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German Pages 523 [524] Year 2005
Dietmar Schiersner Politik, Konfession und Kommunikation
Institut für Europäische Kulturgeschichte der Universität Augsburg Colloquia Augustana Herausgegeben von Johannes Burkhardt und Theo Stammen
Band 19
Dietmar Schiersner
Politik, Konfession und Kommunikation Studien zur katholischen Konfessionalisierung der Markgrafschaft Burgau 1550-1650
Akademie Verlag
Gedruckt mit Unterstützung des Bezirks Schwaben und der Stadt Augsburg.
Einbandabbildung: Holztafel eines unbekannten Künstlers in der Pfarrkirche St. Peter und Paul in Holzheim, 1627 oder 1635 wohl von Anton Schnitzler gestiftet. Aufgenommen aus der Perspektive des Betrachters. (Foto: Dietmar Schiersner)
ISBN 3-05-004091-2 ISSN 0946-9044
© Akademie Verlag GmbH, Berlin 2005 Das eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Fotokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Einbandgestaltung: Jochen Baltzer, Berlin Druck: MB Medienhaus Berlin GmbH Bindung: Norbert Klotz, Jettingen-Scheppach Gedruckt in Deutschland
Vorwort Als ich im Herbst 1998 erstmals einem Archivar mein Forschungsinteresse beichtete, wies der voller Skepsis auf eine Wandkarte mit den Herrschaftsgebieten innerhalb des heutigen bayerischen Schwabens am Ende des Alten Reiches und meinte: „Die Konfessionalisierung in der Markgrafschaft Burgau wollen Sie untersuchen? Aber was mußte man denn da konfessionalisieren, da war doch alles katholisch!" Und doch zeigte sich im Laufe der Arbeit, daß der Weg zur konfessionellen Geschlossenheit im Untersuchungsgebiet keineswegs überall so bruchlos verlief, wie es die Karte des 19. Jahrhunderts glauben machte und macht. Der Versuch, diesen Weg nachzuzeichnen, sollte dabei nicht nur genauere Kenntnisse über die politisch-territoriale Identität der Markgrafschaft Burgau zu Tage fördern, sondern auch einen Beitrag zum Verständnis der habsburgischen Politik in der Frühen Neuzeit insgesamt leisten. Daß daraus schließlich ein Buch wurde, dafür möchte ich an dieser Stelle danken; zuallererst Prof. Dr. Rolf Kießling: Seine Offenheit und sein Interesse für meine Überlegungen haben mich nicht nur ermutigt, diese Arbeit in Angriff zu nehmen. Sein Verständnis von landeshistorischer Forschung und seine unermüdliche Bereitschaft zu Gespräch und Diskussion haben mich vielmehr immer wieder zu weiterfuhrenden Fragen inspiriert und mir neue Horizonte erschlossen. Stellvertretend für die vielen Teilnehmer, von denen ich im freundschaftlichfachlichen Gespräch des Augsburger Landesgeschichtlichen Kolloquiums Anregungen erfahren durfte, möchte ich ferner namentlich Dr. Sabine Ullmann danken, die mir immer wieder aufbauenden Rat gegeben hat. Danken möchte ich auch Prof. Dr. Johannes Burkhardt, der das Zweitgutachten übernommen und darüber hinaus mit überaus anregendem Interesse den Fortgang meiner Arbeit verfolgt hat. Meine Frau Christiane Schiersner hat nicht nur das Manuskript mit philologischem Sachverstand gelesen, sondern mich auch durch die klug-lästigen Fragen des Laien aus spekulativen Höhenflügen in heilsame Erklärungsnöte gestürzt. Dafür danke ich ihr. Danken möchte ich auch der Gesellschaft Oberschwaben für Geschichte und Kultur, die mir mit einem Stipendium dabei half, mich ganz in die Archive einzugraben. Den Herausgebern Prof. Dr. Johannes Burkhardt und Prof. Dr. Theo Stammen gilt mein Dank für die Aufnahme der Dissertation in die Reihe ,Colloquia Augustana' im Akademie-Verlag. Martin Heise M.A. vom Institut für Europäische Kulturgeschichte in Augsburg hat mit großer Sorgfalt und Umsicht das Lektorat übernommen. Die Drucklegung aber war überhaupt nur möglich dank der großzügigen Finanzierung vor allem durch das Institut. Prof. Dr. Wolfgang E.J. Weber sei dabei herzlich gedankt für seinen Einsatz.
Schließlich möchte ich meinen Eltern danke sagen. Sie haben mir zu jeder Zeit großes Vertrauen und Verständnis entgegengebracht und mich, wo immer möglich, unterstützt. Ihnen widme ich meine Dissertation. Krumbach, im August 2004
Inhaltsverzeichnis
Α. Einleitung 1.
Forschungsstand: Gegenreformation, Rekatholisierung und katholische Reform, Konfessionsbildung und Konfessionalisierung begriffliche Klärungen
13
Untersuchungsraum: rechtliche und politische Strukturen der Markgrafschaft Burgau
17
3.
Untersuchungszeitraum
22
4.
Fragestellungen, Untersuchungsmethode, Konzeption und Quellen
25
2.
B. Fallstudien I.
Konfessionelle Konflikte zwischen der Markgrafschaft Burgau und ihren Insassen
1.
Lützelburg (1562/75-1608): Rekatholisierung im Zeichen konfessioneller Polarisierung 1.1 1.2 1.3 1.4
1.5
31
Lützelburg und das Hl.-Geist-Spital Augsburg Das reformatorische Engagement des Rates im Umland der Reichsstadt Die Einführung der Reformation in den Ortsherrschaften des Hl.Geist-Spitals Der Verlauf der Ereignisse in Lützelburg
31
1.4.1 1.4.2 1.4.3
46 49
Die erste Phase des Konfliktes (1562/73-1578) Der Münchener Vertrag (1578) Die zweite Phase des Konfliktes und die Rekatholisierung Lützelburgs (1603-1608)
Der juristische Hintergrund des Konfliktes: die Auseinandersetzung um die Landeshoheit in der Markgrafschaft Burgau 1.5.1 1.5.2 1.5.3
Die Rechtsposition Augsburgs Die Rechtsposition der Markgrafschaft Burgau Die Furcht vor dem Präzedenzfall und die Bedeutung des Konfliktes für das Verhältnis von Insassen und Markgrafschaft Burgau
36 42 45
52
60 61 64
70
1.6
1.7
1.8
1.9 2.
74
1.6.1 1.6.2 1.6.3
74 75 76
Die offizielle gottesdienstliche Ordnung Die quantitative Entwicklung der Konfessionen Die Bevölkerung im konfessionellen Konflikt
Die Politik der Reichsstadt Augsburg
86
1.7.1 1.7.2
86 92
Rahmenbedingungen und innerstädtische Zwänge Das rechtliche und politische Instrumentarium
Die österreichische Politik
101
1.8.1 1.8.2 1.8.3 1.8.4
101 104 106
Ziele konfessioneller Politik in Lützelburg Zwischen Insassen und Reich: Bedingungen politischen Handelns Kooperation zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt Rolle und Bedeutung der österreichischen Verwaltung in Innsbruck und Günzburg
Zusammenfassung und Ergebnisse
2.4 2.5 2.6 2.7
3.3 3.4
3.5
118
Unterrohr und die Besserer Der Verlauf des Konfliktes Die späte Einführung der Reformation in Unterrohr und die konfessionelle Politik der Reichsstadt Ulm
118 122
2.3.1 2.3.2 2.3.3
127 132
Die Frühphase der reichsstädtischen Reformation bis 1531 Ulms konfessionelle Politik zwischen 1531 und 1546 Die konfessionelle Konsolidierung nach dem Schmalkaldischen Krieg und die Einfuhrung der Reformation in Unterrohr
Die konkurrierenden Rechtspositionen Die politischen Optionen Georg Besserers und der Reichsstadt Ulm Die österreichische Politik Die Bevölkerung im Konfessionskonflikt
Holzheim (1580-1627/1635): verspätete Rekatholisierung als Preis habsburgischer Herrschaftsstruktur im deutschen Südwesten 3.1 3.2
109
114
Unterrohr (1563-1569): Rekatholisierung als Ertrag der Eigenmächtigkeit 2.1 2.2 2.3
3.
Das kirchliche Leben in Lützelburg und die Bevölkerung während des Konfliktes um die Konfession
126
135
138 141 153 160 164
Holzheim und das Hl.-Geist-Spital Ulm Einfuhrung der Reformation und evangelische Konfessionsbildung in Holzheim Phasen österreichischer Rekatholisierungspolitik Die Bedeutung der kirchlichen Gewalt für Rekatholisierung und katholische Konfessionsbildung in Holzheim
178
Exkurs: Katholische Konfessionsbildung Verkündigung
185
mit den Mitteln
Kirchliches Leben und Bevölkerung während der konfessionellen Auseinandersetzung
164 166 168
bildlicher
187
3.6
Die konfessionelle Entwicklung in Steinheim im Vergleich
191
3.6.1
192
Reformation und evangelische Konfessionsbildung in Steinheim
Exkurs: Evangelische Konfessionsbildung mit den Mitteln bildlicher Verkündigung 3.6.2
3.7 4.
Rekatholisierungsbemühungen und ihr Scheitern
Holzheim und Steinheim: Bewertung der Ergebnisse
199
200
Burtenbach: Scheitern an Ritter und Recht
202
4.1 4.2 4.3
202 204
4.4
4.5
Burtenbach und die Schertlin Die Einfuhrung der Reformation in Burtenbach Burtenbach während Flucht und Ächtung Sebastian Schertlins (1547-1553) Die österreichische Konfessionspolitik in Burtenbach
213 215
4.4.1
Juristische Argumentationskonzepte und Ansatzpunkte
215
4.4.2
Die kommunikative Option des Konversationsprojektes
226
4.4.3
Die habsburgische Konfessionspolitik in zeitlicher Differenzierung
230
Das Scheitern der B e m ü h u n g e n um die Rekatholisierung Burtenbachs
230
4.5.1
Die Fixierung auf juristische Argumentationskonzepte
231
4.5.2
Die Inkonsistenz habsburgischer Konfessionspolitik als Folge dynastischer Polyfunktionalität
4.6 5.
196
Die Rolle der Bevölkerung im Konfessionskonflikt
233
239
Das Zurückdrängen reformatorischer Ansätze in Burgwaiden, Pfersee, Bocksberg, Laugna und Emersacker
245
5.1
5.2
5.3
Burgwaiden (1605-1608)
245
5.1.1
Burgwaiden und Karl Rehlinger
245
5.1.2
Reformatorische Ansätze und ihr Scheitern
249
5.1.3
Die österreichische Politik: Einfluß durch dichte Kommunikation
Pfersee (1582/83 und 1607/08) 5.2.1
Pfersee und die Zobel
257
5.2.2
Die konfessionelle Lage in Pfersee
258
5.2.3
Österreichische und bischöfliche Konfessionspolitik in Pfersee
Bocksberg und Laugna (1586 und 1607-1609)
262
265
5.3.1
Die Herrschaft Bocksberg und die von Stetten
265
5.3.2
Konfessionelle Lage und konfessionelle Konflikte in Bocksberg
267
5.3.3
Die konfessionelle Politik Österreichs in Bocksberg
271
5.3.4
Konfessionelle Konflikte und konfessionelle Politik Österreichs in Laugna
5.4
252
257
273
Emersacker (1608/09)
275
5.4.1
Emersacker und die Schertlin
275
5.4.2
Konfessionelle Konflikte in Emersacker
276
5.4.3
Das kirchliche Vorgehen gegen Hans Friedrich Schertlin
279
5.4.4
Die Rolle der Bevölkerung im konfessionellen Konflikt
281
II.
Konfessionelle Politik zwischen Konflikt und Konsens in burgauischen Kameralorten: das Beispiel Günzburg
1.
Obrigkeit und Kirche in Günzburg
283
1.1 1.2
Voraussetzungen Günzburg als burgauischer Vorort
283 286
1.2.1 1.2.2
287
1.3
2.
3.
Die Stadtverfassung im Untersuchungszeitraum Stadtherrliche Eingriffe in die kommunale Selbstverwaltung im 16. und 17. Jahrhundert
291
Kirchliche und pastorale Organisation in Günzburg
300
1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.3.5 1.3.6 1.3.7
300 301 302 307 310 311 314
Sakrale Topographie Die Pfarrei und ihre Filialen Pfarrei und Niederpfründen Stadtentwicklung und Stiftungswesen Verteilung der Präsentationsrechte Die Ordensniederlassungen der Franziskanerinnen und Kapuziner Bruderschaften
Reformatorisches Potential in Günzburg: Bauernkrieg und Schmalkaldischer Krieg
324
Akteure kirchlicher und konfessioneller Politik in Günzburg - Objekte und Inhalte
331
3.1
3.2
Kirchliche Hierarchie und Klerus vor Ort
331
3.1.1
Klerus und Volk als Adressaten bischöflicher Reformpolitik
331
3.1.2 3.1.3
Selbstdisziplinierung des Klerus: Ertrag des Konflikts Franziskanerinnen und Kapuziner als Träger der Reform in Günzburg
339
Herrschaft und Verwaltung 3.2.1 3.2.2
3.3
Religionsmandate als Instrumente von Reform und Konfessionalisierung in der Markgrafschaft Burgau Die Praxis der Mandatierung in Günzburg und ihre konfessionalisierende Wirkung
344
353 353 358
Der Regent vor Ort: Markgraf Karl in Günzburg (1610-1618)
369
3.3.1 3.3.2
370
3.3.3
3.3.4
Zur Person Karls von Burgau Das Erbe Karls und seine Stellung im habsburgischen Herrschaftsund Verwaltungsgefüge Innerer Ausbau der Residenzstadt und herrschaftliche Intensivierung: konfessionelle Politik im Kontext 3.3.3.1 Herrschaftliche Repräsentation 3.3.3.2 Wirtschaftspolitische Maßnahmen 3.3.3.3 Religiöse und kirchenpolitische Impulse 3.3.3.4 Exkurs: Prädominante Antagonismen im konfessionellen Konsens: die Reform der Hofkapläne Wertung und Ausblick
372 374 375 377 378 388 396
3.4
3.5
Rat und Gemeinde 3.4.1
Kirchenzucht und Sittenzucht als A u f g a b e der städtischen Obrigkeit
3.4.2
Selbstkonfessionalisierung und ihre Grenzen: ein Fazit
3.4.3
Einfluß auf Seelsorge und Klerus
Konfessionspolitische Interaktion statt landesherrlicher Konfessionalisierung - ein Resümee
397 397 413 415 427
C. Systematische Analyse: Phasen, Formen, Bedingungen und Ziele habsburgischer Konfessionspolitik in der Markgrafschaft Burgau 1.
Phasen: Periodisierung habsburgischer Konfessionspolitik in der Markgrafschaft Burgau 1.1 1.2 1.3 1.4
2.
3.
Bindung an legalistische Konzepte unter Erzherzog Ferdinand II. Wahrnehmung offensiver Optionen unter Erzherzog Maximilian Differenzierte Konfessionalisierung unter Markgraf Karl Rekatholisierung unter den Bedingungen des Dreißigjährigen Krieges
433 434 435 437 440
Formen: Der Austrag von Konflikten als Kommunikationsvorgang
440
2.1 2.2 2.3
441 445 447
Juristische Argumentationskonzepte Symbolische Kommunikation Konfessionalisierung der Sprache
Bedingungen: Herrschaftsstruktur und konfessionelle Politik 3.1 3.2 3.3
Polyfunktionalität Habsburgs als Herrschaftsträger in unterschiedlichen Kontexten Rolle der Verwaltung in Günzburg und Innsbruck Burgauische Insassen und Struktur der Markgrafschaft
447 448 451 454
4.
Ziele: Landeshoheit und Konfession
456
5.
Konfessionspolitische Interaktion und verdichtete Kommunikation ein Fazit
459
Abkürzungen
465
Quellen und Literatur
467
Index der Personennamen
507
Index der Ortsnamen
517
Α. Einleitung
1. Forschungsstand: Gegenreformation, Rekatholisierung und katholische Reform, Konfessionsbildung und Konfessionalisierung begriffliche Klärungen Es muß in diesem Zusammenhang nicht unternommen werden, ein weiteres Mal die Fruchtbarkeit des Konfessionalisierungsparadigmas bibliographisch unter Beweis zu stellen.1 Notwendig ist es dagegen, das begriffliche Instrumentarium dieser Studie vorzustellen, damit aber zugleich ihre historiographische Position vor dem Hintergrund der Konfessionalisierungsforschung zu bestimmen. Als Wolfgang Reinhard und Heinz Schilling zu Beginn der 1980er Jahre den von Ernst Walter Zeeden 1958 formulierten Begriff der Konfessionsbildung „sozialwissenschaftlich angereichert" zur Konfessionalisierungsthese ausbauten,2 übernahmen sie zugleich die nachmals dem Konfessionalisierungskonzept angerechnete, aber auch angelastete Hypothese von der grundsätzlichen Vergleichbarkeit der christlichen Bekenntnisse in ihrem Entstehungsprozeß. 3 Die spezifisch sozialwissenschaftliche Begriffstransformation präzisierte Wolfgang Reinhard
2 3
Vgl. die Forschungsberichte, Bibliographien oder umfangreichen bibliographischen Notizen von Zeeden, Bibliographie; Schilling, Literaturbericht; Prinz, Fragestellungen; H.R. Schmidt, Konfessionalisierung; Schilling, Confessional Europe; K a u f m a n n , Konfessionalisierung; Schnabel-Schüle, Konfessionalisierungsforschung; Schlögl, Differenzierung, S. 239-243. W. Reinhard, Konfessionalisierung, S. 420. Zeeden, Konfessionsbildung, S. 69, definiert Konfessionsbildung als „die geistige und organisatorische Verfestigung der seit der Glaubensspaltung auseinanderstrebenden verschiedenen christlichen Bekenntnisse zu einem halbwegs stabilen Kirchentum nach Dogma, Verfassung und religiös-sittlicher Lebensform. Zugleich ihr Ausgreifen in die christliche Welt des frühneuzeitlichen Europas; ihre Abschirmung gegen Einbrüche von außen mit den Mitteln der Diplomatie und Politik; aber auch ihre Gestaltung durch außerkirchliche Kräfte, insonderheit die Staatsgewalt". - Schilling, Paradigma, S. 16, bezeichnet es als Grundprinzip des Konfessionalisierungsansatzes, „funktionale Äquivalenzen zu erforschen". Besonders betont Burkhardt, Reformationsjahrhundert, S. 77-135, die „Parallelität und Exklusivität" (S. 132) von drei Bekenntnissen, die mit vergleichbaren Mitteln zu Konfessionskirchen geformt worden seien, aber dabei jeweils (nur) einen Aspekt der vorreformatorischen Kirche hervorgehoben und konfessionell ausgebaut hätten: die Lehre (evangelische Konfessionsbildung), die Organisation (katholische Konfessionsbildung) oder die Praxis („andere und reformierte Konfessionsbildungen", S. 116).
