, Art. 93 Rn. 73. Die Formel wurde nach dem Bundesverfassungsrichter Dr. Karl Heck benannt (dazu Herzog, FS Dürig,

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§ 2 Gegenstand der Arbeit

»das Verfahren oder die Rechtsanwendung bei einer verständigen Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich sind und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhen«195 . Da das Gebot der Systemgerechtigkeit in Art. 3 I GG verankert ist, wird man die soeben genannten Grundsätze auf Urteilsverfassungsbeschwerden übertragen können, die auf eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Gebots der Systemgerechtigkeit gestützt sind196 . Die Grenze zum Verfassungsverstoß ist also erst bei »krassen Fehlentscheidungen« überschritten197.

D) Zusammenfassung Ziel und Thema der vorliegenden Arbeit ist es, das innere System des für die Aktionäre geltenden aktien-, umwandlungs- und übernahmerechtlichen Abfindungsrechts (im objektiven Sinne) zu entwickeln und dadurch die wertungsmäßige Folgerichtigkeit und innere Einheit dieses Rechtsgebiets darzustellen und zu verwirklichen. Aufgrund dieses Systems sollen ausgewählte Fragen des Abfindungsrechts auf der Auslegungs- und Rechtsfortbildungsebene gelöst werden.

1990, 431, 433 Fn. 2); Konkretisierung etwa durch die sog. »Schumannsche Formel«: Verletzung spezifischen Verfassungsrechts, »wenn der angefochtene Richterspruch eine Rechtsfolge annimmt, die der einfache Gesetzgeber nicht als Norm erlassen dürfte« (Schumann, Verfassungsund Menschenrechtsbeschwerden gegen richterliche Entscheidungen, 1963, S. 207; ebenso Korioth, FS 50 Jahre BVerfG, Bd. 1, 2001, 55, 81). Dazu auch noch u. S. 78. 195 So oder mit geringfügigen Abweichungen BVerfGE 4, 1, 7; BVerfGE 18, 85, 92 f.; BVerfGE 57, 39, 42 (»schlechthin unhaltbar«); BVerfGE 59, 52, 59; BVerfGE 74, 102, 127; BVerfGE 80, 48, 51; BVerfGE 81, 132, 137; BVerfGE 83, 82, 84 (Eigenbedarfskündigung); BVerfGE 86, 59, 62 f. 196 So auch Kirchhof, StuW 2000, 316, 324. 197 So BVerfGE 83, 82, 84 (Eigenbedarfskündigung); ähnlich BVerfGE 89, 1, 14 (Mieter als Eigentümer); BVerfGE 87, 273, 279; BVerfGE 96, 189, 203; zusf. Jarass/Pieroth, GG, 9. Aufl. 2007, Art. 3 Rn. 38: »schwere Rechtsanwendungsfehler«.

§ 3 Rechtsökonomische Grundlagen Vor dem Einstieg in die dogmatische Analyse soll der Blick auf den ökonomischen Hintergrund des Abfindungsrechts gerichtet werden. Dies ist in vielfacher Hinsicht hilfreich: Zum einen werden die Grundgedanken einer ökonomischen Analyse des Abfindungsrechts entfaltet, auf welche die außersystematischen Kontrollerwägungen aufbauen können1. Zum anderen hilft die Rechtsökonomik, die soziale Bedeutung der Abfindungsvorschriften – und damit des Themas dieser Arbeit – zu verstehen.

I) Ökonomische Funktionen des Abfindungsrechts Im Mittelpunkt sollen zunächst die ökonomischen Funktionen des Abfindungsrechts stehen. Welchen wirtschaftlichen Zweck erfüllen Abfindungsansprüche? Wie sähe die Praxis des Aktien- und Umwandlungsrechts in einer Welt ohne Abfindung aus? Hier ist zu differenzieren: Zum einen kann man nach der Funktion des Instituts Abfindungsanspruch fragen [s. u. 2)]. Zunächst muss man sich aber den ökonomischen Sinn der Kehrseite der Abfindungsansprüche vergegenwärtigen: die Rechtsmacht des Mehrheitsaktionärs, abfindungsauslösende Transaktionen ohne Zustimmung aller Aktionäre zu beschließen [sogleich 1)]. 1) Funktion der mit dem Abfindungsanspruch verbundenen Rechtsmacht Abfindungsansprüche werden ausgelöst beim Abschluss eines Beherrschungsund/oder Gewinnabführungsvertrags (§ 305 AktG), bei der Mehrheitseingliederung (§ 320b AktG) und beim Squeeze-out (§ 327a AktG, § 39a WpÜG), beim Formwechsel (§ 207 UmwG), bei der formwechselnden Verschmelzung und Spaltung (§ 29 I 1, 1. Hs., 1. Fall UmwG), der Verschmelzung und Spaltung unter Verlust der Börsennotierung, (§ 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG), der grenzüberschreitenden Verschmelzung (§ 122i UmwG), im Zusammenhang mit der Gründung einer Europäischen Aktiengesellschaft, die beherrscht ist oder ihren Sitz im Ausland hat (§§ 7, 9 SEAG), sowie beim Sitzwechsel einer Societas Europaea (§ 12 SEAG). In der Finanzierungstheorie unumstritten ist, dass solche Strukturmaßnahmen einen Mehrwert schaffen und somit die Gesamtwohlfahrt fördern kön-

1

Zu dieser Methodik bereits o. S. 10 ff.

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§ 3 Rechtsökonomische Grundlagen

nen 2 . Akzeptiert man diese Prämisse, so hat die dem Mehrheitsaktionär verliehene Rechtsmacht den Zweck, solche Transaktionen notfalls gegen den Willen einer 25%igen Minderheit durchzuführen. Dies wiederum erfüllt mehrere Funktionen: a) Eliminierung eines Hold-out-Problems Die wichtigste Funktion wird deutlich, wenn man sich eine Rechtsordnung vorstellt, in der Transaktionen wie die oben genannten zwar keinen Abfindungsanspruch auslösen würden, aber dafür mit Einstimmigkeit beschlossen werden müssten. Hier käme es zu dem, was Ökonomen als »Akkordstörer-«oder Holdout-Problem bezeichnen 3 : Minderheitsaktionäre hätten einen Anreiz, ihre Zustimmung zu verweigern, um den Mehrheitsaktionär dazu zu bringen, ihre Stimme abzukaufen (»Akkordstörer«- oder Hold-out-Position4). Theoretisch könnte ein einzelner Minderheitsaktionär so abschöpfen, was der Mehrheitsaktionär allen Aktionären für ihre Zustimmung bezahlen würde5 . Da jeder rationale Aktionär diesen »Akkordstörer«-Anreiz hätte und Aktionäre prohibitiven Kosten bei der Kommunikation untereinander ausgesetzt sind, brächte marktmäßiger Transfer der Anteile den Beschluss nicht zustande. Könnten nur einzelne Minderheitsaktionäre ihre Hold-out-Position nutzen, hätte ein solcher Transfer zumindest willkürliche und absurde Verteilungswirkungen zur Folge 6 , weil einzelne Aktionäre einstreichen könnten, was wirtschaftlich gesehen allen Aktionären zustünde (jede Stimme ist gleich viel wert). Die Usurpationsbefugnis des Abfindungspflichtigen gegen volle Entschädigung ersetzt also den marktmäßigen Transfer der Aktionärsrechte, ermöglicht somit effizienzsteigernde Strukturveränderungen, die über den Markt nicht realisierbar wären, und sichert die gleichmäßige Verteilung des Erlöses, ohne dass Minderheitsaktionäre hierüber miteinander verhandeln müssten. b) Abfindungsregeln als Debiasing-Mechanismus Von der Hold-out-Problematik kann man einen Bogen zur Verhaltensökonomik (Behavioral Economics) schlagen7. Dass der marktmäßige Transfer der Aktien zur 2

S. hierzu etwa Standardwerke wie Brealey/Myers/Allen, Principles of Corporate Finance, 9 Ed. 2008, S. 882 ff.; Gilson/Black, The Law and Finance of Corporate Acquisitions, 2nd Ed. 1995, S. 1237–1252 et passim; Tirole, The Theory of Corporate Finance, 2006, S. 425 ff. 3 Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, 1991, S. 134; Fleischer, ZGR 2002, 757, 762; Fleischer in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2007, Vor §§ 327a-f Rn. 14; Posner, Economic Analysis of Law, 5th Ed. 998, S. 458; Rühland, Der Ausschluß von Minderheitsaktionären aus der Aktiengesellschaft, (Squeeze-out), 2003, S. 179 f.; Wenger/Kaserer/Hecker, ZBB 2001, 317, 322. 4 Zum Begriff des »Akkordstörers« Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 4. Aufl. 2005, S. 575 mit Fn. 3. 5 Hierzu das Beispiel von Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 4. Aufl. 2005, S. 576. 6 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 4. Aufl. 2005, S. 576 f. 7 Dazu grundsätzlich Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 80 ff. th

I) Ökonomische Funktionen des Abfi ndungsrechts

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Durchführung effizienzsteigernder Strukturveränderungen nicht zustande kommen würde, könnte nämlich noch einen weiteren Grund haben. Psychologische Experimente haben ergeben, dass Menschen auf eine Prämie für den Verkauf ihrer Sachen bestehen, obwohl sie diese nicht zahlen würden, wenn sie dieselbe Sache kaufen müssten. Ist eine Sache Bestandteil des Vermögens, ist sie Akteuren allein hierdurch mehr wert (sog. Besitztumseffekt, endowment effect) 8 . Grund dieser Urteilsverzerrung (bias) ist die allgemeine Angst von Menschen, Verluste zu erleiden (loss aversion) 9. Sie führt im vorliegenden Zusammenhang dazu, dass Menschen die Weggabe eines Gegenstandes ihres Vermögens stärker gewichten als die Kompensation, die sie hierfür erhalten10 . Dieser Effekt bewirkt, dass der wohlfahrtssteigernde Austausch von Gütern selbst in einer Welt mit vollständiger Information und ohne Transaktionskosten unterbleibt – ein beachtlicher Gegensatz zum für die gesamte ökonomische Analyse des Rechts grundlegenden Coase-Theorem11.12 Gestattet man der Aktionärsmehrheit, Minderheitsaktien gegen Abfindung »an sich zu reißen«, dann erfüllt dies zwei Funktionen: Zum einen entfällt der Besitztumseffekt ebenso wie das »Akkordstörer«-Problem als Grund für das Scheitern wohlfahrtssteigernder Transaktionen. Zum anderen bewirkt die Tatsache, dass die »Eigentümerstellung« der Minderheitsaktionäre von vornherein mit der Herrschaftsmacht der Aktionärsmehrheit belastet ist, dass der Besitztumseffekt dieser Aktionäre nicht ebenso groß ist. So zeigen Studien, dass Inhaber eines Rechts, das gegen Entschädigung entzogen werden kann (d. h. durch eine sog. liability rule geschützt wird13), unter keinem so starken Besitztumseffekt leiden, wie Inhaber eines Rechts, das absolut (d. h. durch eine sog. property rule) geschützt wird14 . Die Konsequenz: Abfindungsregelungen bewirken, dass Aktionäre von vornherein nicht ebenso stark an ihrer Aktie hängen wie etwa Nachkommen an ihren Erbstücken, was im Übrigen durch den Charakter der Aktie als Vermögensanlage und ihrem zumindest bei Börsengesellschaften jederzeit bezifferbarem Verkaufspreis

8 Grundlegend Thaler, 1 J. Econ. Behav. & Org. 39, 43 ff. (1980); s. danach etwa Kahneman/ Knetsch/Thaler, 98 J. Pol. Econ. 1325, 1326 (1990). Fundamentale Vorarbeiten finden sich bei Tversky/Kahneman, 185 Science 1124 (1974); Kahneman/Tversky, 47 Econometrica 263 (1979). S. weiterführend auch Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 97 ff.; Klöhn, CR 2006, 260 ff. 9 Grundlegend Kahneman/Tversky, 47 Econometrica 263 (1979); Tversky/Kahneman, 5 J. Risk & Uncertainty 297 (1992). 10 Zur systematischen Einordnung des endowment effect als Korrelat von loss aversion s. nur Kahneman/Knetsch/Thaler, 98 J. Pol. Econ. 1325, 1326–1328 (1990); Jolls/Sunstein/Thaler, 50 Stan L Rev 1471, 1480 (1998); ähnlich etwa Issacharoff, 51 Vand. L. Rev. 1729, 1734 (1998): »byproduct«. 11 Coase, 3 J. L. & Econ. 1 (1960). 12 Hierzu Kahneman/Knetsch/Thaler, 98 J. Pol. Econ. 1325 (1990). 13 Grundlegend zur Terminologie Calabresi/Melamed, 85 Harv. L. Rev. 1089 (1972); s. auch Kaplow/Shavell, 109 Harv. L. Rev. 713 (1996). 14 Rachlinski/Jourden, 51 Vand. L. Rev. 1541 (1998).

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§ 3 Rechtsökonomische Grundlagen

unterstützt wird15 . Unter diesem Gesichtspunkt reihen sich die Abfindungsnormen in eine Gruppe von Regeln ein, die (zumindest auch) den Abbau von Urteilsverzerrungen bezwecken (sog. debiasing through law16). c) Senkung von Transaktionskosten In einer Welt, in der die abfindungsauslösenden Strukturveränderungen des AktG, UmwG, SEAG und WpÜG nur über marktmäßigen Transfer zustande kommen könnten, wären Mehrheits- und Minderheitsaktionäre außerdem nicht unerheblichen Transaktionskosten ausgesetzt: Minderheitsaktionäre müssten ausfindig gemacht werden, das Angebot müsste ihnen mitgeteilt werden, eventuell müsste man einzeln über den Preis verhandeln. All diese Transaktionskosten vermeidet die Befugnis, die jeweilige Transaktion mit den Stimmen des Mehrheitsaktionärs zu beschließen17. d) Parallele zur Enteignung Sowohl im Hinblick auf die Hold-out-Problematik und den Besitztumseffekt als auch mit Rücksicht auf die Transaktionskosten gleicht der ökonomische Zweck der Rechtsmacht des Mehrheitsaktionärs der Enteignungsmacht des Staates18 – eine Parallele, auf die noch öfter zurückzukommen sein wird19. e) Förderung wohlfahrtssteigernder Übernahmen Abfindungsauslösende Transaktionen bieten sich insbesondere am Ende einer erfolgreichen Unternehmensübernahme an. Gerade Vertragskonzern, Eingliederung und Squeeze-out können vom Mehrheitsaktionär dazu benutzt werden, sich Zugang zu den Vermögensgegenständen der Zielgesellschaft zu verschaffen und eine vorherige Übernahme auf diesem Wege zu finanzieren. Diese Rechtsmacht fördert somit wohlfahrtssteigernde Unternehmensübernahmen 20 . Mittelbare Wirkung dieser Funktion ist, dass der Markt für Unternehmenskontrolle (i. S. v. Henry Manne 21) gestärkt wird 22 .

15 Dazu Kahneman/Knetsch/Thaler, 98 J. Pol. Econ. 1325 (1990); zust. Arlen, 51 Vand. L. Rev. 1765, 1778 (1998). 16 Grundlegend Jolls/Sunstein, 35 J. Legal Stud. 199 (2006). 17 S. auch Fischel, 1983 Am. B. Found. Research J. 875, 881 ff.; Kanda/Levmore, 32 UCLA L. Rev. 429, 431 (1985). 18 Hierzu: W. Fischel, in Newman, Peter (ed.), The New Palgrave Dictionary of Economics and the Law, New York, 1998, Stichwort: eminent domain and just compensation; Posner, Economic Analysis of Law, 5th Ed. 1998, S. 62; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 4. Aufl. 2005, S. 575 ff. m. w. N. 19 S. u. S. 155 ff. 20 So etwa Amihud/Kahan/Sundaran, 59 J Fin 1325 (2004). 21 Manne, 73 J. Pol. Econ. 110 (1965). 22 S. hierzu etwa Thomas, 3 Del. L. Rev. 1, 17 (2000).

I) Ökonomische Funktionen des Abfi ndungsrechts

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f) Vermeidung eines Free-rider-Problems? Die mit dem Abfindungsanspruch verbundene Rechtsmacht des Mehrheitsaktionärs kann gezielt eingesetzt werden, um Minderheitsaktionäre von zukünftigen Gewinnen der beherrschten Gesellschaft auszuschließen (§§ 327a AktG, 39a WpÜG; wegen der Nachteile des § 304 AktG23 für Minderheitsaktionäre aber auch § 305 AktG). Dies wiederum wird teilweise mit der Überwindung eines sog. »Trittbrettfahrer«- (Free-rider-)Problems gerechtfertigt, das vom oben genannten »Akkordstörer«- (Hold-out-)Phänomen zu unterscheiden ist. Hintergrund dieses Gedankens ist, dass abfindungsauslösende Transaktionen oftmals als zweiter Schritt nach einer Übernahme durchgeführt werden, insbesondere um die Übernahme mit den Vermögensgegenständen der Zielgesellschaft (teil-) zu finanzieren. In ihrem Aufsatz »Takeover Bids, the Free Rider Problem, and the Theory of the Corporation« argumentieren die Ökonomen Sanford Grossman und Oliver Hart, dass Minderheitsaktionäre einer Zielgesellschaft nach erfolgreicher Übernahme Anreize haben, eine »Trittbrettfahrt« auf Kosten des Mehrheitsaktionärs zu machen, nachdem dieser den wahren Wert der Gesellschaft entdeckt und/oder ineffizientes Management ersetzt hat. Wenn jeder Aktionär zum Zeitpunkt des Übernahmeangebotes davon ausginge, dass seine Entscheidung, nicht an den Mehrheitsaktionär zu verkaufen, den Erfolg des Übernahmeangebots nicht hindere, dann – so das Argument – würde jeder Aktionär von einem Verkauf seiner Anteile absehen. Übernahmeangebote würden keinen Erfolg haben; der Markt für Unternehmenskontrolle käme zum Erliegen 24 . So verführerisch dieses Argument auf den ersten Blick scheint, empirische Daten sprechen gegen seine Richtigkeit. So haben mehrere Studien ergeben, dass es sich für Minderheitsaktionäre gerade nicht lohnt, nach erfolgreicher Übernahme in der Gesellschaft zu verbleiben 25 . Zu groß sind zum einen die Möglichkeiten des Mehrheitsaktionärs, überproportionale Kontrollvorteile zu erzielen, insbesondere durch die Verteilung von Geschäftschancen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft 26 . Zu aussichtslos ist zum anderen die Möglichkeit, nach einem Kontrollwechsel eine Prämie für den Verkauf der Aktien einstreichen zu können. Dies alles macht es auch ohne die mit Abfindungsvorschriften korrespondierenden Befugnisse des Mehrheitsationärs unattraktiv, nach einem partiell erfolgreichen Übernahmeangebot als Minderheitsaktionär in der Gesellschaft zu verbleiben. Das oben geschilderte Free-rider-Problem dürfte in der Realität also kaum bestehen 27. 23

Dazu noch u. S. 108 ff. Grossman/Hart, 11 Bell J. Econ. 42 (1980). Zum modelltheoretischen Zusammenhang s. auch ausführlich Hecker, Regulierung von Unternehmensübernahmen und Konzernrecht, Teil II, 2000, S. 502 ff. 25 Für den US-amerikanischen Markt s. Bradley, 35 J. Bus. 345, 364, 365–380 (1980): Im Durchschnitt sinken die Aktienpreise übernommener Gesellschaften um 13%. 26 Gilson/Black, The Law and Finance of Corporate Acquisitions, 2nd Ed. 1995, S. 1238. 27 Gilson/Black, The Law and Finance of Corporate Acquisitions, 2nd Ed. 1995, S. 1238. 24

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§ 3 Rechtsökonomische Grundlagen

2) Funktion des Abfindungsanspruchs Nachdem soeben die »Kehrseite« des Abfindungsanspruchs, nämlich die dem Mehrheitsaktionär verliehene Rechtsmacht, beleuchtet wurde, steht nun die ökonomische Funktion des Abfindungsanspruchs selbst im Mittelpunkt. Diskutiert werden diese Funktionen insbesondere in der US-amerikanischen Jurisprudenz, wo das Recht der verschiedenen Staaten Minderheitsaktionären – ähnlich wie in Deutschland – bei bestimmten fundamentalen Strukturveränderungen ihrer Gesellschaft ein Abfindungsrecht (appraisal right, appraisal remedy) an die Hand geben. a) Minderheitenschutz Die meisten Gerichte und Autoren stellen die Rolle des Abfindungsrechts als Instrument des Schutzes von Minderheitsaktionären in den Vordergrund. aa) Bereitstellung von Liquidität Am populärsten ist eine Ansicht, die den ökonomischen Sinn des Abfindungsrechts darin sieht, den Aktionären einen Ausweg (exit) bereitzustellen, weil diese Investoren ansonsten verpflichtet wären, in einer Gesellschaft zu verbleiben, die sie sich nicht als Investitionsobjekt ausgesucht hätten 28 . bb) Schutz vor Ex-post-Opportunismus des Mehrheitsaktionärs Andere betonen, dass Abfindungsansprüche ein Mittel darstellen, um Minderheitsaktionäre vor dem Ex-post-Opportunismus des Mehrheitsaktionärs zu schützen 29. Minderheitsaktionäre sind in besonderem Maße dieser Gefahr nachträglicher Hintergehung ausgesetzt 30 . Dies liegt daran, dass Mehrheitsaktionäre nicht stets ein Interesse an einer langfristigen, beiderseits vorteilhaften Beziehung mit den Minderheitsaktionären haben. Anders als etwa Kreditgeber oder Lieferanten stellen Minderheitsaktionäre der Gesellschaft einmalig Kapital zur Verfügung und können dies grundsätzlich nicht wieder herausverlangen (für Deutschland s. nur § 57 AktG). Für Mehrheitsaktionäre kann es sich lohnen, dieses Kapital etwa 28 Grundlegend schon Kean v. Johnson, 9 N. J. Eq. 401, 414–15, 423 (N. J. Ch. 1853); danach etwa Troupiansky v. Henry Disston & Sons, Inc., 151 F. Supp. 609, 612 (E. D. Pa. 1957); aus der Literatur Allen/Kraakman/Subramanian, Commentaries and Cases on the Law of Business Organizations, 2nd Ed. 2007, S. 485.; Eisenberg, The Structure of the Corporation, 1976, S. 78; Siegel, 32 Harv. J. on Legis. 79, 93 ff. et passim (1995); Wertheimer, 65 Tenn. L. Rev. 661, 679 ff. (1998); Thompson, 84 Geo. L. J. 1, 3 f., 18 ff. (1995); s. auch Fischel, 1983 Am. B. Found. Res. J. 875, 878; Manning, 72 Yale L. J. 223, 261 (1962). 29 Fischel, 1983 Am. B. Found. Res. J. 875, 878–881; Hecker, Regulierung von Unternehmensübernahmen und Konzernrecht, Teil I, 2000, S. 9, 93 (»ausbeutungsmotivierte Konzernierung vermeiden«); Thompson, 84 Geo. L. J. 1, 28 (1995). S. auch Clark, Corporate Law, 1986, S. 445. 30 S. etwa La-Porta/Lopez de Silanes/Shleifer/Vishny, 58 J. Fin. Econ. 3, 4 (2000); Shleifer/ Vishny, 52 J. Fin. 737, 751 (1997).

I) Ökonomische Funktionen des Abfi ndungsrechts

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durch Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags zu usurpieren. Sie sind nicht stets darauf angewiesen, anschließend neues Eigenkapital am Markt einzuwerben. Andererseits können Minderheitsaktionäre ihre Investition – selbst wenn dies rechtlich zulässig wäre (s. in Deutschland § 23 V AktG) – kaum durch besondere Vereinbarungen mit den Mehrheitsaktionären schützen. In der Terminologie der Neuen Institutionenökonomik besteht daher zwischen Mehrheits- und Minderheitsaktionären ein relationaler Vertrag, der zugunsten der Minderheitsaktionäre durch besondere Regeln abgesichert werden muss31. Abfindungsansprüche erreichen eine solche Absicherung, indem sie einen Mindestpreis für solche Transaktionen bestimmen, mit denen der Mehrheitsaktionär die Investition der Minderheitsaktionäre »auf seine Mühlen umleiten kann«. Muss der Mehrheitsaktionär der Minderheit stets den wahren Wert ihrer Anteile zahlen, sind Reichtumsverlagerungen ausgeschlossen 32 . Eine solche Regelung liegt auch deshalb nahe, weil Investoren typischerweise übermäßig optimistisch sind (overoptimism) und die Gefahr von Ex-post-Opportunismus bei der Anlageentscheidung systematisch unterschätzen 33 . Unverzichtbare Bedingung ist freilich, dass die Aktionäre den vollen Wert ihrer Aktien zum Zeitpunkt der Transaktion als Abfindung erhalten. cc) Schutz bei allen risikoändernden Transaktionen? Verwandt mit der soeben genannten Theorie ist ein weiterer Gedanke, demzufolge das Abfindungsrecht nicht nur vor Ausbeutung durch den Mehrheitsaktionär schützt, sondern ganz allgemein vor allen Transaktionen, die das Investitionsrisiko der Gesellschaft verändern 34 . Ausgehend von der Annahme, dass Aktionäre unterschiedliche Risikopräferenzen haben, sieht diese Erklärung den Sinn des Abfindungsrechts in der Garantie, dass risikoverändernde Transaktionen nur dann durchgeführt werden, wenn die erwarteten Gewinne aus dieser Transaktion so hoch sind, dass die Gesellschaft das Kapital auftreiben kann, um widersprechende Aktionäre aus der Gesellschaft auszukaufen und die übrigen bei der Gesellschaft anfallenden Kosten des Abfindungsanspruchs zu tragen 35 . Zwar räumt der Schöp31 Grundlegend hierzu Williamson, The Economic Institutions of Capitalism, 1985, S. 68 ff.; Überblick bei Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 3. Aufl. 2003, S. 193 ff. 32 Fischel, 1983 Am. B. Found. Res. J. 875, 878–881; Hecker, Regulierung von Unternehmensübernahmen und Konzernrecht, Teil I, 2000, S. 9, 93; s. auch etwa Allen, 28 J Corp L 551, 553. 33 Zu overoptimism ausführlich und m. w. N. Behavioral Finance, 2006 Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Paternalismus, 2004, S. 117 ff. Zur vergleichbaren Psyche von Arbeitnehmern beim Abschluss des Arbeitsvertrags Sunstein, 64 U. Chi. L. Rev. 1175, 1184 (1997); Sunstein, 87 Va. L. Rev. 205 (2001). 34 Letsou, 39 B. C. L. Rev. 1121, 1140 ff. (1998); ähnlich für das neuseeländische Recht Beck/ Borrowdale, Guidebook to New Zealand Companies and Securities Law, 7th Ed. 2002, S. 571: »The purpose of the buy-out remedy is to provide a dissenting shareholder with an opportunity to leave without being affected by the company’s proposed action. This applies equally to an increase in value as a decrease«. 35 Letsou, 39 B. C. L. Rev. 1121, 1142 (1998).

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§ 3 Rechtsökonomische Grundlagen

fer dieser Ansicht ein, dass es des Abfindungsanspruchs nicht bedürfe, wenn alle Aktionäre Zugang zu einem effizienten Kapitalmarkt hätten und ihr Portfolio hinreichend diversifizieren könnten. Diese Annahmen entsprächen in vielen Fällen jedoch nicht der Realität 36 . Obwohl man dieser Erklärung nicht jegliche Überzeugungskraft absprechen kann 37, hat sie doch eine Schwäche: ihre Breite. Die Anwendung des Abfindungsrechts auf jede risikoverändernde Transaktion würde dazu führen, dass viele solcher Geschäfte nicht vorgenommen werden könnten, obwohl sie die Ertragskraft der Gesellschaft steigern würden, weil diese Ertragssteigerung die Kosten des Abfindungsanspruchs (insbesondere den Bedarf nach Liquidität) nicht deckten 38 . Mit anderen Worten: Zwar kann das Abfindungsrecht dem Minderheitenschutz einen großen Dienst erweisen. Die Kosten des Abfindungsrechts39 verlangen aber nach einer wohl überlegten Auswahl der abfindungsauslösenden Transaktionen. dd) Senkung von agency costs? Mit der Disziplinierung des Mehrheitsaktionärs und dem Schutz vor Ex-post-Opportunismus verbunden, schreiben einige Autoren dem Abfindungsrecht teilweise die Funktion zu, sog. »Agentur«- oder »Vertretungskosten« (agency costs) zu senken, also solche Kosten, die daraus resultieren, dass die Unternehmensführung Ziele verfolgt, die nicht vollständig mit denen der Aktionäre übereinstimmen. 40 Übertragen lässt sich dieser Gedanke insbesondere auf die Abfindungsfälle der §§ 29, 122i, 207 UmwG, §§ 7, 9, 12 SEAG. Hintergedanke dieser Theorie ist, dass die Befriedigung von Abfindungsansprüchen in bar sehr kostspielig sein kann41. Ist Abfindung zwingend in bar zu zahlen und können Aktionäre ohne Abfindung in der (neuen) Gesellschaft verbleiben, dann haben das Management und der Mehrheitsaktionär Anreize, abfindungsauslösende Transaktionen so auszugestalten, dass Minderheitsaktionäre ihr Abfindungsrecht nicht ausüben 42 . Dies diszipliniert Geschäftsleitung und Mehrheitsaktionär und nähert ihre Interessen den Interessen der Minderheitsaktionäre an. 36

Letsou, 39 B. C. L. Rev. 1121, 1144–1148 (1998). Traditionelle Finanzierungstheorie geht freilich von effizienten Kapitalmärkten und perfekten Portfoliodiversifizierungmöglichkeiten aus, so dass Aktionäre nicht an dem spezifischen Risiko einer Gesellschaft interessiert sind, sondern nur dem marktweiten Risiko; s. nur Brealey/ Myers/Allen, Principles of Corporate Finance, 9 th Ed. 2008, S. 206 ff.; grundlegend Markowitz, 7 J. Fin. 77 (1952). 38 Eingeräumt von Letsou, 39 B. C. L. Rev. 1121, 1149 (1998). 39 S. noch S. 40 ff. 40 Diese Kosten setzen sich nach eingeschliffener, auf Jensen/Meckling, 3 J.Fin. Econ. 305 (1976) zurückgehende Terminologie aus den Posten »Überwachungsausgaben« (monitoring expenditures), »Kautionsausgaben« (bonding costs) und »Residualverlust« (residual loss) zusammen. Für einen Überblick etwa Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, 2007, S. 15 f.; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 3. Aufl. 2003, S. 177. 41 Dazu noch u. S. 42. 42 Kanda/Levmore, 32 UCLA L.Rev. 429, 444 (1985). 37

I) Ökonomische Funktionen des Abfi ndungsrechts

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Disziplinierungswirkung können Abfindungsansprüche noch in weiterer Hinsicht haben. Zum einen erfordern Abfindungsrechte die Ermittlung des gegenwärtigen Gesellschaftswertes, was mit einer Prüfung der Gesellschaft auf Herz und Nieren einhergeht (s. etwa die §§ 30 II, 208 UmwG, § 7 III 1 SEAG). Diese Prüfung erschwert es einerseits dem amtierenden Management, vergangenes Missmanagement durch strukturwechselnde Transaktionen zu verschleiern, andererseits erlaubt sie den nach der abfindungsauslösenden Transaktion in der Gesellschaft verbleibenden Aktionären zukünftig eine genauere Evaluierung des neuen Managements43 . Daneben wird eine Funktion des Abfindungsrechts teilweise in einer Warn- und Signal- bzw. Entdeckungsfunktion gesehen (discovery-function) 44 . Verlassen viele Aktionäre durch Ausübung ihres Abfindungsrechts die AG, dann zeigt dies – so das Argument –, dass Geschäftsleitung und Mehrheitsaktionär im Rahmen der Transaktion ihre Treuepflichten gegenüber den Minderheitsaktionären verletzt haben könnten. Aktionärskläger könnten daher mit höherer Erfolgswahrscheinlichkeit eine Klage gegen die Rechtmäßigkeit des Beschlusses einreichen. Ob Abfindungsansprüche diese Funktion erfüllen, ist allerdings zumindest für die deutsche Rechtslage zweifelhaft. Bevor in die Analyse des Verhältnisses zwischen Abfindungsanspruch und materieller Rechtmäßigkeitskontrolle eingestiegen wird45 , reicht an dieser Stelle ein Hinweis auf die Tendenz von Gerichten, den abfindungsauslösenden Beschluss von der Rechtmäßigkeitskontrolle anhand von Treuepflichten freizustellen. Darüber hinaus haben Aktionäre bei abfindungsauslösenden Transaktionen viele Gründe, aus der Gesellschaft auszuscheiden, obwohl sie keine Verletzung von Treuepflichten vermuten: Ihnen mag der Zugang zum Kapitalmarkt fehlen, oder sie mögen befürchten, in Zukunft vom Mehrheitsgesellschafter ausgebeutet zu werden. Mit der Rechtmäßigkeit des abfindungsauslösenden Beschlusses hat all dies nichts zu tun. b) Schutz der Mehrheit Auf der anderen Seite wird Abfindungsansprüchen die Funktion zugeschrieben, die an der abfindungsauslösenden Transaktion interessierte Mehrheit zu schützen46 . Als Antithese zu der soeben vorgestellten Entdeckungsfunktion weisen einige Autoren hier auf den Effekt von Abfindungsansprüchen hin, Transaktionen im Hinblick auf ihre Fairness »kontrollfest« zu machen47. In den Worten des bekannten US-amerikanischen Juristen Bayless Manning:

43 Kanda/Levmore, 32 UCLA L.Rev. 429, 441–443 (1985): sog. »reckoning-function« (»Abrechnungsfunktion«). 44 Kanda/Levmore, 32 UCLA L.Rev. 429, 443–445 (1985). 45 Dazu u. S. 338 f. 46 Vgl. Manning, 72 Yale L. J. 223, 227 (1962); kritisch Siegel, 32 Harv. J. on Legis. 79, 97 f. (1995). 47 Dazu noch ausführlich u. S. 338 ff.

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§ 3 Rechtsökonomische Grundlagen

»In fact, however, the major effect of these appraisal statutes has been quite different from the function generally attributed to them. Almost certainly the statutes have made their major contribution not in shielding the minority, but in giving greater mobility of action to the majority (. . .). When a dissenting shareholder seeks to enjoin a transaction, the courts tend to turn him away if he has the appraisal remedy available to him«48 .

Abfindungsrechte, so Manning, könnten daher als »Schmiermittel für die Ausbreitung von Mehrheitsherrschaft« angesehen werden (»lubricant to speed the spread of majoritarianism«) 49. Nutzen stiftet das Abfindungsrecht Mehrheitsaktionären auch dadurch, dass es Minderheitsaktionäre gegen die Möglichkeit versichert, von den Mehrheitsaktionären ausgebeutet zu werden. Wäre dies nicht der Fall, würden Minderheitsaktionäre beim Kauf der Aktien auf einen Abschlag bestehen und dadurch die Kapitalbeschaffung teurer machen. Auf den Punkt gebracht wird dies von Daniel Fischel in seinem fundamentalen Aufsatz zur ökonomischen Analyse des Abfindungsrechts aus dem Jahre 1983: »The greater the probability that the shares will be acquired by the majority, the lower the price the minority will pay. Thus the majority, not the minority, bears the cost ex ante of the potential exploitation of the minority ex post. The appraisal remedy, by reducing the probability that the shares of the minority will be acquired at a price unilaterally set by the majority, increases the price the minority will pay for shares to the benefit of the majority and the minority«50 .

3) Kosten des Abfindungsrechts Neben den Funktionen des Abfindungsrechts sollen nicht die Kosten dieses Rechtsinstituts vergessen werden. Diese Kosten werden insbesondere später bei den das Abfindungsrecht begrenzenden Prinzipien eine Rolle spielen. Sie können aufgeteilt werden in Kosten, die beim Abfindungsschuldner anfallen, und solche, die von den abfindungsberechtigten Aktionären getragen werden. a) Kosten des Abfindungsschuldners aa) Prozesskosten im weiteren Sinne Kosten des Abfindungsverpflichteten sind zunächst sämtliche Prozesskosten im weiteren Sinne, die die Abfindung mit sich bringt: Hierzu gehören Kosten der Vorbereitung und Durchführung des abfindungsauslösenden Beschlusses (Einberufung, Information der Aktionäre, Abfindungsprüfung, Gebühren von Investmentbanken und Anwälten etc.), Transaktionskosten des Abfindungsprozesses sowie die nicht unerheblichen Kosten einer späteren gerichtlichen Überprüfung

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Manning, 72 Yale L. J. 223, 227 (1962). Manning, 72 Yale L. J. 223, 230 (1962). 50 Fischel, 1983 Am. B. Found. Res. J. 875, 880 mit Verweis auf Jensen/Meckling, 3 J.Fin. Econ. 305 (1976); Smith/Warner, 7 J.Fin. Econ. 117 (1979). 49

I) Ökonomische Funktionen des Abfi ndungsrechts

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der Abfindung, die üblicherweise vom Abfindungspflichtigen getragen werden (s. § 15 II SpruchG). bb) Finanzierungskosten Kosten erwachsen weiterhin aus dem Bedarf nach Bargeld oder Aktien, in denen die Aktionäre abgefunden werden sollen 51. Insbesondere der Bedarf nach Bargeld kann die Gesellschaft teuer zu stehen kommen. Fehlt es an Kreditwürdigkeit, müssen Vermögensgegenstände verkauft oder Betriebsteile aufgegeben werden 52 . Kann die Gesellschaft Kredit aufnehmen, lässt die Nachfrage nach weiterem Kredit möglicherweise die weiteren Finanzierungskosten steigen. Darüber hinaus mag der plötzliche Abzug von Kapital aus der Gesellschaft den Preis ihrer Aktien stören 53 , was wiederum schädlich für den Markt für Unternehmenskontrolle sein kann. b) Kosten der abfindungsberechtigten Aktionäre Auch für den abfindungsberechtigten Aktionär hat die abfindungsauslösende Strukturveränderung Kosten zur Folge. aa) Verlust des Investments Selbst wenn man unterstellt, dass der Aktionär für den Wert seiner Mitgliedschaft voll entschädigt wird, entgeht ihm zumindest die Gelegenheit, weiterhin in der unveränderten Gesellschaft beteiligt zu sein (Opportunitätskosten). Hatte der Aktionär in eine börsennotierte Gesellschaft investiert, kann er sein Geld zwar in andere Aktien umschichten. Keine Gesellschaft stellt aber ein perfektes Substitut für die Mischung aus systematischem Markt- und unsystematischem firmenspezifischen Risiko dar.54 Muss der Aktionär einer geschlossenen Gesellschaft eine abfindungsauslösende Strukturmaßnahme hinnehmen, verliert er neben dem in Geld messbaren Investment eventuell die Mitgliedschaft in einer Gesellschaft, mit der er emotional eventuell tief verbunden war – ein Verlust, der sich zwar nicht beziffern lässt, den aber eine ökonomische Analyse des Rechts deswegen keineswegs ignorieren muss. Finanziell ist es für ihn außerdem bedeutend schwieriger – in den meisten Fällen unmöglich – ein äquivalentes Investment zu finden. Bisher wurde unterstellt, dass die Anspruchsberechtigten volle Abfindung erhalten. In der Praxis ist dies keineswegs garantiert, ganz im Gegenteil: Unternehmensbewertung ist keine exakte Wissenschaft55 . Für börsennotierte Gesellschaften 51

Fischel, 1983 Am. B. Found. Res. J. 875, 881. S. auch Clark, Corporate Law, 1986, S. 446. Vgl. aber abmildernd Eisenberg, The Structure of the Corporation, 1976, S. 70 f. 53 Fischel, 1983 Am. B. Found. Res. J. 875, 881. 54 Aus Sicht traditioneller Finanzierungstheorie würde man freilich entgegnen, dass rationale Aktionäre nicht an dem spezifischen Risiko der Gesellschaft interessiert sind, da sie diversifizierte Portfolios hielten (s. bereits o. S. 38 mit Fn. 37). 55 Dazu hier nur OLG Düsseldorf AG 1977, 168, 169 (Stolberger Zink AG); LG Dortmund ZIP 2001, 739, 742 (SNI); LG Mannheim AG 2002, 466, 467 (Rheinelektra). 52

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§ 3 Rechtsökonomische Grundlagen

besteht seit den DAT/Altana-Urteilen von BVerfG und BGH zwar eine gewisse Rechtssicherheit. Gerade in Baisse-Zeiten ist aber keinesfalls ausgeschlossen, dass Aktionäre unterkompensiert werden. Zahlreiche Studien haben ergeben, dass entgegen der für die klassische Finanzierungstheorie grundlegenden These von der Kapitalmarkteffizienz (Efficient Capital Market Hypothesis, ECHM) 56 selbst in liquiden und staatlich regulierten Märkten Aktienkurse nicht immer den fairen Wert einer Aktie abbilden 57. Die Gründe hierfür sind zahlreich, werden unter Einbeziehung vor allem kognitions- und sozialpsychologischer Erkenntnisse unter dem Dach der Behavioral Finance diskutiert und brauchen hier nicht im einzelnen dargestellt zu werden 58 . Bei der weiteren Analyse gilt es jedoch, stets daran zu denken, dass abfindungsauslösende Transaktionen insofern Kosten verursachen, als Aktionäre aufgrund der einschlägigen Bewertungsunsicherheiten nicht vollständig entschädigt werden. bb) Reinvestitionskosten Mit dem Verlust der Anlage in die Gesellschaft, die sich der Aktionär als Investitionsobjekt ausgesucht hat, gehen Reinvestitionskosten einher59 : Der Aktionär muss Zeit aufwenden, um alternative Investments zu sichten, Broker- oder sonstige Anlageberatergebühren bezahlen sowie sonstige Transaktionskosten der Reinvestition tragen.

II) Wohlfahrtstheoretische Implikationen des Abfindungsrechts Nachdem soeben einzelne Vorteile und Kosten des Abfindungsrechts beleuchtet wurden, sollen nun die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen des Rechtsinstituts Abfindungsrecht im Mittelpunkt stehen. 56 Hierzu Fama, 25 J. Fin. 383 (1970); Fama/Miller, The Theory of Finance, 1972, S. 335; Fama, Foundations of Finance, 1976, S. 133; Fama, 31 J. Fin. 143 (1976); Fama, 46 J. Fin. 1575 (1991). S. vorher insbesondere Fama, 38 J. Bus. 34 (1965); Fama, 21(5) Fin. Analysts J. 55 (1965); Samuelson, 6 Indus. Mgmt. Rev. 41, 48 (1965); Mandelbrot, 39 J. Bus. 242, 248 (1966); Fama/Fisher/Jensen/Roll, 10 Int. Econ. Rev. 1 (1969). Grundlegend bereits Bachelier, Théorie de la Spéculation, 1900. 57 Vorzügliche Bestandsaufnahmen bei D. Hirshleifer, 56 J. Fin. 1533 (2001); Rabin, 36 J. Econ. Lit. 11 (1998); Rabin, 46 Eur. Econ. Rev. 657 (2002); Stracca, 25 J. Econ. Psychol. 373 (2004). Hervorragender Literaturüberblick über die Auswirkung von Fehleinschätzungen auf das Verhalten von Anlegern bei Daniel/Hirshleifer/Teoh, 49 J. Monetary Econ. 139 (2002). Populärwissenschaftliche Einführung bei Belsky/Gilovich, Why Smart People Make Big Money Mistakes and How to Correct Them, 1999; Shefrin, Börsenerfolg mit Behavioral Finance, 2000. Detailliert Barberis/Thaler in Constantinides/Harris/Stulz (eds.), Handbook of the Economics of Finance, 2003, Vol. 1B, S. 1053. Sammlung von Aufsätzen in Thaler, Advances in Behavioral Finance, 1993; Shefrin, Behavioral Finance, 2001. Aus der deutschsprachigen Literatur Stephan in Fischer/Kutsch/Stephan, Finanzpsychologie, 1999, S. 101 ff. 58 Verwiesen sei insoweit auf Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 80 ff. 59 Dazu Clark, Corporate Law, 1986, S. 505.

II) Wohlfahrtstheoretische Implikationen des Abfi ndungsrechts

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Vernachlässigt man hier zunächst die Unsicherheiten bei der Bewertung von Aktien60 , dann sichert der Abfindungsanspruch dem Aktionär grundsätzlich den Wert seiner Beteiligung vor der abfindungsauslösenden Transaktion (pre-transaction value). Zwar herrscht Streit darüber, ob die Abfindungssumme zukünftige Synergieeffekte einschließen soll61, herrschende Meinung in Deutschland ist jedoch, dass diese Effekte außer Betracht bleiben62 . In jedem Fall herrscht Einigkeit darüber, dass der Abfindungsschuldner den Minderheitsaktionären keine Prämie auf ihren Aktienwert zahlen muss. Im Jahre 1982 haben Frank Easterbrook und Daniel Fischel nachgewiesen, dass eine solche Regel unter bestimmten Annahmen die Wohlfahrt aller Aktionäre maximiert63 . Bereits oben wurde die Theorie Fischels vorgestellt, nach der das Abfi ndungsrecht Minderheitsaktionäre in effizienter Weise gegen Ausbeutung durch den Mehrheitsaktionär schützt, indem es den kontrollierenden Anteilsinhaber dazu veranlasst, nur dann abfindungsauslösende Transaktionen durchzuführen, wenn der Gewinn des Mehrheitsaktionärs aus der Transaktion die Kosten des Abfindungsrechts übersteigt64 . Erhalten Minderheitsaktionäre stets den vollen Wert ihrer Aktien, erleiden sie keine wertmäßige Einbuße. Nach dieser Theorie würde jede Regel, die den Aktionären weniger gibt als ihren Prä-Transaktionswert, wohlfahrtsminimierend wirken: Müsste die Mehrheit Minderheitsaktionäre nicht voll entschädigen, würden sich für sie nämlich auch solche Transaktionen lohnen, deren Mehrwert die tatsächlich gegebenen Einbußen 60

S. o. S. 41 f. Dafür Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, 2007, S. 400; Böcking, FS Moxter, 1994, 1407, 1423; Busse von Colbe, ZGR 1994, 595, 607; Fleischer, ZGR 1997, 368, 376 ff.; Großfeld, Unternehmens- und Anteilsbewertung im Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 67 f.; Hirte/Hasselbach in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 305 Rn. 86; Hüttemann, ZHR 162 (1998), 563, 586 ff.; Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 70 Rn. 132; Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensbewertung, 2. Aufl. 1983, S. 91 ff.; Kübler/R. H. Schmidt, Gesellschaftsrecht und Konzentration, 1988, S. 83; Reul, Die Pflicht zur Gleichbehandlung der Aktionäre bei privaten Kontrolltransaktionen, 1991, S. 220; Matschke, BFuP 1981, 115, 123 f.; de lege ferenda Doralt ZGR 1991, 252, 258 f. 62 BGHZ 138, 136, 140 (ASEA/BBC II); BayObLG WM 1996, 526, 529 (Paulaner); BayObLG AG 1996, 176, 177 (Hacker/Pschorr); OLG Celle AG 1999, 128, 130 (Wolters/Gilde); OLG Düsseldorf AG 1998, 37, 38; OLG Düsseldorf AG 2000, 323, 323 f. (Hoffmann’s Stärkefabriken); OLG Frankfurt AG 1989, 442, 443; OLG Stuttgart AG 2000, 428, 429 (Schwaben Zell/Hannover Papier); LG Dortmund AG 1981, 236, 239 (Thyssen/Rheinstahl); LG Dortmund AG 1996, 278, 279 (Hoffmann’s Stärkefabriken); LG Düsseldorf AG 1989, 138, 139 (Wicküler-Küpper Brauerei); LG Frankfurt WM 1987, 559, 561 f.; aus der Literatur etwa Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 82; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 305 Rn. 22; Henze, Konzernrecht, 2001, Rn. 356; Mertens, AG 1992, 321 ff.; Koppensteiner, FS Ostheim, 1990, 403, 424 ff.; Forster, FS Claussen, 1997, 91, 92; Kort, ZGR 1999, 402, 415 ff.; Seetzen, WM 1994, 45, 49; Seetzen, WM 1999, 565, 572 f.; Werner, FS Steindorff, 1990, 303, 314 ff. Monographisch Weiland, Synergieeffekte bei der Abfindung außenstehender Gesellschafter, 2003. 63 Easterbrook/Fischel, 91 Yale L. J., 698 (1982); wiederholt von Fischel, 1983 Am. B. Found. Res. J. 875, 883, 886. S. auch Hecker, Regulierung von Unternehmensübernahmen und Konzernrecht, Teil I, 2000, S. 9, 93; Beyn, Verbesserung des Schutzes von Minderheitsaktionären durch Marktorientierung und andere Ansätze, 2006, S. 19 ff. 64 S. o. S. 40. 61

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§ 3 Rechtsökonomische Grundlagen

der Aktionäre nicht übersteigen. Man würde Transaktionen ermutigen, die unter dem Strich zu einer Werteinbuße führten65 . Dasselbe gilt für eine Regel, die den Minderheitsaktionären mehr geben würde als den pre-transaction value ihrer Aktien66 . Da sich für die Mehrheit nämlich nur solche Strukturmaßnahmen lohnen, aus deren Mehrwert sie die Minderheit abfinden kann, würde sie bei einer Pflicht zur Zahlung eines zusätzlichen Premiums all diejenigen Transaktionen unterlassen, deren Mehrwert zwar positiv ist (und die daher aus gesamtwirtschaftlicher Sicht durchgeführt werden sollten), aber nicht an die Höhe des Premiums heranreicht. Das volkswirtschaftlich wünschenswerte Transaktionsniveau wäre in diesem Fall also suboptimal. Da die pre-transaction-value-Regel somit einerseits Minderheitsaktionäre hinreichend entschädigt, andererseits Mehrheitsaktionären bzw. Aktionärsmehrheiten alle Transaktionen erlaubt, die unter dem Strich zu einem Mehrwert führen, würden sich auch alle Investoren als Gruppe bei hypothetischen Beratungen über ein zukünftiges Aktien- und Umwandlungsrecht auf ein solches Regime einigen67. Einer Regelung, die Minderheitsaktionären mehr beschert als den pre-transaction value ihrer Aktien, würden insbesondere sogar solche Anteilsinhaber widersprechen, die von vornherein wüssten, dass sie später abfindungsberechtigt sein werden. Die höhere Prämie im Falle der Abfindung würde durch die geringere Wahrscheinlichkeit ausgeglichen, sie jemals zu kassieren 68 .

65 Easterbrook/Fischel, 91 Yale L. J., 698, 708 ff. (1982); Fischel, 1983 Am. B. Found. Res. J., 875, 883, 886. 66 Easterbrook/Fischel, 91 Yale L. J., 698, 708 ff. (1982); Fischel, 1983 Am. B. Found. Res. J., 875, 883, 886. 67 Easterbrook/Fischel, 91 Yale L. J., 698, 711 ff. (1982); Fischel, 1983 Am. B. Found. Res. J., 875, 883, 886. 68 Fischel, 1983 Am. B. Found. Res. J., 875, 883, 887.

§ 4 Grundlagen eines Vorverständnisses Oben wurde gezeigt, dass man in die »hermeneutische Spirale« der Systemarbeit mit einem Vorverständnis einsteigen muss1. Ziel des folgenden Abschnitts ist daher, ein möglichst reiches Vorverständnis des aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsrechts zu schaffen, auf dem als Fundament das hier zu entwickelnde System entstehen kann. Dazu sollen zunächst diejenigen Ansätze zur Systembildung und Rechtsprinzipien des Abfindungsrechts gesammelt werden, die bereits entwickelt worden sind.

A) Das Austrittsrecht aus wichtigem Grund Einen guten Einstieg bietet die Diskussion um das aktienrechtliche Austrittsrecht.

I) Kein ordentliches Austrittsrecht aus der AG Nach allgemeiner Ansicht kennt das Aktienrecht kein ordentliches Austrittsrecht ohne wichtigen Grund 2 . Einleuchtendes Argument hierfür ist das Prinzip der Kapitalbindung (§ 57 AktG). Auch haben die Aktionäre jederzeit die Möglichkeit, ihre Aktie zu veräußern. Hierdurch wird das ordentliche Austrittsrecht substituiert 3 .

II) Das Austrittsrecht aus besonderem Grund Streit herrscht aber darüber, inwieweit ein Austrittsrecht aus besonderem Grund anzuerkennen ist. 1) Bestandsaufnahme Einerseits wird vertreten, ein Austrittsrecht aus wichtigem Grund sei dem Aktienrecht unbekannt4 . Ausgenommen werden verschiedene Fälle mit jeweils besonde1 2 3 4

S. o. S. 16 f. Statt aller K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 28 I 1 b = S. 798. Statt aller Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 340. Lutter in Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1988, § 68 Rn. 23; Raiser/Veil, Recht der

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§ 4 Grundlagen eines Vorverständnisses

rer Begründung, so für Situationen, in denen die Aktien nicht veräußert werden können 5 , oder in Nebenleistungsaktiengesellschaften, wenn die Nebenleistungspflicht unerträglich wird6 . Eine weitere Ansicht bejaht ein Austrittsrecht aus wichtigem Grund für die Inhaber vinkulierter Aktien7. Dieser restriktiven Ansicht kommt die frühe Rechtsprechung des BGH nahe, der in zwei obiter dicta Abneigungen gegen ein Austrittsrecht aus wichtigem Grund erkennen lässt8 . Später sympathisiert der BGH allerdings mit diesem Rechtsinstitut und bezeichnet das außerordentliche Austrittsrecht als »Grundprinzip des Verbandsrechts«9. Nach anderer Ansicht besteht ein Austrittsrecht aus wichtigem Grund immer dann, wenn dem Aktionär der weitere Verbleib in der Gesellschaft unzumutbar ist10 . Dogmatische Grundlage des Austrittsrechts soll der allgemeine Rechtsgedanke sein, dass »niemand (. . .) auf unbegrenzte Dauer gegen seinen Willen an einer Beitrittsentscheidung auch dann festgehalten werden (soll, Anm. d. Verf.), wenn ein wichtiger Grund dagegen spricht«11. Dies sei derselbe Grundsatz, welcher der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 12 Rn. 62; Wirth, DB 1992, 617 (Übertragbarkeit als »einzige« Ausnahme); Würdinger, Aktienrecht und das Recht der verbundenen Unternehmen, 4. Aufl. 1981, § 1 II 5 = S. 5; wohl auch Flume, Die juristische Person, 1983, § 8 III = S. 281; inzident Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 456 f., der explizit nur das Austrittsrecht bei Entstehen einer Abhängigkeitslage diskutiert. 5 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 12 Rn. 62. 6 So G. Hueck in Baumbach/Hueck, AktG, 13. Aufl. 1968, § 55 Rn. 13; Hefermehl/Bungeroth in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1983, § 55 Rn. 43; Lutter in Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1988, § 55 Rn. 13; für die GmbH schon RGZ 128, 1, 17; dazu Herzog, ZHR 97 (1932), 422, 424. 7 Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, S. 247; s. auch Roitzsch, Der Minderheitenschutz im Verbandsrecht, 1981, S. 90 f. (falls der Aktionär die Aktie binnen zwei Jahren nicht verkaufen konnte). Für die GmbH M. Becker, Der Austritt aus der GmbH, 1985, S. 21 f. 8 BGHZ 9, 157, 163; BGHZ 18, 350, 365. 9 BGHZ 116, 359, 369; vgl. auch vorher schon BGH NJW 1987, 1019 ff. (zur Zustimmungspflicht der AG zur Übertragung vinkulierter Namensaktien) und dazu Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 82. 10 Decher in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 207 Rn. 3; Grunewald in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 29 Rn. 32; Grunewald, FS Claussen, 1997, 103, 111 ff.; Grunewald, FS Boujong, 1996, 175, 199; Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 495; Kalss, wbl 2001, 366, 373; Kalss in Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 29 Rn. 20; Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 84 f.; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 88 ff.; Sonnenberg, Die Änderung des Gesellschaftszwecks, 1990, S. 153 ff.; für die geschlossene Aktiengesellschaft Papadimopoulos, Das Austritts- und Auflösungsrecht als Minderheitsbehelfe de lege ferenda im deutschen und griechischen Aktienrecht, 1994, S. 47 ff.; Veil, Umwandlung einer Aktiengesellschaft in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 1996, S. 149 ff.; Wiedemann, Die Unternehmensgruppe im Privatrecht, 1988, S. 69; ohne eine solche Einschränkung noch Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 7 IV 2 b = S. 401; sympathisierend G. H. Roth in Doralt/ Druey/Hommelhoff/Semler, Reformbedarf im Aktienrecht, 1994, S. 167, 178; auch Lutter in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 1 Rn. 30 erkennt für die AG ein Austrittsrecht aus wichtigem Grund an, nennt aber keine weiteren allgemeinen Voraussetzungen hierfür. 11 Grunewald, FS Claussen, 1997, 103, 112; ähnlich Decher in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 207 Rn. 3; Kalss, wbl 2001, 366, 373; Kalss in Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 29 Rn. 20; Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 84 f., 227 f.;

A) Das Austrittsrecht aus wichtigem Grund

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Kündigung aus wichtigem Grund bei Dauerschuldverhältnissen zugrunde liege12 , denn bei der aktienrechtlichen Mitgliedschaft handele es sich um ein solches Dauerrechtsverhältnis13 . Andererseits wird lediglich betont, dass es sich bei dem Austrittsrecht aus wichtigem Grund um ein Prinzip (zwar nicht aller Dauerschuldverhältnisse, aber jedenfalls) des allgemeinen Gesellschaftsrechts handele14 . Wann Unzumutbarkeit anzunehmen sei, »läßt sich«, so Grunewald als eine maßgebliche Verfechterin dieser Ansicht, »naturgemäß nicht allgemein sagen«15 . Die Unzumutbarkeit wird im Wege einer Interessenabwägung ermittelt, wobei den Interessen des Ausscheidenden diejenigen der sonstigen Aktionäre und der Gläubiger gegenüberstehen16 ; besondere Bedeutung soll dabei die Realstruktur der Gesellschaft haben17, in Publikumsgesellschaften sei ein ungeschriebenes Austrittsrecht daher kaum anzunehmen18 . Die Fälle der Unzumutbarkeit werden beschrieben als »ähnliche Veränderungen der Mitgliedschaftsrechte wie formwechselnde Umwandlung bzw. Verschmelzung oder der Abschluss eines Beherrschungsvertrags«19 oder als ein »Wegfall der gesellschaftsvertraglichen Geschäftsgrundlage«20 . Betont wird, dass das Austrittsrecht subsidiär gegenüber der Veräußerung der Aktie am Kapi-

Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 1 ff., 205; Sonnenberg, Die Änderung des Gesellschaftszwecks, 1990, S. 153 f. 12 Kalss, wbl 2001, 366, 373; Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 494; Kalss in Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 29 Rn. 20; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 82; Sonnenberg, Die Änderung des Gesellschaftszwecks, 1990, S. 154; ähnlich für den Ausschluss aus wichtigem Grund Reinisch, Der Ausschluß von Aktionären aus der Aktiengesellschaft, 1992, S. 41 f. (zusf.). 13 Dazu etwa Kalss in Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 29 Rn. 20; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 82. 14 Wiedemann, Die Unternehmensgruppe im Privatrecht, 1988, S. 69. 15 Grunewald, FS Claussen, 1997, 103, 112; s. ferner Papadimopoulos, Das Austritts- und Auflösungsrecht als Minderheitsbehelfe de lege ferenda im deutschen und griechischen Aktienrecht, 1994, S. 48 f.; auch Wiedemann, Die Unternehmensgruppe im Privatrecht, 1988, S. 69 f., der ein typisiertes Austrittsrecht nur anerkennen möchte, wenn eine geschlossene AG ihre Selbständigkeit verliert, und die Gesellschafter (der geschlossenen Gesellschaft) im Übrigen auf eine Einzelfallbetrachtung verweist. 16 Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 494; Kalss in Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 29 Rn. 20; Papadimopoulos, Das Austritts- und Auflösungsrecht als Minderheitsbehelfe de lege ferenda im deutschen und griechischen Aktienrecht, 1994, S. 49; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 88 ff. 17 Kalss, wbl 2001, 366, 378 (zusf.); Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 494 (Ausformung des Kapitalanlageverhältnisses); Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 89; s. auch Grunewald, FS Claussen, 1997, 103, 112; Wiedemann, Die Unternehmensgruppe im Privatrecht, 1988, S. 69 f. möchte das Austrittsrecht überhaupt nur für die geschlossene AG anerkennen (s. auch schon o. S. 46 Fn. 10); dagegen Sonnenberg, Die Änderung des Gesellschaftszwecks, 1990, S. 155 f. 18 Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 89. 19 Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 90; s. auch vorher schon Grunewald, FS Claussen, 1997, 103, 112. Dies betonend auch Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 495 f. 20 Als erster wohl Wiedemann, ZGR 1978, 477, 484; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 90 f.

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§ 4 Grundlagen eines Vorverständnisses

talmarkt sei 21. Gleiches gelte im Verhältnis zu innergesellschaftlichen Rechtsbehelfen wie etwa den Klagerechten nach §§ 241 ff. AktG oder der Möglichkeit, Schadensersatz z. B. gem. §§ 117, 309 IV AktG zu verlangen, wobei diese Rechtsbehelfe dem Aktionär zumutbar sein müssen 22 . Schuldnerin der Abfindung soll immer nur die AG sein 23 . Unterschiedliche Ansichten herrschen darüber, wie dieses Konzept mit den Kapitalerhaltungsregeln, insbesondere dem Verbot des Erwerbes eigener Aktien (§§ 71 ff. AktG), vereinbart werden kann 24 . 2) Argumentation Für den Fortgang dieser Arbeit ist es wichtig, sich über die Argumente im Klaren zu sein, die immer wieder für und gegen ein allgemeines Austrittsrecht aus wichtigem Grund vorgebracht werden. Die wichtigsten Argumente seien daher im Folgenden kurz aufgelistet. Gegen ein allgemeines Austrittsrecht aus wichtigem Grund wird eingewandt, es sei – ebenso wie das ordentliche Austrittsrecht – weder vereinbar mit dem Charakter der Aktie als grundsätzlich frei veräußerbares Vermögensrecht 25 , noch mit den aktienrechtlichen Kapitalbindungsregeln 26 . Demgegenüber kann sich die Gegenmeinung darauf berufen, dass es Fälle gibt, in denen die Aktie gerade nicht ohne Weiteres übertragen werden kann 27. Bei geschlossenen Gesellschaften versteht sich das von selbst. Für die börsennotierte Gesellschaft hat das BVerfG im DAT/Alta21 Grunewald, FS Claussen, 1997, 103, 113; Papadimopoulos, Das Austritts- und Auflösungsrecht als Minderheitsbehelfe de lege ferenda im deutschen und griechischen Aktienrecht, 1994, S. 52; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 92; vgl. auch Wiedemann, Die Unternehmensgruppe im Privatrecht, 1988, S. 69 ff., der für sein (nur für die geschlossene Aktiengesellschaft anerkanntes) Austrittsrecht fordert, dass für die Aktie kein funktionsfähiger Markt besteht; ähnlich vorher Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 7 IV 2 b = S. 401. 22 Dies betonend Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 93. Für die Veräußerungsmöglichkeit auch Grunewald, FS Claussen, 1997, 103, 113. 23 Grunewald, FS Claussen, 1997, 103, 113; Wiedemann, Die Unternehmensgruppe im Privatrecht, 1988, S. 69; s. auch Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 200 f., der aber a.a.O., S. 95 f. auch die Möglichkeit, wohl nicht aber die Verpfl ichtung eines Dritten zur Ausgleichszahlung anerkennt; ebenso vorher schon Sonnenberg, Die Änderung des Gesellschaftszwecks, 1990, S. 156 f. 24 Vgl. etwa einerseits Grunewald in FS Claussen, 1997, 103, 113 f.; anderseits Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 103. 25 Flume, Die juristische Person, 1983, § 8 III = S. 281; Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 459 ff.; Schwark/Geiser ZHR 161 (1997), 739, 765; Würdinger, Aktienrecht und das Recht der verbundenen Unternehmen, 4. Aufl. 1981, § 1 II 5 = S. 5; ähnlich auch Grunewald, FS Claussen, 1997, 103, 113. Vgl. hierzu auch die stock-market exception der älteren US-amerikanischen Doktrin und dazu Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, 1991, S. 149 ff. und Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 197 f. 26 Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 459, 92 f.; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 456; Würdinger, Aktienrecht und das Recht der verbundenen Unternehmen, 4. Aufl. 1981, § 1 II 5 = S. 5. 27 Grunewald, FS Claussen, 1997, 103; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 86, 19 ff.

A) Das Austrittsrecht aus wichtigem Grund

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na-Beschluss etwa Fälle der »Marktenge« benannt 28 . Was den Vorwurf angeht, das allgemeine Austrittsrecht verstoße gegen die Kapitalbindungsregeln, so wurden verschiedene Konzepte entwickelt, um das allgemeine Austrittsrecht mit diesen Normen, insbesondere den §§ 71 ff. AktG, in Einklang zu bringen 29. Auf diese Konzepte soll allerdings erst später eingegangen werden 30 .

III) Verhältnis zwischen Austrittsrecht und Abfindungsrecht Hinsichtlich des Verhältnisses von Austrittsrecht und Abfindungsanspruch wird wohl allgemein davon ausgegangen, dass die Abfindungsrechte Unterfälle des allgemeinen Austrittsrechts aus wichtigem Grund seien 31. Die Abfindungsvorschriften regelten in diesem Rahmen wichtige Gründe kraft Gesetzes32 . Oftmals wird die Terminologie des Austritts- mit der des Abfindungsrechts vermischt33 oder beide Rechtsinstitute terminologisch gleichgesetzt 34 . Auch in den Gesetzesmaterialien zum SEAG wird das in den §§ 7, 9 SEAG geregelte Abfindungsrecht

28 BVerfGE 100, 289, 309 (DAT/Altana); Konkretisierung durch BGHZ 147, 108, 116 (DAT/ Altana); OLG Düsseldorf NZG 2000, 1074 (DAT/Altana III); OLG Düsseldorf ZIP 2000, 1525, 1528 (DAT/Altana IV); OLG Düsseldorf AG 2003, 329, 331 (SNI). 29 S. o. S. 48 Fn. 24. 30 S. u. S. 330 ff. 31 Baums in 63. DJT, Gutachten F, 2000, S. 118; Decher in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 207 Rn. 3 (für § 207 UmwG); Grunewald, FS Claussen, 1997, 103, 106 ff.; Kalss, wbl 2001, 366, 371 ff.; Papadimopoulos, Das Austritts- und Auflösungsrecht als Minderheitsbehelfe de lege ferenda im deutschen und griechischen Aktienrecht, 1994, S. 46; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 12 Rn. 62; Scheifele, Die Gründung der Europäischen Aktiengesellschaft (SE), 2004, S. 237; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 6 m. w. N. in Fn. 28, der aber Ausnahme für § 320b AktG macht (a.a.O., S. 7 Fn. 32; relativierend auf S. 114); Wärholz in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht (Loseblatt), Stand: Juni 2007, § 29 UmwG Rn. 9; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 7 IV 2 b = S. 401; Wiedemann, Die Unternehmensgruppe im Privatrecht, 1988, S. 67. 32 Bermel in Goutier/Knopf/Tulloch, UmwG, 1995, § 29 Rn. 47; Decher in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 207 Rn. 3; Grunewald, FS Claussen, 1997, 103, 106 ff.; Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 495; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 87, 109, 128 ff.; Veil, Umwandlung einer Aktiengesellschaft in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 1996, S. 111 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 7 IV 2 b = S. 401, § 8 IV 3 a = S. 470; Wiedemann, ZGR 1999, 568, 579 (für § 207 UmwG). 33 Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 84 f., 137 ff. (»Austrittsrecht gegen Abfindung«); Scheifele, Die Gründung der Europäischen Aktiengesellschaft (SE), 2004, S. 236 ff.; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 7, der die Terminologie »Abfindungsrecht« unglücklich gewählt findet; vgl. ferner a.a.O., S. 103 (»Austrittsrecht nach dem Umwandlungsgesetz«); Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 764 (»Austrittsrechte und Barabfindungsansprüche im AktG und UmwG«); Timm, JZ 1982, 403, 406 (»Abfindungsrecht aus wichtigem Grunde«); Wiedemann, ZGR 1978, 477, 486 (»Institut einer Abfindung aus wichtigem Grund«). Vgl. auch Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 456, die das von ihr so bezeichnete Kündigungsrecht in einem Atemzug mit dem Abfindungsrecht nennt. 34 Z.B. Goette, DStR 2006, 2132, 2133; Kleppe, Anlegerschutz beim Rückzug eines Unternehmens von der Börse, 2002, S. 198. BGHZ 167, 299, 303 (Jenoptik) spricht vom Abfindungsrecht als »Sonderaustrittsrecht«.

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§ 4 Grundlagen eines Vorverständnisses

als »Austrittsrecht« bezeichnet 35 . Ein Unterschied zwischen Austritts- und Abfindungsrecht wird teilweise darin gesehen, dass das Abfindungsrecht »echtes Minderheitenrecht« sei, weil es begriffsnotwendig nur Minderheitsgesellschaftern zustehen könne36 , während das Austrittsrecht ein »Individualrecht« darstelle, also ein dem einzelnen Aktionär unentziehbares Recht 37.

IV) Ungereimtheiten Ob die Abfindungsrechte wirklich nur gesetzliche Austrittsrechte aus wichtigem Grund sind und ob sie sich auf den oben genannten allgemeinen Rechtsgedanken über zivilrechtliche Dauerschuldverhältnisse zurückführen lassen, wird die dogmatische Einordnung des Abfindungsrechts in den größeren zivilrechtlichen Zusammenhang zeigen 38 . Bereits jetzt lassen sich jedoch Zweifel an dieser Ansicht formulieren 39 : So werden mit der Mehrheitseingliederung (§ 320b AktG) und dem Squeezeout (§§ 327a AktG, 39a WpÜG) Fälle mit Hilfe des Abfindungsrechts geregelt, in denen von einem »Recht« zum Austritt keine Rede sein kann. Hier werden die Aktionäre zwangsweise aus ihrer AG ausgeschlossen40 . Auch passt nicht zur Gleichsetzung von Austritts- und Abfindungsrecht, dass sich das Austrittsrecht notwendigerweise gegen die Gesellschaft richten soll. In den Fällen der §§ 305, 320b, 327a AktG, 39a WpÜG ist die Gesellschaft gerade nicht Abfindungsschuldnerin. Schließlich erscheint das oben genannte Subsidiaritätsprinzip unangebracht: Grundsätzlich soll der Aktionär nur dann aus der AG ausscheiden dürfen, wenn 35 Begr. RegE SEEG BT-Drucks. 15/3405, S. 32 f., 34; Stellungnahme BRat SEEG BT-Drucks. 15/3656 S. 3; Gegenäußerung BReg BT-Drucks. 15/3656, S. 9. 36 So Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 109 in Anknüpfung an Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, S. 401, 470; Wiedemann, ZGR 1978, 477, 484. 37 Dazu Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 11, 109 in Anknüpfung an die Unterscheidung von Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 7, 8 = S. 357 ff., 404 ff. 38 Dazu u. S. 271. 39 Zwischen Abfindungs- und Austrittsrecht auch unterscheidend Wiedemann, JZ 1978, 612, 613 (für die Personengesellschaft). 40 Ob § 320b AktG einen »Ausschlusstatbestand« darstellt, ist umstritten und hängt insbesondere von der Frage ab, wie man den Ausschluss definiert; teilweise wird § 320b AktG nicht als Ausschlusstatbestand angesehen, weil der Aktionär das Recht hat, Aktien der herrschenden AG zu erwerben [vgl. § 320b I 3 AktG; zum Prinzip des Primärschutzes noch u. S. 53 ff.], so etwa Grunewald, Der Ausschluß aus Gesellschaft und Verein, 1987, S. 291; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 114; ähnlich Reinisch, Der Ausschluß von Aktionären aus der Aktiengesellschaft, 1992, S. 25 ff.; für Ausschlusstatbestand dagegen etwa Frhr. v. Falkenhausen, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mehrheitsherrschaft nach dem Recht der Kapitalgesellschaften (AG und GmbH), 1967, S. 36 f.; Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986, S. 41; Kamprad/Römer, AG 1990, 486, 486 f.; Kühn, BB 1992, 291, 296. Selbst wenn man einen solchen weiten Ausschlussbegriff vertreten würde, käme man aber nicht umhin, den Squeeze-out als Zwangsausschluss anzusehen. Auch kann man im Falle des § 320b I 2 AktG nicht von einem »Austrittsrecht« sprechen, weil hier dem Aktionär keine andere Wahl bleibt, als die Aktien der herrschenden AG zu akzeptieren.

A) Das Austrittsrecht aus wichtigem Grund

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ihm keine milderen Mittel, insbesondere der Verkauf der Aktie, zur Verfügung stehen41 ; zu einem solchen Verkauf soll der Aktionär freilich nur verpflichtet sein, wenn der Preis angemessen ist42 . Ob der Preis angemessen ist, ist im Abfindungsrecht aber nicht nur das Kernproblem43 , sondern vor allem eine äußerst schwierig zu beantwortende Frage44 , für die der Gesetzgeber ein besonderes Gerichtsverfahren, das Spruchverfahren, vorgesehen hat. Verpflichtet man den Aktionär, angemessene Erwerbsangebote Dritter vorrangig anzunehmen, so führt dies zu unüberwindlichen Schwierigkeiten: Zum einen wäre dies kaum praktikabel, denn ob ein Erwerbsangebot wirklich angemessen ist, kann – in welchem Verfahren auch immer – erst zu einem Zeitpunkt entschieden werden, zu welchem der Erwerber höchstwahrscheinlich gar nicht mehr an dem Erwerb der Aktie interessiert ist 45 . Zum anderen ist dieses Subsidiaritätsprinzip dogmatisch äußerst zweifelhaft: Erstens sehen die gesetzlichen Abfindungsrechte keine Regel vor, nach der die Aktionäre zunächst nach Erwerbsangeboten Dritter Ausschau halten müssen. Zweitens beruht dieses Subsidiaritätsprinzip auf der Vorstellung, Abfindungsfälle seien unter größtmöglicher Schonung des Gesellschaftsvermögens abzuwickeln (Ultimaratio-Gedanke) 46 . Dieses Denken mag auf Fälle zutreffen, in denen die Unzumutbarkeit auf Gründen beruht, die weder Gesellschaft noch Gesellschafter zugerechnet werden können47. Es erscheint aber gänzlich unangemessen für die Fälle, die durch das Abfindungsrecht geregelt werden, denn hier macht sich die Aktionärsmehrheit die Anteile der Minderheit zunutze (vgl. paradigmatisch erneut die Fälle der §§ 305, 320b, 327a AktG, 39a WpÜG) 48 . 41

S. o. S. 48, Fn. 21. Etwa Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 101. Wenn Schindler a.a.O., S. 102 darüber hinaus meint, der Aktionär könne beim Angebot eines unabhängigen Dritten auch verpflichtet sein, einen Preis unterhalb des angemessenen Wertes zu akzeptieren, so verstößt dies gegen das Prinzip der vollen Abfindung sowie das verfassungsrechtliche Entschädigungsgebot [dazu noch u. S. 52, S. 95 ff.]. 43 Vgl. vorerst nur Hirte, WM 1997, 1001, 1007. 44 Dass die Unternehmensbewertung keine exakte Ermittlung des Unternehmenswertes erlaubt, sondern man sich diesem Wert nur annähern kann, dürfte in der Praxis allgemein anerkannt sein: OLG Düsseldorf AG 1977, 168, 169 (Stolberger Zink AG); LG Dortmund ZIP 2001, 739, 742 (SNI); LG Mannheim AG 2002, 466, 467 (Rheinelektra); Fechner, AG 1962, 229, 231; Großfeld BB 2000, 261, 265; Hennrichs, ZHR 164 (2000), 453, 477; Hüttemann, ZGR 2001, 454, 467; Luttermann, ZIP 1999, 45, 51; Stilz, ZGR 2001, 875, 886; Seetzen, WM 1999, 565, 570. Vgl. auch Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 305 Rn. 41: »Rationalität der Unternehmensbewertung (. . .), die tatsächlich überhaupt nicht erreichbar ist«; Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 138. Für die Ermittlung des Unternehmenswertes im Rahmen des § 15 UmwG LG München I ZIP 2000, 1055, 1057 (Hypo-Vereinsbank); E. Vetter, EWiR 2000, 595, 596. 45 Würde man den Aktionär aus Subsidiaritätsgründen für verpfl ichtet halten, seine Aktie in jedem Fall vorrangig an Dritte zu veräußern, so wäre nicht ersichtlich, welchen Sinn die oben genannte Einschränkung auf »angemessene Angebote« hätte. 46 Vgl. zur Kündigung aus wichtigem Grund [die ja nach der oben genannten Ansicht denselben dogmatischen Ursprung wie das Austrittsrecht haben soll, dazu S. 45 ff.] nur § 314 II BGB. 47 Oder für Fälle, in denen derjenige, in dessen Sphäre der wichtige Grund begründet liegt, besonders schutzwürdig ist, z. B. Mieter, Arbeitnehmer etc. (vgl. soeben S. 51, Fn. 46). 48 Ausführlich dazu u. S. 176 ff. 42

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§ 4 Grundlagen eines Vorverständnisses

B) Prinzipien Wie bereits erwähnt, sind Rechtsprinzipien die Säulen jedes juristischen Systems49. Im Folgenden soll daher gesammelt werden, welche Prinzipien des Abfindungsrechts bereits anerkannt sind.

I) Prinzip der vollen Abfindung Das Fundamentalprinzip des Abfindungsrechts ist das hier sog. »Prinzip der vollen Abfindung«50 . Kein Gerichtsurteil, kein Buch oder Aufsatz, in dem es nicht zumindest angedeutet wird51. Inhaltlich besagt dieses Gebot: »Angemessene Abfin49

S. o. S. 6 ff. Hüffer/Schmidt-Aßmann in Hüffer/Schmidt-Aßmann/Weber, Anteilseigentum, Unternehmenswert und Börsenkurs, 2005, S. 17: »Prinzip des vollen Wertes«. 51 Grundlegend BVerfGE 14, 263, 283 (Feldmühle); BVerfGE 100, 289, 303 (DAT/Altana); BVerfG NJW 1999, 1699, 1700 (SEN/KHS); BVerfG NJW 1999, 1701, 1702 (Tarkett/Pegulan); BVerfG NJW 2001, 279, 280 (Moto Meter); BVerfG ZIP 1999, 1804, 1806 (Hartmann & Braun); BVerfG ZIP 2003, 2114, 2115; BVerfG DB 2000, 611; BGHZ 135, 374, 379 (Guano); BGHZ 138, 136, 139 (ASEA/BBC II); BGHZ 146, 179, 187 (MEZ); BGHZ 147, 108, 115 (DAT/Altana); BGH NJW 1967, 1464; BGH NJW 2001, 1428, 1429 (Aqua-Butzke-Werke); BGH ZIP 2003, 1933, 1935; BGH ZIP 2005, 2107 (Invensys Metering Systems/Meinecke); BGH ZIP 2006, 2080, 2084; BayObLG WM 1995, 1580, 1582 ; BayObLG AG 1996, 176, 177 (Hacker/Pschorr); BayObLG WM 1996, 526, 528 (Paulaner); BayObLGZ 1998, 231, 235; (März/EKU); BayObLGZ 2001, 258, 263 (Ytong AG); OLG Düsseldorf AG 1977, 168, 169 (Stolberger Zink AG); OLG Düsseldorf ZIP 2000, 1525, 1527 (DAT/Altana IV); OLG Düsseldorf AG 2002, 398, 399 (Kaufhof/Metro); OLG Düsseldorf AG 2003, 329, 330 (SNI); OLG Düsseldorf AG 2004, 212, 213 (Krupp Stahl/HoeschKrupp); OLG Düsseldor AG 2004, 614, 615 (Agrippina-Versicherungs-AG/Zürich Versicherungs-AG); OLG Frankfurt AG 2003, 581, 582 (Henninger Bräu/Erste Kulmbacher, Henninger Bräu/Gebr. März); OLG Hamburg AG 1980, 163 (Hamburger Verkehrsbetriebe); OLG Hamburg NZG 2003, 89, 90 (RWE/DTA); OLG Hamm AG 1963, 218; OLG Frankfurt AG 2002, 404, 405 (Nestlé); OLG Karlsruhe ZIP 2004, 2330, 2331 (SEN/KHS); OLG München ZIP 2007, 375, 376 (N-Ergie); OLG München AG 2008, 28, 29; OLG München AG 2008, 37; OLG Stuttgart AG 2004, 43, 44 (Vereinigte Filzfarben AG/Filzfabrik Fulda GmbH); LG Berlin DB 2003, 707, 708; LG Dortmund AG 1981, 236, 237 (Thyssen/Rheinstahl); LG Dortmund AG 1996, 427, 428 (Lippe-Weser-Zucker AG); LG Frankfurt AG 1985, 310, 311 (Triumph-Adler AG); LG Frankfurt AG 1996, 187, 188 (Nestlé); LG Frankfurt AG 2004, 392 (DBS/Badenia); LG Hannover AG 1977, 346, 347 (Ilseder Hütte AG/Salzgitter Hüttenwerke AG); LG Köln DB 1993, 217 (DAT/Altana); ähnlich BGHZ 138, 136, 140 (ASEA/BBC II): »ohne wirtschaftliche Nachteile aussteigen«. Aus der Literatur etwa: Bachelin, Der konzernrechtliche Minderheitenschutz, 1969, S. 31; Bermel in Goutier/Knopf/Tulloch, UmwG, 1995, § 30 Rn. 6; Bezzenberger/Bezzenberger, FS Welf Müller, 2001, 1, 16; Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305, Rn. 59; Decher in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 208 Rn. 6; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 305 AktG, Rn. 1; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 8. Aufl. 2005, § 21 I 1 = S. 305; § 22 I 2 vor a = S. 307; Fleischer, DNotZ 2000, 876, 878; Ganswied, AG 1977, 324, 325; Gesmann-Nuissl, WM 2002, 1205, 1207; Gutheil, Die Auswirkungen von Umwandlungen auf Unternehmensverträge nach §§ 291, 292 AktG und die Rechte außenstehender Aktionäre, 2001, S. 39 ff.; Hüchting, Abfindung und Ausgleich im aktienrechtlichen Beherrschungsvertrag, 1972, S. 25 ff.; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 305 Rn. 18; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 305 Rn. 50; Kübler/R. H. Schmidt, Gesellschaftsrecht und Konzentration, 1988, S. 81; Nirk in Nirk, Handbuch der Aktiengesellschaft (Loseblatt), Stand: Februar 1999, Rn. 2403; W. Meilicke, AG 1995, 181, 184; Piltz, Die Unternehmensbewertung in der Rechtspre50

B) Prinzipien

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dung« i. S. d. §§ 305, 320b, 327a AktG, 39a WpÜG, 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG ist nur eine »volle«52 oder »vollständige«53 Abfindung. Dieses Prinzip wird vielfach zur Begründung bestimmter Ergebnisse herangezogen, etwa zur Ableitung des Abfindungsergänzungsanspruchs54 oder um zu zeigen, dass der Abfindungsanspruch nach Beendigung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags (trotz der §§ 305 V 4, 304 IV AktG) fortbesteht 55 . Seine rechtsökonomische Bedeutung ist offensichtlich: Allein die volle Entschädigung aller Minderheitsaktionäre führt dazu, dass das Abfindungsrecht die oben beschriebene Filterfunktion entfalten kann und nur wohlfahrtssteigernde abfindungsauslösende Transaktionen durchgeführt werden 56 . Geboren wurde das Prinzip der vollen Abfindung in der »Feldmühle«-Entscheidung des BVerfG aus dem Jahre 196257. Bis zum Erlass der Übernahmerichtlinie und deren Umsetzung durch das Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz (ÜbernRUmsG) 58 handelte es sich um ein allein aus deutschem Recht abgeleitetes Prinzip. Mittlerweile schreibt auch Art. 15 ÜbernahmeRiLi vor, dass Aktionäre im Falle des übernahmerechtlichen Squeeze-out eine »angemessene Abfindung« (fair price, juste prix) erhalten müssen.

II) Prinzip des Primärschutzes und des Bestandsschutzes »im weiteren Sinne« Konkretisiert wird das Prinzip der vollen Abfindung durch einen Grundsatz, der in den §§ 305 II Nr. 1, 320b I 2 AktG verankert ist. Unter den Voraussetzungen dieser Normen muss die Abfindung zwingend in Aktien der abfindungspflichtigen AG bestehen. Zwar darf freiwillig Barabfindung angeboten, das Recht auf Abfindung in Aktien aber nicht ausgeschlossen werden 59. Zweck der §§ 305 II Nr. 1, chung, 3. Aufl. 1994, S. 99; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 54 Rn. 63; Ränsch, AG 1984, 202, 204; Röhricht, ZHR 162 (1998), 249, 257; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 124 f.; Stephan in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 305 Rn. 7. Für die Abfindungsansprüche des LwAnpG Hommelhoff/Schubel, ZIP 1998, 537, 540. Der Sache nach auch Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 511 m. w. N. Vgl. vor der Feldmühle-Entscheidung auch schon A. Hueck, DB 1960, 375, 379. Umfassende Nachzeichnung der Entstehungsgeschichte dieses Prinzips bei Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, 2007, S. 306 ff. 52 Von den auf S. 52 Fn. 51 Genannten nur BGHZ 147, 108, 115 (DAT/Altana). 53 Von den auf S. 52 Fn. 51 Genannten nur BGHZ 135, 374, 379 (Guano). 54 Z. B. Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 158. 55 So BGHZ 135, 374, 378 f. (Guano). 56 Dazu o. S. 42 ff. 57 S. o. S. 52 Fn. 51. Der Sachverhalt der Feldmühle-Entscheidung ist eingängig geschildert in der Einleitung von Fechner/Schneider, Verfassungswidrigkeit und Rechtsmissbrauch im Aktienrecht, 1960; zur Vorgeschichte und zum Hintergrund der Entscheidung vom 7. 8. 1962 informativ und kritisch Flume, Handelsblatt Nr. 157 v. 17./18. 8. 1962, S. 13. 58 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote (Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz – ÜbernRUmsG) v. 8. 7. 2006, BGBl. I, S. 1426. 59 Statt aller Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 56.

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§ 4 Grundlagen eines Vorverständnisses

320b I 2 AktG ist laut Begründung des Gesetzgebers, »den außenstehenden Aktionär nach Möglichkeit wieder an einer Vermögensmasse zu beteiligen, die der Vermögensmasse, an der er bisher beteiligt war, wirtschaftlich nahe steht« 60 . Mit diesen »eigentumspolitischen Gründen«61 sollte Überlegungen entsprochen werden, die das BVerfG in seinem Feldmühle-Urteil aufgestellt hatte 62 , nämlich das Aktieneigentum möglichst breit zu streuen63 . Das Gesetz sieht den Aktionär als »Daueranleger«64 , der nach Möglichkeit wieder an einer AG beteiligt werden soll. Die Abfindung in Aktien schafft dem Aktionär – wenngleich nicht im technischen Sinne – »Naturalrestitution«65 , er erhält »Primärschutz«66 . Dieses »Prinzip des Primärschutzes« spezifiziert einen Grundsatz aus der Peripherie des aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsrechts: das (hier sog.) »Prinzip des Bestandsschutzes im weiteren Sinne«: Vor Einführung des Squeezeout zum 1. 1. 2002 kannte das Gesetz keinen Fall, in dem der Aktionär zwangsweise gegen Barabfindung aus seiner gesellschaftsrechtlichen Beteiligung gedrängt werden konnte67. Soweit die §§ 305 AktG, 29, 207 UmwG Barabfindung vorsahen und vorsehen, ließen und lassen sie dem Aktionär die Wahl, ob er dieses Angebot annimmt oder seine veränderte gesellschaftsrechtliche Beteiligung behält. Gleiches galt und gilt für § 320b AktG, denn auch bei der Mehrheitseingliederung erhält der dissentierende Aktionär die Möglichkeit, in die Hauptgesellschaft zu wechseln (vgl. insbesondere das Wahlrecht in § 320b I 3 AktG). Die bis zum UmwG 1994 gegebenen Möglichkeiten eines Zwangsausschlusses aus der Gesellschaft im Wege der Umwandlung schloss der Gesetzgeber bewusst aus 68 . Auf diesen Gedanken ist der Gesetzgeber bei der Regelung der §§ 122i UmwG, 7, 9, 12 SEAG zurückgekommen, denn in diesen Fällen kann der Aktionär wählen, ob er gegen Barabfindung aus der AG bzw. SE ausscheidet oder nicht. Während das Prinzip des Bestandsschutzes im weiteren Sinne die gesellschaftsrechtliche Beteiligung nach Möglichkeit aufrechterhält (d. h. »kein Zwangsausschluss«), verdichtet das Prinzip des Primärschutzes diesen Grundsatz und besagt: »Soweit zumutbar, muss die aktienrechtliche Beteiligung des Aktionärs erhalten bleiben«. 60

Ausschussbericht zum AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 398. Ausschussbericht zum AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 398. 62 Ausschussbericht zum AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 398. Zum verfassungsrechtlichen Hintergrund des Abfindungsrechts noch ausführlich u. S. 77 ff. 63 Dazu auch Fischer, DB 1958, 1263; Hüchting, Abfindung und Ausgleich im aktienrechtlichen Beherrschungsvertrag, 1972, S. 21; Stammberger, Zur großen Aktienrechtsreform, 1962, S. 11, 24 (»gesellschaftspolitisch erwünscht«); Wilhelmi, AG 1965, 153. 64 Bachelin, Der konzernrechtliche Minderheitenschutz, 1969, S. 37; Hüchting, Abfindung und Ausgleich im aktienrechtlichen Beherrschungsvertrag, 1972, S. 21; zust. Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 122; hierzu Sieben, AG 1966, 6, 11 r.Sp. 65 Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 2; Koppensteiner, FS Ostheim, 1990, 403, 423. 66 Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 305 Rn. 9; im Zusammenhang mit § 305 II Nr. 2 AktG Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 47. 67 Zum Folgenden insbesondere Lutter/Drygala, FS Kropff, 1997, 191, 200 f. 68 Begr. RegE UmwBerG bei Ganske, Umwandlungsrecht, 2. Aufl. 1995, S. 146. 61

B) Prinzipien

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Interessant ist die Frage, wann die Zwangsabfindung in Aktien unzumutbar ist. Hier differenziert das Recht: Bei der Mehrheitseingliederung ist Barabfindung zwingend, wenn die abfindungsverpflichtete AG ihrerseits beherrscht wird oder in Mehrheitsbesitz steht (§ 320b I 2 AktG). Minderheitsaktionäre dürfen außerdem nicht per Mehrheitseingliederung in die Hauptgesellschaft »verfrachtet« werden, wenn diese ihren Sitz im Ausland hat, denn dann ist die Mehrheitseingliederung von vornherein unzulässig (§ 320 I 1 AktG). Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) 69 im Jahre 2005 galt eine vergleichbare Regel im Vertragskonzernrecht (§ 305 I Nr. 1 u. 2 AktG a. F.). Hier konnte eine AG mit Sitz im Ausland zwar einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag abschließen; sie musste die außenstehenden Aktionäre jedoch gem. § 305 I Nr. 3 AktG in bar abfinden. Es bestanden allerdings Zweifel, ob diese Regelung Aktiengesellschaften anderer EUMitgliedstaaten unzulässig diskriminierte, indem sie ihnen die Möglichkeit zur Abfindung in eigenen Aktien verwehrte70 . Nachdem ein entsprechendes Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet worden war 71, änderte der Gesetzgeber § 305 II AktG, so dass nunmehr jede Aktiengesellschaft mit Sitz im Inland oder einem EU- bzw. EWR-Mitgliedstaat, die weder abhängig ist noch in Mehrheitsbesitz steht, Abfindung in eigenen Aktien leisten kann. Eine französische Société anonyme darf außenstehende Aktionäre einer deutschen AG im Vertragskonzern also in eigenen Aktien abfinden. Sie kann diese Aktionäre jedoch nicht per Mehrheitseingliederung »zwangsumsiedeln«. Hier zeigt sich ein auffälliger Wertungsgegensatz. Nach § 305 II AktG soll es außenstehenden Aktionären zumutbar sein, entweder in der beherrschten AG zu verbleiben oder in eine AG mit Sitz im Ausland zu wechseln. Wird dieselbe AG auf eine Aktiengesellschaft mit Sitz im Ausland verschmolzen, haben die Aktionäre jedoch ein Recht auf Barabfindung (§ 122i UmwG). Barabfindung ist ebenfalls zwingend, wenn eine deutsche AG auf eine SE mit Sitz im Ausland verschmolzen wird (§ 7 I 1 SEAG), wenn eine Holding-SE mit Sitz im Ausland gegründet wird (§ 9 I 1, 1. Fall SEAG) und wenn eine SE mit Sitz in Deutschland ihren Sitz ins Ausland verlegt (§ 12 I 1 SEAG) 72 . Gerade der letzte Fall ist beachtlich, denn bei der Sitzverlegung einer SE ändert sich wegen Art. 9 I lit a) SE-VO die Rechtstellung des Aktionärs weniger stark als beim Wechsel aus einer deutschen AG in eine Aktiengesellschaft ausländischer Rechtsform. Es wird also zu untersuchen sein, inwieweit § 305 II AktG eine isolierte Wertung enthält, einen allgemeinen Rechts-

69 Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) v. 22. 9. 2005, BGBl. I, S. 2802. 70 Schön, EWS 2000, 281, 285. 71 Dazu Hirte/Hasselbach in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 305 Rn. 40. 72 Ebenso (Wertungswiderspruch zwischen § 305 II Nr. 1 AktG und § 122i UmwG) R. Krause in VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2006, 2007, S. 39, 48 f.

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gedanken oder die §§ 122i UmwG, 7 I 1, 9 I 1, 1. Fall, 12 I 1 SEAG sogar aus europarechtlichen Gründen zu korrigieren sind73 . Ein zweiter Widerspruch ergibt sich nach der Neufassung des § 29 I 1, 1. Hs. UmwG durch das 2. UmwGÄndG. Das Gesetz gewährt den Aktionären einer börsennotierten AG nunmehr einen Anspruch auf Barabfindung, wenn diese AG auf eine nicht börsennotierte AG verschmolzen wird (»kaltes Delisting«). Schließt eine kaptialmarktferne AG einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit einer börsennotierten AG, können Aktionäre gem. § 305 II Nr. 1 AktG hingegen nur wählen, ob sie in der abhängigen AG verbleiben oder gem. § 305 II Nr. 1 AktG in die nicht börsennotierte AG wechseln. Im Falle der Mehrheitseingliederung können sie gem. § 320b I 2 AktG hierzu gezwungen werden. Es stellt sich also die Frage, ob die Wertung des § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG auf die §§ 305 II Nr. 1, 320b I 2 AktG zu übertragen ist74 . Vor Einführung des aktienrechtlichen Squeeze-out zum 1. 1. 2002 war das soeben skizzierte Prinzip des Primärschutzes nicht nur ein Prinzip des Vertragskonzern- und Eingliederungsrechts, es galt für das Abfindungsrecht schlechthin. Da die abfindungspflichtige AG in den Fällen der §§ 29 I 1 a. F., 207 UmwG ihre Rechtsform wechselte, kannte das Recht – wie bereits erwähnt – keinen Fall, in dem eine AG anderen Aktionären Abfindung schuldete und diese Pflicht nicht primär in eigenen Aktien erfüllen musste. Sollte dieses Prinzip durch die §§ 327a AktG, 39a WpÜG nur punktuell, d. h. in nicht verallgemeinerungsfähiger Weise modifiziert worden sein, könnte es insbesondere auf ungeschriebene Abfindungsfälle zu übertragen sein: Verpflichtet man z. B. den »Großaktionär« einer börsennotierten AG zur Unterbreitung eines »Pflichtangebotes«, wenn diese AG ihren Rückzug von der Börse beantragt (reguläres Delisting) 75 , und fasst man dieses Pflichtangebot als Kehrseite eines ungeschriebenen Abfindungsanspruchs auf, stellt sich die Folgefrage, ob diese Pflicht zwingend in eigenen Aktien erfüllt werden muss, wenn der Großaktionär die Rechtsform einer (börsennotierten, arg. ex § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG) nicht im Mehrheitsbesitz stehenden und nicht abhängigen AG mit Sitz im Inland (oder einem EU/EWR-Mitgliedstaat, arg. ex § 305 II Nr. 1 AktG) hat76 . Bisher wurde nur davon gesprochen, dass die §§ 305 II Nr. 1, 320b I 3 AktG die AG dazu verpflichten, in eigenen Aktien abzufinden. Problematisch ist, inwieweit dieses Prinzip zu einer Pflicht ausgebaut werden kann, Aktien einer anderen AG zu beschaffen. Dies ist die Kernfrage beim Streit um den Wahlberechtigten gem. § 305 II Nr. 2 AktG. Ist der andere Vertragsteil eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags ein seinerseits von einer AG oder KGaA mit Sitz in einem EU/EWR-Mitgliedstaat abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen77, so besteht die Abfindung entweder in Aktien der herrschenden oder mit 73 74 75 76 77

S. u. S. 239 ff. S. u. S. 313 ff. BGH ZIP 2003, 387, 390 sub. II 2. Dazu u. S. 272, S. 275. Nach dem Wortlaut des § 305 II Nr. 2 AktG gilt die Norm nur, wenn der Vertragspartner

C) Mülberts Konzept des rein vermögensbezogenen Aktionärsschutzes

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Mehrheit beteiligten Gesellschaft oder in bar. Wer zwischen diesen Alternativen wählen darf (die Vertragsparteien oder die außenstehenden Aktionäre), ist § 305 II Nr. 2 AktG nicht unmittelbar zu entnehmen. Würde man einen Grundsatz anerkennen, wonach der Anspruchsgegner Aktien einer anderen AG besorgen muss, um seine Abfindungspflicht zu erfüllen, wäre die Antwort auf diese Frage eindeutig: Die Aktionäre müssten wahlberechtigt sein78 .

III) Prinzip der Gattungsgleichheit Das Prinzip des Primärschutzes (und damit auch das Prinzip der vollen Abfindung 79 ) wird wiederum konkretisiert durch das sog. »Prinzip der Gattungsgleichheit«80 . Das Prinzip des Primärschutzes lässt offen, welcher Gattung die Aktien sein müssen, mit denen abgefunden wird, insbesondere inwieweit Stammaktien durch Vorzugsaktien entschädigt werden dürfen81. Die Antwort gibt das Prinzip der Gattungsgleichheit. Grob umrissen besagt es: Inhaber bestimmter Aktiengattungen sind grundsätzlich mit Anteilen derselben Gattung abzufinden. Über Inhalt und Reichweite dieses Prinzips herrscht allerdings Streit82 . Es soll daher erst später intensiv behandelt werden83 .

C) Mülberts Konzept des rein vermögensbezogenen Aktionärsschutzes Eine umfassendes System nicht nur der Abfindungsansprüche, sondern allgemein der Aktionärsrechte bei Bildung und Umbildung einer Unternehmensgruppe entwirft Mülbert in seiner Habilitationsschrift »Aktiengesellschaft, Unternehmens-

eine AG oder KGaA ist. Da die Rechtsform des Vertragspartners für die Rechtsfolgen des § 305 II Nr. 2 AktG unerheblich ist, muss sie richtiger Ansicht zufolge auch angewendet werden, wenn der Vertragspartner eine andere Rechtsform – etwa die einer GmbH – hat (dazu statt vieler Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 305 Rn. 14; Emmerich/ Habersack, Konzernrecht, 8. Aufl. 2005, § 22 I 2 b = S. 308). 78 S. dazu u. S. 399 ff. 79 S. o. S. 53 ff. 80 Zum Begriff etwa Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 305 Rn. 13; ähnlich Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 45 (»Gebot der Gattungsgleicheit«). Teilweise wird auch vom »Prinzip der Gleichbehandlung« oder »Gleichbehandlungsprinzip« gesprochen (Emmerich/Habersack a.a.O.; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 305 Rn. 11); teils vom »Grundsatz der Arterhaltung« (Hirte/Hasselbach in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 305 Rn. 42). 81 Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 122. 82 Vgl. vorerst nur Lutter, FS Mestmäcker, 1996, 943 ff. 83 S. u. S. 277 ff.

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gruppe und Kapitalmarkt«84 . Auf dieses Konzept wird immer wieder zurückzukommen sein, die wichtigsten Ergebnisse seien daher hier zusammengefasst 85 . Im Mittelpunkt Mülberts Untersuchung steht die börsennotierte AG 86 . Mülberts Ausgangspunkt ist die »hybride Struktur der aktienrechtlichen Mitgliedschaft«. Detailliert wertet er die Entstehungsgeschichte des AktG 1965 aus und gewinnt die Erkenntnis, der Schutz des Aktionärs sei »hybrid« konzipiert: Der Aktionär werde einerseits als Verbandsmitglied, andererseits als Anleger geschützt87. Zwischen diesen Schutzrichtungen besteht nach Mülbert ein geradezu unauflösliches Spannungsverhältnis: Dem Verbandsmitglied geht es in erster Linie um die Verfolgung des gemeinsamen Verbandszwecks88 ; dafür steht der Schutz der Verwaltungsrechte im Vordergrund89, die Vermögensrechte dienen bloß zur akzessorischen Teilnahme an Vermögenswerten, die durch die gemeinsame Zweckverfolgung geschaffen wurden90 . Dem Anleger hingegen »liegt die Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks fern«91 ; ihm geht es um die Rendite seines Investments92 , wofür der Schutz seiner Vermögensrechte entscheidend ist93 , nicht aber der Schutz der Verwaltungsrechte, die lediglich zur Verwaltung des Investments bestimmt sind94 . Aus dieser hybriden Aktionärsstellung leitet Mülbert grundsätzlich unterschiedliche Interpretationsansätze für das aktienrechtliche Binnenorganisationsrecht ab: Soll der Aktionär als Verbandsmitglied geschützt werden, steht das Kri-

84 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, Die Aktionärsrechte bei Bildung und Umbildung einer Unternehmensgruppe zwischen Verbands- und Anlegerschutzrecht, 2. Aufl. 1996. 85 Mülbert weitgehend folgend Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, 2002, S. 82 ff. Eingehende Kritik bei Verse, Der Gleichbehandlungsgrundsatz im Recht der Kapitalgesellschaften, 2006, S. 308 ff. 86 Vgl. Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, Die Aktionärsrechte bei Bildung und Umbildung einer Unternehmensgruppe zwischen Verbands- und Anlegerschutzrecht, 2. Aufl. 1996, S. 5. 87 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 55 ff., zusf. S. 152 f. Dieser Ansatz findet sich – wie Mülbert selbst ausführt – auch bereits bei Wiedemann, BB 1975, 1591; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 9 = S. 472 ff., der den Anlegerschutz als Wertungsprinzip (auch) des Gesellschaftsrechts anerkennt. 88 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 149. 89 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 137 f., 149. 90 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 143. 91 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 138. 92 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 136. 93 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 66, 138, 143, 149. 94 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 158 f., 161.

C) Mülberts Konzept des rein vermögensbezogenen Aktionärsschutzes

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terium der Gerechtigkeit als »rechtsethisches« Kriterium im Vordergrund95 . Geht es um den Schutz als Anleger, kommen vornehmlich »funktionale« Kriterien wie die Kapitalsammelfunktion der AG und die Effizienz des Kapitalmarktes in Betracht96 . Das Binnenorganisationsrecht für das Verbandsmitglied muss so geschaffen sein, dass es den gemeinsamen Zweck optimal verfolgen kann97, während der Anleger vor einem »Bruch des Investmentkontraktes« geschützt werden muss98 . Diesen Ansatz überträgt Mülbert auf das aktien- und umwandlungsrechtliche Abfindungsrecht – von Mülbert »Austrittsrecht« genannt99 : Soll der Aktionär durch Abfindung als Verbandsmitglied geschützt werden, kommt dieser Schutz nur als ultima ratio in Betracht, d. h. falls andere Schutzinstrumente versagen oder der Zweck der Gesellschaft per Mehrheitsbeschluss geändert wird100 . Soll der Aktionär hingegen in seiner Rolle als Anleger geschützt werden, kommt ein Schutz per Abfindungsrecht prinzipiell immer in Betracht, wenn der Aktionär tatsächlich angemessenen Ausgleich erhält101. Hier spielen also »geradezu gegenteilige Überlegungen« eine Rolle102 . Aus der hybriden Struktur der aktienrechtlichen Mitgliedschaft folgt zum anderen das rechtsmethodische Prinzip Mülberts Arbeit: Der Anleger ist nicht nur als Verbandsmitglied, sondern auch als Anleger zu erfassen und seine Stellung in der AG in dieser Hinsicht zu interpretieren (sog. »zweidimensionaler Ansatz«) 103 . Je stärker der Widerspruch der beiden Schutzrichtungen ist, desto differenzierter muss die Argumentation in der Auslegung und Fortbildung des Aktienrechts ausfallen und auf umso niedrigerer Abstraktionsebene muss argumentiert werden104 . Allerdings kann der Widerspruch durch punktuelle Entscheidungen des Gesetzgebers in Einzelvorschriften des AktG zugunsten der einen oder anderen Komponente aufgelöst sein105 . 95 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 150. 96 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 150. 97 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 141 f. 98 Vgl. Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 141 ff. 99 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 150. 100 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 150. 101 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 150 f. 102 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 151. 103 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 78, 151. 104 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 103. 105 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 153.

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§ 4 Grundlagen eines Vorverständnisses

Eine solche gesetzgeberische Entscheidung sieht Mülbert auch in den aktienund umwandlungsrechtlichen Abfindungsrechten. Ihnen liegt das für Mülberts Arbeit systemprägende Prinzip zugrunde: das »Prinzip des rein vermögensbezogenen Aktionärsschutzes«106 . Abfindungsvorschriften haben nach Mülberts Ansicht nur den Schutz der Vermögensrechte im Auge, sie bezwecken den Schutz des Aktionärs als Anleger und müssen daher hauptsächlich anhand »funktionaler«, nicht aber »rechtsethischer« Prinzipien interpretiert werden107. Regelungsmodelle, die den Schutz des Aktionärs als Verbandsmitglied in den Mittelpunkt stellen, wie beispielsweise die materielle Beschlusskontrolle des abfindungsauslösenden Beschlusses, sind im Rahmen der Abfindungsvorschriften daher fehl am Platz108 . Der Schutz der Vermögensrechte muss »ex-post Anlegerschutz« sein, der die Anlageentscheidung als archimedischen Punkt des Anlegerschutzes gegen nicht eingeplante oder nicht vorhersehbare innergesellschaftliche Veränderungen stabilisiert109. Dieses Konzept des rein vermögensmäßigen Aktionärsschutzes bezieht Mülbert grundsätzlich auf alle Beschlüsse, die mit 75%iger Kapitalmehrheit getroffen werden110 . Im Rechtsgedanken der §§ 243 II 2, 255 II AktG sieht er diese Ansicht bestätigt111. In all diesen Fällen werde der Aktionär nur als Anleger, nicht aber als Verbandsmitglied geschützt. Gerade die zuletzt genannte These Mülberts ist vielfach auf Kritik gestoßen112 . Nach Einführung des Squeeze-out im Jahre 2002 hat Mülbert sie nicht unerheblich modifiziert113 : Da der Zwangsausschluss von Aktionären gem. §§ 327a ff. AktG nur von einem Hauptaktionär mit 95% des Grundka106 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 270 f., 294, 296, 299. Ansätze zu einem solchen Konzept waren schon erkennbar bei Bachelin, Der konzernrechtliche Minderheitenschutz, 1969, S. 1; Geßler, FS Barz, 1974, 97, 103; Frhr. v. Falkenhausen, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mehrheitsherrschaft nach dem Recht der Kapitalgesellschaften (AG und GmbH), 1967, S. 101, 237; A. Hueck, DB 1960, 375, 378 r.Sp.; C. Ott, Recht und Realität der Unternehmenskorporation, 1977, S. 157; Windbichler in Timm, Missbräuchliches Aktionärsverhalten, 1990, S. 35, 48 f. Aus dem US-amerikanischen Schrifttum vgl. den ähnlichen Ansatz bei Vorenberg, 77 Harv. L Rev. 1189, 1200 (1964). 107 So allgemein Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 99 (in Rezeption von Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958), ferner S. 299 ff., 302 f., 339, 348, 357, 513, 518. 108 Resümierend Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 355 ff. 109 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 121 ff., 117 f. Ähnlich vorher Kübler, FS Goerdeler, 1987, 279, 281. 110 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 259 ff., 347 ff. 111 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 356 ff. et passim. 112 Insbesondere Hüffer, FS Kropff, 1997, 127, 133 ff.; Hüffer in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2001, § 243 Rn. 56; ablehnend auch Dietz, Die Ausgliederung nach dem Umwandlungsgesetz und nach Holzmüller, 2000, S. 44 ff.; Heiser, Interessenkonflikte in der Aktiengesellschaft und ihre Lösung am Beispiel des Zwangsangebots, 2001, S. 186 ff.; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 171 f.; Wiedemann, ZGR 1999, 857, 868 ff.; differenzierend Hirte, WM 1997, 1001, 1003 ff. 113 Mülbert, FS Ulmer, 2003, 433 ff.

D) Ausstrahlungswirkung und überschießende Exklusivität des UmwG

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pitals beschlossen werden könne, dürfe kein Aktionär, der über mehr als 5% des Grundkapitals verfügt, auf den bloßen Vermögensschutz verwiesen werden114 . Das Thema der vorliegenden Arbeit ist einerseits enger als Mülberts Untersuchung, weil es vorliegend nur um Abfindungsansprüche geht, nicht aber um ein umfassendes Konzept aller Rechte bei Bildung und Umbildung einer Unternehmensgruppe. Diese Arbeit ist andererseits detaillierter angelegt, weil alle spezifisch abfindungsrechtlichen Wertungen und Prinzipien analysiert werden sollen. Trotzdem wird – neben anderem – insbesondere auf eine Kernfrage Mülberts Untersuchung zurückzukommen sein, inwieweit abfindungsauslösende Beschlüsse einer Rechtmäßigkeitskontrolle unterliegen, die die Aktionärsmehrheit zur Rücksichtnahme auf die Bestandsinteressen der Minderheitsaktionäre verpflichtet115 . Die Konzentration auf das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche könnte dabei den Vorteil haben, ein Lösungsmodell aus spezifisch abfindungsrechtlichen Prinzipien zu entwickeln116 .

D) Ausstrahlungswirkung und überschießende Exklusivität des UmwG Für die Systembildung besonders interessant sind schließlich zwei Argumentationsfiguren, die gerade im aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsrecht häufig gebraucht werden: die »Ausstrahlungswirkung des Umwandlungsgesetzes«117 und dessen »überschießende Exklusivität«.

I) Begriffliches Der Begriff der Ausstrahlungswirkung ist ein gebräuchlicher Terminus118 , obwohl betont wird, dass es sich hierbei nicht um einen Begriff der Methodenlehre handele, sondern lediglich um eine bildhafte Umschreibung119. Von »überschießender 114

Mülbert, FS Ulmer, 2003, 433, 450. S. u. S. 338 ff. 116 S. dazu noch zusf. u. S. 368 ff. 117 Dazu monographisch Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000; Schnorbus, Gestaltungsfreiheit im Umwandlungsrecht, 2001. 118 Für die »Ausstrahlungen«, »Ausstrahl-« oder »Ausstrahlungswirkung« des Umwandlungsgesetzes im Speziellen vgl. etwa Bayer, ZIP 1997, 1613, 1625; Heermann, ZIP 1998, 1249, 1253; Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 3 f.; Lutter/ Leinekugel, ZIP 1998, 225, 225 Fn. 3; Reichert in Habersack/Koch/Winter, Die Spaltung im neuen Umwandlungsrecht und ihre Rechtsfolgen, 1999, S. 25, 26 f.; H. Schmidt in Habersack/ Koch/Winter, Die Spaltung im neuen Umwandlungsrecht und ihre Rechtsfolgen, 1999, S. 10, 12; Schnorbus, Gestaltungsfreiheit im Umwandlungsrecht, 2001, S. 17; Trölitzsch, DStR 1999, 764; Veil, EWiR 1997, 1111, 1112; Veil, ZIP 1998, 361, 366, 367 f. Teilweise wird auch von »Fernwirkung« gesprochen, vgl. Joost, ZHR 163 (1999), 164, 181. Zur »Ausstrahlung« etwa des § 91 II AktG auf die GmbH Hommelhoff/Mattheus, BFuP 2000, 217, 221 (im Grundsatz allerdings verneint); Drygala/Drygala, ZIP 2000, 297, 300 ff.; Lachnit/Müller, FS Strobel, 2001, 363, 366. Für die »Ausstrahlungswirkung der Grundrechte« grundlegend BVerfGE 7, 198, 203 ff. (Lüth). 119 Für die Ausstrahlungswirkung des Umwandlungsgesetzes Wiedemann, ZGR 1999, 857, 115

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§ 4 Grundlagen eines Vorverständnisses

Exklusivität« wird dagegen selten gesprochen; stattdessen findet man Bezeichnungen wie »Sperrwirkung«120 , »Ausschließlichkeitswirkung«121 oder »Abgeschlossenheit«122 .

II) Inhalt, Einordnung und Abgrenzung der Rechtsfiguren 1) Ausstrahlungswirkung Unter Berufung auf seine Ausstrahlungswirkung werden dem UmwG bestimmte Wertungen entnommen und auf nicht unter das UmwG fallende Transaktionen übertragen, die zum selben wirtschaftlichen Ergebnis führen wie die Umwandlungen i. S. d. § 1 I UmwG123 . Diese Fälle kann man als »wirtschaftliche Umwandlungen« bezeichnen, im Gegensatz zu den »technischen Umwandlungen« i. S. d. § 1 I UmwG124 . Paradigmatisch ist etwa die Ausgliederung eines Unternehmensteils durch Einzelrechtsnachfolge als Parallele zum umwandlungsrechtlichen Ausgliederungsverfahren. Überträgt man die Wertungen des UmwG auf wirtschaftliche Umwandlungen, dann kann dies dazu führen, einzelne oder mehrere Vorschriften des UmwG (z. B. über Informationspflichten) analog anzuwenden125 , oder – was bisher kaum thematisiert wurde – Vorschriften anderer Gesetze, insbesondere des AktG, teleologisch zu reduzieren126 . Ebenso kann die Ausstrahlungswirkung des UmwG die Auslegung des anderen Rechts beeinflussen127. 865; für die Ausstrahlungswirkung im Allgemeinen Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, S. 30. 120 Lutter in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, Einl. Rn. 44. 121 BGH ZIP 1998, 1207, 1208; Lutter/Drygala, FS Kropff, 1997, 191, 196; Schnorbus, Gestaltungsfreiheit im Umwandlungsrecht, 2001, S. 137. 122 BGH WM 1999, 1510, 1512 (zum LwAnpG). 123 Drygala, EWiR 1997, 919, 920; Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 3 f.; Tröger, ZIP 2001, 2029, 2033; Wiedemann, ZGR 1999, 857, 865; insoweit auch Priester, ZHR 163 (1999), 187, 197; Veil, ZIP 1998, 361, 366. 124 Kallmeyer, ZIP 1994, 1746, 1747, 1749, 1751; Kallmeyer, FS Lutter, 2000, 1245, 1246; Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 6 ff.; Schnorbus, Gestaltungsfreiheit im Umwandlungsrecht, 2001, S. 31. 125 Etwa Lutter in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, Einl. Rn. 48; H. Schmidt in Habersack/ Koch/Winter, Die Spaltung im neuen Umwandlungsrecht und ihre Rechtsfolgen, 1999, S. 10, 12. S. aber auch Kallmeyer, FS Lutter, 2000, 1245, 1249 f., 1253, 1259, der zwischen Ausstrahlungswirkung und Analogie offenbar trennen möchte und meint, dass sich die Ausstrahlungswirkung »immer nur auf allgemeine Wertungen beziehen (könne), nicht dagegen auf gesetzliche Wertungen im einzelnen« (a.a.O., S. 1259); ähnlich Priester, ZHR 163 (1999), 187, 197. Eine solche Unterscheidung lässt sich aber nicht sinnvoll durchhalten. Überträgt man allgemeine Wertungen, so hat dies nicht selten zur Konsequenz, dass man bestimmte Normen analog anwenden muss, um die Folgerichtigkeit des Rechts zu verwirklichen. Dann bezieht sich die Ausstrahlungswirkung aber sowohl auf allgemeine Wertungen als auch auf einzelne Regelungen. 126 Angedeutet wurde dies im Fall des LG Karlsruhe ZIP 1998, 385, 389 (Badenwerk) im Hinblick auf § 179a AktG, wo allerdings von einer »einschränkenden Auslegung« die Rede ist. 127 Dagegen Schnorbus, Gestaltungsfreiheit im Umwandlungsrecht, 2001, S. 78, der Ausstrahlungswirkung mit Rechtsfortbildung gleichsetzt.

D) Ausstrahlungswirkung und überschießende Exklusivität des UmwG

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Unterscheiden kann man zwischen der Ausstrahlung solcher Wertungen, die den Minderheitenschutz fördern (in diesem Sinne »positive Wertungen«), und – bisher nicht näher problematisiert – solcher Wertungen, die den Minderheitenschutz begrenzen (»negative Wertungen«, etwa die Wertung, dass die formwahrende Verschmelzung und Spaltung ohne Verlust der Börsennotierung abfindungsfrei ausgestaltet sind, vgl. §§ 29 I 1, 78 S. 4 UmwG) 128 . Rechtsmethodisch ist die Ausstrahlungswirkung ein Kind des Systemdenkens129. Hierzu passt es, wenn den Gegnern der Ausstrahlungswirkung teilweise ein »Rückfall in die Begriffsjurisprudenz« vorgeworfen wird, weil sie Gesetze nur nach ihrem Wortlaut, nicht aber nach ihren Wertungen anwenden würden130 . Rechtsmethodisch notwendig ist die Figur der Ausstrahlungswirkung freilich nicht. Es geht immer nur darum, Grundsätze des Gesellschaftsrechts herauszuarbeiten und diese Grundsätze durch Auslegung und Rechtsfortbildung des Gesellschaftsrechts zu verwirklichen131. Unterstützend können andere Wertungen zum Zuge kommen, etwa solche des AktG, des LwAnpG132 oder des SEAG. 2) Überschießende Exklusivität Die überschießende Exklusivität des UmwG ist von der Ausstrahlungswirkung streng zu trennen: Während man dem UmwG bei der Ausstrahlungswirkung die Konsequenz entnimmt »So auch in vom UmwG nicht geregelten Fällen«, interpretiert man das Gesetz bei der überschießenden Exklusivität im Sinne eines »So nur in den vom UmwG geregelten Fällen, nicht aber darüber hinaus«. Überschießend ist diese Exklusivität, weil dem UmwG Regeln für Fälle entnommen werden, die nicht unter seinen Anwendungsbereich fallen (die oben genannten »wirtschaftlichen Umwandlungen«). Die überschießende Exklusivität kann dazu führen, dass eine vom UmwG angeordnete Rechtsfolge in keinem anderen Fall der »wirtschaftlichen Umwandlung« eingreift (z. B. die Abfindungspflichten der §§ 29, 122i, 207 UmwG) oder dass bestimmte wirtschaftliche Umwandlungen neben technischen

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Dazu noch u. S. 74. Joost, ZHR 163 (1999), 164, 181, 186; Koppensteiner, FS Zöllner, 1998, 295, 302 f.; Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 217 ff.; ähnlich auch Lutter/Leinekugel, ZIP 1999, 261, 262. Vgl. ferner die Argumentation des LG Karlsruhe ZIP 1998, 385, 388 (Badenwerk), das durch seine Rechtsfortbildung »eine in sich widersprüchliche, willkürliche Regelung« vermeiden will; s. auch Lutter in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, Einl. Rn. 46. 130 Vgl. Veil, EWiR 1997, 1111, 1112; inzident Wiedemann, ZGR 1999, 857, 872. Dass dieser Vorwurf nicht immer völlig unberechtigt ist, zeigt etwa die Arbeit von Schnorbus, Gestaltungsfreiheit im Umwandlungsrecht, 2001, S. 171, der den Vertretern der Ausstrahlungswirkung entgegenhält, es liege »der Anschein der bloßen Wertungsjurisprudenz« nahe, »die nach Vernünftigkeit oder Zweckmäßigkeit einer Regelung, nicht aber nach ihrer Herleitung aus dem geltenden Recht fragt«. Moderater drückt sich Priester, ZHR 163 (1999), 187, 193 aus (»Wertungsjustiz sollte nicht an die Stelle sauberer Subsumtion treten«). 131 Wiedemann, ZGR 1999, 857, 863. 132 Lutter in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, Einl. Rn. 45. 129

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Umwandlungen gar nicht mehr zulässig sind, so wie für die sog. »übertragende Auflösung« diskutiert133 . 3) Abgrenzung Eng verwandt sowohl mit Ausstrahlungswirkung als auch mit überschießender Exklusivität ist das mit Blick auf das UmwG geäußerte Umgehungsargument134 und die Berufung auf die abschließende Wirkung anderer Gesetze, insbesondere des Aktiengesetzes135 . Will man z. B. bestimmte minderheitsschützende Vorschriften des UmwG analog auf die übertragende Auflösung anwenden, und beruft man sich hierfür darauf, dass ansonsten die Wertungen des UmwG »umgangen« würden136 , so argumentiert man mit der Ausstrahlungswirkung des UmwG. Erkennt man demgegenüber eine Ausstrahlungswirkung des UmwG gerade nicht an, spricht man oft davon, dass die Regelung des Aktiengesetzes »abschließend« sei137. Das Gegenteil von Ausstrahlungswirkung und überschießender Exklusivität ist die völlige Selbständigkeit anderer Rechtsgebiete gegenüber dem UmwG. Hier ist es ausgeschlossen, Wertungen des UmwG auf das andere Rechtsgebiet zu übertragen. Diese Unabhängigkeit ist von der überschießenden Exklusivität zu unterscheiden. Denn während es die allgemeine Unabhängigkeit z. B. zwischen AktG und UmwG zulassen würde, Abfindungspflichten aus anderen, etwa aktien- oder sonstigen zivilrechtlichen Wertungen zu entwickeln, verbietet die überschießende Exklusivität diesen Schluss. Würde man etwa den durch das UmwBerG eingefügten Informationsvorschriften (etwa §§ 8 ff. UmwG, §§ 293a ff. AktG) überschießende Exklusivität beimessen, wäre es ausgeschlossen, bei der übertragenden Auflösung ähnliche Informationspflichten des Vorstandes originär aus §§ 76, 93 AktG oder § 131 AktG herzuleiten. 133 In diesem Sinne gebraucht Schnorbus, Gestaltungsfreiheit im Umwandlungsrecht, 2001, S. 137 den Begriff der »Ausschließlichkeitswirkung« und will ihn wohl auf diese Wirkung beschränken. S. ferner Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 53 ff.; Lutter in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, Einl. Rn. 43. Zum Begriff der übertragenden Auflösung u. S. 303 ff. Hierzu auch noch sogleich u. S. 65. 134 S. etwa Schnorbus, Gestaltungsfreiheit im Umwandlungsrecht, 2001, S. 136; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 13 I 4 b = S. 367. Die Verknüpfung der Ausstrahlungswirkung mit dem Umgehungsargument geht wohl zurück auf die Diskussion zu den §§ 251, 252 DiskE UmwG, die in der Entwurfsbegründung als Normen zum Umgehungsschutz bezeichnet wurden (abgedruckt bei K. Schmidt, FS Heinsius, 1991, 715, 716 f.); hierzu schon K. Schmidt, ZGR 1990, 580, 586 ff.; K. Schmidt, FS Heinsius, 1991, 715, 716; K. Schmidt, ZGR 1995, 675, 677; s. auch Reichert in Habersack/Koch/Winter, Die Spaltung im neuen Umwandlungsrecht und ihre Rechtsfolgen, 1999, S. 25, 30 ff. 135 Sowohl die Argumentationsfigur der abschließenden Wirkung als auch die der Gesetzesumgehung finden sich z. B. bei Wiedemann, ZGR 1999, 857, 865. 136 So etwa Lutter/Drygala, FS Kropff, 1997, 191, 195 ff., 213 ff.; Wiedemann, ZGR 1999, 857, 862, 865. 137 Vgl. Tröger, ZIP 2001, 2029, 2033; auch Wiedemann, ZGR 1999, 857, 865, der eine abschließende Wirkung des § 179a AktG freilich nicht anerkennen möchte.

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III) Bedeutung der Rechtsfiguren Für das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche haben beide Figuren – wie zu erwarten ist – überaus hohe Bedeutung. Kommt man beispielsweise zu dem Ergebnis, dass der Standard des umwandlungsrechtlichen Minderheitenschutzes Vorbildcharakter hat und die umwandlungsrechtliche »Musterlösung« daher zu einem »Lösungsmuster« für wirtschaftliche Umwandlungen fortzubilden ist138 , wäre dieser Befund ein starkes Argument für die analoge Anwendung der §§ 29, 122i, 207 UmwG auf ähnliche Fälle.

IV) Berechtigung der Rechtsfiguren Fraglich ist daher, inwieweit die beiden Argumentationsfiguren berechtigt sind, inwieweit also überhaupt mit ihnen gearbeitet werden darf. 1) Überschießende Exklusivität In welchem Umfang man dem UmwG überschießende Exklusivität zubilligen muss, wird – soweit ersichtlich – nicht umfassend diskutiert, sondern nur für Teilbereiche. Meistens geht es dabei um die Frage, ob wirtschaftliche Umwandlungen durch Einzelrechtsnachfolge neben dem UmwG zulässig sind. Hier sagt die wohl allgemeine Meinung, das UmwG verbiete solche Umstrukturierungen nicht, im Umwandlungsrecht herrsche Gestaltungsfreiheit139. Dies gelte insbesondere für die sog. übertragende Auflösung, die neben dem UmwG zulässig sein soll140 . Nur für die wirtschaftliche Umwandlung einer LPG im Wege der übertragenden Auflösung hat der BGH entgegengesetzt entschieden141 ; diese Entscheidung wird jedoch kritisiert142 . 138 Zur Entwicklung der »Musterlösung zum Lösungsmuster« vgl. auch H. Hagen, FS Hermann Lange, 1992, 483 ff. (für § 906 II 2 BGB). 139 Lutter in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, Einl. Rn. 44; Kallmeyer in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 1 Rn. 21; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2006, § 27 I 3 = S. 401 f.; Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 68; H. Schmidt in Lutter, Kölner Umwandlungsrechtstage, 1995, S. 59, 65; Schubel, ZIP 1998, 1386. 140 BayObLGZ 1998, 211, 213 f. (Magna Media); Bungert NZG 1998, 367, 369; Lutter/Drygala, FS Kropff, 1997, 191, 213; Wiedemann in Lutter/Wiedemann, Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht, 1998, S. 5, 16; für § 361 AktG a. F.: OLG Stuttgart ZIP 1995, 1515, (Moto Meter I); OLG Stuttgart ZIP 1997, 362 ff. (Moto Meter II). Unter Berücksichtigung auch des neuen Squeeze-out-Rechts ebenso Fleischer, ZGR 2002, 757, 788 f.; Rühland, WM 2002, 1957, 1958; Martin Wolf, ZIP 2002, 153, 154 f. Vgl. aber auch H. Hanau, NZG 2002, 1040, 1047, der die übertragende Auflösung aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung nur zulassen will, wenn die AG liquidationsreif ist; gegen derartige Einschränkungen ausdrücklich BVerfG NJW 2001, 279, 281 (Moto Meter). 141 BGH ZIP 1998, 1207, 1208; BGH ZIP 1999, 840, 841 f.; BGH WM 1999, 1510, 1512; offen gelassen von BGHZ 142, 1, 6 f. 142 Ablehnend Hommelhoff/Schubel, ZIP 1998, 537, 547; K. Schmidt, ZIP 1998, 181, 185 f.; Schubel, ZIP 1998, 1386, 1387 f.

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Überschießende Exklusivität wird man dem UmwG grundsätzlich nicht zusprechen können. Hier muss man zwei Fragen auseinanderhalten. Erstens geht es darum, ob wirtschaftliche Umwandlungen überhaupt neben dem UmwG zulässig sind. Bejaht man diese Frage, dann ist zweitens fraglich, ob nicht bestimmte Rechtsinstitute des UmwG – wie z. B. die in den §§ 29, 122i, 207 UmwG geregelten Abfindungsansprüche – ausschließlich im Anwendungsbereich des UmwG zum Zuge kommen dürfen143 . Hinsichtlich der ersten Frage enthalten schon die Gesetzesmaterialien zum UmwBerG die klare Aussage, dass bisher anerkannte Umwandlungsmethoden durch das UmwG nicht eingeschränkt werden sollten144 . Im Gesetz findet sich für die gegenteilige Ansicht keine Stütze; stattdessen stellt § 1 II UmwG klar, dass der numerus clausus der Umwandlungsformen nur für solche Umwandlungen gelten soll, die in den Anwendungsbereich des UmwG fallen (»Umwandlungen im Sinne des Absatzes 1«). Stimmt man diesem Befund zu, muss man die zweite oben aufgeworfene Frage mit »nein« beantworten. Wenn das UmwG wirtschaftliche Umwandlungen nicht verbietet, würde es dem vom UmwG intendierten Minderheitenschutz gerade widersprechen, wenn man ihm die Aussage entnähme, die minderheitsschützenden Institute des UmwG seien auf das UmwG beschränkt. Entnimmt man dem UmwG z. B. nicht, dass eine übertragende Auflösung nach § 179a AktG verboten ist, wäre es widersprüchlich, das UmwG trotzdem als Argument gegen ungeschriebene Abfindungsansprüche in diesem Fall anzuführen. Darüber hinaus wäre die überschießende Exklusivität eines Gesetzes ohne ausdrücklich klarstellende Anordnung eine Rarität, die der Gesetzgeber zumindest in der Gesetzesbegründung ausdrücklich erwähnt hätte oder für die sich zwingende teleologische Gründe anführen lassen müssten. Dem UmwG kommt somit – dies kann als Zwischenergebnis festgehalten werden – aus den oben genannten Gründen prinzipiell keine überschießende Exklusivität zu. Für den weiteren Fortgang der Arbeit bedeutet dies: Schlussfolgerungen, die mit der überschießenden Exklusivität des UmwG arbeiten, müssten besonders gut begründet sein, um sich gegen die soeben genannten Gegenargumente durchzusetzen.

143 Da es um wirtschaftliche Umwandlungen geht, ist selbstverständlich, dass die Grundsätze der Vermögensübertragung, der Gesamtrechtsnachfolge oder des identitätswahrenden Formwechsels allein auf technische Umwandlungen anwendbar sind. Zur Abgrenzung dieser Fragestellung gegenüber den Stimmen, die jegliche Ausstrahlungswirkung des UmwG verneinen, s. o. unter S. 62 f.: Die überschießende Exklusivität verbietet es auch, Rechtsfolgen des UmwG aus anderen, z. B. aktienrechtlichen Wertungen herzuleiten. 144 Begr. RegE UmwBerG bei Ganske, Umwandlungsrecht, 2. Aufl. 1995, S. 43 f.

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2) Ausstrahlungswirkung145 Der Gedanke der Ausstrahlungswirkung wurde durch die Verabschiedung des UmwBerG geradezu provoziert, weil es das Recht der gesellschaftlichen Umstrukturierungen weitgehend, aber eben nicht vollständig kodifizierte. a) Entwicklung der Rechtsprechung146 Die Rechtsprechung entwickelte unterschiedliche Standpunkte zur Ausstrahlungswirkung: Einige Landes- und Oberlandesgerichte beschäftigten sich mit der Ausstrahlungswirkung im Zusammenhang mit der Frage, ob Informationsvorschriften des UmwG auf wirtschaftliche Umwandlungen zu übertragen waren. Dies wurde bejaht vom LG Karlsruhe in seinem »Badenwerk«-Beschluss147, vom LG und OLG Frankfurt in ihren »Altana/Milupa«-Urteilen148 , und vom LG München I in seiner »Direkt Anlage Bank/Self Trade«-Entscheidung149.150 Abgelehnt wurde die Rechtsfigur der Ausstrahlungswirkung dagegen vom LG Hamburg in Sachen »Wünsche«151. Auch die »Moto-Meter«- und »Magna-Media«-Problematik gehört hierzu152 , wenngleich diese Fälle daneben unter anderen, insbesondere verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten diskutiert wurden153 . Die einzige Entscheidung des BGH zur Ausstrahlungswirkung ist das Altana/ Milupa-Urteil im weiteren Rechtszug des soeben genannten, beim LG Frankfurt anhängig gemachten Verfahrens154 . Leider setzt sich der BGH mit der Ausstrahlungswirkung aber nicht näher auseinander, sondern begnügt sich damit, seine Entscheidung mit einer analogen Anwendung aktienrechtlicher Vorschriften (der §§ 124 II 2, 179a II AktG) zu begründen. Den Grundsatz, der Vorstand müsse der Hauptversammlung ausreichende Informationen für eine sachgerechte Beurteilung geben, wenn er ihr eine Entscheidung gem. § 119 II AktG vorlege155 , leitet der II. Senat ohne gesetzlichen Anknüpfungspunkt – etwa an das UmwG – her156 . In

145 Hierzu auch Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 41 ff., 50 ff.; Schnorbus, Gestaltungsfreiheit im Umwandlungsrecht, 2001, S. 18 ff. 146 Nachweise zur Rechtsprechung des BVerwG und BAG bei Schnorbus, Gestaltungsfreiheit im Umwandlungsrecht, 2001, S. 20 m. w. N. in Fn. 23, 24. 147 LG Karlsruhe ZIP 1998, 385 (Badenwerk). 148 LG Frankfurt ZIP 1997, 1698 (Altana/Milupa); hierzu im Hinblick auf die Ausstrahlungswirkung Drygala, EWiR 1997, 919, 920. OLG Frankfurt ZIP 1999, 842 (Altana/Milupa); hierzu U. H. Schneider/Raskin, WuB II A § 124 AktG 1.00, 46. 149 LG München ZIP 2001, 1148. 150 S. außerdem OLG München AG 1996, 327, 328 (Auslegungspflichten entsprechend u. a. §§ 63 I Nr. 1, 64 I UmwG). 151 LG Hamburg AG 1997, 238 (Wünsche). 152 Vgl. auch Kallmeyer, FS Lutter, 2000, 1245, 1247. Dazu noch ausführlich u. S. 303 ff. 153 S. dazu noch ausführlich u. S. 303 ff. 154 BGHZ 146, 288 (Altana/Milupa). 155 BGHZ 146, 288, 294 (Altana/Milupa); vgl. vorher schon OLG Frankfurt ZIP 1999, 842, 845 (Altana/Milupa); OLG München AG 1996, 327. 156 BGHZ 146, 288, 294 (Altana/Milupa); s. auch Hennrichs, WuB II A § 119 AktG 1.02, 576

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den Besprechungen dieser Entscheidung157 ist der Aspekt der Ausstrahlungswirkung verblasst und wird nur noch von Tröger thematisiert158 . b) Bestandaufnahme der Literatur In der Literatur finden sich zerstrittene Lager: Einerseits wird gerade von Praktikern die Selbständigkeit von AktG und UmwG betont und jegliche Ausstrahlungswirkung abgelehnt, um die Gestaltungsfreiheit bei Umstrukturierungen zu erhalten159. Die wohl überwiegende Meinung hält den Wertungstransfer hingegen grundsätzlich für möglich und prüft unter teleologischen Gesichtspunkten von Fall zu Fall, ob umwandlungsrechtliche Vorschriften auf wirtschaftliche Umwandlungen anzuwenden sind160 . Die Ausstrahlungswirkung soll allerdings nur bei sog. »Strukturentscheidungen« in Frage kommen, die wesentlich in die Gesell(»selbstverständlich«). Anders Drinkuth, AG 2001, 256, 257, der diesen Grundsatz aus § 131 AktG herleitet und Tröger, ZIP 2001, 2029, 2033 f. 157 S. Drinkuth, AG 2001, 256; Hennrichs, WuB II A § 119 AktG 1.02; Mülbert, LM § 119 AktG 1965 Nr. 2; Schockenhoff, NZG 2001, 921; Tröger ZHR 165 (2001), 593; Tröger, ZIP 2001, 2029. 158 Tröger, ZIP 2001, 2029, 2033 f.; umfassend zur Pflicht des Vorstands zur Vorbereitung rechtmäßiger und sachgerechter Entscheidungen der Hauptversammlung Servatius, Sturkturmaßnahmen als Unternehmensleitung, 2004, S. 274 ff. 159 Aha, AG 1997, 345, 356; Bohnert, DB 1999, 2617, 2618; Bungert, NZG 1998, 367, 368; Groß, AG 1994, 266, 266 Fn. 9; Groß, AG 1996, 111, 116 f.; Grunewald/H.-F. Müller, JZ 1999, 442, 455; Heckschen, DB 1998, 1385, 1386; Henssler, FS Zöllner, 1998, 203, 214 f.; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 179a Rn. 12a; Kiem in Hommelhoff/Röhricht, Gesellschaftsrecht 1997, 1998, S. 105, 130; Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 69 Rn. 9 Fn. 19 [Zustimmung zu LG Hamburg AG 1997, 238 (Wünsche)]; Mutter, DZWiR 1998, 212, 212 f.; Frhr. von Rechenberg, FS Bezzenberger, 2000, 359, 368 ff.; Reichert, GmbHR 1995, 176, 191 Fn. 55 (s. aber auch o. S. 68, Fn. 160); Schnorbus, Gestaltungsfreiheit im Umwandlungsrecht, 2001, S. 131 (zusf.); H. Schwarz, Umwandlung mittelständischer Unternehmen im Handels- und Steuerrecht, 1995, Rn. 133; H.D. Schwarz, DStR 1994, 1694, 1697 f.; Sosnitza, NZG 1998, 1003; Teichmann in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 123 Rn. 24; Trölitzsch, WiB 1997, 795, 796 (s. aber auch o. Fn. 449); Windbichler, EWiR 1998, 1057, 1058; wohl auch Bermel in Goutier/Knopf/Tulloch, UmwG, 1995, § 1 Rn. 56; zu dieser Ansicht tendierend Zöllner, ZGR 1993, 334, 337; Zöllner, FS Claussen, 1997, 423, 439 f. (mit Blick auf die Hauptversammlungszuständigkeit bei der Ausgliederung). 160 Vgl. etwa Bayer, ZIP 1997, 1613, 1625; Dietz, Die Ausgliederung nach dem Umwandlungsgesetz und nach Holzmüller, 2000, S. 293 ff.; Drygala, EWiR 1997, 919, 920; Emmerich, AG 1998, 151, 152; Joost, ZHR 163 (1999), 164, 179, 181; Kallmeyer in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 1 Rn. 23; Kallmeyer, FS Lutter, 2000, 1245, 1249; Kollmar, Die Ausstrahlungen des Umwandlungsgesetzes auf Spaltungen nach traditionellem Recht, 1999, S. 142 f.; Koppensteiner, FS Zöllner, 1998, 295, 302 f.; Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 62; Lutter in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, Einl. Rn. 46 ff.; Lutter/Drygala, FS Kropff, 1997, 191, 196 ff.; Reichert in Habersack/Koch/Winter, Die Spaltung im neuen Umwandlungsrecht und ihre Rechtsfolgen, 1999, S. 25, 36; von Riegen, Gesellschafterschutz bei Ausgliederungen durch Einzelrechtsnachfolge, 1999, S. 51 ff.; Rühland, Der Ausschluß von Minderheitsaktionären aus der Aktiengesellschaft, (Squeeze-out), 2003, S. 83 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 13 I 4 b = S. 368; K. Schmidt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 243, Rn. 49; K. Schmidt, ZGR 1990, 580, 587 ff.; Timm, ZGR 1996, 247, 250; Trölitzsch, DStR 1999, 764, 765; Veil, EWiR 1997, 1111, 1112; Veil, ZIP 1998, 361, 367 ff.; Voigt, Umwandlung und Schuldverhältnis, 1997, S. 3; M. Weber, ZInsO 2001, 385, 390; Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 179 Rn. 74 ff.; Wiedemann, ZGR 1999, 857, 865 ff. Inzident Altmeppen, DB 1998, 49, 51; Mülbert, Aktiengesell-

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schafterrechte eingreifen161. Wie diese Strukturentscheidungen abzugrenzen sind, etwa durch Einzelfallbetrachtung oder anhand von Schwellenwerten, ist im einzelnen strittig162 . c) Diskussion Mit der herrschenden Meinung sollte man Ausstrahlungswirkungen des UmwG (sowie des LwAnpG und SEAG) nicht von vornherein ausschließen. Wesentliches Argument für die Ausstrahlungswirkung des UmwG ist die Prämisse dieser Arbeit: das Gebot der Systemgerechtigkeit163 . Dieses Gebot fordert, Gesetze in einen Zusammenhang mit denjenigen Normen zu stellen, die ähnliche Sachverhalte regeln, gemeinsame Rechtsgedanken zu erforschen und Wertungen aufeinander abzustimmen. Der Wertungstransfer ist daher unverzichtbares Mittel der Systemgerechtigkeit. Ihn insbesondere im Verhältnis von UmwG und AktG völlig auszuschließen, kommt daher geradezu einem Paradigmenwechsel gleich, der mit außerordentlich starken Argumenten gerechtfertigt werden müsste. Solche Argumente hat weder die Gegenmeinung bisher vorgebracht noch sind solche Argumente ersichtlich. Der Streitstand soll im Folgenden nicht bis in alle Einzelheiten entfaltet werden, da diesbezüglich mehrere einschlägige Monographien erschienen sind164 . Dennoch seien die wichtigsten Argumente zusammengefasst. Aus verschiedenen Stellungnahmen des Gesetzgebers und Befunden aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes wollen die Gegner der Ausstrahlungswirkung herleiten, der Gesetzgeber habe sich bewusst gegen jegliche Ausstrahlungswirkung entschieden165 . Diese Entscheidung soll in § 1 II UmwG zum Ausdruck kommen, der als »Analogieverbot im weiten Sinne« derart interpretiert wird, dass er die Übertragung sämtlicher umwandlungsgesetzlicher Regeln auf wirtschaftliche Umwandlungen verbiete166 . Gestützt wird diese Deutung vor allem auf drei schaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 394. Differenzierend Priester, ZHR 163 (1999), 187, 191 ff., 197 f. 161 LG Karlsruhe ZIP 1998, 385, 389 (Badenwerke); Lutter in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, Einl. Rn. 48; Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 222 f.; von Riegen, Gesellschafterschutz bei Ausgliederungen durch Einzelrechtsnachfolge, 1999, S. 92 ff.; Veil, ZIP 1998, 361, 368 f. 162 Für die Ausgliederung Übersicht bei von Riegen, Gesellschafterschutz bei Ausgliederungen durch Einzelrechtsnachfolge, 1999, S. 92 ff. sowie Veil, ZIP 1998, 361, 368 Fn. 64. 163 Übereinstimmend Joost, ZHR 163 (1999), 164, 181 f.; Koppensteiner, FS Zöllner, 1998, 295, 302 f. 164 Verwiesen sei insbesondere auf Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 178 ff.; als Gegenpart dazu Schnorbus, Gestaltungsfreiheit im Umwandlungsrecht, 2001, S. 81 ff. 165 Vgl. etwa BayObLGZ 1998, 211, 216 ff. (Magna Media); Aha, AG 1997, 345, 356; Bungert, NZG 1998, 367, 368 f.; Heckschen, DB 1998, 1385, 1386; Mutter, DZWiR 1998, 212; Frhr. von Rechenberg, FS Bezzenberger, 2000, 359, 372; Selzner, WiB 1997, 584, 585; Trölitzsch, DStR 1999, 764, 765; zusf. Schnorbus, Gestaltungsfreiheit im Umwandlungsrecht, 2001, S. 131; Teichmann in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 123 Rn. 24; inzident auch LG Hamburg AG 1997, 238 (Wünsche). 166 Bungert, NZG 1998, 367, 368; Kiem in Hommelhoff/Röhricht, Gesellschaftsrecht 1997,

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Argumente167 : die Gesetzesbegründung zu § 1 II UmwG168 , die Tatsache, dass der Gesetzgeber die Regeln der §§ 251, 252 DiskE UmwG, die eine umfassende Ausstrahlungswirkung für die wirtschaftliche Verschmelzung, Spaltung und Ausgliederung anordneten169, nicht ins UmwG übernommen habe170 , schließlich die nur punktuelle Übertragung von Regeln des UmwG auf andere Strukturentscheidungen, insbesondere die §§ 293a ff., 319 f. AktG171. In diesem Zusammenhang wird insbesondere darauf hingewiesen, dass § 179a AktG »bewusst« einen niedrigeren Minderheitenschutz gewähre172 . Was zunächst das auf §§ 251, 252 DiskE UmwG abstellende Argument angeht, so ist zu bedenken, dass der Gesetzgeber lediglich aufgrund der massiven Kritik aus dem Schrifttum davon abgesehen hat, eine viel zu weit geratene »lex Holzmüller« zu schaffen, mit der er sich »übernommen« und die Diskussion um die Holzmüller-Grundsätze173 abgebrochen hätte174 . Zwar ist richtig, dass die §§ 251, 252 DiskE UmwG eine umfassende Ausstrahlungswirkung vorsahen. Die Kritik an den §§ 251, 252 DiskE UmwG richtete sich jedoch nicht gegen die grundsätzliche Möglichkeit einer Ausstrahlungswirkung, sondern gegen die in diesen Gesetzen enthaltene Tendenz zur Überregulierung175 . Da der Gesetzgeber in der Begründung des Fraktionsentwurfs keine weiteren Ausführungen dazu machte, warum er die §§ 251, 252 DiskE UmwG nicht übernommen habe, ist davon auszugehen, dass er sich nicht generell gegen eine Ausstrahlungswirkung aussprechen wollte. 1998, S. 105, 130; H. Schwarz, Umwandlung mittelständischer Unternehmen im Handels- und Steuerrecht, 1995, Rn. 133; H.-D. Schwarz, DStR 1994, 1694, 1697; Trölitzsch, WiB 1997, 795, 796. 167 Zu sonstigen Argumenten und deren Ablehnung vgl. die Angaben oben in S. 69, Fn. 164. 168 »Die von dem neuen UmwG eröffneten Möglichkeiten der Umwandlung (. . .) treten also neben die nach allgemeinem Zivil- und Handelsrecht schon jetzt möglichen Methoden. (. . .) Die zwingenden Normen des Umwandlungsgesetzes müssen (. . .) nur beachtet werden, wenn sich die beteiligten Rechtsträger der Vorteile bedienen, die das Gesetz und die mit ihm verbundenen steuerrechtlichen Regelungen mit sich bringen.«, Begr. RegE UmwBerG bei Ganske, Umwandlungsrecht, 2. Aufl. 1995, S. 44. 169 Der Wortlaut der Vorschriften ist abgedruckt bei K. Schmidt, FS Heinsius, 1991, 715, 716 f. 170 BayObLGZ 1998, 211, 216 f. (Magna Media); OLG Stuttgart ZIP 1997, 362, 363 (Moto Meter II); Heckschen, DB 1998, 1385, 1386; Frhr. von Rechenberg, FS Bezzenberger, 2000, 359, 372; Schnorbus, Gestaltungsfreiheit im Umwandlungsrecht, 2001, S. 116 ff., 130 f. 171 BayObLGZ 1998, 211, 216 f. (Magna Media); OLG Stuttgart ZIP 1997, 362, 363 (Moto Meter II); Frhr. von Rechenberg, FS Bezzenberger, 2000, 359, 372; Schnorbus, Gestaltungsfreiheit im Umwandlungsrecht, 2001, S. 116 ff., 130 f. 172 Schnorbus, Gestaltungsfreiheit im Umwandlungsrecht, 2001, S. 119 ff., 131.; andeutend Sosnitza, NZG 1998, 1003; s. hierzu auch u. S. 310 ff. 173 BGHZ 83, 122 (Holzmüller). 174 Joost, ZHR 163 (1999), 164, 180; Reichert in Habersack/Koch/Winter, Die Spaltung im neuen Umwandlungsrecht und ihre Rechtsfolgen, 1999, S. 25, 30 ff.; von Riegen, Gesellschafterschutz bei Ausgliederungen durch Einzelrechtsnachfolge, 1999, S. 65. Zur Kritik am Diskussionsentwurf vgl. pointiert K. Schmidt, FS Heinsius, 1991, 715, 720 ff.; K. Schmidt, ZGR 1990, 580, 587 f.; W. Werner, FS Quack, 1991, 519, 529 f. 175 Vgl. zusf. Reichert in Habersack/Koch/Winter, Die Spaltung im neuen Umwandlungsrecht und ihre Rechtsfolgen, 1999, S. 25, 30 ff.

D) Ausstrahlungswirkung und überschießende Exklusivität des UmwG

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Es spricht alles dafür, dass der Gesetzgeber die Lösung des Problems Rechtsprechung und Literatur überantworten wollte176 . Ebenso wenig kann man aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber umwandlungsspezifischen Minderheitenschutz punktuell, etwa in den §§ 293a ff., 320 AktG, installiert hat, ein argumentum e contrario ziehen. Gerade hinsichtlich des nicht weiter veränderten § 179a AktG muss beachtet werden, dass das Leitbild dieser Norm die Vermögensübertragung an außenstehende Dritte ist177. Hier ist aufgrund des grundsätzlichen Interessengleichlaufs innerhalb der Gesellschaft kein hoher Minderheitenschutz nötig. Dagegen kann nicht angeführt werden, dass Gleiches für die Vermögensübertragung nach UmwG gelte und der Gesetzgeber hier trotzdem zumindest bei der Vollübertragung einen höheren Minderheitenschutz garantiere. Denn die Vollübertragung nach den §§ 174 ff. UmwG ist mit der Auflösung des übertragenden Rechtsträgers verbunden. Sie greift daher viel stärker in die Rechtsposition der Anteilseigner ein als die Vermögensübertragung nach § 179a AktG, die nach ihrem gesetzlichen Leitbild als reiner Vermögenstausch konzipiert ist178 . Auch § 1 II UmwG kann nicht im Sinne der Gegenmeinung gedeutet werden179. Schon der Wortlaut des § 1 II UmwG lässt für das von der Gegenmeinung propagierte umfassende Analogieverbot nichts erkennen180 , aus dem Textbefund des § 1 II UmwG kann man lediglich schließen, dass die §§ 20 I, 131 I, 202 I UmwG nicht analogiefähig sind181. Aus den oben genannten, auf die Entstehungsgeschichte des 176 Vgl. auch Begr. RegE UmwBerG bei Ganske, Umwandlungsrecht, 2. Aufl. 1995, S. 20 (zur noch im Fluss befindlichen Frage eines speziellen »Konzernumwandlungsrechts«); zu dem Urteil, der Gesetzgeber habe das angesprochene Problem durch die Streichung der §§ 251, 252 DiskE UmwG der Rechtsprechung und Literatur überantwortet: Bork, EWiR 1997, 1147, 1148; Kallmeyer, FS Lutter, 2000, 1245, 1248 f.; Kollmar, Die Ausstrahlungen des Umwandlungsgesetzes auf Spaltungen nach traditionellem Recht, 1999, S. 31; Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 166 ff.; s. auch Lutter in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, Einl. Rn. 46; Reichert in Habersack/Koch/Winter, Die Spaltung im neuen Umwandlungsrecht und ihre Rechtsfolgen, 1999, S. 25, 32; von Riegen, Gesellschafterschutz bei Ausgliederungen durch Einzelrechtsnachfolge, 1999, S. 70; Tröger, ZIP 2001, 2029, 2034. Dagegen, aber aus den weiteren im Haupttext genannten Gründen nicht überzeugend Schnorbus, Gestaltungsfreiheit im Umwandlungsrecht, 2001, S. 128. 177 S. dazu im einzelnen u. S. 303 ff. 178 Dazu noch ausführlich u. S. 303 ff. 179 So auch OLG Frankfurt ZIP 1999, 842, 844 (Altana/Milupa); Bork, EWiR 1997, 1147, 1148; Dietz, Die Ausgliederung nach dem Umwandlungsgesetz und nach Holzmüller, 2000, S. 359; Joost, ZHR 163 (1999), 164, 179; Kallmeyer, FS Lutter, 2000, 1245, 1248; Koppensteiner, FS Zöllner, 1998, 295, 302; Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 184; Priester, ZHR 163 (1999), 187, 191; Reichert in Habersack/Koch/Winter, Die Spaltung im neuen Umwandlungsrecht und ihre Rechtsfolgen, 1999, S. 25, 36; H. Schmidt in Habersack/ Koch/Winter, Die Spaltung im neuen Umwandlungsrecht und ihre Rechtsfolgen, 1999, S. 10, 36; von Riegen, Gesellschafterschutz bei Ausgliederungen durch Einzelrechtsnachfolge, 1999, S. 87 ff.; Wiedemann, ZGR 1999, 857, 865. Genau anders sieht das Bungert, NZG 1998, 367, 368. 180 Übereinstimmend von Riegen, Gesellschafterschutz bei Ausgliederungen durch Einzelrechtsnachfolge, 1999, S. 87. 181 Joost, ZHR 163 (1999), 164, 179 f.; Kallmeyer, FS Lutter, 2000, 1245, 1248; Leinekugel, Die

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§ 4 Grundlagen eines Vorverständnisses

UmwG abzielenden Gründen kann auch der Gesetzesbegründung zu § 1 II UmwG kein Argument gegen jegliche Ausstrahlungswirkung entnommen werden. Schließlich können teleologische Argumente die Gegner der Ausstrahlungswirkung nur widerlegen. Wirtschaftliche und technische Umwandlungen können sich in praxi nur dadurch unterscheiden, dass dasselbe Resultat das eine Mal im Wege der Gesamt-, das andere Mal im Wege der Einzelrechtsnachfolge herbeigeführt wird. Der Weg, auf dem das Ergebnis erreicht wird, ist für die Schutzbedürftigkeit der Minderheitsaktionäre irrelevant182 . Daher hilft es der Gegenansicht nicht, auf sonstige Unterschiede zwischen den Strukturwandlungen nach UmwG und außerhalb dieses Gesetzes zu verweisen, z. B. den verstärkten Gläubigerschutz oder darauf, dass es nur bei Strukturmaßnahmen nach UmwG zu einer Registersperre kommen könne183 . Denn es ist nicht ersichtlich, inwieweit diese Unterschiede eine Ungleichbehandlung der Minderheitsaktionäre rechtfertigen sollen. Bei der Ausstrahlungswirkung als Ausprägung des Systemdenkens geht es nicht darum zu testen, ob gesetzlicher Tatbestand und Sachverhalt völlig übereinstimmen, sondern ob der Sachverhalt in den für die Anknüpfung der Norm maßgeblichen Gesichtspunkten184 dem Tatbestand entspricht, hier also dem Minderheitenschutz. Dass dies bei wirtschaftlichen und technischen Umwandlungen nie der Fall sei, lässt sich nach dem oben Gesagten aber jedenfalls nicht ausschließen. Im Einzelfall könnte die Ungleichbehandlung von wirtschaftlichen und technischen Umwandlungen, die sich ohne Wertungstransfer ergeben würde, daher sogar mit Art. 3 GG und dem verfassungsrechtlichen Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung in Konflikt kommen185 . Im Gegensatz zur überschießenden Exklusivität ist die Möglichkeit, dass Wertungen des UmwG auf ähnliche Strukturmaßnahmen ausstrahlen, daher grundsätzlich anzuerkennen.

V) Argumentationsgewicht der Ausstrahlungswirkung Kann man somit eine Ausstrahlungswirkung des UmwG nicht generell verneinen, lässt sich als Zwischenergebnis zunächst nur festhalten, was nach den Prämissen dieser Arbeit schon aus Gerechtigkeitsidee und Systemdenken folgt186 : Umwand-

Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 175 f.; Priester, ZHR 163 (1999), 187, 191 f.; vgl. auch Schnorbus, DB 2001, 1654, 1656 ff. 182 So auch BayObLGZ 1998, 211, 216 (Magna Media); LG Karlsruhe ZIP 1998, 385, 388 (Badenwerk); vgl. ferner Joost, ZHR 163 (1999), 164, 181, 182; Kallmeyer, FS Lutter, 2000, 1245, 1248; Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 207 ff.; von Riegen, Gesellschafterschutz bei Ausgliederungen durch Einzelrechtsnachfolge, 1999, S. 83 f.; H. Schmidt in Habersack/Koch/Winter, Die Spaltung im neuen Umwandlungsrecht und ihre Rechtsfolgen, 1999, S. 10, 18; Veil, ZIP 1998, 361, 368. 183 So Bungert, NZG 1998, 367, 368 für die Ausgliederung. 184 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 381. 185 S. 14 ff. auch LG Karlsruhe ZIP 1998, 385, 388 f. (Badenwerk); Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 217 ff. 186 Dazu o. S. 6 ff.

D) Ausstrahlungswirkung und überschießende Exklusivität des UmwG

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lungs- und Aktiengesetz existieren zwar selbständig nebeneinander, können und müssen aber durch Wertungstransfer abgestimmt werden. Im Folgenden soll versucht werden, was in der bisherigen umwandlungsrechtlichen Diskussion zu kurz kam: allgemeine Gründe für und gegen die Überzeugungskraft des »Ausstrahlungsarguments« herauszuarbeiten. Für den Fortgang der Arbeit ist es hilfreich, die generelle Dignität eines im Abfindungsrecht (und im sonstigen »Recht der Strukturentscheidungen«) immer wieder verwandten Arguments zu untersuchen, also die Gründe »vor die Klammer zu ziehen«, die man immer hinzudenken muss, wenn im Folgenden die Ausstrahlungswirkung des UmwG als Argument ins Feld geführt wird. Dies ist äußerst schwierig. Denn als Ausprägungen des systematisch-teleologischen Denkens ist die Ausstrahlungswirkung hochgradig abhängig von der ratio legis der Norm, deren Wertung übertragen werden soll. Wird die Übertragung umwandlungsrechtlicher Wertungen etwa mit Art. 3 I GG begründet, so ist dieser Hinweis an sich kein Argument, denn Art. 3 I GG fordert höchstens, gesetzliche Wertungen auf solche Fälle zu übertragen, die dem gesetzlichen Tatbestand in den für die Wertung wesentlichen Punkten übereinstimmen187. Dennoch soll der soeben beschriebene Versuch gewagt werden. Vielleicht kann hierdurch auch geholfen werden, den schillernden Begriff der Ausstrahlungswirkung stärker zu durchdringen und möglicherweise sogar ein wenig zu entzaubern. 1) Minderheitenschutz versus Gestaltungsfreiheit Für und gegen die Überzeugungskraft des Ausstrahlungsgedankens lassen sich zunächst eine Reihe von Argumenten aufzählen, die ebenso pathetisch wie konturlos sind, die gleichberechtigt nebeneinander stehen und die sich daher neutralisieren: So spricht pro Ausstrahlungswirkung des Umwandlungsgesetzes sicherlich immer der Gedanke des erstrebenswerten Minderheitenschutzes188 , dagegen freilich das ebenso wichtige Prinzip der gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsfreiheit189. 2) »lex posterior« und »lex specialis« Für eine hohe Überzeugungskraft umwandlungsrechtlicher Wertungen könnte sprechen, dass es sich bei dem UmwG um ein relativ junges Gesetz handelt190 . Vom 187 Dies verkennt auch das LG Karlsruhe ZIP 1998, 385, 388 (Badenwerk) nicht, das neben Art. 3 GG noch weitere Ausführungen zur ratio der einzelnen Vorschriften macht. 188 Etwa Drygala, WuB II A § 179a AktG 1.01, 174. 189 Begr. RegE UmwBerG bei Ganske, Umwandlungsrecht, 2. Aufl. 1995, S. 43; von Riegen, Gesellschafterschutz bei Ausgliederungen durch Einzelrechtsnachfolge, 1999, S. 1, 89 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 13 I 4 a = S. 366; Schnorbus, Gestaltungsfreiheit im Umwandlungsrecht, 2001, S. 18; Trölitzsch, DStR 1999, 764, 765. 190 Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 67; Lutter/ Leinekugel, ZIP 1998, 805, 816 Fn. 99.

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§ 4 Grundlagen eines Vorverständnisses

Grundsatz »lex posterior derogat legi priori« wohl bekannt ist, dass jüngere Gesetze bei Normkonflikten ältere Gesetze verdrängen können. Gleiches könnte für Fälle gelten, in denen zwar kein Normkonflikt vorliegt, aber dafür ein Wertungskonflikt191 oder – wie paradigmatisch bei der übertragenden Auflösung192 – ein mit Wertungen auszufüllendes Vakuum. In gleicher Weise kann man den Grundsatz »lex specialis derogat legi generali« fruchtbar machen193 und den Wertungstransfer damit untermauern, dass das UmwG eine Spezialmaterie für Strukturwandelungen sei194 . Beide Argumentationen sind aber mit Vorsicht zu genießen. Denn trotz seines jungen Alters und seiner Spezialität hat der Gesetzgeber nicht alle Strukturveränderungen nach dem Lösungsmuster des UmwG geregelt195 . Ob das UmwG für die nicht geregelten Veränderungen Spezialmaterie ist, ist daher die Frage. Sowohl der »Lex-posterior«- als auch der »Lex-specialis«-Grundsatz berufen sich auf eine im Vergleich zur bisherigen Gesetzgebung »stärker zu beachtende« Entscheidung des Gesetzgebers196 , die für das UmwG aber nicht getroffen wurde. 3) Ausstrahlung minderheitsschutzbegrenzender Wertungen Etwas anderes mag für den Transfer von Wertungen des UmwG gelten, die den Minderheitenschutz begrenzen (»negative Wertungen«). Der Wertungstransfer wird hier nämlich nicht nur durch alle Argumente unterstützt, die generell pro Ausstrahlungswirkung sprechen, sondern zusätzlich durch die Gründe, die für die Gestaltungsfreiheit streiten. Darüber hinaus kommt den »negativen« Wertungen des UmwG besonderes Gewicht deshalb zu, weil das UmwG anerkanntermaßen ein hohes Niveau des Minderheitenschutzes verwirklicht197. Wenn selbst das UmwG dem Minderheitenschutz gewisse Grenzen zieht, sollten diese Grenzen grundsätzlich auch für das Aktienrecht verbindlich sein.

191

Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 117. Vgl. auch Jarass, AöR 126 (2001), 588, 596 f., der die »Lex-posterior«-Regel als »Auslegungsgrundsatz« begreifen will. Zu den Begriffen Norm- und Wertungskonflikt s. o. S. 22 ff. 192 Dazu noch ausführlich u. S. 303 ff. 193 Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 816 Fn. 99. Zur »Lex-specialis«-Regel als »Auslegungsgrundsatz« vgl. erneut Jarass, AöR 126 (2001), 588, 596 f. 194 Vgl. Drygala, WuB II A § 179a AktG 1.01, 174. 195 Reichert will den Gesetzgebungsmaterialien darüber hinaus zwar keine Ablehnung, aber immerhin Zurückhaltung gegenüber der Ausstrahlungswirkung entnehmen, vgl. Reichert in Habersack/Koch/Winter, Die Spaltung im neuen Umwandlungsrecht und ihre Rechtsfolgen, 1999, S. 25, 36. 196 Für den Lex-specialis-Grundsatz Th. Schilling, Rang und Geltung von Normen in gestuften Rechtsordnungen, 1994, S. 448 f. 197 Drygala, WuB II A § 179a AktG 1.01, 174; Schnorbus, Gestaltungsfreiheit im Umwandlungsrecht, 2001, S. 18, 127.

D) Ausstrahlungswirkung und überschießende Exklusivität des UmwG

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4) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis lässt sich damit festhalten: Die Ausstrahlungswirkung des UmwG ist ein Gebot des hier vertretenen Systemdenkens. Dem Transfer umwandlungsrechtlicher Wertungen kommt jedoch aus sich heraus (weil es sich um Wertungen des UmwG handelt) keine Überzeugungskraft zu, die über das allgemeine Gebot hinausginge, Wertungen verschiedener Gesetze miteinander abzugleichen. Etwas anderes gilt für den (berechtigten) Transfer von solchen Wertungen des UmwG, die den Minderheitenschutz begrenzen (sog. »negative« Wertungen des UmwG). Da das UmwG anerkanntermaßen ein hohes Niveau des Minderheitenschutzes verwirklicht, liegt es nahe, dass diese Grenzen des Minderheitenschutzes für andere Rechtsmaterien (insbesondere das AktG) verbindlich sind.

E) Zusammenfassung Die Bestandsaufnahme hat folgende Erkenntnisse gebracht: Umfassende Ansätze zur Systematisierung der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche sind kaum vorhanden. Bruchstücke übergreifender Institutionen sind anerkannt bzw. werden diskutiert (allgemeines Austrittsrecht aus wichtigem Grund, Prinzip der vollen Abfindung, Prinzip des Primärschutzes, Prinzip des Bestandsschutzes im weiteren Sinne, Prinzip der Gattungsgleichheit). Mülbert hat mit seinem Konzept des »rein vermögensmäßigen Aktionärsschutzes« ein umfassendes Konzept vorgelegt, das die Abfindungsansprüche einbezieht, jedoch nicht spezifisch auf sie eingeht und kaum Detailfragen der Abfindungsansprüche behandelt. Der Transfer von Wertungen des UmwG auf wirtschaftliche Umwandlungen ist ein Gebot der Systemgerechtigkeit, entfaltet aus sich heraus jedoch keine spezifische Überzeugungskraft. Anders ist dies bei »negativen« Wertungen des UmwG, die den Minderheitenschutz begrenzen.

§ 5 Verfassungsrechtliche Grundlagen Das Fundament, auf dem das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche entstehen soll, wäre unvollständig gelegt, würde man nicht auch die oberste Hierarchieebene des Abfindungsrechts betrachten: das Verfassungsrecht. Die Bedeutung des Verfassungsrechts ist gerade in den letzten Jahren offensichtlich geworden, in denen – mag man dies aus zivilrechtlicher Sicht begrüßen oder nicht – zahlreiche verfassungsgerichtliche Urteile zum Abfi ndungsrecht gefällt wurden1. In diesem Kapitel ist somit ein Teil dessen zu entfalten, was man mit Fleischer bündig als »Aktienverfassungsrecht«2 bezeichnen kann: sozusagen das »Abfindungsverfassungsrecht« (der Aktionäre) 3 . Betrachtet man die Rechtsentwicklung, fällt auf, dass dem Verfassungsrecht (de facto) eine Art »Katalysator-Funktion« für den Minderheitenschutz per Abfindungsrecht zukommt. So wurde erst nach dem DAT/Altana-Urteil des BVerfG anerkannt, dass der Börsenkurs regelmäßig die Untergrenze der Abfindung bildet4 . Verfassungsrechtliche Überlegungen leiteten den BGH in seinem »Guano«Beschluss zum Fortbestehen des Abfindungsanspruchs trotz beendeten Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags5 und im Macrotron-Urteil zum »Pflicht1

Dazu sogleich S. 80 ff. Fleischer, DNotZ 2000, 876, 879. 3 Hierzu auch Hüffer/Schmidt-Aßmann/Weber, Anteilseigentum, Unternehmenswert und Börsenkurs, 2005; Klöhn, ZBB 2003, 208, 214–217; Mülbert/Leuschner, ZHR 170 (2006), 615; Raiser, FS Kümpel, 2003, 437; Schmidt-Aßmann, FS Badura, 2004, 1009; Schön, FS Ulmer, 2003, 1359. Zu den Auswirkungen der BVerfG-Urteile zur Kapitallebensversicherung (BVerfGE 114, 1; BVerfGE 114, 73) auf den Eigentumsschutz im Gesellschaftsrecht Armbrüster, ZGR 2006, 683. 4 Vgl. BGHZ 147, 108, 115 ff. (DAT/Altana). Zuvor galt jahrelang der Satz: »Der Börsenkurs kann sich mit dem wahren Wert der Aktien decken, er kann aber auch niedriger oder höher sein« (BGH NJW 1967, 1464). Vgl. aber auch schon BayObLGZ 1998, 231, 235 ff. (März/EKU) für den Sonderfall, dass im Spruchverfahren kein tragfähiges Bewertungsgutachten vorliegt und auch nicht eingeholt werden kann, sowie OLG Hamm AG 1963, 218, 219; OLG Hamm AG 1964, 41; Busse von Colbe, AG 1964, 263 ff.; Drukarczyk, AG 1973, 357, 361 ff.; Piltz, Die Unternehmensbewertung in der Rechtsprechung, 3. Aufl. 1994, S. 226; Götz, DB 1996, 259, 260 ff.; Aha, AG 1997, 26, 27 f.; Steinhauer, AG 1999, 299 ff.; Zeidler, NZG 1998, 949; Luttermann, EWiR 1998, 821, 822; Luttermann, ZIP 1999, 45 ff.; vorsichtig Ammon, FGPrax 1998, 121, 122; in anderem Zusammenhang Wenger, ZIP 1993, 321, 329. Überblick über die historische Entwicklung bei Stilz, ZGR 2001, 875, 876 ff.; Piltz, ZGR 2001, 185, 187 ff.; Luttermann, ZIP 2001, 869, 870; vgl. auch Komp, Zweifelsfragen des aktienrechtlichen Abfindungsanspruchs nach §§ 305, 320b AktG, 2002, S. 350 ff. 5 So BGHZ 135, 374, 378 f. (Guano); OLG Düsseldorf ZIP 1996, 1610, 1611 f. (Guano); OLG Düsseldorf ZIP 1990, 1333, 1335 (DAB/Hansa); auch BayObLGZ 1998, 231, 234 (März/EKU). 2

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§ 5 Verfassungsrechtliche Grundlagen

angebot« beim regulären Delisting6 . Bei alledem liegt freilich die Vermutung nahe, dass sich die richtigen Ergebnisse hier auch aus »allgemeinen zivilrechtlichen« Erwägungen ergeben hätten7.

A) Verfassungsrecht und Zivilrecht Will man die Bedeutung des Verfassungsrechts für die aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche erfassen, muss man sich zunächst die Wirkung verfassungsrechtlicher Grundsätze auf das einfache Zivilrecht verdeutlichen. Um den Umfang der vorliegenden Arbeit nicht zu sprengen, wird im Folgenden allerdings darauf verzichtet, die einzelnen Theorien über das Verhältnis von Verfassungs- und Privatrecht darzustellen. Es reicht festzustellen, dass sich seit dem sog. »Lüth«-Urteil des BVerfG die Meinung durchgesetzt hat, wonach die Grundrechte nicht nur Abwehrrechte, sondern auch eine objektive Werteordnung enthalten, in deren Licht zivilrechtliche Normen ausgelegt werden müssen8 . Diese sog. mittelbare Drittwirkung der Grundrechte im Privatrecht wird mit verschiedenen Modellen erklärt9, teilweise aus rechtsmethodischen Gründen kritisiert10 , ist aber im Ergebnis wohl allgemein anerkannt11. Nimmt man die Grundsätze über den verfassungsgerichtlichen Prüfungsumfang und die Prüfungsdichte bei Urteilsverfassungsbeschwerden hinzu (»spezifisches Verfassungsrecht«, Heck’sche Formel) 12 , ist man sich im Ergebnis daher weitgehend einig, dass ein Zivilgericht die Eine stark verfassungsrechtliche Interpretation verfolgt auch Gutheil, Die Auswirkungen von Umwandlungen auf Unternehmensverträge nach §§ 291, 292 AktG und die Rechte außenstehender Aktionäre, 2001, S. 182 ff. Kritisch zu dieser Methode insbesondere Luttermann, JZ 1997, 1183, 1184; Luttermann, JZ 1999, 945, 947; Schwark, LM § 305 AktG 1965 Nr. 3, Bl. 2128; in anderem Zusammenhang Fleischer, AG 2001, 171, 175. 6 BGHZ 153, 47, 56 ff. (Macrotron). 7 Vgl. insbesondere Luttermann, JZ 1997, 1183, 1184; ablehnend zu den Macrotron-Grundsätzen jedoch Klöhn, ZBB 2003, 208, 216 f. 8 Grundlegend BVerfGE 7, 198, 203 ff. (Lüth). Speziell für das Aktieneigentum etwa BVerfG NJW 2000, 349, 351 (Wenger/Daimler-Benz); für das »Aktienabfindungsrecht« BVerfG NJW 1999, 1699, 1700 (SEN/KHS); s. auch Hüffer/Schmidt-Aßmann in Hüffer/Schmidt-Aßmann/ Weber, Anteilseigentum, Unternehmenswert und Börsenkurs, 2005, S. 52 f. 9 Zu einem von der Rspr. des BVerfG und h.L. abweichenden Erklärungsmodell siehe insbesondere Canaris, AcP 184 (1984), 201, 225 ff.; Canaris, JZ 1987, 993 ff.; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, S. 11 ff.; Canaris, FS Leisner, 1999, 413, 417 ff. Auf die Schutzpflichten hat das BVerfG in seinen grundlegenden Entscheidungen zum Anlegerschutz bei Kapitalversicherungen zurückgegriffen (BVerfGE 114, 1; BVerfGE 114, 73), in den nachfolgenden Urteilen zum Aktienrecht hat es dies jedoch nicht wiederholt [s. etwa BVerfG NJW 2007, 3265 (Jenoptik); BVerfG NJW 2007, 3266, 3268 (Wüstenrot und Württembergische AG); BVerfG NJW 2007, 3268, 3269 (Edscha); BVerfG ZIP 2007, 2121]. 10 Insbesondere Diederichsen, AcP 196 (1996), 171 ff.; Diederichsen, JURA 1997, 57 ff. 11 Vgl. nur Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 339 und die Nachweise bei Diederichsen, AcP 196 (1996), 171, 172 ff.; ein Konzept der unmittelbaren Drittwirkung vertritt J. Hager, JZ 1994, 373, 374 ff. 12 Dazu schon o. S. 30 m. w. N. in Fn. 194.

B) Art. 14 GG

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Grundrechte nur dann verletzt, wenn seine Entscheidung auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung eines Grundrechts beruht, insbesondere seines Schutzbereichs13 , wenn es eine Entscheidung trifft, die bei Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist14 , oder wenn es die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschreitet15 . Im Folgenden soll dargestellt werden, wie die Grundrechte nach dieser Maßgabe das aktien- und umwandlungsrechtliche Abfi ndungsrecht beeinflussen.