14
Einleitung
einige Jahre später in einem bilanzierenden und ausschauenden Sammelband zur katholischen Konfessionalisierung noch einmal und definierte Konfessionalisierung nunmehr bündig als „planmäßige und allumfassende Änderung menschlichen Verhaltens mit beträchtlichen Folgen für die Politik, besonders die Staatsbildung". Im Gegensatz zur Konfessionsbildung umschreibe Konfessionalisierung nicht mehr einen partiellen kirchengeschichtlichen, sondern einen universalen sozialgeschichtlichen Prozeß, der „mehr oder weniger als eine Variante von ,Sozialdisziplinierung'" zu begreifen sei.4 Im wesentlichen sind damit auch die beiden Ansatzpunkte fur Kritik bezeichnet, denen das Konfessionalisierungskonzept seither ausgesetzt ist: Grundsätzlich gegen die Annahme einer Vergleichbarkeit der Phänomene im katholischen und protestantischen Bereich spricht sich Walter Ziegler aus, da er die für die katholische Kirche Kontinuität verbürgenden Kriterien von Dogma und Hierarchie in ihrer Bedeutung nicht hinreichend gewürdigt sieht.5 Recht besehen, lehnt er damit im Grunde den Konfessionsbegriff ab.6 Ebenso, wenn auch weniger fundamental, kritisiert die Ausblendung dogmatischer Aspekte von evangelischer Seite Thomas Kaufmann, 7 aber auch die allgemeiner, etwa von Anton Schindling und Helga Schnabel-Schüle, beklagte Vernachlässigung unterscheidender Propria in der Erforschung der verschiedenen Konfessionsbildungsprozesse und Konfessionalisierungen hat ihren Ursprung im theologisch nivellierenden Grundzug des Modells.8 - Das Interesse seiner Archegeten für den Staat, genauer dessen Obrigkeiten und Eliten, trug dem Konfessionalisierungskonzept dagegen den Etatismusvorwurf Heinrich Richard Schmidts ein.9 Präzise liegt der Auseinandersetzung hier jedoch im Grunde kein Dissens über die sozialgeschichtliche Dimension des Konzeptes zugrunde, vielmehr eine unterschiedliche Auffassung dessen, was unter ,Staat' zu verstehen sei. Im Hintergrund steht dabei die „Kommunalismustheorie" Peter Blickles.10 - Eher graduell gegen den umfassenden Erklärungsanspruch des Konzeptes, das Konfessionalisierung als „Fundamentalvorgang" der Frühen Neuzeit verstanden wissen will," denn substantiell gegen seine sozialwis4
W.Reinhard, Konfessionalisierung, S. 421; vgl. nochmals ders., Exkurs; vgl. Schilling, Identität, S. 105f. 5 Ziegler, Typen, S. 417. 6 So versteht sich die katholische Kirche selbst „nicht im eigentlichen Sinn als Konfession" (LThK Bd. VI, S. 236). 7 Kaufmann, Konfessionalisierung, S. 1113f., 1116. 8 Pointiert der Vorwurf von Schindling, Konfessionalisierung, S. 12, das Konzept nehme nur die „Außenschalen" wahr, nicht den „Kern, das innere kirchliche Leben"; vgl. SchnabelSchüle, Konfessionalisierungsforschung, S. 29. 9 Vgl. besonders H.R. Schmidt, Sozialdisziplinierung, sowie die Antwort von Schilling, Doppelperspektive. 10 Vgl. resümierend P. Blickle, Kommunalismus. - Mit seiner Kritik an H.R. Schmidt, Konfessionalisierung, hier sei der Eifer historiographischer Schulen am Werk, dürfte W. Reinhard, Rezension, S. 269, die .Blickle-Schule' im Auge haben. '' Schilling, Konfessionalisierung, S. 6.
Forschungsstand
15
senschaftlichen Prämissen gerichtet sind dagegen die Einwände, die Winfried Schulze oder Olaf Mörke erhoben. 12 In einem konzeptionellen Zusammenhang sind diese Einwände bei Rudolf Schlögl aufgehoben, der von systemtheoretischen Prämissen ausgeht und weder Staats- noch Konfessionsbildung als gesellschaftlichen Fundamentalprozeß versteht, sondern jeweils als „Symptom eines solchen Vorganges". Fundamental ist für Schlögl vielmehr die Zersetzung der sozialen, näherhin feudal-hierarchischen Struktur und ihre Ersetzung durch eigenständige Subsysteme, wie sie schließlich die Konfessionskirchen darstellten. 13 Indes führte die vorgebrachte Kritik weder zur Revision des Konzeptes, noch gar zum Verzicht auf den Konfessionalisierungsbegriff- zu stark waren offenbar dessen wissenschafts-pragmatischen Vorzüge; vielmehr versuchten Heinrich Richard Schmidt, aber durchaus auch Heinz Schilling das Konzept um die Perspektive „von unten" zu erweitern 14 und hielten ihre Vorbehalte weder Anton Schindling noch Walter Ziegler von der Herausgabe einer siebenbändigen Reihe zur Erforschung der „Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung" ab.15 Bisweilen wurde „Konfessionalisierung" ohne weiteres synonym für Phänomene der katholischen Reform durch die kirchliche Gewalt des Bischofs verwendet. 16 Andererseits und daneben versuchten Robert Bireley, Anton Schindling und Heinrich Richard Schmidt in Rezeption der französischen Mentalitätsgeschichte ersatzweise den Begriff der „Christianisierung" zu etablie-
12
13
14
15 16
W. Schulze, Sozialdisziplinierung, S. 302, wendet sich gegen eine „Überdehnung" des Sozialdisziplinierungskonzeptes; Mörke, Bedeutung, S. 164, mahnt, „außer- und vorkonfessionelle Dynamisierungsvorgänge" nicht durch eine „allzu forsche Begriffshierarchisierung" zu vernachlässigen. Schlögl, Differenzierung, S. 281. Daß jedenfalls die katholische Konfessionalisierung eine Spielart der fundamentalen „Entfeudalisierung" darstelle, bei der es darum gegangen sei, „Kirchlichkeit in ihrer institutionalisierten Form und sozialen Logik von den Strukturprinzipien der Adelsgesellschaft unabhängig zu machen und als sozialen Handlungsbereich mit eigener Handlungsrationalität zu begreifen" (S. 244), ist allerdings historisch schwer nachvollziehbar, blieb doch die katholische Kirche als Pfründenkirche und als Reichs- bzw. Adelskirche weiterhin feudal strukturiert (in diesem Sinne allerdings ebenfalls einschränkend S. 263, 280). Die beiden Belege, die R. Schlögl wenigstens für die Intention der Entfeudalisierung angibt, vermögen ebensowenig zu überzeugen: Die strengere Forderung der kirchlichen Obrigkeit nach einem priesterlichen Erscheinungsbild (S. 264) betraf j a keineswegs nur den adligen Klerus, noch veränderte die Kleidung bei aller Bedeutung die soziale Struktur des Klerus. Auch die Nominierung Nicht-Adliger zu Bischöfen (das Beispiel Jakob Fuggers als Bischof von Konstanz, 1604-1626, dürfte dabei kaum als Beleg fur eine bürgerliche Karriere zu werten sein) und Prälaten war bereits vor der Reformation möglich und gerade in den schwäbischen Prälatenklöstern üblich. Eher ist umgekehrt fur das 18. Jahrhundert von einer zunehmenden Bedeutung Adliger auszugehen, wie etwa ein Überblick über die Weihbischöfe und Generalvikare der nachmals bayerischen Bistümer zeigt (vgl. Brandmüller, Handbuch, S. 1048-1055). H.R. Schmidt, Sozialdisziplinierung; ders., Tätigkeit, z.B. S. 314; vgl. Ehrenpreis, Konfessionalisierung; Schilling, Doppelperspektive. Schindling/Ziegler, Territorien, Bd. 1-7. Becker, Kurköln.
16
Einleitung
ren, um sowohl die allen Konfessionen gemeinsamen Prozesse zusammenfassen als auch solche Länder berücksichtigen zu können, bei denen die Verwendung des Konfessionsbegriffes deswegen nicht angebracht schien, weil sie nur ein organisatorisch verfestigtes Bekenntnis kannten. 17 Die vorliegende Arbeit verwirft nun weder von vornherein das Konfessionalisierungskonzept zugunsten eines Christianisierungsbegriffes, der suggeriert, den Bereich von Religion und Kirche in seiner Totalität erfassen zu wollen oder gar zu können - dies ist für den avisierten Untersuchungsraum und -Zeitraum schon aufgrund der Überlieferungslage schlicht nicht leistbar - , noch erweitert oder verändert die Studie das Konzept von vornherein im Sinne der Etatismuskritik. Gerade da sie auch Aufschluß zu erhalten versucht über die Zusammenhänge zwischen Konfession und Staatsbildungsprozessen innerhalb eines komplizierten staatsrechtlichen Gebildes wie es die Markgrafschaft Burgau darstellt, erscheint ihr die kritische und enge Definition von Konfessionalisierung als einem „von den Obrigkeiten betriebenen Prozeß" heuristisch den größten Erfolg zu versprechen.18 Um die Tragweite des Konfessionalisierungsmodells als eines übergreifenden Erklärungsansatzes für den Untersuchungsraum auszuloten, muß jedoch gewissermaßen die ,Gegenprobe' genommen und darf die konfessionelle Geschichte der Markgrafschaft Burgau nicht ausschließlich aus der Sicht ihrer habsburgischen Herrschaftsträger beschrieben werden. Wo immer es die Quellen gestatten, soll die Vielzahl konfessionspolitischer Akteure gleichsam in einem ,Inter17
18
H.R. Schmidt, Christianisierung; Bireley, Orden, S. 145; Schindling, Konfessionalisierung, S. 17; vgl. Hersche, Erneuerung. So noch einmal konzise W. Reinhard, Rezension, S. 269, der sich darin im übrigen auch von der offeneren Position Heinz Schillings unterscheidet (vgl. Schilling, Doppelperspektive). Schlögl, Differenzierung, S. 281, wendet sich also gegen Reinhard, wenn er die Identifikation von Konfessionalisierung „primär mit (staatlich betriebener) Kirchenbildung" ablehnt, weil die Analyse damit von einer Differenzierung von Kirche und Staat („Separierung unterschiedlicher sozialer Kommunikations- und Handlungsräume") ausgehe, die doch erst Ergebnis des Prozesses gewesen sei. Das hermeneutische Problem läßt sich jedoch entschärfen, wenn vorderhand nur zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt bzw. Obrigkeit unterschieden wird. - Der Wahl eines Territorium non clausum und eines ländlichen Raumes als Untersuchungsgebiet kommt dabei ein seit einigen Jahren gesteigertes Forschungsinteresse fur Raumordnungskonzepte jenseits territorialer Fixierungen entgegen: Der Frage, in welcher Weise sich regionalgeschichtlicher Ansatz und Konfessionalisierungsparadigma gegenseitig befruchten könnten, widmeten sich gerade in jüngster Zeit verschiedene Tagungen - so im November 1997 die 6. Tagung des Memminger Forums fur Schwäbische Regionalgeschichte (Frieß, Kießling, Konfessionalisierung), im November 1998 eine Tagung des Landkreises Biberach und der Gesellschaft Oberschwaben (Reformation und Katholische Erneuerung in Oberschwaben. In: Heimatkundliche Blätter für den Kreis Biberach 22, Sonderheft); vgl. den Sammelband von Dietz/Ehrenpreis, Region. - Dabei profitiert die Fragestellung von den seit längerem gesteigerten Bemühungen um eine verstärkte Erfassung des ländlichen Raumes im Prozeß der Konfessionalisierung („Der ländliche Raum im Prozeß der Konfessionalisierung" waren zwei Sektionen der Tagung „Die Kirche im Dorf. Ländliche Frömmigkeit in der Frühen Neuzeit" der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart im Mai 2000 überschrieben; vgl. den Tagungsband Haag/Holtz/Zimmermann, Frömmigkeit).
Untersuchungsraum
17
aktionsmodell' miteinbezogen werden. Heinrich Richard Schmidt schlägt ein solches „model interactif de la confessionalisation" vor, um die Dichotomie zwischen Elite bzw. Staat und Gläubigen zu überwinden. Allerdings versteht sich das hier vorgeschlagene Modell als umfassender und beschränkt sich nicht auf die Frage der „cooperation entre Etats et sujets" bzw. „,elites' et , p e u p l e " ' . " Wenn unter diesen Prämissen weiterhin von „Selbstkonfessionalisierung" die Rede ist, dann in dem unspezifischen Sinn, der eine Internalisierung konfessioneller Maßstäbe als Erscheinungsform der Konfessionsbildung bezeichnet. - Unverzichtbar erscheinen damit weiterhin auch die hergebrachten Kategorien von „Konfessionsbildung", „katholischer R e f o r m " , „Gegenreformation" und „Rekatholisierung", um auch j e n e Prozesse benennen zu können, die vorderhand oder im Ergebnis ohne beträchtliche Folgen fur die Politik und besonders ohne Folgen für die Staatsbildung vonstatten gingen, aber nichtsdestoweniger die konfessionelle Gestalt des Untersuchungsraumes prägten. 2 0 Daß sich in der Verwendung speziell des Rekatholisierungsbegriffes die Vorstellung einer wesentlichen Kontinuität von Alter und katholischer Kirche artikuliert, soll dabei nicht verschwiegen werden. 2 1
2. Untersuchungsraum: rechtliche und politische Strukturen der Markgrafschaft Burgau Das gesteigerte Interesse, dessen sich die Markgrafschaft Burgau seit geraumer Zeit in der Forschung erfreut, speist sich aus mehreren Quellen. Als fruchtbar fiir eine Reihe von Einzelstudien erwies sich seit den 1980er Jahren besonders mit den Arbeiten von W o l f g a n g Wüst die historische Atlasforschung, die besonders u m eine Erhellung und Reflexion des eigentümlichen verfassungsrechtlichen Status der Markgrafschaft Burgau als eines Territorium non clausum bemüht ist und in diesem Rahmen auch die Problematik des landeshoheitlichen Ius circa sacra bzw. Ius reformandi berücksichtigt. 2 2 Die ungemein fleißigen, detailgesät-
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H.R. Schmidt, Emden, S. 34. Zur Verwendungsweise der Begriffe Jedin, Katholische Reformation; Bäumer, Erforschung; P. Lang, Konfessionsbildung. Dagegen interpretiert Burkhardt, Reformationsjahrhundert, S. 77-80, alle drei Konfessionen als „Neugründungen des 16. Jahrhunderts" und lehnt konsequent den Rekatholisierungsbegriff als „historiographischen Kunstfehler" ab (S. 79). Aus demselben Grund wendet er sich gegen die Nomenklatur „alt" versus „neu" zur Bezeichnung der Konfessionen (Burkhardt, Alt und Neu, S. 152-171). - Die mittelalterliche Kirche als „römische" Kirche von der katholischen Konfessionskirche abzuheben, um dem Problem aus dem Weg zu gehen (so z.B. Schlögl, Differenzierung), überzeugt dagegen schon deshalb nicht, weil die nachtridentinische viel stärker als die vortridentinische Kirche „römisch" geprägt war. Im übrigen begegnet das Attribut in der Kombination heute auf Seiten der nachtridentinischen, „römisch-katholischen" Kirche. P. Blickle/R. Blickle, Schwaben, S. 32-36; Wüst, Günzburg; ders., Staatlichkeit; ders., Rechtsstreit; ders.; Einleitung zu Kraft, Kunstdenkmäler, S. 1-49 (mit einem umfangreichen Literaturverzeichnis S. 1-6); Wüst, Schwaben; ders., Landeshoheit; ders., Schertlin; ders.,
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tigten und soliden Forschungen des 19. Jahrhunderts haben hierfür die unverzichtbaren Grundlagen gelegt. Vor allem Alfred Schröder beschrieb für eine Vielzahl einzelner Dörfer und Siedlungen innerhalb der Markgrafschaft Burgau die jeweilige Zuordnung von Herrschaftsrechten zu unterschiedlichen Herrschaftsträgern.23 Ihre territorialen und politischen Interessen teilt die historische Atlasforschung mit Forschungen, Tagungen und Ausstellungen, die in jüngster Zeit geradezu Ausdruck einer historiographischen Renaissance des habsburgischen Vorderösterreich sind und, insbesondere in den Arbeiten Franz Quarthals, eine Reihe von Monographien und Sammelbänden hervorgebracht haben. 24 Die eigentümliche Gestalt der Markgrafschaft Burgau als Untersuchungsraum für sozial- und wirtschaftshistorische Fragestellungen fruchtbar zu machen, versuchen dagegen zwei jüngere Augsburger Dissertationen. Sowohl die Studie Sabine Ullmanns über das Landjudentum in der Markgrafschaft als auch die Anke Sczesnys über ländliches Gewerbe und ländliche Gesellschaft im Ostschwaben des 17. und 18. Jahrhunderts sind dabei in Inhalt25 und Methode 26 von den Forschungen Rolf Kießlings angeregt. Beide Arbeiten geben einen Abriß über die politischen und territorialen Strukturen sowie die historische Entwicklung der
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Burgau; ders., Stadtinteressen; ders., Adelskurien. - In weiteren, nach ihrem Informationsgehalt und ihrer Zuverlässigkeit stark disparaten Bänden des HAB findet die Markgrafschaft Burgau Berücksichtigung: H. Bauer, Schwabmünchen; Blickle, Memmingen; Fehn, Wertingen; Hahn, Krumbach; Jahn, Augsburg-Land; D. Schröder, Augsburg; Vogel, Mindelheim; vgl. Kreisbeschreibung Günzburg; Kreisbeschreibung Krumbach; Kreisbeschreibung Neu-Ulm; Lausser, Markgrafschaft. Raiser, Guntia; ders., Carl; Brunner, Beiträge 1863/1864; ders., Beiträge 1865; A. Schröder, Bistum, Bd. 5; ders, Verhältnisse; darüber hinaus finden Orte mit burgauischen Herrschaftsrechten Berücksichtigung in Steichele, Bistum, Bd. 2; ders., Bistum, Bd. 4; A. Schröder, Bistum, Bd. 9; vgl. den Forschungsüberblick von Fried, Landesgeschichtsforschung. Maier/Press, Vorderösterreich; Quarthai, Verwaltung; ders., Landstände; ders., Verfassung; ders., Verankerung; ders., Faix, Habsburger; vgl. die Einleitung von Franz Quarthai zur Neuauflage von Metz, Vorderösterreich. - Die Jubiläumsfeiern in Günzburg und Burgau zur 700. Wiederkehr des Erwerbs der Markgrafschaft durch Habsburg im Jahr 2001 (vgl. die Vorträge und Reden zum 5. Oberschwabentag in Günzburg am 31. März 2001 in: MGO 3 [2001]) sind ebenso Zeichen der Vorderösterreich-Renaissance wie die badenwürttembergische Landesausstellung „Vorderösterreich - nur die Schwanzfeder des Kaiseradlers? Die Habsburger im deutschen Südwesten" im Jahr 1999 (vgl. den Ausstellungskatalog hg. vom Württembergischen Landesmuseum Stuttgart (1999). Im Zusammenhang mit der Landesausstellung veranstaltete die Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart im März 1999 eine wissenschaftliche Tagung zum Thema „Vorderösterreich - Wendepunkte seiner Geschichte"). Vgl. die Arbeiten Rolf Kießlings zum Landjudentum in Ostschwaben (zitiert bei Ulimann, Nachbarschaft, S. 22 Anm. 33, vgl. S. 498-500), sowie dessen zahlreiche Studien zur wirtschaftlichen Struktur des ländlichen Raumes „im Spannungsfeld der Großstädte" (Kießling, Günzburg; vgl. Sczesny, Kontinuität, S. 23 Anm. 46, vgl. S. 386-388). Die Auswahl der untersuchten Ortschaften bei Ulimann, Nachbarschaft, ist von „wirtschaftsgeographischen und herrschaftstypologischen Kriterien" (S. 29) geleitet, die Rolf Kießling in seiner Habilitationsschrift als methodische Grundlage heranzog (ders., Stadt).
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Markgrafschaft Burgau, 2 7 so daß es nur notwendig ist, einige, im Kontext dieser Studie wichtige Aspekte noch einmal hervorzuheben: 2 8 In der Kontroverse um kirchenhoheitliche Rechte erweist sich zum einen die Frage nach der herrschaftsrechtlichen Struktur der Markgrafschaft als juristisch, zum anderen die Frage nach der Organisation der zugrundeliegenden Interessen als politisch von Bedeutung. Die Markgrafschaft Burgau befand sich seit 1301 in habsburgischem Besitz. 29 Als Teil der „Vorderen Lande" bzw. „Schwäbisch-Österreichs" 3 0 unterstand sie bis zu den Verwaltungsreformen Maria Theresias 1753 der ober- und vorderösterreichischen Regierung in Innsbruck. 31 Auch in den Jahren 1609 bis 1618, als die Markgrafschaft zusammen mit der Landgrafschaft Nellenburg, den Vogteien Ach und Tengen und der Grafschaft Hohenberg in Karl von Burgau einen eigenen habsburgischen Regenten besaß, der seine Residenz in Günzburg nahm, waren die auch administrativen Beziehungen nach Innsbruck keineswegs gänzlich abgebrochen. 32 Die pfandweise Übertragung herrschaftlicher Rechte, die Habsburg nach der Ü b e r n a h m e der Markgrafschaft Burgau in unterschiedlichem U m f a n g immer wieder vornahm, 3 3 führte wiederholt zur schriftlichen Fixierung des burgauischen Grenzverlaufs. Von im einzelnen abweichenden Bestimmungen abgesehen, 3 4 wurde danach das Gebiet der Markgrafschaft im Norden begrenzt vom Lauf der Donau von Nersingen an über Günzburg bis zur Lechmündung, von dort, im Osten, lechabwärts bis zur M ü n d u n g der Wertach und flußaufwärts bis Türkheim; im Süden durch eine von Türkheim west-nordwestlich nach Christertshofen verlaufende Linie und von hier aus im Westen durch eine Linie bis zur M ü n d u n g der Leibi in die Donau. 3 5 Für den U m f a n g dieses Gebietes sahen sich die habsburgi27
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Ulimann, Nachbarschaft, S. 46-53; Sczesny, Kontinuität, S. 31-33. - Vgl. den jüngsten Gesamtabriß zur Geschichte der Markgrafschaft Burgau, insbesondere ihres Vorortes Günzburg, in Kraft, Kunstdenkmäler, S. 1-49. Zur Abfolge der habsburgischen Regenten im Untersuchungszeitraum sowie zur Integration der Markgrafschaft Burgau in die österreichische Verwaltungsstruktur vgl. Kap. C. 1., speziell zur Regentschaft Markgraf Karls in den Jahren 1609-1618 Kap. Β. II. 3.3. Für die Zeit bis zum Übergang an Habsburg ausfuhrlich Brunner, Beiträge 1863/1864; vgl. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 12-33. Zur Terminologie bzw. habsburgischen Herrschafts- und Verwaltungsgliederung Stolz, Beschreibung, S. 24-50; Sapper, Landstände, S. 28-31; Speck-Nagel, Landstände, S. 17f. Stolz, Beschreibung, S. 60-66; Stemmler, Behördenorganisation; Stolz, Verhältnis; Hye, Beziehungen; Stievermann, Vorlande, S. 256-261; für die Zeit ab 1753 (bis 1806) Quarthai, Verwaltung. Kap. Β. II. 3.3.2. Kraft, Kunstdenkmäler, S. 20f.; zu den Motiven der habsburgischen Verpfandungspolitik Wüst, Günzburg, S. 38 Anm. 59. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 45-47; Wüst, Günzburg, S. 45f. A. Schröder, Verhältnisse, S. 162; vgl. die Edition der ausfuhrlichen Grenzbeschreibung von 1478 in: Monumenta Habsburgica, S. 430f.
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sehen Herrschaftsinhaber bis zur Auflösung der Markgrafschaft Burgau im Frieden von Preßburg (1805 Dezember 25) im Besitz der Landeshoheit, da sie sich mit Appellation, Geleit, Forst- und Wildbann, besonders aber Hochgericht glaubten auf territorial weitgehend geschlossene Gerechtsame stützen zu können. 36 Durch Niedergerichtsbarkeit und Grundherrschaft oder andere Ansprüche ergänzt wurden diese Rechte allerdings nur in sehr begrenzten „Zonen habsburgischer Herrschaftsverdichtung", 37 den Kameralorten und Dominien, besonders den vier Orten Günzburg, Burgau, Hochwang und Scheppach, 38 die als österreichische Landsassen auch die schwäbisch-österreichischen Landtage beschickten. 39 Auf der anderen Seite war selbst die burgauische Hochgerichtsbarkeit faktisch auf mehrfache Weise eingeschränkt, da einzelne Herrschaftsbereiche dem habsburgischen Hochgericht völlig entzogen waren, der Blutbann (bis 1587) auf die vier fraischlichen Fälle von Mord, Totschlag, Brandstiftung und schwerem Diebstahl beschränkt war und darüber hinaus die Strafverfolgung in Kooperation mit den Ortsherrschaften zu erfolgen hatte.40 Den Ansprüchen Habsburgs auf landeshoheitliche Rechte über alle Untertanen innerhalb der beschriebenen Grenzen traten die burgauischen „Insassen" entgegen. Als „Eingesessene", deren gesamter Besitz in der Markgrafschaft lag, oder als „Begüterte", deren Besitz nur teilweise innerhalb, teilweise aber zusammen mit dem herrschaftlichen Sitz außerhalb der Markgrafschaft lag,41 verfügten sie, nicht Habsburg, in den weitaus meisten Orten der Markgrafschaft Burgau über grundherrschaftliche und niedergerichtliche Rechte. Ortsherren wie die Städte Augsburg oder Ulm, genauer: deren Stiftungen und Bürger, die Klöster Roggenburg oder Ursberg oder die Adelsfamilien Freiberg oder Schertlin besaßen dabei zugleich Reichs- bzw. Kreisstandschaft oder waren der Reichsritterschaft angegliedert. Einer Beschickung österreichischer Landtage verweigerten sie sich aus diesem Grund konsequent, um nicht in die Landsässigkeit abzusinken. 42 Gleichwohl bemühten sie sich aber um die Bündelung und gemeinsame Vertretung ihrer Interessen und Ansprüche gegenüber der Markgrafschaft bzw. deren habsburgischen Regenten. Den ersten entscheidenden Schritt in diese Richtung markiert dabei die Zahlung des ,Feuerstattguldens' durch die Insassen: Für jedes ihrer Anwesen in der
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Wüst, Rechtsstreit, bzw. ders., Landeshoheit. P. Blickle/R. Blickle, Schwaben, S. 33. Alfred Schröder und Wolfgang Wüst verwenden den Begriff „Kameralort" in unterschiedlicher Weise (Kap. Β. II. 1. Anm. 23). Sapper, Landstände, S. 127; Quarthai, Landstände, S. 26-37; vgl. Blickle, Strukturprobleme. Kap. C. 2.1; Brunner, Beiträge 1865, S. 100-104; A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 55-58; P. Blickle/R. Blickle, Schwaben, S. 33; Wüst, Günzburg, S. 43, 57f. sowie die Karte zur Hochgerichtsbarkeit im Anhang. Die Differenzierung ist für den vorliegenden Zusammenhang nicht weiter erheblich (A. Schröder, Verhältnisse, S. 164). P. Blickle/R. Blickle, Schwaben, S. 35.
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Markgrafschaft, j e d e Feuerstatt in ihrem Besitz, hatten sie König Maximilian I. (1486-1519) im Jahre 1492 einen Gulden entrichtet, um ihm so z u s a m m e n mit Kreditgebern die Auslösung der Markgrafschaft aus bayerischer Pfandschaft bzw. deren Rückkauf zu ermöglichen. 4 3 - Das damals erstellte Feuerstattguldenregister stellt eine wichtige Quelle f ü r die Besiedlung und Besitzstruktur der Markgrafschaft Burgau zu Beginn der Frühen Neuzeit dar. - 4 4 Im Gegenzug bestätigte ein .Privilegium Maximiliani', der ,Freiheitsbrief bzw. die ,Feuerstattguldenfreiheit' von 1492 Februar 2, den Insassen ihre hergebrachten Rechte, besonders das der Niedergerichtsbarkeit auf ihren Gütern, fixierte aber auch den burgauischen Blutbann über die vier Fälle. 45 Die Entrichtung des Feuerstattguldens sollte für die künftigen Auseinandersetzungen zwischen Österreich und den Insassen der Markgrafschaft eine ambivalente Rolle spielen, denn interpretierten die Insassen die Zahlung des Guldens als freiwillige Leistung, die gewissermaßen den Verzicht Habsburgs auf landeshoheitliche Ansprüche erkauft habe, 46 so sah die habsburgische Seite umgekehrt darin die Abgabe einer Art Landsteuer, mithin eine Anerkennung ihrer landeshoheitlichen Stellung. 47 Zahlung des Feuerstattguldens und Feuerstattguldenfreiheit hatten wesentlich zur Formierung und Formulierung einer insassischen Interessengemeinschaft beigetragen. Die Kontroversen, die sich aus den gegensätzlichen Interpretationen des Freiheitsbriefes unmittelbar ergaben, 4 8 führten schließlich zur Institutionalisierung dieser Interessengemeinschaft. Erstmals entsandten 1569 Domkapitel und Hochstift, Prälatenstand, Kanton Donau der Reichsritterschaft und die Reichsstädte Augsburg und Ulm jeweils einen Vertreter zu einem ,Engeren' Ausschuß der Insassen der Markgrafschaft Burgau. Das zunächst vierköpfige Gremium trat überwiegend außerhalb der Markgrafschaft, und zwar in Augsburg, zusammen. Vorsitzender des Engeren Ausschusses war für das Hochstift Augsburg als dem ranghöchsten und bedeutendsten Insassen der Bischof von Augsburg. 1576 wurde dem Engeren ein Großer Ausschuß zugeordnet, der theoretisch von allen ,Eingesessenen' und ,Begüterten' beschickt wurde. Die daraus resultierende starke Fluktuation der Mitglieder erschwerte die Entscheidungsfindung des Großen Ausschusses und h e m m t e seine Wirksamkeit. Im Gegensatz zum Engeren Ausschuß 43
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Die Zeit der wittelsbachischen Pfandschaft (1486-1492) mußten die Insassen als Gefährdung ihrer verhältnismäßig selbständigen Position empfinden, da Herzog Georg der Reiche ihnen gegenüber eine konsequente Territorialisierungspolitik verfolgte (Kraft, Kunstdenkmäler, S. 21). Vgl. die Edition von Nebinger/Schuster, Feuerstattguldenregister. Brunner, Beiträge 1865, S. 100-104; A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 55-58; P. Blickle/R. Blickle, Schwaben, S. 34; Wüst, Günzburg, S. 43 Anm. 94. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 43f„ 55. Z.B. StAA, V Ö , Lit. 649, 1579 Juli 14, fol. 397 v ; ebenso StAA, VÖ, Lit.653, 1608 Januar 28, fol. 104 r ; vgl. in diesem Sinne auch die Interpretation von P. Blickle/R. Blickle. Schwaben, S. 34 mit Anm. 46; dezidiert als „Steuerleistung" bezeichnet W o l f g a n g Wüst die Zahlung des Feuerstattguldens (Kraft, Kunstdenkmäler, S. 20 A n m . 51). A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 54-59.
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wurde er nie als Vermittler in Prozeßfällen aktiv.49 Die Etablierung des Großen Ausschusses stand in unmittelbarem Zusammenhang mit Verhandlungen, die im selben Jahr unter Vermittlung einer kaiserlichen Kommission in Donauwörth stattfanden und deren Vereinbarungen nach einiger Verzögerung 1587 als „Burgauische Interimsmittel" die strittigen Rechtsauffassungen bis zu ihrer endgültigen Klärung durch das RKG gütlich regeln sollten. Dazu kam es nicht, vielmehr wurden die Interimsmittel 1653 „perpetuiert" - Ergänzungen und Erweiterungen folgten im „Eventualrezeß" 1682 - 5 0 und blieben so bis zur Auflösung der Markgrafschaft Burgau (1805) in Kraft. 51
3. Untersuchungszeitraum Als zeitlichen Anfangs- und Endpunkt dieser Studie den Augsburger Religionsfrieden (1555) bzw. den Friedenschluß zu Münster und Osnabrück (1648) zu wählen folgt vorderhand einer herrschenden historiographischen Konvention, die sich auf die politische, zumal konfessionspolitische Bedeutung der beiden zentralen Friedenswerke berufen kann.52 Denn zum einen sprach der ARF in reichsrechtlich verbindlicher Form allen Ständen des Reiches - unter Einschluß der Reichsritterschaft - das Ius reformandi zu, ein Recht, das knapp hundert Jahre später am Ende des Dreißigjährigen Krieges in seiner prinzipiellen Gültigkeit noch einmal bestätigt, faktisch durch die Festlegung eines Normaljahres als Bezugspunkt für die konfessionelle Bestimmung jedoch suspendiert wurde, wodurch der mittlerweile erreichte konfessionelle Status im allgemeinen fixiert war.53 Da49
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Zu den Insassen-Gremien der Markgrafschaft Burgau Wüst, Günzburg, S. 54 f., bzw. ders., Adelskurien. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 61; Wüst, Günzburg, S. 53. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 58-61; Wüst, Günzburg, S. 57; Text der Interimsmittel: TLA, Handschriften, Hs. 5300; in der Form von 1653 sind sie ediert bei P. Blickle/R. Blickle, Schwaben, S. 457-464, Nr. 141; vgl. die Zusammenfassung bei Jahn, Augsburg-Land, S. 410-413. „Als eigentlichen Beginn der Konfessionalisierung" (H.R. Schmidt, Konfessionalisierung, S. 111) interpretieren den ARF (1555) Wohlfeil, Einführung, S. 37-43; M. Heckel, Deutschland, S. 56; Schröer, Kirche; W. Schulze, Geschichte, S. 253-282; Schilling, Konfessionalisierung, S. 14f., der sich aus dem Konfessionalisierungsansatz gleichwohl eine Überwindung des Epocheneinschnitts von 1555 erhofft (S. 7f.), sowie Robisheaux, Society, S. 2. Noch größere Einigkeit besteht - dazu bedarf es keiner Belege - hinsichtlich der epochalen Zäsur des Westfälischen Friedens. Die Jahre zwischen 1555 und 1648 als Rahmen ihrer Darstellungen wählen Zeeden, Zeitalter, und wiederum die 10., völlig neu bearb. Aufl. des Gebhardt-Handbuches der Deutschen Geschichte (Lanzinner, Zeitalter; Schormann, Dreißigjähriger Krieg); vgl. Klueting, Zeitalter; Schindling, Verspätete Konfessionalisierungen; abweichend in der Begründung Dülmen, Entstehung, S. 10-18. Unter reichsverfassungsrechtlicher Perspektive erscheint dieselbe Periodisierung ohnedies selbstverständlich (vgl. etwa Willoweit, Verfassungsgeschichte). Zusammenfassend zu Inhalt und Bedeutung des ARF und des Westfälischen Friedens HRG Bd. I, S. 259f.; HRG Bd. V, S. 1302-1308, sowie jetzt W. Reinhard, Probleme, S. 350-356, und Schormann, Dreißigjähriger Krieg, S. 270-276; zur Bedeutung des ARF speziell für das
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mit war durch das Reichsrecht j e n e r Rahmen gesetzt, innerhalb dessen die Ausdifferenzierung und „geistige und organisatorische Verfestigung" unterschiedlicher Kirchentümer 5 4 ihren Lauf nehmen und durch sozialdisziplinierende Prozesse „beträchtliche Folgen für die Politik, besonders die Staatsbildung" zeitigen konnte. 55 Mithin wird das knappe Jahrhundert zwischen 1555 und 1648 im allgemeinen begriffen als die hohe Zeit der Konfessionsbildung bzw. der Konfessionalisierung. 56 Zumal f ü r die Untersuchung der Entwicklungen im katholischen Bereich kann eine solche Periodisierung zusätzliche Plausibilität beanspruchen, weil nicht lange nach dem A R F gerade hier die dogmatische Präzisierung, liturgische Reform und personelle Reorganisation des Bekenntnisses durch das Konzil von Trient entscheidende Anstöße gewann. Speziell im Blick auf den Untersuchungsraum bietet sich die Wahl der Mitte des 16. Jahrhunderts als zeitlichen Ausgangspunktes zudem aus besitzrechtlichen Gründen an, denn nach über 60 Jahren der V e r p f a n d u n g (seit 1498) an das Hochstift Augsburg löste Erzherzog Ferdinand I. (seit 1531 König, seit 1558 Kaiser) die Markgrafschaft 1559 Oktober 24 aus den Händen ihres Pfandschaftsinhabers Kardinal Otto (1543-1573) wieder aus. Abgesehen von partiellen Verpfändungen endete damit die lange Ära immer neuer Pfandschaften, und Regierung und Verwaltung der Markgrafschaft lagen nun ganz in der Verantwortung der habsburgischen Herrschaftsinhaber. 5 7 Hinzu kam, daß wenige Jahre später der Tod Ferdinands (1564) eine Teilung der österreichischen Lande zur Folge hatte, die tatsächlich nicht eine Schwächung der habsburgischen Position, vielmehr Vorteile für eine stärkere herrschaftliche Durchdringung der „labilen Herrschaftskomplexe" bedeutete, weil sie - auch für die ober- und vorderösterreichischen Lande - eine verstärkte Konzentration der einzelnen Regenten auf ihre Landesteile gestattete. 58 Bei genauerem Hinsehen jedoch enthüllen sich die zur Definition des Untersuchungszeitraumes vorgebrachten Argumente als durchaus erläuterungsbedürftig. Denn zum einen hatte der A R F weder einen Impuls für weitere insassische Reformationen innerhalb der Markgrafschaft gebracht, waren Orte wie Holzheim, Lützelburg und Burtenbach zum Teil bereits seit Jahren und Jahrzehnten evangelisch bzw. sind reformatorische Initiativen in Unterrohr und einer Reihe weiterer Orte erst Jahre später zu registrieren. Auch scheint Skepsis angeraten, die durch
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katholische Kirchenwesen Willoweit, Konfessionalismus, S. 231 f. - Deutlich betont Schindling, Konfessionalisierung, S. 35, die Zäsur des Dreißigjährigen Krieges. Ab diesem Zeitpunkt habe die Konfessionalisierung ihren offensiven Impetus abgelegt und sich beschränkt oder konzentriert auf die „innere Geschichte der Konfessionalisierung im Kreise der Gläubigen". Zeeden, Konfessionsbildung, S. 69. W. Reinhard, Konfessionalisierung, S. 421. Vgl. H.R. Schmidt, Konfessionalisierung, S. 110-115. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 52; Zoepfl, Bischöfe, S. 421 Anm. 1238; Kraft, Kunstdenkmäler, S. 20f. Hirn, Ferdinand II., Bd. 1, S. 41-53; Lanzinner, Zeitalter, S. 52.