B) Art. 14 GG Im Mittelpunkt steht Art. 14 GG. Die Interpretationsarbeit des BVerfG begann mit dem sog. Feldmühle-Urteil aus dem Jahre 196216 und fand ihren Höhepunkt im DAT/Altana-Beschluss von 199917. Zunächst sollen die Ergebnisse der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung zusammengefasst werden [s. sogleich unter I]. Darauf aufbauend ist die Rechtsprechung des BVerfG zu analysieren [s. u. unter II] 18 . 13 So in st. Rspr. BVerfGE 18, 85, 93; BVerfGE 32, 311, 316; BVerfGE 71, 162, 177. Dabei ist die Prüfung um so intensiver, je nachhaltiger die Entscheidung des Gerichts in die Grundrechte eingreift; deutlich seit BVerfGE 42, 143, 149 (Deutschland-Magazin). 14 Dazu o. die Nachweise auf S.30 in Fn.197. 15 Etwa BVerfGE 7, 111, 119; BVerfGE 18, 224, 236; BVerfGE 34, 269, 280; BVerfGE 65, 182, 190; BVerfGE 71, 354, 362; BVerfGE 79, 106, 120 f. 16 BVerfGE 14, 263 (Feldmühle). 17 BVerfGE 100, 289 (DAT/Altana). 18 Eine Fundamentalkritik der Rechtsprechung des BVerfG findet sich bei Mülbert/Leuschner, ZHR 170 (2006), 615; Leuschner, NJW 2007, 3248. Aufbauend auf Martin Wolff, FS Kahl, 1923, 1, 5 f. (zu Art. 153 WRV) vertreten sie die These, dass der vom BVerfG vertretene, sog. »erweiterte« oder »verfassungsrechtliche« Eigentumsbegriff lediglich im Rahmen der sog. Bestandsgarantie des Eigentumsgrundrechts gelte, nicht aber des sog. Gestaltungsauftrags. Für Letzteren sei lediglich der Eigentumsbegriff i. S. d. § 903 BGB maßgeblich. Konsequenz hieraus sei, dass Art. 14 GG hinsichtlich seiner objektiv-rechtlichen Funktionen für das Gesellschaftsrecht nicht einschlägig sei. Ihm seien keinerlei Anforderungen für die Ausgestaltung der Mitgliedschaft zu entnehmen (zusf. a.a.O. S. 643 u. 646). Diese Ansicht ist jedoch abzulehnen. Zweck von Art. 14 GG ist es – dies wird auch von Mülbert und Leuschner zumindest nicht explizit hinterfragt – dem Grundrechtsträger einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich zu erhalten, um ihm eine eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens zu ermöglichen [etwa BVerfGE 83, 201, 208 (Vorkaufsrecht); BVerfGE 50, 290, 339 (Mitbestimmung); Jarass/Pieroth, GG, 9. Aufl. 2007, Art. 14 Rn. 1; Schmidt-Aßmann, FS Badura, 2004, 1009]. Diese Funktion kann Art. 14 GG nur erfüllen, wenn ihm nicht nur das Sacheigentum des BGB unterstellt wird, sondern grundsätzlich jede Vermögensposition, welche die Daseins- und Wirtschaftsgrundlage des Einzelnen sichert und nicht nur auf staatlicher Zuteilung beruht (etwa Badura, FS Maunz, 1981, S. 1, 8; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 1985, S. 193). Diesen Schutz nur auf die Bestandsgarantie, nicht aber auch auf den Gestaltungsauftrag zu erstrecken, leuchtet nicht ein (ebenso Papier in Maunz/ Dürig/Herzog, GG (Loseblatt), Stand: Juni 2002, Art. 14 Rn. 11; Wendt a.a.O., S. 193): Verfassungsdogmatisch können sowohl Bestandsschutz als auch Gestaltungsauftrag als Ausprägungen der Institutsgarantie des Art. 14 GG verstanden werden, die eben auch Schutz- und Ausgestaltungspflicht enthält (etwa Papier a.a.O. Rn. 11; Jarass/Pieroth a.a.O. Rn. 34). Hiergegen kann man auch nicht einwenden, die Anknüpfung des Gestaltungsauftrags an den erweiterten Eigen-

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§ 5 Verfassungsrechtliche Grundlagen

I) Bestandsaufnahme zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Thesenartig zusammengefasst ergibt die Rechtsprechung des BVerfG zum aktienund umwandlungsrechtlichen Abfindungsrecht folgendes Bild19 : (1) Die aktienrechtliche Mitgliedschaft ist sowohl mit ihren Verwaltungs- als auch Vermögensrechten Eigentum i. S. d. Art. 14 GG 20 . (2) Die charakteristische Struktur des Aktieneigentums liegt in seiner gesellschaftsrechtlichen Vermittlung21 : Der Inhalt des Aktieneigentums ist durch das Gesellschaftsrecht bestimmt und begrenzt 22 , der einzelne Anteilseigner ist an den von der AG gehaltenen Vermögensgegenständen nicht unmittelbar, sondern nur über seine gesellschaftsrechtlichen Einflussrechte beteiligt 23 . Auch die Folgen unternehmerischer Fehlentscheidungen betreffen ihn nicht als Person, sondern nur tumsbegriff führe zu einem Zirkelschluss, weil als verfassungsrechtliches Eigentum nur gelte, was im einfachen Recht als Eigentum ausgestaltet sei (so aber Mülbert/Leuschner a.a.O. S. 636). Dies wäre nur dann der Fall, wenn das Verfassungsrecht notwendigerweise keine weitergehenden Anforderungen an die Ausgestaltung des Eigentums i. S. d. Art. 14 GG stellen würde als nach einfachem Recht vorgegeben. Dass dies nicht so ist, zeigt etwa der vor allem aus dem Steuerrecht bekannte Verfassungsgrundsatz der Folgerichtigkeit (insoweit übereinstimmend Schön, FS Ulmer, 2003, 1359, 1366 ff.; zust. Schmidt-Aßmann a.a.O., S. 1017). Zu einer anderen Betrachtung zwingt schließlich auch nicht der Hinweis auf das Prinzip der Privatautonomie, wonach solche Vermögensrechte nicht Art. 14 GG unterfallen sollen, soweit sie privatautonom ausgehandelt wurden (so aber Mülbert/Leuschner a.a.O. S. 641 f.), denn gerade im Aktienrecht gilt der Grundsatz der Privatautonomie nur sehr beschränkt (§ 23 Abs. 5 AktG). Hiergegen spricht auch nicht, dass die Anwendbarkeit des zwingenden Rechts letztlich auf eine privatautonome Entscheidung des Aktionärs zurückzuführen sei (so Mülbert/Leuschner a.a.O. S. 642). Konsequent zu Ende gedacht, würde dies bedeuten, die vermögensrechtliche Freiheitsgewährung außerhalb des BGBEigentums auf die Garantie zu beschränken, ein vom Gesetzgeber wie auch immer ausgestaltetes Vermögensrecht zu erwerben oder eben nicht zu erwerben. Dies würde aber gerade nicht mehr dem oben genannten Ziel von Art. 14 GG gerecht werden, dem Einzelnen einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich zu erhalten, um ihm eine eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens zu ermöglichen, zumal Grundrechtsträger gerade bei der Altersvorsorge hauptsächlich auf Vermögenswerte jenseits des Sacheigentms zurückgreifen. 19 Zur Entstehungsgeschichte des verfassungsrechtlichen Gebots der vollen Entschädigung ausführlich auch Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, 2007, S. 292 ff.; zum Einfluss des Art. 14 GG auf das aktienrechtliche Informationsrecht Zetzsche, Aktionärsinformation in der börsennotierten Aktiengesellschaft, 2006, S. 136 ff. 20 BVerfGE 14, 263, 276 f. (Feldmühle); BVerfGE 25, 371, 407 (Rheinstahl); BVerfGE 50, 290, 341 (Mitbestimmung); BVerfGE 100, 289, 301 f. (DAT/Altana); BVerfG NJW 2000, 349, 350 (Wenger/Daimler-Benz); BVerfG NJW 2001, 279 (Moto Meter); BVerfG ZIP 2003, 2114, 2115; BVerfG NJW 2007, 3266, 3267 (Wüstenrot und Württembergische AG); BVerfG NJW 2007, 3268, 3269 (Edscha); BVerfG ZIP 2007, 2121; inzident BVerfG ZIP 1999, 1804, 1805 (Hartmann & Braun); BVerfG NJW 2007, 828 (SNI); BVerfG NJW 2007, 3265 (Jenoptik). 21 BVerfGE 14, 263, 276 (Feldmühle); BVerfGE 25, 371, 407 (Rheinstahl); BVerfGE 50, 290, 342 (Mitbestimmung). 22 BVerfGE 25, 371, 407 (Rheinstahl); BVerfGE 50, 290, 342 (Mitbestimmung); BVerfG NJW 2000, 129 (Scheidemandel II); BVerfG ZIP 2003, 2114, 2115; BVerfG NJW 2007, 3265 (Jenoptik); BVerfG NJW 2007, 3266 (Wüstenrot und Württembergische AG); BVerfG NJW 2007, 3268, 3269 (Edscha); BVerfG ZIP 2007, 2121. 23 BVerfGE 50, 290, 342 (Mitbestimmung); dort ist wörtlich die Rede davon, dass »das Vermögensrecht durch das Mitgliedschaftsrecht« vermittelt würde; der weitere Text des Urteils macht aber deutlich, dass mit diesem Vermögensrecht die von der AG gehaltenen Vermögensge-

B) Art. 14 GG

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das eingesetzte Vermögen 24 . Hierdurch sowie durch die Tatsache, dass das Aktieneigentum typischerweise nicht für die eigenverantwortliche Lebensgestaltung notwendig ist 25 , erhält das Aktieneigentum einen nur schwach ausgeprägten »personalen Bezug«26 . Andererseits weist das Aktieneigentum regelmäßig einen besonderen sozialen Bezug und eine soziale Funktion auf27, weil andere, insbesondere Arbeitnehmer, auf die Nutzung des Unternehmens angewiesen sind 28 . Darüber hinaus liegt das Wesen dieses Eigentums in der besonders ausgeprägten Verkehrsfreiheit der Aktien, die es dem Aktionär, jedenfalls in Zeiten funktionierender Kapitalmärkte, praktisch jederzeit erlaubt, sein Kapital nach freiem Belieben zu investieren oder zu deinvestieren 29. (3) Gesellschaftsrechtliche Vorschriften, die einem Mehrheitsaktionär oder einer Mehrheit von Aktionären den zwangsweisen Ausschluss von Minderheitsaktionären erlauben, sind Inhalts- und Schrankenbestimmungen i. S. d. Art. 14 I 2 GG und keine Enteignungen i. S. d. Art. 14 III GG30 . (4) Der zwangsweise Ausschluss von Minderheitsaktionären durch Mehrheitsbeschluss ist grundsätzlich mit Art. 14 GG vereinbar31. Dies gilt unabhängig davon, ob er in einer werbenden oder aufgelösten Gesellschaft erfolgt 32 und ob Stamm- oder Vorzugsaktionäre vom Ausschluss betroffen sind 33 . Gleiches gilt für den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, dessen Beeinträchtigung »einem Verlust (der Mitgliedschaft, Anm. d. Verf.) wirtschaftlich gleichsteht«34 .

genstände bzw. das Unternehmen gemeint sind; s. ferner Papier in Maunz/Dürig/Herzog, GG (Loseblatt), Stand: Juni 2002, Art. 14 Rn. 195. 24 BVerfGE 50, 290, 348 (Mitbestimmung). 25 BVerfGE 50, 290, 348 (Mitbestimmung). 26 BVerfGE 50, 290, 348 (Mitbestimmung); BVerfGE 99, 367, 392 (Montanmitbestimmung). 27 BVerfGE 50, 290, 340 f., 348 f. (Mitbestimmung); BVerfG NJW 1999, 1699, 1700 (SEN/ KHS). 28 BVerfGE 50, 290, 340 f. (Mitbestimmung). Hierzu schon Suhr, Eigentumsinstitut und Aktieneigentum, 1966, S. 84 ff. 29 BVerfGE 100, 289, 305 (DAT/Altana); BVerfG NJW 2001, 279, 280 (Moto Meter); BVerfG NJW 2007, 3265 (Jenoptik); vgl. auch schon BVerfGE 4, 7, 26 (Investitionshilfegesetz): »überwiegend bloßes Vermögensrecht«. 30 BVerfGE 14, 263, 277, 279 (Feldmühle); BVerfGE 100, 289, 304 f. (DAT/Altana); BVerfG NJW 2001, 279, 280 (Moto Meter); BVerfG ZIP 2003, 2114, 2115; BVerfG NJW 2007, 3265 (Jenoptik); BVerfG NJW 2007, 3266, 3268 (Wüstenrot und Württembergische AG); BVerfG NJW 2007, 3268, 3269 (Edscha); BVerfG ZIP 2007, 1987; BVerfG ZIP 2007, 2121; inzident BVerfG NJW 1999, 1699, 1700 (SEN/KHS). 31 BVerfGE 14, 263, 281 f. (Feldmühle); BVerfGE 100, 289, 302 f. (DAT/Altana); BVerfG NJW 2001, 279 (Moto Meter); BVerfG NJW 2007, 3268, 3269 (Edscha); BVerfG ZIP 2007, 2121. 32 BVerfG ZIP 2007, 2121. 33 BVerfG ZIP 2007, 1987. 34 BVerfGE 100, 289, 303 (DAT/Altana); vgl. auch vorher schon BVerfGE 14, 263, 281 (Feldmühle) sowie danach BVerfG ZIP 1999, 1804, 1806 (Hartmann & Braun). Diese Formulierung geht zurück auf BGHZ 135, 374, 377 f. (Guano), der mit einem Hinweis auf die Vorinstanz OLG Düsseldorf ZIP 1996, 1610, 1611 f. (Guano) zeigt, dass der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag den Wert jeder Aktie »weitgehend aufzehrt«.

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§ 5 Verfassungsrechtliche Grundlagen

Der Gesetzgeber hat bei der Ausgestaltung des Aktieneigentums regelmäßig einen »weiten Gestaltungsspielraum«35 . (5) Voraussetzung ist jedoch, dass die berechtigten Interessen der außenstehenden Aktionäre gewahrt werden 36 . Dabei steht für den Aktionär der Schutz der Vermögensrechte vielfach im Vordergrund 37. Der verfassungsrechtliche Schutz darf daher »auf die Vermögenskomponente der Beteiligung konzentriert werden«38 . (a) Erforderlich ist dabei allerdings, dass die Aktionäre für ihren Rechtsverlust voll entschädigt werden 39 ; der Mehrheitsaktionär muss ausgleichen, was dem Minderheitsaktionär an Eigentum im Sinne des Art. 14 GG verloren geht40 ; der Ausscheidende muss erhalten, was seine gesellschaftliche Beteiligung am arbeitenden Unternehmen wert ist41. (b) Ferner müssen den Aktionären wirksame Rechtsbehelfe gegen einen Missbrauch wirtschaftlicher Macht zur Verfügung stehen42 . Sie müssen außerdem angemessene Mittel haben, um die ihnen zustehende volle Entschädigung durchzusetzen43 . Diese Mittel müssen nicht notwendigerweise in einem Abfindungsanspruch bestehen, der im Spruchstellenverfahren kontrolliert wird, ausreichend kann eine gerichtliche Kontrolle im Anfechtungsverfahren sein44 . Sieht das Gericht keine Möglichkeit zu überprüfen, ob die Aktionäre voll entschädigt wurden, so hat es die Maßnahme »auf eine Anfechtungsklage hin zu unterbinden«45 . (c) Nicht von Verfassungs wegen geboten ist eine materielle Beschlusskontrolle des strukturwandelnden Beschlusses46 , die Garantie der Verkehrsfähigkeit eines nach einfachem Recht gegebenen Abfindungsanspruchs47 oder die ausnahmsweise Einräumung von Stimmrechten für Vorzugsaktionäre beim abfindungsauslösen35

BVerfG NJW 1999, 1699, 1700 (SEN/KHS). BVerfGE 14, 263, 283 (Feldmühle); BVerfGE 100, 289, 303 (DAT/Altana); BVerfG NJW 2001, 279, 280 (Moto Meter). 37 So BVerfGE 100, 289, 305 (DAT/Altana); auch BVerfG NJW 2001, 279, 280 (Moto Meter). 38 BVerfG NJW 2001, 279, 280 (Moto Meter). 39 BVerfGE 14, 263, 283 (Feldmühle); BVerfGE 100, 289, 303 (DAT/Altana); BVerfG NJW 1999, 1699, 1700 (SEN/KHS); BVerfG NJW 1999, 1701, 1702 (Tarkett/Pegulan); BVerfG ZIP 1999, 1804, 1806 (Hartmann & Braun); BVerfG DB 2000, 611; BVerfG NJW 2001, 279, 280 (Moto Meter); BVerfG ZIP 2003, 2114, 2115; BVerfG NJW 2007, 828 (SNI); BVerfG NJW 2007, 3266, 3267 (Wüstenrot und Württembergische AG); BVerfG NJW 2007, 3268, 3270 (Edscha). 40 BVerfGE 100, 289, 305 (DAT/Altana); BVerfG ZIP 1999, 1804, 1806 (Hartmann & Braun). 41 BVerfGE 14, 263, 284 (Feldmühle); wiederholt in BVerfGE 100, 289, 303 (DAT/Altana); BVerfG NJW 2001, 279, 280 (Moto Meter). 42 BVerfGE 14, 263, 283 (Feldmühle); BVerfGE 100, 289, 303 (DAT/Altana). Ein solcher Missbrauch kann aber nicht schon darin gesehen werden, dass sich ein Mehrheitsaktionär der wenigen verbliebenen Minderheitsaktionäre entledigen will, BVerfG NJW 2001, 279, 281 (Moto Meter). 43 BVerfGE 14, 263, 283 (Feldmühle); BVerfGE 100, 289, 304 (DAT/Altana); BVerfG ZIP 2003, 2114, 2115; BVerfG NJW 2007, 3268, 3270 (Edscha). 44 BVerfG NJW 2001, 279, 281 (Moto Meter); BVerfG NJW 2007, 3268, 3271 (Edscha). 45 BVerfG NJW 2001, 279, 281 (Moto Meter). 46 BVerfG NJW 2001, 279, 281 (Moto Meter). 47 BVerfG NJW 2007, 3265, 3265 f. (Jenoptik). 36

B) Art. 14 GG

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den Beschluss48 . Ebensowenig ist erforderlich, dass der abfindungsauslösende Beschluss wegen Verfolgung von Sondervorteilen (§ 243 II AktG) anfechtbar ist49. (d) Für den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag bedeutet das Gebot voller Entschädigung, dass sowohl der Ausgleich i. S. d. § 304 AktG als auch die Abfindung gem. § 305 AktG je für sich zu einer solchen vollen Entschädigung führen müssen 50 . (6) Besondere Grundsätze gelten für die Berechnung der Abfindungshöhe: (a) Ausgangspunkt ist, dass die Abfindung einen vollen Ausgleich darstellen muss51. (b) Bei dessen Berechnung (aa) ist der Börsenwert der abhängigen AG grundsätzlich Untergrenze der Abfindung52 . (bb) Dies gilt allerdings nicht, wenn der Börsenkurs ausnahmsweise nicht den Verkehrswert der Aktie widerspiegelt, etwa weil das Gros der Aktien unverkäuflich ist (»Marktenge«) 53 oder wenn längere Zeit praktisch überhaupt kein Handel mit den Aktien der Gesellschaft stattgefunden hat54 . (cc) Aus der Verfassung folgen keine Vorgaben darüber, ob hierbei ein Stichtags- oder Referenzkurs zugrunde zu legen ist 55 . Entscheidet sich die Rechtsprechung für einen Referenzkurs, so darf hierbei die Zeit nach Bekanntgabe oder Bekanntwerden der abfindungsauslösenden Maßnahme berücksichtigt werden 56 . (dd) Unberücksichtigt bleiben jedoch außerhalb der Börse gezahlte Preise 57. (ee) Dies alles gilt sowohl für die Barabfindung als auch für die Abfindung in Aktien. Im letzteren Fall bildet innerhalb der Verschmelzwertrelation der Börsenwert des abhängigen Unternehmens die Untergrenze seines Unternehmenswertes, andererseits bildet der Börsenwert des herrschenden Unternehmens nicht notwendigerweise die Obergrenze seines Wertes58 . (ff) Die gleichen Grundsätze gelten schließlich für die Ermittlung der Verschmelzwertrelation im Rahmen des variablen Ausgleichs59. (c) Greift die Rechtsprechung zulässigerweise auf die betriebswirtschaftlichen Methoden der Unternehmensbewertung zurück, macht die Verfassung keine Vor-

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BVerfG ZIP 2007, 1987 (für den Squeeze-out). BVerfG NJW 2007, 3268, 3271 (Edscha). 50 BVerfG ZIP 1999, 1804, 1805 (Hartmann & Braun). 51 Dazu o. S.82 Fn.39. 52 BVerfGE 100, 289, 307 ff. (DAT/Altana); BVerfG ZIP 1999, 1804, 1805 (Hartmann & Braun). 53 BVerfGE 100, 289, 309 (DAT/Altana). 54 BVerfGE 100, 289, 309 (DAT/Altana). 55 BVerfGE 100, 289, 309 f. (DAT/Altana), BVerfG NJW 2007, 828, 829 (SNI). 56 BVerfG NJW 2007, 828, 829 (SNI). 57 BVerfGE 100, 289, 306 f. (DAT/Altana). 58 BVerfGE 100, 289, 310 f. (DAT/Altana); BVerfG ZIP 1999, 1804, 1806 (Hartmann & Braun). 59 BVerfGE 100, 289, 310 f. (DAT/Altana); BVerfG ZIP 2003, 2114, 2115; BVerfG NJW 2007, 3266, 3267 f. (Wüstenrot und Württembergische AG). 49

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gaben darüber, welche Methode (etwa Ertragswertmethode, Discounted-CashFlow-Verfahren etc.) zu wählen ist60 . (7) Das oben unter (5) genannte Schutzkonzept rechtfertigt den Vorrang der Mehrheitsinteressen nach dem DAT/Altana-Beschluss nur, wenn »gewichtige Gründe des Allgemeinwohls« für einen solchen Vorrang sprechen (schon im MotoMeter-Beschluss wird dieses Erfordernis allerdings nicht mehr erwähnt 61) 62 . Ein überwiegendes Interesse kann allerdings schon in dem unternehmerischen Interesse an Konzern- und Strukturmaßnahmen liegen, sofern ein allgemeines Bedürfnis nach Flexibilität der Unternehmungsverfassung in der Wirtschaftsrealität besteht (z. B. die Notwendigkeit, die Unternehmenstätigkeit sachlich oder räumlich auszuweiten oder zu diversifizieren) 63 . Hierzu gehört das Interesse des Großaktionärs, Mehraufwand durch eine geringe Zahl von Minderheitsaktionären zu vermeiden64 . (8) Verkennt das Gericht die Grundsätze über den oben skizzierten vollen Ausgleich bei Abfindungen, führt also eine Entscheidung dazu, dass die Aktionäre keinen vollen Ausgleich erhalten, so verletzt es die Minderheitsaktionäre in ihrem Grundrecht aus Art. 14 GG 65 . Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn (a) das Gericht die o. genannten Grundsätze über den Börsenkurs als prinzipielle Untergrenze der Abfindung nicht anwendet 66 oder (b) das Gericht die übertragende Auflösung zulässt, ohne zu kontrollieren, ob die Aktionäre für den Verlust ihrer Mitgliedschaft ausreichend entschädigt wurden67. (c) Die vom BGH im Guano-Beschluss aufgestellte These, ein Spruchverfahren sei trotz zwischenzeitlicher Beendigung des abfindungsauslösenden Unternehmensvertrags fortzuführen, ist verfassungsrechtlich jedenfalls dann zwingend, wenn die Vertragspartner den die Beendigung auslösenden Umstand zeitlich nach Beginn des Spruchverfahrens veranlasst haben68 . In diesem Fall kann man daher von einem »verfassungsrechtlich gebotenen Abfindungsanspruch« sprechen. 69

60 BVerfGE 100, 289, 307 (DAT/Altana); BVerfG NJW 2007, 3266, 3268 (Wüstenrot und Württembergische AG). 61 Hierzu noch u. S. 85 ff. 62 So BVerfGE 100, 289, 302 (DAT/Altana). 63 BVerfGE 14, 263, 281, 282 (Feldmühle); BVerfGE 100, 289, 303 f. (DAT/Altana). 64 BVerfG NJW 2001, 279, 280 (Moto Meter); BVerfG NJW 2007, 3268, 3270 (Edscha). 65 BVerfGE 100, 289, 304 f. (DAT/Altana); BVerfG NJW 1999, 1699, 1700 (SEN/KHS); BVerfG ZIP 1999, 1804, 1806 (Hartmann & Braun). 66 BVerfGE 100, 289, 311 ff. (DAT/Altana); BVerfG ZIP 2000, 408 (EURAG Holding AG); BVerfG Beschl. v. 10. 12. 1999–1 BvR 1603/99 (unveröffentlicht). 67 BVerfG NJW 2001, 279, 281 (Moto Meter). 68 BVerfG NJW 1999, 1699, 1700 (SEN/KHS); BVerfG NJW 1999, 1701, 1702 (Tarkett/Pegulan). 69 Vgl. BVerfG NJW 1999, 1699, 1701 (SEN/KHS).

B) Art. 14 GG

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II) Analyse der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 1) Vermögensschutz versus Bestandsschutz a) Inhalt Versucht man, die Grundsätze des BVerfG zu systematisieren, sollte man zunächst festhalten, dass das BVerfG dem Aktieneigentum grundsätzlich keinen Bestandsschutz zuteil werden lässt, sondern nur Vermögensschutz70 . Wenn laut BVerfG schon der erzwungene Ausschluss prinzipiell nicht gegen Art. 14 GG verstößt71, so muss gleiches a fortiori für alle anderen Strukturentscheidungen in der AG gelten, denn diese sind allesamt weniger belastend als der vollständige Ausschluss72 . Darüber hinaus ist die Mehrheitsherrschaft an kein überwiegendes Sachinteresse gebunden; stattdessen kann der Aktionärsschutz »auf die Vermögenskomponente der Beteiligung konzentriert werden«73 . Propagiert wird vom BVerfG also ein flächendeckendes »Dulde, aber liquidiere«74 . Zwei Elemente wirken dieser Maxime jedoch entgegen: das oben unter (7) genannte Erfordernis »gewichtiger Gründe des Gemeinwohls« aus der DAT/AltanaEntscheidung sowie das Erfordernis hinreichender Rechtsmittel gegen einen Missbrauch wirtschaftlicher Macht 75 . Zu untersuchen ist daher, wie ernst es das BVerfG mit den Anforderungen an die »gewichtigen Gründe des Gemeinwohls« meint und inwieweit es bereit ist, bestimmten Strukturentscheidungen von vornherein den Stempel des Missbrauchs wirtschaftlicher Macht aufzudrücken. Je höher die Anforderungen hier geschraubt werden, desto mehr Bestandsschutz erhalten die Minderheitsaktionäre. Hier ist mit dem Moto-Meter-Beschluss ein bemerkenswertes Zeichen gesetzt worden. aa) Kaum Bestandsschutz Hinsichtlich der »gewichtigen Gründe des Allgemeinwohls« lassen zwei Passagen aus dem Moto-Meter-Beschluss aufhorchen. Dort führt das BVerfG aus: »Die vorrangige Berücksichtigung der Interessen des Großaktionärs ist verfassungs70 Vgl. schon Flume, Handelsblatt Nr. 157 v. 17./18. 8. 1962, S. 13 (»keine Herrschaftsmacht, sondern nur eine vermögensmäßige Position«); Drygala, WuB II A § 179a AktG 1.01, 172 f.; Fleischer, DNotZ 2000, 876, 878; Raiser, FS Kümpel, 2003, 437, 446; Saenger, AG 2002, 536, 543. In diesem Sinne vor der Feldmühle-Entscheidung auch schon A. Hueck, DB 1960, 375 ff. 71 S. o. S. 81 unter (4). 72 Diese Konsequenz zog aus der Feldmühle-Entscheidung schon Frhr. v. Falkenhausen, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mehrheitsherrschaft nach dem Recht der Kapitalgesellschaften (AG und GmbH), 1967, S. 237. 73 S. o. S. 82 unter (5). 74 Kritisch hierzu H. Hanau, NZG 2002, 1040 ff.; bereits vorher etwa Fechner in Fechner/ Schneider, Verfassungswidrigkeit und Rechtsmissbrauch im Aktienrecht, 1960, S. 3, 25 ff.; Fechner, AG 1962, 229, 230; Martens, ZGR 1979, 493, 497 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 12 III 2 = S. 705 f. 75 S. o. S. 82 unter (5).

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rechtlich nicht zu beanstanden, wenn dies mit hinreichenden Schutzrechten auch für die Minderheitsaktionäre verbunden ist«76 . Und etwas später wiederholt das BVerfG diese These mit einer Ergänzung: »Das Interesse der Minderheitsaktionäre kann insoweit hinter das Interesse des Großaktionärs an der freien Entfaltung seiner unternehmerischen Initiative zurückgestellt werden, als dabei die schutzwürdigen Interessen der zum Ausscheiden gezwungenen Aktionäre gewahrt bleiben. Das verlangt neben einem wirksamen Schutz gegen einen Missbrauch wirtschaftlicher Macht vor allem eine Entschädigung für den Verlust der Rechtsposition«77. Das BVerfG wiederholt die Passage aus dem DAT/Altana-Beschluss über die »gewichtigen Gründe des Allgemeinwohls« nicht, obwohl es sich an vielen Stellen auf die Entscheidung in Sachen DAT/Altana bezieht. Stattdessen spricht es davon, der Schutz der Minderheitsaktionäre dürfe »auf die Vermögenskomponente (. . .) konzentriert werden«78 – eine deutliche Zurückstellung des Bestandsschutzes. Zwar hat das BVerfG im Moto-Meter-Beschluss nicht darauf verzichtet, die gesamtwirtschaftlich vernünftigen Gründe für die in concreto zur Debatte stehende übertragende Auflösung darzulegen79. Trotzdem kann man zugunsten des Mehrheitsaktionärs solche Gründe wohl bei jeder Strukturmaßnahme anführen. Denn es liegt in der Natur der Sache, dass die einseitige Entscheidungsbefugnis des Mehrheitsaktionärs die AG flexibler macht und mangels Auseinandersetzung mit den Aktionären Kosten vermeidet. So begnügte sich das BVerfG in der Sache SEN/KHS (die vor dem DAT/Altana-Beschluss entschieden wurde) damit, ein »Interesse gesellschaftsrechtlicher Flexibilität und einfacher Konzernbildung« anzuführen, um den (im Urteil so beschriebenen) drastischen Eingriff durch die §§ 291 ff. AktG zu rechtfertigen 80 . In der weiteren Rechtsprechung des BGH werden die »wichtigen Gründe des Allgemeinwohls« nicht mehr geprüft 81, in seinem Edscha-Beschluss zum Squeeze-out verlangt das BVerfG nur noch, dass der Gesetzgeber einen »legitimen Zweck« verfolgt, der allerdings in der Ermöglichung des Ausschlusses von Kleinstbeteiligungen bestehen könne 82 . Tatsächlich ist der »Vorbehalt gewichtiger Gründe« aus dem DAT/Altana-Beschluss spätestens mit der Moto-Meter-Entscheidung unausgesprochen, aber doch unverkennbar zu einem rein formalen Begründungserfordernis degeneriert83 . Gleiches gilt für das Element des »Missbrauchs wirtschaftlicher Macht« 84 . Hier macht das BVerfG im Moto-Meter-Beschluss deutlich, dass es einen Missbrauch nur annehmen will, wenn es für das Vorgehen des Mehrheitsaktionärs keinen legi76

BVerfG NJW 2001, 279, 280 (Moto Meter). BVerfG NJW 2001, 279, 280 (Moto Meter). Damit folgt das BVerfG der Tradition aus BVerfGE 14, 263, 280 ff. (Feldmühle) und BVerfGE 100, 289, 303 f. (DAT/Altana). 78 BVerfG NJW 2001, 279, 280 (Moto Meter). 79 BVerfG NJW 2001, 279, 280 (Moto Meter). 80 BVerfG NJW 1999, 1699, 1700 (SEN/KHS). 81 Etwa BVerfG NJW 2007, 828 (SNI). 82 BVerfG NJW 2007, 3268, 3270 (Edscha); bestätigt in BVerfG ZIP 2007, 2121. 83 Ähnliche Einschätzung bei Schön, FS Ulmer, 2003, 1359, 1388. 84 Frühe Konkretisierung dieses Begriffs bei Ulmer, BB 1964, 665 ff. 77

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timen Grund erkennt85 : »Ein Missbrauch wirtschaftlicher Macht kann aber nicht allein darin gesehen werden, dass ein Mehrheitsaktionär mit seiner Stimmenmehrheit das Ziel verfolgt, sich seiner wenigen verbliebenen Minderheitsaktionäre zu entledigen. Dafür kann es – wie dargestellt – eine Reihe legitimer Gründe geben.« Für diese legitimen Gründe gilt das oben Gesagte: Wenn schon der zweckgerichtete Ausschluss von Minderheitsaktionären nicht als Missbrauch wirtschaftlicher Macht einzuordnen ist, dann ist das Erfordernis eines legitimen Grundes im Sinne der Verfassungsrechtsprechung nicht mehr als ein bloß formales Begründungserfordernis86 . Der verfassungsrechtliche Bestandsschutz der Minderheitsaktionäre ist daher im Ergebnis auf ein Minimum reduziert. Dies wiederum steht im Einklang mit dem vom BVerfG vertretenen Bild des Aktionärs als allein an seinen Vermögensrechten interessierten Anleger87. bb) Strenger Vermögensschutz Diesen lockeren Anforderungen an die »äußeren Grenzen« des Konzepts einer reinen Vermögensgarantie könnte allerdings eine strenge Handhabe der diesem Konzept immanenten, »inneren« Grenzen entsprechen. Zu untersuchen ist daher, wie es um die Anforderungen an die Angemessenheit des Ausgleichs steht. Hier muss man hervorheben, dass ordentliche Gerichte nach dem Wortlaut der verfassungsgerichtlichen Entscheidungen schon dann gegen Art. 14 GG verstoßen, wenn sie den Aktionären keine »volle Entschädigung« für ihre Einbußen gewähren. 88 Auf ein »grobes Verkennen« des Grundsatzes voller Entschädigung – so wie es die Heck’sche Formel nahe legt – kommt es nicht an. Durch diese Haltung droht das BVerfG freilich, zu einer »Superrevisionsinstanz« in Abfindungssachen zu werden, die es im Allgemeinen gerade nicht sein will89 : Mit der Begründung, die Abfindung sei keine »volle« Entschädigung im Sinne der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, könnten Minderheitsaktionäre grundsätzlich jeden Bewertungsfehler vor dem BVerfG angreifen. Dennoch ist der Ausgangspunkt des BVerfG zu begrüßen. Die vom BVerfG propagierte Ausblendung des Bestandsschutzes ist nämlich nur durchführbar, wenn der Bestandsverlust tatsächlich angemessen entschädigt wird90 . Diese Anforderung bildet aus der Sicht des Mehrheitsaktionärs die »Peitsche« für das »Zuckerbrot« des niedrigen Bestandsschutzes. Gegen eine Flut von Verfassungsbeschwer85

BVerfG NJW 2001, 279, 281 (Moto Meter). Auf dieser Linie auch LG Berlin DB 2003, 707, 708 (zur Verfassungsmäßigkeit des Squeezeout), wo das Gebot der vollen Entschädigung mit dem Schutz gegen den Missbrauch wirtschaftlicher Macht gleichgesetzt wird. 87 Dazu o. S. 82 unter (5). 88 S. o. S. 84 unter (8). 89 Dazu die Nachweise o. S. 30 in Fn. 193. 90 Hierzu schon Hirte, WM 1997, 1001, 1007 in Besprechung des von Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996 propagierten Prinzips rein vermögensmäßigen Ausgleichs. 86

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den, die das BVerfG als »Spruchstelle in letzter Instanz« wahrnehmen wollen, wehrt sich das BVerfG – methodisch nicht zu beanstanden – mit Hilfe des § 93a BVerfGG 91. cc) Zwischenergebnis Fasst man die vorstehenden Überlegungen zusammen, so fällt auf, dass die vom BVerfG vertretene Linie in weiten Teilen Mülberts Konzept des »rein vermögensbezogenen Aktionärsschutzes« entspricht92 . Die Prämisse, der verfassungsrechtlich gebotene Schutz könne auf die Vermögensrechte reduziert werden93 , die These, eine materielle Beschlusskontrolle sei verfassungsrechtlich nicht notwendig 94 , und das Bild vom Kleinaktionär als Anleger, der hauptsächlich an seinen Vermögensrechten interessiert sei95 – all dies entspricht Mülberts Konzept. Wie Mülbert ist das BVerfG daher dem Einwand ausgesetzt, dass die angemessene, »volle« Abfindung klar bestimmbar sein muss, dies aber angesichts der hohen Bewertungsschwierigkeiten und des komplizierten Berechnungsverfahrens schwer zu erreichen ist96 . Effektiviert hat das BVerfG den Vermögensschutz freilich dadurch, dass es seit dem DAT/Altana-Beschluss den Börsenkurs als grundsätzliche Untergrenze der Abfindung definiert97, denn hierdurch wird die Unternehmensbewertung erleichtert98 . Die Rechtsprechung des BVerfG ist insofern äußerst konsequent. Was den Vergleich mit Mülbert angeht, muss aber ein wichtiger Unterschied hervorgehoben werden: Während Mülbert den rein vermögensbezogenen Schutz der Aktionäre für allein richtig hält, stellt das BVerfG nur den verfassungsrechtlich gebotenen Mindeststandard auf99. b) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit Ob dieses Konzept des rein vermögensbezogenen Schutzes den Vorgaben des Art. 14 GG entspricht, wird teilweise bestritten100 . So wird eingewandt, der reine 91 S. etwa BVerfG NJW 2001, 279, 281 (Moto Meter); BVerfG ZIP 1999, 1804, 1805 (Hartmann & Braun); BVerfG ZIP 2000, 408 (EURAG Holding AG); BVerfG Beschl. v. 10. 12. 1999–1 BvR 1603/99 (unveröffentlicht). 92 Vgl. auch Fleischer, DNotZ 2000, 876, 878; Fleischer, ZIP 2006, 451, 454; H. Hanau, NZG 2002, 1040, 1041 f. 1042 f.; Mülbert, FS Ulmer, 2003, 433, 437 f.; zu Mülberts Konzept o. S. 57 ff. 93 S. o. S. 82 unter (5). 94 S. o. S. 82 unter (5). 95 S. o. S. 82 unter (5). 96 Hirte, WM 1997, 1001, 1007. Kritisch daher auch schon Fechner in Fechner/Schneider, Verfassungswidrigkeit und Rechtsmissbrauch im Aktienrecht, 1960, S. 3, 63; Fechner, AG 1962, 229, 231. 97 S. o. S. 83 unter (6). 98 Dazu Luttermann, BB 2001, 382, 384. 99 Dies im Hinblick auf die materielle Beschlusskontrolle betonend Fleischer, DNotZ 2000, 876, 878. 100 H. Hanau, NZG 2002, 1040 ff. Zur Vereinbarkeit der §§ 327a ff. AktG mit der EMRK Fleischer/Schoppe, Konzern 2006, 329; Fleischer in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2007, Vor §§ 327a-f Rn. 57 ff.

B) Art. 14 GG

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Vermögensschutz respektiere nicht hinreichend den freiheitsrechtlichen Gehalt der Mitgliedschaft101 ; er berücksichtige nicht, dass sich der Aktionär gerade für eine bestimmte Geldanlage entschlossen habe102 , und werde der Tatsache nicht gerecht, dass Kleinstbeteiligungen nicht immer reine Geldanlagen seien, sondern unternehmerischen Charakter haben könnten103 , zumal die Abfindung im Spruchstellenverfahren nicht immer für einen vollen Ausgleich sorge104 . aa) Grundsätzliche Zulässigkeit Bei dem aufgezeigten Streit geht es im Kern um die Frage, ob der Kleinaktionär nur als an seinen Vermögensrechten interessierter Anleger aufzufassen ist oder als Gesellschafter, dem es (auch) auf die Zweckverfolgung gerade in dem von ihm gewählten Verband ankommt. Ohne dass hier entschieden werden müsste, welches Konzept dem AktG 1965 zugrunde liegt105 , sollte zumindest Einigkeit darüber zu erzielen sein, dass insoweit kaum Vorgaben aus der Verfassung folgen. Alles andere würde den weiten Gestaltungsspielraum ignorieren, den der Gesetzgeber im Rahmen des Art. 14 GG (einem normgeprägten Grundrecht) hat, jedenfalls wenn es um die börsennotierte Gesellschaft geht. Insbesondere die §§ 327a ff. AktG werden von der ganz überwiegenden Meinung daher zu Recht für verfassungsmäßig gehalten106 . Bei der Ausgestaltung des Aktieneigentums durch Inhalts- und Schrankenbestimmungen ist der Gesetzgeber an die Institutsgarantie, den Gleichheits- 107 und 101

H. Hanau, NZG 2002, 1040, 1042. H. Hanau, NZG 2002, 1040, 1043. 103 H. Hanau, NZG 2002, 1040, 1043. 104 Hecker, Regulierung von Unternehmensübernahmen und Konzernrecht, Teil I, 2000, S. 418 ff. et passim; zust. H. Hanau, NZG 2002, 1040, 1043. 105 Dazu Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 55 ff. 106 BGH ZIP 2005, 2107 (Invensys Metering Systems/Meinecke); BGH ZIP 2006, 2080, 2081; KG AG 2004, 478, 479; OLG Düsseldorf ZIP 2004, 359, 360 (Edscha); OLG Düsseldorf AG 2005, 293, 294; OLG Düsseldorf AG 2008, 498, 499; OLG Hamburg ZIP 2003, 1344, 1348 (Philips/PKV); OLG Hamburg ZIP 2003, 2076, 2077 (Metropol/Volksfürsorge); OLG Hamburg ZIP 2004, 2288, 2289 (RWE DEA); OLG Hamm ZIP 2005, 1457, 1458 (GEA); OLG Hamm AG 2005, 854 (Harpen/RWE); OLG Köln ZIP 2004, 760, 762; OLG Oldenburg ZIP 2003, 1351 (KM Europa Metal); OLG Stuttgart ZIP 2003, 2263, 2266 f. (Alcatel SEL AG); OLG Stuttgart AG 2005, 662, 663; OLG Stuttgart ZIP 2006, 27, 30 (Landesbank Baden-Württemberg); LG Berlin ZIP 2003, 1352, 1353 f.; LG Hamburg ZIP 2003, 947, 950 f. (Volksfürsorge Holding AG); LG Heidelberg AG 2006, 760, 761 (Novasoft); LG Osnabrück AG 2002, 527 (KM Europa Metal); aus der Literatur etwa Aha, BB 2003, 2310; Austmann in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 74 Rn. 9; Grunewald in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2004, Vor § 327a Rn. 8; Quandt, Squeeze-out in Deutschland, 2007, S. 41 ff.; Posegga, Squeeze-out, 2006, S. 59; Rühland, Der Ausschluß von Minderheitsaktionären aus der Aktiengesellschaft, (Squeeze-out), 2003, S. 129; Scharpf, Chancen und Risiken beim Ausschluss von Minderheitsaktionären, 2004, S. 35 (»ist zu erwarten«); Schnorbus in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, Vor §§ 327a–327f Rn. 5; Frhr. v. Schnurbein, AG 2005, 725, 729 f.; Stumpf, NJW 2003, 9, 12; Sellmann, WM 2003, 1545, 1546 f.; Wirth/Arnold, AG 2002, 503, 506; differenzierend Meilicke, AG 2007, 261. 107 Dazu auch schon o. S. 19 ff. 102

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den Verhältnismäßigkeitssatz gebunden108 . Hier kann man zwar gegen die Zulässigkeit von abfindungsbewährten Eigentumsbeschränkungen der Minderheitsaktionäre einwenden, dass sich Privateigentum gerade durch den Schutz des Eigentums »an sich« auszeichne und nicht nur, soweit es nicht gesamtökonomisch sinnvoller genutzt werden kann109. Der Gefahr, von der Aktionärsmehrheit auf die Vermögenskomponente seines Aktieneigentums reduziert zu werden, unterliegt der Kleinaktionär aber nur in eng umrissenen, an relativ hohe Mehrheitsschranken gebundenen Fällen. Dass das Eigentumsinstitut durch diese Regeln so sehr aufgeweicht sei, dass es »seinen Namen nicht mehr verdient«110 , kann man beim jetzigen Stand der Gesetzgebung nicht behaupten. bb) Zulässigkeit für kapitalmarktferne Aktiengesellschaften Fraglich ist daher allein, ob sich das oben genannte Konzept für nicht börsennotierte Aktiengesellschaften aufrechterhalten lässt. Praktische Bedeutung erlangt die Frage insbesondere für den aktienrechtlichen Squeeze-out und die übertragende Auflösung: Ist hier eine verfassungskonforme Auslegung geboten, so dass beide Instrumente bei geschlossenen Aktiengesellschaften unanwendbar sind111? Das BVerfG hat diese Frage in seinen kürzlichen Squeeze-out-Beschlüssen ebenso offen gelassen112 wie der BGH113 . Eine solche Einschränkung könnte geboten sein, weil die Eigenart des zu beurteilenden Eigentums bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung eigentumsrelevanter Maßnahmen eine besondere Rolle spielt114 . So wird etwa Grund und Boden als »unentbehrliches und unvermehrbares Gut« beschrieben, »das nicht dem unübersehbaren Spiel der freien Kräfte überlassen werden darf«115 und der Ertrag eigener Leistung und Arbeit als besonders schützenswerte Rechtsposition bezeich-

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BVerfGE 35, 263, 276; BVerfGE 58, 300, 336 (Nassauskiesung); Jarass/Pieroth, GG, 9. Aufl. 2007, Art. 14 Rn. 21 f. Dazu auch Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 465 ff.; vgl. ferner Papier in Maunz/Dürig/Herzog, GG (Loseblatt), Stand: Juni 2002, Art. 14 Rn. 38. 109 H. Schulte, Eigentum und öffentliches Interesse, 1970, S. 118. Hierzu noch vertiefend u. S. 181 f. 110 So eine gängige Formulierung im Zusammenhang mit der Institutsgarantie von BVerfGE 24, 367, 389 (Hamburger Deichordnungsgesetz). 111 So im Ergebnis H. Hanau, NZG 2002, 1040, 1047; de lege ferenda Habersack, ZIP 2001, 1230, 1235; dagegen OLG Oldenburg AG 2002, 682 (KM Europa Metal); LG Osnabrück AG 2002, 527 (KM Europa Metal); Lenz/Leinekugel, Eigentumsschutz beim Squeeze-out, 2004, S. 80; Posegga, Squeeze-out, 2006, S. 56 ff.; Wirth/Arnold, AG 2002, 503, 506; zweifelnd OLG Hamburg ZIP 2004, 2288, 2289 (RWE DEA). 112 BVerfG NJW 2007, 3268 (Edscha) betraf eine börsennotierte AG; in BVerfG ZIP 2007, 2121 ging es – soweit ersichtlich – um eine kapitalmarktferne AG, deren Vermögen jedoch im Wesentlichen aus einer atypischen Beteiligung an einer Bank bestand. Auch hier handelte es sich also nicht um eine klassische Familien-AG. 113 BGH ZIP 2005, 2107 (Invensys Metering Systems/Meinecke); BGH ZIP 2006, 2080. 114 Dazu allgemein Depenheuer in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Aufl. 2005, Art. 14 Rn. 274 ff; Pieroth/Schlink, Grundrechte, 23. Aufl. 2007, Rn. 930 ff. 115 Vgl. BVerfGE 21, 73, 82 f.; BVerfGE 82, 6, 16 (für Wohnraum); BVerfGE 87, 114, 146.

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net116 . Wie bereits oben genannt, sieht das BVerfG die charakteristische Eigenschaft des Aktieneigentums in seiner gesellschaftsrechtlichen Vermittlung, in der Fremdorganschaft und darin, dass Dritte, insbesondere Arbeitnehmer, auf die Nutzung des von der AG getragenen Unternehmens angewiesen sind. Diese Kriterien können je nach tatsächlichem Erscheinungsbild der AG schwächer oder stärker ausgeprägt sein (z. B. ist der Arbeitnehmerbezug abhängig von der Größe des Unternehmens und das Ausmaß von gesellschaftsrechtlicher Vermittlung und Fremdbestimmung hängt von der Anzahl der Aktionäre ab). Allerdings sind diese Kriterien bisher nur fruchtbar gemacht worden, als es um das Maß der Sozialbindung aller Aktionäre gegenüber Dritten ging, insbesondere in der Mitbestimmungsfrage117. Für den hier interessierenden Bereich, das Verhältnis der Aktionäre untereinander, hat das BVerfG schon in dem grundlegenden »Feldmühle«-Urteil deutlich gemacht, dass es seine Grundsätze nicht nur für börsennotierte Unternehmen, sondern etwa auch für Familiengesellschaften verstanden wissen wollte118 . Einen ähnlichen ausdrücklichen Hinweis enthält allerdings weder der »Moto-Meter«-Beschluss des BVerfG, mit dem die Hinwendung zu dem allein auf Vermögensschutz zielenden Konzept endgültig und ausdrücklich vollzogen wurde119, noch die EdschaEntscheidung zum Squeeze-out. Im Gegenteil: Abgestellt wird ausdrücklich auf das Bild des Aktionärs als eines nur an seiner Kapitalanlage interessierten Anlegers120 . Auch die jederzeitige Veräußerungsmöglichkeit der Aktie, die das BVerfG seit dem »DAT/Altana«-Beschluss als Charakteristikum des Aktieneigentums herausstellt121, wird man Anteilen an Familiengesellschaften nicht ohne Weiteres attestieren können. Schließlich sieht das BVerfG im Mitbestimmungs-Urteil einen Grund für die hohe Sozialbindung des Anteilseigentums darin, dass die Aktionäre in Gemeinschaft mit anderen Gesellschaftern (wirtschaftlich) ein Unternehmen betreiben122 . Wenn diese Verbundenheit ein Grund sein soll, dem Aktieneigentum im Interesse Dritter Schranken zu setzen, dann könnte sie auch gebieten, die Mehrheitsherrschaft in der Aktiengesellschaft zu begrenzen. Pro Einschränkung des vom BVerfG verfolgten »Dulde, aber liquidiere« bei kapitalmarktfernen Aktiengesellschaften spricht schließlich ein Gedanke, der schon 116 BVerfGE 58, 137, 150 (Pflichtexemplar); hierzu auch Bryde in von Münch/Kunig, GG, 5. Aufl. 2000, Art. 14 Rn. 59; Jarass/Pieroth, GG, 9. Aufl. 2007, Art. 14 Rn. 44; Sieckmann in Friauf/Höfling, Berliner Kommentar (Loseblatt), Stand: Dezember 2002, Art. 14 Rn. 142. 117 Vgl. BVerfGE 25, 371, 407 (Rheinstahl); BVerfGE 50, 290, 340 ff., 347 ff. (Mitbestimmung); BVerfGE 99, 367, 392 (Montanmitbestimmung). 118 BVerfGE 14, 263, 274 (Feldmühle), wo das BVerfG das Spektrum der Erscheinungsformen von Aktiengesellschaften im Wirtschaftsleben aufzeichnet und anschließend keine Einschränkungen etwa für Familiengesellschaften erwähnt. 119 Dazu o. S. 85 ff. 120 BVerfG NJW 2001, 279, 280 (Moto Meter); BVerfG NJW 2007, 3268, 3270 (Edscha). Hierzu im vorliegenden Zusammenhang auch Fleischer, ZGR 2002, 757, 771; H. Hanau, NZG 2002, 1040, 1043; ohne Bezug zum BVerfG-Beschluss auch Drygala, AG 2001, 291, 298. 121 S. oben S. 80 unter (2). 122 BVerfGE 50, 290, 348 f. (Mitbestimmung).

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häufiger angesprochen wurde: Die Überzeugungskraft jedes auf reinen Vermögensschutz ausgerichteten Konzepts steht und fällt mit der Berechenbarkeit des tatsächlich angemessenen Ausgleichs123 . Für die börsennotierte AG fällt diese Berechnung aber grundsätzlich leichter als bei der nicht gelisteten Aktiengesellschaft, denn hier können die Gerichte auf die Einschätzung des Kapitalmarkts zurückgreifen124 . Auch wird der Aktionär einen rein vermögensmäßigen Ausgleich leichter hinnehmen, wenn er feststellen kann, dass er ungefähr das bekommt, was er bei einer freien Deinvestitionsentscheidung über die Börse erhalten hätte. Bei geschlossenen Aktiengesellschaften gelten diese Gründe hingegen nicht. Schließlich muss selbst die angemessene Entschädigung des Aktionärs einer Familiengesellschaft nicht immer eine hinreichende Kompensation darstellen: zum einen, weil der Aktionär vielleicht emotional mit »seiner« AG verbunden ist, zum anderen, weil er sich mit der angemessenen Abfindung nicht sofort in eine andere (Familien-)AG einkaufen kann. So berechtigt diese Argumente sein mögen – fraglich ist, ob sie schon auf Verfassungsebene zu einem Paradigmenwechsel nötigen. Denn einen grundsätzlich weiten Spielraum bei der Ausgestaltung des Aktieneigentums hat der Gesetzgeber auch hier125 . Darüber hinaus kann man den oben genannten Bedenken auf einfachgesetzlicher Ebene Rechnung tragen, etwa durch eine Absenkung der Missbrauchsschwelle, bei deren Übertretung Squeeze-out und übertragende Auflösung rechtswidrig sind. Ob sich aus dem Bild der Familien- bzw. nicht börsennotierten Aktiengesellschaft etwas anderes herleiten lässt, ist noch aus anderen Gründen zweifelhaft: So unterliegt das Anteilseigentum an Familen-AGs seit jeher Beschränkungen, mit denen es zum reinen Vermögensrecht reduziert werden kann. Jeder Aktionär einer solchen Gesellschaft, dessen Anteil nicht an die Grenze der Sperrminorität heranreicht, ist der Gefahr ausgesetzt, dass die Mehrheit gegen seinen Willen die Auflösung der AG beschließt (§ 262 I Nr. 2 AktG); jeder Aktionär läuft Gefahr, dass seine Beteiligung durch den Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags entwertet wird (§ 293 I 2 AktG). Auch das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts vom 2. 8. 1994126 brachte keine Änderungen, die das Verhältnis der Gesellschafter untereinander betrafen. Das vom BVerfG verfolgte Konzept eines »Dulde, aber liquidiere« lässt sich daher grundsätzlich unabhängig davon vertreten, ob man es mit einer börsennotierten oder kapitalmarktfernen Aktiengesellschaft zu tun hat. Verfassungsrechtliche Vorgaben nötigen daher z. B. nicht dazu, den Anwendungsbereich der §§ 327a ff. AktG auf Börsengesellschaften zu reduzieren.

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Hirte, WM 1997, 1001, 1007. Dazu schon o. S. 88. Vgl. auch BVerfGE 14, 263, 278 (Feldmühle). BGBl. I, S. 1961.

B) Art. 14 GG

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cc) Verfassungsmäßigkeit des übernahmerechtlichen Squeeze-out (§ 39a WpÜG) Das gegenwärtig wohl umstrittenste Thema des »Abfindungsverfassungsrechts« lautet, ob der übernahmerechtliche Squeeze-out des § 39a WpÜG mit Art. 14 GG vereinbar ist. Zweifelhaft ist dies, weil § 39a III 3 WpÜG nach der ausdrücklichen Gesetzesbegründung eine unwiderlegliche Vermutung für die Angemessenheit der Abfindung enthalten soll127. Dies könnte gegen Art. 14 GG verstoßen, denn nach der Rechtsprechung des BVerfG setzt die Verfassungsmäßigkeit einer Abfindungsregelung im Aktienrecht voraus, dass der Aktionär voll entschädigt wird und ihm Rechtsmittel zur Verfügung stehen, um sich gegen einen Missbrauch wirtschaftlicher Macht zu wehren128 . Es ist allerdings zweifelhaft, ob § 39a WpÜG überhaupt an den Maßstäben des Art. 14 GG zu messen ist129. Bekanntlich gilt nach der sog. »Solange-Rechtsprechung« des BVerfG, dass Vorschriften, die europäisches Sekundärrecht umsetzen, grundsätzlich nicht an den Grundrechten zu messen sind130 . Es kommt daher zunächst darauf an, ob die europarechtliche Grundlage des § 39a WpÜG – Art. 15 V Unterabs. 2 u. 3 ÜbernahmeRiLi – eine widerlegliche oder unwiderlegliche Vermutung enthält. Würde es sich um eine unwiderlegliche Vermutung handeln, könnte auch der Verweis auf die BVerfG-Entscheidung zum Europäischen Haftbefehl131 nicht für die Verfassungswidrigkeit des § 39a WpÜG angeführt werden132 , denn der nach dieser Entscheidung vorausgesetzte Entscheidungsspielraum hätte dem deutschen Gesetzgeber gerade nicht zur Verfügung gestanden. Tatsächlich dürfte Art. 15 V Unterabs. 2 u. 3 ÜbernahmeRiLi als unwiderlegliche Vermutung zu verstehen sein133 . Hierfür spricht zum einen der Wortlaut der 127 Begr. RegE ÜbernRUmsG, BT-Drucks. 16/1003, S. 22; aA LG Frankfurt ZIP 2008, 1769 (Deutsche Hypothekenbank); offen gelassen von OLG Franfurt ZIP 2009, 74 (Deutsche Hypothekenbank); LG Frankfurt Beschl. v. 2. 8. 2007–3–5 O 138/07 rkr., http://www.juris.de/jportal/ portal/t/g9w/page/jurisw.psml?doc.hl=1&doc.id=KORE500312008%3Ajuris-r01&showdoccas e=1&documentnumber=1&numberofresults=1&doc.part=L&doc.price=0.0¶mfromHL=t rue#focuspoint m. Anm. Wilsing/Ogorek, EWiR 2007, 763. Für widerlegliche Vermutung noch der Gesetzgebungsvorschlag von Hopt/Mülbert/Kumpan, AG 2005, 109, 117. 128 S. o. S. 82 unter (5). 129 Dagegen Merkt/Binder, BB 2006, 1285, 1290; N. Ott, WM 2008, 384, 390; Santelmann in Steinmeyer/Häger, WpÜG, 2. Aufl. 2007, § 39a Rn. 7; dafür jedoch Heidel/Lochner, Konzern 2006, 653, 655; Heidel/Lochner, in Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2007, § 39a WpÜG Rn. 40; Maul, NZG 2005, 151, 157; Stöwe, Der übernahmerechtliche Squeeze-out, 2007, S. 80 ff. 130 BVerfGE 73, 339 (Solange II); BVerfGE 89, 155 (Maastricht); BVerfGE 102, 147 (Bananenmarktordnung). 131 BVerfGE 113, 273 (Europäischer Haftbefehl). 132 So aber Heidel/Lochner, Konzern 2006, 653, 656; Heidel/Lochner, in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2007, § 39a WpÜG Rn. 48. 133 Ebenso Austmann/Mennicke, NZG 2004, 846, 851; Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2006, 177, 179; Hasselbach, ZGR 2005, 387, 404 f.; A. Meyer, WM 2006, 1135, 1142; H. Krause, BB 2004, 113, 117; inzident Wiesner, ZIP 2004, 343, 349; a. A. Heidel/Lochner, Konzern 2006, 653, 656; Holzborn/Müller in Bürgers/Körber, AktG, 2008, Anh § 327a/§§ 39a-39c WpÜG Rn. 12; Maul/Muffat-Jeandet, AG 2004, 306, 317; Maul, NZG 2005, 151, 157; Mülbert, NZG 2004, 633, 634; Paefgen, FS Westermann, 2008, 1221, 1237 ff.; Rühland, NZG 2006, 401, 406.

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§ 5 Verfassungsrechtliche Grundlagen

Richtlinie, der neben der Vermutungsregel (»gilt«, »shall be presumed«, »est présumée«) keine Ausnahmen enthält. Dies folgt zum anderen aus dem Zweck dieser Regelung, denn dieser besteht darin, dem Bieter eine zügige Integration der Zielgesellschaft zu ermöglichen134 . Dieses Ergebnis überzeugt auch unter dem Gesichtspunkt einer systematischen Auslegung. Zu bedenken ist, dass die Grundsätze der Art. 15 II-V Übernahme RiLi beim übernahmerechtlichen Andienungsrecht ebenfalls zur Anwendung kommen sollen (Art. 16 III ÜbernahmeRiLi). Dieses Andienungsrecht ist Ausprägung zweier allgemeiner Prinzipien der ÜbernahmeRiLi, nämlich zum einen des Gleichbehandlungsgrundsatzes [Art. 3 I lit. a) ÜbernahmeRiLi], zum anderen der Vorgabe des Art. 3 I lit. b) ÜbernahmeRiLi, wonach die Aktionäre über genügend Zeit verfügen müssen, über die Annahme des Angebots zu entscheiden. Das Andienungsrecht soll den restlichen Aktionären ermöglichen, zu den Konditionen des Übernahme- bzw. Pflichtangebots aus der Zielgesellschaft auszusteigen, damit sie nicht aus Angst davor, als »Minderheit auf Abruf« in der Gesellschaft zu verbleiben, das Angebot annehmen. Insofern steht Art. 16 ÜbernahmeRiLi in einem systematischen Zusammenhang mit der in Art. 7 II 1 ÜbernahmeRiLi vorgesehenen Ermächtigung der Mitgliedstaaten, besondere Fälle der Annahmefristverlängerung vorzusehen (in Deutschland umgesetzt durch die »Zaunkönigregelung« des § 16 II 1 WpÜG). All diese Ziele werden auch dann erreicht, wenn Art. 15 V Unterabs. 2 u. 3 ÜbernahmeRiLi eine unwiderlegliche Vermutung aufstellen. Andererseits würde die Kalkulationssicherheit des Bieters unnötig beeinträchtigt, wäre er der Gefahr ausgesetzt, sein Angebot nachträglich zu erhöhen. Auch die von der Gegenansicht vorgebrachten historischen Argumente ändern nichts an diesem Befund. Soweit darauf hingewiesen wird, der Entwurf der Winter-Gruppe sei Vorlage für Art. 15 ÜbernahmeRiLi gewesen135 , kommt dies zumindest im Wortlaut der letztlich verabschiedeten Fassung nicht mehr zum Ausdruck. Ebenso wenig hilft der Verweis auf den britischen Companies Act, an den Art. 15 ÜbernahmeRiLi angelehnt sein soll136 . Denn gerade diese Vorschriften enthalten schon nach ihrem Wortlaut Ausnahmen von der Vermutungswirkung (sec. 430C Companies Act 1985 bzw. sec 986 Companies Act 2006), sind also ausdrücklich als widerlegliche Vermutungen ausgestaltet. Da es an vergleichbaren Ausnahmen in Art. 15 ÜbernahmeRiLi fehlt, bietet sich also ein argumentum e contrario an. Art. 15 III Unterabs. 2 u. 3 ÜbernahmeRiLi enthält daher eine unwiderlegliche Vermutung für die Angemessenheit der Abfindung. § 39a WpÜG ist daher nicht an den Maßstäben des Art. 14 GG zu messen.

134 Dazu Bericht der Hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über die Abwicklung von Übernahmeangeboten (10. 1. 2002), abrufbar unter http://ec. europa.eu/internal_market/company/docs/takeoverbids/2002–01-hlg-report_de.pdf. 135 Heidel/Lochner, Konzern 2006, 653, 656; Mülbert, NZG 2004, 633, 634; Paefgen, FS Westermann, 2008, 1221, 1237. 136 Etwa Paefgen, FS Westermann, 2008, 1221, 1237.

B) Art. 14 GG

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2) Das Gebot der vollen Entschädigung Kehrseite des kaum vorhandenen Bestandsschutzes ist, wie schon mehrmals erwähnt, das Gebot der vollen Entschädigung. Dieses Prinzip ist das Fundamentalprinzip des »Abfindungsverfassungsrechts«137. Ihm soll daher nähere Aufmerksamkeit geschenkt werden. a) Verfassungsdogmatische Einordnung Fraglich ist zunächst die verfassungsdogmatische Einordnung dieses Gebots. Hierzu dringt man vor, wenn man klärt, wie die Normen ins Dogmengebäude des Verfassungsrechts passen, die abfindungsauslösende Strukturbeschlüsse erlauben (§§ 293 I, 319 I 1 AktG etc.). Legalenteignungen sind sie – das ist vom BVerfG ausgesprochen138 und heute ganz herrschende Ansicht139 – nicht. Wenn auf der anderen Seite betont wird, dass diese Inhalts- und Schrankenbestimmungen nur bei voller Entschädigung der Aktionäre zulässig seien, dann schimmert hier die gängige Definition eines verfassungsrechtlichen Instituts durch, das höchstrichterlich erstmals im sog. »Pfl ichtexemplar«-Beschluss140 anerkannt wurde und das in der heutigen Praxis zu Art. 14 GG eine überragende Rolle spielt141 : die ausgleichspfl ichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung142 . Hierunter versteht man abstrakt-generelle Eigentumsschranken, die zwar keine Enteignungen i. S. d. Art. 14 III GG sind, die aber doch so stark in das Eigentum eingreifen, dass sie den verfassungsrechtlichen Geboten der Verhältnismäßigkeit und Gleichheit nur genügen, wenn sie zumindest für bestimmte Ausnahmefälle Entschädigungsansprüche der Eigentümer festlegen143 . In diese Gruppe können auch privatrechtliche Normen fallen144 , und gerade die §§ 3 ff. 137

S. schon o. S. 87 f. Vgl. o. S. 81 unter (3). 139 S. nur Hüffer/Schmidt-Aßmann in Hüffer/Schmidt-Aßmann/Weber, Anteilseigentum, Unternehmenswert und Börsenkurs, 2005, S. 51; Schön, FS Ulmer, 2003, 1359, 1384; Schroeder, DB 1978, 246; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 1985, S. 335. Vgl. aber auch Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, 1995, S. 83; Schwabe, Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte, 1977, S. 118 ff., insbes. S. 125; zweifelnd Berkemann in Umbach/Clemens, GG, 2002, Art. 14 Rn. 469. 140 BVerfGE 58, 137 (Pflichtexemplar); vgl. vorher schon BVerfG 31, 229, 243 (Urheberrecht); BVerfGE 57, 107, 117 (Bundes-Seuchengesetz). 141 Vgl. etwa BVerfG 79, 174, 192 (Straßenverkehrslärm); BVerfGE 83, 201, 213 (Vorkaufsrecht); BVerfGE 100, 226, 244 (Rheinland-pfälzisches Denkmalschutzgesetz). 142 Kritisch zur Terminologie Depenheuer in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Aufl. 2005, Art. 14 Rn. 239. 143 So oder ähnlich Depenheuer in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Aufl. 2005, Art. 14 Rn. 237; Jarass/Pieroth, GG, 9. Aufl. 2007, Art. 14 Rn. 46; Kischel, JZ 2003, 604, 604 f.; Papier, DVBl. 2000, 1398, 1401; Wieland in Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Art. 14 Rn. 132; auch schon L. Schulze-Osterloh, NJW 1981, 2537, 2543. In der Sache ähnlich das Konzept der »sozialpflichtüberschreitenden Schrankenziehung«, vgl. dazu Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 1985, S. 337 ff. 144 Bryde in von Münch/Kunig, GG, 5. Aufl. 2000, Art. 14 Rn. 65; Wendt in Sachs, GG, 3. Aufl. 2003, Art. 14 Rn. 83. 138

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§ 5 Verfassungsrechtliche Grundlagen

UmwG 1956, mit denen sich das BVerfG in seiner grundlegenden Feldmühle-Entscheidung befasste145 , werden zu diesen Beschränkungen gezählt146 . Dazu steht es nicht im Widerspruch, dass das BVerfG in den oben genannten Entscheidungen eine »volle« Abfindung für notwendig hält. Zwar gilt im »Recht der ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung« der Grundsatz, dass der von einer solchen Norm betroffene Eigentümer nur Ersatz verlangen kann, soweit die Beschränkung seines Eigentums die Zumutbarkeitsschwelle überschreitet147. Dies gilt aber gerade nicht, wenn der Eingriff – wie beim Abfindungsrecht – auch im Interesse Privater erfolgt148 . Damit entpuppt sich das oben genannte Prinzip der vollen Entschädigung als Ausformung eines von Lerke Osterloh entwickelten Gebots, dem die gesamte Figur der ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung ihre Existenz verdankt: dem verfassungsrechtlichen »Prinzip der Eigentumsopferungsentschädigung«, d. h. dem (von Art. 14 III GG zu unterscheidenden, aus dem Gleichheitsund Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgenden) verfassungsrechtlichen Entschädigungsgebot149.

145

BVerfGE 14, 263 (Feldmühle). Bryde in von Münch/Kunig, GG, 5. Aufl. 2000, Art. 14 Rn. 65; Papier in Maunz/Dürig/ Herzog, GG (Loseblatt), Stand: Juni 2002, Art. 14 Rn. 344 mit Fn. 2; L. Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, 1980, S. 262; L. Schulze-Osterloh, NJW 1981, 2537, 2543 f.; vgl. auch Wendt in Sachs, GG, 4. Aufl. 2007, Art. 14 Rn. 84, Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 1985, S. 336, 337 ff. Für den Entzug von Mehrstimmrechten Zöllner/H. Hanau, AG 1997, 206, 215; Zöllner/Noack, AG 1991, 157, 161 f.; ähnlich Saenger, ZIP 1997, 1813, 1818 ff. Wieder andere versuchen, die Rechtsfigur der ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung aus den privatrechtlichen Aufopferungsansprüchen zu begründen, dazu Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, 1995, S. 509 ff. m. w. N. 147 Depenheuer in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Aufl. 2005, Art. 14 Rn. 249. 148 BVerfGE 14, 263, 284 (Feldmühle). Vgl. auch Wendt in Sachs, GG, 3. Aufl. 2003, Art. 14 Rn. 83; Hüttemann, ZGR 2001, 454, 456. 149 L. Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, 1980, S. 276 ff.; L. Schulze-Osterloh, NJW 1981, 2537, 2541 ff. Hierzu als Grundlage der ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung Bryde in von Münch/ Kunig, GG, 5. Aufl. 2000, Art. 14 Rn. 65; Pieroth/Schlink, Grundrechte, 23. Aufl. 2007, Rn. 934; Wieland in Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Art. 14 Rn. 134. Kritisch zu diesem Entschädigungsgebot neben Art. 14 III GG etwa Papier in Maunz/Dürig/Herzog, GG (Loseblatt), Stand: Juni 2002, Art. 14 Rn. 346. Als grundlegend für das Institut der ausgleichspfl ichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmungen gilt auch die Schrift von P. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, 1961; vgl. im Übrigen schon H. Schulte, Eigentum und öffentliches Interesse, 1970, S. 124 ff.; H. P. Ipsen, Enteignung und Sozialisierung, VVDStRL 10 (1952), 74, 97. Im Gegensatz zur im Haupttext vertretenen Ansicht sieht Wiedemann, ZGR 1999, 857, 867 das vom BVerfG für das Abfindungsrecht anerkannte Entschädigungsgebot als Ausprägung des verfassungsrechtlichen Untermaßverbotes an. Wie hier schon Klöhn, ZBB 2003, 208, 215 f.; zust. Krolop, NZG 2005, 546, 547; auf den Gleichheitssatz und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ebenfalls abstellend, ohne jedoch ausdrücklich das verfassungsrechtliche Entschädigungsgebot heranziehend Hüffer/SchmidtAßmann in Hüffer/Schmidt-Aßmann/Weber, Anteilseigentum, Unternehmenswert und Börsenkurs, 2005, S. 53 ff. 146

B) Art. 14 GG

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b) Inhaltliche Fragen So klar das Prinzip der vollen Entschädigung in das Dogmengebäude des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes passt, so kryptisch bleibt sein Inhalt, wenn man es sich näher vor Augen führt. Fasst man die Grundsätze des BVerfG zum Prinzip der vollen Entschädigung zusammen, so ergibt sich folgendes Bild. (1) Anwendungsbereich des Prinzips sind Strukturveränderungen in der AG, durch die der Aktionär aus der AG gedrängt wird150 . Das Prinzip gilt darüber hinaus für Eingriffe in die aktienrechtliche Mitgliedschaft, die »wirtschaftlich dem Verlust der Aktie gleichstehen«151. (2) Folge des Entschädigungsprinzips ist, dass die Normen, die abfindungsauslösende Strukturwandlungen erlauben, grundsätzlich mit Art. 14 GG vereinbar sind152 , sofern der Minderheitsaktionär »für seinen Rechtsverlust voll entschädigt« wird153 . (3) Besondere Grundsätze gelten für die Berechnung der Abfindungshöhe154 . (4) Der Aktionär muss nicht notwendigerweise durch einen Abfi ndungsanspruch voll entschädigt werden, ausreichend ist etwa, dass eine an die AG zu leistende Geldsumme im Anfechtungsverfahren überprüft wird155 . Ist es dem Gericht nicht möglich, die angemessene Entschädigung zu bestimmen, so muss es die Strukturmaßnahme auf eine Anfechtungsklage hin unterbinden156 . (5) Verkennt ein Gericht die Grundsätze über den vollen Ausgleich bei Abfindungen, führt also eine Entscheidung dazu, dass den Aktionären kein »voller Ausgleich« gewährt wird, so verletzt es die Minderheitsaktionäre in ihrem Grundrecht aus Art. 14 GG157. Schaut man sich diese Auswertung an, so stößt man unweigerlich auf Fragen, deren Bedeutung für die weiteren Überlegungen dieser Arbeit bereits jetzt erahnt werden können. aa) Anwendungsbereich Zunächst muss der Anwendungsbereich des verfassungsrechtlichen Entschädigungsgebotes näher beleuchtet werden. Hiervon hängt ab, auf welche Abfindungsund sonstigen Strukturfälle das Prinzip der vollen Entschädigung ausstrahlen kann.

150

BVerfGE 14, 263, 281 f. (Feldmühle); BVerfGE 100, 289, 302 f. (DAT/Altana); BVerfG NJW 2001, 279 (Moto Meter). 151 BVerfGE 100, 289, 303 (DAT/Altana); vgl. auch vorher schon BVerfGE 14, 263, 281 (Feldmühle) sowie danach BVerfG ZIP 1999, 1804, 1806 (Hartmann & Braun). 152 S. o. S. 81 unter (4). 153 S. o. S. 82 unter (5). 154 S. o. S. 83 unter (6). 155 S. o. S. 82 unter (5). 156 S. o. S. 82 unter (5). 157 S. o. S. 84 unter (8). Zur Bedeutung dieses Satzes schon o. S. 87 f.

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§ 5 Verfassungsrechtliche Grundlagen

(1) Funktionale Betrachtungsweise Auffällig ist hier zunächst, dass das BVerfG das verfassungsrechtliche Entschädigungsgebot auf die übertragende Auflösung anwendet. Es spricht auch hier davon, dass der Aktionär »aus der Gesellschaft gedrängt« werde158 . Dies versteht sich nicht von selbst. Die übertragende Auflösung besteht aus zwei Akten, die für sich genommen grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenklich sind: der Vermögensübertragung und der anschließenden Auflösung159. Das BVerfG geht hierauf nicht näher ein, sondern postuliert, dass die verfassungsrechtlichen Grundsätze über den Zwangsausschluss »auch dann gelten, wenn ein Großaktionär – statt die mit entsprechenden gesetzlichen Schutzvorkehrungen ausgestatteten Wege der Eingliederung oder Verschmelzung nach dem Umwandlungsgesetz zu beschreiten – eine ›übertragende Auflösung‹ wählt und dabei (. . .) das Ziel verfolgt, die wenigen (verbliebenen) Minderheitsaktionäre möglichst einfach aus der Gesellschaft zu drängen«160 . Das BVerfG unternimmt demnach eine funktionale Gesamtbetrachtung, welche die vom Großaktionär verfolgten Ziele würdigt. Die Legitimität dieses Vorgehens auf verfassungsrechtlicher Seite liegt auf der Hand, denn für Art. 14 GG kommt es nicht darauf an, auf welchem Wege die Eigentumsrechte des Aktionärs betroffen werden. Was diese Sichtweise für das einfache Recht bedeutet, wird bei der übertragenden Auflösung zu diskutieren sein161. (2) Einbeziehung der §§ 29, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG Kopfzerbrechen bereitet, auf welche bisher nicht vom BVerfG entschiedene Fälle das verfassungsrechtliche Entschädigungsgebot anzuwenden ist, welche Fälle also unter den Begriff der »wirtschaftlich dem Verlust gleichzustellenden Maßnahme« subsumieret werden müssen162 . Für das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche interessiert dabei vorrangig, ob auch die §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG Folgen des verfassungsrechtlichen Prinzips voller Entschädigung sind163 . Dass die heutigen §§ 29, 207 UmwG dem Gebot voller Entschädigung unterliegen, kann nicht schon mit Blick auf die Feldmühle-Entscheidung des BVerfG bejaht werden. Hier ging es um die Übertragung des Vermögens der Feldmühle Papier- und Zellstoffwerke AG auf ihren Mehrheitsgesellschafter unter Ausschluss der übrigen Aktionäre (§§ 9, 12, 15 UmwG 1956). Im Gegensatz zu den heutigen 158

BVerfG NJW 2001, 279, 280 (Moto Meter). Dazu im einzelnen u. unter S. 303 ff. 160 BVerfG NJW 2001, 279, 279 f. (Moto Meter). 161 Dazu u. S. 310. 162 Dazu o. S. 97 unter (1). 163 Die umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche waren bisher nicht Gegenstand der BVerfG-Rechtsprechung. Die Beschlüsse BVerfG ZIP 2003, 2114 sowie BVerfG NJW 2007, 3266 (Wüstenrot und Württembergische AG) betreffen die Berechnung des Umtauschverhältnisses und den Anspruch auf bare Zuzahlung bei der formwahrenden Verschmelzung. 159

B) Art. 14 GG

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Abfindungsfällen des UmwG hatten die Minderheitsgesellschafter der FeldmühleAG also keine Chance, sich an dem neuen Rechtsträger zu beteiligten. Es handelte sich um einen Zwangsausschluss. Um die aufgeworfene Frage zu beantworten, muss man sich an die dogmatische Einordnung des Gebots voller Entschädigung erinnern. Dieses Gebot ist nichts anderes ist als die verfassungsrechtliche Folge von ausgleichspfl ichtigen Inhaltsund Schrankenbestimmungen164 . Es muss also gefragt werden, ob es sich bei den Vorschriften, die der Aktionärsmehrheit die abfindungsauslösende Verschmelzung und Spaltung sowie den Formwechsel ermöglichen (§§ 2 ff., 123 ff., 192 ff. UmwG, 10 I SEAG), um solche ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmungen handelt. Dies wiederum hängt nach der oben genannten Definition davon ab, ob diese Umwandlungen so stark in die aktienrechtliche Mitgliedschaft eingreifen, dass ihre Folgen ohne Entschädigung gegen den Verhältnismäßigkeitsoder Gleichheitssatz verstoßen würden165 . Die Rechtsfolgen müssten so hart sein, dass sie dem Eigentümer ohne Entschädigung nicht zumutbar wären166 . Die Antwort auf diese Frage kann nicht ohne Blick auf den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff gegeben werden. Das BVerfG geht davon aus, dass es kein dem Gesetzgeber vorgegebenes »natürliches Eigentum« gebe167. Eigentum ist nach einer gängigen Definition »alles, was die einfache Rechtsordnung zu einem bestimmten Zeitpunkt als Eigentum definiert«168 . Dies bedeutet erstens, dass der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der Eigentumsfreiheit grundsätzlich nur beschränkt wird durch die verfassungsrechtliche Institutsgarantie, das Verhältnismäßigkeitsprinzip und das Gebot, gerecht zwischen den Belangen des Einzelnen und der Allgemeinheit abzuwägen169. Dies hat zweitens zur Folge, dass sich die Schwere eigentumsrelevanter Maßnahmen aus den bisherigen für das ausgestaltete Eigentum anerkannten Grundsätzen ergibt. So sagt das BVerfG im »Nassauskiesungs«-Beschluss: »Welche Befugnisse einem Eigentümer in einem bestimmten Zeitpunkt konkret zustehen, ergibt sich (. . .) aus der Zusammenschau aller in diesem Zeitpunkt geltenden, die Eigentümerstellung regelnden gesetzlichen Vorschriften. Ergibt sich hierbei, daß der Eigentümer eine bestimmte Befugnis nicht hat, so gehört diese nicht zu seinem Eigentumsrecht. (. . .) Aus der Gesamtheit der verfassungsmäßigen Gesetze, die den Inhalt des Eigentums bestimmen, ergeben sich somit Gegenstand und Umfang des durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 gewährleisteten Bestandsschutzes«170 .

164

S. o. S. 95f. S. o. S. 95 in Fn. 143. 166 Wieland in Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Art. 14 Rn. 135. 167 BVerfGE 2, 237, 253; BVerfGE 15, 126, 144; Depenheuer in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Aufl. 2005, Art. 14 Rn. 30. 168 Statt vieler Pieroth/Schlink, Grundrechte, 23. Aufl. 2007, Rn. 899 m. w. N. 169 S. schon o. S. 89. 170 BVerfGE 58, 300, 336 (Nassauskiesung). 165

100

§ 5 Verfassungsrechtliche Grundlagen

Sieht man sich die historische Entwicklung des Umwandlungsrechts an171, stellt man fest, dass weder Mischverschmelzung noch Formwechsel (unter Ausschluss des Wechsels von AG in KGaA) jemals entschädigungsfrei waren. Die erste Regelung einer formwechselnden Umwandlung enthielten die §§ 78, 79 des GmbHG von 1892172 . Sie regelten die Umwandlung einer AG in eine GmbH. Das Gesetz begriff sie als Spezialfall der Auflösung, bei der die Liquidation unterblieb und stattdessen das Vermögen der AG einschließlich ihrer Schulden auf die (als Rechtsträger von der AG zu unterscheidende) GmbH überging173 . Dies war gem. § 78 III 2 GmbHG nur, aber immerhin zulässig, wenn mindestens drei Viertel der am Grundkapital der AG beteiligten Anteilsinhaber ihre Beteiligung in der GmbH forsetzten. Jeder Aktionär, der sich nicht an der neuen Gesellschaft beteiligte, konnte von der GmbH die »Auszahlung eines seinem Antheil an dem Vermögen der aufgelösten Gesellschaft entsprechenden Betrages verlangen« (§ 79 II GmbHG). Weitere Vorschriften zur formwechselnden Umwandlung folgten im Umwandlungsgesetz von 1934174 , welches – ganz im Sinne der nationalsozialistischen Wirtschaftsideologie – die »Abkehr von anonymen Kapitalformen zur Eigenverantwortung des Unternehmers« erleichtern wollte. Seinem Anwendungsbereich unterfielen die Umwandlung einer AG, KGaA oder GmbHG in eine oHG und KG sowie die Vermögensübertragung dieser Gesellschaften auf einen Gesellschafter (§ 1 UmwG 1934). Auch diese Regelung verstand die Umwandlung als Auflösung, bei der das Vermögen durch Universalsukzession ohne besondere Liquidation und unter Änderung der Rechtspersönlichkeit auf einen anderen Rechtsträger überging (vgl. § 4 UmwG 1934). Grundfall des Gesetzes war die Umwandlung der AG in eine oHG, die bereits bestehen oder erst errichtet werden konnte (§§ 2–11 UmwG 1934). Für die übrigen Umwandlungsfälle wurde – ähnlich der Technik des UmwG 1994 – auf diesen Grundfall verwiesen. Die Umwandlung war nur zulässig, falls sich sämtliche Aktien in der Hand der (bereits existierenden) oHG befanden (§ 2, 1. Hs. UmwG 1934) oder, sofern die oHG neu errichtet werden sollte, alle anwesenden Aktionäre für die Umwandlung stimmten (§ 10 I UmwG 1934). Diese Regelung galt entsprechend für die Umwandlung der AG in eine KG (§ 12 UmwG 171 Instruktiv hierzu Veil in Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band II, 2007, S. 1059. 172 Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung v. 20. April 1892, RGBl. I S. 477. Schon die Artt. 247, 215 II ADHGB regelten freilich die (formwahrende) Fusion zweier Aktiengesellschaften und forderten hierfür einen einstimmigen Generalversammlungsbeschluss. Str. war, ob hierfür die Zustimmung sämtlicher oder nur der in der Generalversammlung anwesenden Aktionäre erforderlich war, hierzu Wiener, ZHR 27 (1882), 333, 385. 173 § 78 I GmbHG lautete in seiner ursprünglichen Fassung: »Wird eine Aktiengesellschaft zum Zwecke der Umwandlung in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung aufgelöst, so kann die Liquidation derselben unterbleiben, wenn hinsichtlich der Errichtung der neuen Gesellschaft den nachstehenden Bestimmungen genügt wird«. § 79 I GmbHG bestimmte: »In dem Falle des § 78 geht das Vermögen der aufgelösten Gesellschaft einschließlich ihrer Schulden mit der Eintragung der neuen Gesellschaft in das Handelsregister auf diese von Rechts wegen über«. 174 Gesetz über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften v. 5. Juli 1934, RGBl. I S. 569.

B) Art. 14 GG

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1934). Nachdem die Umwandlungsmöglichkeiten in der Praxis kaum wahrgenommen worden waren, führte die Dritte Durchführungsverordnung zum UmwG 1934 die Umwandlung mit 2/3-Mehrheitsbeschluss ein [§§ 4, 5 (i. V. m. § 7) 3. UmwGDVO]. Die überstimmten Aktionäre wurden aus der Gesellschaft ausgeschlossen und hatten einen Anspruch auf »angemessene Barabfindung unter Berücksichtigung des Wertes ihrer Aktien« [§ 6 I (i. V. m. § 7) 3. UmwGDVO]. Für die Bestimmung der angemessenen Abfindung sah das Gesetz erstmals175 ein Spruchverfahren vor, das bei dem Landgericht durchgeführt werden sollte, in dessen Bezirk die (erloschene) Gesellschaft ihren Sitz hatte. Die Regelung der §§ 78, 79 GmbHG wurde zunächst in die §§ 80, 81 des neu bekannt gemachten GmbHG übertragen, ohne dass hiermit inhaltliche Änderungen einhergingen176 . Sie wurde dann ersetzt durch die §§ 263–268 des AktG 1937177. Auch dieses ließ die formwandelnde Umwandlung mit (3/4-)Mehrheitsbeschluss zu (§ 263 II 1 AktG 1937) und enthielt eine Schutzregelung zugunsten widersprechender Aktionäre. Dies war nun aber kein Zahlungsanspruch, sondern – in Anlehnung an § 27 GmbHG – ein Recht zum Abandon, also das Recht der Aktionäre, ihren Gesellschaftsanteil der AG für eine öffentliche Versteigerung zur Verfügung zu stellen (§ 268 III AktG 1937). Das UmwG 1934 wurde von dem UmwG 1956 abgelöst, das die Umwandlung der AG, KGaA, GmbH und bergrechtlichen Gewerkschaft auf eine Personengesellschaft oder einen Gesellschafter neu regelte (§ 1 UmwG 1956). § 9 UmwG 1956 erlaubte – wie schon das UmwG 1934 – die Umwandlung durch Mehrheitsbeschluss unter Ausschluss der widersprechenden Gesellschafter. § 12 UmwG 1956 gewährte einen im Spruchverfahren nachprüfbaren Anspruch auf Barabfindung. Das AktG 1965 ersetzte das AktG 1937. Für den Formwechsel der AG in eine GmbH forderte § 369 II 1 AktG a. F. in Abkehr von der alten Regelung des § 263 II AktG 1937 grundsätzlich einen einstimmigen Hauptversammlungsbeschluss. Bei Aktiengesellschaften mit einem Aktionärskreis von weniger als 50 Aktionären reichte ein Beschluss von 9/10 des Grundkapitals (§ 369 III 1 AktG a. F.), in diesem Fall sah § 375 I AktG allerdings ein Abfindungsrecht des widersprechenden Aktionärs vor. Das AktG 1965 kannte zwar den Formwechsel, die formwahrende Verschmelzung von Aktiengesellschaften und die Verschmelzung von Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien. Die einzigen Fälle der Mischverschmelzung waren jedoch die Verschmelzung einer GmbH auf eine AG (§ 355 AktG a. F.) und auf eine KGaA (§ 356 a. F.). Die Verschmelzung einer AG auf eine GmbH wurde erstmals im Kapitalerhöhungsgesetz geregelt178 , und zwar durch die GmbH175

Veil in Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band II, 2007, S. 1059, 1074. RGBl. 1898 I S. 846. 177 Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) v. 30. Januar 1937, RGBl. I S. 107, berichtigt RGBl. I S. 588. 178 Gesetz über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Verschmelzung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung vom 23. 12. 1959, BGBl. I, S. 789. Zu diesen Vor176

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Novelle von 1980179. Für den Verschmelzungsbeschluss verwies § 33 III KapErhG u. a. auf die §§ 369, 375 AktG a. F., ließ die Mischverschmelzung also mit Mehrheitsbeschluss zu, ordnete im Gegenzug aber Abfindung an. Diese Regeln wurden schließlich durch das UmwG 1994 ersetzt. Lässt man diese Rechtsentwicklung Revue passieren, bleibt festzustellen: Weder der Formwechsel noch die formwechselnde Verschmelzung waren in Deutschland jemals kompensationsfrei. Gleiches gilt für die Regelung der formwechselnden Spaltung, die historisch keinen Vorläufer kennt, mit der abfindungspflichtigen Regelung der §§ 123 ff., 29 ff. UmwG also erstmals umfassend kodifiziert wurde. Tiefpunkt des Aktionärsschutzes stellt insoweit die Abandon-Regelung des AktG 1937 dar. Diese galt jedoch nur für einen Ausschnitt des Umwandlungsrechts (Umwandlung einer AG in eine GmbH) und wurde im AktG 1965 durch ein grundsätzliches Einstimmigkeitserfordernis sowie eine ausnahmsweise Abfindungsregelung mit Spruchverfahren ersetzt. Hieraus folgt: Die »Gesamtheit der verfassungsmäßigen Gesetze, die den Inhalt des Eigentums bestimmen« ging stets davon aus, dass diese Strukturmaßnahmen so tief in das Aktieneigentum eingreifen, dass sie den Aktionären nicht ohne besondere Schutzregeln zuzumuten sind. Hätten die §§ 2 ff., 123 ff., 190 ff. UmwG diese Umwandlungen abfindungsfrei durch Mehrheitsbeschluss zugelassen, hätte hierin ein unzumutbarer Eingriff im oben genannten Sinne gelegen. Dafür spricht auch, dass diese Vorschriften nicht nur dem gesamtökonomischen Interesse an unternehmerischer Flexibilität dienen, sondern daneben den Privatinteressen der jeweiligen Mehrheitsaktionäre. Die mit ihnen ermöglichten Eingriffe abfindungsfrei zu lassen, hätte die Sozialbindung des Eigentums überstiegen180 . Dies lässt sich auf die vom SEAG geregelten Abfindungsfälle übertragen sowie auf § 122i UmwG. Da es sich bei den §§ 7, 9, 12 SEAG, 122i UmwG um bisher im deutschen Recht nicht geregelte Sachverhalte handelt, existiert keine spezifische Regelungstradition, auf die man zurückblicken könnte. Da die Regelungen schon sachlich mit denen des UmwG in einem Zusammenhang stehen und der Gesetzgeber bei der Frage nach dem Geltungsgrund der Vorschriften explizit auf § 29 UmwG181 sowie § 207 UmwG182 verweist, darf man davon ausgehen, dass auch die mit diesen Normen einhergehenden Eingriffe nach der einfach-gesetzlichen Werschriften als historisch erstem Fall der heutigen Mischverschmelzung vgl. Grunewald in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 29 Rn. 1; Wärholz in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht (Loseblatt), Stand: Juni 2007, § 29 UmwG Rn. 5. 179 Gesetz zur Änderung des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften v. 4. Juli 1980, BGBl. I, S. 836. 180 Zu diesem Topos bei der Abgrenzung entschädigungsfreier und entschädigungspfl ichtiger Inhalts- und Schrankenbestimmungen vgl. BVerfGE 54, 251, 271 (zu Art. 12 GG); Wendt in Sachs, GG, 4. Aufl. 2007, Art. 14 Rn. 83 f. 181 Begr. RegE SEEG BT-Drucks. 15/3405, S. 33 (für § 7 SEAG, für § 9 I 1, 1. Fall SEAG wird auf die Ausführungen zu § 7 SEAG verwiesen, a.a.O. S. 34). Für § 122i UmwG s. Begr. RegE 2. UmwGÄndG, BT-Drucks. 16/2919, S. 35. 182 Begr. RegE SEEG BT-Drucks. 15/3405, S. 35.

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tung ohne Entschädigung als unzumutbar anzusehen wären. Auf § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG lässt sich dies allerdings nicht übertragen, da die formwechselnde Verschmelzung unter Verlust der Börsennotierung vor dem Inkrafttreten des 2. UmwGÄndG abfindungsfrei ausgestaltet war182a . Als Zwischenergebnis kann somit festgehalten werden, dass mit Ausnahme des § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG auch die Abfindungspflicht in den umwandlungsrechtlichen Fällen verfassungsrechtlich geboten ist. Die §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG sind insoweit Anwendungsfälle des verfassungsrechtlichen Prinzips der vollen Entschädigung. bb) Genaueres zur Rechtsfolgenseite (1) Nicht nur voller, sondern ungeteilter Ausgleich? Dass das verfassungsrechtliche Entschädigungsgebot nicht auf Abfindung fixiert ist, sondern ihm auch anders genügt werden kann, wurde bereits oben dargelegt183 . Entscheidend ist allein, dass der Aktionär volle Entschädigung erhält184 . Wählt das Gesetz den Weg der Abfindung, so ist interessant, wofür der Aktionär eigentlich Entschädigung erhalten soll, d. h. für welche Verluste Entschädigung zu leisten ist. Für § 207 UmwG beispielsweise ist denkbar, dass kraft Verfassungsrechts Entschädigung nur in Höhe der Differenz geschuldet wird, um die der Anteilswert am neuen Rechtsträger hinter dem Wert der Aktie zurückbleibt. Fraglich ist also, inwieweit aus dem Gebot der vollen Entschädigung ein Prinzip der ungeteilten Entschädigung für den gesamten Aktienwert folgt. Relevant wird die Frage bei allen Strukturmaßnahmen, nach denen die Aktionäre ihre Mitgliedschaft (in veränderter Form) behalten, also die Fälle der §§ 305, 320b AktG, 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG. Die aufgeworfene Frage wird vom BVerfG undeutlich beantwortet. Einerseits ist die Rede davon, dass dem Aktionär ersetzt werden soll, »was ihm an Eigentum i. S. d. Art. 14 GG verloren geht«185 . Dies deutet darauf hin, dass sich die volle Entschädigung von Verfassungs wegen nicht unbedingt am gesamten Aktienwert orientieren muss, sondern eben nur an dem, was »an Eigentum« verloren geht, dass also der gebotene Ausgleich teilbar ist. Andererseits gewährt das BVerfG beim Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags Entschädigung für die gesamte Aktie186 , obwohl diese nach Vertragsschluss einen Restwert behält, nämlich zumindest in Höhe der zu erwartenden Ausgleichsleistungen (§ 304 III 1 AktG). Begründet wird dies damit, dass es sich bei den Folgen des Beherrschungs182a Dies ist in Klöhn, ZBB 2003, 208 m.w.N. begründet worden und soll hier nicht wiederholt werden. 183 S. o. S. 82 unter (5). 184 S. o. S. 82 unter (5). 185 BVerfGE 100, 289, 305 (DAT/Altana); BVerfG ZIP 1999, 1804, 1806 (Hartmann & Braun). 186 Vgl. BVerfGE 100, 289, 303, 305 ff. (DAT/Altana).

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und Gewinnabführungsvertrags »wirtschaftlich« um eine dem Ausschluss gleich stehende Maßnahme handelt187. Angesichts des soeben erwähnten Restwerts (§ 304 III 1 AktG) kann aber – insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht – von einer Vergleichbarkeit zwischen Entzug der Aktie und Abschluss eines Beherrschungsund Gewinnabführungsvertrags keine Rede sein188 . Einen (wenngleich geringen) Restwert würde die Aktie schließlich auch dann behalten, wenn man den Ausgleich nach § 304 AktG als Teil der verfassungsrechtlichen Entschädigung189 ausblenden würde, denn nach den §§ 300 ff. AktG bleibt der AG während der Vertragslaufzeit zumindest das bilanzielle Anfangsvermögen erhalten190 . Wenn das BVerfG trotzdem die Folgen des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags dem Totalverlust der Mitgliedschaft »wirtschaftlich gleichstellt«, dann erkennt es hiermit an, dass dem Prinzip des vollen Ausgleichs ein Moment der Überkompensation innewohnt: Der Aktionär soll auch dann den vollen Aktienwert als Abfindung verlangen dürfen, wenn seine Aktie nicht völlig entwertet wird. Dass es letztlich nicht zu einer Bereicherung des Aktionärs kommt, liegt daran, dass er seine Aktien im Gegenzug auf den Abfindungsschuldner übertragen muss. Das BVerfG kennt also zumindest für den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag nicht nur ein Prinzip des vollen, sondern auch des ungeteilten Ausgleichs. Ob dies verfassungsrechtlich zwingend ist, kann man beantworten, wenn man sich auf die Prämisse des BVerfG besinnt: Abgeleitet wird das Prinzip des vollen Ausgleichs aus der Vorgabe, abfindungsauslösende Strukturmaßnahmen seien nur dann gerechtfertigt, wenn die »berechtigten Interessen« der Aktionäre beachtet werden191. Zu bedenken ist nun, dass eine punktgenaue Berechnung der wirtschaftlichen Einbuße, die der Aktionär aufgrund der Umwandlung oder des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags erleidet, nicht erreicht werden kann192 . Stets wären zwei langwierige Unternehmensbewertungen erforderlich: eine vor und eine nach der Strukturmaßnahme. Diese Berechnung wäre noch un-

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BVerfGE 100, 289, 303 (DAT/Altana). So verweist denn auch BVerfGE 100, 289, 303 (DAT/Altana) an der im Haupttext genannten Stelle auf eine Passage des Guano-Beschlusses (BGHZ 135, 374, 377 ff.), in dem der BGH unter Hinweis auf die Vorinstanz [vgl. OLG Düsseldorf ZIP 1996, 1610, 1611 f. (Guano)] darlegt, dass der Wert jeder Aktie durch den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag »weitgehend aufgezehrt« werde. Wenn der BGH hier ausführt, dass der Wert jeder Aktie »weitgehend« aufgezehrt sei, so enthält diese Passage die Aussage, dass ein gewisser Restwert auch nach der Wirksamkeit des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags vorhanden ist. 189 Dazu noch u. S. 108 ff. 190 Dazu Begr. RegE AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 391; aus der Literatur etwa Kleindiek ZGR 2001, 479, 485. Plastisch Pentz, NZG 1998, 380, 381: Bilanzieller Vermögensstand wird »eingefroren«. 191 S. o. Nachw. S. 82 in Fn. 36. 192 In Rechtsprechung und Literatur ist schon für die »einfache« Abfi ndungsberechnung anerkannt, dass man den Unternehmenswert nicht exakt berechnen, sondern ihm sich nur nähern kann, dazu die Nachweise o. S. 51 in Fn. 44. 188

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sicherer als die »einfache Unternehmensbewertung« mit nur einem Verfahren und würde noch länger dauern. Diese Bewertungsschwierigkeiten sind ganz allgemein die Achillesferse des vom BVerfG befürworteten Prinzips des rein vermögensmäßigen Aktionärsschutzes193 . Es erschiene daher in der Tat »unzumutbar« im Sinne der BVerfG-Formel über die inhalts- und ausgleichspfl ichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmungen, hätte der Aktionär die aufgezeigten Bewertungsschwierigkeiten und Verfahrensbelastungen auszuhalten, obwohl er seinen Anteil zumindest auch im Interesse eines Dritten aufopfert194 . Im Gegenteil: »Berechtigtes Interesse« des Aktionärs ist gerade, diese Bewertungsunsicherheiten nicht zu tragen. Dies gilt erst recht, weil sich die Bewertungsschwierigkeiten reduzieren lassen, indem man – wie in den §§ 305 AktG, 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG geschehen – Abfindung für die gesamte Mitgliedschaft anordnet und den Aktionär verpflichtet, seine Anteile auf den Abfindungsschuldner zu übertragen. »Zumutbar« und daher verfassungsrechtlich zulässig sind Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, Mischverschmelzung (und Spaltung) sowie Formwechsel daher nur, wenn die dissentierenden Aktionäre nicht nur »vollen«, sondern auch »ungeteilten« Ausgleich für ihre Aktien erhalten. Das verfassungsrechtliche Gebot voller Entschädigung ist mithin ein Gebot des ungeteilten Ausgleichs, orientiert am vollen Aktienwert. (2) Ableitungsbasis ungeschriebener Abfindungsansprüche? Die in praxi wichtigste Frage des verfassungsrechtlichen Entschädigungsgebotes lautet: Kann es als Ableitungsbasis für (im einfachen Recht) ungeschriebene Abfindungsansprüche dienen? Dies ist die Kernfrage des Macrotron-Urteils des BGH. In dieser Entscheidung verpflichtet der II. Senat die AG und ihren »Großaktionär« zur Abgabe eines »Pflichtangebots«, falls die AG den vollständigen Rückzug von der Börse beantragt195 . Abgeleitet wird diese Angebotspflicht ohne erkennbare einfach-gesetzliche Grundlage, gestützt auf das Gebot der vollen Entschädigung196 . Diese Begründung bleibt nach der Neufassung des § 29 I 1 UmwG durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes197 interessant. Obwohl sich Abfindungsansprüche beim regulären Delisting nunmehr in Gesetzesanalogie zu § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG ergeben sollten198 , könnte das verfassungsrechtliche Entschädigungsgebot dem BGH in anderen ungeschrie-

193 Dazu schon o. S. 88; Fechner in Fechner/Schneider, Verfassungswidrigkeit und Rechtsmissbrauch im Aktienrecht, 1960, S. 3, 63; Fechner, AG 1962, 229, 231; Hirte, WM 1997, 1001, 1007. 194 Dazu o. S. 96 195 BGHZ 153, 47, 56 ff. (Macrotron); dem folgend LG München I AG 2004, 393, 394 (Macrotron). 196 Vertiefend Klöhn, ZBB 2003, 208, 211 ff. 197 Zweites Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes v. 19. 4. 2007, BGBl. I, S. 542. 198 Dazu noch u. S. 313 ff.

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benen Abfindungsfällen als Anspruchsgrundlage dienen – aktuell etwa beim Wechsel des Börsensegments199. Ob das verfassungsrechtliche Entschädigungsgebot Anspruchsgrundlage für Entschädigungs- und damit für Abfindungsansprüche ist, wird meist nur im Verhältnis Bürger-Staat und nur als Vorgabe an den Gesetzgeber untersucht 200 . Der bisherige Kenntnisstand über die ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmungen sowie allgemeine verfassungsdogmatischen Gesichtspunkte erlauben jedoch eine Antwort 201. Zunächst sprechen rechtsmethodische Gesichtspunkte gegen eine so weit gehende Rechtsfolge des Art. 14 GG: Die ausschließliche Arbeit mit dem Verfassungsrecht birgt die Gefahr, dass Wertungen des einfachen Gesetzesrechts durch verfassungsrechtliche Abwägungen überspielt werden 202 . Auch die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte findet nur im Rahmen der Gesetzesbindung des Richters statt 203 , die verfassungskonforme Auslegung darf sich über Schranken der allgemeinen Auslegungslehre nicht hinwegsetzen 204 . Arbeitet man ohne einfachgesetzliche Anknüpfungsbasis allein mit Art. 14 GG, so ist die Gefahr, dass man contra legem judiziert, daher besonders groß205 . Verfassungsdogmatisch wäre die Ableitung von Angebotspflichten unter Privaten ohne einfaches Gesetz außerdem eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte und als solche nach der heute ganz überwiegenden Ansicht unzulässig206 . Auch wenn das BVerfG im SEN/KHS-Beschluss von einem »verfassungsrechtlich gebotenen Anspruch« spricht 207, ist diese Formulierung vor dem Hintergrund des entschiedenen Einzelfalls zu sehen, in dem es darum ging, ob der Abfindungsanspruch außenstehender Aktionäre beim Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag bestehen bleibt, wenn der Unternehmensvertrag nach Eröffnung des Spruchverfahrens beendet wird. Hier brauchte nicht der Anspruch selbst aus Art. 14 GG hergeleitet zu werden, es reichte einfach-gesetzliche Dogmatik, die durch die Ausstrahlung des Art. 14 GG unterstützt wurde (z. B. indem man den Abfin199

Dazu noch u. S. 317 ff. Stellvertretend L. Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, 1980, S. 269 et passim; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 1985, S. 343 f. 201 Zum Folgenden bereits Klöhn, ZBB 2003, 208, 216 f.; zust. Brauer, Die Rechte der Aktionäre beim Börsengang und Börsenrückzug der Aktiengesellschaft, Berlin, 2005, S. 217 ff.; Gutte, Das reguläre Delisting von Aktien, 2006, S. 196; Ott, Der Rückzug von der Börse, 2005, S. 289; ebenso Krolop, Der Rückzug vom organisierten Kapitalmarkt (Delisting), 2005, S. 99 f. 202 Dazu allgemein Diederichsen, AcP 198 (1998), 171, 193 ff.; Stern, FS Wiedemann, 2002, 133, 146. Vgl. im vorliegenden Zusammenhang auch L. Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, 1980, S. 286. 203 Stern, FS Wiedemann, 2002, 133, 144 ff. 204 S. o. S. 28. 205 Vgl. auch Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 239 f.: »sehr nahe an der Grenze des Art. 20 Abs. 3 GG«; K. Schmidt, NZG 2003, 601, 603: »Ersatzgesetzgeber«. 206 Dazu nur Jarass/Pieroth, GG, 9. Aufl. 2007, Art. 1 Rn. 35; vgl. aber auch J. Hager, JZ 1994, 373, 374 ff. sowie die Nachweise bei Stern, Staatsrecht III/1, 1988, S. 1531 f., 1538. 207 BVerfG NJW 1999, 1699, 1701 (SEN/KHS). 200

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dungsanspruch aus § 305 AktG von seiner Rechtsnatur her als gesetzlichen Anspruch begriff208 ). Schließlich ist im Verhältnis Bürger-Staat anerkannt, dass die Gerichte aus dem oben genannten Entschädigungsgebot nicht eigenmächtig Entschädigungspflichten ohne einfach-gesetzliche Grundlage ableiten dürfen 209. Enthalten ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmungen keine Entschädigungsbestimmung, und sind sie deshalb verfassungswidrig, so muss der Bürger bekanntlich gegen das Gesetz vorgehen; er kann sich nicht auf ein »Dulde, aber liquidiere« berufen 210 . Zwar wird dieser Grundsatz im öffentlichen Recht hauptsächlich mit der Budgethoheit des Parlaments begründet (keine Staatshaftung für legislatives Unrecht) 211. Entscheidend ist daneben aber ein zweiter Gesichtspunkt, der für das Verhältnis unter Privaten fruchtbar gemacht werden kann: Allgemeine Ansicht ist, dass ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmungen ohne Entschädigungspflichten verfassungskonform sein können, wenn der Gesetzgeber befristete Übergangsregelungen 212 , Härteklauseln, administrative und technische Vorgaben 213 , Anpassungshilfen oder Dispense214 vorsieht. Der Gesetzgeber hat einen weiten Gestaltungsspielraum und ist keineswegs auf die Statuierung von Geldansprüchen festgelegt 215 . Dieser Spielraum würde ignoriert, würde man aus Art. 14 GG eine Entschädigungspflicht herleiten 216 . Zurückhaltend zeigte sich insofern auch der Moto-Meter-Beschluss, in dem das BVerfG ausführt, dass der notwendige Schutz der Aktionäre bei der übertragenden Auflösung über ein Anfechtungsverfahren gesichert werden könne, in dem über die Angemessenheit der Gegenleistung an die AG entschieden wird 217. Das verfassungsrechtliche Entschädigungsgebot taugt somit nur dazu, die Rechtsfolgen von im einfachen Recht verankerten Entschädigungs- und Abfindungsansprüchen sowie Pflichtangeboten zu konkretisieren 218 . Es ist aus den oben

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Vgl. dazu noch u. S. 115 ff. Statt aller Depenheuer in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Aufl. 2005, Art. 14 Rn. 243. 210 BVerfGE 58, 300, 320 (Nassauskiesung); Depenheuer in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Aufl. 2005, Art. 14 Rn. 243; Ossenbühl, FS Friauf, 1996, 391, 393, 401; Sieckmann in Friauf/ Höfling, Berliner Kommentar (Loseblatt), Stand: Dezember 2002, Art. 14 Rn. 181. 211 Stellvertretend Depenheuer in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Aufl. 2005, Art. 14 Rn. 496; kritisch Sieckmann in Friauf/Höfling, Berliner Kommentar (Loseblatt), Stand: Dezember 2002, Art. 14 Rn. 194. 212 BVerfGE 70, 191, 201 f.; BVerfGE 83, 201, 212 f. (Vorkaufsrecht). 213 BVerfGE 100, 226, 245 (Rheinland-pfälzisches Denkmalschutzgesetz). 214 BVerfGE 58, 137, 152 (Pflichtexemplar); BVerfGE 100, 226, 245 (Rheinland-pfälzisches Denkmalschutzgesetz). 215 Statt aller L. Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, 1980, 297 ff.; Ossenbühl, FS Friauf, 1996, 391, 393; vgl. auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 12 III 2 = S. 705. 216 In diesem Sinne wohl auch Papier in Maunz/Dürig/Herzog, GG (Loseblatt), Stand: Juni 2002, Art. 14 Rn. 347 a. E. 217 Dazu BVerfG NJW 2001, 279, 281 (Moto Meter). 218 Hierbei kann es sich auch um die Gegenleistungsforderung der AG handeln, über die die 209

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genannten Gründen aber ungeeignet, solche Ansprüche bzw. Pflichten unmittelbar aus Art. 14 GG abzuleiten. c) Verhältnis zum Prinzip der vollen Abfindung Bereits oben wurde das (hier sog.) Prinzip der vollen Abfindung vorgestellt 219. Dieses Prinzip wird mit dem Prinzip der vollen Entschädigung meistens terminologisch und dogmatisch gleich gestellt bzw. vermischt 220 . Dies ist insofern verzeihlich, als man das Prinzip der vollen Abfindung aus dem verfassungsrechtlichen Entschädigungsgebot ableiten kann: Jede Interpretation der »angemessenen Abfindung« i. S. d. Abfindungsvorschriften, die zu keiner »vollen Abfindung« führen würde, wäre verfassungswidrig221. Im Übrigen bestehen aber feine Differenzen zwischen dem Prinzip der vollen Abfindung und dem verfassungsrechtlichen Entschädigungsgebot: Dies gilt hinsichtlich des Anwendungsbereichs, weil das Prinzip der vollen Abfindung auf Abfindungsfälle beschränkt ist, das verfassungsrechtliche Entschädigungsgebot jedoch auch in Fällen gilt, in denen das einfache Recht keine Abfindungspfl ichten vorsieht (etwa die übertragende Auflösung) 222 . Dies gilt ferner auf Rechtsfolgenseite, weil dem verfassungsrechtlichen Entschädigungsgebot auf andere Weise genügt werden kann als durch Gewährung einer vollständigen Abfindung (z. B. durch die Überprüfung der Entschädigungsleistung im Anfechtungsverfahren) 223 . Darüber hinaus findet das Prinzip der vollen Entschädigung seinen Ursprung im Verfassungsrecht, wohingegen zumindest die Möglichkeit besteht, dass sich das Prinzip der vollen Abfindung unabhängig von verfassungsrechtlichen Überlegungen begründen lässt. Hierauf wird zurückzukommen sein 224 . d) Prinzip der Gleichwertigkeit von Ausgleich i. S. d. § 304 AktG und Abfindung gem. § 305 AktG? Das Prinzip der vollen Entschädigung wäre unvollständig untersucht, würden nicht auch seine Implikationen für den Ausgleich gem. § 304 AktG und sein Verhältnis zur Abfindung gem. § 305 AktG beleuchtet 225 . Hier lässt ein Satz aus der Hartmann & Braun-Entscheidung des BVerfG aufhorchen. In einem obiter dictum führt das Gericht aus226 : Minderheitsaktionäre mittelbar geschützt werden [so die Konstellation der übertragenden Auflösung, dazu BVerfG NJW 2001, 279, 281 (Moto Meter)]. 219 S. o. S. 52. 220 Stellvertretend Gutheil, Die Auswirkungen von Umwandlungen auf Unternehmensverträge nach §§ 291, 292 AktG und die Rechte außenstehender Aktionäre, 2001, S. 39 ff. 221 Dazu schon o. S. 80 ff. und S. 95 ff. 222 Vgl. nur BVerfG NJW 2001, 279 (Moto Meter). 223 S. o. S. 97 sowie erneut BVerfG NJW 2001, 279, 281 (Moto Meter). 224 S. u. S. 182 ff. sowie S. 194 ff. 225 Hierzu auch Spindler/Klöhn, Konzern 2003, 511, 512 ff. 226 BVerfG ZIP 1999, 1804, 1806 (Hartmann & Braun); zust. BGHZ 155, 110, 117 f. (Philips);

B) Art. 14 GG

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»Die Kompensation für die grundrechtliche Einbuße würde verfehlt, wenn nicht sowohl Ausgleich als auch Abfi ndung, je für sich gesehen, zur ›vollen Entschädigung‹ führten (Hervorhebung d. Verf.)«.

Wie dieser Satz zu interpretieren ist, bleibt – da vom BVerfG nicht näher ausgeführt – unklar. Denkbar ist zunächst, nach Ansicht des BVerfG müssten Abfindung und Ausgleich je für sich genommen zur selben vollen Entschädigung des Aktionärs führen (hier sog. Gebot der Gleichwertigkeit von Ausgleich und Abfindung) 227. Hiermit lägen die Richter auf einer Linie mit Stimmen, die schon vorher die Ansicht vertraten, Ausgleich und Abfindung müssten sich wertmäßig entsprechen 228 . Der Ausgleich wäre demnach eine auf die Vertragslaufzeit verteilte »Abfindung in Raten«229. Andererseits könnte das BVerfG lediglich gemeint haben, dass der Ausgleich für eine volle Entschädigung des entwerteten Dividendenanspruchs sorgen muss. Das »je für sich gesehen« (s. o.) könnte dann im Sinne eines »jeweils im Rahmen ihrer vom einfachen Gesetzesrecht gegebenen Funktion« zu interpretieren sein. Wäre das BVerfG im Sinne einer Gleichwertigkeit von Ausgleich und Abfindung zu verstehen, würde dies erhebliche Auswirkungen auf die Auslegung des § 304 AktG haben, insbesondere zur Berücksichtigung des Börsenkurses als Untergrenze des Ausgleichs230 . Zum anderen hätte eine solche Interpretation Auswirkungen auf das vertragskonzernrechtliche Abfindungsrecht gem. § 305 AktG: Im BGHZ 166, 195, 200 (Null-Ausgleich); zum Postulat der vollen Entschädigung auch beim Ausgleich nach § 304 AktG auch BGHZ 156, 57, 61 (Ytong). 227 So das BVerfG interpretierend Gutheil, Die Auswirkungen von Umwandlungen auf Unternehmensverträge nach §§ 291, 292 AktG und die Rechte außenstehender Aktionäre, 2001, S. 44. 228 LG Hamburg AG 1995, 517, (Bauverein zu Hamburg/Wünsche); Bachelin, Der konzernrechtliche Minderheitenschutz, 1969, S. 31; Bodewig, BB 1978, 1694, 1697 (Abfindung als »kapitalisierter Ausgleich«); Koppensteiner, FS Ostheim, 1990, 403, 421; J. Schmidt, Das Recht der außenstehenden Aktionäre, 1979, S. 70; Hecker/Wenger ZBB 1995, 321, 335; Roser DB 1980, 894, 895; stark hierzu tendierend LG Nürnberg-Fürth AG 2000, 89, 91 (Philips); Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 304 Rn. 37 ff., 39; vgl. auch LG Düsseldorf AG 2001, 373, 375 (EVA AG/Eisenbahn-Verkerhsmittel GmbH & Co KG): »Die Nachteile (. . .) werden durch die (. . .) Abfindung oder die garantierte Dividende aufgefangen«. Nach dem Hartmann & Braun-Beschluss, aber ohne Beleuchtung der verfassungsrechtlichen Dimension OLG Hamburg AG 2001, 479, 480 (Bauverein zu Hamburg/Wünsche). A. A. LG Dortmund AG 1981, 236, 240 (Thyssen/Rheinstahl); LG Frankfurt AG 1985, 310, 311 (Triumph-Adler AG); LG Frankfurt WM 1987, 559, 562 (Hartmann & Braun); Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 304 Rn. 74; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 304 Rn. 11a; Schwenn, Der Ausgleichs- und Abfindungsanspruch der außenstehenden Aktionäre im Unternehmensvertrag bei Eintritt neuer Umstände, 1998, S. 102; Lutter/Drygala, AG 1995, 49 ff.; Weiss, FS Semler, 1993, 631, 647. Dass die Ausgleichsansprüche in praxi oftmals aufgrund der für die Abfindung geltenden Rechnung ermittelt werden, zeigt W. Meilicke, AG 1999, 103, 104. 229 Zum Begriff Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 304 Rn. 73; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 304 Rn. 11a; Schwenn, Der Ausgleichs- und Abfindungsanspruch der außenstehenden Aktionäre im Unternehmensvertrag bei Eintritt neuer Umstände, 1998, S. 102. 230 Dazu Spindler/Klöhn, Konzern 2003, 511, 516 f. Die Rechtsprechung lehnt den Börsenwert einer AG als Untergrenze des gem. § 304 AktG zu zahlenden Ausgleichs bisher ab: OLG Hamburg AG 2002, 406, 407 (Bavaria und St. Pauli/März); OLG Hamburg NZG 2003, 89, 91 (RWE/

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scharfen Gegensatz zu den Ausführungen des BVerfG wird hier nämlich oftmals damit argumentiert, dass § 304 AktG allein gerade keinen hinreichenden Aktionärsschutz biete231. Die §§ 293 ff. AktG drängten die außenstehenden Aktionäre daher zur Abfindung232 . Gegen die Deutung des § 304 AktG als »Abfindung in Raten« spricht, dass § 304 AktG nach dem einfachen Gesetzesrecht diese umfassende Ausgleichsfunktion weder erfüllen soll noch kann 233 . § 304 AktG ist schon aufgrund seiner Entstehungsgeschichte allein darauf angelegt, den Verlust bzw. Beeinträchtigungen des Dividendenanspruchs zu kompensieren (»Dividendengarantie«) 234 . Wertverlust der Mitgliedschaft droht aber vor allem deshalb, weil die §§ 300 ff. AktG nicht das reale, sondern nur das bilanzielle Anfangsvermögen der AG bei Eintritt in den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag schützen 235 . Die §§ 300 ff. AktG hindern das herrschende Unternehmen nicht, die stillen Reserven der abhängigen AG aufzuzehren und den Aktionären nach Beendigung des Unternehmensvertrags eine »leere Hülse« zu hinterlassen 236 . Diese Ausbeutungsmöglichkeiten 237 können nicht durch eine Dividendengarantie aufgefangen werden, denn sie mindern nicht nur die Gewinnerwartungen der AG, sondern vor allem den gegenwärDTA); anders möglicherweise OLG Hamburg AG 2001, 479, 480 (Bauverein zu Hamburg/Wünsche). 231 BGHZ 135, 374, 380 (Guano); BGHZ 138, 136, 139 (ASEA/BBC II), LG Frankfurt WM 1987, 559, 562 (Hartmann & Braun); Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 2; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 305 Rn. 1; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 305 Rn. 1; Gutheil, Die Auswirkungen von Umwandlungen auf Unternehmensverträge nach §§ 291, 292 AktG und die Rechte außenstehender Aktionäre, 2001, S. 49 f.; Komp, Zweifelsfragen des aktienrechtlichen Abfindungsanspruchs nach §§ 305, 320b AktG, 2002, S. 24; Kübler, FS Goerdeler, 1987, 279, 286; Lutter, FS Mestmäcker, 1996, 943, 948; Raiser/ Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 54 Rn. 75; M. Schwab, BB 2000, 527, 528; auch Koppensteiner, FS Ostheim, 1990, 403, 422. 232 Komp, Zweifelsfragen des aktienrechtlichen Abfindungsanspruchs nach §§ 305, 320b AktG, 2002, S. 24; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 294. 233 Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 304 Rn. 73; Gutheil, Die Auswirkungen von Umwandlungen auf Unternehmensverträge nach §§ 291, 292 AktG und die Rechte außenstehender Aktionäre, 2001, S. 43; Lutter/Drygala, AG 1995, 49, 50 ff.; W. Meilicke, AG 1995, 181, 184; Schwenn, Der Ausgleichs- und Abfindungsanspruch der außenstehenden Aktionäre im Unternehmensvertrag bei Eintritt neuer Umstände, 1998, S. 102; Veil, Unternehmensverträge, 2003, S. 122 f.; Weiss, FS Semler, 1993, 631, 647; in diesem Sinne auch BGHZ 166, 195, 200 f. (Null-Ausgleich), wobei das vom BVerfG aufgestellte Gleichwertigkeitsprinzip hierdurch nicht in Frage gestellt werden soll (BGH a.a.O. S. 200). 234 Begr. RegE AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 394. BGHZ 138, 136, 139 (ASEA/ BBC II); Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 304 Rn. 9; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 304 Rn. 5; Gutheil, Die Auswirkungen von Umwandlungen auf Unternehmensverträge nach §§ 291, 292 AktG und die Rechte außenstehender Aktionäre, 2001, S. 43. 235 Dazu die Nachweise S. 104 in Fn. 190. 236 Vgl. dazu die Ausführungen von BGHZ 135, 374, 377 f. (Guano); OLG Düsseldorf ZIP 1996, 1610, 1611 f. (Guano); W. Meilicke, AG 1995, 181, 184. 237 Zu im Text nicht genannten Ausbeutungsmechanismen Komp, Zweifelsfragen des aktienrechtlichen Abfindungsanspruchs nach §§ 305, 320b AktG, 2002, S. 19 ff.

B) Art. 14 GG

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tigen Unternehmens- und damit den Aktienwert 238 . Dies hat der Gesetzgeber des AktG 1965 ausdrücklich hingenommen: In der Begründung zum Regierungsentwurf heißt es, »ein § 304 AktG entsprechender Ausgleich« würde »in manchen Fällen auch die Vermögensnachteile der außenstehenden Aktionäre nicht voll decken«239. Nach einfach-gesetzlicher Rechtslage kann der Ausgleich eine umfassende Entschädigungsfunktion daher nicht übernehmen 240 . Anzusetzen wäre beim Sicherungssystem der §§ 300 ff. AktG. Dieses System kann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung nicht zu einer Gleichwertigkeit zwischen Ausgleich und Abfindung verändert werden 241. Die verfassungskonforme Auslegung ist – wie vom BVerfG oft betont – an die allgemeinen Auslegungsgrenzen gebunden, insbesondere an den eindeutigen Willen des Gesetzgebers. Die verfassungskonforme Auslegung soll Entscheidungen des Gesetzgebers soweit wie möglich aufrechterhalten, darf sie aber nicht verfälschen 242 . Aus Art. 14 GG lässt sich somit nur herleiten, dass § 304 AktG den Verlust des Dividendenanspruchs »voll« ausgleichen muss, er braucht von Verfassungs wegen aber keine volle »Abfindung auf Raten« sein. Hierdurch wird das Schutzsystem der §§ 304, 305 AktG nicht verfassungswidrig. Dem verfassungsrechtlichen Entschädigungsgebot wird schon durch § 305 AktG genügt, weil und soweit dieser für eine »volle Entschädigung« des Aktionärs sorgt 243 . Notwendig für die Verfassungsmäßigkeit einer ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung ist, dass die Vermögensinteressen des Eigentümers kompensiert werden. Der Gesetzgeber kann aber nicht verpflichtet sein, hierfür mehrere Wege zur Verfügung zu stellen, denn damit würde das Entschädigungsgebot über seinen Zweck hinausschießen, die Wertgarantie des Eigentums zu sichern. Bleibt der Aktionär in der AG, verzichtet er in zulässiger Weise auf den Grundrechtsschutz, der ihm grundsätzlich aus dem verfassungsrechtlichen Entschädigungsgebot zustünde. Der verfassungsrechtliche Schutz darf »auf die Vermögenskomponente der Beteiligung konzentriert werden«244 – und diese Anforderungen erfüllt § 305 AktG auch allein. Art. 14 GG nötigt somit nicht dazu, § 304 AktG als »Abfindung auf Raten« zu interpretieren. Es gibt kein verfassungsrechtliches Gebot der Gleichwertigkeit von Abfindung und Ausgleich. 238 Zur Aufzehrung stiller Reserven etwa OLG Düsseldorf ZIP 1990, 1333, 1344 (DAB/Hansa); W. Meilicke, Die Barabfindung für den ausgeschlossenen oder ausscheidungsberechtigten Minderheits-Kapitalgesellschafter, 1975, S. 23. 239 Begr. RegE AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 397. 240 Dies zeigt auch die empirische Untersuchung von Hecker, Regulierung von Unternehmensübernahmen und Konzernrecht, Teil I, 2000, S. 349 ff., 430. 241 Zu den Grenzen der verfassungskonformen Auslegung s. schon S. 28. 242 Zu allem o. S. 28. 243 Ebenso im Ergebnis Gutheil, Die Auswirkungen von Umwandlungen auf Unternehmensverträge nach §§ 291, 292 AktG und die Rechte außenstehender Aktionäre, 2001, S. 42; W. Meilicke, AG 1995, 181, 184. 244 BVerfG NJW 2001, 279, 280 (Moto Meter). Kritisch zu diesem verfassungsrechtlichen Konzept des rein vermögensmäßigen Ausgleichs H. Hanau, NZG 2002, 1040 ff.

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§ 5 Verfassungsrechtliche Grundlagen

III) Zusammenfassung zu Art. 14 GG Die Analyse der BVerfG-Rechtsprechung zum »Abfindungsverfassungsrecht« hat gezeigt: Das BVerfG verfolgt für den verfassungsrechtlich gebotenen Minderheitenschutz ein Konzept des »Dulde, aber liquidiere«, es gewährt kaum Bestandsschutz, dafür aber strengen Vermögensschutz. Dieses Konzept wird den Vorgaben des Art. 14 GG gerecht; es kann auch für kapitalmarktferne Aktiengesellschaften, etwa Familien-AGs, verfolgt werden. Vorschriften des AktG und UmwG, die abfindungsauslösende Strukturmaßnahmen erlauben, sind verfassungsdogmatisch als ausgleichspflichtige Inhaltsund Schrankenbestimmungen einzuordnen. Das »Gebot voller Entschädigung« ist damit nichts anderes als eine Ausprägung des aus dem Gleichheits- und Verhältnismäßigkeitssatz folgenden (von Art. 14 III 2 GG zu unterscheidenden) Entschädigungsgebots. Dieses lässt sich vom (einfach-gesetzlichen) Prinzip der vollen Abfindung haarscharf unterscheiden. Bei der Frage, welche Strukturmaßnahmen dem Gebot der vollen Entschädigung unterfallen, verfolgt das BVerfG eine »funktionale« Sichtweise, die nicht an der zivilrechtsdogmatischen Einordnung des Vorgangs haftet (Einbeziehung der übertragenden Umwandlung). Auch Mischverschmelzung, -spaltung und Formwechsel unterfallen dem verfassungsrechtlichen Entschädigungsgebot. Das Gebot der vollen Entschädigung fordert nicht nur vollen, sondern auch ungeteilten Ausgleich in den Abfindungsfällen, in denen die Anteile des Aktionärs nach der Strukturmaßnahme einen Restwert haben (§ 305 AktG, §§ 29, 122i, 207 UmwG, §§ 7, 9, 12 SEAG). Eine punktgenaue Berechnung der Einbuße wäre »unzumutbar« im Sinne der allgemeinen Grundsätze zu den ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmungen und würde »berechtigte Interessen« des Aktionärs verletzen. Ungerechtfertigte Bereicherungen des abfindungsberechtigten Aktionärs werden im einfachen Gesetzesrecht dadurch vermieden, dass dieser seine Aktien im Zuge der Abfindungsgewährung eintauschen muss. Das verfassungsrechtliche Entschädigungsgebot ist keine Anspruchsgrundlage (einfach-gesetzlich) ungeschriebener Abfindungsansprüche. Ein verfassungsrechtliches »Prinzip der Gleichwertigkeit von Ausgleich und Abfindung« ist – entgegen entsprechenden Andeutungen im Hartmann & Braun-Beschluss des BVerfG – nicht anzuerkennen.

C) Sonstige Grundrechte Andere Grundrechte können Minderheitsaktionäre gegen abfindungsbewährte bzw. -verdächtige Strukturmaßnahmen kaum in die Waagschale werfen. Sie spielen in der verfassungsrechtlichen Judikatur so gut wie keine Rolle. So gibt Art. 2 I GG den Aktionären kein Recht auf eine bestimmte Höchstdauer des Spruchstel-

C) Sonstige Grundrechte

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lenverfahrens245 ; ob ein Verfahren unzumutbar lang ist, hängt vielmehr von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab246 . Kaum Bedeutung für das Abfindungsverfassungsrecht hat Art. 9 I GG. Zwar garantiert die Vereinigungsfreiheit nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht nur die kollektive, sondern auch die individuelle Vereinigungsfreiheit 247. Trotzdem hat das BVerfG bisher aus Art. 9 I GG keine verfassungsrechtlichen Vorgaben für den Minderheitenschutz abgeleitet. Bei der Ausgestaltung der Vereinigungsfreiheit muss der Gesetzgeber zwar eine hinreichende Vielfalt von Rechtsformen zur Verfügung stellen, seine Regelungen müssen die Funktionsfähigkeit der Vereinigungen, insbesondere ihrer Organe gewährleisten 248 . »Was darüber hinaus ausgestaltender gesetzlicher Regelung zugänglich und bedürftig ist, lässt sich (ergänze: jedoch) nicht abschließend und generell festlegen«249. Dementsprechend wurden die Folgen des Art. 9 I GG für den aktienrechtlichen Minderheitenschutz bisher nicht näher konkretisiert. Dies hat insbesondere zwei Gründe: Erstens ist Art. 9 I GG auf Zusammenschlüsse mit starkem personalem Element fixiert, das bei Publikums-Kapitalgellschaften gerade nicht anzutreffen ist 250 . Zweitens geht das BVerfG offenbar davon aus, dass Konzernkonflikte der Publikums-Kapitalgesellschaft »von Natur aus« immanent sind 251. Dass Minderheitsaktionäre zwangsweise aus der AG ausgeschlossen werden können, verstößt darüber hinaus nicht gegen Art. 3 I GG, in dieser Ausschlussmöglichkeit ist keine willkürliche Ungleichbehandlung zu sehen 252 . Schließlich können Minderheitsaktionäre aus dem Sozialstaatsprinzip keine abfindungsspezifischen Verfassungsrechte herleiten, da sie schon keine sozial klar abgrenzbare Gruppe darstellen 253 .

245 246

BVerfG NJW 1999, 2582 (SNI/Siemens). BVerfG NJW 1999, 2582 (SNI/Siemens); weiterführend Seetzen, WuB II A § 320 AktG

2.99 247

BVerfGE 50, 290, 353 (Mitbestimmung). BVerfGE 50, 290, 355 (Mitbestimmung). 249 BVerfGE 50, 290, 355 (Mitbestimmung). 250 Dazu schon o. S. 80 unter (2). Im vorliegenden Zusammenhang BVerfGE 50, 290, 355 (Mitbestimmung). 251 BVerfGE 50, 290, 356 (Mitbestimmung). Die Wurzel mag diese Ansicht im FeldmühleUrteil haben, hierzu mit interessantem Schluss auf das Mitbestimmungs-Urteil Martens, ZGR 1979, 493, 498. 252 BVerfGE 14, 263, 285 (Feldmühle); Frhr. v. Falkenhausen, AG 1961, 163, 168 f.; Frhr. v. Falkenhausen, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mehrheitsherrschaft nach dem Recht der Kapitalgesellschaften (AG und GmbH), 1967, S. 226 ff. 253 BVerfGE 14, 263, 286 (Feldmühle). 248

§ 6 Entwicklung des Systems Auf der Grundlage des mit den vorigen Kapiteln geschaffenen Vorverständnisses soll im Folgenden das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche entwickelt werden.

A) Rechtsnatur des Abfindungsanspruchs Schon oben wurde darauf hingewiesen, dass es nicht darauf ankommt, an welcher Stelle des »hermeneutischen Zirkels« man einsteigt1. Ausgangspunkt der hier unternommenen Systemarbeit soll eine Frage sein, auf welche die herrschende Meinung – dies ist jedenfalls der erste Eindruck – keine überzeugende Antwort gefunden hat und die deshalb als Schwachpunkt der herkömmlichen Dogmatik erscheint: Sind die Abfindungsansprüche rechtsgeschäftlichen oder gesetzlichen Ursprungs? Entstehen sie kraft Rechtsgeschäfts oder kraft Gesetzes? Dogmatische Bedeutung gewinnt die aufgeworfene Frage, weil Klarheit über die Rechtsnatur des Abfindungsanspruchs die weitere Einordnung dieses Anspruchs in seinen gesamt-zivilrechtlichen Zusammenhang vorbereitet 2 . Die Frage hat aber auch praktische Bedeutung, insbesondere fiele die Anerkennung ungeschriebener Abfindungsansprüche leichter, würde man sie als gesetzliche Ansprüche deuten 3 . Untersucht man die bisherigen Stellungnahmen in Rechtsprechung und Literatur zur aufgeworfenen Frage, findet man schnell komplizierte Antworten auf die anscheinend einfache Frage. So ist die Rede von einem Abfindungsanspruch, der aus einem »gesetzlichen Schuldverhältnis« folge, der aber »noch verhalten oder unentwickelt« sei, »soweit und solange die Vertragsparteien den Schutz der Aktionäre im Unternehmensvertrag zu ihrer Sache machen«4 oder von einem »dem Grunde nach kraft Gesetzes« gewährten Anspruch, der aber dennoch »vertrag-

1

S. o. S. 17 f. Dazu u. S. 155 ff. 3 Den vertraglichen Charakter gegen die Möglichkeit eines Abfindungsanspruch in Analogie zu § 305 AktG verwendend Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 495; dagegen mit Hinweis auf die gesetzliche Natur des Abfindungsanspruchs aus § 305 AktG Zöllner, GS Knobbe-Keuk, 1997, 369, 380 f.; hierzu auch Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 4. Aufl. 2005, Anh. II § 318 Rn. 27 mit Fn. 132. 4 Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 305 Rn. 4b; gleichsinnig Veil in Spindler/Stilz, AktG, 2007, § 305 Rn. 11. 2

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§ 6 Entwicklung des Systems

liche Natur« besitzen soll5 . Allein diese Verwirrung aufzulösen, sollte hinreichende Legitimation des folgenden Kapitels sein.

I) Bestandsaufnahme Einzusteigen ist mit einer Bestandsaufnahme der Ansichten zum dogmatischen Ursprung der Abfindungsansprüche. Dabei ist es günstig, sich den schwierigen Fragen über die einfachen Fälle zu nähern. 1) §§ 320b, 327a AktG Allgemeine (und zutreffende) Ansicht ist, dass der Abfindungsanspruch bei der Mehrheitseingliederung kraft Gesetzes entsteht, sobald die Eingliederung wirksam geworden ist6 . Dies ergibt sich einerseits aus dem Wortlaut des § 320b I 1 AktG (»Die ausgeschiedenen Aktionäre (. . .) haben Anspruch auf angemessene Abfindung«), andererseits aus der Regelung des § 320a S. 2 AktG (Auswechselung des in der Aktienurkunde verbrieften Rechts kraft Gesetzes) und schließlich daraus, dass die Aktien mit Wirksamkeit der Eingliederung kraft Gesetzes auf die Hauptgesellschaft übergehen (§ 320a S. 1 AktG). Gleiches gilt nach ebenso zutreffender wie allgemeiner Ansicht für den aktienrechtlichen Squeeze-out7. Zwar ist der Wortlaut der §§ 327a I 1, 327b I 1, 1. Hs. AktG hier nicht so eindeutig wie § 320b I 1 AktG, denn es ist nur die Rede davon, dass die Hauptversammlung »die Übertragung der Aktien der übrigen Aktionäre (. . .) auf den Hauptaktionär gegen Gewährung einer angemessenen Abfindung beschließen« kann (§ 327a I 1 AktG) und dass der Hauptaktionär die Höhe der Barabfindung festlegt (§ 327b I 1, 1. Hs. AktG). Im Kontrast zu § 320b I AktG könnte diese Regelung sogar dafür sprechen, dass der Abfindungsanspruch seinen Ursprung in einem – wenngleich erzwungenen – Angebot des Hauptaktionärs habe. Ausschlaggebend ist aber neben den zahlreichen sonstigen Ähnlichkeiten, die das Recht des Squeeze-out mit dem Recht der Mehrheitseingliederung aufweist, dass der Hauptaktionär auch beim Squeeze-out die Aktien der Minderheitsaktionäre kraft Gesetzes mit der Wirksamkeit des Ausschlusses erwirbt (§ 327e III 1 AktG).

5 Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 136. Schindler a.a.O. differenziert auch noch zwischen einem kraft Gesetzes entstehenden Abfindungsrecht und dem Abfindungsanspruch, der vertragliche Rechtsnatur haben soll. 6 Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 320a Rn. 3; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 320b Rn. 3; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 135. 7 Statt aller Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 327e Rn. 10; Schnorbus in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 327b Rn. 19.

A) Rechtsnatur des Abfi ndungsanspruchs

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2) § 39a WpÜG Den Abfindungsanspruch des § 39a WpÜG beim übernahmerechtlichen Squeezeout dürfte die allgemeine Ansicht als gesetzlichen Anspruch konstruieren8 . Dies erscheint so selbstverständlich, dass es kaum erörtert wird. Man könnte freilich aus den anderssprachlichen Formulierungen von Art. 15 V ÜbernahmeRiLi (price, prix) auf eine rechtsgeschäftliche Konstruktion schließen. Doch selbst wenn man unterstellt, der Richtliniengeber habe den Abfindungsanspruch der ausgeschlossenen Aktionäre rechtsgeschäftlich konzipiert, wäre diese dogmatische Einordnung für den deutschen Gesetzgeber nicht zwingend. Aus dem Gebot zur richtlinienkonformen Auslegung folgt nur, dass die Mitgliedstaaten den Aktionären den in Art. 15 V ÜbernahmeRiLi vorgesehenen Schutz gewähren müssen. Dies kann ein gesetzlich garantierter Anspruch aber zumindest ebenso gut. 3) § 305 AktG Nicht so eindeutig ist die Lage dagegen beim Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Anstoß zur Frage nach der Rechtsnatur des Abfindungsanspruchs aus § 305 AktG waren drei Verfahren, die oberlandesgerichtlich in Karlsruhe 9, Zweibrücken10 und Düsseldorf11 entschieden wurden, von denen zwei den Weg bis zum BVerfG fanden12 und eines vom BGH entschieden wurde13 . Jedes dieser Verfahren behandelte die Frage, ob Aktionären auch dann ein Abfindungsanspruch gem. § 305 AktG zusteht, wenn der Unternehmensvertrag während eines die Abfindung betreffenden Spruchverfahrens beendet wurde. Sah man die Grundlage des Abfindungsanspruchs in dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, so lag die Antwort nahe14 , dass mit dem Unternehmensvertrag das Abfindungsrecht erlosch15 . Sah man den Abfindungsanspruch dagegen als gesetzlichen Anspruch an, leuchtete umgekehrt nicht von vornherein ein, warum der Anspruch mit der Beendigung des Unternehmensvertrags untergehen sollte16 . Auf die Probe gestellt wurden die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze in dem 8 Inzident etwa Heidel/Lochner, Konzern 2006, 653, 655 (»gemäß § 39a Abs. 1 Satz 1 WpÜG geschuldete angemessene Abfindung«); Paefgen, WM 2007, 765, 766 (»Den ausgeschlossenen Aktionären ist nach § 39a Abs. 1 Satz 1 WpÜG (. . .) eie angemessene Abfi ndung für den Verlust ihrer Mitgliedschaftsrechte zu gewähren«). 9 OLG Karlsruhe ZIP 1994, 1529 (SEN/KHS). Abschluss des Verfahrens mit OLG Karlsruhe ZIP 2004, 2330 (SEN/KHS). 10 OLG Zweibrücken WM 1994, 1801 (Tarkett/Pegulan). 11 OLG Düsseldorf ZIP 1996, 1610 (Guano). 12 BVerfG NJW 1999, 1699 (SEN/KHS); BVerfG NJW 1999, 1701 (Tarkett/Pegulan). 13 BGHZ 135, 374 (Guano). 14 Dies ist aber nicht zwingend, vgl. hier nur Schwark, LM § 305 AktG 1965 Nr. 3, Bl. 2127. 15 So im Ergebnis OLG Karlsruhe ZIP 1994, 1529, 1531 (SEN/KHS); OLG Zweibrücken WM 1994, 1801, 1802 (Tarkett/Pegulan); LG Mannheim ZIP 1994, 1024, 1025 (SEN/KHS). 16 Bereits oben bei den verfassungsrechtlichen Erwägungen wurde allerdings darauf hingewiesen, dass diese Streitigkeiten in erster Linie nicht mit zivilrechtsdogmatischen, sondern verfassungsrechtlichen Waffen ausgetragen wurden (dazu o. S. 77 in Fn. 5).

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§ 6 Entwicklung des Systems

»Jenoptik-Fall«, in dem sich die Frage stellte, inwieweit die Abfindungsansprüche nach der Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags während eines laufenden Spruchverfahrens übertragen werden können17. a) Vertragskonstruktionen Nach herkömmlicher Dogmatik ist der Abfindungsanspruch aus § 305 AktG ein vertraglicher Anspruch, der dadurch entsteht, dass die außenstehenden Aktionäre das im Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag enthaltene Abfindungsangebot18 annehmen19. Nach dieser Ansicht räumt der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ein Optionsrecht ein und ist insofern echter Vertrag zugunsten Dritter20 . Zum Teil wird die Qualifikation als Vertrag zugunsten Dritter abge17 BGHZ 167, 299 (Jenoptik); Vorinstanz OLG Jena ZIP 2005, 525 (Jenoptik); zur anschließend eingereichten Verfassungsbeschwerde s. den Nichtannahmebeschluss von BVerfG NJW 2007, 3265 (Jenoptik). 18 Zur allgemein zivilrechtlichen Terminologie würde es besser passen, von einem »Abfindungsantrag« zu sprechen (vgl. § 145 BGB). 19 OLG Celle AG 1973, 405, 406 f.; OLG Düsseldorf AG 2000, 77 (Guano); OLG Hamburg ZIP 2002, 754, 756 (Philips Kommunikations Industrie AG); LG Stuttgart AG 1998, 103 (Gestra/Foxboro); Bayer, ZIP 2005, 1053, 1056; Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 5 ff.; Bilda, NZG 2005, 375, 376; Emmerich, JuS 1997, 1045, 1046; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 305 Rn. 5, 25; Eschenbruch, Konzernhaftung, 1996, Rn. 3122; Haase, AG 1995, 7, 10; Habersack, AG 2005, 709, 710; Halberkamp, Die Entschädigung der außenstehenden Aktionäre bei der aktienrechtlichen Konzernierung, 1996, S. 37 f.; Hirte, FS Hadding, 2004, 427, 430; Komp, Zweifelsfragen des aktienrechtlichen Abfindungsanspruchs nach §§ 305, 320b AktG, 2002, S. 433; Koppensteiner, BB 1978, 769, 769 Fn. 5; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 305 Rn. 11; Meyer-Landrut/ Miller, DB 1969, 1391, 1392; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 136; J. Schmidt, Das Recht der außenstehenden Aktionäre, 1979, S. 48; Schwark, LM § 305 AktG 1965 Nr. 3, Bl. 2127; Würdinger in Großkomm. AktG, 3. Aufl. 1971, § 305 Anm. 1; inzident etwa OLG Hamm AG 2003, 585, 586 (DAB/Hansa); OLG Karlsruhe ZIP 1994, 1529, 1531 (SEN/KHS); OLG Zweibrücken WM 1994, 1801, 1802 (Tarkett/Pegulan); OLG Düsseldorf ZIP 1990, 1333, 1335 (DAB/Hansa); Flume, DB 1969, 1047; Hüchting, Abfindung und Ausgleich im aktienrechtlichen Beherrschungsvertrag, 1972, S. 21 ff., 85 ff.; Krieger DStR 1992, 432, 433; Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 70 Rn. 112; Petzel, Ansprüche der Minderheitsaktionäre bei Unternehmensverbindung und Umwandlung, Jur. Diss. Göttingen 1967, S. 42; Ruoff, BB 2005, 2201, 2202; Stephan in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 305 Rn. 8 ff.; W. Werner, WuB II A § 305 AktG 1.95, 151. Auch das OLG Düsseldorf ZIP 1996, 1610, 1612 (Guano), geht hiervon aus, weil es das Abfindungsangebot kraft verfassungskonformer Auslegung als fortbestehend behandelt. Widersprüchlich Schiffer/Roßmeier, DB 2002, 1359, 1359 f., die unreflektiert die Passagen aus der Guano-Entscheidung des BGH mit Andeutungen für einen vertraglichen und gesetzlichen Anspruch vermischen. 20 Vgl. schon RGZ 147, 42, 46 f. (zur Dividendengarantie); zu § 305 AktG OLG Düsseldorf AG 1998, 39, 40; OLG Düsseldorf AG 2000, 77 (Guano); OLG Hamburg ZIP 2002, 754, 756 (Philips Kommunikations Industrie AG); LG Stuttgart AG 1998, 103 (Gestra/Foxboro); Altmeppen, FS Ulmer, 2003, 3, 5; Bayer, ZGR 1993, 599, 602 f.; Bayer, ZIP 2005, 1053, 1056; Beuthien, DB 1969, 1781; Bilda, NZG 2005, 375, 376; Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 8; Bodewig, Zur Sicherung der Minderheitsrechte außenstehender Aktionäre durch die Vorschriften der §§ 304, 305, 306 AktG, Jur. Diss. Köln 1974, S. 43 ff.; Emmerich, JuS 1997, 1045, 1046; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 305 Rn. 5, 25; Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1976, § 305 Rn. 11; Geßler/Käpplinger,

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lehnt, weil der Unternehmensvertrag lediglich das Abfindungsangebot enthalte, den Abfindungsanspruch aber nicht begründe21. Teils wird der Abfindungsanspruch mit dem Optionsrecht gleichgesetzt und davon gesprochen, der Abfindungsanspruch (= Optionsrecht) entstehe mit der Eintragung des Unternehmensvertrags in das Handelsregister, der Zahlungs- und Leistungsanspruch gegen das herrschende Unternehmen entstehe jedoch erst durch die Optionsausübung22 . Das Durchführungsgeschäft zur Abwicklung der Abfindung wird von allen Vertretern dieser Ansicht – abhängig davon, ob Barabfindung oder Abfindung in Aktien angeboten werde – als Kauf- oder Tauschvertrag angesehen 23 , teilweise wird hier von einem spezifisch aktienrechtlichen Vertrag24 oder von einem »Leistungsaustauschvertrag«25 gesprochen. Teilweise wird die Möglichkeit anerkannt, dass der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag bereits den Abfindungsanspruch selbst zugunsten der außenstehenden Aktionäre einräume und der Abschluss eines weiteren Vertrages über den Aktienerwerb daher unnötig sei26 . Wenn das Gericht die Abfindungshöhe im Spruchverfahren ändere oder erstmalig eine Abfindung festleAktG (Loseblatt), Stand: November 2007, § 305 Rn. 3; Grüner, Die Beendigung von Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträgen, 2002, S. 197; Haase, AG 1995, 7, 10; Halberkamp, Die Entschädigung der außenstehenden Aktionäre bei der aktienrechtlichen Konzernierung, 1996, S. 37; Hirte/Hasselbach in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 305 Rn. 7 f.; Hirte, FS Hadding, 2004, 427, 430; Komp, Zweifelsfragen des aktienrechtlichen Abfindungsanspruchs nach §§ 305, 320b AktG, 2002, S. 433; Koppensteiner, BB 1978, 769; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 305 Rn. 12; Koppensteiner, DStR 2006, 1603, 1604; Nirk in Nirk, Handbuch der Aktiengesellschaft (Loseblatt), Stand: Februar 1999, Rn. 2418; Ruoff, BB 2005, 2201, 2202; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 137; Seisler, Der Anspruch des Minderheitsaktionärs auf angemessene Abfindung im Verfahren nach §§ 306 AktG, 30 ff. UmwG, Jur. Diss. Mannheim 1983, S. 44; Würdinger in Großkomm. AktG, 3. Aufl. 1971, § 305 Anm. 1. 21 Habersack, AG 2005, 709, 710; die Figur des Vertrags zugunsten Dritter ebenfalls ablehnend Praël, Eingliederung und Beherrschung als körperschaftliche Rechtsgeschäfte, 1978, S. 74 f. 22 Hirte/Hasselbach in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 305 Rn. 18; ebenso Praël, Eingliederung und Beherrschung als körperschaftliche Rechtsgeschäfte, 1978, S. 74, der zwischen Abfindungsrecht und der durch die Ausübung dieses Rechts entstehenden Rechtsbeziehung unterscheidet. 23 Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 296 Rn. 41; Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 8; Emmerich, JuS 1997, 1045, 1046; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 305 Rn. 5; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 8. Aufl. 2005, § 22 II 1 = S. 309; Habersack, AG 2005, 709, 710; Hirte/Hasselbach in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 305 Rn. 18; Hirte, FS Hadding, 2004, 427, 430; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 305 Rn. 12. 24 Nirk in Nirk, Handbuch der Aktiengesellschaft (Loseblatt), Stand: Februar 1999, Rn. 2418; Petzel, Ansprüche der Minderheitsaktionäre bei Unternehmensverbindung und Umwandlung, Jur. Diss. Göttingen 1967, S. 42. 25 So Würdinger in Großkomm. AktG, 3. Aufl. 1971, § 305 Anm. 1 (hierauf sollen die Grundsätze des Kauf- oder Tauschvertrags anwendbar sein); zust. OLG Celle AG 1973, 405, 406 f.; dahingestellt von Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1976, § 305 Rn. 11. 26 So Beuthien, DB 1969, 1781; Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1976, § 305 Rn. 11; offen lassend BayObLGZ 1978, 209, 213 (Mechanische Baumwollspinnerei und Weberei Augsburg).

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§ 6 Entwicklung des Systems

ge, dann soll dies vertragsgestaltende Wirkung haben 27, wenngleich teils von einem »dem Grunde nach kraft Gesetzes gewährten Anspruch« gesprochen wird 28 . Einige nehmen jedoch an, in diesen Fällen entstehe das Optionsrecht kraft Gesetzes29. Im oben genannten Problemfall, in dem der Unternehmensvertrag während des Spruchverfahrens beendet wird, nahmen einige der Vertreter dieses Grundstandpunktes an, dass das in diesem Vertrag enthaltene Abfindungsangebot erloschen war30 und setzten sich damit in Widerspruch zur nunmehr vom BGH und BVerfG vertretenen Meinung31. Demgegenüber wurde und wird darauf verwiesen, dass das Abfindungsangebot den Unternehmensvertrag sehr wohl überleben könne, wenn nur die Bindung an den Antrag nach § 145 BGB fortbestehe.32 Dementsprechend soll das Abfindungsangebot nach der Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags noch angenommen werden können 33 . Dieses Ergebnis 27 BayObLGZ 1978, 209, 213; BayObLG WM 1996, 526, 533 (Paulaner); OLG Düsseldorf WM 1990, 1282, 1290; OLG Düsseldorf AG 1998, 39; OLG Düsseldorf AG 2000, 323, 326 (Hoffmann’s Stärkefabriken); Bilda, NZG 2005, 375, 376; Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 123; Flume, DB 1969, 1047, 1047 f.; Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1976, § 305 Rn. 9, 74; Haase, AG 1995, 7, 9 f.; Hüchting, Abfindung und Ausgleich im aktienrechtlichen Beherrschungsvertrag, 1972, S. 85; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 305 Rn. 150; Nirk in Nirk, Handbuch der Aktiengesellschaft (Loseblatt), Stand: Februar 1999, Rn. 2449; Ruoff, BB 2005, 2201, 2202; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 157; Schwark, LM § 305 AktG 1965 Nr. 3, Bl. 2127; Stephan in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 305 Rn. 12; inzident Hirte/Hasselbach in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 305 Rn. 8: »stets eine vertragliche Grundlage«; H. Wilhelm, Die Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags, 1976, S. 14. 28 Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 136: »(. . .) der dem Grunde nach kraft Gesetzes gewährte Anspruch besitzt damit vertragliche Natur (. . .)«. Schindler a.a.O. differenziert auch noch zwischen einem kraft Gesetzes entstehenden Abfi ndungsrecht und dem Abfindungsanspruch, der vertragliche Rechtsnatur haben soll. 29 So Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 305 Rn. 6 f.; Gutheil, Die Auswirkungen von Umwandlungen auf Unternehmensverträge nach §§ 291, 292 AktG und die Rechte außenstehender Aktionäre, 2001, S. 127 (»jedenfalls im Fall der Anhängigkeit eines Spruchstellenverfahrens«); Hirte, FS Hadding, 2004, 427, 431 (»gesetzliches Schuldverhältnis«). 30 OLG Karlsruhe ZIP 1994, 1529, 1531 (SEN/KHS); OLG Zweibrücken WM 1994, 1801, 1802 (Tarkett/Pegulan), das allerdings nicht ausdrücklich auf die Konstruktion eines Antrags auf Abfindung im Unternehmensvertrag eingeht; Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1976, § 296 Rn. 20; Hengeler, FS Möhring, 1975, 197, 199; H. Wilhelm, Die Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags, 1976, S. 41; inzident Sonnenschein, ZGR 1981, 429, 438 f. 31 BGHZ 135, 374 (Guano); BVerfG NJW 1999, 1699 (SEN/KHS); BVerfG NJW 1999, 1701 (Tarkett/Pegulan). Dazu schon S. 80. 32 Komp, Zweifelsfragen des aktienrechtlichen Abfindungsanspruchs nach §§ 305, 320b AktG, 2002, S. 432 ff.; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 305 Rn. 22; J. Schmidt, Das Recht der außenstehenden Aktionäre, 1979, S. 48; Schwark, LM § 305 AktG 1965 Nr. 3, Bl. 2127. 33 So im Ergebnis BayObLGZ 1998, 231, 234 (März/EKU); OLG Düsseldorf ZIP 1990, 1333, 1335 (DAB/Hansa); OLG Düsseldorf WM 1995, 756, 759 (DAT/Altana II); OLG Düsseldorf ZIP 1996, 1610, 1612 (Guano); OLG Hamburg AG 2002, 406, 407 (Bavaria und St. Pauli/März); OLG Hamm AG 2003, 585, 586 (DAB/Hansa); LG Berlin AG 2000, 284; Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 296 Rn. 41; Hohner, DB 1973, 1487, 1491 f.; Mülbert/Winkler, WuB

A) Rechtsnatur des Abfi ndungsanspruchs

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wird von anderen Vertretern dieser Meinung zusätzlich auf eine verfassungskonforme Auslegung gestützt 34 . Teilweise wird hier eine Ausnahme von der Vertragskonstruktion gemacht und ein Optionsrecht kraft Gesetzes bejaht 35 . Die Möglichkeit, das Abfindungsangebot nach Vertragsbeendigung anzunehmen, wird jedoch von der überwiegenden Zahl dieser Stimmen auf den – ausdrücklich vom BVerfG und BGH entschiedenen – Fall beschränkt, dass im Zeitpunkt der Vertragsbeendigung ein Spruchverfahren schwebt 36 . Unterschiedliche Auffassungen existieren über die Verkehrsfähigkeit des Abfindungsanspruchs bzw. der Abfindungsoption: Teils ist man der Ansicht, der Abfindungsanspruch gehöre zur Mitgliedschaft 37 und werde durch die Aktie verbrieft 38 , teils wird diese Vorstellung abgelehnt 39. Diejenigen Vertreter, die das Abfindungsrecht der Mitgliedschaft zuschreiben, halten dieses Recht für übertragbar, und zwar nach wertpapierrechtlichen Grundsätzen40 . Überwiegend wird dabei angenommen, der Anspruch könne nur von solchen Personen erworben werden, die selbst außenstehende Aktionäre seien41, so dass die Verkehrsfähigkeit des AnII A. § 304 AktG 1.01, 801; H. F. Müller, WuB II A § 305 AktG 1.98, 809 f.; Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 70 Rn. 113; W. Meilicke, AG 1995, 181, 183 ff.; J. Schmidt, Das Recht der außenstehenden Aktionäre, 1979, S. 48 f.; unterschiedlich für Beendigung durch Kündigung und Beendigung durch Konfusion Naraschewski, DB 1997, 1653, 1655 l.Sp. 34 BayObLGZ 1998, 231, 234 f. (März/EKU); OLG Düsseldorf ZIP 1996, 1610, 1612 (Guano); ähnlich vorher OLG Düsseldorf ZIP 1990, 1333, 1335 (DAB/Hansa), das sich aber zusätzlich auf eine Auslegung des konkreten Angebots stützt; ferner Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 30. 35 Altmeppen, FS Ulmer, 2003, 3, 7; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 305 Rn. 6 f., mit anderer Begründung a.a.O., § 306 Rn. 61 (vgl. aber auch a.a.O., § 296 Rn. 26); Hirte, FS Hadding, 2004, 427, 431; dahingestellt von OLG Hamm AG 2003, 585, 586 (DAB/Hansa) [dazu auch noch u. S. 123]. 36 BayObLGZ 1998, 231, 234 (März/EKU); Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 296 Rn. 41; Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 30; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 4. Aufl. 2005, § 305 Rn. 6 f.; für die Beendigung durch Kündigung in der Tendenz (»jedenfalls«) Naraschewski, DB 1997, 1653, 1655 l.Sp. 37 OLG Jena ZIP 2005, 525, 526 (Jenoptik); OLG Düsseldorf AG 2001, 596 (Peipers/Gontermann Holding) (für den Abfi ndungsanspruch aus § 29 UmwG); Altmeppen, FS Ulmer, 2003, 3, 12; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 305 Rn. 32; Koppensteiner, DStR 2006, 1603, 1604; Stimpel, AG 1998, 259, 263; Würdinger in Großkomm. AktG, 3. Aufl. 1971, § 304 Anm. 5 f. 38 OLG Jena ZIP 2005, 525, 526 (Jenoptik); Altmeppen, FS Ulmer, 2003, 3, 12; Hirte, FS Hadding, 2004, 427, 431 ff.; Hirte/Mock, DB 2005, 1444, 1445; Koppensteiner, DStR 2006, 1603, 1604; Stimpel, AG 1998, 259, 263. 39 Zuerst wohl Flechtheim, ZBlHR 1930, 271, 275; dem folgend BGHZ 167, 299, 306 f. (Jenoptik); Bayer, ZIP 2005, 1053, 1058; Habersack, AG 2005, 709, 711; Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 70 Rn. 110; Lehmann, ZIP 2005, 1489, 1491; Ruoff, BB 2005, 2201, 2202; offen F. A. Schäfer in Happ, Aktienrecht, 3. Aufl. 2007, 4.01 Rn. 9. 40 OLG Jena ZIP 2005, 525, 526 (Jenoptik); Altmeppen, FS Ulmer, 2003, 3, 12; Bilda, NZG 2005, 375, 377 f.; Hirte, FS Hadding, 2004, 427, 431 ff.; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 305 Rn. 32; Koppensteiner, DStR 2006, 1603, 1604; Würdinger in Großkomm. AktG, 3. Aufl. 1971, § 304 Anm. 5. 41 OLG Jena ZIP 2005, 525, 526 (Jenoptik); Altmeppen, FS Ulmer, 2003, 3, 12; Hirte, FS Hadding, 2004, 427, 432; Bilda, NZG 2005, 375, 377 f.; Koppensteiner, DStR 2006, 1603, 1605; Stimpel, AG 1998, 259, 263.

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spruchs vor allem nach Vertragsbeendigung entfalle, weil zu diesem Zeitpunkt keine außenstehenden Aktionäre mehr existierten42 . Dies wird von anderen abgelehnt, so lange die Annahmefrist – insbesondere bei noch laufendem Spruchverfahren – nicht abgelaufen sei43 . Unter denjenigen, die den Abfindungsanspruch nicht als Mitgliedschaftsrecht, sondern Drittanspruch oder Gläubigerrecht begreifen, gehen die Ansichten über die Übertragbarkeit auseinander. Teilweise wird die Abfindungsoption als akzessorisches Recht mit der Aktie für übertragbar gehalten44 , so dass sie auch von nicht-außenstehenden Aktionären erworben werden kann45 . Andere halten den Anspruch dagegen für nicht übertragbar46 . Dies wird teilweise damit begründet, dass der Aktionär durch die Übertragung seiner Aktie auf den Abfindungsanspruch verzichte47 ; teilweise wird der Abfindungsanspruch als auflösend bedingt für den Fall der Weiterveräußerung der Aktie konstruiert 48 . Veräußert ein Abfindungsberechtigter seine Aktien, so entsteht nach dieser Ansicht der Anspruch nach der Übertragung originär in der Person des Erwerbers49. Der Erwerber müsse daher außenstehender Aktionär sein 50 , was insbesondere nach der Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags nicht mehr in Betracht komme51. Zum Teil wird der Ausschluss der Übertragbarkeit auf die rechtsgeschäftliche Übertragung begrenzt, so dass die Rechtsnachfolge im Wege der Gesamtrechtsnachfolge unberührt bleibe52 .

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Bilda, NZG 2005, 375, 378 (mit einem Hinweis auf den Abfindungsanspruch als »unselbständiges Gläubigerrecht«, das nur den Aktionären zustehe, die die persönlichen Voraussetzungen des § 305 AktG erfüllten). 43 OLG Jena ZIP 2005, 525, 526 (Jenoptik); Hirte/Hasselbach in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 305 Rn. 12 f.; Hirte, FS Hadding, 2004, 427, 432. 44 Flechtheim, ZBlHR 1930, 271, 275; Habersack, AG 2005, 709, 711. 45 Habersack, AG 2005, 709, 711 f. 46 Bayer, ZIP 2005, 1053, 1057; Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 70 Rn. 110; Ruoff, BB 2005, 2201, 2202 f.; dem inzident folgend BGHZ 167, 299, 306 f. (Jenoptik) (Verlust des Abfindungsoptionsrechts bei Übertragung der Aktie). 47 Bayer, ZIP 2005, 1053, 1059 r. Sp.; ähnlich Goette, DStR 2006, 2132, 2133: »offenbart er (der außenstehende Aktionär, Anm. d. Verf.), dass ihm der gesetzlich eingeräumte Dispositionsschutz nicht mehr wichtig ist«. 48 Braun/Krämer, ZIP 2006, 1396, 1398; vorsichtig zust. Bungert/Bednarz, BB 2006, 1865, 1866. 49 Bayer, ZIP 2005, 1053, 1057; dem folgend BGHZ 167, 299, 303 f., 306 f. (Jenoptik); Braun/ Krämer, ZIP 2006, 1396, 1398; Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 70 Rn. 110; Ruoff, BB 2005, 2201, 2203; Stephan in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 305 Rn. 14. 50 Bayer, ZIP 2005, 1053, 1057; dem folgend BGHZ 167, 299, 303 f., 306 f. (Jenoptik); Braun/ Krämer, ZIP 2006, 1396, 1398; Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 70 Rn. 110; Ruoff, BB 2005, 2201, 2203; Stephan in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 305 Rn. 15. 51 Bayer, ZIP 2005, 1053, 1058; dem folgend BGHZ 167, 299, 309 (Jenoptik); Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 70 Rn. 110; Ruoff, BB 2005, 2201, 2203; Stephan in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 305 Rn. 15. 52 Braun/Krämer, ZIP 2006, 1396, 1399.

A) Rechtsnatur des Abfi ndungsanspruchs

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b) Gesetzlicher Anspruch Dieser »Vertragstheorie« stehen Vertreter einer »Theorie des gesetzlichen Anspruchs« gegenüber. Ihrer Meinung nach entsteht der Abfindungsanspruch gem. § 305 AktG kraft Gesetzes53 . Umstritten bzw. unklar ist, welcher Umstand genau diesen gesetzlichen Anspruch auslösen soll. In Betracht kommen hierfür schon der Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags54 oder erst dessen Eintragung in das Handelsregister55 . Dass der Abfindungsanspruch auch aus dem Unternehmensvertrag selbst folgen kann, wird von keinem Vertreter dieser Ansicht ausgeschlossen 56 und lässt sich nicht verneinen, denn die §§ 304 ff. AktG wollen selbstverständlich nicht die Vertragsfreiheit zu Lasten der außenstehenden Aktionäre beschneiden. Die Anhänger dieser Ansicht brauchen diesen Gedanken aber nicht weiter zu verfolgen, weil mit der Annahme eines vertraglichen Anspruchs neben dem gesetzlichen Anspruch nichts gewonnen wird. c) Kombinationslösungen Neben diesen »Extrempositionen« gibt es Kombinationstheorien, die den Anspruch gem. § 305 AktG vertraglich und gesetzlich konzipieren. So spricht Zöllner von einem »zumindest auch« gesetzlichen Anspruch 57. Hüffer zufolge beruht der Anspruch auf einem gesetzlichen Schuldverhältnis, das als Schutzpflichtverhältnis einzuordnen ist und bereits mit dem Abschluss – nicht erst mit der Eintragung – des Unternehmensvertrags entsteht 58 . 53

Gutheil, Die Auswirkungen von Umwandlungen auf Unternehmensverträge nach §§ 291, 292 AktG und die Rechte außenstehender Aktionäre, 2001, S. 183; Luttermann, JZ 1997, 1183; Luttermann, ZIP 1999, 45, 46; Luttermann, EWiR 2004, 951, 952; Luttermann, JZ 2005, 201, 203; Luttermann, NZG 2006, 816, 817 ff.; Mülbert/U. H. Schneider, WM 2003, 2301, 2308; Röhricht, ZHR 162 (1998), 249, 257; M. Schwab, BB 2000, 527, 528; Weißhaupt, Kompensationsbezogene Informationsmängel in der Aktiengesellschaft, 2003, S. 49 ff., 113 ff. Den Ausführungen Röhrichts a.a.O. zustimmend BayObLGZ 1998, 231, 234 (März/EKU); Ammon, FGPrax 1998, 121, 123. Inzident von einem gesetzlichen Anspruch ausgehend W. Meilicke, AG 1995, 181, 186, 187; wohl auch Kübler, FS Goerdeler, 1987, 279, 284 Fn. 15. Andeutungen für einen gesetzlichen Anspruch BayObLG ZIP 2002, 127, 129 (Bayerische Brau/Schörghuber II): die §§ 304, 305 AktG »lassen (. . .) die Verpflichtung zur Ausgleichzahlung und zur (. . .) Abfindung mit jedem Abschluss eines derartigen Vertrages neu entstehen«. Inzident Rasch, Aktuelle Probleme des Konzernrechts und der Konzerngesetzgebung, 1970, S. 14 ff. Die Vertragskonstruktion kritisierend, aber ohne eigenes Konzept W. Meilicke in AnwKomm-AktienR, 2003, § 305 Rn. 9. 54 So M. Schwab, BB 2000, 527, 528. 55 So wohl Röhricht, ZHR 162 (1998), 249, 257, der den Abfindungsanspruch als Entschädigungsanspruch für einen Eingriff in grundgesetzlich geschützte Eigentums-Rechte der Aktionäre ansieht. Dieser Eingriff wird aber erst mit der Eintragung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags in das Handelsregister wirksam (§ 294 II AktG). 56 Nichts ausdrücklich Gegenteiliges findet sich insofern bei Luttermann, JZ 1997, 1183 ff.; Röhricht, ZHR 162 (1998), 249, 255 ff. Einen Anspruch aus Vertrag hält für möglich Luttermann, EWiR 2002, 647, 648. 57 Zöllner, GS Knobbe-Keuk, 1997, 369, 380 f. 58 Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 305 Rn. 4a f. In EWiR 1997, 769, 770 sprach Hüffer nur davon, dass die Abfindungsoption aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis folgen solle. Ähnlich Bil-

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§ 6 Entwicklung des Systems

Problematisch ist bei dieser Konstruktion, wie sich der vertragliche und gesetzliche Anspruch zueinander verhalten. Denkbar ist insoweit, dass sie »frei« nebeneinander existieren und bei Erfüllung gemeinsam erlöschen59. Nach Hüffer ist der aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis folgende Abfindungsanspruch »noch verhalten oder unentwickelt, soweit und solange die Vertragsparteien den Schutz der Aktionäre im Unternehmensvertrag zu ihrer Sache machen«60 . Erst wenn sie dies unterließen, »aktualisiert sich der gesetzliche Anspruch« 61. Dies sei der Fall, wenn der Vertrag keine Abfindung vorsehe (§ 305 V 2, 1. Alt. AktG), die Abfindungsregelung nicht wirksam sei (§ 305 V 2, 2. Alt. AktG) oder wenn der Beherrschungsund Gewinnabführungsvertrag vor Abschluss des Spruchverfahrens beendet werde 62 . Im Übrigen könne das Verhältnis zwischen vertraglichem und gesetzlichem Anspruch offen bleiben, so lange er schon auf vertraglicher Basis existiere 63 . d) Die Rechtsprechung des BGH Der BGH machte im bereits oben genannten Guano-Urteil64 grundlegende Ausführungen zur Rechtsnatur des Abfindungsanspruchs nach § 305 AktG. Ergänzende Stellungnahmen folgten im ASEA/BBC II-Beschluss65 , der DAT/AltanaEntscheidung66 , dem Jenoptik- 67 sowie zuletzt im EKU-Urteil68 . Die entscheidende Passage aus dem Guano-Urteil lautet: »Das Abfindungsangebot an die außenstehenden Aktionäre wird im Schrifttum als Abfi ndungsoption angesehen, die sich aus dem Unternehmensvertrag als berechtigendem Vertrag zugunsten Dritter ergibt und die der Annahme durch die Aktionäre bedarf. (. . .) Dem ist zu folgen, so lange ein Spruchstellenverfahren noch nicht rechtshängig ist (Hervorhebung d. Verf.). Nach § 305 Abs. 5 Satz 2 AktG hat das Gericht die nach dem Vertrag zu gewährende Abfindung u. a. auch dann zu bestimmen, wenn der Vertrag die Gewährung einer Abfindung nicht vorsieht. Das Gesetz geht somit – im Gegensatz zu § 304 Abs. 3 Satz 1 AktG – (. . .) von der Wirksamkeit des Unternehmensvertrags aus. Daraus ist zu schließen, dass dieser Anspruch dem Grunde nach (Hervorhebung d. Verf.) kraft Gesetzes gewährt wird. (. . .) Daraus folgt weiter, dass dieser Anspruch zumindest dann nicht bei Beendigung des Vertrages wegfallen kann, wenn er bereits im Spruchstellenverfahren rechtshängig gemacht worden ist«69. da in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 7 f., 28, der von einem solchen gesetzlichen Schuldverhältnis aber nur in eng umrissenen Ausnahmefällen ausgehen möchte. 59 Hiervon scheint Zöllner, GS Knobbe-Keuk, 1997, 369, 380 f. auszugehen, der insofern keine Einschränkungen macht. 60 Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 305 Rn. 4b. 61 Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 305 Rn. 4b; zust. Veil in Spindler/Stilz, AktG, 2007, § 305 Rn. 11. 62 Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 305 Rn. 4a f. 63 Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 305 Rn. 4a. 64 BGHZ 135, 374, 380 (Guano). 65 BGHZ 138, 136, 138 f. (ASEA/BBC II). 66 BGHZ 147, 108, 112 (DAT/Altana). 67 BGHZ 167, 299 (Jenoptik). 68 BGH ZIP 2008, 778 (EKU). 69 BGHZ 135, 374, 380 (Guano).