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Einleitung
die Auslösung der hochstiftischen Pfandschaft gesetzte Zäsur in ihrer Bedeutung allzu hoch zu veranschlagen. Der Blick auf die Vorgänge um die Ausschaffung des von Augsburg 1544 eingesetzten evangelischen Prädikanten in Mindelaltheim durch Landvogt und Landvogtknechte - nicht etwa durch die Amtleute des bischöflichen Pfandschaftsinhabers - im Jahr darauf erinnert daran, daß die Verpfandung der Markgrafschaft weder die völlige Suspension der burgauischen Verwaltungsorganisation zur Folge hatte, noch den grundsätzlichen Rückzug des habsburgischen Pfandherren aus Aufmerksamkeit und Verantwortung bedeutete. 59 Vielmehr macht das Geschehen die besitzrechtliche Natur der Verpfändung mit ihren primär fiskalischen Konsequenzen bewußt. 60 - Zum anderen bedeutet auch der Westfälische Friede nicht einfachhin einen Endpunkt für die Bemühungen um die konfessionelle Homogenisierung der Untertanen. Eine Reihe von Periodisierungsvorschlägen zur Konfessionalisierung berücksichtigt diesen Befund und fordert konsequent die Prolongierung der Beobachtungszeiträume. 61 Dennoch erscheint für die vorliegende Studie bei aller notwendigen Einschränkung die gewählte Definition des Untersuchungszeitraumes unter bestimmten Voraussetzungen als vertretbar und sinnvoll. Juristisch prägte die Bezugnahme auf die Regelungen des ARF die Auseinandersetzungen zwischen der Markgrafschaft und ihren evangelischen Insassen, denn die dissimulierende Verknüpfung von Reformationsrecht und Reichsstandschaft konvergierte mit dem zentralen Problem, wem innerhalb der Markgrafschaft Burgau landeshoheitliche Gewalt zukomme. 62 Administrativ ging die Auslösung der hochstiftischen Pfandschaft durchaus mit einer erkennbaren Intensivierung der habsburgischen Präsenz einher, denn erst jetzt wurde man in Günzburg und Innsbruck auf das evangelische Bekenntnis in den Dörfern Holzheim und Lützelburg aufmerksam und unternahm von sich aus Schritte zu deren Rekatholisierung. Die angemessene Berücksichtigung der Reformationsgeschichte der untersuchten Orte auch vor 1559 vermag dabei am Einzelfall die Wahl des zeitlichen Ausgangspunktes zu stützen und die Annahme einer Zäsur zu bestätigen. Wenigstens faktisch ist damit zugleich dem Vorwurf begegnet, rechtsgeschichtlicher (Zäsur durch den ARF) und ereignisge59 60 61
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Kap. Β. 1.1.2. HRGBd. III, S. 1684. So sei der Dreißigjährige Krieg, dezidiert Schindling, Konfessionalisierung, S. 26, vielfach erst Ausgangspunkt fur die Ausbildung konfessioneller Identität gewesen; speziell zum katholischen Bereich S. 35; vgl. Schnabel-Schüle, Konfessionalisierungsforschung, S. 24, 40; ebenso die Forderung W. Reinhards, Konfessionalisierung, S. 432, für den europäischen Kontext. Stievermann, Politik, löst den Anspruch durch eine Ausweitung des Untersuchungszeitraumes in das 18. Jahrhundert hinein ein. M. Heckel, Konfessionalisierung, S. 213f., spricht mit Bezug auf die „doppelkonfessionell schillernden Kompromißformeln" im Recht des konfessionellen Zeitalters von „Doppeldeutigkeit und Dissimulieren". Der analoge Vorgang ist auch auf verfassungsrechtlicher Ebene nicht zu verkennen, wenn zwar Kirchenhoheit und Reichsstandschaft in scheinbarer Klarheit verknüpft, die Klärung der kontrovers interpretierten Tragweite des Reichsstandschaftsbegriffes jedoch künftigen juristischen und politischen Prozessen vorbehalten bleibt.
Fragestellungen, Untersuchungsmethode, Konzeption und Quellen
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schichtlicher Ansatz (Wiedereinlösung der Pfandschaft) unterliefen die strukturgeschichtliche Perspektive dieser Studie. 63 - Auch die Exemtion der habsburgischen Lande von der Normaljahrsregelung des Westfälischen Friedens zeitigte keine Konsequenzen, denn abgesehen von einem folgenlosen juristischen Geplänkel in der Kontroverse zwischen Erzherzog Leopold V. und der Reichsstadt Ulm um die Rekatholisierung Holzheims im „Ulmer W i n k e l " zwischen Iiier und Donau, 6 4 blieb es beim konfessionellen Status in der Markgrafschaft: N a c h d e m zuletzt auch Holzheim rekatholisiert war (1627/35), stellte die reichsritterschaftliche Herrschaft Burtenbach fur die Z u k u n f t die einzige evangelische Enklave innerhalb der Markgrafschaft Burgau dar.
4. Fragestellungen, Untersuchungsmethode, Konzeption und Quellen65 Zwei Fragen stehen am Beginn dieser Studie; ein doppeltes Erkenntnisinteresse bildet den Ausgangspunkt der Überlegungen: Wie fand die Markgrafschaft Burgau im Verlauf des 16. Jahrhunderts und bis zum Westfälischen Friedensschluß zu ihrer nahezu vollständig homogenen konfessionellen Gestalt (1) und welche Bedeutung hatte dieser Prozeß für die Territorialisierung und herrschaftliche Durchdringung dieses Gebietes (2)? (1) Die erste Frage zu formulieren heißt, sich zu wundern. Die Markgrafschaft Burgau war keineswegs zu j e d e r Zeit einfachhin katholisch. Menschen, die in ihr lebten, Herrschaftsträger, die in ihr mit Gütern und Rechten ausgestattet waren, zeigten über Jahrzehnte hinweg Sympathien mit reformatorischem Gedankengut, entwickelten Initiativen zur Reformation und lebten ihr Bekenntnis in evangelischen Gemeinden: Von ausgeprägter Virulenz waren reformatorische Tendenzen unter der Bevölkerung während des Bauernkrieges; dokumentiert ist die breite Beteiligung von Untertanen aus der Markgrafschaft an der Revolution. 6 6 Interessen und Begehrlichkeiten der protestantischen Reichsstädte Augsburg und Ulm richteten sich - in aller Deutlichkeit während des Schmalkaldischen Krieges - auf 63
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So die Kritik von K a u f m a n n , Konfessionalisierung, S. 1113, an H.R. Schmidt, Kontessionalisierung; vgl. Rabe, Rezension, S. 401-405. H H S t A W , Repertorium Ν, K. 7 (F. VI, P. II, Nr. I), 1649 April 19; Kap. Β. I. 3.3. Einen Einblick in die komplizierte Überlieferungslage für Vorderösterreich im allgemeinen und die Markgrafschaft Burgau im besonderen und gleichzeitig eine Orientierungshilfe für die archivalische Arbeit geben Springer, Archivalien; Dörrer, Vorderösterreich; Jaroschka, Archivbestände. - Die Überlieferungssituation soll hier nur in ihrem Verhältnis zur Konzeption der Arbeit Berücksichtigung finden. Ausführlich dargestellt ist die Quellenlage mit ihren im einzelnen abweichenden Provenienzen jeweils in eigenen Anmerkungen für die besonders umfangreich überlieferten Vorgänge in Lützelburg, Unterrohr, Holzheim und Günzburg (Kap. Β. I. 1. Anm. 120, Kap. Β. I. 2. A n m . 48, Kap. Β. I. 3. Anm. 39, Kap. Β. II. 3. Anm. 6 sowie Anm. 66). Baumann, Quellen.
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das Gebiet der Markgrafschaft. Deren Dörfer und Herrschaften blieben auch nach 1547 weiterhin eng verbunden mit den evangelischen Reichsstädten Ulm und Memmingen und dem bikonfessionellen Augsburg, weil weiterhin die ökonomische Verflechtung einen strukturellen Grundzug ihres Verhältnisses ausmachte und weil weiterhin Bürger und reichsstädtische Klöster und Stiftungen über Grundbesitz innerhalb der Markgrafschaft verfugten, Ortsherren waren oder das Patronatsrecht ausübten. Einmal aufmerksam geworden auf diese Zusammenhänge, häufen sich die Beobachtungen und werden mit einem Mal reformatorische Initiativen und Neigungen an vielen Stellen der Markgrafschaft greifbar. Von einer homogenen konfessionellen Situation in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und noch darüber hinaus kann nicht (mehr) die Rede sein. Dagegen läßt sich nach 1648 nur noch eine einzige evangelische Enklave innerhalb des Gebietes der Markgrafschaft Burgau ausmachen, deren konfessionelle Einheitlichkeit damit weitgehend erreicht schien. Wie kam es dazu?67 (2) Die Frage nach den Ursachen und Verantwortlichkeiten für den offenbaren Wandel zielt unter rechtshistorischen Prämissen vorderhand auf eine Klärung von Kirchenhoheit und Ius reformandi, in deren Besitz sich der Landesherr oder, wie es der ARF formuliert, die Stände des Reiches befanden. 68 Für das Untersuchungsgebiet ist damit ein schwerwiegendes Problem aufgeworfen, denn bis zur Auflösung der Markgrafschaft Burgau im Frieden von Preßburg (1805) widersprachen die reichsständischen „Insassen", die ebenfalls über Herrschaftsrechte in Märkten, Dörfern und Flecken der Markgrafschaft verfugten, dem Anspruch der habsburgischen Markgrafen auf Landeshoheit in den insassischen Herrschaften. Zwangsläufig ergaben sich hier konfliktträchtige Implikationen, wenn insassische Herrschaftsträger von der konfessionellen Orientierung des präsumtiven Landesherrn abwichen. Das Konfessionalisierungsparadigma im Kopf, führt dieser Umstand zu einer spannenden Doppelfrage: Was trugen unter solchen Voraussetzungen die habsburgischen Herrschaftsinhaber zur konfessionellen Homogenisierung der Markgrafschaft bei und welche Rückwirkungen mochte ihre Politik auf die territoriale 67
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Führt man sich die Lage der Markgrafschaft Burgau zwischen den Reichsstädten Augsburg, Ulm und Memmingen sowie die Nähe zumal ihrer Hauptorte Burgau und Günzburg zum pfalz-neuburgischen Territorium vor Augen, so scheinen die Überlegungen Anton Schindlings diesem Untersuchungsraum kongenial zu sein. Schindling definiert Konfessionalisierung als „im präzisierten Sinne ein Phänomen der konfessionellen Grenz- und Konflikträume [...], wo das Erlebnis, die Wahrnehmung und die Deutung der Nachbarschaftskonkurrenz zu außergewöhnlichen Anstrengungen führten. Angestrengtheit und Bewährungszwang würden im besonderen die konfessionalisierten Erfahrungen und Verhaltensweisen der Menschen in diesen Grenzräumen charakterisieren" (Schindling, Konfessionalisierung, S. 20). WWKL Bd. X, S. 891f.; Bonin, Bedeutung, S. 1; HRG II, S. 498f.; Haberkern/Wallach, Hilfswörterbuch, Bd. 2, S. 514; Walder, Religionsvergleiche, S. 47f.
Fragestellungen, Untersuchungsmethode, Konzeption und Quellen
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Gestalt des von ihnen beanspruchten Herrschaftsgebildes zeitigen? Schließlich: Welche Konsequenzen könnte die Beantwortung dieser Frage f ü r die Beurteilung des Konfessionalisierungsansatzes mit sich bringen? Beide Fragestellungen legen einen spezifischen methodischen Zugriff nahe: Die konfessionelle Situation in der Markgrafschaft soll vorderhand aus der Perspektive der österreichischen Politik in den Blick g e n o m m e n werden. Die skizzierten territorialherrschaftlichen Defizite der Markgrafschaft Burgau lassen dabei grundsätzliche Skepsis gegenüber flächendeckenden Operationen als angeraten erscheinen: Wenn nicht von vornherein vermutet werden soll, was in Innsbruck für die Markgrafschaft insgesamt bestimmt wurde, sei dort auch unterschiedslos rezipiert worden, wenn also konfessionelle Politik nicht auf den Erlaß normativer Vorgaben reduziert werden soll, erweist sich zunächst die Untersuchung konkreter Konfliktlagen als praktikabler Weg, um religiöse und kirchliche, näherhin konfessionelle Veränderungen innerhalb der Markgrafschaft zu registrieren, zu verfolgen und in ihrer Entwicklung zu deuten. Die Durchsicht der seriellen Überlieferung Innsbrucker 6 9 und burgauischer 7 0 Provenienz sowie der einschlägigen Sachakten 7 1 erlaubt dabei eine recht zuverlässige Orientierung über die bestehenden Auseinandersetzungen. Die Untersuchung setzt mit anderen Worten dort an, w o die habsburgischen Herrschaftsträger auch nachweislich involviert waren. Daß in den jeweiligen Konfliktlagen mit den Insassen j e neue Mischungen von Herrschaftsrechten zum Tragen kamen, deren Bedeutung f ü r die konfessionelle Politik j a nicht von vornherein abzuschätzen ist, fordert die a u f m e r k s a m e Analyse des Einzelfalles. Der methodische Zugriff über Fallbeispiele ist also die notwendige Folge einer mangelnden Territorialität des Untersuchungsraumes. Die Untersuchung beschränkt sich indes nicht auf j e n e Orte, in denen es zur Einführung evangelischer Prädikanten g e k o m m e n war und Versuche zu deren A u s s c h a f f u n g unternommen wurden (Kapitel I: Konfessionelle Konflikte zwischen der Markgrafschaft Burgau und ihren Insassen: Lützelburg, Unterrohr, Holzheim und Burtenbach), 7 2 sondern hält den Blick offen für die Situation in 69
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TLA, GR, A/E; TLA, GR, K/A; TLA, KKW, A/E. Der in Arbeitsgemeinschaft Alpenländer, Staats- und Landesarchive, S. 160-194, beschriebene Aufbau des TLA ist mittlerweile, was die Kopialbuchüberlieferung anlangt (S. 171), neu strukturiert worden; vgl. Stemmler, Behördenorganisation, S. 192f., 195f. VÖ, Lit. 646 bis 656, Briefauslaufregister der oberösterreichischen Regierung hinsichtlich Burgaus 1523-1660 [jetzt Generallandesarchiv (GLA) Karlsruhe, Bestand 79 Ρ 12 Nr. lOOOff.; mikroverfilmt im StAA]; vgl. zu diesem Bestand Ottnand, Schwabenbücher. TLA, Sei. Ferd.; TLA, Sei. Leop. (allg. Leop.); TLA, Sammelakten. Nicht berücksichtigt wurde die bei Roth, Angelberg, aufgearbeitete Reformationsgeschichte von Angelberg (vgl. TLA, HR, Sei. Ferd, Pos. 132 (3), 1576 Januar 4, 1576 Januar 7, 1576 Januar 14, 1576 Februar 1, 1576 Februar 17, 1576 Mai 8, 1576 Mai 21, 1577 Januar 31, 1577 Februar 25; A B A , SAPr 2, 15; ABA, SAPr 3, 17), weil sich im Laufe der Auseinandersetzung sehr rasch herausstellte, daß die Markgrafschaft Burgau gegenüber Konrad von Riedheim keine landeshoheitlichen Rechte geltend machen konnte und wollte.
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Einleitung
jenen Orten, in denen dem weiteren Ausbau reformatorischer Initiativen ein vorzeitiges Ende beschieden war (Burgwaiden, Pfersee, Bocksberg, Laugna und Emersacker). - Auf diese Weise kann dem Fehler begegnet werden, die konfessionelle Situation in der Markgrafschaft von ihrem katholischen Ergebnis her aufzurollen und damit sowohl das reale Konfliktpotential zu unterschätzen als auch lange Dauer, Widrigkeiten und offene Situationen auf dem Weg zur konfessionellen Homogenität zu verkennen. Um nicht wesentliche Entwicklungen vor Beginn des Untersuchungszeitraumes unberücksichtigt zu lassen, soll aus demselben Grund jedem Fallbeispiel neben einer Darstellung der herrschaftsrechtlichen Situation ein Rückblick auf die konfessionelle Vorgeschichte vorausgeschickt werden, soweit dies Überlieferung und Forschungslage gestatten. Auf der anderen Seite ist es schon aus arbeitsökonomischen Erwägungen heraus nicht möglich, darüber hinaus alle Orte und Herrschaften innerhalb der Markgrafschaft, also auch jene, in denen Konflikte um die Konfession nicht überliefert sind, auf mögliche konfessionelle Impulse hin zu untersuchen, die von österreichischer Seite ausgingen. Freilich darf die Überlegung Plausibilität beanspruchen, daß positive Impulse über bloße Rekatholisierungsmaßnahmen hinaus ohnedies gerade in jenen Orten zu erwarten sein dürften, deren konfessionelle Labilität vormals manifest wurde. Eine grundsätzlich andere und daher gesondert zu betrachtende Konstellation ergibt sich jedoch für jene Orte, die aufgrund einer günstigen herrschaftsrechtlichen Ausstattung oder besonderer informeller Möglichkeiten der Einflußnahme weitergehende Zielsetzungen habsburgischer Konfessionspolitik prinzipiell zuließen. Ob und inwieweit sich hieraus tatsächlich ein veränderter Charakter der Politik Österreichs ergab, soll am Ende der Fallbeispiele der Blick auf den burgauischen Vorort Günzburg erweisen (Kapitel II: Konfessionelle Politik zwischen Konflikt und Konsens in burgauischen Kameralorten: das Beispiel Günzburg). So sehr die konfessionelle Situation in der Markgrafschaft Burgau zuallererst gewissermaßen durch die Sonde der landesherrlichen', habsburgischen Politik erschlossen und aus ihrer Perspektive dargestellt wird und für sie in einer systematischen Analyse die avisierten Rückschlüsse gezogen werden, so soll und kann dies keiner Vorentscheidung zugunsten einer monokausalen Erklärung der konfessionellen Lage gleichkommen. Um dieser Gefahr entgegenzuwirken und statt dessen die komplexe Kommunikationsstruktur der Vorgänge begreiflich zu machen, versucht die Konzeption der Fallbeispiele im einzelnen, die Position anderer, möglichst aller beteiligter Herrschaftsträger und, soweit es die Überlieferungssituation irgend gestattet, die der Bevölkerung ausführlich zu thematisieren.73 Besonders glücklich ist in dieser Hinsicht die Quellenlage fur das Dorf 73
Tatsächlich konzentrierte sich zumindest für den ostschwäbischen Bereich bisher die Forschung fast ausschließlich auf die Haltung der jeweiligen Landesherren, „so daß das Wechselspiel mit dem Verhalten der Untertanen erst aufgearbeitet werden müßte" (Kießling, Reformation, S. 58). Die vorliegende Studie soll methodisch und inhaltlich diesem Defizit
Fragestellungen, Untersuchungsmethode, Konzeption und Quellen
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Lützelburg, einer Herrschaft des Augsburger Hl.-Geist-Spitals. 7 4 A m Beispiel Günzburgs kann, auch dank eines wichtigen Quellenfundes zur kirchlichen Visitationspraxis, 7 5 exemplarisch versucht werden, die angedeutete Komplexität der Kommunikationsstruktur als Interaktionsmodell darzustellen. In einer zusammenfassenden Analyse (Kapitel C) werden schließlich die Befunde der Einzelstudien aus der Sicht der habsburgischen Konfessionspolitik in einen systematischen Z u s a m m e n h a n g gebracht. Die geübte Offenheit der Konzeption im einzelnen wird sich hier möglicherweise bewähren und ausmünzen lassen fur eine grundsätzliche Weiterung der historiographischen Perspektive als mögliche Antwort auf beide Fragen, die am A n f a n g meiner Überlegungen standen.