A) Rechtsnatur des Abfi ndungsanspruchs

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Wenn der BGH davon spricht, dass »dieser Anspruch« kraft Gesetzes entsteht, so könnte damit der Abfindungsanspruch gem. § 305 AktG an sich gemeint sein. Dann würde der BGH zumindest auch die oben als »Theorie des gesetzlichen Anspruchs« bezeichnete Linie verfolgen70 und – mit Rücksicht auf den ersten Satz des oben genannten Zitates – wohl im Ergebnis einer Kombinationslösung zuneigen 71. Hierauf deutet auch ein Satz aus dem ASEA/BBC II-Beschluss, in dem der BGH ausführt, der Abschluss des Beherrschungsvertrags sei »lediglich auslösendes Moment für die Rechtsbeeinträchtigung und Verlust (der Aktionäre, Anm. d. Verf.) und die dafür zu gewährende Entschädigung (Hervorhebung d. Verf.)«72 . Mit »dieser Anspruch« könnte aber auch nur der Abfindungsanspruch in dem Fall gemeint sein, in dem der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag kein (angemessenes) Abfindungsangebot enthält. Dementsprechend kann man den II. Senat so verstehen, dass er grundsätzlich von der Vertragskonstruktion der herkömmlichen Dogmatik ausgeht und nur bzw. jedenfalls in Ausnahmefällen auf das Modell eines gesetzlichen Anspruchs zurückgreifen möchte, in denen diese Konstruktion keinen Abfindungsanspruch begründen kann73 . Darauf deuten die umfangreichen verfassungsrechtlichen Ausführungen des Guano-Urteils hin 74 . Sie lassen vermuten, dass der BGH – neben dem Fall des fehlenden oder unwirksamen Angebotes – nur in dem entschiedenen speziellen Fall und aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung Ausnahmen von der Vertragskonstruktion machen wollte. Im DAT/Altana-Beschluss spricht der II. Senat mit Verweis auf das Guano-Urteil ebenfalls nur noch davon, dass der Abfindungsanspruch bestehen bleibe, wenn der Unternehmensvertrag während eines Spruchstellenverfahrens beendet werde75 , begrenzt seine Ausführungen also ausdrücklich auf den zu entscheidenden Fall. Da der BGH andererseits nur von einem »dem Grunde nach« gesetzlichen Anspruch spricht, könnte man ihn auch so interpretieren, dass das Gericht im Spruchverfahren den Inhalt des Unternehmensvertrags rückwirkend verändert, so dass die außenstehenden Aktionäre in diesem Fall eine vertragliche Abfindungsoption erwerben. Auf die zuletzt genannte Variante deutet das kürzlich ergangene Jenoptik-Urteil des BGH. Hier führt der II. Senat aus: 70 So das Guano-Urteil verstehend Altmeppen, FS Ulmer, 2003, 3, 7; Hirte, FS Hadding, 2004, 427, 431 m. Fn. 11; Luttermann, ZIP 1999, 45, 46 Fn. 8; Röhricht, ZHR 162 (1998), 249, 257. 71 So wohl Ammon, FGPrax 1998, 121, 123; Emmerich, JuS 1997, 1045, 1046; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 305 Rn. 7 Fn. 11. 72 BGHZ 138, 136, 139 (ASEA/BBC II). Die Wendung des »lediglich auslösenden Moments« ebenfalls aufgreifend BayObLGZ 1998, 231, 234, 235 (März/EKU); Ammon, FGPrax 1998, 121, 123. 73 So verstehen den BGH offensichtlich Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 7 f. m. Fn. 11, 13; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 305 Rn. 3, 4a; Luttermann, JZ 1997, 1183; Schwark, LM § 305 AktG 1965 Nr. 3, Bl. 2127; auch die Interpretation von Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 305 Rn. 7 Fn. 11 könnte man in diese Richtung deuten. 74 BGHZ 135, 374, 378 ff. (Guano). 75 BGHZ 147, 108, 112 (DAT/Altana).

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§ 6 Entwicklung des Systems

»Zur Erfüllung (des Abfindungsanspruchs) hat sich das herrschende Unternehmen gegenüber jedem außenstehenden Aktionär im Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag nach Art eines berechtigenden Vertrages zugunsten Dritter entsprechend der zwingenden Norm des § 305 Abs. 1 AktG verpfl ichtet oder es wird dazu – im Falle der Unangemessenheit oder gar des Fehlens einer solchen Abfindungsoption – auf Antrag kraft Gesetzes im Wege rückwirkender Bestimmung des vertraglich geschuldeten Ausgleichs durch das zuständige Spruchgericht gem. § 305 Abs. 5 S. 2 AktG verpfl ichtet«76 .

Anschließend bezeichnet er diese beiden Entstehungsvarianten des Abfindungsrechts als »primär vertraglicher oder gesetzlicher Natur«77. Da die Variante des § 305 V 2 AktG (Fehlen eines Abfindungsangebots) nur als »primär« gesetzlich qualifiziert wird und ausdrücklich von der rückwirkenden »Bestimmung des vertraglich geschuldeten« Ausgleichs die Rede ist, dürfte der BGH sowohl die Korrektur als auch die erstmalige Bestimmung des Abfindungsanspruchs durch das Spruchgericht als Fall der Vertragsgestaltung ansehen. Dagegen spricht allerdings eine Passage aus dem danach ergangenen EKU-Urteil. Zwar lässt der BGH hier ausdrücklich offen, »ob es sich insoweit um ein vertragliches Schuldverhältnis nach Art eines berechtigenden Vertrages zugunsten Dritter oder um ein primär gesetzliches Schuldverhältnis handelt«78 . Später meint er jedoch unter Zitierung des Guano-Urteils, dass der Abfindungsanspruch »nach Einleitung eines Spruchverfahrens ebenso wie beim Fehlen einer Abfindungsregelung in dem Unternehmensvertrag (§ 305 Abs. 5 S. 2 AktG) kraft Gesetzes gewährt wird«79. 4) § 29 UmwG Der Abfindungsanspruch aus § 29 UmwG entsteht nach ganz herrschender Meinung dadurch, dass der außenstehende Aktionär das im Verschmelzungs- oder Spaltungsvertrag bzw. im Spaltungsplan oder den jeweiligen Entwürfen enthaltene Abfindungsangebot annimmt 80 . Der Verschmelzungs- und Spaltungsvertrag wird in diesem Zusammenhang ebenfalls als ein Optionsvertrag zugunsten Dritter bezeichnet81. Fehlt ein entsprechendes Abfindungsangebot (vgl. § 32 UmwG), 76

BGHZ 167, 299, 306 f. (Jenoptik). BGHZ 167, 299, 306 f. (Jenoptik). 78 BGH ZIP 2008, 778, 780 Rn. 13 (EKU). 79 BGH ZIP 2008, 778, 780 Rn. 15 (EKU); s. auch BGH a.a.O. Rn. 18: »das ihm in den hier interessierenden Fällen kraft Gesetzes zustehende Optionsrecht gem. § 305 Abs. 1 AktG«. 80 Bermel in Goutier/Knopf/Tulloch, UmwG, 1995, § 29 Rn. 22, 39 ff.; Ihring, GmbHR 1995, 622, 631 f.; Kallmeyer in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 125 Rn. 36; Kalss in Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 29 Rn. 23; Marsch-Barner in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 29 Rn. 14; Mayer in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht (Loseblatt), Stand: Mai 2008, § 126 UmwG Rn. 286; Wärholz in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht (Loseblatt), Stand: Juni 2007, § 29 UmwG Rn. 47; zum Abfindungsangebot als Bestandteil des Grundlagenrechtsgeschäfts s. ferner Lutter/Drygala in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 5 Rn. 74; B. Schaub, NZG 1998, 626, 628. 81 Bermel in Goutier/Knopf/Tulloch, UmwG, 1995, § 29 Rn. 22; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 136 f. Für die Anteilsgewährung bei der »Verschmelzung« nach § 304 HGB auch schon RGZ 124, 355, 361. 77

A) Rechtsnatur des Abfi ndungsanspruchs

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wird dem Beschluss im Spruchverfahren vertragsgestaltende Wirkung beigemessen82 . Auch bei § 29 UmwG wird der Vertrag zur Durchführung der Abfi ndung als Kaufvertrag aufgefasst (mangels Abfindung in Aktien kommt ein Tauschvertrag hier nicht in Betracht), sofern der übernehmende Rechtsträger nach seiner Rechtsform berechtigt ist, eigene Anteile zu erwerben83 . Wie der Abfindungsanspruch bei der Verschmelzung und Spaltung zur Neugründung zu konstruieren ist, wird – soweit ersichtlich – nicht näher erläutert. Schuldner der Abfindung ist in diesem Fall der neue Rechtsträger (§§ 36 I 2, 1. Hs., 135 I 2, 1. Hs. UmwG). Dieser entsteht jedoch erst mit der Umwandlung und ist daher weder am Verschmelzungsvertrag noch am Spaltungsplan beteiligt 84 . Wie den übernehmenden Rechtsträger trotzdem eine vertragliche Abfindungspflicht treffen soll, ist wegen der grundsätzlichen Unzulässigkeit von Verträgen zu Lasten Dritter nicht ohne Weiteres zu begründen85 . Trotzdem wird offenbar davon ausgegangen, dass der Verschmelzungsvertrag86 bzw. Spaltungsplan87 eine Abfindungspflicht des übernehmenden Rechtsträgers enthalte. Dieser herrschenden Meinung steht eine Ansicht gegenüber, nach welcher der Abfindungsanspruch kraft Gesetzes entstehen soll88 . Auch Kombinationslösungen wie beim Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag werden favorisiert89. 5) § 207 UmwG Bei § 207 UmwG ergibt sich ein ähnliches Bild: In den einschlägigen Kommentierungen wird teilweise auf die Erläuterungen zu § 29 UmwG verwiesen90 . Auch hier soll der Anspruch durch die Annahme eines im Umwandlungsbeschluss91 oder Umwandlungsplan92 enthaltenen Antrags entstehen. Der Umwandlungsbeschluss (bzw. Umwandlungsplan) müsste demgemäß ein einseitiges Rechtsgeschäft zugunsten Dritter sein, das den dissentierenden Aktionären ein Abfindungsrecht 82 Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 136 f.; Vollrath in Widmann/ Mayer, Umwandlungsrecht (Loseblatt), Stand: Mai 2004, § 34 UmwG Rn. 7. 83 Bermel in Goutier/Knopf/Tulloch, UmwG, 1995, § 29 Rn. 39. 84 Statt aller Bermel in Goutier/Knopf/Tulloch, UmwG, 1995, § 36 Rn. 7. 85 Vgl. zu einem ähnlichen Problem unter dem UmwG 1969 schon Veith/Veith, DB 1969, 1737, 1738 (Angebot »für Rechnung des Übernehmers«). 86 Marsch-Barner in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 36 Rn. 4; wohl auch Vollrath in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht (Loseblatt), Stand: Mai 2006, § 37 UmwG Rn. 25.3. 87 Dies läge in der Konsequenz von Kallmeyer in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 136 Rn. 1: »Er (der Spaltungsplan, Anm. d. Verf.) bildet die Grundlage für die Wirkungen der Eintragung der Spaltung in das Handelsregister«. 88 Dehmer, UmwG, 2. Aufl. 1996, § 29 Rn. 15; M. Schwab, BB 2000, 527, 529. 89 Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, 2007, S. 274 Fn. 1417. 90 So Laumann in Goutier/Knopf/Tulloch, UmwG, 1995, § 207; Vollrath in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht (Loseblatt), Stand: Oktober 2000, § 207 UmwG Rn. 12, 14. 91 Decher in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 207 Rn. 8, 13 ff.; Kalls in Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 207 Rn. 7; Meister/Klöcker in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 207 Rn. 42. 92 Kalls in Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 207 Rn. 7.

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einräumt. Auch hier soll ein besonderer schuldrechtlicher Vertrag über die Abfindung zustande kommen93 , der – entsprechend den bisherigen Ausführungen – als Kaufvertrag über die Anteile einzuordnen wäre, sofern Anteile übertragen werden können. Auch beim Formwechsel wird jedoch teilweise vertreten, der Anspruch entstehe kraft Gesetzes94 . 6) §§ 7, 9, 12 SEAG, 122i UmwG Die Rechtsnatur der Abfindungsansprüche aus §§ 7, 9, 12 SEAG sowie § 122i UmwG wird zumeist nicht näher problematisiert. Häufig wird in Anlehnung an den Wortlaut der §§ 7 I 1, 9 I 1, 12 I 1 SEAG, 122i I 1 UmwG davon ausgegangen, der Verschmelzungs-, Gründungs- bzw. Verlegungsplan müsse ein Abfindungsangebot vorsehen bzw. die übertragende AG oder die ihren Sitz verlagernde SE müsse ihren Aktionären eine Abfindung anbieten95 . Dies lässt darauf schließen, dass man den Abfindungsanspruch rechtsgeschäftlich konzipiert. Teilweise ist sogar ausdrücklich von einem »Verkauf (Hervorhebung d. Verf.) der Aktie gegen Barabfindung« die Rede96 . 7) Zusammenfassung Die Abfindungsansprüche der §§ 320b, 327a AktG, 39a WpÜG sind nach allgemeiner Ansicht gesetzlichen Ursprungs. In den übrigen Abfindungsfällen (§§ 305 AktG, 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG) geht die h.M. von einer rechtsgeschäftlichen Konstruktion aus. Hiergegen regt sich vereinzelt Widerspruch. Bei § 305 AktG hat sich dieser Widerspruch gefestigt und Einzug gehalten in die (im einzelnen unklaren) Ausführungen des BGH in dessen Guano-Beschluss und nachfolgenden Entscheidungen.

II) Eine Theorie des gesetzlichen Anspruchs Da für die Abfindungsansprüche der §§ 320b, 327a AktG, 39a WpÜG unbestritten ist, dass sie gesetzlicher Natur sind, soll auf diese Normen nicht näher eingegangen

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Soweit Meister/Klöcker in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 207 Rn. 42. Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 135. 95 So für die §§ 7, 9, 12 SEAG etwa Jannott in Jannott/Frodermann, Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft, 2005, Kap. 3 Rn. 195; Neye/Teichmann, AG 2003, 169, 172; C. Schäfer in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2006, Art. 20 SE-VO Rn. 22; Schwarz, SE-VO, 2006, Art. 24 Rn. 32, Art. 34 Rn. 8; Walden/Meyer-Landrut, DB 2005, 2119, 2125; Zimmer/Ringe in Lutter/ Hommelhoff, SE-Kommentar, 2008, Art. 8 SE-VO Rn. 32. Für § 122i UmwG z. B. Heckschen in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht (Loseblatt), Stand: September 2007, § 122i UmwG Rn. 16; H.-F. Müller, ZIP 2007, 1081, 1086. 96 Schröder in Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft, 2005, Art. 24 SE-VO Rn. 59, Art. 34 SE-VO Rn. 24. 94

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werden. Stattdessen ist der Blick auf die §§ 305 AktG, 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG zu richten. 1) Gesetzlicher Anspruch kraft Verfassungsrechts? Zunächst könnte die gesetzliche Natur aller Abfindungsansprüche schon aus dem verfassungsrechtlichen Entschädigungsgebot folgen97. Eine solche Ansicht käme allerdings einer unmittelbaren Drittwirkung von Art 14 GG gleich, die der anerkannten verfassungsrechtlichen Dogmatik widersprechen würde98 . Das verfassungsrechtliche Entschädigungsgebot ist darüber hinaus auf Rechtsfolgenseite nicht auf Abfindung fixiert, so dass es auch aus diesem Grund als Anspruchsgrundlage ausscheidet99. Obwohl das BVerfG im SEN/KHS-Beschluss von einem »verfassungsrechtlich gebotenen Anspruch« spricht100 , kann dies nicht so verstanden werden, dass Abfindungsansprüche unmittelbar aus Art. 14 GG folgen101. 2) Gesellschafts- und zivilrechtliche Wertungen Entscheidend ist daher, was das einfache Recht über die Rechtsnatur der in den §§ 305 AktG, 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG geregelten Abfindungsansprüche aussagt. Hier sollen zunächst die Argumente der bisher herrschenden Meinung (Vertragslösung) entwickelt werden [sogleich unter a)], um sodann über den historischen Hintergrund der behandelten Vorschriften [s. unter c)] zu den Argumenten [s. unter d)] und Gegenargumenten durchzudringen [dazu u. e)]. a) Argumente der Vertragslösung Betrachtet man den Wortlaut der §§ 305 AktG, 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG, zeigen sich deutliche Indizien für einen vertraglichen bzw. rechtsgeschäftlichen Anspruch: § 305 I AktG spricht davon, der »Vertrag« müsse die Abfindungsverpflichtung enthalten. Von einem Abfindungsanspruch selbst ist in § 305 I AktG nicht die Rede, sondern nur von einer Verpflichtung zum Abfindungsangebot102 . Auch § 29 I 1 UmwG schreibt nur die Verpflichtung vor, ein Abfindungsangebot zu unterbreiten. Gleiches gilt für die §§ 122i I 1, 207 I 1, 196 I Nr. 6 UmwG, 7 I 1, 9 I 1, 12 I 1 SEAG. In § 305 V 2 AktG ist die Rede davon, dass im Falle der fehlenden oder unwirksamen Abfindungsregelung das Gericht die »vertraglich zu ge97 Andeutungen aber in BayObLG ZIP 2002, 127, 129 (Bayerische Brau/Schörghuber II); Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 8; M. Schwab, BB 2000, 527, 528. Zum verfassungsrechtlichen Entschädigungsgebot o. S. 95 ff. 98 S. schon o. S. 106. 99 S. o. S. 106. 100 BVerfG NJW 1999, 1699, 1701 (SEN/KHS). 101 Ausführlich o. S. 107. 102 Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 6; vgl. auch Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 495.

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währende Abfindung« bestimme103 . § 295 II AktG spricht von »Bestimmungen des Vertrages, die zur Leistung eines Ausgleichs an die außenstehenden Aktionäre der Gesellschaft oder zum Erwerb ihrer Aktien verpflichten«, die §§ 296 II, 297 II AktG vom »Vertrag, der zum Erwerb der Anteile (. . .) verpflichtet«. Die §§ 295 II, 296 II, 297 II AktG stützen nicht nur aufgrund ihres Wortlauts die Vertragstheorie: Diese Normen wollen Gefahren entgegenwirken, die sich für den Abfindungsanspruch aus der Änderung oder Beendigung des Beherrschungsund Gewinnabführungsvertrags ergeben104 . Dass in diesen Rechtsgeschäften eine Gefahr gesehen wird, lässt sich nur vor dem Hintergrund der Vertragstheorie erklären. Bestünde der Anspruch schon kraft Gesetzes, würde nicht einleuchten, warum er durch die Vertragsparteien solle aufgehoben oder verändert werden können. Außerdem können die Vertragsparteien des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags die Verpflichtung zum Aktienerwerb gegen Abfindung nach § 305 IV 1 AktG befristen. Würde man die Abfindungspflicht gem. § 305 AktG im Sinne eines gesetzlichen Anspruchs deuten, müsste § 305 IV AktG eine materielle Ausschlussfrist dieses Anspruchs vorsehen; dies wäre aber zumindest unüblich. Keine Probleme hat dagegen die »Vertragstheorie«, die § 305 IV AktG als selbstverständliche Möglichkeit zur Befristung eines rechtsgeschäftlichen Abfi ndungsantrags (vgl. §§ 147 f. BGB) problemlos erklären kann105 . Für die Vertragstheorie spricht weiterhin, dass der Squeeze-out und die Mehrheitseingliederung vergleichbare Befristungsmöglichkeiten nicht vorsehen106 . Darüber hinaus können nach h.M. die Vertragsparteien im Falle des § 305 II Nr. 2 AktG wählen, ob sie die Abfindung in Aktien oder bar gewähren. Unterstellt, diese Ansicht sei richtig (etwa aufgrund eines argumentum e contrario aus § 320b I 3 AktG) 107, wäre schwer zu erklären, wie dieses Wahlrecht mit einem gesetzlichen Anspruch vereinbar sein soll108 . Schließlich spricht das Kündigungs-

103 Dies als Argument für die Vertragskonstruktion anführend OLG Düsseldorf WM 1990, 1282, 1290; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 305 Rn. 22; Schwark, LM § 305 AktG 1965 Nr. 3, Bl. 2127. 104 Begr. RegE AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 384 f., 385 f., 386; BGHZ 119, 1, 8 (ASEA/BBC I); Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 295 Rn. 29; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 295 Rn. 24; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 508; Priester, ZIP 1992, 293, 296. 105 Hierzu Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 103; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 305 Rn. 28; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 305 Rn. 28; Fabian, Inhalt und Auswirkungen des Beherrschungsvertrags, 1997, S. 225. 106 Eine Befristungsmöglichkeit wird allerdings für die Ausübung des gem. § 320b I 3 AktG bestehenden Wahlrechts angenommen (vgl. etwa Grunewald in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 320b Rn. 8). Dazu noch u. S. 142. 107 Dazu noch u. S. 399 f. 108 Dazu näher u. S. 142, S. 147 ff.

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recht aus § 305 V 4 i. V. m. § 304 IV AktG für die Vertragslösung109. Hierauf ist weiter unten näher einzugehen110 . b) Noch einmal: Fragestellung Nach dieser Armada anscheinend zwingender Argumente für die Vertragskonstruktion ist es wichtig, die hier verfolgte Aufgabenstellung zu präzisieren: Selbstverständlich kann der Abfindungsanspruch in allen Abfindungsfällen auch vertraglicher Natur sein. Wie bereits oben angedeutet, haben weder die §§ 304 ff. AktG noch die anderen Abfindungsvorschriften den Zweck, rechtsgeschäftliche Abreden zugunsten der außenstehenden Aktionäre zu verhindern. Aufgrund ihrer Vertragsfreiheit ist es den Rechtsträgern also ohne Weiteres möglich, rechtsgeschäftliche Ansprüche zugunsten der Aktionäre zu begründen. Die Frage kann daher nur lauten, ob der Anspruch daneben jedenfalls auch gesetzlicher Natur ist. Wäre dies zu bejahen, käme es auf rechtsgeschäftliche Ansprüche, die noch daneben existierten, regelmäßig nicht an111. Beide Ansprüche wären auf die Befriedigung desselben Interesses gerichtet, so dass zwischen ihnen – in der Terminologie der wohl herrschenden Meinung – »Anspruchskonkurrenz« herrschen würde. Das würde insbesondere heißen, dass beide Ansprüche untergingen, soweit einer von ihnen befriedigt würde112 . c) Entstehungsgeschichte der Abfindungsansprüche Die Gesetzgebungsmaterialien und die Entstehungsgeschichte der §§ 305 AktG, 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG enthalten auf den ersten Blick klare Hinweise auf eine vertragliche bzw. (für den Formwechsel) rechtsgeschäftliche Konstruktion. Die Überzeugungskraft dieser Hinweise relativiert sich aber, wenn man die historische Entstehung der Abfindungsvorschriften berücksichtigt. aa) § 305 AktG Die Begründung zum Regierungsentwurf des AktG 1965 spricht ausdrücklich von einem »vertraglichen Abfindungsrecht«113 . Eine ausdrückliche Bezugnahme darauf, der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag sei Optionsvertrag zugunsten der außenstehenden Aktionäre, findet sich in den Ausführungen zu den 109 Dieses Argument vor allem anführend OLG Zweibrücken WM 1994, 1801, 1802 f. (Tarkett/Pegulan). 110 S. u. S. 143 ff. 111 Dazu noch u. S. 146 ff. 112 Medicus, Schuldrecht Allgemeiner Teil, 17. Aufl. 2006, Rn. 356. Die Gegenmeinung hierzu würde – mit demselben Ergebnis hinsichtlich der Wirkung einer Befriedigung der Ansprüche – vom Bestehen von Anspruchsgrundlagenkonkurrenz ausgehen, so dass schon materiellrechtlich nur ein Anspruch bestünde, der nur mehrfach begründet ist (dazu etwa Georgiades, Die Anspruchskonkurrenz im Zivilrecht und Zivilprozeßrecht, 1968, S. 167 ff.; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, 13. Aufl. 1994, § 83 VI 1 = S. 597). 113 Begr. RegE AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 397.

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§§ 295 II, 296 II, 297 II AktG: Hier wird mit Hinweis auf § 328 II BGB davon gesprochen, es sei zweifelhaft, ob die im Vertrag enthaltene Verpflichtung zum Erwerb der Aktien der außenstehenden Aktionäre ohne die Zustimmung dieser Aktionäre geändert werden könne114 . Unter anderem aus diesem Grund sei die rückwirkende Aufhebung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags gem. § 296 I 2 AktG unzulässig115 . Neben den Gesetzgebungsmaterialien muss jedoch die Entstehungsgeschichte des § 305 AktG bedacht werden: Die Kodifizierung aktienrechtlichen Konzernrechts begann, sieht man von der Notverordnung vom 19. 9. 1931116 ab117, mit dem Aktiengesetz 1937118 . Die Unternehmensverträge, die heute in den §§ 291, 292 AktG geregelt sind, waren zu dieser Zeit schon bekannt119, vor allem der sog. Organschaftsvertrag, mit welchem die bereits im 19. Jahrhundert entwickelte steuerliche Organschaft, d. h. die einheitliche Besteuerung aller Konzernteile, erreicht werden sollte120 . Entsprechend dem heutigen § 293 I AktG schrieb § 256 AktG 1937 für den Gewinnabführungsvertrag vor, dass der Vertrag nur wirksam werde, wenn ihm die Aktionäre der die vertragstypische Leistung erbringenden AG mit ¾-Mehrheit zustimmten121. Vertragsbestandteile, die den Vertrag zu einem Beherrschungsvertrag machten, tauchten nur als Elemente des Gewinnabführungsvertrags, nicht aber selbständig auf122 . Die aktienrechtliche Zulässigkeit solcher Verträge war nicht unumstritten123 . 114 Begr. RegE AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 384 (§ 295 II AktG), 385 f. (§ 296 II AktG), der Sache nach S. 286 (§ 297 II AktG). 115 Dazu Begr. RegE AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 385, wo der Abfindungsanspruch allerdings nicht explizit erwähnt wird. 116 Verordnung des Reichspräsidenten über Aktienrecht, Bankenaufsicht und über eine Steueramnestie vom 19. 9. 1931, RGBl. I 1931, S. 493. 117 Dazu Spindler, Recht und Konzern, 1993, S. 53 m. w. N. in Fn. 7. 118 Hommelhoff, Die Konzernleitungspflicht, 1982, S. 2. Zur Zeit davor: Großfeld, Aktiengesellschaft, Unternehmenskonzentration und Kleinaktionär, 1968, S. 153 ff. Zur Entdeckung des Konzerns als soziales Phänomen Großfeld a.a.O., S. 151 ff. m. w. N. 119 Vgl. nur Großfeld, Aktiengesellschaft, Unternehmenskonzentration und Kleinaktionär, 1968, S. 39. 120 Grundlegend RFHE 22, 183; RFHE 31, 297; RFHE 54, 102. Hierzu Altmeppen in Bayer/ Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band II, 2007, S. 1027, 1031. 121 Umstritten war, ob mit dem Abschluss eines solchen Vertrags eine Satzungsänderung einherging, so dass vor dem Abschluss des Vertrags die Satzung der zukünftigen Organgesellschaft mit den dafür geltenden Zustimmungsanforderungen geändert werden musste, vgl. dazu Ballerstedt, DB 1956, 837, 839; Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 357 ff.; Pleyer, AG 1959, 8, 9 ff. Daneben wurde der Abschluss des Gewinnabführungsoder eines sonstigen von § 256 AktG erfassten Unternehmensvertrags teilweise nur für zulässig gehalten, wenn das Konzerninteresse gegenüber dem Gesellschaftsinteresse überwog, insbesondere, wenn sich das Konzerninteresse mit vorrangigen wirtschaftlichen Allgemeinbelangen deckte (vgl. die Nachweise bei Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den Personenverbänden, 1963, S. 90 Fn. 32). 122 Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 291 Rn. 231. 123 Dazu etwa OLG Karlsruhe NJW 1967, 831, 832; Duden, BB 1957, 49 ff.; A. Hueck, DB 1959, 223 ff.; Kropff, BB 1965, 1281, 1287; Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958.

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Das AktG 1937 enthielt keine den heutigen §§ 304, 305 AktG entsprechenden Vorschriften, sah also weder Ausgleichs- noch Abfindungsansprüche außenstehender Aktionäre vor. Gleichwohl wurde jedenfalls zuletzt allgemein davon ausgegangen, dass solche Ansprüche existierten124 . Deren dogmatische Begründung blieb aber meist im Dunklen125 . Weit verbreitet war der Satz, schutzwürdige Belange i. S. d. §§ 197 II, 101 III AktG 1937 (Vorgänger der §§ 243 II, 117 AktG) würden nur verfolgt, wenn die konzernfreien Aktionäre durch »Ausgleichsleistungen« entschädigt würden126 . Teilweise wurde lediglich gesagt, der Zustimmungsbeschluss der die vertragstypische Leistung erbringenden AG sei mangelhaft, falls nicht entsprechende vertragliche Entschädigungsansprüche zugesagt würden127. Auf die genaue Begründung des Abfindungsanspruchs kam es weiter aber gar nicht an, da die Unternehmensverträge in praxi wohl immer eine Entschädigungsregelung enthielten128 . Für den Organschaftsvertrag war die sog. Dividendengarantie besonders populär, deren Inhalt im Wesentlichen dem heutigen Ausgleich i. S. d. § 304 AktG entsprach129. Damit war den Anforderungen der §§ 197 II, 101 III AktG 1937 grundsätzlich genügt, denn die hiernach für erforderlich gehaltene Entschädigung konnte sich wahlweise – in heutiger Terminologie – auf Abfindung oder Ausgleich beschränken130 . 124 So auch (für den Ausgleichsanspruch) Begr. RegE AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 394; grundlegend insofern A. Hueck, FG Reichsgericht, Bd. 4, 1929, 167, 175 Fn. 20, 180 Fn. 34. 125 Paradigmatisch insoweit A. Hueck, FG Reichsgericht, Bd. 4, 1929, 167, 175 Fn. 20, 180 Fn. 34, der meinte, die außenstehenden Aktionäre müssten »sonst wie« entschädigt werden. Vgl. auch Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den Personenverbänden, 1963, S. 88 Fn. 27, der »gewisse Schwierigkeiten« bei der Konstruktion dieses Anspruchs feststellte. 126 Filbinger, Die Schranken der Mehrheitsherrschaft im Aktien- und im Konzernrecht, 1942, S. 62 ff., insbes. S. 65; vgl. im Übrigen Flume, DB 1956, 455, 456 f.; Pleyer, AG 1959, 39, 40; Schmidt/Meyer-Landrut in Großkomm. AktG, 2. Aufl. 1961, § 101 Anm. 8; v.Godin/Wilhelmi, AktG, 2. Aufl. 1950, § 101 Anm. 6; vgl. auch Begr. RegE AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 329 (wegen der §§ 304, 305 AktG Bedeutung des § 243 II AktG gesunken). Teilweise wurde der Anspruch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz abgeleitet (so Ballerstedt, DB 1956, 837, 840). Mestmäcker stützte ihn auf eine Rechtsanalogie zu den damals geltenden Vorschriften über die Umwandlung, Fusion, Liquidation und den Grundsätzen über den Ausschluss eines GmbH-Gesellschafters (vgl. Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 352 ff.; dagegen Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den Personenverbänden, 1963, S. 88 Fn. 27). 127 Vgl. Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den Personenverbänden, 1963, S. 88 Fn. 27; die Anfechtbarkeit des Beschlusses auch bejahend Schilling in Großkomm. AktG, 2. Aufl. 1965, § 256 Anm. 20. In dieser Anfechtungsklage sollte auch über die Angemessenheit der Abfindung zu entscheiden sein, vgl. Schilling in Großkomm. AktG, 2. Aufl. 1965, § 256 Anm. 13 d) aa). 128 Bis 1965 gab es – soweit ersichtlich – keine Rechtsprechung zum Abfindungsanspruch bei Unternehmensverträgen; vgl. für den Stand bis 1958 Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 346. 129 Dazu nur Begr. RegE AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 394. Innerhalb der Dividendengarantie wurde weiter unterschieden zwischen Dividendengarantie im engeren Sinne (auch Rentengarantie, die Zusage einer fest bestimmten Dividende, s. v.Godin/Wilhelmi, AktG, 2. Aufl. 1950, § 54 Anm. 7) und der Rentabilitätsgarantie (hier wird der abhängigen AG ein bestimmter Reingewinn garantiert, s. v.Godin/Wilhelmi, AktG, 2. Aufl. 1950, § 54 Anm. 6). 130 Vgl. Schilling in Großkomm. AktG, 2. Aufl. 1965, § 256 Anm. 13 d) aa), 20, 23: »mangels

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Entscheidend ist für den vorliegenden Zusammenhang, dass der Gesetzgeber des AktG 1965 offenbar – die oben erwähnten §§ 295 II, 296 II, 297 II, 305 I, IV 1, V 2 AktG zeigen dies – an die unter dem AktG 1937 entwickelte Tradition anknüpfte, wonach der Unternehmensvertrag selbst für die Entschädigung der außenstehenden Aktionäre sorgte131. Eine gesetzliche Abfindungspflicht erschien vor diesem Hintergrund überflüssig; ausreichend war, dass die bisherige Praxis gesetzlich fixiert wurde. Dass die Dogmatik zum AktG 1965 an die vertragsrechtliche Sichtweise anknüpfte132 , ist unter diesem Blickwinkel betrachtet kaum verwunderlich. Diese vertragsrechtliche Tradition hat darüber hinaus eine zweite Entstehungslinie: Fixpunkt eines »Aktienrechts der Strukturentscheidungen« ist der mittlerweile außer Kraft getretene § 304 HGB133 , der die Verstaatlichung regelte, also die Vermögensübertragung einer AG auf eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (heute § 178 UmwG). Diese Norm stammt aus einer Zeit, in der es in Deutschland noch kein Konzernrecht gab. § 304 HGB statuierte für den Strukturbeschluss zwar grundsätzlich ein Mehrheitserfordernis von ¾ des bei der Hauptversammlung vertretenen Grundkapitals, enthielt aber ebenfalls keine Regelung über Abfindungsansprüche. Davon ausgehend, dass alle Aktionäre an einem möglichst hohen Veräußerungserlös interessiert seien, sah der Gesetzgeber die Interessen der Aktionäre offensichtlich dadurch gewahrt, dass der Vorstand einen hohen Preis aushandelte und die Entscheidung über die Vermögensübertragung den Aktionären überantwortet war. Um die Verteilung der Gegenleistung zu regeln, legte man den Übernahmevertrag als echten Vertrag zugunsten Dritter aus134 , so dass die Aktionäre selbst einen Anspruch auf einen Teil der Gegenleistung hatten. Dieses Regelungsmodell übernahm der Gesetzgeber für die (§ 304 HGB ablöseneiner speziellen Regelung«; anders aber Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 356 ff. 131 Genau so verhält es sich mit dem Verlustausgleichsanspruch gem. § 302 AktG. Hier ist umstritten, ob neben dem jährlichen Verlustausgleichsanspruch aus § 302 AktG auch Ansprüche auf Abschlagszahlungen auf den späteren Jahresfehlbetrag abgeleitet werden können, insbesondere damit die abhängige AG die drohende Zahlungsunfähigkeit abwenden kann (dazu insbes. Priester, ZIP 1989, 1301, 1307 f.). Zwar hat der Gesetzgeber den Ausgleichsanspruch gem. § 302 AktG als Jahresanspruch konzipiert. Hiermit hat der Gesetzgeber aber nur an die vorhandene Tradition der Organschaftsverträge angeknüpft, die einen solchen Ausgleichsanspruch üblicherweise vorsahen (Kleindiek, ZGR 2001, 479, 494). Gleichwohl muss dies nicht als zwingende Entscheidung gegen einen gesetzlichen Anspruch auf Abschlagszahlungen verstanden werden (vgl. weiterführend Kleindiek, ZGR 2001, 479, 494 und die einen solchen Anspruch befürwortende Meinung, etwa Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 302 Rn. 36, 71; Emmerich/ Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 302 Rn. 41). 132 Vgl. unter den o. auf S. 118 in Fn. 19 genannten nur Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/ Kropff, AktG, 1976, § 305 Rn. 11; Hüchting, Abfindung und Ausgleich im aktienrechtlichen Beherrschungsvertrag, 1972, S. 85; Würdinger in Großkomm. AktG, 3. Aufl. 1971, § 305 Anm. 1. 133 Eine Regelung über die »Fusion« enthielten bereits die §§ 215 II, 247 ADHGB. Diese regelten die Fusion jedoch als Unterfall der Auflösung und enthielten dementsprechend in erster Linie gläubigerschützende Vorschriften (dazu Hügel, Verschmelzung und Einbringung, 1993, S. 33 ff., 37). 134 Grundlegend RGZ 124, 355, 361; vgl. ferner v.Godin/Wilhelmi, AktG, 2. Aufl. 1950, § 253 Anm. 4; inzident A. Hueck in Baumbach/Hueck, AktG, 12. Aufl. 1965, § 253 Anm. 2; für § 304 HGB a. F. Pinner in Staub, HGB, 14. Aufl. 1933, § 304 Anm. 11.

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den) § 253 AktG 1937, § 359 AktG 1965 fast vollständig135 . Die Rechtsdogmatik übernahm die Theorie des Vertrages zugunsten Dritter136 . Gleiches galt für die Übertragung des Vermögens auf einen VVaG, die mit § 254 AktG 1937 erstmals kodifiziert wurde137, obwohl die Verteilung hier nicht über einen Vertrag zugunsten Dritter konstruiert wurde, sondern die Gegenleistung an einen Treuhänder der Aktionäre zu leisten war (§ 254 II AktG 1937). An die Tradition, dass die Interessen der Minderheitsaktionäre durch einen Vertrag zugunsten Dritter gewahrt werden, hat der Gesetzgeber auch in § 305 AktG angeknüpft. Wenn heute noch davon gesprochen wird, dass die Abfindung der »Kaufpreis« für die Leitungsmacht im Beherrschungsvertrag sei138 , mögen solche Äußerungen ihren Ursprung in der soeben geschilderten Tradition haben. Während diese Vertragskonstruktion – und das ist entscheidend – mit § 304 HGB aber einer Norm entsprang, die ohne Sensibilität für konzerninterne Interessenkonflikte geschaffen wurde und deren Sachverhalte in der Praxis nur selten von Konzerninteressenlagen gekennzeichnet waren, liegt ein solcher Interessenkonfl ikt bei § 305 AktG praktisch immer vor. Die »Treuhandlösung«, der die Vertragslösung traditionell verhaftet ist, passt auf § 305 AktG also nicht139. Darüber hinaus sollten die aus den Gesetzgebungsmaterialien folgenden Argumente für die Vertragskonstruktion nicht überbewertet werden. Denn eines geht aus den §§ 304, 305 AktG hervor: Während die Vertragsparteien unter dem AktG 1937 noch wählen konnten, ob sie den Aktionären nur Ausgleich oder auch Abfindung gönnen wollten, ist die Abfindung unter dem AktG 1965 Pflicht geworden. Zwar hat der Gesetzgeber diese Pflicht als eine »Pflicht zum vertraglichen Angebot« konstruiert – daher mögen Formulierungen stammen wie »dem Grunde nach gesetzlicher Anspruch«140 – doch findet man in den Materialien auch keine ausdrückliche Stellungnahme, die gegen einen gesetzlichen Anspruch spricht. Der Gesetzgeber hat kein bestimmtes dogmatisches Konzept vorgeschrieben. Er hat 135 Hinsichtlich des Mehrheitserfordernisses von ¾ des Grundkapitals verwies § 359 II AktG 1965 zunächst auf § 340 I, II AktG 1965, die dann später durch das Verschmelzungsrichtliniengesetz v. 25. 10. 1982 (BGBl. I, S. 1425) zu § 340c I, II AktG a. F. wurden. 136 Für § 253 AktG 1937: v.Godin/Wilhelmi, AktG, 2. Aufl. 1950, § 253 Anm. 4; Schilling in Großkomm. AktG, 2. Bd., 2. Aufl. 1965, § 253 Anm. 11; inzident A. Hueck in Baumbach/Hueck, AktG, 12. Aufl. 1965, § 253 Anm. 2. Für § 359 AktG 1965 Kraft in Kölner Kommentar zum AktG, 1971, § 359 Rn. 7; Kropff in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1993, § 359 Rn. 16; s. im Übrigen Hügel, Verschmelzung und Einbringung, 1993, S. 158 ff. m. w. N. in Fn. 4. 137 Hierzu Koehler in Teichmann/Koehler, AktG, 3. Aufl. 1950, § 254 Vor Anm. 1. 138 Dazu noch u. S. 155 sowie S. 214 ff. 139 Dazu auch Kübler, FS Goerdeler, 1987, 279, 291: »Der Inhalt des Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrags läßt sich nicht als das Ergebnis des durch Aushandeln erzielten Interessenausgleichs zwischen zwei voneinander unabhängigen Vertragsparteien qualifizieren«; ähnlich Luttermann, JZ 1997, 1183, 1184: »Vertrag zu Lasten Dritter« sowie Röhricht, ZHR 162 (1998), 249, 257: »Insichgeschäft«. Vgl. aber auch U. H. Schneider, AG 1976, 19, 21, der die abhängige AG als verpflichtet ansieht, für ihre Aktionäre möglichst günstige Abfindungs- und Ausgleichsregelungen herauszuhandeln. 140 Vgl. im Übrigen Windbichler, Unternehmensverträge und Zusammenschlußkontrolle, 1977, S. 43: »gesetzliche Garantie des § 305 AktG«.

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nur an die vorhandene Praxis angeknüpft, und schon damals wurde der Anspruch zumindest teilweise als gesetzlicher Anspuch begriffen141. Schließlich spricht die Regierungsbegründung zum AktG 1965 bezüglich des Abfindungsanspruchs zwar von einem »vertraglichen Abfindungsrecht«142 , andererseits aber auch davon, »jedem Aktionär ein Abfindungsrecht zu geben«143 . Dies dürfte letztlich auch der Grund sein, warum das Fehlen einer vertraglichen Abfindungsregelung die Wirksamkeit des Vertrages – anders als der Ausgleich nach § 304 III 1 AktG – unberührt lassen sollte (§ 305 V 1 AktG) 144 . Die historische Analyse des § 305 AktG ergibt daher zusammenfassend: Mit § 305 AktG zementierte der Gesetzgeber eine unter dem AktG 1937 vorgefundene Praxis, wonach die außenstehenden Aktionäre durch den Unternehmensvertrag selbst entschädigt wurden. Dass der Abfindungsanspruch kraft Gesetzes entsteht, hat der Gesetzgeber aber zumindest nicht ausdrücklich abgelehnt. Möglicherweise ging er hiervon sogar aus. Die Vertragspraxis hat ihre historische Wurzel wiederum in § 304 HGB a. F., der die Verstaatlichung regelte. In diesem Fall hatten die Aktionäre gleich gerichtete Interessen, so dass der Vertrag relativ unproblematisch Quelle des Aktionärsschutzes sein konnte. Auf den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag passt dies jedoch nicht, denn dieser wird typischerweise zwischen bereits verbundenen Unternehmen geschlossen. bb) §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG So wie der Gesetzgeber des AktG 1965 an die Tradition des AktG 1937 und HGB anknüpft, folgt das UmwG 1994 dem AktG 1965. Hinsichtlich der §§ 29, 207 UmwG ist ebenso die Rede von einer »Pflicht, ein Abfindungsangebot zu machen«145 wie von einer »einvernehmlichen Abfindung«146 (des § 207 UmwG). Die Gewährung von Anteilen des übernehmenden Rechtsträgers wurde darüber hinaus seit jeher ebenfalls über einen Vertrag zugunsten Dritter konstruiert147, diese Tradition wurde jedoch durch § 20 I Nr. 3 UmwG beendet148 .

141 S. etwa Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 352: »Die Pflicht zur Entschädigung folgt unmittelbar aus der Verfügung über das Mitgliedschaftsrecht«. Hierzu müsste man auch Ballerstedt, DB 1956, 837, 840 zählen, der die Entschädigungspflicht aus dem Gleichbehandlungsgebot ableitete. 142 S. o. S. 131 Fn. 113. 143 Begr. RegE AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 397. 144 Detaillierte Ausführungen zu dieser Regel enthält die Gesetzesbegründung leider nicht, s. Begr. RegE AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 399. 145 Begr. RegE UmwG 1994 bei Ganske, Umwandlungsrecht, 2. Aufl. 1995, S. 83; Begr. RegE 2. UmwGÄndG, BT-Drucks. 16/2919, S. 35. 146 Begr. RegE UmwG 1994 bei Ganske, Umwandlungsrecht, 2. Aufl. 1995, S. 232. 147 Grundlegend RGZ 124, 355, 361; s. im Übrigen Hügel, Verschmelzung und Einbringung, 1993, S. 158 m. w. N. in Fn. 4; a. A. jedoch Kraft in Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1990, § 341 Rn. 13 (Übergang kraft Gesetzes). 148 Zum Erwerb kraft Gesetzes statt aller Marsch-Barner in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 20 Rn. 29.

A) Rechtsnatur des Abfi ndungsanspruchs

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Wie schon dem AktG 1965 lässt sich aber auch dem UmwG 1994 keine ausdrückliche Entscheidung gegen die gesetzliche Natur des Abfindungsanspruchs entnehmen: So sprechen die Materialien im auffälligen Gegensatz zur »Pflicht, ein Abfindungsangebot zu machen« (s. o.) auch von der »Verpfl ichtung zur Abfindung«, die »dann entsteh(t), wenn aus einem frei veräußerbaren Anteil ein vinkulierter Anteil wird«149. Bezüglich der §§ 32, 210 UmwG verweist die Gesetzesbegründung auf die Ausführungen zu § 14 UmwG150 . Für den mit § 14 UmwG in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Anspruch auf bare Zuzahlung gem. § 15 I UmwG wiederum spricht die Regierungsbegründung davon, »§ 15 Abs. 1« gewähre einen »Anspruch«, der Ausgleich für das zu niedrige Umtauschverhältnis sei151, geht also offenbar von einem gesetzlichen Anspruch aus, was im Übrigen zum Wortlaut des § 15 I UmwG passen würde. Schlägt man von hier den Bogen zu den §§ 32, 210 UmwG, müsste der Gesetzgeber des UmwG 1994 also zumindest den Abfindungsanspruch bei Fehlen eines Abfindungsangebots gem. §§ 32, 210 UmwG als gesetzlichen Abfindungsanspruch ansehen. Das 2. UmwGÄndG, mit dem § 122i UmwG eingeführt wurde, übernimmt nur die vorgefundene Terminologie, so dass insoweit jedenfalls keine bewusste Entscheidung zugunsten eines vertraglichen Anspruchs vorliegen dürfte. Die Gesetzesmaterialien zu den §§ 7, 9, 12 SEAG beziehen keine eindeutige Stellung für einen rechtsgeschäftlichen Anspruch: Im Zusammenhang mit § 7 SEAG spricht die Begründung des Regierungsentwurfs zwar davon, § 7 SEAG lehne sich an § 29 UmwG an152 , andererseits meint sie, ein »Austrittsrecht« solle »bestehen« – nicht erst begründet werden –, »wenn vorgesehen ist, dass die zu gründende SE ihren Sitz im Ausland hat«153 . Im Zusammenhang mit § 9 SEAG ist einerseits von einem »Abfindungsangebot« die Rede154 , was für einen rechtsgeschäftlichen Hintergrund spricht, andererseits wird darauf hingewiesen, dass ein Austrittsrecht in Parallele zu § 7 SEAG »vorgesehen« sei, womit ersichtlich nicht der Gründungsplan, sondern das Gesetz selbst gemeint ist. Die Erläuterungen zur Rechtsnatur des Abfindungsanspruchs aus § 12 SEAG erschöpfen sich in dem Hinweis, diese Norm lehne sich an § 207 UmwG an155 . d) Weitere Argumente für einen gesetzlichen Anspruch Ergeben sich nach diesem Ausflug in die Rechtsgeschichte somit bereits Zweifel daran, dass die oben skizzierte Vertragslösung angemessen und zwingend ist, werden diese Zweifel durch eine Reihe weiterer Argumente zugunsten der »Theorie vom gesetzlichen Anspruch« erhärtet: 149 150 151 152 153 154 155

Begr. RegE UmwG 1994 bei Ganske, Umwandlungsrecht, 2. Aufl. 1995, S. 83. Begr. RegE UmwG 1994 bei Ganske, Umwandlungsrecht, 2. Aufl. 1995, S. 86, 234. Begr. RegE UmwG 1994 bei Ganske, Umwandlungsrecht, 2. Aufl. 1995, S. 65. Begr. RegE SEEG BT-Drucks. 15/3405, S. 33. Begr. RegE SEEG BT-Drucks. 15/3405, S. 32. Begr. RegE SEEG BT-Drucks. 15/3405, S. 34. Begr. RegE SEEG BT-Drucks. 15/3405, S. 35.

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Wie oben bereits angedeutet, ist das Rechtsgeschäft das typische Gestaltungsmittel für auf gleicher Augenhöhe Stehende156 . Der abfindungsauslösende Eingriff beruht demgegenüber – ohne dem nächsten Abschnitt zu sehr vorzugreifen – auf einem einseitigen Recht des Abfindungsverpflichteten zum Eingriff in die Mitgliedschaft der dissentierenden Aktionäre157. Die intensive gerichtliche Kontrolle des Abfindungsangebots wäre darüber hinaus ein Fremdkörper in unserer Rechtsgeschäftsdogmatik, geht diese doch – mit Ausnahme des Urhebervertragsrechts (s. § 32 I 3 UrhG) – davon aus, dass der Inhalt vertraglicher Leistungspflichten grundsätzlich kontrollfrei bleibt158 . Darüber hinaus entstehen nicht nur andere Abfindungsansprüche wie die §§ 320b, 327a AktG, 39a WpÜG und der zumindest abfindungsähnliche Anspruch auf bare Zuzahlung nach § 15 I, 1. Hs. UmwG kraft Gesetzes159. Gleiches gilt nach herrschender Meinung für den Verlustausgleichsanspruch nach § 302 AktG160 . Warum für die Minderheitsaktionäre eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags etwas anderes gelten soll, ist jedenfalls nicht ohne Weiteres einsichtig. Oftmals wird gerade der Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags als »bloßer Formalakt«161 oder »Insichgeschäft«162 bezeichnet. Von daher könnte man bereits daran zweifeln, dass die Parteien den für eine rechtsge156 Im vorliegenden Zusammenhang Fleischer, ZGR 1997, 368, 391; Röhricht, ZHR 162 (1998), 249, 256 f. 157 Vgl. zunächst nur Röhricht, ZHR 162 (1998), 249, 257 und ausführlich u. S. 158 ff. 158 Vgl. nur § 307 III 1 BGB. S. aber auch Hüchting, Abfindung und Ausgleich im aktienrechtlichen Beherrschungsvertrag, 1972, S. 85, der die gerichtliche Entscheidung im Spruchstellenverfahren mit den Fällen der §§ 315 III, 319, 2048, 2156 BGB vergleicht. 159 Für die §§ 320b, 327a AktG vgl. o. S. 116, für § 15 I, 1. Hs. UmwG s. o. S. 136 ff. Auch der Anspruch auf bare Zuzahlung, der im Recht des Vertragskonzerns bei der Abfindung in Aktien oder beim variablen Ausgleich aufgrund des Verweises auf die Verschmelzwertrelation entstehen kann, entsteht nach wohl allgemeiner Ansicht kraft Gesetzes, dazu Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 8. Aufl. 2005, § 22 I 2 a = S. 308; wohl auch OLG Düsseldorf AG 1995, 85, 88. 160 Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 302 Rn. 7; Hirte in Hirte, Der Vertragskonzern im Gesellschaftsrecht, 1993, S. 1, 22 f.; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 302 Rn. 4; Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1976, § 302 Rn. 40; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 31 III 2 d = S. 953; K. Schmidt, ZGR 1983, 513, 516 ff.; K. Schmidt, FS Lutter, 2000, 1167, 1171; Welf Müller, FS Rowedder, 1994, 277, 281; Wiechmann, DB 1985, 2031, 2032; für vertraglichen Charakter des Anspruchs dagegen Ganswied, Gemeinsame Tochtergesellschaften im deutschen Konzern- und Wettbewerbsrecht, 1976, S. 140; Timm, GmbHR 1987, 8, 17. 161 So Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 4. Aufl. 2005, § 293 Rn. 30a; Emmerich, AG 1991, 303, 307; kritisch Bayer, ZGR 1993, 599, 602 mit Blick auf die Informationsrechte der Aktionäre (vgl. jedoch auch die neue Rechtsprechung des BGH zum Anfechtungsausschluss bei abfindungsbezogenen Informationsmängeln, dazu u. S. 365 ff. Wiedemann/Hirte, FS BGH, 2000, 337, 371 spricht sogar davon, tatsächlich bestehe »immer« bereits eine qualifizierte Haupt- bzw. Gesellschafterversammlungsmehrheit zugunsten des herrschenden Vertragspartners im anderen Unternehmen. 162 BayObLGZ 1998, 231, 235 (März/EKU); Kübler, FS Goerdeler, 1987, 279, 291; Kübler/ Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2006, § 30 III 1 b = S. 431 (Das herrschende Unternehmen »kontrahiert mit sich selbst«); Wiedemann, Die Unternehmensgruppe im Privatrecht, 1988, S. 66; dem zust. Hirte, ZGR 1994, 644, 648; Wiedemann/Hirte, FS BGH, 2000, 337, 371. Vgl. auch Fleischer, ZGR 1997, 368, 386.

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schäftliche Regelung notwendigen Rechtsbindungswillen typischerweise haben. Dies liegt auch deshalb fern, weil die Vertragsparteien sehr wohl wissen, dass wahrscheinlich noch ein Gericht über die angemessene Abfindung entscheiden wird, und sich daher die Praxis eingespielt haben dürfte, eine zu niedrige Abfindungshöhe festzulegen163 . Dies würde zwar an sich die Vertragstheorie nicht aushebeln, weil man schließlich dem Spruchstellenbeschluss vertragsgestaltende Wirkung zumessen könnte. Dennoch erhellt diese Vermutung, dass die Vertragskonstruktion gekünstelt wirkt und sich hauptsächlich aus historischer Anknüpfung an eine vorhandene Praxis erklärt164 . Zu den obersten Prinzipien des geltenden Abfindungsrechts gehören – darauf wurde schon mehrmals eingegangen – die Prinzipien der vollen Entschädigung und Abfindung165 . Diese verpflichten den Abfindungsschuldner dazu, die abfindungsberechtigten Aktionäre vollständig für ihre Einbußen zu entschädigen166 . Warum der Gesetzgeber diese Entschädigung den Vertragsparteien überlassen wollte, die den Aktionären dann großzügigerweise über § 328 BGB einen Abfindungsanspruch gönnen, ist unverständlich167, wird wegen der Möglichkeit des Spruchverfahrens nicht konsequent verwirklicht und lässt sich in erster Linie damit erklären, dass der Gesetzgeber 1965 keine andere Praxis kannte. Weil das Prinzip der vollen Entschädigung Verfassungsrang hat168 , wäre es sogar verfassungswidrig, die Parteien des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags, Verschmelzungs- oder Spaltungsvertrags bzw. Umwandlungsbeschlusses über die Abfindung entscheiden zu lassen. Wegen § 305 V AktG besteht diese Gefahr freilich nicht. Dennoch erscheint die Vertragskonstruktion vor diesem Hintergrund nicht nur befremdlich, sondern von vornherein sachwidrig. Obwohl das verfassungsrechtliche Prinzip der vollen Entschädigung – wie bereits erwähnt – der zivilrechtlichen Dogmatik keine festen Vorgaben macht169, legt seine Ausstrahlungswirkung einen gesetzlichen Anspruch doch nahe. Ferner ordnet § 305 III 2 AktG an, dass die Barabfi ndung von dem Tag, an dem der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag in das Handelsregister eingetragen wird, verzinst werden muss. Da Zinsen nach allgemeinem Schuldrecht aber zumindest das Entstehen des Anspruches voraussetzen (vgl. nur §§ 256 S. 1, 288, 290 S. 1 BGB), lässt sich § 305 III 2 AktG ohne Bruch mit der herkömmlichen 163 Dazu Dörfl er/Gahler/Unterstraßer/Wirichs, BB 1994, 156, 157 ff.; Emmerich, JuS 1997, 1045, 1046; Hecker, Regulierung von Unternehmensübernahmen und Konzernrecht, Teil I, 2000, S. 102 ff. et passim; Wiedemann/Hirte, FS BGH, 2000, 337, 380. Durch die »DAT/AltanaGrundsätze« ist der Spielraum des Großaktionärs mittlerweile allerdings eingeschränkt worden. 164 S. o. S. 131 ff. 165 Dazu o. S. 95 ff. und S. 52 ff.. 166 Dazu o. S. 95 ff. und S. 52 ff. 167 Dazu insbes. Luttermann, JZ 1997, 1183, 1184; Luttermann, BB 2001, 382, 383: »Vertrag zu Lasten Dritter«. 168 S. o. S. 95 ff. 169 S. o. S. 105 f.

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Dogmatik nur mit der »Theorie des gesetzlichen Anspruches« erklären. Nach der Vertragslösung gibt es dagegen erst ab der Annahme des vertraglichen Abfindungsantrages einen Anspruch, der zu verzinsen wäre. § 305 III 2 AktG wäre eine Ausnahme zu dem oben genannten Prinzip. Schließlich gerät die »Vertragstheorie« in Erklärungsschwierigkeiten, wenn es darum geht, den Abfindungsanspruch bei der Verschmelzung und Spaltung zur Neugründung zu erklären. Schuldner der Abfindung ist in beiden Fällen der neue Rechtsträger (§§ 36 I 2, 1. Hs., 135 I 2, 1. Hs. UmwG). Dieser ist aber weder am Verschmelzungsvertrag noch am Spaltungsplan beteiligt, weil er erst durch die Umwandlung entsteht170 . Nimmt man hier an, der Abfindungsanspruch beruhe auf dem Verschmelzungsvertrag bzw. dem Spaltungsplan171, so müsste man diese Rechtsgeschäfte als solche zu Lasten eines Dritten auffassen, was bekanntlich allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen widerspricht172 . e) Widerlegung der Argumente der Vertragslösung Deuten all diese Argumente also stark darauf hin, dass der Anspruch auf Abfindung nach § 305 AktG sowie den §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG kraft Gesetzes entsteht, muss man sich trotzdem mit den bereits genannten Gegenargumenten auseinandersetzen.173 aa) »Vertraglich zu gewährendes Angebot« Soweit dabei auf den Wortlaut des »vertraglich zu gewährenden Angebots« rekurriert wird174 , kann man dieses Argument nicht als zwingend ansehen. »Vertragliche Abfindung« i. S. d. § 305 AktG ist, wie § 305 I AktG zeigt, ein Synonym für die »angemessene Abfindung«, weil die Parteien die Pflicht haben, eine angemessene Abfindung zu gewähren175 . Darüber hinaus wäre die positiv-gesetzliche Entscheidung der Rechtsnatur eines bestimmten Anspruchs für den deutschen Gesetzgeber untypisch, eine solche Entscheidung geht darüber hinaus nicht aus den Gesetzgebungsmaterialien hervor176 . Dass sowohl § 305 AktG als auch die §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG nur davon sprechen, der Abfindungspflichtige solle ein »Abfindungsangebot« machen, aber nach ihrem Wortlaut keinen Hinweis auf einen Abfindungsanspruch enthalten, sollte ebenfalls nicht überbewertet werden. Interpretiert man den Abfindungsanspruch als gesetzlichen Anspruch, so ist es selbstverständlich, dass die an einer 170

Statt aller Bermel in Goutier/Knopf/Tulloch, UmwG, 1995, § 36 Rn. 7. Dazu schon o. S. 126. 172 Dazu statt aller Hadding in Soergel, BGB, 12. Aufl. 1990, § 328 Rn. 118; Jagmann in Staudinger, BGB, 13. Aufl. 2004, Vorbem. 42 zu §§ 328 ff. 173 S. o. S. 129 ff. 174 Vgl. dazu o. S. 129 die Nachweise in Fn. 102. 175 So auch Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 305 Rn. 4b. Einen anderen Erklärungsversuch unternimmt Luttermann, JZ 1997, 1183, 1184. 176 Dazu schon o. S. 131 ff. 171

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Strukturmaßnahme Beteiligten nicht mehr machen können als ein Abfindungsangebot. Dieses Abfindungsangebot hat auch seinen Sinn, weil es so in die Vertragsbzw. Umwandlungsprüfung einbezogen und danach eventuell nachgebessert werden kann. Hierdurch werden die Gerichte entlastet. bb) Befugnis zur Fristsetzung (§ 305 IV AktG) Schwieriger ist dagegen, wie die »Theorie des gesetzlichen Anspruchs« die Befugnis der Vertragsparteien zur Bestimmung einer Annahmefrist erklären kann (§ 305 IV AktG). Deutet man den Abfindungsanspruch aus § 305 AktG als gesetzlichen Anspruch, so handelt es sich bei dieser Frist um eine materielle Ausschlussfrist, die de facto nicht durch die Vertragsparteien, sondern vom Abfindungsschuldner bestimmt wird177. Dies ist für das geltende Privatrecht jedoch keine unbekannte Figur. Dass gesetzliche Ansprüche oder sonstige Rechte nach Ablauf einer Frist erlöschen, die der Schuldner gesetzt hat, kennt man zum Beispiel aus Art. 53 I i. V. m. Art. 34 I 3, 4 WG. Nach Art. 53 I WG erlöschen die Ansprüche gegen »alle andere Wechselverpflichteten mit Ausnahme des Annehmers«, wenn (unter anderem) die Frist für die Vorlage eines Sichtwechsels abläuft, die nach Art. 34 I 3, 4 WG vom Aussteller oder Indossanten bestimmt werden kann. Zu diesen »anderen Wechselverpfl ichteten« gehört z. B. der Vertreter ohne Vertretungsmacht, der nach Art. 8 WG – ebenso wie nach § 179 BGB – kraft Gesetzes haftet. Ähnlich schließt § 108 II BGB ein gesetzliches Recht aus, weil er dem Vertragspartner eines Minderjährigen erlaubt, eine zeitlich (kraft Gesetzes festgelegte) Frist zu setzen, nach deren Ablauf die gesetzlichen Vertreter des Minderjährigen bzw. der Minderjährige selbst (§ 108 III BGB) ihr gesetzliches Zustimmungsrecht verlieren. Eine ähnliche Regelung trifft § 177 II BGB für den Vertragspartner eines vollmachtlos Vertretenen sowie § 415 II 2 BGB für die befreiende Schuldübernahme, wobei im Falle des § 415 II 2 BGB die Länge der Frist bestimmt werden kann. Gleiches gilt für § 264 II BGB, der für die gesetzliche Wahlschuld (beispielsweise § 320b I 3 AktG178 ) anordnet, dass die Befugnis des Wahlberechtigten nach Ablauf einer vom anderen Teil gesetzten Frist erlischt. Diese Beispiele zeigen, dass gesetzliche Ansprüche oder sonstige subjektive Privatrechte nach Ablauf einer rechtsgeschäftlich ausgelösten Frist erlöschen können. Die Interpretation des § 305 IV AktG als durch Rechtsgeschäft bestimmte materielle Ausschlussfrist bricht daher nicht mit anerkannten Grundsätzen der Zivilrechtsdogmatik. Der Unterschied zur Rechtslage bei Mehrheitseingliederung und Squeeze-out (hier kann keine Frist zur Geltendmachung des Anspruchs vorgesehen werden179 ) ist kein durchschlagendes Gegenargument. Entscheidender Grund dafür, bei diesen Strukturwandelungen keine Ausschlussfristen vorzusehen, ist die Tatsache, dass die außenstehenden Aktionäre dort nach Fristversäumung nicht noch durch 177 178 179

S. schon o. S. 138 ff.: »Formalakt«, »Insichgeschäft«. Dazu Grunewald in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 320b Rn. 8. Anders hinsichtlich der Ausübung des Wahlrechts nach § 320b I 3 AktG, dazu o. Fn. 178.

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einen Ausgleich entsprechend § 304 AktG entschädigt werden180 : Fiele der Abfindungsanspruch nach Fristsetzung fort, müssten sie den Verlust ihrer Aktie entschädigungslos hinnehmen. Dies hat der Gesetzgeber für zu hart befunden, zumal der herrschende bzw. Mehrheitsaktionär sämtliche Aktien mit Handelsregistereintragung kraft Gesetzes erwirbt. Nach alledem verletzt es keine abfindungs- oder allgemein zivilrechtlichen Grundsätze, wenn man § 305 IV 1 AktG als in ihrer Länge teilweise zur Disposition gestellte materielle Ausschlussfrist interpretiert. cc) Wahlrecht aus § 305 II Nr. 2 AktG Weiteres Argument gegen die Interpretation des § 305 AktG als gesetzlicher Abfindungsanspruch ist das – zunächst unterstellte181 – Wahlrecht der Vertragsparteien aus § 305 II Nr. 2 AktG. Für die Vertragstheorie ist dieses Wahlrecht nichts anderes als rechtsgeschäftliche Gestaltungsfreiheit. Aber auch die »Theorie des gesetzlichen Anspruchs« kann diese Regelung erklären182 : Dass die Zivilrechtsordnung Absprachen unter Privaten Bedeutung für deren gesetzliche Pflichten beimisst, zeigt etwa § 1356 BGB, der den Ehegatten erlaubt, ihre gesetzlichen Pflichten durch Absprache inhaltlich näher zu bestimmen183 . Dass § 305 II Nr. 2 AktG den Vertragsparteien eine Abrede mit Wirkung zu Lasten der außenstehenden Aktionäre einräumt, hindert diesen Vergleich nicht. Denn erstens müsste auch die Vertragstheorie diese Rechtsmacht entsprechend deuten, zweitens läge eine unzulässige Drittwirkung gerade nicht vor, wenn das Wahlrecht kraft Gesetzes den Vertragsparteien eingeräumt wird. Berücksichtigt man weiterhin, dass der Unternehmensvertrag tatsächlich aufgrund des üblicherweise schon zuvor bestehenden Abhängigkeitsverhältnisses nicht mehr ist als ein Formalakt, kann man das Wahlrecht des § 305 II Nr. 2 AktG daher auffassen als gesetzliche Ersetzungsbefugnis des Abfindungsschuldners, die dieser antizipiert im Unternehmensvertrag ausübt. In die herkömmliche Zivilrechtsdogmatik lässt sich dies – wie soeben gezeigt – einfügen.

180 Dazu Veit, Unternehmensverträge und Eingliederung als aktienrechtliche Instrumente der Unternehmensverbindung, 1974, S. 139; auch schon v.Godin/Wilhelmi, AktG, 4. Aufl. 1971, § 320 Anm. 8. Dieses Muster erklärt übrigens auch, warum es bei den §§ 29 ff., 207 ff. UmwG eine Fristenregelung gibt: Hier bleibt den außenstehenden Aktionären nach Fristversäumung noch der Verbleib in dem neuen Rechtsträger. 181 Dazu noch u. S. 399 ff. 182 Luttermann, JZ 1997, 1183, 1184 spricht hier von einer »Konkretisierung« der Abfindungspflicht durch die Vertragsparteien, ohne allerdings den genauen dogmatischen Ursprung dieser Figur offen zu legen. 183 Dazu Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, 5. Aufl. 2006, § 18 Rn. 19 ff.

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dd) Kündigungsrecht aus § 305 V 4 i. V. m. § 304 IV AktG Ein starkes Argument der Vertragslösung könnte das Kündigungsrecht aus § 305 V 4 i. V. m. § 304 IV AktG sein184 . Mit diesem Kündigungsrecht soll sich der Abfindungsschuldner ausweislich der Regierungsbegründung zum AktG 1965 unzumutbaren Belastungen entziehen dürfen, die dadurch entstehen, dass das Gericht im Spruchverfahren die Abfindungspflicht erhöht185 . Interpretierte man den Abfindungsanspruch als gesetzlichen Anspruch, liefe das Kündigungsrecht aus § 305 V 4 i. V. m. § 304 IV AktG weitgehend leer. Denn durch die außerordentliche Kündigung würde zwar der Vertrag erlöschen, nicht aber der Abfindungsanspruch, dieser wäre vom Vertrag gerade unabhängig. Bei dem außerordentlichen Kündigungsrecht aus § 305 V 4 i. V. m. § 304 IV AktG handelt es sich jedoch um eine rechtspolitisch höchst fragwürdige Regelung186 , die nicht nur unter dem Blickwinkel der Rechtsvergleichung Zweifeln ausgesetzt ist187. Dies lenkt den Blick gleichzeitig auf die Gründe, die gegen dieses Kündigungsrecht als Argument für die Vertragslösung sprechen. Könnte sich der Abfindungspflichtige von seiner Pflicht einseitig befreien, nur weil die Abfindung im Spruchverfahren erhöht wurde, so widerspräche dies gleich mehreren elementaren Gerechtigkeitskriterien und bräche mit mehreren Grundsätzen anerkannter Privatrechtsdogmatik188 : Wie jedes zivilrechtliche Gestaltungsrecht kann man das Kündigungsrecht als ein Instrument der Risikoverteilung begreifen. Nimmt man § 305 V 4 i. V. m. § 304 IV AktG ernst, kann das herrschende Unternehmen mit diesem Kündigungsrecht das Risiko, im Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag nicht die zutreffende Abfindung vorgesehen zu haben, vollständig von sich weisen, nachdem es während des gesamten Spruchstellenverfahrens die Leitungsmacht über die abhängige AG ausüben durfte. Es kann somit einem Risiko entgehen, (a) das es selbst geschaffen hat, indem es seine Mehrheit in der abhängigen AG dazu nutzte, den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag abzuschließen, (b) das es beherrschte, weil es Gelegenheit hatte, Wirtschaftsprüfer mit der Bewertung der abhängigen AG zu beauftragen189, und (c) das auf 184 Dieses Argument vor allem anführend OLG Zweibrücken WM 1994, 1801, 1802 f. (Tarkett/Pegulan). 185 Dies zumindest führte der Gesetzgeber des AktG 1965 mit Blick auf die Ausgleichspfl icht nach § 304 AktG für die Regelung des § 304 IV AktG an, Begr. RegE AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 396. 186 Grundlegend Kübler, FS Goerdeler, 1987, 279, 285 ff.; Kübler/R. H. Schmidt, Gesellschaftsrecht und Konzentration, 1988, S. 82. Vgl. im Übrigen Emmerich/Habersack, Aktienund GmbH-Konzernrecht, 4. Aufl. 2005, § 304 Rn. 82; Hecker/Wenger, ZBB 1995, 321, 332 f.; W. Meilicke, AG 1995, 181, 185. Schon Flume, DB 1969, 1047, 1048 fand die Regelung »unglücklich« und empfahl, sie zu streichen. Anderer Ansicht ist allerdings Hüchting, Abfindung und Ausgleich im aktienrechtlichen Beherrschungsvertrag, 1972, S. 88. 187 Das detaillierte neuseeländische Recht etwa enthält in Section 112(7)(a) des Companies Act 1993 die ausdrückliche Regelung: »If the price determined exceeds the provisional price, the company must forthwith pay the balance owing to the shareholder«. 188 Grundlegend hierzu schon Kübler, FS Goerdeler, 1987, 279, 285 ff. 189 Kübler, FS Goerdeler, 1987, 279, 289.

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einem Sachverhalt beruhte – dem Vertragskonzern –, von dem das herrschende Unternehmen profitierte, weil es die Leitungsmacht über die abhängige AG ausüben durfte und/oder ihren Gewinn eingestrichen hat. Dass das Unternehmen dieses Risiko vollständig auf die außenstehenden Aktionäre soll abwälzen können, ist nicht begründbar190 , aus den oben genannten Gründen nicht einmal in Ausnahmefällen, in denen es zu einer drastischen Erhöhung der Abfindung kommt191. Auch rechtsökonomisch kann das Kündigungsrecht aus § 305 V 4 i. V. m. § 304 IV AktG nicht überzeugen: Jeder Aktionär müsste selbst prüfen, ob die angebotene Abfindung angemessen ist, um nicht nach Erhöhung der Abfindung im Spruchverfahren und Kündigung durch das herrschende Unternehmen leer auszugehen. Die Informationskosten würden damit einerseits multipliziert, weil sich die Aktionäre wegen ihrer »rationalen Apathie« nicht zusammenschließen würden, um die Gesamtkosten gering zu halten. Andererseits würden die Kosten nicht bei demjenigen anfallen, der cheapest cost avoider ist, nämlich beim herrschenden Unternehmen192 . Darüber hinaus bricht das Kündigungsrecht aus § 305 V 4 i. V. m. § 304 IV AktG mit anerkannten Prinzipien des Zivilprozessrechts. Es gibt einem Prozessbeteiligten das Recht, nach der Entscheidung eines zur Neutralität berufenen Gerichts den Prozessgegenstand einseitig aus der Welt zu schaffen, weil ihm der Ausgang des Verfahrens nicht passt – ein dem Prozessrecht sonst unbekanntes Institut193 . Das Kündigungsrecht aus § 305 V 4 i. V. m. § 304 IV AktG ließe sich eventuell rechtfertigen, wenn die abhängige AG in Abfindungsverhandlungen mit dem Ziel ginge, eine möglichst hohe Abfi ndung für ihre Aktionäre herauszuholen. Es passt aber nicht zu dem »Insichgeschäft« oder »Formalakt« des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags194 . Dies erhellt, dass man § 305 V 4 i. V. m. § 304 IV AktG nur als Relikt der dem Treuhanddenken bei Strukturentscheidungen verhafteten Ansicht des Aktiengesetzgebers von 1965 erklären kann – ein Denken, das der Sachlage beim Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag aber nicht gerecht wird und daher zu Fehlschlüssen verführt195 . Um einen solchen Fehlwurf handelt es sich beim Kündigungsrecht aus § 305 V 4 i. V. m. § 304 IV AktG. Wie geht man nun mit einem solchen in Gesetz gegossenen Fehlschluss um? Was bleibt von dieser Regelung als Argument gegen die gesetzliche Natur des Abfindungsanspruchs? Es gibt verschiedene Ansätze, den Anwendungsbereich oder die Folgen des Kündigungsrechts zu beschneiden. So will man dieses Recht analog § 162 BGB196 oder – was auf dasselbe hinausläuft – nach dem Grundsatz »venire 190

So auch das Urteil von Kübler, FS Goerdeler, 1987, 279, 290: »ohne einen vernünftigen Grund«, S. 292: »auch nicht die Spur einer Berechtigung«, S. 293: »rechtspolitisch sinn- und wertlose Vorschriften«. 191 Insoweit a. A. Steinmeyer, WiB 1997, 1140. 192 Hierzu grundlegend Calabresi, The Costs of Accidents – A Legal and Economic Analysis, 5. Aufl. 1977, S. 26 ff. 193 Kübler, FS Goerdeler, 1987, 279, 290 f. 194 Hierzu auch schon Kübler, FS Goerdeler, 1987, 279, 291. 195 S. o. S. 131 ff. und S. 138 ff. 196 So Kindl, WiB 1997, 77, 78.

A) Rechtsnatur des Abfi ndungsanspruchs

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contra factum proprium«197 begrenzen. Zur Beschränkung auf Abfindungen, zu deren Zahlung sich der andere Vertragsteil nach Ablauf der Mindestfrist des § 305 IV 3 AktG erboten hat, soll nach anderer Auffassung eine verfassungskonforme Auslegung führen198 . Kübler hat vorgeschlagen, § 305 V 4 i. V. m. § 304 IV AktG »kein eigenständiges dogmatisches Gewicht« zukommen zu lassen und sie »aus diesem Grunde insoweit als nichtexistent zu behandeln«199. Genau dies hat der BGH im Guano-Urteil getan 200 , als er dem aus § 305 V 4 i. V. m. § 304 IV AktG gezogenen Gegenargument des OLG Zweibrücken 201 kein Wort widmete202 . Im System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche stellt das Kündigungsrecht aus § 305 V 4 i. V. m. § 304 IV AktG eine systemfremde Norm dar203 : eine Norm mit Wertungen, die in der Rechtsordnung isoliert geblieben sind und die aus sich selbst heraus keine Überzeugungskraft besitzt 204 . Eine solche Norm ist mit den zulässigen Mitteln der Auslegung und teleologischen Reduktion in ihren Wirkungen weitestgehend zu beschränken, damit sie keine Ungerechtigkeit, Inkonsequenz und Systemwidrigkeit verbreitet 205 . Dies kann man für § 305 V 4 i. V. m. § 304 IV AktG erreichen, und zwar indem man den Abfindungsanspruch aus § 305 AktG als gesetzlichen Anspruch interpretiert, auf dessen Fortbestand die außerordentliche Kündigung nach § 305 V 4 i. V. m. § 304 IV AktG keine Wirkung hat 206 . Erhöht das Gericht im Spruchverfahren also Abfindung und Ausgleich, kann das herrschende Unternehmen den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zwar gem. § 305 V 4 i. V. m. § 304 IV AktG kündigen. Auf den gesetzlichen Abfindungsanspruch hat dies aber keine Auswirkung. Somit stellt das außerordentliche Kündigungsrecht aus § 305 V 4 i. V. m. § 304 IV AktG kein Argument gegen die gesetzliche Rechtsnatur des Abfindungsanspruchs aus § 305 AktG dar. Die gesetzliche Konstruktion kann im Gegenteil das 197

Steinmeyer, WiB 1997, 1140, 1140 f. W. Meilicke, AG 1995, 181, 186. 199 Kübler, FS Goerdeler, 1987, 279, 293; ebenso Hecker/Wenger, ZBB 1995, 321, 332 f. 200 BGHZ 135, 374 (Guano). Vorher schon OLG Düsseldorf ZIP 1996, 1610, 1611 f. (Guano); dazu kritisch J. Schulze-Osterloh, EWiR 1997, 3, 4. Auch in den Besprechungen des Guano-Urteils wird dieses Argument selten aufgegriffen, Ausnahme Hüffer, EWiR 1997, 769, 770; Steinmeyer, WiB 1997, 1140; aus den Besprechungen des vorinstanzlichen Urteils des OLG Düsseldorf: Kindl, WiB 1997, 77, 78. 201 OLG Zweibrücken WM 1994, 1801, 1802 f. (Tarkett/Pegulan). 202 Die – berechtigte – Forderung J. Schulze Osterlohs, EWiR 1997, 3, 4 hat sich damit nicht bewahrheitet. 203 Dazu schon S. 23 mit Fn. 149. 204 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 131 f. 205 Hierzu Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 132. 206 So im Ergebnis schon LG Stuttgart AG 1998, 103, 104 (Gestra/Foxboro); Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 305 Rn. 85; vgl. vorher auch schon BayObLGZ 1978, 209, 213 f. (Mechanische Baumwollspinnerei und Weberei Augsburg); BayObLG WM 1996, 526, 533 f. (Paulaner); OLG Düsseldorf WM 1990, 1282, 1290; Kübler, FS Goerdeler, 1987, 279, 293. A. A. allerdings Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 134, soweit es um Ansprüche der Aktionäre geht, die das Angebot nicht vor der Kündigung des Vertrags angenommen haben. 198

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gerechte Ergebnis, die Bedeutung des § 305 V 4 i. V. m. § 304 IV AktG zu begrenzen, dogmatisch sauber erklären. ee) Sonderzustimmungsrecht gem. §§ 295 II, 296 II, 297 II AktG Etwas Ähnliches gilt für die §§ 295 II, 296 II, 297 II AktG, die ebenfalls als Argument für die Vertragslösung angeführt werden können 207. Zwar wollen diese Normen der Gefahr entgegenwirken, dass der Abfindungsanspruch außenstehender Aktionäre durch Beendigung oder Änderung des Vertrages entwertet wird 208 . Zutreffend ist auch, dass diese Gefahr nur besteht, wenn man den Abfindungsanspruch als einen vertraglichen Anspruch ansieht 209. Doch behalten die §§ 295 II, 296 II, 297 II AktG nach der hier vertretenen Meinung ihre Bedeutung: zum einen für die »anderen« Unternehmensverträge des § 292 AktG, zum anderen zum Schutze des Ausgleichs gem. § 304 AktG, dessen vertragliche Rechtsnatur durch § 304 III S. 1 AktG nahe gelegt wird 210 . Ein zwingendes Argument für die Vertragslösung würden die §§ 295 II, 296 II, 297 II AktG daher nur enthalten, wenn ihnen zu entnehmen wäre, dass der Abfindungsanspruch des § 305 AktG bei Sonderzustimmung durch die außenstehenden Aktionäre beeinträchtigt werden darf211 . Dies wäre bei gesetzlicher Rechtsnatur des Abfindungsanspruchs nämlich nicht erklärbar. Eine solche Rechtsfolge des Zustimmungsbeschlusses wäre aber schon mit den Vorgaben der Verfassung unvereinbar: Dem Prinzip voller Entschädigung würde es nämlich widersprechen, den »verfassungsrechtlich gebotenen Anspruch«212 zur Disposition der Mehrheit der außenstehenden Aktionäre zu stellen. Hier ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Kreis der außenstehenden Aktionäre keineswegs vor »Unterwanderung« durch das herrschende Unternehmen sicher ist 213 und dass die außenstehenden Aktionäre keine gleichgerichteten Interessen mehr haben, sobald das herrschende Unternehmen mit ihnen in Verhandlungen über ihre Zustimmung tritt 214 . Wenn daher zur Rechtfertigung der §§ 295 II, 296 II, 297 II AktG auf die Feldmühle-Entscheidung des BVerfG und das dort anerkannte Interesse an unternehmerischer Flexibilität verwiesen wird 215 , übersieht diese Ansicht, dass die »volle Entschädigung« des Aktionärs gerade nicht zur Disposition steht. Schließlich stellt das Gesetz selbst den Abfindungsanspruch zumindest nicht vollständig zur Disposition der Vertragsparteien. Denn § 305 V 1 AktG bestimmt, dass die Anfechtung der Zustimmung zu einer Vertragsänderung, die unter § 295 207

S. o. S. 129 ff. Dazu o. S. 130. 209 Dazu o. S. 130. 210 S. dazu noch u. S. 149 ff. 211 Dazu auch noch S. 272 ff. 212 BVerfG NJW 1999, 1699, 1701 (SEN/KHS); zum näheren Verständnis dieser Wendung o. S. 105 sowie S. 128 ff. 213 Vgl. etwa den Fall des LG Essen AG 1995, 189, 190 f. (RAG Immobilien AG). 214 Dazu noch ausführlich u. S. 396. 215 So Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 295 Rn. 31. 208

A) Rechtsnatur des Abfi ndungsanspruchs

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II AktG fällt, nicht darauf gestützt werden kann, dass der Vertrag keine angemessene Abfindung vorsehe; stattdessen verweist die Norm die außenstehenden Aktionäre gem. § 305 V 2 AktG ins Spruchverfahren 216 . Zumindest in solchen Fällen in denen der Abfindungsbetrag heruntergesetzt wird, scheint das Gesetz daher doch wieder eine angemessene Abfindung zu fordern, die notfalls durch das Gericht bestimmt werden soll. Auch die §§ 295 II, 296 II, 297 II AktG stehen der gesetzlichen Konzeption des Abfindungsanspruchs daher nicht entgegen. ff) Zwischenergebnis Nach den bereits angeführten Argumenten pro gesetzliche Rechtsnatur der Abfindungsansprüche gem. §§ 305 AktG, 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG ließen sich keine zwingenden Argumente gegen diese Einordnung finden. 3) Zusammenfassung und Vervollständigung der Überlegungen Die vorstehenden Überlegungen haben ergeben, dass es sich bei den Abfindungsansprüchen der §§ 305 AktG, 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG um gesetzliche Ansprüche handelt. Daneben können die Vertrags- bzw. an der Umwandlung beteiligten Parteien selbstverständlich rechtsgeschäftliche Ansprüche zugunsten der dissentierenden Aktionäre vorsehen. Inhaltlich sind die gesetzlichen Ansprüche auf »angemessene Abfindung« gerichtet. Wird kein Spruchverfahren durchgeführt, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Höhe etwa vorgesehener rechtsgeschäftlicher Abfindungsansprüche gleichzeitig die »angemessene Abfindung« i. S. d. §§ 305 I AktG, 29 I S. 1, 1. Hs., S. 2; 122i I 1, 207 I 1, 1. Hs. UmwG, 7 I 1, 9 I 1, 12 I 1 SEAG ist, also die Abfindungshöhe des jeweiligen gesetzlichen Anspruchs217. Hierfür spricht neben dem Verhalten der Parteien (Festsetzung der Abfindungshöhe) und der außenstehenden Aktionäre (kein Spruchverfahren), dass die rechtsgeschäftlich festgesetzte Abfindung gem. §§ 293b ff. AktG, §§ 10 ff. UmwG (i. V. m. §§ 7 III, 9 II, 12 II SEAG) durch gerichtlich bestellte Sachverständige überprüft wurde, an deren Ausführungen das Spruchverfahren anknüpft (§§ 293c I 1, 320 III 2 AktG, § 10 I 1 UmwG). Dass die Gerichte eine niedrigere »angemessene« Abfindung festlegen als vertraglich vorgesehen, ist aufgrund des Verbots der reformatio in peius ausgeschlossen 218 . 216

Die wohl allgemeine Ansicht dehnt diese Regel auf den Sonderbeschluss nach § 295 II 1 AktG aus, dazu BayObLG ZIP 2002, 2257; Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 295 Rn. 58; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 295 Rn. 34; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 295 Rn. 15; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 295 Rn. 55; Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 70 Rn. 185. 217 Vgl. aber auch LG Frankfurt WM 1987, 559, 562 (Hartmann & Braun), wo die vertraglich festgelegte Abfindung über der »angemessenen Abfindung« i. S. d. § 305 I AktG liegen soll. 218 Dazu OLG Karlsruhe AG 2009, 47 (Rheinelektra/Lahmeyer) (hinsichtlich des Gesamtergebnisses der Bewertung, nicht hinsichtlich einzelner Parameter); BayObLG WM 1996, 526, 527 (Paulaner); Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 306 Rn. 112; Hüchting, Abfindung und

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Ist dementsprechend auch ein rechtsgeschäftlicher Anspruch entstanden, steht dieser in der Terminologie der herrschenden Meinung zu dem gesetzlichen Anspruch im Verhältnis der »Anspruchskonkurrenz«219. Das Schicksal dieses Anspruchs kann neben dem gesetzlichen Anspruch nach den soeben genannten Gründen regelmäßig vernachlässigt werden 220 insbesondere ist unerheblich, ob die außerordentliche Kündigung nach § 305 V 4 i. V. m. § 304 IV AktG zumindest diesen Anspruch erfasst. Abfindung nach § 305 AktG und Ausgleich nach § 304 AktG stehen zueinander im Verhältnis der elektiven Konkurrenz – ähnlich wie nach altem Schuldrecht die Rechte des § 325 a. F. BGB221. Der außenstehende Aktionär hat also ein Wahlrecht, das erst erlischt, wenn er die Abfindung angenommen, auf sie verzichtet hat oder sein Abfindungsanspruch aus sonstigen Gründen erloschen ist (z. B. durch Fristablauf nach § 305 IV AktG, dazu sogleich) 222 . Der Abfindungsanspruch entsteht mit der Wirksamkeit des jeweiligen Eingriffs, also mit der Eintragung von Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag, Verschmelzung, Spaltung oder Formwechsel in das Handelsregister. Für die dogmatische Einordnung weiterer Vorschriften aus dem vertragskonzern- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsrecht bedeutet dies Folgendes: Das Wahlrecht aus § 305 II Nr. 2 AktG ist eine gesetzliche Ersetzungsbefugnis des Wahlberechtigten 223 . Die Fristen nach § 305 IV AktG sowie nach den §§ 31, 209 UmwG sind materielle Ausschlussfristen. Dass § 305 IV AktG den Vertragsparteien erlaubt, die Länge dieser Frist festzulegen, ist kein Fremdkörper im zivilrechtlichen Dogmengebäude. Das außerordentliche Kündigungsrecht aus § 305 V 4 i. V. m. § 304 IV AktG braucht bei dieser Interpretation weder in seinem Anwendungsbereich noch durch besondere Überlegungen auf Rechtsfolgenseite eingeschränkt zu werden: Da der Abfindungsanspruch des § 305 AktG ein gesetzlicher

Ausgleich im aktienrechtlichen Beherrschungsvertrag, 1972, S. 78. Zur Frage, ob sich Gesellschafter im Spruchverfahren gegen eine ihrer Ansicht nach zu hohe Abfi ndung wenden können: Linnerz, ZIP 2007, 662 (verneinend). 219 Dazu schon o. S. 131. 220 Anders wäre etwa der Fall zu beurteilen, in dem der Abfindungspflichtige kraft Gesetzes zur Abfindung in Aktien verpfl ichtet ist (§§ 305 II Nr. 1, 320b I 2 AktG), aber zusätzlich eine Barabfindung anbietet. Hier hat die Barabfindung selbstverständlich allein vertraglichen Charakter und kann natürlich nicht neben dem gesetzlichen Anspruch vernachlässigt werden. 221 Dazu Heinrichs in Palandt, BGB, 61. Aufl. 2002, § 325 Rn. 7, § 262 Rn. 6. 222 Dass das ius variandi nicht schon mit der Entgegennahme der Ausgleichsleistungen endet, ist ganz herrschende Meinung, BGHZ 138, 136, 142 (ASEA/BBC II); OLG Celle AG 1973, 405, 407; Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 27; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 305 Rn. 27; Stimpel, AG 1998, 259, 260; H. Wilhelm, Die Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages, 1976, S. 40; a. A. wohl nur Lehmann-Tolkmitt WM 1972, 990, 993 (zusf.). 223 Zum Wahlberechtigten noch u. S. 399. De lege ferenda wäre es konsequent, die Bildung von Vertragskonzernen auf der Basis keines Vertrages, sondern einer einseitigen Erklärung zuzulassen. Dieser Weg wird unter anderem in Frankreich verfolgt (Wiedemann/Hirte, FS BGH, 2000, 337, 371 m. w. N.).

A) Rechtsnatur des Abfi ndungsanspruchs

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Anspruch ist, hat die außerordentliche Kündigung nach § 305 V 4 i. V. m. § 304 IV AktG keinen Einfluss auf das Fortbestehen dieses Anspruchs. 4) Übertragung der Abfindungsberechtigung beim Beherrschungsund Gewinnabführungsvertrag (»Jenoptik-Fall«) Die Rechtsnatur des Abfindungsanspruchs ist zuletzt im Zusammenhang mit dem sog. »Jenoptik-Fall« intensiv diskutiert worden 224 . In diesem Fall war das herrschende Unternehmen eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags auf die Jenoptik AG verschmolzen worden, so dass die Jenoptik gem. § 20 I Nr. 1 UmwG in die Stellung des herrschenden Unternehmens einrückte. Abhängige AG war die Deutsche Effecten- und Wechsel-Beteiligungsgesellschaft AG (DEWB), eine börsennotierte Gesellschaft. Der Unternehmensvertrag enthielt eine Abfindungsbestimmung, deren Angemessenheit in einem Spruchverfahren überprüft wurde. Die Jenoptik kündigte den Vertrag noch während des Spruchverfahrens. Zum Zeitpunkt der Kündigung hielt sie 99,2% aller Aktien der DEWB. Nach der Vertragsbeendigung veräußerte die Jenoptik einen Teil ihrer Aktien über die Börse, die DEWB führte mehrere Kapitalerhöhungen durch. In der Folge wuchs der Streubesitz von 0,8% auf knapp 30% 225 . Nun verlangten nicht nur die bereits bei Abschluss des Unternehmensvertrags außenstehenden Aktionäre Abfindung, sondern auch Aktionäre, die ihre Aktien erst später erworben hatten. Anhand der Aktien konnte man nicht erkennen, von wem die Anspruchsteller ihre Aktien erworben hatten. Das OLG Jena gab den klagenden Aktionären Recht. Bei dem Abfindungsanspruch handele es sich um einen »aus der Mitgliedschaft resultierenden Vermögenswert«, der in der Aktie »verkörpert« werde. Der Abfindungsanspruch würde daher zusammen mit den sonstigen Mitgliedschaftsrechten aus der Aktie erworben, jedoch nur, wenn sowohl der Veräußerer als auch der Erwerber zum Kreis der außenstehenden Aktionäre gehörten 226 . Ohne Belang sei dabei der Zeitpunkt des Erwerbes, sofern die Frist zur Geltendmachung des Anspruchs nicht abgelaufen sei 227. Zwar trage der Kläger die Beweislast dafür, dass er die Aktie von einem außenstehenden Aktionär erworben habe. Die Beweislast sei in concreto jedoch umgekehrt, weil dem Kläger die Beweismöglichkeit durch das Verhalten der Jenoptik 224 BGHZ 167, 299 (Jenoptik); Vorinstanz OLG Jena ZIP 2005, 525 (Jenoptik); zur anschließend eingereichten Verfassungsbeschwerde s. den Nichtannahmebeschluss von BVerfG NJW 2007, 3265 (Jenoptik); hierzu Altmeppen, FS Ulmer, 2003, 3; Altmeppen, ZIP 2005, 1055; Bilda, NZG 2005, 375; Bayer, ZIP 2005, 1053; Braun/Krämer, ZIP 2006, 1396; Bungert/Bednarz, BB 2006, 1865; Goette, DStR 2006, 2132; Habersack, AG 2005, 709; Hirte, FS Hadding, 2004, 427; Hirte/Mock, DB 2005, 1444; Koppensteiner, DStR 2006, 1603; Lehmann, ZIP 2005, 1489; Lehmann, WM 2007, 771; Leuschner, NJW 2007, 3248; Luttermann, NZG 2006, 816; Oechsler, LMK 2006, 195913; Puszkajler/Weber/Elsland, ZIP 2006, 692; Ruoff, BB 2005, 2201; Streit/Maier, EWiR 2006, 581; F. Wagner, EWiR 2005, 493; Weißhaupt, WuB II A § 305 AktG 1.07. 225 Zu den Zahlen Bayer, ZIP 2005, 1053, 1054. 226 OLG Jena ZIP 2005, 525, 526 (Jenoptik). 227 OLG Jena ZIP 2005, 525, 526 (Jenoptik).

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unmöglich gemacht worden sei. Diese habe für die später in den Umlaufverkehr gelangten Aktien eine eigene Wertpapierkennnummer (WKN) beantragen müssen 228 . Nachdem dieses Urteil in der Literatur teils heftig kritisiert worden war 229, wies der II. Zivilsenat des BGH die Klage ab. Der Anspruch auf Abfindung gem. § 305 AktG sei kein aus der Mitgliedschaft, sondern dem Beherrschungsvertrag folgendes Recht und werde daher nicht durch die Aktie verbrieft 230 . Übertrage ein abfindungsberechtigter Aktionär seinen Anteil, so verliere er sein Abfindungsoptionsrecht und der Erwerber erlange ein eigenes, originär begründetes Optionsrecht aus dem Beherrschungsvertrag231. Dies sei allerdings nur möglich, so lange der Beherrschungsvertrag bestehe, denn nur während der Vertragslaufzeit gebe es außenstehende Aktionäre, an die sich das Angebot aus dem Beherrschungsvertrag richte232 . Da es für den BGH daher nur darauf ankam, wann ein Aktionär seine Aktien erwarb (vor oder nach der Beendigung des Beherrschungsvertrags), nicht aber darauf, wer ihm die Anteile veräußerte (außenstehender oder nicht außenstehender Aktionär), stellten sich die Beweisschwierigkeiten des OLG Jena nicht. Außenstehende Aktionäre mussten nur beweisen, wann sie die Aktien erworben hatten. Dies war etwa durch Vorlage einer Wertpapierabrechnung oder einer Bestätigung der depotführenden Bank möglich 233 . Folgt man der hier vertretenen Meinung, wonach der Abfindungsanspruch ein gesetzlicher Anspruch ist und höchstens zusätzlich aufgrund des Beherrschungsund Gewinnabführungsvertrags eingeräumt wird, so ist der Jenoptik-Fall wie folgt zu lösen: Da der Anspruch aufgrund eines Eingriffs in die Mitgliedschaft kraft Gesetzes entsteht, wird er nur von denjenigen außenstehenden Aktionären erworben, die bei Eintragung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags außenstehende Aktionäre i. S. d. § 305 AktG sind. Rechtsnachfolger können keine originären Abfindungsansprüche erwerben, denn zum Erwerbszeitpunkt sind ihre Anteile bereits mit dem Eingriff in die Mitgliedschaft belastet 234 . Fraglich ist daher, ob der Abfindungsanspruch derivativ erworben werden kann. In der Aktie verbrieft wird der Anspruch nicht. Erstens handelt es sich bei dem Anspruch nicht um ein Mitgliedschaftsrecht, da es sich weder zwingend gegen die AG noch gegen einen Aktionär, sondern das herrschende Unternehmen richtet 235 und dieses nicht Aussteller der Aktienurkunden ist 236 . Zweitens kommt keine Rechtsanalogie zu §§ 320a S. 2, 327e III 2 AktG, 39b V 4 WpÜG in Be-

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OLG Jena ZIP 2005, 525, 528 (Jenoptik). S. insbes. Bayer, ZIP 2005, 1053; Lehmann, ZIP 2005, 1489; Ruoff, BB 2005, 2201. 230 BGHZ 167, 299, 306 (Jenoptik). 231 BGHZ 167, 299, 306 (Jenoptik). 232 BGHZ 167, 299, 306 f. (Jenoptik). 233 BGHZ 167, 299, 304 f. (Jenoptik). 234 Im Ergebnis ebenso Habersack, AG 2005, 709, 711 u. 714 f.; dem zust. Bungert/Bednarz, BB 2006, 1865, 1867. 235 Bayer, ZIP 2005, 1053, 1058; Lehmann, ZIP 2005, 1489, 1491; Ruoff, BB 2005, 2201, 2202. 236 Ruoff, BB 2005, 2201, 2204. 229

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tracht 237. Zwar scheint die gesetzliche Natur des Abfindungsanspruchs aus § 305 AktG hierfür zu sprechen, denn auch die Ansprüche gem. §§ 320b, 327a AktG, 39a WpÜG entstehen kraft Gesetzes. Jedoch erklären sich die §§ 320a S. 2, 327e III 2 AktG, 39b V 4 WpÜG aus der Besonderheit von Mehrheitseingliederung und Squeeze-out. Da bei diesen Maßnahmen die Mitgliedschaften der außenstehenden Aktionäre kraft Gesetzes auf den Abfindungspflichtigen übergehen (§§ 320a S. 1, 327e III 1 AktG, 39b V 3 WpÜG), würde ohne die §§ 320a S. 2, 327e III 2 AktG, 39b V 4 WpÜG auch das Eigentum an den Aktienurkunden gem. § 952 II BGB auf den Abfindungspflichtigen übergehen, so dass sich die Abfindungsberechtigten nicht mehr durch die Aktien legitimieren könnten 238 . Diese Konsequenz droht beim Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags aber gerade nicht. Daneben ermöglicht erst der Übergang der Mitgliedschaft eine Änderung des wertpapierrechtlichen Charakters der Aktie, die nunmehr keine Mitgliedschaft, sondern einen schuldrechtlichen Entschädigungsanspruch verbrieft. Gleichwohl wird man davon ausgehen müssen, dass jeder Abfindungsberechtigte, der seine Aktie veräußert, gleichzeitig den Abfindungsanspruch gem. § 398 BGB abtritt. Obwohl die üblichen Vordrucke für den An- und Verkauf von Aktien keine entsprechende ausdrückliche Erklärung enthalten 239, ergibt sich ein entsprechender Wille gem. §§ 133, 157 BGB aus der typischen Interessenlage der Parteien, da der Veräußerer zur Geltendmachung seines Abfindungsanspruchs – obgleich es sich hierbei nicht um einen wertpapierrechtlich verbrieften Anspruch handelt – durch die Aktie legitimiert sein muss240 . Konsequenz hieraus ist zum einen, dass Anteilsinhaber, die ihre Aktien von einem nicht-außenstehenden Aktionär erworben haben, nicht abfindungsberechtigt sind, zum anderen, dass auch nicht-außenstehende Aktionäre den Abfindungsanspruch erwerben können, wenn sie ihre Anteile von einem Abfindungsberechtigten erwerben 241. Damit entsteht das vom OLG Jena behandelte Beweisproblem, denn abfindungsberechtigt kann nur sein, wer schon bei der Eintragung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags außenstehender Aktionär war oder seine Aktien später – sei es vor oder nach Beendigung des Unternehmensvertrags – von einem außenstehenden Aktionär erwarb, nicht aber z. B. aufgrund einer Kapitalerhöhung. Schon nach dem Wortlaut ist die Eigenschaft als außenstehender Aktionär eine anspruchsbegründende Tatsache, so dass die Beweislast insoweit der klagende Anteilsinhaber trägt 242 . Ob man mit einer Beweislastumkehr zu Lasten des herrschenden Unternehmens arbeiten sollte, hängt zum einen davon ab, wem die Rekonstruktion der Aktieninhaberschaft (d. h. die Risikobegrenzung) leichter fällt: dem herrschenden Un237

Auf diese Vorschriften hinweisend Koppensteiner, DStR 2006, 1603, 1604. S. nur Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 320a Rn. 4; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 320a Rn. 3. 239 Dies als Gegenargument anführend Ruoff, BB 2005, 2201, 2203. 240 Ebenso Habersack, AG 2005, 709, 711, der dies als Argument für den akzessorischen Charakter der Abfindungsannahmebefugnis anführt. 241 Im Ergebnis ebenso Habersack, AG 2005, 709, 711 f. 242 Ebenso Koppensteiner, DStR 2006, 1603, 1605; a. A. Habersack, AG 2005, 709, 712 f. 238

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ternehmen oder den Aktienerwerbern. Zum anderen kommt es darauf an, wem die Risiken aus der Beweisunsicherheit besser zugemutet werden können. Was zunächst die Möglichkeit zur Risikobegrenzung angeht, so bietet es sich an, zwischen zwei Risikoquellen zu unterscheiden. Beweisunsicherheiten treten zum einen auf, wenn das herrschende Unternehmen selbst oder andere nicht-außenstehende Aktionäre ihre Anteile verkaufen, zum anderen wenn die abhängige AG eine Kapitalerhöhung durchführt. Betrachtet man hier zunächst die Aktien, die durch eine Kapitalerhöhung geschaffen werden, so dürften diese durch eine besondere WKN gekennzeichnet werden können. Zwar begründet das Fehlen eines Abfindungsanspruchs keine besondere Aktiengattung i. S. d. § 11 AktG. Da die Aktien jedoch neu geschaffen werden, dürfte nichts gegen die Möglichkeit einer gesonderten WKN sprechen 243 – insbesondere ist keine nachträgliche Aufspaltung von Sammelaktienbeständen in Form von Globalurkunden notwendig244 . Eine entsprechende Pflicht zur Beantragung einer separaten WKN trifft die abhängige AG nach Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags als nachvertragliche Pflicht gem. § 241 II BGB245 . Aktien, die vom herrschenden Unternehmen oder einem mit ihm verbundenen nicht-außenstehenden Aktionär gehalten werden, können zwar nicht gesondert gekennzeichnet werden, da hierfür die nachträgliche Aufspaltung der sammelverwahrten Globalurkunde erforderlich wäre 246 . Doch ist insoweit zu beachten, dass es das herrschende Unternehmen in der Hand hält, die Aktien nicht in den Umlaufverkehr zu bringen und das Beweisproblem insoweit zu vermeiden. Zwar wird der Begriff der außenstehenden Aktionäre für die §§ 295 ff. AktG erst später erörtert, festhalten kann man aber schon hier, dass man dem herrschenden Unternehmen nur solche Aktionäre als nicht-außenstehende Aktionäre zurechnen kann, die auf bestimmte Weise dem Einfluss des herrschenden Unternehmens ausgesetzt sind oder solchen Einfluss ausüben können 247. Die Frage nach der Beweislastumkehr ist damit die Frage, ob es eher dem herrschenden Unternehmen und den mit ihm verbundenen nicht-außenstehenden Aktionären zuzumuten ist, ihre Aktien an der abhängigen AG zur Vermeidung von Beweisunsicherheiten zu halten, bis sämtliche außenstehenden Aktionäre – zumeist nach Durchführung eines Spruchverfahrens – befriedigt sind, oder ob andererseits die außenstehenden Aktionäre darauf verwiesen werden dürfen, ihre Aktien nicht zu veräußern, sondern entweder dem herrschenden Unternehmen anzudienen und gegebenenfalls später Abfindungsergänzung zu verlangen (§ 13 S. 2 243 Im Ergebnis Habersack, AG 2005, 709, 713; Stephan in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 305 Rn. 17 Fn. 21; inzident wohl auch LG München I AG 1998, 147, 149 (Paulaner/HackerPschorr); a. A. Lehmann, ZIP 2005, 1489, 1490. 244 Ebenso, allerdings auf der Grundlage, dass die jungen Aktien mangels Abfindungsoption eine gesonderte Aktiengattung darstellten, Bungert/Bednarz, BB 2006, 1865, 1867 f. 245 Ebenso Habersack, AG 2005, 709, 713; Hirte, FS Hadding, 2004, 427, 440 f. 246 Lehmann, ZIP 2005, 1489, 1492. 247 S. nur ausführlich u. S. 370 ff.

A) Rechtsnatur des Abfi ndungsanspruchs

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SpruchG) 248 oder bis zum Abschluss des Spruchverfahrens unter Bezug von Ausgleichszahlungen gem. § 304 AktG in der AG zu verbleiben 249. Ohne dass hierfür Art. 14 GG bemüht werden müsste250 , dürften die besseren Gründe dafür sprechen, das Risiko dem herrschenden Unternehmen und den nicht-außenstehenden Aktionären zuzurechnen und folglich eine Beweislastumkehr zu bejahen. Zum einen weist man dem herrschenden Unternehmen insoweit nur das Risiko aus einem Umstand zu, den es selbst geschaffen, kontrolliert und von dem es profitiert hat. Zum anderen dürften die wirtschaftlichen Folgen eines Verkaufs von Anteilen überschaubar sein: Wird die Beweislast wie vorgeschlagen verteilt, wird dies im Preis der Anteile reflektiert. Diese werden nach der Eintragung des Beherrschungsund Gewinnabführungsvertrags zumindest zu dem Wert gehandelt, der (a) als Abfindung in dem Unternehmensvertrag vorgesehen ist 251 und darüber hinaus die Erwartungen des Marktes über eine etwa höhere Abfindung nach Beendigung des Spruchverfahrens (»Abfindungsposten«) sowie (b) das Wachstumspotenzial der Aktie bei Verbleib des Aktionärs in der Gesellschaft (»Wachstumsposten«) reflektiert 252 . Würde die Beweislast nicht umgekehrt, würden Aktien hingegen unter den im Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vorgesehenen Mindestbetrag der Abfindung sinken (weil der Abfindungsanspruch gerade nicht mehr geltend gemacht werden kann) und nur den »Wachstumsposten« enthalten. Das herrschende Unternehmen steht daher bei einer Beweislastumkehr nicht schlechter als ohne Beweislastumkehr, sofern nur die Märkte die oben genannten Erwartungen zutreffend reflektiert 253 . Der einzige Unterschied besteht darin, dass es unter dem hier vorgestellten Konzept den »Abfindungsposten« zunächst erhält und später wieder zurückzahlen muss. Eine vergleichbare Kompensation ist für die veräußernden Aktionäre im Fall ohne Beweislastumkehr nicht erreichbar: Sie erhalten als Gegenleistung lediglich den »Wachstumsposten« der Aktie und könnten den Abfindungsanspruch – selbst wenn sie ihn nicht gem. §§ 133, 157 BGB abtreten würden – mangels Aktieninhaberschaft nicht mehr durchsetzen.

248 Auf den Abfindungsergänzungsanspruch als Schutzinstrument hinweisend BGHZ 167, 299, 309 (Jenoptik) (im Hinblick auf die Vereinbarkeit des Urteils mit Art. 14 GG); Bayer, ZIP 2005, 1053, 1059; Braun/Krämer, ZIP 2006, 1396, 1397. 249 Zu diesem »Einmauerungseffekt« Streit/Maier, EWiR 2006, 581, 582. 250 Ablehnend BGHZ 167, 299, 309 (Jenoptik); Ruoff, BB 2005, 2201, 2204; a. A. OLG Jena ZIP 2005, 525, 526 f. (Jenoptik); Streit/Maier, EWiR 2006, 581, 582. 251 Auch nach dem hier vertretenen Konzept eines gesetzlichen Anspruchs, denn ohne Spruchverfahren wird vermutet, dass es sich hierbei um die angemessene Höhe handelt [s. o. S. 147]. 252 Vgl. Puszkajler/Weber/Elsland, ZIP 2006, 692, 696. 253 Dies war die eigentliche Dramatik des »Jenoptik-Falls«, in dem der Börsenkurs der DEWB die Unsicherheit über die Durchsetzbarkeit des Abfindungsanspruch in Form eines satten Kursabschlags widerspiegelte (Puszkajler/Weber/Elsland, ZIP 2006, 692, 698) und das OLG Jena daher vielen Aktienerwerbern einen kaum verhofften und daher besonders illegitim erscheinenden Zufallsvorteil verschaffte, zumal man dem Management die bis dahin nicht gekannte, aber vom OLG Jena geforderte Beantragung einer gesonderten WKN kaum vorwerfen konnte (zu Recht kritisch etwa Braun/Krämer, ZIP 2006, 1396, 1397).

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5) Rechtsnatur des Ausgleichsanspruchs aus § 304 AktG Beim Ausgleichsanspruch aus § 304 AktG handelt es sich auch nach der hier vertretenen Meinung um einen vertraglichen Anspruch aufgrund eines echten Vertrags zugunsten Dritter (§ 328 BGB) 254 . Auf den Ausgleich nach § 304 AktG ist die oben genannte Argumentation nicht zu übertragen. Hierfür spricht zunächst § 304 III S. 1 AktG. Während der Abfindungsanspruch als typische Ausprägung eines Aufopferungsanspruchs außerdem ohne Weiteres in das Dogmengebäude klassischer gesetzlicher Ansprüche passt und daher im Wege der Rechtsanalogie zu einer Reihe von Vorschriften entwickelt werden könnte255 , lässt sich Gleiches von dem allein auf Entschädigung des Gewinnbezugsrechts ausgerichteten, als Rentenanspruch ausgestalteten Ausgleich nach § 304 AktG nicht behaupten. Schließlich kennt das Aktienrecht selbst – im Gegensatz zur Abfindung (§§ 320b, 327a AktG) – keine Legalbeispiele gesetzlicher Ausgleichsansprüche.

B) Dogmatische Einordnung des Abfindungsanspruchs in das Zivilrecht Die Erkenntnisse über die Rechtsnatur des Abfindungsanspruchs sind das Fundament des folgenden Abschnitts. Hier soll geprüft werden, ob und wie die aktienund umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche in einen das gesamte Zivilrecht erfassenden Zusammenhang eingeordnet werden können – nach dem mikroskopischen Blick auf die Rechtsnatur der Abfindungsansprüche jetzt also die »Vogelperspektive« auf das Gesamtsystem des deutschen Zivilrechts.

I) »Kaufpreis für Rechtsmacht«? Insbesondere beim Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag wird der Abfindungsanspruch der Aktionäre oftmals als »Kaufpreis für die Rechtsmacht« bezeichnet, die sich das herrschende Unternehmen durch diesen Vertrag verschaffe256 . Dies soll nicht nur bildhafte Umschreibung sein 257, sondern dient den Vertre254

Allgemeine Ansicht, grundlegend schon RGZ 147, 42, 46 f. S. im Übrigen OLG Düsseldorf AG 1998, 39, 40; LG München I AG 2001, 318, 319 (Bayerische Brau Holding); Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 304 Rn. 100; Bayer, ZGR 1993, 599, 602 f.; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 4. Aufl. 2005, § 304 Rn. 23; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 304 Rn. 7; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 304 Rn. 5; Hüchting, Abfindung und Ausgleich im aktienrechtlichen Beherrschungsvertrag, 1972, S. 11. 255 Vgl. noch unter dem AktG 1937 Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 351 ff. 256 OLG Karlsruhe ZIP 1997, 507, 509 (ASEA/BBC II); Hommelhoff, FS Claussen, 1997, 129, 137 et passim; für die Anteilsgewährung bei der Verschmelzung auch Hügel, Verschmelzung und Einbringung, 1993, S. 158. Auch BGHZ 167, 299, 306 (Jenoptik) spricht von einer »Gegenleistung«. 257 Nur als bildhafte Umschreibung wird der Begriff wohl gebraucht von Emmerich, JuS 1999, 401; Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1976, § 304 Rn. 36 (zu § 304 AktG); Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 495.

B) Dogmatische Einordnung des Abfi ndungsanspruch in das Zivilrecht

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tern dieser Ansicht zur Ableitung konkreter Ergebnisse. Fasst man den Abfindungsanspruch als »Kaufpreis« auf, liegt es etwa nahe, jeden Beitritt zum Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit neuen Abfindungsansprüchen der Aktionäre zu verbinden, sofern das beitretende Unternehmen hierdurch Rechtsmacht gewinnt 258 . Diese Sichtweise passt allerdings nicht zur gesetzlichen Rechtsnatur des Abfindungsanspruchs259. Der Abfindungsanspruch kompensiert Eingriffe in die Mitgliedschaft, er ist Entschädigung, keine Gegenleistung260 . Zur Einordnung als Gegenleistung passt darüber hinaus weder die intensive gerichtliche Angemessenheitskontrolle im Spruchverfahren, noch die Besonderheit, dass diejenigen, die den Leistungsaustausch vereinbaren (bei § 305 AktG abhängige AG und herrschendes Unternehmen), üblicherweise nicht auf derselben Augenhöhe stehen 261. Die Einordnung der Abfindung als »Preis der erlangten Rechtsmacht« soll daher nicht weiter verfolgt werden.

II) Abfindung als Kompensation eines eigentlich gebotenen Individualzustimmungsrechts Vor allem in der US-amerikanischen Jurisprudenz verbreitet ist eine Ansicht, die den Geltungsgrund des Abfindungsrechts (appraisal remedy) darin sieht, den Aktionär für ein eigentlich gebotenes Veto-Recht gegen den Eingriff in seine Mitgliedschaft zu kompensieren 262 . Auch in der deutschen Rechtswissenschaft wird der Zweck der Abfindungsvorschriften darin gesehen, ein »eigentlich« gebotenes, Gleiches dürfte für die Formulierung des BVerfG gelten, die Abfindung sei »eine Art von gesellschaftsrechtlichem Auseinandersetzungsanspruch« [BVerfGE 14, 263, 285 (Feldmühle); s. auch Wiedemann, Die Unternehmensgruppe im Privatrecht, 1988, S. 65]. 258 Vgl. OLG Karlsruhe ZIP 1997, 507, 508 f. (ASEA/BBC II); Hommelhoff, FS Claussen, 1997, 129, 138. Dazu noch u. S. 392. 259 Dazu soeben unter S. 115 ff. Ablehnend auch BGHZ 138, 136, 138 f. (ASEA/BBC II); Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 304 Rn. 9; Röhricht, ZHR 162 (1998), 249, 256. 260 BGHZ 138, 136, 138 f. (ASEA/BBC II). 261 S. dazu bereits o. S. 138 ff. Im vorliegenden Zusammenhang Röhricht, ZHR 162 (1998), 249, 256 f.; zust. Kort, ZGR 1999, 402, 408. 262 Grundlegend Levy, 15 Cornell L. Q. 420, 421 (1931); s. danach Chicago Corp. v. Munds, 20 Del.Ch. 142, 149, 172 A. 452, 455 (1934); Voeller v. Neilston Warehouse Co., 311 U.S 531, 535 n.6 (1941); Salt Dome Oil Corp. v. Schenck, 41 A.2d 583, 587 (Del. 1945); Hariton v. Arco Electronics, 182 A.2d 22 (Del.Ch.1962), aff’d 188 A A.2d 123 (Del.1963); Steinberg v. Amplica, Inc., 729 P.2d 683, 687 (Cal. 1986); Waters v. Double L, Inc., 755 P.2d 1294, 1297 (Idaho Ct. App. 1987), aff’d, 769 P.2d 582 (Idaho 1989); Salomon Bros., Inc. v. Interstate Bakeries Corp., 576 A.2d 650, 651–52 (Del. Ch. 1989); Breniman v. Agricultural Consultants, Inc., 829 P.2d 493, 495 (Colo. Ct. App. 1992); Folk, The Delaware General Corporation Law, 1972, S. 331; Carney, 1980 Am. B. Found. Res. J. 69, 77 ff.; Clark, Corporate Law, 1986, S. 443 f.; Ratway, 28 U. Tol. L. Rev. 179, 183 ff. (1996); Aronstam/Balotti/Rehbock, 58 Bus. Law. 519, 543 (2003). Kritisch Manning, 72 Yale L. J. 223, 244 ff. et passim (1962); Weiss, 56 N. Y. U. L. Rev. 624, 626 ff. (1981); Kanda/Levmore, 32 UCLA L.Rev. 429, 430, 434 (1985); Siegel, 32 Harv. J. on Legis. 79, 94 (1995): »(. . .) utilizing the appraisal remedy as a substitute for the veto power clearly seems anachronistic in the modern corporate legal environment«.

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aber in der AG nicht durchführbares Einstimmigkeitsprinzip263 bzw. Individualzustimmungsrecht264 zu ersetzen. In den Abfindungsfällen gewähre das Gesetz »exit« für den Ausschluss eines »voice«265 . Dass dieses Prinzip dem Abfindungsrecht zugrunde liegt, können einige Vorschriften aus dem AktG und UmwG belegen: So bedarf es nach § 194 I Nr. 6 UmwG gerade keines Abfindungsangebotes, wenn für den Umwandlungsbeschluss die Einstimmigkeit der abgegebenen Stimmen erforderlich ist oder wenn an dem formwechselnden Rechtsträger nur ein Gesellschafter beteiligt ist. Gleiches wird (zu Recht) für die Verschmelzung und Spaltung angenommen 266 . Kein Abfindungsangebot muss also unterbreitet werden, wenn wegen des Einstimmigkeitsprinzips jeder Aktionär den Umwandlungsbeschluss zu Fall bringen kann und daher ein Individualzustimmungsrecht besitzt. Braucht kein solches Individualzustimmungsrecht ausgeschlossen zu werden, wie in der zweiten Alternative des § 194 I Nr. 6 UmwG, gibt es auch keine Abfindungsansprüche. § 194 I Nr. 6 UmwG bestätigt somit den oben genannten Kompensationsgedanken. Gleiches gilt für § 29 I 2 UmwG. Diese Norm gewährt Aktionären ein Abfindungsrecht, wenn ihre Aktien im Zuge einer Verschmelzung Verfügungsbeschränkungen unterworfen werden. Legte man hier die allgemeine Regel des § 180 II AktG an, dürften diese Verfügungsbeschränkungen den Aktionären nur mit deren Zustimmung auferlegt werden. Um Verschmelzungen, insbesondere auf Aktiengesellschaften mit vinkulierten Namensaktien zu erleichtern, hat der Gesetzgeber in § 29 I 2 UmwG das nach § 180 II AktG eigentlich bestehende Zustimmungsrecht jedes Aktionärs ausgeschlossen. Als Kompensation erhalten die Anteilseigner einen Abfindungsanspruch 267.

263

Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 167 f.; Wiedemann, ZGR 1978, 477, 478; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 8 IV 3 a = S. 468 ff.; Kalss, wbl 2001, 366, 368; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 118 (für § 29 I 2 UmwG); auch schon Würdinger, DB 1958, 1447, 1452, der für den Gewinnabführungsvertrag überlegt, ob für dessen Abschluss nicht die Zustimmung aller Aktionäre erforderlich sein müsse. Auch im italienischen Recht ist dieser Ansatz verbreitet, dazu Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 371 m. w. N. 264 Bermel in Goutier/Knopf/Tulloch, UmwG, 1995, § 29 Rn. 10; Fleischer, ZGR 1997, 368, 390, 393 in Anknüpfung an Wiedemann, Die Unternehmensgruppe im Privatrecht, 1988, S. 60 ff.; vgl. auch schon Wiedemann, NJW 1964, 281, 285; ferner Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 377, 488; Sonnenschein in Mestmäcker/Behrens, Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, 1991, S. 49, 77. 265 Dazu grundlegend Hirschman, Exit, Voice and Loyality, 1970. Rezeption bei Kalss, Anlegerinteressen, 2001, 339 ff.; speziell aktienrechtliche Projektion bei Kunz, Der Minderheitenschutz im schweizerischen Aktienrecht, 2001, S. 279 ff. Vgl. auch vorher schon Wiedemann, Die Unternehmensgruppe im Privatrecht, 1988, S. 60 ff.; Fleischer, ZGR 1997, 368, 390. 266 Zur Spaltung Mayer in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht (Loseblatt), Stand: Mai 2008, § 126 UmwG Rn. 288. 267 Bermel in Goutier/Knopf/Tulloch, UmwG, 1995, § 29 Rn. 10; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 118, 166.

B) Dogmatische Einordnung des Abfi ndungsanspruch in das Zivilrecht

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Darüber hinaus wird § 305 AktG angeführt, um das oben genannte Kompensationsprinzip zu stützen 268 . Sieht man nämlich zumindest im Beherrschungsvertrag gleichzeitig eine Änderung des Gesellschaftszwecks269, und vertritt man gleichzeitig die Ansicht, dass zu dessen Änderung bei der AG nach dem Rechtsgedanken des § 33 I 2 BGB Einstimmigkeit erforderlich ist 270 , so macht § 305 AktG von diesem Grundsatz eine Ausnahme und gewährt im Gegenzug Abfindung. Schließlich spricht der verfassungsrechtliche Hintergrund des Abfi ndungsrechts für diese Ansicht 271. Die obigen Ausführungen haben ergeben, dass die Abfindungsansprüche auf dem verfassungsrechtlichen Entschädigungsgebot beruhen 272 . Schon gem. Art. 14 GG wäre der abfindungsauslösende Eingriff ohne die Abfindung also unzumutbar273 . Das allgemeine gesellschaftsrechtliche Mittel, um einer solchen Unzumutbarkeit zu begegnen, ist das Veto- bzw. Zustimmungsrecht, das jeder Gesellschafter dem Strukturwandel seiner Gesellschaft entgegensetzen kann. An seine Stelle tritt in den hier behandelten Fällen der Abfindungsanspruch.

III) Der Abfindungsanspruch als privatrechtlicher Aufopferungsanspruch Verfolgt man das Konzept des Abfindungsanspruchs als Ersatz eines eigentlich gebotenen Individualzustimmungsrechts weiter, und versucht man, die Abfindungsansprüche auf dieser Basis in einen größeren zivilrechtlichen Zusammenhang zu stellen, so drängt sich ein Vergleich mit einem Rechtsgebiet auf, das mit dem Abfindungsrecht bisher kaum in Verbindung gebracht wurde: dem privaten Aufopferungsrecht274 . Das deutsche Zivilrecht 275 enthält ein komplexes System von Aufopferungsansprüchen, das dogmatisch in hohem Grade durchdrungen ist. Als Paradigma sei 268 Zum folgenden Fleischer, ZGR 1997, 368, 393; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 166. 269 Dazu vorerst nur BGHZ 103, 1, 5 (Familienheim); BGHZ 105, 324, 332, 338 (Supermarkt); BGH ZIP 1992, 395, 397; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, Vor § 291 Rn. 156; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 162 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 3 I 3 a = S. 156 f.; Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 179 Rn. 46. 270 Was allerdings nicht die Ansicht des Verfassers ist, dazu S. 301. 271 Zu ihm o. S. 79 ff. 272 Dazu o. S. 96. 273 S. o. S. 95 ff. 274 Zuerst Klöhn, AG 2002, 443; Kritik hieran bei Korsten, Vermögensrechtliche Ansprüche der Minderheitsaktionäre beim Squeeze-out und bei der Übernahme, 2006, S. 65 f. Zu Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den Personenverbänden, 1963, S. 88 Fn. 27 s. noch sogleich im Haupttext. 275 Die privaten Aufopferungsansprüche unterscheiden sich in ihren Voraussetzungen von denen der öffentlich-rechtlichen Aufopferungsansprüche (hierzu zusf. etwa Schmitt-Kammler, JuS 1995, 473, 474) und dürfen daher nicht mit diesen verwechselt werden (die dogmatische Selbständigkeit des privatrechtlichen Aufopferungsrechts betonend H. Roth in Staudinger, BGB, 13. Aufl. 2002, § 906 Rn. 8). So sind die öffentlich-rechtlichen Aufopferungsansprüche insbesondere begrifflich auf die Verletzung nicht-vermögenswerter Rechtsgüter beschränkt (vgl. nur Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl. 2006, § 28 Rn. 12; diskutiert wird allerdings auch die

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zunächst nur § 904 S. 2 BGB betrachtet 276 . In den Aufopferungsfällen wird der Inhaber eines absoluten Rechts dazu verpflichtet, bestimmte Eingriffe in sein Recht aufgrund eines überwiegenden Interesses an diesem Eingriff zu dulden, die er eigentlich gem. § 1004 BGB abwehren könnte. Als Ausgleich erhält er eine Entschädigung in Geld. Dieses Konzept zur Lösung von Interessenkonflikten wird als Aufopferungsprinzip bezeichnet 277. Es geht zurück auf die §§ 74, 75 Einl. PreußALR 278 und wird schlagwortartig mit dem Satz »Dulde, aber liquidiere« zusammengefasst 279. Das Aufopferungsprinzip könnte nach dem oben Gesagten auch den aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüchen zugrunde liegen. Anstatt auf die Kompensation für ein eigentlich gebotenes Individualzustimmungsrecht abzustellen, kann man ebenso sagen, die Abfindung kompensiere ein eigentlich gebotenes Abwehrrecht gegen die abfindungsauslösende Maßnahme. Nichts anderes als ein Abwehrrecht bedeutet nämlich das Erfordernis, jeder Aktionär müsse der Strukturmaßnahme zustimmen. Auch entspräche das Verständnis der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche als Aufopferungsansprüche sehr gut dem verfassungsrechtlichen Konzept des Aktionärsschutzes. Das verfassungsrechtliche Entschädigungsgebot liegt nicht nur den Abfindungsansprüchen zugrunde280 , sondern auch zumindest einigen (anderen) Aufopferungsansprüchen 281. Einbeziehung materieller Rechtsgüter, z. B. des Vermögens, hierzu Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 131 m. w. N. in Fn. 30, S. 133). 276 Zu § 904 S. 2 BGB als »Paradigma der Aufopferungsansprüche« vgl. nur Konzen, Aufopferung im Zivilrecht, 1969, S. 107 ff.; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, 13. Aufl. 1994, § 85 I 1 a = S. 655; Seiler in Staudinger, BGB, 13. Aufl. 2002, § 904 Rn. 3. 277 BGHZ 16, 366, 369 f.; BGHZ 48, 98, 101 ff.; BGHZ 58, 149, 160; BGHZ 60, 119, 123; BGHZ 72, 289, 291 f.; BGHZ 90, 255, 263; BGHZ 111, 158, 162; BGHZ 120, 239, 251; BGHZ 123, 283, 284; BGH NJW 1995, 714; Baur/Stürner, Sachenrecht, 17. Aufl. 1999, § 25 Rn. 32; Canaris, NJW 1964, 1987 ff.; Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, 2. Aufl. 1996, Rn. 716; Deutsch, FS Steffen, 1995, 101, 102; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, 4. Aufl. 2002, Rn. 410; Esser/Eike Schmidt, Schuldrecht I/1, 8. Aufl. 1995, § 8 II 5 = S. 136; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 10. Aufl. 2006, Rn. 1711; Hemsen, Der allgemeine bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch, Jur. Diss. Hamburg 1961, S. 101 f.; Konzen, Aufopferung im Zivilrecht, 1969, S. 101, 135 ff.; Kreuzer, FS Lorenz, 1991, 123, 136; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts II, 12. Aufl. 1981, § 78 vor 1 = S. 736; Larenz, JuS 1965, 373, 376; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, 13. Aufl. 1994, § 85 V 1 a = S. 669; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 9. Aufl. 2004, § 19 Rn. 37, H. Roth in Roth/Lemke/Krohn, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch als Problem der Systemgerechtigkeit im Schadensersatzrecht, 2001, S. 1 ff.; Säcker in MünchKommBGB, 4. Aufl. 2004, § 904 Rn. 1, 24; Spindler in Feldhaus, BImSchG, Stand: März 1999, § 14 Rn. 1; Westermann/H. P. Westermann, Sachenrecht, 7. Aufl. 1998, § 28 II 2 b = S. 164; Wilhelm, Sachenrecht, 3. Aufl. 2007, Rn. 754; auch Seiler in Staudinger, BGB, 13. Aufl. 2002, § 904 Rn. 1 ff., der aber unter Berufung auf L. Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, 1980, S. 302 ff., 310 ff. leugnet, dass aus diesem Prinzip Folgerungen für die Anwendung aller Aufopferungsansprüche gewonnen werden könnten [dazu noch u. S. 200 ff.]. 278 Vgl. für das Zivilrecht etwa RGZ 58, 130, 134 f.; BGHZ 16, 366, 370. 279 Etwa Seiler in Staudinger, BGB, 13. Aufl. 2002, § 904 Rn. 3 (»dulde und liquidiere«). 280 S. o. S. 95 ff. 281 Bryde in von Münch/Kunig, GG, 5. Aufl. 2000, Art. 14 Rn. 65; Wendt in Sachs, GG,

B) Dogmatische Einordnung des Abfi ndungsanspruch in das Zivilrecht

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Angesichts dieser Ähnlichkeiten verwundert es nicht, dass das Aufopferungsrecht schon teilweise im Zusammenhang mit Abfindungsansprüchen erwähnt worden ist. Bereits Zöllner fragte in seiner Habilitationsschrift, ob der Anspruch nach §§ 197 II, 101 III AktG 1937 als Aufopferungsanspruch einzuordnen sei 282 , lehnte dies aber ab, weil »das Verbandsrecht hierfür keine hinreichende Grundlage« enthalte283 . Auch der für das Aufopferungsrecht charakteristische Satz des »Dulde, aber liquidiere« 284 und andere typisch aufopferungsrechtliche Terminologie werden nicht selten im Zusammenhang mit Abfindungsansprüchen erwähnt285 , und zwar nicht nur in Deutschland 286 . Die dogmatische Einordnung des Abfindungsanspruchs als Aufopferungsanspruch hätte handfeste praktische Bedeutung. So ist bereits jetzt vermuten, dass das Aufopferungsprinzip Ausgangspunkt dafür sein könnte, ein umfassendes Konzept 4. Aufl. 2007, Art. 14 Rn. 84. L. Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, 1980, S. 300 (zusf.) will im Aufopferungsrecht zwischen Tatbeständen der »Eigentumsopferentschädigung« und der »Ausgleichshaftung« unterscheiden und nur die Fälle der »Eigentumsopferentschädigung« unter das verfassungsrechtliche Entschädigungsgebot fassen. Zu dieser Terminologie noch u. S. 158 ff. 282 Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den Personenverbänden, 1963, S. 88 Fn. 27; vgl. vorher schon Pleyer, AG 1959, 39, 40. Eine solche Einordnung für die §§ 9, 15 UmwG 1956 bejahend H. Schulte, Privatrechtliche Aufopferung und Enteignung, Jur. Diss. Münster 1961, S. 79 ff., 136. 283 Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den Personenverbänden, 1963, S. 88 Fn. 27. 284 Etwa Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 352; ähnlich Frhr. v. Falkenhausen, AG 1961, 122, 123. 285 Vgl. schon H. Meilicke, JW 1938, 3018 (»Recht auf ›Enteignung‹«); ebenso Fechner in Fechner/Schneider, Verfassungswidrigkeit und Rechtsmissbrauch im Aktienrecht, 1960, S. 3, 64; ferner etwa OLG Celle AG 1999, 128, 129 (Wolters/Gilde): »Enteignung«; Bezzenberger/Bezzenberger, FS Welf Müller, 2001, 1, 18 (»erduldeter Eingriff«); Frhr. v. Falkenhausen, AG 1961, 122, 123 (»Prinzip der Enteignung gegen Entschädigung«); Martens, FS Boujong, 1996, 335, 346 (»enteignete Minderheitsaktionäre«); Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 352: »Der Aktionär muss dulden, aber er kann liquidieren«; Röhricht, ZHR 162 (1998), 249, 257 (»Eingriff von privater hoher Hand in grundgesetzlich geschützte Eigentums-Rechte der Mitgesellschafter«), dem folgend BayObLGZ 1998, 231, 235 (März/EKU), Ammon, FGPrax 1998, 121, 123; ferner Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 196 (»Schutzmechanismus gegen bestimmte Enteignungsrisiken«); K. Schmidt, NZG 2003, 601, 603 (»Dulde und liquidiere«); Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 8 IV 3 a = S. 469 (»Privatenteignung«); Wiedemann, ZGR 1999, 857, 867 (»Enteignungen«). Zur Parallelität zwischen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag und Enteignung im Übrigen W. Meilicke, Die Barabfindung für den ausgeschlossenen oder ausscheidungsberechtigten Minderheits-Kapitalgesellschafter, 1975, S. 51 ff. et passim; W. Meilicke, AG 1995, 181, 183 ff.; Kort, ZGR 1999, 402, 410. Gegen einen solchen Vergleich Kropff, DB 1962, 155. 286 Aus dem US-amerikanischen Rechtsraum etwa Posner, Economic Analysis of Law, 5th Ed. 1998, S. 457: » (. . .) the majority has a power of eminent domain with respect to the minority’s shares«; ähnlich Bell/Parchomovsky, 101 Mich. L. Rev. 1, 6 (2002): »pliability rules« [in Anlehnung an den fundamentalen Aufsatz Calabresi/Melamed, 85 Harv. L. Rev. 1089 (1972)]. vgl. auch die Auseinandersetzung in Kaye v. Pantone, Inc. 395 A.2d 369, 374 (Del.Ch. 1978). Für Kanada McGuinness, The Law and Practice of Canadian Business Corporations, 1999, S. 1156: »person, seeking to expropriate the shares of the dissident shareholders«. Für Australien: Ford/Austin/ Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, 10th Ed. 2001, S. 1139 (»expropriation«).

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zur Beantwortung der Frage nach ungeschriebenen Abfindungsansprüchen zu entwickeln. Dabei bietet sich das Aufopferungsrecht besonders an, weil hier eine intensive Diskussion darüber geführt wird, inwieweit man die gesetzlichen Aufopferungsvorschriften in ungeregelten Fällen »von einer Musterlösung zum Lösungsmuster« fortentwickeln kann 287. Diese Diskussion gipfelte in der These Hubmanns, dass es einen »allgemeinen ungeschriebenen bürgerlich-rechtlichen Aufopferungsanspruch« gebe288 . Unabhängig davon wird das Aufopferungsprinzip als »elementares Gerechtigkeitsgebot« qualifiziert 289, das die Rechtsfortbildung des Abfindungsrechts erleichtern könnte. Darüber hinaus könnte das Aufopferungsprinzip Wegweiser sein, um den Interessenkonflikt zu verstehen, der den Abfindungsfällen zugrunde liegt, und hieraus weitere Schlüsse zu ziehen, insbesondere für die Rechtmäßigkeitskontrolle abfindungsauslösender Beschlüsse. Im Folgenden soll daher untersucht werden, ob die aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche als Aufopferungsansprüche aufgefasst werden können. Problematisch daran ist allerdings, dass über die einzelnen Merkmale der Abfindungsansprüche keine Einigkeit herrscht. Zuerst sind daher alle Normen zusammenzustellen, die überhaupt als Aufopferungsnormen in Betracht kommen [s. sogleich unter 1)]. Sodann sollen auf dieser Grundlage die Merkmale dargestellt werden, die als aufopferungsspezifisch angesehen werden, wenngleich diese teilweise umstritten sein mögen [s. unter 2)]. Darauf aufbauend ist zu prüfen, ob die aktienund umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche diese Merkmale erfüllen [s. unter 3)]. Abschließend ist zu fragen, welchen Nutzen die Einordnung des Abfi ndungsanspruchs als Aufopferungsanspruch erwarten lässt, insbesondere inwieweit es gerechtfertigt ist, hieraus konkrete Ergebnisse abzuleiten [dazu u. IV) u. V)]. 1) Die Gruppe aufopferungsrechtlicher Normen Das Aufopferungsrecht vorzustellen, heißt zunächst, das terminologische Wirrwarr aufzulösen, das um diesen Begriff herrscht: Teilweise wird der Begriff des »Aufopferungsanspruchs« angegriffen und die Bezeichnung »Ausgleichsanspruch«290 oder »Entschädigungsanspruch«291 vorgezogen, teilweise wird von der »Haftung für erlaubte Eingriffe«292 gesprochen, teilweise von »Eingriffshaf287 Für die Ausdehnung des § 906 II 2 BGB auf Fälle des »faktischen Duldungszwanges« etwa H. Hagen, FS Hermann Lange, 1992, 483, dessen Aufsatztitel das Zitat entnommen ist. 288 Dazu noch u. S. 287. 289 Dazu Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, 13. Aufl. 1994, § 85 II 4 a = S. 661. 290 So BGHZ 48, 99, 100 f.; BGHZ 72, 289, 291; J. F. Baur in Soergel, BGB, 12. Aufl. 1990, § 906 Rn. 8; H. Hagen, FS Hermann Lange, 1992, 483, 490; Joost in MünchKommBGB, 4. Aufl. 2004, § 867 Rn. 9; ähnlich Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts II, 12. Aufl. 1981, § 78 vor 1 = S. 736 (»Ausgleichshaftung«). 291 So Augustin in RGRK BGB, 12. Aufl. 1979, § 912 Rn. 24; Schlechtriem, Schuldrecht Besonderer Teil, 6. Aufl. 2003, Rn. 1023. 292 So die Überschrift bei Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts II, 12. Aufl. 1981, § 78 = S. 735; ähnlich Kreuzer, FS Lorenz, 1991, 123, 134 ff. (»Ausgleichshaftung für erlaubte Eingriffe«).

B) Dogmatische Einordnung des Abfi ndungsanspruch in das Zivilrecht

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tung«293 . Eine ohne Gefolgschaft gebliebene Auffassung Lerke Osterlohs unterscheidet zwischen »Eigentumsopferungsansprüchen« und »Ausgleichshaftung«294 . Die überwiegende Ansicht verwendet jedoch den Begriff des Aufopferungsanspruchs295 . Den Kernbestand des privatrechtlichen Aufopferungsrechts bilden die §§ 904 S. 2, 917 II, 867 S. 2, 962 S. 3, 1005 BGB; § 14 S. 2 BImSchG296 (i. V. m. §§ 7 VI AtomG297, 11 LuftVG298 ); § 25 III LuftVG299, § 29 BJagdG300 . Bei ihnen dürfte allgemein anerkannt sein, dass sie dem Aufopferungsprinzip folgen. Auch § 8 III WHG i. V. m. § 20 WHG301 sowie die §§ 700, 711 f. HGB (große Haverei) 302 dürften zum gesicherten Bestand der Aufopferungsvorschriften gehören. Das Aufopferungsprinzip liegt ferner den Zwangslizenzen des Immaterialgüterrechts zugrunde (vgl. etwa die §§ 24 PatG, 20 GebrMG). Gleiches gilt für die insbesondere aus dem Urheberrecht bekannten Vergütungsansprüche (etwa §§ 20b II, 27 293 So Esser/Eike Schmidt, Schuldrecht I/1, 8. Aufl. 1995, § 8 II 5 = S. 136; Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, 8. Aufl. 2000, § 54 III = S. 148. 294 L. Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, 1980, S. 300, 311; gegen diese Unterscheidung etwa Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, 13. Aufl. 1994, § 85 V 1 a = S. 669 Fn. 52. 295 So BGHZ 16, 366, 369; BGHZ 58, 149, 160; Baur/Stürner, Sachenrecht, 17. Aufl. 1999, § 25 Rn. 32; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 10. Aufl. 2006, Rn. 1711; Jauernig, JZ 1986, 605, 611; Kleindienst, NJW 1968, 1953, 1954 Fn. 11; Medicus, Schuldrecht Besonderer Teil, 14. Aufl. 2006, Rn. 897; Spindler in Feldhaus, BImSchG, Stand: März 1999, § 14 Rn. 111; H. Schulte, Privatrechtliche Aufopferung und Enteignung, Jur. Diss. Münster 1961, S. 136; Westermann/H. P. Westermann, Sachenrecht, 7. Aufl. 1998, § 28 II 2 b = S. 164; skeptisch F. Schack, JuS 1963, 263, 266. 296 Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, 2. Aufl. 1996, Rn. 721; Deutsch, FS Steffen, 1995, 101, 104; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts II, 12. Aufl. 1981, § 78, 6 = S. 737 f.; Medicus, Schuldrecht Besonderer Teil, 14. Aufl. 2006, Rn. 898; Roßnagel in Koch/Scheuing, BImSchG, Stand: September 2000, § 14 Rn. 2; H. Roth in Roth/Lemke/Krohn, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch als Problem der Systemgerechtigkeit im Schadensersatzrecht, 2001, S. 1, 2; Seiler in Staudinger, BGB, 13. Aufl. 2002, § 904 Rn. 4; Spindler in Feldhaus, BImSchG, Stand: März 1999, § 14 Rn. 1, 12, 111; a. A. Schapp, Das Verhältnis von privatem und öffentlichem Nachbarrecht, 1978, S. 60 ff.; wohl auch E. Rehbinder in Landmann/Rohmer, UmweltR, Stand: April 2005, § 14 BImSchG Rn. 35; H. P. Westermann, Sachenrecht, 11. Aufl. 2005, Rn. 91. Vorläufer war der mittlerweile gestrichene § 26 GewO, der auch dem Aufopferungsprinzip verpflichtet war; dazu Larenz, JuS 1965, 373, 376; H. Roth a.a.O., S. 1, 32. 297 Kreuzer, FS Lorenz, 1991, 123, 135. 298 Kreuzer, FS Lorenz, 1991, 123, 135. 299 Hemsen, Der allgemeine bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch, Jur. Diss. Hamburg 1962, S. 106; H. Roth in Roth/Lemke/Krohn, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch als Problem der Systemgerechtigkeit im Schadensersatzrecht, 2001, S. 1, 2; Seiler in Staudinger, BGB, 13. Aufl. 2002, § 904 Rn. 4. 300 Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, 2. Aufl. 1996, Rn. 719; Deutsch, FS Steffen, 1995, 101, 104; Kreuzer, FS Lorenz, 1991, 123, 136; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts II, 12. Aufl. 1981, § 78 vor 1 = S. 736; Medicus, Schuldrecht Besonderer Teil, 14. Aufl. 2006, Rn. 899; H. Roth in Roth/Lemke/Krohn, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch als Problem der Systemgerechtigkeit im Schadensersatzrecht, 2001, S. 1, 2. Vorläufer war der fortgefallene § 835 BGB – ebenfalls eine Aufopferungsnorm (vgl. nur Deutsch a.a.O., Rn. 719). 301 Kreuzer, FS Lorenz, 1991, 123, 135. 302 Konzen, Aufopferung im Zivilrecht, 1969, 120; Kreuzer, FS Lorenz, 1991, 123, 135 f.

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I, II 1, 46 IV, 49 I 2, 52 I 2, II 2, 52a IV 1, 52b S. 2, 53a II 1, 54, 54a UrhG) 303 . Durch sie wird der Rechtsinhaber eines Immaterialgüterrechts dazu verpflichtet, die Nutzung seines Rechtsgutes gegen Entgelt (= Entschädigung) zu dulden 304 . Dies geschieht aus einem überwiegenden Allgemeininteresse, etwa zur Versorgung der Allgemeinheit mit Information, zur Bewahrung der kulturellen Vielfalt oder um ökonomische Nachteile der Monopolbildung zu unterbinden 305 . Die Zwangslizenzen des Immaterialgüterrechts bilden schließlich einen paradigmatischen Anwendungsfall für den Kontrahierungszwang, der alle Aufopferungsansprüche charakterisiert 306 . Gleiches gilt für den Entgeltanspruch aus § 19 IV Nr. 4 GWB, der den Inhaber einer sog. wesentlichen Einrichtung (essential facility) gegen ein angemessenes Entgelt dazu verpflichtet, Wettbewerbern diese wesentliche Einrichtung zur Verfügung zu stellen und dabei regelmäßig Eingriffe in absolute Rechte zu erdulden. Die §§ 302 IV, 600 II, 717 II, 945 ZPO werden ebenfalls als Aufopferungsansprüche eingeordnet, weil sie dem Vollstreckungsschuldner Schadensersatz dafür gewähren, dass er die Zwangsvollstreckung ohne materiell-rechtliche Befugnis des Vollstreckungsgläubigers erdulden muss307. Andererseits werden diese Ansprüche als »Deliktsansprüche im weitesten Sinn«308 oder als »Risiko«-, »Veranlasser«oder Gefährdungshaftung bezeichnet 309. Umstritten ist die Einordnung des sog. nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs gem. § 906 II 2 BGB. Dieser wird in der Literatur überwiegend als Aufopferungsanspruch angesehen 310 , teilweise vom Aufopferungsanspruch abgegrenzt 311. Die 303 Für die §§ 22, 22a LUG H. Schulte, Privatrechtliche Aufopferung und Enteignung, Jur. Diss. Münster 1961, S. 74, 136; dagegen Konzen, Aufopferung im Zivilrecht, 1969, S. 106 f. [keine Verpflichtung zum Schadensausgleich, vgl. dazu aber u. S. 168 ff.]. 304 Anspielung auf die aufopferungsrechtliche Terminologie auch bei Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 4. Aufl. 2005, Rn. 430. 305 Dazu etwa Melichar in Schricker, UrhR, 3. Aufl. 2006, § 46 UrhG Rn. 1; zur »kartellrechtlichen« Seite Bullinger in Wandtke/Bullinger, UrhR, § 61 UrhG Rn. 1. 306 Für die Zwangslizenzen Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 4. Aufl. 2007, Rn. 435. 307 Esser/Eike Schmidt, Schuldrecht I/1, 8. Aufl. 1995, § 8 II 5 = S. 137; H. Roth in Roth/Lemke/Krohn, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch als Problem der Systemgerechtigkeit im Schadensersatzrecht, 2001, S. 1, 2; vgl. auch Larenz, JuS 1965, 373, 376, der allerdings auch Überschneidungen zum Prinzip der Gefährdungshaftung sieht. 308 BGHZ 78, 127, 129 (§ 945 ZPO). 309 Dazu Münzberg in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2002, § 717 Rn. 9 m. w. N. in Fn. 29. 310 Baur/Stürner, Sachenrecht, 17. Aufl. 1999, § 25 Rn. 29; Deneke, Das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis, 1987, S. 169; Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, 2. Aufl. 1996, Rn. 719; Deutsch, FS Steffen, 1995, 101, 112; Esser/Eike Schmidt, Schuldrecht I/1, 8. Aufl. 1995, § 8 II 5 = S. 136; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 10. Aufl. 2006, Rn. 1711; G. Hager, NJW 1986, 1961, 1964; Hemsen, Der allgemeine bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch, Jur. Diss. Hamburg 1962, S. 110; Konzen, Aufopferung im Zivilrecht, 1969, S. 145 ff.; Kreuzer, FS für Lorenz, 1991, 123, 134 f.; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, 13. Aufl. 1994, § 85 II = S. 656; H. Roth in Staudinger, BGB, 13. Aufl. 2002, § 906 Rn. 65; Wilhelm, Sachenrecht, 3. Aufl. 2007, Rn. 781; wohl auch Medicus, Schuldrecht Besonderer Teil, 14. Aufl. 2006, Rn. 898; der Sache nach Kleindienst, Der privatrechtliche Immissionsschutz nach § 906 BGB, 1964, S. 44; wohl auch Süss, Die verschuldensunabhängige Haftung analog § 906 II 2 BGB, 1998, S. 113 ff., 133. 311 H. Hagen, FS Hermann Lange, 1992, 483, 496; H. P. Westermann, Sachenrecht, 11. Aufl.

B) Dogmatische Einordnung des Abfi ndungsanspruch in das Zivilrecht

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Rechtsprechung verortet seinen Ursprung seit der Entscheidung BGHZ 30, 273 im sog. »nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis«312 , aber nicht im Aufopferungsprinzip313 . Gleiches gilt für den im Wege der Rechtsfortbildung geschaffenen Ausgleichsanspruch, der bei rechtswidrigen, aber faktisch nicht abwehrbaren Beeinträchtigungen von Grundstücken gewährt wird: Die herrschende Literaturansicht versteht ihn als Aufopferungsanspruch 314 und bezeichnet ihn demgemäß zum Teil nicht als »nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch«, sondern als »bürgerlichrechtlichen Aufopferungsanspruch«315 , teilweise als »bürgerlich-rechtlichen Aufopferungsanspruch im engen Sinne«316 . Der BGH leitet diesen Anspruch in schwankender Rechtsprechung zumeist aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis ab317. Zweifelhaft ist schließlich die Einordnung des § 912 II BGB, wenngleich die ganz herrschende Auffassung diese Norm dem Aufopferungsrecht zuordnet 318 .

2005, Rn. 91; offen Fritzsche in Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl. 2008, § 906 Rn. 74: »Ausgleichsbzw. Aufopferungsanspruch«. 312 Grundlegend BGHZ 30, 273, 276, 280; danach etwa BGHZ 38, 61, 64; BGHZ 41, 157, 165; BGHZ 113, 384, 392; zust. H. Hagen, FS Herman Lange, 1992, 483, 494; Lemke in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 3. Aufl. 2008, § 906 Rn. 33; für die Einordnung »zumindest auch als Aufopferungsanspruch« H. Roth in Roth/Lemke/Krohn, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch als Problem der Systemgerechtigkeit im Schadensersatzrecht, 2001, S. 1, 32 f., 38. Diese Unterscheidung im Hinblick auf das Zurechnungsprinzip der Vorschrift für unerheblich haltend Bälz, FG Kübler 1997, 355, 372. Zu den historischen Implikationen dieses Streites Konzen, Aufopferung im Zivilrecht, 1969, S. 53 ff., 58; Schlechtriem, FS Gernhuber, 1993, 407, 407 ff. 313 BGHZ 62, 361, 370 f. So auch J. F. Baur in Soergel, BGB, 12. Aufl. 1989, § 906 Rn. 8 (Billigkeitsanspruch ohne Kompensationsfunktion). 314 Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 10. Aufl. 2006, Rn. 1711; Kreuzer, FS Lorenz, 1991, 123, 135; H. Roth in Roth/Lemke/Krohn, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch als Problem der Systemgerechtigkeit im Schadensersatzrecht, 2001, S. 1, 16; H. Roth in Staudinger, BGB, 13. Aufl. 2002, § 906 Rn. 66; Schwab/Prütting, Sachenrecht, 33. Aufl. 2008, Rn. 339; Wilhelm, Sachenrecht, 3. Aufl. 2007, Rn. 781 ff. 315 Hubmann, JZ 1968, 66; H. Roth in Staudinger, BGB, 13. Aufl. 2002, § 906 Rn. 66. 316 H. Roth in Roth/Lemke/Krohn, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch als Problem der Systemgerechtigkeit im Schadensersatzrecht, 2001, S. 1, 16. 317 BGHZ 90, 255, 262 (Kontaminierung durch Unkrautvernichtungsmittel); BGHZ 111, 158, 162 (Schießanlage); BGH WM 1985, 1041 (Wasserrohrbruch). Für Aufopferungsanspruch BGHZ 16, 366, 369 f.; BGH NJW 1990, 3195, 3196. 318 Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, 2. Aufl. 1996, Rn. 719; Esser/Eike Schmidt, Schuldrecht I/1, 8. Aufl. 1995, § 8 II 5 = S. 137; Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, 8. Aufl. 2000, § 54 III = S. 148; Hemsen, Der allgemeine bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch, Jur. Diss. Hamburg 1962, S. 107 f.; Konzen, Aufopferung im Zivilrecht, 1969, S. 134 f.; Kreuzer, FS Lorenz, 1991, 123, 134; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts II, 12. Aufl. 1981, § 78, 4 = S. 738; H. Roth in Roth/ Lemke/Krohn, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch als Problem der Systemgerechtigkeit im Schadensersatzrecht, 2001, S. 1, 3; H. Roth in Staudinger, BGB, 13. Aufl. 2002, § 912 Rn. 1; Schlechtriem, Schuldrecht Besonderer Teil, 6. Aufl. 2003, Rn. 936; Seiler in Staudinger, BGB, 13. Aufl. 2002, § 904 Rn. 4.

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2) Gemeinsame Merkmale der Aufopferungsansprüche Die oben genannten, als Aufopferungsansprüche zumindest in Betracht kommenden Normen enthalten zahlreiche gemeinsame Voraussetzungen. a) Interessenkonfl ikt Zunächst entspricht es der wohl allgemeinen Ansicht – obwohl dies nicht immer ausdrücklich erwähnt wird –, dass aufopferungsrechtliche Normen einen Interessenkonfl ikt lösen 319. Dies ist auf den ersten Blick kaum mehr als eine Selbstverständlichkeit, denn ohne Interessenkonflikt gäbe es keine Aufopferung im oben beschriebenen Sinne. Das Merkmal des Interessenkonfliktes hier zu betonen, ist dennoch wichtig, weil es gerade im Konzernrecht vorkommen kann, dass Abfindungspflichtige und Abfindungsberechtigte in keinem Interessenkonflikt stehen, weil sie zu einer Unternehmensgruppe gehören 320 . b) Usurpation Charakteristisch für jeden Aufopferungsanspruch ist zweitens, dass der Entschädigungspflichtige ein Recht oder Rechtsgut des Aufopfernden usurpiert, d. h. den Inhaber zumindest zeitweise aus seiner Position verdrängt und sich ebendiese Position anmaßt – mit anderen Worten: den Ausschließlichkeits- und Zuweisungsgehalt des jeweiligen Rechts für seinen Inhaber zumindest zeitweise aufhebt. Charakteristisch für jeden Aufopferungsfall ist daher ein Zuwachs von Rechten oder günstigen Rechtspositionen auf der Seite des Eingreifenden und eine Reduktion solcher Rechte oder Rechtspositionen auf Seiten des Aufopfernden. Diese Usurpation kann verschiedene Formen annehmen: Im Hinblick auf die Ontologie der Rechtsveränderung gibt es einerseits Fälle, in denen der Rechtsgewinn des Eingreifenden dem Verlust des Aufopfernden entspricht. Hier kommt es zu einer Rechtsverschiebung. Darf beispielsweise der A den Besen des B ergreifen, um hiermit den Nachbarshund H abzuwehren, dann maßt sich A exakt den Ausschnitt an Eigentumsrechten i. S. d. § 903 BGB an, den B für die Zeit der Abwehr verliert. Daneben gibt es Fälle, in denen es nicht in diesem strengen Sinne zu einer Rechtsverschiebung kommt, sondern sich Rechtsgewinn und -verlust nur in einem wirtschaftlichen Sinne entsprechen. Emittiert A beispielsweise auf das Grundstück des B, und ist B zur Duldung dieser Immissionen gem. § 906 II 1 BGB verpflichtet, dann nutzt A das Grundstück des B nicht in demselben Sinne, in dem er im oben genannten Beispiel den Besen des B nutzt. Entscheidend ist vielmehr, dass A aufgrund der Duldungspflicht des B von seinem 319

Konzen, Aufopferung im Zivilrecht, 1969, S. 103, 108, 116, 121 f., 122, 130, 135, 143, 150 f.; H. Roth in Roth/Lemke/Krohn, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch als Problem der Systemgerechtigkeit im Schadensersatzrecht, 2001, S. 1, 39; L. Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, 1980, S. 304. 320 Dazu noch u. S. 370 zum Begriff der außenstehenden Aktionäre.

B) Dogmatische Einordnung des Abfi ndungsanspruch in das Zivilrecht

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Grundstückseigentum einen weniger beschränkten Gebrauch 321 machen darf als üblich und dieser Freiheitsgewinn des A von einer komplementären Duldungspflicht des B begleitet wird. In zeitlicher Dimension kann die Usurpation vorübergehend andauern (A gibt dem B den Besen nach erfolgreicher Abwehr des Hundes zurück), sie kann aber auch dauerhaft sein (etwa bei den Zwangslizenzen des Urheberrechts oder im Falle des § 906 II 1 BGB). c) Aufopferungsprinzip Aufopferungsansprüche lösen Interessenkonflikte nach dem Aufopferungsprinzip: Zwar könnte das Opfer den Eingriff grundsätzlich abwehren (»eigentlich« bestehender Abwehranspruch) 322 . Dies wird ihm jedoch ausnahmsweise wegen einer »besonderen Duldungspflicht« versagt. Dafür enthält das Opfer einen Entschädigungsanspruch. Die Duldungspflicht macht den Eingriff rechtmäßig323 und gibt dem Entschädigungspflichtigen ein Recht zum Eingriff324 . Das Interesse des Eingreifenden wird privilegiert, weil es zugleich einem höherrangigen Allgemeininteresse dient 325 , etwa an der optimalen Güternutzung im Falle des § 906 II 2 BGB326 oder der möglichst weitgehenden Werterhaltung bei § 904 S. 2 BGB327. Bei § 14 S. 2 321

Zur Außen- und Immanenztheorie noch u. S. 167. S. die Nachweise S. 158 in Fn. 277. Gegen den »eigentlich« gebotenen Abwehranspruch allerdings Hubmann, JZ 1958, 489, 491 f.; Hubmann, JZ 1968, 66. 323 Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, 2. Aufl. 1996, Rn. 722; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts II, 12. Aufl. 1981, § 78 vor 1 = S. 736; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 9. Aufl. 2004, § 19 Rn. 37; Westermann/H. P. Westermann, Sachenrecht, 7. Aufl. 1998, § 28 II 2 b = S. 164. Ursprünglich ging die Rechtsprechung von einem notwendigerweise rechtswidrigen Eingriff aus, vgl. etwa RGZ 63, 374, 376; RGZ 78, 202, 206; RGZ 84, 298, 303; RGZ 166, 218, 239; hierzu zusf. Hemsen, Der allgemeine bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch, Jur. Diss. Hamburg 1962, S. 27. Hier hat jedoch schon Konzen, Aufopferung im Zivilrecht, 1969, S. 41 f. gezeigt, dass die Rechtsprechung von einem »relativen Rechtswidrigkeitsbegriff« ausging: Rechtswidrig im Sinne der RG-Rechtsprechung bedeutete nur eine nicht durch § 906 BGB (wohl aber aus anderen Gründen) gerechtfertigte Immission. Zur Problematik des einheitlichen oder relativen Rechtswidrigkeitsbegriffs schon Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, 1935, S. 56 ff. 324 Konzen, Aufopferung im Zivilrecht, 1969, S. 101, 105, 130 f., 132, 139, 143 f.; Westermann/ H. P. Westermann, Sachenrecht, 7. Aufl. 1998, § 28 II 2 b = S. 164 (»der zum Eingriff Befugte«); Kleindienst, Der privatrechtliche Immissionsschutz nach § 906 BGB, 1964, S. 19 (»Machtzuteilungsnorm«), zust. A. Schmidt, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, 2000, S. 22; wohl auch Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts II, 12. Aufl. 1981, § 78 vor 1 = S. 736 (»rechtmäßig, weil erlaubt«). 325 Vgl. nur Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, 2. Aufl. 1996, Rn. 717; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 10. Aufl. 2006, Rn. 1711; Hubmann, JZ 1958, 489, 491; Konzen, Aufopferung im Zivilrecht, 1969, S. 151; Wilhelm, Sachenrecht, 3. Aufl. 2007, Rn. 71. 326 Die Formulierungen dieses Gedankens schwanken; s. hierzu Klöhn, AcP 208 (2008), 777, 783 m. w. N. 327 Insoweit Heck, Grundriß des Sachenrechts, 1930, § 49, 10 = S. 213; Hubmann, JZ 1958, 489, 491; Spyridakis, FG Sontis, 1977, 241, 242. Zur Rekonstrution des Notstands als »effizientes Delikt« Köndgen, FS U. Huber, 2006, 377, 379 ff. 322

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BImSchG kommt der Gedanke des Investitionsschutzes hinzu (vgl. § 14 Satz 2 BImSchG: »wirtschaftlich nicht vertretbar«) 328 . Dass dem Eigentümer in den Abfindungsfällen »eigentlich« ein Abwehrrecht zustünde, wird allerdings bezweifelt. Teilweise findet sich die Gegenansicht, die Duldungspflicht gehöre gewissermaßen »von Anfang an« zum Eigentumsinhalt, so dass von einer »besonderen Duldungspflicht« keine Rede sein könne329. Teilweise wird davon gesprochen, dass eine trennscharfe Abgrenzung zwischen Eigentumsinhalt und besonderer Duldungspflicht nicht möglich sei330 . Hier wiederholt sich der allgemeine eigentumstheoretische Streit 331, ob man sich das Eigentum grundsätzlich als vollständige und umfassende Herrschaftsmacht über die Sache vorzustellen hat, die durch Gesetze eingeschränkt wird (Außentheorie) 332 oder ob die gesetzlichen Schranken des Eigentums schon dessen Inhalt definieren (Immanenztheorie333) 334 . Konsequenzen für die Einordnung bestimmter Normen unter das Aufopferungsrecht werden hieraus aber ganz überwiegend nicht gezogen 335 . So erkennen etwa auch Vertreter der Immanenztheorie das Institut der Aufopfe-

328 Roßnagel in Koch/Scheuing, BImSchG (Loseblatt), Stand: September 2000, § 14 Rn. 2 ff.; Spindler in Feldhaus, BImSchG (Loseblatt), Stand: März 1999, § 14 Rn. 1 f.; Storost in Ule/Laubinger, BImSchG (Loseblatt), Stand: Dezember 2007, § 14 Anm. B2. Zur Vorläufervorschrift des heute nicht mehr geltenden § 26 GewO Konzen, Aufopferung im Zivilrecht, 1969, S. 123, 130. 329 Bälz, Zum Strukturwandel des Systems zivilrechtlicher Haftung, 1990, S. 42; A. Schmidt, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, 2000, S. 20 ff.; auch L. Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, 1980, S. 303. 330 Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch, 1972, S. 110 Fn. 265. 331 Dazu J. F. Baur in Soergel, BGB, 12. Aufl. 1989, § 903 Rn. 15 ff.; Boecken, Deliktsrechtlicher Eigentumsschutz gegen reine Nutzungsbeeinträchtigungen, 1995, S. 165 ff.; A. Schmidt, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, 2000, S. 24 ff. 332 So etwa Boecken, Deliktsrechtlicher Eigentumsschutz gegen reine Nutzungsbeeinträchtigungen, 1995, S. 169 ff.; Jauernig in Jauernig, BGB, 12. Aufl. 2007, Vorbem. 2 zu § 903; H. Peter, Wandlungen der Eigentumsordnung und der Eigentumslehre seit dem 19. Jahrhundert, 1949, S. 103 ff.; Sohm/Mitteis/Wenger, Institutionen, 17. Aufl. 1926, S. 282; für das Aufopferungsrecht auch inzident Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, 2. Aufl. 1996, Rn. 718 (»Grenzen des Rechtsguts«). 333 So etwa Augustin in RGRK BGB, 12. Aufl. 1979, Vor § 903 Rn. 4; J. F. Baur in Soergel, BGB, 12. Aufl. 1989, Vorbem. 20; v. Gierke, Deutsches Privatrecht, Zweiter Bd., 1905, S. 364; Liver, FG Gutzwiller, 1959, 749, 751 (s. aber auch noch u. Fn. 334); Pleyer, AcP 168 (1968), 407, 410; A. Schmidt, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, 2000, S. 24 ff. Diese Ansicht entspricht auch dem verfassungsrechtlichen Verständnis von Art. 14 GG, vgl. dazu schon o. S. 98 ff. und deutlich BVerfGE 58, 300, 336 (Nassauskiesung). 334 Daneben gibt es noch die sog. Trennungstheorie, die differenzieren will zwischen dem Begriff des Eigentums als vollständiger und ausschließlicher Herrschaft über eine Sache und dem Eigentumsinhalt, der durch die Gesetze beschränkt ist [vgl. hierzu etwa Bassenge in Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, Überbl. vor § 903 Rn. 1; Liver, GS Gschnitzer, 1969, 247, 261; Georgiades, FG Sontis, 1977, 149, 150 f. m. w. N.; auch Wieling, Sachenrecht, 5. Aufl. 2007, § 8 II b = S. 90 (»dem Begriff nach unbeschränkt«)]. 335 Vgl. zu dieser »erstaunlichen Inkonsistenz« resümierend A. Schmidt, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, 2000, S. 25; ferner Boecken, Deliktsrechtlicher Eigentumsschutz gegen reine Nutzungsbeeinträchtigungen, 1995, S. 174 f.

B) Dogmatische Einordnung des Abfi ndungsanspruch in das Zivilrecht

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rungshaftung an und sprechen trotz Immanenzgedankens von »besonderen Duldungspflichten«336 . d) Finalität Strittig ist, ob der zu duldende Eingriff immer final erfolgen muss. Aufgrund von Bestrebungen, einen »allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Aufopferungsanspruch« zu entwickeln 337, wurde dies teilweise bejaht 338 . Rechnet man § 912 II BGB zu den Aufopferungsansprüchen und schreibt man auch die Fallgruppe des »faktischen Duldungszwangs« dem Aufopferungsrecht zu339, muss man freilich auf das Merkmal der Finalität verzichten (vgl. insbesondere § 912 I BGB: »ohne dass ihm Vorsatz (. . .) zur Last fällt«) 340 . e) Ersatz für Werteinbuße Auf Rechtsfolgenseite sind Aufopferungsansprüche nach h.M. immer darauf gerichtet, Schäden oder Werteinbußen zu ersetzen 341. Umstritten ist dieses Erfordernis eines materiellen Verlustes gerade bei den Zwangslizenzen des Urheberrechts, weswegen die Einordnung dieser Regeln als Aufopferungsansprüche bezweifelt wird342 . Nach anderer Ansicht sollen Aufopferungsansprüche nur darauf gerichtet sein, die aus dem Eingriff erlangten Vorteile abzuschöpfen 343 , was für die Einordnung der urheberrechtlichen Zwangslizenzen als Aufopferungsansprüche ausreichen würde344 .

336 Etwa J. F. Baur in Soergel, BGB, 12. Aufl. 1989, § 903 Rn. 45. Anders A. Schmidt, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, 2000, S. 67 ff. 337 Dazu noch u. S. 287 ff. 338 Hubmann, JZ 1958, 489, 492; Karsten, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog im System der Ausgleichsansprüche, 1998, S. 167; inzident Esser/ Eike Schmidt, Schuldrecht I/1, 8. Aufl. 1995, § 8 II 5 = S. 136. Für § 904 S. 2 BGB vgl. die umfangreichen Nachweise bei Hogenschurz, Die Entwicklung des Prinzips der Aufopferungshaftung in den zivilrechtlichen Notstandsfällen, Jur. Diss. Bonn 1997, S. 136 f. 339 Dazu noch u. S. 171 f. 340 Hogenschurz, Die Entwicklung des Prinzips der Aufopferungshaftung in den zivilrechtlichen Notstandsfällen, Jur. Diss. Bonn 1997, S. 138; Konzen, Aufopferung im Zivilrecht, 1969, S. 138; für § 904 S. 2 BGB Konzen, Aufopferung im Zivilrecht, 1969, S. 114; Konzen, JZ 1985, 181, 183. 341 Konzen, Aufopferung im Zivilrecht, 1969, S. 106 f.; H. Roth in Roth/Lemke/Krohn, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch als Problem der Systemgerechtigkeit im Schadensersatzrecht, 2001, S. 1, 42 ff.; L. Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, 1980, S. 13; Westermann/H. P. Westermann, Sachenrecht, 7. Aufl. 1998, § 28 II 2 b = S. 164. 342 Dagegen, weil keine Verpflichtung zum Schadensersatz, Konzen, Aufopferung im Zivilrecht, 1969, S. 106 f. 343 Bälz, FG Kübler, 1997, 355, 366, 372; Schlechtriem, FS Gernhuber, 1993, 407, 420 f. 344 Im Ergebnis dafür auch H. Schulte, Privatrechtliche Aufopferung und Enteignung, Jur. Diss. Münster 1961, S. 74 ff.

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f) Prinzip der Begünstigtenhaftung Schuldner des Aufopferungsanspruchs soll nach der herrschenden Meinung immer der Begünstigte des Eingriffs sein (Prinzip der Begünstigtenhaftung) 345 . Hierdurch komme es zu einem Gleichlauf der Vor- und Nachteile aus dem zu duldenden Eingriff346 , weshalb die Aufopferungshaftung in die Nähe der Bereicherungshaftung rücke347. Dieses Prinzip wird aber auch angezweifelt. Besonders umstritten ist die Frage bei § 904 S. 2 BGB, wo der Gesetzgeber die Person des Haftenden schon nach dem Textbefund der Norm offen gelassen und damit eine »echte« Gesetzeslücke geschaffen hat (die geschlossen werden muss, bevor man das Gesetz überhaupt anwenden kann) 348 . Während in diesem Streit viele Argumente ausgetauscht werden, die sich nicht für die prinzipielle Frage des Aufopferungsschuldners fruchtbar machen lassen, hat als erste Lerke Osterloh bezweifelt, dass das Prinzip der Begünstigtenhaftung allgemeiner Zurechnungsgrund der Aufopferungshaftung sei 349. Sie argumentiert dabei auf zwei Ebenen: Zum einen enthalte das verfassungsrechtliche Gebot der Eigentumsopferentschädigung350 kein allgemeines Zurechnungsprinzip der Begünstigtenhaftung351. Zum anderen gebe das Aufopferungsprinzip selbst 345 Hemsen, Der allgemeine bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch, Jur. Diss. Hamburg 1962, S. 157 f.; Hubmann, AcP 155 (1955), 85, 131; Hubmann, JZ 1958, 489, 493; Konzen, Aufopferung im Zivilrecht, 1969, S. 108, 116, 121 f., 122, 130, 135, 151; Konzen, JZ 1985, 181, 183; Kraffert, AcP 165 (1965), 453, 454 f.; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts II, 12. Aufl. 1981, § 78, 1 = S. 736 f.; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, 13. Aufl. 1994, § 85 II 1 a = S. 657; § 85 III 2 a = S. 667; § 85 V 1 a = S. 670; Westermann/H. P. Westermann, Sachenrecht, 7. Aufl. 1998, § 28 II 2 b = S. 164. Offen gelassen wird diese Frage von BGHZ 48, 98, 106 f.; BGHZ 60, 119, 124. 346 Hubmann, JZ 1958, 489, 493; Jansen, Der Schadensersatzanspruch wegen Noteingriffs in fremdes Eigentum (§ 904 BGB), 1936, S. 31; Kleindienst, Der privatrechtliche Immissionsschutz nach § 906 BGB, 1964, S. 48; ähnlich Hogenschurz, Die Entwicklung des Prinzips der Aufopferungshaftung in den zivilrechtlichen Notstandsfällen, Jur. Diss. Bonn 1997, S. 78. 347 Dazu Bälz, FG Kübler, 1997, 355, 366, 372; Karsten, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog im System der Ausgleichsansprüche, 1998, S. 66, 176; Schlechtriem, FS Gernhuber, 1993, 407, 420 f.; s. auch Hubmann, AcP 155 (1955), 85, 130. Vgl. auch schon o. S. 168. 348 Zum Begriff grundlegend Zitelmann, Lücken im Recht, S. 27; vgl. im Übrigen Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 372. Teilweise auch »Rechtsverweigerungslücke«, s. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, S. 59 f.; Larenz/ Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, 13. Aufl. 1994, § 85 I 1 b = S. 655. 349 L. Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, 1980, S. 311 (zusf.); zust. Seiler in Staudinger, BGB, 13. Aufl. 2002, § 904 Rn. 4, 38 (der für § 904 S. 2 BGB aber letztlich eine Begünstigtenhaftung annimmt); differenzierend Esser/Eike Schmidt, Schuldrecht I/1, 8. Aufl. 1995, § 8 II 5 = S. 137 sowie Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, 2. Aufl. 1996, Rn. 739. Gegen die ausschließliche Begünstigtenhaftung ausdrücklich zwar nur für § 904 S. 2 BGB, aber mit Blick auf die allgemeinen Voraussetzungen der Aufopferungshaftung Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 9. Aufl. 2004, § 19 Rn. 37. 350 Zu dem Begriff schon o. S. 95 ff. 351 L. Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, 1980, S. 296, 300 (zusf.).

B) Dogmatische Einordnung des Abfi ndungsanspruch in das Zivilrecht

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keine allgemeinen Opferkriterien an, die es ermöglichten, entschädigungspfl ichtige Eingriffe von entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigungen abzugrenzen 352 . Es tauge daher nicht als Haftungsgrund und erlaube demgemäß keine Rückschlüsse auf den Schuldner der als Aufopferungsansprüche bezeichneten privatrechtlichen Ansprüche353 . Die mit dem letzten Argument angesprochene Frage, ob das Aufopferungsprinzip Opferkriterien angibt, braucht hier noch nicht entschieden zu werden 354 . Selbst wenn das Aufopferungsprinzip nicht allein die entschädigungspflichtigen von den entschädigungslosen Eingriffen abgrenzen könnte, kann es trotzdem Aussagen über den Schuldner eines Anspruches machen. So kann man auch dem Rechtsgedanken, dass ungerechtfertigte Bereicherungen zugunsten des Entreicherten abzuschöpfen sind, nicht entnehmen, wann eine Bereicherung ungerechtfertigt ist. Liegt aber eine solche rückabzuwickelnde Vermögensverschiebung vor, bezweifelt niemand, dass nur der Bereicherte Schuldner des Anspruchs sein kann. Genauso kann man dem Rechtsgedanken des neminem laedere zwar entnehmen, dass derjenige, der rechtswidrig und schuldhaft das absolute Recht eines anderen verletzt, auf Schadensersatz haften soll. Wann eine solche Verletzung vorliegt, was also als schützenswertes Rechtsgut zu definieren ist, kann dieses Rechtsprinzip aber nicht beantworten 355 . Dass das verfassungsrechtliche Gebot der Entschädigungshaftung keine verbindlichen Aussagen über den Schuldner des Anspruches trifft, ist kein zwingendes Gegenargument. Denn das Verfassungsrecht gibt dem Gesetzgeber nur äußerste Schranken und grundlegende Wertvorstellungen vor, kann aber die Entwicklung einer eigenständigen zivilrechtlichen Dogmatik nicht behindern 356 . Bereits oben bei der Ablehnung der von Peine gegen den hier vertretenen Systembegriff vorgebrachten Argumente357 wurde darauf hingewiesen, dass Rechtsprinzipien nicht nur kraft verfassungsrechtlicher Anordnung, sondern vor allem als Ausprägungen der Gerechtigkeitsidee gelten. Selbst wenn es also kein verfassungsrechtliches Prinzip der Begünstigtenhaftung gäbe, wäre es nicht ausgeschlossen, diesen Grundsatz aus einfach-zivilrechtlichen Wertungen herzuleiten 358 . Hierfür gibt es aber gute Argumente: zum einen das Schadenszurechnungsprinzip, dass derjenige, der die Vorteile aus einer schadenstiftenden Handlung zieht,

352 Dazu L. Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, 1980, S. 16 ff. 353 L. Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, 1980, S. 40 f. 354 S noch u. S. 202. 355 Hierzu auch in anderem Zusammenhang K. Schmidt, JuS 1993, 985, 986 f. 356 Vgl. auch Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, 13. Aufl. 1994, § 85 V 1 a = S. 669 Fn. 52. 357 S. o. S. 12 ff. 358 Vgl. auch Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, 13. Aufl. 1994, § 85 V 1 a = S. 670 (»liegt es doch in der inneren Konsequenz«).

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die Schäden aus dieser Handlung ersetzen soll359 ; zum anderen lässt sich die Haftung des neben dem Begünstigten allein in Betracht Kommenden, des Eingreifenden, nicht plausibel begründen. Da der Eingriff gerechtfertigt war, scheidet die Handlung des Eingreifenden als Zurechnungsgrund aus360 . Da der Eingreifende keinen Nutzen aus dem Eingriff davon trägt, kann keine Rede davon sein, dass er »näher am Schaden ist« als der Begünstigte. Sonstige Zurechnungsprinzipien zu Lasten des Eingreifenden sind nicht ersichtlich. Es spricht daher viel dafür, in dem Prinzip der Begünstigtenhaftung ein für das Aufopferungsrecht konstituierendes Prinzip zu sehen. Ob diese prinzipiellen Überlegungen im Einzelfall, insbesondere bei § 904 S. 2 BGB, anderen Argumenten weichen müssen, z. B. weil man dem Opfer nicht das Ermittlungs- und Insolvenzrisiko des Begünstigten aufdrängen möchte, kann im Rahmen dieser Arbeit dahinstehen. Dass Prinzipien allgemein in Konkurrenz miteinander stehen, konkretisiert werden müssen und dabei von anderen Wertungen beeinflusst werden, ist nur Ausdruck richtig verstandenen Systemdenkens361. g) Notwendigkeit aller genannten Merkmale? Ob man die Merkmale »besondere Duldungspflicht«, »Rechtmäßigkeit des Eingriffs«, »Recht zum Eingriff«362 sowie »Finalität«363 als notwendige Begriffsmerkmale der Aufopferungsansprüche anzusehen hat, ist umstritten. Die h.M. hält diese Merkmale zwar für aufopferungstypisch, aber nicht für notwendig364 . Sie kann sich auf § 912 II BGB berufen, der im systematischen Zusammenhang anderer eindeutiger Aufopferungsnormen steht, aber von einem rechtswidrigen Eingriff ausgeht (vgl. § 912 I BGB: »Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit«) 365 . § 912 BGB statuiert zumindest beim nicht abgeschlossenen Überbau daher keine Duldungspflicht und gibt demgemäß kein Recht zum Eingriff. Gleiches gilt für den auf § 906 II 2 BGB

359 Zu diesem Rechtsgedanken etwa Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, 2. Aufl. 1996, Rn. 719; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts II, 12. Aufl. 1981, § 78, 1 = S. 737; M. Rümelin, Die Gründe der Schadenszurechnung und die Stellung des deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs zur objektiven Schadensersatzpflicht, 1896, S. 30 f. 360 Vgl. Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts II, 12. Aufl. 1981, § 78, 1 = S. 737. 361 Dazu schon o. S. 7 ff. 362 Dazu o. unter S. 165. 363 S. schon o. S. 167. 364 Für das Merkmal der Rechtswidrigkeit: H. Roth in Staudinger, BGB, 13. Aufl. 2002, § 912 Rn. 1; H. Roth in Roth/Lemke/Krohn, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch als Problem der Systemgerechtigkeit im Schadensersatzrecht, 2001, S. 1, 3; a. A. Konzen, Aufopferung im Zivilrecht, 1969, S. 101 ff. (der aber inkonsequenterweise § 912 II BGB trotzdem als Aufopferungstatbestand ansieht, vgl. a.a.O., S. 134 f.). Ein Recht zum Eingriff nicht unbedingt verlangend: H. Roth a.a.O., S. 1, 23. 365 Deutsch, FS Steffen, 1995, 101, 106; H. Roth in Roth/Lemke/Krohn, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch als Problem der Systemgerechtigkeit im Schadensersatzrecht, 2001, S. 1, 3.

B) Dogmatische Einordnung des Abfi ndungsanspruch in das Zivilrecht

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analog gestützten nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch bei rechtswidrigen, aber faktisch zu duldenden Eingriffen 366 . Dass diese Ansprüche zur Gruppe der Aufopferungsansprüche gehören, wird meist mit einem argumentum a fortiori begründet: »Derjenige, dessen Eigentum aufgrund eines rechtswidrigen Eingriffs betroffen wird«, soll »nicht schlechter stehen als jemand, der rechtmäßigerweise verletzt wurde«367. Dies erhellt jedoch, dass diese Ansprüche nicht der allgemeinen aufopferungsrechtlichen Dogmatik folgen, sondern einer weiteren besonderen Begründung bedürfen 368 . Im Sinne dogmatischer Klarheit sollte daher im Zivilrecht – ebenso wie im Staatshaftungsrecht 369 – zwischen Aufopferungs- und aufopferungsgleichen Ansprüchen unterschieden werden. Von aufopferungsgleichen Ansprüchen wird daher im Folgenden die Rede sein, wenn es um rechtswidrige, aber faktisch nicht abwehrbare Eingriffe geht. Paradigma dieser aufopferungsgleichen Ansprüche ist der Anspruch aus § 912 II BGB370 . Im Sinne dogmatischer Klarheit gehört daher § 912 II BGB nur zu den aufopferungsgleichen Ansprüchen. 3) Vorliegen dieser Merkmale bei den Abfindungsansprüchen Nach dieser Bestandsaufnahme der aufopferungsrechtlichen Dogmatik soll nun untersucht werden, ob die aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche zu den Aufopferungsansprüchen gehören. a) Interessenkonfl ikt Dass die Abfindungsvorschriften einen Interessenkonfl ikt zwischen Mehrheitsund Minderheitsaktionären regeln, bedarf nach dem bisher Gesagten keiner Erörterung371. b) Aufopferungsprinzip Bereits oben wurde angedeutet, dass das aktien- und umwandlungsrechtliche Abfindungsrecht diesen Interessenkonflikt in der Form des Aufopferungsprinzips 366

S. die Angaben S. 163 in Fn. 313. Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, 13. Aufl. 1994, § 85 III 1 a = S. 665; kritisch H. Roth in Roth/Lemke/Krohn, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch als Problem der Systemgerechtigkeit im Schadensersatzrecht, 2001, S. 1, 16. 368 Vgl. auch etwa die Trennung bei Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, 2. Aufl. 1996, Rn. 724 u. 728. 369 Hierzu Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 133; Papier in MünchKommBGB, 4. Aufl. 2004, § 839 Rn. 56 ff. Die Rechtsprechung hat diese Terminologie allerdings noch nicht übernommen. 370 A. A. insbesondere Hemsen, Der allgemeine bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch, Jur. Diss. Hamburg 1962, S. 107 f.; H. Schulte, Privatrechtliche Aufopferung und Enteignung, Jur. Diss. Münster 1961, S. 43 f. 371 Vgl. aber auch Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 205. 367

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löst, also ein »eigentlich« bestehendes Widerspruchsrecht gegen Entschädigung ausschließt 372 . Diese These soll nun hinterfragt und vertieft werden. aa) Die grundsätzlichen Argumente pro Aufopferungsprinzip In allen Abfindungsfällen wird das Bestandsinteresse der dissentierenden Minderheit dem Interesse der Mehrheit am Strukturwandel untergeordnet. § 194 I Nr. 6 UmwG und § 29 I 2 UmwG i. V. m. § 180 II AktG zeigen, dass der Gesetzgeber in dieser Unterordnung einen Eingriff sieht, dem die außenstehenden Aktionäre eigentlich zustimmen müssten und daher abwehren könnten. Er nimmt ihnen dieses Recht (ausreichend für den Zustimmungsbeschluss ist eine qualifizierte Aktionärsmehrheit, im Falle des § 39a WpÜG bedarf es lediglich eines Antrags des Bieters) und unterwirft sie daher einer Duldungspflicht gegen Entschädigung (die Abfindung). Dies bestätigen auch die §§ 304 III 2, 1. Alt., 320b II 1, 1. Alt., 327 f I 1, 1. Alt. AktG, die als Spezialregelung zu § 243 II 2 AktG zu verstehen sind 373 . Wenn § 243 II 1 AktG dem Mehrheitsaktionär grundsätzlich verbietet, Sondervorteile zu verfolgen, folgt daraus das allgemeine Recht jedes Aktionärs, den damit verbundenen Eingriff in seine Mitgliedschaft abzuwehren. Wird dieses Recht gem. § 243 II 2 AktG oder gem. den §§ 304 III 2, 1. Alt., 320b II 1, 1. Alt., 327 f I 1, 1. Alt. AktG ausgeschlossen, so liegt darin eine Duldungspflicht, die Abfindung ist die entsprechende Entschädigung374 . Hierfür spricht ferner der verfassungsrechtliche Hintergrund dieses Rechtsgebietes: Das verfassungsrechtliche Entschädigungsgebot liegt sowohl Aufopferungs- als auch Abfindungsansprüchen zugrunde375 . bb) Bestätigung durch § 243 IV 2 AktG Ganz auf der Linie des Aufopferungsprinzips und der ihm entsprechenden Interessenbewertung lag die Rechtsprechung des BGH zum Anfechtungsausschluss bei abfindungsbezogenen Informationsmängeln (»MEZ«376 und »Aqua-Butzke-Werke«377), die durch § 243 IV 2 AktG in Gesetz gegossen wurde. Die Kernfrage lautet hier, warum der Gesetzgeber z. B. in den § 192 I 3 i. V. m. § 193 I Nr. 6, § 238 i. V. m. §§ 230, 231, §§ 208, 30, § 239 UmwG umfangreiche Informationspflichten aufstellen sollte, um deren Beachtung sodann gem. § 243 IV 2 AktG weitgehend für sanktionslos zu erklären 378 . Helfen kann die Deutung des Anspruchs aus § 207 UmwG als Aufopferungsanspruch. Denn mit dem Anfechtungsausschluss kehrt nur das aus dem Aufopferungsrecht bekannte regelungstechnische Konzept wieder, ein Recht allgemein zu definieren, um dann berechtigte Eingriffe gegen Ausgleichs372

S. o. S. 156 ff. u. S. 158 ff. Vgl. Begr. RegE zum AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 395. 374 Zur fehlenden Einbeziehung des § 243 II AktG in die §§ 32, 210 UmwG s. noch u. S. 360 ff. 375 Dazu schon o. S. 157. 376 BGHZ 146, 179 (MEZ). 377 BGH NJW 2001, 1428 (Aqua-Butzke-Werke). 378 Dazu schon Klöhn, AG 2002, 443, 445. 373

B) Dogmatische Einordnung des Abfi ndungsanspruch in das Zivilrecht

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zahlung zu beschreiben. Der Gegensatz zwischen der detaillierten Regelung der Informationsrechte einerseits und § 243 IV 2 AktG andererseits ist also kein Widerspruch, sondern schreibt das Aufopferungsprinzip konsequent fort 379. cc) Außen- und Immanenztheorie beim Aktieneigentum Dennoch ergeben sich Zweifel an dem Denken in den Kategorien des Aufopferungsrechts. Die aktienrechtliche Mitgliedschaft erscheint nämlich – als vermitteltes Eigentum380 – gewissermaßen »von Anfang an« mit den Beschränkungen »geboren«, denen der Aktionär nach dem Gesetz unterliegt 381, insbesondere dass er bestimmte Strukturmaßnahmen, die mit ¾-Mehrheit beschlossen werden, hinnehmen muss. Dies spräche freilich nicht zwingend gegen die Einordnung der Abfindungs- als Aufopferungsansprüche. Insoweit kehrt nämlich nur der im allgemeinen Aufopferungsrecht herrschende Streit um »Immanenz-« und »Außentheorie« wieder. Dieser hat jedoch keine Auswirkungen auf die Einordnung bestimmter Ansprüche in das Aufopferungsrecht 382 . Gleichwohl soll diese Frage nicht offen gelassen werden, weil die Entscheidung zwischen einer auf Immanenz- und außentheoretische Grundsätze abstellenden Betrachtungsweise die Form des weiteren Denkens bestimmt. Dabei soll jedenfalls für die aktien- und umwandlungsrechtliche Abfindungsansprüche ein an die Außentheorie angelehntes Konzept verfolgt werden. Die maßgebliche Begründung hierfür lautet, dass es bei der Frage »Duldungspflicht oder Inhalt des Aktieneigentums« zunächst nur um die Form geht, in der man bestimmte rechtliche Zusammenhänge gedanklich erfasst 383 . Selbst wenn man der Immanenztheorie zuneigte und dementsprechend die Regelung, wonach abfindungsauslösende Beschlüsse mit (bloß) 75%iger Mehrheit gefasst werden können, als inhaltliche Beschränkung des Aktieneigentums auffasste, würde man ja nicht deswegen die Berechtigung der Aktionäre zur Abfindung verneinen 384 . Umgekehrt folgt aus dem Verständnis des (nur) ¾-Mehrheitserfordernisses als Ausschluss eines eigentlich bestehenden Individualzustimmungs- und daher Abwehrrechts nicht zugleich, dass man jedwede

379

Ausführlich Klöhn, AG 2002, 443. Dazu o. S. 80 unter (2). 381 Diese Auffassung von der Mitgliedschaft verfolgen etwa Hefermehl/Spindler in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2004, § 93 Rn. 173; Hüffer, ZHR 161 (1997), 867, 870; Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, Vor § 118–147 Rn. 188; Reuter, FS Lange, 1992, 707, 722 ff.; Teichmann, FS Mühl, 1981, 663, 677; Zöllner, ZGR 1988, 392, 430. 382 S. o. S. 165 ff. 383 Als rein theoretisch wird denn auch der Streit um die verschiedenen Eigentumskonzepte vielfach bewertet, so Aicher, Das Eigentum als subjektives Recht, 1975, S. 86; Eichler, Institutionen des Sachenrechts, Bd. 1, 1954, S. 142 Fn. 16; Olzen, JuS 1984, 328, 329; H. Peter, Wandlungen der Eigentumsordnung und der Eigentumslehre seit dem 19. Jahrhundert, 1949, S. 103. Dagegen J. F. Baur in Soergel, BGB, 12. Aufl. 1989, § 903 Rn. 19; Boecken, Deliktsrechtlicher Eigentumsschutz gegen reine Nutzungsbeeinträchtigungen, 1995, 165 ff. 384 Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, Vor § 118–147 Rn. 190. 380

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Bestimmung, die es der Mehrheit erlaubt, in die Mitgliedschaft einzugreifen, als entschädigungspflichtige Duldungspflicht auffassen müsste385 . Obwohl die Vorstellung eines grundsätzlich unbeschränkten Aktieneigentums, das durch die Abfindungsvorschriften des AktG und UmwG eingeschränkt wird, ein Denken nach dem »Regel-Ausnahme-Schema« provoziert, und man daher meinen könnte, es tendiere zu einer aktionärsfreundlichen Sichtweise386 , wäre eine Ableitung von Ergebnissen allein aus diesem »Regel-Ausnahme-Verständnis« jedenfalls unzulässig. Dies ist in der Methodenlehre anerkannt, unter anderem für die bekannte »Faustregel«, Ausnahmen seien eng auszulegen und grundsätzlich nicht analogiefähig387. Hier gehört es zum Allgemeingut, dass die Frage nach enger oder weiter Auslegung bzw. Analogiefähigkeit allein nach der ratio der Norm zu beantworten ist, weil schon die Frage, ob eine entsprechende Regel oder Ausnahme vorliegt, von der ratio legis abhängt 388 . Wenn man sich daher vergegenwärtigt, dass auch die oben genannte Sichtweise von »allgemeinem Recht« und »besonderer Duldungspflicht« an sich nicht geeignet ist, bestimmte Ergebnisse zu begründen, spricht nichts dagegen, beim aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsrecht eine an die Außentheorie angelehnten Sichtweise zu bevorzugen. Dafür streitet insbesondere das Zusammenspiel zwischen § 180 II AktG (allgemeiner aktienrechtlicher Grundsatz, Einstimmigkeitsprinzip, also Abwehrrecht) und § 29 I 2 UmwG (entschädigungsbewährte Duldungspflicht) 389. dd) Aktionär und Grundstückseigentümer Ein Gegenargument könnte sich daraus ergeben, dass das System der Aufopferungsansprüche am Leitbild des Grundstückseigentümers entwickelt wurde (vgl. nur die §§ 904 S. 2, 906 II 2, 912 II, 917 II, 867 S. 2, 962 S. 3, 1005 BGB, § 14 S. 2 BImSchG und dessen Vorgänger § 26 GewO). Der Grundstückseigentümer sieht sich typischerweise einem Konflikt ausgesetzt, dem er – im wortwörtlichen Sinne – nicht ausweichen kann 390 . Diese fehlende Ausweichmöglichkeit könnte man

385 Vgl. insoweit auch für das BGB-Sachenrecht A. Schmidt, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, 2000, S. 25, 31. Zum »Leerformelcharakter« des Entzugs eines prinzipiell zugewiesenen Eigentumsgehalts auch schon L. Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, 1980, S. 24 ff. 386 Vgl. zu einem ähnlichen, die verfassungspolitische und verfassungsrechtliche Ebene betreffenden Argument von J. F. Baur in Soergel, BGB, 12. Aufl. 1989, § 903 Rn. 19 gegen auch hier vorgenommene »theoretische Bagatellisierung« des Streits um die sachenrechtlichen Eigentumskonzeptionen. 387 Hierzu etwa RGZ 153, 1, 23; BGHZ 4, 219, 222; BGHZ 11, 135, 143. 388 F. Müller/Christensen, Juristische Methodik, Bd. 1, 9. Aufl. 2004, Rn. 369; zust. (zur entsprechenden Stelle in der 3. Aufl.) Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 355; vgl. auch Martens, FS Boujong, 1996, 335, 344 (Gleichbehandlungsgebot gilt unabhängig von dem Ausnahme- oder Regelcharakter einer Vorschrift). 389 Dazu schon o. S. 156 ff. 390 Dazu etwa Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, 13. Aufl. 1994, § 85 II 6 = S. 663 f.

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beim Aktionär wegen der jederzeitigen Möglichkeit zur Veräußerung seines Anteils vermissen 391. Mit diesem Einwand wiederholt sich ein Argument, das auch gegen das allgemeine außerordentliche Austrittsrecht hervorgebracht wird392 . Wie schon dort gilt hier, dass für Anteile abfindungsberechtigter Aktionäre oftmals gerade kein funktionierender Zirkulationsmarkt existiert393 . Folgte man der oben genannten Argumentation, bliebe man außerdem letztlich die Erklärung für die Existenz der Abfindungsnormen schuldig. Warum der Gesetzgeber Abfindungsrechte schaffen sollte, wenn die Interessen des Aktionärs schon durch die grundsätzliche Veräußerungsmöglichkeit der Aktie geschützt würden, wäre nicht einzusehen. Ebenso zeigen die Gesetzesmaterialien, dass der Gesetzgeber jedenfalls in den Abfindungsfällen von einem Eingriff ausging, dem die Aktionäre nicht allein im Wege der Veräußerung ihrer Anteile entgehen sollten: So heißt es etwa in der Regierungsbegründung zu § 305 AktG: »Das Gesetz kann den außenstehenden Aktionären nicht auferlegen, diese grundlegende Änderung ihrer Gesellschafterstellung ohne ein Abfindungsrecht hinzunehmen«394 . Erst die Abfindungspflicht macht den Eingriff also erträglich. An der Einordnung der Abfindungsansprüche als Aufopferungsansprüche ändern die vorstehenden Gegenargumente daher nichts. ee) Zwischenergebnis Nach alledem bestehen genügend Anzeichen dafür, dass der Gesetzgeber den Interessenkonflikt zwischen abfindungsberechtigten Aktionären und Abfindungsschuldner nach dem Muster des Aufopferungsprinzips gelöst hat. c) Usurpation Weiterhin müssten die Abfindungsansprüche die Usurpation von Rechten oder günstigen Rechtspositionen regeln. Um dies zu untersuchen, bietet es sich an, zwischen den einzelnen Abfindungsfällen zu unterscheiden. aa) §§ 320b, 327a AktG, 39a WpÜG Einen klassischen Fall der Usurpation stellen Mehrheitseingliederung und Squeeze-out dar. Hier werden die Aktionäre zwangsweise aus der AG herausgekauft,

391 Vgl. Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 489. S. auch schon die Überlegungen von Wiedemann, ZGR 1978, 477, 493 f. 392 S. o. S. 48 f. 393 Grunewald, FS Claussen, 1997, 103; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 86, 19 ff. Hierzu auch BVerfGE 100, 289, 309 (DAT/Altana): »Marktenge«; BGHZ 147, 108, 116 (DAT/Altana). S. o. S. 48 f. 394 Begr. RegE zum AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 397.

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der Mehrheitsaktionär eignet sich ihre Aktien gegen Entschädigung an 395 . Es handelt sich also um einen Fall der dauerhaften Rechtsverschiebung 396 . bb) § 305 AktG Eine ähnliche Usurpation liegt dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zugrunde. Zwar entreißt dieser den außenstehenden Aktionären nicht ihre Anteile. Sie müssen jedoch – wie schon die Regierungsbegründung zum AktG 1965 ausführt 397 – tief greifende Einschnitte in ihre Mitverwaltungs- und Vermögensrechte hinnehmen. Diesem Abgang von Rechten steht ein entsprechender Zuwachs an Rechten des herrschenden Unternehmens gegenüber: Die außenstehenden Aktionäre müssen akzeptieren, dass der Vorstand ihrer AG Weisungen befolgen muss (§ 308 II 1 AktG), das herrschende Unternehmen erhält das Recht, Weisungen zu erteilen (§ 308 I 1 AktG). Die außenstehenden Aktionäre müssen dulden, dass die stillen Reserven und Geschäftschancen der Gesellschaft entzogen werden, ohne hierfür hinreichend gem. §§ 300–303 AktG kompensiert zu werden 398 . Das herrschende Unternehmen ist berechtigt, entsprechend Vermögen aus der Gesellschaft abzuführen, ohne durch die Kapitalerhaltungsvorschriften hieran gehindert zu sein (§ 291 III AktG) 399. Diese Rechtsveränderung dauert während der Laufzeit des Vertrags an, ist also, weil nicht von vornherein begrenzt, als dauerhafte Rechtsverlagerung konzipiert. Die Usurpation im Falle des § 305 AktG lässt sich darüber hinaus mit einem zweiten Argument begründen, das für die weitere Gedankenführung wichtig sein wird. Betrachtet man die Rechtsfolgen des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags, so kann man ohne Übertreibung sagen, dass mit dem Abschluss des Unternehmensvertrags – wirtschaftlich gesehen – eine neue Gesellschaft entsteht, die sich die außenstehenden Aktionäre nicht als Investitionsobjet ausgesucht hätten. Mit ihrer Zustimmung zum Vertragsschluss gründet die Aktionärsmehrheit daher (wirtschaftlich gesehen) eine »neue« bzw. »andere« AG, die sie ohne die außenstehenden Aktionäre in der konkreten Form, insbesondere mit demselben Grundkapital, nicht hätte gründen können. Sie zwingt die außenstehenden Aktionäre insofern – um einige Formulierungen aus der Literatur aufzugreifen –, das in ihrer Aktie verkörperte Kapital in eine Gesellschaft zu investieren400 , also zum Abschluss eines neuen Investmentkontraktes401 ; sie »nutzt« die Aktien der Minderheit402 . Der für die Usurpation charakteristische Zuwachs an Rechten besteht 395

So Bezzenberger/Bezzenberger, FS Welf Müller, 2001, 1, 15. Zu den Kategorien der Usurpation s. o. S. 165. 397 Vgl. Begr. RegE zum AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 397. 398 Zu den Lücken der §§ 300–303 AktG s. nur Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, Vorbem. 4 ff. zu § 300. 399 Dazu auch schon o. S. 108 ff. 400 Kalss, wbl 2001, 366, 369; Röhricht, ZHR 162 (1998), 249, 257; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 370. 401 Fleischer, ZGR 1997, 368, 390. 402 Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 352; Schultze396

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also darin, dass sich die Aktionärsmehrheit vorübergehend gewissermaßen das Stimmrecht der außenstehenden Aktionäre zum Abschluss dieses neuen Gesellschaftsvertrags aneignet. Der hiermit korrespondierende Abgang an Rechten ist das den außenstehenden Aktionären verwehrte, eigentlich bestehende VetoRecht. cc) §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 12 SEAG In den umwandlungsrechtlichen Abfindungsfällen sowie bei der Sitzverlegung der SE ist die aufopferungstypische Usurpationssituation schwerer zu erkennen. Umwandlung und Sitzverlegung lassen die Zuordnung der Mitgliedschaften unberührt. Ebensowenig verteilen sie dauerhaft einzelne Rechte der Minderheitsaktionäre an die Aktionärsmehrheit, denn grundsätzlich haben auch nach dem Wechsel der Rechtsform bzw. des auf die SE anwendbaren Subsidiärrechts alle Gesellschafter gleich viele Rechte. Zwar mag sich die neue Rechtsform faktisch zugunsten eines oder mehrerer Aktionäre auswirken (so kann ein Großaktionär seinen Einfluss z. B. steigern, wenn er die AG auf eine von ihm beherrschte GmbH verschmilzt) 403 . Doch solche Vorteile können sich auch bei der rechtsformwahrenden, d. h. nicht abfindungspflichtigen Umwandlung ergeben. Die Usurpation lässt sich jedoch mit der vorübergehenden Aneignung des Stimmrechts der Minderheitsaktionäre zum Abschluss eines neuen Gesellschaftsvertrags erklären404 : Ebenso wie der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag bedeutet die formwechselnde Umwandlung einer AG und die Sitzverlegung der SE wirtschaftlich betrachtet nichts anderes als die Gründung einer neuen Gesellschaft (unter anderem) mit dem in Aktien verkörperten Kapital der dissentierenden Aktionäre. Gleiches gilt im Falle des § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall u. I 2 UmwG, weil die dissentierende Minderheit ihr Kapital nicht in eine Gesellschaft investiert hätte, in der sie mit tatsächlichen oder rechtlichen Veräußerungsbeschränkungen belastet ist. Wie auch beim Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag405 eignet sich die für die Umwandlung bzw. Sitzverlegung stimmende Mehrheit daher die Stimmrechte der Minderheitsaktionäre vorübergehend an, um eine Strukturmaßnahme durchzuführen, für die nach allgemeinen Grundsätzen »eigentlich« die Einstimmigkeit erforderlich wäre. Die Minderheitsaktionäre sind zur Duldung verpflichtet, weil ihnen ein »eigentlich gebotenes« Veto-Recht entzogen wird. Im Falle des § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG spricht gegen diesen Gedanken auch nicht, dass der BGH schon in der Macrotron-Entscheidung das Delisting aufgrund eines mit einfacher Mehrheit gefassten Hauptversammlungsbeschlusses zugelasSchlutius, Die Organtheorie unter besonderer Berücksichtigung der Kapitalgesellschaften, 2. Aufl. 1956, S. 1369. 403 Zu einem möglichen weiteren Fall BGH ZIP 2005, 1318; OLG Düsseldorf ZIP 2003, 1749: Formwechsel einer AG in eine KG, wobei eine von den Mehrheitsaktionären beherrschte GmbH einzige Komplementärin werden sollte. 404 S. soeben S. 177. 405 S. o. S. 176 f.

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sen hat406 . Hält man diese Entscheidung für richtig, lässt sie sich als Bestätigung des Aufopferungsgedankens verstehen. In aufopferungsrechtlicher Terminologie begründete sie nichts anderes als eine besondere Duldungspflicht der widersprechenden Aktionäre, die sie – konsequent – mit einer Abfindungspflicht der AG bzw. ihres Großaktionärs verband. Dass Minderheitsaktionäre den Verlust ihrer Börsennotierung nicht entschädigungsfrei hinzunehmen haben, hat außerdem der Gesetzgeber des Zweiten Umwandlungsgesetzänderungsgesetzes mit der Neufassung des § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG bestätigt (bzw., wenn man die MacrotronEntscheidung ablehnt, zum ersten Mal eingeführt). dd) § 9 SEAG Am schwierigsten fällt es, die Usurpation im Falle des § 9 SEAG zu erkennen. Man könnte zunächst darauf abstellen, dass die Aktionäre der Gründungsgesellschaften gezwungen werden, ihre Anteile in die Holding-SE einzubringen. Gerade dies ist jedoch im Fall des § 9 SEAG nicht der Fall. Die dissentierenden Aktionäre können ebenso gut in der nach der Transaktion im Mehrheitsbesitz der Holding-SE stehenden AG verbleiben. Die Usurpation kann daher nur mit Veränderungen in der Gründungsgesellschaft begründet werden, denn nur diese können die dissentierenden Aktionäre – vorbehaltlich des kraft gesetzlicher Wertung gerade nicht als hinreichende Kompensation angesehenen Wechsels in die ausländische oder abhängige SE – nicht abwehren. Im Gegensatz zu allen anderen Abfindungsfällen ändert sich im Falle des § 9 SEAG aber lediglich die Eigentümerstruktur der AG, nicht aber deren Rechtskleid. War die Gesellschaft schon vor Gründung der Holding beherrscht, kann man sogar am Vorliegen des für jeden Aufopferungsfall erforderlichen Eingriffs zweifeln, denn in diesen Fällen wird der herrschende Aktionär lediglich durch einen anderen ersetzt407. Darüber hinaus entspräche eine solche Deutung nicht dem gesetzgeberischen Konzept. Zum einen bestünde der so beschriebene Nutzungskonflikt völlig unabhängig von der Beschaffenheit der Holding-SE, so dass Abfindungsansprüche auch gewährt werden müssten, wenn diese ihren Sitz im Inland hätte und nicht beherrscht würde. Zum anderen verweist der Gesetzgeber in seiner Begründung nicht auf die Eigentümerstruktur in der Gründungsgesellschaft, sondern auf die Verhältnisse in der Holding-SE: Für § 9 I 1, 1. Fall SEAG wird ausdrücklich auf die Ausführungen zu § 7 SEAG verwiesen408 . § 9 I 1, 2. Fall SEAG wird damit gerechtfertigt, dass in diesem Fall der Umtausch der Anteile an der Gründungsgesellschaft gegen die Anteile an der Holding-SE »keinen ausreichenden Minderheitsschutz« darstelle409. Dies mag man akzeptieren, wenngleich sich wegen § 305 II Nr. 1 AktG Zweifel an der Systemstimmigkeit des Argu406 407 408 409

BGHZ 153, 47, 53 ff. (Macrotron). S. auch Ihrig/Wagner, BB 2004, 1749, 1752. Begr. RegE SEEG BT-Drucks. 15/3405, S. 34. Begr. RegE SEEG BT-Drucks. 15/3405, S. 34.

B) Dogmatische Einordnung des Abfi ndungsanspruch in das Zivilrecht

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ments auftun410 . Allerdings hätte der Gesetzgeber begründen müssen, warum den Aktionären nicht der Verbleib in der Gründungsgesellschaft unter dem Schutzregime der §§ 311 ff. AktG hinreichend zumutbar ist411. Hierüber verliert die Gesetzesbegründung kein Wort. Bei § 9 SEAG steht eine auf systematische Stimmigkeit ausgerichtete Interpretation daher vor folgendem Dilemma: Soweit ein echter Konflikt zwischen Mehrheit und Minderheit besteht (Änderung der Eigentümerstruktur der AG), geht der Gesetzgeber von keiner abfindungslegitimierenden Usurpation aus (arg. ex §§ 311 ff. AktG). Soweit er einen solchen Sachverhalt anerkennt (faktischer Druck, in die Holding-SE zu wechseln), liegt kein mit den anderen Abfindungsvorschriften vergleichbarer Konflikt vor (weil nur faktischer Zwang). Hier sind zwei Fragen auseinanderzuhalten: die nach dem gesetzlichen Konzept einer Abfindungsvorschrift und die nach ihrer Systemstimmigkeit. Vorliegend geht es zunächst allein um das gesetzgeberische Konzept412 . Diesem wird man am besten gerecht, wenn man § 9 SEAG so interpretiert wie er gemeint ist, nämlich als Parallelvorschrift zu § 7 SEAG. Geht man diesen Weg, muss man entsprechend den Vorstellungen des Gesetzgebers die Usurpation doch darin sehen, dass die dissentierenden Aktionäre gezwungen werden, ihr in der Aktie verkörpertes Kapital in eine Obergesellschaft zu investieren, die ihnen als Anlageobjekt nicht zumutbar ist. Zwar sind sie hierzu – anders als im Falle des § 7 SEAG, in dem die AG aufhört zu existieren – nicht rechtlich und unausweichlich verpflichtet. In § 9 SEAG geht der Gesetzgeber aber offenbar davon aus, dass wegen der entstehenden Holding-Struktur ein vergleichbarer tatsächlicher Druck besteht413 . Inwieweit sich dieses Konzept in das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche einfügt, wird noch zu beleuchten sein414 . Akzeptiert man diese, allein mit der gesetzgeberischen Vorstellung zu vereinbarende Deutungsvariante, kann man jedenfalls am Vorliegen einer Usurpation nicht zweifeln. Nach dem gesetzgeberischen Konzept des § 9 SEAG wird die Minderheit faktisch gezwungen, ihr in der Aktie verkörpertes Kapital in eine Holding-Gesellschaft zu investieren, die sie sich als Investitionsobjekt nicht ausgesucht hätte. ee) Zwischenergebnis Nach alledem findet man in den Abfindungsfällen auch die für Aufopferungsansprüche charakteristische Usurpation wieder. Deutlich wurde aber, dass einige Abfindungsfälle dem typischen Fall des Aufopferungsrechts besser entsprechen als ande410 411

S. noch u. S. 230 ff. Vgl. auch J. Vetter in Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, 2005, S. 111,

159. 412

Zur Systemstimmigkeit noch ausführlich u. S. 230 ff. In diesem Sinne auch J. Vetter in Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, 2005, S. 111, 159: »offenbar unzumutbar«. 414 S. u. S. 230 ff. 413

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re: Den klassischen Fall einer aufopferungstypischen Usurpation bilden die §§ 320b, 327a AktG, 39a WpÜG. Hier liegt eine dauerhafte Rechtsverschiebung vor; Usurpationsobjekt ist die Aktie an sich. Im Fall des § 305 AktG kommt es ebenfalls zu einer für die Vertragslaufzeit dauerhaften Rechtsverschiebung, die zwar nicht die Aktie an sich betrifft, aber doch einige Verwaltungs- und Vermögensrechte: Das herrschende Unternehmen gewinnt das Recht, Weisungen zu erteilen (§ 308 I 1 AktG); die außenstehenden Aktionäre müssen dulden, dass der Vorstand ihrer AG diesen Weisungen folgen muss (§ 308 II 1 AktG). Das herrschende Unternehmen darf das Vermögen der AG in den Grenzen der §§ 300–303 AktG mindern (§ 291 III AktG). Die außenstehenden Aktionäre müssen die Lücken des Vermögensschutzes gem. §§ 300 ff. AktG dulden. Eine ähnliche Rechtsverlagerung lässt sich in den Fällen der §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 12 SEAG nicht feststellen. Ein Usurpationsfalll liegt aber auch hier vor, denn die Aktionärsmehrheit maßt sich vorübergehend die Stimmrechte der dissentierenden Aktionäre zur wirtschaftlichen Neugründung einer Gesellschaft an und zwingt sie, das in ihren Aktien verkörperte Kapital in eine Gesellschaft zu investieren, die sie sich als Investitionsobjekt nicht ausgesucht hätten. Dem entspricht auf Seiten der dissentierenden Aktionäre der Verlust eines eigentlich bestehenden Veto-Rechts, da die jeweilige Strukturmaßnahme nach allgemeinen aktienrechtlichen Prinzipien nicht ohne ihre Zustimmung hätte beschlossen werden dürfen. § 305 AktG lässt sich zusätzlich mit dieser vorübergehenden Usurpation der Stimmrechte erklären. Einen Usurpationsfall sieht der Gesetzgeber im Falle des § 9 SEAG, den er auf dieselben Erwägungen stützt wie § 7 SEAG, und folglich davon ausgeht, dass die Aktionärsmehrheit die Aktionärsminderheit faktisch dazu zwingt, das in ihrer Aktie verkörperte Kapital in die Holding-SE zu investieren, die ihrerseits abhängig ist oder ihren Sitz im Ausland hat. d) Eingriff, Rechtmäßigkeit des Eingriffs, Recht zum Eingriff, Finalität In der oben geschilderten Usurpation liegt (im Falle des § 9 SEAG jedenfalls kraft gesetzlicher Wertung) der für das Aufopferungsrecht erforderliche Eingriff. Wie z. B. die §§ 304 III 2, 1. Alt., 320b II 1, 1. Alt., 327 f I 1, 1. Alt. AktG verdeutlichen, ist dieser Eingriff, sofern alle formellen Vorschriften eingehalten werden, auch rechtmäßig415 . Der spätere Abfindungsschuldner erhält also ein Recht zum Eingriff416 , was in der Literatur schon für § 327a AktG417 und § 305 AktG418 erwähnt 415 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 355: »Die Gewährung eines Abfindungsanspruchs rechtfertigt den Eingriff in die Herrschaftsrechte«; ebenso Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 365. 416 Vgl. auch Lutter/Bezzenberger, AG 2000, 433, 435 r. Sp.; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 125 f. (»Verfügungsbefugnis«). 417 Dazu Bezzenberger/Bezzenberger, FS Welf Müller, 2001, 1, 15 f.; E. Vetter, DB 2001, 743, 745; E. Vetter, AG 2002, 176, 185: »einseitiges Gestaltungsrecht«; vgl. auch Gesmann-Nuissl, WM 2002, 1205, 1206 (»Aktionäre (. . .) zum Ausschluss berechtigt«). BVerfGE 14, 263, 283 (Feldmühle) sprach hier nur von »wirtschaftlicher Macht«, setzt diese Erkenntnis aber inzident voraus. 418 Dazu Röhricht, ZHR 162 (1998), 249, 257.

B) Dogmatische Einordnung des Abfi ndungsanspruch in das Zivilrecht

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wurde419. Dass dieser Eingriff final erfolgt, so wie es für das Aufopferungsrecht typisch ist, bedarf kaum einer Erwähnung. e) Gesamtökonomische Wohlfahrtssteigerung Auch und gerade im Abfindungsrecht wird ferner betont, dass die Minderheitsaktionäre ihre Bestandsinteressen aus Gründen gesamtökonomischer Wohlfahrtssteigerung unterordnen müssten420 . So wird etwa der Squeeze-out ausdrücklich mit dem Ziel gerechtfertigt, die unternehmerische Flexibilität zu stärken, weil es »ökonomisch keinen Sinn« mache, sehr kleine Minderheiten in Aktiengesellschaften zu belassen421. Schon der Gesetzgeber des AktG 1965 hat erkannt, dass Konzerne »wirtschafts- und gesellschaftspolitisch erwünscht« sein können422 und dass das Anteilseigentum der Aktionäre »aus vorrangigen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Gründen« eingeschränkt werden dürfe423 . Nicht selten wird in diesem Zusammenhang das Vollzugsinteresse des späteren Abfindungsschuldners als »vorrangig« oder »privilegiert« bezeichnet 424 . Dass Abfindungsansprüche nur effizienzsteigernde Eingriffe zulassen, wird durch das Prinzip der vollen Entschädigung/Abfindung garantiert425 : Da der Abfindungspflichtige zahlen muss, was die Abfindungsgläubiger »bei freier Deinvestitionsentscheidung erlangt hätten«, lohnen sich für ihn nur solche Strukturwechsel, aus denen er einen darüber hinaus gehenden Mehrwert zieht426 .

419 Vgl. im Zusammenhang mit dem Feldmühle-Urteil auch H. Schulte, Eigentum und öffentliches Interesse, 1970, S. 44 f. 420 Baums in 63. DJT, Gutachten F, 2000, S. 119 (»als notwendig und sinnvoll erkannte Maßnahmen«); Bezzenberger/Bezzenberger, FS Welf Müller, 2001, 1, 8 f. (für die Verdrängung der Anfechtungsklage durch das Spruchstellenverfahren); Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 377; Kirchner, ZGR 1985, 214, 232 (im Zusammenhang mit § 311 AktG); Koppensteiner, FS Ostheim, 1990, 403, 407. Skeptisch gegenüber diesem Begründungsansatz im Zusammenhang mit der sog. »Konzernklausel« des § 101 III AktG 1937 Zöllner, ZHR 162 (1998), 235, 240. 421 Begr. RegE zum WpÜG, BR-Drucks. 547/01, S. 73 f. Zwar wird die wörtlich zitierte Wendung als Äußerung von Seiten der Wirtschaft wiedergegeben. Der Gesetzgeber hat diese Argumentation aber – wie sich aus dem fehlenden Widerspruch und dem nahtlosen Übergang in den Indikativ ergibt – in seinen Willen aufgenommen, vgl. auch Habersack, ZIP 2001, 1230, 1231. 422 Begr. RegE AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 374. 423 Begr. RegE AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 14. Dazu auch noch u. S. 200 ff. 424 Dagegen noch Wiedemann, ZGR 1980, 147, 158. Es geht hier wohlgemerkt um eine Privilegierung des Usurpationsinteresses des Eingreifenden gegenüber dem Bestandsinteresse der außenstehenden Aktionäre. Die grundsätzliche Interessenlage beider Beteiligten ist demgegenüber selbstverständlich als gleichwertig anzusehen (dazu Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 8. Aufl. 2005, § 20 I 1 = S. 267; Filbinger, Die Schranken der Mehrheitsherrschaft im Aktien- und im Konzernrecht, 1942, S. 15, 57, 130 ff.). 425 Zu diesen Prinzipien o. S. 52, S. 95. 426 Hierzu o. S. 42 ff.

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f) Ausgleich für Einbuße Fraglich ist sodann, ob die Abfindungsansprüche auch – wie von der herrschenden Meinung für Aufopferungsansprüche verlangt427 – eine Einbuße kompensieren. aa) §§ 320b, 327a AktG, 39a WpÜG Unproblematisch ist dies erneut bei den §§ 320b, 327a AktG, 39a WpÜG, weil die Aktionäre hier kraft Gesetzes ihre Aktien verlieren und exakt für diesen Verlust mit der Abfindung entschädigt werden. bb) §§ 305 AktG, 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG Zweifelhaft ist aber, ob auch die umwandlungsrechtlichen Abfi ndungsvorschrifen (§§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG) als eine solche Entschädigung verstanden werden können. Zwar verlieren die Aktionäre in diesen Fällen ihre Aktien, gleichzeitig erhalten sie aber Gesellschaftsanteile an dem neuen Rechtsträger. Im Falle des § 9 SEAG kommt es nicht einmal zu einem solchen Rechtsverlust, es ändert sich allein die Eigentümerstruktur der AG. Gleiches gilt für § 305 AktG, denn auch hier behält die Aktie nach Wirksamkeit des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags einen Restwert zumindest in Höhe der zu erwartenden diskontierten Ausgleichszahlungen nach § 304 AktG428 . Dass die Aktionäre gem. §§ 305 AktG, 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG berechtigt sind, im Tausch gegen ihre Aktien Abfindung für den ungeteilten Aktienwert zu erhalten, erscheint als Privileg, das sich nicht mit der aufopferungsrechtlichen Dogmatik verträgt. Das Abfindungsrecht erscheint eher als Austrittsrecht aus wichtigem Grund429 denn als Kompensation für eine Einbuße. Hier kehrt allerdings nur wieder, was bereits oben als das verfassungsrechtliche Gebot des »nicht nur vollen, sondern auch ungeteilten Ausgleichs« vorgestellt wurde: Würde man versuchen, die Entschädigung in den Fällen der §§ 305 AktG, 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG punktgenau zu bestimmen, hätte man mit unüberwindbaren Bewertungsschwierigkeiten zu kämpfen, die das Spruchverfahren noch weiter in die Länge ziehen würden. Da die Überzeugungskraft des von den §§ 305 AktG, 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG verfolgten »Dulde, aber liquidiere« in hohem Maße davon abhängt, dass die Aktionäre einen vollständigen Ausgleich erhalten, muss dieser nicht nur voll, sondern auch ungeteilt sein430 . Darüber hinaus entspricht das »Prinzip des ungeteilten Ausgleichs« genuin aufopferungsrechtlicher Dogmatik: Bei der Ermittlung der Rechtsfolge von Aufopferungsansprüchen geht der BGH von der Frage aus, in welchem Umfang der Rechtsinhaber entschädigt werden muss, damit ihm der Ausschluss der Abwehr427 428 429 430

Dazu o. S. 168. S. o. S. 103 ff. Vgl. hierzu schon o. S. 49. S. o. S. 98.

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maßnahme zumutbar ist (anknüpfend an Deutsch431 hier »Prinzip des angemessenen Ausgleichs« genannt) 432 . Da es so schwierig ist, in den Fällen der §§ 305 AktG, 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG eine punktgenaue Entschädigung zu ermitteln, da diese Bewertungsschwierigkeiten tendenziell zu Lasten der Aktionäre gehen würden, und weil die Überzeugungskraft des von den §§ 305 AktG, 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG verfolgten »Dulde, aber liquidiere« in hohem Maße davon abhängt, dass die Aktionäre einen vollen Ausgleich erhalten – kurzum: wegen aller Gründe, die für das verfassungsrechtliche Gebot des ungeteilten Ausgleichs sprechen –, ist der Eingriff gem. §§ 305 AktG, 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG den außenstehenden Aktionären nur zumutbar, wenn diese nicht nur einen vollen, sondern auch einen ungeteilten Ausgleich erhalten433 . Zweiter Begründungsstrang für dieses einfach-gesetzliche Prinzip des ungeteilten Ausgleichs ist ein weiteres allgemeines Prinzip des Privatrechts: Von der Eingriffskondiktion und aus dem Immaterialgüterrecht bekannt ist der Gedanke, dass derjenige, der bewusst in das Persönlichkeits- oder Immaterialgut eines anderen eingreift und hierdurch schadensersatz- bzw. herausgabepflichtig wird, gegen den Anspruch nicht soll einwenden dürfen, der Schaden bzw. die gezogenen Vorteile seien nicht berechenbar434 . In diesen Fällen schuldet der Ersatzpflichtige, was er hätte zahlen müssen, hätte er den Rechtsinhaber vor dem Eingriff um Erlaubnis gebeten; er schuldet Schadensersatz oder Herausgabe des Erlangten auf der Basis einer fiktiven Lizenzgebühr435 . Ein solcher Eingriff in ein Gut, dessen Schadensfolgen nur schwer zu bestimmen sind, liegt auch in den Fällen der §§ 305 AktG, 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG vor. Basis dieser »fiktiven Lizenzgebühr« muss der volle Aktienwert sein436 . Zwar usurpiert der Mehrheitsaktionär lediglich vorübergehend das Stimmrecht der Minderheitsaktionäre zur Strukturmaßnahme437. Hierfür existiert aber kein Markt, so dass die Berechnung einer lediglich auf das Zustimmungsrecht bezogenen »fiktiven Lizenzgebühr« mit den erwähnten Bewertungsproblemen behaftet wäre. Dass die §§ 305 AktG, 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG Ersatz für den 431

Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, 2. Aufl. 1996, Rn. 742; Deutsch, FS Steffen, 1995, 101,

118. 432 BGHZ 58, 149, 160; inzident auch BGHZ 28, 225, 232 f. (beide zur Frage, ob angemessener Ausgleich oder Schadensersatz zu gewähren sei). 433 Vgl. zur Heranziehung des genannten aufopferungsrechtlichen Prinzips im Rahmen der Begründung des »Prinzips des ungeteilten Ausgleichs« auch schon o. S. 98. 434 Vgl. dazu Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, 13. Aufl. 1994, § 73 I 5 i = S. 307 f. (zur ungerechtfertigten Bereicherung). 435 Vgl. (im Ergebnis) BGHZ 20, 345, 355 (Paul Dahlke); BGHZ 82, 299, 307 f.; von Caemmerer, FS Rabel, Bd. 1, 1954, 333, 356; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, 13. Aufl. 1994, § 73 I 5 i = S. 307. 436 Dazu dass der abfindungsberechtigte Aktionär in diesem Fall nicht einwenden kann, er hätte aufgrund einer günstigen Verhandlungsposition einen Veräußerungserlös erzielen können, der über dem Wert der Aktie gelegen hätte, s. o. S. 181 sowie Fleischer, ZGR 2002, 757, 762 (Holdout-Problematik). 437 S. o. S. 176 f.

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gesamten Aktienwert vorsehen, fügt sich daher problemlos in das System privatrechtlicher Kompensationsverpflichtungen ein. Hiermit ist ebenfalls die oben geäußerte Vermutung bestätigt worden, dass sich das »Prinzip der vollen Abfindung« aus allgemein zivilrechtlichen Grundsätzen herleiten lässt 438 . Die Art und Weise, wie die Abfindung abgewickelt wird, erinnert unter diesem Gesichtspunkt an die aus dem allgemeinen Schadensersatzrecht wohl bekannte Prozedur des Restwertes439. Aus Praktikabilitätsgründen wird hier der Schadensersatzanspruch auf den vollen Wert der beschädigten Sache erweitert, ohne dass es letztlich zu einer Überkompensation kommt, weil der Schadensersatzgläubiger seine Sache mit Restwert dem Schuldner überträgt. Solche Praktikabilitätsgründe spielen auch beim Abfindungsrecht eine Rolle: Aufgrund der oben skizzierten Bewertungsschwierigkeiten ist es viel einfacher, eine ungeteilte Abfindung im Gegenzug für die Anteile der außenstehenden Aktionäre zu gewähren. Die Rechtsfolgenanordnung der §§ 305 AktG, 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG bewegt sich somit völlig im Rahmen der aufopferungsrechtlichen Dogmatik. Sie ist ein Paradebeispiel für das Zusammenspiel von allgemeinem Privatrecht, Aufopferungsrecht (das »Prinzip des angemessenen Ausgleichs«), speziell abfindungsrechtlichen Prinzipien (Prinzip der vollen Abfindung) und verfassungsrechtlichen Grundsätzen (Prinzip der vollen Entschädigung). cc) Zwischenergebnis Die Abfindungsansprüche sind somit sowohl in den Fällen der §§ 320b, 327a, 305 AktG, 39a WpÜG als auch in denen der §§ 29, 122i 207 UmwG und §§ 7, 9, 12 SEAG auf die Entschädigung einer Einbuße gerichtet. g) Begünstigtenhaftung Nicht einfach zu beantworten ist schließlich die Frage, ob die Abfi ndungsansprüche dem Prinzip der Begünstigtenhaftung folgen, ob also stets der Begünstigte des Eingriffs Abfindung schuldet. aa) §§ 320b, 327a AktG, 39a WpÜG Unproblematisch erfüllt ist das Prinzip der Begünstigtenhaftung erneut in den Fällen der §§ 320b, 327a AktG, 39a WpÜG. Abfindungsschuldner ist der Mehrheitsaktionär, auf den die Aktien kraft Gesetzes übergehen440 . Dies ist der Begünstigte der Strukturmaßnahme.

438 439 440

S. o. S. 108. Dazu etwa Heinrichs, in Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 249 Rn. 24. S. nur OLG Düsseldorf AG 2005, 538, 540 (Hypobank/Brau und Brunnen).

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bb) § 305 AktG Gleiches gilt für § 305 AktG: Denn Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag begünstigen über die §§ 291 III, 308 AktG sowie die Gewinnabführung stets den Vertragspartner. Dieser ist Abfindungsschuldner. cc) §§ 29, 207 UmwG: Das Prinzip der mittelbaren Begünstigtenhaftung Auch in den Fällen der §§ 29, 207 UmwG ist das Prinzip der Begünstigtenhaftung erfüllt. Begünstigt ist bei der Verschmelzung und Spaltung zur Aufnahme der aufnehmende Rechtsträger, der seine (wirtschaftliche) Neugründung der Umwandlung verdankt. Dieser ist abfindungspflichtig. Auch bei der Verschmelzung und Spaltung zur Neugründung ist Abfindungsschuldner der neue Rechtsträger (§§ 36 I 2, 1. Hs., 135 I 2, 1. Hs. UmwG), also derjenige, der seine Entstehung (diesmal auch rechtlich gesehen) auf die Umwandlung zurückführt. Entsprechendes gilt für den Formwechsel: Hier ist der Rechtsträger abfindungspflichtig, der infolge des Umwandlungsbeschlusses wirtschaftlich neu gegründet wird. Diese Betrachtungsweise weckt gleichzeitig Zweifel. Die Vorteile etwa von konzerninternen Verschmelzungen genießt vor allem der herrschende Rechtsträger. Er profitiert von Synergieeffekten, er leitet Geschäftschancen auf sich bzw. einen von ihm beherrschten Rechtsträger um – er ist es schließlich, der in solchen Fällen die gesamte Umwandlung veranlasst. Müsste nach dem Prinzip der Begünstigtenhaftung daher nicht der herrschende Aktionär Abfindungsschuldner sein? Ein solcher Blick wäre verkürzt. Jedenfalls bei der »Verschmelzung unter Gleichen« (merger of equals) kommen die Vorteile der Verschmelzung – neben den bereits genannten Synergieeffekten etwa die Diversifizierung der Produktpalette etc. – keineswegs nur dem Mehrheitsaktionär der übertragenden Gesellschaft zugute, sondern auch den übrigen Aktionären der aufnehmenden Gesellschaft. Diesen Gedanken kann man grundsätzlich auf jede Umwandlung übertragen: Die meisten Vorteile einer Umwandlung fallen unmittelbar beim neuen Rechtsträger an, mittelbar bei seinen Anteilseignern. Die Anteilseigner einzeln abfindungspflichtig zu machen, wäre jedoch äußerst unpraktikabel441. Man könnte sie wegen der teilweise astronomischen Abfindungssummen kaum gesamtschuldnerisch haften lassen, ein Innenausgleich wäre kaum durchführbar; bei Teilschuldnerschaft entstünden wiederum unüberbrückbare Rechtsverfolgungsprobleme für die abfindungsberechtigten Aktionäre. Wenn stattdessen der übernehmende Rechtsträger an Stelle der Gesellschafter haftet, so erfüllt die Gesellschaft insofern ihre typische Funktion als »verdinglichtes Zentrum eines Netzes von Verträgen (nexus of contracts)«442 . Rechtsbeziehungen, die 441

Vgl. im Zusammenhang mit § 5 EGAktG auch Zöllner/Noack, AG 1991, 157, 150; Zöllner/ H. Hanau, AG 1997, 206, 218; zust. Löwe/Thoß, ZIP 2002, 2075, 2077 Fn. 22. 442 Dazu Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, 1991, S. 12 et passim; Hansman/Kraakman in Kraakman/Davies/Hansman/Hertig/Hopt/Kanda/Rock, The Anatomy of Corporate Law, 2004, S. 1, 6 f. Zur Rezeption und Wirkung dieser Lehre im US-

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eigentlich zwischen den Aktionären bestehen, werden zur Vereinfachung auf die Gesellschaft bezogen. Dies senkt Transaktionskosten, die verhindern würden, dass effizienzsteigernde Strukturveränderungen stattfinden. Gleichzeitig garantiert die Schuldnerstellung des Rechtsträgers, dass das Prinzip der Begünstigtenhaftung erfüllt wird: Die Anteilseigner partizipieren an den Strukturvorteilen der Umwandlung exakt in dem Maße, in dem sie am Rechtsträger beteiligt sind. In diesem Maße haften sie wirtschaftlich gesehen für die Abfindung. Man kann insofern von einer durch den übernehmenden Rechtsträger vermittelten Begünstigtenhaftung sprechen. Diese Rechtsfolge der §§ 29, 207 UmwG setzt das aufopferungsrechtliche Prinzip der Begünstigtenhaftung besonders intelligent um: Anstatt bei der konzerninternen Verschmelzung den herrschenden Aktionär nach dem Prinzip »alles oder nichts« haften zu lassen, kommen die §§ 29, 207 UmwG über ihr Konzept der durch den Rechtsträger vermittelten Begünstigtenhaftung zu einer wirtschaftlichen Haftung des herrschenden Aktionärs in dem Maße, in dem er von der Verschmelzung profitiert. Sämtliche der oben genannten Praktikabilitätsprobleme einer direkten Haftung der Gesellschafter werden vermieden. Es gibt allerdings Vorteile, die sich nicht proportional auf die einzelnen Gesellschafter verteilen. Beim Formwechsel einer AG in eine GmbH etwa gewinnt der Mehrheitsaktionär gegenüber den anderen Gesellschaftern relativ an Einfluss, weil die Gesellschafterversammlung der GmbH im Vergleich zur Hauptversammlung in der AG eine größere Bedeutung hat und insbesondere die Leitungsmacht an sich ziehen kann (§ 37 I GmbHG). Außerdem kann der Mehrheitsaktionär – wie oben bereits erwähnt – überproportional davon profitieren, dass aus einer Verschmelzung oder Spaltung Synergieeffekte mit einem von ihm beherrschten Rechtsträger entstehen oder dass er Geschäftschancen der AG auf einen von ihm beherrschten Rechtsträger überleitet. In all diesen Fällen werden die Vorteile der Mehrheit nicht durch eine entsprechend höhere Abfindungspflicht kompensiert. Gerät das Prinzip der mittelbaren Begünstigtenhaftung dadurch ins Wanken? Zunächst ist zu bedenken, dass sich die überproportionalen Vorteile des Mehrheitsgesellschafters in solchen Fällen kaum beziffern lassen, so dass ein nur von ihm aufzubringender Teil der Abfindung schon praktisch kaum zu verwirklichen wäre. Vor allem aber führt in diesen Fällen schon das ökonomisch vernünftige Verhalten der Minderheitsaktionäre zum angemessenen Ergebnis: Befürchten sie aufgrund der Umwandlung eine Machtverschiebung zu ihren Lasten, werden sie der Umwandlung nicht zustimmen und – sofern sie die Umwandlung mangels Stimmanteils nicht verhindern können – gegen Barabfindung ausscheiden. Dann aber wird die Abfindung wirtschaftlich gesehen allein von dem oder den verbleiamerikanischen Gesellschaftsrecht zusf. Allen, 50 Wash. & Lee L. Rev. 1395, 1400 (1993). Aus deutscher Sicht Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 685 f.; Schanze, AcP 207 (2007), 275, 279; Zöllner, AG 2003, 2, 9 f.; kritisch Wiedemann, ZGR 2006, 240, 243. Grundlegende ökonomische Vorarbeiten stammen von Alchian/Demsetz, 62 Am. Econ. Rev. 777 (1972); Jensen/Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305 (1976).

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benden unternehmerisch interessierten (Mehrheits-)Gesellschaftern getragen (rechtlich vermittelt durch die Haftung des Rechtsträgers). Das Prinzip der Begünstigtenhaftung ist damit gewahrt. Dieser Aspekt der mittelbaren Begünstigtenhaftung überzeugt auch aus rechtsökonomischer Perspektive. Würde nur der Großaktionär Abfindung schulden, obwohl andere Anteilseigner von der Umwandlung profitieren, sänken seine Anreize, nach effizienterer Nutzung seines Kapitals zu suchen. Darüber hinaus verhindert die mittelbare Haftung aller Profiteure, dass einzelne Gesellschafter eine Trittbrettfahrerposition anstreben, sich also niemand bereit fände, die für viele Anteilsinhaber günstige Strukturmaßnahme zu finanzieren – auch hier können Parallelen zur ökonomischen Analyse des Enteignungsrechts gezogen werden443 . Im Prinzip der mittelbaren Begünstigtenhaftung wirken schließlich auf sehr interessante Weise ein Moment der generalisierenden und ein Moment der individualisierenden Tendenz der Gerechtigkeitsidee zusammen444 : Bei der Frage, ob ein abfindungsauslösender Eingriff vorliegt – eine »Beeinträchtigung« in der Terminologie des Aufopferungsrechts – generalisiert das Gesetz und geht von einer hinreichenden Beeinträchtigung aller Aktionäre aus. Jeder Aktionär hat die Möglichkeit, gem. §§ 29, 207 UmwG aus der AG auszusteigen. Die notwendige Feinsteuerung geschieht auf der Rechtsfolgenebene: Indem die Aktionäre die Wahl haben, ob sie in der neuen Gesellschaft verbleiben, können sie selbst entscheiden, ob sie versuchen, von der Umwandlung zu profitieren. Nachdem jeder Aktionär seine Entscheidung getroffen hat, kommt es idealerweise zu einer bestmöglichen Verteilung der durch die Umwandlung geschaffenen Möglichkeiten: Diejenigen, die von dem Verbleib in der Gesellschaft stärker profitieren als von einer Neuausrichtung ihres Investments, bleiben in der Gesellschaft und tragen wirtschaftlich gesehen (rechtlich vermittelt durch ihre Gesellschaft) die Entschädigung. Die Aktionäre, für die sich die Umwandlung nicht nur typischerweise, sondern auch in concreto als Verlustgeschäft darstellen würde, erhalten eine Barabfindung. dd) § 12 SEAG Die Ausführungen zu § 207 UmwG lassen sich auf § 12 SEAG übertragen. Zwar schuldet hier die SE die Abfindung. Durch die Selbstselektion der Aktionäre aufgrund der Ausübung ihres Abfindungsrechts kommt es jedoch zu einer mittelbaren Begünstigtenhaftung der in der Gesellschaft verbleibenden Anteilsinhaber. ee) §§ 7, 9 SEAG Besonderheiten ergeben sich bei der Regelung der §§ 7, 9 SEAG. Relativ einfach zu überkommen sind noch die Unstimmigkeiten, die § 7 SEAG in das System einfügt. 443 Vertiefend dazu Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 4. Aufl. 2005, S. 575 ff. m. w. N. 444 Zu den Begriffen o. S. 10 ff.

188

§ 6 Entwicklung des Systems

Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 7 I 1 SEAG (»hat eine übertragende Gesellschaft«) und den klaren Vorstellungen des Gesetzgebers (dazu sogleich) richtet sich der Abfindungsanspruch abweichend von § 29 UmwG nicht gegen die übernehmende SE, sondern die übertragende AG. Der Grund hierfür ist jedoch nicht in abweichenden Vorstellungen über das dem § 7 SEAG zugrunde liegende Abfindungskonzept zu sehen, sondern allein darin, dass der deutsche Gesetzgeber nicht die Pflichten der ausländischen SE regeln konnte445 . Art. 24 II SE-VO ermächtigt nämlich nur zum Erlass von minderheitsschützenden Vorschriften »in Bezug auf die sich verschmelzenden Gesellschaften, die seinem Recht (dem des Mitgliedstaats, Anm. d. Verf.) unterliegen«. Darüber hinaus geht die Abfi ndungspflicht am Ende der Verschmelzung nach §§ 5 ff. SEAG ohnehin auf die übernehmende SE über (Art. 29 SE-VO), was auch der deutsche Gesetzgeber im Zusammenhang mit § 7 SEAG ausdrücklich betont446 . Da die Verschmelzungsfälle des § 7 SEAG insoweit im Ergebnis also immer denen des § 29 UmwG entsprechen und dies vom Gesetzgeber im Rahmen seiner begrenzten Regelungsermächtigung exakt so gewollt war, ist § 7 SEAG nicht Ausnahme, sondern Bestätigung des Prinzips der (mittelbaren) Begünstigtenhaftung. Gleiches gilt im Ergebnis für § 9 SEAG, wenngleich hier mehr Begründungsaufwand erforderlich ist. Nach dem Prinzip der mittelbaren Begünstigtenhaftung müsste eigentlich die übernehmende Holding-SE (bzw. deren Gesellschafter) Abfindung schulden. Sie ist schließlich Mehrheitsgesellschafterin der unter ihrem Dach stehenden Gründungsgesellschaften, sie kann Geschäftschancen umverteilen, stille Reserven abbauen und so fort. Gem. § 9 SEAG richtet sich der Abfindungsanspruch jedoch gegen die Gründungs-AG. Da diese Gesellschaft – anders als im Falle des § 7 SEAG – nicht im Zuge der Transaktion erlischt, wird die Abfindungspflicht auch nicht notwendigerweise auf die Holding-SE übergehen. Trotzdem bedeutet dies keine Ausnahme vom Prinzip der mittelbaren Begünstigtenhaftung, sondern lediglich eine »Holding-spezifische« Besonderheit: Können die dissentierenden Aktionäre gegen Barabfindung aus der AG ausscheiden, dann tragen die wirtschaftlichen Folgen – entsprechend dem soeben dargestellten Prinzip der mittelbaren Begünstigtenhaftung – die Holding-SE sowie die Minderheitsaktionäre, die in der Gründungs-AG verbleiben. Richtet man hier zunächst den Blick auf die Holding-SE, dann ist auch sie wiederum nichts anderes als ein »verdinglichtes Netz von Verträgen«, an dem die ehemaligen Gesellschafter der Gründungsgesellschaften beteiligt sind. Sie entschädigen letztlich also doch die dissentierenden Aktionäre. Der einzige Unterschied zu den Fällen der §§ 29, 207 UmwG besteht darin, dass die Begünstigtenhaftung hier nicht durch einen Rechtsträger vermittelt wird, sondern durch zwei Rechtsträger, die GründungsAG und die Holding-SE.

445 446

Etwa Brandes, AG 2005, 177, 180; Neye/Teichmann, AG 2003, 169, 172. Begr. RegE SEEG BT-Drucks. 15/3405, S. 33.

B) Dogmatische Einordnung des Abfi ndungsanspruch in das Zivilrecht

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Zwar gilt das Gleiche für die in der Gründungsgesellschaft verbleibenden Minderheitsaktionäre, die auf den ersten Blick nicht als Begünstigte, sondern als Verlierer der Transaktion erscheinen. Insoweit kann aber auf den bereits oben geäußerten Gedanken des rationalen Aktionärsverhaltens verwiesen werden. Entsprechend der in § 9 SEAG geregelten besonderen Struktur (Holding-Konstruktion) haben die Aktionäre der Gründungsgesellschaft hier nicht nur die Möglichkeit, gegen Barabfindung aus der AG auszuscheiden oder in die SE überzuwechseln, sondern können in der Untergesellschaft verbleiben, falls sie meinen, dass ihre Anteile hier am meisten wert sind. Dies ist nichts anderes als das bereits erwähnte Prinzip der Feinsteuerung, das das Prinzip der Begünstigtenhaftung nicht in Frage stellt, sondern auf besonders geschickte Weise verwirklicht447. Wer sich durch die Gründung der Holding-SE ausgebeutet fühlt, wird in die Holding-SE wechseln oder gegen Barabfindung aus der AG ausscheiden. Die Entschädigungspflicht trifft über die Vehikel Gründungsgesellschaft und Holding-SE genau diejenigen, die meinen, aus der Transaktion einen Vorteil zu ziehen. ff) § 122i UmwG Für § 122i UmwG gelten die Ausführungen zu § 7 SEAG entsprechend. Auch hier ist es dem deutschen Gesetzgeber verwehrt, die Haftung des übernehmenden Rechtsträgers mit Sitz im Ausland für die Abfindungsansprüche der dissentierenden Aktionäre des übertragenden Rechtsträgers festzulegen. Daher beschränkt sich § 122i UmwG darauf, die Haftung der übertragenden Gesellschaft vorzuschreiben. Durch die Gesamtrechtsnachfolge aller Rechte und Verbindlichkeiten auf den übernehmenden Rechtsträger [Art. 14 I lit. a) internationale VerschmelzungsRiLi] kommt es im Ergebnis aber doch zu einer mittelbaren Begünstigtenhaftung der Gesellschafter des übernehmenden Rechtsträgers. gg) Zwischenergebnis Als – für die Einordnung der Abfindungsansprüche als Aufopferungsansprüche wichtiges – Zwischenergebnis lässt sich nach alledem festhalten: Die aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche folgen dem Prinzip der Begünstigtenhaftung. Wie schon bei der aufopferungstypischen Usurpation erkennt man aber, dass einige Abfindungsansprüche dem Paradigma des Aufopferungsrechts besser entsprechen als andere. In Reinform verwirklicht ist das Prinzip der Begünstigtenhaftung in den §§ 305, 320b, 327a AktG, 39a WpÜG, wo die Abfindungspflicht denjenigen trifft, der den Zuwachs an Rechten verzeichnet. In den Fällen der §§ 29, 207 UmwG, 12 SEAG gilt dagegen das Prinzip der mittelbaren Begünstigtenhaftung: Die (wirtschaftliche) Haftung der durch die Umwandlung begünstigten Aktionäre wird durch die (rechtliche) Haftung des Rechtsträgers vermittelt. Dasselbe gilt im Falle der §§ 7 SEAG, 122i UmwG, wo sich die Haftung 447

S. soeben S. 185 ff.

190

§ 6 Entwicklung des Systems

der übertragenden AG allein aus kompetenzrechtlichen Gründen erklärt und wegen der Universalsukzession gem. §§ 5 ff. SEAG (Art. 29 SE-VO) bzw. Art. 14 I lit. a) internationale VerschmelzungsRiLi dasselbe Ergebnis erzielt wird wie bei §§ 29, 207 UmwG. Am weitesten entfernt von der aufopferungstypischen Begünstigtenhaftung ist § 9 SEAG, wo die (wirtschaftliche) Haftung der begünstigten Aktionäre zweifach vermittelt wird: durch die (rechtliche) Haftung der AG und darauf beruhend die (wirtschaftliche) Haftung der Holding-SE. h) Ergebnis Die vorstehende Prüfung hat ergeben, dass die aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche alle typischen Merkmale des Aufopferungsrechts erfüllen. Sie entsprechen sogar solchen Voraussetzungen, die nicht einmal von der herrschenden Meinung als notwendig (dennoch als typisch) für die Einordnung als Aufopferungsanspruch angesehen werden, so die Merkmale des ausgeschlossenen Abwehrrechts, der Rechtmäßigkeit des Eingriffs, des Rechts zum Eingriff, der Finalität und der Entschädigung für eine Einbuße. Die Arbeitshypothese, die aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche seien dogmatisch als Aufopferungsansprüche einzuordnen, ist durch die vorstehenden Überlegungen verifiziert worden. Sie soll daher den weiteren Schritten des »Kreisganges« zugrunde gelegt werden448 .

IV) Reflexion Vor überstürzten Schlüssen aus dieser Zuordnung ist allerdings zu warnen. Dies gilt aus zwei Gründen: 1) Abstufung der aufopferungsrechtlichen Charakteristika im Abfindungsrecht Zunächst wurde deutlich, dass einige Abfindungsansprüche dem aufopferungsrechtlichen Paradigma besser entsprechen als andere449. Für die Systembildung erhebliche Unterschiede ergaben sich bei den Merkmalen »Usurpation«, »Entschädigung für eine Einbuße« und »Begünstigtenhaftung«: Die §§ 320b, 327a AktG, 39a WpÜG regeln eine dauerhafte Rechtsverschiebung im Hinblick auf die Aktie und lassen den hierdurch Begünstigten für den Verlust der Minderheitsaktionäre haften. § 305 AktG regelt ebenfalls eine dauerhafte (für die Vertragslaufzeit angelegte) Rechtsverschiebung hinsichtlich bestimmter Verwaltungs- und Vermögensrechte (§§ 308, 291 III AktG) und lässt den hierdurch Begünstigten nach dem Prinzip des ungeteilten Ausgleichs für den Rechtsverlust der Aufopferungsgläubiger haften. Die §§ 29, 207 UmwG, 12 SEAG regeln einen Fall, in dem sich die Mehrheit die Stimmrechte der Minderheit vorübergehend aneignet, um diese zum Abschluss 448 449

S. o. S. 17. S. bereits o. S. 180 und S. 190.

B) Dogmatische Einordnung des Abfi ndungsanspruch in das Zivilrecht

191

eines neuen Gesellschaftsvertrags zu zwingen, und lässt diese Mehrheit vermittelt durch einen Rechtsträger nach dem Prinzip des ungeteilten Ausgleichs für den Rechtsverlust der Minderheit haften. Dem entsprechen § 7 SEAG sowie § 122i UmwG, wenngleich hier die mittelbare Begünstigtenhaftung durch den übertragenden Rechtsträger und – nach einer Gesamtrechtsnachfolge – sodann durch den übernehmenden Rechtsträger vermittelt wird. § 9 SEAG regelt »nur« nach der ausdrücklichen Gesetzesbegründung einen Usurpationskonflikt, folgt dem Prinzip des ungeteilten Ausgleichs und einer zweifach vermittelten Begünstigtenhaftung. Eine auf Systemstimmigkeit angelegte Analyse darf diese Abstufung nicht ignorieren. Aus dem Aufopferungsrecht gewonnene Argumente haben unter dem Gesichtspunkt der Systemgerechtigkeit eine umso höhere Wirkung, je stärker ein Abfindungsanspruch dem Aufopferungsrecht entspricht. Die §§ 320b, 327a AktG, 39a WpÜG weisen die stärksten Übereinstimmungen auf, sie erscheinen geradezu als Paradigmen eines zivilrechtlichen »Dulde, aber liquidiere«. Dasselbe gilt für § 305 AktG, bei dem das herrschende Unternehmen freilich nicht die Aktien der außenstehenden Aktionäre usurpiert, wohl aber deren wichtigste Mitverwaltungsund Vermögensrechte. Die §§ 29, 122i, 207 UmwG sowie §§ 7, 12 SEAG lassen sich ebenfalls als Aufopferungsansprüche verstehen, wenngleich der Usurpationstatbestand (vorübergehende Aneignung der Stimmrechte) nicht ebenso in Reinform verwirklicht ist wie bei den §§ 305, 320b, 327a AktG, 39a WpÜG und die Begünstigtenhaftung durch den Rechtsträger vermittelt wird. Hier werden aus dem Aufopferungsprinzip abgeleitete Argumente also in geringerem Maße durch das Gebot der Systemgerechtigkeit unterstützt, denn die Gemeinsamkeiten von Abfindungs- und Aufopferungsrecht sind schwächer. Am weitesten entfernt vom typischen Aufopferungsfall ist schließlich § 9 SEAG, bei dem der Usurpationsgedanke nur unter Rekurs auf die Gesetzesbegründung erkennbar ist und der dem Konzept einer zweifach vermittelten Begünstigtenhaftung folgt. All dies lässt sich in tabellarischer Form wie folgt zusammenfassen:

192 Abfindungsanspruch

§ 6 Entwicklung des Systems

Usurpation

Ausgleich für Einbuße

Begünstigtenhaftung

Gewicht aufopferungsrechtlicher Argumente kraft Systemgerechtigkeitspostulat

§§ 320b, 327a Dauerhafte AktG, 39a RechtsverschieWpÜG bung (Aktie)

+

+

sehr hoch

§ 305 AktG

Dauerhafte Rechtsverschiebung (bestimmte Vermögens- und Verwaltungsrechte), zusätzlich: Vorübergehende Aneignung des Stimmrechts; Zwang zum Abschluss eines neuen Gesellschaftsvertrags

Prinzip des ungeteilten Ausgleichs

+

sehr hoch

§§ 29, 207 UmwG

Vorübergehende Aneignung des Stimmrechts; Zwang zum Abschluss eines neuen Gesellschaftsvertrags

Prinzip des ungeteilten Ausgleichs

Prinzip der weniger hoch mittelbaren Begünstigtenhaftung

§ 12 SEAG

Vorübergehende Aneignung des Stimmrechts; Zwang zum Abschluss eines neuen Gesellschaftsvertrags

Prinzip des ungeteilten Ausgleichs

Prinzip der weniger hoch mittelbaren Begünstigtenhaftung

B) Dogmatische Einordnung des Abfi ndungsanspruch in das Zivilrecht

Abfindungsanspruch

Usurpation

Ausgleich für Einbuße

Begünstigtenhaftung

§ 7 SEAG

Vorübergehende Aneignung des Stimmrechts; Zwang zum Abschluss eines neuen Gesellschaftsvertrags

Prinzip des ungeteilten Ausgleichs

weniger hoch Prinzip der mittelbaren Begünstigtenhaftung (zweifach vermittelt durch übertragenden Rechtsträger und nach Gesamtrechtsnachfolge auf übernehmende SE; dies hat allein kompetenzrechtliche Gründe)

§ 122i UmwG Vorübergehende Aneignung des Stimmrechts; Zwang zum Abschluss eines neuen Gesellschaftsvertrags

Prinzip des ungeteilten Ausgleichs

weniger hoch Prinzip der mittelbaren Begünstigtenhaftung (zweifach vermittelt entsprechend § 7 SEAG; dies hat allein kompetenzrechtliche Gründe)

§ 9 SEAG

Prinzip des ungeteilten Ausgleichs

Prinzip der kaum mittelbaren Begünstigtenhaftung (soweit es um die Gesellschafter der Holding-SE geht: zweifach vermittelt durch AG und HoldingSE)

Zwang zur Investition des in der Aktie verkörperten Kapitals in die Holding-SE (nur kraft gesetzgeberischer Wertung; systematisch sehr zweifelhaft!)

193

Gewicht aufopferungsrechtlicher Argumente kraft Systemgerechtigkeitspostulat

2) Argumentationsgewicht aufopferungsrechtlicher Prinzipien Erhalten aufopferungsrechtliche Gedanken im System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche daher von vornherein ein unterschiedliches Gewicht, darf man ferner nicht verkennen, dass das Aufopferungsprinzip lediglich eine bestimmte Form der Konfliktlösung ist, aber für sich genommen nicht besagt, wann ein Eingriff unzumutbar ist und daher entschädigt werden sollte. Allein mit der Einordnung der §§ 305, 320b, 327a AktG, 39a WpÜG, 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG als Aufopferungsansprüche ist insbesondere nichts dar-

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§ 6 Entwicklung des Systems

über gewonnen, wann der Aktionär eine grundsätzlich abwehrbare Maßnahme zu dulden hat und folglich Abfindung verlangen kann. Dies mag Bedenken entgegenwirken, die gerade gegen die Übertragung sachenrechtlicher Rechtsfiguren auf das Aktienrecht formuliert werden450 . So geht es bei der Einordnung des Abfindungsanspruchs als Aufopferungsanspruch nicht darum, die in der Gesetzesbegründung zum AktG 1965 gebrauchte Figur des »wirtschaftlichen Eigentümers«451 wiederzubeleben, sondern nur um die Einordnung des Abfindungsrechts in eine Gruppe von Normen des Wirtschaftsrechts, die Interessenkonflikte nach demselben Prinzip lösen, dem Aufopferungsprinzip. Diese Einordnung schließt es keineswegs aus, die einschlägigen Interessenkonflikte gleichwohl unter gesellschaftsrechtlichen Aspekten zu würdigen452 . Das Aufopferungsprinzip ist kein speziell sachenrechtliches Prinzip, wie die Bandbreite aufopferungsrechtlicher Normen gezeigt hat453 .

V) Ausblick Gleichwohl darf man erwarten, dass das Aufopferungsprinzip helfen wird, Lösungen für konkrete abfindungsrechtliche Probleme zu finden. 1) Begünstigtenhaftung und der Begriff der außenstehenden Aktionäre So ist bereits jetzt zu vermuten, dass das Prinzip der Begünstigtenhaftung ebenso für den Begriff der außenstehenden Aktionäre fruchtbar gemacht werden kann wie die Tatsache, dass aufopferungsrechtliche Normen nur eingreifen, wenn ein Interessenkonflikt geregelt werden muss454 . 2) Usurpationsgedanke, Kontrahierungszwang und voller Ausgleich Einen solchen Dienst kann auch der Usurpationsgedanke erweisen: So wurde bereits oben auf den immer wieder im Zusammenhang mit dem Abfindungsrecht angeführten Einwand hingewiesen, die Aktionäre könnten ihre Anteile doch frei 450 Vgl. insbesondere Wiedemann, Gesellschaftsrecht 1980, § 2 I 2 b = S. 199, § 12 III 1 = S. 701. Aus australischer Sicht nach dem berühmten Gambotto-Urteil interessant Bird, 22 Melbourne University Law Review 131 (1998); s. dazu noch u. S. 340 ff. 451 RegE zum AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 14; kritisch zu diesem Begriff etwa Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, Vor §§ 118–147 Rn. 189. 452 Zur Konkretisierung von Prinzipien durch neue Wertungen vgl. ganz allgemein auch o. S. 7 f. u. S. 9. Vgl. hingegen die Bedenken von Wiedemann, Gesellschaftsrecht 1980, § 12 III 1 = S. 701 bezüglich der Übertragung von auf Zwei-Personen-Verhältnisse zugeschnittenen Konfliktlösungsmodellen auf das Gesellschaftsrecht. Eine Modifikation des Aufopferungsprinzips als klassisches Modell zur Lösung von Interessenkonfl ikten in Zwei-Personen-Verhältnissen zeigte sich bereits oben im Rahmen des Begünstigtenprinzips (vgl. die durch die Beteiligung am Rechtsträger vermittelte Begünstigtenhaftung). 453 Dazu o. S. 161 ff. 454 Dazu noch u. S. 370.

B) Dogmatische Einordnung des Abfi ndungsanspruch in das Zivilrecht

195

veräußern455 . Dass der Aktionär grundsätzlich das Risiko der erschwerten, ausgeschlossenen oder gestörten Veräußerbarkeit seiner Aktie tragen muss (Ausnahme in § 180 II AktG), ist ein (zutreffender) Allgemeinplatz 456 . Er ergibt sich daraus, dass der Aktionär sein Kapital der AG dauerhaft zur Verfügung stellt (vgl. §§ 57, 62 AktG) und sich für einen Austritt aus der AG daher grundsätzlich auf die Veräußerungsmöglichkeit der Aktie verlassen muss457. Warum es dann Abfindungsfälle gibt, erscheint unverständlich. Helfen kann der Usurpationsgedanke. Mit dem Hinweis auf die grundsätzliche Veräußerungsfähigkeit der Aktien kann man zwar erklären, dass der Anleger das »allgemeine Kursrisiko« tragen muss, das sich aufgrund der Delegation von Entscheidungsmacht an die Verwaltung und an die Mehrheit der Aktionäre ergibt. Wenn das Gesetz aber der Aktionärsmehrheit aus besonderen Gründen das (Eingriffs-)Recht gestattet, die Mitgliedschaft der außenstehenden Aktionäre zu usurpieren, so ist diese Risikoverteilung gänzlich unangemessen458 : Zwingt der Mehrheitsaktionär die dissentierenden Aktionäre dazu, ihr in der Aktie verkörpertes Kapital in eine andere Gesellschaft zu investieren, so bedeutet dies (wirtschaftlich gesehen) nichts anderes als einen Kontrahierungszwang459 : Die Minderheitsaktionäre werden (wirtschaftlich gesehen) gezwungen, einen neuen Gesellschaftsvertrag abzuschließen und das in ihren Aktien verkörperte Kapital in die zu gründende Gesellschaft einzubringen. Akzeptiert man dieses Zwischenergebnis, dann ist es ein geradezu elementares Gerechtigkeitsgebot, dass die Mehrheit die Minderheitsaktionäre so zu stellen hat, wie sie bei einem freiwillig abgeschlossenen Vertrag stehen würden. Die Abfindungshaftung entpuppt sich somit als Fall der Quasi-Vertragshaftung, die z. B. im Bereicherungsrecht im Gewand der Quasi-Vertragskondition erscheint460 . Verfolgt man diesen Gedanken weiter, dann ist der Schritt zur »DAT/Altana«Rechtsprechung und dem Börsenkurs als Untergrenze der Abfindung nicht weit: Welchen Preis die Aktionärsmehrheit für die Usurpation einer börsennotierten Aktie hätte zahlen müssen, gibt nämlich gerade der Börsenkurs an461. Der bekannte Satz, der Aktionär »dürfe jedenfalls nicht weniger erhalten, als er bei freier Deinvestitionsentscheidung zum Zeitpunkt des Zustandekommens des Unternehmensvertrags erlangt hätte«462 , erklärt sich daher auch aus Usurpationsgedanken und Quasi-Vertragshaftung. Das heißt nicht notwendigerweise, dass der nach 455

S. o. S. 48. Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 460; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 40 m. w. N.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 7 IV 2 b = S. 401. 457 Dazu Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 488 f., 89 ff. 458 Falsch daher Gesmann-Nuissl, WM 2002, 1205, 1210, die im Hinblick auf den Squeeze-out behauptet, der Minderheitsaktionär sei im Hinblick auf seine »rein spekulative Gewinnerzielungsabsicht nicht schutzwürdig« und müsse »das Risiko des Verlustes (. . .) im Rahmen der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft stets (. . .) tragen«. 459 Andeutung bereits o. S. 176. 460 Grundlegend Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, 13. Aufl. 1994, § 73 II 5 a = S. 319 f. 461 Zu den Prinzipien der ungeteilten Entschädigung und Abfindung s. o. S. 103 ff. u. S. 182 ff. 462 BVerfGE 100, 289, 306 (DAT/Altana), zust. auch BGHZ 147, 108, 121 (DAT/Altana). 456

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§ 6 Entwicklung des Systems

»DAT/Altana«-Grundsätzen maßgebliche Börsenkurs ein Stichtagskurs sein muss.463 Zwar muss der Stichtagskurs nach den obigen Ausführungen Ausgangspunkt der Bewertung sein (§ 305 III 2 AktG). Gleichwohl kann nicht bestritten werden, dass der Börsenkurs von »Rauschen« durchsetzt sein kann. Zur Glättung solcher Einflüsse erscheint ein Durchschnittskurs-Modell durchaus geeignet 464 . Unvereinbar sowohl mit dem Wortlaut des § 305 III 2 AktG als auch mit dem vorbezeichneten Konzept ist es aber – wie kürzlich vom Kammergericht und OLG Stuttgart vorgeschlagen465 –, auf den Durchschnittskurs abzustellen, der sich drei Monate vor der Bekanntgabe der beabsichtigten Strukturmaßnahme gebildet hat. Da die Mehrheit die Rechte der Minderheit erst aufgrund des Beschlusses usurpiert, muss sie der Minderheit nach dem Gedanken der Quasi-Vertragshaftung zahlen, was die Aktien (Prinzip des ungeteilten Ausgleichs) zu diesem Zeitpunkt wert sind466 . Der Gedanke der Quasi-Vertragshaftung bestätigt darüber hinaus, dass das Prinzip der vollen Abfindung ohne verfassungsrechtliche Vorgaben schon aufgrund allgemeinen Gerechtigkeitserwägungen gilt467 und gesellt sich damit neben das aufopferungsrechtliche Prinzip der angemessenen Abfindung und die Grundsätze über die Bereicherungs- und Schadensersatzhaftung beim bewussten Eingriff in Immaterialgüterrechte468 .

463 So aber OLG Düsseldorf ZIP 2000, 1525, 1526 (DAT/Altana IV); Hüttemann, ZGR 2001, 454, 461 ff., 463; Piltz, ZGR 2001, 185, 200; Bilda, JR 2002, 13 f.; für die Eingliederung Bauer, NZG 2001, 1148 (Stichtag der Bekanntgabe der Eingliederung); zwischen Barabfindung und Abfindung in Aktien differenzierend Welf Müller, EWiR 2000, 751, 752. 464 Für Durchschnittskurs-Modelle daher die ganz herrschende Meinung, vgl. (mit Unterschieden hinsichtlich Rückrechnungszeitpunkt und Referenzzeitraum im einzelnen und ohne Anspruch auf Vollständigkeit): BGHZ 147, 108, 118 (DAT/Altana); BayObLGZ 1998, 231, 239 ff. (März/EKU); OLG Frankfurt AG 2003, 581, 582 (Henninger Bräu/Erste Kulmbacher, Henninger Bräu/Gebr. März); OLG Stuttgart AG 2000, 428, 429 (Schwaben Zell/Hannover Papier); LG Dortmund ZIP 2001, 739, 742 (SNI); Behnke, NZG 1999, 934; Bungert, BB 2001, 1163, 1165; Bungert/Eckert, BB 2000, 1845, 1849; Drüke, DB 2000, 713, 714; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 305 Rn. 24e, 24 f; Hüffer, FS Hadding, 2004, 461 ff.; Komp, Zweifelsfragen des aktienrechtlichen Abfindungsanspruchs nach §§ 305, 320b AktG, 2002, S. 388; Luttermann, JZ 1999, 945, 946; Luttermann, ZIP 1999, 45, 51; Luttermann, ZIP 2001, 869, 872; W. Meilicke/Heidel, DB 2001, 973, 974; Mülbert/Winkler, WuB II A. § 304 AktG 1.01, 801, 802; Noack, LM Art. 14 GG Nr. 45, Bl. 1489; E. Vetter, DB 2001, 1346, 1347 ff.; Wilken, ZIP 1999, 1443, 1444; Wilm, NZG 2000, 234, 239. 465 OLG Stuttgart ZIP 2007, 530 (DaimlerChrysler). 466 Ebenso KG ZIP 2007, 75 (DeTeWe II); OLG Hamburg AG 203, 583; OLG Frankfurt AG 2003, 581; OLG Stuttgart AG 2004, 43, 45 (Vereinigte Filzfarben AG/Filzfabrik Fulda GmbH); LG Frankfurt AG 2006, 757, 759 f. (MAN/MAN Roland); a. A. Just/Lieth, NZG 2007, 444; Kocher/Widder, Konzern 2007, 351; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 305 Rn. 104 f.; Pluskat, NZG 2008, 365; Veil in Spindler/Stilz, AktG, 2007, § 305 Rn. 54; de lege ferenda W. Müller, FS Röhricht, 2005, 1015, 1032. Es kann allerdings nicht bestritten werden, dass es de lege ferenda gute Gründe gibt, auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe der Strukturmaßnahme abzustellen. 467 Zu dieser Vermutung o. S. 107. 468 Dazu o. S. 182 ff.

C) Haftungsgrund der Abfi ndungsansprüche

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Auch erhellt der Usurpationsgedanke die rechtspolitische Sinnlosigkeit und Ungerechtigkeit des außerordentlichen Kündigungsrechts aus § 305 V 4 i.V.m. § 304 IV AktG469 : Wenn jemand erlaubterweise ein Rechtsgut usurpiert und dem Rechtsgutsinhaber dadurch einen Schaden zufügt, der sich aufgrund der Beschaffenheit dieses Rechtsguts schwer beziffern lässt, so gehen diese Bewertungsmängel – wie schon mehrfach ausgeführt – nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen gerade nicht zu Lasten des Rechtsgutsinhabers. Sie müssen vom Usurpator getragen werden. 3) Aufoperungsprinzip und Rechtmäßigkeitskontrolle des abfindungsauslösenden Beschlusses Unverkennbar sind schließlich Parallelen der dogmatischen Einordnung unter das Aufopferungsrecht zu dem von Mülbert entworfenen Prinzip des rein vermögensmäßigen Aktionärsschutzes470 . Charakteristikum des Aufopferungsprinzips ist gerade, Bestandsinteressen des Rechtsinhabers aufzuopfern und ihn auf rein vermögensmäßigen Ausgleich zu beschränken. Das Aufopferungsprinzip stützt somit – für den Bereich der Abfindungsansprüche – das von Mülbert entwickelte Konzept. Bereits jetzt kann man daher erahnen, dass Mechanismen zur Rechtmäßigkeitskontrolle des abfindungsauslösenden Beschlusses grundsätzlich mit dem Aufopferungsprinzip nicht vereinbar sind, die wie die materielle Beschlusskontrolle darauf abzielen, die divergierenden Interessen von Mehrheit und Minderheit möglichst zu einem Ausgleich zu bringen, statt eines dieser Interessen dem anderen unterzuordnen471.

C) Haftungsgrund der Abfindungsansprüche Die gesetzliche Rechtsnatur der Abfindungsansprüche führte zu der Erkenntnis, dass sie dogmatisch als Aufopferungsansprüche einzuordnen sind. Die Frage, wann das deutsche Aktien- und Umwandlungsrecht Abfindungsansprüche gewährt und ob es hier einem einheitlichen Prinzip folgt – was also der innere Grund der Abfindungspflicht ist – blieb in den vorigen Abschnitten außer Betracht. Dieser entscheidenden Frage soll die folgende Untersuchung über den Haftungsgrund des Abfindungsanspruchs gewidmet sein.

469 470 471

Dazu schon o. S. 143 ff. Dazu o. S. 47 ff. Dazu noch ausführlich unter S. 345ff.

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I) Begriff des Haftungsgrundes Der Begriff des Haftungsgrundes wird in der Rechtswissenschaft mit unterschiedlichem Inhalt gefüllt. Einem unbefangenen Vorverständnis seines Wortlautes folgend würde man ihn wohl als »Gerechtigkeitsgrund der Haftung« verstehen, also als eine mehr oder weniger abstrakte Formulierung der Gründe, derentwegen ein bestimmter Anspruch entsteht (bei § 823 I BGB etwa die rechtswidrige und schuldhafte Verletzung eines fremden Rechtsguts) 472 . Canaris vertritt dagegen ein engeres Verständnis des Begriffes und ordnet dem Haftungsgrund den »Zurechnungsgrund« bzw. das »Zurechnungsprinzip« bei. Nach Canaris geht es beim Haftungsgrund um die Frage, warum der Gläubiger den Anspruch hat (warum die Rechtsordnung den Gläubiger schützt), beim Zurechnungsgrund darum, warum gerade der Schuldner haftet473 . Da es beim Haftungsgrund nur um ein Instrument geht, um bestimmte Gedanken zu ordnen und zu veranschaulichen, ist keines der oben genannten Verständnisse »besser« oder gar »richtig«474 . Die Frage kann nur lauten, welches Verständnis dem zu erarbeitenden Gedankengang am besten dient. Hier soll unter dem Stichwort des Haftungsgrundes untersucht werden, welche Elemente abfindungspflichtige Strukturmaßnahmen von solchen Veränderungen unterscheiden, bei denen das Gesetz gerade keine Abfindung anordnet. Da die vorliegende Arbeit den Versuch unternimmt, ein System des Abfindungsrechts herauszuarbeiten, und dieses System in erster Linie aus Wertungen besteht475 , soll nicht gewagt werden, messbare Kriterien zu formulieren, die eine »punktgenaue« Abgrenzung abfindungsbewährter und abfindungsfreier Strukturbeschlüsse ermöglichen. Ein solches Vorhaben ist in einer auf Wertungen aufbauenden Jurisprudenz zum Scheitern verdammt. Es geht beim Haftungsgrund im Sinne des hier vertretenen Verständnisses stattdessen darum, diejenigen Wertungen herauszuarbeiten, die unser Aktien- und Umwandlungsrecht dazu veranlassen, dissentierenden Aktionären bei bestimmten grundlegenden Veränderungen Abfindungsansprüche zu geben, in anderen Strukturentscheidungen dagegen das Abfindungsrecht zu verweigern. Die bündige Formulierung all dieser Wertungen soll im Folgenden als Haftungsgrund bezeichnet werden.

472 Larenz, JuS 1965, 373 ff.; Dubischar, Grundbegriffe des Rechts, 1968, S. 48; dem folgend Klöhn, AG 2002, 443, 446. 473 Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 470; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, 13. Aufl. 1994, § 85 V 1 a = S. 670; zust. L. Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, 1980, S. 15. Dazu auch schon o. S. 7 ff. 474 Zu eng A. Schmidt, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, 2000, S. 57 ff., der den Begriff des Haftungsgrundes – wohl unbewusst – unnötig auf Schadensersatzansprüche verengt. 475 S. o. S. 7 ff.

C) Haftungsgrund der Abfi ndungsansprüche

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II) Bedeutung des Haftungsgrundes der Abfindungsvorschriften Sollte es gelingen, den soeben definierten Haftungsgrund bzw. die Haftungsgründe des geltenden Abfindungsrechts zu erarbeiten, hätte dies höchste Bedeutung für die weitere Systematisierung. Praktische Relevanz gewinnt der Haftungsgrund vor allem bei der Frage, wann dissentierenden Aktionären Abfindungsansprüche in Gesetzes- oder Rechtsanalogie zu vorhandenen Abfindungsvorschriften zu gewähren sind, denn bei der Analogie handelt es sich um nichts anderes als ein Zurückgehen auf die Wertungen, derentwegen eine bestimmte Norm gilt. Auch dem Gesetzgeber kann mit dem Haftungsgrund gezeigt werden, ob neue Abfindungsfälle in das System des Abfindungsrechts passen476 . Dogmatisch wertvoll ist der Haftungsgrund, weil seine Entwicklung eine intensive Auseinandersetzung mit der ratio legis der Abfindungsvorschriften voraussetzt. Er drückt darüber hinaus die wichtigsten Axiome des zu entwickelnden Systems in gebündelter und operationaler Form aus. Systematischen Reiz hat die Suche nach dem Haftungsgrund außerdem, weil sie klären kann, ob es sich beim Recht der Abfindungsansprüche tatsächlich um »Flickwerk« handelt, das »weniger systemhaft planvoll als punktuell-augenblicksbezogen vorgeht, und daher absichtlich oder unabsichtlich Widersprüche in Kauf nimmt und auf eine geschlossene Systematik verzichtet«477.

III) Verhältnis der Frage zu den bisher gewonnenen Erkenntnissen Die Frage nach dem Haftungsgrund weist zahlreiche Berührungspunkte mit Fragen auf, die schon an anderen Stellen dieser Arbeit behandelt wurden. 1) Abfindung als Kompensation eines eigentlich gebotenen Individualzustimmungsrechts Zunächst ist auf die These zurückzukommen, der Abfindungsanspruch kompensiere ein eigentlich gebotenes, aber versagtes Widerspruchrecht bzw. Einstimmigkeitsprinzip478 . Diese- mit den obigen Ausführungen verifizierte – These formuliert zwar den Haftungsgrund des Abfindungsrechts479. Sie liefert jedoch keine Kriterien für die Abgrenzung der Abfindungsfälle von Nicht-Abfindungsfällen. Stattdessen abstrahiert sie von diesen Kriterien und ersetzt sie durch das »eigentlich gebotene Widerspruchrecht bzw. Mehrheitsprinzip«. Die entscheidende Frage, wann ein Widerspruchrecht »eigentlich« besteht, lässt diese These offen.

476

S. schon o. S. 3. So Kalss, wbl 2001, 366, 372 (für das Recht der Austrittsrechte); ähnlich Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 493 f.: »Stückwerk«. Dazu schon einleitend o. S. 35. 478 Dazu schon o. S. 156 ff. 479 Dazu schon Klöhn, AG 2002, 443, 446 ff. 477

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2) Aufopferungsprinzip Gleiches gilt mutatis mutandis für das Aufopferungsprinzip: In der Terminologie des Aufopferungsrechts behandelt dieses Kapitel die Frage, wann Aktionäre einer abfindungsbewährten »Duldungspflicht« unterliegen und wann »schon kein Eingriff« vorliegt, weil sie nur an die »Grenzen ihres Rechtsguts« stoßen480 und die Aktie »von vornherein« mit der Eingriffsmöglichkeit behaftet ist. Bündiger formuliert geht es um die Frage, wann Strukturmaßnahmen die »Opfergrenze« des Aktieneigentums überschreiten. Diese Frage wird in der Begründung zum Regierungsentwurf des AktG 1965 angesprochen. Hier charakterisiert der Gesetzgeber die aktienrechtliche Mitgliedschaft zunächst als »wirtschaftliches Eigentum am Unternehmen«481. Sodann listet er die beiden Gruppen von Beschränkungen auf, denen dieses Eigentum unterliegt. Er umschreibt diese Beschränkungen – in einem viel zu lang geratenen Satz – als solche, »die wegen der Besonderheiten des aktienrechtlichen Mitgliedschaftsrechts als einer auf die Großwirtschaft und den Kapitalmarkt zugeschnittenen Erscheinungsform wirtschaftlichen Eigentums oder aus vorrangigen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Gründen gerechtfertigt (sind) (Hervorhebung d. Verf.)«482 .

»Wegen der Besonderheiten des aktienrechtlichen Mitgliedschaftsrechts« existieren offenbar solche Beschränkungen, die schon im Recht selbst angelegt sind, bei denen der Aktionär also »an die Grenzen seines Rechtsguts stößt«. Mit den Beschränkungen »aus vorrangigen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Gründen« könnten dagegen all diejenigen Beschränkungen gemeint sein, die der Aktionär »eigentlich nicht« hinnehmen müsste, aber aufgrund besonderer überwiegender Interessen eben doch zu dulden hat. Letztere Beschränkungen müssten dann abfindungspflichtig sein. Der BGH greift die Frage »Grenzen des Rechtsguts oder besondere Duldungspflicht aus höherrangigem Interesse« in der Hoesch/Hoogovens-Entscheidung auf, in der er ausführt: »So ist dieses Eigentum (das Aktieneigentum, Anm. d. Verf.) seit jeher mit der Möglichkeit belastet, durch Mehrheitsbeschlüsse eine Entwicklung zu nehmen, die den Wünschen und vielleicht auch den Interessen des einzelnen Aktionärs nicht entspricht«483 . Hierzu gehöre, so der BGH im nächsten 480 S. nur Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, 2. Aufl. 1996, Rn. 718; Deutsch, FS Steffen, 1995, 101, 102. Die Vertreter der sog. »Immanenztheorie« zum zivilrechtlichen Eigentumsbegriff würden freilich auch der hier sog. »Duldungspflicht« keinen »Eingriff« beiordnen, sondern jede Pflicht des Eigentümers/Rechtsgutsinhabers als Inhaltsbeschränkung seines Eigentums/Rechtsguts auffassen [dazu schon o. S. 165 ff.]. 481 Diese Formulierung ist fast einhellig auf Ablehnung gestoßen, dazu etwa Martens, Mehrheits- und Konzernherrschaft in der personalistischen GmbH, 1970, S. 23; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 64 Fn. 35 m. w. N. 482 Begr. RegE in Kropff, AktG, 1965, S. 14; vgl. aber auch Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 64, der meint, die Regierungsbegründung stelle beide Einschränkungen einander gleich. 483 BGHZ 82, 188, 192 (Hoesch/Hoogovens).

C) Haftungsgrund der Abfi ndungsansprüche

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Satz, auch die Vermögensübertragung nach § 179a AktG (damals § 361 AktG), weswegen diese Strukturmaßnahme keinen besonderen Minderheitenschutz, insbesondere neben den §§ 117, 243 II AktG, fordere484 . Die Vermögensübertragung nach § 179a AktG (§ 361 AktG a. F.) war also in den Augen des BGH eine zum Inhalt des Aktieneigentums gehörende Belastung485 . Der gleiche Gedanke begegnet im Mannesmann-Urteil, wo der BGH judiziert, Aktien seien »von vornherein mit der Möglichkeit belastet«, dass ihr Stimmrecht gem. § 134 I 2 AktG eingeschränkt wird486 . Im privaten Aufopferungsrecht ist schon lange anerkannt, was bereits oben vermutet wurde487, dass nämlich allein das Aufopferungsprinzip keine Kriterien hervorbringt, mit denen man die Opfergrenze bestimmen könnte488 . Gleiches gilt für das öffentliche Aufopferungsrecht, in dem man sich auf solche Formulierungen wie die des »Sonderopfers« und der »Unzumutbarkeit« zurückzieht489. Dies leuchtet schon aufgrund der Heterogenität der oben genannten Aufopferungsnormen ein490 . Bestätigt ist also, was schon mehrfach angesprochen wurde: dass das Aufopferungsprinzip nur eine Form der Konfliktlösung ist, aber keine inhaltlichen Kriterien dafür bereithält, wann ein Konflikt nach seinem Muster zu lösen ist. 3) Verfassungsrechtliches Entschädigungsgebot Keinen Gewinn versprechen schließlich das (verfassungsrechtliche) Prinzip der vollen Entschädigung491 und das (einfach-gesetzliche) Prinzip der vollen Abfin484 Die Frage nach Abfindungspflichten hat der BGH in dieser Entscheidung offen gelassen, vgl. BGHZ 82, 188, 193 (Hoesch/Hoogovens) und ausführlich u. S. 305. 485 Auch das BVerfG spricht im Mitbestimmungsurteil davon, dass das Gesellschaftsrecht die Rechte des Anteilseigners »bestimme und begrenze (Hervorhebung d. Verf.)«, BVerfGE 50, 290, 342 (Mitbestimmung). 486 BGHZ 70, 117, 126 (Mannesmann). 487 S. o. S. 172. 488 Deneke, Das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis, 1987, S. 167; A. Schmidt, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, 2000, S. 68; L. Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, 1980, S. 16 ff.; 302 ff., 310; Seiler in Staudinger, BGB, 13. Aufl. 2002, § 904 Rn. 4; Süss, Die verschuldensunabhängige Haftung analog § 906 II 2 BGB, 1998, S. 95. Leider wird von dieser zutreffenden Erkenntnis durch einen Streit abgelenkt, ob das Aufopferungsprinzip nur eine »formale Regelungsstruktur« oder auch »materiale Gemeinsamkeiten« hätte (vgl. aus den zuvor Genannten nur Seiler a.a.O.; zur Gegenmeinung Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, 13. Aufl. 1994, § 85 V 1 a = S. 669). Den Haftungsgrund des Aufopferungsrechts definiert das Aufopferungsprinzip genau so wie den Haftungsgrund des Abfindungsrechts von der These von der »Kompensation eines eigentlich gebotenen Einstimmigkeitsprinzips«. Aber es tut dies eben nur in einer für die Abgrenzung von Aufopferungs- und Nicht-Aufopferungsfällen unbrauchbaren Weise. 489 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl. 2006, § 28 Rn. 13 ff.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 136 ff.; Krumbiegel, Der Sonderopferbegriff in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, 1975, passim; L. Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, 1980, S. 19; kritisch Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte, 1970, S. 135. 490 S. o. S. 161 ff. 491 Dazu o. S. 95 ff.

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dung492 . Denn volle Entschädigung bzw. Abfindung ist nur die Rechtsfolge der Abfindungsvorschriften.

IV) Die Sonderrechtstheorien Wer die hier aufgeworfene Frage nach dem »eigentlich abwehrfähigen Eingriff« betrachtet, mag an die früher vertretenen »Sonderrechtstheorien« denken493 . Diese Theorien versuchten, auf den Begriff des Sonderrechts ein ganzes Konzept für die Abgrenzung von Mehrheitsherrschaft und Minderheitenschutz, von Verbandsmacht und Individualsphäre aufzubauen494 . Sonderrechte sollten diejenigen Rechte des Verbandsmitglieds sein, die keiner Verfügungsbefugnis der Mehrheit unterlagen und in die der Verband nicht eingreifen durfte495 . Diese Theorien sind jedoch schon deshalb für die folgende Untersuchung unbrauchbar, weil ihre Schöpfer noch nicht die zahlreichen »beweglichen Schranken der Mehrheitsherrschaft«496 kannten, insbesondere nicht Treuepflichten und materielle Beschlusskontrolle. Sie sind daher heute überholt497. Für die folgende Untersuchung geht es nicht darum, eine allgemeine Formel für die Abgrenzung von Mehrheitsherrschaft und Minderheitenschutz zu finden, sondern zu erforschen, welche Fälle das Aktien- und Umwandlungsrecht speziell den Abfindungsvorschriften reserviert hat.

V) Bestandsaufnahme Der Untersuchungsgegenstand hat zwei Dimensionen, die das weitere Vorgehen bestimmen: Von den Abfindungsfällen sind zwei andere Fallgruppen abzugrenzen, die gewissermaßen »oberhalb« und »unterhalb« des abfindungsrechtlichen Anwendungsbereichs liegen. Auf der einen Seite ist eine Grenze zu ziehen gegenüber Eingriffen, die der Aktionär nicht erst wegen einer besonderen Pflicht »dulden« muss, sondern »von vornherein« hinzunehmen hat498 . Auf der anderen Seite müssen diejenigen Eingriffe abgeschichtet werden, die der Aktionär überhaupt nicht – auch nicht gegen Abfindung – ertragen muss, die er also abwehren kann. Paradigmatischer Problemfall der Abgrenzungsseite »unterhalb des Abfindungs492

Dazu o. S. 52. Überblick bei Pinner in Staub, HGB, 14. Aufl. 1933, § 250 Anm. 9; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 7 I 1 a = S. 358 ff.; zur Entwicklung auch Roitzsch, Der Minderheitenschutz im Verbandsrecht, 1981, S. 25 ff. 494 Dazu Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 7 ff.; Reuter in MünchKommBGB, 5. Aufl., 2006, § 35 Rn. 1; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 7 I 1 a = S. 358 ff. 495 Vgl. zusf. Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 7. 496 Zu diesem Begriff grundlegend Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den Personenverbänden, 1963, 287 ff. 497 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 7 I 1 a = S. 358; vgl. auch Steffen in RGRK BGB, 12. Aufl. 1974, § 35 Rn. 3. 498 Dazu schon o. S. 200 f. 493

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rechts« ist etwa der Wechsel des Börsensegments499. Beispielhaft auf der anderen Seite steht die Änderung des Gesellschaftszwecks500 . Entsprechend dem »Kreisgang im hermeneutischen Zirkel« gilt es zunächst, ein Vorverständnis für die aufgeworfene Frage zu gewinnen 501. Dazu sollen die einzelnen Äußerungen in Literatur und Rechtsprechung zum Haftungsgrund der Abfindungsvorschriften zusammengetragen werden. Die Bestandsaufnahme ist danach zu gliedern, ob die Äußerung den aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsanspruch im allgemeinen betrifft oder speziell die einzelnen Abfindungsfälle. 1) Übergreifende Konzepte Die Äußerungen in Literatur und Rechtsprechung zum Haftungsgrund der Abfindungsvorschriften sind meist formelhaft und wenig aussagekräftig502 . Überwiegend findet man floskelhafte Formulierungen, etwa die Abfindung stelle einen Ausgleich für »Grundlagen«- oder »Strukturänderungen«503 dar, wobei der Begriff der Grundlagenveränderung auf eine Wendung im Feldmühle-Urteil zurückgehen mag504 . Nicht selten wird von einem »erheblichen und einschneidenden Eingriff in die Mitgliedschaft« gesprochen, »der die Beteiligungsstruktur so massiv verändert, dass es dem einzelnen Aktionär nicht zugemutet werden kann, durch Mehrheitsentscheid hieran festgehalten zu werden«505 . Ähnlich wird in Common Law Rechtsordnungen häufig von einem »fundamental change to the terms on which the shareholder invested« gesprochen 506 . Verbreitet ist ferner die Formel, der Abfindungsanspruch sei Folge eines »Wegfalls der gesellschaftsvertraglichen Geschäftsgrundlage«507. Auch wird angedeutet, dass die jeweilige Veränderung mit 499

Dazu u. unter S. 317 ff. Dazu u. unter S. 300 ff. 501 Vgl. dazu schon S. 17. 502 So auch die Bewertung von Lieb, FS Lutter, 2000, 1151, 1154. 503 Baums in 63. DJT, Gutachten F, 2000, S. 17, 116, 117; Bezzenberger/Bezzenberger, FS Welf Müller, 2001, 1, 17; Grunewald, FS Claussen, 1997, 103, 110 (»Veränderungen einer Aktiengesellschaft von so grundsätzlicher Bedeutung, dass dem Aktionär ein Recht zur Wahl, ob er in der Gesellschaft bleiben will, eingeräumt werden muß«); Lutter, FS Zöllner, 1998, 363, 381 (»grundstürzende Entscheidungen im Aktienrecht«); Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 163; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 8 IV 3 a = S. 469; Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 764. 504 BVerfGE 14, 263, 281 (Feldmühle): »Die Eingliederung in einen Konzern verändert die Grundlage der beherrschten Gesellschaft entscheidend (. . .)«. 505 Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 90; ähnlich Decher in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 207 Rn. 3. 506 Repräsentativ Grantham/Rickett, Company and Securities Law, 2002, S. 749; ebenso Beck/Borrowdale, Guidebook to New Zealand Companies and Securities Law, 7th Ed. 2002, S. 567. 507 Grundlegend Wiedemann, ZGR 1978, 477, 484; Wiedemann, JZ 1978, 612, 613; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, S. 470 ff.; ferner Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 492; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 166; für die GmbH etwa H. F. Mülller, Das Austrittsrecht des GmbH-Gesellschafters, 1996, S. 53; Röhricht, FS Kellermann, 1991, 361, 500

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einer »Teilneugründung«508 vergleichbar sei oder mit dem Entstehen einer »anderen Gesellschaft«509. Im US-amerikanischen Recht erklärt man daran anknüpfend das appraisal right teilweise mit dem Vertrauensprinzip: Der Aktionär erhalte Entschädigung dafür, dass sein berechtigtes Vertrauen in den Fortbestand bestimmter Charakteristika der Gesellschaft enttäuscht werde (defeated expectations argument, ex-post-fairness argument); in dieser Gesellschaft soll er nicht »mitgeschleppt« werden (»being dragged along«) 510 . All diese Formeln helfen nicht weiter, denn sie klammern die Frage aus, wann eine Veränderung hinreichend »grundlegend« ist, wann die »Geschäftsgrundlage« oder »berechtigtes Vertrauen« wegfällt bzw. enttäuscht wird und wann eine »andere« Gesellschaft vorliegt, die dem Aktionär nicht zumutbar ist511. Ebenso wie die Formel vom »Abfindungsrecht als Kompensation eines eigentlich gebotenen Widerspruchrechts«512 und das Aufopferungsprinzip513 abstrahieren diese Formulierungen von den entscheidenden Abgrenzungskriterien. Der Verweis darauf, das Abfindungsrecht sei »eine Art von gesellschaftsrechtlichem Auseinandersetzungsanspruch«514 , ist eher Umschreibung denn Abgrenzungskriterium. 2) Haftungsgründe der einzelnen Abfindungsansprüche Waren somit die allgemein gehaltenen Ausführungen zum Haftungsgrund des Aktienrechts nicht hilfreich, bleibt zu schauen, ob griffigere Formulierungen bezüglich der einzelnen Abfindungsnormen anzutreffen sind. a) § 305 AktG Für § 305 AktG findet man immer wieder die auf die Gesetzesmaterialien rekurrierende Formulierung515 , § 305 AktG bezwecke einen Ausgleich für verlorene Mitverwaltungs- bzw. Herrschafts- oder durch § 304 AktG nicht kompensierte Vermögensrechte516 . 379; ähnlich Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 414 (»einschneidendende Veränderung der bisherigen gesellschaftsrechtlichen Geschäftsgrundlage«). 508 Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 165. 509 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 121; dies aufgreifend Klöhn, AG 2002, 443, 446. 510 Clark, Corporate Law, 1986, S. 444; Eisenberg, The Stucture of Corporation, 1976, S. 78; Kanda/Levmore, 32 UCLA L.Rev. 429, 431 (1985). S. auch die Rezeption bei Kalss, wbl 2001, 366, 369; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 370. 511 S. etwa Manning, 72 Yale L. J. 223, 241 (1962). 512 S. o. S. 199. 513 S. o. S. 200 f. 514 BVerfGE 14, 263, 285 (Feldmühle); Kropff, DB 1962, 155; vorher schon H. Meilicke, JW 1938, 3018, 3018 f.; s. auch Wiedemann, Die Unternehmensgruppe im Privatrecht, 1988, S. 65. 515 Vgl. Begr. RegE zum AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 397. 516 BGHZ 135, 374, 380 (Guano); BGHZ 138, 136, 139 (ASEA/BBC II); BGHZ 147, 108, 113 (DAT/Altana); BGHZ 167, 299, 303 (Jenoptik); OLG Hamburg AG 2002, 406, 407 (Bavaria und St. Pauli/März); Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 2; Cahn/Simon, Konzern

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Damit ist ein zutreffender Aspekt formuliert, der schon aus der aufopferungsrechtlichen Einordnung der Abfindungsansprüche folgt: dass Abfindungsansprüche nur dort zu vermuten sind, wo in die Mitgliedschaft der Aktionäre eingegriffen wird517. Der Eingriff in die Mitgliedschaft ist zwar notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung der Abfindungspflicht518 . So enthält z. B. der Bezugsrechtsausschluss einen Eingriff in die Mitgliedschaft (das Bezugsrecht) 519. Trotzdem gewährt das Aktiengesetz hier keinen Abfindungsanspruch, sondern schützt die Aktionärsrechte über § 255 II AktG. Die zweite Schwachstelle der oben genannten Formel liegt darin, dass der Begriff der Mitgliedschaft in seinen Grenzen höchst unklar ist520 . Ein Erklärungsansatz für den abfindungsrechtlichen Haftungsgrund, der die Mitgliedschaft ins Zentrum rückt, wird daher schnell selbst konturlos. Daneben trifft man für § 305 AktG die bereits oben genannten Beschreibungen, die die eigentliche Frage nach den Abgrenzungskriterien unbeantwortet lassen 521 : Dies gilt etwa für die Formulierung, der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag sei ein »wirtschaftlich dem Verlust gleichzustellender Vorgang«522 , eine »grundlegende Veränderung der Mitgliedschaftsstellung«523 oder »wesentliche Änderung des Investmentkontrakts«524 . Auch vom »Preis der Konzernierung« ist die Rede525 . Für den Beherrschungsvertrag wird diese grundlegende Veränderung hauptsächlich damit begründet, dass das herrschende Unternehmen die Leitungsmacht über die abhängige AG gewinne (§ 308 AktG) 526 . Hierdurch ändere sich der Ge2003, 1, 4; Ebenroth, Das Auskunftsrecht des Aktionärs und seine Durchsetzung im Prozeß, 1970, S. 68; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 305 Rn. 1; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 8. Aufl. 2005, § 22 I 2 vor a = S. 307; Goette, DStR 2006, 2132, 2133; Halberkamp, Die Entschädigung der außenstehenden Aktionäre bei der aktienrechtlichen Konzernierung, 1996, S. 37; Hüchting, Abfindung und Ausgleich im aktienrechtlichen Beherrschungsvertrag, 1972, S. 52; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 305 Rn. 1; Jäger, Aktiengesellschaft, 2004, § 39 Rn. 68; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 305 Rn. 5; Koppensteiner, FS Ostheim, 1990, 403, 421 f.; Pentz, Die Rechtsstellung der Enkel-AG in einer mehrstufigen Unternehmensverbindung, 1994, S. 93; im Ergebnis auch Veil, Unternehmensverträge, 2003, S. 124; dagegen Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 271, 294, 296 (nur Vermögensrechte). 517 S. o. S. 165. 518 Für das Aufopferungsrecht siehe S. 165. Vgl. im Übrigen auch schon Klöhn, AG 2002, 443, 446. 519 Vgl. nur Habersack, Die Mitgliedschaft – subjektives und »sonstiges« Recht, 1996, S. 258 ff. 520 Dazu Lutter, AcP 180 (1980), 84, 86 ff. 521 S. o. S. 198 f. 522 BVerfGE 100, 289, 303 (DAT/Altana) in Anknüpfung an BGHZ 135, 374, 380 (Guano). 523 Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 111; ähnlich Fleischer, ZGR 1997, 368, 390. 524 Fleischer, ZGR 1997, 368, 390. 525 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 495. Dazu schon o. S. 155 f. 526 Etwa BVerfGE 100, 289, 304 (DAT/Altana); BGHZ 135, 374, 377 f. (Guano); Fleischer, ZGR 1997, 368, 390; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, Vor § 291 Rn. 156; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 111.

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§ 6 Entwicklung des Systems

sellschaftszweck der AG527, die fortan nicht mehr frei im eigenen, sondern abhängig im Konzerninteresse wirtschafte 528 . Mit diesen Rechtsfolgen ist in den Worten des BVerfG »ein wesentlicher Ausgangspunkt des Aktienrechts (. . .) verlassen«, nämlich »die freie wirtschaftliche Betätigung des Unternehmens in der Richtung auf einen gemeinsamen Gesellschaftszweck der Aktionäre und die Konkretisierung dieses Zwecks auf Grund eines den Aktionären letzten Endes gemeinsamen Interesses«529. Wie einschneidend dieser Wechsel der Leitungsbefugnis ist, verdeutlicht die historische Entwicklung des AktG: Schon das Reichsgericht judizierte im Rumänischen Eisenbahnfall, der Verzicht der AG auf einen eigenen Vorstand sei ebenso unzulässig wie die Selbstentmündigung einer natürlichen Person 530 . Im sog. Deutsch-Amerikanischen Petroleum-Fall ergänzte es: »Eine so vollständige Unterwerfung unter den Willen des Vertragsgegners widerstreitet den in Deutschland herrschenden Sittenanschauungen«531. Weiterer Grund für die »grundlegende Strukturänderung« und den »wirtschaftlichen Verlust der Mitgliedschaft« soll die veränderte Finanzverfassung der konzernierten AG 532 sein, insbesondere die gelockerte Kapitalbindung nach § 291 III AktG533 . Darüber hinaus wird auf die Gefahr verwiesen, dass die Mitgliedschaftsund Vermögensrechte der Aktionäre aufgezehrt werden könnten, insbesondere weil das herrschende Unternehmen die Möglichkeit habe, die stillen Reserven der abhängigen AG abzuziehen534 .

527 BGHZ 103, 1, 5 (Familienheim); BGHZ 105, 324, 332, 338 (Supermarkt); BGH ZIP 1992, 395, 397; Bayer, ZIP 2005, 1053, 1054; Ebenroth/Parche, BB 1989, 637, 638; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, Vor § 291 Rn. 156; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 162 f.; Exner, Beherrschungsvertrag und Vertragsfreiheit, 1984, S. 44; Schilling, FS Hefermehl, 1976, 383, 390 (GmbH); Sonnenberg, Die Änderung des Gesellschaftszwecks, 1990, S. 58; Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze, 1980, S. 35; Timm, GmbHR 1987, 8, 11; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 3 I 3 a = S. 156 f.; Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 179 Rn. 46; a. A. Kort, Der Abschluss von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen im GmbH-Recht, 1986, S. 60 f. (für die GmbH, sofern Autonomie nicht ausdrücklicher Satzungsbestandteil ist). Umstritten ist, ob der Unternehmenszweck schon mit dem Zustimmungsbeschluss geändert wird oder erst mit Wirksamkeit des Beherrschungsvertrags (dazu Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 163 m. w. N.; Timm, GmbHR 1987, 8, 11). 528 BGHZ 103, 1, 5 (Familienheim); Bayer, ZIP 2005, 1053, 1054; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, 163; Schilling, FS Hefermehl, 1976, 383, 390 (GmbH); wohl auch Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, 2007, S. 271. 529 BVerfGE 14, 263, 281 (Feldmühle). 530 RGZ 3, 123, 132 (Rumänischer Eisenbahnfall); derselbe Vergleich bei RGZ 82, 308, 317 (Deutsch-Amerikanischer Petroleum-Fall). 531 RGZ 82, 308, 313 f. (Deutsch-Amerikanischer Petroleum-Fall). 532 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 163. 533 Fleischer, ZGR 1997, 368, 390; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 57 Rn. 5; Wiedemann/Hirte, FS BGH, 2000, 337, 370. 534 BVerfG NJW 1999, 1699, 1700 (SEN/KHS) unter Anknüpfung an BGHZ 135, 374, 380 (Guano).

C) Haftungsgrund der Abfi ndungsansprüche

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Für den Gewinnabführungsvertrag wird die »grundlegende Strukturveränderung« hauptsächlich mit der Beschneidung der Vermögensrechte begründet, insbesondere des Dividendenanspruchs535 . Mit dem Gewinnabführungsvertrag sei außerdem eine Zweckänderung verbunden 536 , weil der Gesellschaftsgewinn nicht mehr allen Aktionären entsprechend ihrer Beteiligungshöhe zugute komme, die Gewinnausschüttung aber stillschweigend zum Gesellschaftszweck gehöre 537. Teilweise hat man den Eindruck, dass allein diese Zweckänderung abfindungsauslösend sein soll538 . Dies kann freilich schon deshalb nicht zutreffen, weil auch die Liquidation den Gesellschaftszweck der AG ändert, und es hier trotzdem keine Abfindung gibt. b) § 320b AktG Ähnlich ausführliche Erläuterungen zum Haftungsgrund des § 320b AktG sucht man vergebens. Verwiesen wird ebenso wie bei § 305 AktG auf eine Änderung des Gesellschaftszwecks539 sowie die Änderung der internen Organisations- und Finanzverfassung540 . Als Haftungsgrund völlig ausreichend und unmittelbar einsichtig ist aber schon, dass der Minderheitsaktionär gem. § 320a S. 1 AktG seine Mitgliedschaft in der eingegliederten AG verliert541. c) §§ 327a AktG, 39a WpÜG Gleiches gilt mutatis mutandis für § 327a AktG und § 39a WpÜG. Dass der Mehrheitsaktionär hier Abfindung schuldet, weil er die Minderheitsaktionäre aus der AG ausschließt, ist so selbstverständlich, dass man nicht spezifisch darauf eingeht. d) § 29 I 1, 1. Hs., 1. Fall UmwG Die Abfindungspflicht des § 29 I 1, 1. Hs., 1. Fall UmwG wird überwiegend – nicht besonders überraschend – mit dem Rechtsformwechsel begründet. Dieser verän535 S. nur Begr. RegE AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 394. BGHZ 138, 136, 139 (ASEA/BBC II); Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 304 Rn. 9; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 304 Rn. 5. 536 Ebenroth/Parche, BB 1989, 637, 638; Kort, Der Abschluß von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen im GmbH-Recht, 1986, S. 91 f.; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 166 ff., 297; Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze, 1980, S. 34. Anders unter dem AktG 1937 Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den Personenverbänden, 1963, S. 333 f. 537 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 297; dazu auch Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 111. 538 Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze, 1980, S. 35. 539 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 166; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 113. 540 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 166. 541 Vgl. Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 172 f.

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dere Rechte und Pflichten der Aktionäre, was ihnen nicht zumutbar sei542 . Diese Ansicht findet eine Stütze in den Gesetzesmaterialien zu § 29 UmwG, in denen die Abfindungspflicht mit dem »erzwungene(n) Wechsel der Inhaberschaft und (des) Charakters (der Anteile)« begründet wird 543 . Daneben wird zumindest für die Verschmelzung und Aufspaltung postuliert, es liege eine teilweise Zweckänderung der übertragenden Gesellschaft vor544 . Begründet wird diese Ansicht damit, dass die Gesellschaft durch die Übertragung ihres Vermögens im Wege der Universalsukzession (wohl eine juristische Sekunde vor dem Vermögensübergang) liquidiert werde 545 . Teilweise wird beanstandet, dass bei der formwahrenden Verschmelzung kein allgemeines »Austrittsrecht« existiere546 , was darauf schließen lässt, dass man zumindest de lege ferenda den Haftungsgrund in der Verschmelzung selbst sieht. e) § 29 I 2 UmwG und § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG Nur wenig Dogmatik ist bisher zu § 29 I 2 UmwG entstanden. Diejenigen, die sich mit dem Haftungsgrund dieser Vorschrift auseinandersetzen, sehen ihn in dem Eingriff in das Verfügungsrecht des Aktionärs547. § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG dient ausweislich der Gesetzesbegründung als Kompensation für die erschwerte tatsächliche Veräußerungsmöglichkeit beim Verlust der Börsennotierung548 . f) § 207 UmwG Nach den Ausführungen zu § 29 I 1, 1. Hs., 1. Fall UmwG nicht verwunderlich, wird der Haftungsgrund des § 207 UmwG im Rechtsformwechsel gesehen 549. Die These, allein durch den Formwechsel ändere sich der Zweck des Rechtsträgers, wird – soweit ersichtlich – nicht vertreten und ließe sich wegen des Identitätsgrundsatzes (§ 202 I Nr. 2 UmwG) auch nicht auf eine Liquidation des Rechtsträgers infolge der Vermögensübertragung stützen. 542 Grunewald, FS Boujong, 1996, 175, 176; Hoffmann-Becking, ZGR 1990, 482, 487; Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 138; Marsch-Barner in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 29 Rn. 2. 543 Begr. RegE UmwBerG bei Ganske, Umwandlungsrecht, 2. Aufl. 1995, S. 152. S. auch Begr. RefE bei Ganske, Referentenentwurf zum Umwandlungsgesetz, 1992, S. 76, 154. 544 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 162. 545 So Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 162, allerdings ohne Bezug zum hier angesprochenen Problem. 546 Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 116; auch schon – allerdings vor dem Hintergrund einer völlig anderen Gesetzeslage – Wiedemann, ZGR 1978, 477, 485, 490 f. 547 Begr. RegE UmwBerG bei Ganske, Umwandlungsrecht, 2. Aufl. 1995, S. 83; Bermel in Goutier/Knopf/Tulloch, UmwG, 1995, § 29 Rn. 10; Grunewald, FS Boujong, 1996, 175, 177; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 118. 548 Begr. 2. UmwGÄndG, BT-Drucks. 16/2919, S. 25. 549 S. etwa Kalss in Semler/Stengel, UmwG, 2002, § 207 Rn. 1; Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 138.

C) Haftungsgrund der Abfi ndungsansprüche

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g) § 122i UmwG Haftungsgrund des § 122i UmwG soll ebenfalls der Rechtsformwechsel sein 550 . Dies sieht der Gesetzgeber des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Umwandlungsgesetzes ebenso, der schreibt, kein Anteilsinhaber solle gezwungen sein, die mit dem Wechsel in eine ausländische Rechtsform verbundenen Änderungen seiner Rechte und Pflichten hinzunehmen 551. h) § 7 SEAG Im Rechtsformwechsel wird einhellig der Haftungsgrund des § 7 SEAG gesehen 552 . Zwar greife der Rechtsformwechsel von der AG in eine inländische SE nicht hinreichend in die Rechtsstellung der Aktionäre ein, da auf die SE gem. Art. 9 I lit. c)ii) SE-VO hauptsächlich Aktienrecht anwendbar sei553 . Anders zu bewerten sei jedoch die Rechtslage bei Europäischen Gesellschaften mit Sitz im Ausland, da hier aufgrund des anwendbaren ausländischen Rechts Rechtsformunterschiede bestünden, die mit denen nationaler Rechtsträger anderer Rechtsform vergleichbar seien 554 . i) § 9 SEAG Für den Haftungsgrund des § 9 SEAG wird zumeist auf die Begründung des Gesetzgebers verwiesen 555 , wonach § 9 I 1, 1. Fall SEAG dem Gedanken des § 7 SEAG entspreche556 und im Falle des § 9 I 1, 2. Fall SEAG der Umtausch der Aktie in Anteile an einer ihrerseits abhängigen Holding-SE keinen hinreichenden Minderheitenschutz garantiere557. Andererseits wird die Norm hinsichtlich ihres Haf550 Kiem, WM 2006, 1091, 1098; R. Krause in VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2006, 2007, S. 39, 48; N. Krause/Kulpa, ZHR 171 (2007), 38, 75; H.-F. Müller, Konzern 2007, 81, 86; H.-F. Müller, ZIP 2007, 1081, 1086; Neye/Timm, DB 2006, 488, 492; inzident Heckschen in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht (Loseblatt), Stand: September 2007, § 122i UmwG Rn. 5. 551 Begr. RegE 2. UmwGÄndG, BT-Drucks. 16/2919, S. 35. 552 Begr. RegE SEEG BT-Drucks. 15/3405 S. 32 f.; Bayer, BB 2004, 1, 5; Kalss, ZGR 2003, 593, 625; Neye in Baums/Cahn, Die Europäische Aktiengesellschaft, 2004, S. 131, 134; Schröder in Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft, 2005, Art. 24 SE-VO Rn. 59; Teichmann, AG 2004, 67, 68 f.; Teichmann in Theisen/Wenz, Die Europäische Aktiengesellschaft, 2. Aufl. 2005, S. 699, 706 f.; J. Vetter in Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, 2005, S. 111, 143. 553 Etwa Ihrig/Wagner, BB 2003, 969, 972; Kalss, ZGR 2003, 593, 614; Scheifele, Die Gründung der Europäischen Aktiengesellschaft (SE), 2004, S. 238; Schröder in Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft, 2005, Art. 24 SE-VO Rn. 59; Teichmann, ZGR 2003, 367, 382 f.; Teichmann, AG 2004, 67, 68; a. A. Bayer, BB 2004, 1, 5. 554 Begr. RegE SEEG BT-Drucks. 15/3405 S. 32 f.; Scheifele, Die Gründung der Europäischen Aktiengesellschaft (SE), 2004, S. 238 f.; J. Vetter in Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, 2005, S. 111, 143. 555 Begr. RegE BT-Drucks. 15/3405, S. 32 f. S. dazu schon o. S. 178. 556 C. Schäfer in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2006, Art. 32 SE-VO Rn. 19 (mit Verweis auf Art. 20 SE-VO Rn. 22). 557 C. Schäfer in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2006, Art. 32 SE-VO Rn. 19.

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tungsgrundes als systemwidrig und wenig überzeugend charakterisiert 558 – ein Problem, das hier erst weiter unten interessieren soll559. j) § 12 SEAG Obwohl sich bei der Sitzverlegung der Europäischen Aktiengesellschaft nicht die Rechtsform, sondern nur das anwendbare Subsidiärrecht ändert [Art. 9 I lit. c) SEVO], kann dies eine erhebliche Veränderung der mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten mit sich bringen. In diesem Regimewechsel wird folglich der Haftungsgrund des § 12 SEAG gesehen 560 . Dafür spricht auch die Begründung des Gesetzgebers, der schreibt, § 12 SEAG lehne sich an § 207 UmwG an 561. 3) Zwischenergebnis Zusammenfassend ergibt sich, dass Rechtsprechung und Literatur die Frage nach dem Haftungsgrund der Abfindungsvorschriften nur ansatzweise beantworten. Bei den allgemeinen Erklärungsversuchen, also bei denjenigen Versuchen, die das gesamte Abfindungsrecht erfassen, wird von der entscheidenden Frage nach den Abgrenzungskriterien abstrahiert (»Wegfall der gesellschaftsrechtlichen Geschäftsgrundlage«, »grundlegende Strukturveränderung« etc). Konkreter werden Ausführungen zum jeweiligen Haftungsgrund der einzelnen Abfindungsvorschriften. Diese Erwägungen erschöpfen sich jedoch meist in der Wiedergabe einzelner Rechtsfolgen der jeweiligen Strukturmaßnahme (z. B. beim Beherrschungsund Gewinnabführungsvertrag die §§ 291 III, 308 AktG, beim Rechtsformwechsel die §§ 29, 207 UmwG, 7 SEAG usw.). Inwiefern sich hinter diesen tatbestandlichen Voraussetzungen Merkmale verbergen, die allen Abfindungsfällen gemein sind und diese von anderen nicht abfindungspflichtigen Strukturmaßnahmen unterscheiden, wird nicht untersucht. Als ein solches Merkmal wird zwar der Wechsel des Gesellschaftszwecks ins Spiel gebracht. Wegen der Abfindungsfreiheit der Liquidation ist aber bereits jetzt klar, dass er allein nicht als Haftungsgrund der Abfindungsvorschriften in Betracht kommt.

558

Brandes, AG 2005, 177, 180; J. Vetter in Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, 2005, S. 111, 158 ff.; a. A. Teichmann, AG 2004, 67, 76. 559 S. u. S. 230 ff. 560 Kalss, ZGR 2003, 593, 609; Oechsler, AG 2005, 373, 375; Oechsler in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2006, Art. 8 SE-VO, Rn. 56; Neye/Teichmann, AG 2003, 169, 174; Vetter in Lutter/ Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, 2005, S. 111, 163; Teichmann, ZGR 2002, 383, 480; Teichmann, ZIP 2002, 1109, 1111; Zimmer/Ringe in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, 2008, Art. 8 SE-VO Rn. 33; kritisch Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 2006, § 12 Rn. 12. 561 Begr. RegE SEEG BT-Drucks. 15/3405, S. 35.

C) Haftungsgrund der Abfi ndungsansprüche

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VI) Entwicklung des Haftungsgrundes Auf der Suche nach einem breiter angelegten Konzept geht der Blick zurück auf die Qualifikation der Abfindungsansprüche als privatrechtliche Aufopferungsansprüche562 . Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen ist daher das Aufopferungsprinzip. 1) Aufopferungsprinzip und grundsätzliche Veräußerungsmöglichkeit der Aktie Das Aufopferungsprinzip selbst gibt keine Antwort auf die Frage nach den hier gesuchten Abgrenzungskriterien, sondern ersetzt all diese Kriterien durch den Platzhalter des »eigentlich abwehrfähigen Eingriffs«, der wiederum durch die Formel von der »unzumutbaren Beeinträchtigung« beschrieben, aber nicht konkretisiert wird563 . Benötigt werden Abgrenzungskriterien für die Frage, wann eine Mehrheitsentscheidung in diesem Sinne unzumutbar ist. Diese Kriterien erkennt man nur, wenn man sich fragt, was Mehrheitsentscheidungen grundsätzlich zumutbar macht. Hier trifft man auf einen Umstand, der schon mehrfach als gegenläufiges Prinzip der Abfindungs- und Austrittsmöglichkeit aus der AG genannt wurde: die Möglichkeit, die Aktie frei zu veräußern 564 . Dieses gegenläufige Prinzip gilt (als Prinzip) unabhängig davon, ob man es mit einer börsennotierten oder kapitalmarktfernen AG zu tun hat, denn erstens handelt es sich bei den hier behandelten Abfindungsvorschriften schon dem Wortlaut nach nicht um »Börsengesellschaftsrecht«565 , zweitens ist auch die Aktie einer nicht börsennotierten Gesellschaft als Gegenstand des Rechtsverkehrs geeignet. Ausgangspunkt für das weitere Vorgehen ist somit die folgende, zunächst allgemein gehaltene Überlegung: Ein Abfindungsrecht ist überall dort notwendig, wo es Aktionären nicht zugemutet werden kann, einen Mehrheitsbeschluss allein deshalb zu ertragen, weil sie ihre Aktien danach noch veräußern können – ein Ansatz, der dem Mülbert’schen Ex-post-Anlegerschutz entspricht 566 . 2) Aufopferungsprinzip und Usurpationsgedanke Diese Prämisse führt auf geradem Wege zum Usurpationsgedanken: Schon oben wurde skizziert, dass der Usurpationsgedanke in der Lage ist, den Abfindungsanspruch gegen den Einwand zu verteidigen, der Aktionär könne seine Aktie doch veräußern 567. Schon oben wurde resümiert, dass diese Risikoverteilung dann nicht 562

Dazu o. S. 158 ff. Dazu o. S. 200 f. 564 Vgl. schon o. S. 45 sowie S. 194 f. 565 Zum Begriff Nobel, FS Bär, 1998, 301; Nobel, Schweizerisches Finanzmarktrecht, 2. Aufl. 2004, § 1 Rn. 39; Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 514. 566 Dazu o. S. 57 ff. 567 S. o. S. 195 ff. 563

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mehr angemessen ist, wenn ein anderer die Aktie usurpiert, also für seine Zwecke so wie ein Eigentümer »annektiert« und nutzt: Wer sich das Rechtsgut eines anderen (teilweise) aneignet und ihm einen Zwangskontrakt über die Nutzung dieses Rechtsguts aufdrängt, muss diesen Rechtsgutsinhaber jedenfalls so stellen, wie er stünde, wenn über die Aneignung ein freiwilliger Vertrag zustande gekommen wäre568 . Ebenfalls oben wurde gezeigt, dass jedem Abfindungsfall eine solche Usurpationssituation zugrunde liegt 569. In den Fällen der §§ 320b, 327a AktG, 39a WpÜG usurpiert die Obergesellschaft, der Mehrheitsaktionär bzw. der Bieter die Aktien der Minderheitsaktionäre, im Fall des § 305 AktG bestimmte Vermögens- und Verwaltungsrechte der Minderheitsaktionäre (§§ 308, 291 III AktG). Die §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG regeln Sachverhalte, in denen die Mehrheit vorübergehend das Stimmrecht der dissentierenden Minderheitsaktionäre usurpiert und sie zwingt, dieses Kapital in eine Gesellschaft zu investieren, die sich die Minderheitsaktionäre als Investitionsobjekt nicht ausgesucht hätten und – so lässt sich jetzt ergänzen – die man ihnen als Investitionsobjekt auch nicht zumuten kann 570 . a) Usurpation der Aktie an sich Der Haftungsgrund der §§ 320b, 327a AktG, 39a WpÜG kann daher mit dem Usurpationsprinzip im oben genannten Sinne bündig formuliert werden: Gerechtigkeitsgrund für die Abfindungspflicht ist die Usurpation der Aktie, d. h., dass sich der herrschende bzw. Mehrheitsaktionär die Aktien der Minderheitsaktionäre – gerechtfertigterweise – aneignet. b) Usurpation wesentlicher Verwaltungs- und Vermögensrechte Auch im Falle des § 305 AktG liegt eine Rechtsverschiebung von den außenstehenden Aktionären auf das herrschende Unternehmen vor: Zwar eignet sich der andere Vertragsteil nicht die Aktien der Minderheitsaktionäre an, er erwirbt jedoch das Recht, dem Vorstand sogar nachteilige Weisungen zu erteilen (§ 308 I 1 AktG) und kann der AG Vermögenswerte entziehen (§ 291 III AktG), ohne dass die §§ 300 ff. AktG hiergegen einen lückenlosen Schutz vorsehen würden. c) Vorübergehende Usurpation des Stimmrechts der dissentierenden Aktionäre Bei den §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG fällt die Argumentation nicht so leicht. Hier usurpiert die Mehrheit vorübergehend (nämlich den Strukturbeschluss) das Stimmrecht der dissentierenden Aktionäre und zwingt sie, ihr Kapital – wirtschaftlich gesehen – in eine neue Gesellschaft zu investieren, die ihnen als Investitionsobjekt kraft gesetzlicher Wertung nicht zumutbar ist. § 305 AktG 568 569 570

Vgl. im einzelnen o. S. 195. S. o. S. 176 ff. Zur Opfergrenze als Zumutbarkeitsgrenze soeben S. 211 f.

C) Haftungsgrund der Abfi ndungsansprüche

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konnte, wie gesehen, ergänzend in diesem Sinne verstanden werden, da die abhängige Gesellschaft im Vertragskonzern eine »andere« Gesellschaft ist als vor Vertragsschluss571. Gleiches gilt in vielen anderen Fällen, in denen ungeschriebene Abfindungsansprüche diskutiert werden (etwa beim regulären Delisting, bei der Änderung des Unternehmensgegenstandes, des Gesellschaftszwecks etc.). In diesen Fällen taucht unweigerlich die Frage auf, wann sich die Gesellschaft infolge des Strukturbeschlusses so stark wandelt, dass man sie den dissentierenden Aktionären nicht als Investitionsobjekt zumuten kann, was also den Verbleib in der »neuen« Gesellschaft unzumutbar macht. So könnte man auch die durch einen Betriebspacht- oder Teilgewinnabführungsvertrag mit einem anderen Unternehmen verbundene AG als eine solche »andere« Gesellschaft auffassen. Gleiches könnte man für jede Satzungsänderung annehmen, denn nach jeder Änderung hat sich die rechtliche Verfassung der AG – mal stärker, mal schwächer – gewandelt. Zu untersuchen sind daher die Gründe und Kriterien, nach denen man beurteilen kann, wann sich die AG so fundamental ändert. d) Weiteres Vorgehen Um diese Abgrenzungsmerkmale zu erforschen, bietet sich folgendes weitere Vorgehen an: Gewissermaßen im »Ausschlussverfahren« sollen zunächst solche Strukturfälle betrachtet werden, die vom Gesetz abfindungsfrei ausgestaltet sind. Hier kann man, wie bereits oben 572 angedeutet, solche Eingriffe unterscheiden, die der Aktionär offenbar abfindungsfrei hinzunehmen hat [»Bereich unterhalb des Abfindungsrechts«, sogleich unter 3)], und solche, die der Aktionär abwehren kann, weil zu ihrer Umsetzung seine Zustimmung erforderlich ist [»Bereich oberhalb des Abfindungsrechts«, s. u. 4)]. Nach diesen gegenläufigen Prinzipien soll dann ein Blick auf die Gründe geworfen werden, die in den §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG (sowie ergänzend in § 305 AktG) für die Abfindung sprechen [s. u. 5)]. 3) Abfindungsfreie Strukturmaßnahmen a) Die Abfindungsfreiheit der Unternehmensverträge des § 292 AktG Die §§ 291 ff. AktG kennen zwei Arten von Unternehmensverträgen: die des § 291 I AktG573 und die »anderen Unternehmensverträge« des 292 AktG. Für diese anderen Unternehmensverträge sieht weder § 305 AktG noch eine sonstige Norm

571

S. o. S. 176. S. o. S. 202. 573 Der in § 292 II AktG aufgenommene Vertrag zur Errichtung eines Gleichordnungskonzerns passt für die hier vorzunehmende Gruppierung nicht in die Gruppe »der Verträge des § 291 AktG«, weil er keine Abfindungspflicht zur Folge hat. Überwiegend wird er gar nicht als Unternehmensvertrag i. S. d. §§ 291 ff. AktG angesehen (dazu Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 291 Rn. 212; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 291 Rn. 34). 572

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Abfindungsansprüche vor. Es entspricht der allgemeinen Ansicht, dass § 305 AktG nicht analog auf diese Verträge anzuwenden ist 574 . Wie kann man das erklären? Analysiert man Rechtsprechung und Literatur zu den Unterschieden zwischen Beherrschungs-, Gewinnabführungs- und Geschäftsführungsvertrag (§ 291 I 2 AktG) einerseits und den Unternehmensverträgen des § 292 AktG andererseits, stößt man zunächst auf eine von der ganz herrschenden Meinung getroffene Unterscheidung: Üblicherweise werden die Unternehmensverträge des § 291 I AktG (zumindest auch) als sog. »Organisationsverträge« bezeichnet 575 , die »anderen« Unternehmensverträge des § 292 AktG dagegen als bloß schuldrechtliche Austauschverträge576 . Diese Unterscheidung beruht in erster Linie darauf, dass man 574 Meist wird diese Frage gar nicht problematisiert, vgl. aber für den Teilgewinnabführungsvertrag OLG Düsseldorf AG 1996, 473, 473 f. (Citicorp Deutschland). 575 Für den Beherrschungsvertrag etwa: BGHZ 103, 1, 4 f. (Familienheim); BGHZ 105, 324, 331 (Supermarkt); BGHZ 116, 37, 40 (Stromlieferungen); BayObLGZ 1992, 367, 371 (BSW); OLG Hamm WM 1988, 1164, 1168 f.; OLG Hamburg NZG 2000, 421, 422; OLG Stuttgart AG 1998, 585, 586 (Dornier/Daimler Benz); LG Ingolstadt AG 1991, 24, 25; LG Konstanz ZIP 1992, 1736, 1737 (Mannesmann Kienzle); Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 291 Rn. 25; Bayer, Der grenzüberschreitende Beherrschungsvertrag, 1988, S. 14 ff.; Bälz, FS Raiser, 1974, 287, 323 ff.; Blaurock, FS Großfeld, 1999, 83, 84; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 291 Rn. 25; Exner, Beherrschungsvertrag und Vertragsfreiheit, 1984, S. 53 ff.; Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1976, § 291 Rn. 4; Gutheil, Die Auswirkungen von Umwandlungen auf Unternehmensverträge nach §§ 291, 292 AktG und die Rechte außenstehender Aktionäre, 2001, S. 29; Hohner, DB 1973, 1487, 1488; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 291 Rn. 17; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, Vor § 291 Rn. 156; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2006, § 30 I 2 b = S. 427; Langenbucher in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 291 Rn. 18; Liebscher in Beck AG-HB, 2004, § 14 Rn. 100; Luchterhandt, Deutsches Konzernrecht bei grenzüberschreitenden Unternehmensverbindungen, 1971, S. 65; Maser, Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverhältnisse in Konzernen, 1985, S. 33 ff.; Nirk in Nirk, Handbuch der Aktiengesellschaft (Loseblatt), Stand: Februar 1999, Rn. 2226; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 54 Rn. 9; Rehbinder, Konzernaußenrecht und allgemeines Privatrecht, 1969, S. 77; Sapper, Die rechtssystematische Stellung der Unternehmensverträge, Jur. Diss. Tübingen 1968, S. 121; Schilling, FS Hefermehl, 1976, 383, 390; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 31 III 1 a = S. 948; Sonnenschein, Organschaft und Konzerngesellschaftsrecht, 1976, S. 321; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 6 IV 2 b bb = S. 351; Würdinger, Aktienrecht und das Recht der verbundenen Unternehmen, 4. Aufl. 1981, § 70 II 1 a = S. 323; Würdinger in Großkomm. AktG, 3. Aufl. 1971, § 291 Anm. 11. Für den Gewinnabführungsvertrag: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbHKonzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 291 Rn. 53; Gutheil, Die Auswirkungen von Umwandlungen auf Unternehmensverträge nach §§ 291, 292 AktG und die Rechte außenstehender Aktionäre, 2001, S. 29; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 291 Rn. 23; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 57 Rn. 2; Würdinger in Großkomm. AktG, 3. Aufl. 1971, § 291 Anm. 39: skeptisch Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, Vor § 291 Rn. 160; a. A. Neumayer, ZVglRWiss 83 (1984), 129, 149 ff. 576 Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 292 Rn. 4; Gutheil, Die Auswirkungen von Umwandlungen auf Unternehmensverträge nach §§ 291, 292 AktG und die Rechte außenstehender Aktionäre, 2001, S. 29; Henn, Handbuch des Aktienrechts, 7. Aufl. 2002, Rn. 329; Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1976, § 292 Rn. 4; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 292 Rn. 2; Koppensteiner, Internationale Unternehmen im deutschen Gesellschaftsrecht, 1971, S. 155; Langenbucher in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 292 Rn. 1; Liebscher in Beck AG-HB, 2004, § 14 Rn. 101; Maser, Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverhältnisse in Konzernen, 1985, S. 33 ff.; Nirk in Nirk, Handbuch der Aktiengesellschaft

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nur den Verträgen des § 291 I AktG eine »die Satzungsordnung der abhängigen AG überlagernde Wirkung« zuschreibt, die sich in erster Linie in § 291 III AktG und – für den Beherrschungsvertrag – in § 308 AktG niederschlage577. Diese Unterscheidung ist aber nicht allgemein anerkannt, so dass teilweise zumindest Teilgewinnabführungs-, Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsvertrag unter die Gruppe der Organisationsverträge subsumiert werden 578 . Auch wollen Vertreter der oben angegebenen herrschenden Meinung manchen der unter § 292 AktG zu subsumierenden Verträgen »organisationsrechtliche Elemente« zuschreiben und dementsprechend manche Regeln der Organisationsverträge auf die »anderen Unternehmensverträge« des § 292 AktG anwenden 579. Bereits dieser Befund lässt vermuten, dass die unterschiedliche Regelung der Abfindungsansprüche nicht unbedingt mit einer klar zu ziehenden »Opfergrenze« erklärt werden kann. Klarer Unterschied zwischen den Unternehmensverträgen des § 291 I AktG und denen des § 292 AktG ist die Regelung des Kapitalschutzes580 . Während § 291 III AktG die Kapitalerhaltungsregeln für die Laufzeit des Vertrages suspendiert, sind sie bei den »schuldrechtlichen« Unternehmensverträgen anwendbar (arg. ex § 292 III AktG). Dies allein kann allerdings nicht die unterschiedliche Regelung hinsichtlich der Abfindung erklären. Erstens dient der Kapitalschutz primär nicht den Aktionären, sondern vor allem den Gläubigern der AG. Zweitens ist der Ersatz für § 291 III AktG hauptsächlich in § 302 AktG zu verorten 581, nicht aber in den §§ 304, 305 AktG.

(Loseblatt), Stand: Februar 1999, Rn. 2226; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 57 Rn. 2. Dazu auch Begr. RegE AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 378. 577 Repräsentativ für alle in Fn. 575 Genannten Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2006, § 30 I 2 b = S. 427 f. 578 Oesterreich, Die Betriebsüberlassung zwischen Vertragskonzern und faktischem Konzern, 1979, S. 63 f.; Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze, 1980, S. 35 Fn. 108; Ulmer, ZGR 1978, 457, 468 Fn. 54. Zweifelnd: Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, Vorb. zu § 291 Rn. 161; nicht mehr vollkommen überzeugt K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 31 III 1 a = S. 948 (vgl. noch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, § 31 III 1 a = S. 952). 579 Vgl. etwa Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 4. Aufl. 2005, § 292 Rn. 6. Die Kategorien von »Organisationsvetrag« und »Austauschvertrag« überwindend Veil, Unternehmensverträge, 2003, S. 184 ff., 307 ff. (zusf.); dazu Koppensteiner, FS Canaris, Bd. II, 2007, 209. 580 Hierzu prägnant Wiedemann/Hirte, FS BGH, 2000, 337, 370; vgl. ferner Fleischer, ZGR 1997, 368, 390; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 57 Rn. 5 (»Verpflichtung der Gesellschaftsorgane auf das Unternehmensinteresse und gesellschaftsrechtliche Kapitalbindung«). 581 Die h.M. sieht den maßgeblichen Grund für § 302 AktG in der gelockerten Kapitalbindung nach § 291 III AktG an, dazu BGHZ 103, 1, 10 (Familienheim); BGHZ 107, 7, 18 (Tiefbau); BGHZ 115, 187, 197 (Video); Assmann, JZ 1986, 928, 935; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 302 Rn. 17; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 302 Rn. 3; Reuter, ZHR 146 (1982), 1, 21; K. Schmidt in Hommelhoff/Stimpel/Ulmer, Heidelberger Konzernrechtstage: Der qualifiziert faktische GmbH-Konzern, 1992, S. 109, 115 f.; Stimpel, ZGR 1991, 144, 151; Ulmer, NJW 1986, 1579, 1584; Ulmer, AG 1986, 123, 126.

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Der Übergang der Leitungsmacht nach § 308 AktG kann nicht allein Unterscheidungsmerkmal sein, denn diese Norm gilt nicht für den isolierten Gewinnabführungsvertrag, der trotzdem gem. §§ 304, 305 AktG entschädigungspflichtig ist582 . Auch sonstige Merkmale, die den Strukturwandel in der abhängigen AG verdeutlichen könnten, sind keine hinreichenden Abgrenzungskriterien, weil sie zumindest teilweise von den »anderen« Unternehmensverträgen des § 292 AktG erfüllt werden. So verändern jedenfalls Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsvertrag den Unternehmensgegenstand, weil die AG fortan nicht mehr mit ihrem bisherigen Betrieb arbeitet und stattdessen zu einer »Rentnergesellschaft« degradieret wird, die nach Vertragsschluss den monatlichen Pachtzins einzieht. 583 Ebenso ändert zumindest der Teilgewinnabführungsvertrag den Gesellschaftszweck, weil er die Zielsetzung grundsätzlich jeder AG aufhebt, Gewinn zum Wohle der eigenen Aktionäre zu erzielen und zu verwenden (eigenständige Gewinnerzielung) 584 . Schließlich führen Geschäftsführungsvertrag i. S. d. § 291 I 2 AktG und Betriebsüberlassung i. S. d. § 292 AktG zu exakt derselben »Strukturveränderung«, wenn die Betriebsüberlassung mit einem Betriebsauftrag585 verbunden ist, so dass das überlassende Unternehmen den Betrieb im eigenen Namen, aber für die Rechnung des Vertragspartners führt 586 .

582 Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 291 Rn. 150; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 308 Rn. 5; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 291 Rn. 89; Würdinger in Großkomm. AktG, 3. Aufl. 1971, § 291 Anm. 42; a. A. van Veenroy, DB 1981, 675 ff., dessen Ansicht aber vereinzelt geblieben ist. 583 Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 292 Rn. 13; dagegen Hommelhoff, Die Konzernleitungspflicht, 1982, S. 279. »Schwerwiegende Eingriffe« in die Gesellschaftsstruktur konstatiert Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 292 Rn. 39. Mestmäcker, FG Kronstein, 1967, 129, 148 attestiert den Betriebsüberlassungsverträgen dieselbe Eignung zur Konzernbildung wie Beherrschungsverträge; ebenso Langenbucher in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 292 Rn. 29. Zum Bild der Rentnergesellschaft vgl. im Übrigen etwa Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 292 Rn. 97; Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 118. 584 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 167, 297; Nirk in Nirk, Handbuch der Aktiengesellschaft (Loseblatt), Stand: Februar 1999, Rn. 2226; a. A. Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 292 Rn. 13. Zur Änderung des Gesellschaftszwecks bei den Betriebsüberlassungsverträgen Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 171; Nirk in Nirk, Handbuch der Aktiengesellschaft (Loseblatt), Stand: Februar 1999, Rn. 2226; a. A. Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 292 Rn. 13; Veelken, Der Betriebsführungsvertrag im deutschen und amerikanischen Aktien- und Konzernrecht, 1975, S. 243. Für die Gewinngemeinschaft Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 169 (»partielle Zweckänderung«); a. A. erneut Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 292 Rn. 13. 585 Zur Terminologie etwa Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 292 Rn. 100; U. Huber, ZHR 152 (1988), 1, 6 f. 586 Deswegen wird der entgeltliche Geschäftsführungsvertrag nach überwiegender (und richtiger) Ansicht auch analog § 293 I Nr. 3 AktG behandelt, vgl. dazu Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 291 Rn. 94; Krieger in Münchener Handbuch AG,

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Als Zwischenergebnis lässt sich damit festhalten: Die Intensität der Strukturveränderung und des Eingriffs in die Mitgliedschaft können allein nicht erklären, warum die Unternehmensverträge des § 291 AktG abfindungspfl ichtig sind, die Verträge des § 292 AktG dagegen abfindungsfrei 587. Dies lässt sich besonders gut am Teilgewinnabführungsvertrag veranschaulichen588 : Obwohl er nach (richtiger, dazu sogleich) ganz h.M. nahezu den gesamten Gewinn erfassen kann 589 (etwa 99% 590 ) und sich daher vom isolierten Gewinnabführungsvertrag nach § 291 I AktG nur marginal unterscheiden mag, führt dieser Unternehmensvertrag nicht zur Abfindung. Im Übrigen müsste eine einheitliche Opfergrenze konsequenterweise etwa dann Abfindungsrechte fordern, wenn Geschäftsführungsmaßnahmen den Aktienwert besonders stark beeinträchtigen, was mit dem Prinzip des § 76 I AktG nicht vereinbar wäre591. Das Einzige, was die beiden Gruppen von Unternehmensverträgen unterscheidet, ist daher das Konzept, durch das die Interessen der Minderheitsaktionäre gewahrt werden. Dieses variiert erheblich: Während der Minderheitenschutz bei den Unternehmensverträgen des § 292 AktG durch die Gegenleistung verwirklicht wird, die der AG zufließt (im Folgenden »Gegenleistungskonzept« genannt592), lösen die Unternehmensverträge des § 291 I AktG Ausgleichs- und Abfindungsansprüche aus593 . Bei den Verträgen des § 292 AktG stehen sich die Vertragsparteien 3. Aufl. 2007, § 71 Rn. 10; zust. Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 291 Rn. 186; a. A. Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 291 Rn. 68. 587 Schwerwiegende Strukturveränderungen werden denn auch den »anderen« Unternehmensverträgen des § 292 AktG von denen attestiert, die sie nicht unter den Begriff der Organisationsverträge subsumieren, vgl. allgemein Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 292 Rn. 2; s. aber auch Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, Vor § 291 Rn. 7, der die Strukturveränderung aufgrund der anderen Unternehmensverträge nach § 292 AktG nicht so stark ansieht, weil der AG eine Gegenleistung zufließt. 588 Hierzu auch K. Schmidt, ZGR 1984, 295, 304 f. 589 OLG Düsseldorf AG 1996, 473, 474 (Citicorp Deutschland); Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 292 Rn. 51; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 292 Rn. 24; Eyber, Die Abgrenzung von Genußrecht und Teilgewinnabführungsvertrag im Recht der Aktiengesellschaft, 1997, S. 11; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 292 Rn. 13; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 292 Rn. 54; Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 72 Rn. 15; Langenbucher in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 292 Rn. 17; a. A. Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1976, § 292 Rn. 33; Geßler, FS Ballerstedt, 1975, 219, 226 f. 590 So etwa im Fall des BayObLG ZIP 2003, 845. Dort wurde allerdings offen gelassen, ob der Vertrag ein Teilgewinnabführungsvertrag ist (BayObLG a.a.O., S. 847 sub. c vor aa). 591 Vgl. auch Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, 1991, S. 148 f. 592 S. auch Martens, Die existenzielle Wirtschaftsabhängigkeit, 1979, S. 19 ff.: »Äquivalenzprinzip«. 593 Begr. RegE AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 378. Vgl. zusf. Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, Vor § 291 Rn. 7; Bälz, FS Raiser, 1974, 287, 306; Koppensteiner, FS Ostheim, 1990, 403, 405 f.; Martens, Die existenzielle Wirtschaftsabhängigkeit, 1979, S. 19 ff. Für die GmbH mit Einschränkungen Mimberg, Konzerninterne Pachtverträge im Recht der GmbH, 2000, S. 48 f. Die Frage, ob unentgeltliche Verträge des § 292 AktG begriffl ich unter diese Norm fallen, ist hiervon streng zu trennen. Auch wenn man dieser Ansicht ist, heißt das nicht, dass diese Verträge ohne weiteres zulässig wären, vgl. Geßler in Geßler/Hefermehl/

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wie unverbundene Rechtsträger gegenüber, die einen Austauschvertrag schließen, bei den Organisationsverträgen des § 291 AktG kommt es zu einer wirtschaftlichen Fusion 594 . Dass Unternehmensverträge i. S. d. § 292 AktG nur mit angemessenem Äquivalenzverhältnis geschlossen werden dürfen, folgt aus den §§ 57, 58, 60 AktG (wenn der andere Vertragspartner ein Aktionär ist), §§ 311 ff. AktG (falls ein Abhängigkeitsverhältnis vorliegt), § 243 II AktG sowie der Organhaftung von Vorstand und Aufsichtsrat, insbesondere aus den §§ 93, 116 AktG 595 . Hiergegen spricht nicht § 292 III AktG, denn dessen Satz 2 stellt klar, dass die Anfechtbarkeit des Zustimmungsbeschlusses wegen eines Verstoßes gegen die §§ 57, 58, 60 AktG nicht ausgeschlossen ist 596 . Auch enthalten die §§ 300 Nr. 2, 301, 302 II AktG zwar Sonderregeln für den Gesellschafts- und Aktionärsschutz. § 302 II AktG ist jedoch schon nach seinem Wortlaut ebenfalls nur darauf angelegt, die Angemessenheit der Gegenleistung abzusichern 597, er bestätigt das Gegenleistungskonzept daher598 . Die §§ 300 Nr. 2, 301 AktG haben zwar eine andere Schutzrichtung, sie können aber wegen ihrer geringen Bedeutung das Gegenleistungskonzept nicht in Frage stellen. Sie werden darüber hinaus allgemein als systemwidrig angesehen, weil sie bei der vom Gesetz vorausgesetzten angemessenen Gegenleistung überflüssig sind599. Dass es die §§ 300 Nr. 2, 301 AktG gibt, beruht auf einer histoEckardt/Kropff, AktG, 1976, § 292 Rn. 43 (Teilgewinnabführungsvertrag), Rn. 87 (Betriebsüberlassungsverträge). 594 Vgl. Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, Vor § 291 Rn. 7, § 292 Rn. 52. 595 Vgl. nur OLG Düsseldorf AG 1996, 473, 474 (Citicorp Deutschland); Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 292 Rn. 38, 88, 127; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbHKonzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 292 Rn. 19 f., 27 f., 48 ff., Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/ Kropff, AktG, 1976, § 292 Rn. 22 ff., 43; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 292 Rn. 11, 16, 25; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 292 Rn. 53, 71 ff., 100 f.; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 57 Rn. 5. Im Einzelnen ist umstritten, ob der Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsregeln der §§ 57 ff. AktG den Zustimmungsbeschluss nichtig macht oder nur die Anpassung des Vertrages erfordert (vgl. exemplarisch einerseits Emmerich/ Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 292 Rn. 19; andererseits Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 292 Rn. 30 ff.). Dies liegt aber nicht an unterschiedlichen Meinungen über die hier diskutierte Frage, sondern nur an einer unterschiedlichen Auffassung über das Konzept des aktienrechtlichen Eigenkapitalschutzes (dazu zusf. Henze in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, § 57 Rn. 200 ff.). Des weiteren ist strittig, ob die §§ 57 ff. AktG von den §§ 311 ff. AktG verdrängt werden (dazu exemplarisch einerseits Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 292 Rn. 19, andererseits Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 72 Rn. 13, 23). Auch dies beruht aber nicht auf unterschiedlichen Ansichten über das in diesem Kapitel behandelte Thema. 596 Dazu statt aller Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 292 Rn. 51. 597 Dazu Oesterreich, Die Betriebsüberlassung zwischen Vertragskonzern und faktischem Konzern, 1979, S. 86 f. 598 Vgl. auch Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 302 Rn. 48, nach dem es bei richtiger Handhabe des Gesetzes (sprich: des Gegenleistungskonzepts) des § 302 II AktG gar nicht bedarf. 599 Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 292 Rn. 3; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, Vor § 300 Rn. 4; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 57 Rn. 2.

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rischen Skepsis gegenüber den Rechtsfolgen mancher »anderer« Unternehmensverträge (dazu noch sogleich). Sie ändern aber nichts an dem oben beschriebenen Grundkonzept. Kommt der abfindungsfreie Unternehmensvertrag mit einem Unternehmen zustande, das mit der AG unverbunden ist, steht ohnehin kaum zu befürchten, dass die Minderheitsaktionäre von der Mehrheit übervorteilt werden600 . Dass es (allein) diese »Gegenleistungskonzeption« ist, die die »anderen Unternehmensverträge« von den Verträgen des § 291 AktG unterscheidet, wird allerdings bezweifelt601. So weisen manche Stimmen darauf hin, dass die Entschädigungsleistung nach §§ 304, 305 AktG »wirtschaftlich gesehen« eine Gegenleistung für die Konzernierung sei602 . Dementsprechend sei es bloß eine »Formfrage«, ob diese Gegenleistung direkt an die außenstehenden Aktionäre oder zunächst an die AG fließe 603 . Schließlich könne auch bei den Unternehmensverträgen des § 292 AktG die Gegenleistung direkt an die Aktionäre gezahlt werden, wobei die Vertreter dieser Ansicht zum Teil auf § 328 BGB 604 , zum Teil auf § 243 II 2 AktG verweisen605 . Soweit diese Meinung mit dem Topos der »wirtschaftlichen Gegenleistung« arbeitet, ist sie allerdings nicht mit dem hier entwickelten Konzept des Abfindungsanspruchs als gesetzlicher Anspruch vereinbar606 . Die These, die Gegenleistung könnte in den Fällen des § 292 AktG an die Aktionäre geleistet werden, widerlegt – insbesondere wenn sie mit § 328 BGB begründet wird – nicht die Ansicht, dass sich die »anderen« Unternehmensverträge von den Unternehmensverträgen des § 291 I AktG nur durch das Gegenleistungskonzept unterscheiden. Denn insoweit vertritt die Gegenmeinung ja nicht, dass die Gegenleistung bei den Verträgen nach § 292 AktG durch Ausgleich und Abfindung (für die dann die §§ 304 f. AktG gelten würden) ersetzt werden kann. Soweit sie doch so zu verstehen sein sollte 607, wäre diese »Begründung« im Übrigen eine reine petitio principii: Ob eine solche Ersetzung möglich ist, ist gerade die Ausgangsfrage. Darüber hin600 Statt aller OLG Düsseldorf AG 1996, 473, 474 (Citicorp Deutschland, Teilgewinnabführungsvertrag); Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1976, § 292 Rn. 22 (Gewinngemeinschaft). 601 Vgl. Geßler, FS Ballerstedt, 1975, 219, 223 f. et passim; Oesterreich, Die Betriebsüberlassung zwischen Vertragskonzern und faktischem Konzern, 1979, S. 72 ff. 602 Oesterreich, Die Betriebsüberlassung zwischen Vertragskonzern und faktischem Konzern, 1979, S. 74; vgl. ferner Geßler, FS Ballerstedt, 1975, 219, 223 (Geschäftsführungsvertrag). Vgl. im Übrigen die Angaben o. S. 155 zur Abfindung als »Kaufpreis für Rechtsmacht«. 603 Geßler, FS Ballerstedt, 1975, 219, 223 (Geschäftsführungsvertrag); dem für alle Unternehmensverträge zust. Oesterreich, Die Betriebsüberlassung zwischen Vertragskonzern und faktischem Konzern, 1979, S. 74. 604 Vgl. den Hinweis von Oesterreich, Die Betriebsüberlassung zwischen Vertragskonzern und faktischem Konzern, 1979, S. 73. Noch vor dem AktG 1937: Burkart, Die Verpachtung von Unternehmen unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung, 1936, S. 62. 605 Oesterreich, Die Betriebsüberlassung zwischen Vertragskonzern und faktischem Konzern, 1979, S. 75. Unklar in der dogmatischen Grundlage Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/ Kropff, AktG, 1976, § 292 Rn. 46, 90. 606 Dazu schon o. S. 128 ff. und S. 155 f. 607 Anzeichen hierfür bei Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1976, § 292

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aus wird noch zu zeigen sein, dass es keineswegs bloß eine Formfrage ist, ob die »Gegenleistung« an die abhängige AG oder direkt an ihre Aktionäre gezahlt wird, sondern dass sich hinter dem Gegenleistungskonzept ein mehreren abfindungsfreien Fällen gemeinsames Prinzip versteckt 608 . Eines kann daher hier schon festgestellt werden: Das einzige Merkmal, das die Unternehmensverträge des § 291 AktG von den »anderen« Unternehmensverträgen des § 292 AktG unterscheidet, ist, dass Erstere keine angemessene Gegenleistung der abhängigen AG vorsehen, während bei Letzteren der Minderheitenschutz gerade über diese Gegenleistung hergestellt wird. Hieraus folgt eine Vorgabe für das weitere Vorgehen: Wenn sich die Unternehmensverträge des § 291 AktG und die Verträge des § 292 AktG nicht schon aufgrund ihrer aktionärsbelastenden Rechtsfolgen (ihres Eingriffs, der Intensität ihrer Strukturveränderung) hinreichend unterscheiden, dann scheint es nicht eine bestimmte Opfergrenze zu sein, die Abfindung fordert, sondern ein bestimmtes minderheitsschützendes Konzept des Gesetzgebers bzw. des Gesetzes609. Bestätigt wird dieser Eindruck durch einen historischen Rückblick auf die Entstehungsgeschichte des Rechts der Strukturentscheidungen: Unter dem AktG 1937 war es bei der Unternehmenspacht – ebenso wie beim Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag – üblich, dass das herrschende Unternehmen eine Dividendengarantie zugunsten der außenstehenden Aktionäre übernahm610 . Während der Gesetzgeber diese Praxis mit dem AktG 1965 beim Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zwingend festschrieb 611, legte er den Betriebsüberlassungsverträgen ein anderes, nämlich das hier sog. Gegenleistungskonzept zugrunde 612 . Diese Erkenntnis entspricht auch einem dogmatischen Seitenblick auf das Aufopferungsrecht: Wie bereits oben dargelegt, ist dort anerkannt, dass die einzelnen Aufopferungsfälle zu verschieden sind, um sie auf eine gemeinsame Opfergrenze zurückzuführen613 . Für das weitere Vorgehen hat diese Erkenntnis folgende Konsequenz: Zu suchen ist nach dem gesetzlichen Konzept und den dahinter stehenden Gründen, die den Gesetzgeber motivieren, einige Strukturmaßnahmen abfindungspflichtig auszugestalten, in andern Fällen dagegen den Minderheitenschutz über andere Instrumentarien zu sichern.

Rn. 46, 90, der zwar die analoge Anwendbarkeit der §§ 304 f. AktG bejaht, aber bei dem unklar ist, ob er das Gegenleistungsmodell wirklich durch ein Abfindungsmodell ersetzen will. 608 Dazu noch u. S. 228 bei Fn. 655. 609 Vgl. auch Bälz, FS Raiser, 1974, 287, 304; Martens, Die existenzielle Wirtschaftsabhängigkeit, 1979, S. 17 ff. Für das ähnliche Problem der Ermittlung ungeschriebener Hauptversammlungszuständigkeiten ebenso J. Schulze-Osterloh, ZGR 1974, 427, 433. 610 Hierzu Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 318. 611 Dazu o. S. 131 ff. 612 Hierzu auch Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1976, § 292 Rn. 68; Mestmäcker, FG Kronstein, 1967, 129, 148. 613 S. o. S. 201.