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Rechnung tragen und auch die religiös-kirchliche Haltung der Untertanen in Konflikt und Konsens mit den Intentionen ihrer Herren in den Blick nehmen. Ein Bestand des Hospitalarchivs (StaAA, HA, III, 31) sammelt die umfangreiche Korrespondenz der Untertanen des Dorfes mit ihrer reichsstädtischen Obrigkeit. Der bislang nicht ausgewertete Faszikel mit Visitationsdokumenten des Landkapitels Thenhausen (ABA, BO 3672; vgl. Kap. Β. II. 3. Anm. 6) enthält Informationen, die zusammen mit der übrigen Aktenüberlieferung des Bischöflichen Ordinariats zu Günzburg (ABA, BO) sowie den einschlägigen Dokumenten des Pfarrarchivs (PfAGü) Aufschluß über die pastorale Situation in der Stadt, aber auch über das Verhältnis von Klerus und kommunaler Obrigkeit geben.
Β. Fallstudien
I. Konfessionelle Konflikte zwischen der Markgrafschaft Burgau und ihren Insassen 1. Lützelburg (1562/75-1608): Rekatholisierung im Zeichen konfessioneller Polarisierung 1.1
Lützelburg und das Hl.-Geist-Spital Augsburg
Lützelburg - nach Einschätzung der burgauischen Beamten nit so ein nambhafft ort oder grosser ßeckh - liegt rund 14 Kilometer nordwestlich von Augsburg, abseits der größeren Verkehrswege, welche die Stadt nach Westen mit Günzburg und Ulm oder nach Norden bzw. Nordwesten mit Donauwörth und Dillingen verbanden.2 Das Burgauer Feuerstattguldenregister von 1492 weist dort 21 Feuerstellen im Besitz des Augsburger Hl.-Geist-Spitals aus, womit der Ort zu dessen bedeutenderen Besitzungen zählte.3 Im Jahre 1605 lebten in Lützelburg knapp 400 Menschen, 4 die ihren Unterhalt zum größten Teil als Hafner5 verdienten, wozu die reichen Lehmvorkommen in der Umgebung des Ortes die Vorausset-
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TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1574 Februar 11. Die abseitige Lage des Ortes genau zwischen diesen beiden Verkehrswegen ist gut zu erkennen auf der Karte zur schwäbischen Wirtschaft im 16. Jahrhundert (bis 1618) von Wolfgang Zorn in: Frei/Fried/Schaffer, Atlas, Karte XI, 3. Nebinger/Schuster, Feuerstattguldenregister, S. U l f . Über 10 Feuerstätten besaß das Spital zu diesem Zeitpunkt in Scherstetten (S. 13), Siegertshofen (S. 20), Gabelbach (S. 28) und Mittelneufnach (S. 56). Daneben verfugte es 1492 über Streubesitz (1 bis 6 Feuerstätten) in weiteren 44 Orten. - Neben dem Augsburger Spital hatte in Lützelburg 1492 auch das Domkapitel für 3 Höfen Feuerstätten den Feuerstattgulden entrichtet (S. 85). Eine Supplikation an den Rat der Stadt aus dem Jahr 1605 (StaAA, HA, III, 31, Nr. 198, 1605 Oktober 29) verzeichnet insgesamt 381 evangelische Untertanen. Hinzu kamen die Haushalte von drei katholischen Familien (TLA, GR, K/A, 1604 Dezember 18). Der Ort war nach Auskunft der burgauischen Beamten allain vast mit Hafner besezt (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1574 Februar 11).
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Fallstudien
z u n g abgaben. 6 Die Lützelburger H a f n e r exportierten ihre T o n w a r e n in die städtischen Märkte, vor allem - aber durchaus nicht ausschließlich - n a c h Augsburg. 7 So abgelegen der Ort also einerseits a u f g r u n d der Standortgebundenheit 8 des H a f n e r h a n d w e r k s war, so w e n i g isoliert w a r andererseits durch den Kontakt z u m reichsstädtischen M a r k t (Marktorientierung) seine B e v ö l k e r u n g - ein U m s t a n d , der f ü r die konfessionelle E n t w i c k l u n g Lützelburgs nicht o h n e B e d e u t u n g blieb. 9 N e b e n den V o g t ä m t e r n G a b e l b a c h ' 0 u n d W i l l i s h a u s e n " b z w . den O b e r v o g t ä m t e r n Mittelneufnach 1 2 u n d Täfertingen 1 3 w a r Lützelburg V e r w a l t u n g s u n t e r z e n t r u m f ü r den Besitz des Spitals im D o r f u n d Sitz eines eigenen Vogtes. 1 4
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Vgl. zu den Lehmvorkommen die Bodenkarte Schwabens von Franz Vogel in: Zorn, Atlas, Karte 1, 2f., sowie die Karte zu Abbau von Bodenschätzen und nutzbaren Ablagerungen von Ewald Kohler in: Frei/Fried/Schaffer, Atlas, Karte XI, 2. Zur Tradition des Hafnerhandwerks in Lützelburg Pötzl, Handwerk, S. 104. Reith, Lebensweise, S. 68, erwähnt für das 18. Jahrhundert die „starke Konkurrenz", die den Augsburger Hafnern durch die Lützelburger Handwerker erwuchs, sei es durch den Verkauf auf den Jahrmärkten oder durch das „Hereinhausieren". Ein vergleichbares Konkurrenzverhältnis bestand etwa auch zwischen den Hafnern der Reichsstadt Memmingen und denen des nahen Dorfes Frickenhausen (Kießling, Stadt, S. 519-521, und ausführlich Grossmann, Hafnerhandwerk). - Auch die Landsberger Hafner sahen gerade in den Lützelburger Hafnern Konkurrenten und forderten vom Rat ihrer Stadt unter anderem, die grosse Anzahl der Lizlburger hafner auf ain gewise vnd wenigere zahl zurestringieren. Ihre Suplikation wurde jedoch vom Landsberger Rat zurückgewiesen (StaA Landsberg, Ratsprotokoll von 1657 Mai 29, fol. 30. Für diesen Hinweis danke ich Herrn OStD i. R. Klaus Münzer, Landsberg, herzlich). Kießling, Stadt, S. 519. Schon der Kontakt mit ihren reichsstädtischen Kollegen auf dem Augsburger Markt konnte die Aufnahme reformatorischen Gedankengutes befördern bzw. affirmativ wirken, befanden sich doch selbst 1654 erst zwei katholische, aber 11 evangelische Meister unter den Augsburger Hafnern (Reith, Lebensweise, S. 276, Tab. 5). Jahn, Augsburg-Land, S. 511-518: Das Vogtamt Gabelbach wurde 1764 in ein Obervogtamt umgewandelt (S. 513). Von hier aus wurden die Güter des Spitals in Gabelbach selbst, in Auerbach (S. 556; Steichele, Bistum, Bd. 2, S. 71), Buch (Jahn, Augsburg-Land, S. 559; Steichele, Bistum, Bd. 2, S. 77f.), Kleinried (Jahn, Augsburg-Land, S. 570; Steichele, Bistum, Bd. 2, S. 119) und Unternefsried (Jahn, Augsburg-Land, S. 582; Steichele, Bistum, Bd. 2, S. 13) verwaltet. Jahn, Augsburg-Land, S. 517f., 584: Willishausen, das spätestens 1729 vom Vogtamt Gabelbach aus verwaltet wurde, war im Untersuchungszeitraum und jedenfalls noch 1677 selbst Sitz eines Vogtes. Zum Präsentationsrecht des Augsburger St.-Moritz-Stiftes Steichele, Bistum, Bd. 2, S. 106. H. Bauer, Schwabmünchen, S. 308-312: Von hier aus wurden die Güter des Spitals in Mittelneufnach selbst (S. 431-433), in Buchhof, Grimoldsried (mit den zugehörigen Einöden), Reichertshofen, Scherstetten (mit den zugehörigen Berghöfen) und - bis zum Verkauf des Ortes 1671 - Siegertshofen verwaltet. Jahn, Augsburg-Land, S. 518-525: Von hier aus wurden die Güter des Spitals in Täfertingen selbst, in Hirblingen, Neusäß und - seit dem Ende des 18. Jahrhunderts - in Lützelburg und Bannacker verwaltet. - Das Patronatsrecht in Täfertingen übte zwischen 1379 und 1685 ausschließlich das Domkapitel aus. Erst danach wurde es alternierend auch vom Hl.-GeistSpital wahrgenommen (Steichele, Bistum, Bd. 2, S. 93). Vgl., auch zum Folgenden, Jahn, Augsburg-Land, S. 526-529.
Lützelburg
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Das Hl.-Geist-Spital erscheint erstmals 1310 in Lützelburg begütert. In der Folgezeit gelang es dem Spital, sich den Besitz nahezu säemtlicher Güter und Rechte im Dorf zu sichern. Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts verfügte es über Niedergericht mit Zwing und Bann und war bedeutendster Grundherr in Lützelburg. Die Hochgerichtsbarkeit stand dagegen, wie es der Historische Atlas vereinfachend formuliert, der Markgrafschaft Burgau zu. Tatsächlich übte die Markgrafschaft, in deren Beritt Buttenwiesen der Ort lag,15 bis zur Ratifizierung der Interimsmittel 1587 die Gerichtsbarkeit nur über die vier hohen Fälle - Mord, Totschlag, Brandstiftung und schwerer Diebstahl - aus, und erst danach fiel eine Reihe weiterer Vergehen unter die burgauische Hochgerichtsbarkeit,' 6 während alle übrigen Vergehen und Verbrechen nach wie vor aufgrund der Feuerstattguldenfreiheit von 1492 an das Spital als Insassen der Markgrafschaft Burgau überlassen waren. 17 Das Augsburger Hl.-Geist-Spital war eine ursprünglich rein kirchliche Gründung. Über das Instrument der Spitalpflegschaft - den städtischen, weltlichen Pflegern kam die Funktion der Stiftungs- und Güterverwaltung sowie der Vertretung vor Gericht zu - gelang es dem Rat bereits im Laufe des 14. Jahrhunderts, sich faktisch die Oberhoheit über das Spital zu sichern, wenn auch der Bischof durch die Einsetzung des Domdekans als dritten, kirchlichen Pflegers - nachweislich zuerst 1309 - versuchte, seine Einflußmöglichkeiten zu erhalten. Eine vollkommene Übernahme des Spitals durch die Stadt konnte formalrechtlich denn auch nicht erreicht werden. So wirkte auch im 15. Jahrhundert der Domdekan bei der Rechnungslegung des Spitals mit und nahm - was in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung ist - zu dieser Zeit gemeinsam mit den beiden städtischen Pflegern das Patronatsrecht über die Pfarrkirchen des Spitals wahr.18 Das Patronatsrecht über die einzelnen Pfarreien des Spitals auf dem Land entwickelte sich in der Folge allerdings weiter: 1387 schenkte Ulrich Burggraf - er war Augsburger Domdekan - das Patronatsrecht über die Lützelburger Pfarrkirche St. Georg dem Spital, dem daraufhin die Kirche mit Einkommen und Rechten inkorporiert wurde.19 Danach dürfte das Patronatsrecht in Lützelburg in der Weise gemeinsam von städtischen Pflegern und kirchlichem Pfleger ausgeübt worden sein, daß ersteren das Ius praesentandi, 15 16
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Zum burgauischen Vogtamt Buttenwiesen Fehn, Wertingen, S. 1 lf. Wüst, Günzburg, S. 57, nennt als solche Geleitbruch, Majestätsbeleidigung, Landesverrat, Raub, Notzucht, Fälschung und Betrug. Wüst, Günzburg, S. 43. Die Beschränkung der burgauischen Hochgerichtsbarkeit durch die Feuerstattguldenfreiheit ist wegen ihrer jeweils unterschiedlichen Implikationen für die Definition der Landeshoheit bedeutsam (Kap. A. 2.). Sie wurde auch im konfessionellen Streit um Lützelburg mehrfach thematisiert; vgl. etwa TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1578 März 4. Kießling, Gesellschaft, S. 159-167, 175-179; zum gemeinsamen - nicht alternierenden! Patronatsrecht S. 177. Jahn, Augsburg-Land, S. 526; Kießling, Gesellschaft, S. 163; Braun, Bischöfe, Bd. 2, S. 502.
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Fallstudien
letzterem das Ius investandi zukam. Die im Historischen Atlas behauptete Alternation des Patronatsrechtes zwischen Domkapitel und Reichsstadt Augsburg gibt dagegen den Stand am Ausgang des Alten Reiches wieder. 20 Diese Regelung eines streng abwechselnden Besetzungsrechtes schuf erst 1766 Juli 21 ein Vergleich zwischen den beiden Parteien. Zuvor war seit 1629 November 21 im Restitutionsvertrag zwischen Bischof und Reichsstadt die Alternation so festgelegt, daß den Spitalpflegern in den päpstlichen (ungeraden), dem Domdekan in den bischöflichen (geraden) Monaten das Patronatsrecht zustehen sollte. Dies führte immer wieder zu Konflikten 21 und machte schließlich den Vergleich von 1766 notwendig. 22 Ebenso wie in Lützelburg lagen die herrschaftlichen Verhältnisse in Gabelbach,23 Grimoldsried 24 und Mittelneufnach (mit Weiler Buchhof) 25 : Auch diese Orte waren Pfarrdörfer; das Präsentationsrecht lag im Untersuchungszeitraum bei
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Jahn, Augsburg-Land, S. 573. Vgl. StaAA, HA, IV, 3: Der Bestand (3 Bände) enthält neben Präsentationsverzeichnissen für die Pfarreien und Benefizien des Spitals unter anderem auch Quellen über die Auseinandersetzung des Spitals mit dem Domdekan - auch vor dem Reichshofrat - um das Präsentationsrecht von 1590 bis 1766. Steichele, Bistum, Bd. 2, S. 93 Anm. 3; zum Restitutionsvertrag von 1629 November 21 Spindler, Heinrich V. kirchenpolitische Tätigkeit, S. 36f. Die vertragliche Regelung zwischen Reichsstadt und Bischof im Jahre 1629 wurde möglich durch die politischen und militärischen Rahmenbedingungen, die zuvor zum Erlaß des kaiserlichen Restitutionsediktes gefuhrt hatten. Schon daraus kann auf eine vor 1629 für die kirchliche Seite ungünstigere Regelung des lus praesentandi geschlossen werden. Tatsächlich läßt sich aus den Präsentationsverzeichnissen des Hospitalarchivs für Lützelburg erkennen, daß im Untersuchungszeitraum das Präsentationsrecht von den beiden städtischen Pflegern des Hl.-Geist-Spitals wahrgenommen wurde (StaAA, HA, IV, 3, Nr. 13; 34, Nr. 7-10). Auch als der Bischof versuchte, um die Hospitalpfleger unter Druck zu setzen, Iure devolutionis einen katholischen Geistlichen nach Lützelburg zu präsentieren, erklärte er ausdrücklich, der Stadt das Patronatsrecht nicht entziehen zu wollen, erkannte es ihr damit also ausdrücklich zu (StaAA, HA, III, 31, Nr. 176. Das Devolutionsrecht erlaubt es dem Bischof, im Falle eine Präsentation auf eine vakante Stelle unterbleibt, von sich aus und unbeschadet der weiteren Rechte des Patronatsherren einen geeigneten Kandidaten zu präsentieren; WWKL, Bd. III, S. 16471650). Als Rudiment der ehemaligen kirchlichen Rechte erfolgte dagegen die Investition des Lützelburger Pfarrers - wie auch mit Sicherheit die der Geistlichen in Mittelneufnach, Grimoldsried und Scherstetten (StaAA, HA, IV, 3, Nr. 12) - nicht durch den Bischof, sondern den Domdekan, dem der spitalische Kandidat präsentiert wurde (z.B. StaAA, HA, IV, 34, Nr. 5f., 8-10. - Bei der Präsentation Georg Schöffeis belehrte der Generalvikar den Bischof, das Ius investandi stehe dem Domdekan alß obersten spital Pfleger zu; ABA, GVPr 1, 310, wohl 1605). Von ihm wurde er, so jedenfalls die Reichsstadt, auch alwegen [...] one widerredt Inuestiert (StaAA, HA, IV, 3, Nr. 12). Jahn, Augsburg-Land, S. 563f.; A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 616-619; zum Patronatsrecht Steichele, Bistum, Bd. 2, S. 93 Anm. 3. H. Bauer, Schwabmünchen, S. 403f.; A. Schröder, Bistum, Bd. 9, S. 49-54, zum Investitionsrecht des Domdekans S. 50; zum Patronatsrecht Steichele, Bistum, Bd. 2, S. 93 Anm. 3. H. Bauer, Schwabmünchen, S. 431-433; A. Schröder, Bistum, Bd. 9, S. 245-255; zum Präsentationsrecht ausschließlich der reichsstädtischen Spitalpfleger bis 1629 dezidiert S. 252.
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Lützelburg
den reichsstädtischen Pflegern des Hl.-Geist-Spitals, das auch die Niedergerichtsrechte besaß, während die Hochgerichtsbarkeit der Markgrafschaft Burgau zukam. In allen anderen Orten, in denen das Spital begütert war, stellten sich die rechtlichen b z w . herrschaftlichen Rahmenbedingungen abweichend dar: Sei es, daß sie gar keine eigenen pfarrlichen Rechte besaßen (Auerbach, 2 6 Bannacker, 2 7 Buch, 2 8 Kleinried, 2 9 Neusäß, 3 0 Unternefsried 3 1 ), daß das Spital dort nicht über das Präsentationsrecht (Hirblingen, 3 2 Reichertshofen, 3 3 Siegertshofen, 3 4 Täfertingen, 3 5 Willishausen 3 6 ) Buch,
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Neusäß,
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die
alleinigen
Reichertshofen,
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niedergerichtlichen
Täfertingen,
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Rechte
(Auerbach, 3 '
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Unternefsried ) verfugte oder
aber die Hochgerichtsbarkeit nicht oder nicht unbestritten bei der Markgrafschaft Burgau lag (Scherstetten) 4 3 . Im Blick auf die Möglichkeiten und den Erfolg einer Reformation dieser Orte durch das Spital bzw. die Reichsstadt gilt es, die skizzierte Rechts- und Herrschaftsverteilung weiter zu beachten. Ausfuhrlich zeichnet R o l f Kießling nach, w i e sich im 14. Jahrhundert der Augsburger Rat durch das Instrument der Pflegschaft über das ursprünglich rein kirchlich verwaltete Hl.-Geist-Spital zunächst ein Mitspracherecht gegenüber dem Domkapitel sichern konnte, um ab dem 15. Jahrhundert schließlich selbst die Oberhoheit über das Spital zu übernehmen. 4 4 Spitalpolitik war seither reichsstäd-
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Das Dorf gehörte zur Pfarrei Horgau (Jahn, Augsburg-Land, S. 556; Steichele, Bistum, Bd. 2, S. 68-76). Der Weiler gehörte zur Pfarrei Bergheim (Jahn, Augsburg-Land, S. 557). Das Dorf gehörte zur Pfarrei Kutzenhausen (S. 559; Steichele, Bistum, Bd. 2, S. 76-79). Der Weiler gehörte zur Pfarrei Zusmarshausen (Jahn, Augsburg-Land, S. 570; Steichele, Bistum, Bd. 2, S. 14-124). Das Dorf gehörte zur Pfarrei Oberhausen (Jahn, Augsburg-Land, S. 574). Der Weiler gehörte zur Pfarrei Agawang (S. 582; Steichele, Bistum, Bd. 2, S. 11-14). Das Patronatsrecht lag beim Domkapitel (Jahn, Augsburg-Land, S. 568). Das Patronatsrecht hatten die Inhaber der Herrschaft Seifriedsberg (A. Schröder, Bistum, Bd. 9, S. 269-273, bes. 270f.). Das Patronatsrecht lag beim Bischof (A. Schröder, Bistum, Bd. 9, S. 332-345, hier 338). Bis 1685 Juli 19 präsentierte allein das Domkapitel, danach infolge eines Gütertausches alternierten Domkapitel und Hospitalpfleger im Besetzungsrecht (Steichele, Bistum, Bd. 2, S. 93). Das Patronatsrecht lag hier beim Augsburger Stift St. Moritz (Jahn, Augsburg-Land, S. 584; Steichele, Bistum, Bd. 2, S. 105-111). Kap. Β. I. 1. Anm. 26. Kap. Β. I. l . A n m . 28. Kap. Β. I. 1. Anm. 30. Hier besaßen die Inhaber der Herrschaft Seifriedsberg die umfangreichste Grund- und Niedergerichtsherrschaft (H. Bauer, Schwabmünchen, S. 438; A. Schröder, Bistum, Bd. 9, S. 269-273). Kap. Β. I. 1. Anm. 35. Kap. Β. I. l . A n m . 31. Hier war die Hochgerichtsbarkeit zwischen Bayern und der Markgrafschaft umstritten (H. Bauer, Schwabmünchen, S. 237, 441 f., bes. 240-247). Kießling, Gesellschaft, S. 159-167, 175-179.
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Fallstudien
tische Politik.45 Die konfessionelle Entwicklung in Lützelburg und an anderen Orten des Spitals legt diesen Zusammenhang offen. Die Bikonfessionalität Augsburgs zur Zeit des Konfliktes mit der Markgrafschaft Burgau um Lützelburg ist daher für den Charakter der Auseinandersetzung ebenso konstitutiv wie es die vormals protestantische Orientierung der Stadt war, die zur Einfuhrung der Reformation in den Ort führte.
1.2
Das reformatorische Engagement des Rates im Umland der Reichsstadt
Das Jahr 1530 markiert für die Augsburger Reformationsgeschichte einen bedeutsamen Einschnitt: Die nunmehr anstehende Entscheidung über Annahme oder Ablehnung des Augsburger Reichstagsabschiedes, der die protestantischen Bekenntnisschriften zurückgewiesen hatte und der altgläubigen Confutatio gefolgt war, entfaltete eine katalysatorische Wirkung auf ihren Verlauf. Ein erster Höhepunkt war 1534 mit der obrigkeitlichen Einführung der Reformation in der Stadt erreicht.46 Auch für das Hl.-Geist-Spital bestellte der Rat nun (im April bzw. September 1531) mit Dr. Michael Weinmaier einen evangelischen Prädikanten. 47 Theologisch vertrat er, wie auch Kaspar Huber48, in Augsburg die Position Luthers, die zu Beginn der 30er Jahre „in die Defensive gegenüber der vor allem von Straßburg ausgehenden oberdeutschen Ausformung des Bekenntnisses" geraten war.49 Längst - und noch bis ins Jahr 1548 hinein - standen zu diesem Zeitpunkt mit Ausnahme des 1526 und 1527 zusammen mit Ulrich Rehlinger (Zwinglianer) bzw. Georg Vetter (Lutheraner) 50 amtenden altgläubigen Ulrich Arzt,51 protestantische Pfleger an der Spitze der reichsstädtischen Spitalverwaltung. 52 Von einer Reformation der Grundherrschaften im Besitz reichsstädtischer Institutionen, mithin der Orte im Besitz des Hl.-Geist-Spitals, nahm der Rat indes noch über Jahre hinaus Abstand. In ihrer 1539 Juli 17 verlesenen Supplikation
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Besitz des Spitals im Umland der Stadt zählte zum reichsstädtischen Territorium. Zum herrschaftsrechtlichen Status des Spitalbesitzes A. Schröder, Verhältnisse, S. 208-210, sowie zur Bedeutung der reichsstädtischen Oberhoheit über das Spital im Rahmen der Augsburger Territorialpolitik Kießling, Gesellschaft, S. 203-214; ders., Umlandgefuge, S. 52f.; ders., Augsburg, S. 247-249; ders., Günzburg, S. 14f. Knapp zusammenfassend Immenkötter/Wüst, Augsburg, S. 18-21. Eine Periodisierung in drei Phasen schlagen Warmbrunn, Konfessionen, S. 49-54, und Kießling, Reformationszeit, vor. Roth, Reformationsgeschichte 1, S. 353, 365; ders., Reformationsgeschichte 3, S. 538, 546. Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 542. Kießling, Reformationszeit, S. 29. Warmbrunn, Konfessionen, S. 51; Sieh-Burens, Verflechtung, S. 136. Roth, Reformationsgeschichte 1, S. 92. Eine Besetzungsliste der wichtigsten Augsburger Ämter mit Angabe der Konfession ihrer Inhaber ist für die Jahre 1520 bis 1600 unter Auswertung der Ratsämterbücher zusammengestellt bei Finkl, Verwaltung, S. 170f„ Tafel XVI.
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ersuchten die Kirchenpröpste, 53 Prädikanten und deren Helfer den Rat bereits zum zweiten Mal, 54 die Reformation der hindersessen und underthonen uff dem land einzuleiten und für jede Pfarrei einen diener des worts zu bestellen. Denn da die arme baurschafft einerseits zum Teil die bapstisch leer als verfuerisch erkenne, andererseits aber auch auf die evangelische Alternative verzichten müsse, würden die Menschen zum Schaden ihrer Seele erwilden und gar verrucht werden. Wenn der Rat Zinsen und Gülten von seinen Untertanen nehme, sei er im Gegenzug auch verpflichtet, sie mit der speis der seelen - dem Evangelium - zu versorgen. Dies gelte selbst dort, wo der Rat zwar nicht den Kirchensatz (das Patronatsrecht) innehabe, aber doch den Zehnten einnehme. Würde der Rat jedoch weiterhin von einer Reformation des Landgebietes Abstand nehmen, müsse man vermuten, daß es ihm η it so ernst sei mit dem euangelio, wenn die Räte darbei also forchtsam sind, daß sie ir landvolck nit auch mit gleichförmiger leer versechen, wölches doch bei kainer stat, die das euangelion angenomen, sie sei so khlain sie wöll, weder gehört noch erfunden wirt. Die Supplikation versäumt nicht, abschließend auf die Verantwortung des Rates für die ihm Untertanen Menschen hinzuweisen: Deren verderben - es ist als Folge der Vorenthaltung des Evangeliums definiert würde Gott zweifellos von den bänden irer oberkait erfordern.55 Allein, auch dadurch ließ sich der Rat nicht zu einer Reformation seiner Hintersassen auf dem Lande bewegen und wies die Supplikation mit der Begründung zurück, das angeratene Vorgehen könne, inbetracht, daß die in frembden gerichten sitzen, nicht sein.56 Die Zugehörigkeit ihrer Grundholden zu altgläubigen Hochgerichtsherren - dem Bischof, dem Markgrafen von Burgau, dem Herzog von Bayern - stellte für die Stadt nicht allein einen juristischen Hinderungsgrund für die Reformation dar. Vielmehr hegte der Rat eine begründete Sorge vor möglichen politischen und militärischen Konfrontationen, die ihn Zurückhaltung üben ließ: Im Jahr zuvor, im Juli 1538, hatte eine Auseinandersetzung mit dem Abt von St. Ulrich um die Huldigung der Untertanen des Dorfes Haunstetten und die Zahlung von Gülten dem Rat die Nähe der bayerischen Pfleger von Schwabegg 57 und Friedberg 58 , aber auch die Unwilligkeit des Schmalkaldischen Bundes - ihm war Augsburg 1536 Januar 20 beigetreten - zu weitergehendem Engagement im Inte-
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Zu ihrer Funktion Sieh-Burens, Verflechtung, S. 148; Warmbrunn, Konfessionen, S. 201. Roth, Reformationsgeschichte 2, S. 476 Anm. Der Zeitpunkt der ersten Supplikation ist dort nicht genannt. Edition der Supplikation Roth, Reformationsgeschichte 2, S. 475-479, hier S. 475-477. Roth, Reformationsgeschichte 2, S. 475-479, hier S. 479 Anm. - Die bei Hans, Gutachten, angeführten Gutachten setzen sich nur mit der Frage der innerstädtischen Reformation auseinander. Vogel, Mindelheim, S. 1-67; H. Bauer, Schwabmünchen, S. 227-254. Hiereth, Friedberg und Mering.
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resse der Stadt vor Augen gefuhrt und ihn schließlich (1541) zum Nachgeben gezwungen. 59 Verlauf und Ergebnis dieses Konfliktes hatten der Reichsstadt die Grenzen ihres reformatorischen Impetus deutlich aufgezeigt. Trotz bündnispolitischer Absicherung - Mitgliedschaft im Dreistädtebund mit Ulm und Nürnberg und im Schmalkaldischen Bund - und trotz Pflege bilateraler Kontakte zu Kaiser und Bayernherzog mußte die Reformationspolitik des Rates im städtischen Landgebiet defensiv orientiert sein: Der altgläubigen Nachbarn gab es hier zu viele, und unter ihnen zu viele mächtige. Lediglich der Übergang Pfalzgraf Ottheinrichs von Pfalz-Neuburg verhinderte - allerdings erst ab 1542 - die völlige konfessionelle Isolierung Augsburgs unter seinen Nachbarn. 60 Noch einmal eine Bestätigung dieser Erkenntnis schien der Rat wenige Jahre danach in Mindelaltheim und Altenbaindt zu suchen. Beide Orte waren im Besitz des 1537 säkularisierten Augsburger Katharinenklosters, also im Besitz des Rates,61 und beide Orte standen unter der Hochgerichtsbarkeit der Markgrafschaft Burgau. Hier wie dort besaß das Kloster bzw. der Rat der Stadt das Patronatsrecht. Während über den Verlauf der Ereignisse in Altenbaindt 62 nichts Näheres bekannt ist,63 sind die Vorgänge in Mindelaltheim gut überliefert und aufgearbeitet:64 Nachdem der altgläubige Pfarrer im Dorf verstorben war,65 sah sich der Rat möglicherweise - soweit es sich dabei nicht um bloße Legitimationsrhetorik des Rates handelte - durch eine entsprechende Bitte der Gemeinde veranlaßt, für einen „christlichen Prädikanten" Sorge zu tragen,66 jedoch nicht ohne zuvor Gutachten der städtischen (evangelischen) Juristen Dr. Gereon Sailer und Georg Fröhlich eingeholt und sich der Rückendeckung durch Schmalkaldischen Bund und Dreistädtebund versichert zu haben. Während es der Schwäbische Bund wie im Falle Haunstettens ablehnte, sich für das Anliegen Augsburgs stark zu machen 59
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Roth, Reformationsgeschichte 2, S. 445; Kießling, Reformationszeit, S. 33; ders., Musculus, S. 134. Kießling, Reformationszeit, S. 32f. - Zum Fürstentum Pfalz-Neuburg Nadwornicek, PfalzNeuburg. Zur Säkularisation des Klosters und zur Huldigung seiner Untertanen in Mindelaltheim, Altenbaindt und Diedorf gegenüber dem Rat der Stadt Roth, Reformationsgeschichte 2, S. 321 f. Der entsprechende, von Helmut Lausser bearbeitete Band des HAB zum Landkreis Dillingen ist noch nicht erschienen. Knappe Informationen zur kirchlichen und herrschaftlichen Geschichte des Ortes - ohne Erwähnung eines Reformationsversuches - bei A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 580 und 629, und im Einwohnerbuch Dillingen, S. 9. Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 140. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 702; Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 140-143; Wüst, Günzburg, S. 67, 188f. Aus M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 351, ist das evangelische Intermezzo in Mindelaltheim nicht ersichtlich. Für 1541 wird der Amtsantritt eines Kaspar Rauner vermerkt, als sein Nachfolger ab 1553 Leonhard Hieber genannt. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 702; vgl. Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 141.
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und für den Konfliktfall Beistandszusagen zu geben, sah sich der Rat durch ein Schreiben Ulms zur Reformation Mindelaltheims ermutigt und entschied sich daraufhin 67 im August 1544 für Hans Heß von Gundelfingen als Prädikanten, der schließlich im Oktober in seine Pfarrei eingeführt wurde. Da das Gutachten Fröhlichs an Bürgermeister Herwart von 1542 April 17 datiert, war die Pfarrei mittlerweile also seit wenigstens zweieinhalb Jahren, vielleicht noch einige Monate länger, 68 vakant. Bei genauerem Hinsehen stellt sich der Reformationsversuch in Mindelaltheim also keineswegs als Abweichen vom Weg vorsichtigen religionspolitischen Agierens dar, den der Rat bis zum Beginn einer erfolgversprechenden militärischen Option im Schmalkaldischen Krieg beschritten hatte: Das Einholen juristischer Gutachten, der - wenigstens teilweise auch erfolgreiche - Versuch der Rückversicherung und das lange Zögern erklären sich aus den zu dieser Zeit für den Rat noch immer maßgeblichen politischen Entscheidungsfaktoren: „Rücksicht auf den Kaiser als obersten Stadtherren und regionalpolitische Implikationen". 69 Ihre Vernachlässigung erwies die Bedeutung dieser Faktoren, als der Rat seine Bedenken hintanstellte und die vakante Pfarrstelle im Oktober 1544 mit Hans Heß besetzte. Der Versuch scheiterte: Bischof Otto Truchseß von Waldburg, zu dieser Zeit Pfandschaftsinhaber der Markgrafschaft Burgau, hatte rasch Kenntnis vom Vorgehen des Rates erhalten und unverzüglich König Ferdinand als Markgrafen von Burgau hinzugezogen. Dessen Aufforderung im Februar und dann noch einmal im Mai 1545, den Prediger abzuberufen, widersetzte sich der Rat ohne Erfolg. Auch der Schmalkaldische Bund war zu einer Intervention oder auch nur Fürsprache im Sinne Augsburgs nicht zu bewegen. Im Juli 1545 schließlich vertrieb der burgauische Landvogt Friedrich von Grafenegg 7 0 Hans Heß aus Mindelaltheim. Der Reformationsversuch war - vorerst - gescheitert. In der ersten Phase des Schmalkaldischen Krieges kam es dann erneut zur Installation eines evangelischen Prädikanten in Mindelaltheim. 71 Unter den nun veränderten politischen Rahmenbedingungen eröffnete sich der Stadt die Chance, in expansivem Ausgreifen die herrschaftliche Struktur ihres Umlandes aufzubrechen und sich ihr eigenes Territorium zu schaffen. Rolf Kießling hat gezeigt, daß „diese Perspektive nicht einer momentanen Euphorie entsprang, sondern lang-
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Diesen kausalen Zusammenhang legt die Formulierung des Ratsdekrets von 1544 August 19 nahe, wenn es heißt, der von Ulm Schreiben, die pfarr Mundlallhain belangend, hat ein ersamer rate angehört und sich darauf entschlossen, ain predicanten zu Verkündigung des wort Gottes daselbst hin zu verordnen (zit. bei Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 173 Anm. 78). Vgl. den bei M. Wiedemann, General-Schematismus, für 1541 vermerkten Pfarrerwechsel (vgl. Kap. B. 1. 1. Anm. 65). Kießling, Musculus, S. 155. In StaAA, Historischer Verein: Burgau, H i l l , erst ab 1547 (bis 1559) als Landvogt von Burgau genannt. Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 481.
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fristig angelegten Mustern folgte".72 Tatsächlich entfaltete die Reichsstadt ihre Aktivitäten „genau in jenen Regionen [...], in denen die aus älteren Traditionen gespeisten territorialen Interessen lagen".73 Das machen die Überlegungen deutlich, die den Anstoß gaben für die rasche Besetzung der Stifte Wettenhausen und Edelstetten in der Markgrafschaft Burgau bzw. des Klosters Oberschönenfeld im Gebiet des Hochstifts durch die Reichsstadt.74 Stadthauptmann Sebastian Schertlin (seit 1530 in Diensten Augsburgs) hatte schon 1546 Juli 30 unter Hinweis auf die vorangegangenen Initiativen Ulms in diesem Raum - die Besetzung von Elchingen, Roggenburg und Ursberg innerhalb der Markgrafschaft Burgau - zur Sicherung des Augsburger Einflußgebietes gemahnt.75 Ironischerweise waren auch umgekehrt die Annexionen Ulms veranlaßt gewesen von der Befürchtung, Augsburg bzw. Schertlin könne hier der Donaustadt zuvorkommen. 76 Konfessionelle Konkurrenz, wie sie sich auch politisch etwa im Versuch Augsburgs niederschlug, seinen Einfluß gegenüber dem lutherisch orientierten Nürnberg in Donauwörth zu sichern,77 konnte zwischen Augsburg und Ulm nicht maßgeblich sein, denn beide Städte waren in ihrer ,oberdeutschen' Ausrichtung vergleichbar. Die Persistenz überkommener regionalpolitischer Handlungsperspektiven, hier der Aufteilung der Markgrafschaft Burgau in einen Ulmer und Augsburger Einflußbereich, 78 zeigt sich mithin auch im Gewand des reformatorischen Impetus deutlich. Für die Überlegungen Augsburgs spielte es dabei keine Rolle, daß - im Gegensatz zu Ulm, das Schutz und Schirm über Elchingen, Roggenburg und Ursberg ausübte - die Reichsstadt über Wettenhausen und Oberschönenfeld, das dem Bischof von Augsburg,79 und Edelstetten, das dem Inhaber der Markgrafschaft Burgau80 schirmverwandt war, solche Rechte nicht geltend machen konnte, als sie Wolfgang Musculus81 zur Predigt nach Wettenhausen, Hans Heinrich Held82 nach Edelstetten abordnete. Keine allzu weitreichenden Schlußfolgerungen für die Bevölkerung wird man dabei aus der Mitteilung von Hans Held an Bürgermeister Herwart ziehen dürfen, in Edelstetten habe neben Äbtissin und Pfarrer das volck seine Predigt fleißig mit großem aufmercken besucht:83 Fleißig konnte es seine Predigt gar nicht besuchen, 12 73 74 75
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Kießling, Musculus, S. 155. Kießling, Musculus, S. 149. Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 398-402; Kießling, Musculus, S. 151-153. Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 395 und 421 Anm. 49; vgl. Kießling, Reformationszeit, S. 36f. Groll, Roggenburg, S. 15. Kießling, Musculus, S. 133-149. Kießling, Günzburg, S. 130. Zoepfl, Bischöfe, S. 422 und 426 Anm. 1259. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 153f. Zu ihm Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 544; Dellsperger, Musculus. Zu ihm Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 541. Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 428f. Anm. 74; vgl. Kießling, Reformationszeit, S. 37.