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b) Die Abfindungsfreiheit der einfachen Satzungsänderung Einfachster Fall abfindungsfreier Strukturmaßnahmen in der AG ist die (einfache) Satzungsänderung. Da viele Strukturwandelungen als Satzungsänderungen ausgestaltet sind bzw. deren Regeln unterliegen (etwa Kapitalerhöhung und Kapitalherabsetzung614 , Liquidation615), kommt der Satzungsänderung eine Auffangfunktion zu. Daher sei sie zuerst betrachtet. aa) Mehrheitsprinzip Die Abfindungsfreiheit der einfachen Satzungsänderung beruht auf einem Prinzip des Aktienrechts, das selbstverständlich sein mag, hier gleichwohl hervorgehoben werden soll: dem Mehrheitsprinzip. Entscheidungen der Hauptversammlung werden grundsätzlich per Mehrheitsbeschluss gefasst (§ 133 I AktG). Wie die Satzungsänderung zeigt, gilt dies grundsätzlich auch bei solchen Entscheidungen, die die Struktur der AG und den Inhalt der Mitgliedschaft verändern (§ 179 II 1 AktG) 616 . Maßgeblicher Grund für das Mehrheitsprinzip ist die Handlungsfähigkeit der AG 617. Die AG ist als Kapitalsammelbecken konzipiert, das zur Aufnahme einer Vielzahl von Gesellschaftern taugt. Müsste die Hauptversammlung grundsätzlich einstimmig entscheiden, käme es zum Stillstand. Insofern liegt das Mehrheitsprinzip vor allem im Interesse der Aktionäre, denn es schließt aus, dass sich einzelne »Querköpfe« erfolgreich gegen einen für alle günstigen Beschluss stellen 618 . Legitimiert wird das Mehrheitsprinzip weiter dadurch, dass die Interessen der Aktionäre grundsätzlich dieselben sind: Verfolgung des Gesellschaftszwecks, Steigerung der Rendite des investierten Kapitals, Erhöhung des shareholder value. Bei einer solchen Interessenlage fungiert die Mehrheit als Treuhänderin der Minderheit619. Indem sie beschließt, was das Beste für die AG ist, usurpiert sie nicht das in den Aktien der Minderheit verkörperte Kapital, sondern fördert grundsätzlich die (am Gesellschaftszweck ausgerichteten) Interessen der Minderheit. Das Mehrheitsprinzip ist gegenläufiges Prinzip der Abfindungspflicht 620 . Zum einen geht der Abfindungsanspruch gerade von einem »eigentlich bestehenden Veto-Recht« aus, das dem Aktionär gegen Entschädigung entzogen wird621. Müss614

Statt aller Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 179 Rn. 83. Vgl. nur Hüffer in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2001, § 262 Rn. 40. 616 Darüber hinaus ist nach h.M. auch die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich, vgl. statt vieler Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 179 Rn. 114; Zöllner in Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1989, § 179 Rn. 152. 617 Etwa Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 387; Kellermann, FS Stimpel, 1985, 295, 301; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den Personenverbänden, 1963, S. 94. 618 Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 388: »Chance zur Selbsthilfe«. 619 Vgl. dazu noch u. S. 338 ff. 620 Vgl. nur Kalss, wbl 2001, 366, 370. 621 S. o. S. 156 f., 172 f. 615

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te zum anderen die Mehrheit (vermittelt durch die Haftung der AG) dissentierenden Aktionären bei jeder gegen deren Willen getroffenen Entscheidung Abfindung zahlen, wäre ihre Entscheidungsmacht kaum etwas wert. Schließlich widerspräche dies gerade dem Grundsatz, dass der Aktionär sein Kapital dauerhaft zur Verfügung der AG gestellt hat622 . Die Erkenntnis des Mehrheitsprinzips als gegenläufiges Prinzip der Abfindungspflicht erlaubt, von den Grenzen des Mehrheitsprinzips auf Gründe des Abfindungsanspruchs zu schließen: Abfindungsansprüche kommen zunächst um so eher in Betracht, je stärker die Interessengegensätze in der AG sind623 und je weniger die Aktionärsmehrheit daher als Treuhänderin der Minderheit angesehen werden kann. Das Merkmal des Interessenkonflikts wurde schon oben als notwendiges Element jedes Aufopferungs- und damit auch Abfindungsanspruchs identifiziert624 . Hierbei fällt auf, dass sich in den Abfindungsfällen die Mehrheit oft auf Kosten der Minderheit Vorteile verschafft, was zum schon mehrfach genannten Usurpationsgedanken passt625 . Augenfällig ist dies bei den §§ 320b626 , 327a AktG, 39a WpÜG sowie bei § 305 AktG (vgl. auch §§ 304 III 2627, 320b II 1, 327 f I 1 AktG). Auch die abfindungsauslösenden Umwandlungen (inklusive der im SEAG geregelten Transaktionen) handeln typischerweise von einem solchen Interessenkonflikt, denn mit einem Formwechsel kann sich die Mehrheit asymmetrische Vorteile verschaffen628 . Andererseits hat die Gesellschaftsrechtsdogmatik Instrumente entwickelt, die der Gefahr von Interessenkonflikten entgegenwirken, ohne Abfindungsansprüche zu verwenden: Zu denken ist insbesondere an den Gleichheitssatz (§ 53a AktG), Treuepflichtbindungen und die materielle Beschlusskontrolle (sog. bewegliche Schranken der Mehrheitsherrschaft) 629. Diese Schranken legitimieren und begrenzen die Mehrheitsherrschaft und lassen somit einen weiteren Grund für Abfindungsansprüche erkennen: Abfindungsfälle sind durch ein Versagen dieser beweglichen Schranken charakterisiert 630 . So handelt es sich zumindest bei den Beschlüssen der §§ 305, 320b AktG, 29 UmwG, 7 SEAG um zweckändernde 622

Kalss, wbl 2001, 366, 370. Hierzu schon C. Ott, Recht und Realität der Unternehmenskorporation, 1977, S. 157. 624 S. o. S. 172. 625 Dazu o. S. 176 ff., 194 ff. 626 Zur Eingliederung Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986, S. 142. 627 Der entsprechend auf § 305 AktG angewandt wird, dazu hier nur Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 305 Rn. 29. 628 Dazu schon o. S. 185 ff., (z. B. Ausbau des unternehmerischen Einflusses wegen § 37 I GmbHG, Überleitung von Geschäftschancen auf einen vom Mehrheitsaktionär beherrschten Rechtsträger). 629 Dazu hier nur Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den Personenverbänden, 1963, S. 287 ff. sowie ausführlich u. unter S. 345 ff. 630 Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986, S. 140 ff. (»Entweder-oder-Beschlüsse«) und noch u. S. 345 ff. S. auch BVerfGE 14, 263, 281 (Feldmühle), das auf diesen Gesichtspunkt abstellt (»ein Ausgleich der Bestrebungen von Mehrheit und Minderheit wird nahezu ausgeschlossen«). 623

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Beschlüsse, bei denen der Bezugspunkt für eine materielle Beschlusskontrolle fehlt 631. Außerdem werden häufig keine Alternativen zu abfindungsauslösenden Beschlüssen ersichtlich sein, so dass eine Rechtmäßigkeitsüberprüfung anhand des Erforderlichkeitskriteriums der materiellen Beschlusskontrolle ausscheidet 632 . Schließlich kann eine materielle Beschlusskontrolle ins Leere laufen, weil betriebswirtschaftliche Fragen auftauchen, die vom Richter kaum beantwortet werden können633 . bb) Kapitalerhaltungsgrundsatz Zweiter Grund für die Abfindungsfreiheit der einfachen Satzungsänderung ist die strenge Kapitalbindung in der AG (§ 57 I AktG). Die AG ist Kapitalsammelbecken. Der Anleger stellt ihr sein Kapital grundsätzlich dauerhaft zur Verfügung. Spiegelbildlich dürfen die anderen Aktionäre grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Aktionär seine Investition nicht einfach wieder aus der Gesellschaft abzieht. Kommt (nach dem Prinzip der Begünstigtenhaftung) allein die AG als Abfindungsschuldnerin in Betracht, widerspricht die Abfindungspflicht dieser Kapitalbindung, denn sie führt dazu, dass die AG Eigenkapital an den Aktionär zurückzahlt. Dies erklärt auch, dass das Aktien- und Umwandlungsrecht eine Abfindung nur vorsieht, wenn eine ¾-Mehrheit für den Beschluss stimmt: So ist zu erwarten, dass zumindest 75% des Eigenkapitals unangetastet bleiben634 . Das Prinzip der Kapitalerhaltung ist damit zweites gegenläufiges Prinzip des Abfindungsrechts635 . cc) Zwischenergebnis Mehrheitsprinzip und Kapitalerhaltungsgrundsatz können als gegenläufige Prinzipien des Abfindungsrechts festgehalten werden. Aus den Grenzen des Mehrheitsprinzips lassen sich Gründe für die Abfindungspflicht ableiten: unüberwindbare Interessenkonflikte bei der jeweiligen Beschlussfassung (insbesondere weil die Mehrheit die Möglichkeit hat, sich auf Kosten der Minderheit durchzusetzen) sowie das Versagen beweglicher Schranken der Mehrheitsmacht beim abfindungsauslösenden Beschluss.

631 Zunächst nur Lutter, ZGR 1981, 171, 177; ausführlich u. S. 345 ff. Das Gleiche gilt für den Squeeze-out, doch ist dieser Beschluss nicht Gegenstand dieses Abschnitts. 632 Für den Formwechsel Decher in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 193 Rn. 12. 633 So für den Beherrschungsvertrag Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 293 Rn. 55. Zur Neigung der Gerichte, sich in solchen Fällen auf leichter zu beurteilende formelle Mängel des Beschlusses zu konzentrieren, kritisch Martens, ZIP 1992, 1677, 1686; Schockenhoff, AG 1994, 45, 55. Vgl. auch Henze, ZIP 1995, 1473, 1476 für den Fall der (übertragenden) Auflösung. 634 Dazu noch u. S. 328 f. Zur Abfindungsberechtigung von Aktionären, die für den abfindungsauslösenden Beschluss gestimmt haben u. S. 377 f. 635 Im Ergebnis übereinstimmend etwa Kalss, wbl 2001, 366, 369; Priester, ZGR 1990, 420, 445; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 14.

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c) Die Abfindungsfreiheit aufgrund anderer Schutzmechanismen Nachdem Klarheit über die Gründe für die Abfindungsfreiheit der Satzungsänderung herrscht, sollen im Folgenden abfindungsfreie Strukturmaßnahmen betrachtet werden, in denen das Gesetz die Interessen dissentierender Aktionäre durch besondere Schutzmechanismen wahrt. Dies sollte helfen, den Bereich »unterhalb des Abfindungsrechts« weiter auszuleuchten. aa) Die Abfindungsfreiheit der Kapitalerhöhung Abfindungsfrei ist die Kapitalerhöhung. Unabhängig von der Form der Kapitalerhöhung schützt das Gesetz die Minderheitsaktionäre über das Bezugsrecht (§ 186 AktG) sowie – bei dessen Ausschluss – gem. § 255 II AktG gegen die drohende Kapitalverwässerung636 . Dieses Prinzip liegt auch der Verschmelzungsregelung des UmwG zugrunde, soweit man die Seite des aufnehmenden Rechtsträgers betrachtet. Ein Abfindungsrecht dissentierender Aktionäre ist hier nicht vorgesehen. Verständlicherweise, denn für die Aktionäre des aufnehmenden Rechtsträgers ist die Verschmelzung wirtschaftlich nichts anderes als eine Kapitalerhöhung gegen Sacheinlagen (Aufnahme neuer Aktionäre »gegen« deren Anteile am übertragenden Rechtsträger) 637. Rechtspolitische Kritik an dem fehlenden Abfindungsrecht mag begründet sein638 , systemstimmig wäre ein solches Recht nicht639. Auch dass diese Anteilseigner ebenso wie die Aktionäre des herrschenden Unternehmens beim Beherrschungsund Gewinnabführungsvertrag oder bei der Eingliederung kein Spruchverfahren einleiten können, wenn sie die Abfindung für zu hoch halten640 , passt hierzu641. De

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Ob es auch zum gesetzlichen Konzept gehört, die Aktionäre über eine materielle Beschlusskontrolle zu schützen, ist nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Vgl. insoweit exemplarisch einerseits Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996 [dazu o. S. 57 ff.] und andererseits Zöllner, AG 2002, 585 ff. 637 Dazu Baums in 63. DJT, Gutachten F, 2000, S. 124; s. auch Marsch-Barner in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 69 Rn. 6. 638 Dazu Baums in 63. DJT, Gutachten F, 2000, S. 120 ff.; Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 547; Bork, ZGR 1993, 343, 354 (»Ausgleichsansprüche«). 639 Hierzu auch BGHZ 112, 9, 19 (zu § 352c AktG). 640 Kritisch dazu etwa Bayer, AG 1988, 323, 325; Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 544 ff.; Bayer/ Schmidt, NZG 2006, 841, 844; Fritzsche/Dreier, BB 2002, 737, 739 ff.; Marsch-Barner in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 15 Rn. 3; Martens, AG 2000, 301, 303 ff.; Rebmann, Die Ausweitung des Spruchstellenverfahrens, 1995, S. 48 ff.; Röhricht in IdW, Reform des Umwandlungsrechts, 1993, S. 64, 70 f.; Schiessl, AG 1999, 442, 446; Vetter, ZHR 168 (2004), 8, 24 ff.; Vetter, AG 2008, 177, 189; Winter, FS Ulmer, 2003, 699, 719 ff.; zur entsprechenden Vorschrift des § 352c AktG Boujong, FS Kellermann, 1991, 1, 14; Hofmann-Becking, FS Fleck, 1988, 105, 123 f.; Priester, NJW 1983, 1459, 1463; Timm, JZ 1982, 403, 410 f. 641 Konsequent insoweit auch Hirte, ZHR 167 (2003), 8, 32, 33, der die Antragsbefugnis in den genannten konzern- und umwandlungsrechtlichen Fällen aus den Artt. 3, 14 GG sowie aus europarechtlichen Grundsätzen herleitet und dieses Konzept auf die Kapitalerhöhung erstreckt.

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lege ferenda ließe sich freilich überlegen, alle Bewertungsstreitigkeiten ins Spruchverfahren zu verweisen642 . bb) Die Abfindungsfreiheit der Kapitalherabsetzung Kein Abfindungsrecht haben die dissentierenden Aktionäre einer ordentlichen Kapitalherabsetzung. Gleiches gilt für die vereinfachte Kapitalherabsetzung. Ebenso eindeutig ist die Rechtslage bei der Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien nicht, denn hier kann den Aktionären ein Entgeltanspruch zustehen (vgl. § 237 II 3 AktG). Da die Kapitalherabsetzung durch Einziehung jedoch zur Durchführung einer Vielzahl heterogener Maßnahmen gedacht ist, bei denen die Kapitalherabsetzung zwar »Form, nicht aber notwendigerweise auch Zweck des Verfahrens« ist 643 , soll die Einziehung im Folgenden außer Betracht bleiben. Dass die Kapitalherabsetzung abfindungsfrei ist, hat mehrere Gründe. Ohne Zusammenlegung von Aktien fehlt es schon an einem relevanten Eingriff in die Mitgliedschaft: Weder verlieren die Aktionäre Vermögens- noch Herrschaftsrechte. Usurpationssituationen entstehen aber, wenn Aktionäre durch die Kapitalherabsetzung aus der Gesellschaft gedrängt werden sollen. Hier greift das Gesetz jedoch auf andere Schutzmechanismen zurück: Zum einen ist die Zusammenlegung von Aktien nur subsidiär zulässig (§ 222 IV 2 AktG); im Falle der Zusammenlegung werden die Aktien freihändig verkauft (vgl. auch § 226 III AktG). Selbst wenn das Grundkapital unter den Mindestnennbetrag nach § 7 AktG gesetzt wird, schreibt das Gesetz keine Abfindungspflichten vor. Dies ergibt sich für die vereinfachte Kapitalherabsetzung aus dem Zweck und wirtschaftlichen Zusammenhang der Kapitalherabsetzung. Sie ist Sanierungsmittel, in deren Zusammenhang gerade kein Vermögen an die Aktionäre ausgeschüttet werden soll (vgl. § 229 III AktG mit dem fehlenden Verweis auf § 225 AktG). Für die ordentliche Kapitalherabsetzung ergibt sich das Fehlen von Abfindungsansprüchen aus den Gläubigerschutzvorschriften des § 225 AktG. Jede Abfindungsverpflichtung der AG würde § 225 II 1 AktG zuwiderlaufen. Dieser Befund erhellt erneut, dass Abfindungsvorschriften Ausnahmen vom Grundsatz der Kapitalbindung sind und daher restriktiv gehandhabt werden müssen644 . Konsequent hat der BGH den Schutz der Minderheitsaktionäre beim sog. reverse stock split nicht durch Abfindungsvorschriften ergänzt, sondern die Gesellschaft/den Mehrheitsaktionär aufgrund ihrer/seiner Treuepflicht verpflichtet, die Nennwerte der neuen Aktien so

642 S. zuletzt den Gesetzgebungsvorschlag des Handelsrechtsausschusses des DAV, NZG 2007, 497; im Übrigen Baums in 63. DJT, Gutachten F, 2000, S. 120 ff. m. w. N.; Baums/Drinkhausen, ZIP 2008, 145, 156; Hüffer, ZHR 172 (2008), 8, 12 ff.; Schiessl, AG 1999, 442, 446; Vetter, ZHR 168 (2004), 8, 24 ff.; Vetter, AG 2008, 177, 189; differenzierend Regierungskommission Corporate Governance in Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rn. 151 f. 643 Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 222 Rn. 2. 644 S. o. S. 223.

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festzulegen, dass sich möglichst viele der ursprünglichen Aktionäre an der AG beteiligen können645 . cc) Die Abfindungsfreiheit des rein bestandsmäßigen Vermögensaustauschs Eine weitere Gruppe abfindungsfreier Strukturmaßnahmen bilden die umwandlungsrechtliche Ausgliederung und die Vermögensübertragung nach § 179a AktG. Dies wird bei der Ausgliederung allgemein als gesetzgeberische Entscheidung akzeptiert (vgl. § 125 S. 1 UmwG). Bei der Vermögensübertragung werden Abfindungsansprüche in Analogie zu den vorhandenen Normen diskutiert, jedoch hauptsächlich, soweit es um den Sonderfall der übertragenden Auflösung geht (also typischerweise Fälle innerhalb verbundener Unternehmen) 646 . Da es hier nur um die gesetzliche Wertung des § 179a AktG geht, soll zunächst von seinem Leitbild der Vermögensübertragung an außenstehende Dritte (mit oder ohne anschließender Liquidation der Gesellschaft) ausgegangen werden. Die Abfindungsfreiheit der umwandlungsrechtlichen Ausgliederung wird oftmals damit erklärt, dass die reine Ausgliederung nicht in die Aktionärsrechte eingreife 647. Da das ausgegliederte Vermögen durch Gesellschaftsanteile des neuen Rechtsträgers ersetzt werde, stelle die Ausgliederung einen reinen Vermögenstausch dar648 . Hierdurch werde die Mitgliedschaft der Anteilseigner nicht verändert 649. Interessant ist, warum die Ausgliederung (nach h.M.) nicht in die Mitgliedschaft der Aktionäre eingreifen soll. Dies wird damit begründet, dass sich die Ausgliederung als ein reiner Vermögensübertragungsvorgang darstelle, der das Vermögen der AG nur seinem Bestand nach, nicht aber nach seinem Wert verändere 650 . Eine »nicht verhältniswahrende Ausgliederung« oder »Ausgliederung zu Null« kennt das UmwG nämlich nicht 651. Einen solchen rein bestandsmäßigen Vermögensaustausch stellt auch die Vermögensübertragung nach § 179a AktG dar. Dass die AG hier eine angemessene 645

BGHZ 142, 167, 170 f. (Hilgers). Dazu noch ausführlich unter S. 303 ff. 647 Dazu Kallmeyer, FS Lutter, 2000, 1245, 1252; Kallmeyer, ZIP 1994, 1746, 1749; Reichert in Habersack/Koch/Winter, Die Spaltung im neuen Umwandlungsrecht und ihre Rechtsfolgen, 1999, S. 25, 37; H. Schmidt in Habersack/Koch/Winter, Die Spaltung im neuen Umwandlungsrecht und ihre Rechtsfolgen, 1999, S. 10, 17 f.; vgl. auch Goutier in Goutier/Knopf/Tulloch, UmwG, 1995, § 125 Rn. 7 (»nicht unmittelbar berührt«); Kallmeyer in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 123 Rn. 11 (»nicht betroffen«); zweifelnd Veil, ZIP 1998, 361, 366, 368. 648 H. Schmidt in Habersack/Koch/Winter, Die Spaltung im neuen Umwandlungsrecht und ihre Rechtsfolgen, 1999, S. 10, 15 f.; vgl. auch Kiem, ZIP 1997, 1627, 1630. 649 H. Schmidt in Habersack/Koch/Winter, Die Spaltung im neuen Umwandlungsrecht und ihre Rechtsfolgen, 1999, S. 10, 17. 650 Pointiert H. Schmidt in Habersack/Koch/Winter, Die Spaltung im neuen Umwandlungsrecht und ihre Rechtsfolgen, 1999, S. 10, 15 f.; im Übrigen B. Schaub, NZG 1998, 627; W. Werner, FS Quack, 1991, 519, 535. 651 Vgl. nur Kallmeyer in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 123 Rn. 11; auch W. Werner, FS Quack, 1991, 519, 532. 646

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Gegenleistung erhält, sichern die §§ 93, 116 AktG, § 243 II AktG, bei Vermögensübertragung mit einem Aktionär zusätzlich die §§ 57, 58, 60 AktG, in Abhängigkeitsverhältnissen die §§ 311 ff. AktG. In »echten« Drittfällen, in denen der AG ein mit ihr unverbundener Aktionär gegenübersteht, wird sich die Angemessenheit der Gegenleistung schon aus dem Interesse aller Aktionäre an einem möglichst hohen Veräußerungspreis ergeben. Verdeutlicht man sich dies, dann ist die Verbindung von Ausgliederung und Vermögensübertragung zu den »anderen« Unternehmensverträgen der § 292 AktG nicht mehr schwer652 . Auch hier strebt das Gesetz nach Minderheitenschutz durch Gegenleistung an die AG (»Gegenleistungskonzept«). So kann man beispielsweise die Betriebspacht oder Betriebsüberlassung als »Vermögensübertragung auf Zeit« auffassen. Dass die Betriebspacht nicht, wie es der Praxis unter dem AktG 1937 entsprochen hätte, Abfindungsansprüche der außenstehenden Aktionäre auslöst, ist unter diesem Blickwinkel betrachtet nicht widersprüchlich, sondern ergibt sich aus einem klaren argumentum a fortiori: Wenn schon die Übertragung des gesamten Vermögens auf einen anderen Rechtsträger keine Abfindungsverpflichtung zur Folge hat, dann muss dies erst recht für die zeitlich begrenzte Verpachtung gelten. Dass § 302 II AktG eine Sonderregel für den konzerninternen Betriebspacht- und -überlassungsvertrag vorsieht, die in § 179a AktG nicht wiederkehrt, ändert an diesem Erst-recht-Schluss nichts, denn auch § 302 II AktG will nur das Äquivalenzverhältnis im Überlassungsvertrag sichern653 . § 302 II AktG bestätigt sogar das Konzept, Minderheitenschutz beim reinen Vermögensaustausch ohne Abfindungsansprüche zu verwirklichen, und stellt klar, dass es auch für den konzerninternen Vermögensaustausch gelten kann654 . Jedenfalls erhellt diese Gemeinsamkeit, dass es keineswegs eine »bloße Formfrage« ist, ob die »Gegenleistung« für die Konzernierung wie bei den §§ 304 f. AktG an die Aktionäre oder wie bei § 292 AktG zunächst an die AG fließt 655 , sondern dass hierhinter ein tragendes Prinzip der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche steckt656 . Bestätigt wird diese These darüber hinaus durch die Regelung der Vermögensübertragung nach den §§ 174–177 UmwG. Denn diese Vorgänge sind gerade nicht – was denkbar gewesen wäre – als solche des Vermögensaustauschs konzipiert. Stattdessen bleibt der übertragende Rechtsträger ohne Gegenleistung, denn er erlischt (bei der Teilübertragung natürlich nur zum Teil) mit der Übertragung (§ 174 I, II Nr. 1 UmwG »Auflösung ohne Abwicklung«). 652

Dazu schon o. S. 214 ff. Dazu schon o. S. 214 ff. 654 Darauf wird noch zurückzukommen sein, siehe für die übertragende Auflösung u. S. 310 ff. 655 Dazu o. S. 214 ff., 223. 656 Die Meinung, die bezweifelt, dass der wesentliche Unterschied zwischen den Unternehmensverträgen des § 291 AktG und den »anderen Unternehmensverträgen« in dem verfolgten »Gegenleistungskonzept« liegt, ist damit abzulehnen [dazu o. S. 214 ff]. 653

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§ 6 Entwicklung des Systems

Nach alledem kann ein weiterer Baustein des hier gesuchten Konzepts festgehalten werden: die Abfindungsfreiheit des rein bestandsmäßigen Vermögensaustauschs. In diesen Fällen schützt das Gesetz die Aktionäre durch eine Kontrolle der an die AG fließenden Gegenleistung. dd) Die Abfindungsfreiheit der (einfach) faktischen Unternehmensverbindung Keinen Abfindungsanspruch sieht das AktG vor, wenn eine einfach faktische Unternehmensverbindung entsteht 657. Nach dem aktienrechtlichen Konzept schützt der Gesetzgeber die Minderheitsaktionäre über die §§ 311 ff. AktG. Das AktG gewährt jedoch keinen allgemeinen Konzerneingangsschutz. Anstatt jedem außenstehenden Aktionär einen Anspruch auf Abfindung zu gewähren, sammelt das Gesetz die Entschädigungsansprüche in der Gesellschaft, was sowohl dem Prinzip der Kapitalbindung als auch der bereits erwähnten Aufgabe der Gesellschaft als »Netz von Verträgen« entspricht 658 . So unumstößlich dieses Prinzip noch vor einigen Jahren stand, so zweifelhaft ist es aufgrund der jüngeren Rechtsentwicklung geworden. Zwei Institute laufen ihm zuwider, das in § 35 WpÜG vorgeschriebene Pflichtangebot und das in § 9 SEAG verbürgte Abfindungsrecht. (1) § 35 WpÜG als gegenläufige Norm Ohne größere Schwierigkeiten lässt sich noch § 35 WpÜG in dieses System einfügen. Zwar bewirkt diese Norm einen »Konzerneingangsschutz«. Sie erfasst jedoch nur Aktiengesellschaften, deren Aktien an einem organisierten Markt notieren (§ 1 I WpÜG), setzt nicht voraus, dass der verpflichtete Bieter Unternehmen i. S. d. § 15 AktG ist und gilt bei jeder Kontrollerlangung und jedem Kontrollwechsel (§ 29 II WpÜG), also unabhängig von der Begründung einer Abhängigkeit i. S. d. § 17 AktG. Ohne dass die Rechtsnatur und dogmatische Einordnung des § 35 WpÜG hier geklärt werden müsste 659, kann er jedenfalls nicht als Abfindungsanspruch qualifiziert werden660 . Zum einen gewährt § 35 WpÜG schon vom Wortlaut her keine Abfindung, zum anderen setzt er, anders als die gesetzlichen Abfi ndungsansprüche, keinen Hauptversammlungsbeschluss oder eine andere Handlung des Abfindungsverpflichteten voraus. Darüber hinaus regelt er keinen Usurpationskonflikt hinsichtlich der Aktie, sein Geltungsgrund ist vielmehr das 657

Kritisch zum Begriff des »faktischen« Konzerns Zöllner, ZHR 162 (1998), 235, 238; zust. Kropff in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 311 Rn. 278. 658 Dazu schon o. S. 185 ff. 659 Für aufsichtsrechtliche Verpflichtung des Kontrollerwerbers Ekkenga/Schulz in Ehricke/ Ekkenga/Oechsler, WpÜG, 2003, § 35 Rn. 6; Hommelhoff/Witt in Haarmann/Schüppen, WpÜG, 3. Aufl. 2007, § 35 Rn. 5 f.; Simon, NZG 2005, 541, 542 f. Für Ausprägung einer vormitgliedschaftlichen Treuepfl icht in Anknüpfung an M. Weber, Vormitgliedschaftliche Treubindungen, 1999, Berding, WM 2002, 1149, 1157; dagegen schon Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 460. 660 Im Ergebnis ganz h.M., s. etwa Hommelhoff/Witt in Haarmann/Schüppen, WpÜG, 3. Aufl. 2007, § 35 Rn. 6.

C) Haftungsgrund der Abfi ndungsansprüche

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enttäuschte Vertrauen der Anleger in den Fortbestand der Beteiligungsverhältnisse 661. Selbst wenn man mit Mülbert und U. H. Schneider in jedem Fall einer Kontrollerlangung i. S. d. §§ 35, 29 II WpÜG einen in § 38 WpÜG vorausgesetzten ungeschriebenen außervertraglichen Abfindungsanspruch der Aktionäre der Zielgesellschaft bejahen wollte 662 , würde dieser Anspruch nur bzw. schon immer unter den bereits genannten Voraussetzungen bestehen (Notierung der Anteile an einem organisierten Markt, Kontrollerlangung bzw. Kontrollwechsel, Unabhängigeit von der Unternehmenseigenschaft des Bieters und der Abhängigkeit i. S. d. § 17 AktG). Obwohl dieser Anspruch zahlreiche Fälle erfassen würde, in denen zugleich eine einfach-faktische Unternehmensverbindung begründet wird663 , bleibt es daher in jedem Fall bei der gesetzlichen Wertung, dass die faktische Unternehmensverbindung für sich genommen abfindungsfrei ist664 . Dies alles soll freilich nicht heißen, dass § 35 WpÜG eine systemfremde Norm wäre 665 – nur in abfindungsrechtlichen Kategorien lässt sie sich nicht fassen. Die auch für das Abfindungsrecht wichtige Wertung des § 35 WpÜG liegt in der Skepsis, die das WpÜG den §§ 311 ff. AktG entgegenbringt 666 , weil sich insbesondere zahlreiche Formen verdeckter Vermögensverlagerungen (z. B. der Transfer von Geschäftschancen) über den Einzelausgleich nach den §§ 311 ff. AktG nicht erfassen lassen. Hierauf wird zurückzukommen sein667. (2) § 9 I 1, 2. Fall SEAG als systemfremde Norm Kopfzerbrechen bereitet jedoch die Eingliederung des § 9 I 1, 2. Fall SEAG. Einen Widerspruch zum Prinzip der Abfindungsfreiheit der einfach-faktischen Unternehmensverbindung kann man hier unter zwei Aspekten sehen: Oben wurde darauf hingewiesen, dass die jedem Abfindungsfall zugrunde liegende Usurpationssituation hier nicht im Hinblick auf die Gründung einer Holding-SE besteht, sondern höchstens hinsichtlich der Veränderungen der Gesellschafterstruktur in der Gründungs-AG. Nur diese Veränderungen hat die dissentierende Minderheit zu erdulden, den Veränderungen in der Holding-SE können die Aktionäre schlicht dadurch entgehen, dass sie ihre Aktien nicht umtauschen 668 . Da der Gesetzgeber in diesem Fall einen Abfindungsanspruch gewährt, könnte 661 S. etwa Fleischer in Fleischer/Kalss, Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2002, S. 131; Liebscher, ZIP 2001, 853, 866. Zur Frage, ob das Pfl ichtangebot nur den Kapitalmarkt als Institution oder auch die außenstehenden Aktionäre eines (im Entstehen begriffenen) Konzerns schützen: Mülbert, ZIP 2001, 1221, 1226 f. 662 Mülbert/U. H. Schneider, WM 2003, 2301, 2303 ff. 663 S. Mülbert/U. H. Schneider, WM 2003, 2301, 2304: »funktionaler« Konzerneingangsschutz. 664 Was auch Mülbert/U. H. Schneider, WM 2003, 2301, 2304 nicht in Frage stellen. 665 Hierzu etwa Fleischer, NZG 2002, 545, 547 ff. 666 Hierzu Fleischer in Fleischer/Kalss, Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2002, S. 132; Mülbert, ZIP 2001, 1221, 1226 f. 667 S. u. S. 298 bei Fn. 75. 668 S. o. S. 178 f. Hiergegen kann man auch nicht einwenden, dass die Aktionäre den Verände-

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§ 6 Entwicklung des Systems

man zu dem Schluss kommen, dass allein die Abhängigkeit der AG die Abfindungspflicht auslöse. Schon oben wurde jedoch darauf hingewiesen, dass dies nicht dem gesetzgeberischen Konzept entspricht 669. Erstens müsste das Gesetz in diesem Fall Abfindung unabhängig davon gewähren, wo die Holding-SE ihren Sitz hat und ob diese Gesellschaft abhängig ist. Zweitens müsste gerade eine Ausnahme in solchen Fällen gelten, in denen die Gründungsgesellschaft schon vor dem Entstehen der Holding-Struktur abhängig war. Drittens stellt der Gesetzgeber in der Begründung zu § 9 SEAG als abfindungsauslösendes Moment gerade nicht auf die Veränderungen in der Gründungsgesellschaft ab, sondern rechtfertigt § 9 I 1, 2. Fall SEAG unter Verweis auf § 7 SEAG und § 9 I 1, 1. Fall SEAG mit dem Gedanken, dass in dem dort geregelten Fall den dissentierenden Aktionären der Wechsel in die Holding-SE unzumutbar sei670 . Sieht man daher in Übereinstimmung mit dem gesetzgeberischen Konzept die Usurpations darin, dass die Aktionäre der Gründungsgesellschaft faktisch gezwungen werden, in eine Holding-SE zu investieren, die ihnen als Investitionsobjekt nicht zumutbar ist, kann man die gegenläufige Wertung zum Prinzip der Abfindungsfreiheit der einfach-faktischen Unternehmensverbindung darin sehen, dass der Gesetzgeber den Verbleib in der Untergesellschaft aufgrund der HoldingStruktur und der hiermit einhergehenden Abhängigkeit inzident als unzumutbar ansieht und daher bei Unzumutbarkeit des Wechsels in die Holding-SE einen Abfindungsanspruch anordnet. Ob hierin eine echte Begrenzung des Prinzips der Abfindungsfreiheit der einfach-faktischen Unternehmensverbindung zu sehen ist, ein gegenläufiges Prinzip oder eine systemfremde Norm, hängt vom teleologischen Gewicht des § 9 I 1, 2. Fall SEAG ab. Je überzeugender die ratio legis, desto größeres Gewicht muss man dieser Norm im System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche verleihen. Lassen sich keine guten Gründe für § 9 I 1, 2. Fall SEAG finden, muss die Bedeutung dieser Norm mit den zulässigen Mitteln angemessen begrenzt werden. An der teleologischen Dignität des § 9 SEAG lassen sich gewichtige Zweifel formulieren. § 9 I 1, 2. Fall SEAG ist das Produkt eines gesetzgeberischen Kompromisses. Der Diskussionsentwurf zum SEAG sah noch vor, dass jedem Aktionär, der der Holding-Gründung widersprach, ein Abfindungsangebot zu unterbreiten sei – unabhängig von Sitz und Gesellschafterstruktur der SE. Unter dem Einfluss massiver Kritik aus Wissenschaft und Praxis671, die insbesondere darauf abzielte, dass sich ein so weit gefasster Abfindungsanspruch nicht mit der Systematik des bisherigen Abfindungsrechts vertrage 672 , verabschiedete sich der Gesetzgeber im rungen in der Untergesellschaft entgehen könnten, indem sie in die Holding-SE wechseln, denn diesen Wechsel sieht das Gesetz gerade als nicht zumutbar an [dazu ebenfalls o. S. 178 f.]. 669 S. o. S. 178 f. 670 Begr. RegE SEEG BT-Drucks. 15/3405, S. 32 f.; dazu o. S. 178 f. 671 Insbesondere DAV, NZG 2004, 75, 79 f.; Kalss, ZGR 2003, 593, 633 ff.; Kübler, ZHR 167 (2003), 627, 629. 672 Vor allem DAV, NZG 2004, 75, 79 f.; Kalss, ZGR 2003, 593, 633 ff. Nach Inkrafttreten des

C) Haftungsgrund der Abfi ndungsansprüche

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Regierungsentwurf von dieser weiten Formulierung, ohne auf die noch immer in § 9 SEAG enthaltenen Abfindungstatbestände zu verzichten. Im Vorfeld war § 9 I 1, 2. Fall SEAG vor allem aus einer Parallele zu § 305 II Nr. 2 a. F. AktG abgeleitet worden673 , also dem (hier sog.) Prinzip des Primärschutzes 674 . Ein überzeugendes Konzept liegt dem nicht zugrunde: Wie bereits erwähnt, rechtfertigt der Gesetzgeber § 9 I 1, 2. Fall SEAG mit dem Gedanken, dass den dissentierenden Aktionären der Wechsel in die Holding-SE unzumutbar sei, wenn diese beherrscht werde. Für die eigentlich zu beantwortende Frage, warum den Aktionären der Verbleib in der Untergesellschaft trotz des Schutzsystems der §§ 311 ff. AktG nicht zumutbar sei, fehlt jegliche Begründung675 . Auch die Parallele zu § 305 II Nr. 1 u. 2 AktG kann hier nicht helfen 676 . Diese Norm regelt nämlich nur die Folgen eines Abfindungsfalles, nicht aber dessen Voraussetzungen. Haftungsgrund für die Abfindung in § 305 II AktG ist der Abschluss des Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags und die hiermit einhergehenden Veränderungen in der Untergesellschaft. Zieht man eine Parallele zu dieser Vorschrift, muss man begründen, warum die Aktionäre im Falle des § 9 I 1, 2. Fall SEAG vergleichbaren Veränderungen ausgesetzt sind. Gerade dies wird vom Gesetzgeber jedoch stillschweigend vorausgesetzt, es wird – mit anderen Worten – rechtsmethodisch unzulässig von der Folgenregelung eines Abfindungsanspruchs auf den Geltungsgrund eines anderen Abfindungsanspruchs geschlossen. Zur Begründung wird zum Teil auf § 35 WpÜG verwiesen. Richtig daran ist, dass § 35 WpÜG eine der Abfindungsfreiheit der einfach-faktischen Unternehmensverbindung entgegengesetzte Wertung enthält 677. Für § 9 I 1, 2. Fall SEAG ist diese jedoch unergiebig: Erstens gilt § 9 SEAG unabhängig von der Börsennotierung der Gründungsgesellschaft, zweitens gewährt § 9 I 1, 2. Fall SEAG auch dann einen Abfindungsanspruch, wenn die Untergesellschaft schon zuvor beherrscht war. Angeführt wird schließlich, die Abfindungsansprüche dienten dazu, Anfechtungsklagen dissentierender Aktionäre auszuschließen und diese stattdessen in das Spruchverfahren zu verweisen678 . Auch dieser Hinweis kann jedoch nicht die geltende Fassung des § 9 I 1, 2. Fall SEAG erklären, denn ein solches Bedürfnis zur

§ 9 I 1, 2. Fall SEAG etwa J. Vetter in Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, 2005, S. 111, 159 f. 673 Teichmann, AG 2004, 67, 74. 674 Dazu o. S. 178 f. 675 S. auch Teichmann in Theisen/Wenz, Die Europäische Aktiengesellschaft, 2. Aufl. 2005, S. 699, 713: »Schutzbedürfnis unterstellt«. 676 So aber Teichmann, AG 2004, 67, 74; Teichmann in Theisen/Wenz, Die Europäische Aktiengesellschaft, 2. Aufl. 2005, S. 699, 713. 677 S. soeben S. 228 f. 678 Neye/Teichmann, AG 2003, 169, 173; Teichmann, ZGR 2003, 367, 394 im Zusammenhang mit dem Diskussionsentwurf.

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§ 6 Entwicklung des Systems

»Immunisierung« des Gründungsbeschlusses gilt unabhängig davon, ob die Holding-SE ihren Sitz im Ausland hat und beherrscht wird. Ist daher die eigentliche Frage nach dem Haftungsgrund des § 9 I 1, 2. Fall SEAG unbeantwortet geblieben, ist andererseits sogar die Wertung, die der Gesetzgeber für § 9 SEAG ausdrücklich anführt, im System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche nicht stringent verwirklicht. Die Wertung des § 9 I 1, 2. Fall SEAG (Gründung einer abhängigen Holding-SE) hätte nämlich in einem konsequent umgesetzten System dazu führen müssen, auch einen entsprechenden Tatbestand in § 7 I 1 SEAG einzuführen (Abfindung bei der Verschmelzung auf eine SE, die ihrerseits abhängig i. S. d. § 17 AktG ist) 679. Dass dies nicht geschehen ist, verdeutlicht noch einmal, dass § 9 I 1, 2. Fall SEAG kein wohlüberlegtes Konzept zugrunde liegt, sondern allein gesetzgeberisches Kompromissdenken. Dies wird durch einen weiteren Gedanken deutlich: Von § 9 I 1, 2. Fall SEAG geht vor allem dann eine gegenläufige Wirkung für das Prinzip der Abfindungsfreiheit der einfach-faktischen Unternehmensverbindung aus, wenn man diese Vorschrift als Konzerneingangsschutz versteht. Als eine solche Norm könnte man freilich § 305 II Nr. 1 u. 2 AktG interpretieren. Theoretisch denkbar ist nämlich, dass eine bisher unbeherrschte Aktiengesellschaft einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit ¾-Mehrheit zustimmt, etwa weil ihre Aktionäre überwiegend Synergieeffekte erwarten und von diesen als Gesellschafter des anderen Vertragsteils profitieren wollen. Ist der andere Vertragsteil seinerseits abhängig i. S. v. § 17 AktG, muss den Aktionären eine Barabfindung oder Aktien der Konzernobergesellschaft angeboten werden, da ihnen der Wechsel in die abhängige Gesellschaft nicht zugemutet werden soll. Es wird ihnen also echter Konzerneingangsschutz gewährt. Dass § 305 II Nr. 1 u. 2 AktG überwiegend nicht als eine solche Norm verstanden wird, liegt daran, dass es sich bei den von § 305 II Nr. 1 u. 2 AktG geregelten Fällen in praxi fast ausschließlich um konzerninterne Maßnahmen handelt (Stichwort: Entstehung eines Konzerns als fließender Prozess). Genau das Gleiche dürfte aber für § 9 I 1, 2. Fall SEAG gelten, denn tatsächlich wird die Gründung einer ihrerseits abhängigen Holding-SE hauptsächlich bei konzerninternen Umstrukturierungen vorkommen. Beim echten merger of equals ist nur schwer vorstellbar, dass sowohl das Management als auch die Aktionäre der Gründungsgesellschaft einer Struktur zustimmen würden, in der die Holding-SE ihrerseits abhängig ist. Das hat der Gesetzgeber offenbar vorausgesetzt. Nach seinem Wortlaut wäre § 9 I 1, 2. Fall SEAG nämlich häufig nur schwer anwendbar, weil der Gesellschafterkreis der Holding-SE erst feststeht, wenn die einmonatige Nachfrist des Art. 33 III SE-VO verstrichen ist 680 . Diese Schwierigkeit taucht jedoch gerade nicht bei konzerninternen Umstrukturierungen auf. Akzeptiert man 679

Ebenso Ihrig/Wagner, BB 2004, 1749, 1752. Dazu Ihrig/Wagner, BB 2004, 1749, 1752; zust. J. Vetter in Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, 2005, S. 111, 160. 680

C) Haftungsgrund der Abfi ndungsansprüche

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dies, sinkt nicht nur die praktische, sondern auch die dogmatische Bedeutung des § 9 I 1, 2. Fall SEAG als Norm des Konzerneingangsschutzes. Besser lässt sie sich als eine – im Kern unbegründete – Fortführung der Wertung des § 305 II Nr. 1 u. 2 a. F. AktG für eine andere konzerninterne Strukturmaßnahme verstehen. Der teleologische Hintergrund des § 9 I 1, 2. Fall SEAG kann daher zusammenfassend alles andere als überzeugend bezeichnet werden: Die eigentliche Frage nach dem Haftungsgrund bleibt unbeantwortet, die für § 9 I 1, 2. Fall SEAG angeführte Wertung ist im System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche nicht konsequent verwirklicht und die praktische sowie dogmatische Bedeutung der Norm als Konzerneingangsschutz ist gering. Nimmt man hinzu, dass sich der Gesetzgeber des § 9 I 1, 2. Fall SEAG mit der Abkehr vom Diskussionsentwurf ohnehin gegen einen allgemeinen Konzerneingangsschutz (unabhängig von den Verhältnissen der Holding-SE) ausgesprochen hat und die der prinzipiellen Abfindungsfreiheit der einfach-faktischen Unternehmensverbindung entgegengesetzte Wertung daher von vornherein begrenzt war, stellt § 9 I 1, 2. Fall SEAG das grundsätzliche Prinzip der Abfindungsfreiheit der einfach-faktischen Unternehmensverbindung nicht in Frage. Gleichwohl dürfen seine Wertungen de lege lata nicht ignoriert werden. Sie liegen zum einen in der Bestätigung der Grenzen des Prinzips des Primärschutzes und insoweit auf einer Linie mit § 305 II AktG681, zum anderen in der offensichtlichen Skepsis des Gesetzgebers gegenüber dem Ausgleichssystem der §§ 311 ff. AktG, womit die schon in § 35 WpÜG zum Ausdruck kommende Wertung verstärkt wird. Zur Begründung von Abfindungspfl ichten aufgrund des Entstehens einer einfach-faktischen Unternehmensverbindung kann § 9 I 1, 2. Fall SEAG hingegen nicht dienen, da seine Wertungen insoweit inkonsequent, systematisch isoliert und teleologisch nicht überzeugend sind. Im System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Haftungsgründe handelt es sich bei § 9 I 1, 2. Fall SEAG mithin um eine systemfremde Norm. ee) Zusammenfassung: Das Subsidiaritätsprinzip Fasst man die Ergebnisse dieses Unterabschnitts zusammen, kristallisiert sich ein Element des Konzepts heraus, das der Gesetzgeber bei der Abgrenzung von abfindungsfreien und abfindungspflichtigen Maßnahmen verfolgt: Das Gesetz schützt Aktionärsrechte vorrangig durch andere Mechanismen als die Abfindung. Solche Mechanismen sieht es bei den Verträgen des § 292 AktG ebenso wie bei der Vermögensübertragung nach § 179a AktG und der (technischen) Ausgliederung in der Gegenleistung, die an die AG fließt. Bei der Kapitalerhöhung sind es die §§ 186, 255 II AktG, bei der Kapitalherabsetzung vor allem § 222 IV 2 AktG, beim Entstehen des einfach-faktischen Konzerns die §§ 311 ff. AktG, wenngleich § 35 WpÜG und § 9 I 1, 2. Fall SEAG die Skepsis des Gesetzgebers gegenüber diesem Schutzmechanismus erkennen lassen. 681

Dazu bereits o. S. 53 ff.

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§ 6 Entwicklung des Systems

Offenbar arbeitet das Gesetz nur dann mit einer Abfindung, wenn der erforderliche Aktionärsschutz nicht auf anderen Wegen erreicht werden kann (hier sog. Subsidiaritätsprinzip): Der Verlust der Mitgliedschaft nach den §§ 320b, 327a AktG, 39a WpÜG könnte logischerweise nicht durch eine Leistung an die AG kompensiert werden, weil die Aktionäre an dieser Gesellschaft gerade nicht mehr beteiligt sind. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag auf der einen Seite und den Unternehmensverträgen des § 292 AktG auf der anderen Seite liegt darin, dass das Gegenleistungskonzept im Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag per definitionem nicht durchführbar ist. Jede Gegenleistung könnte der Gesellschaft sofort wieder entnommen werden (vgl. § 291 III AktG) 682 . In den umwandlungsrechtlichen Abfindungsfällen ist es ebenso wenig möglich, den Status quo der AG zu wahren, denn dies würde zumindest voraussetzen, dass die Gesellschaft ihre Rechtsform behält. Dieses Subsidiaritätsprinzip beruht wiederum auf den folgenden Gründen: Dort, wo nur die Aktiengesellschaft als Abfindungspflichtige in Frage kommt, stellt sich die Abfindungspflicht als Ausnahme zum Prinzip der umfassenden Kapitalbindung dar (§ 57 I AktG). Der Subsidiaritätsgrundsatz garantiert also Kapitalerhaltung. In den anderen Fällen, in denen ein einzelner Aktionär oder ein unbeteiligter Dritter abfindungspflichtig sein müsste, erklärt sich der Subsidiaritätsgrundsatz zum einen aus der Funktion der Gesellschaft, die Rechtsbeziehungen unter den Aktionären sowie zwischen Aktionären und Dritten zu vereinfachen (»verdinglichtes Netz von Verträgen«). Rechtsbeziehungen sollen möglichst nicht zwischen Aktionären bzw. zwischen Aktionären und Dritten entstehen. Stattdessen bündelt das Gesetz die schutzwürdigen Interessen in der Gesellschaft und schützt die Interessen der Aktionäre durch eine Kompensation des Verbands. Dieser Grundgedanke ist nicht nur im Abfindungsrecht, sondern an vielen Stellen des Aktienrechts verwirklicht683 , wie insbesondere die §§ 117 I 2, 309 IV 2, 317 I 2, 147 AktG verdeutlichen. Zum anderen steckt auch dann, wenn nur Dritte als Abfindungsschuldner in Betracht kommen, (wieder) der Kapitalerhaltungsgrundsatz hinter dem Subsidiaritätsprinzip684 : Würden etwa Ausgliederung, Vermögensübertragung und die Unternehmensverträge des § 292 AktG keine Gegenleistungskontrolle, sondern Abfindung auslösen, käme es mittelbar zur Auszahlung von gebundenem Kapital. Die AG würde Vermögen an den anderen Vertragsteil verlieren; die Aktionäre würden über die Abfindung geschützt, das Kapital der Gesellschaft würde unter dem Strich verringert. 682 Martens, Die existenzielle Wirtschaftsabhängigkeit, 1979, S. 19 (»Unmöglichkeit einer äquivalenten Vermögens- und Risikoverteilung«). 683 Dazu Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 12 Rn. 20 f.; vgl. auch Martens, AG 1974, 9, 10, der aus diesem Befund (zu Recht) Bedenken gegen § 243 II AktG ableitet. 684 Vgl. zum Folgenden in anderem Zusammenhang auch Martens, AG 1974, 9, 10.

C) Haftungsgrund der Abfi ndungsansprüche

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Mit dem Subsidiaritätsprinzip ist somit ein systemtragendes Prinzip des Konzepts gefunden, das der Gesetzgeber bei der Abgrenzung von abfindungspflichtigen und abfindungsfreien Maßnahmen verfolgt: Vorrangig schützt das AktG die Interessen der Minderheitsaktionäre durch solche Instrumente, die nicht ebenso stark wie eine Abfindungspfl icht mit dem Grundsatz der Kapitalbindung (bei Abfindungspfl ichten Dritter: mittelbar) in Konfl ikt geraten. Nur wo solche Mechanismen nicht funktionieren, greift es auf Abfindungsvorschriften zurück. Darüber hinaus sollen – ebenso wie an anderen Stellen des AktG deutlich wird – Rechtsbeziehungen grundsätzlich nicht zwischen den Aktionären bzw. zwischen Dritten und Aktionären zustande kommen, stattdessen versucht das Gesetz, möglichst die Gesellschaft als »Netz von Verträgen« dazwischen zu schalten. Die §§ 305, 320b, 327a AktG, §§ 29, 122i, 207 UmwG, §§ 7, 9, 12 SEAG, § 39a WpÜG haben gemeinsam, dass diese Regelungstechnik in ihren Fällen gerade nicht sinnvoll durchführbar ist685 . Bestätigt ist damit die These, dass es nicht allein die Eingriffsintensität, nicht eine wie auch immer zu definierende »Opfergrenze« ist, die die Abfindungsfälle von den abfindungsfreien Strukturmaßnahmen unterscheidet 686 . Ob die Interessen der Minderheitsaktionäre auch durch andere Mechanismen hinreichend geschützt werden können, ist gerade keine Frage der Eingriffsintensität, sondern nur der Eingriffsontologie. Auch unter rechtsökonomischen Gesichtspunkten kann das Subsidiaritätsprinzip überzeugen: So wurde bereits oben herausgearbeitet, dass die mit Abfindungspflichten verbundenen Finanzierungskosten ein wesentlicher Grund dafür sein können, dass bestimmte werterhöhende Transaktionen nicht durchgeführt werden687. Diese Finanzierungskosten erspart das Gesetz den Mehrheitsaktionären, wenn die Minderheit hinreichend durch andere, nicht so kostspielige Regeln geschützt werden kann688 . d) Die Abfindungsfreiheit der formwahrenden Verschmelzung und Spaltung Ein weiteres grundlegendes gegenläufiges Prinzip könnte sich hinter der Abfindungsfreiheit der formwahrenden Verschmelzung und Spaltung verbergen.

685

Zu Konkretisierungen und Anwendungsfällen dieses Prinzips u. S. 338 ff. Dazu o. S. 214 ff. 687 S. o. S. 42 ff. 688 Besonders deutlich ist hier das Gesellschaftsrecht Neuseelands, das in Sections 110–115 und 118 des Companies Act von 1993 detaillierte Regeln über das Abfindungsrecht enthält. Hier sieht Section 114(1)(b) vor, dass das Gericht Transaktionen von der Abfindungspflicht ausnehmen kann, falls »the company cannot reasonably be required to fi nance the purchase« (hierzu umfassend Grantham/Rickett, Company and Securities Law, 2002, S. 749–779). 686

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aa) Inhalt und Begründung Dass formwahrende Verschmelzungen und Spaltungen grundsätzlich abfindungsfrei sind, ergibt ein aus §§ 29 I 1 UmwG gezogenes argumentum e contrario sowie ein auf die §§ 78, 250 UmwG aufbauendes argumentum a fortiori 689. Darüber hinaus ist die Abfindungsfreiheit der formwahrenden Verschmelzung und Spaltung an anderen Stellen des Gesetzes verwirklicht. So verfolgt der variable Ausgleich nach § 304 II 2 AktG das Konzept, die außenstehenden Aktionäre im Hinblick auf ihr Gewinnbezugsrecht so zu stellen, wie sie bei einer rechtsformwahrenden Verschmelzung stünden690 . Da Bezugspunkt des Ausgleichs kein Zustand sein kann, der selbst abfindungspflichtig wäre, bestätigt § 304 II 2 AktG das soeben genannte Prinzip: Die formwahrende Verschmelzung/Spaltung ist abfindungsfrei. Gleiches gilt für die Mehrheitseingliederung und den Beherrschungsund Gewinnabführungsvertrag: Hier sehen die §§ 305 II Nr. 1, 320b I 2 AktG vor, dass die außenstehenden Aktionäre in bestimmten Fällen ausschließlich in Aktien der herrschenden Gesellschaft abgefunden werden: Die Aktionäre sind somit gezwungen, Anteilseigner der herrschenden AG zu werden. Dass sie nicht gegen Barabfindung aus der Gesellschaft ausscheiden dürfen, ist konsequent. Denn die Anteilseigner werden exakt so gestellt wie die Aktionäre einer formwahrenden Verschmelzung (vgl. auch §§ 305 III 1, 320b I 4 AktG) 691. Diese Konsequenz ist erfreulich, denn formwahrende Verschmelzung, Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag sowie Eingliederung sind austauschbare Rechtsinstitute der Konzernbildung (im wirtschaftlichen Sinne) 692 . Die Abfindungsfreiheit der formwahrenden Verschmelzung und Spaltung lässt sich damit als weiterer Baustein im Konzept der Abgrenzung abfindungspflichtiger und abfindungsfreier Maßnahmen festhalten. Obwohl de lege ferenda bemängelt wird, dass die formwahrende Verschmelzung und Spaltung abfindungsfrei ist 693 – de lege lata handelt es sich um ein systemtragendes gegenläufiges Prinzip. Seine Argumentationskraft wird außerdem durch die Grundsätze über die Ausstrahlungswirkung minderheitsschutzbegrenzender (»negativer«) Wertungen des UmwG unterstützt 694 .

689

Vgl. auch Mülbert, ZHR 165 (2001), 104, 137 f. sowie Klöhn, ZBB 2003, 208, 210. Statt aller Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 4. Aufl. 2005, § 304 Rn. 46. 691 Klöhn, ZBB 2003, 208, 210. 692 Dazu Begr. FrakE UmwBerG, BT-Drucks. 12/6699, S. 178 (für Verschmelzung, Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag); Grunewald in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, Vor § 319 Rn. 3; Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 25 f. Fn. 63; Maier-Reimer/Kolb, FS Welf Müller, 2001, 93, 109 (Vertragskonzern und Verschmelzung); Neye, DB 1994, 2069, 2071 f. (Unternehmensvertrag und Verschmelzung); E. Vetter, ZIP 2000, 561, 566 (Vertragskonzern und Verschmelzung). 693 Vgl. o. S. 224 die Nachweise in Fn. 638. 694 Dazu o. unter S. 74. 690

C) Haftungsgrund der Abfi ndungsansprüche

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bb) Grenzen Die Abfindungsfreiheit der formwahrenden Verschmelzung unterliegt allerdings zahlreichen Grenzen, die bei der Systembildung berücksichtigt werden müssen. (1) Rechtliche Verfügungsbeschränkungen Die erste Grenze folgt aus § 29 I 2 UmwG: Die formwahrende Verschmelzung und Spaltung ist abfindungspflichtig, wenn der Aktionär in der aufnehmenden AG mit Verfügungsbeschränkungen i. S. d. § 29 I 2 UmwG belastet wird. (2) Verlust der Börsennotierung Eine weitere Grenze ist mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes im Jahre 2007 eingeführt worden. In seiner nunmehr geltenden Form gewährt § 29 I 1 UmwG ein Barabfindungsrecht, wenn eine börsennotierte AG auf eine nicht börsennotierte AG verschmolzen wird695 . Der Gesetzgeber rechtfertigt diese Gesetzesänderung mit den tatsächlichen Veräußerungshindernissen, die mit dem Verlust der Börsennotierung einher gehen696 , und bestätigt, dass die grundsätzliche Veräußerungsmöglichkeit der Aktie ein gegenläufiges Moment im System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche ist. Der Begriff der »Börsennotierung« i. S. d. § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG bleibt im Dunklen. So fragt man sich, ob nur die Notierung am »organisierten Markt« i. S. d. § 2 V WpHG bzw. »regulierten Markt« i. S. d. BörsG gemeint 697 oder auch andere Marktsegmente bzw. multilaterale Handelssysteme i. S. d. § 31 f WpHG erfasst sein sollen. Das UmwG definiert den Begriff der Börsennotierung nicht. Nahe liegt es, an § 3 II AktG anzuknüpfen698 . Börsennotiert wäre eine Gesellschaft demnach nur, wenn ihre Aktien zu einem Markt zugelassen sind, der von staatlich anerkannten Stellen geregelt und überwacht wird, regelmäßig stattfindet und für das Publikum mittelbar oder unmittelbar zugänglich ist. Der Freiverkehr wäre davon ebenso wenig erfasst wie multilaterale Handelssysteme i. S. d. § 31 f WpHG 699. Für diese Argumentation spricht auch das Macrotron-Urteil des BGH,

695 So im Ergebnis bereits OLG Düsseldorf ZIP 2005, 300 (Rhenag Rheinische Energie AG); OLG Düsseldorf AG 2005, 480; OLG Düsseldorf ZIP 2007, 380 (2. LS); LG Köln ZIP 2004, 220, 221 f. (Rhenag Rheinische Energie AG): § 29 UmwG analog; Grunewald, ZIP 2004, 542, 544; Kalss, wbl 2001, 366, 375; Kalss in Semler/Stengel, UmwG, 2002, § 29 Rn. 16. § 243 II AktG anwendend LG Hanau DB 2002, 2261; gegen eine Abfindungspflicht de Boer, EWiR 2004, 879, 880; Seibt/Heiser, ZHR 165 (2000), 466, 487 f.; skeptisch Zetzsche, EWiR 2007, 89, 90. Umfassend Funke, Minderheitenschutz im Aktienrecht beim »kalten« Delisting, 2005; Kruse, Das »kalte« Delisting börsenorientierter Aktiengesellschaften, 2003; Pluskat, BKR 2007, 45. 696 Begr. 2. UmwGÄndG, BT-Drucks. 16/2919, S. 25. 697 Zu den Begriffen Klöhn in Langenbucher, Europarechtliche Bezüge des Privatrechts, 2. Aufl. 2008, § 6 Rn. 23 ff. 698 Inzident OLG München ZIP 2008, 1137, 1140 (Lindner II). 699 Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 3 Rn. 6.

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der den Handel im Freiverkehr gerade nicht als Grund ansah, um den Aktionären Abfindungsansprüche zu verwehren700 . Zwingend erscheint die Anknüpfung an § 3 II AktG jedoch nicht. Zwar stimmen Wortlaut von § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG und § 3 II AktG überein. Dass identische Rechtsbegriffe in unterschiedlichem Zusammenhang unterschiedlich zu verstehen sind, ist für das Systemdenken jedoch keine Besonderheit (»Relativität der Rechtsbegriffe«). Die Gesetzesmaterialien enthalten keinen Hinweis darauf, wie die Börsennotierung zu verstehen sein soll. Dass nicht einmal die oben genannte Macrotron-Entscheidung des BGH erwähnt wird, mag man als vorsichtiges Zeichen dafür deuten, dass der Gesetzgeber sich von der dort geäußerten Ansicht, die Notierung im Freiverkehr ändere nichts an der Pflicht zum Ausstiegsangebot701, distanzieren wollte. Zwingend ist dies freilich nicht, denn ebenso könnte man annehmen, der Gesetzgeber des 2. UmwGÄndG habe mit dem Begriff der Börsennotierung wie selbstverständlich an § 3 II AktG und damit an das Macrotron-Urteil angeknüpft. Stellt man auf den Zweck des § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG (Verlust der Veräußerungsmöglichkeit) ab, wird man jedes Marktsegment und jedes multilaterale Handelssystem ausreichen lassen müssen, sofern in diesem System nicht schon bei Beginn der Notierung eine so geringe Liquidität herrschte, dass man von einer tatsächlichen Veräußerungsmöglichkeit nicht sprechen konnte. Nur in diesen Fällen liegt ein Eingriff in die Vermögenssphäre der Aktionäre vor, der ein Abfindungsrecht rechtfertigt. Dies ist allein sachgerecht. Zum einen sind die rechtlichen Anforderungen vieler Marktsegmente des Freiverkehrs denen des organisierten Markts i. S. d. § 2 V WpHG bzw. des regulierten Markts i. S. d. BörsG zum Teil erheblich angeglichen 702 . Zum anderen zeigt die Erfahrung, dass dieselben Wertpapiere im Freiverkehr teils mit einer höheren Liquidität gehandelt wurden als im organisierten Markt703 . Würde man streng auf die Voraussetzungen des § 3 II AktG abstellen, müsste man gem. § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG daher Abfindungsansprüche gewähren, obwohl es an einem relevanten Eingriff in die Rechtsposition der Aktionäre fehlt. Dies aber widerspricht sowohl dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers (der auf die Einschränkung der Verkehrsfähigkeit abstellte) als auch der Rechtsnatur des Abfindungsanspruchs aus § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG, der einen Eingriff voraussetzt. Umgekehrt müsste man Aktionären einer nur im Freiverkehr notierten Aktiengesellschaft Abfindungsansprüche verwehren, wenn die Gesellschaft auf eine kapitalmarktferne Gesellschaft verschmolzen wird. Dies aber widerspricht dem Wil-

700

BGHZ 153, 47, 54 (Macrotron). BGHZ 153, 47, 54 (Macrotron). 702 Vgl. für das Marktsegment M:access der Bayerischen Börse OLG München ZIP 2008, 1137, 1138 ff. (Lindner II); Schwichtenberg, AG 2005, 911, 914 f.; s. auch den Überblick von Harrer/Müller, WM 2006, 653. 703 OLG München ZIP 2008, 1137, 1139 (Lindner II). 701

C) Haftungsgrund der Abfi ndungsansprüche

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len des Gesetzgebers, der beim Verlust bzw. bei der Erschwerung der tatsächlichen Veräußerungsmöglichkeit Abfindungsansprüche wollte. Abweichend von § 3 II AktG kommt es für den Begriff der Börsennotierung daher nicht auf die rechtliche Qualität des Marktes an, sondern allein darauf, ob dieser Markt vom Beginn der Notierung an eine tatsächliche Veräußerungsmöglichkeit geboten hat. Um die Rechtssicherheit nicht über Gebühr einzuschränken, sollte man hierfür auch weniger liquide Märkte grundsätzlich ausreichen lassen. Von einer »Börsennotierung« i. S. d. § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG sollte man daher nur dann nicht sprechen, wenn trotz der Notierung an einer Börse, im Freiverkehr oder in einem multilateralen Handelssystem eine reale Veräußerungsmöglichkeit nie bestand, denn nur dann führt der Fortfall der Notierung zu keiner spürbaren Vermögenseinbuße. (3) Sitzwechsel ins Ausland Die nächste Grenze enthält § 122i UmwG. Wird eine inländische AG auf eine Aktiengesellschaft ausländischer Rechtsform verschmolzen, haben die dissentierenden Aktionäre ein Recht auf Barabfindung gem. § 122i I 1 UmwG. Wie schon einleitend erwähnt, zeigt sich hier ein beachtlicher Widerspruch704 : § 122i UmwG enthält die Wertung, dass Gesellschafter einer deutschen AG nicht in eine Aktiengesellschaft ausländischer Rechtsform per Verschmelzung »zwangsumgesiedelt« werden dürfen. § 7 SEAG bestätigt diese Wertung, denn diese Norm gewährt Abfindung bei der Verschmelzung einer deutschen Aktiengesellschaft auf eine Europäische Aktiengesellschaft mit Sitz im Ausland, da ihr Gesellschaftsstatut gem. Art. 9 I lit. c)ii) SE-VO maßgeblich vom ausländischen Recht beherrscht wird. Dieselbe Wertung enthält § 9 I 1, 1. Fall SEAG, obwohl in diesem Fall kein rechtlicher, sondern nur ein vom Gesetzgeber als abfindungsrechtfertigend angesehener tatsächlicher Druck besteht, in die Holding-SE mit Sitz im Ausland zu wechseln705 . Schließlich gewährt § 12 SEAG sogar ein Abfindungsrecht beim Sitzwechsel einer Europäischen Gesellschaft von Deutschland ins Ausland, obwohl sich in diesen Fällen nicht das gesamte Rechtskleid der SE ändert, sondern nur das gem. Art. 9 I lit. c)ii) SE-VO anwendbare Subsidiärrecht. Trotz dieses einheitlich verwirklichten, durch § 9 I 1, 1. Fall SEAG (rein faktischer Druck) und § 12 SEAG (nur Änderung des Subsidiärrechts) sogar a fortiori bestätigten Prinzips, wonach Aktionäre einer deutschen AG nicht in eine Aktiengesellschaft ausländischer Rechtsform »zwangsumgesiedelt« werden dürfen, bestimmt § 305 II Nr. 1 u. 2 AktG, dass ebendies zulässig ist, wenn eine Aktiengesellschaft ausländischer Rechtsform einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit einer deutschen AG abschließt oder Konzernspitze des anderen Vertragsteils ist706 . Dass die Aktionäre in diesem Fall die Möglichkeit haben, unter 704 705 706

S. o. S. 55 f. Dazu o. S. 178 f. Zur Frage, wem das Wahlrecht gem. § 305 II Nr. 2 AktG zusteht, noch u. S. 399 f.

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Bezug von Ausgleichszahlungen i. S. d. § 304 AktG in der abhängigen AG zu verbleiben, löst den Widerspruch nicht auf, denn wie mehrfach betont stellen die Ausgleichszahlungen schon nach dem Konzept der §§ 291 ff. AktG keinen mit § 305 AktG vergleichbaren Schutz dar. Der außenstehende Aktionär steht also unter einem zumindest ebenso hohen Druck, die Abfindungsleistung anzunehmen, wie im Falle des § 9 I 1, 1. Fall SEAG, in die Holding-SE zu wechseln. Schon oben wurde darauf hingewiesen, dass § 305 II AktG durch das UMAG geändert wurde, um einem Vertragsverletzungsverfahren gem. Art. 226 EG zuvorzukommen707. Der Gesetzgeber hat die in § 305 II AktG eingeführte Wertung jedoch nicht auf die §§ 320b AktG, 7, 9, 12 SEAG übertragen und mit der späteren Einführung des § 122i UmwG noch einmal bestätigt, dass die »Zwangsumsiedlung« von Aktionären in Aktiengesellschaften mit ausländischer Rechtsform unzulässig ist. Legt man allein die national-systemimmanenten Auslegungsmethoden an, dann handelt es sich bei § 305 II AktG daher um eine vereinzelt gebliebene Norm ohne allgemeinen Rechtsgedanken. Sollte sie jedoch europarechtlich zwingend sein, müssten zumindest die §§ 320b AktG (bzw. § 320a I 1 AktG: »Sitz im Inland«), 7, 9, 12 SEAG, 122i UmwG auf den Prüfstand708 . Denkbar wäre sogar, dass die Ermächtigungen der Artt. 8 V, 24 II, 34 SE-VO und des Art. 4 II der internationalen Verschmelzungsrichtlinie zum Erlass besonderer Schutzvorschriften zugunsten der Aktionäre (auf die sich § 122i UmwG stützt) wegen des Vorrangs des primären Gemeinschaftsrechts (Art. 249 I EG »nach Maßgabe dieses Vertrages«) unwirksam sind. Tatsächlich dürften jedoch weder § 305 II Nr. 1 AktG a. F. noch § 122i UmwG gegen die Artt. 43, 56, 12 EG und das hieraus folgende Diskriminierungsverbot verstoßen709. Denn die in diesen Vorschriften vorgesehene Ungleichbehandlung von Aktiengesellschaften mit Sitz im Ausland ist gerechtfertigt. Es lässt sich nämlich nicht leugnen, dass Aktionäre einer deutschen AG, die rechtlich bzw. faktisch gezwungen werden, in eine Aktiengesellschaft ausländischer Rechtsform zu wechseln, besonders schutzbedürftig sind. Dies ergibt sich zum einen aus den Unterschieden der Rechtsform, der Sprache, den geänderten Örtlichkeiten (Aktionäre müssten etwa ins Ausland reisen, um persönlich an der Hauptversammlung teilzunehmen) 710 sowie einer möglicherweise anderen steuerlichen Behandlung ihrer Mitgliedschaft711, zum anderen daraus, dass die Bewertung von ausländischen An707

S. o. S. 55. Für die Europarechtswidrigkeit der §§ 7, 9 SEAG Ihrig/Wagner, BB 2004, 1749, 1752; Vossius, ZIP 2005, 741, 744 Fn. 34; dagegen für § 7 SEAG C. Schäfer in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2006, Art. 20 SE-VO Rn. 22. Gegen Europarechtswidrigkeit des § 122i UmwG Heckschen in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht (Loseblatt), Stand: September 2007, § 122i UmwG Rn. 3; H.-F. Müller, Konzern 2007, 81, 86 f. 709 Für § 305 II Nr. 1 a. F. AktG ebenfalls zweifelnd Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 305 Rn. 10: »angebliche Verletzung des Diskriminierungsverbots (Art. 12 EG)«. 710 Zu § 305 II Nr. 1 AktG a. F. etwa Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 305 Rn. 38; zust. Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 39. 711 Im Zusammenhang mit § 122i UmwG H.-F. Müller, Konzern 2007, 81, 86. 708

C) Haftungsgrund der Abfi ndungsansprüche

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teilen im Spruchverfahren schwerer fällt 712 . Hiergegen auf die DAT/Altana-Rechtsprechung zur Berücksichtigung des Börsenkurses als Abfindungsuntergrenze zu verweisen713 , hat nur begrenztes Gewicht, weil die §§ 122i UmwG, 305 AktG nicht nur für Börsengesellschaften gelten. Diese Schutzbedürfnisse hat der Europäische Gesetzgeber anerkannt, weil er in anderen Fällen der wirtschaftlichen Verschmelzung die Mitgliedstaaten ermächtigt hat, besondere Schutzvorschriften zugunsten der Aktionäre der inländischen Gesellschaft zu erlassen (Artt. 8 V, 24 II, 34 SE-VO sowie Art. 4 II 1 internationale VerschmelzungsRiLi). Dies ist zwar für sich genommen keine Rechtfertigung, denn auch der europäische Gesetzgeber unterliegt den Grenzen des Primärrechts (Art. 249 I EG). Es veranschaulicht jedoch, dass aus den oben genannten Gründen ein hinreichendes Schutzbedürfnis besteht. Hiergegen kann man nicht anführen, das auf Aktiengesellschaften anwendbare Recht sei weitgehend harmonisiert714 . Denn erstens mag man etwa angesichts der fehlenden Strukturrichtlinie oder der fehlenden Harmonisierung des Konzernrechts schon für sich genommen hieran zweifeln. Zweitens erkennt der europäische Gesetzgeber selbst bei der ihren Sitz wechselnden SE ein Schutzbedürfnis an. Hier ist aber das anwendbare Subsidiärrecht zum Teil harmonisiert und das gem. Art. 9 I lit. a) SE-VO anwendbare »Primärrecht« per Verordnung vereinheitlicht. Daraus folgt: § 305 II Nr. 1 AktG ist bei rein national-systemimmanenter Betrachtung eine isolierte Norm ohne allgemeinen Rechtsgedanken. Die Gleichbehandlung von Aktiengesellschaften mit Sitz im EU/EWR-Ausland ist europarechtlich nicht zwingend. Die in § 122i UmwG statuierte Grenze des Prinzips der Abfindungsfreiheit der formwahrenden Verschmelzung stellt damit ein in den §§ 320 I 1 AktG, 7, 9 I 1, 1. Fall, 12 SEAG bestätigtes und allgemeines Prinzip dar, von dem nur § 305 II Nr. 1 AktG eine Ausnahme aufgrund eines ebenfalls vereinzelt gebliebenen rechtspolitischen Impulses (Vermeidung des in concreto drohenden Vertragsverletzungsverfahrens) macht. (4) Beherrschung und Mehrheitsbesitz Die letzte Grenze der Abfindungsfreiheit der formwahrenden Verschmelzung könnte sich bei der Verschmelzung und Spaltung auf eine abhängige AG, KGaA oder SE mit Sitz in Deutschland zeigen. § 29 UmwG enthält insofern keine ausdrückliche Aussage. Denkbar wäre, den Aktionären der übertragenden AG dadurch zu helfen, dass man ihnen einen Aufschlag im Rahmen der Verschmelzwertrelation gewährt (»Abhängigkeitsaufschlag«), doch ist diese Methode mit Bewertungsschwierigkeiten behaftet, die der Gesetzgeber im Abfindungsrecht – wie 712 Im Zusammenhang mit § 305 II Nr. 1 AktG a. F. Koppensteiner, Internationale Unternehmen im deutschen Gesellschaftsrecht, 1971, S. 310 f.; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 305 Rn. 38; zust. Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 39. 713 Schön, EWS 2000, 281, 285. 714 So aber Hirte/Hasselbach in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 305 Rn. 40; Schön, EWS 2000, 281, 285.

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schon oft erwähnt – grundsätzlich vermeiden will715 . Die entscheidende Wertung enthalten hier die §§ 305 II Nr. 1 u. 2, 320b I 3 AktG: Aus diesen Normen folgt, dass die Zumutbarkeitsschwelle einer (wirtschaftlichen) Fusion jedenfalls überschritten ist, wenn sich der Aktionär zwangsweise mit Aktien einer abhängigen AG »abfinden« müsste716 . Bestätigt und fortgeführt werden diese Wertungen in § 9 I 1, 2. Fall SEAG, für die der Gesetzgeber ausdrücklich anführt, der zwangsweise Umtausch einer Aktie in SE-Anteile einer abhängigen SE sei dissentierenden Aktionären nicht zumutbar 717. Allerdings darf man nicht übersehen: In den §§ 305 II, 320b I 2 u. 3 AktG , 9 I 1, 2. Fall SEAG kristallisiert sich ein bemerkenswerter Widerspruch zum Prinzip der Abfindungsfreiheit des einfach faktischen Konzerns718 . Zwar soll nach den §§ 305 II, 320b I 2 u. 3 AktG, 9 I 1, 2. Fall SEAG den außenstehenden Aktionären nicht zugemutet werden, Aktionäre einer abhängigen AG (oder SE) zu werden. Die Aktionäre selbst haben aber grundsätzlich keine exit-Möglichkeit, wenn ihre Gesellschaft gem. §§ 311 ff. AktG abhängig wird. Die Wertung des § 9 I 1, 2. Fall SEAG ist inkonsequenterweise nicht auf § 7 I 1 SEAG erstreckt worden 719. Zumindest dies sollte man aber nicht überbewerten. Da die Gesetzesmaterialien hierzu keine Erklärung enthalten, ist davon auszugehen, dass allein § 7 I 1 SEAG nicht das oben beschriebene Prinzip in Frage stellen sollte. Wägt man die beiden Prinzipien gegeneinander ab, setzen sich die pro Abfindungspflicht streitenden Argumente durch. Hierfür spricht einerseits, dass die §§ 305 II, 320b I 2 u. 3 AktG, 9 I 1, 2. Fall SEAG eine stringente Wertung enthalten, die für sämtliche Formen der wirtschaftlichen Verschmelzung gelten und nach dem Gebot der Systemgerechtigkeit, Gleiches gleich zu behandeln, auf die technische Verschmelzung erstreckt werden muss, andererseits, dass die einschlägigen Normen, die einen Abfindungsfall nicht vorsehen (§§ 29 I 1 UmwG, 7 I 1 SEAG), keine eindeutige Wertung hiergegen enthalten. Das Prinzip der Abfindungsfreiheit der einfach-faktischen Unternehmensverbindung wird hierdurch auch nicht über Gebühr eingeschränkt, da die genannten Ausnahmen nur für die klar umrissenen Fallgruppen der Verschmelzung und Spaltung gelten. Noch bevor sich die vorliegende Arbeit dem Punkt über die ungeschriebenen Abfindungspflichten nähert720 , steht damit fest: Analog der §§ 305 II Nr. 2, 320b I 3 AktG, 9 I 1, 2. Fall SEAG steht den widersprechenden Aktionären ein Barabfindungsanspruch zu,

715

Dazu schon o. S. 103 f. Zu dieser Wertung Begr. RegE AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 425. Gem. § 305 II Nr. 2 AktG soll freilich auch schon ausreichen, dass der andere Vertragsteil in Mehrheitsbesitz steht, ohne abhängig zu sein. Dieser Unterschied zu § 320b I AktG dürfte sachlich nicht zu begründen sein, vgl. etwa Grunewald in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 320b Rn. 5. 717 Begr. RegE SEEG BT-Drucks. 15/3405, S. 33 und dazu schon o. S. 178 f. 718 S. schon o. S. 178 f. 719 Dazu schon o. S. 178 f. 720 Dazu u. S. 287 ff. 716

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wenn ihre AG (oder KGaA) auf eine abhängige AG, KGaA oder SE verschmolzen oder auf- bzw. abgespalten wird721. Fraglich ist, ob ein Abfindungsrecht angebracht ist, wenn die übernehmende AG einer Verschmelzung oder Spaltung zwar nicht abhängig ist, aber dennoch im Mehrheitsbesitz steht (§ 16 AktG). Für eine exit-Möglichkeit in diesem Fall spricht § 305 I Nr. 1 AktG, dagegen spricht § 320b I 2 AktG. Nach wohl allgemeiner Ansicht hat der Unterschied zwischen beiden Normen keinen sachlichen Grund, ist aber als gesetzgeberische Entscheidung hinzunehmen722 . Pro Einbeziehung bloß in Mehrheitsbesitz stehender Gesellschaften spricht, dass diese Gesellschaften stark gefährdet sind, abhängig zu werden723 . Andererseits bricht § 305 II Nr. 1 AktG mit dem in § 17 II AktG verankerten Grundsatz, dass die Abhängigkeitsvermutung bei in Mehrheitsbesitz stehenden Aktiengesellschaften gerade widerlegt werden kann724 . Diese allgemeine Wertung sollte auch im hier gegebenen Zusammenhang den Weg weisen. Da der bloße Mehrheitsbesitz die Interessen der Aktionäre nur gefährdet, aber nicht beeinträchtigt, muss entsprechend dem in § 17 II AktG zum Ausdruck kommenden Grundsatz die Möglichkeit eröffnet sein, durch Widerlegung der Abhängigkeitsvermutung den Rechtsfolgen der für abhängige Unternehmen geltenden Vorschriften zu entgehen. Bestätigt wird dies durch § 9 I 1, 2. Fall SEAG, der beim bloßen Mehrheitsbesitz keine Abfindungspflicht vorschreibt. Eine Grenze findet das Prinzip der Abfindungsfreiheit von formwahrender Verschmelzung und Spaltung daher nur bei der abhängigen AG, nicht aber bei der im bloßen Mehrheitsbesitz stehenden Gesellschaft. cc) Zwischenergebnis Die Abfindungsfreiheit der formwahrenden Verschmelzung und Spaltung ist ein tragendes gegenläufiges Prinzip des Abfindungsrechts (§§ 29 I 1, 78, 250 UmwG; §§ 304 II 2, 305 II Nr. 1 u. 2, 320b I 2 AktG, §§ 7 I 1, 9 I 1, 12 I 1 SEAG). Im System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche kommt ihm hohes Argumentationsgewicht zu: Es handelt sich um ein den Minderheitenschutz begrenzendes Prinzip, dessen Überzeugungskraft daher allen für eine Ausstrah721

Ebenso schon für den Fall, dass der aufnehmende Rechtsträger an einen Beherrschungsund Gewinnabführungsvertrag gebunden ist Exner, Beherrschungsvertrag und Vertragsfreiheit, 1984, S. 150; Hohner, DB 1973, 1487, 1487 Fn. 6; weitergehend (wenn sich die Beteiligungsverhältnisse »maßgeblich verschieben«) Kalss, wbl 2001, 366, 375. Nicht ausreichend dürfte es sein, wenn die AG bloß im Mehrheitsbesitz steht, ohne abhängig zu sein. Zwar sieht § 305 II Nr. 2 AktG auch für diesen Fall vor, dass keine Aktien dieser Gesellschaft gewährt werden dürfen. Diese Wertung wiederholt sich jedoch nicht in § 320b I 3 AktG, obwohl die Mehrheitseingliederung aufgrund des Zwangsverlusts der Mitgliedschaft die (formell und auch nach der Wertung des Gesetzes, denke an die 95%-Schwelle) stärker eingreifende Maßnahme ist. 722 Bernhardt, BB 1966, 257, 260; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 320b Rn. 9; Grunewald in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 320b Rn. 5; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 320b Rn. 6. 723 Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 40; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 305 Rn. 9; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 305 Rn. 37. 724 Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 305 Rn. 37.

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lung »negativer« Wertungen des UmwG sprechenden Argumenten gestützt wird725 . An Grenzen stößt dieses Prinzip, wenn der aufnehmende Rechtsträger beherrscht wird oder seinen Sitz im (auch: EU/EWR-) Ausland hat (nicht verallgemeinerungsfähige Ausnahme nur § 305 II Nr. 1 u. 2 AktG) oder der Aktionär im aufnehmenden Rechtsträger rechtlichen oder tatsächlichen Veräußerungserschwernissen i. S. d. § 29 I UmwG unterliegt. Keine Besonderheiten ergeben sich bei bloßem Mehrheitsbesitz (Ausnahme § 305 II Nr. 1 u. 2 AktG). e) Die Abfindungsfreiheit der Liquidation Abfindungsfrei ist weiterhin die Auflösung der AG. Wird die AG per ¾-Mehrheitsbeschluss nach § 262 I Nr. 2 AktG liquidiert, entstehen keine Abfindungsansprüche; die dissentierenden Aktionäre werden stattdessen auf ihren Verteilungserlös nach § 271 AktG verwiesen. Dass die Auflösung abfindungsfrei gestaltet ist, dass Abfindungsansprüche bei der Liquidation geradezu systemfremd sind726 , ergibt sich für den gesetzlichen Regelfall der Auflösung einer selbständigen AG schon aus der Annahme, dass die Aktionäre »in einem Boot sitzen«727. In diesem Fall fehlt es an dem für die Abfindung typischen Interessenkonflikt728 , die Mehrheit agiert als Treuhänder der Minderheit, sie usurpiert nicht das in den Aktien der Minderheit verkörperte Kapital. Im oben beschriebenen Normalfall der Auflösung erzielt jeder Aktionär im Liquidationsverfahren denselben Verteilungserlös pro rata, über den Verteilungserlös hinausgehende Vorteile sind ausgeschlossen. Deswegen kann man auch keinen »Begünstigten« der Liquidation finden. Die Interessen aller Aktionäre sind hinreichend dadurch gewahrt, dass die Abwickler – üblicherweise die Vorstandsmitglieder (§ 265 I AktG) – das Vermögen möglichst gewinnbringend veräußern. Verdeutlicht man sich diese Fakten, dann rückt die Liquidation in die Nähe der oben angesprochenen Fälle des rein bestandsmäßigen Vermögenstauschs (Ausgliederung, Unternehmensverträge des § 292 AktG etc.). Beiden Fällen ist gemeinsam, dass die Interessen der Aktionäre im gesetzlichen Normalfall ohne Konzernsachverhalt synchron laufen und vom Vorstand in verlässlicher Weise treuhänderisch gewahrt werden. Beiden Fallgruppen ist gemein, dass dieses Konzept zur Wahrung der Aktionärsbelange zweifelhaft wird, wenn es zu konzerninternen Strukturwandelungen kommt. Dies hat der Gesetzgeber zwar in § 302 II AktG gesehen, mangels anderer konzernspezieller Regelungen für grundsätzlich abfin725

Dazu allgemein o. S. 74. Bauer, NZG 2000, 1214 (»Abfindungsanspruch (. . .), der schon systematisch nicht zu einer Gesellschaftsauflösung passt«). 727 Hierzu und zum Folgenden Henze, ZIP 1995, 1473, 1474; Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 21 f.; Lutter/Drygala, FS Kropff, 1997, 191, 202 f.; Lutter/Leinekugel, ZIP 1999, 261, 263 f.; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 179; Rühland, WM 2002, 1957, 1963; Trölitzsch, DStR 1999, 764, 765. 728 Dazu o. S. 172. 726

C) Haftungsgrund der Abfi ndungsansprüche

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dungsfreie Fälle aber insgesamt unzureichend geregelt. Ob und gegebenenfalls wie diese gesetzgeberische Fehlleistung ausgeglichen werden kann, ist eine der Kernfragen des geltenden Abfindungsrechts und soll noch vertieft bei der übertragenden Auflösung behandelt werden729. Als weiterer Baustein im gesetzlichen Programm des abfindungsrechtlichen Haftungsgrundes kann jedoch festgehalten werden: Die Liquidation ist aus den oben genannten Gründen konsequenterweise abfindungsfrei. f) Zusammenfassung Die dogmatische Einordnung der Abfindungsansprüche als Aufopferungsansprüche führte die Suche nach dem Haftungsgrund zum Usurpationsgedanken. Als Zwischenergebnis konnte festgehalten werden: Haftungsgrund der §§ 320b, 327a AktG, 39a WpÜG ist die rechtmäßige Annexion der Anteile der ausgeschlossenen Aktionäre, im Falle des § 305 AktG die insbesondere in den §§ 308, 291 III AktG zum Ausdruck kommende Rechtsverschiebung zwischen herrschendem Unternehmen und außenstehenden Aktionären. Haftungsgrund der §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG ist die vorübergehende Usurpation des Stimmrechts der Aktionäre. Sie werden gezwungen, dieses Kapital (wirtschaftlich gesehen) in eine »andere« Gesellschaft zu investieren, die ihnen als Investitionsobjekt nicht zugemutet werden darf. Ziel dieses Unterabschnitts war herauszufinden, ab wann der Strukturwechsel einer Gesellschaft so beschaffen ist, dass diese Zumutbarkeitsschwelle überschritten ist. Hier führte der Vergleich zwischen den Unternehmensverträgen des § 291 AktG und denen des § 292 AktG zu der (aus dem Aufopferungsrecht bekannten) Einsicht, dass es keine einheitliche »Opfergrenze« gibt, keine wie auch immer zu definierende Eingriffsintensität, die die abfindungsfreien Strukturmaßnahmen von den Abfindungsfällen abgrenzt. Stattdessen verfolgt der Gesetzgeber – so lautete ein Zwischenergebnis – verschiedene Konzepte, mit denen er die (möglicherweise nur marginal unterschiedlich stark betroffenen) Interessen der Minderheitsaktionäre schützt. Zu suchen war daher nach Bausteinen, aus denen dieses Konzept aufgebaut ist. Aufgrund einer Analyse abfindungsfreier Strukturmaßnahmen konnten folgende gegenläufige Prinzipien gewonnen werden: das Mehrheitsprinzip, das Prinzip der Kapitalerhaltung, der (hier sog.) Subsidiaritätsgrundsatz, das – durch Ausnahmen seinerseits begrenzte – Prinzip der Abfindungsfreiheit von formwahrender Verschmelzung und Spaltung 730 sowie das Prinzip der Abfindungsfreiheit der Liquidation.

729 730

Dazu u. S. 303 ff. Dazu im einzelnen die Zusammenfassungen o. S. 224, 234, 244.

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4) Abwehrfähige Strukturmaßnahmen Im vorigen Abschnitt konnten Prinzipien extrahiert werden, die den Bereich »unterhalb des Abfindungsrechts« abgrenzen731. Jetzt soll es um die Strukturmaßnahmen gehen, die nur mit Zustimmung aller bzw. aller betroffenen Aktionäre beschlossen werden dürfen (»Bereich oberhalb des Abfindungsrechts«). a) Persönliche Haftung der Aktionäre und Belastungsverbot Veto-Rechte existieren, wenn Gesellschaftern besondere Pflichten auferlegt werden sollen (§§ 707 BGB, 180 I AktG, 53 III GmbHG, soweit es um Sonderpflichten geht auch § 35 BGB a fortiori 732). Das Verbot, einem Mitgesellschafter ohne dessen Zustimmung schuldrechtliche Verpflichtungen aufzuerlegen (Belastungsverbot733), ist ein allgemein anerkannter gesellschaftsrechtlicher Grundsatz734 , der im Aktienrecht gilt und der teilweise als »mitgliedschaftliches Grundrecht« angesehen wird735 . Er konkretisiert ein allgemein zivilrechtliches Prinzip, das aus dem Grundsatz der Privatautonomie folgt und etwa in dem Verbot verpflichtender Verträge zu Lasten Dritter seinen Niederschlag findet736 . Spezielle Ausprägungen dieses Grundsatzes finden sich im »Recht der Strukturentscheidungen« etwa in den §§ 40 II 2, 233, 240 II 1 UmwG, wonach Anteilseigner widersprechen können, wenn sie durch Umwandlung persönlich haftende Gesellschafter des neuen Rechtsträgers werden sollen, oder in § 51 I 1 UmwG, wo den Aktionären das Risiko droht, von der Ausfallhaftung nach § 24 GmbHG betroffen zu werden737. Nach dem soeben entfalteten Grundsatz müsste Gleiches gelten, wenn eine AG auf eine Nebenleistungs-Gesellschaft (insbesondere GmbH) verschmolzen wird738 . Trotzdem enthält das Gesetz hierzu keine entsprechende Bestimmung. Der Gesetzgeber des UmwBerG hat sich ausdrücklich gegen Veto-Rechte der betroffenen Aktionäre ausgesprochen, denn Nebenleistungspflichten sollten Verschmelzungen »nicht verhindern«739. 731

Zu diesem Begriff schon o. S. 202 f. Dazu Hadding in Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, § 35 Rn. 1, 21; Reuter in MünchKommBGB, 5. Aufl., 2006, § 35 Rn. 9. 733 Mayer in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht (Loseblatt), Stand: Dezember 2006, § 50 UmwG Rn. 112. 734 Mayer in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht (Loseblatt), Stand: Dezember 2006, § 50 UmwG Rn. 112; M. Winter in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 51 Rn. 14. Vgl. auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 16 III 3b cc = S. 473 mit Fn. 100, der auf eine entsprechende Regelung in § 170 I PreußALR hinweist. 735 So Wiedemann, ZGR 1977, 691, 692; kritisch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 16 III 3b cc = S. 473. 736 Hierzu die Nachweise o. S. 140 in Fn. 172. 737 Dazu M. Winter in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 51 Rn. 4; N. Zimmermann in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 51 Rn. 2. 738 Im Mittelpunkt der Diskussion steht die Verschmelzung. Die geschilderten Probleme können aber ebenso bei Spaltung und Formwechsel auftreten, vgl. etwa Rieger in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht (Loseblatt), Stand: März 1997, § 240 UmwG Rn. 71 ff. 739 Begr. RegE UmwBerG bei Ganske, Umwandlungsrecht, 2. Aufl. 1995, S. 61. Dies als Ge732

C) Haftungsgrund der Abfi ndungsansprüche

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Ob diese Direktion des Gesetzgebers zu befolgen ist, wird bestritten 740 . Soweit man ihr folgt, werden die Anteilseigner teilweise auf Barabfindung analog § 29 I 2 UmwG verwiesen741, »im Extremfall«742 auch auf ein ungeschriebenes Austrittsrecht aus wichtigem Grund743 . Für die AG haben solche Abfindungslösungen aber keine Bedeutung. Bei der formwechselnden Umwandlung folgen Abfindungsansprüche schon aus §§ 29 I 1, 122i, 207 UmwG. Wird eine AG in oder auf eine andere Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien verschmolzen oder aufgespalten, können nur vinkulierte Namensaktien mit Nebenpflichten behaftet sein (§ 55 AktG) 744 , dann ergibt sich ein Abfindungsrecht aus § 29 I 2 UmwG. Dem Gesetzgeber schwebte vor, die erhöhten Belastungen durch die Nebenverpflichtung im Umtauschverhältnis zu berücksichtigen745 . Dies lässt sich jedoch nicht durchführen746 : Zum einen lässt sich die Belastungswirkung mancher Nebenleistungspflichten, etwa von Wettbewerbsverboten, schwer in Zahlen fassen747. Zum anderen knüpfen Nachschusspflichten nach den §§ 26 GmbHG, 55 AktG an die Beteiligungshöhe an. Mit einer Verbesserung des Umtauschverhältnisses wären also höhere Nachschusspflichten verbunden – ein Teufelskreis, aus dem es kein Entrinnen gibt748 . Lassen sich einleuchtende Gründe für eine Ausnahme vom Belastungsverbot somit nicht anführen, kann die Entscheidung des Gesetzgebers nur als »systemwidrig« bezeichnet werden749. Eine verfassungskonforme Auslegung kann hieran trotz des Gebots einer widerspruchsfreien Rechtsordnung nichts ändern, denn diese Auslegungsmethode findet ihre Grenze in der klaren Entscheidung des Gegenargument anführend Bermel in Goutier/Knopf/Tulloch, UmwG, 1995, § 50 Rn. 33; Rieger in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht (Loseblatt), Stand: März 1997, § 240 UmwG Rn. 71; H. Schmidt in Lutter, Kölner Umwandlungsrechtstage, 1995, S. 59, 84. 740 Für Veto-Recht mit unterschiedlicher dogmatischer Verankerung Bayer, ZIP 1997, 1613, 1625; Gehling in Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 13 Rn. 44; Lutter/Drygala in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 13 Rn. 30; M. Winter in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 51 Rn. 14; Grunewald/M. Winter in Lutter, Kölner Umwandlungsrechtstage, 1995, S. 19, 45 ff.; N. Zimmermann in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 65 Rn. 19. Nur de lege ferenda zustimmend Rieger in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht (Loseblatt), Stand: März 1997, § 240 UmwG Rn. 73. 741 H. Schmidt in Lutter, Kölner Umwandlungsrechtstage, 1995, S. 59, 84 f.; zust. Bermel in Goutier/Knopf/Tulloch, UmwG, 1995, § 50 Rn. 33 (vgl. aber auch Bermel a.a.O., § 29 Rn. 9). 742 Grunewald/M. Winter in Lutter, Kölner Umwandlungsrechtstage, 1995, S. 19, 24. 743 Grunewald in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 29 Rn. 32; Grunewald/M. Winter in Lutter, Kölner Umwandlungsrechtstage, 1995, S. 19, 24; zust. Kalss in Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 29 Rn. 15. 744 Hierzu Lutter/Drygala in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 13 Rn. 30. 745 Begr. RegE UmwBerG bei Ganske, Umwandlungsrecht, 2. Aufl. 1995, S. 61. 746 Bayer, ZIP 1997, 1613, 1623; Bermel in Goutier/Knopf/Tulloch, UmwG, 1995, § 50 Rn. 33; Grunewald/M. Winter in Lutter, Kölner Umwandlungsrechtstage, 1995, S. 19, 47; Lutter/Drygala in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 13 Rn. 29. 747 Grunewald/M. Winter in Lutter, Kölner Umwandlungsrechtstage, 1995, S. 19, 47. 748 Bayer, ZIP 1997, 1613, 1623; Lutter/Drygala in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 13 Rn. 29. 749 Ebenso (»Fehlanschauung des Gesetzgebers«): Lutter/Drygala in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 13 Rn. 29 f.; zust. Gehling in Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 13 Rn. 44.

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setzgebers750 . Nicht helfen kann auch der Hinweis, dass die problematische Stelle in der Regierungsbegründung nur ein obiter dictum sei, das im Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden habe751, denn die Ablehnung des Veto-Rechts kommt an der entsprechenden Stelle deutlich zum Ausdruck. Gleichwohl führt der systemwidrige Ausschluss eines Veto-Rechts nicht zur Verfassungswidrigkeit des UmwG. Für die hier zu besprechende Fallgruppe der Umwandlung von Aktiengesellschaften folgt dies schon daraus, dass den Aktionären in allen praktisch relevanten Fällen eine Abfindung zur Verfügung steht und somit für eine hinreichende Entschädigung gesorgt ist. Da der Gesetzgeber unter dem Vorbehalt voller Entschädigung Gesetze erlassen dürfte, mit denen eine 75%ige Mehrheit die Minderheit aus der Gesellschaft ausschließen kann (bzw. wirtschaftlich gleichstehende Eingriffe) 752 , muss auch die zwangsweise Umwandlung auf Nebenleistungsgesellschaften verfassungsrechtlich zulässig sein, sofern den Aktionären ein Abfindungsanspruch zusteht753 . b) Verlust von Sonderrechten Einen weiteren allgemeinen verbandsrechtlichen Grundsatz stellt § 35 BGB auf. Demnach dürfen Sonderrechte den Verbandsmitgliedern nur mit ihrer Zustimmung entzogen werden. Klassische Beispiele solcher Sonderrechte sind etwa VetoRechte, Rechte auf Bestellung zum Prokuristen oder das Recht auf Mitwirkung in einem Gremium des Verbandes. Sonderrechte i. S. d. § 35 AktG sind im Aktienrecht wegen § 23 V AktG selten; gleichwohl gibt es sie, wie das Entsendungsrecht nach § 101 II AktG zeigt754 . Für das hier zu entwerfende System interessiert, inwieweit der Grundsatz des § 35 BGB im Aktienrecht gilt und inwieweit er möglicherweise durch Ausnahmen perforiert ist755 . Bedeutung wird diese Untersuchung im »Besonderen Teil« dieser Arbeit erlangen, wenn es um Abfindungspflichten bei der Umwandlung von Vorzugs- in Stammaktien geht756 . aa) Geltung im Aktienrecht Befragt man die aktienrechtliche Literatur, stellt sich schnell eine gewisse Irritation ein: Einerseits wird ohne Weiteres davon ausgegangen, § 35 BGB gelte auch im 750

Dazu schon o. S. 28. So M. Winter in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 51 Rn. 14. 752 S. o. S. 79 ff. 753 Werden Rechtsträger anderer Rechtsform auf Nebenleistungsgesellschaften verschmolzen, ohne dass schon de lege lata Abfindungsansprüche bestehen, sind solche in Rechtsanalogie zu den §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG zu schaffen. Dies entspricht im Übrigen auch der Vorstellung des Gesetzgebers, der – wie im Haupttext dargelegt – von einem vermögensmäßigen Ausgleich der betroffenen Aktionäre ausging. 754 Zum Entsendungsrecht nach § 101 AktG als Sonderrecht i. S. d. § 35 BGB s. etwa Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 101 Rn. 8. 755 Zur Entziehung von Sonderrechten im GmbH-Recht monographisch Aker, Sonderrechte von GmbH-Gesellschaftern, 2002, S. 230 ff. 756 Dazu noch u. S. 320 ff. 751

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Aktienrecht757 ; andererseits liest man die als ebenso selbstverständlich vorgetragene These, dass die im AktG enthaltenen Vorschriften über Sonderbeschlüsse bestimmter Aktionärsgruppen (insbesondere die §§ 141 III, 179 III, 182 II, 222 II, 295 II, 296 II, 297 II, 302 III 3 AktG) Ausnahmen zu § 35 BGB seien, denn sie ließen im Gegensatz zu dieser Norm Eingriffe in Sonderrechte mit ¾-Mehrheit zu758 . Die Verwirrung findet ihren Ursprung darin, dass der Begriff des Sonderrechts mit unterschiedlichem Inhalt verwandt wird759 : Als Sonderrechte bezeichnet man Vorrechte der Aktionäre, die nicht Inhalt der allgemeinen Mitgliedschaft sind (z. B. Vorzugsrechte nach §§ 139 ff. AktG) 760 ; als Sonderrechte bezeichnet man aber auch solche Rechte, die gem. § 35 BGB unentziehbar sind761 ; schließlich wird der Begriff untechnisch in den §§ 23, 204 UmwG benutzt762 . Dass die §§ 141 III, 179 III, 182 II, 222 II AktG und andere Sonderbeschluss-Vorschriften des AktG die Beeinträchtigung von (entziehbaren) Vorrechten per Mehrheitsbeschluss zulassen, ist richtig – insoweit sind diese Vorschriften aber keine Ausnahmen von § 35 BGB. Dass die §§ 141 III, 179 III, 182 II, 222 II etc. AktG Aktionärsrechte erfassen sollen, die per definitionem doch gerade als unentziehbar ausgestaltet sind763 , könnte widersprüchlich sein und soll im Folgenden untersucht werden. Dies gelingt nur, wenn man sich die ratio legis des § 35 BGB verdeutlicht. Hierauf kann man wiederum nur kommen, wenn man den Begriff des Sonderrechts i. S. d. § 35 BGB klärt. § 35 BGB definiert diesen Begriff freilich nicht, sondern setzt ihn voraus764 . Zum Begriff des Sonderrechts i. S. d. § 35 BGB wurden früher ganze »Sonderrechtstheorien« vertreten765 . Doch setzten diese Theorien viel breiter an und versuchten, um den Begriff des Sonderrechts ein Konzept für die Ab757 S. schon Pinner in Staub, HGB, 14. Aufl. 1933, § 250 Anm. 9. Aus der heutigen Literatur Brändel in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992, § 11 Rn. 7; Hadding in Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, § 35 Rn. 2; Kraft in Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1986, § 11 Rn. 13; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2006, § 15 II 4 a cc = S. 197; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 19 III 3 c bb = S. 559; inzident Würdinger, Aktienrecht und das Recht der verbundenen Unternehmen, 4. Aufl. 1981, § 33 III 1 = S. 172. 758 Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 295 Rn. 2; Bezzenberger in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 138 Rn. 7; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 295 Rn. 2; wohl auch Krieger, FS Lutter, 2000, 497, 513. 759 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 7 I 1 a = S. 358; kritisch zur Terminologie Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 11 Rn. 6. 760 Kraft in Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1986, § 11 Rn. 13; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 7 I 1 a = S. 358; wohl auch Hueck/Windbichler, Gesellschaftsrecht, 21. Aufl. 2008, § 30 Rn. 15: »Vorrechte«. 761 Brändel in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992, § 11 Rn. 7; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 7 I 1 a = S. 358. 762 Dazu Hüffer, FS Lutter, 2000, 1225, 1230. 763 So wohl Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 11 Rn. 6 (nicht erwähnt allerdings bei Hüffer a.a.O., § 179 Rn. 39; eine Ausnahme möchte Hüffer a.a.O., § 11 Rn. 6 außerdem für das Entsendungsrecht nach § 101 II AktG machen); s. auch Reuter in MünchKommBGB, 5. Aufl., 2006, § 35 Rn. 3. 764 Dazu auch Prot. I, S. 530. 765 S. schon o. S. 202.

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grenzung von Mehrheitsherrschaft und Minderheitenschutz aufzubauen 766 . Angesichts der zahlreichen beweglichen Schranken der Mehrheitsherrschaft, insbesondere in Form von Treuepflichten und materieller Beschlusskontrolle, sind diese Theorien heute überholt767. Man kann sich dem Sonderrecht des § 35 BGB nähern, wenn man Zweierlei bedenkt: Erstens besteht angesichts der vielfältigen beweglichen Schranken der Mehrheitsherrschaft kein Bedürfnis mehr, an dem Begriff des Sonderrechts nach § 35 BGB ein ganzes Konzept des Minderheitenschutzes aufzuhängen. Mit dem Minderheitenschutz ist es ohne Weiteres vereinbar, § 35 BGB nur einen kleinen Anwendungsbereich zu reservieren. Um den Charakter des § 35 BGB als allgemeinen verbandsrechtlichen Grundsatz zu wahren, muss man zweitens das Sonderrecht i. S. d. § 35 BGB so definieren, dass es in allen Verbänden auftauchen kann. Schließlich steht der Begriff des »Sonderrechts« schon vom Wortlaut her in Kontrast mit den allgemeinen Mitgliedschaftsrechten der Vereinsmitglieder, deren Umfang sich wiederum aus der Verbandssatzung ergibt. Nimmt man diese Gedanken zusammen, kommt man mit der heute wohl allgemeinen Ansicht zu dem Ergebnis, dass Sonderrechte i. S. d. § 35 BGB solche Rechte sind, die von der Satzung als unentziehbare Rechte definiert werden768 . Hieraus ergibt sich im nächsten Schritt zwanglos die ratio legis von § 35 BGB: Die Norm verwirklicht das vertragsrechtliche Konsensprinzip, demzufolge Verträge nur mit Zustimmung aller Vertragspartner geändert werden dürfen 769. Sonderrechte sind daher solche Rechte, die aufgrund einer besonderen, nach dem Willen der Vertragspartner nicht dem Mehrheitsprinzip unterstellten rechtsgeschäftlichen Abrede in die Satzung aufgenommen wurden. Dieser Interpretation entspricht es, wenn teilweise formuliert wird, dass die Wirkungen von Sonderrechten durch schuldrechtliche Nebenabreden herbeigeführt werden könnten 770 und dass die Sonderrechte in ihrer Eigenschaft als unentziehbares Recht den Gläubigerrechten nahe stünden771. Akzeptiert man dieses Zwischenergebnis, so relativiert sich zunächst die oben aufgeworfene Frage nach der Geltung des § 35 BGB im Aktienrecht: In manchen Fällen (so etwa bei den §§ 295 II, 296 II, 297 II, 302 III 3 AktG) liegt gar kein Son766

S. schon o. S. 202. S. schon o. S. 202. 768 Im Ergebnis ganz h.M., vgl. nur RGZ 68, 235, 236; RGZ 170, 358, 368; BGH NJW 1969, 131; Brändel in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992, § 11 Rn. 7; Coing in Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1980, § 35 Rn. 8; Flume, Die juristische Person, 1983, § 8 II = S. 272; Hadding in Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, § 35 Rn. 8; Heinrichs in Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 35 Rn. 1; Kraft in Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1986, § 11 Rn. 13; Reuter in MünchKommBGB, 5. Aufl. 2006, § 35 Rn. 3; Steffen in RGRK BGB, 12. Aufl. 1974, § 35 Rn. 1, 5; Würdinger, Aktienrecht und das Recht der verbundenen Unternehmen, 4. Aufl. 1981, § 33 III 1 = S. 172. 769 Hadding in Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, § 35 Rn. 1: »Durch § 35 wird demnach für die Sonderrechte das vertragsrechtliche Konsensprinzip auf Seiten des betroffenen Rechtsinhabers wieder in Kraft gesetzt«. 770 Reuter in MünchKommBGB, 5. Aufl. 2006, § 35 Rn. 7. 771 Steffen in RGRK BGB, 12. Aufl. 1974, § 35 Rn. 2. 767

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derrecht im Sinne des § 35 BGB vor, weil es entweder, wie bei dem § 302 III 3 AktG, um Ansprüche der Gesellschaft geht, oder – wie im Fall der §§ 295 II, 296 II, 297 II AktG – keine Rechte in Frage stehen, die sich die Aktionäre aufgrund eines besonderen Rechtsgeschäfts vorbehalten haben772 . Auch die klassische Vorzugsaktie ohne Stimmrecht verbürgt demgemäß typischerweise kein Sonderrecht i. S. d. § 35 BGB, weil die Vorzugsrechte nicht durch besondere Abrede mit den Aktionären geschaffen wurden, sondern von der AG einer Masse von Zeichnern angeboten werden773 . In anderen Fällen wiederum, so etwa bei der Kapitalerhöhung oder Kapitalherabsetzung (§§ 182 II, 222 II AktG), ist nicht ersichtlich, inwieweit Sonderrechte i. S. d. § 35 BGB beeinträchtigt, also nachteilig betroffen werden sollen774 : Weder die Kapitalerhöhung noch die Senkung des Grundkapitals haben Auswirkungen z. B. auf das Recht, Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden. Auch für ein als unentziehbar ausgestaltetes Recht auf Vorzugsdividende i. S. d. § 139 AktG begründen Kapitalmaßnahmen höchstens die Gefahr einer Beeinträchtigung 775 . Schließlich ist wegen des oben genannten vertragsrechtlichen Konsensprinzips kaum denkbar, dass Sonderrechte i. S. d. § 35 BGB zugleich eine Gattung i. S. d. § 11 AktG bilden und dass in diesem Fall eine 75%ige Mehrheit der Gattungsinhaber für die Beeinträchtigung ihrer Rechte stimmt. Sollte dieser Fall doch einmal auftreten, würde im Mittelpunkt des Interesses § 179 III AktG stehen, der für jede Beschränkung oder Beseitigung gattungsspezifischer Rechte einen mit ¾-Mehrheit gefassten Sonderbeschluss der Gattungsinhaber ausreichen lässt776 . Ebenso könnte sich die Diskussion an § 141 III AktG entzünden, wenn Vorzüge i. S. d. § 139 AktG (ausnahmsweise doch) als Sonderrechte im soeben genannten Sinne ausgestaltet sind. Entgegen den oben genannten Stimmen sollte man die §§ 141 III, 179 III AktG aber auch in diesen Fällen nicht als Ausnahme zu § 35 BGB deuten und daher gleichwohl die Zustimmung aller Sonderrechtsinhaber verlangen. Dafür sprechen folgende Gründe: Zum einen ist nicht ersichtlich, warum rechtsgeschäftliche Abreden dadurch weniger Bestandsschutz genießen sollen, dass eine entsprechende Abrede mit anderen Aktionären getroffen wurde und die Sonderrechtsinhaber somit eine Gattung i. S. d. § 11 S. 2 AktG bilden. Zum anderen entstünde eine zu hohe Missbrauchsgefahr, die das Institut des Sonderrechts zur Bedeutungslosigkeit verdammen würde: Um Sonderrechte zu beseitigen, wäre es ohne Weiteres möglich, anderen Aktionären dasselbe Sonderrecht einzuräumen, damit diese Anteilsinha772

Zur Abfindung als gesetzlichem Anspruch s. o. S. 115 ff. A. A. offenbar Senger/Vogelmann, AG 2002, 193, 194. 774 Zu dieser Definition Hadding in Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, § 35 Rn. 16; Reuter in MünchKommBGB, 5. Aufl. 2006, § 35 Rn. 9. 775 Was keine Beeinträchtigung i. S. d. § 35 BGB ist, vgl. nur Hadding in Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, § 35 Rn. 16. 776 Die Beseitigung gattungsspezifischer Rechte wird unter den Begriff »Veränderung des bisherigen Verhältnisses mehrerer Gattungen von Aktien« i. S. d. § 179 III 1 AktG subsumiert, vgl. nur Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 179 Rn. 41. 773

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ber dann die anderen Sonderrechtsinhaber gem. § 179 III AktG überstimmen. Auch eine Entschädigung (die man in Rechtsanalogie zu den Abfindungsrechten herleiten könnte, weil § 179 III AktG ein »an sich bestehendes« Widerspruchsrecht aus § 35 BGB ausschließt) würde nicht helfen: Erstens kommt es den Sonderrechtsinhabern klassischerweise gerade auf ihr Sonderrecht an, zweitens ließe sich der Vermögenswert mancher Sonderrechte – etwa des Entsendungsrechts nach § 101 II 1 AktG – gar nicht ermitteln. Rechtsmethodisch lässt sich dieses Ergebnis zwanglos mit § 179 III AktG vereinbaren, indem man inhaltsgleiche Sonderrechte i. S. d. § 35 BGB nicht als »gleiche Rechte« i. S. d. § 11 S. 2 AktG versteht, da sie durch individuelle Absprache getroffen wurden und daher nach ihrem Entstehungsgrund gerade keine Gattung i. S. d. § 11 S. 2 AktG bilden sollen. § 141 III AktG sollte im Wege einer teleologischen Reduktion nicht auf solche Vorzugsrechte angewendet werden, die als unentziehbare Sonderrechte i. S. d. § 35 BGB ausgestaltet sind, denn die §§ 139 ff. AktG gehen offenbar von dem gesetzestypischen Fall des »einfachen«, massenhaft gewährten und daher gerade nicht unentziehbaren Vorzugsrecht aus (vgl. nur §§ 139 II, 141 II AktG). Nach alledem wird § 35 BGB nicht durch die Sonderbeschluss-Vorschriften des AktG, insbesondere nicht durch § 179 III AktG, modifiziert. Eine Ausnahme von § 35 BGB ist im Aktienrecht allerdings unverkennbar: § 5 EGAktG777. Diese Norm beruht auf Vorbehalten, die sich speziell gegen das Mehrstimmrecht richten und die sich nicht auf andere Sonderrechte i. S. d. § 35 BGB ausdehnen lassen: dem Bruch mit dem Grundsatz »one share, one vote« und die hiervon ausgehenden Hindernisse für Unternehmensübernahmen778 . § 5 EGAktG ist daher zwar eine Ausnahme von § 35 BGB, es handelt sich aber nur um eine punktuelle, nicht verallgemeinerungsfähige Exzeption, die den Grundsatz des § 35 BGB ansonsten unberührt lässt. Als Ergebnis lässt sich damit festhalten: Der in § 35 BGB zum Ausdruck kommende Grundsatz gilt im Aktienrecht und wird nur durch § 5 EGAktG in nicht verallgemeinerungsfähiger Weise durchbrochen. bb) Geltung im Umwandlungsrecht Sondernormen zu § 35 BGB enthält das UmwG in den §§ 13 II, 193 II UmwG779. Diese Normen sind allerdings für die AG unerheblich, weil es § 68 II AktG gerade verbietet, Sonderzustimmungsrechte für einzelne Aktionäre (nicht aber: für die AG) zu schaffen780 . Das UmwG enthält außerdem keine den §§ 50 II, 241 II UmwG entsprechenden Vorschriften für die AG. Zwar sind die §§ 23, 204 UmwG auf die AG anwendbar. Nicht vermögenswerte Sonderrechte (etwa das Entsendungsrecht 777

S. etwa Brändel in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992, § 11 Rn. 8. Begr. RegE KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 12. 779 Begr. RegE UmwBerG bei Ganske, Umwandlungsrecht, 2. Aufl. 1995, S. 61 (§ 13 II UmwG), S. 216 (§ 193 II UmwG). 780 Dazu N. Zimmermann in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 13 Rn. 23. 778

C) Haftungsgrund der Abfi ndungsansprüche

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nach § 101 II 1 AktG) sind nach wohl allgemeiner Ansicht von dieser Vorschrift aber nicht umfasst, wie ein Vergleich mit dem alten § 347a AktG und ein argumentum e contrario aus §§ 50 II, 241 II UmwG ergibt781. In der Literatur wird das Problem kaum erörtert782 . Teilweise wird von der Geltung des § 35 BGB ausgegangen783 . Teilweise wird vertreten, die Inhaber von Sonderrechten hätten in der Umwandlung kein Veto-Recht, wenn ihnen dasselbe Sonderrecht nicht im neuen Rechtsträger angeboten werde784 . In diesem Fall solle der Sonderrechtsinhaber auch grundsätzlich nicht in bar abgefunden werden, nur wenn der Verbleib in dem Rechtsträger ohne Sonderrecht unzumutbar sei, solle ein Austrittsrecht aus wichtigem Grund eingreifen785 . Die zuletzt genannte Ansicht kann nicht überzeugen. Es ist kein zwingender Grund ersichtlich, den Schutz von Sonderrechten bei der Umwandlung von Aktiengesellschaften zu verwässern. Vielmehr geht das UmwG von dem Grundsatz aus, dass besondere rechtsgeschäftliche Beziehungen mit der AG von der Umwandlung unberührt bleiben (§§ 20 I Nr. 1, 202 I Nr. 1 UmwG). Da jedes Sonderrecht i. S. d. § 35 BGB auf einem besonderen Rechtsgeschäft zwischen Aktionär und AG bzw. der Gründungsaktionäre untereinander beruht, ist kein Grund ersichtlich, diese gläubigerähnliche Beziehung schwächer zu schützen. Eine Ausnahme muss allerdings gelten, wenn es aus rechtsformspezifischen Gründen unmöglich ist, das Sonderrecht im aufnehmenden Rechtsträger fortzusetzen. Wenn der Gesetzgeber selbst vom Belastungsverbot eine Ausnahme macht, damit Verschmelzungen nicht am Veto einzelner Aktionäre scheitern786 , muss dies erst recht für die Sonderrechte gelten, da den Aktionären hier nur der Verlust dieses Rechts droht. In diesen Fällen müssen die Sonderrechtsinhaber in Rechtsanalogie zu den §§ 305 AktG, 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG, 5 EGAktG vom übernehmenden Rechtsträger entschädigt werden, weil ihr »eigentlich« aus § 35 BGB folgendes Widerspruchsrecht aus den soeben genannten Gründen ausgeschlossen wird.

781 Bermel in Goutier/Knopf/Tulloch, UmwG, 1995, § 23 Rn. 8; Grunewald in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 23 Rn. 2; Happ in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 241 Rn. 10; Hüffer, FS Lutter, 2000, 1227, 1233; Marsch-Barner in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 23 Rn. 2; Vossius in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht (Loseblatt), Stand: Februar 2003, § 23 UmwG Rn. 10. 782 Vgl. etwa die Kommentierung von N. Zimmermann in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 65 Rn. 16 ff., der zwar viele Individualzustimmungsrechte auflistet, auf Sonderrechte der Aktionäre aber nicht eingeht. 783 Marsch-Barner in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 5 Rn. 12; Schanz, Börseneinführung, 3. Aufl. 2007, § 4 Rn. 67. 784 Gehling in Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 13 Rn. 46. 785 Gehling in Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 13 Rn. 46. 786 Begr. RegE UmwBerG bei Ganske, Umwandlungsrecht, 2. Aufl. 1995, S. 61; dazu noch u. S. 327 sowie knapp o. S. 28.

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cc) Geltung im Übernahmerecht Eine Ausnahme zu § 35 BGB enthält schließlich § 33b WpÜG, durch den die Übernahmerichtlinie787 umgesetzt wird788 . Hiernach kann sich eine AG durch Satzungsänderung der sog. »Europäischen Durchbrechungsregel« unterwerfen. Tut sie dies, entfalten bestimmte, in der Satzung an sich vorgesehene Übernahmehindernisse keine Wirkung (§ 33b II WpÜG). Dies gilt gem. § 33b II Nr. 3 WpÜG insbesondere für Entsendungsrechte, sofern der Bieter nach dem Angebot über mindestens 75% der Stimmrechte der Zielgesellschaft verfügt und auf sein Verlangen eine Hauptversammlung einberufen wird, um die Satzung zu ändern oder über die Besetzung der Leitungsorgane der Zielgesellschaft zu entscheiden. Darüber hinaus dürfte § 33b II Nr. 3 WpÜG aufgrund einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung so zu verstehen sein, dass er dem Bieter auch das Recht gibt, die Entsendungsrechte ohne Zustimmung des Rechtsinhabers abzuschaffen. Hierfür spricht zum einen Art. 11 IV ÜbernahmeRiLi, der gerade bezweckt, dem Bieter sämtliche Satzungsänderungen zu ermöglichen, um diejenigen Beschränkungen zu beseitigen, die den Erfolg der Übernahme gefährden könnten789, zum anderen Art. 11 V ÜbernahmeRiLi, wonach Sonderrechte nicht durch einen Zustimmungsvorbehalt, sondern eine Entschädigungsregel geschützt werden sollen. Erlaubt man dem Bieter daher die Abschaffung der Entsendungsrechte, so schuldet er dem Inhaber Entschädigung gem. § 33b V WpÜG.790 Auch § 33b WpÜG kann freilich den Grundsatz des § 35 BGB als allgemeines Prinzip des Gesellschaftsrechts nicht erschüttern. Erstens kommt die »Europäische Durchbrechungsregel« nur zum Zug, wenn sich die Gesellschaft ihr durch Satzungsänderung unterwirft (§ 33b I WpÜG). Zweitens beruht sie auf europäischem Sekundärrecht und erklärt sich aus den Besonderheiten der Übernahmesituation. dd) Zwischenergebnis Zusammenfassend ist damit ein weiterer Grundsatz bestätigt: Sonderrechte i. S. d. § 35 BGB dürfen in der AG grundsätzlich nur mit Zustimmung ihrer Inhaber entzogen werden. Nicht verallgemeinerungsfähige Ausnahmen stellen § 5 EGAktG sowie § 33b WpÜG dar. Gleiches gilt, falls die Fortsetzung des Sonderrechts in dem übernehmenden Rechtsträger nicht möglich ist. 787

Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 21. 4. 2004 betreffend Übernahmeangebote, ABl. Nr. L 142 v. 30. 4. 2004, S. 12. 788 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote (Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz – ÜbernRUmsG) v. 8. 7. 2006, BGBl. I, S. 1426. 789 Dazu etwa Krause, BB 2004, 113, 115; Seibt/Heiser, ZGR 2005, 200, 230. 790 Zu den hiermit verbundenen Bewertungsschwierigkeiten Mülbert, NZG 2004, 633, 640 (wonach die Entziehung des Entsendungsrechts keine Vermögensinteressen berühre, da das Aufsichtsratsmandat höchstpersönlich sei und sich seine Ausübung allein am Gesellschaftsinteresse richte); Seibt/Heiser, ZGR 2005, 200, 230.

C) Haftungsgrund der Abfi ndungsansprüche

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c) Verlust von allgemeinen Mitgliedschaftsrechten, insbesondere des Stimmrechts Verschiedene allgemeine Mitgliedschaftsrechte werden ebenfalls als unentziehbar angesehen, so etwa das Auskunfts- und Anfechtungsrecht 791. Dass diese Rechte nicht gegen Entschädigung beeinträchtigt werden dürfen, beruht auf mehreren Gründen. Eine entscheidende Rolle spielt der Gedanke, dass der Wert dieser Rechte gar nicht durch Entschädigung kompensiert werden könnte. Dies wiederum beruht zum Teil darauf, dass die Rechte auch zum Nutzen der anderen Aktionäre ausgeübt werden (z. B. das Anfechtungsrecht), sich diese Effekte aber weder quantifizieren lassen noch dieser Wert dem Rechtsinhaber zugerechnet werden könnte. Zum Teil beruht dies auf der Beschaffenheit des Rechts, die keine Bewertung erlaubt (z. B. das Informationsrecht). Bestätigt wird somit ein Gedanke, der schon öfter anklang: Jedes auf reinen Vermögensschutz ausgerichtete System muss dafür sorgen, dass das aufgeopferte Recht durch die Entschädigung voll kompensiert wird792 . Ist dies nicht möglich, stößt das System an seine Grenzen. An die Stelle der Entschädigung tritt Bestandsschutz. Bedeutsam ist, ob das Stimmrecht des Aktionärs zu diesen unentziehbaren Rechten gehört. Hier deuten schon die §§ 139 ff. AktG, 5 EGAktG darauf hin, dass sich ein Preis für den Entzug des Stimmrechts finden lässt793 , dass ein – zumindest teilweiser – Stimmrechtsverlust gegen Entschädigung also durchaus in Betracht kommen könnte. Konsultiert man Rechtsprechung und Literatur zu der Frage, ob das Stimmrecht nur mit Zustimmung des Aktionärs entzogen werden darf, stößt man allenthalben auf den Satz, ein Stimmrechtsentzug sei »durch Mehrheitsbeschluss nicht möglich«794 . Dem hat sich der BGH im »Mannesmann«-Urteil angeschlossen, wobei er gleichzeitig hervorhebt, etwas anderes gelte für den teilweisen Stimmrechtsverlust795 . In der Tat wird niemand bestreiten können, dass der Aktionär vor dem Verlust relativer Stimmrechtsmacht (weniger Erfolgswert bei gleichem Zählwert) nicht geschützt ist; man denke hier nur an die Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss796 oder die Aufhebung des Vorzugs bei stimmrechtslosen Vorzugsaktien (§ 141 IV AktG). Doch auch vor dem (teilweisen) Verlust seines absoluten Stimmgewichts ist der Aktionär zumindest nicht ausnahmslos geschützt, wie die §§ 134 I 2 AktG, 5 EGAktG beweisen. Gleiches gilt für den vollständigen Verlust des Stimmrechts: Wenn die §§ 64 III, 237, 262 I Nr. 2, 320b, 327a AktG, 39a WpÜG, 51 II, 242 UmwG den vollständigen Entzug/Verlust der Mit791

Brändel in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992, § 11 Rn. 8. Dazu schon o. S. 52 und öfter. 793 Zu den Schwierigkeiten s. noch u. S. 328 die Nachweise in Fn. 270. 794 So T. Bezzenberger, Vorzugsaktien ohne Stimmrecht, 1991, S. 130; Grunewald in Geßler/ Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 340 Rn. 9; Lutter/Drygala in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 5 Rn. 12; Zöllner in Kölner Kommentar zum AktG, 1973, § 139 Rn. 22; ähnlich W. Werner, AG 1971, 69, 72 Fn. 16. Gegen diesen Grundsatz LG Köln ZIP 2001, 572, 573 (Metro). Relativierend Brändel in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992, § 11 Rn. 10 (nur der »Kerngehalt des Stimmrechts«). 795 BGHZ 70, 117, 122 (Mannesmann). 796 Vgl. auch LG Köln ZIP 2001, 572, 573 (Metro). 792

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gliedschaft ohne die Zustimmung des betroffenen Aktionärs erlauben, dann enthält dies notwendigerweise den Entzug/Verlust des Stimmrechts. Zwar haben Aktionäre Mehrheitsbeschlüsse, mit denen ihnen das Stimmrecht entzogen wird, grundsätzlich nicht zu dulden. Das liegt aber nur daran, dass in diesen Fällen typischerweise gegen die §§ 53a, 243 II 1 AktG oder Treuepflichten verstoßen wird oder der Beschluss einer materiellen Beschlusskontrolle nicht standhält. Allein aus der Beschaffenheit des Stimmrechts lässt sich ein absoluter Bestandsschutz aber nicht herleiten. d) Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz? Ein Zustimmungsrecht soll Aktionären darüber hinaus zustehen, wenn sie unter Verstoß gegen § 53a AktG willkürlich ungleich behandelt werden 797. Zwar wird teilweise vertreten, dass bereits ein (qualifizierter) Mehrheitsbeschluss der benachteiligten Gesellschafter für den Verzicht auf Gleichbehandlung ausreiche, wenn sich der Beschluss einheitlich auf alle abstimmenden Aktionäre auswirke798 . Dem ist jedoch nicht zu folgen799. Die Abwehrbefugnis jedes Aktionärs ergibt sich hier aus dem allgemeinen Grundsatz, dass kein Aktionär rechtswidrige Beschlüsse hinnehmen muss (arg. ex §§ 243 I, 53a AktG). Ausnahmen hiervon kennt das Gesetz nur in den Fällen, in denen ein Sonderbeschluss mit qualifizierter Mehrheit ausreicht, um Ungleichbehandlungen zwischen verschiedenen Aktiengattungen zu legitimieren (§§ 141, 179 III AktG) 800 . Ist ein Gleichheitsverstoß aus überwiegenden Interessen gerechtfertigt, stellt sich die Frage, ob dieser sachliche Grund als »überwiegendes Interesse« im Sinne des allgemeinen Aufopferungsrechts verstanden werden muss, der zwar den Eingriff rechtfertigt, aber Aufopferungs- (sprich: Abfindungs-) ansprüche auslöst, oder ob wegen dieses sachlichen Grundes schon der für den Abfindungsanspruch notwendige Eingriff in die Mitgliedschaft entfällt. Hier ist zu bedenken, dass der Gleichheitssatz des § 53a AktG nicht die Ungleichbehandlung schlechthin, sondern nur die willkürliche Ungleichbehandlung verbietet 801. Ein sachlicher Grund schließt daher schon den Eingriff in Aktionärsrechte aus. Daraus folgt, dass allein aus dem Gleichheitsverstoß kein »eigentlich bestehendes Widerspruchsrecht« abgeleitet werden kann; hinzukommen muss vielmehr, dass die Ungleichbehandlung nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. 797 Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 179 Rn. 43, § 180 Rn. 1; Immenga, BB 1975, 1042, 1043; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den Personenverbänden, 1963, S. 302 f.; Zöllner in Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1989, § 179 Rn. 181. 798 T. Bezzenberger, Erwerb eigener Aktien durch die AG, 2002, Rn. 144; Verse, Der Gleichbehandlungsgrundsatz im Recht der Kapitalgesellschaften, 2006, S. 327 f. 799 Grundleged bereits G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958, S. 262. 800 S. etwa Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 179 Rn. 41; Senger/Vogelmann, AG 2002, 193, 207; Zöllner in Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1989, § 179 Rn. 175. 801 Statt aller BGHZ 120, 141, 151 f. (Bremer Bankverein); Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 53a Rn. 8.

C) Haftungsgrund der Abfi ndungsansprüche

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e) Nicht-verhältniswahrende Spaltung Ein Zustimmungsrecht kennt das UmwG schließlich gem. § 128 S. 1 UmwG im Falle der nicht-verhältniswahrenden Spaltung. Von einer solchen Spaltung spricht man, wenn die an dem übertragenden Rechtsträger beteiligten Gesellschafter vereinbaren, an dem übernehmenden oder neuen Rechtsträger im Verhältnis zueinander nicht mit den gleichen Anteilen vertreten zu sein802 . Demgegenüber bestehen für den Fall keine Zustimmungsrechte, in dem die Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers im Verhältnis zu den Gesellschaftern des übernehmenden Rechtsträgers unverhältnismäßig beteiligt sind (vgl. auch § 128 S. 2 UmwG) 803 . Dieser Fall richtet sich nach den §§ 125 S. 1, 14 II, 15 UmwG 804 . Dass im zuletzt genannten Fall kein Veto-Recht der benachteiligten Anteilsinhaber besteht, sondern nur ein Anspruch auf bare Zuzahlung gem. § 15 I 1 UmwG, hat folgenden Grund: Geht es um das Verhältnis der Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers zu denen des übernehmenden Rechtsträgers, so ergibt sich die angemessene Beteiligungsquote erst aus zwei komplizierten Unternehmensbewertungen, die sich in die Länge ziehen können. Würde man hier die Zustimmung jedes einzelnen Gesellschafters verlangen, würde man Spaltungen verteuern, hinauszögern und blockieren. Aus gesamtwirtschaftlich einleuchtenden Gründen ist daher das Interesse der den Beschluss tragenden Mehrheit am Vollzug der Spaltung gegenüber dem Interesse der Minderheit an Klarheit über das tatsächlich angemessene Tauschverhältnis privilegiert. Ein solches überwiegendes Interesse der Mehrheit liegt in dem von § 128 UmwG geregelten Fall aber gerade nicht vor. In welchem Verhältnis die Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers zueinander am neuen Rechtsträger beteiligt werden sollen, lässt sich leicht ausrechnen; man muss nur die Beteiligungsquote jedes einzelnen Gesellschafters kennen. Es besteht demgemäß kein Bedürfnis, das Zustim-

802 Beispiel: A und B sind zu je 50% am übertragenden Rechtsträger (Ü) beteiligt. Von diesem Rechtsträger wird ein Betriebsteil auf den neuen Rechtsträger (N) abgespalten. An N ist A zu 75% und B zu 25% beteiligt. Einen Sonderfall bildet die sog. »Spaltung zu Null«, in der ein oder mehrere Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers am neuen Rechtsträgers nicht weiter beteiligt werden (zur Zulässigkeit LG Essen ZIP 2002, 893, 894; LG Konstanz ZIP 1998, 1226, 1226 f.; Kallmeyer in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 123 Rn. 4; Katschinski, ZIP 1998, 1227, 1227 f.; Kiem, EWiR 2002, 637, 638; Priester, DB 1997, 560, 562 ff.; Schöne, Die Spaltung unter Beteiligung von GmbH, 1998, S. 149; differenzierend Mayer in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht (Loseblatt), Stand: Mai 2008, § 128 UmwG Rn. 34). Dass eine solche Gestaltung zulässig sein muss, ergibt sich schon daraus, dass § 128 UmwG ermöglichen will, was auch auf komplizierteren Wege mit den Mitteln der Einzelrechtsnachfolge erlaubt wäre (dazu sogleich u. im Haupttext). 803 Kallmeyer in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 128 Rn. 3; Priester in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 128 Rn. 8; Abwandlung des o. in Fn. 802 genannten Beispiels: Aufnehmender Rechtsträger (X), an dem C allein beteiligt ist, ist weniger wert als das übertragende Vermögen. Trotzdem erhalten A und B nur jeweils 25% an X (nach Kallmeyer a.a.O.). 804 S. nur Kallmeyer in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 128 Rn. 3.

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mungsrecht zu ersetzen805 . Darüber hinaus folgt § 128 UmwG aus der Überlegung, dass die Mehrheitsaktionäre nicht berechtigt sein sollen, das Unternehmen der AG aufzuspalten, selbst die »Kronjuwelen« zu übernehmen und den Minderheitsaktionären die »Ladenhüter« zu überlassen, obwohl eine solche Aufteilung insgesamt betrachtet dem nominellen Anteil der Minderheit am Grundkapital der untergegangenen Gesellschaft entsprechen mag806 . Die Regelung des § 128 UmwG zeigt sich schließlich als die logische Folge des Grundsatzes, dass die Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers ihre internen Beteiligungsverhältnisse privatautonom gestaltet haben. Wollen die Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers ihr Beteiligungsverhältnis an dem neuen Rechtsträger (bzw. den neuen Rechtsträgern) anders als bisher regeln, stellt ihnen § 128 UmwG die einfache 807 Methode der Gesamtrechtsnachfolge zur Verfügung, er ersetzt aber nicht das vertragsrechtliche Konsensprinzip und verwirklicht somit denselben Rechtsgedanken, der § 35 BGB zugrunde liegt 808 . Während aus § 35 BGB der Grundsatz spricht, dass Verträge nicht ohne alle Vertragspartner geändert werden dürfen, verfolgt das Veto-Recht bei der nicht verhältniswahrenden Umwandlungen das Prinzip, dass solche Verträge nicht ohne den Verpflichteten geschaffen werden dürfen. Dementsprechend bedarf auch die – grundsätzlich zulässige – nicht verhältniswahrende Verschmelzung oder der nicht verhältniswahrende Formwechsel der Zustimmung aller in concreto betroffenen Aktionäre 809. f) Zwischenergebnis Die Untersuchung des »Bereiches oberhalb des Abfindungsrechts« ergibt zusammengefasst folgendes Bild: Als Ausnahme zum Mehrheitsprinzip810 kommen ab805 Dass § 128 UmwG nicht dem Abfindungsmodell folgt, wird – soweit ersichtlich – allgemein begrüßt, vgl. etwa Priester in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 128 Rn. 2. 806 Dazu Lutter, ZGR 1990, 392, 404; Timm/Schöne, FS Kropff, 1997, 315, 331. 807 Und steuersparende, dazu Kallmeyer in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 123 Rn. 5. 808 Dazu o. S. 248 ff. Hieraus ergibt sich zugleich, dass die Vorschrift richtigerweise insoweit teleologisch zu reduzieren ist, als nur die Zustimmung derjenigen Gesellschafter erforderlich ist, die in einem schlechteren Verhältnis als bisher am neuen Rechtsträger beteiligt sein sollen, a. A. Priester in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 128 Rn. 17; Timm/Schöne, FS Kropff, 1997, 315, 331; vgl. auch J. Pieroth, Schutz von Minderheitsgesellschaftern bei der nicht-verhältniswahrenden Spaltung von Kapitalgesellschaften, 1994, S. 149 ff. Da die Gesellschafter auch keinen Anteilstausch zwischen ihren Mitgesellschaftern im Wege der Einzelrechtsnachfolge verhindern können, ist nicht einzusehen, warum ihnen dieses Recht im Rahmen des § 128 UmwG zustehen soll. Außerdem wird hierdurch das Erpressungspotential »räuberischer Minderheitsgesellschafter« gesenkt. 809 Für den Formwechsel Meister/Klöcker in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 194 Rn. 34; Priester, DNotZ 1995, 427, 451; Priester, DB 1997, 560, 566; Veil, DB 1996, 2529 ff.; Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 4. Aufl. 2006, § 202 Rn. 7; Vollrath in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht (Loseblatt), Stand: Oktober 2000, § 194 UmwG Rn. 17. Für den Formwechsel die Zustimmung aller Anteilsinhaber verlangend Bärwaldt in Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 194 Rn. 18; Decher in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 202 Rn. 21; Eilers/Müller-Elsing, WiB 1995, 449, 452. 810 Dazu schon o. S. 221 f.

C) Haftungsgrund der Abfi ndungsansprüche

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solute Schranken der Mehrheitsherrschaft kraft Veto-Rechts einzelner Aktionäre äußerst selten vor. Die Opfergrenze ist erreicht, wenn der Mehrheitsbeschluss mit fundamentalen Grundsätzen der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre brechen würde: Aus § 35 BGB spricht der Grundsatz, dass Verträge nicht ohne alle Vertragspartner geändert werden dürfen, aus dem Veto-Recht bei nicht verhältniswahrenden Umwandlungen das Prinzip, dass solche Verträge nicht ohne den Verpflichteten geschaffen werden dürfen. Beide Institute konkretisieren ebenso wie das gesellschaftsrechtliche Belastungsverbot das allgemeine Verbot von Verträgen zu Lasten Dritter. Bestätigt wurde der schon mehrfach erwähnte Grundsatz, dass Vermögensschutz dann den Bestandsschutz nicht ersetzen darf, wenn sich der Wert des entzogenen Rechts nicht beziffern lässt. Auf absolute Schranken stößt die Mehrheitsherrschaft darüber hinaus, wenn der Mehrheitsbeschluss rechtswidrig ist, insbesondere wenn er gegen das Gleichbehandlungsgebot verstößt (§ 53a AktG). Das »Veto-Recht« der Aktionäre ist in diesen Fällen nichts anderes als die Befugnis, diesen Gesetzesverstoß geltend zu machen. 5) »Positive« Kriterien für die §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG Die bisher gefundenen Systembausteine reichen allein nicht aus, um den Haftungsgrund der hier besprochenen Abfindungsfälle zu beschreiben. Aufbauend auf den bisherigen Erkenntnissen über das Regelungskonzept der abfindungsfreien Strukturmaßnahmen (»oberhalb« und »unterhalb« der Abfindungsansprüche) soll nun versucht werden, »positive« Kriterien des gesetzlichen Konzepts herauszuarbeiten, die die Abfindungsfälle der §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG von den abfindungsfreien Strukturbeschlüssen abgrenzen. Hierdurch kommt die Untersuchung über den Haftungsgrund der Abfindungsvorschriften zum Abschluss. a) Usurpation des in der AG gesammelten Kapitals Hierbei lohnt zunächst ein Blick auf § 305 AktG. Zwar erklärt sich § 305 AktG schon aus einer vom anderen Vertragsteil erzwungenen dauerhaften Rechtsverschiebung811. Oben wurde aber darauf hingewiesen, dass diese Norm ergänzend auf die Usurpation der Stimmrechte der außenstehenden Aktionäre zurückgeführt werden kann, die – ohne das Abfindungsrecht – gezwungen würden, ihr Kapital in eine Gesellschaft zu investieren, die ihnen als Investitionsobjekt nicht zumutbar ist812 . Der Grund hierfür liegt – wie schon mehrfach erwähnt – zum einen in § 291 III AktG, zum anderen in § 308 AktG. § 308 AktG unterwirft den Vorstand der abhängigen AG der Weisungsbefugnis des herrschenden Unternehmens und erlaubt diesem Unternehmen somit, die Ge811 812

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schäftspolitik der AG zu bestimmen. Darin liegt ein Bruch mit »fundamentalen Grundsätzen unseres Aktienrechts«813 (vgl. § 117 VII Nr. 2 AktG). Der Vorstand ist das Organ, das aufgrund seines Informationsvorsprungs am besten beurteilen kann, welche Maßnahmen im Interesse der Aktionäre geboten sind. Er hat die Aufgabe zu erkennen, welches das gemeinsame Interesse aller Aktionäre ist. Durch seine Weisungsfreiheit wirkt er als Moderator zwischen den möglicherweise differierenden Ansichten einzelner Aktionäre, was eine nicht zu unterschätzende minderheitsschützende Funktion hat 814 . Entfällt die Weisungsfreiheit des Vorstands, so entfällt dessen Fähigkeit zur Moderation. Das in der AG gesammelte Kapital ist nicht mehr zugunsten aller Aktionäre, sondern zugunsten des herrschenden Unternehmens eingesetzt. Zutreffend wird daher davon gesprochen, das herrschende Unternehmen mache sich die AG »dienstbar«815 . Konsequenterweise muss der Vorstand der abhängigen AG beim Beherrschungsvertrag daher auch ohne Weisung auf das Konzerninteresse (§ 308 II 2 AktG) verpflichtet sein816 . Er führt die abhängige AG dann zwar in eigener Verantwortung (§ 76 I AktG) 817. Handlungsmaßstab ist aber nicht das Eigeninteresse der AG, sondern das Interesse des herrschenden Unternehmens und seiner konzernverbundenen Glieder (§ 308 II 2 AktG). Dies wird zwar bestritten818 , ergibt sich jedoch aus den folgenden Gründen: Zunächst ist es schon äußerst schwierig, überhaupt einen anderen sinnvollen Bezugspunkt für die Vorstandstätigkeit zu finden, denn mit dem Beherrschungsvertrag ändert sich der Gesellschafts- und Unternehmenszweck der abhängigen AG, die nicht mehr darauf ausgerichtet ist, Ertrag zum eigenen Wohl zu erwirtschaf813 So etwa Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, Vor § 291 Rn. 156. 814 Vgl. auch Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 292 Rn. 155; Mestmäcker, FG Kronstein, 1967, 129, 134; anders noch RGZ 82, 308, 313 f., 317 (Deutsch-Amerikanischer Petroleum-Fall), wonach die Autonomie der Gesellschaft um ihrer selbst willen geschützt ist. 815 BGHZ 119, 1, 9 (ASEA/BBC I); Sonnenschein, Organschaft und Konzerngesellschaftsrecht, 1976, S. 321; kritisch Pentz, Die Rechtsstellung der Enkel-AG in einer mehrstufigen Unternehmensverbindung, 1994, S. 43 f. 816 Ebenso Erlinghagen, Der Organschaftsvertrag mit Ergebnisausschluß-Klausel im Aktienrecht, 1960, 16 f.; Fleischer in Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 18 Rn. 100; Langenbucher in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 308 Rn. 42; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 308 Rn. 71; Martens, FS Robert Fischer, 1979, 437, 449 f.; S. H. Schneider/U. H. Schneider, AG 2005, 57, 58 ff.; inzident auch Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 57 Rn. 5 (»Verpflichtung der Gesellschaftsorgane auf das Unternehmensinteresse«); wohl auch Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 163 mit Fn. 37; Veil, Unternehmensverträge, 2003, S. 110 f. 817 Begr. RegE AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 403. 818 Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 308 Rn. 154; Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1976, § 308 Rn. 75; Glaser, Grenzen des Weisungsrechts im Vertragskonzern, Jur. Diss. München 1982, S. 129; Hommelhoff, Die Konzernleitungspflicht, 1982, S. 217 ff.; Mertens in Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1996, § 76 Rn. 56; H. Timmann, Die Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung der abhängigen Aktiengesellschaft, 2001, S. 50 f.; Würdinger, Aktienrecht und das Recht der verbundenen Unternehmen, 4. Aufl. 1981, § 70 IV 1 c = S. 327.

C) Haftungsgrund der Abfi ndungsansprüche

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ten819. Gegen eine Verpflichtung allein auf das Gesellschaftsinteresse der abhängigen AG spricht auch der Zweck des Beherrschungsvertrags, die AG noch stärker in den Konzern einzugliedern als nach der bloß faktischen Unternehmensverbindung; dieser Zweck legt es nahe, im Vergleich mit der faktischen Unternehmensverbindung von einer stärkeren Verpflichtung des Vorstands auf das Konzernwohl auszugehen820 . Aufgrund der Weite des Weisungsbegriffs821 kann es darüber hinaus oftmals zweifelhaft sein, ob bestimmte Entscheidungen des Vorstands noch von einer Weisung umfasst sind. Ob eine Weisung vorliegt, mag darüber hinaus von Zufälligkeiten abhängen. Hieran völlig unterschiedliche Handlungs- und Sorgfaltsmaßstäbe zu knüpfen, erscheint nicht sinnvoll822 . Zu ähnlichen Abgrenzungsschwierigkeiten kommt die Gegenmeinung außerdem, weil sie gleichzeitig vertritt, dass der Vorstand zumindest konzernfeindliche Maßnahmen auch ohne Weisung zu unterlassen habe 823 . Wann eine Entscheidung konzernfeindlich ist, lässt sich aber nur schwer bestimmen. All diese Abgrenzungsschwierigkeiten erspart man sich, wenn man den Vorstand generell für verpflichtet hält, sich am Konzerninteresse auszurichten. Folgte man der Gegenmeinung, entstünden darüber hinaus unnötige Kosten, weil der Vorstand des herrschenden Unternehmens in Zweifelsfällen ständig ausdrückliche Weisungen erteilen müsste. Es gibt kaum einleuchtende Gründe, den Vorstand der abhängigen AG ohne Weisung nur auf das eigene Gesellschaftsinteresse zu verpflichten: So ist der Wandel in der Ausrichtung des Vorstandes den Minderheitsaktionären zumutbar, weil sie gegen Abfindung aus der AG austreten können. Auch dass der Vorstand der abhängigen AG nur schwer beurteilen kann, was im Konzerninteresse liegt 824 , zwingt nicht, ihn doch auf das Konzerninteresse zu verpflichten: Aufgrund von Vorstandsdoppelmandaten werden viele Konzerne ohnehin zentral, im wahrsten Sinne des Wortes »auf einer Etage geführt«825 , so dass der Vorstand der abhängigen AG gut erkennen kann, was im Konzerninteresse liegt 826 . Die Frage nach der Er819

Dazu o. S. 206 m. w. N. in Fn. 527. Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 308 Rn. 71. 821 Weisung ist daher nach einer gängigen Definition »jede Maßnahme, mit der das herrschende Unternehmen Einfluss auf die Leitung der abhängigen AG nehmen will« (Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 308 Rn. 9; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbHKonzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 308 Rn. 23; ähnlich ohne inhaltliche Differenzen Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 308 Rn. 10; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 308 Rn. 22). 822 Vgl. auch Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 308 Rn. 71. 823 Dazu Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 308 Rn. 155; Mertens in Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1996, § 76 Rn. 56; Glaser, Grenzen des Weisungsrechts im Vertragskonzern, Jur. Diss. München 1982, S. 129 f. 824 So Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 308 Rn. 154; ähnlich Mertens in Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1996, § 76 Rn. 56. 825 Vgl. dazu nur Hommelhoff/Mattheus, BFuP 2000, 217, 221; Säcker, ZHR 151 (1987), 59, 65; Wiedemann, Die Unternehmensgruppe im Privatrecht, 1988, S. 44. 826 Im Ergebnis ebenso, aber mit anderen Gründen und unter völlig anderen historischen Bedingungen, Erlinghagen, Der Organschaftsvertrag mit Ergebnisausschluß-Klausel im Aktienrecht, 1960, S. 16. 820

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kenntnismöglichkeit des Konzerninteresses ist darüber hinaus in erster Linie eine Frage der Haftung des Vorstands gegenüber dem herrschenden Unternehmen827. Hier schützt aber schon der Verschuldensmaßstab den Vorstand vor unzumutbaren Haftungsrisiken. Wenn das herrschende Unternehmen den Vorstand nicht über die Konzernpolitik informiert, kann man ihm nicht vorwerfen, dieses Interesse nicht gefördert zu haben. Trotzdem kann man ihn grundsätzlich für verpflichtet halten, nach bestem Wissen und Gewissen das Konzerninteresse zu fördern – insbesondere dann, wenn er mit entsprechenden Informationen versorgt wird. Auch ohne ausdrückliche Weisung ist der Vorstand der durch Beherrschungsvertrag konzernierten AG daher auf das Konzerninteresse verpflichtet. Auf den isolierten Gewinnabführungsvertrag lassen sich diese Ausführungen nicht übertragen828 , denn § 308 AktG ist auf diesen Vertrag schon nach seinem Wortlaut nicht anwendbar. Trotzdem gilt hier der soeben diskutierte übergeordnete Gedanke: Auch beim isolierten Gewinnabführungsvertrag dient das in der abhängigen AG gebundene Kapital dem herrschenden Unternehmen. Indem die abhängige AG verpflichtet wird, dem herrschenden Unternehmen ihren Gewinn abzuführen, und indem das herrschende Unternehmen die Möglichkeit erhält, das stille und offene Eigenkapital der abhängigen AG abzuziehen (§§ 291 III, 300 AktG), erlaubt das Gesetz dem herrschenden Unternehmen, sich das in der abhängigen AG gesammelte Kapital ebenso zueigen zu machen wie beim Beherrschungsvertrag. Dem entspricht die mit dem Gewinnabführungsvertrag einhergehende Zweckänderung in der abhängigen AG 829. Haftungsgrund des § 305 AktG ist somit sowohl für den Gewinnabführungsals auch Beherrschungsvertrag die Usurpation des in der abhängigen AG gebundenen Kapitals. Beim Beherrschungsvertrag äußert sich dieser Befund zusätzlich in einer Änderung der Pflichtenstellung des Vorstandes, die auch dann gilt, wenn er keinen Weisungen des herrschenden Unternehmens unterliegt. b) Vertrauensschutz Ein zweiter Umstand, der einen unzumutbaren Strukturwechsel in der Gesellschaft begründet, ist unverkennbar der Rechtsformwechsel830 . Dieses Prinzip liegt den §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9 I 1, 1. Fall, 12 SEAG zugrunde und ergibt sich aus einem Umkehrschluss aus denjenigen Vorschriften, in denen das Prinzip der Ab827

Nach h.M. haftet der Vorstand der abhängigen AG gegenüber dem herrschenden Unternehmen, vgl. etwa (mit unterschiedlicher dogmatischer Konstruktion) Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 308 Rn. 68; Geßler in Geßler/Hefermehl/ Eckardt/Kropff, AktG, 1976, § 308 Rn. 24; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 308 Rn. 62; a. A. Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 308 Rn. 70; Praël, Eingliederung und Beherrschung als körperschaftliche Rechtsgeschäfte, 1978, S. 93. 828 So auch inzident Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, Vor § 291 Rn. 8 a. E. 829 Dazu o. Fn. 535 u. 536. 830 Ausgenommen selbstverständlich der Formwechsel von der AG auf die KGaA, vgl. §§ 78, 250 UmwG.

C) Haftungsgrund der Abfi ndungsansprüche

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findungsfreiheit der formwahrenden Verschmelzung zum Ausdruck kommt831. Einen mit dem Rechtsformwechsel vergleichbaren abfindungsauslösenden Eingriff sieht der Gesetzgeber, wenn der Aktionär rechtlichen Veräußerungshindernissen i. S. d. § 29 I 2 UmwG ausgesetzt wird oder die Möglichkeit verliert, seine Anteile über die Börse i. S. d. § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG zu veräußern. Welchen tieferen Grund haben diese Normen? aa) Verlust der rechtlichen oder tatsächlichen Veräußerungsmöglichkeit Ein Abfindungsrecht beim Verlust der rechtlichen oder tatsächlichen Veräußerungsmöglichkeit zu gewähren, liegt aus zwei Gründen besonders nahe: Erstens sind die Aktionäre, die qua Abfindungsrecht geschützt werden müssen, typischerweise Kleinanleger, die ihre Aktien als Vermögensanlage halten. Haben sie eine unternehmerische Beteiligung, können sie entweder aus eigener Kraft die abfindungsauslösende Transaktion stoppen, oder sie haben – gerade bei nicht börsennotierten Gesellschaften – relativ gute Möglichkeiten, eine Allianz gegen die Strukturmaßnahme zu schmieden, um einen Preis für ihre Zustimmung auszuhandeln (»voice« statt »exit«). Bedürfen daher gerade Kleinanleger des abfindungsrechtlichen Schutzes, ist die Veräußerungsmöglichkeit geradezu die Geschäftsgrundlage ihrer Investitionsentscheidung. Dass sie ein Abfindungsrecht erhalten, wenn diese Veräußerungsmöglichkeit rechtlich oder tatsächlich erschwert wird, bietet sich zweitens an, weil die grundsätzliche Veräußerungsmöglichkeit der Aktie ein Grund dafür war, dass Aktionäre Mehrheitsentscheidungen auch dann hinnehmen müssen, wenn sie ihren Interessen zuwider laufen bzw. sie diese Entscheidungen für falsch halten. Entfällt die Veräußerungsmöglichkeit, entfällt die Überzeugungskraft dieses Arguments. Die §§ 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall u. I 2 UmwG entpuppen sich insofern als konsequente Fortführung des als gegenläufiges Prinzip identifizierten Mehrheitsgedankens und des ebenfalls gegenläufigen Prinzips der Kapitalerhaltung, dessentwegen Aktionäre grundsätzlich auf die freie Veräußerungsmöglichkeit verwiesen werden dürfen. Man kann sich das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche insoweit als eine Anordnung kommunizierender Röhren vorstellen: Die Veräußerungsmöglichkeit der Aktie dämmt die Notwendigkeit nach Abfindungsansprüchen ein. Wird sie den Aktionären genommen, löst dies unter den Voraussetzungen der §§ 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall u. I 2 UmwG Abfindungsansprüche aus. bb) Rechtsformwechsel Das zweite abfindungsauslösende Moment der §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9 I 1, 1. Fall, 12 SEAG ist der Rechtsformwechsel. Auf den ersten Blick könnte man diese Fallgruppe als Unterfall der erschwerten rechtlichen oder tatsächlichen Veräuße831

Dazu o. S. 236 ff.

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rungsmöglichkeit auffassen. Die §§ 29 I 1, 1. Hs., 1. Fall, 122i, 207 UmwG, 7, 9 I 1, 1. Fall, 12 SEAG gelten jedoch unabhängig davon, ob die Anteile des abfindungsberechtigten Aktionärs vor der abfindungsauslösenden Transaktion ohne Rechtsschranken über die Börse oder ein anderes multilaterales Handelssystem veräußert werden konnten. Und die §§ 122i UmwG, 9 I 1, 1. Fall, 12 SEAG gelten auch dann, wenn der Aktionär die Anteile an dem neuen Rechtsträger (bzw. nach der Sitzverlagerung) an einem geregelten Markt i. S. d. europäischen Kapitalmarktrechts832 veräußern kann, wenn also eine spürbare Beeinträchtigung der Veräußerungsmöglichkeit gar nicht vorliegt. Der Rechtsformwechsel rechtfertigt nach dem klaren gesetzgeberischen Konzept für sich genommen ein Abfindungsrecht. Die Frage lautet: warum? Betrachtet man hier zunächst die reinen Inlandsfälle (§§ 29 I 1, 1. Hs., 1. Fall, 207 UmwG), so dürfte die Antwort darin liegen, dass die Rechtsform der Gesellschaft eine ähnliche Bedeutung für die Investitionsentscheidung des Aktionärs hat wie die Veräußerungsmöglichkeit der Aktie. Dies liegt besonders deshalb nahe, weil das System des deutschen Gesellschaftsrechts an unterschiedliche Rechtsformen anknüpft, die Gesellschaftsstatuten in den jeweiligen Gesetzen für jedermann ersichtlich geregelt sind und das deutsche Aktienrecht darüber hinaus vom Grundsatz der Satzungsstrenge ausgeht (§ 23 V AktG). An der Rechtsform entscheidet sich also – dies erscheint selbstverständlich, sollte hier aber noch einmal betont werden –, welchen Inhalt die Mitgliedschaft des Aktionärs haben wird, welches Kompetenzgefüge zwischen den Organen herrscht usw. Auch die Abfindungspflicht des Beherrschungsvertrags (§ 305 AktG) erklärt sich ergänzend aus dem Axiom des Rechtsformwechsels, weil der Beherrschungsvertrag die zentrale Organkompetenz des Vorstandes aus § 76 AktG aufhebt und die AG danach einer Gesellschaft anderer Rechtsform durchaus nahe kommt. Betrachtet man die grenzüberschreitenden Fälle (§§ 122i UmwG, 7, 9 I 1, 1. Fall, 12 SEAG), hilft die bisherige Argumentation ebenfalls. Zwar gewährt das Gesetz in diesen Fällen ein Abfindungsrecht, obwohl der aufnehmende Rechtsträger die Rechtsform des europäischen Äquivalents der AG hat. Im Falle des § 12 SEAG ändert sich sogar »nur« das gem. Art. 9 I lit. c)ii) SE-VO anwendbare Subsidiärrecht. Dieser Wechsel in die ausländische Rechtsform sieht der Gesetzgeber der §§ 122i UmwG, 7, 9 I 1, 1. Fall, 12 SEAG aber ausweislich der Gesetzesbegründung als ebenso stark an wie den Wechsel zwischen den inländischen Rechtsformen. Hinzu mögen einige Erschwerungen bei der Ausübung der mitgliedschaftlichen Rechte kommen, etwa die geänderte Korrespondenzsprache oder höhere Reisekosten für die Teilnahme an der Hauptversammlung833 .

832 Zu diesem Begriff Klöhn in Langenbucher, Europarechtliche Bezüge des Privatrechts, 2. Aufl. 2008, § 6 Rn. 17 ff. 833 S. schon o. S. 24.

C) Haftungsgrund der Abfi ndungsansprüche

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cc) Gemeinsamkeiten und Unterschiede: gesellschafts- und kapitalmarktrechtlicher Vertrauensschutz Fasst man die vorgenannten Ausführungen zusammen, ergeben sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Gemeinsam ist den Haftungsgründen der §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9 I 1, 1. Fall, 12 SEAG (ergänzend § 305 AktG), dass sie das Vertrauen des abfindungsberechtigten Aktionärs schützen bzw. Abfindung für das enttäuschte Vertrauen in die Kontinuität bestimmter für die Investitionsentscheidung erheblicher Umstände gewähren. Diese Umstände sind die Veräußerungsmöglichkeit im Falle des § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall u. II 1 UmwG und die Rechtsform i.F.d. §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9 I 1, 1. Fall, 12 SEAG sowie ergänzend i.F.d. § 305 AktG. Die unterschiedlichen Vertrauensgrundlagen dürften sich zu einem differenzierten Konzept des Gesetzgebers fortbilden lassen: Im Falle des § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall u. II 1 UmwG wird der Aktionär als Kapitalanleger geschützt, ihm kommt es weniger auf die Ausgestaltung seiner mitgliedschaftlichen Rechte (»voice«) als auf die Veräußerungsmöglichkeit (»exit«) an. Im Falle der §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9 I 1, 1. Fall, 12 SEAG sowie ergänzend i.F.d. § 305 AktG wird der Aktionär als Gesellschafter geschützt. Ihm geht es primär um die Ausgestaltung seiner Mitgliedschaft und nur sekundär um die Veräußerungsmöglichkeit (wobei Letztere häufig gleichzeitig erheblich beeinträchtigt wird). 6) Zusammenfassung: Der Haftungsgrund der Abfindungsansprüche Nach diesen Untersuchungen zu den »positiven« Kriterien der abfindungspflichtigen Strukturmaßnahmen kann der Haftungsgrund der Abfindungsvorschriften nun formuliert werden. Hinzuweisen ist bereits jetzt darauf, dass die folgenden Prinzipien und Wertungen noch allgemein gehalten sind, konkretisiert werden müssen und – wie es für Prinzipien üblich ist – durch diese Konkretisierung mit weiterem Inhalt gefüllt werden834 . Diese Konkretisierungsarbeit wird im »Besonderen Teil« dieser Arbeit über die ungeschriebenen Abfindungsansprüche folgen835 . 1. Haftungsgrund aller Abfindungsvorschriften ist die dauerhafte oder zeitweise Usurpation mitgliedschaftlicher Rechte der abfindungsberechtigten Aktionäre durch die (teils durch die Haftung eines oder mehrerer Rechtsträger vermittelt) abfindungspflichtige Aktionärsmehrheit. Usurpationsobjekt kann sein: a) die Aktie an sich (§§ 320b, 327a AktG, 39a WpÜG), b) grundlegende Verwaltungs- und Vermögensrechte (§ 305 AktG) oder c) (vorübergehend) das Stimmrecht der dissentierenden Aktionäre (§§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG sowie – zusätzlich – § 305 AktG), sofern die dissentierenden Aktionäre dazu gezwungen werden, den in ihrer Aktie verkörperten Kapi-

834 835

Dazu schon o. S. 7 ff. S. u. S. 287 ff.

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talanteil in eine Gesellschaft zu investieren, die ihnen als Investitionsobjekt nicht zugemutet werden darf. 2. Bei der Frage, wann den Minderheitsaktionären eine Gesellschaft als Investitionsobjekt nicht zumutbar ist, lässt sich keine einheitliche »Opfergrenze« für alle Abfindungsfälle feststellen. Stattdessen verfolgt das Gesetz ein differenziertes Schutzprogramm. Dieses besteht aus Wertungen, die zum Teil die Eingriffsseite betrachten, zum Teil völlig unabhängig von der Schwere des Eingriffs gelten: a) Für eine Abfindungspflicht spricht/sprechen836 : (1) dass der Abfindungspflichtige das Vermögen der Gesellschaft usurpiert. Hierbei kommt es insbesondere auch darauf an, wessen Interessen der Vorstand verpflichtet ist (arg. ex § 308 AktG), (2) der Wandel derjenigen Umstände, auf deren Bestand die Aktionäre vertrauen durften, als sie sich für die Investition in die AG entschieden, d. h. – nach der gesetzlichen Wertung der §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9 I 1, 1. Fall, 12 SEAG – der Wandel der Rechtsform (»Schutz des Aktionärs als Gesellschafter«) sowie die rechtliche oder tatsächliche Beeinträchtigung der Veräußerungsmöglichkeit (»Schutz als Kapitalanleger«), (3) die Legitimationsgrenzen der gegenläufigen Prinzipien des Abfindungsrechts, d. h. des Mehrheitsprinzips und des Prinzips der Kapitalerhaltung. Abfindungsansprüche kommen also umso eher in Betracht, je stärker die Interessengegensätze innerhalb der Aktionäre sind, je leichter die beweglichen Schranken der Mehrheitsherrschaft versagen und je schlechter die Veräußerungsmöglichkeiten der dissentierenden Aktionäre sind, Letzteres erneut bestätigt durch § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall u. II 1 UmwG 837. b) Es gilt das Subsidiaritätsprinzip: Würden Abfindungsansprüche (weil die AG abfindungspflichtig ist, bei der Abfindungspflicht Dritter wegen vorausgegangener Vermögensverschiebungen838 ) mit dem Grundsatz der Kapitalbindung in Konflikt geraten, schützt das AktG die Interessen der Minderheitsaktionäre vorrangig durch solche Instrumente, die nicht ebenso stark wie eine Abfindungspflicht dem Kapitalerhaltungsgrundsatz widersprechen. Ebenso sollen Rechtsbeziehungen grundsätzlich nur unter Beteiligung der AG als »verdinglichtes Netz von Verträgen« entstehen. Nur wo solche Mechanismen nicht funktionieren, greift das Gesetz auf Abfindungsvorschriften zurück. Hieraus folgt, dass insbesondere solche Vorgänge nicht abfindungsbegründend sein können, in deren Rahmen der AG eine Gegenleistung zufließt (Prinzip der Abfindungsfreiheit des bloß bestandsmäßigen Vermögensaustauschs) oder aufgrund derer die AG Entschädigungsansprüche er836 Aus Platzgründen erschöpft sich die folgende Angabe in Stichpunkten. Zu jedem der genannten Punkte möge sich der Leser die vorstehend genannten Wertungen denken, die erklären, warum der Gesetzgeber in den genannten Fällen Abfindung vorsieht. Täte man dies nicht, würde das Folgende kein Wertungssystem ergeben, sondern eine bloße Auflistung der Voraussetzungen gesetzlicher Abfindungsfälle. 837 Dazu o. S. 223. 838 S. o. S. 234 f.

C) Haftungsgrund der Abfi ndungsansprüche

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hält und hierdurch hinreichend geschützt ist (§ 311 AktG; § 9 I 1, 2. Fall SEAG stellt hierzu eine nicht verallgemeinerungsfähige Ausnahme und eine im System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche isoliert gebliebene Norm dar839 ). c) Unabhängig vom Geltungsgrund des Subsidiaritätsprinzips sind ebenfalls abfindungsfrei: (1) die rechtsformwahrende Verschmelzung oder Spaltung (Prinzip der Abfindungsfreiheit der rechtsformwahrenden Verschmelzung und Spaltung, hier gibt es jedoch zahlreiche Ausnahmen), (2) die Liquidation (Prinzip der Abfindungsfreiheit der Liquidation). d) Der Bereich »oberhalb des Abfindungsrechts« ist nur unter sehr engen Voraussetzungen erreicht: Veto-Rechte dürfen nur dann nicht durch Abfindungsansprüche ersetzt werden, wenn der Mehrheitsbeschluss mit fundamentalen Grundsätzen der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre brechen würde (vertragsrechtliches Konsensprinzip, Verbot des Vertrages zu Lasten Dritter; so bei § 35 BGB, nichtverhältniswahrender Spaltung, Verschmelzung und Formwechsel, sowie dem gesellschaftsrechtlichen Belastungsverbot) 840 und bei rechtswidrigen Beschlüssen. Für absoluten Bestandsschutz spricht ferner die Vermutung, dass Vermögensschutz die Aktionärsrechte nicht ausreichend schützen könnte, z. B. weil der jeweilige Eingriff nicht in Geld aufgewogen werden kann (unentziehbare allgemeine Einzelrechte des Aktionärs; manche Sonderrechte i. S. d. § 35 BGB, etwa das Entsendungsrecht) 841. 7) Refl exion und Vertiefung Die Zusammenfassung des Haftungsgrundes erlaubt es, über die gewonnenen Erkenntnisse zu reflektieren und sie dadurch zu vertiefen. a) Ein oder mehrere Haftungsgründe? Zunächst drängt sich die Frage auf, ob die bisherigen Ausführungen einen gemeinsamen Haftungsgrund hervorgebracht haben oder die Abfindungsvorschriften auf verschiedenen Haftungsgründen basieren. Die Antwort hierauf ist reine Definitionssache. Derselbe Haftungsgrund liegt nach der oben genannten Zusammenfassung allen Abfindungsvorschriften zugrunde, soweit man auf das Aufopferungsprinzip oder auf die daraus folgende Unzumutbarkeitsgrenze abstellt. Will man den Haftungsgrund konkreter fassen, und bezieht man den Usurpationsgedanken mit ein, kann man zwischen den einzelnen Usurpationsobjekten (»Aktie«, »Verwaltungs- und Vermögensrechte«, »Stimmrecht«) und somit zwischen den Abfi ndungsansprüchen differenzieren. Dies lässt sich nach Gründen für die Abfindungspflicht weiter vertiefen: Annexion der Aktie, Usurpation des in der AG ge839 840 841

S. o. S. 230 ff. S. auch schon die Zusammenfassung o. S. 245. Im Einzelnen o. S. 246 ff.

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sammelten Vermögens, Rechtsformwechsel usw. Die allen Abfindungsvorschriften gemeinsamen Wurzeln im Haftungsgrund bleiben aber unverkennbar. b) Besonderheiten beim Haftungsgrund in den Fällen der vorübergehenden Usurpation des Stimmrechts Fraglich ist, welche Schlüsse daraus zu ziehen sind, dass das Gesetz bei der Abgrenzung der Abfindungsfälle in der Fallgruppe »Vorübergehende Usurpation des Stimmrechts« (§§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG sowie – wenngleich nicht entscheidend – § 305 AktG) ein höchst komplexes Programm verfolgt. aa) Enumerationsprinzip? Da die Abfindungsfälle nicht auf eine gemeinsame Opfergrenze zurückgeführt werden können842 , könnte man zu dem Ergebnis kommen, dass dem Gesetz ein Enumerationsprinzip zugrunde liegt. Ähnlich der privatrechtlichen Gefährdungshaftung würde die Abfindungshaftung dann zwar gewisse gemeinsame Überlegungen aufweisen (»unzumutbarer Eingriff in die Mitgliedschaft«, »Unterordnung unter ein höherrangiges Interesse gegen Ausgleich« o.ä.). Weil aber nicht nachvollziehbar wäre, welche Fälle der Gesetzgeber dem Abfindungsrecht unterwirft (und welche er z. B. nach dem Gegenleistungskonzept ausgestaltet), könnte kein gemeinsamer Haftungsgrund herausgearbeitet werden. Folge wäre insbesondere, dass sich Gesetzes- und Rechtsanalogie in diesen Fällen – wie auch bei der Gefährdungshaftung843 – verbieten würden. Ein solches Enumerationsprinzip wird teilweise für das allgemeine Aufopferungsrecht vertreten844 , ganz überwiegend aber abgelehnt845 . Ähnliches wird im Bereich des Abfindungsrechts erwogen846 ; ihm ist aber auch hier nicht zu folgen847. Die vorstehenden Ausführungen haben verdeutlicht, dass der Gesetzgeber durchaus ein nachvollziehbares Programm bei der Abgrenzung der Abfindungsfälle verfolgt. Schon dass sowohl § 305 AktG als auch die §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG – Normen aus vermeintlich völlig unterschiedlichen Regelungskomplexen – auf denselben Ursprung zurückgeführt wurden, zeigt, dass bestimmte Wertungen des Gesetzgebers an mehreren Stellen des Gesetzes auftauchen. 842

Dazu o. S. 214 ff. Statt aller Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, 13. Aufl. 1994, § 84 I 1 b = S. 601 f. 844 So offenbar A. Schmidt, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, 2000, S. 71. 845 Explizit Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, 2. Aufl. 1996, Rn. 725; Deutsch, FS Steffen, 1995, 101, 107. 846 Für die Abgrenzung der Verträge des § 291 AktG gegenüber den »anderen Unternehmensverträgen« nach § 292 AktG vgl. Veelken, Der Betriebsführungsvertrag im deutschen und amerikanischen Aktien- und Konzernrecht, 1975, S. 243. 847 So auch Kalss, wbl 2001, 366, 372, obwohl sie das Recht der Austrittsrechte als »unsystematisches Flickwerk« bezeichnet. 843

C) Haftungsgrund der Abfi ndungsansprüche

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Gleiches gilt etwa für das Gegenleistungskonzept, das sowohl den »anderen Unternehmensverträgen« des § 292 AktG zugrunde liegt, als auch der umwandlungsrechtlichen Ausgliederung und der Vermögensübertragung nach § 179a AktG 848 . Die Abfindungsvorschriften folgen daher keinem Enumerationsprinzip. bb) Bewegliches System? Aufgrund der Komplexität und wegen des hohen Differenzierungsgrads des oben herausgearbeiteten Konzepts liegt es nahe, dieses als ein bewegliches System im Sinne Wilburgs aufzufassen849. Ein solches System erfüllt grundsätzlich alle Merkmale des auch hier vertretenen Systembegriffs850 . Charakteristisch für das bewegliche System ist aber die Ranggleichheit und wechselseitige Austauschbarkeit seiner Axiome 851. Die Prinzipien dieses Systems stehen grundsätzlich gleichberechtigt nebeneinander; sie sind aber insofern austauschbar, als die Rechtsfolgenanordnung nicht voraussetzt, dass bestimmte Wertungen erfüllt sein müssen, sondern es ausreicht, wenn einige oder nur einzelne dieser Wertungen in besonders starkem Maße erfüllt sind852 . Für ein bewegliches System des abfindungsrechtlichen Haftungsgrundes könnte sprechen, dass sich manche Abfindungsfälle aus einem Zusammenspiel mehrerer Prinzipien erklären. So kann man § 305 AktG zum einen mit der nur ihm eigenen Wertung begründen, dass sich das herrschende Unternehmen mit dem Unternehmensvertrag wichtige Verwaltungs- und Vermögensrechte der außenstehenden Aktionäre aneignet (§§ 291 III, 308 AktG). Zum anderen weist die durch den Beherrschungsvertrag konzernierte AG so grundlegende Änderungen auf, dass man auch auf die Wertung des Rechtsformwechsels abstellen könnte (vgl. insbesondere § 308 AktG). Schließlich geben die weitreichenden Möglichkeiten der §§ 291 III, 308 AktG dem herrschenden Unternehmen die Möglichkeit, die abhängige AG »auszusaugen«, so dass man mit den Worten des BVerfG in der Tat von einem »wirtschaftlichen Verlust« des Aktieneigentums sprechen und somit den Gedanken der §§ 320b, 327a AktG, 39a WpÜG heranziehen kann. Dies spricht aber noch nicht notwendigerweise für ein bewegliches System. Dass Prinzipien keinen An848

S. o. S. 226 ff. Grundlegend Wilburg, Entwicklung eines beweglichen Systems im Bürgerlichen Recht, 1951. Vertiefend Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 74 ff.; knapper Überblick über die unterschiedlichen Verständnisse des Begriffes und methodologischen Positionen, für die er in Anspruch genommen wird, bei Canaris in Bydlinski/Krejci/Schilcher/Steininger, Das Bewegliche System im geltenden und künftigen Recht, 1986, S. 103, 103 f. 850 Dazu Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 76 ff. 851 Weiterführend Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 74 ff.; s. auch Michael, Der allgemeine Gleichheitssatz als Methodennorm komparativer Systeme, 1997, S. 52 ff., dessen Ziel es ist, über die Idee beweglicher Systeme hinaus eine »Theorie der komparativen Systeme« zu entwerfen (S. 115 ff.). 852 Wilburg, Entwicklung eines beweglichen Systems im Bürgerlichen Recht, 1951, S. 14, 22 f.; Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 75. 849

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spruch auf Ausschließlichkeit haben, ist schließlich Charakteristikum jedes Systembegriffs853 . So muss man von den beweglichen Systemen solche unbeweglichen Systeme abgrenzen, die grundsätzlich auf festen Tatbeständen aufbauen, aber einen hohen Grad an Differenzierung aufweisen854 . Auf einem solchen unbeweglichen System beruht auch der hier herausgearbeitete abfindungsrechtliche Haftungsgrund. Dafür spricht nicht nur eine gewisse Vermutung, weil unser Recht grundsätzlich von unbeweglichen Systemen ausgeht855 , sondern auch, dass zumindest bisher nichts dafür ersichtlich ist, dass die oben genannten gegenläufigen Prinzipien (insbesondere das Subsidiaritätsprinzip), wie es für ein bewegliches System charakteristisch wäre, durch andere Wertungen kompensiert werden könnten. Ein solches bewegliches System wäre auch wenig sachgerecht, weil der Verzicht auf Tatbestandsbildung (z. B. »Keine Abfindung, wenn ein rein bestandsmäßiger Vermögenstausch vorliegt«) immer mit einem Verlust an Rechtssicherheit einhergeht 856 , der gerade im Abfindungsrecht wegen der teilweise hohen Summen, die auf dem Spiel stehen, unerträglich erscheint.