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denn Held predigte in Edelstetten nur ein einziges Mal (1546 September 12). Als er erkannte, daß die Äbtissin sich mit Blick auf die Fortentwicklung des Krieges abwartend verhielt, bat er noch am selben Tag um seine Abberufung. Auch Wolfgang Musculus will bereits nach seiner ersten Predigt (1546 September 10) festgestellt haben, daß er auf steinigen Boden säe,S4 so daß der Rat den Bitten der beiden sofort nachgab und sie schon September 16 anwies, weiter keine berlen für die schwein ze werfen, sondern zurückzukehren und dabei auch die der Äbtissin und den Stiftsherren übergebenen Bibeln wieder mitzunehmen. 85 Ebenfalls mitgenommen werden sollten von Wettenhausen und Edelstetten drei- bzw. eintausend Gulden „Gelddarstreckungen" für die Schmalkaldische Bundeskasse. 86 Neben dem Defizit an rechtlicher Legitimation und der abwartenden Haltung von Propst und Äbtissin mag für den Rat der Mangel an geeigneten Geistlichen 87 und die sich im Frühherbst 1546 bereits abzeichnende Trübung des Kriegsglücks für die Schmalkaldener 88 mit entscheidend gewesen sein, seine Prädikanten abzuberufen und effizienter einzusetzen. 89 Wie weitgehend der Verfügung des Rates an seine Bürger und Einwohner von 1546 August 10, sie sollten in ihren Herrschaften im Umland der Stadt die Reformation einfuhren, 90 Erfolg beschieden war, ist bislang - abgesehen von der bekannten Weigerung der Fugger - nicht systematisch erforscht. 91 Ebensowenig ist bekannt, ob ein gleichlautender Aufruf des Rates an den Adel in der Markgrafschaft, den der Schmalkaldische Bund erlassen sollte, tatsächlich publiziert und gegebenenfalls befolgt wurde. 92
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Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 401. Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 401 und 429f. Anm. 77. Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 401 und 430 Anm. 78. Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 396-398. Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 440f. Hans Held etwa bat ausdrücklich um seine Rückberufung nach Augsburg mit der Begründung, daß er dort vileicht mit größerem nutz möcht sein dann hie (Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 428f. Anm. 74). Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 395 und 421 Anm. 51 f. Gesichert ist die Einfuhrung des evangelischen Prädikanten Marcellinus Wagner im Herbst 1546 in der Langenmantelherrschaft Ottmarshausen (S. 397; Kießling, Reformationszeit, S. 37; zu den Herrschaftsrechten A. Schröder, Bistum, Bd. 9, S. 79f.; Jahn, Augsburg-Land, S. 478). Die übrigen in diesem Zusammenhang bei Friedrich Roth wie Rolf Kießling genannten neuen evangelischen bzw. konvertierten Geistlichen versahen dagegen, abgesehen von dem innerhalb der Straßvogtei okkupierten Bobingen, Pfarreien, die (säkularisierten) Augsburger Klöstern und geistlichen Stiftungen gehörten. Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 395 und 421 Anm. 53; Herberger, Schertlin, S. 154 und 163 (Briefe von 1546 August 25 und 28).
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Die Einführung der Reformation in den Ortsherrschaften des Hl.-Geist-Spitals
In den Kontext dieser Politik93 stellt sich nun im September 1546 auch die Einfuhrung evangelischer Prädikanten in die spitalischen Orte Gabelbach (Christoph Gässel)94, Grimoldsried (Ulrich Lederlin)95, Mittelneufnach 96 und Lützelburg (Georg Mayr)97. Es waren diese vier die einzigen Pfarrorte im Besitz des Hl.-GeistSpitals, in denen das Präsentationsrecht damals bei den reichsstädtischen Spitalpflegern lag. Niedergerichtsherr war das Spital, die Hochgerichtsbarkeit übte die Markgrafschaft Burgau aus.98 Während also die Reformationsversuche in Oberschönenfeld, Edelstetten und Wettenhausen durch den militärischen Erfolg der Schmalkaldener , legitimiert' waren, knüpften die Reformationen der Orte des Hl.-Geist-Spitals (wie im übrigen auch der Herrschaften des Katharinenklosters Altenbaindt und Mindelaltheim" sowie Wörishofen 100 ) an gesicherte herrschaftsrechtliche Voraussetzungen an, wenngleich es dem Spital bzw. der Reichsstadt in all diesen Orten freilich an der vormals für erforderlich erachteten Hochgerichtsbarkeit gebrach.101 Ansatzpunkt für die reformatorische Veränderung war hier in allen Fällen das Patronatsrecht. Das Urteil Rolf Kießlings, der insgesamt in den Reformationsversuchen Augsburgs eine „doppelte Motivation" wirksam sieht,102 die in einer „Verbindung von reformatorischem Export und regionalpolitischem Interesse" bestanden habe103 und für die ein Vorherrschen der einen oder anderen Seite nicht auszumachen sei,104 kann vor dem Hintergrund dieser Beobachtungen differenziert werden: Die konstatierte Symbiose der Interessen besitzt Gültigkeit für alle in herrschaftsrechtlicher Form mit der Reichsstadt verknüpften Orte, in besonderer Weise für den Besitz der säkularisierten städtischen Klöster und Stiftungen. Sie gilt nicht in gleicher Intensität für die okkupierten Gebiete. Die Geschwindigkeit, mit welcher
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Zur Einbettung in die territorialpolitisch-konfessionellen Konzepte Augsburgs im Schmalkaldischen Krieg Kießling, Musculus, sowie knapp zusammenfassend ders., Bikonfessionalität, S. 118-120. Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 507f. Anm. 147. Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 481, 543f. Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 481. Zur Einfuhrung und Fortentwicklung der Reformation in Lützelburg Holzberger, Kirche, S. 107f.; ImmenkötterAVüst, Augsburg, S. 21; Kießling, Reformationszeit, S. 37. Zur Darstellung der rechtlichen Verhältnisse Kap. Β. I. 1. Anm. 23-25. Zu den neuerlichen Reformationsversuchen in beiden Orten während des Schmalkaldischen Krieges Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 397 bzw. 481. Steichele, Bistum, Bd. 2, S. 397f.; Vogel, Mindelheim, S. 136-139. Vgl. den ablehnenden Bescheid des Rates auf die Aufforderung der Kirchenpröpste und Prädikanten zur Reformation des Umlandes (Kap. Β. I. 1. Anm. 56). Kießling, Musculus, S. 151. Kießling, Musculus, S. 149. Kießling, Musculus, S. 153f.
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der Rat hier seinen reformatorischen Eifer aufgab, offenbart räumlich abgestufte Prioritäten der Reichsstadt, die sich freilich schon aufgrund des Predigermangels ergeben mußten. Konfessionelle Ziele waren hier zwar nicht unmaßgeblich, aber doch sekundär. Wie die günstigen Perspektiven zu Beginn des Schmalkaldischen Krieges die Option, das Umland zu reformieren, allererst eröffneten, so entzog der militärische Umschwung der weiteren reformatorischen Entwicklung den Boden: Bald nachdem eine Delegation der Reichsstadt in Ulm 1547 Januar 29 den Fußfall vor Kaiser Karl V. vollzogen hatte, 105 kehrten auf Betreiben des Bischofs vormals konvertierte Geistliche auf dem Land wieder zur Messe zurück bzw. wurden zum Verlassen ihrer Pfarreien gedrungen. Die Prädikanten der Spitalpfarreien Grimoldsried und Mittelneufnach wurden Ende des Monats August durch den burgauischen Landvogt Friedrich von Grafenegg ultimativ zur Räumung ihrer Pfarrhöfe aufgefordert. Als Ulrich Lederlin in Grimoldsried zögerte, nötigte man ihn „durch Sperrung seiner Einkünfte und Arrestierung seiner Habe" zum Abzug. 106 Mit ähnlichen finanziellen Druckmitteln muß auch Christoph Gässel gezwungen worden sein, seine Pfarrei Gabelbach zu verlassen. 107 Einen dagegen hatte man vergessen: den Prädikanten Georg Mayr von Lützelburg. Erst Jahre später, frühestens 1562, wurden die burgauischen Beamten zum erstenmal auf ihn aufmerksam. 1 0 8 Die selbst um Erklärung für diese Nachlässigkeit verlegenen Beamten versuchten zwei unterschiedliche Begründungen zu geben: Zum einen habe die kriegerische Bedrohung durch den Schmalkaldischen Krieg bzw. den Fürstenaufstand 109 Einfuhrung bzw. Verbleib des Prädikanten in Lützelburg deshalb begünstigt, weil hie zwischen niemandt vil nach solchen sachen no gefragt - was auch für die damals und bis 1559 für die Verwaltung der pfandweise übertragenen Markgrafschaft verantwortlichen bischöflichen Beamten zu gelten hat, die in der Tat während dieser Kriege ihre Aufmerksamkeit anderen, 105 106 107
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Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 469. Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 481. Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 507f. Anm. 147. - Wie bzw. durch wen die genannten drei Pfarreien daraufhin geistlich versorgt wurden, läßt sich aus den Einträgen bei M. Wiedemann, General-Schematismus, nicht hinreichend erkennen. Für Mittelneufnach ist in den Jahren 1521 bis „ca. 1550" (S. 805) der Augsburger Domherr Jakob von Rechberg als „Kirchherr", nicht als „Leutpriester" (A. Schröder, Bistum, Bd. 9, S. 252) genannt, d.h. die Versorgung der Pfarrkinder lag in diesen Jahren ohnehin in den Händen eines anderen - ungenannten - Geistlichen. Für Grimoldsried verzeichnet Moritz Wiedemann zwischen 1520 und 1561 ebenfalls nur einen Pfarrer, Christian Haid; ihm folgte für kurze Zeit (ein Jahr) Wolfgang Pranger (M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 798). In Gabelbach folgte auf den 1521 investierten Johann Zoller 1550 Leonhard Rieger(S. 201). Dazu ausführlich Kap. Β. I. 1.4.1. Zu den regionalen Auswirkungen des Fürstenaufstandes, der zeitgenössisch nach einem der beteiligten Fürsten, dem berüchtigten Markgrafen Albrecht Alkibiades von BrandenburgKulmbach, bisweilen (z.B. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1574 Februar 11) als Markgräfischer Krieg bezeichnet wurde, Radlkofer, Zug. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1574 Februar 11.
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bedrohlicheren Ereignissen zu schenken hatten als dem Wirken eines evangelischen Prädikanten in Lützelburg.111 Zum anderen sei Lützelburg eben nil so ein nambhafft ort oder grosser fleckh und aus diesem Grunde ihrer Aufmerksamkeit entgangen.112 Daß die Einfuhrung der Reformation in Lützelburg unter den Bedingungen des Schmalkaldischen Krieges eher unbeachtet bleiben konnte, liegt auf der Hand, daß sie dann auch offenbar unbehelligt ihren Fortgang nehmen konnte, erklärt sich sowohl aus der geringeren Größe und Bedeutung des Ortes" 3 als auch der größeren Entfernung Lützelburgs von den Hauptorten der Markgrafschaft, Günzburg und Burgau.114 Auf diese Zusammenhänge zielte die Stellungnahme, die Landvogt und Rentmeister an die Regierung in Innsbruck richteten, wenn sie sich mit den Worten entschuldigen, es sei gewißlich nur ein vbersehen geweßen, mueß auch selzam zuganngen sein, das sich der Predicannt alda verhindert.115 Es liegt eine gewisse Ironie darin und mutet wie eine historiographische Bestätigung ihrer Begründung an, daß auch Friedrich Roth in seiner Reformationsgeschichte Lützelburg schlicht vbersehen hat. Die Einsetzung Georg Mayrs als Prädikant in Lützelburg erfolgte zu einer Zeit, als konfessionell die oberdeutsche Richtung der Reformation in Augsburg dominierte116 und in Wolfgang Musculus ihren bedeutendsten Propagandisten gefunden hatte. Als zu Beginn des Schmalkaldischen Krieges der Bedarf an Predigern groß war, fragte der Augsburger Rat bezeichnenderweise in Basel, Zürich, Konstanz und Straßburg um Unterstützung an. Allein vier Schüler des zwinglischen Zürchers Heinrich Bullinger fanden daraufhin in Augsburg Verwendung.117 Der Lützelburger Prädikant Georg Mayr, über dessen Herkunft nichts bekannt ist, dürfte ebenfalls der oberdeutsch-zwinglischen Richtung angehört haben. Inwie111
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Zoepfl, Bischöfe, S. 208-215 (zum Schmalkaldischen Krieg) und S. 241-245 (zum Fürstenaufstand). TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1574 Februar 11. Das Feuerstattguldenregister verzeichnet etwa für das ebenfalls spitalische Mittelneufnach 56 Feuerstätten im Besitz des Hl.-Geist-Spitals, für Lützelburg mit 21 dagegen weniger als die Hälfte (Nebinger/Schuster, Feuerstattguldenregister, S. 112). Mindelaltheim etwa in unmittelbarer Nachbarschaft Burgaus mußte zwangsläufig größere Aufmerksamkeit der Beamten finden. Für Gabelbach mag die Nähe zum hochstiftischen Pflegamt Zusmarshausen mit seiner „Lage an der großen Heerstrasse [!] von Ulm nach Augsburg" verhängnisvoll gewesen sein (zu Zusmarshausen Steichele, Bistum, Bd. 2, S. 114-124, Zitat S. 116; Jahn, Augsburg-Land, S. 228-233); für Grimoldsried möglicherweise die Nachbarschaft zu den konfessionell aufmerksamen Herrschaften der Fugger in Mickhausen, denen man nachsagte, das benachbarte Langenneufnach 1546 „aus Sorge um die alte Religion" erworben zu haben (H. Bauer, Schwabmünchen, S. 372f.), wie auch der Wittelsbacher im Pflegamt Schwabegg. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1574 Februar 11. Zum inhaltlichen Verständnis dieses theologischen Mittelweges zwischen Luther und Zwingli Freudenberger, Weg. Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 396-398.
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w e i t e r a u c h in d e n 1 5 7 0 e r J a h r e n n o c h e n t s p r e c h e n d e t h e o l o g i s c h e P o s i t i o n e n vertrat oder aber von der nach d e m Interim sich verstärkenden lutherischen K o n f e s s i o n s b i l d u n g e r f a ß t w u r d e , läßt s i c h n i c h t s a g e n . N o c h 1 6 2 8 J u n i 6 b e k l a g t j e d e n f a l l s P f a r r e r K l e o p h a s M i l l e r v o n L ü t z e l b u r g in e i n e m S c h r e i b e n an d e n
Spitalmeister die zum theill Lutterische, Ja gar Caluinische gebreuch vnd wandel d e r L ü t z e l b u r g e r . " 8 In d e r s p ä t e r e n K o r r e s p o n d e n z d e r R e i c h s s t a d t d a g e g e n w e r den der Prädikant Georg M a y r wie auch dessen Nachfolger David Schlump und S i m o n H a d e r d e y stets a l s der Augspurgischen
confession
o d e r a u c h als
lutherisch
bezeichnet."9
1.4
Der Verlauf der Ereignisse in Lützelburg
D e r V e r l a u f d e r k o n f e s s i o n e l l e n A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n in L ü t z e l b u r g läßt d e u t lich z w e i u n t e r s c h i e d l i c h e P h a s e n e r k e n n e n : 1 2 0 E i n e e r s t e E s k a l a t i o n d e s K o n f l i k 118 1,9
120
StaAA, HA, III, 31, Nr. 322. Z.B. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1573 Juli 2. - H. Wiedemann, Pfarrerbuch, S. 61, verzeichnet insgesamt vier evangelische Prädikanten in Lützelburg: ab „ca. 1544 - mind. 1574" Georg Mayr (er amtierte bis zu seinem Tod 1577), ohne Angabe des Antrittsdatums (er ist für 1577 erstmals nachweisbar) bis 1587 David Schlump, 1587-1589 Jobst Teintzer und 1589-1603 Simon Haderdey. Eine für die konfessionellen Auseinandersetzungen in Lützelburg einschlägige Überlieferung findet sich in vier Archiven mit insgesamt sieben Beständen. Die Überlieferungslage ist außerordentlich günstig. So gut wie ohne Verluste liegen die Archivalien des Bestandes TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2) („Religionssuspekte J-L") vor mit 75 Produktionen, die nicht durchgehend und nicht streng chronologisch numeriert wurden und einen Zeitraum von fünf Jahren zwischen 1573 Juli 2 und 1578 Oktober 29 umfassen. Wenige Schriften (drei Briefe) wurden, wohl versehentlich, den Folgebuchstaben M-R, Pos. 132 (3), zugeordnet. - Auf die nach dem Wiederaufleben der Kontroverse 1603 anfallenden Akten, genauer die einkommenden Schriften, wird dagegen zwar im Einlaufjournal der Aktenserie des Geheimen Rates, TLA, GR, A/E (Einlaufjournal), verwiesen, doch wurden sie später offensichtlich zur Zusammenstellung von Sachakten extradiert und können heute nicht mehr ausfindig gemacht werden. Aus diesem Grunde finden sich zu den 36 einschlägigen eingegangenen Korrespondenzen zwischen 1603 April 10 und 1608 Juli 1 nur noch die - teils jedoch aussagekräftigen - kurzen Inhaltsangaben des Einlaufjournals. Ebenfalls verschwunden sind ehemalige Bestände des Oberamtes Günzburg selbst. Das Hauptrepertorium von 1779 (StAA, VÖ und Burgau, Literalien, 100) verzeichnet noch zwei Faszikel Daß ReligionsWeesen zu Lizelburg, besonders aber den allda hinweggenommenen Praedicanten betr. 1577, 1605, 10, das nach 1790 angelegte Repertorium über die Registratur der Markgrafschaft Burgau (StAA, VO und Burgau, Lit. 99) weist zur Ausschaffung des Lutherischen Prädikanten allda und Einsetzung eines Katholischen von Erzherzog Ferdinand und Maximilian als Marggrafen zu Burgau. Anno 1573 bis 1609 ebenfalls noch zwei Faszikel aus. Die von seiten des Landesherrn bzw. des Geheimen Rats ausgegangenen Schreiben wurden dagegen in das Kopialbuch ,Ausgegangene Schriften' des Geheimen Rates übertragen und überliefern so 41 einschlägige Briefe zwischen 1603 März 24 und 1609 Oktober 15. Derartige Kopialbücher (nach heutiger Terminologie spricht man von „Auslaufregistern") legte auch die oberösterreichische Regierung in Innsbruck für ihre Korrespondenz mit nachgeordneten Behörden an, etwa mit dem Oberamt der Markgrafschaft Burgau in Günzburg. Die historisch „Buch Burgau" genannte regionale Buchserie gelangte im Zuge der Verwaltungs-
46
Fallstudien
tes zwischen 1573 und 1578 mündete in einen 25 Jahre währenden vertraglich abgesicherten Stillstand, ehe eine zweite, von österreichischer Seite offensiver betriebene Auseinandersetzung ab 1603 schließlich die Rekatholisierung des Ortes einleitete, die 1608 formal als abgeschlossen gelten kann.121
1.4.1
Die erste Phase des Konfliktes (1562/73-1578)
Frühestens 1562, drei Jahre nach Wiederauslösung der hochstiftischen Pfandschaft über die Markgrafschaft Burgau durch Österreich, wurde Landvogtknecht Hans Kratzer von Buttenwiesen zum erstenmal in Lützelburg vorstellig. Landvogt Hans Werner von Raitnau (1562-1566) 1 2 2 und Rentmeister Isaak Han (15601579) 123 hatten ihn beauftragt, den lutherischen Prädikanten im Ort zu befragen,
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reformen Maria Theresias 1753 nach Freiburg i. Br., befindet sich heute im GLA Karlsruhe (,Briefauslaufregister der oberösterreichischen Regierung hinsichtlich Burgaus. 1523-1660'; Bestand 79 Ρ 12 Nr. lOOOff.; mikroverfilmt im StAA, VÖ Literalien 646-656) und enthält für den Zeitraum zwischen 1573 Juli 29 und 1607 Dezember 24 nur 20, aber zum Teil sehr umfangreiche Briefe an Landvogt, Rentmeister und Amtleute in Günzburg. Den umfangreichsten Einzelbestand stellen die zu einem eigenen Buch gebundenen und meist chronologisch durchnumerierten Acta, die in hiesiger Gegend in Religionssachen entstandene Uneinigkeiten, zumal aber den von Ihro Erzherzogliche Durchlt. zu Osterreich als Marggraf zu Burgau aus dem Pfarrhof zu Lüzelburg geschafften und nach Burgau gefänglich eingezogenen Evangel. Prediger, dann Einsetzung eines Cathol. Pfarrers allda, betr. von Anno 1576 bis Anno 1628 des Hospitalarchivs im StaAA dar (StaAA, HA, III, 31). 323 Produktionen zwischen 1576 Januar 4 und 1628 Juni 12, dabei über 100 allein aus dem Jahr 1606, meist Schreiben vom Rat der Stadt oder an ihn, wurden hier zusammengebunden. Hinzu treten einige relevante Schriftstücke aus dem Bestand StaAA, HA, III, 29, Den hiesigen statum religionis in ecclesiasticis et politicis vor, bei und nach fVestphäl[ische]m Friedensschluß ... dann Lützelburg, Religionswesen betreffend, von Anno 1574 biß [!] (2 Bände). Nicht nennenswert ist dagegen vermutlich aufgrund der kriegsbedingten Vernichtung der Bestände des Landkapitels Westendorf, zu welchem die Pfarrei Lützelburg gehörte, die Überlieferung im ABA. Lediglich jeweils ein vereinzelter Eintrag in die Protokollserien des Generalvikariats (GVPr 1) und des Siegelamts (SAPr 1) ist einschlägig. Vgl. Stetten, Geschichte, S. 609, 619, 777, 782, 785, 788, 791; ausschließlich zur ersten Phase des Konfliktes und zum Münchener Vertrag die knappe Zusammenfassung der Vorgänge bei Hirn, Bd. 1, Ferdinand II., S. 205f., und die kurze Würdigung des Konfliktes im Rahmen der Forschungen zum Landsberger Bund bei Mogge, Nürnberg, S. 303f., sowie Endres, Landsberger Bund, S. 210. Ausführlicher zum Inhalt des Münchener Vertrages von 1578 Oktober 11 Goetz, Beiträge, S. 879f. Anm. 2. Ein Verzeichnis der Landvögte, Landvogteiverwalter, Rentmeister, Oberamtsschreiber, Oberjäger- und Forstmeister sowie Landammänner mit Angabe des Jahres ihres Dienstantrittes findet sich in StaAA, Historischer Verein: Burgau, Η 111. In den Personalschematismen der oberösterreichischen Wesen wurden die Beamten nur dann erfaßt, wenn sie zudem Funktionen in Innsbruck selbst bekleideten (Rizzolli, Beamtenschematismus; Schmid, Beamtenschematismus; Oberbacher, Beamtenschematismus; Putz, Beamtenschematismus; Tasser, Beamtenschematismus; Erlacher, Beamtenschematismus; Seeber, Beamtenschematismus). - Zu Hans Werner von Raitnau Hirn, Bd. 2, Ferdinand II., S. 354; Färber, Burgau, S. 156-160; Zorn, Karrieresprungbrett, hier S. 46. Zu ihm Färber, Burgau, S. 140-144.