D) Verhältnis zum Austrittsrecht der Aktionäre aus wichtigem Grund Vor dem Hintergrund der bisherigen Ergebnisse ist nun auf die oben bereits angesprochene Abgrenzung zwischen Austritts- und Abfindungsrecht zurückzukommen857. Wie bereits beschrieben, sind die Abfindungsrechte nach wohl herrschender Ansicht Unterfälle, gewissermaßen gesetzliche Beispiele, eines allgemeinen außerordentlichen Austrittsrechts aus der AG 858 . Dies lässt sich nach den bisherigen Erkenntnissen nicht mehr aufrechterhalten. Das Austrittsrecht – so wie von der h.M. vertreten859 – hat nämlich einen völlig anderen teleologischen Hintergrund als die Abfindungsansprüche: Das Austrittsrecht wird auf den allgemeinen Rechtsgedanken zurückgeführt, man solle sich von Dauerschuldverhältnissen lösen können, wenn diese unzumutbar werden860 . Demgegenüber gehen die Abfindungsrechte zurück auf das Aufopferungsprinzip und den Usurpationsgedanken. Zwar setzen die Abfindungsansprüche voraus, dass der ihnen vorausgehende Eingriff in die Aktionärsrechte unzumutbar ist 861. Trotzdem unterscheiden sich Abfindungs- und Austrittsrecht in ihren Voraussetzungen fundamental: Die Ab853

Dazu o. S. 7 f. Dazu Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 80; skeptisch gegenüber Canaris’ Unterscheidung Wieacker, Rechtstheorie 1970, 107, 113. 855 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 78. 856 Dazu Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2. Aufl. 1983, S. 82 f. 857 S. o. S. 49. 858 Dazu o. S. 49. 859 Dazu o. S. 45 ff. 860 Dazu o. S. 45 ff. 861 S. o. S. 211. Unzumutbarkeitskriterium des Aufopferungsrechts. 854

D) Verhältnis zum Austrittsrecht der Aktionäre aus besonderem Grund

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findungsrechte setzen eine Usurpation von Aktionärsrechten voraus, das Austrittsrecht ist hiervon unabhängig. Dementsprechend ist das Abfindungsrecht an einen Hauptversammlungsbeschluss bzw. – im Falle des § 39a WpÜG – an einen Antrag gebunden, in dem sich die Usurpation manifestiert 862 ; das Austrittsrecht demgegenüber nicht863 . Abfindungsrechte sind nur mit spiegelbildlichem Eingriffsrecht denkbar, Austrittsrechte können unabhängig davon entstehen. Die dogmatische Unterscheidung zwischen Austritts- und Abfindungsrecht kann auch einige Ungereimtheiten des bisherigen Verständnisses vom Verhältnis dieser beiden Rechtsinstitute auflösen864 . So erklärt das Prinzip der Begünstigtenhaftung zwanglos, dass sich das Abfindungsrecht nicht immer – wie es der Deutung als Austrittsrecht entsprechen würde865 – gegen die eigene Gesellschaft richtet. Auch dass es Abfindungsfälle gibt, in denen der Aktionär keineswegs das Recht hat, sondern gezwungen wird, aus der AG auszuscheiden (§§ 320b, 327a AktG, 39a WpÜG) 866 , ist für das Verständnis des Abfindungsrechts nun unproblematisch. Das Abfindungsrecht unterliegt auch keinem Subsidiaritätsprinzip in dem Sinne, dass die Aktionäre verpflichtet wären, vorrangig freiwillige Erwerbsangebote Dritter anzunehmen oder innergesellschaftliche Rechtsbehelfe wahrzunehmen867. Dies ist zum einen »näher am Gesetz«868 und überzeugt zum anderen aus den genannten teleologischen Gründen869.

E) Sonstige Prinzipien Nachdem mit der Rechtsnatur des aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsanspruchs870 , seiner Einordnung in den gesamt-zivilrechtlichen Zusammenhang871 und seinem Haftungsgrund872 die wesentlichen Säulen des Systems aufgestellt sind, sollen im folgenden Abschnitt die übrigen Prinzipien betrachtet werden.

862

Eine Ausnahme besteht freilich im Falle des § 62 UmwG. Diese ist aber nicht verallgemeinerungsfähig, wie die §§ 320b, 327a AktG zeigen, die auch in den von ihnen geregelten Fällen, in denen noch erdrückendere Stimmverhältnisse zugunsten des Mehrheitsaktionärs bestehen, nicht auf das Beschlusserfordernis verzichten. 863 Vgl. ausdrücklich für das Austrittsrecht Grunewald, FS Claussen, 1997, 103, 111; Kalss, wbl 2001, 366, 370. 864 Auflistung dieser Ungereimtheiten o. S. 50 f. 865 Dazu o. S. 50 f. 866 Zu diesem Problem bei der Deutung als Austrittsrecht o. S. 50 f. 867 Dazu o. S. 234 f., 265 f. zum hier vertretenen Subsidiaritätsprinzip o. S. 50 f. 868 S. schon o. S. 50 f. 869 Usurpationssituation; s. bereits o. S. 50 f. 870 Dazu o. S. 115 ff. 871 Dazu o. S. 115 ff. 872 Dazu o. S. 197 ff.

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§ 6 Entwicklung des Systems

I) Prinzip des Primärschutzes Weitere Erkenntnisse haben die bisherigen Untersuchungen über das Prinzip des Primärschutzes gebracht 873 . 1) Einordnung in das System Erstens: Das Prinzip des Primärschutzes steht im engen Zusammenhang mit dem Prinzip der Abfindungsfreiheit der formwahrenden Verschmelzung und Spaltung. Der zuletzt genannte Grundsatz erklärt, dass Aktionäre zwangsweise in Aktien abgefunden werden dürfen (§§ 305 II Nr. 1, 320b I 2 als Ausdruck dieses Prinzips). Das Prinzip des Primärschutzes bestimmt, wann Aktionäre in Aktien abgefunden werden müssen. Ebenso wie die prinzipielle Abfindungsfreiheit der formwahrenden Verschmelzung und Spaltung gerät der Grundsatz des Primärschutzes daher in Konflikt mit dem Prinzip, dass die einfach faktische Unternehmensverbindung an sich abfindungsfrei ist874 . Zweitens erhellt das Prinzip des Primärschutzes einen wichtigen rechtsökonomischen Aspekt des Abfindungsrechts, der sich im Zusammenhang mit der Einordnung der Abfindungsvorschriften als Aufopferungsregelungen ergibt: Die Abfindung in Aktien erlaubt den Abfindungsberechtigten, gewissermaßen »auf die Seite des Begünstigen überzulaufen« und daher proportional ebenso von der abfindungspflichtigen Maßnahme zu profitieren wie die Aktionäre der herrschenden AG. Hierdurch bleibt der Abfindungsberechtigte mittelbar an »seinem« bisherigen Unternehmen beteiligt875 und profitiert insbesondere von zukünftigen Verbundvorteilen876 , während die Abfindungshöhe selbst nach herrschender – und durch den hier vertretenen aufopferungs- und entschädigungsrechtlichen Ansatz unterstützter877 – Meinung ohne Berücksichtigung solcher Vorteile berechnet wird878 . Dies alles erhöht die Akzeptanz des abfindungsauslösenden Eingriffs und somit die Bereitschaft, der AG Kapital zur Verfügung zu stellen. 2) Allgemeine Rechtsfolge ungeschriebener Abfindungspfl ichten Außerdem kann nun die Frage beantwortet werden, ob das Prinzip des Primärschutzes ein verallgemeinerungsfähiges Prinzip des gesamten Abfindungsrechts 873

Dazu einführend o. S. 53 ff. Dazu o. S. 242 f. 875 S. etwa Wenger/Kaserer/Hecker, ZBB 2001, 317, 325. 876 OLG Düsseldorf ZIP 1984, 586, 587; Böcking, FS Moxter, 1994, 1407, 1423. 877 Das Argument einer entschädigungsrechtlichen Perspektive in diesem Zusammenhang benutzend Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 82. Vgl. auch schon LG Düsseldorf AG 1989, 138, 139 (Wicküler-Küpper Brauerei); W. Meilicke, Die Barabfindung für den ausgeschlossenen oder ausscheidungsberechtigten Minderheits-Kapitalgesellschafter, 1975, S. 51 ff. Dagegen Matschke, BFuP 1981, 115, 123; dem zust. Fleischer, ZGR 1997, 368, 385; Hüttemann, ZHR 162 (1998), 563, 579. 878 S. o. S. 43 m. w. N. in Fn. 61 u. 62. 874

E) Sonstige Prinzipien

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ist879. Wie oben beschrieben galt das Prinzip des Primärschutzes für alle gesetzlichen Abfindungsfälle vor dem 1. 1. 2002880 . Mit den §§ 327a AktG, 39a WpÜG sind jedoch Abfindungsnormen eingeführt worden, in denen eine AG als Abfindungsschuldnerin den berechtigten Aktionären keine Abfindung in Aktien gewähren muss. Schon vor dem 1. 1. 2002 wurde vertreten, die Barabfindung sei grundsätzlich eine gleichwertige Alternative zur Abfindung in Aktien881, Barabfindung sei »keine Lösung zweiter Klasse«882 . Dies ist richtig, denn das Gebot der vollen Entschädigung/Abfindung kann durch eine Barabfindung erfüllt werden. Trotzdem lässt sich nicht leugnen, dass das Gesetz vor Einführung des Squeeze-out einem klaren Grundsatz folgte: Wenn eine AG anderen Aktionären Abfindung schuldete, musste sie diese Pflicht vorrangig in Aktien erfüllen883 . Fraglich ist daher, ob der Squeeze-out dieses allgemeine Prinzip in Frage stellt. Hier ist zunächst zu bedenken, dass die §§ 327a AktG, 39a WpÜG gerade als Ausschlusstatbestände konzipiert sind. Das Recht, in bar abfinden zu dürfen, beruht auf dem privilegierten Interesse des Hauptaktionärs bzw. Bieters, die Minderheit auszuschließen. In anderen ungeschriebenen Abfindungsfällen – unterstellt sei zunächst etwa die Änderung des Gesellschaftszwecks, des Unternehmensgegenstandes oder das reguläre Delisting – kann ein solches Interesse aber gerade nicht bejaht werden. Zu bedenken ist zweitens, dass zumindest die §§ 327a ff. AktG in systematischer Hinsicht zweifelhaftes Recht enthalten884 . So erfassen sie nicht börsennotierte (Familien-)Gesellschaften, obwohl diese nicht dem WpÜG unterliegen und im Recht der GmbH kein Ausschlussrecht ohne wichtigen Grund anerkannt ist885 . Dies spricht dafür, den »Eingriff« der §§ 327a ff. AktG »in das aktienrechtliche Dogmengebäude« 886 nicht weiter zu vertiefen, indem man das Prinzip des Primärschutzes aufgibt. Schließlich hat der Gesetzgeber die §§ 305 II, 320b I 2 u. 3 AktG trotz Einführung des Squeeze-out zunächst im Aktien-, dann im Übernahmerecht unberührt gelassen. Auch rechtspolitische Vorbehalte gegen die (Zwangs-)Abfi ndung in Aktien, die grundsätzlich gegen die Ausweitung des Prinzips des Primärschutzes sprechen könnten887, sind demgegenüber nicht durchschlagend. So wurde bereits in den Beratungen über das AktG 1965 vorgeschlagen, die Barabfindung zur einzigen Ab879

Zur Frage mit Beispiel schon o. S. 53 ff. S. o. S. 54 ff. 881 Hüffer, AktG, 4. Aufl. 1999, § 305 Rn. 14; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 305 Rn. 21. 882 Hüffer, AktG, 4. Aufl. 1999, § 305 Rn. 14. 883 S. o. S. 53 f. 884 Vertiefend Fleischer, ZGR 2002, 757, 759 f., 768 ff. 885 Dazu Fleischer, ZGR 2002, 757, 760, 770 ff.; Habersack, ZIP 2001, 1230, 1234 f. 886 S. die Nachweise o. S. 18, Fn. 103. 887 Zur Diskussion Beyerle, AG 1980, 317, 318 ff.; Immenga, RabelsZ 48 (1984), 48, 73 f.; Koppensteiner, FS Ostheim, 1990, 403, 423; Studienkommission des Deutschen Juristentages, Untersuchungen zur Reform des Konzernrechts, 1967, S. 84 f. 880

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§ 6 Entwicklung des Systems

findungsform zu erklären888 : Mit der Barabfindung könne sich der Aktionär an einer Gesellschaft seiner Wahl beteiligen, Aktiengesellschaften als Abfindungsschuldner sollten grundsätzlich ebenso behandelt werden wie Einzelkaufleute oder Gesellschaften anderer Rechtsform, schließlich erspare die Barabfindung den Gerichten eine zweite Unternehmensbewertung889. Diese Zweifel können de lege lata aber schon deshalb keine Auswirkungen haben, weil sich der Gesetzgeber in Kenntnis all dieser Umstände gerade für das Prinzip des Primärschutzes entschieden hat890 . Was das Argument angeht, der Aktionär solle die Möglichkeit haben, sich an einer Gesellschaft seiner Wahl zu beteiligen, ist außerdem zu bedenken, dass der Abfindungsberechtigte stets die Möglichkeit hat, die als Abfindung erhaltenen Aktien zu verkaufen, oder der AG von vornherein anbieten kann, gegen Barzahlung aus der AG auszusteigen. Schließlich ist die Abfindung in Aktien gerade bei Strukturwandlungen oberer Größenordnung die einzige Möglichkeit, die Abfindungspflicht zu finanzieren. Als Zwischenergebnis kann somit festgehalten werden: Schuldet eine AG anderen Aktionären in ungeschriebenen Fällen Abfindung, muss sie diese Pflicht vorrangig in Aktien erfüllen (Prinzip des Primärschutzes). Dies gilt nicht, wenn die Anteile dieser AG rechtlichen Veräußerungshindernissen unterliegen würden (§ 29 I 2 UmwG analog), wenn die abfindungspflichtige AG im Gegensatz zur bisherigen AG des Abfindungsberechtigten nicht börsennotiert ist (§ 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG analog), wenn die abfindungspflichtige AG ihren Sitz im (auch EU/ EWR-)Ausland hat (§§ 320 I 1, 320b I 2 AktG, 122i UmwG, 7, 9 I 1, 1. Fall, 12 SEAG analog891) und wenn sie abhängig ist (§§ 305 II Nr. 1, 320b I 2 AktG, 9 I 1, 2. Fall SEAG). Steht die AG im bloßen Mehrheitsbesitz, ist eine Ausnahme hingegen nur anzuerkennen, wenn die Abfindungspflicht in Gesetzesanalogie zu § 305 AktG hergeleitet wird (§ 305 II Nr. 1 AktG). Nur in diesem Fall gelten die sonstigen in § 305 II Nr. 1 u. 2 AktG vorgesehenen Modifikationen (Abfindungsmöglichkeit in eigenen Aktien, wenn die abfindungspflichtige AG ihren Sitz im EU/ EWR-Raum hat, Abfindungsmöglichkeit in fremden Aktien unter den Voraussetzungen des § 305 II Nr. 2 AktG). 3) Pfl icht zur Beschaffung fremder Aktien? Eine weitere Frage im Zusammenhang mit dem Prinzip des Primärschutzes lautet: Ist der Abfindungsschuldner gegebenenfalls verpflichtet, Aktien eines Dritten, insbesondere der Konzernspitzengesellschaft, als Abfindung zu besorgen892 ? Dies 888

Ausschussbericht zum AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 398. Ausschussbericht zum AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 398. Besondere Schwierigkeiten tauchen außerdem bei der Frage auf, wie unterschiedliche Aktiengattungen zu behandeln sind, dazu sogleich auf S. 277 ff. 890 Ausschussbericht zum AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 398. 891 § 305 II Nr. 1 u. 2 AktG machen von diesem Prinzip nur eine punktuelle, nicht verallgemeinerungsfähige Ausnahme, s. o. S. 239 ff. 892 Dazu o. S. 53 ff. 889

E) Sonstige Prinzipien

275

ist die Kernfrage beim Streit um den Wahlberechtigten im Falle des § 305 II Nr. 2 AktG 893 . Die Parallelvorschrift des § 320b I 3 AktG ordnet bei der Eingliederung die Wahl der Abfindungsform den dissentierenden Aktionären zu. Die h.M. zieht hieraus ein argumentum e contrario 894 und hält im Falle des § 305 II Nr. 2 AktG die Vertragsparteien für wahlberechtigt 895 . Dem widerspricht eine Gegenauffassung896 insbesondere mit dem Argument, die aktienrechtliche Beteiligung des Aktionärs solle nach Möglichkeit erhalten bleiben897. Erkennt man, dass das Prinzip des Primärschutzes ein allen Abfindungsvorschriften zugrunde liegendes Prinzip ist, fällt auch die Feststellung nicht schwer, dass die AG zur Beschaffung fremder Aktien nicht verpflichtet sein kann. Eine solche Pflicht enthält weder § 320b I 3 AktG, der den Aktionären nur die Wahl zwischen Abfindung in Aktien der Hauptgesellschaft und in bar gestattet, noch die §§ 29, 122i, 207 UmwG, 9 I 1, 2. Fall SEAG, bei denen eine Abfindungspflicht in Aktien der Konzernspitzengesellschaft durchaus denkbar gewesen wäre 898 . Sie wäre auch nicht sachgerecht, weil eigene Aktien viel einfacher beschafft werden 896

893

Vgl. schon o. S. 53 ff. Vgl. etwa Bernhardt, BB 1966, 257, 258 f.; Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG 1976, § 305 Rn. 22; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 305 Rn. 15; Komp, Zweifelsfragen des aktienrechtlichen Abfindungsanspruchs nach §§ 305, 320b AktG, 2002, S. 18; Pentz, Die Rechtsstellung der Enkel-AG in einer mehrstufigen Unternehmensverbindung, 1994, S. 96. 895 So im Ergebnis die h.M.: Bernhardt, BB 1966, 257, 258 f., 260; Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 51; Bodewig, Zur Sicherung der Minderheitsrechte außenstehender Aktionäre durch die Vorschriften der §§ 304, 305, 306 AktG, Jur. Diss. Köln 1974, S. 78 ff.; Exner, Beherrschungsvertrag und Vertragsfreiheit, 1984, S. 239 ff.; Fabian, Inhalt und Auswirkungen des Beherrschungsvertrags, 1997, S. 224 f.; Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1976, § 305 Rn. 22; Halberkamp, Die Entschädigung der außenstehenden Aktionäre bei der aktienrechtlichen Konzernierung, 1996, S. 45; Hirte/Hasselbach in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 305 Rn. 48; Henn, Handbuch des Aktienrechts, 7. Aufl. 2002, Rn. 358; G. Hueck in Baumbach/ Hueck, AktG, 13. Aufl. 1968, § 305 Rn. 3; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 305 Rn. 15; Kamprad/ Römer, AG 1990, 486, 487; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 305 Rn. 46; Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 70 Rn. 119; Liebscher in Beck AGHB, 2004, § 14 Rn. 151; Niemann, Ansprüche der Minderheitsaktionäre bei Abschluß eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages, Jur. Diss. Frankfurt 1968, S. 145 f.; Pentz, Die Rechtsstellung der Enkel-AG in einer mehrstufigen Unternehmensverbindung, 1994, S. 97; Petzel, Ansprüche der Minderheitsgesellschafter bei Unternehmensverbindungen und Umwandlung, Jur. Diss. Göttingen 1967, S. 45; Prantl, Konzernrecht und Minderheitenschutz in Deutschland, 1994, S. 95 f.; Rasch, Deutsches Konzernrecht, 5. Aufl. 1974, S. 150 f.; Stephan in K. Schmidt/ Lutter, AktG, 2008, § 305 Rn. 44; Veil in Spindler/Stilz, AktG, 2007, § 305 Rn. 39; Würdinger in Großkomm. AktG, 3. Aufl. 1971, § 305 Anm. 6. 896 Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 305 Rn. 15; Frhr. v. Falkenhausen, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mehrheitsherrschaft nach dem Recht der Kapitalgesellschaften (AG und GmbH), 1967, S. 64; Hüchting, Abfindung und Ausgleich im aktienrechtlichen Beherrschungsvertrag, 1972, S. 19 ff.; inzident Wilhelmi, AG 1965, 277, 279; Geßler, BB 1965, 677, 682 (vgl. aber auch o. Fn. 894 f.); Mestmäcker, FG Kronstein, 1967, 129, 138. 897 Hüchting, Abfindung und Ausgleich im aktienrechtlichen Beherrschungsvertrag, 1972, S. 21. Vgl. auch Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 305 Rn. 13: »Ges(etz) will offenbar den Grundgedanken des Primärschutzes (. . .) unter den Bedingungen dreistufiger Konzernierung verwirklichen«. 898 Zuzugeben ist allerdings, dass der Gesetzgeber spezielle Fragen der Konzernumwand894

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§ 6 Entwicklung des Systems

können als fremde Aktien. Das Prinzip des Primärschutzes verpflichtet den Abfindungsschuldner somit nicht, fremde Aktien zur Erfüllung der Abfindungspflicht zu beschaffen899. 4) Bestandsschutz im weiteren Sinne Schon oben wurde darauf hingewiesen, dass das Prinzip des Primärschutzes das sog. Prinzip des Bestandsschutzes im weiteren Sinne konkretisiert900 . Der Primärschutz dient damit nicht nur dem Vermögensschutz, sondern den (auf die zukünftige Mitgliedschaft des Abfindungsberechtigten bezogenen) Bestandsinteressen »im weiteren Sinne« 901. Sein Zweck ist nicht nur, »den außenstehenden Aktionär nach Möglichkeit« überhaupt »wieder an einer Vermögensmasse zu beteiligen, die der Vermögensmasse, an der er bisher beteiligt war, wirtschaftlich nahe steht«902 . Es soll ihm eine Beteiligung verschafft werden, die seiner bisherigen Aktionärsstellung möglichst nahe kommt. Bedeutung gewinnt diese Überlegung etwa bei der Frage, ob Stammaktien unter dem Vorbehalt der Wertdeckung in Vorzugsaktien abgefunden werden dürfen – ein Problem das anhand des Prinzips der Gattungsgleichheit zu lösen ist903 . Die Vermögensinteressen können durch eine Abfindung in Vorzugsaktien ohne Weiteres gewahrt werden, wenn der Wert der Vorzugsaktien nur dem Wert der zuvor gehaltenen Stammaktien entspricht. Verliert der Aktionär jedoch sein Stimmrecht, werden seine Bestandsinteressen nicht hinreichend berücksichtigt. Ebenfalls Bedeutung hat die aufgeworfene Frage für das Problem, inwieweit Rücksichtspflichten an die Gestaltung des gem. §§ 305 III 1, 320b I 4 AktG festzulegenden Umtauschverhältnisses anknüpfen. Dies soll weiter unten besprochen werden904 .

II) Prinzip der Gattungsgleichheit Ein interessantes Prinzip der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, das hier bisher nicht näher erörtert wurde 905 , ist das sog. Prinzip der Gattungsgleichheit. Die Fragen, die im Zusammenhang mit diesem Prinzip auftauchen, werden als noch offen bzw. nicht abschließend geklärt angesehen906 . Es lungen nicht entscheiden wollte, dazu Begr. RegE UmwBerG bei Ganske, Umwandlungsrecht, 2. Aufl. 1995, S. 20. 899 Zur endgültigen Antwort auf die Frage nach dem Wahlberechtigten bei § 305 II Nr. 2 AktG s. u. S. 399 f. 900 S. o. S. 54. 901 In diesem Sinne wohl auch Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 305 Rn. 1 (»Primärschutz, nicht nur Vermögensausgleich«); dies wiederholend Mühle, Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2002, S. 384. 902 Ausschussbericht zum AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 398. 903 Dazu noch u. S. 282. 904 S. u. S. 355 ff. 905 Einführend o. S. 57. 906 Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 320b Rn. 6.

E) Sonstige Prinzipien

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geht um das Problem, inwieweit Aktionäre einer bestimmten Aktiengattung, beispielsweise Stamm- oder Vorzugsaktionäre, mit Aktien derselben Gattung abgefunden werden müssen, obwohl sich der Abfindungsverpflichtete diese Aktien möglicherweise erst beschaffen muss. Da es um ein Prinzip der Abfindung in Aktien geht, bilden ausschließlich die §§ 305 II Nr. 1 u. 2, 320b I 2 u. 3 AktG den Schauplatz der weiteren Überlegungen; das Thema wird aber ebenso intensiv bei der Frage diskutiert, welche Aktien den Aktionären bei einer formwahrenden Verschmelzung oder Spaltung zu gewähren sind907. Um die weiteren Gedanken zu veranschaulichen, sei ein Modellfall herangezogen, der von Lutter entlehnt908 und auf eine Abfindungssituation abgewandelt wurde: Die A-AG schließt als Untergesellschaft einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der B-AG, einer inländischen, unabhängigen, nicht im Mehrheitsbesitz stehenden AG. Beide AGs haben einen Unternehmenswert und ein Grundkapital von jeweils 100.000 Euro. Das Grundkapital beider AGs ist zusammengesetzt in je 100 Aktien zu einem Nennwert von 1.000 Euro. Die A-AG hat nur Stammaktionäre, die B-AG hat zu 50% Stamm- und Vorzugsaktionäre. Dem Zustimmungsbeschluss in der A-AG widerspricht allein der X, Inhaber von 25 Aktien. X fragt, welche Aktien der B-AG ihm gem. § 305 II Nr. 1 AktG zustehen. 1) Grundsatz Die Rechtsprechung hatte bisher – soweit ersichtlich – keine Gelegenheit, zu den aufgeworfenen Fragen Stellung zu nehmen. Untersucht man die Standpunkte in der Literatur, stößt man relativ schnell auf Einigkeit im Grundsatz und Streit in den Details. Dass Aktionäre einer bestimmten Gattung mit derselben Aktiengattung abgefunden werden müssen, ist im Grundsatz allgemeine Meinung 909. Der Tausch zwischen Namens- und Inhaberaktien wird dabei als gleichwertig angesehen910 . Ebenso herrscht im Grundsatz Einigkeit darüber, dass sich die abfindungs907

Hierzu statt aller Lutter/Drygala in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 5 Rn. 9 ff. Lutter, FS Mestmäcker, 1996, 943, 950 f.; vgl. auch den Sachverhalt des Schiedsverfahrens, von dem Timm/Schöne, FS Kropff, 1997, 315, 320 ff. berichten. 909 Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 45; Emmerich/Habersack, Aktienund GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 305 Rn. 13, § 320b Rn. 6; Grunewald in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 320b Rn. 3; Hirte/Hasselbach in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 305 Rn. 42; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 305 Rn. 11; Komp, Zweifelsfragen des aktienrechtlichen Abfindungsanspruchs nach §§ 305, 320b AktG, 2002, S. 420 ff.; Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 70 Rn. 118; Lutter, FS Mestmäcker, 1996, 943, 948; Petzel, Ansprüche der Minderheitsgesellschafter bei Unternehmensverbindungen und Umwandlung, Jur. Diss. Göttingen 1967, S. 84 f.; Stephan in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 305 Rn. 41; Würdinger in Großkomm. AktG, 3. Aufl. 1971, § 320 Anm. 14. Für die Anteilsgewährung bei der Verschmelzung v. Godin/Wilhelmi, AktG, 4. Aufl. 1971, § 339 Anm. 8; Heckschen, Verschmelzung von Kapitalgesellschaften, 1989, S. 18; Lutter/Drygala in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 5 Rn. 10. 910 Für die Anteilsgewährung bei der Verschmelzung Lutter/Drygala in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 5 Rn. 12; Marsch-Barner in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 5 Rn. 13. Für den Abfindungsbereich wird diese Frage, soweit ersichtlich, nicht erörtert. 908

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pflichtige AG diese Aktien durch Kapitalerhöhung, Satzungsänderung oder sonstige Maßnahmen beschaffen muss, wenn sie nicht schon über entsprechende Aktien verfügt911. Dieser Grundsatz folgt schon aus dem Prinzip des Primärschutzes, das ja – wie soeben gesehen912 – nicht nur Vermögensschutz bezweckt, sondern auch darauf abzielt, dem abfindungsberechtigten Aktionär eine Beteiligung zu verschaffen, die seiner bisherigen Aktionärsstellung möglichst gleich kommt. 2) Ausnahmen Strittig ist aber, inwieweit von diesem Grundsatz Ausnahmen zu machen sind. a) Abfindung von Stammaktionären mit Vorzugsaktien Zunächst soll es dabei um die Frage gehen, inwieweit Stammaktionäre mit Vorzugsaktien abgefunden werden dürfen bzw. sogar müssen. aa) Vorzugsaktien zur Wahrung der Gattungsverhältnisse in der abfindungspfl ichtigen Gesellschaft Schnell Gefolgschaft gefunden hat die Meinung Lutters, dass Stammaktien dann gegen Vorzugsaktien einzutauschen sind, wenn dies erforderlich ist, um die Gattungsverhältnisse in der umtauschverpflichteten Aktiengesellschaft aufrecht zu erhalten913 . Dass dies notwendig sein kann, zeigt das einleitend genannte Beispiel: In dem Modellfall beträgt das Umtauschverhältnis zwischen den Aktien der Aund B-AG 1:1; X erhält für jeden Anteil an der A-AG also eine Aktie der B-AG (§§ 305 II Nr. 1, III 1 AktG). Würde die B-AG ihr Grundkapital um 25.000 Euro in Stammaktien erhöhen (25 Nennbetragsaktien à 1.000 Euro) und diese Stammaktien dem X zukommen lassen, so würde die relative Stimmrechtsmacht des X überproportional ansteigen: Bezog sich die Stimmrechtsmacht des X in der A-AG auf 25.000 Euro Börsenwert (25% der Stimmen), könnte er nun über 41.666, 67 Euro bestimmen (1/3 von 125.000 Euro, denn neben seinen Anteilen befänden sich nur 50 weitere Stammaktien mit je 1.000 Euro Nennbetrag in der B-AG). Sein relativer Stimmanteil würde von 25% auf 33,33% steigen. Dass dies nicht richtig sein kann, belegen mehrere abfi ndungs- und allgemeinzivilrechtliche Prinzipien: Schon Lutter hat den Grundsatz aufgestellt, dass um911

Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 45; Emmerich/Habersack, Aktienund GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 305 Rn. 13, § 320b Rn. 6. 912 S. o. S. 275. 913 Grundlegend Lutter, FS Mestmäcker, 1996, 943, 948 ff.; zust. Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 320b Rn. 7; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 305 Rn. 11; Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 70 Rn. 118. Für die Anteilsgewährung bei der Verschmelzung Lutter/Drygala in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 5 Rn. 12; MarschBarner in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 5 Rn. 12. A. A. aber Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 45; Grunewald in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 320b Rn. 4; Timm/Schöne, FS Kropff, 1997, 315, 328.

E) Sonstige Prinzipien

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tauschpflichtige Strukturmaßnahmen sowohl für die umtauschberechtigten Aktionäre als auch für die Aktionäre der umtauschpfl ichtigen AG weder Vorteile noch Nachteile bringen dürfen (sog. »Nullsummenspiel«) 914 . Dieses Prinzip führt Lutter auf einen Gleichbehandlungsgrundsatz zurück, der darauf abziele, nicht nur die Aktionäre der unterworfenen AG, sondern alle an der Umstrukturierung beteiligten Aktionäre gleich zu behandeln915 . Dieser Gleichbehandlungsgrundsatz ist zwar nicht kodifiziert. Er lässt sich jedoch durch mehrere Regeln beweisen916 : Zum einen liegt der Verschmelzwertrelation (§ 5 I Nr. 3 UmwG, §§ 305 III 1, 320b I 4 AktG) ein solches Gleichbehandlungsgebot zugrunde 917, wenngleich die Verschmelzwertrelation nur die Vermögensrechte der Aktionäre schützt und Stimmrechtsverschiebungen nicht erfasst918 . Zum anderen ist die Abfindung als eine dem Aufopferungsprinzip folgende Entschädigung für eine erlittene Einbuße einzuordnen919. Daher spricht auch das schadensrechtliche Bereicherungsverbot gegen die Möglichkeit, dem sich aufopfernden Aktionär durch die Entschädigung ein Mehr an Rechten zu bescheren920 . Hiergegen lässt sich nicht einwenden, dass der Gewinn relativer Stimmrechtsmacht keine vermögensmäßige Bereicherung ergebe. Denn zwar spiegelt die Beteiligung des X an der B-AG denselben absoluten Anteil am Grundkapital und Börsenwert der Gesellschaft wieder. Trotzdem ist er durch den relativen Stimmzuwachs über die wichtige Sperrminoritätsgrenze gesprungen, was die strategische Bedeutung seiner Beteiligung deutlich anhebt. X könnte seine Beteiligung daher zu einem höheren Preis verkaufen als vorher die Aktien der A-AG. Schließlich liegt derselbe Gedanke des »Nullsummenspiels« dem Prinzip der Methodengleichheit bei der Abfindung in Aktien zugrunde (das selbstverständlich auch für die Verschmelzung gelten muss): Seit der DAT/AltanaEntscheidung des BVerfG wird immer wieder (zu Recht) darauf verwiesen, dass Ober- und Untergesellschaft bei der Abfindung in Aktien (ebenso wie aufnehmende und übertragende AG bei der Verschmelzung) nach denselben Grundsätzen zu bewerten seien, insbesondere hinsichtlich der Berücksichtigung bzw. Nichtberücksichtigung des Börsenkurses921. Hierhinter steckt exakt derselbe Ge914 Lutter, FS Mestmäcker, 1996, 943, 949. Hinsichtlich der Anteilsgewährung bei der Verschmelzung Lutter/Drygala in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 5 Rn. 10. 915 Vgl. Lutter, FS Mestmäcker, 1996, 943, 949. Für die Anteilsgewährung bei der Verschmelzung Lutter/Drygala in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 5 Rn. 12. So vorher bereits Schilling, JZ 1953, 489, 490 r.Sp.; Schilling in Großkomm. AktG, 3. Aufl. 1971, § 339 Anm. 8, der hieraus jedoch nicht dieselben Konsequenzen zog. 916 Gegen diesen Grundsatz Kraft in Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1990, § 339 Rn. 52. 917 Vgl. auch Lutter, FS Mestmäcker, 1996, 943, 948 f. 918 S. schon Lutter, FS Mestmäcker, 1996, 943, 949 f. 919 Dazu o. S. 158 ff. 920 Zum schadensrechtlichen Bereicherungsverbot etwa Schiemann in Staudinger, BGB, 13. Aufl. 2005, Vorbem. 2 zu §§ 249 ff. m. w. N. 921 Konsequent muss man daher in der Obergesellschaft den Ertragswert ansetzen, in der Untergesellschaft hingegen den Börsenwert, wenn es sich hierbei um die jeweils höheren Werte handelt. Hingegen sieht BGHZ 147, 108, 122 (DAT/Altana) den Börsenkurs der Untergesellschaft nur als Untergrenze an, den der Obergesellschaft hingegen grundsätzlich als Obergrenze;

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danke eines die Anteilseigner an allen beteiligten AGs umfassenden Gleichbehandlungsgebotes. Belegt ist damit im Übrigen der schon mehrfach angesprochene Gedanke, dass sich die Abfindung in Aktien wie die (formwahrende) Verschmelzung auswirkt922 . Richtigerweise muss X im Beispielsfall daher 12,5 Stammaktien der B-AG erhalten sowie 12,5 Vorzugsaktien gleichen Ranges. Schon Lutter hat gezeigt, dass jeder Stammaktie der A-AG in dem oben gebildeten Modellfall 0,5 Stamm- und 0,5 Vorzugsaktien der B-AG entsprechen923 . Um eine proportionale Belastung der schon vorhandenen Vorzugsaktionäre zu erreichen, ist diesem Grundsatz hinzuzufügen, dass die Vorzugsaktien, die als Abfindung ausgegeben werden, gegenüber den schon vorhandenen Vorzügen gleichwertig sein müssen. Erhält der X daher 12,5 Stamm- und 12,5 Vorzugsaktien gleichen Ranges von der B-AG, so hat X 20% Stimmrechtsmacht und kontrolliert über sein Stimmrecht 25.000 Euro Börsenwert. Die Proportionen sind gewahrt: Da das Grundkapital von 100.000 Euro auf 125.000 Euro aufgestockt wurde, musste jeder Stammaktionär aufgrund der Abfindung in Aktien einen relativen Stimmrechtsverlust von 20% hinnehmen. Auch die Vorzugsaktionäre werden durch das Hinzukommen des X proportional benachteiligt: Es werden exakt 20% mehr Vorzugsaktien ausgegeben, so dass die Vorzugsaktionäre in exakt dem Verhältnis Verteilungschancen bei Gewinn und Liquidation einbüßen, in dem die Stammaktionäre relative Stimmrechtsmacht verlieren924 . Gerecht sind auch die Ergebnisse, die sich bei einer Umwandlung der Vorzüge in Stammaktien ergeben würden: In der B-AG waren die Stammaktien mit dem Risiko belastet, die Hälfte ihrer relativen Stimmrechtsmacht an die Vorzugsaktionäre zu verlieren; die Vorzugsaktionäre hatten eine spiegelbildliche Chance auf Stimmrechtsgewinn (gegen die Einbuße ihres Vorzugs). Nach Aufnahme des X bleibt das hälftige Verhältnis von Stamm- und Vorzugsaktien unangetastet (vorher 50:50 Aktien, jetzt 62,5:62,5 Aktien); die Chancen und Risiken bleiben dadurch gleich verteilt. X wiederum trug in der A-AG kein Risiko, relative Stimmrechtsmacht an Vorzugsaktionäre zu verlieren. Das ist auch noch in der B-AG so: Denn zwar sind die Stammaktien mit dem schon oben genannten Risiko hälftigen Stimmrechtsverlusts belastet; dieses Risiko wird aber durch die entsprechende Chance seiner Vorzugsaktien ausgeglichen. dem folgend OLG Düsseldorf AG 2003, 329, 332 (SNI); OLG Düsseldorf AG 2003, 688, 693 (Veba): in beiden Gesellschaften entweder Ertragswert oder Börsenwert, abhängig davon, welcher in der Untergesellschaft der höhere ist; inzident OLG Düsseldorf ZIP 2003, 1247, 1249 f. (DAT/Altana V); ebenso für die Verschmelzung unter Gleichen BayObLG ZIP 2003, 253, 257 (Hypo-Vereinsbank). Wie hier dagegen Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 305 Rn. 24h. Umfassend Martens, AG 2003, 593, der zwischen dem Grundsatz der Methodengleichheit und dem der »Meistbegüstigung« unterscheidet, sowie Paschos, ZIP 2003, 1017. 922 S. o. S. 236 und öfter. 923 Lutter, FS Mestmäcker, 1996, 943, 953. 924 Zumindest aus diesem Grunde bedarf die Abfindung des X in Vorzugsaktien auch nicht der Zustimmung der Vorzugsaktionäre nach § 141 AktG.

E) Sonstige Prinzipien

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Das hier gefundene Ergebnis bricht nicht mit dem Prinzip der vollen Entschädigung/Abfindung, denn bei dem von Lutter entworfenen Konzept geht es nur darum, eine ungerechtfertigte Besserstellung der abfindungsberechtigten Aktionäre zu verhindern925 . Wenn darüber hinaus gegen die Meinung Lutters angeführt wird, es sei Rechtsfolge jeder Abfindung in Aktien, dass sich die Stimmmehrheiten verschieben926 , so geht dieses Argument ins Leere: Richtig ist, dass kein absoluter Schutz gegen den Verlust absoluter und relativer Stimmrechtsmacht existiert927. Hier geht es jedoch darum, überproportionale Stimmrechtsverschiebungen zugunsten der aufgenommenen Aktionäre zu verhindern928 . Für die Zulässigkeit dieser Stimmrechtsverschiebung hat die Gegenmeinung bisher keine Argumente vorgebracht, und es ist auch kein solches Argument ersichtlich. So zeigte die Untersuchung der Fälle, in denen Aktionären gegen ihren Willen absolute und relative Stimmrechtsmacht verlieren929, dass das Aktien- und Umwandlungsrecht keinen Fall kennt, in dem die Stimmrechte einiger Aktionäre per Hauptversammlungsbeschluss zugunsten anderer Aktionäre verwässert werden dürfen930 . Schließlich überzeugt es nicht, die Stammaktionäre der B-AG in dem oben genannten Beispiel auf Barabfindungsansprüche zu verweisen. Wie bereits gezeigt, folgt das Abfindungsrecht einem strengen Subsidiaritätsprinzip931. Dort wo für Ausgleich gesorgt werden kann, ohne dass die Grundsätze der Kapitalbindung berührt werden (§ 57 I AktG), soll dieser Ausgleich vorgehen932 . Ein solcher Ausgleich ist jedoch durch die proportionale Zuteilung von Vorzugsaktien in relativ leicht zu errechnender Weise möglich; dieser Ausgleichmechanismus muss der Abfindung daher vorgehen. bb) Sonstige Ausnahmen? Über diese Ausnahme hinaus dürfen Stammaktionäre allerdings nicht mit Vorzugsaktien abgefunden werden. Zwar will hier eine insbesondere im früheren Schrifttum vertretene Ansicht erlauben, dass Stammaktien grundsätzlich durch Vorzüge ersetzt werden, wenn der Vorzug den Wegfall des Stimmrechts kompensiere933 . Diese Ansicht widerspricht jedoch dem oben genannten »erweiterten« 925

So aber Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 45. Grunewald in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 320b Rn. 4. 927 S. o. S. 255 f. 928 Vgl. auch Krieger, FS Lutter, 2000, 497, 519. 929 S. o. S. 255 f. 930 Zwar birgt die Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss diese Gefahr, weil der herrschende Aktionär neue Aktien hinzuerwerben kann. Hier erfolgt die relative Stimmrechtsverschiebung aber erst durch einen weiteren Akt, nämlich den Erwerb der Aktien. 931 Dazu o. S. 234 f. 932 S. o. S. 234 f. 933 Für die Gewährung von Aktien bei der Verschmelzung: Kraft in Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1990, § 339 Rn. 52; dagegen schon unter dem AktG 1937 Weipert, ZHR 110 (1944), 23, 37 f.; später auch Würdinger in Großkomm. AktG, 3. Aufl. 1971, § 320 Anm. 14 unter Aufgabe der vorher geäußerten Auffassung. 926

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Gleichbehandlungsgrundsatz934 . Aufgrund ihres Verlustes an relativer Stimmrechtsmacht wäre die Abfindung in Aktien für die abfindungsberechtigten Aktionäre kein »Nullsummenspiel«. Darüber hinaus verkennt diese Ansicht, dass das Prinzip des Primärschutzes (das durch das Prinzip der Gattungsgleichheit ja konkretisiert wird) nicht nur den Vermögens- sondern auch den Bestandsschutz der Aktionäre im Auge hat935 . cc) Zwischenergebnis Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass eine Abfindung von Stammaktionären in Vorzugsaktien nur ausnahmsweise zulässig ist, um die Gattungsverhältnisse in der umtauschverpflichteten Aktiengesellschaft aufrecht zu erhalten. Darüber hinaus dürfen Stammaktionäre bei der Abfindung in Aktien nur mit Stammaktien abgefunden werden. b) Abfindung von Vorzugsaktionären mit Stammaktien Inwieweit Vorzugsaktien mit Stammaktien abgefunden werden dürfen, soll bis zur allgemeinen Erörterung des Umtauschs von Vorzugs- in Stammaktien (unabhängig von den Fällen der §§ 305 II Nr. 1, 320b I 3 AktG) verschoben werden936 .

III) Gegenläufige Prinzipien Eine Reihe gegenläufiger Prinzipien des Abfindungsrechts – also solcher Prinzipien, mit denen die Abfindungspflicht in Konflikt gerät – konnten schon oben im Rahmen des Haftungsgrundes aufgedeckt werden937 : das Mehrheitsprinzip und das Prinzip der Kapitalbindung, aus denen das oben sog. Subsidiaritätsprinzip folgte, das Prinzip der Abfindungsfreiheit von formwahrender Verschmelzung und Spaltung sowie die prinzipielle Abfindungsfreiheit der Liquidation. Ebenfalls als gegenläufiges Prinzip anführen könnte man den aus § 54 I AktG folgenden Grundsatz, dass Aktionäre grundsätzlich keine Nachschusspflicht haben (§§ 180 I AktG, 707 BGB) 938 . Dieses Prinzip könnte gegenläufiges Prinzip in Fällen sein, in denen (nach dem Prinzip der Begünstigtenhaftung) 939 der Mehrheitsaktionär Abfindung schuldet. Allerdings bezieht sich das Nachschussverbot klassischerweise darauf, Nachschüsse in das Gesellschaftsvermögen zu leisten, nicht aber auf Entschädigungspflichten gegenüber Aktionären. Weiterhin ist zu bedenken, dass Abfindungsfälle von unüberwindbaren Interessenkonflikten ge934 Den Kraft in Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1990, § 339 Rn. 52 freilich nicht anerkennt; dazu schon o. nach Fn. 916. 935 Dazu o. S. 275 f. 936 S. dazu u. S.325. 937 S. o. S.211ff. 938 Vgl. für § 35 WpÜG Fleischer, NZG 2002, 545, 546 in Rezeption schweizerischer Dogmatik. S. auch Würdinger in Großkomm. AktG, 3. Aufl. 1971, § 305 Anm. 11. 939 Dazu o. S. 185 ff.

E) Sonstige Prinzipien

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kennzeichnet sind, in denen sich die Mehrheit typischerweise auf Kosten der Minderheit durchsetzen darf. Abfindungsschuldner und -gläubiger stehen sich daher nicht wie Gesellschafter gegenüber, sondern wie Beteiligte eines »normalen« Schuldverhältnisses. Mit dem »Wegfall der gesellschaftsvertraglichen Geschäftsgrundlage« korrespondiert ein Wegfall des typischen gesellschaftsrechtlichen Pflichtenregimes, das sich zugunsten und zulasten des Mehrheitsgesellschafters auswirken kann940 . Schließlich geht es bei der Abfindung nicht – wie bei dem Verbot der Nachschusspflicht – um den Schutz vor zusätzlichen Pflichten durch Mehrheitsbeschluss, sondern um die gesetzliche Entschädigungspflicht für Einbußen, die der Mehrheitsaktionär ausgelöst und von deren Entstehungstatbestand er profitiert hat. Das Verbot der Nachschusspflichten ist daher kein gegenläufiges Prinzip der Abfindungsansprüche. Als gegenläufiges Prinzip der Abfindung in Aktien könnte man schließlich noch das Prinzip anführen, dass die AG grundsätzlich nicht verpflichtet ist, neue Gesellschafter aufzunehmen (kein Kontrahierungszwang im Aktienrecht). Da die abfindungspflichtige AG den abfindungsauslösenden Sachverhalt aber selbst initiiert, drohen ihr aufgrund ihrer Verpflichtung zur Abfindung in Aktien keine unzumutbaren Nachteile. Der Schutzzweck des Kontrahierungszwangsverbots ist daher nicht einschlägig, es kann somit nicht als gegenläufiges Prinzip aufgefasst werden941.

IV) Technische Prinzipien Vervollständigt942 wird das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche durch einige technische Prinzipien943 . 1) Stichtagsprinzip a) Inhalt und Einordnung in das System Für alle Abfindungsansprüche des AktG, UmwG und SEAG gilt: Die Höhe der Abfindung orientiert sich an den Verhältnissen, die zur Zeit des abfindungsauslösenden Hauptversammlungsbeschlusses bestanden (»Stichtagsprinzip«). Dieses Prinzip ist in den §§ 305 III 2, 320b I 5, 327b I 1, 2. Hs. AktG, §§ 30 I 1 (i. V. m. §§ 122i I 3, 208 UmwG), 7 II 1 SEAG (i. V. m. §§ 9 II, 12 II SEAG) verankert und gilt sowohl für die Barabfindung als auch für die Abfindung in Aktien944 . Die 940

Zur Treuepflicht noch ausführlich u. S. 345 ff. Vgl. zum Austrittsrecht aber noch u. S. 294 ff. 942 Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, werden die speziellen Prinzipien der Abfindungsbemessung nicht untersucht. Angesprochen wurde allerdings das Prinzip der Methodengleichheit, s. dazu o. S. 278 ff. Zum Stichtagsprinzip sogleich. 943 Zum Begriff schon o. S. 7. 944 Nicht völlig eindeutig ist dies im Falle des § 305 II 2 AktG, weil dieser sich nur auf die Abfindung in Aktien bezieht. Schon wegen der Gleichwertigkeit beider Abfindungsformen muss 941

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§ 6 Entwicklung des Systems

h.M. konkretisiert das Stichtagsprinzip, indem sie alle, aber auch nur diejenigen Umstände und Entwicklungen bei der Abfindungsbemessung berücksichtigt, die am Stichtag bereits angelegt und deshalb für den Fachmann erkennbar waren (sog. »Wurzeltheorie«) 945 . Das Stichtagsprinzip fügt sich nahtlos in das herausgearbeitete System ein: Zutreffend zieht es zunächst die Konsequenz aus der dogmatischen Einordnung der Abfindungsansprüche als Aufopferungsansprüche946 und der daraus folgenden entschädigungsrechtlichen Konzeption des Abfindungsanspruchs947 : Der Aktionär kann als Abfindung immerhin, aber auch nur verlangen, was seine Aktie zum Usurpationszeitpunkt wert war. Gibt die Rechtsordnung dem Mehrheitsaktionär (bzw. herrschenden Unternehmen) die Rechtsmacht, die außenstehenden Aktionäre zum Abschluss eines Investitionskontrakts zu zwingen, so muss sie den Aktionären zuwenden, was die Aktien zu diesem Zeitpunkt wert waren. Schließlich erfüllt das Stichtagsprinzip die wichtige Aufgabe, die Folgen des abfindungsbewährten Eingriffs für das herrschende Unternehmen vorhersehbar zu machen: Dieses kann die Folgen des abfindungsauslösenden Eingriffs abschätzen und danach die Finanzierung ausrichten. b) Ausnahme in § 39a III 1 WpÜG Eine nicht verallgemeinerungsfähige Ausnahme aufgrund spezieller europarechtlicher Vorgaben enthält § 39a III 1 WpÜG für den übernahmerechtlichen Squeezeout. Unter dessen Voraussetzungen muss die Höhe der Abfindung (nur, aber immerhin) der Gegenleistung des Übernahme- oder Pflichtangebots entsprechen. Umstritten ist, was gilt, wenn die Voraussetzungen der unwiderleglichen Vermutung (Erwerb von 90% des vom Angebot betroffenen Grundkapitals aufgrund des Angebots) nicht vorliegen. Im WpÜG ist dieser Fall nicht geregelt. Denkbar ist zum einen, auf die für alle Abfindungsfälle geltenden Grundsätze zurückzugreifen948 . Es würde dann die DAT/Altana-Rechtsprechung zur Abfindungshöhe geles aber auch im Falle des § 305 II Nr. 3 AktG gelten, vgl. im Ergebnis OLG Düsseldorf WM 1984, 732, 733 (Thyssen/Rheinstahl); OLG Düsseldorf AG 2003, 329, 330 (SNI); LG Frankfurt WM 1987, 559, 560 (Hartmann & Braun); Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 67; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 305 Rn. 23; Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 70 Rn. 126; Weiss, FS Semler, 1993, 631, 635. 945 BGHZ 138, 136, 140 (ASEA/BBC II); BGHZ 140, 35, 38; BayObLGZ 2001, 258, 264 (Ytong AG); BayObLG ZIP 2000, 885, 886 (Deutsche Aerospace); OLG Celle AG 1981, 234; OLG Celle AG 1999, 128, 129 (Wolters/Gilde); OLG Düsseldorf AG 1977, 168, 170 (Stolberger Zink AG); OLG Düsseldorf AG 2000, 323 (Hoffmann’s Stärkefabriken); OLG Düsseldorf AG 2003, 329, 332 (SNI); OLG Zweibrücken WM 1995, 980, 982 (Saint Gobain/Grünzweig und Hartmann); LG Berlin AG 2000, 284, 285 (Aluminiumwerk Unna); LG Frankfurt WM 1987, 559, 561 (Hartmann & Braun); LG Hannover AG 1977, 346, 346 f. (Ilseder Hütte AG/Salzgitter Hüttenwerke AG); Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 69; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 305 Rn. 23; Seetzen, WM 1994, 45, 46. 946 Dazu o. S. 158 ff. 947 Dazu Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 82. 948 Etwa N. Ott, WM 2008, 384, 390.

E) Sonstige Prinzipien

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ten. Bewertungsstichtag wäre der Tag der Antragstellung nach § 39a I 1 WpÜG, denn hierin liegt die Entsprechung zum Hauptversammlungsbeschluss in den übrigen Abfindungsfällen. Denkbar wäre auch, die Bewertung anhand der §§ 3 ff. WpÜG-AngebotsVO vorzunehmen949. Die besseren Argumente sprechen für eine Anwendung der allgemeinen Grundsätze. Zum einen reduziert man hierdurch den Bruch mit dem Stichtagsprinzip so weit wie möglich, zum anderen ergäben sich bei Anwendung der §§ 3 ff. WpÜG-AngebotsVO in praxi kaum Unterschiede zwischen dem Fall, in dem das Pflicht- oder Übernahmeangebot von 90% des vom Angebot betroffenen Grundkapitals angenommen wird, und den Fällen, in denen diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind. 2) Sonstiges Als Aufbauprinzip der §§ 291 ff. AktG kann schließlich festgehalten werden, dass das Gesetz, wenn es in den §§ 291 ff. AktG nur von »der Gesellschaft« spricht, immer die abhängige Gesellschaft meint – im Gegensatz zum »anderen Unternehmen« (§§ 291, 292 I Nr. 1 AktG), »anderen Vertragsteil« (§ 293 II AktG) oder »anderem« (§ 292 I Nr. 2, 3 AktG).950 Praktische Bedeutung gewinnt dieses Prinzip für die Auslegung des § 294 II AktG: Der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ist nur in das Handelsregister der abhängigen AG einzutragen951.

949

So Santelmann in Steinmeyer/Häger, WpÜG, 2. Aufl. 2007, § 39a Rn. 33 f. Vgl. zu dieser Sprachregelung des Gesetzes in anderem Zusammenhang BGH NJW 1979, 2103 (Stahlwerke Salzgitter-Peine). 951 AG Duisburg AG 1994, 568; AG Erfurt AG 1997, 275; Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 294 Rn. 12; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 294 Rn. 5; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 294 Rn. 5; Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 70 Rn. 55; Langenbucher in K. Schmidt/ Lutter, AktG, 2008, § 294 Rn. 2; Veil in Spindler/Stilz, AktG, 2007, § 294 Rn. 2; E. Vetter, AG 1994, 110, 111 f. A. A. LG Bonn AG 1993, 521, 521 f. (nicht mehr angesprochen in LG Bonn NJWRR 2000, 1639); Hommelhoff, Die Konzernleitungspflicht, 1982, S. 319 f.; U. H. Schneider in U. H. Schneider, Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge in der Praxis der GmbH, 1989, S. 7, 16 (GmbH); U. H. Schneider, WM 1986, 181, 187. Die Eintragungsfähigkeit im Handelsregister der herrschenden Gesellschaft bejahend LG Düsseldorf RNotZ 2001, 171 mit zust. Anm. Dorsemagen. 950

§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System Mit den vorangegangenen Überlegungen ist das Fundament gelegt, um in die Diskussion konkreter Einzelfragen einzusteigen. Hierbei geht es nicht nur darum, die bereits entwickelten Prinzipien und Wertungen auf spezielle Fälle zu konkretisieren, sondern auch darum, durch die Lösung spezieller Fragestellungen das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche fortzubilden1.

A) Ungeschriebene Abfindungsansprüche Eine lohnende Frage ist die nach der Existenz ungeschriebener Abfindungsansprüche. Diese Frage ist dogmatisch interessant, denn sie verlangt, den Haftungsgrund der Abfindungsansprüche auf konkrete Fallgestaltungen anzuwenden, die dabei herausgearbeiteten Prinzipien zu konkretisieren und dadurch mit Inhalt zu füllen. Praktische Bedeutung haben ungeschriebene Abfindungsansprüche – dies braucht kaum hervorgehoben zu werden – für die Planungs- und Finanzierungssicherheit von Unternehmen bei Strukturbeschlüssen.

I) Allgemeine Vorüberlegungen 1) Der allgemeine bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch Zuvor ist auf die Einordnung der Abfindungsansprüche in die Gruppe der privatrechtlichen Aufopferungsansprüche zurückzukommen 2 . Bereits 1958 entwickelte Hubmann die These des »allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Aufopferungsanspruchs«3 . Demnach darf »bei (. . .) Interessenkollisionen das überwiegende Interesse durch Eingriff in das geringere verfolgt werden, soweit dies unbedingt erforderlich ist. Der Verletzte kann jedoch Entschädigung für das ihm dadurch aufer-

1

Hierzu grundsätzlich o. S. 16. Dazu schon o. S. 155 ff. 3 Hubmann, JZ 1958, 489, 491 f.; Hubmann, JZ 1968, 66; vgl. auch schon Hubmann, AcP 155 (1955), 85, 129 ff. 2

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

legte Sonderopfer verlangen«4 . Diese These fand teilweise Gefolgschaft 5 , ganz überwiegend jedoch Ablehnung6 . Die überwiegende Ansicht hält ungeschriebene Aufopferungsansprüche zwar für möglich 7, will sie aber nur »in vorsichtiger Analogiebildung«8 zu vorhandenen Vorschriften anerkennen. Diese Analogie soll fallgruppenspezifisch erfolgen, orientiert an den gesetzlichen Fällen9. Die Theorie des allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Aufopferungsanspruchs lässt sich in der Tat nicht halten. Zunächst ist – gerade im vorliegenden Zusammenhang – darauf hinzuweisen, dass diese Theorie keine Aussage über den Haftungsgrund der Aufopferungsvorschriften enthält. Die Frage, wann eine entschädigungspflichtige Duldungspflicht und wann schon gar kein Eingriff in das Rechtsgut vorliegt, beantwortet nämlich auch diese Formel nicht, sondern abstrahiert hiervon auf die Wendung der »Unzumutbarkeit«10 . Zivilrechtsdogmatisch widerspricht die von Hubmann propagierte umfassende Einführung des Expropriationsgedankens11 dem Verschuldensprinzip des Deliktsrechts12 . Auch ist der Inter4

Hubmann, JZ 1958, 489, 492. Ansätze hierzu waren auch in der Rechtsprechung des Reichsgerichts erkennbar; s. insbesondere RGZ 122, 134, 136 f.: »Es ist an sich nicht ausgeschlossen, auch auf diesem Gebiete (dem Wasserrecht, Anm. d. Verf.) den allgemeinen Grundsatz anzuwenden, dass der Eigentümer, der aus höheren Interessen zur Aufopferung eines Privatrechts genötigt ist, hierfür Schadensersatz erhalten muss. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der angebliche Schädiger einen Eingriff in fremdes Eigentum vorgenommen hat, den der Eigentümer zu untersagen befugt gewesen wäre, wenn nicht höhere Interessen Duldung erforderten«. 5 Hemsen, Der allgemeine bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch, Jur. Diss. Hamburg 1962, S. 151 f.; Spyridakis, FS Sontis, 1967, 214, 247 ff. 6 Canaris, JZ 1971, 399; Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, 2. Aufl. 1996, Rn. 725 ff.; Deutsch, FS Steffen, 1995, 101, 104; Karsten, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog im System der Ausgleichsansprüche, 1998, S. 166 f.; Konzen, Aufopferung im Zivilrecht, 1969, S. 15 ff., 153; H. Roth in Roth/Lemke/Krohn, Der bürgerlichrechtliche Aufopferungsanspruch als Problem der Systemgerechtigkeit im Schadensersatzrecht, 2001, S. 1, 6; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts II, 12. Aufl. 1981, § 78, 7 = S. 739; L. SchulzeOsterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, 1980, S. 71 ff. 7 Und lehnt die These eines Enumerativsystems der Aufopferungsansprüche zutreffend ab, dazu schon o. S. 268 f. 8 Als Erster der Sache nach Konzen, Aufopferung im Zivilrecht, 1969, S. 164; vgl. ferner Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts II, 12. Aufl. 1981, § 78, 7 = S. 739; H. Roth in Roth/Lemke/ Krohn, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch als Problem der Systemgerechtigkeit im Schadensersatzrecht, 2001, S. 1, 7. Im Zusammenhang mit der Aufopferungshaftung für rechtswidrige, aber faktisch nicht abwehrbare Eingriffe Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, 2. Aufl. 1996, Rn. 724; Deutsch, FS Steffen, 1995, 101, 107. 9 Als erster wohl Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts II, 12. Aufl. 1981, § 78, 7 = S. 738 f.; zust. Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, 2. Aufl. 1996, Rn. 726; Deutsch, FS Steffen, 1995, 101, 108. 10 Zur Untauglichkeit solcher Formeln als Definition des Haftungsgrundes s. schon o. S. 199 ff. 11 Dazu M. Rümelin, Schadensersatz ohne Verschulden, 1910, S. 27 f. 12 Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, 2. Aufl. 1996, Rn. 719; Deutsch, FS Steffen, 1995, 101, 108; Konzen, Aufopferung im Zivilrecht, 1969, S. 156; zust. Karsten, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog im System der Ausgleichsansprüche, 1998, S. 166 f.; ferner H. Roth in Roth/Lemke/Krohn, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch als Problem der Systemgerechtigkeit im Schadensersatzrecht, 2001, S. 1, 6.

A) Ungeschriebene Abfi ndungsansprüche

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essenvorrang als allgemeiner Rechtfertigungsgrund nicht mit dem Enumerationssystem der gesetzlichen Rechtfertigungsgründe vereinbar13 . 2) Der allgemeine aktien- und umwandlungsrechtliche Abfindungsanspruch? Der Hubmann’schen Theorie vom allgemeinen Aufopferungsanspruch ähnlich ist die bereits vorgestellte Ansicht, die ein allgemeines Austrittsrecht aus wichtigem Grund in der AG anerkennen will14 . Nachdem dargelegt wurde, dass die Abfindungsnormen nicht als besondere Fälle eines allgemeinen Austrittsrechts aus wichtigem Grund einzuordnen sind15 , bleibt nun zu klären, ob überhaupt ein allgemeines Austrittsrecht neben dem Institut des Abfi ndungsanspruchs akzeptiert werden kann. Dagegen spricht zunächst, dass ein generalklauselartig gefasstes Austrittsrecht dem oben beschriebenen höchst differenzierten Programm des Gesetzgebers bei der Abgrenzung von Abfindungs- und Nichtabfindungsfällen zuwider läuft16 . Eine einheitliche Opfergrenze liegt dem Abfindungsrecht gerade nicht zugrunde17. Außerdem könnte ein allgemeines Austrittsrecht den sonstigen Wertungen des Systems zuwiderlaufen, etwa dem »Gegenleistungskonzept« oder dem Prinzip der Abfindungsfreiheit von formwahrender Verschmelzung und Spaltung. Schließlich würde ein allgemeines Austrittsrecht aus wichtigem Grund zu nicht hinnehmbarer Rechtsunsicherheit führen, denn niemand könnte voraussagen, wann eine Strukturänderung der Gesellschaft so erheblich ist, dass sie den Aktionären nicht mehr zugemutet werden kann. Dementsprechend hat der Gesetzgeber gerade darauf verzichtet, einen »allgemeinen Kündigungsgrund« im Sinne der Unzumutbarkeitsklausel festzuschreiben. Aus alledem folgt, dass im Anwendungsbereich der Abfindungsansprüche für ein allgemeines Austrittsrecht aus wichtigem Grund kein Platz ist18 . Der Anwendungsbereich der Abfindungsansprüche wird dadurch begrenzt, dass jeder Abfindungsanspruch einen Hauptversammlungsbeschluss (im Falle des § 39a WpÜG einen Antrag) voraussetzt19. Das allgemeine Austrittsrecht kommt also jedenfalls dann nicht zur Anwendung, wenn das auslösende Ereignis in einem strukturändernden Hauptversammlungsbeschluss liegen soll. Ob dem Austrittsrecht bei 13 Karsten, Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog im System der Ausgleichsansprüche, 1998, S. 167; Konzen, Aufopferung im Zivilrecht, 1969, S. 156; H. Roth in Roth/Lemke/Krohn, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch als Problem der Systemgerechtigkeit im Schadensersatzrecht, 2001, S. 1, 6. 14 S. o. S. 45 f. 15 S. o. S. 271. 16 Dazu o. S. 211 ff. 17 S. o. S. 214. 18 Für eine überschießende Exklusivität des Abfindungsrechts über seinen Anwendungsbereich hinaus lassen sich – ebenso wie bezüglich der Wertungen des UmwG [dazu o. S. 65 f.] – keine überzeugenden Argumente finden. 19 S. o. S. 271.

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

Unzumutbarkeit daneben ein relevanter Anwendungsbereich verbleibt, wird die folgende Untersuchung ergeben 20 .

II) Fälle ungeschriebener Abfindungsansprüche 1) Qualifiziert faktischer Konzern Diskutiert wird, ob die Schaffung eines sog. qualifiziert faktischen Konzerns Abfindungsansprüche zur Folge hat 21. Seit dem »Bremer Vulkan«-Urteil des BGH zur Haftungsverfassung des faktischen GmbH-Konzerns22 ist zweifelhaft, ob es die Rechtsfigur des qualifiziert-faktischen Konzerns als Institut der Konzernhaftung »noch gibt«23 . Dies kann hier dahinstehen, denn vorliegend geht es nur um die Frage nach Abfindungsansprüchen in Fällen besonders intensiver Einflussnahme des herrschenden Unternehmens auf die abhängige AG ohne Beherrschungsvertrag, die selbstverständlich auch nach der Bremer Vulkan-Entscheidung noch vorkommen 24 . Entsprechend der bisherigen Terminologie soll als qualifiziert-faktischer Konzern daher ein Zustand aufgefasst werden, in dem die Beeinflussung der AG durch das herrschende Unternehmen ein solches Maß erreicht, dass sich

20

S. noch u. S. 294 ff. Nicht thematisiert wird hier die Frage, ob die außenstehenden Aktionäre im qualifi ziertfaktischen Konzern Ausgleich analog § 304 AktG verlangen können. Diese Frage bejahend etwa Decher, Personelle Verflechtungen im Aktienkonzern, 1990, S. 118; Ebenroth, AG 1990, 188, 193; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2006, § 31 II 6 a = S. 447 f.; Säcker, ZHR 151 (1987), 59, 64; Sonnenschein in Mestmäcker/Behrens, Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, 1991, S. 49, 76; für die GmbH Emmerich in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, Anh. § 13 Rn. 125 (Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns gem. §§ 241 II, 242, 252, 280 I, 705 BGB i. V. m. § 287 ZPO). Dagegen Deilmann, Die Entstehung des qualifizierten faktischen Konzerns, 1990, S. 132; Drygala, GmbHR 2003, 729, 739; Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 69 Rn. 147; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 501; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 53 Rn. 62; Strohn, Die Verfassung der Aktiengesellschaft im faktischen Konzern, 1977, S. 11 f.; Wiedemann, Die Unternehmensgruppe im Privatrecht, 1988, S. 69, der a.a.O. ungeschriebene Abfindungsansprüche aufgrund des allgemeinen Austrittsrechts aus wichtigem Grund nur für die geschlossene AG bejaht und § 304 AktG für ein »typisches Instrument der Publikumsgesellschaft« hält. 22 BGHZ 149, 10 (Bremer Vulkan). S. mittlerweile freilich die durch BGHZ 173, 276 (Trihotel) geänderte Rechtsprechung. 23 Verneinend insbesondere Altmeppen, ZIP 2001, 1837 ff.; Altmeppen, NJW 2002, 321; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl. 2005, Anh. § 13 Rn. 144; Bitter, WM 2001, 2133, 2135; Drygala, GmbHR 2003, 729; Lutter/Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, Anh § 13 Rn. 26; Ulmer, ZIP 2001, 2021, 2022; a. A. K. Schmidt, NJW 2001, 3577, 3581; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, SchlAnhKonzernR Rn. 133. Der Begriff des qualifiziert-faktischen Konzerns dürfte zurückgehen auf Arbeitskreis GmbH-Reform, Thesen und Vorschläge zur GmbH-Reform, Bd. 2, 1972, S. 49 ff., 50. 24 LG Köln AG 2008, 327, 334 (Strabag); Hirte/Schall, Konzern 2006, 243, 253 ff.; für nicht notwendig zur Begründung des Minderheitenschutzes hält Drygala, GmbHR 2003, 729, 739 die Rechtsfigur des qualifiziert-faktischen Konzerns. 21

A) Ungeschriebene Abfi ndungsansprüche

291

die Minderheitsaktionäre gem. § 1004 BGB hiergegen wehren könnten 25 . Welche Voraussetzungen hierfür im einzelnen erforderlich sind, kann im vorliegenden Zusammenhang ausgeblendet werden. Die Frage, ob den Aktionären in einem solch intensiven Zustand der Abhängigkeit Abfindungsansprüche zustehen, ist vielfach erörtert worden. Überwiegend wird sie bejaht, wobei unterschiedliche Auffassungen darüber existieren, wann die Voraussetzungen eines qualifiziert faktischen Konzerns vorliegen 26 . Dogmatische Grundlage dieses Anspruchs soll eine Gesetzesanalogie zu § 305 AktG 27 oder

25 Zum Abwehranspruch der Aktionäre in diesen Fällen LG Köln AG 2008, 327, 334 (Strabag); Emmerich, AG 1991, 303, 306; Habersack, Die Mitgliedschaft – subjektives und »sonstiges« Recht, 1996, S. 334; Habersack, DStR 1998, 533, 536; Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 69 Rn. 147; Streyl, Zur konzernrechtlichen Problematik von Vorstands-Doppelmandanten, 1992, S. 103 ff.; Ulmer in Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1994, Anh. § 77 Rn. 166; zur Unzulässigkeit des »qualifiziert-faktischen Konzerns« auch OLG Hamm NJW 1987, 1030 (Banning); a. A. Decher, Personelle Verflechtungen im Aktienkonzern, 1990, S. 105 ff.; Decher, DB 1990, 2005, 2006 f.; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 311 Rn. 158 hält jedenfalls eine auf Unterlassung und Beseitigung gerichtete Klage für unmöglich. 26 Binnewies, Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, 1996, S. 366; Decher, Personelle Verflechtungen im Aktienkonzern, 1990, S. 117 ff.; Decher, DB 1990, 2005, 2007 f.; Deilmann, Die Entstehung des qualifizierten faktischen Konzerns, 1990, S. 131 f.; Ebenroth, AG 1990, 188, 193; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, Anh. § 317 Rn. 29; Eschenbruch, Konzernhaftung, 1996, Rn. 3420; Grunewald, FS Claussen, 1997, 103, 109; Hirte/Schall, Konzern 2006, 243, 254 f.; Knoll, Die Übernahme von Kapitalgesellschaften, 1992, S. 347; Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 69 Rn. 147; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2006, § 31 II 6 a = S. 447 f.; Kropff in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, Anh. zu § 317 Rn. 123; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, 1995, S. 206; Lutter in Lutter, 25 Jahre Aktiengesetz, 1991, S. 53, 74; Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 462; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 496 ff.; H.-F. Müller in Spindler/Stilz, AktG, 2007, Vor §§ 311–318 Rn. 34; Säcker, ZHR 151 (1987), 59, 64; Sonnenschein in Mestmäcker/Behrens, Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, 1991, 49, 77; Timm, NJW 1987, 977, 983 f.; Weigl, Die Haftung im (qualifizierten) faktischen Aktienkonzern, 1995, S. 220 f.; Wiedemann, ZGR 1978, 477, 492 (vgl. aber noch u. Fn. 34); Zöllner, GS Knobbe-Keuk, 1997, 369, 379 ff. Für die GmbH ist dies ebenfalls ganz herrschende Meinung, vgl. etwa Flaß, Ausgleichs- und Abfindungsansprüche der außenstehenden Gesellschafter im qualifiziert faktischen GmbH-Konzern, 2000, S. 195 (zusf.); Geuting, BB 1994, 365, 367 ff.; Emmerich in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, Anh. § 13 Rn. 125; Ulmer in Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1994, Anh. § 77 Rn. 167; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, SchlAnhKonzernR Rn. 89. 27 So Decher, Personelle Verflechtungen im Aktienkonzern, 1990, S. 118; Decher, DB 1990, 2005, 2006 f.; Deilmann, Die Entstehung des qualifizierten faktischen Konzerns, 1990, S. 131 f.; Ebenroth, AG 1990, 188, 193; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, Anh. § 317 Rn. 29; Eschenbruch, Konzernhaftung, 1996, Rn. 3420; Flaß, Ausgleichs- und Abfindungsansprüche der außenstehenden Gesellschafter im qualifiziert faktischen GmbHKonzern, 2000, S. 195; Geuting, BB 1994, 365, 367 ff.; Grunewald, FS Claussen, 1997, 103, 109; Hirte/Schall, Konzern 2006, 243, 254 f.; Knoll, Die Übernahme von Kapitalgesellschaften, 1992, S. 347; Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 69 Rn. 147; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, 1995, S. 206; Säcker, ZHR 151 (1987), 59, 64; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 200 f.; Sonnenschein in Mestmäcker/Behrens, Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, 1991, S. 49, 77; Timm, NJW 1987, 977, 984; Weigl, Die Haftung im (qualifizierten) faktischen Aktienkonzern, 1995, S. 221; Zöllner, GS

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

Rechtsanalogie zu den §§ 305, 320b AktG sein 28 ; teilweise wird der Anspruch auch aus der Treuepflicht abgeleitet 29, teils wird (zusätzlich) betont, es handele sich um einen Unterfall des Austrittsrechts aus wichtigem Grund30 . Arbeitet man mit § 305 AktG analog, wird der Abfindungsanspruch meist auf Barabfindung beschränkt 31. Anspruchsgegner soll nach überwiegender Ansicht das herrschende Unternehmen sein 32 , teilweise wird zusätzlich die abhängige AG genannt – insbesondere sofern man das Abfindungsrecht aus dem Austrittsrecht aus wichtigem Grund ableitet33 . Andererseits finden sich Stimmen, die einen entsprechenden Abfindungsanspruch verneinen 34 . Folgt man der Prämisse dieser Arbeit, und sieht man die Abfindungsansprüche als Aufopferungsansprüche an, muss man von diesen Ansprüchen die aufopferungsgleichen Ansprüche abgrenzen 35 . Beim qualifiziert-faktischen Konzern kommt nur ein solcher aufopferungsgleicher Anspruch in Betracht, denn die Schaffung eines qualifiziert faktischen Konzerns ist per definitionem rechtswidrig36 . De iure haben die Aktionäre einen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch gegen das Knobbe-Keuk, 1997, 369, 380; wohl auch Lieb, FS Lutter 2000, 1151, 1154. A. A. für die GmbH ausdrücklich Ulmer in Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1994, Anh. § 77 Rn. 167. 28 So Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 462 (für den damaligen § 320 AktG a. F.). 29 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 496 ff.; zuneigend Emmerich, AG 1991, 303, 306; ausdrücklich Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 462. 30 Eschenbruch, Konzernhaftung, 1996, Rn. 3420; für die GmbH Geuting, BB 1994, 365, 367; Ulmer in Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1994, Anh. § 77 Rn. 167; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, SchlAnhKonzernR Rn. 89. Dagegen Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 200 f. Zum Austrittsrecht aus wichtigem Grund schon o. S. 45 ff., 271, 287 f. 31 Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, Anh. § 317 Rn. 29; Eschenbruch, Konzernhaftung, 1996, Rn. 3420; Geuting, BB 1994, 365, 369 ff. (mit Ausnahme, falls alle Gesellschafter in die qualifiziert-faktische Konzernierung einwilligen); Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 69 Rn. 147; Kropff in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, Anh. zu § 317 Rn. 123; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 498; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 201 f.; Zöllner, GS Knobbe-Keuk, 1997, 369, 381. Im Ergebnis auch Ulmer in Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1994, Anh. § 77 Rn. 167, der sich allein auf das Austrittsrecht aus wichtigem Grund stützt. 32 Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, Anh. § 317 Rn. 29; für die GmbH: Geuting, BB 1994, 365, 370 f.; Ulmer in Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1994, Anh. § 77 Rn. 167; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, SchlAnhKonzernR Rn. 89. 33 Für die GmbH: Geuting, BB 1994, 365, 367; Ulmer in Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1994, Anh. § 77 Rn. 167. Zum Anspruchsverpflichteten beim Austrittsrecht aus wichtigem Grund s. schon o. S. 45 ff. 34 Lüttmann, Kontrollwechsel bei Aktiengesellschaften, 1992, S. 155 f.; Schwörer, NZG 2001, 550 ff.; Strohn, Die Verfassung der Aktiengesellschaft, 1976, S. 11 f. Für die Publikums-AG auch Wiedemann, Die Unternehmensgruppe im Privatrecht, 1988, 69 f. (vgl. aber o. Fn. 26). Für die GmbH Koppensteiner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, Anh. nach § 52 Rn. 80. Die Frage offenlassend OLG Stuttgart AG 2000, 428, 430 (Schwaben Zell/Hannover Papier); OLG Zweibrücken ZIP 2005, 948, 950 f. (Guano II). 35 Dazu o. S. 271. 36 S. schon o. Fn. 23.

A) Ungeschriebene Abfi ndungsansprüche

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herrschende Unternehmen 37. Ihr »Widerspruchsrecht« wird gerade nicht ausgeschlossen 38 . Ungeschriebene Abfindungsansprüche bedürfen daher einer besonderen Begründung39. Diese liegt beim aufopferungsgleichen Anspruch in einem argumentum a fortiori unter Hinweis auf die faktische Duldungspflicht des rechtswidrigen Zustandes40 . Sie kommt auch hier zum Zuge: Mit dem qualifiziert faktischen Konzern greift das herrschende Unternehmen in die Rechte der Aktionäre ein und schafft einen Zustand, der rechtmäßigerweise nur durch einen Beherrschungsvertrag geschaffen werden könnte41. Gleichwohl unterliegen die Aktionäre einer faktischen Duldungspflicht: Aufgrund ihrer begrenzten Informationsrechte können sie nur schwer erkennen, ob die Schwelle zum qualifiziert-faktischen Konzern überschritten ist bzw. der Mehrheitsaktionär dabei ist, diese Schwelle zu übertreten42 . Darüber hinaus kann man ihnen zumutbarerweise nicht das gesamte Prozessrisiko aufbürden, gegen den Mehrheitsaktionär eine Unterlassungs- oder Wiederherstellungsklage einzureichen43 . Schließlich ist die Klage auf Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands oftmals aussichtslos, weil dieser Zustand gar nicht wiederhergestellt werden kann44 . Gegen ungeschriebene Abfindungsansprüche spricht auch nicht das oben entwickelte Subsidiaritätsprinzip45 . Zwar scheiden demnach Abfindungsansprüche grundsätzlich aus, wenn schon der AG aufgrund des fraglichen Eingriffs Entschädigungsansprüche zustehen46 . Wesensmerkmal des qualifiziert-faktischen Konzerns ist jedoch gerade, dass das Schutzsystem der §§ 311 ff. AktG versagt, weil sich die schädlichen Eingriffe nicht mehr isolieren lassen47. Das oben genannte argumentum a fortiori ist daher auch hier angebracht. Ein Abfindungsanspruch ist nach den Grundsätzen über den aufopferungsgleichen Anspruch zu bejahen. Dogmatische Grundlage ist eine Gesetzesanalogie zu § 305 AktG, denn im qualifiziert faktischen Konzern werden die mit dem Beherrschungsvertrag vergleichbaren Folgen unter faktischem Duldungszwang rechts37

S. o. Fn. 23. Zu dieser schon vielfach zitierten Voraussetzung jedes Abfindungsanspruchs o. S. 172 ff. und öfter. 39 S. o. S. 171. 40 Dazu schon o. S. 171. 41 Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, Anh. § 317 Rn. 27. 42 Hommelhoff, 59. DJT, Gutachten G, S. 39. Vgl. auch Wiedemann, Die Unternehmensgruppe im Privatrecht, 1988, S. 68. 43 Hierzu Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 200. 44 Dazu etwa Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 200; Wiedemann, Die Unternehmensgruppe im Privatrecht, 1988, S. 46. 45 Dazu o. S. 234 f. 46 S. o. S. 234 f., daher etwa die Abfindungsfreiheit des einfach-faktischen Konzerns. 47 Grundlegend schon Mestmäcker, FG Kronstein, 1967, 129, 139 ff. Vgl. ansonsten etwa Martens, DB 1970, 865, 867; Stimpel in Hommelhoff/Semler/Doralt/G. H. Roth, Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, 1986, S. 39, 42 f.; Wiedemann, Die Unternehmensgruppe im Privatrecht, 1988, S. 46; Zöllner, GS Knobbe-Keuk, 1997, 369, 380. 38

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widrig herbeigeführt48 . Schuldner der Abfindung ist das herrschende Unternehmen. Unter den Voraussetzungen des § 305 II Nr. 1 AktG schuldet es konsequenterweise Abfindung in Aktien (Prinzip des Primärschutzes) 49. Hierin liegt keine unzumutbare Belastung, schließlich kann das herrschende Unternehmen das Entstehen des qualifiziert faktischen Konzerns voraussehen und steuern. Selbstverständlich können sich herrschendes Unternehmen und abfindungsberechtigte Aktionäre auf eine Barabfindung einigen. Bedeutung gewinnen die vorgenannten Grundsätze insbesondere in Fällen, in denen sich im Nachhinein herausstellt, dass der praktizierte Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag von Anfang an nichtig war50 . Selbst wenn die Grundsätze zur fehlerhaften Gesellschaft hier nicht eingreifen 51, ist stets zu prüfen, ob nicht ein »aufopferungsgleicher« Abfindungsanspruch analog § 305 AktG aufgrund eines »qualifiziert-faktischen Konzerns« besteht, so dass ein bereits eingeleitetes Spruchverfahren fortzuführen wäre 52 . 2) »Aktienrechtliches Sell-out« parallel zu § 327a AktG? In der Nähe des qualifiziert-faktischen Konzerns liegen Fälle, in denen ein Mehrheitsaktionär 95% der Stimmanteile besitzt, so dass er jederzeit einen Squeeze-out durchführen könnte. Hier stellt sich die Frage, ob die noch verbleibenden 5% Minderheitsaktionäre berechtigt sind, gegen Abfindung aus der AG auszuscheiden. Geregelt ist ein solches Recht mittlerweile durch § 39c WpÜG, das übernahmerechtliche Andienungsrecht. Diese Regel erfasst aber nur die an einem organisierten Markt notierte Aktiengesellschaft (§ 1 I WpÜG) und setzt voraus, dass zuvor ein Übernahme- oder Pflichtangebot unterbreitet wurde (§ 39c I 1 WpÜG). § 39c WpÜG erfasst daher insbesondere nicht den Fall, in dem das vermutlich 48

Fasst das Unternehmen einen Beschluss, mit dem die qualifiziert-faktische Konzernierung legitimiert werden soll, liegt hierin eine Änderung des Unternehmensgegenstands oder sogar -zwecks (Emmerich, AG 1991, 303, 306), so dass die auf S. 297 ff., S. 302 genannten Regeln zu einem Abfindungsanspruch der Minderheitsaktionäre führen. 49 Ebenso wohl Timm, NJW 1987, 977, 983 f.; Wiedemann, ZGR 1978, 477, 492 ff., die das vertragskonzernrechtliche Programm offenbar einschränkungslos übernehmen möchten. Zur Allgemeinheit des Prinzips des Primärschutzes o. S. 272 ff. Zum Wahlrecht im Falle des § 305 II Nr. 2 AktG s. noch u. S. 399 f. 50 Hierzu auch Hirte/Schall, Konzern 2006, 243, 255; ablehnend aufgrund der unbestimmten Voraussetzungen des »qualifiziert-faktischen Konzers« Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S. 177 f. 51 So etwa für den Fall eines nichtigen Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung OLG Zweibrücken ZIP 2004, 559 (Reginaris); zust. etwa Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 291 Rn. 21; s. auch Köhler, ZGR 1985, 307, 319 f.; Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 51 f.; a. A. Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 291 Rn. 207 ff.; Krieger, ZHR 158 (1994), 35, 37 f. 52 Zur Einschlägigkeit des Spruchverfahrens in den Fällen ungeschriebener Abfindungsansprüche noch u. S. 337; die Analogiefähigkeit des § 1 Nr. 1 SpruchG beim faktischen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag verneinend LG München I ZIP 2008, 242 (HVB/ Unicredit).

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höchste Bedürfnis nach einem Ausstieg besteht, die geschlossene Gesellschaft, in der ein Aktionär mit weniger als 5% Kapitalbeteiligung eingeschlossen ist. Eine überschießende Exklusivität (Sperrwirkung) für das Aktienrecht wird man § 39c WpÜG kaum zusprechen können. Die Norm beruht auf den Vorgaben der Übernahmerichtlinie, die ihrerseits nur Aktiengesellschaften erfasst, deren Anteile an einem geregelten Markt i. S. d. europäischen Kapitalmarktrechts53 gehandelt werden (Art. 1 I ÜbernahmeRiLi). Da die rechtsmethodische Figur der überschießenden Exklusivität tief in die Systematik des Gesetzes eingreift und nur ausnahmsweise bejaht werden darf54 , muss sie durch andere gute Gründe teleologischer oder historischer Art gerechtfertigt sein. Solche Argumente sind hier aber nicht ersichtlich. Weder enthalten die Gesetzgebungsmaterialien Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber des ÜbernRUmsG eine abschließende Regelung schaffen wollte, noch wäre eine solche Regelung teleologisch besonders überzeugend, da – wie erörtert – ein besonders hohes Schutzbedürfnis bei Aktionären geschlossener Gesellschaften besteht, die ihre Anteile mangels Übernahme- oder Pflichtangebot nicht veräußern konnten. Grundsätzlich ist der Weg für eine Gesetzes- oder Rechtsanalogie zu den geschriebenen Abfindungsrechten daher eröffnet. Trotzdem fehlt es für eine solche Analogie schon deshalb an einer hinreichenden Grundlage, weil in concreto weder ein Hauptversammlungsbeschluss gefasst wird noch ein Antrag wie im Falle des § 39a WpÜG gestellt wird, in dem sich der für alle Abfindungsansprüche charakteristische Usurpationskonflikt manifestiert55 . Auch für einen aufopferungsgleichen Anspruch entsprechend den Überlegungen zum qualifiziert-faktischen Konzern ist kein Platz, denn allein der Erwerb von 95% der Anteile führt zu keiner rechtswidrigen Beeinflussung. Hier stellt sich daher das Problem, ob dem Austrittsrecht aus wichtigem Grund ein Anwendungsbereich neben den Abfindungsansprüchen verbleibt56 . Soweit diese Frage überhaupt erörtert wird, wird sie bejaht 57. Dieser Ansicht ist zuzustimmen. Obwohl die Abfindungsansprüche nicht als Austrittsrechte aus wichtigem Grund aufgefasst werden können, sperren sie ebenso wenig wie die Vorschrift des § 39a WpÜG die Möglichkeit eines solchen Rechts. Da es hier nicht um einen Usurpationskonflikt im Sinne der Abfindungsvorschriften geht, ist schon der »Anwendungsbereich« des Abfindungsrechts nicht berührt. Eine überschießende Exklusivität darf der Gesamtheit der Abfindungsansprüche aber ebenso wenig zugemessen werden wie § 39a WpÜG. Ist ein Austrittsrecht aus wichtigem Grund daher neben den Abfindungsansprüchen denkbar, sollte es jedenfalls im hier vorliegenden Fall grundsätzlich bejaht werden, da dem Aktionär der Verbleib in der 53 Zum Begriff Klöhn in Langenbucher, Europarechtliche Bezüge des Privatrechts, 2. Aufl. 2008, § 6 Rn. 17 ff. 54 S. allgemein o. S. 63. 55 S. o. S. 271, 289. 56 Offen gelassen o. S. 289. 57 So schon Lutter, Die Rechte der Gesellschafter beim Abschluß fusionsähnlicher Unternehmensverbindungen, 1974, S. 21; de lege ferenda H. Hanau, NZG 2002, 1040, 1047.

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Gesellschaft grundsätzlich unzumutbar sein dürfte. Auf die Möglichkeit, seine Aktien am Kapitalmarkt zu veräußern, darf der Aktionär nicht verwiesen werden, weil ein solcher Markt in den meisten Fällen (außerhalb des § 39b WpÜG) nicht existiert. Auch wenn die Aktiengesellschaft börsennotiert ist, aber dem Erwerb der 95%igen Mehrheit kein Pflicht- oder Übernahmeangebot vorausging, ist typischerweise weder ein liquider Markt vorhanden noch hatte der Minderheitsaktionär die Möglichkeit, zuvor aus der Aktiengesellschaft auszusteigen. Den Minderheitsaktionären eine solche Ausstiegsmöglichkeit zu verschaffen, ist aber sachlich gerechtfertigt, weil so ein Gleichgewicht zwischen Mehrheits- und Minderheitsaktionären geschaffen wird: Der Mehrheitsaktionär kann die Minderheit jederzeit aus der AG ausschließen, die Minderheit kann ihre Aktien dem Mehrheitsaktionär andienen. Die Call-Option des Mehrheitsaktionärs wird durch eine Put-Option der Minderheit ergänzt 58 . Dies hilft auch über die bereits erwähnten rechtspolitischen Schwächen des Squeeze-out hinweg59 und mildert den Eingriff dieses Rechtsinstituts in das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Strukturwandlungen (Ausnahme vom Prinzip des Bestandsschutzes im weitesten Sinne) 60 . Die Minderheitsaktionäre haben nach alledem also immer dann ein Recht zum Austritt aus wichtigem Grund, wenn der Mehrheitsaktionär die 95%-Grenze des § 327a AktG überschreitet, ohne ein Pflicht- oder Übernahmeangebot abzugeben. Damit ist die bisher offen gelassene Frage beantwortet, ob dem Austrittsrecht aus wichtigem Grund überhaupt noch ein eigener Anwendungsbereich verbleibt 61. Die Rechtsfolgen dieses Austrittsrechts bestimmen sich – da es als Pendant zum Ausschlussrecht nach den §§ 327a ff. AktG entwickelt wurde – nach § 327b AktG analog. Das Prinzip des Primärschutzes gilt nicht. Hierfür spricht zum einen, dass das Austrittsrecht gerade an den Tatbestand des § 327a AktG anknüpft. Zum anderen würde die Zwangsabfindung in Aktien hier zu einem Kontrahierungszwang des Mehrheitsaktionärs führen, obwohl die Initiative zur Abfindung mangels Squeeze-out nicht von ihm ausging62 . Aus diesem Grund ist auch § 327b III AktG nicht auf das hier befürwortete Austrittsrecht anzuwenden. 3) Änderung des Unternehmensgegenstands Betrafen die vorherigen Fälle Abfindungs- bzw. Austrittssituationen, denen (typischerweise) kein Hauptversammlungsbeschluss zugrunde liegt, sollen nun Fälle im Vordergrund stehen, in denen ein solcher strukturändernder Beschluss gefasst wird. Zunächst soll dabei die Frage beantwortet werden, ob dissentierende Aktio-

58 Vgl. dazu Fleischer, ZGR 2002, 757, 773; Fleischer in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2007, Vor §§ 327a–f Rn. 13; Wenger/Kaserer/Hecker, ZBB 2001, 317, 323 m. w. N. 59 Fleischer, ZGR 2002, 757, 759 f., 768 ff. 60 S. o. S. 57 ff. 61 S. o. S. 289. 62 Hierzu schon o. S. 283.

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näre Abfindung verlangen können, wenn die AG ihren Unternehmensgegenstand ändert. a) Bedeutung des Unternehmensgegenstands Der Unternehmensgegenstand ist Satzungsgegenstand (§ 23 III Nr. 2 AktG) und hat hohe Bedeutung für jeden Aktionär. Einerseits ist der Vorstand gegenüber der AG verpflichtet, die Grenzen des Unternehmensgegenstands einzuhalten (§ 82 II AktG). Andererseits hat er im Rahmen seines Leitungsermesses (§ 76 AktG) die Pflicht, den Unternehmensgegenstand auszufüllen63 . Durch den Unternehmensgegenstand wird die Tätigkeit der AG für den Anleger also transparent und vorhersehbar. Wird der Unternehmensgegenstand geändert, zieht sich etwa ein Stromerzeuger aus dem Kernenergiegeschäft zurück64 , kann sich dies ebenso stark auf den Börsenkurs auswirken wie, die Auflösung der AG oder die Änderung ihrer Rechtsform. b) Abfindungspfl icht bei der Änderung des Unternehmensgegenstands Da der Unternehmensgegenstand Satzungsbestandteil ist, ist seine Änderung mit ¾-Mehrheit möglich (§ 179 I u. II AktG) 65 . Ob der Beschluss ungeschriebene Abfindungsansprüche auslöst, ist umstritten. Teils werden dem Aktionär jegliche Abfindungsansprüche verwehrt66 , teilweise sollen ihm solche Ansprüche in Rechtsanalogie zu den §§ 29, 207 UmwG zustehen67. Teils wird die Rechtsanalogie zu den §§ 29, 207 UmwG damit begründet, dass der Unternehmensgegenstand ebenso »unmittelbar der Verwirklichung des Gesellschaftszwecks« diene wie die Rechtsform68 . Dies reicht zur Begründung der Analogie jedoch kaum aus. Erstens ist unklar, was sich hinter dieser »Unmittelbarkeit« verbergen soll. Zweitens verbieten sich allgemeine Aussagen über die Abfi ndungspflicht bei Änderung des Unternehmensgegenstands schon deshalb, weil es »die« Änderung des Unternehmensgegenstands gar nicht gibt. Ob sich ein Energieversorger aus dem Kernenergiegeschäft zurückzieht, ist etwas anderes als der Beschluss, neben dem Atomstromgeschäft noch im Bereich der erneuerbaren En63 Dazu Hommelhoff, Die Konzernleitungspflicht, 1982, S. 65 ff.; Tieves, Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft, 1998, S. 300 ff.; Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze, 1980, S. 24; Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1, 15; s. für die Genossenschaft auch BGHZ 53, 1, 2: »Aufgabenbereich«. 64 Angelehnt an einen Fall der Hamburger Elektrizitäts-Werke (HEW); dazu Sonnenberg, Die Änderung des Gesellschaftszwecks, 1990, S. 76 f., 112 ff., Wiedemann in GK, § 179 Rn. 67; Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl.-Zöllner, § 243 Rn. 92 ff. Zu diesem Beispiel auch Mülbert, ZHR 165 (2001), 104, 139. 65 S. nur KG AG 2005, 91. 66 Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 3; Henze, FS Boujong, 1996, 233, 249 f.; Mülbert, ZHR 165 (2001), 104, 139; nicht näher problematisiert in OLG Düsseldorf WM 1994, 337 ff. 67 Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 208. 68 So Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 208.

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ergie tätig zu sein oder eine Kooperation mit Herstellern von Elektrogeräten einzugehen. Ob die Aktionäre, die der Gegenstandsänderung widersprechen, gegen Abfindung aus der AG ausscheiden dürfen, kann daher nur im Einzelfall entschieden werden. Bei der Änderung des Unternehmensgegenstands handelt es sich in der hier zugrunde gelegten Terminologie um einen Fall, in dem die Mehrheit vorübergehend das Stimmrecht der Minderheitsaktionäre usurpiert 69. Gibt der Energieversorger aus dem oben genannten Beispiel das Kernenergiegeschäft auf, zwingt die den Beschluss tragende Mehrheit die Minderheitsaktionäre dazu, ihr Kapital (wirtschaftlich gesehen) in eine AG zu investieren, die sie sich als Investitionsobjekt wahrscheinlich nicht ausgesucht hätten. Ob dies eine Maßnahme ist, der die Minderheitsaktionäre »eigentlich« widersprechen konnten, hängt davon ab, ob ihnen diese »andere« Gesellschaft als Investitionsobjekt unzumutbar ist 70 . Diese Frage entscheidet sich nicht aufgrund einer einheitlichen »Opfergrenze«, sondern anhand des oben herausgearbeiteten Konzepts für die Abgrenzung von abfindungspflichtigen und abfindungsfreien Strukturmaßnahmen71. Ein wesentliches Element dieses Konzepts sind vorrangige Schutzinstrumente (Subsidiaritätsprinzip) 72 . Zu denken ist im vorliegenden Zusammenhang insbesondere an die Treupflichtbindungen der Aktionärsmehrheit sowie an die materielle Beschlusskontrolle. Da es sich bei der Gegenstandsänderung um einen zweckgebundenen Beschluss handelt, sind die Regeln über die materielle Beschlusskontrolle grundsätzlich anwendbar 73 . Je schwieriger die Gegenstandsänderung zu beurteilen ist und je mehr unternehmerisches Ermessen man der Mehrheit bei dieser Entscheidung zubilligen muss74 , desto weniger Schlagkraft besitzt allerdings die Beschlusskontrolle und desto eher ist daher an Abfindungsrechte zu denken75 . Gegen Abfindungsansprüche spricht außerdem das Prinzip der Abfindungsfreiheit von formwahrender Verschmelzung und Spaltung. Trotz der detaillierten Regelung, die das Aktien- und Umwandlungsrecht über Grenzen dieses Prinzip enthält (§§ 305 II, 320b I 3 AktG, 29 I UmwG, ergänzt durch die §§ 7, 9 SEAG), taucht der Unternehmensgegenstand als Unterscheidungskriterium nicht auf. Wird eine AG auf eine andere AG verschmolzen, die einen völlig anderen Unternehmensgegenstand hat, so hat dies – zumindest nach dem Textbefund des geschriebenen Rechts – keine Abfindungspflicht zur Folge. Hier droht die Argumentation allerdings zirkulär zu werden, denn gesucht wird ja ein ungeschriebener Abfindungsanspruch. 69

S. o. S. 212 ff. S. o. S. 213. 71 Dazu o. S. 211 ff. 72 S. o. S. 234 f., 265 ff. 73 Dazu noch ausführlich u. S. 338 ff. 74 Zum unternehmerischen Ermessen als ein die materielle Beschlusskontrolle bestimmendes Element vgl. BGHZ 153, 47, 58 f. (Macrotron). 75 Dazu schon o. S. 221 f. 70

A) Ungeschriebene Abfi ndungsansprüche

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Vergleichbar mit dem abfindungsauslösenden Rechtsformwechsel ist die Gegenstandsänderung, wenn mit ihr ein ähnlicher Wegfall der Vertrauensbasis für die Investitionsentscheidung der Anleger verbunden ist76 . Hierfür kommt es zum einen auf die Bedeutung der Änderung an (wird der bisherige Unternehmensgegenstand ausgetauscht oder wird ihm nur ein weiteres Element hinzugefügt?), zum anderen darauf, ob mit dem Unternehmensgegenstand weitere besondere Rechtsfolgen einhergehen (dies steigert die Vergleichbarkeit mit dem Formwechsel). So sind Kreditinstitute etwa an besondere Rechnungslegungsvorschriften gebunden (§ 26 KWG) und müssen besondere Vorkehrungen für den Kapitalschutz treffen (§§ 10 ff. KWG); außerdem unterliegen sie staatlicher Aufsicht, was ebenfalls für die Investitionsentscheidung des Anlegers eine Rolle gespielt haben mag. Zieht sich also ein Kreditinstitut aus dem Bankgeschäft i. S. d. § 1 I 2 KWG zurück, wird man hier eher Abfindungsansprüche bejahen können, als wenn eine ohnehin als »Gemischtwarenladen« positionierte Konzernobergesellschaft eine weitere Unternehmenssparte eröffnet. Dass das KWG nicht (primär) dem Anlegerschutz dient, ist hierbei unerheblich, denn es geht nur um einen Ähnlichkeitsvergleich mit dem Formwechsel. Die anlegerschützende Wertung ist in den §§ 29 I 1, 1. Hs., 1. Fall, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG enthalten. Ein Argument pro Abfindungspflicht kann sein, dass die Änderung des Unternehmensgegenstands dazu dient, die AG noch stärker in ein faktisches Konzernverhältnis einzugliedern, etwa wenn die Gegenstandsänderung Kooperationen zwischen dem herrschenden Unternehmen und der abhängigen AG vorbereiten soll. In diesen Fällen rückt die Änderung des Unternehmensgegenstands in die Nähe des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags, weil sich das herrschende Unternehmen in die Position bringt, das Vermögen der abhängigen AG zu usurpieren77. Hiergegen spricht nicht zwingend die Abfindungsfreiheit der einfach-faktischen Unternehmensverbindung, denn immerhin bringen die Wertungen der §§ 35 WpÜG, 9 I 1, 2. Fall SEAG sowie der §§ 305 II Nr. 1 u. 2, 320b I 3 AktG insofern ein Misstrauen des Gesetzgebers gegenüber dem Schutzsystem der §§ 311 ff. AktG zum Ausdruck 78 . Da diese Normen aber lediglich Ausnahmen zur grundsätzlichen Abfindungsfreiheit der einfach-faktischen Unternehmensverbindung darstellen, muss stets zunächst geprüft werden, inwieweit die Einbußen hinreichend durch die §§ 311 ff. AktG abgefangen werden können (Subsidiaritätsprinzip). Aus alledem folgt, dass Abfindungsansprüche bei der Änderung des Unternehmensgegenstands weder pauschal verneint noch allgemein bejaht werden können. Angebracht ist eine differenzierende Betrachtung nach den soeben aufgezeigten Kriterien. Ein Abfindungsfall wäre demnach etwa gegeben, wenn der Mehrheitsaktionär den Unternehmensgegenstand eines Kreditinstituts so ändert, dass sich 76 77 78

Dazu grundsätzlich o. S. 263 ff. Zu diesem Haftungsgrund des § 305 AktG, s. o. S. 260 ff. S. schon o. S. 228 ff.

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die AG aus dem Kreditgeschäft zurückzieht und ihre Geschäftschancen auf ein anderes Konzernunternehmen übergeleitet werden sollen. Die Rechtsgrundlage der Abfindungspflicht in diesen Fällen ergibt sich aus einer Rechtsanalogie zu den §§ 305 AktG, 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG, da all diese Umwandlungsfälle Abfindung für vorübergehende Usurpation des Stimmrechts und den Zwang zur Investition des in der Aktie verkörperten Kapitals in eine wirtschaftlich andere Gesellschaft regeln, die dem Aktionär als Investitionsobjekt nicht zumutbar ist. c) Grenzen der Abfindung in Aktien Diese Wertungen sind auf die formwahrende Verschmelzung und Spaltung sowie die Abfindung in Aktien gem. §§ 305 II Nr. 1, 320b I 2 AktG zu übertragen. Ist der aufnehmende Rechtsträger, das herrschende Unternehmen oder die Hauptgesellschaft eine AG, deren Unternehmensgegenstand derart stark von dem der abhängigen bzw. eingegliederten der übertragenden AG abweicht, dürfen die dissentierenden Aktionäre nicht durch die Abfindung in diese Gesellschaft gedrängt werden. Stattdessen ist ihnen zusätzlich eine Barabfindung anzubieten. Diese Pflicht kann im Eingliederungsrecht auf § 320b I 3 AktG analog gestützt werden, im Vertragskonzern auf § 305 II Nr. 3 AktG analog. Bei der Verschmelzung und Spaltung bietet sich eine Rechtsanalogie zu diesen Vorschriften an, da sie Grenzen des Prinzips der Abfindungsfreiheit der formwahrenden Verschmelzung und Spaltung regeln. 4) Änderung des Gesellschaftszwecks Ein weiterer möglicher Abfindungsfall ist die Zweckänderung. Der Verbandszweck lässt sich grob beschreiben als das rechtlich verbindliche von allen Mitgliedern durch die Beteiligung am Verband verfolgte Ziel79. Ist der Verbandszweck einer AG nicht in der Satzung verankert, lautet er, Gewinne zu erzielen und an die Aktionäre weiterzugeben80 . a) Zustimmung aller Aktionäre? Wollen die Aktionäre den Zweck ihrer Gesellschaft ändern, stellt sich zunächst die Frage, ob hierzu die Zustimmung aller Aktionäre erforderlich ist oder ob der Beschluss von einer satzungsändernden Mehrheit gefasst werden kann. Die Zweckänderung könnte also kein Abfindungsfall sein, sondern sogar »oberhalb des Abfindungsrechts« liegen81.

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Vgl. Wiesner in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 9 Rn. 10. Vertiefend zum Begriff des Verbandszwecks K. Schmidt, BB 1987, 556 ff.; 80 Statt aller Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 3 I 3 a = S. 156, § 6 III 2 b vor aa = S. 337. 81 Hierzu o. S. 202.

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Die wohl herrschende Ansicht nimmt an, dass der Verbandszweck nur mit Zustimmung aller Aktionäre geändert werden könne 82 . Sie beruft sich vor allem auf § 33 I 2 BGB, der einen allgemeinen körperschaftlichen Grundsatz aufstelle 83 . Betont wird teilweise, dass § 33 I 2 BGB ein dispositiver Grundsatz sei (arg. ex § 40 BGB), so dass eine qualifizierte Mehrheit den Verbandszweck ändern könne, wenn eine entsprechende statutarische Zweckänderungsklausel existiere 84 . Demgegenüber meinen andere, der Verbandszweck der AG könne schon grundsätzlich mit satzungsändernder ¾-Mehrheit geändert werden, außer die Gesellschaftssatzung sehe höhere Anforderungen vor85 . Sie kann sich darauf berufen, dass mit der Liquidation (§§ 262 ff. AktG), der (Misch-)Verschmelzung und dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag Strukturmaßnahmen vorhanden sind, die den Gesellschaftszweck ändern und für die eine satzungsändernde Mehrheit ausreicht 86 . Auch sei das Einstimmigkeitsprinzip in der AG unzweckmäßig87. § 33 I 2 BGB schließlich sei eine Sondernorm zum Schutze der ideellen Ziele des Vereins88 und könne schon deshalb keinen zwingenden Grundsatz enthalten, weil er dispositiv sei89. Diese Argumente überzeugen. Warum dissentierende Aktionäre bei sonstigen Änderungen des Gesellschaftszwecks stärker geschützt sein sollen als bei Liquidation und Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, ist nicht ersichtlich. Vergleicht man die Zweckänderung mit den anderen Strukturmaßnahmen im »Bereich oberhalb des Abfindungsrechts«90 , kommt ergänzend hinzu, dass es sich bei diesen Maßnahmen meist um Fälle handelt, in denen der Eingriff gerade nicht durch eine Abfindung aufgefangen werden kann (Belastungsverbot, nicht in Geld bezifferbare Sonderrechte etc.) 91. Wird jedoch der Verbandszweck geändert – etwa von Gewinnerzielung zu karitativer Zweckrichtung – so droht dem Aktionär höchstens die Entwertung seiner Aktien, die durch eine Abfindung kompen82 Brändel in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992, § 3 Rn. 30; Hommelhoff, 59. DJT, Gutachten G, S. 35; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 179 Rn. 33; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 234 Fn. 362; Pleyer, AG 1959, 8, 10; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 206 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 4 II 3 a = S. 65; Wiesner in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 9 Rn. 10; Würdinger, Aktienrecht und das Recht der verbundenen Unternehmen, 4. Aufl. 1981, § 10 II 1 b = S. 41; Zöllner in Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1989, § 179 Rn. 113; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den Personenverbänden, 1963, S. 30. 83 Etwa K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 4 II 3 a = S. 65; Würdinger, Aktienrecht und das Recht der verbundenen Unternehmen, 4. Aufl. 1981, § 10 II 1 b = S. 41. 84 Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 207. 85 Sonnenberg, Die Änderung des Gesellschaftszwecks, 1990, S. 121 ff.; Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze, 1980, S. 31 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 3 I 3 a = S. 156 (vgl. aber auch Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1994, § 179 Rn. 7). 86 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 3 I 3 a = S. 156 f. 87 Sonnenberg, Die Änderung des Gesellschaftszwecks, 1990, S. 122; Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze, 1980, S. 31; Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1994, § 179 Rn. 56. 88 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 3 I 3 a = S. 156. 89 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 3 I 3 a = S. 156. 90 Dazu o. S. 246 ff. 91 Dazu o. S. 246 ff.

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siert werden könnte. Es sind somit keine zwingenden Gründe ersichtlich, die Änderung des Gesellschaftszwecks von der Zustimmung aller Aktionäre abhängig zu machen. b) Abfindungspfl ichtige Strukturmaßnahme Stattdessen haben die dissentierenden Aktionäre einen Abfindungsanspruch92 . § 179 II 1 AktG, der auf die Zweckänderung anwendbar ist, schließt insofern ein »eigentlich gebotenes« Zustimmungsrecht aus. Auch die Zweckänderung gehört zu den Abfindungsfällen, in denen die Aktionärsmehrheit vorübergehend das Stimmrecht der Minderheitsaktionäre usurpiert, um eine »andere« Gesellschaft zu gründen93 . Abfindungspflichtig ist nach dem Prinzip der Begünstigtenhaftung die AG, so dass es zu einer mittelbaren Begünstigtenhaftung der in ihr verbleibenden Aktionäre kommt94 . Dass die Minderheitsaktionäre bei der Zweckänderung dazu gezwungen werden, ihr Kapital (wirtschaftlich gesehen) in eine Gesellschaft zu investieren, die ihnen als Investitionsobjekt unzumutbar ist, ergibt sich daraus, dass der Gesellschaftszweck noch mehr als die Rechtsform entscheidungserhebliches Moment für die Investitionsentscheidung jedes Anlegers ist95 . Insofern greift die Zweckänderung ähnlich in die Mitgliedschaft ein wie der Formwechsel (§ 207 UmwG) und die Sitzverlegung der Europäischen Aktiengesellschaft (§ 12 SEAG). Wird der Zweck der Gewinnerzielung aufgehoben, kommt das von der Eingriffsintensität einem Gewinnabführungsvertrag gleich. Schließlich stellt der Gesellschaftszweck den wesentlichen Bezugspunkt für die Vorstands- und Aufsichtsratspflichten dar, so dass seine Änderung mit § 308 AktG vergleichbare Veränderungen zur Folge hat96 . Ein vorrangiges Schutzsystem zugunsten der dissentierenden Aktionäre ist nicht ersichtlich, so dass auch das Subsidiaritätsprinzip der Abfindungspflicht nicht entgegensteht. c) Ergebnis Die Zweckänderung bedarf nicht der Zustimmung aller Aktionäre, sondern ist mit satzungsändernder Mehrheit zulässig. Dissentierende Aktionäre haben jedoch einen Abfindungsanspruch gegen die AG in Rechtsanalogie zu §§ 207 UmwG, 12 SEAG 97. Inhaltlich ist er auf Barabfindung gerichtet. Diese Wertung gibt – ebenso 92 So auch Sonnenberg, Die Änderung des Gesellschaftszwecks, 1990, S. 153 ff. (der auf ein Austrittsrecht aus wichtigem Grund rekurriert); Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze, 1980, S. 34 (analog § 305 AktG, falls kein funktionierender Kapitalmarkt besteht); Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 6 III 2 b vor aa = S. 337; Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1994, § 179 Rn. 56. 93 Dazu o. S. 213. 94 Dazu o. S. 185 ff. 95 Dazu allgemein o. S. 263 ff. 96 Dazu o. S. 260 ff. 97 Denkbar wäre auch hier – ebenso wie bei der Änderung des Unternehmensgegenstands – auf eine Rechtsanalogie zu den §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG abzustellen, weil diese

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wie die Ausführungen zur Änderung des Unternehmensgegenstandes98 – gleichzeitig eine Grenze der grundsätzlich abfindungsfreien formwahrenden Verschmelzung und Spaltung an und ist daher auch auf die Abfindung in Aktien gem. §§ 305 II Nr. I, 320b I 2 AktG zu erstrecken. 5) Übertragende Aufl ösung Dass das geltende Recht bei der Übertragung des gesamten Vermögens keine Abfindungsansprüche vorsieht und solche Ansprüche systemfremd wären, wurde bereits oben gezeigt99. Ein Fall, in dem diese Aussage zweifelhaft ist und daher ungeschriebene Abfindungsansprüche diskutiert werden, ist die sog. übertragende Auflösung. a) Begriff und Einordnung Der Begriff der übertragenden Auflösung stammt wohl von Lutter und Drygala100 . Synonym wird von »auflösungsbedingter Übertragung«101, »Sale of assetssqueeze out«102 oder – in Anknüpfung an den »Präzedenzfall« (neuerer Zeit) des LG und OLG Stuttgart103 – von der »Moto-Meter-Methode« gesprochen104 . Unter übertragender Auflösung versteht man einen Vorgang, bei dem eine Gesellschaft ihr gesamtes Vermögen auf einen anderen Rechtsträger überträgt und liquidiert wird105 . Unerheblich ist, ob zuerst die Vermögensübertragung oder die Liquidation beschlossen wird106 . Aufnehmender Rechtsträger ist in praxi immer die Muttergesellschaft des übertragenden Rechtsträgers oder ein mit dieser verbundenes Unternehmen107. Für den Begriff der übertragenden Auflösung ist eine Gegenleistung

Abfindungsnormen die vorübergehende Aneignung des Stimmrechts zum Abschluss eines neuen Investmentkontrakts regeln. Im hier genannten Fall enthalten jedoch schon die §§ 207 UmwG, 12 SEAG die für die Analogie erforderliche Wertung und sind für sich genommen die spezielleren Normen. 98 S. o. S. 300. 99 S. o. S. 226 ff.: »Gegenleistungsprinzip«. 100 Lutter/Drygala, FS Kropff, 1997, 191 ff. 101 Wiedemann, ZGR 1999, 857, 860. 102 Wilhelm/Dreier, ZIP 2003, 1369; Martin Wolf, ZIP 2002, 153, 154 Fn. 10; ähnlich T. Peters, BB 1999, 801 (»Sale-of-asset Freezeout«); Land/Hasselbach, DB 2000, 557, 560 (»Asset Deal«), Richard/Weinheimer, BB 1999, 1613, 1615 (»Asset Sale«); eine leicht andere Transaktion stellt der von Peltzer, DB 1987, 973, 975 mitgeteilte »Multi Step Sale of Assets« dar (hier sollen mit dem Veräußerungserlös die Anteile der Minderheitsaktionäre gekauft oder eingezogen werden). 103 LG Stuttgart ZIP 1993, 514 (Moto Meter); OLG Stuttgart ZIP 1995, 1515 (Moto Meter I); OLG Stuttgart ZIP 1997, 362 (Moto Meter II). 104 Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 22 f.; Martin Wolf, ZIP 2002, 153, 154 Fn. 10. 105 Statt aller Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 29; Schnorbus, Gestaltungsfreiheit im Umwandlungsrecht, 2001, S. 61. 106 Dazu Henze, FS Peltzer, 2001, 181, 182 f. 107 Vgl. nur die Fallgestaltungen der bisher entschiedenen Fälle BGHZ 103, 184 (Linotype);

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typisch, jedoch nicht notwendig108 . Die Gegenleistung kann in bar erfolgen oder in Aktien bestehen. Sie wird im Zuge der Liquidation an die Gesellschafter verteilt (vgl. § 271 I AktG). Bei der übertragenden Auflösung handelt es sich um den klassischen Fall einer wirtschaftlichen Umwandlung109. Mit ihr können außerhalb des Umwandlungsgesetzes die Rechtsfolgen der Vermögensübertragung nach §§ 174 ff. UmwG oder der Verschmelzung unter Ausscheiden sämtlicher Minderheitsaktionäre erreicht werden. Die Brisanz der übertragenden Auflösung liegt darin, dass sie neben dem Squeeze-out ein Mittel darstellt, um Aktionäre gegen Barzahlung (den Preis für die Vermögensübertragung) aus der Gesellschaft auszuschließen. So hat auch das BVerfG in dem viel zitierten Moto-Meter-Nichtannahmebeschluss das verfassungsrechtliche Entschädigungsgebot auf die übertragende Auflösung angewandt110 . b) Problematik Kernfrage der übertragenden Auflösung ist, ob und inwieweit das gesetzliche Programm zur Wahrung der Aktionärsbelange nach § 179a AktG und den §§ 262 ff. AktG modifiziert werden muss, weil der atypische Fall der übertragenden Auflösung vorliegt111. Bereits oben wurde darauf hingewiesen, dass Schutz bei der Vermögensübertragung vor allem dadurch gewährt wird, dass die Aktionäre »in einem Boot sitzen«112 . Ist dies der Fall, sind alle daran interessiert, einen möglichst hohen Veräußerungserlös für das Gesellschaftsvermögen zu erzielen113 . Auf diese Belange sind auch Vorstand und Aufsichtsrat als Treuhänder der Aktionäre verpflichtet. Bei der übertragenden Auflösung ist dieses Konzept nicht durchführbar114 . In praxi ist Erwerber des Gesellschaftsvermögens – wie bereits erwähnt – entweder der Mehrheitsaktionär selbst oder ein mit diesem verbundenes Unternehmen. Der Mehrheitsaktionär der übertragenden AG ist nicht daran interessiert, einen möglichst hohen Veräußerungserlös zu erzielen, sondern beabsichtigt, das Gesellschaftsvermögen so günstig wie möglich zu erwerben, damit er die Kleinaktionäre so günstig wie möglich aus der AG »herauskaufen« kann. Während dem Aktionär beim Squeeze-out die Möglichkeit zusteht, den »Kaufpreis« im für ihn günstigen BayObLGZ 1998, 211 (Magna Media); OLG Stuttgart ZIP 1997, 362 (Moto Meter II); für die GmbH auch in BGHZ 76, 352. 108 Dazu schon Timm, ZGR 1987, 403, 434; zust. Lutter/Drygala, FS Kropff, 1997, 191, 203. 109 Dazu o. S. 61 ff. 110 Dazu schon o. S. 98. 111 Deutlich z. B. bei Lutter/Drygala, FS Kropff, 1997, 191, 195 f., 201. Im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht wird dieselbe Diskussion unter dem Stichwort der »de facto merger doctrine« geführt; Überblick dazu bei Bainbridge, Corporation Law and Economics, 2002, S. 645 ff.; Bauman/Weiss/Palmiter, Corporations Law and Policy, 5th Ed. 2003,S. 409 ff. 112 Dazu o. S. 226 ff. 113 Vgl. auch T. Bezzenberger, ZIP 2002, 1917, 1924. 114 Plastisch Henze, ZIP 1995, 1473, 1474.

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Spruchverfahren überprüfen zu lassen115 , fehlt ihm dieser Rechtsbehelf bei der übertragenden Auflösung. Auch läuft die Verpflichtung der Liquidatoren auf die Aktionärsinteressen leer, wenn der Veräußerungspreis schon kraft Hauptversammlungsbeschluss festgelegt wurde und der herrschende Aktionär im Liquidationsverfahren Einfluss auf die Liquidatoren nimmt116 . Zwar wird hiergegen eingewandt, dass sich aufgrund der Einberufungsfrist nach § 123 I AktG und der Bekanntmachungspflichten gem. § 124 AktG andere Aktionäre oder Dritte um den Erwerb des Vermögens bemühen könnten117. Dies ist aber ein eher theoretisches Szenario, das kaum jemals in der Praxis vorkommen wird118 . c) Entwicklung der Rechtsprechung119 Der – soweit ersichtlich – erste Fall einer übertragenden Auflösung wurde höchstrichterlich für die GmbH entschieden120 . Aktienrechtlich begann die Entwicklung mit dem »Linotype«-Urteil des BGH aus dem Jahre 1988121. Hier lehnte es der BGH ab, »den für den Fall der rechtsändernden und verschmelzenden Umwandlung einer Aktiengesellschaft in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung vorgesehenen Minderheitenschutz« (zu dem auch Abfindungsansprüche gehörten) auf die übertragende Auflösung anzuwenden122 . Gegen Übervorteilung sei der Aktionär durch Schadensersatzansprüche und die Anfechtungsklage geschützt123 . Auch das OLG Stuttgart in seinem zweiten Moto-Meter-Beschluss124 sowie das

115 Zu den Vorteilen des Spruchstellenverfahrens vgl. etwa Martens, AG 2000, 301, 302; K. Schmidt, NZG 2003, 601, 603 (»gehört zu den besten Erfindungen der jüngeren Gesetzgebung«); s. auch Klöhn, AG 2002, 443, 451; a. A. Bauer, NZG 2000, 1214, 1215, dessen Ansicht aber keine Gefolgschaft gefunden hat. 116 Lutter/Drygala, FS Kropff, 1997, 191, 203; Rühland, WM 2002, 1957, 1964. Dies einräumend Henze, ZIP 1995, 1473, 1478. 117 Henze, ZIP 1995, 1473, 1478. 118 Vgl. Windbichler, EWiR 1998, 1057, 1058; ferner Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 451; Lutter/ Drygala, FS Kropff, 1997, 191, 204 f.; Wiedemann, JZ 1989, 447, 449. Auch Henze, ZIP 1995, 1473, 1478 räumt ein, dass Dritte am Erwerb des Gesellschaftsvermögens meist kein Interesse haben werden. Bei den dissentierenden Aktionären wird das Interesse aber nicht höher sein, ganz davon abgesehen fehlt ihnen in den allermeisten Fällen die Finanzkraft, um mit dem Mehrheitsaktionär mitzuhalten. 119 Hierzu auch Schnorbus, Gestaltungsfreiheit im Umwandlungsrecht, 2001, S. 61 ff. 120 BGHZ 76, 352. 121 BGHZ 103, 184 (Linotype). Dieses Urteil ist in erster Linie deshalb bekannt, weil der BGH hier ausdrücklich die Treuepflicht des Mehrheitsaktionärs gegenüber den anderen Aktionären anerkannte. 122 BGHZ 103, 184, 188 f. (Linotype). 123 Letztere kann insbesondere »entsprechend § 243 Abs. 2 AktG« darauf gestützt werden, dass der Mehrheitsaktionär durch Verhandlungen über den Erwerb des AG-Vermögens im Liquidationsverfahren seine Treuepflichten verletzt, BGHZ 103, 184, 193 ff. (Linotype). 124 OLG Stuttgart ZIP 1997, 362 (Moto Meter II). In der ersten Moto-Meter-Entscheidung des OLG Stuttgart ging es um die Anfechtung der zustimmenden Beschlüsse. Die Frage nach Abfindungsansprüchen wurde offen gelassen, vgl. OLG Stuttgart ZIP 1995, 1515, 1518 (Moto Meter I).

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Bayerische Oberste Landesgericht in seiner Magna-Media-Entscheidung125 lehnten Abfindungsansprüche unter Berufung auf eine abschließende Regelung der §§ 179a (bzw. § 361 AktG a. F.), 262 ff. AktG ab. Für Aufsehen sorgte dann der Beschluss des BVerfG in der Sache Moto Meter, in dem das Gericht trotz Nichtannahme der Verfassungsbeschwerden befand, die Urteile des OLG Stuttgart verletzten die beschwerdeführenden Aktionäre in ihrem Grundrecht aus Art. 14 GG: »Verfassungsrechtlich bedenklich ist es aber, dass das OLG weder im Anfechtungsverfahren noch in dem Verfahren, in dem der Bf. die Festsetzung einer angemessenen Abfindung beantragt hatte, geprüft hat, ob die Bekl. für ihr Gesellschaftsvermögen von der Mehrheitsaktionärin einen Preis erhalten hat, der dem Wert des arbeitenden Unternehmens entsprach. (. . .) Das durch Art. 14 I GG geschützte Recht des Bf., für den Verlust seiner Gesellschaftsbeteiligung wirtschaftlich voll kompensiert zu werden, war damit nicht hinreichend gesichert«126 .

Dies aufgreifend entschied das OLG Zweibrücken im Jahre 2005, dass den Minderheitsaktionären im Falle der übertragenden Auflösung kein im Spruchverfahren durchsetzbarer Abfindungsanspruch zustehe, sondern die Frage der vollen Entschädigung im Rahmen der Anfechtungsklage geklärt werden könne127. Das OLG Düsseldorf hielt die vom BVerfG für die übertragende Auflösung aufgestellten Grundsätze auf einen anders gelagerten Liquidationsfall für nicht übertragbar128 . In den vorliegenden Zusammenhang gehört schließlich das »Hoesch/Hoogovens«-Urteil des BGH aus dem Jahre 1981129. Hier ging es allerdings nur um eine »einfache« Vermögensübertragung im Rahmen einer komplizierten Fusion durch Einzelrechtsnachfolge. Der BGH stand Abfindungsansprüchen de lege ferenda aufgeschlossen gegenüber130 , hielt sie aber aufgrund der vorhandenen Regeln über die Vermögensübertragung grundsätzlich nicht für notwendig und ließ die Frage, ob bei einem unangemessen niedrigen Veräußerungserlös Abfindungsansprüche rechtsfortbildend anzuerkennen seien, schließlich offen131.

125

BayObLGZ 1998, 211, 214 (Magna Media). BVerfG NJW 2001, 279, 281 (Moto Meter). Zur verfassungsrechtlichen Bedeutung dieser Entscheidung vgl. ausführlich o. S. 79 ff. 127 OLG Zweibrücken ZIP 2005, 948, 950 (Guano II). 128 OLG Düsseldorf AG 2005, 771 (DSL Holding). In diesem Fall hielt die DSL Holding AG eine stille Beteiligung an der DSL Bank AG. Alleinige Aktionärin der DSL Bank war die Deutsche Post AG, die auch 81% der Anteile an der DSL Holding hielt. Die DSL Holding wurde auf die Deutsche Post verschmolzen, so dass sich die stille Beteiligung der DSL Holding an der Deutschen Post fortsetzte. Sodann wurde die DSL Holding liquidiert. Nach Ansicht der Anfechtungskläger handelte es sich hierbei um eine »versteckte Eingliederung«. 129 BGHZ 82, 188 (Hoesch/Hoogovens). 130 BGHZ 82, 188, 191 (Hoesch/Hoogovens). 131 BGHZ 82, 188, 191 ff., 193 (Hoesch/Hoogovens). 126

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d) Vorfragen132 Bevor man bei der übertragenden Auflösung zur Problematik der Abfindungsansprüche vordringt, muss man einige Vorfragen abschichten. Dies soll hier in der gebotenen Kürze geschehen. aa) Zulässigkeit der übertragenden Aufl ösung? Die erste Vorfrage lautet, ob die übertragende Auflösung überhaupt zulässig ist. So wurde diskutiert, ob § 179a AktG (bzw. dessen Vorgänger § 361 AktG) auf die Fallgestaltung der übertragenden Auflösung anwendbar ist oder ob in dessen Anwendung nicht eine unzulässige Umgehung des UmwG liege133 . Dies ist die Frage nach der überschießenden Exklusivität des UmwG. Sie wurde bereits oben verneint134 . bb) Ungeschriebene Mehrheitserfordernisse? Da die übertragende Auflösung eine Möglichkeit zum Ausschluss von Minderheitsaktionären darstellt135 , ist zweitens fraglich, welche Mehrheit für ihren Beschluss erforderlich sein soll. Neuer Diskussionsbedarf herrscht insbesondere seit der Einführung des Squeeze-out. Da der Gesetzgeber sowohl in § 320 I 1 AktG als auch in § 327a I 1 AktG sowie § 39a WpÜG den Ausschluss aus der AG nur mit 95%iger Mehrheit zulässt, fragt sich, ob darin ein allgemeines aktienrechtliches Prinzip enthalten ist, in dessen Licht § 179a AktG für die übertragende Auflösung ausgelegt werden muss. Schon vor Einführung des Squeeze-out wurde vertreten, die übertragende Umwandlung könne nur mit 95%iger Mehrheit vorgenommen werden136 . Diese Meinung erfährt nach Einführung der §§ 327a ff. AktG sowie §§ 39a f. WpÜG neue Unterstützung137. Andere sprechen sich gegen eine Übertragung der §§ 320 I 1, 327a I 1 AktG, 39a WpÜG aus138 . Das BVerfG hat diese Frage im Moto-Meter-Be132 Art. 31 der Verschmelzungsrichtlinie ist auf die übertragende Auflösung nicht anwendbar; dazu BayObLGZ 1998, 211, 218 f. (Magna Media); OLG Stuttgart ZIP 1995, 1515, 1518 (Moto Meter I); OLG Stuttgart ZIP 1997, 362, 363 (Moto Meter II); Schnorbus, Gestaltungsfreiheit im Umwandlungsrecht, 2001, S. 128 f.; s. auch schon Ganske, DB 1981, 1551, 1559 Fn. 65. 133 Hierzu Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 53 ff.; Rühland, Der Ausschluß von Minderheitsaktionären aus der Aktiengesellschaft (Squeeze-out), 2003, S. 83 ff.; Wilhelm/Dreier, ZIP 2003, 1369, 1371 ff. 134 S. o. S. 65 f. 135 S. o. S. 303. 136 Henze, FS Peltzer, 2001, 181, 189; Henze, BB 2001, 53, 57; Lutter/Drygala, FS Kropff, 1997, 191, 220 f.; Lutter/Leinekugel, ZIP 1999, 261, 263; Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 30, 67. Weniger streng Drygala, WuB II A § 179a AktG 1.01, 173: »eine geringere Minderheit, jedenfalls weniger als 10%«. 137 Hamann, Minderheitenschutz beim Squeeze-out-Beschluss, 2003, S. 143; Henze, Aktienrecht, 5. Aufl. 2002, Rn. 1044; von Morgen, WM 2003, 1553, 1555 f.; Moritz, »Squeeze-Out«: Der Ausschluss von Minderheitsaktionären nach §§ 327a ff. AktG, 2004, S. 47; Rühland, WM 2002, 1957, 1963; Wilhelm/Dreier, ZIP 2003, 1369, 1373 ff. (anders Wilhelm, FS Huber, 2006, 1019, 1030 Fn. 47). 138 Austmann in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 74 Rn. 8; Fleischer, ZGR 2002,

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schluss offen gelassen und bezieht seine Ausführungen auf Fälle einer »geringen« Anzahl an Minderheitsaktionären139. Gegen das 95%-Mehrheitserfordernis spricht zunächst, dass der Gesetzgeber darauf verzichtet hat, mit Einführung des Squeeze-out auch § 179a AktG zu ändern, obwohl ihm die »Moto-Meter-Problematik« bekannt war. Außerdem ist zu bedenken, dass die Rechte der mit mehr als fünf Prozent beteiligten Minderheit auch in anderen Strukturmaßnahmen, die mit ¾-Kapitalmehrheit beschlossen werden können, nicht absolut geschützt sind. Die fünfprozentige Minderheit kann veranlassen, dass Hauptversammlungen einberufen (§§ 122 I 1 AktG, 62 II 1 UmwG) und dass die Gegenstände zur Beschlussfassung einer Hauptversammlung bekannt gemacht werden (§ 122 II AktG), sie kann den Gewinnverwendungsbeschluss anfechten (§ 254 II 3, 1. Fall AktG), eine Sonderprüfung beantragen (§§ 142 II 1, 258 II 3 AktG), Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gem. §§ 147, 148 AktG geltend machen und verlangen, dass der Abwickler bei Liquidation per Gericht bestellt wird (§ 265 III 1 AktG) 140 . Auffällig an diesen Rechten ist bereits, dass sie schon einer genau mit fünf Prozent des Grundkapitals beteiligten Minderheit zustehen, in diesem Fall aber keinen Bestandsschutz gegen Mehrheitseingliederung und Squeeze-out genießen, weil gerade diese fünfprozentige Minderheit gegen ihren Willen aus der AG ausgeschlossen werden kann. Doch selbst , wenn man darauf abstellt, dass diese Rechte einer mit mehr als fünf Prozent beteiligten Minderheit zustehen, können diese Rechte durch andere Strukturentscheidungen mit ¾-Kapitalmehrheit entzogen oder entwertet werden. So sind die oben genannten Minderheitsrechte hinsichtlich der Gewinnverwendung und Sonderprüfung nutzlos, wenn ein Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen wird. Dass die Liquidationsabwickler vom Gericht bestellt werden, bringt den Minderheitsaktionären wenig, wenn das herrschende Unternehmen eines Beherrschungsvertrags vorher sein Weisungsrecht gem. § 308 AktG und die gelockerte Kapitalbindung nach § 291 III AktG dazu benutzt hat, die stillen Reserven der AG aufzuzehren141. Unterliegt die AG einem Beherrschungsvertrag, können die Minderheitsaktionäre kaum von den Rechten des § 122 I 1, II AktG profitieren, denn gem. § 308 AktG wird die Unternehmenspolitik vom herrschenden Unternehmen bestimmt. Dies alles erhellt, dass das geltende Aktienrecht gerade keinen absoluten Bestandsschutz der Rechte kennt, die einer Aktionärsminderheit von mehr als fünf Prozent zustehen. Mit Recht spricht das BVerfG davon, dass die Eingriffe aufgrund eines Beherrschungsvertrags dem »Verlust der Mitgliedschaft (!) wirt757, 788 f.; Henze, FS Wiedemann, 2002, 935, 953; Jakobs, Die Rechte des Minderheitsaktionärs beim aktienrechtlichen Squeeze-out, 2007, S. 51 ff.; Schnorbus in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, Vor §§ 327a–327f Rn. 7; Schwichtenberg, DStR 2001, 2075, 2082; M. Roth, NZG 2003, 998, 999; Rühland, WM 2002, 1957, 1958; Martin Wolf, ZIP 2002, 153, 155 ff.; so wohl auch LG Berlin DB 2003, 707, 708. 139 BVerfG NJW 2001, 279, 280 (Moto Meter). 140 Zu allem auch Rühland, WM 2002, 1957, 1961. 141 Hierzu schon BGHZ 135, 374, 377 f. (Guano) mit seinem Hinweis auf die Vorinstanz OLG Düsseldorf ZIP 1996, 1610, 1611 f. (Guano).

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schaftlich gleichsteht (Hervorhebung d. Verf.)«142 . Dieser wirtschaftliche Verlust der Mitgliedschaft kann aber schon mit ¾-Mehrheit herbeigeführt werden. Auch aus verfassungsrechtlichen Gründen kann man die oben genannte Mehrheitsanforderung daher nicht herleiten143 . Für das oben zur Diskussion gestellte Prinzip enthält das geltende Recht daher keine hinreichende Grundlage144 . Richtigerweise ist die übertragende Auflösung mit ¾-Kapitalmehrheit zulässig. e) Abgrenzung Schließlich muss man sich eine wichtige Abgrenzung verdeutlichen: Von der Frage nach Abfindungsansprüchen ist immer die Frage zu unterscheiden, ob die Vorschriften über das Spruchverfahren auf die übertragende Auflösung nicht angewendet werden können, um den angemessenen Veräußerungserlös zu bestimmen145 . Da der Veräußerungserlös im Liquidationsverfahren an die Aktionäre verteilt wird (§ 271 I AktG), könnte der Minderheitenschutz auch dadurch hinreichend verwirklicht werden, dass die Angemessenheit dieses Gegenwertes kontrolliert wird. f) Bestandsaufnahme Wie bereits erwähnt, hat der BGH die Frage nach Abfindungsansprüchen im Hoesch/Hoogovens-Urteil offen gelassen146 und im Linotype-Urteil verneint147. Dem folgt die landes- und oberlandesgerichtliche Rechtsprechung148 . In der Literatur ergibt sich ein zweigeteiltes Bild. Teils werden ungeschriebene Abfindungsansprüche bejaht149, teils wird sogar vertreten, unabhängig vom Sonderfall der 142 BVerfGE 100, 289, 303 (DAT/Altana); vgl. auch vorher schon BVerfGE 14, 263, 281 (Feldmühle) sowie danach BVerfG ZIP 1999, 1804, 1806 (Hartmann & Braun). 143 So aber Rühland, WM 2002, 1957, 1962 f. 144 Zu einem anderen Begründungsstrang zur Widerlegung eines solchen Prinzips vgl. Martin Wolf, ZIP 2002, 153, 156 f. unter Berufung auf Mülberts Prinzip des rein vermögensmäßigen Aktionärsschutzes [dazu o. S. 57 ff]. Dagegen wiederum Rühland, WM 2002, 1957, 1961 f., dessen auf die Rechte der fünfprozentigen Minderheit abstellende Argumentation aus den oben genannten Gründen jedoch nicht überzeugen kann. 145 S. noch u. S. 310 ff. 146 BGHZ 82, 188, 193 (Hoesch/Hoogovens). 147 BGHZ 103, 184, 188 f. (Linotype). 148 BayObLGZ 1998, 211, 215 ff. (Magna Media); zu § 361 AktG a. F.: OLG Stuttgart ZIP 1997, 362, 363 (Moto Meter II); OLG Zweibrücken ZIP 2005, 948, 950 (Guano II). 149 Für das österreichische Recht: Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 509; erwägend Timm, JZ 1982, 403, 407 ff. Offen gelassen wird die Frage von Lutter/Leinekugel, ZIP 1999, 261 ff., die sich nur zu Verfahrensfragen äußern; ebenso Rühland, WM 2002, 1957, 1963 ff. (vgl. aber auch dessen Fn. 136: »allerdings«); Windbichler, AG 1981, 169; ferner Wiedemann, ZGR 1999, 857, 865 ff., der es jedenfalls für unzulässig hält, den Aktionär ohne ordnungsgemäßes und gerichtlich überprüfbares Verfahren aus der AG auszuschließen, aber offenlässt, ob dieses Verfahren einen Abfindungsanspruch oder den Veräußerungserlös für die Vermögensübertragung zum Gegenstand haben soll. Unklar noch Wiedemann, JZ 1989, 447, 449, nach dem »jedem Kleinaktionär in der Liquidation mindestens eine dem Maßstab des § 305 AktG entsprechende angemessene Abfi ndung garantiert sein« muss. Unklar ferner Martin Wolf, ZIP 2002, 153, 158 ff., der zwar eine »Trennung von materiell-rechtlichem Anspruch und Spruchstellverfahren« ablehnt, aber auch

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

übertragenden Auflösung habe die Übertragung des gesamten Vermögens ungeschriebene Abfindungsansprüche zur Folge150 . Überwiegend werden Abfindungsansprüche kategorisch abgelehnt151. g) Verfassungsrechtliche Seite Die Problematik der übertragenden Auflösung hat eine verfassungsrechtliche und eine einfach-gesetzliche Seite. Was zunächst die verfassungsrechtliche Seite angeht, wurde bereits oben darauf hingewiesen, dass das BVerfG zu Recht das verfassungsrechtliche Entschädigungsgebot auf die übertragende Auflösung anwendet152 . Trotzdem folgen allein aus dem verfassungsrechtlichen Entschädigungsgebot keine Abfindungsansprüche, ihm kann insbesondere auch dadurch genügt werden, dass etwa die Gegenleistung für die Vermögensübertragung im Rahmen der Anfechtungsklage gerichtlich kontrolliert wird153 . h) Einfach-gesetzliche Seite Ob ungeschriebene Abfindungsansprüche nach einfach-gesetzlichen Wertungen existieren, hängt nach dem hier vertretenen Ansatz von dem systemimmanenten Konzept ab, das der Unterscheidung zwischen Abfindungs- und Nichtabfindungsfällen zugrunde liegt154 . Dieser Ansatz führt direkt zur Kernproblematik der übertragenden Auflösung155 : Die Abfindungsfreiheit der Vermögensübertragung ist Teil des allgemeinen Konzeptes, den rein bestandsmäßigen Vermögenstausch abfindungsfrei zu lassen. Ebenso gut begründet ist die Abfindungsfreiheit der Liquidation156 . Die Frage der übertragenden Aufl ösung lautet aber gerade, inwieweit dieses Konzept durchbrochen werden muss. Verdeutlicht man sich diese Problematik, dann wird schnell klar, dass einige in der Diskussion immer wieder geäußerte Argumente nicht weiterführen: Das gilt zunächst für das Postulat, das Abwicklungsrecht sei abschließend157, für einen Abfindungsanspruch sei die »generelle Gefahr« einer wirtschaftlichen Schädigung nur von der Überprüfung des angebotenen Kaufpreises spricht und letztlich nur die Anwendbarkeit des Spruchverfahrens ausdrücklich bejaht. 150 So Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 179 Rn. 180; de lege ferenda Hommelhoff, ZGR 1993, 452, 472 f.; a. A. de Vries, Delisting, 2002, S. 118 (ohne weitere Begründung). 151 Dreher/Neumann, EWiR 1997, 197, 198; Henze, ZIP 1995, 1473, 1479; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 179a Rn. 12a; T. Peters, BB 1999, 801 804; Selzner, WiB 1997, 585; Sosnitza, NZG 1998, 1003; de Vries, Delisting, 2002, S. 118; Windbichler, EWiR 1998, 1057, 1058 (kein »Rechtsanspruch auf gerichtlich überprüfbare Abfindung«); auch Mülbert, ZHR 165 (2001), 104, 138 f.; inzident Henze, FS Peltzer, 2001, 181, 192 f. 152 S. o. S. 98. 153 S. o. S. 80 ff. und S. 103 ff. sowie- freilich mit anderer Begründung – OLG Zweibrücken ZIP 2005, 948, 950 (Guano II). 154 Dazu allgemein o. S. 211 ff. 155 Dazu schon o. S. 304. 156 Dazu o. S. 226 f. und S. 244. 157 Dreher/Neumann, EWiR 1997, 197, 198; s. auch Henze, ZIP 1995, 1473, 1478; Timm, JZ 1980, 661, 669.

A) Ungeschriebene Abfi ndungsansprüche

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der Minderheit erforderlich158 oder ein Abfindungsanspruch in Fällen der Liquidation passe »schon systematisch nicht zu einer Gesellschaftsauflösung«159. All diese »Argumente« behaupten nämlich, was zu beweisen wäre: dass die §§ 179a, 262 ff. AktG unmodifiziert auf die übertragende Auflösung anzuwenden sind. Interessanter ist dagegen die These, für ungeschriebene Abfindungsansprüche bestehe keine Gesetzeslücke160 . Wenn insoweit allerdings vorgetragen wird, der Gesetzgeber habe für die übertragende Auflösung keine Abfindungsansprüche vorgesehen, obwohl ihm die Problematik bekannt war161, lässt sich dem entgegnen, dass der Gesetzgeber das »Recht der Strukturentscheidungen« mit dem Umwandlungsrechtsbereinigungsgesetz 1994 gerade nicht umfassend regeln wollte162 . So findet sich zu § 361 AktG a. F. (die Vorgängervorschrift des § 179a AktG) die Feststellung, dieser sei »ein Fremdkörper« und habe »den wesentlichen Zweck (. . .), die Zuständigkeit der Hauptversammlung (. . .) zu begründen«163 . Eine abschließende Wirkung hinsichtlich des Minderheitenschutzes bei der übertragenden Auflösung schwebte dem Gesetzgeber also gerade nicht vor. Weiterführend ist demgegenüber – in der Diskussion, soweit ersichtlich, noch nicht geäußert – ein Blick auf § 302 II AktG. In dieser Norm hat der Gesetzgeber mit der konzerninternen Betriebspacht und -überlassung Fälle geregelt, die der übertragenden Auflösung in der Nomenklatur des oben aufgezeigten Systems entsprechen: Auch Betriebsüberlassungsverträge sind Strukturentscheidungen, bei denen das Gesetz die Interessen der Minderheitsaktionäre mit Hilfe des hier sog. »Gegenleistungskonzepts« zu verwirklichen sucht164 . Auch bei konzerninternen Betriebsüberlassungsverträgen besteht die Gefahr, dass dieses Konzept aufgrund gesetzesuntypischer Interessenkonflikte leer läuft. In diesem Fall entscheidet sich § 302 II AktG aber – und das ist wichtig – nicht dafür, das grundsätzlich verfolgte Gegenleistungskonzept aufzugeben, sondern sichert dieses nur durch eine Art »Nachschusspflicht auf die Gegenleistung« ab165 . Ob § 302 II AktG insoweit als verallgemeinerungsfähige, systemprägende Norm einzuordnen ist, bleibt dennoch zweifelhaft. Erstens gehört die Norm systematisch zum Ausgleichsanspruch nach § 302 AktG, also einer Norm, die in erster Linie Gläubigerschutz bezweckt166 . Zweitens ist § 302 II AktG die einzige Vorschrift im Unternehmensvertragsrecht, die spezielle Gefahren konzerninterner 158

BGHZ 82, 188, 193 (Hoesch/Hoogovens); zust. Dreher/Neumann, EWiR 1997, 197, 198. Bauer, NZG 2000, 1214 (allerdings ohne weitere Begründung). 160 So die These von BayObLGZ 1998, 211, 216 ff. (Magna Media); OLG Stuttgart ZIP 1997, 362, 363 (Moto Meter II); T. Peters, BB 1999, 801, 804; Schnorbus, Gestaltungsfreiheit im Umwandlungsrecht, 2001, S. 119 ff.; Sosnitza, NZG 1998, 1003. 161 BayObLGZ 1998, 211, 216 f. (Magna Media); OLG Stuttgart ZIP 1997, 362, 363 (Moto Meter II); Sosnitza, NZG 1998, 1003. 162 Zum Folgenden Lutter/Leinekugel, ZIP 1999, 261, 263 f. 163 Begr. FrakE UmwBerG, BT-Drucks. 12/6699, S. 177; dazu Lutter/Leinekugel, ZIP 1999, 261, 264. 164 S. nur o. S. 214 ff., 226 f. 165 Dazu schon o. S. 214 ff., 226 f. 166 Ausgleich für § 291 III AktG, dazu schon o. S. 216 ff. 159

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

»anderer« Unternehmensverträge i. S. d. § 292 AktG regelt, obwohl dieselben Gefahren bei allen anderen Formen dieser Unternehmensverträge drohen. Schließlich ist § 302 II AktG gar nicht darauf ausgerichtet, eine angemessene Gegenleistung zu gewähren, sondern konzentriert sich auf Verlustausgleich, ohne an der Höhe der Gegenleistung etwas zu ändern. Für Abfindungspflichten lassen sich eine Reihe von Argumenten aufzählen, die auch von den Gegnern eines Abfindungsanspruchs anerkannt werden167. So sind übertragende Auflösung, Eingliederung – und jetzt vor allem der Squeeze-out – austauschbare Instrumente, deren Ungleichbehandlung hinsichtlich der Minderheitsrechte nicht ohne Weiteres einleuchtet168 . Ebenso wenig wie bei den soeben genannten Maßnahmen besteht bei der übertragenden Auflösung die Gewähr, dass die Entschädigung der Aktionäre (in den oben genannten Maßnahmen die Abfindung, hier die Gegenleistung an die Gesellschaft) tatsächlich angemessen ist169. In vielen Fällen entspricht die Vermögensübertragung dem für den Beherrschungsvertrag charakteristischen Insichgeschäft170 , dessentwegen das Gesetz ein Spruchverfahren zum Schutze der Minderheitsaktionäre vorsieht. Die Schutzwürdigkeit der Kleinaktionäre ist in allen Fällen identisch. Allerdings ist es gerade charakteristisch für die Abgrenzung von abfindungsfreien und abfindungspflichtigen Maßnahmen, dass der in ähnlicher Weise gebotene Aktionärsschutz auf unterschiedliche Weise verwirklicht wird. So wusste der Gesetzgeber des AktG 1965, dass es konzerninterne Betriebsüberlassungsverträge gibt, ist aber trotzdem – insoweit enthält § 302 II AktG eine klare Aussage – von dem Gegenleistungskonzept nicht abgewichen. Das entscheidende Argument liefert daher das Subsidiaritätsprinzip. Bereits oben wurde darauf hingewiesen, dass Abfindungsansprüche dann nicht in Betracht kommen, wenn hinreichender Aktionärsschutz durch solche Mechanismen verwirklicht werden kann, die weniger stark in die Kapitalbindung der AG eingreifen171. Als ein solches Konzept steht nach dem oben Gesagten auch bei der übertragenden Auflösung das Gegenleistungskonzept zur Verfügung. Problematisch ist allein seine verfahrensmäßige Absicherung. Seit der BGH im Macrotron-Urteil die Analogiefähigkeit des Spruchverfahrens anerkannt172 und der Gesetzgeber des neuen SpruchG diese Auffassung ausdrücklich gebilligt hat173 , stehen der Anwendung des SpruchG

167

Vgl. insbesondere BayObLGZ 1998, 211, 216 (Magna Media). Vgl. insoweit Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 209; vgl. auch Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 30; einräumend BayObLGZ 1998, 211, 216 (Magna Media). 169 Vgl. mit Blick auf die Verschmelzung BayObLGZ 1998, 211, 216 (Magna Media). 170 S. o. S. 138 f. 171 S. o. S. 234 f. Dieser Gedanke gilt auch, wenn die AG selbst nicht abfi ndungspflichtig ist, aber Vermögen auf den denkbaren Abfindungsschuldner überträgt, dazu ebenfalls o. S. 234 f. 172 BGHZ 153, 47, 56 ff. (Macrotron). 173 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 15/838, S. 16. 168

A) Ungeschriebene Abfi ndungsansprüche

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auf die Kontrolle der Gegenleistung jedoch keine grundsätzlichen Bedenken entgegen174 . Aus den genannten Gründen ist sie zu bejahen175 . i) Ergebnis Die übertragende Auflösung ist nach alledem abfindungsfrei. Zur Kontrolle der Gegenleistung steht den dissentierenden Aktionären aber das Spruchverfahren in analoger Anwendung des SpruchG zur Verfügung. 6) Verschmelzung, Spaltung und Formwechsel durch Einzelrechtsnachfolge Ungeschriebene Abfindungsansprüche sind zu bejahen, wenn die formwechselnde oder zum Verlust der Börsennotierung führende Verschmelzung, Spaltung oder der Formwechsel außerhalb des UmwG im Wege der Einzelrechtsnachfolge durchgeführt werden176 . Für eine Abfindungspflicht sprechen in diesen Fällen alle Argumente, die den Haftungsgrund der §§ 29 I 1, 122i, 207 UmwG bilden. Wie die Überlegungen zur Ausstrahlungswirkung des UmwG ergeben haben, stellt die Gestaltungsfreiheit außerhalb des UmwG kein zwingendes Gegenargument dar. Vorschriften des UmwG dürfen analog auf wirtschaftliche Umwandlungen angewendet werden177. In den hier zu besprechenden Fällen sind keine Gründe ersichtlich, warum die wirtschaftlichen Umwandlungen nur deshalb anders behandelt werden sollten, weil sie im Wege der Einzelrechtsnachfolge vollzogen werden. 7) Totalrückzug von der Börse durch reguläres Delisting178 Das »Modethema der vergangenen Saison«179, das aufgrund des Macrotron-Urteils des BGH prompte Renaissance feierte180 , war der Total-Rückzug von der Börse 174

S. noch allgemein u. S. 337. Für die übertragende Auflösung ebenso vorher schon Drygala, WuB II A § 179a AktG 1.01, 173; Lutter/Leinekugel, ZIP 1999, 261, 266; Schwichtenberg, DStR 2001, 2075, 2078; a. A. BayObLGZ 1998, 211, 215 f. (Magna Media, trotz Bejahung der grundsätzlichen Analogiefähigkeit der Normen über das Spruchverfahren); OLG Stuttgart ZIP 1997, 362, 362 f. (Moto Meter II); Bauer, NZG 2000, 1214, 1215; Henze, FS Peltzer, 2001, 181, 193; Martens, FS Peltzer, 2001, 279, 298 (§ 243 II AktG, jedoch hinsichtlich Darlegungs- und Beweislast ans Spruchverfahren angenähert); ablehnend Lutter/Drygala, FS Kropff, 1997, 191, 199, 215; Schnorbus in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, Vor §§ 327a–327f Rn. 11; Schnorbus, Gestaltungsfreiheit im Umwandlungsrecht, 2001, S. 139 f. 175 A. A. inzident OLG Zweibrücken ZIP 2005, 948, 950 (Guano II): Höhe der Gegenleistung im Anfechtungsprozess überprüfbar. 176 So auch Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 228. Zu den Konstruktionen Schnorbus, Gestaltungsfreiheit im Umwandlungsrecht, 2001, S. 31 ff. 177 S. o. S. 69 ff. 178 Zum Parallelproblem, ob Inhaber von Anleihen, Genussrechten oder Partizipationsscheinen beim »Going private« ein Abfindungs- bzw. Lösungsrecht haben vgl. etwa Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 501; Siebel, ZGR 2002, 842 ff. 179 So Fleischer, ZGR 2002, 757, 766. 180 Vgl. Adolff/Tieves, BB 2003, 797; Bürgers, NJW 2003, 1642; Ekkenga, ZGR 2003, 878; Greyhalter/Gänßler, NZG 2003, 313; Heidel, DB 2003, 548; Holzborn, WM 2003, 1105; Klöhn,

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

(Going private) durch sog. reguläres Delisting auf Antrag des Emittenten181. In Zeiten schlecht laufender Kapitalmärkte ist der Rückzug von der Börse für viele Unternehmen eine Möglichkeit, die hohen Kosten, die je nach Segment mit der Notierung verbunden sind, durch einen Antrag auf Widerruf der Börsenzulassung gem. § 39 II 1 BörsG einzusparen. Die Anleger verlieren damit die Möglichkeit, ihre Aktien am institutionellen Kapitalmarkt zu veräußern. Was bleibt, sind außerbörsliche Handelssysteme, die in Deutschland erst allmählich genutzt werden182 , und der nicht spezifisch überwachte, sog. »graue Kapitalmarkt«. Wie stark die unmittelbaren wirtschaftlichen Einbußen der Aktionäre sind, lässt sich schwer sagen. So wird teilweise davon gesprochen, die Aktionäre würden durch das Delisting geradezu »eingemauert«183 . Andererseits stößt man auf Stellungnahmen, die von einem nennenswerten Handel mit Aktien auch nach dem Delisting sprechen184 . a) Die »Macrotron-Diskussion« Ob der vollständige Börsenrückzug Abfindungspflichten auslöst, war höchst umstritten. Aufgekommen ist der Streit im Verfahren »DSW/Ingram Macrotron«. Das LG München I sowie das OLG München sprachen sich gegen ungeschriebene Abfindungsansprüche aus185 , was in der Literatur teils Zustimmung fand186 , überwiegend jedoch abgelehnt wurde187. Mit einem Paukenschlag verpflichtete dann ZBB 2003, 208; Krämer/Theiß, AG 2003, 225; Lutter, JZ 2003, 684; Pfüller/Anders, NZG 2003, 459; Riehmer, BGHReport 2003, 438; Röhricht in VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2003, 2004, S. 1, 30 ff.; K. Schmidt, NZG 2003, 601; Streit, ZIP 2003, 392; Süßmann, BKR 2003, 157; Wilsing/Kruse, WM 2003, 1110. 181 Zum Parallelproblem, ob Inhaber von Anleihen, Genussrechten oder Partizipationsscheinen beim »Going private« ein Abfindungs- bzw. Lösungsrecht haben vgl. Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 501. 182 Zu den Erscheinungsformen außerbörslicher Handelssysteme Kumpan, Die Regulierung außerbörslicher Wertpapierhandelssysteme im deutschen, europäischen und US-amerikanischen Recht, 2006, S. 8 ff.; Schiemzik, Segmentwechsel börsenaktiver Unternehmen, 2005, S. 60 ff. 183 Lutter, FS Zöllner, 1998, 363, 380 f. 184 So Bungert, BB 2000, 53, 55, allerdings ohne Nachweise. 185 OLG München ZIP 2001, 700, 705 (Macrotron); LG München I ZIP 1999, 2017, 2021 (Macrotron). 186 Bungert, BB 2000, 53, 57 f.; Groß, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2002, §§ 42, 43 BörsG Rn. 21; Groß, ZHR 165 (2001), 141, 160 f.; Mülbert, ZHR 165 (2001), 104, 137 ff.; Steck, AG 1998, 460, 465; de Vries, Delisting, 2002, S. 121; ferner Kruse, NZG 2000, 1112, 1113 f.; Kruse, BB 2000, 2271 ff., der Rechtsschutz allein über den Verwaltungsrechtsweg gewähren will. Offen Regierungskommission Corporate Governance in Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rn. 168 sowie Holzborn/Schlößer, BKR 2002, 486, 487. 187 Pro Abfindungspflicht: Hellwig/Bormann, ZGR 2002, 465, 487 ff.; Hopt in Baumbach/ Hopt, HGB, 33. Aufl. 2008, § 39 BörsG Rn. 4; Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 500 f.; Kalss, wbl 2001, 366, 374; Hellwig, ZGR 1999, 781, 800; Kleindiek, FS Bezzenberger, 2000, 653, 655 ff.; Kleppe, Anlegerschutz beim Rückzug eines Unternehmens von der Börse, 2002, S. 198; Pluskat, WM 2002, 833, 835; Radtke, Delisting, Rückzug aus dem amtlichen Handel oder dem geregelten Markt auf Wunsch des Emittenten aus kapitalmarktrechtlicher Sicht, 1998, S. 87; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 216 f.; M. Weber, ZInsO 2001, 385, 390; Wilsing/

A) Ungeschriebene Abfi ndungsansprüche

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der BGH die AG oder ihren »Großaktionär« zur Abgabe eines Pflichtangebotes188 . Auch dies stießt auf Zustimmung189 und Ablehnung190 . Die neuere Rechtsprechung bestätigt die Linie des BGH und beschäftigt sich vor allem mit Folgefragen, etwa nach den Informationspflichten oder dem anschließenden Spruchverfahren191. Soweit ungeschriebene Abfindungsansprüche befürwortet wurden und werden, stützte und stützt man sich teils auf § 207 UmwG analog,192 teils auf eine Rechtsanalogie zu den §§ 29, 207 UmwG193 , den §§ 29, 207 UmwG, 305 AktG194 , den §§ 29, 207 UmwG, 320b AktG195 oder den §§ 305, 320b, 327b, AktG, 29, 207 UmwG196 . Auch auf das Institut des Austrittsrechts aus wichtigem Grund wird (zusätzlich)

Kruse, NZG 2002, 807, 811; Zetzsche, NZG 2000, 1065, 1068. De lege ferenda vorsichtig befürwortend Hopt/Baum in Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 287, 419 f.; Merkt in 64. DJT, Gutachten G, 2002, S. 113 f.; »eher als Forderung an das zukünftige Recht« Baums/Vogel in Lutter/Scheffler/Schneider, Handbuch der Konzernfinanzierung, 1998, Rn. 9.64. Daneben findet sich die Ansicht, der Vorstand sei verpflichtet, den Großaktionär zu einem angemessenen Abfindungsangebot zu drängen, sofern der Rückzug im überwiegenden Interesse eines Großaktionärs erfolgt, so Eickhoff, WM 1988, 1713, 1716. 188 BGHZ 153, 47, 56 ff. (Macrotron). 189 Benecke, WM 2004, 1122, 1125; Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 2. Aufl. 2008, § 35 Rn. 9; Lutter, JZ 2003, 684, 686; K. Schmidt, NZG 2003, 601, 603; Vetter, ZHR 168 (2004), 8, 23; Wilsing/Kruse, WM 2003, 1110, 1112; wohl auch Schlitt, ZIP 2004, 533, 536. 190 Etwa Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 800; Both, Delisting, 2006, S. 194; Ekkenga, ZGR 2003, 878, 902 ff.; Ernemann, Das Reguläre Delisting, 2006, S. 173 ff.; Geyrhalter/Zirngibl, DStR 2004, 1048, 1051; Gutte, Das reguläre Delisting von Aktien, 2006, S. 211; Klöhn, ZBB 2003, 208; Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 239 f.; Krolop, Der Rückzug vom organisierten Kapitalmarkt (Delisting), 2005, S. 189 ff.; Ott, Der Rückzug von der Börse, 2005, S. 289; Reiff, Gesellschaftsrechtliche Aspekte des regulären Delistings, 2004, S. 157 ff.; weiteren Diskussionsbedarf sieht Kümpel/ Hammen, Börsenrecht, 2. Aufl. 2003, S. 214. 191 BayObLGZ 2004, 200 (Knürr); BayObLGZ 2004, 346 (Macrotron); OLG Zweibrücken ZIP 2004, 1666 (Saint-Gobain ISOVER G + H); OLG Zweibrücken ZIP 2007, 2438 (Compu Group Holding); LG Hannover, AG 2008, 436; LG München I AG 2004, 393 (Macrotron). Aus der Literatur Geyrhalter/Zirngibl, DStR 2004, 1048; Kocher/Bedkowski, NZG 2008, 135; Krolop, NZG 2005, 546; Martinius/von Oppen, DB 2005, 212; Schiffer/Goetz, BB 2005, 453; zu strafrechtlichen Fragen Chr. Schlitt, NZG 2006, 925. 192 BayObLGZ 2004, 346, 355 (Macrotron); Grupp, Börseneintritt und Börsenaustritt, 1995, S. 202 ff. (der zusätzlich die mitgliedschaftliche Treuepfl icht heranzieht); M. Henze, Delisting, 2002, S. 171; Hellwig, ZGR 1999, 781, 800; Schanz, Börseneinführung, 2. Aufl. 2002, § 18 Rn. 30; Vollmer/Grupp, ZGR 1995, 459, 475 f.; M. Weber, ZInsO 2001, 385, 390; Zetzsche, NZG 2000, 1065, 1068. 193 Hellwig/Bormann, ZGR 2002, 465, 487 f. (»entsprechend den umwandlungsrechtlichen Vorschriften zur Ausgleichszahlung«); Kleindiek, FS Bezzenberger, 2000, 653, 655 ff.; Radtke, Delisting, Rückzug aus dem amtlichen Handel oder dem geregelten Markt auf Wunsch des Emittenten aus kapitalmarktrechtlicher Sicht, 1998, S. 87; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 216 f. 194 Kleppe, Anlegerschutz beim Rückzug eines Unternehmens von der Börse, 2002, S. 198; Schlitt, ZIP 2004, 533, 536. 195 Pluskat, WM 2002, 833, 835. 196 KG ZIP 2007, 2352, 2354; Benecke, WM 2004, 1122, 1125; dem auch zuneigend Streit, ZIP 2003, 392, 394.

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

rekurriert197. Der BGH deutete die dogmatische Ableitungsbasis seines »Pflichtangebots« höchstens an198 . b) Das Zweite Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes Seit dem 25. 4. 2007 gewährt § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG einen Anspruch auf Barabfindung, wenn eine börsennotierte auf eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft verschmolzen wird. Wie bereist erörtert, kommt es für den Begriff der Börsennotierung i. S. d. § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG nicht auf die rechtliche Beschaffenheit des Marktes an, sondern allein darauf, ob der Markt von Anfang an eine tatsächliche Veräußerungsmöglichkeit bot199. § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG gilt daher sowohl für Aktionäre, deren Anteile am organisierten Markt i. S. d. § 2 V WpHG (bzw. regulierten Markt i. S. d. BörsG) notieren als auch für solche, deren Anteile im Freiverkehr oder über ein multilaterales Handelssystem i. S. d. § 31 f. WpHG gehandelt werden. Ob § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG auf das reguläre Delisting zu übertragen ist, ist umstritten. Vor allem das OLG München lehnt dies in seiner »Lindner II«-Entscheidung ab200 . Dem wird man jedoch kaum zustimmen können. Zwar ist richtig, dass der Gesetzgeber eine dem § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG entsprechende Norm für das reguläre Delisting nicht geschaffen hat. Dies war aus seiner Sicht aufgrund der Macrotron-Entscheidung des BGH aber auch nicht notwendig. Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber des § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG einen abfindungsauslösenden Eingriff schon dann bejaht, wenn der Verlust der Börsennotierung die »tatsächliche Veräußerungsmöglichkeit erschwert«201. Hierfür macht es aber keinen Unterschied, ob die Börsennotierung i. S. d. § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG durch »kaltes« oder »reguläres« Delisting verloren geht. Da der Gesetzgeber im Fall des regulären Delisting einen Abfindungsanspruch offenbar wie selbstverständlich vorausgesetzt hat, der BGH dieses Recht in der Macrotron-Entscheidung aber nur im Wege einer (zweifelhaften 202) Verfassungsinterpretation gewann, ergibt sich wegen des Anwendungsvorrangs des einfachen Gesetzesrechts die für die Analogie erforderliche Lücke 203 . Beim regulären Delisting steht den dissentie-

197 Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 500 f.; Kalss in Semler/Stengel, UmwG, 2002, § 29 Rn. 16; Kalss, wbl 2001, 366, 374; vgl. auch Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 765. Für § 38 IV BörsG a. F. (= § 39 II BörsG n. F.) als Ableitungsbasis Wilsing/Kruse, WM 2003, 1110, 1112. 198 Zu einzelnen Konstruktionsmöglichkeiten für die Ansicht des BGH Klöhn, ZBB 2003, 208, 211 ff. 199 S. o. S. 237 ff. 200 OLG München ZIP 2008, 1137, 1140 (Lindner II). 201 Begr. RegE 2. UmwGÄndG, BT-Drucks. 16/2919, S. 25. 202 Kritisch zum verfassungsrechtlichen Entschädigungsgebot als Anspruchsgrundlage bereits o. S. 105 ff. sowie Klöhn, ZBB 2003, 208, 216 f.; zust. Brauer, Die Rechte der Aktionäre beim Börsengang und Börsenrückzug der Aktiengesellschaft, 2005, S. 217 ff.; Gutte, Das reguläre Delisting von Aktien, 2006, S. 196; Ott, Der Rückzug von der Börse, 2005, S. 289. 203 A. A. OLG München ZIP 2008, 1137, 1140 (Lindner II).

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renden Aktionären also ein Abfindungsanspruch gem. § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG analog zu. c) Auswirkungen auf die Abfindung in Aktien Da § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG eine Ausnahme vom Prinzip der Abfindungsfreiheit der formwahrenden Verschmelzung macht, und dieses Prinzip den §§ 305 II Nr. 1, 320b I 1 AktG zugrunde liegt, ist die Wertung des § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG auf diese Normen zu übertragen 204 . Wird die abhängige, i. S. d. § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG börsennotierte AG also in eine nicht börsennotierte AG eingegliedert, haben die ausgeschiedenen Aktionäre einen Anspruch auf Barabfindung oder Abfindug in Aktien der Hauptgesellschaft gem. § 320b I 3 AktG analog. Schließt eine solche AG als Untergesellschaft einen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag mit einer nicht börsennotierten AG, haben die außenstehenden Aktionäre einen Anspruch auf Barabfindung gem. § 305 II Nr. 3 AktG analog. 8) Segmentwechsel a) Bestandsaufnahme Eine kontrovers diskutierte Frage lautet, ob Aktionäre im Falle des bloßen Segmentwechsels einen Abfindungsanspruch haben. Im Präzedenzfall waren die Aktien der Lindner Holding KGaA seit 1991 an der Bayerischen Börse zum amtlichen Handel zugelassen und wurden bis zum 22. 7. 2005 im Freiverkehr der Frankfurter und Stuttgarter Börse gehandelt. Nachdem ein Squeeze-out-Beschluss wegen Rechtsmissbrauchs für unzulässig erklärt worden war, bewirkte die Gesellschaft den Widerruf ihrer Zulassung zum amtlichen Handel an der Bayerischen Börse. Fortan wurden ihre Aktien nur noch im Freiverkehr der Börsen Stuttgart und München (dort im Segment M:access) gehandelt. Die Gesellschaft fasste weder einen Hauptversammlungsbeschluss noch bot sie den Aktionären Abfindung an. Das LG München I 205 sowie das OLG München 206 billigten dieses Vorgehen. In der Literatur wurde diese Rechtsprechung teils begrüßt207, teils kritisiert 208 . Die Lösung erfordert eine Argumentation auf einfach-gesetzlicher [s. u. b)] sowie verfassungsrechtlicher Ebene [s. u. c)].

204 Ebenso für die Mehrheitseingliederung Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 320b Rn. 5; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 320b Rn. 6. 205 LG München ZIP 2007, 2143 (Lindner II). 206 OLG München ZIP 2008, 1137 (Lindner II). 207 Feldhaus, BB 2008, 1307; Goslar, EWiR 2008, 461, 462; Abfindungsansprüche nach »Macrotron-Grundsätzen« verneinend auch Schiemzik, Segmentwechsel börsenaktiver Unternehmen, 2005, S. 328 ff.; Schwichtenberg, AG 2005, 911, 913 ff.; zweifelnd Henze, FS Raiser, 2005, 145, 162. 208 Zur Vorinstanz Paefgen/Hörtig, WuB I G 7–1.08.

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b) Einfach-gesetzliche Seite Die entscheidende Wertung auf einfach-gesetzlicher Ebene enthält § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG. Schon oben wurde dargelegt, dass es für die Börsennotierung im Sinne dieser Vorschrift abweichend von § 3 II AktG nicht auf die rechtliche Qualität des Marktes ankommt, sondern nur darauf, ob der Markt eine tatsächliche Veräußerungsmöglichkeit bietet 209. Der bloße Segmentwechsel ist daher kein Wegfall der Börsennotierung i. S. d. § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG, sofern die Veräußerungsmöglichkeit im neuen Segment nicht rein theoretisch bleibt. Hierfür spricht zum einen die historische, auf die Gesetzesbegründung des § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG gestützte Auslegung, zum anderen eine systematische und objektiv-teleologische Betrachtung: Bleibt die Veräußerungsmöglichkeit bestehen, fehlt es an dem für jeden Abfindungsanspruch erforderlichen Eingriff in die Rechts- bzw. Vermögenssphäre der Aktionäre. Auf einfach-gesetzlicher Ebene spricht also gegen einen Abfindungsanspruch ein klares, aus § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG gewonnenes argumentum e contrario210 . Dieses wird dadurch unterstützt, dass es sich bei der Begrenzung des § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG auf Fälle des Totalverlusts der Börsennotierung um eine negative Wertung des UmwG handelt, der aufgrund der allgemeinen Argumente zur Ausstrahlungswirkung negativer Wertungen des UmwG ein besonderes Gewicht beizumessen ist211. Auch das obiter dictum des BGH im Macrotron-Urteil, wonach die Pflicht zur Abfindung beim regulären Delisting nicht dadurch ausgeschlossen werde, dass die Aktien weiterhin im Freiverkehr notieren 212 , spricht – wie dargelegt – nicht gegen die hier vertretene Interpretation des § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG213 . c) Verfassungsrechtliche Seite Ein Abfindungsanspruch ließe sich daher nur aufgrund einer vefassungskonformen Auslegung bzw. Rechtsfortbildung des einfachen Rechts gewinnen. Hier dürfte jedoch schnell Einigkeit darüber zu erzielen sein, dass selbst dann, wenn man die Börsennotierung der Aktie als Teil des Aktieneigentums ansieht 214 , im 209

S. o. S. 237 f. Genau entgegengesetzt Paefgen/Hörtig, WuB I G 7–1.08 sub. 2., die aufgrund eines anderen Verständnisses des Begriffs der Börsennotierung aus § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG einen verallgemeinerungsfähigen Rechtsgedanken gewinnen. 211 Dazu o. S. 74. 212 BGHZ 153, 47, 54 (Macrotron). 213 S. o. S. 237 f. 214 Dafür BGHZ 153, 47, 55 (Macrotron); dem folgend LG Köln ZIP 2004, 220, 221 (Rhenag Rheinische Energie AG); LG München I AG 2004, 393, 394 (Macrotron); LG München I AG 2004, 395; aus der Literatur etwa Funke, Minderheitenschutz im Aktienrecht beim »kalten« Delisting, 2005, S. 69 ff.; Engelbach, Das börsenrechtliche Marktentlassungsverfahren als Alternative zum kalten Delisting, Jur. Diss Kiel 2003, S. 48; Hellwig/Bormann, ZGR 2002, 465, 473; Kruse, NZG 2000, 1112, 1113; Süßmann, BKR 2003, 257, 258; inzident Streit, ZIP 2003, 392, 393. Dagegen OLG München ZIP 2001, 700, 705 (Macrotron); LG München I ZIP 1999, 2017, 2021 (Macrotron); Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 800 m. Fn. 61; Ekkenga, ZGR 2003, 878, 882 ff.; Hen210

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bloßen Segmentwechsel jedenfalls kein so tiefer Eingriff in das Aktieneigentum zu sehen ist, dass dieser nach den Grundsätzen zum »Abfindungsverfassungsrecht«215 nur mit Entschädigung zumutbar wäre, da die Veräußerungsmöglichkeit grundsätzlich auch in einem anderen Börsensegment bestehen bleibt. Ist dies nicht der Fall, ergibt sich der Abfindungsanspruch ebenso wie beim regulären Delisting bereits aus § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG analog216 . d) Ergebnis Der Segmentwechsel löst somit keine ungeschriebenen Abfindungsansprüche aus. 9) Börseneinführung Auch im spiegelbildlichen Fall des regulären Delisting – der Börseneinführung bzw. erstmaligen Notierung in einem multilateralen Handelssystem i. S. d. § 31f. WpHG – könnten Aktionäre das Bedürfnis haben, die Gesellschaft gegen Abfindung zu verlassen. Immerhin unterliegt die Gesellschaft zumindest im Falle der Börsennotierung i. S. d. § 3 II AktG fortan zahlreichen besonderen aktienrechtlichen Vorschriften (etwa §§ 67 VI 2, 110 III, 125 I 3, 130 I 3, 134 I 2, 161, 171 II 2, 328 III, 404 I 1 u. II 1 AktG), muss die nicht unerheblichen Kosten der Notierung tragen und ist einer höheren Gefahr öffentlicher Übernahmen ausgesetzt. Gleichwohl kommen Abfindungsansprüche hier nicht in Betracht 217. Dies ergibt sich zum einen aus einem Umkehrschluss zu § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall UmwG, der zwar den Verlust der Börsennotierung als hinreichenden Eingriff ansieht, den umgekehrten Fall der Börseneinführung aber gerade nicht. Unterstützt wird diese den Minderheitenschutz einschränkende Wertung durch die allgemeinen Ausführungen zur Ausstrahlungswirkung »negativer« Wertungen des UmwG218 . Zum anderen ist zu bedenken, dass Abfindungsansprüche nicht in Betracht kommen, wenn der Aktionär die Möglichkeit hat, seine Aktien ohne Werteinbuße am Markt zu veräußern. Während diese Möglichkeit in den geschriebenen Abfindungsfällen typischerweise nicht garantiert ist, wird die Börseneinführung gerade dadurch gekennzeichnet, dass die Veräußerungsmöglichkeiten der dissentierenden Aktionäre steigen. ze, FS Ulmer, 2003, 211, 241; Holzborn/Schlößer, BKR 2002, 486, 487; Klöhn, ZBB 2003, 208, 214 f.; Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 228 ff.; Krolop, Der Rückzug vom organisierten Kapitalmarkt (Delisting), 2005, S. 97; Martinius/Schiffer, DB 1999, 2460, 2462; Mülbert, ZHR 165 (2001), 104, 113 ff.; Ott, Der Rückzug von der Börse, 2005, S. 288; Schiemzik, Segmentwechsel börsenaktiver Unternehmen, 2005, S. 295; s. auch de Vries, Delisting, 2002, S. 115 f. 215 Dazu o. S. 80 ff. 216 S. o. S. 313 ff. 217 Ebenso Brauer; Die Rechte der Aktionäre beim Börsengang und Börsenrückzug der Aktiengesellschaft, 2005, S. 217 ff. 218 Dazu allgemein o. S. 74 f.

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

10) Umtausch von Vorzugs- in Stammaktien Keinen Abfindungsanspruch sieht das Gesetz nach seinem Textbefund vor, wenn Vorzugsaktien in Stammaktien umgewandelt werden, indem die Vorzüge per Hauptversammlungs- und Zustimmungsbeschluss der Vorzugsaktionäre abgeschafft werden (§§ 141 IV, 179 I, 23 II Nr. 2 AktG, 141 I AktG). Auch zu Entschädigungsansprüchen (wie etwa § 5 EGAktG) findet sich keine ausdrückliche Regelung. Vor allem um die Jahrtausendwende haben viele AGs ihre Vorzugsaktien aus kapitalmarktrechtlichen Gründen abgeschafft219. So lautet ein Kriterium der Frankfurter Wertpapierbörse für die Zuordnung eines Emittenten z. B. zu einem Index der Deutschen Börse AG, wie viele Aktien sich im Streubesitz (free fl oat) befinden. Soweit mehrere Aktiengattungen eines Emittenten die grundsätzlichen Aufnahmeanforderungen erfüllen, wird nur die größere bzw. liquidiere Aktiengattung in das Index-Portfolio aufgenommen 220 . Da viele Fonds ihre Anlagestrategie an den Indizes der Börse ausrichten, lohnt es sich für Emittenten eher, eine liquide Aktiengattung an den Markt zu bringen als zwei weniger liquide Gattungen. Da mit den Vorzugsaktien relativ wenig Handel getrieben wird und sich relativ wenige dieser Aktien im Streubesitz befinden, sahen und sehen sich die Börsengesellschaften genötigt, diese Aktiengattung abzuschaffen 221. Für diese Abschaffung bieten sich mehrere Wege an 222 . In der Praxis besonders verbreitet ist der freiwillige Umtausch von Stamm- in Vorzugsaktien im Verhältnis 1:1, so wie er in der Vergangenheit etwa auf Hauptversammlungen der MLP und SAP AG beschlossen wurde223 . Beschließt die Hauptversammlung einer AG, die Vorzugsaktien in Stammaktien umzuwandeln, müssen die Vorzugsaktionäre dieser Maßnahme nach § 141 I AktG zustimmen 224 . Allerdings gewährt § 141 I AktG den Vorzugsaktionären kein Individualzustimmungsrecht, sondern lässt eine ¾-Mehrheit ausreichen (§ 141 III 1, 2 AktG). Problematisch ist, ob man hierin den Ausschluss eines eigentlich gebotenen Zustimmungsrechts zu sehen hat, der ungeschriebene Abfindungsansprüche der Vorzugsaktionäre zur Folge haben müsste 225 . 219 Nachweise dazu bei Senger/Vogelmann, AG 2002, 193, 193 f.; Wirth/Arnold, ZGR 2002, 859, 861. 220 Ziff. 2.2.1.1 des Leitfadens zu den Aktienindizes der Deutschen Börse, Version 6.5., März 2008 (http://deutsche-boerse.com/INTERNET/EXCHANGE/zpd.nsf/KIR+Web+Publikationen/CPOL-5DVBPY/$FILE/Equity_L_6_5_d.pdf?OpenElement, zuletzt überprüft am 31. 7. 2008). 221 Ähnlich Senger/Vogelmann, AG 2002, 193; Wirth/Arnold, ZGR 2002, 859, 861 f. 222 Zu den hier nicht problematisierten Modellen Senger/Vogelmann, AG 2002, 193, 198 ff.; Wirth/Arnold, ZGR 2002, 859, 863 ff., 890 ff. 223 Senger/Vogelmann, AG 2002, 193. Zu weiteren Fällen, in denen ein solcher Umtausch beschlossen wurde Wirth/Arnold, ZGR 2002, 859, 867 mit Fn. 34. 224 Ganz h.M.; anders für den freiwilligen Umtausch von Vorzugs- in Stammaktien gegen Zuzahlung Altmeppen, NZG 2005, 771 ff. 225 Dazu o. S. 156 f. und öfter.

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Daneben stellt sich die Frage, ob die Stammaktionäre, die beim Umtauschbeschluss nach §§ 179 II 1, III, 138, 23 II Nr. 2 AktG überstimmt wurden, Abfindung oder Entschädigung verlangen können. Wird der Vorzug abgeschafft, verbriefen die umgewandelten Vorzugsaktien nunmehr Stimmrechte (§ 141 IV AktG). Damit sinkt die relative Stimmrechtsmacht der Stammaktionäre; ihr Stimmrecht wird verwässert 226 . Darüber hinaus haben die Stammaktionäre wirtschaftliche Einbußen hinzunehmen. Zu bedenken ist, dass Vorzugsaktien üblicherweise deutlich unter dem Wert von Stammaktien desselben Emittenten gehandelt werden 227. Werden die Vorzugsaktien in Stammaktien umgewandelt, so besteht für einen – aus welchem Grund auch immer angesetzten 228 – Abschlag auf den Börsenkurs kein Grund mehr. Kursdifferenzen werden eingeebnet, der Wert der Stammaktien sinkt infolge von Kapitalumschichtungen 229. In der Praxis zahlten die umwandlungswilligen Vorzugsaktionäre daher meist eine bereits im Umwandlungsbeschluss festgelegte Prämie in das Gesellschaftsvermögen, um die Kursdifferenzen auszugleichen 230 . Für das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche interessant ist daher auch die Frage, ob die Stammaktionäre Abfindung verlangen könnten, würden die Vorzugsaktionäre nicht durch den Umwandlungsbeschluss zur Zahlung einer Prämie verpflichtet. a) Abfindungsansprüche der Stammaktionäre Betrachtet werden soll zunächst das Entschädigungs- oder Abfindungsrecht der Stammaktionäre. Schon oben wurde gezeigt, dass Aktionäre gegen den Verlust relativer Stimmrechtsmacht, so wie im hier zu besprechenden Fall, nicht durch ein Widerspruchsrecht geschützt werden 231. Keine Aussage ist damit jedoch über die Möglichkeit von Abfindungsansprüchen getroffen. Dafür würde sprechen, dass den gem. §§ 179 II 1, III, 138, 23 II Nr. 2 AktG überstimmten Stammaktionären mit den oben beschriebenen Kursverlusten ein Risiko aufgedrängt würde, das sie durch die bewusste Investitionsentscheidung für die Stammaktie gerade vermeiden wollten. Die Einebnungen der Kursdifferenzen erscheint daher als Sozialisierung eines spezifischen Kursrisikos der Vorzugsaktionäre, als eine Quersubventionierung der Vorzugs- durch die Stammaktionäre, die wegen der oben genannten Investitionsentscheidung erstens ungerecht wäre und zweitens der Attraktivität des Kapitalmarktes schaden würde, weil dem 226

Dazu statt aller BGHZ 70, 117, 125 (Mannesmann). G. Bezzenberger in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 139 Rn. 8; T. Bezzenberger, Vorzugsaktien ohne Stimmrecht, 1991, S. 37 f.; Lutter, FS Mestmäcker, 1996, 943; Reckinger, AG 1983, 216, 221; Senger/Vogelmann, AG 2002, 193, 196; s. auch schon Kriebel, AG 1963, 175, 176 r.Sp. 228 Zu den Gründen der Unterbewertung sogleich. 229 Senger/Vogelmann, AG 2002, 193, 196; s. auch die Kursreaktion auf die Ankündigung des Umtauschs von Vorzugs- in Stammaktien im Falle der Metro AG: OLG Köln ZIP 2001, 2049 (Metro). 230 Altmeppen, NZG 2005, 771; so etwa im Falle von OLG Köln ZIP 2001, 2049 (Metro). 231 Dazu o. S. 255 f. 227

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

Anleger Möglichkeiten zur Risikobegrenzung und Anlagediversifizierung genommen würden. Dass die Stammaktionäre die Umwandlung der Vorzugsaktien selbst gem. §§ 179 II 1, III, 138, 23 II Nr. 2 AktG beschließen, wäre hiergegen kein durchdringender Einwand, denn bei der Abfindung geht es gerade um die Rechte der überstimmten Aktionäre232 . Pro Abfindung spricht schließlich, dass Stammund Vorzugsaktionäre nach wohl allgemeiner Meinung bei Eingliederung und Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags jedenfalls dann eine unterschiedliche Barabfindung erhalten müssen, wenn die Börsenkurse ihrer Aktien von einander abweichen 233 . Wenn also Vorzugsaktionäre eine geringere Barabfindung akzeptieren müssen, dann – so könnte man argumentieren – darf die Umwandlung von Vorzugs- in Stammaktien auch für die überstimmten Stammaktionäre nicht entschädigungsfrei sein. Gegen all diese Gründe ist jedoch zu bedenken, dass die Stammaktionäre bei der Abschaffung von Vorzugsaktien sehr wohl einen Ausgleich erhalten: Er liegt im Wegfall des Vorzugs und dem Recht der Vorzugsaktionäre auf Nachzahlung234 . Darüber hinaus verlieren die Vorzugsaktionäre in den meisten Fällen ihr Recht auf Mehrdividende, das Vorzugsaktien üblicherweise verbriefen 235 . Das Stimmrecht der Stammaktionäre wird also durch den Umwandlungsbeschluss zwar verwässert, ihr Gewinnbezugsrecht wird jedoch aufgewertet. Diese vorrangige Entschädigung steht ungeschriebenen Abfindungspflichten nach dem oben herausgearbeiteten Subsidiaritätsprinzip entgegen 236 . In dieser Subsidiarität liegt auch der entscheidende Unterschied zur Abschaffung von Mehrstimmrechten gem. § 5 II 1 EGAktG: Hier wird die Einbuße durch keinen anderen Mechanismus außerhalb von § 5 EGAktG kompensiert. Die Frage lautet daher, ob der soeben beschriebene Ausgleich ausreicht, um ungeschriebene Abfindungsansprüche nach dem Subsidiaritätsprinzip zu verneinen. Dafür lassen sich Stellungnahmen des Gesetzgebers anführen, die von der Gleichwertigkeit von Stamm- und Vorzugsaktien ausgehen 237. Diese Anschauung kommt auch in § 140 II 2 AktG zum Ausdruck, der die Vorzugsaktionäre dann Stammaktionären gleichstellt, wenn sie in zwei Jahren nicht den vollständigen Vorzugsbetrag erhalten haben (§ 140 II 1 AktG) 238 . Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die Stammaktionäre auch nicht verhindern können, dass die Voraussetzungen des § 140 II 1 AktG eintreten. Sie erhalten in diesem Fall weder Abfindung noch Entschädigung.

232

S. schon o. S. 156 ff., 172 ff. Dazu Krieger, FS Lutter, 2000, 497, 500; vgl. auch schon LG Frankfurt WM 1987, 559, 562 (Hartmann & Braun). 234 Wirth/Arnold, ZGR 2002, 859, 874. 235 Dazu nur Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 139 Rn. 8. 236 S. o. S. 234 f. 237 Vgl. zum AktG 1937 die Amtliche Gesetzesbegründung, Erste Beilage zum Reichs- und Staatsanzeiger Nr. 28 v. 4. 2. 1937, S. 2. 238 Dies als Gleichstellung auffassend auch Baums, AG 1994, 1, 6. 233

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Auch kann das oben genannte Argument nicht überzeugen, den Stammaktionären würde ohne Entschädigungsanspruch ein Kursrisiko aufgezwungen, dem sie gerade dadurch entgehen wollten, dass sie Stammaktien kauften. Sinken die Kurse der Stammaktien, weil die Vorzüge abgeschafft werden, so realisiert sich hierin nämlich ein Risiko, mit dem auch die Stammaktien von vornherein belastet waren. Die Umwandlung der Vorzugs- in Stammaktien geschieht, wie bereits oben erwähnt, hauptsächlich zu dem Zweck, den Kurs der Stammaktien langfristig zu schützen. Die Einbußen, die zu erwarten sind, wenn die AG zB aus einem Index der Deutschen Börse fällt, werden typischerweise höher sein als die Kurskorrekturen nach Umwandlung der Vorzugs- in Stammaktien. Dass die Kurse der Stammaktien ohne Abschaffung der Vorzugsaktien abzustürzen drohen, beruht wiederum auf der Index-Ermittlung durch die Deutsche Börse. Dies aber ist ein klassisches Anlagerisiko, das die Stammaktionäre tragen müssen und das ihnen durch einen Abfindungs- und Entschädigungsanspruch gerade nicht abgenommen werden soll 239. Wirtschaftswissenschaftliche Untersuchungen haben außerdem ergeben, dass der typischerweise niedrigere Wert der Vorzugsaktien zumindest auch darauf zurückzuführen ist, dass mit diesen Aktien weniger Handel getrieben wird als mit Stammaktien: Die Vorzugsaktien werden mit einem Liquiditätsabschlag bewertet, der auf höheren Transaktionskosten, den sog. Liquiditätskosten, beruht240 . Das bedeutet aber umgekehrt, dass die höhere Bewertung von Stammaktien oftmals Folge einer Kapitalumschichtung von Vorzugs- auf Stammaktien ist, die nach der Ausgabe der Vorzugsaktien einsetzt 241. Weil die Aktien schlechter verkauft werden können, steigen immer mehr Anleger auf Stammaktien um; die Vorzugsaktien entwickeln sich unterproportional, die Stammaktien überproportional 242 . Werden nun die Vorzugsaktien in Stammaktien umgewandelt, so wird Kapital in die genau entgegengesetzte Richtung umgeschichtet. Den Stammaktionären wird insofern nur genommen, was sie vorher aufgrund der Vorzugsaktien erlangt haben. Ob239

Zu dieser Prämisse des Haftungsgrunds vgl. schon o. S. 212 f. Kruse/Berg/Weber, ZBB 1993, 23, 29 f.; Reckinger, AG 1983, 216, 221; Senger/Vogelmann, AG 2002, 193, 205; vgl. auch Jung/Wachtler, AG 2001, 513, 517 f.; Pellens/Hildebrandt, AG 2001, 57, 63 Fn. 59. Der Kursunterschied zwischen Stamm- und Vorzugsaktien wird häufig (zusätzlich) auf eine unterschiedliche Bewertung von Stimm- und Gewinnbezugsrecht zurückgeführt (so T. Bezzenberger, Vorzugsaktien ohne Stimmrecht, 1991, S. 38; Krieger, FS Lutter, 2000, 497, 502; Reckinger, AG 1983, 216, 221; wohl auch G. Bezzenberger in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 139 Rn. 8; trotz ihres resignierenden Resümees auch Jung/Wachtler, AG 2001, 513, 518; vgl. auch schon Kriebel, AG 1963, 175, 176 r.Sp.). Diese Ansätze werden aber durch die Kursentwicklung der SAP-Vorzugsaktie widerlegt (dazu noch u. S. 325, sowie Senger/Vogelmann, AG 2002, 193, 205). Zu weiteren Erklärungsversuchen Binz/Sorg, DStR 1994, 993, 996 (Kundenberatung durch die Banken); Doerks, Der Kursunterschied zwischen Stamm- und Vorzugsaktien in der Bundesrepublik Deutschland, 1992, S. 263 (»psychologische Hemmschwelle gegenüber Vorzugsaktien«). 241 Vgl. auch Wirth/Arnold, ZGR 2002, 859, 870: »Dieser Wertabschlag (auf die Vorzugsaktien, Anm. d. Verf.) erhöht zwangsläufig den inneren Wert der Stammaktien«. 242 Vgl. Reckinger, AG 1983, 216, 221; zum Bekanntheitsgrad als Kursfaktor auch Senger/Vogelmann, AG 2002, 193, 205. 240

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

wohl diese Rechnung nicht immer punktgenau aufgehen mag, so verdeutlicht sie doch, dass allein die Vermögenseinbußen der Stammaktionäre keine besonderen Entschädigungspflichten rechtfertigen. Aus diesen Gründen ist das soeben geschilderte Konzept des Gesetzgebers auch mit Art. 14 I GG vereinbar243 . Die Regelung, wonach Vorzugsaktien gegen den Willen einzelner Stammaktionäre in Stammaktien umgewandelt werden können, wäre nur dann eine ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung, wenn sie ohne Entschädigung »nicht hinnehmbar« wäre 244 . Aus den oben genannten Gründen kann man dies aber gerade nicht sagen. Nach alledem gewährt das AktG den Stammaktionären bei der Abschaffung von Vorzugsaktien grundsätzlich keine Entschädigungs- oder Abfindungsansprüche245 . Sachlicher Grund hierfür ist neben den oben genannten Argumenten vor allem der »eingebaute Ausgleich«, den jeder Stammaktionär dadurch erhält, dass mit dem relativen Stimmrechtsverlust die relativen Gewinnbezugsrechte gestärkt werden (Subsidiaritätsprinzip). Dies zeigt zugleich die Grenze der Abfindungsfreiheit: Dort, wo der oben beschriebene »eingebaute Ausgleich« nicht wirkt, ist grundsätzlich Platz für Entschädigungspflichten. Dies ist der Fall, wenn die Vorzugsaktien mit Höchstdividenden ausgestattet sind und die von den Stammaktionären bezogene Dividende regelmäßig über dem Betrag dieser Höchstdividende liegt 246 . Ist zu erwarten, dass die AG über Jahre hinweg eine höhere Dividende ausschüttet, als die Vorzugsaktionäre verlangen können, stellen Vorzug und Recht auf Nachzahlung einen wertlosen »Vorteil« dar. Die Angleichung von Vorzugs- und Stammaktien enthält in diesem Fall daher keinen »eingebauten Ausgleich«. In diesem Fall sollte den überstimmten Stammaktionären daher ein Entschädigungsanspruch gewährt werden. Rechtsmethodisch bietet sich hierfür aus den oben genannten Gründen eine Gesetzesanalogie zu § 5 III 1 EGAktG an, wenngleich diese Norm den Verlust (auch) absoluter Stimmrechtsmacht regelt. Die oben genannten Überlegungen zum Grund der Überbewertung von Stammaktien (Umschichtungsvorgänge) können in diesem Fall bei der Ermittlung des Wertes der relativen Stimmrechtsmacht berücksichtigt werden 247. 243 Im Ergebnis ebenso Senger/Vogelmann, AG 2002, 193, 205 ff.; Wirth/Arnold, ZGR 2002, 859, 873 f. 244 Dazu ausführlich o. S. 95 f. 245 Zumindest teilweise auf dieser Linie liegt auch das Urteil OLG Köln ZIP 2001, 2049 (Metro), in dem das Gericht ausführt, beim Umtausch von Vorzugs- in Stammaktien seien Stammaktionäre »abschließend« (!) durch § 179 III AktG geschützt, und auch bei einem Abschlag von 17% auf den Preis der Stammaktien keine willkürliche Ungleichbehandlung i. S. d. § 53a AktG erkennt. 246 Ob solche Vorzugsaktien überhaupt geschaffen werden dürfen, ist allerdings umstritten, die h.M. hält dies jedoch für möglich (G. Bezzenberger in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 139 Rn. 17; T. Bezzenberger, Vorzugsaktien ohne Stimmrecht, 1991, S. 54 ff.; a. A. Zöllner in Kölner Kommentar zum AktG, 1973, § 139 Rn. 12). 247 Zum Bewertungsverfahren und den Bewertungsschwierigkeiten im Rahmen des § 5 II, III EGAktG vgl. allgemein die Nachweise u. S. 328 in Fn. 270.

A) Ungeschriebene Abfi ndungsansprüche

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b) Abfindungsansprüche der überstimmten Vorzugsaktionäre Dass auch Vorzugsaktionäre, die beim Zustimmungsbeschluss nach § 141 I AktG von der ¾-Mehrheit überstimmt werden, kein Recht auf Entschädigung oder Abfindung erhalten, bedarf nach dem oben Gesagten kaum einer Erklärung248 . Ihr vorrangiger Ausgleich besteht darin, dass sie gem. § 141 IV AktG Stimmrechte erhalten und darüber hinaus in den meisten Fällen von einer Aufwertung ihrer Aktien profitieren. Für sie stellt sich die Umwandlung eher als Wohltat denn als Übel dar. Doch auch wenn die Vorzugsaktien ausnahmsweise zu einem höheren Preis als die Stammaktien notieren – so wie dies bei der SAP AG der Fall war249 – muss der »eingebaute Ausgleich« entsprechend den obigen Ausführungen als Entschädigung ausreichen 250 . Ein Fall, in dem der aus § 141 IV AktG folgende Vorteil wertlos ist und in dem daher analog zu den oben geäußerten Gedanken Abfindungsansprüche zu diskutieren wären 251, ist nicht denkbar. c) Ergebnis Grundsätzlich steht weder überstimmten Stamm- noch außenstehenden Vorzugsaktionären bei der Umwandlung von Vorzugs- in Stammaktien ein Abfindungsoder Entschädigungsanspruch zu. Etwas anderes gilt hinsichtlich der Stammaktionäre in Gesetzesanalogie zu § 5 III 1 EGAktG, wenn die Vorzugsaktien eine Höchstdividende vorsehen und zu erwarten ist, dass die AG in den nächsten Jahren eine höhere Dividende an die Stammaktionäre ausschütten wird. d) Auswirkungen auf das Prinzip der Gattungsgleichheit Nach diesen Ergebnissen kann auch die bisher offen gelassene Frage beantwortet werden, ob Vorzugsaktionäre – bei voller Wertdeckung – gem. §§ 305 II Nr. 1 u. 2, 320b I 2 AktG mit Stammaktien abgefunden werden dürfen 252 . Zwei Fragen sind hier auseinander zu halten: (1) Ist eine Abfindung in Stammaktien überhaupt möglich? (2) Müssen die Vorzugsaktionäre der Abfindung in Stammaktien zustimmen? Bezüglich der Frage (1) vertritt die herrschende Meinung die Ansicht, dass Vorzugsaktionäre grundsätzlich mit Stammaktien abgefunden werden dürfen 253 . Nur 248 Den Umtausch für die Vorzugsaktionäre als abfindungsfrei ansehend auch T. Bezzenberger, Vorzugsaktien ohne Stimmrecht, 1991, S. 128; Wirth/Arnold, ZGR 2002, 859, 870. 249 Kursentwicklung der SAP-Aktie und Einebnung der Kursdifferenzen nach Bekanntgabe der Absicht, die Vorzüge abzuschaffen, schildern Senger/Vogelmann, AG 2002, 193, 196 f. 250 Den Mehrheitswillen der Vorzugsaktionäre (§ 141 I AktG) als Grund für die Entschädigungsfreiheit ansehend T. Bezzenberger, Vorzugsaktien ohne Stimmrecht, 1991, S. 128. 251 S. o. S. 321 ff. 252 Dazu o. S. 283. 253 Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 320b Rn. 7; Grunewald in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 320b Rn. 3; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 305 Rn. 11; Krieger, FS Lutter, 2000, 497, 512. Für die Anteilsgewährung bei der Verschmelzung Kiem, ZIP 1997, 1627, 1632 f.; Lutter/Drygala in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 5 Rn. 13.

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

bei Rechtsmissbrauch soll die Abfindung in Stammaktien unzulässig sein, so etwa wenn das einzige Ziel der Ausgabe stimmberechtigter Aktien darin liegt, die Quote eines bestimmten Aktionärs der abfindungspflichtigen Gesellschaft zu beschneiden 254 . Zwischen Stamm- und Vorzugsaktien bestehende Wertunterschiede sind dabei auszugleichen 255 . Diese Meinung wird jedoch auch angegriffen und gefordert, dass Vorzugsaktionäre immer in Vorzugsaktien abzufinden seien 256 . Soeben hat sich gezeigt, dass die Umwandlung von Vorzugs- in Stammaktien (ohne weitere Strukturveränderung der Gesellschaft) grundsätzlich abfindungsfrei ausgestaltet ist. Da somit die für den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag bzw. die Mehrheitseingliederung stimmenden Aktionäre den für die Umwandlung von Vorzugs- in Stammaktien notwendigen Hauptversammlungsbeschluss fassen könnten, muss auch die Abfindung der Vorzugsaktionäre in Stammaktien grundsätzlich möglich sein 257. Fraglich ist daher allein, ob die Vorzugsaktionäre diesem Beschluss mit ¾Mehrheit zustimmen müssen (§ 141 I, III AktG). Systemstimmig wäre es, die Frage zu bejahen, denn auch der (bloßen) Abschaffung ihrer Vorzüge müssen die Aktionäre gem. § 141 I AktG zustimmen. Wird die Abfindung gem. § 305 AktG geschuldet, so stellt allerdings § 293 I 4 AktG eine unüberwindbare Schwelle dar: Nach dieser Norm sind alle Vorschriften über Satzungsänderungen unanwendbar, daher scheidet auch eine Anwendung des § 141 I AktG auf die Zustimmung zum Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag aus (vgl. § 23 II Nr. 2 AktG) 258 . Diese Wertung muss a minori ad maius auf § 320b AktG übertragen werden, denn in diesem Fall wird wegen des Zwangsausschlusses das Bestandsinteresse der duldungspflichtigen Aktionäre schwächer geschützt als beim Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags. 11) Entschädigung bei der nachträglichen Einführung von Höchststimmrechten Ungeschriebene Entschädigungsansprüche kommen bei der nachträglichen Einführung von Höchststimmrechten zugunsten von Aktionären in Betracht, die vor der Einführung der Stimmrechtsbeschränkung über der jeweiligen Quote lagen. Die Diskussion hierüber begann, als einige große börsennotierte Aktiengesellschaften Mitte der 70er Jahre beschlossen, sich durch Höchststimmrechte gegen feindliche Übernahmen zu schützen 259. Sie fand ihren Höhepunkt in der »Mannes254

Grunewald in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 320b Rn. 3. So Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 320b Rn. 7. 256 Timm/Schöne, FS Kropff, 1997, 315, 329 f. Für die Anteilsgewährung bei der Verschmelzung Schilling in Großkomm. AktG, 3. Aufl. 1971, § 339 Anm. 8. 257 So auch die Argumentation von Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 305 Rn. 11. 258 T. Bezzenberger, Vorzugsaktien ohne Stimmrecht, 1991, S. 124; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 141 Rn. 6; W. Werner, AG 1971, 69, 70; Würdinger in Großkomm. AktG, 3. Aufl. 1971, § 293 Anm. 10 (unter Bezugnahme auf § 179 III AktG). 259 BASF AG, Bayer AG, Deutsche Bank AG, Mannesmann AG. Nachweise bei Schroeder, DB 1975, 246. 255

A) Ungeschriebene Abfi ndungsansprüche

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mann«-Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1977, in welcher der II. Senat entschied, dass die nachträgliche Einführung von Höchststimmrechten weder der Zustimmung der betroffenen Aktionäre bedürfe noch einen Entschädigungsanspruch zur Folge habe260 . Seit dem 1. 5. 1998 hat das Problem an praktischer Relevanz eingebüßt, weil der durch das KonTraG261 neu gefasste § 134 I 2 AktG die nachträgliche Einführung von Höchststimmrechten nur noch für nicht börsennotierte Aktiengesellschaften zulässt. Möglich bleibt die Einführung aber bei kapitalmarktfernen Gesellschaften sowie solchen, die im Freiverkehr notieren (§ 3 II AktG) 262 . In der Literatur werden nur vereinzelt ungeschriebene Abfindungsansprüche bejaht 263 . Teilweise findet sich die Ansicht, sie sei nur mit Zustimmung der betroffenen Aktionäre zulässig264 . Was die Frage nach dem Veto-Recht der betroffenen Aktionäre angeht, so hat sich bereits oben gezeigt, dass das Stimmrecht kein absolut entziehbares Recht ist 265 . Auch der in der Einführung von Höchststimmrechten liegende Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz ist durch ein kraft Gesetzes definiertes überwiegendes Interesse gerechtfertigt (arg. ex § 134 I 2 AktG) 266 . Das heißt jedoch nicht, dass die Aktionäre die nachträgliche Beschränkung ihres Stimmrechts entschädigungslos hinnehmen müssten. Pro Entschädigungspflicht spricht zunächst ein aus § 5 III 1 EGAktG gewonnenes argumentum a fortiori: Bestehen hiernach Entschädigungspflichten, wenn eine mit dem Prinzip »one share, one vote« unvereinbare Ungleichbehandlung rückgängig gemacht wird, könnte eine solche Pflicht erst recht bestehen, wenn per Mehrheitsbeschluss von dem Prinzip »one share, one vote« abgewichen wird. Auch andere Vorschriften zeigen, dass der Aktionär den Verlust von Stimmrechtsmacht nicht entschädigungslos hinzunehmen hat: Bei der Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts ist der Aktionär durch § 255 II AktG geschützt, bei der Umwandlung von Vorzugsaktien in Stammaktien liegt der »eingebaute Ausgleich«, wie oben gesehen, jedenfalls im Fortfall des Gewinnvorzugs 267. Bei der nachträglichen Einführung von Höchststimmrechten ist ein solcher vorrangiger Ausgleichsmechanismus freilich nicht zu erkennen, so dass man das Subsidiaritätsprinzip nicht gegen eine Entschädigungspflicht ins Feld führen kann 268 . Hier260

BGHZ 70, 117 (Mannesmann). Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom 27. 4. 1998, BGBl. I, S. 786. 262 Etwa Spindler in Spindler/Stilz, AktG, 2007, § 134 Rn. 12. 263 Zum alten § 134 I 2 AktG: Frhr. v. Falkenhausen, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mehrheitsherrschaft nach dem Recht der Kapitalgesellschaften (AG und GmbH), 1967, S. 221 f. 264 Zum alten § 134 I 2 AktG: Immenga, BB 1975, 1042, 1043; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den Personenverbänden, 1963, S. 123; Zöllner in Kölner Kommentar zum AktG, 1973, § 134 Rn. 46. Unter dem AktG 1937 s. auch schon H. Meilicke, JW 1937, 2430, 2431. 265 S. o. S. 255. 266 Dazu o. S. 256. 267 S. o. S. 321 ff. 268 Hierzu o. S. 234 f. 261

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

gegen spricht schließlich nicht, die nachträgliche Einführung von Höchststimmrechten führe lediglich zu einem Verlust von »im tatsächlichen Bereich liegenden Aussichten«, die keinen rechtlichen Schutz genießen würden 269, denn entschädigt werden nicht zukünftige Gewinnaussichten oder Veräußerungsmöglichkeiten, sondern das gegenwärtig existierende Stimmrecht. Analog § 5 III 1 EGAktG ist der Verlust der Stimmrechtsmacht daher zu entschädigen 270 . Schuldner muss nach dem Prinzip der Begünstigtenhaftung der Begünstigte des Entzugs sein. Dies sind die übrigen Aktionäre. Es greift somit das Prinzip der mittelbaren Begünstigtenhaftung: Die (wirtschaftliche) Entschädigungspflicht der übrigen Aktionäre wird durch die (rechtliche) Haftung der AG vermittelt 271. Problematisch ist allerdings, dass auch der betroffene Aktionär (mittelbar) haftet: Sinkt das Gesellschaftsvermögen, sinkt der Wert seiner Anteile. Dasselbe Problem taucht im Rahmen des § 5 EGAktG auf. Auch dort ist man der Meinung, »eigentlich« müssten die übrigen Aktionäre als Begünstigte der Mehrstimmrechtsentziehung haften, dies sei aber wegen der hohen Anzahl übriger Aktionäre nicht durchführbar272 . Auch aus diesem Dilemma weist jedoch das Prinzip der mittelbaren Begünstigtenhaftung den Weg. Die Entschädigungssumme ist so zu erhöhen, dass nach Abzug des vom Entschädigungsberechtigten zu tragenden Teils die »eigentlich gebotene« Ausgangssumme bestehen bleibt. Ergibt sich beispielsweise die Entschädigungssumme 100, und ist der entschädigungsberechtigte Großaktionär zu 25% am Kapital der AG beteiligt, so ist die Entschädigung auf 133.33 festzusetzen (100: ¾). Zahlt die AG dem Großaktionär 133.33, so trägt er (wirtschaftlich gesehen) 33.33. Als Reinerlös verbleiben ihm 100. 12) Zusammenfassung Die Untersuchung der einzelnen Analogiefälle erlaubt, zusammenfassend allgemeine Voraussetzungen ungeschriebener Abfindungsansprüche herauszuarbeiten: Zunächst muss der Anwendungsbereich des Abfindungsrechts eröffnet sein. Wie aus den gesetzlichen Abfindungsvorschriften folgt, setzt jeder Abfindungsfall grundsätzlich einen Hauptversammlungsbeschluss voraus, in dem sich der Interessenkonflikt und die Usurpation von Rechten der Minderheitsaktionäre durch die 269

BGHZ 70, 117, 126 (Mannesmann). Nicht ausgeführt werden kann im Rahmen dieser Arbeit, ob und wie die Entschädigung für den Verlust des Stimmrechts berechnet werden kann; s. im Zusammenhang mit § 5 II EGAktG BayObLG ZIP 2002, 1765, 1766 ff. (Siemens), wonach kein Wert der in concreto abgeschafften Mehrstimmrechte feststellbar sein solle; anders LG München I ZIP 2001, 1959 (Siemens); aus der Literatur dazu Arnold, DStR 2003, 784 ff.; Arnold, DStR 2003, 1671 f.; Hering/Olbrich, DStR 2003, 1579 ff.; Hering/Olbich, ZIP 2003, 104; Löwe/Thoß, ZIP 2002, 2075, 2076 ff.; Schulz, NZG 2001, 996, 997 ff.; Wassmann, BB 2003, 57, 61 ff. je m. w. N. 271 Dazu o. S. 185 ff. 272 Zöllner/H. Hanau, AG 1997, 206, 218; zust. Löwe/Thoß, ZIP 2002, 2075, 2077. 270

B) Durchführungsprobleme ungeschriebener Abfi ndungsrechte

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Mehrheit manifestiert (Ausnahme hiervon nur in § 39a WpÜG). Wie aus den gesetzlichen Abfindungsfällen folgt, kommen dabei nur solche Beschlüsse in Betracht, die mit mindestens 75%iger Kapitalmehrheit gefasst werden müssen. Hierfür spricht auch der Kapitalerhaltungsgrundsatz, denn über das Erfordernis einer 75%igen Mehrheit wird die Anzahl der Anspruchsinhaber gering gehalten 273 . Wie jeder Aufopferungsanspruch setzt der Abfindungsanspruch voraus, dass in die Mitgliedschaft der Aktionäre eingegriffen wird. Dieser Voraussetzung kommt neben den noch zu prüfenden Kriterien aber keine Bedeutung zu. Ergibt sich aus diesen Kriterien, dass ein Abfindungsanspruch begründet ist, so ist auch der Eingriff in die Mitgliedschaft belegt. Er liegt in der Usurpation entweder der Aktie selbst, bestimmter Vermögens- und Verwaltungsrechte (§ 305 AktG) oder des Stimmrechts bei der Entscheidung über die Strukturmaßnahme 274 . Nach dem Subsidiaritätsgrundsatz kommen Abfindungsansprüche nicht in Betracht, wenn hinreichende vorrangige Schutzmechanismen existieren, die nicht ebenso stark wie eine Abfindung in den Kapitalerhaltungsgrundsatz eingreifen oder die die Gesellschaft als »verdinglichtes Netz von Verträgen« in die Kompensation einschalten (»Gegenleistungskonzept«, z.B. § 141 IV AktG etc.) 275 . Die Abfindungspflicht kann nicht schon mit dem Übertreten einer »Opfergrenze« begründet werden, die an die Intensität des Eingriffs anknüpft 276 . Stattdessen muss der Rechtsanwender das Konzept nachvollziehen, das das Gesetz bei der Abgrenzung der abfindungspflichtigen von den abfindungsfreien Strukturmaßnahmen verfolgt. Hierbei muss er sich an den oben herausgearbeiteten Prinzipien orientieren 277. Dieser Gedanke dürfte der im Aufopferungsrecht etablierten Ansicht entsprechen, die einen »allgemeinen Aufopferungsanspruch« verneint und stattdessen die Aufopferungshaftung punktuell durch Fallgruppenbildung erweitert 278 .

B) Durchführungsprobleme ungeschriebener Abfindungsrechte Bejaht man ungeschriebene Abfindungsansprüche, ergeben sich bei ihrer Abwicklung Probleme – sowohl auf materiell-rechtlicher als auch auf prozessrechtlicher Ebene. Diese seien im Folgenden näher betrachtet.

273 S. dazu schon o. S. 223. Zur Abfi ndungsberechtigung von Aktionären, die für den abfindungspflichtigen Beschluss gestimmt haben, s. noch u. S. 370 ff. 274 Dazu o. S. 265 ff. 275 Dazu schon o. S. 214 ff. 276 S. o. S. 265 ff. sowie S. 265 ff. 277 Zusammenfassend o. S. 265 ff. 278 Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts II, 12. Aufl. 1981, § 78, 7 = S. 739; zust. Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, 2. Aufl. 1996, Rn. 726; Deutsch, FS Steffen, 1995, 101, 108.

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

I) Materiell-rechtliche Seite 1) Vereinbarkeit ungeschriebener Abfindungsrechte mit den Kapitalbindungsregeln Auf materiell-rechtlicher Ebene stellt sich zunächst die Frage, wie ungeschriebene Abfindungsansprüche abgewickelt werden können, ohne gegen die aktienrechtlichen Kapitalbindungsvorschriften zu verstoßen. a) Dritte als Abfindungsschuldner Dies ist kein Problem, soweit ein Dritter – etwa der herrschende Aktionär – zur Abfindung verpflichtet ist. Dieser zahlt nicht an »seine« Aktionäre, er erwirbt grundsätzlich keine eigenen, sondern fremde Aktien. Dritte schulden nach der hier vertretenen Ansicht in ungeschriebenen Abfindungsfällen Abfindung, wenn sie als Begünstigte des abfindungsauslösenden Eingriffs identifiziert werden können 279. Dies ist etwa der Fall beim qualifiziert faktischen Konzern 280 . b) AG als Abfindungsschuldnerin Ist die AG Abfindungsschuldnerin, könnte die Abfindungspflicht mit § 57 AktG kollidieren. Bei der Abwicklung ungeschriebener Abfindungsansprüche überträgt der Abfindungsberechtigte seine Aktien auf die AG. Sie erwirbt somit eigene Aktien und verstößt durch ihre Abfindungszahlung damit grundsätzlich gegen § 57 I 1 (arg. ex § 57 I 2 AktG) 281. aa) Drittgläubigerbeziehung? Zu bedenken ist allerdings, dass sog. »Drittgeschäfte« (oder »drittgleiche Geschäfte«282) zwischen AG und Aktionär nicht unter § 57 AktG fallen, also solche Geschäfte, bei denen sich Gesellschaft und Gesellschafter wie unverbundene Dritte gegenüberstehen 283 . Hier erfolgen die Zahlungen an den Aktionär nicht »aufgrund seiner Mitgliedschaft«284 – einem ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal des § 57 AktG285 . Dementsprechend fällt es nicht unter § 57 AktG, wenn die AG eine Schadensersatzpflicht erfüllt »und der diesbezüglich Anspruchsberechtigte zufäl-

279

Allgemein o. S. 185 ff. Dazu o. S. 290 ff. 281 Statt aller Henze in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 57 Rn. 183. 282 So etwa Henze in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 57 Rn. 35. 283 Statt aller Bayer in MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 57 Rn. 31 ff. 284 Vgl. nur Henze in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 57 Rn. 35 ff. 285 Zu diesem etwa Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 57 Rn. 2. Hiervon zu unterscheiden ist die – überwiegend verneinte – Frage, ob § 57 AktG auch ein subjektives Element fordert, ob also die Leistung bewusst aufgrund der Aktionärseigenschaft erbracht werden muss (hierzu etwa Lutter in Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 1988, § 57 Rn. 23 ff.). 280

B) Durchführungsprobleme ungeschriebener Abfi ndungsrechte

331

lig Aktionär ist«286 . Gleiches könnte auch für die als Aufopferungsanspruch einzuordnende Abfindung gelten 287. Klares Gegenargument ist insoweit allerdings § 71 I Nr. 3 AktG, der in den Abfindungsfällen von der grundsätzlichen Einschlägigkeit des § 57 I AktG ausgeht. bb) Ausnahmen vom Verbot des § 57 I 1 AktG Es ist somit nach Ausnahmen vom Verbot des § 57 I 1 AktG zu suchen, mit deren Hilfe Abfindungen dogmatisch sauber abgewickelt werden können. (1) Einziehung und Kapitalherabsetzung (§ 237 AktG) Eine solche Ausnahme kennt das Gesetz im Falle der Einziehung nach § 237 AktG (vgl. §§ 237 II, 222 III AktG). Denkbar wäre, dass die AG ihr Grundkapital um den Betrag herabsetzt, den es den abfindungsberechtigten Aktionären zahlt und die Aktien dieser Aktionäre einzieht 288 . Dieser Weg würde zwar nicht mit den Kapitalbindungsregeln der AG konfligieren, er wäre aber sehr umständlich 289 : Die Einziehung bedarf – auf welchem Weg sie auch durchgeführt wird – eines Hauptversammlungsbeschlusses, eben weil sie mit einer Kapitalherabsetzung verbunden ist (§§ 237 II 1, 222 AktG; § 237 IV AktG). Die Abfindung darf darüber hinaus erst sechs Monate nach Bekanntmachung der Eintragung gezahlt werden (§§ 237 II 3, 225 II AktG). Dies alles erhellt, dass die Einziehung der Aktie für andere Fälle als die der Abfindungsabwicklung gedacht war. (2) Zulässiger Erwerb eigener Aktien (a) Grundsätzliche Möglichkeit gem. § 71 I Nr. 3 AktG analog. In einigen geschriebenen Abfindungsfällen darf die AG gem. § 71 I Nr. 3 AktG eigene Aktien erwerben. Zwar war vor dem Inkrafttreten des UmwBerG die Anwendung dieser Norm auf ungeschriebene Abfindungsfälle zweifelhaft. Diese Zweifel wurden durch das UmwBerG aber abgeschwächt. Vor dem 1. 1. 1995 umfasste § 71 I Nr. 3 AktG nämlich nur die Abfindungsfälle der heutigen §§ 305, 320b AktG, in denen die AG nur eigene Aktien erwarb, um sie als Abfindung an die Aktionäre der beherrschten

286

Henze in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 57 Rn. 17. Zur dogmatischen Einordnung des Abfindungsanspruchs eingehend o. S. 158 ff. Für eine solche Argumentation im Rahmen von Prospekthaftungsansprüchen (Qualifizierung als deliktische Ansprüche) Gebauer, Börsenprospekthaftung und Kapitalerhaltungsgrundsatz in der Aktiengesellschaft, 1999, S. 77 ff., 190 ff.; Groß, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2002, §§ 45, 46 BörsG Rn. 7a f.; dagegen Schwark in Schwark, KMRK, 3. Aufl. 2004, §§ 44, 45 BörsG Rn. 13. 288 Zu dieser Möglichkeit vgl. auch Grunewald, FS Claussen, 1997, 103, 113; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 96 ff. 289 So auch das Fazit von Papadimopoulos, Das Austritts- und Auflösungsrecht als Minderheitsbehelfe de lege ferenda im deutschen und griechischen Aktienrecht, 1994, S. 58; Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, S. 247; vgl. auch für den Ausschluss aus wichtigem Grund Reinisch, Der Ausschluß von Aktionären aus der Aktiengesellschaft, 1992, S. 118 f. 287

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

bzw. eingegliederten AG weiterzureichen (die AG ist hier »Dritte«290 ). Bei diesen Fällen handelte es sich um solche des kurzfristigen Durchgangserwerbs, in denen das Prinzip der Kapitalbindung nur leicht berührt wurde291. Findet die AG ihre eigenen Aktionäre aufgrund ungeschriebener Ansprüche ab, so erwirbt sie deren Aktien hingegen dauerhaft. Exakt diese Situation liegt in den Fällen der §§ 29 I, 207 S. 1, 1. Hs. UmwG vor. Da § 71 I Nr. 3 AktG den Erwerb eigener Aktien gleichwohl zulässt, könnte er analog auf die ungeschriebene Pflicht zur Abfindung eigener Aktionäre angewandt werden. Zweifel an dieser Möglichkeit ergeben sich in doppelter Hinsicht. Zum einen findet sich in den Gesetzesmaterialien zur Neufassung des § 71 I Nr. 3 AktG die Passage: »Der Erwerb eigener Aktien soll nur in den wenigen Fällen zulässig sein, die in § 71 I Nr. 3 n. F. ausdrücklich genannt sind«292 . Zum anderen hat der Gesetzgeber § 71 I Nr. 3 AktG nicht auf die Fälle der §§ 122i UmwG, 7, 9, 12 SEAG erstreckt, obwohl die Beschluss fassende AG ihren Aktionären hier die Übernahme ihrer Aktien gegen Barabfindung anbieten muss. Was zunächst die Passage aus den Gesetzesmaterialien angeht, so ist auch für den Gesetzgeber die restriktive Anwendung des § 71 I Nr. 3 AktG nicht Selbstzweck, sondern wird mit dem Gedanken des Kapital- und Gläubigerschutzes begründet 293 . Dieser Grundsatz wird nach der hier vertretenen Auffassung aber schon bei der Herleitung ungeschriebener Abfindungsrechte berücksichtigt, und zwar als gegenläufiges Prinzip: Aus § 57 I 1 AktG folgt, dass Abfindungsansprüche nur subsidiär in Betracht kommen 294 . Ergibt sich für besondere Fälle gleichwohl, dass dissentierende Aktionäre Abfindung verlangen können, sind die von § 71 I Nr. 3 AktG verfolgten Belange bereits hinreichend berücksichtigt worden. Folgerichtig ist – ebenso wie in den von § 71 I Nr. 3 AktG ausdrücklich erwähnten Fällen – eine Ausnahme vom Prinzip des § 57 I 1 AktG geboten 295 . Der Widerspruch mit den Kapitalbindungsregeln und dem von ihnen bezweckten Gläubigerschutz kann dadurch abgeschwächt werden, dass man zumindest § 71 II AktG und § 71c II AktG auf die ungeschriebenen Abfindungsfälle anwendet 296 .

290

Dazu o. S. 330. Vgl. auch Martens, FS Boujong, 1996, 335, 342. 292 Begr. FrakE UmwBerG, BT-Drucks. 12/6699, S. 177. 293 Begr. FrakE UmwBerG, BT-Drucks. 12/6699, S. 177 (»gebotene Wirksamkeit des Kapitalund Gläubigerschutzes«). 294 S. o. S. 234 f. 295 Wenn Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 100 behauptet, ausgeschlossen sei eine Analogie aufgrund der gesetzgeberischen Äußerungen nur hinsichtlich der Fälle, die der Gesetzgeber gesehen hat und ausdrücklich ausschließen wollte, so kann dem nicht uneingeschränkt zugestimmt werden. Um Analogien auszuschließen, muss der Gesetzgeber nicht alle denkbaren Fälle, in denen die Norm angewandt werden könnte, aufzählen und ausdrücklich ausschließen (Wie sollte er das auch?). Entscheidend ist, inwieweit man den Gesetzesmaterialien eine Entscheidung entnehmen kann, die wegen der Bindung des Richters ans Gesetz nicht im Wege der Analogie übergangen werden darf. 296 Dazu noch u. S. 331 ff. 291

B) Durchführungsprobleme ungeschriebener Abfi ndungsrechte

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Auch die fehlende Einbeziehung der §§ 7, 9, 12 SEAG und § 122i UmwG sollte man nicht überschätzen. Die §§ 7 I 2, 9 I 2, 12 I 2 SEAG, 122i I 2 UmwG ordnen die entsprechende Anwendung der Vorschriften über den Erwerb eigener Aktien an. Ob hiermit auch die entsprechende Anwendung von § 71 I Nr. 3 AktG gemeint ist, geht aus den Gesetzesmaterialien nicht eindeutig hervor. Bedenkt man jedoch, dass die Vorschriften – wie schon mehrfach erwähnt – als Parallelvorschriften zu den §§ 29, 207 UmwG konzipiert sind, liegt eine entsprechende Anwendung nahe. Gerade mit Blick auf die SE wäre es auch schwer mit dem Diskriminierungsverbot des Art. 10 SE-VO zu vereinbaren, den Fall der Verschmelzung auf die SE im Rahmen des § 71 I Nr. 3 AktG anders zu behandeln, als den in der Norm ausdrücklich erwähnten Fall der rein nationalen Verschmelzung297. Dass § 71 I Nr. 3 AktG eine Ausnahmevorschrift ist, hindert ebenfalls nicht die hier befürwortete Analogie. Einen Grundsatz, nach dem Ausnahmevorschriften nicht analogiefähig sind, kennt die juristische Methodenlehre nicht 298 . Stets ist danach zu fragen, ob der Zweck der Vorschrift eine analoge Anwendung erfordert. Dies ist für § 71 I Nr. 3 AktG aber aus den genannten Gründen zu bejahen. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der Kapitalrichtlinie (KapitalRiLi) 299, die in den §§ 71 ff. AktG umgesetzt wird300 . Hiernach kommen Ausnahmen von den Kapitalbindungsvorschriften sowohl in Betracht, wenn Aktien erworben werden, »um Minderheitsaktionäre verbundener Gesellschaften zu entschädigen« (Art. 20 I lit. f KapitalRiLi) als auch für »Aktien, die auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung oder einer gerichtlichen Entscheidung zum Schutz der Minderheitsaktionäre« erworben wurden, »insbesondere im Falle der Verschmelzung, der Änderung des Gegenstands oder der Rechtsform der Gesellschaft, der Verlegung des Sitzes der Gesellschaft ins Ausland oder der Einführung von Beschränkungen der Übertragbarkeit von Aktien« (Art. 29 I lit. d KapitalRiLi). Genau dies ist hier der Fall. (b) 10%-Grenze des § 71 II 1 AktG. Fraglich sind aber einige Details des grundsätzlich zulässigen Erwerbs eigener Aktien. Problematisch ist dabei zunächst, ob

297 Oechsler, NZG 2005, 449, 451; Oechsler in MünchKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 71 Rn. 160. 298 Für § 71 I Nr. 3 AktG Kleppe, Anlegerschutz beim Rückzug eines Unternehmens von der Börse, 2002, S. 201 f.; Martens, FS Boujong, 1996, 335, 343 f. Vgl. im Übrigen schon o. S. 174 m. w. N. in Fn. 387. 299 Zweite Richtlinie zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten vom 13. Dezember 1976 (77/91/EWG), ABl. Nr. L 26 v. 31. 1. 1977, S. 1; geändert zuletzt duch die Richtlinie 2006/78/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 zur Änderung der Richtlinie 77/91/EWG des Rates in Bezug auf die Gründung von Aktiengesellschaften und die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals, ABl. Nr. L 264 v. 25. 9. 2006, S. 32. 300 S. nur Oechsler, NZG 2005, 449, 451.

334

§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

der Erwerb eigener Aktien gem. § 71 II 1 AktG auf zehn Prozent des Grundkapitals zu beschränken ist. (aa) Rechtslage bei den geschriebenen Abfindungsansprüchen. Auch in den geschriebenen Abfindungsfällen gilt diese Schranke: Die §§ 29 I 1, 2. Hs., 122i I 2, 2. Hs., 207 S. 1, 2. Hs. UmwG, 7 I 2, 2. Hs., 9 I 2, 2. Hs., 12 I 2, 2. Hs. SEAG schützen zwar die Wirksamkeit eines Verpflichtungsgeschäfts über den Erwerb der Aktien (zur Wirksamkeit des Verfügungsgeschäft vgl. schon § 71 IV 1 AktG), sie ändern aber nichts an dem grundsätzlichen Verbot des § 71 II 1 AktG301. Für die §§ 305, 320b AktG muss dies erst recht gelten, weil bei ihnen keine den §§ 29 I 1, 2. Hs., 122i I 2, 2. Hs., 207 S. 1, 2. Hs. UmwG, 7 I 2, 2. Hs., 9 I 2, 2. Hs., 12 I 2, 2. Hs. SEAG entsprechende Vorschriften existieren 302 . Als Folge hiervon ist ein abfindungsauslösender Beschluss dann rechtswidrig, wenn schon bei Beschlussfassung feststeht, dass die AG nicht in der Lage sein wird, die Abfindung ohne Verstoß gegen § 71 II 1 AktG zu gewähren 303 . Wird der Beschluss nicht angefochten oder stellt sich – wie häufig304 – erst nachträglich heraus, dass die AG verpflichtet ist, mehr als zehn Prozent ihrer Aktien zu erwerben, ist der Beschluss gleichwohl wirksam, die gesetzliche Pflicht zur Abfindung entstanden 305 , die Aktionäre dürfen die bereits zugewandte Abfindung behalten. Dies ist für die Fälle der §§ 29, 207 UmwG im Ergebnis ganz herrschende Meinung und wird zumeist mit den Ausnahmen der §§ 29 I 1, 2. Hs., 207 S. 1, 2. Hs. UmwG zu § 71 IV 2 AktG begründet, die das Abfindungsinteresse der Aktionäre in diesem Fall ausnahmsweise gegenüber dem Grundsatz der Kapitalerhaltung privilegieren 306 . Aus demselben Grund darf der AG auch kein Leistungsverweigerungsrecht zustehen, wenn sie die Verpflichtung zur Abfindung nur unter Verstoß gegen die 10%-Grenze erfüllen könnte307. 301

Bermel in Goutier/Knopf/Tulloch, UmwG, 1995, § 29 Rn. 29; Decher in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 207 Rn. 18; Grunewald in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 29 Rn. 24; Kalss in Semler/Stengel, UmwG, 2002, § 29 Rn. 32; Meister/Klöcker in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 207 Rn. 35; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 143. 302 Vgl. etwa Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 142. 303 Decher in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 207 Rn. 18; Grunewald in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 29 Rn. 24; Kalss in Semler/Stengel, UmwG, 2002, § 29 Rn. 32; Meister/Klöcker in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 207 Rn. 35; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 143; a. A. Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 4. Aufl. 2006, § 29 Rn. 12. 304 Vgl. etwa Grunewald in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 29 Rn. 25. 305 Zur Rechtsnatur des Abfindungsanspruchs in allen aktien- und umwandlungsrechtlichen Fällen o. S. 128 ff. 306 Decher in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 207 Rn. 18; Grunewald in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 29 Rn. 26; Henze, NZG 2003, 649, 650; Kalss in Semler/Stengel, UmwG, 2002, § 29 Rn. 32; Meister/Klöcker in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 207 Rn. 34; a. A. Hoger, AG 2008, 149, 154; Ihring, GmbHR 1995, 622, 632; Petersen, Der Gläubigerschutz im Umwandlungsrecht, 2001, S. 32, 178. 307 Ebenso Bermel in Goutier/Knopf/Tulloch, UmwG, 1995, § 29 Rn. 29; Decher in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 207 Rn. 19; Grunewald in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 29 Rn. 26;

B) Durchführungsprobleme ungeschriebener Abfi ndungsrechte

335

Gleiches muss für die Fälle der §§ 305, 320b AktG gelten 308 : Hier werden die Aktien nur zum kurzfristigen Durchgang erworben 309. Die Kapitalbindungsvorschriften werden schwächer berührt als in den Fällen der §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG, so dass ein auf die §§ 29 I 1, 2. Hs., 122i I 2, 2. Hs., 207 S. 1, 2. Hs. UmwG, 7 I 2, 2. Hs., 9 I 2, 2. Hs., 12 I 2, 2. Hs. SEAG gestütztes argumentum a fortiori eingreift. Unterstützen kann man diese These damit, dass die Abfindungspflicht sowohl im Falle des § 305 AktG als auch bei § 320b AktG kraft Gesetzes entsteht 310 und ein einmal wirksamer (und nicht vernichteter) Abfindungsbeschluss daher eine entsprechende Pflicht zur Folge hat 311. Dies alles muss ebenso für den Erstattungsanspruch aus § 62 I 1 AktG gelten 312 . Dass diese Norm in den Fällen der §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG nicht angewendet werden kann, folgt zwar nicht schon aus den §§ 29 I 1, 2. Hs., 122i I 2, 2. Hs., 207 S. 1, 2. Hs. UmwG, 7 I 2, 2. Hs., 9 I 2, 2. Hs., 12 I 2, 2. Hs. SEAG. Wäre § 62 I 1 AktG jedoch anwendbar, würden diese Normen leer laufen 313 . Da die §§ 71 ff. AktG die Ausnahmevorschrift des § 57 I 2 AktG konkretisieren, ist davon auszugehen, dass aufgrund der §§ 29 I 1, 2. Hs., 122i I 2, 2. Hs., 207 S. 1, 2. Hs. UmwG, 7 I 2, 2. Hs., 9 I 2, 2. Hs., 12 I 2, 2. Hs. SEAG jeglicher Rückerstattungsanspruch, also auch der aus § 62 I 1 AktG ausgeschlossen sein soll. Gleiches muss kraft des oben genannten argumentum a fortiori für die Abfindungsfälle der §§ 305, 320b AktG gelten. (bb) Rechtslage bei den ungeschriebenen Abfi ndungsansprüchen. Dieses Regelungsprogramm ist mit den bereits oben für die Analogie zu § 71 I Nr. 3 AktG angeführten Argumenten auf die ungeschriebenen Abfindungsfälle zu übertragen 314 . Zum einen wird durch die 10%-Grenze der Widerspruch zu dem Prinzip

Meister/Klöcker in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 207 Rn. 34; a. A. Hoger, AG 2008, 149, 154; Ihring, GmbHR 1995, 622, 631 f.; Petersen, Der Gläubigerschutz im Umwandlungsrecht, 2001, S. 31 f., 178; Vetter, ZHR 168 (2004), 8, 22 f. 308 Anders Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 142, der die AG auf die Möglichkeit verweist, neue Aktien im Wege der Kapitalerhöhung zu schaffen. 309 Dazu schon o. S. 331 ff. 310 Dazu o. S. 128 ff. 311 Freilich könnte man daran denken, dass der abfindungsauslösende Beschluss hier gem. § 241 I Nr. 3 AktG wegen eines Verstoßes gegen § 71 II AktG nichtig ist. Insofern wirkt aber jedenfalls die Wertung der §§ 29 I 1, 1. Hs., 207 S. 1, 1. Hs. UmwG und das im Haupttext genannte argumentum a fortiori (bei den §§ 305, 320b AktG bloßer Durchgangserwerb). 312 Wohl ebenfalls allgemeine Meinung, vgl. Decher in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 207 Rn. 19; Grunewald in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 29 Rn. 27; Marsch-Barner in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 29 Rn. 34; Meister/Klöcker in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 207 Rn. 34 313 Vgl. unter den o. in Fn. 312 Genannten nur Grunewald in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 29 Rn. 27. 314 Vgl. auch Kleppe, Anlegerschutz beim Rückzug eines Unternehmens von der Börse, 2002, S. 202 f.; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 103 f. Nicht in Betracht gezogen wird eine solche Analogie von Kleindiek, FS Bezzenberger, 2000, 653, 666 f.

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

des § 57 I AktG abgemildert 315 . Zum anderen ist kein Grund dafür ersichtlich, warum die ungeschriebenen Abfindungsfälle insofern abweichend von den geschriebenen Abfindungsansprüchen behandelt werden sollten 316 . Entsprechend den oben genannten Grundsätzen behalten die abfindungsberechtigten Aktionäre ihren Anspruch auch dann, wenn der gegen § 71 II AktG verstoßende Beschluss nicht angefochten wird, oder sich erst nachträglich herausstellt, dass die AG mehr als zehn Prozent eigene Aktien erwerben muss. Ebensowenig hat die zur Abfindung verpflichtete AG ein Leistungsverweigerungsrecht. (c) Pfl icht zur Rücklagenbildung nach §§ 71 II 2 AktG, 272 IV HGB. Aus den genannten Gründen hat die AG – wie auch im Falle geschriebener Abfindungsansprüche – die nach §§ 71 II 2 AktG, 272 IV HGB erforderliche Rücklage zu bilden 317. Kann sie dies nicht, darf die Abfindung nicht durchgeführt werden 318 . Steht bereits bei der Beschlussfassung fest, dass sie hierzu nicht in der Lage sein wird, ist der abfindungsauslösende Beschluss rechtswidrig und anfechtbar319. Gibt der Vorstand hierüber falsche oder unvollständige Informationen, kann die Anfechtungsklage auf diesen Umstand gestützt werden. Es liegt dann insbesondere kein »abfindungsbezogener Informationsmangel« i. S. d. § 243 IV 2 AktG vor, weil insoweit die Vermögensinteressen der abfindungsberechtigten Aktionäre getroffen werden, ohne dass ein nachträgliches Spruchverfahren daran etwas ändern könnte und somit kein höherrangiges Vollzugsinteresse der AG besteht320 . 2) Ergebnisse Zur Abwicklung der Abfindung ist das Regelungsprogramm der §§ 71 ff. AktG auf ungeschriebene Abfindungsansprüche zu übertragen. Die Zulässigkeit des Erwerbes eigener Aktien ergibt sich aus § 71 I Nr. 3 AktG analog. Die sonstigen Schranken der §§ 71 ff. AktG gelten ebenso wie bei den geschriebenen Abfindungsansprüchen. Freilich hat die AG weder ein Leistungsverweigerungsrecht, wenn sie mit der Abwicklung der Abfindung gegen § 71 II 1 AktG verstoßen würde, noch sind die Abfindungszahlungen in diesem Fall rückgängig zu machen. All dies gilt a fortiori für den Fall, dass eine AG bei ungeschriebenen Abfindungsansprüchen fremde Aktionäre in eigenen Aktien abzufinden hat. Hier erwirbt die AG Aktien nur zur Weitergabe (Durchgangserwerb). 315

Dazu schon o. S. 332. Insoweit nicht überzeugend daher Martens, FS Boujong, 1996, 335, 341 m. Fn. 13, der meint, dass schon die in § 71 II AktG enthaltene Erwerbsgrenze in den Fällen gesetzlichen Zwangserwerbs unbeachtlich sei, und der nur § 71c II AktG anwenden möchte. 317 So auch Kleppe, Anlegerschutz beim Rückzug eines Unternehmens von der Börse, 2002, S. 204. 318 Statt vieler Marsch-Barner in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 29 Rn. 27. 319 Vgl. für die geschriebenen Abfindungsrechte Kalss in Semler/Stengel, UmwG, 2002, § 29 Rn. 32; Marsch-Barner in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 29 Rn. 27. 320 Hierzu noch ausführlich u. S. 337 f. 316

B) Durchführungsprobleme ungeschriebener Abfi ndungsrechte

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II) Prozessuale Seite Fraglich ist, auf welchem prozessualen Weg der Aktionär seinen ungeschriebenen Abfindungsanspruch durchsetzen muss. Günstig für ihn wäre das Spruchverfahren mit seiner aktionärsfreundlichen Kostenregelung (§ 15 SpruchG) und dem – im SpruchG allerdings eingeschränkten – Amtsermittlungsgrundsatz (§ 12 FGG, §§ 9 f. SpruchG). Schon vor Einführung des SpruchG war die Analogiefähigkeit des Spruchverfahrens umstritten 321, bis sie der BGH in seiner Macrotron-Entscheidung bejahte322 . Dem hat sich der Gesetzgeber des SpruchG angeschlossen 323 . Obwohl § 1 SpruchG nach seinem Wortlaut eine enumerative Aufzählung der einzelnen Anwendungsfälle enthält, versteht der Gesetzgeber diese Aufzählung als nicht abschließend324 . Die grundsätzliche Analogiefähigkeit des SpruchG auf ungeschriebene Fälle ist damit nicht mehr zweifelhaft 325 . In den oben genannten ungeschriebenen Abfindungsfällen muss das Spruchverfahren ausnahmslos eröffnet sein. Jeder gesetzlich geregelte Abfindungsanspruch kann im Spruchverfahren überprüft werden, so dass man dieses Verfahren ohne Weiteres als »prozessualen Annex« des materiellen Anspruchs auffassen kann 326 . Das gleiche muss a fortiori für den oben genannten aufopferungsgleichen Anspruch im qualifiziert-faktischen Konzern gelten 327, denn hier sind die Aktionäre wegen des unzulässigen Eingriffs in ihre Mitgliedschaft sogar noch schutzwürdiger. Schließlich muss das Spruchverfahren auch in den (nach der hier vertretenen Ansicht: seltenen328 ) Fällen des Austrittsrechts aus wichtigem Grund eröffnet sein 329. Erstens ist die Interessenlage hier identisch, zweitens kann es von Zufällig321 Dafür BayObLGZ 1998, 211, 215 f. (Magna Media); Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 801; M. Henze, Delisting, 2002, S. 181; Kleppe, Anlegerschutz beim Rückzug eines Unternehmens von der Börse, 2002, S. 226 ff.; Klöhn, ZBB 2003, 208, 217; Lutter/Leinekugel, ZIP 1999, 261, 266; Lutter, JZ 2003, 684, 686 f.; Streit, ZIP 2003, 392, 395; M. Weber, ZInsO 2001, 385, 390; für das österreichische Recht Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 513 ff. Dagegen OLG Stuttgart ZIP 1997, 362, 362 f. (Moto Meter II); Bauer, NZG 2000, 1214, 1214 f.; Kallmeyer, FS Lutter, 2000, 1245, 1257 ff.; Lutter/Drygala, FS Kropff, 1997, 191, 199, 215. Differenzierend Ebenroth, AG 1990, 188, 193 Fn. 65; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 499 f. Offen OLG Stuttgart ZIP 1995, 1515, 1518 (Moto Meter I). Das BVerfG hat sich in dieser Frage nicht festgelegt, vgl. BVerfG NJW 2001, 279, 281 (Moto Meter); BVerfG ZIP 1999, 1804, 1807 (Hartmann & Braun). 322 BGHZ 153, 47, 56 ff. (Macrotron); dem folgend etwa LG München I AG 2004, 393, 394 (Macrotron); LG München I AG 2004, 395; BayObLG DB 2005, 212, 217 (Macrotron). 323 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 15/838, S. 16. 324 Die Bedenken von Rühland, WM 2002, 1957, 1966 (zur übertragenden Auflösung) haben sich damit erledigt. 325 Wohl allg.A., s. nur Fritzsche/Dreier/Verfürth, SpruchG, 2004, § 1 Rn. 70; Klöcker/Frowein, SpruchG, 2004, § 1 Rn. 15; Simon in Simon, SpruchG, 2007, § 1 Rn. 36; Wasmann in Kölner Kommentar zum SpruchG, 2005, § 1 Rn. 18. 326 Vgl. auch Wiedemann, ZGR 1999, 857, 866 f.; zust. Lutter, JZ 2003, 684, 687. 327 Dazu o. S. 290 ff. 328 S. o. S. 271. 329 Anders etwa Eschenbruch, Konzernhaftung, 1996, Rn. 3420 (für den Fall des qualifiziert faktischen Konzerns).

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

keiten abhängen, ob man die exit-Möglichkeit des Aktionärs als Austrittsrecht aus wichtigem Grund ansieht oder als ungeschriebenen Abfindungsanspruch 330 , etwa ob die unzumutbare Maßnahme der Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung unterfiel331.

C) Rechtmäßigkeit abfindungsauslösender Beschlüsse Auch für die Rechtmäßigkeitskontrolle abfindungsauslösender Hauptversammlungsbeschlüsse erlauben die bisherigen Ergebnisse Schlussfolgerungen. Unter »abfindungsauslösenden Beschlüssen« werden dabei im Folgenden nur die Beschlüsse verstanden, mit denen die abfindungsberechtigten Aktionäre überstimmt werden – der Zustimmungsbeschluss des aufnehmenden Rechtsträgers bei der Mischverschmelzung also ebenso wenig wie der Zustimmungsbeschluss zur Mehrheitseingliederung oder zum Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag im herrschenden Unternehmen. Zu unterscheiden ist zwischen materieller [s. sogleich I)] und formeller Rechtmäßigkeit [s. u. II)].

I) Materielle Rechtmäßigkeit Fragen nach der materiellen Rechtmäßigkeit des abfindungsauslösenden Beschlusses können in vielerlei Fallgestaltungen auftauchen. Immer geht es darum, dass die Mehrheit die dissentierenden Minderheitsaktionäre unzulässig ausbeuten könnte: Kann etwa der Squeeze-out-Beschluss angefochten werden, wenn die 95%Mehrheit nur deshalb zustande kam, weil sich zwei Großaktionäre allein zu dem Zweck verbündet haben, die ungeliebten Minderheitsaktionäre »aus der AG zu schmeißen«332 ? Muss ein Formwechsel unterbleiben, wenn die neue Rechtsstellung den Verbleib im Rechtsträger unzumutbar machen würde? Muss eine formwechselnde Verschmelzung trotz Abfindung unterbleiben, wenn der Mehrheitsaktionär mit ihr bezweckt, durch seine Beteiligung am aufnehmenden Rechtsträger überproportional von einer erwarteten Dividende zu profitieren 333 oder wenn er ausschließlich bezweckt, mit der Umwandlung in eine GmbH seinen unternehmerischen Einfluss zu steigern (vgl. § 37 I GmbHG) 334 ? Diese und ähnliche Fälle lenken den Blick auf verschiedene Rechtmäßigkeitsschranken, deren Anwendungsbereiche sich nicht völlig decken, die gleichwohl eine große Schnittmenge bilden und die nach ganz h.M. im Anfechtungsprozess 330 331 332

Zu den klaren dogmatischen Unterschieden beider Rechtsinstitute vgl. aber o. S. 271. S. o. S. 271, S. 328. Von »Rausschmiss« sprach schon Kronstein, BB 1960, 221, 223 mit Blick auf § 12 UmwG

1956. 333 334

Beispiel von Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 8 III 2 a = S. 446. Dazu schon o. S. 186 f.

C) Rechtmäßigkeit abfi ndungsauslösender Beschlüsse

339

nebeneinander anwendbar sind335 : Zu denken ist immer an die »Todsünde der Stimmrechtsausübung«336 , das Verfolgen von Sondervorteilen (§ 243 II 1 AktG). Eng damit verbunden und doch mit weiterem Anwendungsbereich ist der Einwand, die Mehrheitsgesellschafter würden durch ihr Verhalten ihre Treuepflichten gegenüber den Minderheitsaktionären verletzen 337. Institutionell verfestigt hat sich dieser Einwand in Form der sog. materiellen Beschlusskontrolle, wonach Hauptversammlungsbeschlüsse »durch sachliche Gründe im Interesse der Gesellschaft gerechtfertigt« und daher verhältnismäßig sein müssen 338 . Schließlich kommt oft ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des § 53a AktG in Betracht. 1) Bestandsaufnahme a) § 243 II 1 AktG Die Erörterung soll mit einer Bestandsaufnahme von Rechtsprechung und Literatur beginnen. Aufschlussreich ist dabei zunächst, wie die h.M. § 243 II 1 AktG auf abfindungsauslösende Beschlüsse anwendet: Obwohl die §§ 304 III 2, 1. Alt., 320b II 1, 1. Alt., 327f I 1, 1. Alt. AktG einen Anfechtungsausschluss für den Einwand aus § 243 II 1 AktG vorsehen, werden diese Vorschriften restriktiv interpretiert. Die Anfechtung nach § 243 II 1 AktG soll nur insoweit ausgeschlossen sein, als die Anfechtungsklage durch ein Spruchverfahren ersetzt werden kann 339. Auf § 243 II 1 AktG gestützte Anfechtungsklagen sind demnach nur insoweit ausgeschlossen, als die Verfolgung von Sondervorteilen gerade damit begründet wird, die nach §§ 304, 305, 320b, 327a AktG zu leistende Entschädigung sei zu niedrig bemessen 340 . Im Übrigen bleibt die Anfechtung jedoch möglich. Eine ähnliche Ansicht hat sich für die umwandlungsrechtlichen Abfi ndungsfälle nicht gebildet. In diesen Fällen fehlt bereits in den §§ 32 (i. V. m. § 122i I 3), 210 UmwG, § 7 V SEAG (i. V. m. §§ 9 II, 12 II SEAG) ein Verweis auf § 243 II 1 AktG. Dementsprechend wird meist nicht problematisiert, ob der abfindungsauslösende Beschluss gem. § 243 II 1 AktG angefochten werden kann 341 ; oft findet man den 335

Für § 53a AktG und materielle Beschlusskontrolle etwa K. Schmidt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 243 Rn. 44; für § 243 II 1 und § 243 I AktG allgemein etwa Hüffer in MünchKomm AktG, 2. Aufl. 2001, § 243 Rn. 46, 73. 336 Dazu Flume, ZIP 1996, 161, 164. 337 Dass auch zwischen Aktionären Treuepfl ichten bestehen, ist spätestens seit dem grundlegenden Urteil BGHZ 103, 184 (Linotype) anerkannt, abweichend allerdings Flume, ZIP 1996, 161, 163 ff. 338 BGHZ 71, 40, 46 (Kali und Salz). Dazu noch die Angaben u. in Fn. 343–345. 339 Vgl. Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 293 Rn. 53. 340 Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 304 Rn. 199; Grunewald in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 320b Rn. 14; wohl auch Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 304 Rn. 21, § 320b Rn. 8; Schwab in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 243 Rn. 16; für § 14 II UmwG ebenso Bork in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 14 Rn. 15. 341 Für § 29 UmwG: Lutter in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 13 Rn. 44. Für § 207 UmwG: Happ in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 233 Rn. 57.

340

§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

wenig reflektierten Hinweis, für die Anfechtung des Umwandlungsbeschlusses würden die »allgemeinen Vorschriften« gelten 342 . b) Materielle Beschlusskontrolle Stark umstritten und praktisch wohl am wichtigsten ist die Frage, ob abfindungsauslösende Beschlüsse einer materiellen Beschlusskontrolle unterliegen. Seit der BGH diese ungeschriebene Rechtmäßigkeitsschranke in seinem »Kali und Salz«Urteil 343 nach Vorarbeiten der Literatur344 für die (ordentliche) Kapitalerhöhung anerkannt hat 345 , rankt ein fortwährender Streit um den Anwendungsbereich dieser Beschlusskontrolle. Der Gesetzgeber des UmwG 1994 hat die Frage offen gelassen 346 . In der Literatur haben sich verschiedene Meinungsgruppen herausgebildet. Der materiellen Beschlusskontrolle sollen nach einer Ansicht grundsätzlich alle Mehrheitsbeschlüsse347 bzw. alle in die Mitgliedschaft eingreifenden Beschlüsse348 unterliegen. Einer anderen Ansicht zufolge sollen zweckgebundene Beschlüsse anhand der Grundsätze des »Kali und Salz«-Urteils, zweckneutrale oder zwecksetzende Beschlüsse anhand allgemeiner Rechtsprinzipien wie dem Grundsatz der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit sowie dem Grundsatz der Gleichbehandlung zu kontrollieren sein 349. Nach einer anderen Meinung soll der Prüfungs342 So etwa Diekmann in Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 65 Rn. 32; Heckschen in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht (Loseblatt), Stand: April 2007, § 13 UmwG Rn. 158.3; Zimmermann in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 13 Rn. 46, § 65 Rn. 29, § 193 Rn. 36. 343 BGHZ 71, 40 (Kali und Salz). 344 Fechner, Die Treubindungen des Aktionärs, 1942, S. 72 ff.; Mestmäcker, BB 1961, 945 ff.; Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 209 ff.; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den Personenverbänden, 1963, S. 350 ff.; Wiedemann, Minderheitenschutz und Aktienhandel, 1968, S. 54 ff. 345 Schon das RG hat die Kapitalerhöhung einer Sachkontrolle unterworfen, die an die Einhaltung des Gesellschaftszwecks und das Erforderlichkeitskriterium anknüpfte, vgl. RGZ 107, 72, 75; RGZ 132, 149, 163 (Victoria); RG JW 1933, 2094. Dass der BGH die Sachkontrolle im Kali und Salz-Urteil erstmals etabliert habe, »ist daher eine Legende« (Zöllner, AG 2002, 585, 586). 346 Begr. RegE UmwBerG bei Ganske, Umwandlungsrecht, 2. Aufl. 1995, S. 61, 216; Grunewald/M. Winter in Lutter, Kölner Umwandlungsrechtstage, 1995, S. 19, 40; Zimmermann in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 13 Rn. 12. Eine bewusste Entscheidung gegen die materielle Beschlusskontrolle möchte hingegen Gehling in Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 13 Rn. 23 den Gesetzesmaterialien entnehmen; schwächer Decher in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 193 Rn. 11 (»deutliche Zurückhaltung«), Decher in Lutter, Kölner Umwandlungsrechtstage, 1995, S. 201, 220 (»tendenziell dagegen«). 347 Martens, GmbHR 1984, 265, 270; Wiedemann, ZGR 1980, 147, 157; dem folgend Bischoff, BB 1987, 1055, 1061; a. A. aber Wiedemann, FS Heinsius, 1991, 949, 963. 348 Neben den in Fn. 349 u. Fn. 350 Genannten Zöllner in Kölner Kommentar zum AktG, 1984, Einl. Rn. 55 (»Mehrheitsentscheidungen, die zur Entziehung von Mitgliedschaftsrechten führen«); vgl. aber auch Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 173 f., der die materielle Beschlusskontrolle auf alle abfindungsbewährten Beschlüsse anwenden will. 349 Grundlegend Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 8 II 3 b = S. 435, § 8 III 2 a = S. 445, § 8 III 2 b = S. 447; etwas anders in der Differenzierung hinsichtlich des Kontrollmaßstabs Wiedemann, FS Heinsius, 1991, 949, 963; Wiedemann, DB 1993, 141, 144.

C) Rechtmäßigkeit abfi ndungsauslösender Beschlüsse

341

maßstab nach der Wichtigkeit der Maßnahme abgestuft werden 350 . Mülbert lehnt in seiner Habilitationsschrift die materielle Beschlusskontrolle bei allen mit zumindest 75%iger Mehrheit zu treffenden Strukturentscheidungen ab351. Die überwiegende Ansicht möchte nach den jeweiligen Beschlussgegenständen differenzieren 352 . Auf der zuletzt genannten Linie liegt der BGH, der bisher keine generelle Aussage über den Anwendungsbereich der materiellen Sachkontrolle gemacht hat 353 , jedoch bei einigen Beschlussgegenständen – so bei der Auflösung354 , dem genehmigten Kapital355 , der Kapitalherabsetzung356 und der nachträglichen Einführung von Höchststimmrechten 357 – davon ausgeht, dass diese »ihre Rechtfertigung in sich tragen«358 , weil schon »der Gesetzgeber die notwendige Abwägung zwischen den Belangen etwa betroffener Aktionäre und dem Interesse der Gesellschaft (. . .) vorgenommen« habe359. Gleiches soll für den Beschluss über das reguläre Delisting gelten, da es sich hierbei um eine »unternehmerische Entscheidung« handele 360 . Unter den Vertretern einer differenzierenden Betrachtung findet sich vielfach die Auffassung, eine materielle Beschlusskontrolle sei neben der Abfindung nicht

350 Martens, FS Robert Fischer, 1979, 437, 445; Martens, GmbHR 1984, 265, 269 f.; relativierend dann Martens, ZIP 1992, 1677 ff.; Martens, ZIP 1994, 669 ff. Vgl. zu dieser Differenzierung auch BGHZ 71, 40, 45 (Kali und Salz). 351 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 338, 344 f., 354 f. (jeweils zusf.). 352 Hüffer in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2001, § 243 Rn. 63 ff.; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 243 Rn. 27 f., § 293 Rn. 6 f.; Kort, Der Abschluß von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen im GmbH-Recht, 1986, S. 122; Lutter, ZGR 1979, 401, 411 f.; Lutter, ZGR 1981, 171, 176 ff.; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 121 f.; Natterer, Kapitalveränderung der Aktiengesellschaft, Bezugsrecht und »sachlicher Grund«, 2000, S. 306 f.; Timm, ZGR 1987, 403, 421 ff.; Timm, JZ 1980, 661, 667 ff.; M. Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, 1986, S. 156 ff.; K. Schmidt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 243 Rn. 46; Schwab in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 243 Rn. 10 f.; Schockenhoff, Gesellschaftsinteresse und Gleichbehandlung beim Bezugsrechtsausschluss, 1988, S. 97 ff.; für die GmbH etwa Priester in Scholz, GmbHG, 9. Aufl. 2002, § 53 Rn. 59; Ulmer in Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1991, § 53 Rn. 69. Auch Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986, S. 140 ff., der allerdings nach anderen Kriterien als die übrigen Vertreter dieser Ansicht differenziert. 353 So auch die Bewertung von Decher in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 193 Rn. 11; Hüffer in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2001, § 243 Rn. 63. 354 BGHZ 76, 352, 353; BGHZ 103, 184, 190 ff. (Linotype); dem folgend BayObLGZ 1998, 211, 217 (Magna Media); OLG Stuttgart ZIP 1995, 1515, 1519 (Moto Meter I); LG Stuttgart ZIP 1993, 514, 516 (Moto Meter). 355 BGHZ 136, 133, 136 ff. (Siemens/Nold), anders vorher noch BGHZ 83, 319, 321 (Holzmann). 356 BGHZ 138, 71, 76 f. (Sachsenmilch I); bestätigt durch BGHZ 142, 167, 169 f. (Hilgers). 357 BGHZ 70, 117, 123 ff. (Mannesmann); BGHZ 71, 40, 45 (Kali und Salz). 358 BGHZ 76, 352, 353; BGHZ 103, 184, 190 (Linotype). 359 BGHZ 71, 40, 45 (Kali und Salz); BGHZ 138, 71, 76 (Sachsenmilch I). Der Sache nach vorher schon BGHZ 70, 117, 123 (Mannesmann). 360 BGHZ 153, 47, 59 (Macrotron); zum »unternehmerischen Beurteilungsspielraum« auch schon BGHZ 136, 133, 138 (Siemens/Nold); kritisch Lutter, JZ 2003, 684, 686; K. Schmidt, NZG 2003, 601, 603.

342

§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

erforderlich 361 ; dementsprechend verneint die ganz herrschende Meinung das Erfordernis einer Sachkontrolle sowohl in den Abfindungsfällen des Aktienrechts (§ 305 AktG362 , § 320b AktG363 , § 327a AktG364) als auch des Umwandlungsrechts

361 Flume, Die juristische Person, 1983, § 7 IV = S. 217; Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 87; Lutter, ZGR 1979, 401, 412; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 121 f.; Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 461; Semler, BB 1983, 1566, 1569; Timm, ZGR 1987, 403, 426 f., 438; M. Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, 1986, S. 165; inzident Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze, 1980, S. 85; in der Tendenz Kalss, wbl 2001, 366, 370 Fn. 45; dieser Ansicht ist – obwohl kein Vertreter der differenzierenden Meinung – auch Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 354. Dagegen ausdrücklich Bayer, ZIP 1997, 1613, 1625; Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986, S. 136; Hirte in Hirte, Der Vertragskonzern im Gesellschaftsrecht, 1993, S. 1, 14 f.; Martens, FS Robert Fischer, 1979, 437, 446; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 171; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 8 III 2 a = S. 447; Wiedemann, ZGR 1980, 147, 157. 362 Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 293 Rn. 51; Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 193 Rn. 51; Henze, BB 1996, 489, 498; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 293 Rn. 7; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 293 Rn. 62; Kort, BB 1988, 79, 81 f.; Liebscher in Beck AG-HB, 2004, § 14 Rn. 116; Lutter, ZGR 1979, 401, 412; Lutter, ZGR 1981, 171, 180; K. Schmidt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1996, § 243 Rn. 46; Semler, BB 1983, 1566, 1569; F. J. Semler in Münchener Handbuch AG, § 41 Rn. 39; Veil in Spindler/Stilz, AktG, 2007, § 293 Rn. 24; im Ergebnis auch Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986, S. 144 ff.; Hirte in Hirte, Der Vertragskonzern im Gesellschaftsrecht, 1993, S. 1, 15 f.; Wiedemann/Hirte, FS BGH, 2000, 337, 373; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2006, Rn. 8.73; nunmehr auch Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 293 Rn. 35 unter Hinweis auf die Vertragskontrolle nach § 293b AktG (anders noch Emmerich, AG 1991, 303, 307); stark dazu tendierend Henze, ZHR 162 (1998), 186, 196; Priester, ZIP 1992, 293, 295. Dagegen Martens, FS Robert Fischer, 1979, 437, 446; Wiedemann, FS Heinsius, 1991, 949, 962. Danach differenzierend, ob durch Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag Abhängigkeit begründet wird oder dieser Vertrag mit dem bisher schon herrschenden Aktionär geschlossen wird Timm, ZGR 1987, 403, 426 ff. 363 LG Mosbach AG 2001, 206, 209 f. (Michael Weinig AG); Grunewald in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 320 Rn. 8; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 320b Rn. 8; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 320b Rn. 21; Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 73 Rn. 39; Lutter, ZGR 1981, 171, 180; Rottnauer, EWiR 2001, 207, 208; Semler, BB 1983, 1566, 1569; Timm, ZGR 1987, 403, 436; im Ergebnis auch Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986, S. 142 f.; dagegen Rodloff, Ungeschriebene sachliche Voraussetzungen der aktienrechtlichen Mehrheitseingliederung, Jur. Diss. Berlin 1991, S. 185 ff.; Wiedemann, FS Heinsius, 1991, 949, 962. 364 Angerer, BKR 2002, 260, 266; Austmann in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 74 Rn. 73; Bolte, DB 2001, 2587, 2588; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 327a Rn. 26; Fröde, NZG 2007, 729, 732; Fuhrmann/Simaon, WM 2002, 1211, 1214; Gesmann-Nuissl, WM 2002, 1205, 1210; Greulich, Der Schutz des Minderheitsaktionärs, 2004, S. 249; Grunewald, ZIP 2002, 18, 21; Grunewald in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2004, § 327a Rn. 18; Hamann, Minderheitenschutz beim Squeeze-out-Beschluss, 2003, S. 163; Krieger, BB 2002, 53, 55; Pluskat, NZG 2007, 725; Rühland, Der Ausschluß von Minderheitsaktionären aus der Aktiengesellschaft (Squeeze-out), 2003, S. 205; Schwab in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 243 Rn. 11; E. Vetter, AG 2002, 176, 186; inzident Altmeppen, ZIP 2001, 1073, 1083. Dagegen wohl H. Hanau, NZG 2002, 1040, 1044.

C) Rechtmäßigkeit abfi ndungsauslösender Beschlüsse

343

(§ 29 UmwG365 , § 122i, § 207 UmwG366 , § 7 SEAG, § 9 SEAG, § 12 SEAG). Der BGH hat zu dieser Frage bisher nicht allgemein Stellung genommen. Im »Freudenberg«-Urteil hat er für die Publikums-KG die Meinung vertreten, ein vertraglich eingeräumtes Austritts- und Abfindungsrecht suspendiere die treupflichtgestützte Kontrolle des abfindungsauslösenden Beschlusses nicht, sondern stelle insoweit nur einen zusätzlichen Schutz dar367. In späteren Urteilen verneint der BGH das Erfordernis einer sachlichen Rechtfertigung jedenfalls für den Squeeze-out-Beschluss368 , in einem den Formwechsel einer AG in eine KG betreffenden Urteil lässt der II. Senat offen, inwieweit die Grundsätze des »Freudenberg«-Urteils auf die AG zu übertragen seien 369.

365

Gehling in Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 13 Rn. 23; Zimmermann in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 13 Rn. 12 (die alle zur Rechtfertigung u. a. auf § 29 UmwG verweisen). Gegen materielle Beschlusskontrolle bei der formwahrenden Verschmelzung OLG Frankfurt AG 2003, 573, 574 f. (DIC-Beteiligungs- und Immobilien-AG); LG Darmstadt AG 2006, 127, 130 (T-Online/Deutsche Telekom); wobei es nicht ausgeschlossen sei, dass der Zustimmungsbeschluss »einzelfallbezogen« wegen Verstoßes gegen § 53a AktG, die mitgliedschaftlichen Treubindungen oder § 243 II 1 AktG anfechtbar sei. Alle Verschmelzungsbeschlüsse ohne Unterscheidung zwischen Abfindungspflicht und Abfindungsfreiheit für materiell kontrollfrei haltend OLG Frankfurt AG 2006, 249, 252 (Deutsche Telekom/T-Online); LG Arnsberg ZIP 1994, 536, 537 (Zuckerfabrik Soest/Südzucker; für die GmbH); Bermel in Goutier/Knopf/Tulloch, UmwG, 1995, § 13 Rn. 24; Grunewald, FS Röhricht, 2005, 129; Hofmann/Krolop, AG 2005, 866, 870; Lutter/Drygala in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 13 Rn. 33 (allerdings unter Ausschluss der abhängigkeitsbegründenden Verschmelzung, a.a.O. Rn. 38); Lutter, ZGR 1981, 171, 180; Pfeuffer, Verschmelzungen und Spaltungen als nachteilige Rechtsgeschäfte im Sinne von § 311 Abs. 1 AktG?, 2006, S. 146; K. Schmidt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1996, § 243 Rn. 46; Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze, 1980, S. 82; Timm, JZ 1980, 661, 668; stark dazu tendierend Henze, ZHR 162 (1998), 186, 196. Danach differenzierend, ob durch die Verschmelzung Abhängigkeit der AG begründet wird Timm, ZGR 1987, 403, 428; die Frage offenlassend Priester, NJW 1983, 1459, 1464. Für materielle Beschlusskontrolle auch in diesem Fall jedoch: Bayer, ZIP 1997, 1613, 1625; R. Becker, AG 1988, 223, 227 f. 366 OLG Düsseldorf ZIP 2003, 1749, 1751 f.; OLG Stuttgart AG 2008, 464, 466 (Aesculap AG & Co KG); Decher in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 193 Rn. 12; Decher in Lutter, Kölner Umwandlungsrechtstage, S. 201, 220; Happ in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 233 Rn. 53 (vgl. aber auch a.a.O., Rn. 56); Ihrig in Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 233 Rn. 28 (vgl. aber auch Rn. 29 mit dem in Fn. 74 enthaltenen Hinweis auf BGHZ 71, 40); K. Schmidt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1996, § 243 Rn. 46; Zimmermann in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 193 Rn. 10. 367 BGHZ 85, 350, 360 f. (Freudenberg). Diesen Gedanken auf die Kapitalgesellschaft erstreckend Happ in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 233 Rn. 56, aber widersprüchlich, weil Happ vorher (Rn. 53) das Erfordernis einer materiellen Beschlusskontrolle grundsätzlich verneint 368 BGH ZIP 2006, 2080, 2081; ebenso aus der Rspr. etwa OLG Karlsruhe AG 2007, 92, 93 (Novasoft); KG AG 2004, 478, 479; OLG Frankfurt AG 2008, 167, 169 (Wella); OLG München ZIP 2006, 2370, 2372 (Lindner); zuvor OLG Düsseldorf ZIP 2004, 359, 360 (Edscha AG); OLG Köln ZIP 2004, 760, 762; OLG Köln NZG 2005, 931, 931. 369 BGH ZIP 2005, 1318, 1320.

344

§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

c) Treuepflichten Obwohl die materielle Beschlusskontrolle überwiegend als Resultat der (mehrheitsbezogenen) Treuepflicht angesehen wird 370 , trifft man auf den soeben beschriebenen Streitstand nicht bei der Erörterung, inwieweit abfindungsauslösende Beschlüsse mit der Behauptung angefochten werden können, die Mehrheit verletze mit diesem Beschluss ihre Treuepflichten 371. Sofern das Thema überhaupt erörtert wird, findet man häufig den allgemein gehaltenen Hinweis, die Mehrheit eines abfindungsauslösenden Beschlusses sei an die Treuepflichten gebunden 372 . Für die Umwandlung wird in Anlehnung an das »Freudenberg«-Urteil des BGH373 auch die Auffassung vertreten, die Mehrheit treffe eine erhöhte Treubindung, ohne dass zwischen abfindungsbewährten und abfindungsfreien Umwandlungen differenziert wird 374 . Die Umwandlung dürfe daher von der Mehrheit nicht dazu benutzt werden, weitere »nicht durch die Umwandlung bedingte Veränderungen der Gesellschaftsstruktur« durchzusetzen 375 . Andererseits stößt man auf den Gedanken, die Treuepflichten seien in Abfindungssituationen aufgehoben. So formuliert Lutter in seinem grundlegenden Aufsatz über die »Theorie der Mitgliedschaft« (zwar mit Blick auf die materielle Beschlusskontrolle, aber dennoch auffällig allgemein gehalten): »Diese Begrenzung von Handlungsbefugnissen im Verband aus geschuldeter Rücksicht gilt (. . .) nicht, wenn das Gesetz selbst den Schutz der betreffenden mitgliedschaftlichen Interessen übernommen hat, etwa bei den Unternehmensverträgen oder der Eingliederung des Aktienrechts«376 .

Dementsprechend scheinen einige Vertreter der Annahme von Treupflichtbindungen in den Abfindungsfällen restriktiv gegenüber zu stehen: Für die Mehrheitseingliederung und den Squeeze-out findet sich etwa die Auffassung, es solle nur eine Missbrauchskontrolle stattfinden, die auf »Extremfälle« beschränkt sei 377. Es wird auch davon gesprochen, es existiere lediglich ein »Restbereich« der Treu-

370

Dazu noch die Nachweise sogleich u. S. 345 in Fn. 385. Zum Begriff der mehrheitsbezogenen Treuepflichten Wiedemann, FS Heinsius, 1991, 949, 950; daran anknüpfend auch Henze, BB 1996, 489, 496 f. 372 ZB für die Fälle des § 29 UmwG Gehling in Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 13 Rn. 23; Zimmermann in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 13 Rn. 12, der a.a.O. wegen des Hinweises auf § 29 UmwG deutlich macht, dass dies auch für den Fall der Mischverschmelzung gelten soll; für den Formwechsel Happ in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 233 Rn. 54, 56; s. auch Ihrig in Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 233 Rn. 29, der sich aber a.a.O., Rn. 28 gegen eine gerichtliche Kontrolle der Motive des Formwechsels wendet. 373 BGHZ 85, 350, 360 f. (Freudenberg). 374 Lutter in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 13 Rn. 39; vgl. auch Happ in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 233 Rn. 56. 375 BGHZ 85, 350, 360 (Freudenberg); Grunewald, FS Röhricht, 2005, 129, 134 ff.; Happ in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 233 Rn. 56; Lutter in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 13 Rn. 39. 376 Lutter, AcP 180 (1980), 84, 124. 377 Grunewald in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 320 Rn. 8. 371

C) Rechtmäßigkeit abfi ndungsauslösender Beschlüsse

345

pflichtkontrolle378 . Treuepflichten könnten nur im Einzelfall verletzt sein 379, was allerdings nicht schon dann der Fall sein soll, wenn die Mehrheitseingliederung zu dem Zweck eingesetzt wird, sich der Minderheit zu entledigen 380 . d) § 53a AktG Soweit § 53a AktG überhaupt behandelt wird, hält man ihn in Abfindungsfällen für unbeschränkt anwendbar381. Andererseits wird gefordert, die Prüfung abfindungsauslösender Beschlüsse anhand des § 53a AktG sei auf eine Missbrauchskontrolle zu reduzieren 382 ; rechtsformbedingte Ungleichbehandlungen seien beim Formwechsel unbeachtlich 383 . 2) Systematischer Ansatz a) Aufopferungsprinzip als Leitlinie § 243 II 1 AktG, materielle Beschlusskontrolle, mehrheitsbezogene Treuepflichten und § 53a AktG haben ein gemeinsames Merkmal: Sie binden die Mehrheit an Rücksichtspfl ichten. Für die materielle Beschlusskontrolle gilt dies unabhängig davon, ob man ihre dogmatische Ableitungsbasis mit der herrschenden Meinung in den Treuepflichten sieht384 , mit Mülbert organschaftlich konzipiert385 oder mit 378

Fleischer in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2007, § 327f Rn. 10. Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 320b Rn. 21. 380 Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 320b Rn. 21; Veit, Unternehmensverträge und Eingliederung als aktienrechtliche Instrumente der Unternehmensverbindung, 1974, S. 71. In diesem Sinne auch LG Mosbach AG 206, 210 (Michael Weinig AG). 381 Decher in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 195 Rn. 20; Decher in Lutter, Kölner Umwandlungsrechtstage, 1995, S. 201, 220; Ihrig in Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl. 2007, § 233 Rn. 29 (jeweils für das allgemeine gesellschaftsrechtliche Willkürverbot); Marsch-Barner in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 14 Rn. 7. 382 OLG Düsseldorf ZIP 2003, 1749, 1751 f.; ähnlich BGH ZIP 2005, 1318, 1321: »Einem solchermaßen überstimmten Minderheitsaktionär steht es frei, diese tatsächlichen Nachteile zu vermeiden, indem er sich durch Annahme des einen Bestandteil des Umwandlungsbeschlusses bildenden Abfindungsangebots von seiner Beteiligung trennt«. 383 BGH ZIP 2005, 1318, 1321; OLG Düsseldorf ZIP 2003, 1749, 1752. 384 Henze, BB 1996, 489, 496 f.; Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986, S. 16; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 243 Rn. 21; Hüffer in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2001, § 243 Rn. 53; Lutter AcP 180 (1980), 84, 121 f.; Lutter, JZ 1976, 225, 229; K. Schmidt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 243 Rn. 45 ff.; Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 763; Timm, JZ 1980, 661, 667; Timm, ZGR 1987, 403, 409; Timm, NJW 1988, 1582, 1583; Timm, WM 1991, 481, 482; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 8 II 3 = S. 431. Der Sache nach schon Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den Personenverbänden, 1963, S. 349 ff.; Zöllner in Kölner Kommentar zum AktG, 1971, § 243 Rn. 195 ff. 385 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 232 ff.; vgl. ähnlich vorher (Verbot institutionellen Rechtsmissbrauchs) Hüffer in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1984, § 243 Rn. 50; Hüffer, FS Steindorff, 1990, 59, 75 f.; zust. LG Dresden ZIP 1995, 1596, 1599 (Sachsenmilch); aufgegeben von Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 243 Rn. 21; Hüffer in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2001, § 243 Rn. 53. 379

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

Flume386 aus der Befugnis jedes Gesellschafters herleitet, bei der Herstellung des Willens für die juristische Person mitzuwirken 387. Um Rücksichtspflichten geht es auch bei den mehrheitsbezogenen Treuepflichten 388 , die ihren Adressaten dazu verpflichtet, die Belange der Minderheit wie ein Treuhänder wahrzunehmen 389. Rücksichtspflichten ergeben sich schließlich aus den §§ 53a, 243 II 1 AktG, die als besondere Ausprägungen des Treuegedankens verstanden werden können 390 . Eine wesentliche These dieser Arbeit lautet: Die Abfindungsansprüche des AktG und UmwG sind als Aufopferungsansprüche einzuordnen 391. Sie regeln Interessenkonflikte um die Nutzung der Aktie nach dem Aufopferungsprinzip. Die Mehrheit darf ihr privilegiertes Nutzungsinteresse gegen die Bestandsinteressen der Minderheit durchsetzen, muss sie dafür aber entschädigen (»Dulde, aber liquidiere«) 392 . Dies gilt selbst für die Abfindungsansprüche, die – wie etwa § 9 I 1, 2. Fall SEAG – ansonsten nur geringe Gemeinsamkeiten mit klassischen Aufopferungsansprüchen aufweisen 393 . Hält man sich dies vor Augen, drängt sich der Schluss auf, dass Rücksichtspflichten im Anwendungsbereich des Aufopferungsprinzips geradezu wie ein Fremdkörper wirken: Rücksichtspflichten zielen auf einen Ausgleich zwischen Mehrheit und Minderheit, das Aufopferungsprinzip ordnet die Bestandsinteressen der Minderheit unter394 . Treuepflichten und materielle Beschlusskontrolle ver386 Flume, Die juristische Person, 1983, § 7 II 2 = S. 201 ff., 212; vgl. auch schon v. Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 261. 387 Zur Rücksichtnahme als wesentlicher Inhalt der materiellen Beschlusskontrolle pointiert Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 233, 236 f.; Zöllner in Kölner Kommentar zum AktG, 1971, § 243 Rn. 195. 388 S. nur BGHZ 103, 184, 195 (Linotype); aus der Literatur statt aller Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 168. 389 Wohl zuerst Dorpalen, ZHR 102 (1936), 1, 20; s. ferner Lutter, AcP 180 (1980), 84, 114, 121, 124, 127; Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 196 (Wiedergabe US-amerikansicher Rechtsprechung); Timm, ZGR 1987, 403, 405; Timm, WM 1991, 481, 483; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 8 II 3 a = S. 432; M. Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, 1988, S. 143. S. auch schon RGZ 132, 149, 163 (Victoria): »Befugnis (. . .) mittelbar über deren (der Minderheit, Anm. d. Verf.) (. . .) Vermögensrechte« zu verfügen; ebenso Begr. RegE AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 408 (zu § 243 II AktG). Kritisch Fechner, Die Treubindungen des Aktionärs, 1942, S. 50 ff.; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 353. Offengelassen wird die Frage von Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den Personenverbänden, 1963, S. 342, s. für das Aktienrecht aber auch a.a.O. S. 350, wo ein Rückgriff auf Treuepfl ichten unter den Aktionären neben dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht für erforderlich gehalten wird. 390 Dazu für § 53a AktG: Hüffer, FS Steindorff, 1990, 59, 72; Lutter, JZ 1976, 225, 229; M. Weber, Vormitgliedschaftliche Treubindungen, 1999, S. 53 f. Für § 243 II 1 AktG: Hüffer in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2001, § 243 Rn. 54; Hüffer, FS Steindorff, 1990, 59, 72; M. Weber, Vormitgliedschaftliche Treubindungen, 1999, S. 55 f. 391 Zusf. S. 190. 392 Zu allem o. S. 158 ff. 393 Dazu o. S. 191 f. 394 Dazu Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den Personenverbänden, 1963, S. 341.

C) Rechtmäßigkeit abfi ndungsauslösender Beschlüsse

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pflichten die Mehrheit, die Interessen der Minderheit wie ein Treuhänder wahrzunehmen 395 , das Aufopferungsprinzip erlaubt den Privilegierten, ihre Interessen eigennützig gegen den »eigentlich beachtenswerten« Willen der Minderheit durchzusetzen. Die oben genannten Rechtmäßigkeitsschranken räumen den Minderheitsaktionären über die Anfechtungsmöglichkeit nach § 243 I, II AktG Mitverwaltungsrechte ein 396 , die Abfindungsnormen sind allein darauf bedacht, die Vermögensinteressen der Aktionäre zu schützen (vgl. insbesondere die §§ 305 V, 320b II, III, 327f AktG, §§ 34, 212 UmwG). Aus diesem Gegensatz folgt, dass eine Rechtmäßigkeitskontrolle nach den oben genannten Maßstäben der materiellen Beschlusskontrolle, der Treupflichtbindung und gem. §§ 243 II 1 AktG, 53a AktG ausscheiden muss, soweit die Mehrheit dadurch an Rücksichtspfl ichten gebunden würde, obwohl sie ihr privilegiertes Interesse gegen untergeordnete Interessen durchsetzt. Folgt aus den Abfindungsvorschriften die Pflicht, einen Eingriff zu dulden, dem man eigentlich widersprechen könnte, dann muss diese Duldungspflicht unabhängig davon gelten, ob man das(selbe) Widerspruchsrecht aus § 53a AktG, aus § 243 II 1 AktG oder aus den sonstigen soeben genannten Rechtsinstituten ableiten würde. b) Grenzen So klar die grundsätzliche Unvereinbarkeit von materieller Beschlusskontrolle, mehrheitsbezogenen Treuepflichten, § 243 II 1 AktG und § 53a AktG auf der einen Seite und Abfindungspflicht auf der anderen Seite ist, so schwierig sind die Grenzen dieser Alternativität. Zutreffend weisen Martens und Hirte darauf hin, dass allein von der Entschädigungspflicht nicht auf die grenzenlose Zulässigkeit des Eingriffs geschlossen werden darf397. Schon in dem soeben aufgestellten Grundsatz wurde einschränkend festgehalten, dass das Aufopferungsprinzip dem Bevorrechtigten die Durchsetzung seiner Interessen nur erlaubt, soweit diese Interessen privilegiert sind und soweit sie gegen Interessen durchgesetzt werden, die ihnen untergeordnet sind. Zwar darf etwa der Notstandsberechtigte gem. § 904 S. 2 BGB die Zaunlatte aus dem Gartenzaun des Eigentümers reißen, um damit den ihn angreifenden Hund abzuwehren. Der Eigentümer darf sich jedoch wehren, wenn sich der Notstandsberechtigte nach erfolgreicher Abwehr anschickt, die Zaunlatte mit nach Hause zu nehmen. Auch erlauben die Aufopferungsnormen selbstverständlich keinen Formenmissbrauch: Wirken Spaziergänger und Hundebesitzer kollusiv zusammen, um den verhassten Gartenzaun des Eigentümers durch eine manipulierte Notstandssituation zu beschädigen, so unterliegt der Eigentümer keinem Duldungszwang. Versucht die Mehrheit ein nicht privilegiertes Interesse

395

Vgl. die Nachweise o. in Fn. 390. Dazu Hüffer, FS Kropff, 1997, 127, 140 (für die materielle Beschlusskontrolle). 397 Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986, S. 136; Hirte in Hirte, Der Vertragskonzern im Gesellschaftsrecht, 1993, S. 1, 14; Martens, FS Robert Fischer, 1979, 437, 446. 396

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

gegen den Willen der Minderheit durchzusetzen, greift daher die oben genannte Argumentation nicht ein. Zu untersuchen ist demnach, welche Interessen die Minderheit dem Vollzugsinteresse der Mehrheit unterordnen muss bzw. an welche Grenzen die Durchsetzung der privilegierten Mehrheitsinteressen stößt. Eine abschließende Untersuchung dieser Frage wird freilich kaum möglich sein, denn die Konstellationen, in denen Minderheitsaktionäre durch abfindungsbewährte Maßnahmen unzulässig ausgebeutet werden können , sind kaum überschaubar. Trotzdem sollen im Folgenden die wichtigsten Eckpfeiler aufgestellt werden. Dabei ist zu unterscheiden zwischen solchen Rechtswidrigkeitsvorwürfen, die an das Verhalten der Aktionärsmehrheit bzw. des Mehrheitsaktionärs vor Beschlussfassung anknüpfen [s. sogleich aa)], und solchen Schranken, die die Beschlussfassung selbst zum Gegenstand haben [s. u. bb)]. aa) Verhalten im Vorfeld des abfindungsauslösenden Beschlusses Schon der BGH unterwarf im Linotype-Urteil den Liquidationsbeschluss zwar keiner materiellen Beschlusskontrolle, hielt ihn aber dennoch für anfechtbar, weil der Mehrheitsaktionär bereits vor der Beschlussfassung gesellschaftsschädigende Absprachen über die Übernahme wesentlicher Teile des Gesellschaftsvermögens getroffen hatte398 . Da solche Sachverhalte lediglich die Vorbereitung des abfindungsauslösenden Beschlusses betreffen, die Voraussetzungen für die Privilegierung des überwiegenden Interesses hier aber noch nicht vorliegen, kann dem Aufopferungsprinzip für solche Sachverhalte keine suspendierende Wirkung entnommen werden. Hier muss es daher bei den allgemeinen Rechtsausübungsschranken bleiben, insbesondere der Bindung an Treuepflichten. Anwendungsbeispiele findet man vor allem im Recht des Squeeze-out 399. So handelt rechtsmissbräuchlich, wer die Umwandlung einer GmbH in eine AG allein zu dem Zweck veranlasst, die Minderheitsgesellschafter auszuschließen400 , wer die 95%-Mehrheit nur vorübergehend (z.B durch Wertpapierleihe) erwirbt, um den Ausschluss durchzuführen401, 398

BGHZ 103, 184, 193 ff. (Linotype). Ausführlich Amberger, Die Missbrauchskontrolle im Rahmen des aktienrechtlichen Squeeze-out, 2007, S. 73 ff.; Greulich, Der Schutz des Minderheitsaktionärs, 2004, S. 249 ff.; Posegga, Squeeze-out, 2006, S. 77 ff. 400 Bolte, DB 2001, 2587, 2591; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 327a Rn. 8; Gesmann-Nuissl, WM 2002, 1205, 1210; Grunewald, ZIP 2002, 18, 22; Grunewald in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2004, § 327a Rn. 22; Krieger, BB 2002, 53, 61 f.; Posegga, Squeeze-out, 2006, S. 138 ff.; a. A. Angerer, BKR 2002, 260, 267; Austmann in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 74 Rn. 120; Markwardt, BB 2004, 277, 283; Halasz/Kloster, DB 2002, 1253; Pluskat, NZG 2007, 725, 726 f. 401 OLG München ZIP 2006, 2370, 2373 (Lindner) (zumindest im konkret entschiedenen Fall); LG Landshut AG 2006, 713 (Lindner); P.A. Baums, Ausschluss von Minderheitsaktionären, 2001, S. 140 ff.; Dißars, BKR 2004, 389, 393; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbHKonzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 327a Rn. 29; einen Missbrauch für möglich haltend Bolte, DB 2001, 2587, 2589 f.; Fröde, NZG 2007, 729; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 327a Rn. 12; a. A. Austmann in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 74 Rn. 126; Kort, AG 2006, 557, 558 f.; Kort, 399

C) Rechtmäßigkeit abfi ndungsauslösender Beschlüsse

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oder wer Minderheitsaktionäre zuvor zum Erwerb von Aktien veranlasst und dabei das Vertrauen begründet hat, ein Squeeze-out sei (in absehbarer Zeit) ausgeschlossen402 . bb) Schranken der Beschlussfassung selbst Schwierig wird die Abgrenzung, wenn Gegenstand des Rechtswidrigkeitsvorwurfs der Beschluss selbst sein soll. Hier geht es um das Verhalten, mit dem die Mehrheit ihr privilegiertes Interesse durchsetzt. Für das weitere Vorgehen bietet es sich an, entsprechend der dem allgemeinen Zivilrecht bekannten Differenzierung zwischen Inhalts- und Umstandssittenwidrigkeit zwischen solchen Rechtswidrigkeitsgründen zu unterscheiden, die an den Inhalt des abfindungsauslösenden Beschlusses anknüpfen [s. sogleich (1)], und solchen, die die weiteren Umstände dieses Beschlusses betreffen [s. u. (2)] – insbesondere die Beweggründe und den Zweck des abfindungsauslösenden Beschlusses. (1) Rechtswidrigkeit aufgrund des Beschlussinhalts Fraglich ist zunächst, inwieweit die Aktionärsminderheit in den Abfindungsfällen den Vorwurf erheben kann, die Mehrheit verletze aufgrund des konkreten Abfindungsinhalts Rücksichtspflichten bzw. handele missbräuchlich. In den Umwandlungsfällen etwa könnte dies zu einer Pflicht führen, die »Bestandsinteressen im weiteren Sinne« zu beachten403 , also den unterlegenen Aktionären in der neuen Rechtsform soweit wie möglich die bisherige Mitgliedschaft zu garantieren: Müssen sich die unternehmerischen Mehrheitsaktionäre z. B. beim Formwechsel kraft Gesellschaftsvertrags verpflichten, keinen unternehmerischen Einfluss auf die Geschäftsführung auszuüben, damit die Maxime des § 76 I AktG (»unter eigener Verantwortung«) soweit wie möglich gewahrt bleibt? Muss eine konzerninterne Verschmelzung unterbleiben, wenn die Minderheitsaktionäre durch sie unter eine relevante Beteiligungsschwelle – etwa 10% – rutschen würden404 ? Auch Fragen des Formenmissbrauchs können sich stellen: Ist etwa der Eingliederungsbeschluss oder die Zustimmung zum Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag anZIP 2006, 1519, 1521 f.; Kort, WM 2006, 2149, 2150 f.; Krieger, BB 2002, 53, 62; Markwardt, BB 2004, 277, 285; Pluskat, NZG 2007, 725, 727 ff.; Wittuhn/Giermann, MDR 2003, 372, 373 f.; differenzierend Posegga, Squeeze-out, 2006, S. 128 f. 402 Vgl. OLG Celle AG 2004, 206, 207 (AlliedSignal Chemical Holding); als Fallgruppe genannt auch von OLG Karlsruhe AG 2007, 92, 93 (Novasoft): Rechtswidrigkeit eines Squeeze-out bei zuvor erteilter Zusage, man werde Ausgleichsansprüche der Minderheitsaktionäre bis zwei Monate nach dem rechtskräftigen Abschluss eines Spruchverfahrens erfüllen und daher die AG insbesondere nicht liquidieren. S. im Übrigen Dißars, BKR 2004, 389, 393; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 327a Rn. 30; Fleischer, ZGR 2002, 757, 785 f.; Grunewald in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2004, § 327a Rn. 28; Rühland, Der Ausschluß von Minderheitsaktionären aus der Aktiengesellschaft (Squeeze-out), 2003, S. 248; grundsätzlich zustimmend auch Austmann in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 74 Rn. 127; a. A. Markwardt, BB 2004, 277, 286. 403 Zum umwandlungsrechtlichen Bestandsschutz im weiteren Sinne schon o. S. 53 ff. 404 So Lutter in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 13 Rn. 39.

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

fechtbar, wenn das Umtauschverhältnis für die Abfindung in Aktien so festgelegt wurde, dass viele Kleinaktionäre nicht an der abfindungspflichtigen AG beteiligt werden können405 und sie somit auf »kaltem Wege« aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden? Die aufgeworfene Frage lässt sich am besten gesondert für die einzelnen Abfindungsfälle beantworten. (a) Aktienrechtlicher Squeeze-out. Beim aktienrechtlichen Squeeze-out fällt die Antwort am leichtesten. Hier besteht das gem. § 327a AktG privilegierte Interesse darin, die duldungspflichtige Aktionärsminderheit aus der AG auszuschließen. Da sich die Mitgliedschaft der ausgeschlossenen Aktionäre nicht – wie bei der Mehrheitseingliederung – in einem anderen Rechtsträger fortsetzt, wird den Aktionären kein Bestandsinteresse »im weiteren Sinne« zugestanden406 . Für einen Rest an Rücksichtspflichten auf die »Bestandsinteressen im weiteren Sinne« bleibt daher kein Platz 407. Hierfür spricht auch ein Vergleich mit § 39a WpÜG, denn in diesem Fall verzichtet das Gesetz von vornherein auf einen Hauptversammlungsbeschluss, der angefochten werden könnte. (b) Verschmelzung, Spaltung, Formwechsel, Sitzverlegung. Schwieriger zu beantworten ist die Frage für die Abfindungsfälle des UmwG und SEAG. Auf der einen Seite steht hier das »Freudenberg«-Urteil des BGH, wonach die Aktionärsmehrheit die Umwandlung einer Publikums-KG nicht dazu benutzen darf, weitere, nicht durch die Umwandlung bedingte Veränderungen der Gesellschaftsstruktur durchzusetzen408 . Auf der anderen Seite steht Mülberts (zumindest ursprünglich so vertretenes) Konzept des rein vermögensmäßigen Aktionärsschutzes, wonach allein die Vermögensinteressen der Minderheitsaktionäre geschützt sind, wenn sie sich einem mit 75%iger Mehrheit beschlossenen Strukturwandel unterwerfen müssen409. (aa) Rücksichtspfl ichten? Ausgangspunkt für die Antwort auf die Frage, inwieweit die Minderheitsaktionäre ihre Interessen der Mehrheit unterordnen müssen, ist die gesetzliche Ausgestaltung ihrer Rechte bei Umwandlungen. 405 Dazu zunächst nur LG Berlin AG 1996, 230, 232 (Brau und Brunnen AG); J. Vetter, AG 1997, 6, 11 ff.; J. Vetter, AG 2000, 193, 200 ff. 406 Dazu schon o. S. 53 ff. 407 Dies bedeutet natürlich nicht, dass der Beschlussinhalt aus anderen Gründen rechtswidrig und anfechtbar ist, etwa wenn der Beschluss festlegt, dass spätere Ausgleichs- oder Dividendenleistungen von der Abfindung nach § 327b AktG abgezogen würden, so OLG Hamburg ZIP 2003, 1344, 1345 f. (Philips/PKV), oder wenn das Abfi ndungsangebot unzulässig unter eine Bedingung gestellt wird, dazu LG Frankfurt AG 2005, 545, 548 m. Anm. Zschocke/Rahlf, DB 2004, 2745. 408 BGHZ 85, 350, 360 f. (Freudenberg); hierzu Wiedemann, JZ 1983, 559, 560. Die Grundsätze dieses Urteils auf die AG übertragend Happ in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 233 Rn. 56; wohl auch Lutter in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 13 Rn. 39. 409 Dazu o. S. 57 ff.

C) Rechtmäßigkeit abfi ndungsauslösender Beschlüsse

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Für beachtenswerte Bestandsinteressen spricht hier, dass sich die umwandlungsrechtlichen Informationsrechte der Aktionäre auch auf ihre neue Mitgliedschaft beziehen: So muss der Umwandlungsbericht gem. §§ 8 I 2, 192 I 1 u. 2 UmwG auf die Folgen für die Beteiligung der Anteilsinhaber hinweisen; die allgemeinen Auskunftsrechte der Aktionäre gem. §§ 64 I, II, 232, 239 UmwG richten sich auch auf die Ausgestaltung ihrer neuen Mitgliedschaft. Andere Aktionärsrechte sind hingegen allein oder schwerpunktmäßig auf Vermögensschutz gerichtet: So betont § 8 I 1 UmwG als wesentlichen Inhalt des Verschmelzungs- und Spaltungsberichts, dass das Umtauschverhältnis und die anzubietende Abfindung rechtlich und wirtschaftlich erläutert und begründet werden muss; es muss auf besondere Schwierigkeiten bei der Bewertung der Rechtsträger eingegangen werden (§ 8 I 2, 1. Alt. UmwG). Auch die Umwandlungsprüfung ist auf den Schutz der Vermögensrechte konzentriert: Wichtigster Teil des Prüfungsberichts bei Verschmelzung und Spaltung ist gem. §§ 12 II 1, 30 UmwG die Angemessenheit von Umtauschverhältnis und Abfindung (§§ 12 II 1, 30 II UmwG), beim Formwechsel ist die Umwandlungsprüfung auf die Angemessenheit der Abfindung beschränkt (§ 208 UmwG). Auch die nachträglichen Aktionärsrechte haben allein den Vermögensschutz im Auge: Gem. §§ 15, 196 UmwG können Minderheitsaktionäre zwar bare Zuzahlung verlangen, nicht aber auf inhaltliche Änderungen des umwandlungsrechtlichen Grundlagenakts (Verschmelzungs- oder Spaltungsvertrag, Umwandlungsbeschluss) hinwirken. Schließlich können besondere Nachteile im neuen Rechtsträger, z. B. ein Wechsel des Haftungsstatuts, in die Angemessenheitsprüfung einbezogen werden, sie müssen also nicht notwendigerweise zur Unzulässigkeit der Umwandlung führen410 . Gegen Rücksichtspflichten spricht auch der Gedanke, dass jede abfindungsauslösende Umwandlung zu einem »Wegfall der Geschäftsgrundlage« des Gesellschaftsvertrags (dem Rechtsformwechsel) führt. Zwar handelt es sich hierbei nicht um einen Rechtsbegriff, sondern lediglich um eine bildliche Umschreibung. Diese Umschreibung verdeutlichet jedoch sehr gut, dass bereits die Unterordnung des Interesses am Bestand der bisherigen Rechtsform ein so starker Eingriff ist, der weitere Rücksichtspflichten daneben als reine Makulatur erscheinen lässt. Mit dem Wegfall der gesellschaftsvertraglichen Geschäftsgrundlage könnten daher auch die Bindungen wegfallen, denen Aktionäre normalerweise unterliegen. Zu bedenken ist weiterhin, dass der Gesetzgeber gem. §§ 14 II, 32, 210 UmwG, 7 V SEAG auch die Interessen der Minderheitsaktionäre an Klarheit über die tatsächlich angemessene Abfindung und das tatsächlich angemessene Umtauschverhältnis dem Vollzugsinteresse der Mehrheit unterordnet411. Sachlicher Grund hierfür ist einerseits die Schwierigkeit, über die Angemessenheit der Abfindung zu 410

Müller in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 9 Rn. 34; hierzu auch Ossadnik/Maus, DB 1995, 105, 109. 411 Dazu schon Klöhn, AG 2002, 443, 449. Konsequent auf dieser Linie liegt die Rechtsprechung zum Anfechtungsausschluss wegen anfechtungsbezogener Informationsmängel, dazu BGHZ 146, 179 (MEZ) und BGH NJW 2001, 1428 (Aqua-Butzke-Werke) sowie noch u. S. 365 f.

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

befinden, wodurch sich Prozesse über diese Frage in die Länge ziehen können, andererseits die Notwendigkeit, Strukturentscheidungen möglichst schnell in das Handelsregister eintragen zu lassen412 . Entscheidend im vorliegenden Zusammenhang ist nun, dass Prozesse, mit denen Rücksichtspflichtverletzungen gerügt werden, ebenso langwierig sein können wie Prozesse über die Höhe der angemessenen Abfindung413 : Es lässt sich oftmals kaum rekonstruieren, in welcher gesamtwirtschaftlichen Lage sich die Gesellschaft befand, als sie sich für die Strukturwandelung entschied. Ein schier unerschöpflicher Quell nicht einfach von der Hand zu weisender Einwendungen sind auch die Alternativen, die der AG möglicherweise als mildere Mittel zur Verfügung gestanden haben414 . Anfechtungsklagen, die auf Rücksichtspflichtverletzungen gestützt werden, können das privilegierte Vollzugsinteresse der Mehrheit daher ebenso beeinträchtigen wie der Streit um die tatsächlich angemessene Abfindung. Hiergegen lässt sich freilich einwenden, dass es sich bei der Schwierigkeit, die tatsächlich angemessene Abfindung bzw. das tatsächlich passende Umtauschverhältnis zu bestimmen, um eine Frage handele, die niemand zutreffend beantworten könne. Bei den hier besprochenen Einwänden ginge es hingegen um mögliche Pflichtverletzungen der Aktionärsmehrheit, über deren Vorliegen sehr wohl – aus Sicht der Mehrheit – Gewissheit herrschen könne und deren Risiko diese Mehrheit daher auch tragen müsse. Allerdings könnte diese Argumentation auch die §§ 32, 210 UmwG, 7 V SEAG nicht erklären. Wie bereits oben erwähnt, handelt es sich bei der Unsicherheit über die tatsächlich angemessene Abfindung um ein Risiko, das die Mehrheit hervorgerufen hat, das sie beherrscht und von dessen Entstehungstatbestand (der Umwandlung) sie durch ihre Beteiligung am neuen Rechtsträger profitiert415 . Trotzdem ordnen die §§ 32, 210 UmwG, 7 V SEAG die Interessen der Minderheitsaktionäre an Bewertungssicherheit dem Vollzugsinteresse der Mehrheit unter. Zwei Einwände bleiben jedoch: Zum einen wurden die abfindungsbewährten Umwandlungen bewusst nicht als Ausschlusstatbestände kreiert416 . Zum anderen läuft jedes auf alleinigen Vermögensschutz ausgerichtete System Gefahr, dass die tatsächlich angemessene Entschädigung – hier die Abfindung – nicht beziffert werden kann 417. Die neue Rechtsprechung des BVerfG und BGH zur Berücksichti412

Vgl. Klöhn, AG 2002, 443, 449. Vgl. auch Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den Personenverbänden, 1963, S. 355, der einräumt, dass die beweglichen Schranken der Stimmrechtsmacht (insbesondere also die Bindung an Treuepflichten) den Gerichten Aufgaben aufbürden, »die an der Grenze des Erfüllbaren liegen«; ähnlich für den Formwechsel Decher in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 193 Rn. 12 (materielle Beschlusskontrolle wäre »kaum durchführbar«); ähnlich für die Verschmelzung Lutter in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 13 Rn. 37; H. P. Westermann in FS Semler, 651, 661 ff. 414 Decher in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 193 Rn. 12; Lutter in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 13 Rn. 37. 415 Vgl. schon o. S. 143 ff. 416 Dazu schon o. S. 53 ff. »Prinzip des Bestandsschutzes im weiteren Sinne«. 417 Dazu schon o. S. 104 f. und öfter. 413

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gung des Börsenkurses als Mindesthöhe der Abfindung hat hier zwar die Rechtssicherheit erhöht, weil sich die Aktionäre in groben Zügen selbst ausrechnen können, welche Mindestabfindung sie erhalten418 . Vielfach schwieriger ist die Ermittlung der angemessenen Abfindung jedoch bei börsenfernen Gesellschaften (vgl. etwa den auf Börsengesellschaften beschränkten § 186 III 4 AktG). Beide Einwände lassen sich vereinigen: Das Vollzugsinteresse der Mehrheit muss ausnahmsweise dann zurücktreten, wenn den Minderheitsaktionären der Verbleib im neuen Rechtsträger unzumutbar ist419, denn die Aktionäre dürfen durch die Umwandlung nicht »funktionswidrig« aus der AG gedrängt werden420 . Aus den oben genannten Gründen (Bewertungssicherheit) kann dieser Einwand bei börsennotierten Gesellschaften allerdings nur in Extremfällen eingreifen. Insbesondere rechtsformbedingte Nachteile, z. B. Ungleichbehandlungen infolge des Formwechsels, können weder nach § 53a AktG noch über andere der oben genannten Institute gerügt werden421, denn der Rechtsformwechsel wird durch die Abfindung entgolten. Es müssen daher besondere Ausnahmegründe vorliegen, die den Verbleib im aufnehmenden Rechtsträger auch bei Hinnahme des Rechtsformwechsels unzumutbar machen. Denkbar wäre dies, wenn die AG auf einen »qualifiziert-faktisch konzernierten« Rechtsträger anderer Rechtsform verschmolzen werden soll, denn den hierin liegenden Eingriff muss kein Aktionär dulden422 . Bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften kommen Ausnahmen eher in Betracht: Hier ist die Ermittlung der tatsächlich angemessenen Abfindung mit größeren Schwierigkeiten behaftet, wodurch die Legitimität der soeben beschriebenen Interessenverteilung in Frage gestellt wird. Außerdem sind die Bestandsinteressen der dissentierenden Aktionäre grundsätzlich schutzwürdiger als in der börsennotierten AG, weil ihr Investment typischerweise gleichzeitig die Lebensgrundlage bildet. Gleichwohl müssen auch hier allein durch den Rechtsformwechsel bedingte Nachteile bei der Unzumutbarkeitsfrage ausgeblendet werden, weil der Eingriff insoweit durch die Abfindung legitimiert wird und die Bestandsinteressen daher insoweit untergeordnet werden müssen. Die soeben genannten Gründe könnten aber z. B. dazu führen, dass die Anforderungen für den Beweis gesenkt werden, die AG werde in einen qualifiziert-faktischen Konzern verschmolzen423 . 418

Dazu Luttermann, BB 2001, 382, 384. In diese Richtung auch Lutter in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 13 Rn. 39. Vgl. hierzu auch in anderem Zusammenhang Marsch-Barner in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 5 Rn. 10; Grunewald/M. Winter in Lutter, Kölner Umwandlungsrechtstage, 1995, S. 19, 49. 420 Vgl. auch OLG Düsseldorf ZIP 2003, 1749, 1752 f. 421 Ebenso BGH ZIP 2005, 1318, 1321; OLG Düsseldorf ZIP 2003, 1749, 1752 f.; Grunewald, FS Röhricht, 2005, 129, 135. 422 S. schon o. S. 290 ff. Aus den allgemeinen Grenzen der Abfindungsfreiheit der formwahrenden Verschmelzung und Spaltung [dazu S. 300 (Unternehmensgegenstand), S. 302 f. (Unternehmenszweck), S. 317 (Fortfall der Börsennotierung)] folgen keine solchen Rücksichtspfl ichten. Dies ergibt sich daraus, dass die Aktionäre hinsichtlich dieser Veränderungen gerade kein VetoRecht haben. Es muss ihnen jedoch eine Barabfi ndung angeboten werden. 423 Zur Beweisverteilung sogleich u. S. 355. 419

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(bb) Missbrauchskontrolle. Fraglich ist nun, wo die soeben aufgezeigten Rechtsausübungsschranken dogmatisch zu verorten sind. Denkbar ist zunächst, die Grenzen als letzte Bastionen der §§ 243 II 1, 53a AktG, der Treuepflichten oder einer materiellen Beschlusskontrolle zu begreifen. Hierdurch würde allerdings nicht hinreichend zum Ausdruck kommen, dass die Pflichtenbindung beim abfindungsauslösenden Beschluss grundsätzlich anders beschaffen ist als bei anderen Beschlüssen »im Leben« der AG424 : Knüpft man an den Gedanken an, dass die Mehrheit in den Abfindungsfällen die Möglichkeit hat, einseitig die Geschäftsgrundlage des Gesellschaftsvertrags zu ändern425 , so liegt es nahe, bei diesem Beschluss auch von einem Wegfall der üblichen gesellschaftsrechtlichen Bindungen auszugehen426 . Die Aktionäre stehen sich bei diesem Beschluss nicht wie Gesellschafter, sondern wie Beteiligte eines »normalen« Schuldverhältnisses gegenüber427. Schon oben wurde gesagt, dass für die Rücksichtspflichten des allgemeinen Binnengesellschaftsrechts, neben dem Aufopferungsprinzip kein Platz ist. An die Stelle des »Treuhandmodells« des allgemeinen Gesellschaftsrechts tritt das »Aufopferungsmodell« des Abfindungsrechts. Die oben bejahten Rechtmäßigkeitsschranken sollten daher weder an den §§ 243 II, 53a AktG noch den Treuepflichten noch der materiellen Beschlusskontrolle festgemacht werden. Dogmatische Ableitungsbasis ist stattdessen das allgemeine aus § 242 BGB folgende Verbot des Rechtsmissbrauchs428 . Dieser Ausübungsschranke unterliegt jedes subjektive Privatrecht, also auch die hier behandelten abfindungsauslösenden Eingriffsrechte. Der hier besprochene Rechtswidrigkeitsfall, in dem die Umwandlung zu einem unzulässigen Squeeze-out der Minderheitsaktionäre eingesetzt wird, lässt sich dabei zwanglos unter die im Rahmen des § 242 BGB anerkannte Fallgruppe des Formenmissbrauchs subsumieren429. In diesen Fällen statuiert § 242 BGB das Verbot, ein bestimmtes Rechtsinstitut zu einem Zweck einzusetzen, zu dem es nicht vorgesehen ist430 . Zwar ist das Verbot des Rechtsmissbrauchs auch Inhalt der Treuepflicht431. Da die Interessenbewertung in den Abfindungsfällen jedoch schon eine prinzipiell an424

Dazu schon o. S. 345 f. S. o. S. 351. 426 S. schon o. S. 351. 427 Dazu schon o. S. 238. 428 Zwischen erhöhten Rücksichtspflichten und dem allgemeinen Verbot des Rechtsmissbrauchs unterscheidend etwa BGHZ 76, 352, 353; BGHZ 103, 184, 191 (Linotype); OLG Düsseldorf ZIP 2003, 1749, 1752; T. Bezzenberger, ZIP 2002, 1917, 1925 f.; Henze, BB 1996, 489, 494; Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986, S. 150; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 110 f.; Lutter, JZ 2003, 684, 686; K. Schmidt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 243 Rn. 47. 429 Ähnlich OLG Düsseldorf ZIP 2003, 1749, 1751 f. (»funktionswidriger Einsatz des Formwechsels«, der in concreto aber verneint wurde). 430 Vgl. Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986, S. 151 (Umgehungsgedanke); Martens, GmbHR 1984, 265, 269 f. (übertragende Auflösung und sonst nicht erzielbares Ausschlussverfahren); Timm, ZGR 1987, 403, 414. 431 Henze, BB 1996, 489, 494; Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986, S. 139, 150 ff.; Timm, ZGR 1987, 403, 413. 425

C) Rechtmäßigkeit abfi ndungsauslösender Beschlüsse

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dere ist als im sonstigen Gesellschaftsrecht, sollte das Verbot des Rechtsmissbrauchs nicht als ein Unterfall, sondern als aliud zu den Treuepflichten begriffen werden. Seinen Geltungsgrund findet die hier bejahte Rechtmäßigkeitsschranke dementsprechend nicht in einem Rest von Rücksichtspfl ichten zwischen den Aktionären, sondern in immanenten Grenzen des Eingriffsrechts, das der Aktionärsmehrheit in den Abfindungsfällen verliehen wurde. Es handelt sich also um einen Fall institutionellen Rechtsmissbrauchs432 . Bedeutung hat diese Einordnung insbesondere für die Beweislast. Entsprechend den allgemeinen Grundsätzen zu § 243 I AktG trägt grundsätzlich der anfechtende Aktionär die Darlegungs- und Beweislast für die anfechtungsbegründenden Tatsachen433 . Die Grundsätze, die zur Beweiserleichterung bei der materiellen Beschlusskontrolle und Treupflichtverletzungen diskutiert werden434 , sind auf den Einwand des Rechtsmissbrauchs nicht anwendbar435 . (c) Mehrheitseingliederung. Die für den Squeeze-out und die umwandlungsrechtlichen Abfindungsfälle gefundenen Grundsätze lassen sich auf die Mehrheitseingliederung übertragen: Da § 320b AktG der Hauptgesellschaft das Recht gibt, die Minderheitsaktionäre aus der einzugliedernden AG zu verdrängen, bleibt – entsprechend den Ausführungen zum Squeeze-out – für Rücksichtspflichten auf das Interesse am Verbleib in der AG kein Platz. Einfallstor für Rücksichtspflichten könnte aber die Pflicht des herrschenden Aktionärs sein, den verdrängten Aktionären eine angemessene Beteiligung in der 432 Dazu und zur Abgrenzung vom individuellen Rechtsmissbrauch, bei dem sich der Berechtigte zwar innerhalb der generellen Schranken eines Rechtsinstituts hält und lediglich aus besonderen Gründen wider Treu und Glauben handelt BGHZ 19, 75; BGHZ 30, 145; Schulze in HkBGB, 5. Aufl. 2007, § 242 Rn. 22; Teichmann in Soergel, BGB, 12. Aufl. 1990, § 242 Rn. 14; Teubner in AK-BGB, 1980, § 242 Rn. 38. 433 S. nur Hüffer in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2001, § 243 Rn. 134, 135; K. Schmidt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 243 Rn. 80. 434 Die Einzelheiten sind hier höchst str., vgl. Hüffer in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2001, § 243 Rn. 140 f.; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 174 f. Die Ausführungen zur Beweislastverteilung bei der materiellen Beschlusskontrolle in BGHZ 71, 40, 48 f. (Kali und Salz) sind unklar geblieben (vgl. Hüffer, FS Fleck, 1988, 151, 166). 435 T. Bezzenberger, ZIP 2002, 1917, 1926. Trotzdem ist zu berücksichtigen, dass der Aktionär keine Einsichtsrechte in die Gesellschaftsunterlagen hat und dass sich hieraus nach allgemein zivilprozessualen Wertungen Erleichterungen für Darlegungs- und Beweislast ergeben. Der klagende Aktionär muss daher Anhaltspunkte dafür vortragen, dass Rechtsmissbrauch vorliegt. Dem muss die AG mit substanziierten Gegendarlegungen entgegentreten. Bleiben Tatsachen streitig, trägt zwar grundsätzlich der klagende Aktionär die Beweislast; diese wird ihm in mancher Hinsicht jedoch durch allgemeine Mittel des Zivilprozessrechts genommen, z. B. durch die Parteivernehmeung der Gegenseite (§ 445 ZPO), die Vorlagepflicht von Urkunden nach § 423 ZPO etc. (weiterführend T. Bezzenberger a.a.O., S. 1927). In den Abfindungsfällen helfen dem Aktionär dafür auch die Berichtspflichten (§§ 293b, 319 III Nr. 2, 327c II 1 AktG, §§ 8, 192 UmwG), in denen etwa die Motive für die Strukturwandelung, insbesondere das Für und Wider der Maßnahme, dargelegt werden müssen (s. dazu für die Verschmelzung statt aller Lutter/Drygala in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 8 Rn. 15; für den Formwechsel etwa Meister/Klöcker in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 192 Rn. 10). Zu »erscheinungsbildspezifischen« Erleichterungen der Beweislast o. S. 353.

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Hauptgesellschaft anzubieten (Prinzip des Primärschutzes, § 320b I 2 AktG) 436 . Hier könnte die Mehrheit etwa verpflichtet sein, die Eingliederung nur dann vorzunehmen, wenn die Beteiligung in der Hauptgesellschaft bestimmte, wie auch immer festzulegende Anforderungen erfüllt. Rücksichtspflichten bestünden dann zwar nicht hinsichtlich des Bestandsinteresses der Minderheitsaktionäre »im engeren Sinne«, aber immerhin bezüglich der Bestandsinteressen »im weiteren Sinne«437. Die Frage nach den Rücksichtspflichten auf diese Bestandsinteressen ist in § 320b I AktG allerdings speziell geregelt: Zum einen dürfen die duldungspflichtigen Minderheitsaktionäre nur dann »zwangsumgesiedelt« werden, wenn der herrschende Aktionär die Rechtsform der AG hat und im Inland sitzt (§ 320 I 1 AktG), zum anderen muss diese AG unabhängig sein (§ 320b I 3 AktG) 438 . Bestandsinteressen der Aktionäre »im weiteren Sinne« werden außerdem nach dem Grundsatz der Gattungsgleichheit geschützt439. Dieser Grundsatz rechtfertigt sich jedoch nicht aus mehrheitsbezogenen Rücksichtspflichten, sondern aus der Prämisse, dass die Eingliederung sowohl für die abfindungsberechtigten Aktionäre als auch die Aktionäre der Hauptgesellschaft ein »Nullsummenspiel« sein muss440 . Im Übrigen ist die detaillierte Regelung des § 320b AktG im Zusammenhang mit der hier aufgeworfenen Frage als abschließend zu betrachten. Der Mehrheitsaktionär hat daher über die Anforderungen der §§ 320, 320b AktG hinaus keine besonderen Rücksichtspflichten hinsichtlich der Frage, wie die Beteiligung der Minderheitsaktionäre in der Hauptgesellschaft auszugestalten ist441. Können der Hauptgesellschaft somit keine Rücksichtspflichten hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung der neuen Mitgliedschaft auferlegt werden442 , so gilt etwas anderes jedoch für die Festlegung des Umtauschverhältnisses. Kann die Umtauschrelation zwischen Haupt- und eingegliederter Gesellschaft nicht so festgelegt werden, dass eine Aktie der eingegliederten Gesellschaft voll gegen eine andere Aktie der Hauptgesellschaft eingetauscht werden kann, so sind die dadurch entstehenden Spitzenbeträge durch bare Zuzahlung auszugleichen (§ 320b I 4, 2. 436 Dass das Prinzip des Primärschutzes die Bestandsinteressen »im weiteren Sinne« schützt, wurde schon o. S. 275 dargelegt. 437 S. zum Bestandsschutz im weiten Sinne schon o. S. 53 ff., 349. 438 Die Zwangsabfindung in Aktien findet ihre Grenzen darüber hinaus in den allgemeinen Grenzen der Abfindungsfreiheit der formwahrenden Verschmelzung und Spaltung [dazu S. 300 (Unternehmensgegenstand), S. 302 f. (Unternehmenszweck), S. 317 (Fortfall der Börsennotierung)]. 439 Dazu o. S. 277 f. 440 Dazu o. S. 278. 441 Etwas anderes gilt in dem – eher theoretischen – Fall, in dem die Aktionäre durch die Eingliederung auf eine »qualifiziert-faktisch konzernierte« Obergesellschaft umgesiedelt werden, dazu schon o. S. 353. 442 Auch die in Fn. 438 genannten ungeschriebenen Grenzen statuieren keine solchen Rücksichtspflichten. Sind sie erreicht, muss den Aktionären Barabfindung angeboten werden, die Eingliederung darf aber trotzdem durchgeführt werden. Dies ist die Konsequenz daraus, dass die Aktionäre hinsichtlich der Änderung von Unternehmensgegenstand, Unternehmenszweck und Börsennotierung gerade kein Veto-Recht haben.

C) Rechtmäßigkeit abfi ndungsauslösender Beschlüsse

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Hs. AktG, ebenso § 305 III 1, 2. Hs.) 443 . Problematisch ist, ob die Hauptgesellschaft aufgrund ihrer Treuepflicht gezwungen ist, das Umtauschverhältnis – insbesondere durch eine entsprechende Kapitalerhöhung – so festzulegen, dass möglichst geringe Spitzen entstehen und die abfindungsberechtigten Aktionäre soweit wie möglich an der Hauptgesellschaft beteiligt werden können444 . Diese Frage ist zu bejahen445 . Das Prinzip des Primärschutzes ist gerade darauf angelegt, den Aktionären soweit wie möglich die bisherige Mitgliedschaft zu erhalten und schützt dabei gerade auch die Bestandsinteressen (im weiteren Sinne) der Aktionäre446 . Das Prinzip des Primärschutzes gehört daher zu den immanenten Grenzen, innerhalb derer das privilegierte Vollzugsinteresse der Hauptgesellschaft durchgesetzt wird. Ein überwiegendes Interesse der Hauptgesellschaft am Ausschluss der abfindungsberechtigten Aktionäre auch in der Hauptgesellschaft gewährt die Mehrheitseingliederung gerade nicht, sie ist nicht als Squeeze-out konzipiert (Gedanke des Formenmissbrauchs). Schließlich macht es keinen Sinn, dissentierende Aktionäre auf das Spruchverfahren zu verweisen, denn in diesem Verfahren kann das Umtauschverhältnis gerade nicht mehr verändert werden (vgl. auch § 15 I, 1. Hs. UmwG) 447. (d) Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Für den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag gilt Ähnliches wie für die Mehrheitseingliederung. Für Rücksichtspflichten, die an den Inhalt des Zustimmungsbeschlusses in der abhängigen Gesellschaft anknüpfen, könnte man hier allerdings zwei Einfallstore finden: Die Tatsache, dass die außenstehenden Aktionäre unter Bezug von Ausgleichszahlungen nach § 304 AktG in der abhängigen AG verbleiben können (Bestandsinteressen im engen Sinne), sowie die Pflicht des herrschenden Unternehmens eine Abfindung in Aktien anzubieten (§ 305 II Nr. 1 AktG; Bestandsinteressen im weiteren Sinne). Soweit es um den Schutz der Bestandsinteressen im weiteren Sinne geht, gilt das zu § 320b AktG Gesagte entsprechend. Auch hier ist die detaillierte Regelung des § 305 II Nr. 1 AktG sowie der ungeschriebenen Grenzen des Prinzips der Abfin443 Entgegen dem Wortlaut des § 320b I 4 AktG (»können«) handelt es sich hierbei um eine aus dem Prinzip der vollen Entschädigung/Abfindung folgende gesetzliche Verpfl ichtung, dazu für § 305 III 1, 2. Hs. AktG OLG Düsseldorf WM 1995, 756, 763 f. (DAT/Altana II); Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 305 Rn. 77. 444 Rechenbeispiel von Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1976, § 305 Rn. 50: Beim Umtauschverhältnis von 1 zu 1,6 müssen für Aktien der eingegliederten Gesellschaft mit dem Nennbetrag von 100 eine Aktie zu 100 und eine Aktie zu 50 angeboten werden, 10 sind durch bare Zuzahlung auszugleichen. 445 Ebenso LG Berlin AG 1996, 230, 232 (Brau und Brunnen AG); Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 305 Rn. 77; Geßler in Geßler/Hefermehl/ Eckardt/Kropff, AktG, 1976, § 305 Rn. 50; Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 70 Rn. 124; a. A. Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 305 Rn. 42; J. Vetter, AG 1997, 6, 11 ff.; J. Vetter, AG 2000, 193, 200 ff. Auf der Linie der h.M. auch BGHZ 142, 167, 169 ff. (Hilgers) für den »Reverse Stock Split«. 446 S. o. S. 275. 447 Zur Verschmelzung Gehling in Semler/Stengel, UmwG, 2002, § 15 Rn. 25.

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

dungsfreiheit der formwahrenden Verschmelzung als abschließend zu betrachten; sie darf nicht durch aus anderen Normen abzuleitende Rücksichtspflichten konterkariert werden. Das herrschende Unternehmen ist jedoch verpflichtet, das Umtauschverhältnis für die Abfindung in Aktien so festzulegen, dass möglichst keine oder nur geringe Spitzen entstehen. Soweit der Verbleib der außenstehenden Aktionäre als Anknüpfungspunkt dienen soll, ergeben sich ebenfalls keine Rücksichtspflichten: Auch die in der abhängigen AG verbleibenden Aktionäre werden durch ein detailliertes Regelungssystem geschützt (§§ 300 ff. AktG), das als abschließend anzusehen ist. Obwohl dieses System keinen hinreichenden Schutz gewährt448 , darf dem nicht durch Rücksichtspflichten abgeholfen werden, weil solche Pflichten das Instrument des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags jenseits des geschriebenen Rechts völlig verändern würden. (2) Rechtswidrigkeit aufgrund der Beweggründe und des Zwecks des abfindungsauslösenden Beschlusses Eine zweite Gruppe von Problemfällen knüpft an die Beweggründe und Zwecke des abfindungsauslösenden Beschlusses an. Diese Fallgruppe kann, muss sich aber nicht mit der soeben behandelten Fallgruppe überschneiden. Während bei der soeben behandelten Abgrenzung hauptsächlich danach gefragt wurde, welche Interessen die Minderheitsaktionäre unterordnen müssen, geht es jetzt vornehmlich um die Abgrenzung des privilegierten Interesses der Mehrheit. Darf beispielsweise eine Mehrheitseingliederung oder ein Squeeze-out dazu benutzt werden, um nur die momentan vorhandenen Minderheitsaktionäre aus der AG auszuschließen und bald danach wieder neue Aktionäre aufzunehmen? Muss eine konzerninterne Verschmelzung auf einen vom Mehrheitsaktionär beherrschten Rechtsträger schon dann unterbleiben, wenn sich der Mehrheitsaktionär von ihr überproportionale Vorteile verspricht, weil er aus der Verschmelzung Synergieeffekte erzielen kann? Ist sie zu unterlassen, wenn der Mehrheitsgesellschafter die Verschmelzung benutzt, um Geschäftschancen auf den von ihm beherrschten Rechtsträger überzuleiten, ohne dass besondere Synergieeffekte erzielt werden? Muss sie zumindest dann unterbleiben, wenn sie vom Mehrheitsaktionär nur initiiert wird, um sich durch seine Beteiligung an dem aufnehmenden Rechtsträger an einer anstehenden Rendite zu bereichern449 ? Auch diese Fragen sollen differenziert für die einzelnen Abfindungsfälle betrachtet werden. (a) §§ 305, 320b, 327a AktG. Gegenstand der aufgeworfenen Frage sind in den aktienrechtlichen Abfindungsfällen die §§ 304 III 2, 1. Alt., 320b II 1, 1. Alt., 327f I 1, 1. Alt. AktG. Diese schließen die Anfechtung des abfindungsauslösenden Beschlusses gem. § 243 II 1 AktG aus und erlauben dem Mehrheitsaktionär die »Tod448 449

Dazu o. S. 108 ff. Beispiel von Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, § 8 III 2 a = S. 446.

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sünde der Stimmrechtsausübung«, die Verfolgung von Sondervorteilen450 . § 243 II 1 AktG behandelt ein Paradigma der Umstandssittenwidrigkeit451 und damit genau die Fallgruppe, um die es in diesem Abschnitt geht. Bereits im Rahmen der Bestandsaufnahme wurde gezeigt, dass die herrschende Meinung den Anfechtungsausschluss der §§ 304 III 2, 1. Alt., 320b II 1, 1. Alt., 327f I 1, 1. Alt. AktG restriktiv interpretiert 452 : Die Anfechtungsklage soll nur insoweit durch § 243 II 1 AktG ausgeschlossen sein, als sie mit der Unterbewertung von Ausgleich oder Abfindung begründet wird. Für die herrschende Meinung stellt der Anfechtungsausschluss nach den §§ 304 III 2, 1. Alt., 320b II 1, 1. Alt., 327f I 1, 1. Alt. AktG daher nur einen Anwendungsfall des auch aus §§ 32, 210 UmwG folgenden Grundsatzes dar, dass das Interesse der Minderheitsaktionäre an Klarheit über die tatsächlich angemessene Abfindung dem Vollzugsinteresse der Mehrheit untergeordnet wird. Hingegen wird der Anfechtungsausschluss nicht als Grund dafür genommen, weitere Interessen des Großaktionärs (an Sondervorteilen i. S. d. § 243 II 1 AktG) dem Bestandsinteresse der Minderheitsaktionäre überzuordnen. Diese restriktive Interpretation der §§ 304 III 2, 1. Alt., 320b II 1, 1. Alt., 327f I 1, 1. Alt. AktG durch die herrschende Meinung erscheint allerdings zweifelhaft. Schon der Gesetzgeber des AktG 1965 rechtfertigte § 304 III 2, 1. Alt. AktG mit dem Gedanken, dass der Ausgleich nach § 304 AktG den Ausgleich nach § 243 II 2 AktG ersetze, ohne hierbei eine Ausnahme für einzelne Anfechtungsgründe zu machen453 . Für § 243 II 2 AktG dürfte aber allgemein anerkannt sein, dass der Ausgleich die Anfechtbarkeit nach § 243 II 1 AktG komplett und nicht nur hinsichtlich bestimmter Gründe ausschließt454 . Für einen umfassenden Anfechtungsausschluss spricht auch der Wortlaut der §§ 304 III 2, 1. Alt., 320b II 1, 1. Alt., 327f I 1, 1. Alt. AktG, demzufolge die Anfechtung »nicht auf § 243 II 2 AktG« oder darauf gestützt werden kann, dass eine zu niedrige Abfindung angeboten worden sei. Sollte die auf § 243 II 1 AktG gestützte Anfechtungsklage nur insoweit ausgeschlossen sein, als hiermit das zu niedrige Entschädigungsangebot gerügt wird, hätte § 243 II 1 AktG nicht noch einmal gesondert erwähnt werden brauchen. Die h.M. steht daher auch in Widerspruch zu dem allgemeinen Interpretationsgrundsatz, nach dem Normen im Zweifel so ausgelegt werden müssen, dass sie neben 450 Zum Begriff Flume, ZIP 1996, 161, 164. Dabei bedarf es keiner Wiederholung dieses Anfechtungsausschlusses in § 305 V AktG, weil die Entscheidung sowohl über Abfindung als auch über Ausgleich in demselben Beschluss fällt, dazu Geßler, FS Barz, 1974, 97, 106; Hüffer in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2001, § 243 Rn. 103. 451 Hüffer in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2001, § 243 Rn. 46. 452 S. o. S. 339. 453 Begr. RegE AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 395. 454 Inzident etwa K. Schmidt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 243 Rn. 62. Hiervon zu unterscheiden ist natürlich die Frage, ob die Ausgleichszahlung auch die Anfechtbarkeit gem. § 243 I AktG ausschließt, was ganz überwiegend grundsätzlich verneint wird (s. etwa Hüffer in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2001, § 243 Rn. 92; Zöllner in Kölner Kommentar zum AktG, 1971 § 243 Rn. 241; a. A. aufgrund seines »Konzept des rein vermögensbezogenen Aktionärsschutzes« Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 348).

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

anderen Regelungen selbständige Bedeutung haben, weil nicht anzunehmen ist, dass der Gesetzgeber überflüssige Gesetze schaffen wollte. Dies gilt erst recht, wenn man bedenkt, dass eine auf § 243 II 1 AktG gestützte Anfechtungsklage ohnehin kaum allein mit einer zu niedrigen Bewertung der Entschädigung begründet werden könnte. Erforderlich für § 243 II 1 AktG ist nämlich Vorsatz hinsichtlich der Erlangung des Sondervorteils (»zu erlangen sucht«) 455 . Kann sich der Mehrheitsaktionär aber auf die Billigung der angebotenen Entschädigung durch die Prüfer nach §§ 293b, 320 III, 327c II AktG berufen, wird man ihm diesen Vorsatz kaum nachweisen können. Schließlich versteht man unter »Sondervorteil« i. S. d. § 243 II 1 AktG jeden Vorteil, der bei einer Gesamtwürdigung der Fallumstände als sachwidrige, weil mit den Interessen der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre unvereinbare Bevorzugung erscheint456 . Sowohl der Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags als auch die Mehrheitseingliederung und Squeeze-out enthalten aber begriffsnotwendig Sondervorteile i. S. d. § 243 II 1 AktG, weil die Strukturwandelung jedenfalls mit den Interessen der widersprechenden Aktionäre unvereinbar ist457. Die Anfechtbarkeit nach § 243 II 1 AktG ist für die aktienrechtlichen Abfindungsfälle somit gem. §§ 304 III 2, 1. Alt., 320b II 1, 1. Alt., 327f I 1, 1. Alt. AktG schlechthin ausgeschlossen, nicht nur soweit die Klage darauf gestützt wird, dass Ausgleich oder Abfindung zu niedrig bemessen seien. Akzeptiert man dieses Zwischenergebnis, dann muss die Anfechtungsklage aber auch insoweit ausgeschlossen sein, als die Umstandsrechtswidrigkeit auf andere Rechtsquellen, insbesondere Treuepflichten oder § 53a AktG gestützt wird, denn ansonsten würde der soeben hergeleitete Anfechtungsausschluss leer laufen. Rechtsmethodisch kann man dieses Ergebnis mit einem argumentum a fortiori untermauern: Wenn die §§ 304 III 2, 1. Alt., 320b II 1, 1. Alt., 327f I 1, 1. Alt. AktG dem Mehrheitsaktionär schon die »Todsünde der Stimmrechtsausübung« – den Verstoß gegen § 243 II 1 AktG – erlauben, dann erlauben sie ihm erst recht einen Bruch mit der Gleichbehandlungs- und Treuepflicht, weil diese Verstöße nicht ebenso stark in das mitgliedschaftliche Gemeinschaftsverhältnis eingreifen wie die Verletzung des § 243 II 1 AktG. (b) §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG. Fraglich ist, ob dasselbe für die umwandlungsrechtlichen Abfindungsfälle gilt. Auffällig ist hier, dass die §§ 32 (i. V. m. § 122i II 1), 210 UmwG, 7 V SEAG (i. V. m. §§ 9 II, 12 II SEAG) im Gegensatz zu den §§ 304 III 2, 1. Alt., 320b II 1, 1. Alt., 327f I 1, 1. Alt. AktG nicht die Anfechtbarkeit gem. § 243 II 1 AktG ausschließen. Geht das UmwG daher von gesteigerten Rücksichtspflichten aus? 455 Begr. RegE AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 329; Hüffer in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2001, § 243 Rn. 85. 456 Statt vieler Hüffer in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2001, § 243 Rn. 75. 457 Für die Mehrheitseingliederung Timm, ZGR 1987, 403, 436.

C) Rechtmäßigkeit abfi ndungsauslösender Beschlüsse

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Liest man die Regierungsbegründung zu den §§ 32, 210 UmwG, 7 V SEAG, so findet man keine Hinweise auf eine bewusste Entscheidung für die engere Fassung im Vergleich zu den aktienrechtlichen Parallelnormen. § 32 UmwG wird schlicht mit einem Verweis auf § 14 UmwG begründet458 – eine Norm, bei der die Einbeziehung des § 243 II 1 AktG schon wegen ihrer Stellung im »Allgemeinen Teil« des Verschmelzungsrechts nicht gepasst hätte. Gleiches gilt für die Begründung des § 210 UmwG, bei dem einfach auf die Ausführungen zu den §§ 14, 195 UmwG verwiesen wird459. Für § 7 V SEAG wird auf die Vorschrift des § 32 UmwG verwiesen (und auf die hier nicht näher interessierende Vorschrift des Art. 25 III 1 SE-VO eingegangen) 460 . Ferner muss man bedenken, dass auch die §§ 32, 210 UmwG zum »Allgemeinen Umwandlungsrecht« gehören, also für alle umwandlungsfähigen Rechtsträger gelten. Die Fassung der §§ 32, 210 UmwG ist außerdem vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Gesetzgeber des UmwBerG den Streit um eine materielle Beschlusskontrolle umwandlungsrechtlicher Beschlüsse nicht entscheiden wollte461. Hätte der Gesetzgeber § 243 II 1 AktG in den Anfechtungsausschluss gem. §§ 32, 210 UmwG einbezogen, hätte man dies a fortiori als Zeichen dafür sehen können, dass er eine materielle Beschlusskontrolle der umwandlungsrechtlichen Beschlüsse nicht wollte. Darüber hinaus – und das ist entscheidend – enthalten die umwandlungsrechtlichen Abfindungsfälle zwar nicht begriffsnotwendig einen Sondervorteil zugunsten der den Beschluss tragenden Mehrheit, können aber doch leicht zu solchen Sondervorteilen führen. Dies gilt selbsterklärend für den Fall des § 9 I 1, 2. Fall SEAG. Dies gilt aber auch für die zum Formwechsel bzw. zur Sitzverlegung führenden Fälle (§§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9 I 1, 1. Fall, 12 SEAG), denn jeder Formwechsel bzw. – in schwächerem Maße – jede Sitzverlegung kann den Aktionären Vorteile verschaffen, die nicht in Proportion zu ihrer kapitalmäßigen Beteiligung an der AG stehen462 . So gewinnt etwa der Mehrheitsaktionär beim Formwechsel einer AG in eine GmbH relativ an Einfluss, weil er über die Gesellschafterversammlung die Leitungsmacht in der Gesellschaft an sich reißen kann (§ 37 I GmbHG) 463 . Indem SEAG und UmwG den abfindungsauslösenden Beschluss mit 75%iger Mehrheit erlauben, entscheiden sie sich also inzident dafür, dass sich die den Beschluss tragende Mehrheit zumindest insoweit Sondervorteile verschaffen darf, als sie notwendigerweise mit dem Formwechsel bzw. der Sitzver458

Begr. RegE UmwBerG bei Ganske, Umwandlungsrecht, 2. Aufl. 1995, S. 86. Begr. RegE UmwBerG bei Ganske, Umwandlungsrecht, 2. Aufl. 1995, S. 234. 460 Begr. RegE SEEG BT-Drucks. 15/3405, S. 33. 461 Dazu die Nachweise o. in Fn. 346. 462 Dazu schon o. S. 185 ff. sowie im vorliegenden Zusammenhang inzident Timm, ZGR 1987, 403, 438 (materielle Beschlusskontrolle »liefe vielfach auf ein Verbot der Mehrheitsumwandlung hinaus«). 463 Hierzu auch Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 110; Papadimopoulos, Das Austritts- und Auflösungsrecht als Minderheitsbehelfe de lege ferenda im deutschen und griechischen Aktienrecht, 1994, S. 29; Veil, Umwandlung einer Aktiengesellschaft in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 1996, S. 150. 459

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

legung verbunden sind464 . Allein aus der fehlenden Einbeziehung des § 243 II 1 AktG kann man daher nicht schließen, dass die Mehrheit zur Rücksicht auf die Belange der Minderheit verpflichtet wäre. Vielmehr muss die Anfechtbarkeit nach § 243 II 1 AktG ausgeschlossen sein, soweit im Folgenden eine Unterordnung der Minderheitsinteressen unter das Vollzugsinteresse der Mehrheit bejaht wird. Ausgangspunkt für die Beantwortung dieser Frage ist daher auch hier der Zweck des Anfechtungsausschlusses gem. §§ 32, 210 UmwG, 7 V SEAG (i. V. m. § 9 II, 12 II SEAG) 465 . Auch hier lässt sich nicht verkennen, dass die Motive und Ziele der Umwandlung – ebenso wie die Behauptung, die angebotene Abfindung sei nicht angemessen – einen unerschöpflichen Quell nicht einfach von der Hand zu weisender Anfechtungsgründe darstellt. Entsprechende Anfechtungsklagen können den Vollzug der Umwandlung daher ebenso verzögern und das privilegierte Vollzugsinteresse des Mehrheitsaktionärs ebenso tangieren wie die gem. §§ 32, 210 UmwG, 7 V SEAG (i. V. m. § 9 II SEAG) ausgeschlossenen Anfechtungsklagen. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass eine umfassende Aufdeckungspflicht über Zweck und Beweggründe der Umwandlung gegen berechtigte Geheimhaltungsinteressen der Aktionärsmehrheit (insbesondere des Mehrheitsaktionärs) verstoßen kann. Schließlich sorgt das Umwandlungsrecht, ebenso wie die aktienrechtlichen Abfindungsgründe, schon auf andere Weise dafür, dass grundsätzlich nur solche Umwandlungen durchgeführt werden, die auf billigenswerten Motiven beruhen. Durch die Pflicht zur vollen Abfindung stellt das Gesetz sicher, dass grundsätzlich nur effizienzsteigernde Umwandlungen durchgeführt werden466 . Neben dieser Inzidentkontrolle ist grundsätzlich kein Platz für Anfechtungsgründe, die an den Beweggrund der Mehrheit anknüpfen. Diese Argumentation gilt in gleichem Maße für die Abfindungsfälle der §§ 305, 320b, 327a AktG, sie unterstützt daher das oben gefundene Ergebnis. (c) Grenzen. Aus dem soeben aufgezeigten Geltungsgrund des grundsätzlichen Anfechtungsausschlusses resultieren dessen Grenzen. Da das Aufopferungsprinzip im Allgemeinen und die Abfindungsnormen im Speziellen das Vollzugsinteresse der Mehrheit nur deshalb privilegieren, weil hierdurch (auch) gesamtökonomischer Nutzen geschaffen werden soll467, lässt sich eine solche Privilegierung nicht mehr rechtfertigen, wenn von vornherein ausgeschlossen ist, dass mit der Strukturmaßnahme irgendeine gesamtwirtschaftlich günstige Veränderung eintritt. Hier findet die Rechtsmacht der Aktionärsmehrheit ebenso eine immanente Schranke wie beim Verbot des Formenmissbrauchs.

464

Auf dieser Linie auch BGH ZIP 2005, 1318, 1321; OLG Düsseldorf ZIP 2003, 1749, 1752: Rechtsformbedingte Ungleichbehandlungen kein Verstoß gegen § 53a AktG. 465 Dazu schon o. S. 351 f. 466 S. o. S. 181 f. 467 Vgl. dazu noch einmal o. S. 165 f. und für die Abfindungsansprüche o. S. 168.

C) Rechtmäßigkeit abfi ndungsauslösender Beschlüsse

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Praktisch kann diese Einschränkung in Fällen werden, in denen sich die Strukturveränderung für die Mehrheit nur durch Ausbeutung der Minderheit lohnt. Nimmt der Mehrheitsaktionär einer konzerninternen Verschmelzung die Abfindungskosten nur deshalb auf sich, weil er sie durch die anschließende Vereinnahmung einer zukünftigen, wegen des Stichtagsprinzips (»Wurzeltheorie«) bei der Abfindungsberechnung nicht berücksichtigungsfähigen Renditeaussicht kompensieren kann, sprechen aber keinerlei sonstige Gründe für die Verschmelzung, so muss der Verschmelzungsbeschluss anfechtbar sein. So einfach diese Grenze theoretisch zu ziehen ist, so schwer fällt ihre praktische Umsetzung. Die grundsätzliche Privilegierung des Vollzugsinteresses durch den Gesetzgeber beruht auf der Vermutung, dass die abfindungsauslösenden Beschlüsse gesamtökonomischen Nutzen schaffen, insbesondere weil allein ihre Möglichkeit Anreize schafft, Kapital in Unternehmen zu investieren. Daher sind hohe Anforderungen an den Beweis der soeben genannten Tatsachen zu stellen. Weniger strenge Anforderungen sollten im Rahmen dieses Ausnahmefalls allerdings für die nicht börsennotierte AG gelten. Sachlicher Grund hierfür ist – neben den bereits oben aufgezählten Gründen (höhere Schutzwürdigkeit des Bestandsinteresses der Minderheitsaktionäre; schwierigere Bewertung der tatsächlich angemessenen Abfindung ohne Börsenkurs) –, dass das oben beschriebene Ausbeutungsszenario viel stärker in der nicht börsennotierten AG droht: Während sich zukünftige Gewinnchancen bei der gelisteten AG im Börsenkurs niederschlagen, ist den Minderheitsaktionären dieser Schutz nicht an die Hand gegeben. Was die dogmatische Ableitungsbasis dieser Grenzen angeht, so lässt sich an die obigen Ausführungen anknüpfen468 . Die soeben bejahten Rechtmäßigkeitsschranken sind daher ebenfalls Unterfälle des Rechtsmissbrauchsverbots aus § 242 BGB in der speziellen Form des Verbots institutionellen Rechtsmissbrauchs. Innerhalb dieses Tatbestands sind sie der Fallgruppe »Fehlen eines schutzwürdigen Eigeninteresses« zuzuordnen469. Sie sind keine „Restbestände“ der Treubindungen unter den Aktionären, da mit dem abfindungsauslösenden Beschluss ein Wegfall der üblichen gesellschaftlichen Bindungen einher geht470 . Bedeutung kann diese Einordnung für die Beweislast im Anfechtungsprozess haben471. (3) Zusammenfassung Ausgangsfrage dieses Abschnitts war, inwieweit die Mehrheit eines abfindungsauslösenden Beschlusses an Rücksichtspflichten gegenüber der Minderheit gebunden ist, mögen diese Pflichten aus §§ 243 II 1, 53a AktG, der allgemeinen Treuepflicht oder einer materiellen Beschlusskontrolle abgeleitet sein. Diese Frage führte zu der Erkenntnis, dass Rücksichtspflichten neben dem Aufopferungsprinzip, das den Abfindungsansprüchen zugrunde liegt, nicht zur Anwendung kommen, 468 469 470 471

S. o. C)I)2)b)bb)(1)(b)(bb). Dazu allgemein statt vieler Schulze in Hk-BGB, 5. Aufl. 2007, § 242 Rn. 31. S. o. S. 354. S. o. S. 355 mit Fn. 435.

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

weil sie auf Ausgleich der Bestandsinteressen abzielen, während das Aufopferungsprinzip Interessen gerade über- und unterordnet. An die Stelle des allgemeinen »Treuhandmodells« tritt das »Aufopferungsmodell«. Dieses Konzept gilt für alle Abfindungsansprüche – insbesondere auch für diejenigen, die nur geringe Ähnlichkeiten mit den klassischen Aufopferungsfällen haben, denn sie alle folgen dem Aufopferungsprinzip, d. h. dem Gedanken, Interessenkonflikte durch die Unterordnung von Bestandsinteressen bei gleichzeitigem Vermögensausgleich zu lösen. Aus dieser Erkenntnis folgte die Notwendigkeit abzugrenzen, wie weit diese Privilegierung der Mehrheitsinteressen geht. Dabei zeigte sich, dass das Aufopferungsprinzip die Mehrheit nicht von den Rücksichtspflichten entbindet, die im Vorfeld der abfindungsauslösenden Maßnahme bestehen. Hier kommen die allgemeinen Vorschriften also ungeschmälert zur Anwendung. Hinsichtlich der Beschlussfassung selbst – so eine weitere Einsicht – ist ebenfalls grundsätzlich kein Platz für Rücksichtspflichten auf Bestandsinteressen. Die Mehrheit trifft insbesondere grundsätzlich keine Pflicht, den Eingriff so schonend wie möglich vorzunehmen. Sie darf ihr Interesse auch grundsätzlich unabhängig davon durchsetzen, aus welchem Grund sie die Strukturmaßnahme durchführen will. Grenzen dieses Grundsatzes ergeben sich jedoch aus immanenten Schranken des Abfindungsrechts: So darf etwa die rechtsformwechselnde Umwandlung nicht so durchgeführt werden, dass sie den Verbleib im neuen Rechtsträger aus besonderen, vom Formwechsel unabhängigen Gründen unzumutbar macht (Formenmissbrauch). Dies kommt freilich nur in Extremfällen in Betracht, etwa bei der Verschmelzung auf einen qualifiziert faktisch konzernierten Rechtsträger. Ferner ist das Vollzugsinteresse der Mehrheit ausnahmsweise nicht privilegiert, wenn feststeht, dass sich der Strukturwandel allein wegen einer Ausbeutung der Minderheit lohnt. Aufgrund der oben genannten grundsätzlichen Interessenverteilung sind diese Grenzübertretungen jedoch ebenfalls auf Ausnahmefälle beschränkt. In geschlossenen AGs kommen sie eher vor als in börsennotierten Gesellschaften. Unabhängig vom Erscheinungsbild der AG muss beim Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag sowie der Mehrheitseingliederung das Umtauschverhältnis der Abfindung in Aktien so gestaltet werden, dass möglichst viele Aktionäre in die Ober- bzw. Hauptgesellschaft aufgenommen werden können. Diese Schranken sind Ausprägungen des allgemeinen Rechtsmissbrauchsverbots aus § 242 BGB. Sie sind keine Restbestände von Rücksichtspflichten zwischen den Aktionären, sondern ergeben sich aus den immanenten Schranken des mit der Abfindung verbundenen Eingriffsrechts.

II) Formelle Rechtswidrigkeit Das soeben aufgezeigte Regelungsmodell kann auch bei der Antwort auf die Frage helfen, inwieweit der abfindungsauslösende Beschluss wegen formeller Mängel rechtswidrig ist.

C) Rechtmäßigkeit abfi ndungsauslösender Beschlüsse

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1) Verletzung abfindungsbezogener Informationsrechte Die insoweit wichtigste Frage, nämlich die nach den abfindungsbezogenen Informationsmängeln, ist mittlerweile durch § 243 IV 2 AktG geregelt, der auf der Rechtsprechung des BGH in Sachen »MEZ« und »Aqua-Butzke-Werke« basiert472 . Schon oben wurde darauf hingewiesen, dass diese Norm das Aufopferungsmodell der Abfindungsansprüche konsequent fortschreibt473 : Zum einen sind die abfindungsbezogenen Informationsrechte allein auf das Interesse an Klarheit an der tatsächlich angemessenen Abfindung bezogen – ein Interesse, das schon nach dem allgemeinen Prinzip der §§ 305 V 1, 320b II 2, 327f I 1 AktG, §§ 32 (i. V. m. § 122i II), 210 UmwG, 7 V SEAG (i. V. m. § 9 II, 12 II SEAG) dem Vollzugsinteresse der Mehrheit untergeordnet wird. Zum anderen ist die Frage, ob die abfindungsbezogenen Informationsrechte der Aktionäre gewahrt wurden, ähnlich schwer zu beurteilen wie die Frage nach der Angemessenheit der Abfindung selbst474 . Ob etwa die Angaben des Verschmelzungs- oder Unternehmensvertragsberichts über die Abfindung so detailliert sind, dass sie eine Plausibilitätsprüfung über Art und Höhe der Abfindung erlauben475 , ist stark einzelfallabhängig und daher schwer zu beurteilen. Das Vollzugsinteresse der Mehrheit muss daher gegenüber dem abfindungsbezogenen Informationsinteresse der Minderheitsaktionäre ebenso privilegiert sein. Aus diesem Grund ist § 243 IV 2 AktG analog auf ungeschriebene Abfindungsfälle anzuwenden476 . Kraft ausdrücklicher gesetzgeberischer Entscheidung gilt der Interessenvorrang allerdings nicht für das völlige Fehlen von Information477 und für abfindungsbezo472 BGHZ 146, 179 (MEZ); BGH NJW 2001, 1428 (Aqua-Butzke-Werke). Zu diesen Urteilen etwa Bärwaldt, GmbHR 2001, 251; Heckschen, NotBZ 2001, 206; Henze in Henze/HoffmannBecking, Gesellschaftsrecht 2001, 2001, S. 39; Henze, FS Hadding, 2004, 409, 418 ff.; HoffmannBecking in Henze/Hoffmann-Becking, Gesellschaftsrecht 2001, 2001, S. 55; Kallmeyer, GmbHR 2001, 204; Kleindiek, NZG 2001, 552; Klöhn, AG 2002, 443; Luttermann, BB 2001, 382; MarschBarner, LM H. 5/2001 UmwG Nr. 9; Röhricht in VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2002, 2003, S. 1, 31 ff.; H. Schmidt, FS Ulmer, 2003, 543; Sinewe, DB 2001, 690; E. Vetter, FS Wiedemann, 2002, 1323; Wenger, EWiR 2001, 331; Witt, WuB II N. § 210 UmwG 1.01; Witt WuB II N. § 210 UmwG 2.01; monographisch Holler, Das Verhältnis von Anfechtungsklage und Spruchverfahren, 2006. 473 Zum Aufopferungsmodell schon o. S. 354 ff., 364. Zum Folgenden auch schon Klöhn, AG 2002, 443, 449. 474 Vgl. nur Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 46 Rn. 42; Spindler, NZG 2005, 825, 829. 475 Dies ist der nach h.M. anzulegende Bewertungsmaßstab, vgl. etwa OLG Hamm ZIP 1999, 798, 802 (Idunahall/Hoesch/Krupp); LG München AG 2000, 87, 88 (MHM Mode Holding I); LG München AG 2000, 86, 87 (MHM Mode Holding II); Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 293a Rn. 37; Bayer, ZIP 1997, 1613, 1619; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 293a Rn. 20; Lutter/Drygala in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 8 Rn. 14; Marsch-Barner in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 8 Rn. 6; ähnlich OLG Düsseldorf ZIP 1999, 793, 794 (Thyssen/Krupp); a. A. zum alten Umwandlungsrecht LG Mannheim ZIP 1988, 773, 777 (SEN). 476 Ebenso Fleischer, NJW 2005, 3525, 3529; Noack/Zetzsche, ZHR 170 (2006), 218, 236 f. 477 Begr. RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 26.

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gene Information außerhalb der Hauptversammlung478 . Dies kann man de lege ferenda kritisieren479, de lege lata ist es hinzunehmen480 . Das Mehrheitsinteresse dürfte hierdurch jedoch nur marginal belastet werden, da insbesondere der Anfechtungsausschluss wegen unvollständiger Information aufgrund des grundsätzlichen Interessenvorrangs weit ausgelegt werden und bruchstückhafte Information erfassen sollte481. Die ansonsten auftretenden Abgrenzungsschwierigkeiten würden das Vollzugsinteresse der Mehrheit ebenso stark belasten, da sie ähnlich viel Zeit in Anspruch nehmen können wie die Beurteilung klassischer Informationsfehler. Abfindungsbezogene Informationsmängel sind bei alledem insbesondere Verstöße gegen die Berichtspflichten aus §§ 293a I 1, 319 III 1 Nr. 3 AktG i. V. m. §§ 320 I 3, 327c II 1 AktG, §§ 8 I, 192 I UmwG, Art. 32 II 2 SE-VO [»(Art) und Höhe der Abfindung«], Mängel der Vertrags- bzw. Umwandlungsprüfung, soweit sie sich auf Ausgleich und Abfindung beziehen, sowie die Verletzung der entsprechenden Pflichten zur Auslage und Abschriftserteilung (§§ 293f, 293g I AktG, § 320 III u. IV AktG i. V. m. § 319 III 2–3 AktG, §§ 327c II 2, III, IV, 327d S. 1, §§ 63, 64 I 1, 232 I UmwG, Art. 32 III SE-VO). Auch die Frage- und Erläuterungsrechte (§§ 293g II u. III, 320 IV AktG i. V. m. § 319 III 4 AktG, § 327d AktG482 , 64 I 2, 232 II UmwG) können abfindungsbezogen sein, wenn es um die Erläuterung der Abfindung geht483 . Ob der Anfechtungsausschluss bei Verletzung des § 131 AktG mit einer abschließenden Spezialität der durch das UmwBerG geschaffenen Informationsrechte begründet werden kann484 , ist allerdings zweifelhaft, denn die §§ 293a ff. AktG betreffen auch die »Vorabinformation« des Aktionärs 485 , wohingegen § 131 AktG nur die Information während der Hauptversammlung betrifft486 . Das Informationsrecht aus § 131 AktG muss jedoch schon deshalb erfasst sein, weil entscheidend für den Anfechtungsausschluss nicht die Rechtsquelle des Informationsrechts ist, sondern die oben dargestellte Interessenlage. Als abfindungsbezogener Informationsmangel ist es hingegen nicht anzusehen, wenn ab478

Begr. RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 26. Etwa Bungert in VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2004, 2005, S. 59, 90. 480 Ebenso Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 293 Rn. 38g; Fleischer, NJW 2005, 3525, 3529; Koch, ZGR 2006, 769, 796; Noack/Zetzsche, ZHR 170 (2006), 218, 235; Schwab in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 243 Rn. 33; Spindler, NZG 2005, 825, 829; Veil in Spindler/Stilz, AktG, 2007, § 293 Rn. 33; auch Bungert in VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2004, 2005, S. 59, 89 f. Gleichsinnig für den Fall, in dem die Verletzung der Abfindungsprüfung einer Nichterfüllung des Prüfungsauftrags gleichkommt OLG Hamm ZIP 2005, 1457, 1460 (GEA). 481 Ebenso Noack/Zetzsche, ZHR 170 (2006), 218, 235; offen insoweit Spindler, NZG 2005, 825, 829. 482 Zu dessen misslungener Fassung s. nur Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 327d Rn. 3 f. 483 Zu § 131 AktG vgl. auch Hirte, ZHR 167 (2003), 8, 14 ff.; Klöhn, AG 2002, 443, 450. 484 So Hirte, ZHR 167 (2003), 8, 14 ff.; vgl. auch schon Hirte, ZGR 1994, 644, 660; unklar in diesem Punkt der BGH, der die Informationspfl icht »als Gesamtheit« behandelte (vgl. BGHZ 146, 179, 185; BGH NJW 2001, 1428, 1429). 485 Was auch Hirte, ZHR 167 (2003), 8, 15 nicht verkennt. 486 Klöhn, AG 2002, 443, 450 Fn. 81. 479

C) Rechtmäßigkeit abfi ndungsauslösender Beschlüsse

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findungsbezogene Informationen unter Verstoß gegen § 293a II AktG (i. V. m. § 327c II 4 AktG), 8 II UmwG verschwiegen werden oder das Verschweigen nicht ausreichend begründet wird. Hier geht es um Geheimhaltungsinteressen, die nicht per se dem Informationsinteresse der Aktionäre übergeordnet sind. 2) Sonstige Verfahrensmängel Sonstige Verfahrensmängel sind in den umwandlungsrechtlichen Abfindungsfällen nicht schon gem. §§ 32 (i. V. m. § 122i II), 210 UmwG, 7 V SEAG (i. V. m. § 9 II, 12 II SEAG) unbeachtlich487. Schon die Wendung »im Umwandlungsbeschluss nicht ordnungsgemäß angeboten« lässt vermuten, dass hiermit nur solche Mängel gemeint sind, die sich auf den notwendigen Inhalt des abfindungsauslösenden Beschlusses beziehen, nicht aber Verfahrensmängel488 . Unterstützt wird dies durch einen Hinweis auf § 305 V 2 AktG489 : Diese Norm enthält wie die §§ 32 (i. V. m. § 122i II), 210 UmwG, 7 V SEAG (i. V. m. § 9 II, 12 II SEAG) neben dem zu niedrigen Angebot einen weiteren Fall des Anfechtungsausschlusses, meint hiermit ersichtlich aber nur Verstöße gegen die inhaltliche Gestaltung des Angebots (»nicht den Absätzen 1 bis 3 entsprechend«). Für die übrigen Verfahrensmängel muss die bisherige Argumentation grundsätzlich entsprechend gelten. Hier ergibt sich allerdings eine wichtige Unterscheidung zu den abfindungsbezogenen Informationsmängeln: Während die abfindungsbezogenen Informationspflichten allein auf das Interesse der Minderheitsaktionäre an Klarheit über die Abfindungshöhe gerichtet sind und dieses Interesse schon nach den §§ 305 V 1, 320b II 2, 327f I 1 AktG, 32 (i. V. m. 122i UmwG), 210 UmwG, 7 V SEAG (i. V. m. § 9 II, 12 II SEAG) hinter dem Vollzugsinteresse der Mehrheit zurücktreten muss, geht es bei den sonstigen Verfahrensvorschriften um die Form, in der der abfindungspfl ichtige Eingriff überhaupt vorgenommen werden darf. Sie sind auch gar nicht auf ein untergeordnetes Interesse der Minderheit bezogen: So dient etwa das allgemeine Informationsrecht des § 131 AktG außerhalb abfindungsbezogener Information zur rationalen Entscheidung darüber, ob der Aktionär in der Gesellschaft bzw. dem neuen Rechtsträger verbleiben möchte. Soweit sonstige Verfahrensvorschriften verletzt werden, sind Anfechtungsklagen also möglich. 3) Zusammenfassung Die Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften macht den abfindungsauslösenden Beschluss außerhalb der Fälle der §§ 305 V 1, 320b II 2, 327f I 1 AktG, §§ 32 (i. V. m. § 122i II), 210 UmwG, 7 V SEAG (i. V. m. § 9 II, 12 II SEAG) grund487 A. A. für die abfindungsbezogenen Informationspfl ichten BGHZ 146, 179, 186 (MEZ); BGH NJW 2001, 1428, 1429 (Aqua-Butzke-Werke). 488 Dazu Kallmeyer, GmbHR 2001, 204; zust. Klöhn, AG 2002, 443, 445. 489 Vgl. schon Klöhn, AG 2002, 443, 445 (dort versehentlich »§ 305 Abs. 5 S. 1 AktG«).

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

sätzlich anfechtbar. Hiergegen spricht auch nicht das Aufopferungsprinzip, denn hier geht es um die Form, in welcher der entschädigungspflichtige Eingriff vorgenommen werden darf. Eine Ausnahme gilt gem. § 243 IV 2 AktG für abfindungsbezogene Informationsmängel.

III) Zusammenfassung: Das Aufopferungsmodell In diesem Kapitel wurde ein Regelungsmodell zur Lösung von Interessenkonflikten zwischen Aktionärsmehrheit und -minderheit vorgestellt, das man »Aufopferungsmodell« nennen könnte. Im Gegensatz zu dem im allgemeinen Aktienrecht herrschenden »Treuhandmodell« sind diesem Lösungsmuster Rücksichtspflichten fremd, an die Stelle des Interessenausgleichs tritt das Prinzip des überwiegenden Interesses490 . Grenzen der Mehrheitsherrschaft ergeben sich aus den immanenten Legitimationsgrenzen des Aufopferungsmodells entsprechend den allgemein-zivilrechtlichen Grundsätzen zum institutionellen Rechtsmissbrauch491. Treuepflichten und Abfindung stehen sich nach diesen Ausführungen unvereinbar gegenüber. Unvereinbar mit dem hier vertretenen Konzept sind daher auch Versuche, Abfindungsansprüche aus Treupflichtbindungen herzuleiten492 . Von Mülberts Konzept des rein vermögensmäßigen Ausgleichs493 unterscheidet sich das Aufopferungsmodell vor allem in seinem Anknüpfungspunkt: Das Aufopferungsmodell ist konfl iktbezogen, es greift nur ein, soweit dem Gesetz zu entnehmen ist, dass die Aktionärsminderheit ihr »eigentlich beachtenswertes« Bestandsinteresse dem privilegierten Interesse der Mehrheit (gegen Abfindung oder sonstige Entschädigung) unterordnen muss. Mülberts rein vermögensmäßiger Aktionärsschutz gewinnt seine Unterscheidungskraft dagegen aus der Fixierung auf ein bestimmtes Schutzobjekt, die Vermögensrechte des Aktionärs. Mülberts Konzept ist daher breiter angelegt, es kommt – zumindest in seiner ursprünglich vertretenen Form494 – grundsätzlich bei allen Beschlüssen zur Anwendung, die mit 75%iger Mehrheit gefasst werden. Gemeinsam ist beiden Modellen, dass sie bestimmte Institute zur Kontrolle der Mehrheitsherrschaft ausschließen, vor allem die materielle Beschlusskontrolle. Interessant ist die Frage, wie eine Strukturentscheidung beschaffen sein muss, um de lege ferenda besser nach Aufopferungs- oder Treuhandmodell gelöst zu werden. Auch die vorliegende Arbeit konnte als auf das gesetzliche System fixierte Untersuchung dieses Problem nur anschneiden495 . Aus ökonomischer Sicht lassen sich sowohl für das Aufopferungs- als auch für das Treuhandmodell einleuchtende Ar490

Zum näheren Inhalt schon o. S. 364. S. o. S. 364. 492 So aber Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 496 ff. 493 Dazu o. S. 57 ff. 494 Dazu o. S. 60. 495 S. o. S. 221 f. (Grenzen des Mehrheitsprinzips), S. 234 f. (Subsidiaritätsprinzip). 491

C) Rechtmäßigkeit abfi ndungsauslösender Beschlüsse

369

gumente aufzählen: So verkörpert das Aufopferungsmodell mit seinem »Dulde, aber liquidiere« eine unkomplizierte Möglichkeit zur Strukturveränderung, es beschleunigt diese Veränderungen, senkt Transaktionskosten496 und steigert somit den Anreiz, sich 75% der Stimmanteile zu verschaffen, um den Strukturwandel vorzunehmen. Dies wiederum erhöht die Allokationseffizienz, Unternehmen fließen leichter in die Hände derer, die sie am gewinnbringendsten nutzen können (most valuable users). Dass nur solche Umstrukturierungen stattfinden, die per Saldo wohlfahrtssteigernd sind, wird durch die Abfindung sichergestellt, denn die Aktionäre müssen zum »Marktpreis« ihrer Aktien abgefunden werden (»volle Entschädigung«) 497. Schwachpunkt des Aufopferungsmodells ist – das ist keine Neuigkeit und wurde hier schon oft erwähnt – seine Abhängigkeit von der tatsächlich angemessenen Abfindung498 , die in praxi schwer zu ermitteln ist. Zu betonen bleibt schließlich, dass es vorstehend nur um abfi ndungsbewährte Strukturmaßnahmen ging. Für materielle Beschlusskontrolle, Treuepflichten etc. wäre daher etwa bei der formwahrenden Verschmelzung weiterhin Platz. Wären Rücksichtspflichten hier zu bejahen, würde damit nur die Konsequenz daraus gezogen, dass das Gesetz zwei unterschiedliche Regelungsmechanismen wählt, um die bei Strukturentscheidungen auftretenden Interessenkonflikte zu lösen (Aufopferungsmodell einerseits, Treuhandmodell andererseits).

D) Sonstige allgemeine Auslegungsprobleme Im Folgenden sollen einige ausgewählte Auslegungsprobleme betrachtet werden, anhand derer das bisher entwickelte System überprüft und fortgebildet werden kann.

I) Der Abfindungsberechtigte Schlussfolgerungen aus dem System ergeben sich zunächst für die Definition des jeweils Abfindungsberechtigten. 1) Begriff der außenstehenden Aktionäre i. S. d. § 305 AktG Dies gilt zunächst für den Begriff des außenstehenden Aktionärs i. S. d. § 305 AktG499. Dabei ist zu differenzieren zwischen dem grundsätzlichen Begriff [so496

Hierzu auch Kanda/Levmore, 32 UCLA L.Rev. 429, 431 (1985). Dazu schon o. S. 181. 498 Eingängig Hirte, WM 1997, 1001, 1007. 499 Nach h.M. wird der Begriff der außenstehenden Aktionäre in den §§ 291 ff. AktG nicht einheitlich verwandt, Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 295 Rn. 42 f.; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 304 Rn. 15; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 295 Rn. 38, 40, 47; Pentz, AG 1996, 97, 108 f.; a. A. insbesondere die ältere Literatur, etwa Ebenroth, Das Auskunftsrecht des Aktionärs und 497

370

§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

gleich a)] und dem Zeitpunkt, der für die Eigenschaft als außenstehender Aktionär entscheidend ist [s. u. b)]. a) Begriff aa) Bestandsaufnahme Die nähere Definition des außenstehenden Aktionärs i. S. d. § 305 AktG ist umstritten: Zum Teil wird vertreten, außenstehende Aktionäre seien alle Aktionäre der Gesellschaft mit Ausnahme des herrschenden Unternehmens500 . Überwiegend werden weitere Einschränkungen gemacht. Die Abgrenzungskriterien sind aber wenig eindeutig. So soll – aufbauend auf die Regierungsbegründung zu § 295 AktG501 – nicht zu den außenstehenden Aktionären gehören, wer »aufgrund seiner rechtlichen Verbindung zum anderen Vertragsteil an den diesem zufließenden Gewinnen oder sonstigen Vorteilen aus dem Vertrag unmittelbar oder mittelbar in irgendeiner Weise teilhat«502 und daher »im Lager« des herrschenden Unternehmens steht 503 . Unter Berufung auf das Rechtssicherheits- und Praktikabilitätsgebot werden sodann schematische Grenzen gezogen 504 . Im Ergebnis sollen nach h.M. solche Aktionäre nicht zu den außenstehenden Aktionären gehören, die am anderen Vertragsteil zu 100% beteiligt sind505 oder die dem anderen Vertragsteil zu 100% gehören 506 , sowie solche Rechtsträger, die als herrschendes oder abhängiges seine Durchsetzung im Prozeß, 1970, S. 65 ff.; G. Hueck in Baumbach/Hueck, AktG, 13. Aufl. 1968, § 295 Rn. 5 a.E, § 304 Rn. 1; Würdinger in Großkomm. AktG, 3. Aufl. 1971, § 295 Anm. 5. Zu den §§ 295 II, 296 II, 297 II AktG vgl. u. S. 396 f. § 302 III 3 AktG wird im Folgenden als nicht abfindungsspezifische Vorschrift ausgeblendet. 500 Kley, Die Rechtsstellung der außenstehenden Aktionäre bei der vorzeitigen Beendigung von Unternehmensverträgen, 1986, S. 41; Pentz, Die Rechtsstellung der Enkel-AG in einer mehrstufigen Unternehmensverbindung, 1994, S. 66; Pentz, AG 1996, 97, 108; Stephan in K. Schmidt/ Lutter, AktG, 2008, § 304 Rn. 69. 501 Begr. RegE AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 385: »Dem anderen Vertragsteil müssen diejenigen Aktionäre gleichgestellt werden, deren Vermögen wirtschaftlich mit dem Vermögen des anderen Vertragsteils eine Einheit bildet oder deren Erträge dem anderen Vertragsteil oder denen die Erträge des anderen Vergtragsteils zufließen«. 502 OLG Nürnberg AG 1996, 228, 228 f. (Tucherbräu); Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/ Kropff, AktG, 1976, § 304 Rn. 15; ähnlich Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 304 Rn. 16; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 304 Rn. 2; Hirte/Hasselbach in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 305 Rn. 26; Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 70 Rn. 79; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 54 Rn. 65. 503 So Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 304 Rn. 16; ähnlich Welf Müller in IDW, WP-Handbuch, Bd. 1, 12. Aufl. 2000, T Rn. 310. 504 Exemplarisch Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 304 Rn. 3; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 54 Rn. 65. 505 Bayer, ZIP 2005, 1053, 1054; Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 304 Rn. 21; Brauksiepe, BB 1966, 144, 146 (zusf.); Hirte/Hasselbach in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 305 Rn. 28; G. Hueck in Baumbach/Hueck, AktG, 13. Aufl. 1968, § 295 Rn. 5; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 304 Rn. 3; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 295 Rn. 42; Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 70 Rn. 79; Veil in Spindler/Stilz, AktG, 2007, § 305 Rn. 20. 506 Bayer, ZIP 2005, 1053, 1054; Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 304 Rn. 21;

D) Sonstige allgemeine Auslegungsprobleme

371

Unternehmen mit dem anderen Vertragsteil über einen Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrag verbunden507 oder in die bzw. die in den anderen Vertragsteil eingegliedert sind508 . Teilweise wird es darüber hinaus als schädlich angesehen, dass der Aktionär den anderen Vertragsteil »bloß faktisch« beherrscht 509 bzw. von ihm beherrscht wird510 , teilweise wird hierfür eine Konzernverbindung i. S. d. § 18 AktG verlangt511. Nach einigen Stimmen soll sogar die bloße Beteiligung am anderen Vertragsteil die Eigenschaft als außenstehender Aktionär ausschließen 512 , zum Teil wird auf einen Vergleich der Beteiligungsquoten am anderen Vertragsteil und an der abhängigen AG abgestellt513 . bb) Aufopferungsprinzip als Ausgangspunkt Die bisherigen Überlegungen haben ergeben, dass der Abfindungsanspruch aus § 305 AktG im System der zivilrechtlichen Ansprüche als Aufopferungsanspruch einzuordnen ist.514 Charakteristisch für den Abfindungsanspruch ist daher ein Interessenkonflikt, den das Gesetz dadurch löst, dass es den außenstehenden Aktionär zur Unterordnung seiner Bestandsinteressen gegen Entschädigung verpflichtet515 . Hieraus folgt: Außenstehender Aktionär i. S. d. § 305 AktG – und damit auch i. S. d. §§ 304, 307 AktG – kann außer dem herrschenden Unternehmen nicht sein, wer das privilegierte Vollzugsinteresse des anderen Vertragsteils schon aus anderen Gründen als der durch § 293 I AktG statuierten Duldungspflicht zu respektieren hat. Ist dies der Fall, muss der Betroffene sein Bestandsinteresse »von vornherein« Eschenbruch, Konzernhaftung, 1996, Rn. 3116; Hirte/Hasselbach in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 305 Rn. 28; G. Hueck in Baumbach/Hueck, AktG, 13. Aufl. 1968, § 295 Rn. 5; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 304 Rn. 3; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 295 Rn. 42; Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 70 Rn. 79. 507 Bayer, ZIP 2005, 1053, 1054; Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 304 Rn. 21; Eschenbruch, Konzernhaftung, 1996, Rn. 3116; Hirte/Hasselbach in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 305 Rn. 28; Hüchting, Abfindung und Ausgleich im aktienrechtlichen Beherrschungsvertrag, 1972, S. 108 ; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 304 Rn. 3; Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 70 Rn. 79; Veil in Spindler/Stilz, AktG, 2007, § 305 Rn. 20. 508 Etwa Hirte/Hasselbach in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 305 Rn. 30. 509 Hüchting, Abfindung und Ausgleich im aktienrechtlichen Beherrschungsvertrag, 1972, S. 108. 510 Hirte/Hasselbach in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 305 Rn. 29; Hüchting, Abfindung und Ausgleich im aktienrechtlichen Beherrschungsvertrag, 1972, S. 108; Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 70 Rn. 79. 511 So Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1976, § 304 Rn. 18; v.Godin/Wilhelmi, AktG, 4. Aufl. 1971, § 304 Anm. 7; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 54 Rn. 65. 512 Petzel, Ansprüche der Minderheitsgesellschafter bei Unternehmensverbindungen und Umwandlung, Jur. Diss. Göttingen 1967, S. 30 f. 513 Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 295 Rn. 43; ähnlich Ebenroth, Das Auskunftsrecht des Aktionärs und seine Durchsetzung im Prozeß, 1970, S. 68; für eine Einzelfallbetrachtung unter Abwägung der Vor- und Nachteile für den außenstehenden Aktionäre auch Brauksiepe, BB 1966, 144, 145 f.; ähnlich Stehle, AG 1966, 233, 236. 514 S. o. S. 158 ff. 515 S. o. S. 172 ff.

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

dem Vollzugsinteresse des herrschenden Unternehmens unterordnen, der für den Aufopferungsanspruch erforderliche Interessenkonflikt liegt nicht vor516 . cc) Lösung Eine solche Pflicht zur Unterordnung hat zunächst jeder Aktionär, der vom anderen Vertragsteil qua Beherrschungsvertrag abhängig ist, denn dieser ist verpflichtet, selbst im weisungsfreien Raum sein Eigeninteresse dem »Konzerninteresse« (§ 308 II 2 AktG) unterzuordnen 517. Gleiches gilt a minori ad maius für jeden in das herrschende Unternehmen eingegliederten Aktionär (§ 323 I 2 AktG, der nur auf § 308 II 1 AktG, nicht aber auch auf § 308 II 2 AktG verweist) 518 . 100%ige Tochtergesellschaften des anderen Vertragsteils wird man ebenfalls nicht zu den außenstehenden Aktionären zählen können, denn auch diese Gesellschaften haben kein vom herrschenden Unternehmen abweichendes Eigeninteresse. Hingegen ist das Bestehen eines isolierten Gewinnabführungsvertrags für die Eigenschaft als außenstehender Aktionär unschädlich, denn hier bleibt der Vorstand der abhängigen AG zur eigenverantwortlichen Leitung verpflichtet519. Auch eine rein »faktische« Abhängigkeit vom herrschenden Unternehmen i. S. d. §§ 311 ff. AktG schadet nicht520 . Der Vorstand einer ohne Beherrschungsvertrag abhängigen AG ist zwar berechtigt 521, nach der ganz herrschenden Meinung aber nicht verpfl ichtet, Einflussnahmen des herrschenden Unternehmens nachzugeben 522 . Das Eigeninteresse der abhängigen AG ist dem Konzerninteresse daher nicht untergeordnet. Zwar wird teilweise vertreten, die »faktische Unternehmensverbindung« führe zu einem weitgehenden Gleichlauf zwischen Eigeninteresse der Gesellschaft und Konzerninteresse523 . Dies kann aber jedenfalls nicht soweit gehen, dass sich 516

Zu dieser Kernfrage des Abfindungsanspruchs o. S. 200 ff. Dazu o. S. 260 f. 518 Zur gegenüber dem Beherrschungsvertrag gesteigerten Leitungsmacht der Hauptgesellschaft bei der Eingliederung vgl. statt aller Grunewald in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 323 Rn. 1. 519 S. o. S. 260 f. 520 Ebenso im Ergebnis etwa Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 304 Rn. 23; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 304 Rn. 19. Gleiches muss a fortiori für die bloß in Mehrheitsbesitz des herrschenden Unternehmens stehende Gesellschaft gelten (so auch neben den bereits Genannten Eschenbruch, Konzernhaftung, 1996, Rn. 3116). 521 Eingängig hierzu insbesondere Hommelhoff, Die Konzernleitungspflicht, 1982, S. 113. 522 Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 311 Rn. 78; Flume, Die juristische Person, 1983, § 4 IV = S. 121 f.; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 8. Aufl. 2005, § 24 IV 3 a = S. 369; Habersack, ZIP 2003, 1123, 1127; Kropff in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 311 Rn. 312; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 53 Rn. 10; Veil, Unternehmensverträge, 2003, S. 74. A. A. Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 1981, S. 227, 243 ff., der seine Auffassung damit begründet, dass herrschendes Unternehmen und abhängige Gesellschaft Partner einer Innengesellschaft bürgerlichen Rechts seien (ähnlich vorher Harms, Konzerne im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, 1968, S. 147 ff.). Dagegen etwa Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 22 f. 523 So Crezelius, FS Kropff, 1997, 37, 47; zust. Kropff in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, 517

D) Sonstige allgemeine Auslegungsprobleme

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die abhängige Gesellschaft völlig nach dem Konzerninteresse richten müsste, denn ansonsten würde »über die Hintertür« des § 76 I AktG eine dem § 308 II 1 AktG entsprechende Vorstandsbindung geschaffen und somit die Unterschiede zwischen Vertrags- und »einfach faktischem« Konzern eingeebnet. Eine Ausnahme gilt aber dann, wenn der Aktionär aufgrund seiner Treuepflicht zum herrschenden Unternehmen verpflichtet ist, für den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zu stimmen. Auch dann fehlt es an dem für § 305 AktG charakteristischen Ausschluss eines »eigentlich bestehenden« Widerspruchrechts524 , dieses Recht ist schon durch die Treuepflicht ausgeschlossen 525 . Der für den Abfindungsanspruch charakteristische Interessenkonflikt fehlt aber nicht nur bei Aktionären, die in der Konzern- oder Beteiligungsstruktur nach der soeben beschriebenen Maßgabe unterhalb des herrschenden Unternehmens stehen. Er existiert auch dann nicht, wenn das herrschende Unternehmen von dem fraglichen Aktionär aufgrund eines Beherrschungsvertrags abhängig oder in diesen eingegliedert ist, denn hier bestimmt der Aktionär das maßgebliche Konzerninteresse. Gleiches gilt für den Fall, dass ein Aktionär am herrschenden Unternehmen zu 100% beteiligt ist, denn auch dann besteht Interessenidentität. Schließlich wird man es ausreichen lassen müssen, dass der Aktionär Nutznießer eines zwischen ihm und dem herrschenden Unternehmen bestehenden isolierten Gewinnabführungs- oder Geschäftsführungsvertrags ist. Wie das aufopferungsrechtliche Prinzip der Begünstigtenhaftung zeigt, steht der Aktionär in diesem Fall nicht auf der Seite des Opfers, sondern – wenngleich er nicht Anspruchsschuldner ist – auf der des Eingreifenden. Er gehört daher nicht zu den außenstehenden Aktionären i. S. d. § 305 AktG 526 . Schließlich kann – unabhängig von seiner konzernrechtlichen Verbindung zum herrschenden Unternehmen – nicht zu den außenstehenden Aktionären gehören, wer dem Vertragsschluss aufgrund eines Stimmbindungsvertrags zustimmen muss527, denn auch hier braucht § 293 I AktG kein »eigentlich bestehendes« Widerspruchsrecht auszuschließen. Ist der Aktionär nur bezüglich bestimmter Aktien

§ 311 Rn. 313. Der Gedanke, dass sich § 311 AktG modifizierend auf den Verbandszweck der abhängigen AG auswirke, findet sich auch bei Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 285. 524 Anders für § 29 UmwG etwa Grunewald in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 29 Rn. 10, nach der die Rücksichtnahmepflicht nicht auch das Austrittsrecht hinfällig mache. 525 Eine hier nicht zu diskutierende Frage lautet dann, ob der Gesellschaft Ersatzansprüche aus der Treuepflicht des herrschenden Unternehmens zustehen. 526 Dieser Gedanke könnte die Ansicht unterstützen, die bei solchen Aktionären, die an dem herrschenden Unternehmen beteiligt sind, im Einzelfall ermitteln wollen, ob die Vorteile aus dem Vertragsschluss die Nachteile aufwiegen, dazu o. Fn. 513. Hier ist mit der h.M. (o. Fn. 505) jedoch zugunsten der Rechtssicherheit und Praktikabilität zu entscheiden und eine schematische Lösung zu bevorzugen, da die Ermittlung der Abfi ndungsberechtigten ansonsten zu große Probleme schaffen würde. 527 Ebenso für § 29 UmwG Grunewald in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 29 Rn. 10.

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

an den Stimmbindungsvertrag gebunden, ist er teilweise außenstehender Aktionär528 . Gleiches gilt in dem (sehr theoretischen) Fall, dass der zustimmende Aktionär allein die Stimmrechtsmacht gehabt hätte, um den Zustimmungsbeschluss nach § 293 I AktG zu verhindern, denn dann legt das Gesetz ihm gerade keine Duldungspflicht auf529. Dieser Aktionär bedarf auch keines Schutzes durch § 305 AktG, denn er hat die Möglichkeit, einen Preis für seine Zustimmung auszuhandeln (voice statt exit). b) Zeitpunkt Während die herrschende Meinung in dem soeben behandelten Punkt in weiten Teilen bestätigt werden konnte, ergeben sich Unterschiede hinsichtlich der Frage, zu welchem Zeitpunkt die Eigenschaft als außenstehender Aktionär vorliegen muss, um den Abfindungsanspruch originär – nicht derivativ – zu erwerben. Wie bereits oben ausgeführt, soll nach dem Jenoptik-Urteil des BGH Inhaber eines originären Anspruchs jeder außenstehende Aktionär sein können, unabhängig davon, wann er seine Anteile erworben hat, sofern dieser Erwerb nur während der Laufzeit des Vertrags geschah530 . Selbst Inhabern junger Aktien, die aus einer Kapitalerhöhung nach der Eintragung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags stammen, soll das Abfindungsrecht zustehen 531. Konstruieren lässt sich ein solches Ergebnis – auf dem Boden der von der h.M. vertretenen Vertragslösung – mit der Annahme, das im Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag enthaltene Abfindungsangebot richte sich auch an künftige außenstehende Aktionäre532 . Folgt man dem hier vertretenen Ansatz, wonach der Abfindungsanspruch aus § 305 AktG kraft Gesetzes entsteht, kann die originäre Gläubigerstellung hingegen nur zur Zeit der Eintragung gem. § 294 II AktG begründet werden 533 . Dies entspricht sowohl der dogmatischen Einordnung des Abfindungsanspruchs als Aufopferungsanspruch als auch seinem Zweck, Ausgleich für erlittene Einbußen zu sein: Wer Aktien nach der Eintragung des Vertrages erwirbt, verliert keine mitgliedschaftlichen Rechte; die Aktie ist stattdessen »von vornherein« mit dem Eingriff belastet 534 . Mit dieser Interpretation erreicht man außerdem einen Gleichlauf 528

Ebenso für § 29 UmwG Grunewald in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 29 Rn. 10. Im Ergebnis ebenso Boetius, DB 1972, 1220 ff.; Rasch, Deutsches Konzernrecht, 5. Aufl. 1974, S. 147 f.; a. A. Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1976, § 304 Rn. 14; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 295 Rn. 40. 530 BGHZ 167, 299, 306 f. (Jenoptik). 531 BGHZ 167, 299, 303 f. (Jenoptik); LG München I AG 1998, 147, 148 f. (Paulaner/HackerPschorr); Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 305 Rn. 20; Stephan in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 305 Rn. 19. 532 S. hierzu bereits die ausführliche Bestandsaufnahme unter S. 118 ff. 533 S. o. S. 126 f. 534 Im Ergebnis für die Kapitalerhöhung ebenso Habersack, AG 2005, 709, 714 f.; dem zust. Bungert/Bednarz, BB 2006, 1865, 1866 f. 529

D) Sonstige allgemeine Auslegungsprobleme

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mit den umwandlungsrechtlichen Abfindungsfällen, denn hier kann originär abfindungsberechtigt nur sein, wer Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat oder entschuldigt von der Hauptversammlung ferngeblieben ist (s. nur §§ 29 I 1, 1. Hs., II; 207 I 1, 1. Hs., II UmwG, 7 I 1, 9 I 1, 12 I 1 SEAG). 2) Auswirkungen des § 71b AktG auf die Abfindungsberechtigung Nicht nur den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, sondern auch die Mehrheitseingliederung und den Squeeze-out betrifft die Frage, ob die abhängige AG zu den außenstehenden Aktionären gehört, wenn sie eigene Aktien an sich selbst hält. Für die Mehrheitseingliederung wird die Abfindungsberechtigung der eingegliederten AG überwiegend bejaht535 . Gleiches soll für den Zwangsausschluss gem. §§ 327a ff. AktG gelten 536 . Sieht man den Abfindungsanspruch als Aufopferungsanspruch an, so ist die Frage sowohl für § 305 AktG als auch für § 320b und § 327a AktG zu verneinen. Dass die abhängige/eingegliederte AG die Eingliederung nicht abwehren kann, beruht nämlich nicht erst auf einer durch § 293 I AktG bzw. §§ 320 I 1, 327a I AktG geschaffenen Duldungspflicht, sondern dem Ausschluss des Stimmrechts gem. § 71b AktG. Die eigenen Aktien sind somit »von vornherein« mit der Möglichkeit belastet, majorisiert zu werden; ein »eigentlich bestehendes Widerspruchsrecht« – so wie für jeden Aufopferungsanspruch notwendig – besteht nicht. Diese Lösung ist allein praxisgerecht: Sie verhindert unnötiges Hin- und Herzahlen der Abfindung, da das herrschende Unternehmen beim Beherrschungsund Gewinnabführungsvertrag und der Eingliederung gem. § 308 AktG bzw. § 323 AktG ohne Weiteres die Möglichkeit hat, die Abfindung von der Untergesellschaft zurückzuverlangen 537. Schließlich sprechen systematische Gründe für die hier vertretene Lösung. Da die Abfindung in Aktien der Hauptgesellschaft regelmäßig an § 71d AktG scheitern würde538 und die §§ 305 II Nr. 2 u. 3, 320b I 3 keinen weiteren Ausnahmetatbestand zugunsten einer Barabfindung enthalten, entspricht es einzig der Systematik des Gesetzes, bereits den Abfindungsanspruch der Untergesellschaft zu verneinen. 535 Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 320b Rn. 4; Fleischer, ZGR 2002, 757, 775; Grunewald in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 320b Rn. 2; Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 73 Rn. 43; Würdinger in Großkomm. AktG, 3. Aufl. 1971, § 320 Anm. 12. 536 Statt vieler Fleischer, ZGR 2002, 757, 775 (der ausdrücklich nur den Übergang der Aktien anspricht); Riegger, DB 2003, 541, 542 f.; a. A. wohl Hasselbach in Kölner Kommentar zum WpÜG, 2003, § 327a AktG Rn. 35: AG gehört selbst nicht zur Restminderheit. 537 Vgl. nur Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 320b Rn. 4. 538 Eingeräumt für die Mehrheitseingliederung etwa von Grunewald in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 320b Rn. 2; vgl. dagegen Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 320b Rn. 3 (erweiternde Auslegung des § 71 Nr. 3 AktG), ebenso Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 320b Rn. 5a.

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

Gleiches muss konsequenterweise grundsätzlich für die Aktionäre gelten, die gem. § 71d S. 4 AktG unter § 71b AktG fallen, insbesondere also solche Aktionäre, die ihrerseits von der ihre Struktur wandelnden AG abhängig sind oder in deren Mehrheitsbesitz stehen (§ 71d S. 2 AktG) 539. Dieses Ergebnis wird für den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit Blick auf § 304 AktG dadurch unterstützt, dass diesen Aktionären gem. § 71 b AktG kein Gewinnbezugsrecht gegen die abhängige AG zusteht, das gem. § 304 AktG zu kompensieren wäre540 . Für die Eingliederung und den Squeeze-out ist allerdings eine Ausnahme geboten. Ohne Abfindung – und den damit einhergehenden Verlust der Mitgliedschaft gem. §§ 320a S. 1, 327e III 1 AktG – könnte der »einfach« abhängige oder im Mehrheitsbesitz stehende Aktionär die Eingliederung durch Veräußerung seiner Aktien gem. § 327 I Nr. 3 AktG beenden bzw. den Erfolg des Squeeze-out zunichte machen. Auch er muss daher aus der AG gedrängt werden können 541. Diese Ausnahme verträgt sich ohne Weiteres mit dem Aufopferungsgedanken: Das privilegierte Interesse der Obergesellschaft bzw. des Hauptaktionärs besteht in diesem Fall nämlich gerade darin, die Aktien kraft Gesetzes zu erwerben (s. erneut §§ 320a S. 1, 327e III S. 1 AktG), um die Veräußerung der Aktien an einen Dritten auszuschließen. Insoweit legt § 71b dem Anteilsinhaber aber gerade keine Duldungspflicht auf, da er die rechtliche Zuordnung der Anteile unberührt lässt. Auf die eigene Aktien besitzende AG lässt sich diese Argumentation wiederum nicht übertragen, weil der Eingriffsberechtigte mangels Veräußerungsgefahr kein berechtigtes Interesse am Aktienerwerb hat 542 . Der oben genannte Grundsatz bezüglich der eigenen Aktien bleibt also unangetastet.

539 Ebenso im Ergebnis Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 295 Rn. 45; Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 70 Rn. 79; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 54 Rn. 66. 540 Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 295 Rn. 45; Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 70 Rn. 79; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 54 Rn. 66. 541 Folglich sind diese Aktien auch bei der Berechnung der 95%igen Mehrheit im Rahmen der §§ 320 ff., 327a ff. AktG zu berücksichtigen. Zur Eingliederung ebenso Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 320 Rn. 9; Grunewald in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 320 Rn. 3; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 320 Rn. 4; Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 73 Rn. 31; a. A. Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 320 Rn. 4. Zum Squeeze-out ebenso Grzimek in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 327a AktG Rn. 44; a. A. Hasselbach in Kölner Kommentar zum WpÜG, 2003, § 327a AktG Rn. 35. 542 Hat die abhängige AG eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags keine außenstehenden Aktionäre, so könnte sich die oben genannte Argumentation wegen § 307 AktG auch auf den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag übertragen lassen. Auch hier kann man aber kein berechtigtes Interesse des herrschenden Unternehmens an einem Erwerb der Aktien anerkennen, denn die §§ 291 ff. AktG sehen keinen Anteilserwerb kraft Gesetzes vor. Das herrschende Unternehmen kann sich in diesem – höchst theoretischen – Fall damit helfen, dass es entweder den Aktionär zur Veräußerung seiner Aktien an das herrschende Unternehmen veranlasst oder vor dem Abschluss des Gewinnabführungsvertrags einen Squeeze-out (oder eine Mehrheitseingliederung) durchführt.

D) Sonstige allgemeine Auslegungsprobleme

377

3) Abfindungsberechtigte in den umwandlungsrechtlichen Abfindungsfällen Da die vorstehend entwickelten Grundsätze aus dem Aufopferungsprinzip entwickelt wurden, müssten sie grundsätzlich auch für die §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG gelten. Obwohl diese Tatbestände insgesamt geringere Ähnlichkeiten mit dem typischen Aufopferungsanspruch aufweisen 543 , teilen alle die Eigenschaft, Interessenkonflikte nach dem Aufopferungsprinzip zu lösen. Das Problem verflüchtigt sich ohnehin dadurch, dass abfindungsberechtigt schon nach dem klaren Wortlaut der §§ 29 I 1, 1. Hs., II; 122i I 1, 207 I 1, 1. Hs., II UmwG, 7 I 1, 9 I 1, 12 I 1 SEAG nur ist, wer Widerspruch zur Niederschrift erklärt oder entschuldigt von der Hauptversammlung des Zustimmungsbeschlusses ferngeblieben ist. Hierdurch dürften in praxi all die Aktionäre ausgeschlossen werden, die nach den oben genannten Grundsätzen nicht zu den abfindungsberechtigten Aktionären gehören. Eine Pflicht, gegen den Umwandlungsbeschluss zu stimmen, ist neben dem Erfordernis der §§ 29 I 1, 1. Hs., II; 122i I 1, 207 I 1, 1. Hs., II UmwG, 7 I 1, 9 I 1, 12 I 1 SEAG nicht anzuerkennen 544 . Es gibt kein aufopferungsrechtliches Gebot, alles zu versuchen, um den Eingriff abzuwehren. Das Interesse des abfindungspflichtigen Rechtsträgers an Klarheit über die künftige Abfindungspflicht hat der Gesetzgeber durch das Erfordernis einer ¾-Mehrheit für den Zustimmungsbeschluss sowie durch die Notwendigkeit des Widerspruchs hinreichend (und abschließend) geschützt. Etwas anderes gilt nur in dem sehr theoretischen Fall, dass der zustimmende Aktionär allein die Stimmrechtsmacht gehabt hätte, um den Beschluss zu verhindern, denn dann legt das Gesetz ihm gerade keine Duldungspflicht auf545 .

II) Der sog. Abfindungsergänzungsanspruch Eine insbesondere früher kontrovers diskutierte Frage des allgemeinen Abfindungsrechts lautet: Gibt es den »Abfindungsergänzungsanspruch«? Profitieren – mit anderen Worten – auch diejenigen Aktionäre von einer Erhöhung der Abfindung im Spruchverfahren, die zur Zeit der Entscheidung das Abfindungsangebot bereits angenommen haben?

543

Dazu o. S. 191 f. Für die §§ 29, 207 UmwG: Decher in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 207 Rn. 10; MarschBarner in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 29 Rn. 13; Meister/Klöcker in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 207 Rn. 15; Veil, Umwandlung einer Aktiengesellschaft in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 1996, S. 115 ff.; vgl. auch BGHZ 108, 217, 221. A. A. Grunewald in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 29 Rn. 16; Kalss in Semler/Stengel, UmwG, 2002, § 29 Rn. 21, § 207 Rn. 6; Vollrath, FS Widmann, 2000, 117, 120; B. Schaub, NZG 1998, 626, 627 f.; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 138; Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 4. Aufl. 2006, § 29 Rn. 13; Vollrath in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht (Loseblatt), Stand: August 2000, § 29 UmwG Rn. 24. Für die §§ 7, 9 SEAG: Teichmann, ZGR 2003, 367, 384; a. A. Schwarz, SE-VO, 2006, Art. 24 Rn. 33. 545 S. zum Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag schon o. S. 371. 544

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

Während die landes- und oberlandesgerichtliche Judikatur sowie die Literatur klar Stellung pro546 oder contra 547 Abfindungsergänzungsanspruch bezog, vermied der BGH eine ausdrückliche Stellungnahme, wenngleich die Bejahung des Abfindungsergänzungsanspruchs als Folge der DAT/Altana- und Guano-Rechtsprechung unausweichlich gewesen sein dürfte548 . Mittlerweile ist der Abfindungsergänzungsanspruch in § 13 S. 2 SpruchG anerkannt. Vom hier vertretenen Standpunkt aus ist diese Anerkennung des »Abfindungsergänzungsanspruchs« kaum mehr als eine Selbstverständlichkeit. Der gesetzliche Abfindungsanspruch entsteht von vornherein in der angemessenen Höhe549. Zahlt der Abfindungspflichtige nicht die angemessene, sondern nur die im Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag bzw. Umwandlungsbeschluss oder -plan fixierte Summe, so hat er nicht vollständig erfüllt und muss – nebst Zinsen – nachzahlen. Der »Abfindungsergänzungsanspruch« ist daher nicht mehr und nicht weniger als der unvollständig erfüllte Abfindungsanspruch.

546 BayObLG WM 1996, 526, 533 (Paulaner); BayObLG AG 1996, 176, 180 (Hacker/Pschorr); OLG Düsseldorf WM 1992, 986, 988; LG Berlin AG 1979, 207 (Spinnstoff-Fabrik Zehlendorf/ Hoechst); LG Dortmund AG 1996, 278, 280 f. (Hoffmann’s Stärkefabriken); LG NürnbergFürth AG 2000, 89, 91 (Philips); Bermel in Goutier/Knopf/Tulloch, UmwG, 1995, § 34 Rn. 9; Beyerle, AG 1980, 317, 323; Bodewig, Zur Sicherung der Minderheitsrechte außenstehender Aktionäre durch die Vorschriften der §§ 304, 305, 306 AktG, Jur. Diss. Köln 1974, S. 93 ff.; Bodewig, BB 1978, 1694, 1697 (zusf.); Exner, Beherrschungsvertrag und Vertragsfreiheit, 1984, S. 249 ff.; Flume, DB 1969, 1047; Haase, AG 1995, 7, 12 ff.; Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1976, § 305 Rn. 74; Hüchting, Abfindung und Ausgleich im aktienrechtlichen Beherrschungsvertrag, 1972, S. 86 ff.; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 305 Rn. 32, § 320b Rn. 10; Komp, Zweifelsfragen des aktienrechtlichen Abfindungsanspruchs nach §§ 305, 320b AktG, 2002, S. 426 ff.; Kübler/R. H. Schmidt, Gesellschaftsrecht und Konzentration, 1988, S. 81 f.; Nirk in Nirk, Handbuch der Aktiengesellschaft (Loseblatt), Stand: Februar 1999, Rn. 2420; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 54 Rn. 88; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 158 ff.; J. Schmidt, Das Recht der außenstehenden Aktionäre, 1979, S. 95 ff.; Seisler, Der Anspruch des Minderheitsaktionärs auf angemessene Abfindung im Verfahren nach §§ 306 AktG, 30 ff. UmwG, Jur. Diss. Mannheim 1983, S. 209; Tiling/Prasse, AG 1969, 63; Timm/Schick, WM 1994, 185, 187; H. P. Westermann, AG 1976, 309, 310; Veit, Unternehmensverträge und Eingliederung als aktienrechtliche Instrumente der Unternehmensverbindung, 1974, S. 139 f.; W. Werner, AG 1972, 167, 168; Wiesen, ZGR 1990, 503, 505 f.; Wilhelm, Kapitalgesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2005, Rn. 645; Würdinger in Großkomm. AktG, 3. Aufl. 1971, § 305 Anm. 21. 547 Hohner, DB 1973, 1487, 1492; Hüchting, Abfindung und Ausgleich im aktienrechtlichen Beherrschungsvertrag, 1972, S. 86 ff.; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 305 Rn. 56; Koppensteiner, BB 1978, 769, 774 (aufgegeben jetzt von Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 305 Rn. 151); Rowedder, FS Rittner, 1991, 509, 515; in der Konsequenz wohl auch OLG Frankfurt NJW 1972, 641, 642 ff. 548 So OLG Karlsruhe ZIP 2004, 2330, 2331 (SEN/KHS); M. Schwab, BB 2000, 527, 528. 549 S. schon o. S. 147 ff.

D) Sonstige allgemeine Auslegungsprobleme

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III) Kontinuitätsschutz, insbesondere des Anspruchs auf Abfindung in Aktien Schwierig zu beantworten ist die Frage, ob abfindungsberechtigte Aktionäre Kontinuitätsschutz genießen, inwieweit also ihr Abfindungsanspruch Recht gegen spätere Veränderungen geschützt wird. 1) Bedeutung und Fallgruppen Diese Frage hat verschiedene Aspekte: Ausführlich diskutiert wurde bisher, welche Auswirkungen der Beitritt einer weiteren Partei als herrschendes Unternehmen zum Beherrschungsvertrag auf die Ausgleichs- und Abfindungsansprüche der außenstehenden Aktionäre hat 550 . Übernimmt in diesem Fall das beitretende Unternehmen die Leitungsmacht gem. § 308 AktG, stellt sich die Frage, wie die in der AG verbliebenen Aktionäre zu schützen sind. In Betracht kommt ein Sonderzustimmungsrecht aus § 295 II AktG. Denkbar wäre auch, dass ihnen ein neues Abfindungsangebot durch das beitretende Unternehmen unterbreitet werden muss, dessen Höhe sich gem. § 305 III 2 AktG am Stichtag des Zustimmungsbeschlusses in der abhängigen AG zum Beitritt (§§ 295 II 2, 293 I AktG) orientiert. In Betracht kommt schließlich, dass diejenigen Aktionäre, die sich bereits verbindlich für den Verbleib in der abhängigen AG gegen Ausgleich entschieden haben, ihr Wahlrecht erneut ausüben dürfen und somit erneut die Option haben, nach der ursprünglichen Abfindungsregelung aus der AG auszuscheiden. Wird beim Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag oder der Eingliederung Abfindung in Aktien geschuldet (§§ 305 I Nr. 1, 320b I 2 AktG), so ergeben sich ähnliche Probleme immer dann, wenn die Voraussetzungen dieser Abfindungsform nachträglich wegfallen (vgl. §§ 305 II Nr. 2, 3; 320 I 3 AktG). Denkbar ist etwa, dass die herrschende AG (bzw. die AG, deren Aktien gem. §§ 305 II Nr. 2, 320b I 3 AktG zu gewähren sind) nachträglich eingegliedert wird, selbst einen Beherrschungsvertrag mit einem dritten Unternehmen abschließt (Aufbau eines mehrstufigen Vertragskonzerns »von unten nach oben«) oder »rein faktisch« ihre Unabhängigkeit verliert. Auch die Übernahme eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags durch ein drittes Unternehmen oder der oben beschriebene Beitritt zum Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag kann zu dieser Fallgruppe gerechnet werden, weil das in § 305 II Nr. 1 AktG verankerte Prinzip des Primärschutzes davon ausgeht, dass das abfindungspflichtige Unternehmen auch die Weisungsmacht ausübt, so dass die abfindungsberechtigten Aktionäre weiterhin mittelbar an dem unterworfenen Unternehmen beteiligt sind. Schließlich kann die herrschende AG auf ein drittes Unternehmen verschmolzen oder aufgespalten werden oder seine Rechtsform wechseln, so dass die Erfüllung der Verpflichtung aus den §§ 305 II Nr. 1, 320b I AktG unmöglich wird. 550 Früh Exner, Beherrschungsvertrag und Vertragsfreiheit, 1984, S. 299 f.; danach vor allem BGHZ 138, 136, 139 ff. (ASEA/BBC II).

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

2) Abschichtung der Problemkreise a) Differenzierung nach Aktionärsgruppen Versucht man, sich den oben aufgeworfenen Fragen zu nähern, sollte man zunächst klar zwischen verschiedenen Aktionärsgruppen unterscheiden: Betroffen sein können die Aktionäre, die bereits abgefunden worden sind, weil sie ihre Entscheidung (zwischen Abfindung und Ausgleich oder zwischen Barabfindung und Abfindung in Aktien) möglicherweise auf der Grundlage getroffen haben, dass sich die Verhältnisse der jeweiligen AG nicht verändern [s. u. 3)a)]. Betroffen sind beim Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag weiterhin die in der abhängigen AG verbliebenen Aktionäre, die sich bereits verbindlich für den Ausgleich nach § 304 AktG entschieden haben [3)b)]. Schließlich wird in den Abfindungsanspruch solcher Aktionäre eingegriffen, denen zur Zeit des jeweiligen Strukturwandels ein noch unbefriedigter Anspruch auf Abfindung in Aktien zusteht [3)c)] 551. b) »Schutzebenen« Schutz können die betroffenen Aktionäre in den oben genannten Fällen grundsätzlich auf zwei Ebenen erlangen: nach dem Recht der jeweiligen Strukturentscheidung (etwa UmwG, wenn die herrschende AG auf einen anderen Rechtsträger verschmolzen wird) oder über die Grundsätze zum jeweiligen (ursprünglichen) Abfindungs- oder Ausgleichsrecht (§§ 305, 320b AktG). Verliert etwa die abfindungspflichtige AG ihre Selbständigkeit aufgrund eines öffentlichen Übernahmeangebotes, so ist einerseits denkbar, ihre Verpflichtung zur Abfindung in Aktien gem. §§ 305 II Nr. 1, 320b I 2 AktG in eine Barabfindung umzuwandeln, weil die Voraussetzungen der §§ 305 II Nr. 1, 320b I 2 AktG nicht mehr vorliegen (»abfindungsrechtlicher Schutz«). Ebenso könnte man überlegen, ob die Vorschriften des WpÜG über das Übernahmeangebot (§§ 29 ff. WpÜG) nicht auf die Abfindungsgläubiger auszudehnen sind, so dass der Angebotsverpflichtete nicht nur den Aktionären der herrschenden AG, sondern auch deren Abfindungsgläubigern ein Angebot gem. § 31 WpÜG unterbreiten muss, sofern die Abfindung auf Aktien gerichtet ist, („übernahmerechtlicher Schutz“). Wählt man den »abfindungsrechtlichen« Schutz, dann sieht man als Schutzobjekt die ursprüngliche Mitgliedschaft in der AG an, die über veränderte Abfindungsbestimmungen zu schützen ist (»Schutz als Aktionär«). Dehnt man § 31 WpÜG auf Inhaber von Abfindungsansprüchen gegen die Zielgesellschaft aus, kann man als Schutzobjekt hingegen auch den Abfindungsanspruch selbst auffassen (der Aktionär wird »als Abfindungsberechtigter« geschützt).

551 Zur Bedeutung des Ausgleichsanspruchs für die im Rahmen einer nachfolgenden Strukturmaßnahme zu gewährende Kompensation Riegger, FS Priester, 2007, 661.

D) Sonstige allgemeine Auslegungsprobleme

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3) Schutz der jeweiligen Aktionärsgruppen a) Aktionäre, die bereits gegen Abfindung aus der AG ausgeschieden sind Einigkeit sollte schnell darüber zu erzielen sein, dass solche Aktionäre keines speziellen abfindungsrechtlichen Schutzes bedürfen, die bereits abgefunden worden sind552 . Sie sind Aktionäre des herrschenden Unternehmens geworden und über das jeweilige »Recht der Strukturentscheidung« geschützt. Da sie volle Entschädigung erhalten haben, ist der Zweck der Abfindung erfüllt. Ein Vertrauen auf jenseits der vollen Abfindung (etwa darauf, dass die aufnehmende AG als selbständige AG fortbestehen bleibt) ist nicht schutzwürdig. b) Aktionäre, die sich beim Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag bereits verbindlich für den Verbleib in der AG entschieden haben Denjenigen Aktionären, die sich beim Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag bereits verbindlich für Ausgleich entschieden haben, geht es allein um den Schutz ihres Ausgleichs (etwa weil ein variabler Ausgleich infolge einer Vertragsübernahme nunmehr von einem anderen Unternehmen abhängt) und ihrer Entscheidung (weil sie sich vielleicht mit Rücksicht gerade auf das ehemals herrschende Unternehmen für den Verbleib in der AG entschieden haben und jetzt gerne aus der AG ausscheiden würden). Inwieweit Ausgleichsansprüche derjenigen Aktionäre zu korrigieren sind, die sich trotz des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags bereits verbindlich für den Verbleib in der AG entschieden haben, ist nicht Thema dieser Arbeit 553 . Was den Schutz ihrer Entscheidung angeht, in der abhängigen AG zu verbleiben, so neigt der BGH im ASEA/BBC II-Beschluss zu einem Wiederaufleben des ursprünglichen Wahlrechts, wenn ein drittes Unternehmen dem Beherrschungsvertrag beitritt und das vertragliche Weisungsrecht fortan allein ausübt. 554 Dem ist die überwiegende Ansicht gefolgt555 ; teilweise will sie dieses Schutzmodell auf andere Fälle ausweiten, in denen sich der Aktionär einer »völlig veränderten Situation

552 Ebenso Kort, ZGR 1999, 402, 425; Röhricht, ZHR 162 (1998), 249, 252; Stephan in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 305 Rn. 145. 553 Zum Kontinuitätsschutz des Anspruchs auf Ausgleich Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 119 ff.; Tebben, AG 2003, 600; Vossius, FS Widmann, 2002, 133, 143 ff.; monographisch Schwenn, Der Ausgleichs- und Abfindungsanspruch der außenstehenden Aktionäre im Unternehmensvertrag bei Eintritt neuer Umstände, 1998. Vgl. auch OLG Hamm AG 2003, 585, 586 (DAB/Hansa) (in concreto aber offen gelassen). 554 BGHZ 138, 136, 141 f. (ASEA/BBC II); vorher schon Röhricht, ZHR 162 (1998), 249, 253. 555 Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 22; Emmerich/Habersack, Aktienund GmbH-Konzernrecht, 4. Aufl. 2005, § 295 Rn. 27, § 305 Rn. 35; Heidenhain, LM § 304 AktG 1965 Nr. 3, Bl. 731 f.; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 305 Rn. 2; Kort, ZGR 1999, 402, 423 ff.; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 54 Rn. 103.

382

§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

gegenübersieht«556 , weil sich Umstände geändert haben, die für die getroffene Wahl des Aktionärs wesentlich waren 557. Diese Ansicht ist jedoch erheblichen Zweifeln ausgesetzt 558 : Zum einen fragt sich schon, ob das Vertrauen der außenstehenden Aktionäre auf einen bestimmten Fortgang des Beherrschungsvertrags überhaupt schutzwürdig ist 559 : Erstens ist das herrschende Unternehmen nicht verpflichtet, Modalitäten der Konzernpolitik im Beherrschungsvertrag festzuschreiben 560 . Zweitens realisiert sich im Herrschaftswechsel nur ein Risiko, das dem Aktionär bei seiner Entscheidung über den Verbleib in der Gesellschaft erkennbar war und für das er sich bewusst entschieden hat, als er sich gegen Ausgleichszahlung dem herrschenden Unternehmen unterwarf. Aufgrund des umfassenden Schutzes durch den »Abfindungsergänzungsanspruch«561 ist der Aktionär drittens nicht gezwungen, das Abfindungsangebot besonders frühzeitig anzunehmen. Schließlich hat das Gesetz durch die §§ 295 II, 296 II, 297 II, 302 III 3, 309 IV, 310 IV AktG für speziellen Schutz der ausgleichsberechtigten Aktionäre gesorgt 562 ? Daneben besteht für ein Wiederaufleben des Optionsrechts weder Bedürfnis noch Legitimation. c) Aktionäre, deren Anspruch auf Abfindung in Aktien noch nicht erloschen ist Im Zentrum der Überlegungen steht, wie diejenigen Aktionäre geschützt werden, deren Anspruch auf Abfindung in Aktien zur Zeit des Strukturwechsels noch nicht erloschen ist (weil er weder erfüllt wurde noch die Aktionäre sich im Falle des § 305 AktG für den Verbleib in der Gesellschaft entschieden haben). Diesen Aktionären geht es um den Fortbestand ihres Abfindungsanspruchs als »volle Entschädigung« für ihre aufgeopferte Mitgliedschaft. Die Frage stellt sich sowohl für den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag als auch für die Mehrheitseingliederung. Denkbar ist, dass eine Strukturveränderung den Abfindungsan556

Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 305 Rn. 35. Vgl. für die Eingliederung des herrschenden Unternehmens auch Emmerich/Habersack, Aktienund GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 297 Rn. 37 i. V. m. § 295 Rn. 27. 557 Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 22. 558 Gegen sie Pentz, Die Rechtsstellung der Enkel-AG in einer mehrstufigen Unternehmensverbindung, 1994, S. 104 f.; Pentz, FS Kropff, 1997, 225, 234 ff.; Pentz, NZG 1998, 380 ff.; zust. Gutheil, Die Auswirkungen von Umwandlungen auf Unternehmensverträge nach §§ 291, 292 AktG und die Rechte außenstehender Aktionäre, 2001, S. 173 f. 559 Pentz, NZG 1998, 380, 381; Pentz, FS Kropff, 1997, 225, 235 f.; zust. Gutheil, Die Auswirkungen von Umwandlungen auf Unternehmensverträge nach §§ 291, 292 AktG und die Rechte außenstehender Aktionäre, 2001, S. 173. 560 Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 291 Rn. 63 ff.; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 291 Rn. 53; Kropff, ZGR 1984, 112, 121, 132 f.; Rittner, AcP 183 (1983), 295, 304 f.; Rehbinder ZHR 147 (1983), 464, 472; a. A. Hommelhoff, Die Konzernleitungspflicht, 1982, S. 315; ähnlich Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 291 Rn. 17. 561 Dazu o. S. 378. 562 Gutheil, Die Auswirkungen von Umwandlungen auf Unternehmensverträge nach §§ 291, 292 AktG und die Rechte außenstehender Aktionäre, 2001, S. 173; Pentz, NZG 1998, 380, 381 f.; Pentz, NZG 2000, 1103, 1108.

D) Sonstige allgemeine Auslegungsprobleme

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spruch berührt, weil die von der Strukturwandelung betroffene AG gem. §§ 305 II Nr. 1, 320b I 2 u. 3 AktG eigene Aktien leisten muss [sogleich aa)]. Denkbar ist auch, dass diese Strukturveränderung in einer anderen AG eintritt, deren Aktien der Abfindungspflichtige gem. §§ 305 II Nr. 2 AktG besorgen muss [s. u. bb)]. aa) Pflicht zur Abfindung in eigenen Aktien (1) Verschmelzung der abfindungspfl ichtigen AG Betrachtet sei zunächst die Verschmelzung der abfindungspflichtigen AG auf einen dritten Rechtsträger (AG, KGaA oder andere Rechtsform). Nach der Verschmelzung erlischt die herrschende AG. Der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geht grundsätzlich auf den übernehmenden Rechtsträger über563 und mit ihm auch die Abfindungspflicht (§ 20 I Nr. 1 UmwG). Mangels Existenz der ursprünglich abfindungspflichtigen AG kann der neue Rechtsträger ihre Aktien jedoch nicht beschaffen. Den Aktionär in diesen Fällen auf die Rechtsfolge der §§ 280, 283 BGB und den anschließenden Übergang der Schadensersatzpflicht auf den übernehmenden Rechtsträger (§ 20 I Nr. 1 UmwG) zu verweisen, wäre nicht überzeugend. Fraglich ist zum einen, ob die beteiligten Rechtsträge die Verschmelzung zu vertreten haben (§ 276 BGB). Bevor auf Leistungsstörungsrecht zurückgegriffen wird, sollte zum anderen geprüft werden, ob sich nicht bereits der Inhalt des Schuldverhältnisses nach spezielleren Regeln geändert hat. Mit der Verschmelzung könnte aus der Pflicht zur Abfindung in Aktien eine Pflicht zur Barabfindung geworden sein. Hat der übernehmende Rechtsträger die Rechtsform der AG, so kommen als Abfindung seine Aktien in Betracht. Denkbar wäre schließlich, die Aktionäre darauf zu verweisen, dass sie das Abfindungsangebot des übertragenden Rechtsträgers noch vor der Verschmelzung annehmen, damit sie danach als Aktionäre des übertragenden Rechtsträgers nach den §§ 8 ff., 15 UmwG geschützt sind. Diese Alternative sollte jedoch schon deshalb nicht in Betracht kommen, weil die Verschmelzung des herrschenden Unternehmens den Aktionären der abhängigen AG nicht bekannt gemacht werden muss. Vorgeschlagen wird daher, die Abfindung sei in einem solchen Fall »anzupassen«564 . Ebenso wird vertreten, die Aktionäre seien »in verfassungskonformer Auslegung der §§ 305 AktG, 20 Abs. 1 Nr. 1 und 3 UmwG« so zu stellen, als hätten sie die Abfindungsansprüche einlösen können 565 . 563 OLG Karlsruhe ZIP 1991, 101, 104 (ASEA/BBC I); LG Bonn GmbHR 1996, 774; Bermel in Goutier/Knopf/Tulloch, UmwG, 1995, § 20 Rn. 31; Grunewald in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 20 Rn. 35; Krieger, ZGR 1990, 517, 540; Kübler in Semler/Stengel, UmwG, 2002, § 20 Rn. 29; Marsch-Barner in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 20 Rn. 19; Martens, AG 1986, 57, 61 f.; H. Westermann, FS Schilling, 1973, 271, 283. 564 Vossius in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht (Loseblatt), Stand: Juni 2002, § 20 UmwG Rn. 292; erwogen von Sonnenschein, Organschaft und Konzerngesellschaftsrecht, 1976, S. 415. 565 Gutheil, Die Auswirkungen von Umwandlungen auf Unternehmensverträge nach §§ 291, 292 AktG und die Rechte außenstehender Aktionäre, 2001, S. 163.

384

§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

Hält man im Ergebnis eine Abfindungs- bzw. Entschädigungspflicht des übernehmenden Rechtsträgers für angemessen, kann sich diese Entschädigung unmittelbar oder mittelbar auf die Mitgliedschaft des abfindungsberechtigten Aktionärs beziehen: Verfolgt man mit einer im Schrifttum vertretenen Ansicht das Konzept, jeder Herrschaftswechsel im Vertragskonzern habe grundsätzlich eine neue Abfindungspflicht des nunmehr herrschenden Unternehmens zur Folge566 , so müsste die Höhe dieser Abfindung unmittelbar zwischen den jetzigen Vertragsparteien bestimmt werden. Stichtag der Berechnung wäre dann der Zustimmungsbeschluss zur Verschmelzung567. Dies wäre jedoch unangemessen, weil die außenstehenden Aktionäre darunter leiden würden, dass der Börsenkurs ihrer Gesellschaft infolge des Beherrschungsvertrags bereits gesunken ist 568 . Die neue Abfindung wäre kein vollwertiges Äquivalent – zumal sich die Aktionäre nicht endgültig für einen Verbleib in der abhängigen AG entschieden haben 569. Würde man stattdessen den Unternehmenswert der abhängigen AG zum ursprünglichen Bewertungsstichtag bestimmen (§ 305 III 2 AktG), hielte man dagegen für die Bewertung des übernehmenden Rechtsträgers den Stichtag der Verschmelzung für ausschlaggebend, wäre das Prinzip der Methodengleichheit bei der Abfindungsberechnung verletzt 570 . Zu dem richtigen Ergebnis dringt man vor, wenn man sich verdeutlicht, dass es im vorliegenden Fall primär nicht um den (erneuten) Schutz der Mitgliedschaft geht, sondern um den Bestandsschutz des Abfindungsanspruchs. Sowohl für die Höhe des Anspruchs als auch für die Art der Abfindung gilt im Grundsatz das Stichtagsprinzip571. Eine »Anpassung des Abfindungsanspruchs« könnte daher zumindest nicht ohne Bruch mit diesem Prinzip begründet werden, denn die jeweilige Strukturentscheidung war zum Bewertungsstichtag gerade nicht erkennbar. Eine systemstimmige Lösung findet man daher nicht im »Schutz als Aktionär«, sondern im »Schutz als Abfindungsgläubiger«572 . Hat man sich dies verdeutlicht, ist der Schritt zu der Norm nicht mehr weit, die auch (andere) Inhaber von Optionsrechten auf Aktien bei der Verschmelzung ihres Emittenten schützt: § 23 UmwG. Die von § 23 UmwG geschützten Gläubiger zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Rechtsstellung über diejenige bloß schuld566

Grundlegend Priester, ZIP 1992, 293, 298; danach Bayer, ZGR 1993, 599, 606 f.; Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 20; Hirte in Hirte, Der Vertragskonzern im Gesellschaftsrecht, 1993, S. 1, 28; vgl. vorher auch schon zum Aufbau eines mehrstufigen Vertragskonzerns »von unten nach oben« W. F. Bayer, FS Ballerstedt, 1975, 157, 178 f.; Rehbinder, ZGR 1977, 581, 606. 567 Ebenso für die Barabfindung beim Beitritt zum Beherrschungsvertrag Bilda in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 305 Rn. 20 (ursprünglicher Bewertungsstichtag). 568 Gutheil, Die Auswirkungen von Umwandlungen auf Unternehmensverträge nach §§ 291, 292 AktG und die Rechte außenstehender Aktionäre, 2001, S. 162 ff.; vgl. auch Röhricht, ZHR 162 (1998), 249, 259. 569 Gutheil, Die Auswirkungen von Umwandlungen auf Unternehmensverträge nach §§ 291, 292 AktG und die Rechte außenstehender Aktionäre, 2001, S. 162. 570 Dazu die Nachweise o. S. 280 Fn. 92 f. 571 Dazu schon o. S. 284 f. 572 Dazu o. S. 380 f.

D) Sonstige allgemeine Auslegungsprobleme

385

rechtlicher Gläubiger hinaus geht, sie aber andererseits keine Möglichkeit haben, auf die Strukturentscheidung durch Ausübung ihres Stimmrechts Einfluss zu nehmen 573 . Dies wird man auch für die Inhaber von Abfindungsrechten »am« übertragenden Rechtsträger bejahen können: Ihre Rechtsstellung geht über eine bloß schuldrechtliche Gläubigerstellung hinaus, weil die Rechtsform als solche den Inhalt des Anspruchs vermittelt (Abfindung in Aktien) 574 ; mangels Stimmrechts können sie die Verschmelzung aber nicht verhindern. Ebenso wie die Rechte der §§ 23, 204 UmwG enthalten Abfindungsansprüche außerdem ein partiarisches Element, weil ihr Wert vom wirtschaftlichen Erfolg der Gläubiger-AG abhängt 575 . Schließlich werden auch andere Inhaber von Optionsrechten auf Aktien nach § 23 UmwG vor der »Verwässerung« ihres Rechts infolge der Verschmelzung geschützt (vgl. § 23 UmwG »Wandelschuldverschreibungen« i. V. m. § 221 I 1, 1. Alt. AktG) 576 . Gleiches muss dann für Inhaber der »gesetzlichen Option« auf Aktien gem. § 305 II Nr. 1 AktG gelten. Wird eine herrschende AG auf eine andere AG verschmolzen, trifft den übernehmenden Rechtsträger daher gem. § 23 UmwG die Pflicht, den abfindungsberechtigten Aktionären eine gleichwertige Abfindung in eigenen Aktien anzubieten. Ob Aktien des übernehmenden Rechtsträgers als »gleichwertige Rechte« i. S. d. § 23 UmwG angesehen werden können, beurteilt sich nach den Wertungen der §§ 305 II Nr. 1 und § 320b I 2 AktG (Prinzip des Primärschutzes). Ist die aufnehmende AG etwa selbst abhängig, wären Aktien des herrschenden Unternehmens oder eine Barabfindung zu gewähren (§§ 305 II Nr. 2, 320b I 3 AktG) 577. Gleiches gilt im Falle des § 305 II Nr. 1 AktG, wenn der übernehmende Rechtsträger im Mehrheitsbesitz steht; dies reicht im Falle des § 320b AktG jedoch nicht aus578 . Bei der formwechselnden Verschmelzung muss der Abfindungsberechtigte hingegen in bar entschädigt werden (vgl. § 305 II Nr. 3 AktG), was im Ergebnis dem »Wandel« des Anspruchs zur Barabfindung entspricht. Auch dieses Ergebnis verträgt sich mit der Dogmatik des § 23 UmwG: Eine Barabfindung soll auch Inhabern von Wandelschuldverschreibungen zustehen, wenn ihnen kein gleichwertiges Recht im übernehmenden Rechtsträger gewährt werden kann 579. 573

Begr. RegE UmwBerG bei Ganske, Umwandlungsrecht, 2. Aufl. 1995, S. 77. Hierin das charakteristische Element der von § 23 UmwG geschützten Gläubigerstellung sehend Meister/Klöcker in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 204 Rn. 20. 575 Dazu Kalss in Semler/Stengel, UmwG, 2002, § 23 Rn. 4. 576 Statt vieler Grunewald in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 23 Rn. 10; einschränkend für Inhaber von selbständigen Umtausch- oder Bezugsrechten auf Aktien Marsch-Barner in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 23 Rn. 5 (nur wenn sie verbrieft sind). 577 Zum Wahlrecht bei § 305 II Nr. 2 AktG siehe noch u. S. 399 f. 578 Zur fehlenden Verallgemeinerungsfähigkeit der Wertung aus § 305 II Nr. 1, 2 AktG schon o. S. 242 f. 579 § 29 UmwG analog anwendend Bermel in Goutier/Knopf/Tulloch, UmwG, 1995, § 23 Rn. 15; Kalss in Semler/Stengel, UmwG, 2002, § 23 Rn. 15; für Abfindungsanspruch auch Karollus in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1994, § 221 Rn. 196; Kalss in Semler/Stengel, UmwG, 2002, § 204 Rn. 5 (Austrittsrecht aus wichtigem Grund). Grunewald in Lutter, UmwG, 574

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

Ist der Abfindungsanspruch nach den obigen Grundsätzen in Aktien des übernehmenden Rechtsträgers zu entschädigen, so folgt schon aus der Anwendung des § 23 UmwG: Ausschlaggebend ist nicht die Verschmelzwertrelation zwischen übernehmendem Rechtsträger und abhängiger AG, sondern zwischen übernehmendem Rechtsträger und übertragendem Rechtsträger (= ehemals herrschende AG).580 Die Frage lautet nicht »Wie ist die Mitgliedschaft in der ehemals unabhängigen AG durch das nunmehr herrschende Unternehmen zu entschädigen?«, sondern »Wie muss sich der Abfindungsanspruch der Aktionäre im übernehmenden Rechtsträger fortsetzen?«. Die Abfindungsberechtigten werden nicht als Aktionäre des abhängigen Unternehmens geschützt, sondern als Sonderrechtsinhaber i. S. d. § 23 UmwG.581 Auffällig an dieser Lösung ist, dass sie zu einer weitgehenden Gleichbehandlung der Aktionäre »in« und Abfindungsberechtigten »an« der herrschenden AG führt. Die Inhaber von gesetzlichen »Abfindungs-Optionsrechten« auf Aktien der herrschenden AG werden grundsätzlich ebenso geschützt wie diejenigen, die zur Zeit der Verschmelzung schon Aktionäre der herrschenden AG sind. Auch dies ist aber nur gerecht, denn der Schutz des Abfindungsberechtigten kann kaum davon abhängen, ob er seine Abfindungsoption schon vor der Verschmelzung ausgeübt hat: Zum einen kann dies allein vom Zufall abhängen, zum anderen folgt aus § 305 IV 3 AktG, dass sich der Abfindungsberechtigte bei der Ausübung des Wahlrechts allein danach leiten lassen soll, ob er die Abfindung für angemessen hält 582 , nicht aber aufgrund von Druck durch »externe« Strukturwandelungen. Schon daher müssen die Schutzkonzepte für Abfindungsberechtigte und Aktionäre der abfindungspflichtigen Gesellschaft angeglichen werden.

3. Aufl. 2004, § 23 Rn. 13 gelangt zu einem Abfindungsrecht, indem sie dem Inhaber ein sofortiges Recht zum Bezug bzw. Umtausch einräumt, so dass dieser vor der Umwandlung Aktionär geworden ist; ebenso Decher in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 204 Rn. 29. Leistungsstörungsrecht anwendend Hüffer, FS Lutter, 2000, 1227, 1243; Loos, DB 1960, 543, 545; Schilling in Großkomm. AktG, 3. Aufl. 1971, § 221 Anm. 7 f.; Wehler/Niethammer, DB 1959, 615, 616 ff.; wohl auch Marsch-Barner in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 23 Rn. 13; dazu schon o. im Haupttext. 580 Im Ergebnis ebenso Gutheil, Die Auswirkungen von Umwandlungen auf Unternehmensverträge nach §§ 291, 292 AktG und die Rechte außenstehender Aktionäre, 2001, S. 162 ff., der dieses Ergebnis auf eine »verfassungskonforme Auslegung der §§ 305 AktG, 20 Abs. 1 Nr. 1 und 3 UmwG« stützt (a.a.O. S. 163). 581 Ob Mängel der Verschmelzwertrelation im Spruchverfahren gerügt werden können, ist umstritten; dafür Kiem, ZIP 1997, 1627, 1633; Marsch-Barner in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 23 Rn. 13; dagegen M. Winter, FS Peltzer, 2001, 647, 658; nur de lege ferenda für Spruchverfahren Kalss in Semler/Stengel, UmwG, 2002, § 24 Rn. 18. Zumindest im hier genannten Fall sollte die Frage aufgrund der identischen Interessenlage mit solchen Abfindungsberechtigten, die schon vor der Verschmelzung in den übertragenden Rechtsträger gewechselt sind, bejaht werden [zur grundsätzlichen Analogiefähigkeit des Spruchverfahrens schon o. S. 337 f. 582 Hierzu auch BGHZ 112, 382, 384 f.

D) Sonstige allgemeine Auslegungsprobleme

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(2) Spaltung und Formwechsel der abfindungspfl ichtigen AG Entsprechend ist zu verfahren, wenn die AG ihre Rechtsform wechselt, aufgespalten wird oder einen Teil ihres Vermögens auf andere Rechtsträger abspaltet. Anstatt den Schutz im »Abfindungsrecht« zu suchen 583 , wird man im »Recht der Strukturentscheidung« (hier UmwG) fündig. Bei der Spaltung kommt § 23 UmwG zur Anwendung (§ 125 S. 1 UmwG). Beim Formwechsel gilt die entsprechende Vorschrift des § 204 UmwG, die nach den soeben genannten Überlegungen stets zur Barabfindung führt (ausschlaggebend ist hier die Wertung des § 305 II Nr. 3 AktG). (3) Ausgliederung in der abfindungspfl ichtigen AG Keine Auswirkungen auf den Abfindungsanspruch hat jedoch die Ausgliederung eines Teils des Vermögens aus der abfindungspflichtigen AG. Hierbei handelt es sich um einen bloßen Vermögenstausch, durch den weder die Mitgliedschaft der Aktionäre584 noch der Abfindungsanspruch gegen die AG beeinträchtigt werden. Dass die Abfindungsansprüche hier nicht entschädigt werden müssen, zeigt sich als konsequente Verlängerung des Prinzips der Abfindungsfreiheit des rein bestandsmäßigen Vermögenstausches585 : Wenn die Ausgliederung keine originären Abfindungsansprüche begründet, dann gilt gleiches für die Entschädigung eines bereits entstandenen Abfindungsanspruchs. (4) Eingliederung der abfindungspfl ichtigen AG Eine den §§ 23, 204 UmwG entsprechende Vorschrift kennt das Eingliederungsrecht (§§ 319 ff. AktG) nicht. Gleichwohl ist in diesen Fällen anerkannt: Inhaber von Aktienoptionen und Wandelanleihen, die von der eingegliederten Gesellschaft begeben, aber im Zeitpunkt der Eingliederung noch nicht ausgeübt wurden, verlieren ihr Bezugs- bzw. Umtauschrecht und haben einen Anspruch auf Einräumung entsprechender Rechte gegen die Hauptgesellschaft analog §§ 320b I S. 1 AktG, 23 (204) UmwG586 . Dies wird hauptsächlich nicht mit der Schutzbedürftigkeit der Rechtsinhaber begründet, sondern im Hinblick auf § 327 I Nr. 3 AktG

583 So Gutheil, Die Auswirkungen von Umwandlungen auf Unternehmensverträge nach §§ 291, 292 AktG und die Rechte außenstehender Aktionäre, 2001, S. 126 f., demzufolge sich der Abfindungsanspruch beim Formwechsel in eine Barabfindung analog § 305 II Nr. 3 AktG wandeln soll. Dies erklärt Gutheil damit, dass die Abfindungsregelung infolge des Formwechsels gegenstandslos und daher unwirksam werde (a.a.O., S. 127, vgl. auch a.a.O., S. 175 zur formwechselnden Verschmelzung). 584 Dazu o. S. 226 ff. 585 Dazu o. S. 226 ff. 586 BGH NJW 1998, 2146, 2146 f. (Siemens/Nixdorf, Gesetzesanalogie zu § 320b AktG); OLG München WM 1993, 1285, 1288 r.Sp.; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 320b Rn. 8; Grunewald in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 320b Rn. 13; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 320b Rn. 4; im Ergebnis ebenso Martens AG 1992, 209, 211 ff.

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

maßgeblich aus dem Gedanken hergeleitet, dass Optionsinhaber keinen höheren Bestandsschutz genießen könnten als Aktionäre587. Gleiches muss auch für Inhaber von Abfindungsrechten auf Aktien gelten: Erstens handelt es sich bei diesem Abfindungsanspruch um nichts anderes als einen kraft Gesetzes entstehenden Optionsanspruch auf Aktien 588 , zweitens wird man auch den Abfindungsberechtigten keinen höheren Bestandsschutz gewähren können als den außenstehenden Aktionären der eingegliederten AG, denn deren Recht (Mitgliedschaft) ist noch stärker in der AG verwurzelt als der Abfindungsanspruch. Die Notwendigkeit, den abfindungsberechtigten Aktionären im Falle der Eingliederung ihres Abfindungsschuldners eine neue Abfindung anzubieten, ergibt sich damit bereits aus dem Haftungsgrund des § 320b AktG 589. Rechtsgrundlage der Entschädigungspflicht ist daher § 320b AktG analog mit der Maßgabe, dass es nicht um die Entschädigung der Mitgliedschaft in der abhängigen AG geht, sondern des Abfindungsanspruchs gegen die eingegliederte, ehemals herrschende AG. Zur Berechnung der Umtauschrelation gelten die Ausführungen zur Verschmelzung entsprechend (§ 320b I 4 AktG) 590 . Ist die (neue) Hauptgesellschaft eine abhängige AG, muss das Abfindungsrecht gem. § 320b I 3 AktG wahlweise in bar oder in Aktien der Hauptgesellschaft entschädigt werden 591. (5) Squeeze-out in der abfindungspfl ichtigen AG Fraglich ist die Rechtslage außerdem, wenn in der eigene Aktien als Abfindung schuldenden AG ein Squeeze-out durchgeführt wird. Entsprechend den Ausführungen zur Eingliederung hängt die Beantwortung der Frage maßgeblich davon ab, ob auch die Abfindungsgläubiger vom Squeeze-out erfasst sind, die von der AG in eigenen Aktien abgefunden werden müssen. Ebenso wie bei der Eingliederung wird hier die Frage für die Inhaber von Options- und Wandelanleihen auf Aktien diskutiert. Überwiegende und zutreffende Meinung ist dabei, dass der Squeezeout diese Gläubiger erfasst592 , wobei umstritten ist, ob diese Rechte bei der Ermitt587 Etwa OLG München WM 1993, 1285, 1288 r.Sp.; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 320b Rn. 8; Martens AG 1992, 209, 211 ff. 588 S. schon o. S. 385. 589 Dazu schon o. S. 207. 590 S. o. S. 383 ff. 591 Nur so wird das dem § 320b II 3 AktG zugrunde liegende Prinzip des Bestandsschutzes im weiteren Sinne (kein Hinausdrängen aus der aktienrechtlichen Beteiligung) gewahrt, dazu o. S. 53 ff. 592 LG Düsseldorf ZIP 2004, 1755, 1757 (Kamps) (für Wandelanleihen); Austmann in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 74 Rn. 105; Engelhardt, BKR 2008, 45, 46 f.; Fleischer, ZGR 2002, 757, 776 f.; Gesmann-Nuissl, WM 2002, 1205, 1207; Grunewald, ZIP 2002, 18; Grzimek in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2002, § 327e AktG Rn. 32; Hasselbach in Kölner Kommentar zum WpÜG, 2003, § 327e AktG Rn. 22; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 327b Rn. 3; Krieger, BB 2002, 53, 61; Wilsing/Kruse, ZIP 2002, 1465, 1468 f.; Schlitt/Seiler/Singhof, AG 2003, 254, 268; Singhof in Spindler/Stilz, AktG, 2007, § 327b Rn. 8; a. A. P. A. Baums, Ausschluss von Minderheitsaktionären, 2001, S. 158; P. A. Baums, WM 2001, 1843, 1847 f.; Friedl, Konzern 2004, 309, 313 ff.; Schüppen, WPg 2001, 958, 975 f.; ebenso die Stellungnahme des DAV, NZG 2001, 420, 431; wohl auch Kiem in Henze/Hoffmann-Becking, Gesellschaftsrecht 2001, 2001, S. 329, 349 f .

D) Sonstige allgemeine Auslegungsprobleme

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lung der 95%-Grenze mitzuzählen sind593 . Aus den oben genannten Gründen muss die Frage auch hinsichtlich der Abfindungsberechtigten bejaht werden. Abfindungsberechtigten kann kein höherer Bestandsschutz zukommen als Aktionären. Aktionäre können daher gem. § 327a AktG bzw. § 39a WpÜG analog eine Barentschädigung für ihren untergegangenen Abfindungsanspruch verlangen 594 . Eine hiervon zu trennende Frage betrifft das Schicksal des Anspruchs auf Barabfindung gegen die AG, in welcher der Squeeze-out durchgeführt wurde. Hier ist davon auszugehen, dass allein der Zwagsausschluss den bereits entstandenen Barabfindungsanspruch unberührt lässt595 . Auch nach der hier vertretenen Ansicht ist der Abfindungsanspruch kein Bestandteil der Mitgliedschaft 596 . Da die Geltendmachung des Anspruchs auf Barabfindung nicht den Erfolg des Squeeze-out beeinträchtigt, bleibt er von dieser Strukturmaßnahme unberührt597. (6) Aufbau eines mehrstufigen Vertragskonzerns Auch unter den §§ 291 ff. AktG findet sich keine den §§ 23, 204 UmwG entsprechende Vorschrift. Schließt die herrschende und abfindungspflichtige AG ihrerseits einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit einem dritten Unternehmen (Bildung eines mehrstufigen Vertragskonzerns »von unten nach oben«598 ; »aufsteigende Begründung« eines mehrstufigen Vertragskonzerns599 ), wird die Konzernobergesellschaft oftmals zur Abgabe eines neuen Abfindungsangebots verpflichtet angesehen600 . 593 Bejahend LG Düsseldorf ZIP 2004, 1755, 1757 (Kamps). S. im Übrigen etwa Fleischer, ZGR 2002, 757, 776 f.; Grunewald, ZIP 2002, 18; Hasselbach in Kölner Kommentar zum WpÜG, 2003, § 327e AktG Rn. 23; Krieger, BB 2002, 53, 61; Schlitt/Seiler/Singhof, AG 2003, 254, 267; Wilsing/Kruse, ZIP 2002, 1465, 1469 f. je m. w. N. 594 Zum Schicksal des Anspruchs auf Abfindung in fremden Aktien s. u. S. 393. 595 OLG Düsseldorf ZIP 2006, 2379, 2382 f. (Siemens/DUEWAG); Aubel/Weber, WM 2004, 857, 863 f.; Bredow/Tribulowsky, NZG 2002, 841, 844 f.; Fleischer in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2007, § 327e Rn. 54; Schiffer/Rossmeier, DB 2002, 1349, 1349 f.; Schnorbus in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 327b Rn. 6; Singhof in Spindler/Stilz, AktG, 2007, § 327e Rn. 10; a. A. OLG Hamburg ZIP 2003, 2076, 2079 (Metropol/Volksfürsorge). 596 S. o. S. 151. 597 Eine wieder andere Frage lautet, ob der ausgeschlossene Aktionär einen bereits anhängigen Anfechtungsprozess gegen die Gesellschaft fortführen kann; dies gem. § 265 II ZPO analog bejahend BGHZ 169, 221 (Massa); hierzu etwa Bungert, BB 2007, 57; Goette, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2006, 2007, S. 1, 16 ff.; Lehmann, NZG 2007, 295; Waclawik, ZIP 2007, 1. 598 Etwa Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 8. Aufl. 2005, § 21 V vor 1 = S. 301. 599 Pentz, NZG 2000, 1103, 1107. 600 W. F. Bayer, FS Ballerstedt, 1975, 157, 178 f.; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbHKonzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 305 Rn. 81; Rehbinder, ZGR 1977, 581, 606; Röhricht, ZHR 162 (1998), 249, 251 f. Oft findet sich die Meinung, dass der Unternehmensvertrag zwischen Tochter und Enkelgesellschaft kraft Gesetzes enden solle oder der Vorstand der Enkel-AG verpfl ichtet sei, den Vertrag aus wichtigem Grund zu kündigen; dazu mit Unterschieden im einzelnen Hüchting, Abfindung und Ausgleich im aktienrechtlichen Beherrschungsvertrag, 1972, S. 132 ff.; Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1976, § 304 Rn. 96; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 304 Rn. 38. Für ein Zustimmungsrecht der außenstehenden Aktionäre der Enkelgesellschaft zum Vertragsschluss zwischen Mutter und Tochter

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

Dem ist mit der Maßgabe zuzustimmen, dass es sich bei diesem »Abfindungsangebot« dogmatisch um eine Entschädigung des bereits gehaltenen und nun entwerteten Abfindungsanspruchs handelt (»Schutz als Abfindungsgläubiger«). Dafür spricht zum einen die weitgehende Austauschbarkeit von Verschmelzung, Eingliederung und Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag als Mittel wirtschaftlicher Fusion601, in denen dieselben Rechtsfolgen gelten602 . Zum anderen fordert die grundsätzlich gebotene Gleichstellung von Abfindungsberechtigten »an« der AG mit deren außenstehenden Aktionären einen Entschädigungsanspruch603 : Es darf keinen Unterschied machen, ob der Abfindungsberechtigte das Angebot im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag in der abfindungspflichtigen AG (zufälligerweise) schon angenommen hat oder nicht. Schließlich ist die ratio der §§ 23, 204 UmwG zu berücksichtigen. Diese Vorschriften enthalten – wie schon die Gesetzesbegründung betont 604 – einen »allgemeinen Rechtsgedanken« und gewähren den von ihnen geschützten Rechtsinhabern einen »vollen Ausgleich«. Aus alledem folgt: Schließt die abfindungspflichtige herrschende AG bzw. Hauptgesellschaft ihrerseits einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit einem dritten Unternehmen, muss dieses Unternehmen die Abfindungsberechtigten »an« der nunmehr beherrschten AG gem. § 23 UmwG analog entschädigen. Auch hierbei handelt es sich nicht um ein »neues Abfindungsangebot« für die außenstehenden Aktionäre der abhängigen AG, sondern um eine Entschädigung für die entwertete Abfindung in Aktien der (ehemals) herrschenden AG. Ob die Konzernobergesellschaft eigene Aktien oder Barentschädigung gewähren muss, entscheidet sich nach den Wertungen des § 305 II AktG, der insoweit die Rechtsfolge des § 23 UmwG (»gleichwertige Rechte«) konkretisiert. Zur Berechnung einer hiernach zu gewährenden Entschädigung in Aktien sowie zur prozessualen Durchsetzung sei auf die Ausführungen zur Verschmelzung verwiesen605 . (7) (Einfach) faktische Abhängigkeit der abfindungspfl ichtigen AG Schwierig zu beantworten ist die Frage, ob ein Anspruch auf Abfindung in Aktien zu entschädigen ist, wenn die gem. §§ 305 II Nr. 1, 320b I 2 AktG verpflichtete AG abhängig wird, ohne einen Beherrschungsvertrag zu schließen (»faktisch«) 606 . Dagegen spricht, dass auch die außenstehenden Aktionäre der herrschenden AG grundsätzlich nicht aus der Gesellschaft aussteigen dürfen, wenn diese »einfach faktisch« abhängig wird (Prinzip der Abfindungsfreiheit des einfach faktischen Pentz, Die Rechtsstellung der Enkel-AG in einer mehrstufigen Unternehmensverbindung, 1994, S. 107; Pentz, NZG 2000, 1103, 1108. 601 Dazu schon o. S. 236 m. w. N. in Fn. 692. 602 S. o. S. 383 ff., 388 f. 603 Zu diesem Gleichstellungsargument schon o. S. 383 ff. 604 Begr. RegE UmwBerG bei Ganske, Umwandlungsrecht, 2. Aufl. 1995, S. 77. 605 S. o. S. 383 ff. 606 Dafür wohl Priester, ZIP 1992, 293, 302. Dagegen Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 510.

D) Sonstige allgemeine Auslegungsprobleme

391

Konzerns) 607. Dafür spricht allerdings die Wertung der §§ 305 II Nr. 1 u. 2, 320b I 3 AktG, 9 I 1, 2. Fall SEAG, dass kein Abfindungsberechtigter gezwungen werden soll, Aktionär einer abhängigen AG zu werden. Hier wiederholt sich der schon o. konstatierte Widerspruch608 : Zwar soll den Abfindungsberechtigten nicht zugemutet werden, Aktionäre einer abhängigen AG zu werden. Die Aktionäre selbst haben aber grundsätzlich keine exit-Möglichkeit, wenn ihre Gesellschaft gem. §§ 311 ff. AktG abhängig wird. Einen Vorrang kann man im vorliegenden Zusammenhang keinem dieser Prinzipien einräumen609. Für eine Rechtsfortbildung zugunsten einer Entschädigung des Abfindungsanspruchs (etwa gem. §§ 305 II Nr. 2 u. 3, 320b I 3 AktG) lassen sich daher keine überwiegenden Argumente anführen610 . Auch die §§ 31, 35 WpÜG gelten nur zugunsten von Aktionären, nicht aber zugunsten der Inhaber anderer Wertpapiere i. S. d. § 2 II Nr. 2 WpÜG, die den Erwerb von Aktien zum Gegenstand haben (etwa Wandelschuldverschreibungen oder auf den Erwerb von Aktien gerichtete Optionsscheine) 611. (8) Vertragsübernahme und Beitritt zum Beherrschungsund Gewinnabführungsvertrag Auf der Basis der bisherigen Überlegungen kann der Fall gelöst werden, in dem der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag während der Abfindungsfrist von einem dritten Unternehmen übernommen wird oder ein solches Unternehmen dem Vertrag als allein Weisungs- oder Gewinnberechtigter beitritt 612 . Vielfach wird das übernehmende oder beitretende Unternehmen zur Abgabe eines neuen Abfindungsangebots verpflichtet angesehen, dessen Höhe sich nach dem Stichtag der Zustimmung zum Beitritt bemessen soll613 . Dem ist jedoch in 607 S. o. S. 228 ff. Hierauf abstellend Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 510. 608 S. o. S. 242 ff. 609 So aber inzident Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 510. 610 A. A. offenbar Priester, ZIP 1992, 293, 302. 611 S. nur Ekkenga in Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, 2003, § 32 Rn. 10; H. Krause/ Pötzsch in Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, 2005, § 35 Rn. 223; Noack in Schwark, KMRK, 3. Aufl. 2004, § 35 WpÜG Rn. 38; Vogel in Haarmann/Schüppen, WpÜG, 3. Aufl. 2007, § 32 Rn. 13; a. A. de lege ferenda Houben, WM 2000, 1873, 1879, 1881; Ekkenga/Hofschroer, DStR 2002, 768, 771. 612 Zum Schutze derjenigen Aktionäre, die sich bereits verbindlich für Ausgleich entschieden haben (Wiederaufleben des Optionsrechts) s. o. S. 381 f. 613 OLG Karlsruhe ZIP 1997, 507, 508 (ASEA/BBC II); Exner, Beherrschungsvertrag und Vertragsfreiheit, 1984, S. 300; Geng, NZG 1998, 715, 717; Hommelhoff, FS Claussen, 1997, 129, 138. Im Ergebnis auch Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 509 f. (für alle Fälle, in denen nach seiner Ansicht ein Sonderbeschluss nach § 295 II AktG erforderlich ist, dazu a.a.O., S. 507 ff.). Stark sympathisierend Heidenhain, LM § 304 AktG 1965 Nr. 3, Bl. 731; Timm, EWiR 1990, 323, 324. Erwägend Kort, EWiR 1995, 1049, 1050 (dagegen dann Kort, ZGR 1999, 402, 421 Fn. 73). Grundsätzlich bejahend, aber mit Ausnahme für konzerninterne Veränderungen Priester, ZIP 1992, 293, 301, 302 (in Anknüpfung an Säcker, DB 1988, 271, 275 f.); Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 70 Rn. 186 u. 188 (der aber den ursprünglichen Bewertungsstichtag für maßgeblich hält); Krieger/Janott, DStR 1995,

392

§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

Übereinstimmung mit dem BGH nicht zu folgen614 . Zum einen fehlt es für ein solches neues Abfindungsangebot schon an dem relevanten Eingriff in die Mitgliedschaft der in der AG verbliebenen Aktionäre615 . Nach dem Erstabschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags ist die Mitgliedschaft aufgeopfert. Dass ein anderes Unternehmen als das ursprünglich herrschende nunmehr die Leitungsmacht ausübt, führt zu keiner Vertiefung dieses Eingriffs. Darüber hinaus müsste eine neue Abfindungspflicht zum Stichtag des Beitritts auf die Verschmelzwertrelation zu ebendiesem Zeitpunkt abstellen, obwohl das (ursprünglich) herrschende Unternehmen bereits stille Reserven von der AG entschädigungslos abgezogen haben mag und der Börsenwert der abhängigen AG beträchtlich gesunken sein kann616 . Aus diesen Gründen kann auch aus dem Verweis des § 305 V 1 AktG auf § 295 II AktG kein anderes Ergebnis hergeleitet werden617. Ein Schutz des Abfindungsberechtigten »als Aktionär« aufgrund einer Beeinträchtigung seiner Mitgliedschaft scheidet demnach aus. Kommt somit nur noch ein Schutz »als Abfindungsberechtigter« aufgrund einer Entwertung des Abfindungsanspruchs in Betracht, so ist auch hier zunächst zu konstatieren, dass die §§ 291 ff. AktG keine speziellen Schutznormen für Abfindungs- oder Sonderrechtsinhaber (i. S. d. §§ 23, 204 UmwG) enthalten. Zwar liegt der Abfindung in Aktien gem. § 305 II Nr. 1 AktG der Gedanke zugrunde, den abfindungsberechtigten Aktionär mittelbar an den Vermögenswerten der abhängigen AG zu beteiligen, so dass Abfindung in Aktien grundsätzlich nur derjenige schulden soll, der vom Beherrschungsvertrag profitiert 618 . Andererseits muss man bedenken, dass auch die Aktionäre des herrschenden Unternehmens keine exitMöglichkeit (in der Regel nicht einmal ein voice) erhalten, wenn das herrschende Unternehmen die Leitungsmacht über die AG aus der Hand gibt. Warum den Abfindungsgläubigern ein weiter gehendes Recht zustehen soll als den Gesellschaftern, ist aber nicht einsichtig. Schließlich wird man auch den Inhabern sonstiger Aktienoptionen keine Entschädigung allein deshalb zusprechen, weil sich die Emittentin von bestimmten Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen gelöst hat. Nach alledem stehen den Abfindungsberechtigten sowohl bei der Ver1473, 1479. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob das alte Wahlrecht wieder auflebt [dazu o. S. 381 f. 614 BGHZ 138, 136, 141 (ASEA/BBC II), der stattdessen nur ein Wiederaufleben des ursprünglichen Wahlrechts zwischen Abfindung und Ausgleich erwägt (a.a.O., S. 141 f.); gegen ein neues Abfindungsangebot auch von Gerkan, WuB II A. § 304 AktG 1.98, 695; Gutheil, Die Auswirkungen von Umwandlungen auf Unternehmensverträge nach §§ 291, 292 AktG und die Rechte außenstehender Aktionäre, 2001, S. 174; Kort, ZGR 1999, 402, 420 f.; Pentz, FS Kropff, 1997, 225, 234 ff.; Pentz, NZG 1998, 380 ff.; offen noch BGHZ 119, 1, 9 (ASEA/BBC I). 615 BGHZ 138, 136, 141 (ASEA/BBC II), in dessen Fall Barabfindung und fester Ausgleich angeboten wurde; Gutheil, Die Auswirkungen von Umwandlungen auf Unternehmensverträge nach §§ 291, 292 AktG und die Rechte außenstehender Aktionäre, 2001, S. 173. 616 S. zur Verschmelzung schon o. S. 383 ff. 617 So aber Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 509. 618 Vgl. auch das Prinzip der Begünstigtenhaftung o. S. 185.

D) Sonstige allgemeine Auslegungsprobleme

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tragsübernahme als auch beim Beitritt zum Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag keine neuen Abfindungs- bzw. Entschädigungsansprüche zu. bb) Pfl icht zur Abfindung in fremden Aktien Ist das herrschende Unternehmen eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags gem. § 305 II Nr. 2 AktG zur Abfindung in Aktien der Konzernobergesellschaft (»Zielgesellschaft«) verpflichtet619, so werfen Strukturveränderungen der Abfindungsschuldnerin keine spezifischen Probleme auf. Die Abfindungsberechtigten genießen denselben Schutz, der sonstigen Gläubigern zuteil kommt, bei der Verschmelzung etwa gem. §§ 22, 25 UmwG, bei der Eingliederung nach §§ 321 f. AktG, beim Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag nach §§ 302 f. AktG. Fraglich ist jedoch der Schutz der Abfindungsberechtigten bei Strukturveränderungen der Gesellschaft, in deren Aktien abgefunden werden soll. Die soeben entwickelten Gedanken können auf diese Fallkonstellationen nicht ohne Weiteres übertragen werden. Während dieses Konzept in den umwandlungsrechtlichen Fällen und beim Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags auf den Rechtsgedanken der §§ 23, 204 UmwG aufbaute, kommt man damit hier nicht weiter, denn der Abfindungsanspruch richtet sich in dieser Fallgruppe gerade nicht gegen den verschmolzenen (bzw. durch Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag gebundenen) Rechtsträger. Weder das UmwG noch die §§ 291 ff. AktG enthalten spezielle Regeln für den Schutz von Gläubigern eines Anspruchs, der sich lediglich inhaltlich auf die AG bezieht, die an der Strukturwandelung beteiligt ist. Auch die oben entwickelten Gedanken zu Squeeze-out und zur Mehrheitseingliederung lassen sich nicht auf die hier diskutierte Fallgruppe übertragen, denn für einen »Ausschluss der Abfindungsberechtigten« besteht in dieser Konstellation kein Bedürfnis. Nachdem Mehrheitseingliederung oder Squeeze-out in der Obergesellschaft durchgeführt worden sind, ist es auch dem Abfindungsschuldner nicht mehr möglich, Aktien dieser Gesellschaft zu beschaffen, denn diese sind unverkäuflich geworden. In diesen Fällen muss man daher auf das allgemeine Leistungsstörungsrecht zurückgreifen. Während die h.M. aufgrund ihrer Vertragskonstruktion620 hier insbesondere mit ergänzender Vertragsauslegung und Wegfall der Geschäftsgrundlage arbeiten kann, muss das hier vertretene Konzept eines gesetzlichen Anspruchs mit den §§ 280 ff. BGB auskommen. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass dem herrschenden Unternehmen auch nach der hier vertretenen Ansicht das Wahlrecht aus § 305 II Nr. 2 AktG zusteht 621. Es kann daher die Risiken eines Strukturwechsels der Zielgesellschaft schaffen oder ausschließen. Es sollte daher auch das Risiko eines Strukturwechsels in der Zielgesellschaft tragen. Obwohl man also dem herrschenden Unternehmen 619 620 621

Zum Wahlrecht s. noch u. S. 399 f. S. o. S. 118 ff. S. u. S. 399 f.

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

kein Verschulden an dem jeweiligen Strukturwandel vorwerfen kann, hat es dieses Risiko gleichwohl gem. § 276 I 1 BGB aE zu vertreten, soweit die Erfüllung des Abfindungsanspruchs infolge von Strukturveränderungen der Zielgesellschaft (z. B. Verschmelzung, Auflösung) unmöglich geworden ist oder nach Maßgabe des § 305 II AktG keine volle Entschädigung darstellt (Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags, Eingliederung etc.). Dies entspricht im Ergebnis einer »Anpassung« der Abfindung in Aktien in eine Barabfindung. 4) Zusammenfassung Ausgangsfrage dieses Abschnitts war, inwieweit abfindungsberechtigten Aktionären Kontinuitätsschutz zu gewähren ist 622 . Nach Abschichtung zweier Fallgruppen wurde das zentrale Problem herausgearbeitet: der Fortsetzungsschutz des auf Aktien gerichteten Abfindungsanspruchs bei Strukturveränderungen des jeweiligen »Zielobjekts«. Die Analyse einzelner Fallgruppen zeigte: Grundsätzlich ist den Abfindungsberechtigten »an« einer AG derselbe Schutz zu gewähren wie ihren Aktionären. Der Schutz erfolgt nicht »als Aktionär nach Abfindungsrecht«, sondern »als Abfindungsberechtigter nach dem Recht der Strukturveränderung«. Soweit Entschädigungsansprüche bejaht wurden, ist dies daher keine »erneute Abfindung« oder »Anpassung der Abfindung«, sondern Entschädigung für den entwerteten Abfindungsanspruch. Der zentrale Rechtsgedanke dieses Schutzes ist in den §§ 23, 204 UmwG enthalten, die schon nach ihrer Gesetzesbegründung einen »allgemeinen Rechtsgedanken« konkretisieren. Ebenso wie die §§ 305, 320b, 327a AktG, 39a WpÜG, 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG »vollen Ausgleich« für die Mitgliedschaft fordern, ergibt sich aus den §§ 23, 204 UmwG ein voller Ausgleich für Abfindungsansprüche auf Aktien. Dies bedeutet im einzelnen: Schuldet die abfindungspflichtige AG gem. §§ 305 I Nr. 1, 320b I 2 u. 3 AktG Abfindung in eigenen Aktien und wird diese AG auf einen dritten Rechtsträger verschmolzen, so schuldet dieser Rechtsträger (§ 20 I Nr. 1 AktG) bei der formwahrenden Verschmelzung analog § 23 UmwG eigene Aktien623 , bei der formwechselnden Verschmelzung Barentschädigung, weil die Anteile des übernehmenden Rechtsträgers in diesem Fall nach den Wertungen der §§ 29, 207 UmwG keine gleichwertigen Rechte i. S. d. § 23 UmwG darstellen. Gleiches gilt entsprechend bei Spaltung (§ 125 S. 1 UmwG) und Formwechsel (hier analog § 204 UmwG). Auch beim Aufbau eines Vertragskonzerns »von unten nach oben« kommt § 23 UmwG analog zur Anwendung. Ob die Muttergesellschaft den Abfindungsberechtigten »an« der ehemals herrschenden AG eigene Aktien oder Barentschädigung zu gewähren hat, entscheidet sich nach den Wertungen des § 305 AktG. Wird die abfindungspflichtige AG eingegliedert oder wird in ihr ein 622 623

Zur näheren Definition dieses Begriffs o. S. 379 f. Zur Bemessung des Umtauschverhältnisses o. S. 385 f.

D) Sonstige allgemeine Auslegungsprobleme

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Squeeze-out durchgeführt, erlöschen auch die auf Aktien gerichteten Abfindungsrechte »an« dieser Gesellschaft. Schon aus dem allgemeinen Haftungsgrund der §§ 320b, 327a AktG, 39a WpÜG ergibt sich daher die Entschädigungspflicht der neuen Obergesellschaft bzw. des Mehrheitsaktionärs. Keine Besonderheiten ergeben sich hingegen, falls die abfindungspflichtige AG »einfach-faktisch« abhängig wird, einen Teil ihres Vermögens ausgliedert oder ihre Position als herrschendes Unternehmen eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags aufgibt. Schuldet die AG gem. § 305 II Nr. 2 AktG Abfindung in fremden Aktien, lassen sich diese Gedanken nicht übertragen. Weder das UmwG noch die §§ 291 ff. AktG enthalten spezielle Regeln für den Schutz von Gläubigern eines Anspruchs, der sich lediglich inhaltlich auf die an der Strukturwandelung beteiligte AG bezieht. Ein spezieller Schutz »als Abfindungsberechtigter« lässt sich daher nicht entwickeln. Zurückzugreifen ist auf das allgemeine Leistungsstörungsrecht, wobei der andere Vertragspartner aufgrund seiner Wahlmöglichkeit nach § 305 II Nr. 2 AktG die Strukturwandelung in der AG, deren Aktien er besorgen muss, gem. § 276 I 1 BGB aE stets zu vertreten hat. Dies entspricht im Ergebnis einer »Anpassung« der Abfindung in Aktien in eine Barabfindung.

E) Auslegungsprobleme des Vertragskonzernrechts Zum Schluss sollen noch einige Probleme aus dem Vertragskonzernrecht nach dem hier entwickelten System gelöst werden – dem praktisch wichtigsten und dogmatisch interessantesten Bereich des Abfindungsrechts.

I) Sonderbeschlusserfordernis der §§ 295 II, 296 II, 297 II AktG Konsequenzen aus dem hier entwickelten System ergeben sich zunächst für die Interpretation des Sonderbeschlusserfordernisses der §§ 295 II, 296 II, 297 II AktG. Bereits oben wurde darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber und mit ihm die h.M. die §§ 295 II, 296 II, 297 II AktG als Reaktion auf die Gefahr verstehen, dass die Abfindungs- und Ausgleichsansprüche durch die Vertragsänderung oder -beendigung beeinträchtigt werden könnten624 . Folgt man dem hier vertretenen Ansatz, der die Abfindungsansprüche als gesetzliche Ansprüche konzipiert, so können die Abfindungsansprüche weder durch die Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags beeinträchtigt werden noch durch seine Änderung. Liegt der Rechtsgrund der Abfindungsansprüche nicht im Unternehmensvertrag, so beeinflusst die Vertragsänderung oder -beendigung auch nicht das rechtliche Schicksal dieser Ansprüche. Dies haben BVerfG und BGH bereits für die Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags während eines laufenden Spruchverfahrens im Ergebnis 624

S. o. S. 130.

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

anerkannt625 . Für die Änderung des Beherrschungsvertrags und die Beendigung ohne schwebendes Spruchverfahren kann nach der gesetzlichen Konstruktion nichts anderes gelten. Folgt man dieser Prämisse, sind Sonderbeschlüsse nach den §§ 295 II, 296 II, 297 II AktG nur dann erforderlich, wenn vertraglich gewährte Abfindungsansprüche oder der Ausgleich nach § 304 AktG betroffen sind. Beim Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag kann ein etwa vorgesehener vertraglicher Abfi ndungsanspruch allerdings vernachlässigt werden, denn eine Vermutung spricht dafür, dass der gesetzliche Anspruch zumindest die vertraglich eingeschätzte Höhe hat und eine Minderung dieses Anspruchs im Spruchverfahren wegen des Verbotes der reformatio in peius ausscheidet 626 . Entsprechend ist der Kreis der außenstehenden Aktionäre iSd §§ 295 II, 296 II, 297 II AktG zu definieren. Abstimmungsberechtigt können grundsätzlich nur diejenigen Aktionäre sein, die außerhalb des § 305 AktG (d. h. bei einem anderen Unternehmensvertrag i. S. d. § 292 AktG) vertragliche Abfindungsansprüche haben oder gegen Ausgleich nach § 304 AktG in der AG verblieben sind627. Frühere Aktionäre, die bereits gegen Abfindung aus der Gesellschaft ausgeschiedenen sind, können demnach nicht stimmberechtigt sein; ihr gesetzlicher Abfindungs(»ergänzungs«)anspruch kann von den Vertragsparteien nicht durch vertragliche Vereinbarung beeinträchtigt werden628 . Durch diese Interpretation würden die §§ 295 II, 296 II, 297 II AktG an praktischer Bedeutung verlieren. Dies wäre jedoch nicht nur unbedenklich, sondern aus den folgenden Gründen zu begrüßen. Die §§ 295 II, 296 II, 297 II AktG unterliegen nämlich erheblichen systematischen Bedenken und haben keine hohe rechtspolitische Überzeugungskraft. Sie können ohne Weiteres umgangen werden. 629 Schon der klassische Fall, in dem das herrschende Unternehmen den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag kündigt, ist von den §§ 295 II, 296 II, 297 II AktG selbst dann nicht erfasst, wenn danach ein nur abgeänderter Vertrag neu abgeschlossen wird630 ; dies ent625

Dazu o. m. w. N. S. 115 ff. Dazu o. S. 148 f. 627 Zur weiteren Einschränkung dieses »äußeren Kreises« der außenstehenden Aktionäre etwa Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 295 Rn. 45 ff.; Emmerich/Habersack, Aktienund GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 295 Rn. 30. 628 Anders Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 295 Rn. 54; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 295 Rn. 29; im Ergebnis wie hier Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 295 Rn. 13; Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 70 Rn. 181. 629 Kritisch daher auch Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 295 Rn. 32. Aus diesem Grund gegen eine extensive Auslegung des § 295 II AktG Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 508. 630 BGHZ 122, 211, 233 f. (SSI I); BGH NJW 1979, 2103 (Stahlwerke Salzgitter-Peine); OLG Celle AG 1978, 318 (Stahlwerke Salzgitter-Peine); LG Hildesheim AG 1978, 27, 28 (Stahlwerke Salzgitter-Peine); Ebenroth/Parche, BB 1989, 637, 641; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 295 Rn. 8; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 295 Rn. 3, 7; Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 70 Rn. 177; Timm, FS Kellermann, 1991, 626

E) Auslegungsprobleme des Vertragskonzernrechts

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spricht auch dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers631. In systematischer Hinsicht kann darüber hinaus nicht überzeugen, warum für die Änderung des Beherrschungsvertrags ein völlig anderes Konzept gelten solle als für dessen Begründung. Auch der Begründung des Vertragskonzerns können die außenstehenden Aktionäre weder durch Sonderbeschluss widersprechen noch können ihre Abfindungsansprüche durch Beschluss einer ¾-Mehrheit der übrigen außenstehenden Aktionäre beeinträchtigt werden. Ferner ist der Begriff der außenstehenden Aktionäre zu unbestimmt, um an ihn solche weitgehenden Rechtsfolgen zu knüpfen, wie sie § 295 II AktG offenbar vorsieht. So soll nach h.M. nicht zu den außenstehenden Aktionären gehören, wer zwar Inhaber eines Abfindungs- oder Ausgleichsanspruchs, aber vom herrschenden Unternehmen abhängig ist; 632 hingegen soll eine bloße Unternehmensverbindung i. S. d. § 15 AktG ohne Abhängigkeitstatbestand oder zumindest Abhängigkeitsvermutung nicht ausreichen633 . Außenstehender Aktionär i. S. d. §§ 295 II, 296 II, 297 II AktG soll zwar nicht sein, wer die Aktien vom anderen Vertragsteil erworben hat, ohne von diesem abhängig oder ihm »sonst zurechenbar« zu sein634 ; dagegen soll es ausreichen, wenn die Aktien zwar auf einen nicht abhängigen, aber »sonstwie eingebundenen Dritten« übertragen werden635 . Darüber hinaus basieren die §§ 295 II, 296 II, 297 II auf der Annahme, die außenstehenden Aktionäre hätten dieselben Interessen und würden daher nicht zum Nachteil der Gruppe handeln636 . Dies ändert sich jedoch, sobald das herrschende Unternehmen in Verhandlung mit einzelnen Aktionären tritt und ihnen einen Preis für ihre Zustimmung anbietet. Hier entsteht ein mit der Situation bei Unternehmensübernahmen vergleichbares »Gefangenendilemma«637. Aus diesem Grund kann es auch nicht überzeugen, wenn die §§ 295 II, 296 II, 297 II AktG damit ge461, 462 f.; differenzierend Kley, Die Rechtsstellung der außenstehenden Aktionäre bei der vorzeitigen Beendigung von Unternehmensverträgen, 1986, S. 93. 631 Begr. RegE AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 386. 632 OLG Nürnberg AG 1996, 228, 229 (Tucherbräu); LG Essen AG 1995, 189, 190 (RAG Immobilien AG); Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 295 Rn. 4, 5 f.; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 295 Rn. 30; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 295 Rn. 47 f.; Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 70 Rn. 177; Pentz, AG 1996, 97, 109; Priester, ZIP 1992, 293, 296; wohl auch BGH ZIP 1997, 786 (Tucherbräu). 633 Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 295 Rn. 48; Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004, § 295 Rn. 50. 634 OLG Nürnberg AG 1996, 228, 229 (Tucherbräu); Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 295 Rn. 12 a. E. 635 So Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 295 Rn. 12 mit LG Essen AG 1995, 189, 190 f. (RAG Immobilien AG); dagegen Krieger in Münchener Handbuch AG, 3. Aufl. 2007, § 70 Rn. 181 bei Fn. 533. 636 Daher möchte die h.M. insbesondere Abfindungs- und Ausgleichsberechtigte aus dem Kreis der außenstehenden Aktionäre i. S. d. § 295 II AktG heraushalten, die vom herrschenden Unternehmen abhängig sind, dazu o. Fn. 634. 637 Instruktiv dazu Holler/Illing, Einführung in die Spieltheorie, 6. Aufl. 2006, S. 2 ff.; Nalebuff in The New Palgrave Dictionary of Economics and the Law, Bd. 3, 1998, S. 89 ff.

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§ 7 Schlussfolgerungen aus dem System

rechtfertigt werden, dass sie den Aktionären eine Möglichkeit geben, über eine vermögensmäßige Absicherung zu verhandeln638 . Zum einen ist diese einheitliche Verhandlungsposition schon aufgrund der »rationalen Apathie« außenstehender Aktionäre illusorisch, zum anderen wird eine vergleichbare Situation im Übernahmerecht gerade nicht auf dem Wege des voice, sondern durch ein exit (§ 35 WpÜG) gelöst.

II) Schuldnerwechsel bei der Vertragsübernahme? Folgt man dem hier vertretenen Ansatz, wonach der Abfindungsanspruch gesetzlicher Natur ist, dann kann insbesondere die (rechtsgeschäftliche) Vertragsübernahme entgegen der wohl allgemeinen Ansicht 639 nicht zum Wechsel des Abfindungsschuldners führen. Auch dies ergibt sich konsequent aus der Rechtsnatur des Abfindungsanspruchs. Rechtsgrund der Abfindung ist nicht der Beherrschungsund Gewinnabführungsvertrag, sondern der Eingriff in die Rechte der Aktionäre. Erkennt man dies an, kann die Vertragsübernahme nichts am Schuldner der Abfindungsleistungen ändern (§§ 414, 415 BGB). Dieses Ergebnis ist nur sachgerecht: Zum einen entspricht dieser Grundsatz dem allgemeinen Zivilrecht, wonach die Schuldübernahme nur mit Zustimmung des Gläubigers zulässig ist. Zum anderen sieht das AktG keine Sicherung der außenstehenden Aktionäre vor dem Insolvenzrisiko des herrschenden Unternehmens vor640 . Dies erfordert Kontinuitätsschutz für die außenstehenden Aktionäre, die sich auch im Hinblick auf den Schuldner der Abfindungsleistung für den Austritt aus der Gesellschaft entschieden haben, den § 295 II AktG aber nur unzureichend herstellt 641. Es spricht auch kein zwingendes Bedürfnis dafür, dem herrschenden Unternehmen zu erlauben, sich (mit Zustimmung einer ¾-Kapitalmehrheit der außenstehenden Aktionäre, § 295 II AktG) seiner Schuldnerstellung zu entledigen. Zum einen würde eine solche Möglichkeit dem verfassungsrechtlichen Gebot der vollen Abfindung widersprechen, wonach die Entschädigung der außenstehenden Aktionäre gerade nicht zur Disposition einer Aktionärsmehrheit steht642 . Zum anderen ist es das herrschende Unternehmen, das den Eingriff in die Aktionärsrechte initiiert, beherrscht (insbesondere die Abfindungsfolgen voraussehen kann) und von ihm profitiert. Will es die Leitungsmacht an ein anderes Unternehmen abgeben, so kann es im Innenverhältnis vereinbaren, von den Abfindungsverpflichtungen freigestellt zu werden. Das herrschende Unternehmen be638

Im Zusammenhang mit der Vertragsbeendigung so aber Hirte, ZGR 1994, 644, 657. OLG Karlsruhe ZIP 1991, 101, 103 (ASEA/BBC I); Altmeppen in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 295 Rn. 31; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 295 Rn. 27; Bayer, ZGR 1993, 599, 608; Krieger/Janott, DStR 1995, 1473, 1479; Priester, ZIP 1992, 293, 300. 640 S. hierzu auch OLG Köln ZIP 2001, 967 (Erste Kulmbacher Actienbrauerei); instruktiv Luttermann, EWiR 2001, 699, 700. 641 S. o. S. 396 f. 642 Dazu schon o. S. 85 ff., S. 95 ff., S. 146 f. 639

E) Auslegungsprobleme des Vertragskonzernrechts

399

findet sich in der Verhandlungsposition, die § 295 II AktG fälschlicherweise den außenstehenden Aktionären zuordnet 643 . Schließlich erleichtert die hier vertretene Interpretation die Vertragsübernahme und gewährt somit unternehmerische Flexibilität: Da die Abfindungsansprüche der Aktionäre unberührt bleiben, greift das Sonderbeschlusserfordernis des § 295 II AktG nicht ein.

III) Wem steht das Wahlrecht gem. § 305 II Nr. 2 AktG zu? Aufgrund der gefundenen Prinzipien des Abfindungsrechts kann außerdem die Frage beantwortet werden, wem das Wahlrecht aus § 305 II Nr. 2 AktG zusteht 644 . Das Prinzip des Primärschutzes enthält keine Pflicht, mit den Aktien eines Dritten zu erfüllen645 . Dass die Vertragsparteien die Möglichkeit haben dürfen, den Aktionär zwangsweise in Aktien abzufinden (und dass ihnen daher das Wahlrecht aus § 305 II Nr. 2 AktG zustehen darf), erklärt das Prinzip der Abfindungsfreiheit von formwahrender Verschmelzung und Spaltung646 . Den Unterschied zwischen § 320b I 3 AktG und § 305 II Nr. 2 AktG schließlich erklärt das Prinzip des Bestandsschutzes im weiteren Sinne647 : Im Falle der Mehrheitseingliederung verliert der Aktionär seine Beteiligung an der eingegliederten Gesellschaft. Nach dem Prinzip des Bestandsschutzes im weiteren Sinne muss er daher auch dann die Möglichkeit haben, seine aktienrechtliche Beteiligung in der Hauptgesellschaft fortzusetzen, wenn diese abhängig ist. Beim Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags wird der Aktionär gerade nicht aus seiner Mitgliedschaft in der abhängigen AG gedrängt, so dass § 305 II Nr. 2 AktG das Wahlrecht abweichend von § 320b I 3 AktG festlegen kann648 . Das Wahlrecht des § 305 II Nr. 2 AktG darf und muss nach alledem den Vertragsparteien zustehen.

643

Dazu schon o. S. 396 f. Zur Gegenansicht Hirte, ZGR 1994, 644, 657. Zur Bestandsaufnahme vgl. schon o. S. 273 ff. 645 S. o. S. 273 ff. 646 S. o. S. 236 ff. 647 Dazu o. S. 53 ff. 648 Außerdem geht es bei § 305 II Nr. 2 AktG um die Beschaffung fremder Aktien, bei § 320b I 3 AktG hingegen um eigene Aktien des Abfindungspflichtigen, dazu schon o. S. 273 f. Keine nachvollziehbaren Gründe für die unterschiedliche Regelung kann Rottnauer, EWiR 2001, 207, 208 erkennen, der sich hierfür auf Grunewald in MünchKommAktG, 2. Aufl. 2000, § 320b Rn. 5 beruft. 644

§ 8 Zusammenfassung Nach dem der Prozess des »Vor- und Zurückblickens abgeschlossen wurde, nachdem allgemeine Prinzipien in konkreten Anwendungsfällen wiedergefunden und bestätigt werden konnten, sollen die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit nun zusammengefasst werden.

A) »Abfindungsverfassungsrecht« I) Prinzip der vollen Entschädigung 1. Fundamentalprinzip des »Abfindungsverfassungsrechts« und somit oberstes Prinzip des Abfindungsrechts ist das Gebot der vollen Entschädigung1. Verfassungsdogmatisch ist es im allgemeinen, von Art. 14 III 2 GG zu unterscheidenden verfassungsrechtlichen Entschädigungsgebot zu verankern 2 . Die Vorschriften des AktG und UmwG, die abfindungsauslösende Strukturmaßnahmen erlauben, sind demgemäß als ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums einzuordnen. Das verfassungsrechtliche Entschädigungsgebot gilt für alle gesetzlichen Abfindungsfälle, insbesondere auch die §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG3 . Es fordert nicht nur vollen, sondern auch ungeteilten Ausgleich in den Abfindungsfällen, in denen die Anteile des Aktionärs nach der Strukturmaßnahme einen Restwert behalten (§ 305 AktG, §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG) 4 . Das verfassungsrechtliche Entschädigungsgebot ist keine Anspruchsgrundlage (einfach-gesetzlich) ungeschriebener Abfindungsansprüche5 .

II) Keine zwingende Gleichwertigkeit von Abfindung gem. § 305 AktG und Ausgleich gem. § 304 AktG 2. Ein verfassungsrechtliches »Prinzip der Gleichwertigkeit von Ausgleich und Abfindung« ist – entgegen anderslautenden Andeutungen im Hartmann & BraunBeschluss des BVerfG – nicht anzuerkennen6 . 1 2 3 4 5 6

S. 95 ff. S. 95 f. S. 98 ff. S. 103 f. S. 105 f. S. 108 ff.

402

§ 8 Zusammenfassung

B) Prinzip der vollen Abfindung 3. Sein einfach-gesetzliches Äquivalent findet das verfassungsrechtliche Prinzip der vollen Entschädigung in dem einfach-gesetzlichen Prinzip der vollen Abfindung. Letzteres unterscheidet sich von Ersterem hinsichtlich des Anwendungsbereichs, weil das Prinzip der vollen Abfindung auf Abfindungsfälle beschränkt ist, das verfassungsrechtliche Entschädigungsgebot jedoch auch in Fällen gilt, in denen das einfache Recht keine Abfindungspflichten vorsieht (etwa die übertragende Auflösung); auf Rechtsfolgenseite, weil dem verfassungsrechtlichen Entschädigungsgebot auch auf andere Weise genügt werden kann als durch Gewährung einer vollständigen Abfindung 7. Darüber hinaus ist das Gebot voller Abfindung nicht nur eine Folge aus dem verfassungsrechtlichen Entschädigungsgebot, sondern lässt sich aus originär zivilrechtlichen Wertungen ableiten: aus den Grundsätzen über die Haftung bei Eingriffen in Immaterialgüter (»fiktive Lizenzgebühr«, weil der entstandene Schaden schwer zu beziffern ist) 8 sowie aus den Grundsätzen über die Quasi-Vertragshaftung, die etwa im Bereicherungsrecht im Gewand der Quasi-Vertragskondiktion erscheint9. In rechtsökonomischer Hinsicht garantiert das Prinzip der vollen Abfindung, dass alle, aber auch nur solche Umstrukturierungen durchgeführt werden, die die Gesamtwohlfahrt erhöhen10 . Auf ein volle Abfindung garantierendes System würden sich daher sämtliche Investoren bei einer hypothetischen Verhandlung über das zukünftige Aktienrecht einigen11. Konkretisiert wird das Prinzip der vollen Abfindung durch das Prinzip des Primärschutzes, aus dem wiederum das Prinzip der Gattungsgleichheit folgt12 .

C) Rechtsnatur des Abfindungsanspruchs 4. Die Abfindungsansprüche der §§ 320b, 327a f. AktG, § 39a WpÜG sind gesetzliche Ansprüche13 . 5. Gleiches gilt für die Ansprüche aus den §§ 305 AktG, 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG14 . Daneben können die Vertragsparteien selbstverständlich einen rechtsgeschäftlichen Anspruch aufgrund eines »Optionsvertrags zugunsten Dritter« vorsehen. Das Schicksal dieses Anspruchs kann aber regelmäßig neben dem gesetzlichen Anspruch vernachlässigt werden15 . Insbesondere die Regelung des

7

S. 107 f. S. 182 ff. 9 S. 195. 10 S. 42 ff. 11 S. 42 ff. 12 Dazu noch u. S. 407 f. 13 S. 116 f. 14 S. 128 ff. 15 S. 147 f. 8

D) Gesamt-zivilrechtlicher Hintergrund

403

§ 305 II Nr. 2 sowie die §§ 305 IV AktG, 31, 209 UmwG passen auch bei Annahme eines gesetzlichen Abfindungsanspruchs in das Dogmengebäude des Zivilrechts16 . 6. Folge aus der gesetzlichen Rechtsnatur der Abfindungsansprüche ist insbesondere, dass der Anspruch aus § 305 I AktG vom weiteren Schicksal des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags unabhängig ist: Er erlischt nicht allein durch die Beendigung des Vertrages – unabhängig davon, ob zur Zeit der Beendigung ein Spruchverfahren schwebte17. Der sog. »Abfindungsergänzungsanspruch« ist bei gesetzlicher Rechtsnatur des Abfindungsanspruchs nicht mehr als der nicht vollständig erfüllte Abfindungsanspruch18 . Durch vertragliche Vereinbarungen kann der Abfindungsanspruch – auch bei Zustimmung der außenstehenden Aktionäre gem. § 295 II AktG – nicht beeinträchtigt werden, wodurch der Anwendungsbereich dieses Sonderbeschlusserfordernisses zurückgedrängt wird19. Insbesondere die Vertragsübernahme eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags führt nicht zum Schuldnerwechsel bezüglich des Abfindungsanspruchs20 – hier greift § 295 II AktG allerdings ein, wenn und soweit Ausgleichsansprüche gem. § 304 AktG beeinträchtigt werden 21.

D) Gesamt-zivilrechtlicher Hintergrund I) Abfindungsansprüche als Aufopferungsansprüche 7. Die Abfindungsansprüche gehören zu den privatrechtlichen Aufopferungsansprüchen 22 . Die Abfindung (exit) ist Entschädigung dafür, dass den Aktionären ein »eigentlich« aus allgemein gesellschaftsrechtlichen Gründen gebotenes Veto-Recht (voice) gegen die jeweilige Strukturmaßnahme genommen wird (»Dulde, aber liquidiere«). Allen Abfindungsvorschriften liegt somit das Aufopferungsprinzip zugrunde. Die Bestandsinteressen der Minderheitsaktionäre werden den Vollzugsinteressen der Mehrheit gegen Entschädigung untergeordnet. Rechtsökonomischer Hintergedanke ist die Steigerung der gesamtökonomischen Wohlfahrt durch Ermöglichung effizienzsteigernder Rechtetransfers, die sich bei freien Verhandlungen nicht einstellen würden (Hold-out-Problematik) 23 . Allerdings entsprechen einige Abfindungsansprüche dem Paradigma des Aufopferungsrechts besser als andere. Abstufungen ergeben sich hinsichtlich der Voraussetzungen »Usurpation«, »Entschädigung für eine Einbuße« und »Begünstigtenhaftung«24 : 16 17 18 19 20 21 22 23 24

S. 147 f. S. 396 f. S. 378. S. 396 f. S. 398 f. Zur Rechtsnatur des Ausgleichsanspruchs gem. § 304 AktG S. 154. S. 158 ff. Dazu S. 181, sowie S. 34. S. 191 f. (zusf.).

404

§ 8 Zusammenfassung

Die §§ 320b, 327a AktG, 39a WpÜG regeln eine dauerhafte Rechtsverschiebung im Hinblick auf die Aktie und lassen den hierdurch Begünstigten für den Verlust der Minderheitsaktionäre haften. § 305 AktG regelt ebenfalls eine dauerhafte (für die Vertragslaufzeit angelegte) Rechtsverschiebung hinsichtlich bestimmter Verwaltungs- und Vermögensrechte (§§ 308, 291 III AktG) und lässt den hierdurch Begünstigten nach dem Prinzip des ungeteilten Ausgleichs für den Rechtsverlust der Aktionäre haften. Die §§ 29, 207 UmwG, 12 SEAG regeln einen Fall, in dem sich die Mehrheit die Stimmrechte der Minderheit vorübergehend aneignet, um diese zum Abschluss eines neuen Gesellschaftsvertrags zu zwingen, und lässt diese Mehrheit vermittelt durch einen Rechtsträger nach dem Prinzip des ungeteilten Ausgleichs für den Rechtsverlust der Minderheit haften. Dem entspricht § 7 SEAG sowie § 122i UmwG, wenngleich hier die mittelbare Begünstigtenhaftung durch den übertragenden Rechtsträger und – nach einer Gesamtrechtsnachfolge – sodann durch den übernehmenden Rechtsträger vermittelt wird. § 9 SEAG regelt nur nach der ausdrücklichen Gesetzesbegründung einen Usurpationskonfl ikt, folgt dem Prinzip des ungeteilten Ausgleichs und einer zweifach vermittelten Begünstigtenhaftung. 8. Entsprechend dem Aufopferungsgedanken tritt bei der Rechtskontrolle aller abfindungsauslösender Hauptversammlungsbeschlüsse25 an die Stelle des insbesondere durch Treuepflichten und materielle Beschlusskontrolle verkörperten »Treuhandprinzips« das »Aufopferungsprinzip«26 : Instrumente, mit denen das Recht die Aktionärsmehrheit an Rücksichtspfl ichten bindet, sind hier systemwidrig. Es bleibt die allgemeine Schranke missbräuchlicher Rechtsausübung (§ 242 BGB), die in verschiedenen Gewändern begegnet 27, als Formenmissbrauch, etwa wenn der Abfindungsschuldner das Umtauschverhältnis bei Abfindung in Aktien nicht so festlegt, dass sich möglichst viele Aktionäre an der neuen Gesellschaft beteiligen können, oder als institutioneller Rechtsmissbrauch wegen Überschreitung der Sozialbindung eines Rechtsinstituts, wenn sich eine Strukturmaßnahme allein aufgrund der Ausbeutung der Minderheit lohnt. Maßnahmen »im Vorfeld« der Beschlussfassung unterliegen den allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Bindungen, hier greift das Aufopferungsprinzip nicht 28 . 9. Aus dem Aufopferungsprinzip lassen sich außerdem Vorgaben herleiten für die Konkretisierung der Abfindungsberechtigten (Begriff der außenstehenden Aktionäre i. S. d. § 305 AktG, Abfindungsberechtigung bei eigenen Aktien, Bedeutung von Stimmbindungsverträgen, Inhaberschaft einer Sperrminorität etc.) 29.

25 26 27 28 29

Zum Begriff o. S. 388. S. 345 ff., 364. S. im Einzelnen S. 349 ff. S. 348. S. 370 ff.

E) Haftungsgrund

405

II) Abgrenzung gegenüber dem Austrittsrecht aus wichtigem Grund 10. Entgegen einer verbreiteten Ansicht können die Abfindungsrechte nicht als Ausprägungen eines Austrittsrechts aus wichtigem Grund angesehen werden 30 . Sie unterscheiden sich von diesem hinsichtlich ihres Haftungsgrundes (Austrittsrecht: der allen Dauerschuldverhältnissen zugrunde liegende Gedanke eines Lösungsrechts bei Unzumutbarkeit; zu den Abfindungsansprüchen s. sogleich) und ihren Voraussetzungen (Abfindungsansprüche verlangen einen Hauptversammlungsbeschluss) 31. Die Unterscheidung von Abfindungs- und Austrittsrecht kann einige Ungereimtheiten der Gegenansicht auflösen 32 .

E) Haftungsgrund 11. Haftungsgrund aller Abfindungsvorschriften ist die dauerhafte oder zeitweise Usurpation mitgliedschaftlicher Rechte der abfindungsberechtigten Aktionäre durch die (teils durch die Haftung eines oder mehrerer Rechtsträger vermittelte) abfindungspflichtige Aktionärsmehrheit. Usurpationsobjekt kann sein: die Aktie an sich (§§ 320b, 327a AktG, 39a WpÜG), grundlegende Verwaltungs- und Vermögensrechte (§ 305 AktG) oder (vorübergehend) das Stimmrecht der dissentierenden Aktionäre (§§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9, 12 SEAG sowie – zusätzlich – § 305 AktG), sofern die dissentierenden Aktionäre dazu gezwungen werden, den in ihrer Aktie verkörperten Kapitalanteil in eine Gesellschaft zu investieren, die ihnen als Investitionsobjekt nicht zugemutet werden darf. 12. Bei der Frage, wann den Minderheitsaktionären eine Gesellschaft als Investitionsobjekt nicht zumutbar ist, lässt sich keine einheitliche »Opfergrenze« für alle Abfindungsfälle feststellen. Stattdessen verfolgt das Gesetz ein differenziertes Schutzprogramm. Dieses besteht aus Wertungen, die zum Teil die Eingriffsseite betrachten, zum Teil unabhängig von der Schwere des Eingriffs gelten 33 . a) Für eine Abfindungspflicht spricht/sprechen: (1) dass der Abfindungspflichtige das Vermögen der Gesellschaft usurpiert. Hierbei kommt es insbesondere darauf an, auf wessen Interessen der Vorstand verpflichtet ist (arg. ex § 308 AktG), (2) der Wandel derjenigen Umstände, auf deren Bestand die Aktionäre vertrauen durften, als sie sich für die Investition in die AG entschieden, d. h. – nach der gesetzlichen Wertung der §§ 29, 122i, 207 UmwG, 7, 9 I 1, 1. Fall, 12 SEAG – der Wandel der Rechtsform (»Schutz des Aktionärs als Gesellschafter«) sowie die rechtliche oder tatsächliche Beeinträchtigung der Veräußerungsmöglichkeit (»Schutz als Kapitalanleger«), 30 31 32 33

S. 271 f. S. 271. s. aber noch u. S. 405 f. zum »qualifiziert-faktischen Konzern«. S. 50 f., 271. S. 211 ff.

406

§ 8 Zusammenfassung

(3) die Legitimationsgrenzen der gegenläufigen Prinzipien des Abfindungsrechts, also des Mehrheitsprinzips und des Prinzips der Kapitalerhaltung (d. h. Abfindungsansprüche kommen also umso eher in Betracht, je stärker die Interessengegensätze zwischen den Aktionären sind, je leichter die beweglichen Schranken der Mehrheitsherrschaft versagen und je schlechter die Veräußerungsmöglichkeit der dissentierenden Aktionäre ist, Letzteres erneut bestätigt durch § 29 I 1, 1. Hs., 2. Fall u. II 1 UmwG) 34 . b) Es gilt das Subsidiaritätsprinzip: Würden Abfindungsansprüche (weil die AG abfindungspflichtig ist, bei der Abfindungspflicht Dritter wegen vorausgegangener Vermögensverschiebungen 35) mit dem Grundsatz der Kapitalbindung in Konflikt geraten, schützt das AktG die Interessen der Minderheitsaktionäre vorrangig durch solche Instrumente, die nicht ebenso stark wie eine Abfindungspflicht dem Kapitalerhaltungsgrundsatz widersprechen. Ebenso sollen Rechtsbeziehungen grundsätzlich nur unter Beteiligung der AG als »verdinglichtes Netz von Verträgen« entstehen. Nur wo solche Mechanismen nicht funktionieren, greift das Gesetz auf Abfindungsvorschriften zurück. Hieraus folgt, dass insbesondere solche Vorgänge nicht abfindungsbegründend sein können, in deren Rahmen der AG eine Gegenleistung zufließt (Prinzip der Abfindungsfreiheit des bloß bestandsmäßigen Vermögensaustauschs) oder aufgrund derer die AG Entschädigungsansprüche erhält und hierdurch hinreichend geschützt ist (§ 311 AktG; § 9 I 1, 2. Fall SEAG stellt hierzu eine nicht verallgemeinerungsfähige Ausnahme und eine im System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche isoliert gebliebene Norm dar36). c) Unabhängig vom Geltungsgrund des Subsidiaritätsprinzips sind ebenfalls abfindungsfrei: (1) die rechtsformwahrende Verschmelzung und Spaltung (Prinzip der Abfindungsfreiheit der rechtsformwahrenden Verschmelzung und Spaltung, hier gibt es jedoch zahlreiche Ausnahmen), (2) die Liquidation (Prinzip der Abfindungsfreiheit der Liquidation). d) Der Bereich »oberhalb des Abfindungsrechts« ist nur unter sehr engen Voraussetzungen erreicht: Veto-Rechte dürfen nur dann nicht durch Abfindungsansprüche ersetzt werden, wenn der Mehrheitsbeschluss mit fundamentalen Grundsätzen der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre brechen würde (vertragsrechtliches Konsensprinzip, Verbot des Vertrages zu Lasten Dritter, so bei § 35 BGB, nichtverhältniswahrender Spaltung, Verschmelzung und Formwechsel, sowie dem gesellschaftsrechtlichen Belastungsverbot) 37 und bei rechtswidrigen Beschlüssen. Für absoluten Bestandsschutz spricht ferner die Vermutung, dass Vermögensschutz die Aktionärsrechte nicht ausreichend wahren könnte, z. B. weil der jeweilige Eingriff nicht in Geld aufgewogen werden kann (unentziehbare allgemeine 34 35 36 37

Dazu o. S. 221 f. S. o. S. 234 f. S. o. S. 230 ff. S. auch schon die Zusammenfassung o. S. 259.

F) Sonstige Prinzipien

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Einzelrechte des Aktionärs; manche Sonderrechte i. S. d. § 35 BGB, etwa das Entsendungsrecht) 38 . 13. Anhand dieser Wertungen wurden einige Fälle untersucht, in denen ungeschriebene Abfindungs- oder Entschädigungsansprüche diskutiert werden. Abfindungsansprüche sind anzuerkennen bei der Zweckänderung39, bei der »wirtschaftlichen« formwechselnden Verschmelzung und Spaltung durch Einzelrechtsnachfolge und beim »wirtschaftlichen« Formwechsel40 , beim regulären Delisting41 sowie bei Schaffung eines qualifiziert-faktischen Konzerns (dogmatisch ist der zuletzt genannte Anspruch als aufopferungsgleicher Anspruch einzuordnen) 42 . Eine differenzierende Betrachtungsweise ist bei der Änderung des Unternehmensgegenstands geboten43 . Ungeschriebene Entschädigungsansprüche bestehen bei der (zulässigen) Einführung von Höchststimmrechten44 , ein Austrittsrecht aus wichtigem Grund ist parallel zum aktienrechtlichen Squeeze-out anzuerkennen, wenn der Mehrheitsaktionär die 95%-Grenze überschreitet, ohne vorher ein Pflicht- oder Übernahmeangebot abzugeben (»aktienrechtliches Sell-out«) 45 . Weder Abfindungs- noch Entschädigungsansprüche bestehen beim Segmentwechsel46 , beim Börsengang47, bei der übertragenden Auflösung (hier findet jedoch eine Gegenleistungskontrolle nach SpruchG analog statt) 48 sowie grundsätzlich bei der Umwandlung von Vorzugs- in Stammaktien49.

F) Sonstige Prinzipien I) Prinzip des Primärschutzes 14. Das Prinzip des Primärschutzes ist ein systemtragendes Prinzip des Abfindungsrechts und besagt: Grundsätzlich muss eine abfindungspflichtige AG die Abfindungsberechtigten in eigenen Aktien abfinden 50 . Die »Primär-Abfindung« in Aktien ist allgemeine Rechtsfolge ungeschriebener Abfindungsansprüche51. Eine Pflicht zur Beschaffung fremder Aktien lässt sich aus dem Prinzip des Primärschutzes jedoch nicht herleiten 52 . Das Prinzip des Primärschutzes konkreti38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52

Im Einzelnen o. S. 246 ff. S. 302. S. 313. S. 313 ff. S. 290 ff. S. 297 ff. S. 326 f. S. 294 f. S. 317 ff. S. 319 f. S. 303 ff. S. 320 ff. S. 53 ff. S. 272. S. 273 ff.

408

§ 8 Zusammenfassung

siert das Prinzip der vollen Abfindung sowie das Prinzip des Bestandsschutzes im weiteren Sinne53 .

II) Prinzip der Gattungsgleichheit 15. Seinerseits konkretisiert wird das Prinzip des Primärschutzes durch das Prinzip der Gattungsgleichheit54 : Stammaktionäre sind grundsätzlich in Stammaktien abzufinden; eine Abfindung in Vorzugsaktien kann jedoch geboten sein, um Stimmrechtsverschiebungen innerhalb der neuen Gesellschaft zu vermeiden (Stichwort: »Nullsummenspiel«) 55 . Vorzugsaktionäre können hingegen in Stammaktien abgefunden werden. Ein Sonderzustimmungsrecht der Vorzugsaktionäre wäre systemstimmig und de lege ferenda wünschenswert, scheitert de lege lata jedoch an § 293 I 4 AktG, der a minori ad maius für die Mehrheitseingliederung gilt56 .

G) Kontinuitätsschutz des Anspruchs auf Abfindung 16. Es konnten Prinzipien eines »Kontinuitätsschutzes des Anspruchs auf Abfindung in Aktien« herausgearbeitet werden 57. Dabei zeigte sich: Grundsätzlich ist den Abfindungsberechtigten »an« einer AG derselbe Schutz zu gewähren wie den Aktionären »in« dieser Gesellschaft. Der Schutz erfolgt nicht über abfindungsrechtliche Konzepte (Schutz »als Aktionär nach Abfindungsrecht«), sondern nach den Prinzipien der jeweiligen Strukturentscheidung (Schutz »als Abfindungsberechtigter nach dem Recht der Strukturveränderung«). Soweit Entschädigungsansprüche bejaht wurden, ist dies daher keine »erneute Abfindung« oder »Anpassung der Abfindung«, sondern Entschädigung für den entwerteten Abfindungsanspruch. Der zentrale Rechtsgedanke dieses Schutzes ist in den §§ 23, 204 UmwG enthalten, die schon nach ihrer Gesetzesbegründung einen »allgemeinen Rechtsgedanken« konkretisieren. Ebenso wie die Abfindungsansprüche »vollen Ausgleich« für die Mitgliedschaft fordern, ergibt sich aus den §§ 23, 204 UmwG ein voller Ausgleich für Abfindungsansprüche auf Aktien. Bei Eingliederung und Squeeze-out in der Gesellschaft, in deren (eigenen) Aktien abgefunden werden soll, ergeben sich Entschädigungsansprüche für den Abfindungsanspruch in Aktien schon aus dem Haftungsgrund der §§ 320b, 327a AktG in Verbindung mit dem Gedanken, dass Abfindungsberechtigten »an« der Gesellschaft kein höherer Bestandsschutz zukommen kann als ihren Aktionären 58 . 53 54 55 56 57 58

S. 53 ff. S. 57. S. 278 ff. S. 325. S. 379 ff. Zu allem S. 383 ff.

H) Systemwidrigkeiten

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17. Schuldet die AG gem. § 305 II Nr. 2 AktG Abfindung in fremden Aktien, lassen sich diese Gedanken nicht übertragen. Weder das UmwG noch die §§ 291 ff. AktG enthalten spezielle Regeln für den Schutz von Gläubigern eines Anspruchs, der sich lediglich inhaltlich auf die an der Strukturwandelung beteiligte AG bezieht. Zurückzugreifen ist auf das allgemeine Leistungsstörungsrecht, wobei der andere Vertragspartner aufgrund seiner Wahlmöglichkeit nach § 305 II Nr. 2 AktG die Strukturwandelung in der AG, deren Aktien er besorgen muss, gem. § 276 I 1 BGB aE stets zu vertreten hat59.

H) Systemwidrigkeiten 18. Mit Hilfe des Systems konnten systemwidrige Normen identifiziert werden: Um eine systemfremde (rechtsökonomisch und rechtspolitisch höchst fragwürdige) Norm handelt es sich bei dem Kündigungsrecht aus § 305 V 4 i. V. m. § 304 IV AktG60 ; eine vereinzelt gebliebene und den §§ 122i UmwG, 7, 9 I 1, 2. Fall, 12 SEAG widersprechende Wertung enthält § 305 II Nr. 1 u. 2, wonach die Abfindung in Aktien auch dann in eigenen Aktien bestehen kann, wenn die nicht beherrschte und nicht im Mehrheitsbesitz stehende AG ihren Sitz im EU/EWRRaum hat61. Systemfremd ist die Ausnahmevorschrift des § 305 II Nr. 2 AktG im Hinblick auf den bloßen Mehrheitsbesitz62 . Rechtspolitische und systematische Zweifel richten sich gegen das Sonderzustimmungsrecht aus den §§ 295 II, 296 II, 297 II AktG 63 . Einen Systembruch stellt schließlich § 9 I 1, 2. Fall SEAG dar64 .

59 60 61 62 63 64

S. 393 f. S. 143 ff. S. 289 ff. S. 242 ff. S. 396 f. S. 230 ff. u. S. 178 f.

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Stichwortverzeichnis Abfindung – als „Kaufpreis der Leitungsmacht« (Vertragskonzern) 135, 154 f. – als Kompensation eines eigentlich gebotenen Individualzustimmungsrechts 155 ff., 199 f. Abfindung in Aktien siehe Kontinuitätsschutz, Prinzip des Primärschutzes Abfindungsanspruch – allgemeiner aktien- und umwandlungsrechtlicher 289 f. – als Aufopferungsanspruch 157 ff., 171 ff., 190 ff. siehe auch Aufopferungsprinzip – als gesetzlicher Anspruch 128 ff. – Anwendungsbereich 289 – Barabfindung siehe Prinzip des Primärschutzes – Begriff 5 – Begünstigtenhaftung siehe dort, siehe auch Prinzip der mittelbaren Begünstigtenhaftung – Beschlusskontrolle 338 ff. – Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) siehe dort – Erwerb (derivativ) 121 f., 149 ff. – europarechtliche Einflüsse 14 f., 55, 239 ff. – Fristsetzung (§ 305 AktG) 141 f. – Gegenläufige Prinzipien siehe dort – Haftungsgrund siehe dort – in Aktien siehe Kontinuitätsschutz, Prinzip des Primärschutzes – Inhaber 369 ff. – Kontinuitätsschutz siehe dort – Kündigungsrecht (§ 305 AktG) siehe dort – Prinzip der Gattungsgleichheit siehe dort

– Prinzip der Methodengleichheit siehe dort – Prinzip der mittelbaren Begünstigtenhaftung siehe dort – Prinzip der vollen Abfindung siehe dort – Prinzip der vollen Entschädigung siehe Eigentumsgarantie – Prinzip des Bestandsschutzes im weiteren Sinne siehe dort – Prinzip des Primärschutzes siehe dort – Prinzip des ungeteilten Ausgleichs siehe Eigentumsgarantie – Rechtsnatur (vertraglich oder gesetzlich) 115 ff., 128 ff. – Rechtsökonomische Grundlagen siehe dort – Sonderzustimmungsrecht siehe außenstehende Aktionäre – Stichtagsprinzip siehe dort – Subsidiaritätsprinzip siehe dort – Theorie des gesetzlichen Anspruchs 128 ff. – ungeschriebener 272 ff., 287 ff., 329 ff. siehe auch Spruchverfahren – Usurpation siehe dort – verfassungsrechtliche Grundlagen 77 ff. – Verhältnis zum Austrittsrecht aus wichtigem Grund siehe dort – Verkehrsfähigkeit (§ 305 AktG) 121 f., 149 ff. – Vertragskonstruktionen (§ 305 AktG) 118 ff., 131 ff. – Verzinsung siehe Zinsanspruch – Wahlrecht (§ 305 AktG) siehe dort abfindungsauslösender Beschluss siehe auch Aufopferungsprinzip – formelle Rechtmäßigkeit 364 ff. – materielle Rechtmäßigkeit 338 ff. abfindungsbezogener Informationsmangel siehe Informationsrecht

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Stichwortverzeichnis

abfindungsbezogenes Informationsrecht siehe Informationsrecht Abfindungsergänzungsanspruch 53, 377 ff., 403 abfindungsfreie Strukturmaßnahmen 213 ff. Abfindungsrecht siehe Abfindungsanspruch Abfindungsverfassungsrecht 77 ff. siehe auch Eigentumsgarantie Abwehrrecht siehe Aufopferungsanspruch, Aufopferungsprinzip, Usurpation Aktiengesellschaft – Erscheinungsbild 5 Aktiengesetz 1937 101 f., 132 ff., 220 Aktienverfassungsrecht 77 ff. siehe auch Eigentumsgarantie Allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 GG) 112 f. Änderung des Unternehmensgegenstands siehe Unternehmensgegenstand Art. 14 GG siehe Eigentumsgarantie Auflösung 64 ff., 90 ff., 226, 244 f., 303 ff., 341, 407 siehe auch Liquidation, übertragende Auflösung auflösungsbedingte Übertragung siehe übertragende Auflösung Aufopferungsanspruch – allgemeiner bürgerlich-rechtlicher 16, 287 ff. – als Grundlage des Abfindungsanspruchs 171 ff., 200 ff. – Anspruchsgrundlagen 160 ff. – Ausgleich für Einbuße 182 ff. – Begünstigtenhaftung siehe dort – Dulde, aber liquidiere siehe dort – Finalität 167 f. – gemeinsame Voraussetzungen 164 ff. – Interessenkonflikt 164 – Prinzip des ungeteilten Ausgleichs siehe dort – Rechtsgrundlagen 157 f. – und außenstehende Aktionäre siehe dort – und Rechtmäßigkeit des abfindungsauslösenden Beschlusses 345 ff. – und Usurpation siehe dort – und Veräußerungsmöglichkeit der Aktie siehe dort – Usurpation siehe dort

Aufopferungsmodell 354, 363 f., 368 f. Aufopferungsprinzip 157 ff., 165 ff., 190 ff., 200 ff., 267, 270, 279, 345 ff., 362 ff., 371, 377, 403 f. Aufopferungsrecht siehe Aufopferungsanspruch Ausgleich, variabler 236 Ausgleichsanspruch (§ 304 AktG) – Gleichwertigkeit von Ausgleich und Abfindung siehe Eigentumsgarantie – Hartmann & Braun-Beschluss des BVerfG siehe dort – Rechtsnatur 154 – verfassungsrechtliche Grundlagen 108 ff. Ausgleichsanspruch, nachbarrechtlicher (§ 906 BGB) 162 f. Ausgliederung 62, 70, 226 f., 233 f., 245, 268, 387 – der abfindungspflichtigen AG 387 Auslegung – richtlinienkonforme 14 – teleologische 9 – verfassungskonforme 28 ff. Ausstrahlungswirkung (des UmwG) 61 ff. – Abgrenzung 64 – Argumentationsgewicht 72 f. – Bedeutung 65 – Begriff 61 f. – Berechtigung der Rechtsfigur 67 ff. – Inhalt 62 – Rechtsmethodischer Hintergrund 63 – und minderheitsschutzbegrenzende („negativer«) Wertungen 63, 74 f. Austrittsrecht aus wichtigem Grund 45 ff. – Sell-out 294 ff. – Verhältnis zum Abfindungsrecht 49 f., 271 f. außenstehende Aktionäre 55, 121, 149 ff., 370 f., 375 – Begriff (§§ 295 II, 296 II, 297 II AktG) 396 – Begriff (§ 305 AktG) 370 ff. – Sonderzustimmungsrecht 130, 134, 146 f. – und eigene Aktien 375 ff. – Zeitpunkt 374 f. Außentheorie des Eigentums 167, 173 ff.

Stichwortverzeichnis

Barabfindung siehe Prinzip des Primärschutzes Begünstigtenhaftung – als Rechtsfolge des Abfindungsanspruchs 184 ff. siehe auch Prinzip der mittelbaren Begünstigtenhaftung – als Rechtsfolge des Aufopferungsanspruchs 168 ff. Behavioral Economics siehe Rechtsökonomische Grundlagen Beherrschungsvertrag 47, 125, 132, 135, 149, 157, 205, 215, 259 ff., 290 ff., 308, 312, 372 ff., 391 ff., siehe auch Abfindungsanspruch, Vertragskonzern – Beitritt 392 f. – Missbrauchskontrolle 348 f., 357 f., 358 ff. – Sonderbeschluss siehe dort – Übernahme 391 f., 398 Belastungsverbot 28, 246 f., 253, 259, 267, 301, 406 Beschlusskontrolle siehe auch Missbrauchskontrolle – Aufopferungsmodell siehe dort – des abfindungsauslösenden Beschlusses 338 ff. – materielle 340 ff. – Verhalten im Vorfeld des abfindungsauslösenden Beschlusses 348 f. Besitztumseffekt siehe Rechtsökonomische Grundlagen Betriebspachtvertrag 213, 215 f., 227, 311 siehe auch Unternehmensvertrag – konzerninterner 227, 244, 311 f. Betriebsüberlassungsvertrag 215 f., 216 f. 227, 311 siehe auch Unternehmensvertrag – konzerninterner 227. 244, 311 f. Börseneinführung 319 Börsennotierung – Begriff der (i. S. d. § 29 UmwG) 237 ff. – Verlust der siehe Delisting Canaris, Claus-Wilhelm 6 ff., 23 ff. Coase-Theorem siehe Rechtsökonomische Grundlagen DAT/Altana-Beschluss des BVerfG 79 ff., 83 ff., 195 siehe auch Eigentumsgarantie

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Debiasing siehe Rechtsökonomische Grundlagen Delisting, „kaltes« 56 siehe auch Börsennotierung, Segmentwechsel – durch Verschmelzung 237 ff. Delisting, reguläres 56, 77 f., 105, 177, 213, 273 f., 313 ff., 341, 407 siehe auch Börsennotierung, Macrotron-Urteil des BGH, Segmentwechsel deutsch-amerikanischer Petroleum-Fall des RG 206 Dividendengarantie 133 Dulde, aber liquidiere siehe auch Aufopferungsprinzip – als Prinzip des Aktienverfassungsrechts 91 – als Prinzip des Aufopferungsrechts 159 – als Prinzip des Abfindungsrechts 159 f. Easterbrook, Frank 43 ff. eigene Aktien siehe Erwerb eigener Aktien Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) 79 ff. – Aktieneigentum (Struktur) 80 f., 90 ff. – ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung 95 ff. – Bestandsschutz 85 ff. – Eigentumsopferentschädigung 96 – Fungibilität der Aktie siehe Veräußerungsmöglichkeit der Aktie – Gebot der vollen Entschädigung 95 ff., 105, 112, 273, 401 – Gesamtbetrachtung 98 – Gleichwertigkeit von Ausgleich und Abfindung 108 ff. – Prinzip der vollen Entschädigung 95 ff., 108 ff., 139 f., 182, 184, 201 f., 281, 401 f. – Prinzip des ungeteilten Ausgleichs 103 ff. – Rechtsprechung des BVerfG 80 ff., 88 ff. – Schutzbereich 98 ff. – und kapitalmarktferne Aktiengesellschaften 90 ff. – und Prinzip der vollen Abfindung 108 f. – und umwandlungsrechtliche Abfindungsfälle 98 ff. – und ungeschriebene Abfindungsansprüche 105 ff. – Veräußerungsmöglichkeit der Aktie siehe dort

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Stichwortverzeichnis

– Verfassungsmäßigkeit des aktienrechtlichen Squeeze-out 89, 90 ff. – Verfassungsmäßigkeit des übernahmerechtlichen Squeeze-out 93 f. – verfassungsrechtliches Entschädigungsgebot 95 ff., 97 ff., 105 ff., 129, 169, 184 – Vermögensschutz versus Bestandsschutz 85 ff. – Vermögensschutz, strenger 87 f. Eingliederung 31, 50, 54 ff., 116, 130, 151, 175, 225, 229 ff., 236, 275, 312, 322, 326, 344 f., 355, 356 ff., 376 ff., 387 ff., 408 siehe auch Abfindungsanspruch – der abfindungspflichtigen AG 388 – Missbrauchskontrolle 348, 355 ff., 358 ff. Einziehung 331 Europäische Aktiengesellschaft 5, 31, 210, 239, 302, siehe auch Abfindungsanspruch – Holding-Struktur 178 ff., 230 ff. Erwerb eigener Aktien 331 ff., 375 ff. Europäische Durchbrechungsregel 254 Europarechtliche Grundlagen der Abfindungsansprüche siehe Abfindungsanspruch exit und voice 156 Ex-post-Opportunismus siehe Rechtsökonomische Grundlagen favor legis 29 faktische Abhängigkeit 228 ff., 299 – in der abfindungspflichtigen AG 390 Feldmühle-Urteil des BVerfG 53, 54, 79, 203 Fischel, Daniel 43 ff. Formwechsel 14, 31, 47, 99 ff., 112, 128, 131, 148, 177, 185 ff., 208 ff., 222, 247, 258, 262 ff., 299 ff., 313, 338 ff., 361, 364, 385 f., 394, 406 f. siehe auch Abfindungsanspruch – Abfindungsberechtigter 377 – asymmetrische Vorteile 186 f. – der abfindungspflichtigen AG 387 – Missbrauchskontrolle 348 f., 349 ff., 358 ff. Fungibilität der Aktie siehe Veräußerungsmöglichkeit der Aktie

Gebot der vollen Entschädigung (Art. 14 GG) siehe Eigentumsgarantie Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung (Verfassungsgebot) 18 ff. – Bedeutung 18 f. – Bindung der Gerichte 27 ff. – Bindung des Gesetzgebers 19 ff. Gegenläufige Prinzipien des Abfindungsrechts 283 Gegenleistungskonzept 217 ff., 226 ff., 234, 268 f., 289, 311 f., 329 Gerechtigkeitsidee – generalisierende Tendenz der 10, 187 f. – individualisierende Tendenz der 11, 187 Geschäftsführungsvertrag 216 f., 374 siehe auch Unternehmensvertrag Geschäftsgrundlage 47, 204, 263, 283, 351, 354, 393 Gesellschaftszweck 300 ff. Gestaltungsfreiheit (im Umwandlungsrecht) 10, 61 ff., 73, 74 f. Gewinnabführungsvertrag siehe Abfindungsanspruch, Beherrschungsvertrag, Vertragskonzern Gewinnabführungsvertrag, isolierter 262 Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53a AktG) 256 f., 345 Gleichbehandlungsgrundsatz (Gerechtigkeitsgebot) – als Gerechtigkeitssatz für die Systembildung 9 – und das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung siehe dort – und Systembruch 23 ff. Globalurkunde 152 f. Going Private siehe Delisting Going Public siehe Börseneinführung Guano-Beschluss des BGH 124 f. Haftungsgrund – Bedeutung 199 – Begriff 9, 198 – bewegliches System 269 f. – der Abfindungsansprüche 259 ff., 265 ff. – Enumerationsprinzip 268 f. Hartmann & Braun-Beschluss des BVerfG 108 ff. siehe auch Eigentumsgarantie

Stichwortverzeichnis

Hermeneutischer Zirkel 17 f. Hirschman, Albert 156 siehe auch exit und voice Höchststimmrecht 326 ff. Hubmann, Heinrich 287 ff. Individualzustimmungsrecht siehe VetoRecht Informationsrecht 365 ff. Interesse, privilegiertes siehe Aufopferungsprinzip Interessenvorrang siehe Aufopferungsprinzip Immanenztheorie des Eigentums 173 ff. Jenoptik-Urteil des BGH 125 f., 149 ff. Kapitalerhaltungsgrundsatz (§ 57 AktG) 223, 234 ff., 330 ff. siehe auch Erwerb eigener Aktien Kapitalerhöhung 101, 149 ff., 221, 224 f., 233, 251, 255, 278, 327, 340 f., 357, 374 – und Verkehrsfähigkeit des Abfindungsanspruchs 149 ff. Kapitalerhöhungsgesetz 101 f. Kapitalherabsetzung 225 f., 331, 341 Kapitalschutz 215 f. Kapitalverkehrsfreiheit 55, 240 ff. Kontinuitätsschutz 379 ff. Konzern, qualifiziert-faktischer siehe dort Konzerneingangsschutz 228, 232 f. Konzerninteresse 135, 206, 260 ff., 373 Kündigungsrecht (§ 305 AktG) 143 ff., 197, 409 – als systemfremde Norm 145 f. Leitungsmacht 205, 216, 372 f., 379 Liquidation 244 f. Lutter, Marcus 277 ff. Macrotron-Urteil des BGH 105 f., 313 ff. Manne, Henry 34 Mehrheitsbesitz 242 ff. Mehrheitseingliederung siehe Eingliederung Mehrheitsprinzip 221 ff. Mehrstimmrecht 252 – und Umtausch von Vorzugs- in Stammaktien 322

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Missbrauchskontrolle – Inhalt des abfindungsauslösenden Beschlusses 349 ff. – Verhalten im Vorfeld des abfindungsauslösenden Beschlusses 348 f. Moto-Meter-Beschluss des BVerfG 85 ff., 305 f. siehe auch Eigentumsgarantie Moto-Meter-Methode siehe übertragende Auflösung Mülbert, Peter 57 ff., 229 Nachschusspflicht siehe Belastungsverbot Nebenleistungs-Gesellschaft 246 f. Netz von Verträgen (nexus of contracts) 188, 228, 234 f., 266, 329 Niederlassungsfreiheit 55, 240 ff. Nullsummenspiel 279 f., 356 Opfergrenze 201, 215, 220, 245 f. Organschaftsvertrag 132 ff. siehe auch Vertragskonzern Osterloh, Lerke 96 ff., 161, 168 Peine, Franz-Joseph 12 ff. Pflichtangebot 228 ff., 232 Prinzip (allgemein) siehe Rechtsprinzip) Prinzip der Gattungsgleichheit 57, 276 ff., 325 f. siehe auch Vorzugsaktie Prinzip der Methodengleichheit 279, 385 Prinzip der mittelbaren Begünstigtenhaftung 185 ff., 188 f., 302, 328 Prinzip der vollen Abfindung 52 f., 57, 75, 108 ff., 182, 184, 196, 202, 402, 407 f. – und Quasi-Vertragshaftung siehe dort – und Usurpationsgedanke 194 ff. Prinzip der vollen Entschädigung siehe Eigentumsgarantie Prinzip des Bestandsschutzes im weiteren Sinne 53 ff., 276 f., 296, 399, 407 f. Prinzip des Primärschutzes 53 ff., 231, 272 ff., 355 f., 357, 379, 385, 399, 407 f. – Kontinuitätsschutz siehe dort – Pflicht zur Beschaffung fremder Aktien 274 f. – und Änderung des Unternehmensgegenstands 300 – und Änderung des Unternehmenszwecks 302 f. – und Verlust der Börsennotierung 317

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qualifiziert-faktischer Konzern 290 ff. Quasi-Vertragshaftung 195

Rein vermögensbezogener Aktionärsschutz (Konzept) siehe Mülbert, Peter Rücklage 336 Rücksichtspflicht 345 ff. siehe auch Aufopferungsprinzip

Rechtsmissbrauchsverbot siehe Missbrauchskontrolle Rechtsnatur des Abfindungsanspruchs siehe Abfindungsanspruch Rechtsökonomische Grundlagen (des Abfindungsrechts) 31 ff. – Agenturkosten (agency costs) 38 f. – Behavioral Economics 32 ff. – Besitztumseffekt 32 ff. – Coase-Theorem 33 – Debiasing 32 f. – Ex-post-Opportunismus 36 f. – Funktion der mit dem Abfindungsanspruch verbundenen Rechtsmacht 31 ff. – Funktion des Abfindungsanspruchs 36 ff. – Funktion des Abfindungsrechts 31 ff. – Hold-out-Problem 32 – Kapitalmarkteffizienz 41 f. – Kosten 40 ff. – Liquidität 36 – Spezifische Investition 37 – Subsidiaritätsprinzip 235 f. – Transaktionskosten 34 – Trittbrettfahrer-Problem 35 – Übernahmen (und Wohlfahrtssteigerung) 34, 39 f. – Wohlfahrtsanalyse 42 ff. Rechtsprinzip – Arten 8 f. – Begriff 7 ff. – gegenläufiges 9, 283 – Gewinnung 9 – Haftungsgrund – oberstes 8 – systemtragendes 8 – technisches 8, 283 ff. – Unterprinzip 8 – wertendes 8 Rechtssicherheit 10 Referenzzeitpunkt siehe Stichtagsprinzip Referenzzeitraum siehe Stichtagsprinzip reformatio in peius (Spruchverfahren) 147

sale of assets squeeze-out siehe übertragende Auflösung Sammelverwahrung 152 f. Satzungsänderung 221 ff. Schneider, Uwe H. 229 Schranken der Mehrheitsherrschaft, bewegliche 222 f. Segmentwechsel 317 ff. Sell-out (§ 39b WpÜG) 294, 407 Sell-out, ungeschriebenes 294 ff. siehe auch Austrittsrecht aus wichtigem Grund Sitzverlegung 55, 177 f., 210, 302, 350, 361 siehe auch Abfindungsanspruch – Abfindungsberechtigter 377 – Missbrauchskontrolle 348, 350 ff., 360 ff. Societas Europaea (SE) siehe Europäische Aktiengesellschaft Sonderbeschluss 249, 395 ff. Sonderrecht (§ 35 BGB) siehe auch Mehrstimmrecht – Begriff 249 – im Aktienrecht 248 ff. – im Umwandlungsrecht 252 ff. – im Übernahmerecht 254 ff. siehe auch Europäische Durchbrechungsregel Sonderrecht (§ 23 UmwG) 385 ff. Sonderrechtstheorien 202, 249 Sondervorteil (§ 243 II AktG) 339 f., 354 f., 359 Spaltung siehe Verschmelzung – der abfindungspflichtigen AG 287 Spaltung, nicht verhältniswahrende 257 ff. Spaltungsrichtlinie 15 Spruchverfahren 50 ff., 84 f., 101 ff., 117 ff., 124, 139, 143 ff., 224 f., 294, 304 f., 309, 312 f., 337, 357, 395, 403 – bei Kapitalerhöhung 224 f. – bei übertragender Auflösung 312 f. – bei ungeschriebenen Abfindungsansprüchen 337 Spruchstellenverfahren siehe Spruchverfahren

Prinzip des ungeteilten Ausgleichs 182 ff., 191 ff, 404 siehe auch Eigentumsgarantie

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Squeeze-out, aktienrechtlicher 18, 56, 90 ff., 116, 181, 284 f., 304 ff., 348 ff., 360, 375 ff., 394 ff., 407 siehe auch Abfindungsanspruch – Missbrauchskontrolle 348 f., 350, 358 ff. – in der abfindungspflichtigen AG – und Sell-out 294 ff. – Verfassungsmäßigkeit siehe Eigentumsgarantie Squeeze-out, übernahmerechtlicher 15, 53, 90 ff., 117, 181, 304 ff., 348 ff., 375 ff., 394 ff. siehe auch Abfindungsanspruch – Verfassungsmäßigkeit siehe Eigentumsgarantie Stichtagsprinzip 196, 284 f., 363 Stimmrecht – Usurpation von siehe dort – Verlust von 255 ff. Subsidiaritätsprinzip 7 ff., 50 f., 234 ff., 266 ff., 282, 293, 298, 302, 312, 324, 406 Strukturmaßnahmen – abfindungsfreie siehe dort System, rechtswissenschaftliches siehe auch Gerechtigkeitsidee – äußeres 6 f. – Begriff 6 ff. – bewegliches 11, 269 f. – Einheit 6 – Funktion 2 f. – Gleichbehandlungsgrundsatz siehe dort – Grenzen 10 ff. – inneres 6 – Kreisgang 17 ff. – Kritik 12 ff. – Ordnung 7 – Prinzip siehe Rechtsprinzip – Rechtsprinzip siehe dort – Systembruch siehe dort – und ökonomische Analyse des Rechts 11 – und richtlinienkonforme Auslegung 14 – Wirkungsweise 10 Systembruch 22 ff., 23 Fn. 149 – und Gleichheitsgrundsatz 23 ff. Systemdenken siehe System, rechtswissenschaftliches systemfremde Norm 2, 14, 23 Fn. 149, 145 f., 230 ff., 240 ff. Systemlücke 23 Fn. 149

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Teilgewinnabführungsvertrag 213, 215 ff. siehe auch Unternehmensvertrag Treuepflichten 344 f. Übernahmerichtlinie 15, 53, 254, 295, – übernahmerechtlicher Squeeze-out siehe dort – Vermutung im Ausschlussverfahren 93 f. Überschießende Exklusivität (des UmwG) 61 ff. – Abgrenzung 64 – Bedeutung 65 – Begriff 61 f. – Berechtigung der Rechtsfigur 65 f. – Inhalt 63 f. Übertragende Auflösung – Abgrenzung 309 – Begriff 303 f. – Mehrheitserfordernis 307 ff. – Problematik 304 f. – Spruchverfahren siehe dort – ungeschriebene Abfindungsansprüche 309 ff. – Zulässigkeit 307 Umwandlungsgesetz – Ausstrahlungswirkung siehe dort – überschießende Exklusivität siehe dort Umwandlungsgesetz 1934 100 f. Unternehmensgegenstand – Änderung 297 ff. – Bedeutung 297 Unternehmensvertrag, „anderer« (§ 292) 213 ff. siehe auch Gegenleistungskonzept Usurpation – als Merkmal des Abfindungsanspruchs 176 ff. – als Voraussetzung des Aufopferungsanspruchs 165 – der Aktie 212 – des in der AG gesammelten Kapitals 259 ff. – des Stimmrechts der dissentierenden Aktionäre 212 – und Aufopferungsprinzip 211 ff. – und Prinzip des vollen Ausgleichs 194 ff. – und Quasi-Vertragshaftung siehe dort – wesentlicher Verwaltungs- und Vermögensrechte 212

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Veräußerungsmöglichkeit der Aktie – als Eigenschaft des Aktieneigentums 318 f. – und Aufopferungsprinzip 211 f. – und Vertrauensschutz 262 f. – Verlust der 263 f. Verbot des Rechtsmissbrauchs siehe Missbrauchskontrolle Vereinigungsfreiheit (Art. 9 GG) 113 Verfahrensmangel 364 ff. verfassungsrechtliche Grundlagen des Abfindungsanspruchs siehe dort verfassungsrechtliches Entschädigungsgebot siehe Eigentumsgarantie Verkehrsfähigkeit der Aktie siehe Veräußerungsmöglichkeit der Aktie Verkehrsfähigkeit des Abfindungsanspruchs (§ 305 AktG) siehe Abfindungsanspruch Verlustausgleichsanspruch (§ 302 AktG) 138 Vermögensaustausch, rein bestandsmäßiger 226 ff. Vermögensübertragung 71, 100, 134, 201, 226 f., 303 f., 310 siehe auch übertragende Auflösung Verschmelzung siehe auch Abfindungsanspruch, Delisting – Abfindungsberechtigter 377 f. – asymmetrische Vorteile 186 f. – der abfindungspflichtigen AG 383 ff. – Missbrauchskontrolle 348 f., 350 ff., 360 ff. Verschmelzung, formwahrende (abfindungsfreie) 15, 208, 235 ff., 263, 267, 272, 277, 282, 289, 300, 317, 357 f. 395, 399, 406 Verschmelzung, grenzüberschreitende 31, 55, 99, 239 ff., 350 ff., 377 f. siehe auch Abfindungsanspruch Verschmelzungsrichtlinie 15 Verschmelzungsrichtlinie, internationale 15 Verstaatlichung (§ 304 HGB aF) 134

Vertrag zugunsten Dritter 118 ff., 131 ff., 139 Vertragskonstruktionen (§ 305 AktG) siehe Abfindungsanspruch Vertragskonzern 32, 55, 144, 213, 379, 390 ff., siehe auch Beherrschungsvertrag, Unternehmensvertrag – als „wirtschaftlich dem Verlust gleichzustellender Vorgang« 205 f. – Begründung durch „Formalakt« oder „Insichgeschäft« 138 – Handlungsmaßstab des Vorstands 260 ff. – mehrstufiger 389 f. – Sonderbeschluss siehe dort – Usurpation von Rechten 175 f. Vertragskonzernrecht – Entstehungsgeschichte 131 ff. Vertragsverletzungsverfahren 55, 240 ff. Veto-Recht 246 ff., 300 f., 327 Vorstand 10, 64, 67 f., 176, 180, 218, 244 f., 259 ff., 297, 302, 304, 373, siehe auch Leitungsmacht Vorzugsaktie – und Prinzip der Gattungsgleichheit 278 ff., 325 f. – Umtausch in Stammaktie 320 ff. Wahlrecht (§ 305 AktG) 130 f., 142 f., 275 f., 399 f. Wertpapierkennummer 152 f. WKN siehe Wertpapierkennummer Wohlfahrtsanalyse – des Abfindungsrechts siehe Rechtsökonomische Grundlagen – des Aufopferungsrechts 181 f. Wurzeltheorie 196, 284 Zinsanspruch (§ 305 III 2 AktG) 139 Zöllner, Wolfgang 159 Zustimmungsrecht siehe Veto-Recht Zwangslizenz (Immaterialgüterrecht) 161 f. Zweites Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes 237 ff., 316 f.