Lützelburg
Al
wer Inne daher verordnet oder warumben er alda sej. Der Prädikant, ein alt erlepter mann, nannte dem Landvogtknecht das Augsburger Hl.-Geist-Spital als seinen Herrn und bat, man well Inne sein leben also vollendt alda verzern lassen, eine Bitte, die er wenig später widerumb mit weinennden äugen und dem Hinweis, er lebe doch kom drej tag wiederholte. 124 Als die burgauischen Beamten mindestens sieben Jahre später, mittlerweile war Karl Welser Landvogt der Markgrafschaft (1566-1580),125 erfuhren, das Spital habe die Absicht, einen jungen Prädikanten in Lützelburg aufzustellen, ließen sie aufs neue, 1573 Mai 31, Landvogtknecht Hans Kratzer beim lutherischen Prädikanten vorsprechen und ihn warnen, einen Nachfolger in Lützelburg einzuführen. Erzherzog Ferdinand wolle nach ihm keinen weiteren lutherischen Prädikanten mehr dort zulassen. Der amtierende Prädikant Georg Mayr - es war derselbe, der einige Jahre zuvor noch kom drej tag zu leben wähnte - war als erster evangelischer Pfarrherr ein lange Zeit vor dem Passauischen Vertrag während des Schmalkaldischen Krieges,126 nach Lützelburg berufen worden. Das exercitium beruerter Augspurgischer Confession, Religion vnd leher wurde also yezt ob den 30 Jarn alda öffentlich gehalten vnd getriben™ - eine Zeitspanne, die von der Reichsstadt allerdings großzügig gerundet wurde, denn Georg Mayr hatte seine Stelle im Spätsommer 1546 angetreten,128 so daß evangelischer Gottesdienst in Lützelburg also erst seit knapp 27 Jahren in der Übung war. Auch die burgauischen Beamten bestätigten die lange Zeit evangelischer Religionsübung, denn, so teilten sie mit, sie wüßten nicht, wie diser Predicannt zu Lizlburg eingewurzlet. Dann es nicht bey vnns, sounder weil der Stifft die Marggrafschaffi Burgaw Innhanndenn gehabt, beschehenn.129 Die Anordnung Ferdinands löste in der Folge einen umfangreichen Briefwechsel zwischen der Reichsstadt Augsburg einerseits und dem Erzherzog, seiner Regierung und den burgauischen Amtleuten andererseits aus. 1574 April 27 wiederholte Ferdinand persönlich seine Aufforderung an die Reichsstadt Augsburg, Ir werdet den Jezigen Predicanten one ferrers einstellen hinwegschaffen vnd khainen der Augspurgischen Confessions verwanten Predicanten mer dahin verordnen, sonnder die Pfarr mit Pfarrern vnd Priesters, die den alten, Catholischen Glauben leren vnd Predigen, auch der heiligen, algemainen Catholischen Kirchen, Leer vnd Religion gemeß die heiligen Sacramenta
124 125
126 127 128 129
TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1573 September 10. Karl Welser (1528-1587), seit 1574 Freiherr von Zinnenburg, ist der Bruder der Philippine Welser, also Schwager Erzherzog Ferdinands II. und Onkel des künftigen Markgrafen Karl von Burgau (1560-1618). Zu ihm Hirn, Bd. 2, Ferdinand II., S. 354-357; Schmid, Beamtenschematismus, S. 45; Zorn, Karrieresprungbrett, S. 46. StaAA, HA, III, 31, Nr. 79. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1573 Juli 2. Vgl. Kap. Β. I. 1.2. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1573 September 10.
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Fallstudien
administrieren, raichen vnd den Gotsdiennst halten, versehen130 und gab 1574 Juni 28 Landvogt und Amtleuten Anordnung, dem Prädikanten unter Setzung einer Frist {die Ir Ime nach glegenhait aus Ewerm guettachten bestimben sollt) das Verlassen des Ortes zu befehlen.131 Doch erst knapp zwei Jahre später, 1576 Juni 20, forderte der Landvogtknecht von Buttenwiesen den Prädikanten Georg Mayr ultimativ auf, bis August 24 (Bartholomäi) die Pfarrei zu räumen.132 Um die gewaltsame Ausschaffung ihres Prädikanten zu verhindern und sich gegen Eingriffe in ihre prätendierten Rechte zu verwahren, erwirkte die Reichsstadt daraufhin beim Reichskammergericht ein Mandatum de non offendendo, das ein Vorgehen gegen den Prädikanten verbot (1576 Juli 23 erlassen, August 12 verkündet und übergeben).133 Während noch die eingeholten Gutachten, ob denn Österreich nicht überhaupt frei sei vom Reichskammergerichtszwang und also einem Mandat nicht Folge zu leisten habe, auch welche rechtlichen Argumente für die österreichische Seite bei einem Reichskammergerichtsprozeß in Anschlag zu bringen wären,134 in Innsbruck ventiliert wurden und Erzherzog Ferdinand auch die Ansicht des Kaisers und die seines Bruders, Erzherzog Karls II. von Innerösterreich (1564-1590),135 einholte,136 meldeten Landvogt und Rentmeister den Tod des lutherischen Prädikanten und baten um Instruktionen.137 Den mittlerweile vom Spital nach Lützelburg verordneten neuen Prädikanten David Schlump mahnten die burgauischen Beamten erfolglos zum Abzug.138 1577 Juli 13 befahl Erzherzog Ferdinand den Amtleuten in Burgau, daß Ir gedachten Schlumppen den negsten von Lüzlburg hinweg schaffen vnnd, Im fal seiner verwaigerung, Ine on Verzug vnnd gestrackhs fenckhlichen einziehen vnnd 130 131
132
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TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1574 April 27. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1574 Juni 28. Für die folgenden beiden Jahre sind in keinem der einschlägigen Archive Lützelburg betreffende Vorgänge dokumentiert. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1576 Juni 30. 1576 Juni 20 setzt auch die einschlägige Überlieferung in StaAA (HA, III, 31, Nr. 3) ein. Der Wortlaut des kaiserlichen Mandates an Erzherzog Ferdinand und seine Amtleute in Burgau in TLA, HR, Sei. Ferd. 132 (2), 1576 Juli 23; vgl. Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Reichskammergericht, Bd. 1, Buchstabe A, Nr. 404, Bestellnr. 3342. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1576 Oktober 18 und 1576 Dezember 1. Zu seiner - gegenreformatorischen - Konfessionspolitik Mezler-Andelberg, Innerösterreich, S. 99-103; Amon, Innerösterreich, S. 108-113. Dies geht hervor aus TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1577 Juni 22. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1577 März 30. Die Nachricht wurde mit eilender Post übermittelt. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1577 Mai 17 (Landvogt und Rentmeister an Erzherzog Ferdinand): Vnd dieweil die von Augspurg bald nach absterben des vorigen Predicanten ein anderen, genant Dauidt Schlumpt, dahin verordnet, haben wir den Landtuogtknecht zu Buttenwißen, Hansen Krazer, in beysein Sebastian Heichelens, vnderuogt zu Gabiingen, vnd Lienharten Scheßers zu Axen beschickt, anzaigen lassen, Im fahl wo er von seinem furnemen nit absteen, wurdens von E.D. wegen wir nit zusehen, noch gestatten, sonder wolle Ine dafür verwahrnen, damit er nit zu einem Vrsach gebe, des wir lieber vermeiden.
49
Lützelburg volgendß
vnnß
dessen
gehorsamist
verstendigen
[sollt]. 1 3 9 1577 A u g u s t 1, e i n e m
Donnerstag, z w i s c h e n drei und vier Uhr nachts, v e r s c h a f f t e sich daraufhin eine Schar v o n 2 0 B e w a f f n e t e n unter Führung des L a n d v o g t k n e c h t e s Hans Kratzer Z u g a n g z u m Pfarrhof in Lützelburg, verhaftete den Prädikanten und verbrachte ihn unter B e g l e i t u n g v o n 5 0 Schützen, 10 Pferden und e t w a 4 5 b e w a f f n e t e n Bauern nach Burgau, w o er in e i n e m Wirtshaus 1 4 0 festgehalten wurde. 1 4 1
1.4.2
Der Münchener Vertrag (1578)
A l s M i t g l i e d des Landsberger Bundes 1 4 2 b e m ü h t e sich die Stadt daraufhin mit Erfolg u m e i n e Intervention des B u n d e s h a u p t m a n n s , H e r z o g A l b r e c h t s v o n B a y ern. 143 N i c h t zuletzt mit d e m A r g u m e n t , eine A u s w e i t u n g des K o n f l i k t e s zu e i n e m kriegerischen k o n f e s s i o n e l l e n Flächenbrand v e r m e i d e n zu w o l l e n , warb Albrecht bei Erzherzog Ferdinand, in eine V e r h a n d l u n g e i n z u w i l l i g e n . 139 140 141
142 143
Währenddessen
TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1577 Juli 13. In Veiten Millers Herberg (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1577 August 2). Die ausfuhrlichste Schilderung des Vorgangs findet sich in einem undatierten Augsburger Bericht (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2): Auf Dornsatg, den 1. Augustj des 1577 Jars, Morgens zwischen drey vnnd vier vhrn, ist Hanns Krazer, Burgauischer Lanndtuogtkhnecht zu Butenwisen, geen Luzelburg selbdrit auf weissen schümlen sambt 20 gewerter Männer mit Spiessen, Büchsen vnnd fausthemmern fur den Pfarrhof khommen, denselben mit einem grossen Aichin Blockh geöffnet vnnd die haus thür damit eingestossen. Volgends in das Haus oben hinauf geloffen vnnd die Chamerthür, darinnen der Pfarrherr vnnd sein Muetter vnd ain Junger knab gelegen, Ebenmessig mit gewallt ausgestossen, dem Pfarrer mit gewhörter hannd vnnd aufgezognen hannen an Iren Püxen fur sein beth gestannden vnnd gesagt, das er Ir gefanngner sein solle. Vnnd wiewol er sy gebethen, das ,s_v Ine zuuor wellen einschleiffen lassen, haben Sy es nit thuen, sonnder in dem Hembt hinwegkh fueren wellen, Bis sein Muetter Inen so starckh zugeredt, das sy Ine, Pfarrherrn, allain Hosen vnnd Wames anlegen lassen vnnd also, mit Reuerennz zumeiden, one schuech in den Hof hinab geschlept vnnd, so bald dasselbig beschehen, hat ainer vnnder Inen ain Kreiden schuß gethon. Da seind die anndern Burgauischen gesanndten, alls zuuorderst der Lanndt Amman von Burgau vnnd ainer vom Adel (wie sy sagen), den nechsten dem Gericht vnnd dorff Lutzeiburg zugenachet, aber nit gar hinein khommen, den Pfarrherrn hinder einen Reiter gesezt vnnd eilennz zu dem Dorff ausgeritten vnnd gezogen. Item die Zall der Personen seind vleissig abgezellt worden vnnd gewesen bey 50 schüzen, dem Jeder ain Veistling vnnd währ an der seifen getragen, Item 10 Pferdt vnnd bey 45 Paursleüth, So ain yeder ain Spies, ain Veisstling, ain vaussthamer vnnd Seitenwöhr gehabt. Item ehe sy den einfal gethon, haben .vi' zuuor in das Schloß an der Kirchen thür hülzen spendl geschlagen vnnd gesteckht vnnd (salva reverentia) khoth darfur gestrichen, also das der Meßmer nit aufschliessen hat khünden. An dem hinwegkh ziehen seind Sy erstlichen von Luzelburg vber Eckh auf Maunburg zugezogen, von dannen widerumben vber Eckh auf Herzried zue, daselbst ist der Pfarrherr von Luzelburg vnnder den schuzen, vngebunden ganngen, gesehen worden. Item daselbst hat das Fuesuolckh den Edelman gebeten, das er Inen ain trunckh geben lassen well. Darauf er geanntwort, sy sollen forth, Es mecht ain sterckherer khommen, dann sy seven). Kap. Β. I. 1.7.2. TLA, HR, Sei. Ferd. 132 (2), 1577 August 6 (Instruktion für Felix Rehm, Christoph Ilsung und Dr. Konrad Peutinger, Gesandte der Reichsstadt Augsburg bei Herzog Albrecht). Vgl. das Original in StaAA, HA, III, 31, Nr. 20.
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Fallstudien
solle der Prädikant - ohne daß dies als Präjudiz zu werten sei - die Gemeinde Lützelburg versehen.144 Diesem Vorschlag stimmte Erzherzog Ferdinand schließlich zu145 und schlug 1577 Dezember 16 dem Rat der Stadt vor, den Prädikanten gegen Zahlung der Haftkosten freizulassen vnnd Er, Predicant, mag sich vnnzt zu Austrag der sacken widerumben In Pfarrhof thuen vnnd (aber doch ausserhalb des Predigens, dessen Er sich bey hoher Straff genzlichen enthalten solle) bey der Gmain daselbst zu Lüzlburg Ehe vnnd Hochzeiten einsegnen vnnd die Khinder Tauffen,146 Gleichzeitig wurde Dr. Gall Hager und Isaak Han mit der Gesandtschaft zu den von Herzog Albrecht auf Dreikönig 1578 angesetzten Verhandlungen beauftragt,147 die, noch mehrmals verschoben, schließlich 1578 März 4 in München begannen148 und Mitte des Monats ohne Ergebnis abgebrochen wurden. Einen schließlich von Herzog Albrecht vorgeschlagenen Kauf Lützelburgs durch Österreich hatte Augsburg abgelehnt.149 Daraufhin stellte Herzog Albrecht eine Versammlung des Landsberger Bundes auf Pfingsten in Aussicht. Erzherzog Ferdinand erklärte sich bis zu dieser Versammlung zu einem Stillstand bereit, weiterhin unter der Bedingung, der Prädikant müsse sich der Kirchen vnnd Predigens enthalten und dürfe allain Ehe Einsegnen, Kinder tauffen vnnd die Gmain vnderweisen.]5° Die Zusammenkunft mußte noch zweimal verschoben werden, ehe die Bundesversammlung schließlich 1578 September 29 in München zusammentrat.151 Die Streitsache wurde aller144 145 146
147 148
TLA, HR, Sei. Ferd. 132 (2), 1577 August 10. TLA, HR, Sei. Ferd. 132 (2), 1577 August 24. Vgl. ebenso StaAA, HA, III, 29, Nr. 2. StaAA, HA, III, 29, Nr. 3. Am Konzept des Briefes von Erzherzog Ferdinand an Landvogt und Rentmeister in Burgau (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1577 Dezember 16) ist die Entwicklung hin zu einer rigideren Definition des Wirkungsbereiches des lutherischen Prädikanten, gewissermaßen während des Schreibens, erkennbar: Erzherzog Ferdinand ordnet darin an, den Prädikanten an Jetzo vnnd vnnzt zu ferrer außtrag der Sachen deß Arrests zuerlassen vnnd das gedachter Predicant, doch ausserhalb deß Predigens, dessen er sich bey hoher straff endthalten solle, [gestrichen: „die gemain vnnderweisen"; eingefugt:] doch Ehe vnnd hochzeiten einsegnen vnd Kinder Tauffen [gestrichen: „vnnd dergleichen Kirchen Ambter verrichten muge"] muge. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1577 Dezember 16. Vgl. den Bericht der österreichischen Gesandten über den ersten Verhandlungstag mit Darlegung der unterschiedlichen Verhandlungspositionen in TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1578 März 4, und die Instruktion für die Gesandten in StAA, VÖ, Lit. 649, 1578 Februar 22.
149 150
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TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1578 März 6. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1578 März 18. Der letzte Punkt einer Unterweisung der Gemeinde fehlt in der Instruktion an Landvogt und Rentmeister (von 1578 März 19), in welcher diese angewiesen werden, Im fahl aber in der Zeit die durch sein L. angebotne zusamenkunft Irn fortgang nit erraichet, so dann sollen Ir mit ausschaffung gedachtes Predicanten vnd, da er sich dessen erwidern wurde, mit fengelicher einziehung, wie zuuor bescheen, fortfarn vnd euch daran nichts verhindern lassen. Zuvor war es noch zu Irritationen gekommen, da die Beamten in Burgau über die Verschiebung des Termins nicht informiert worden waren und nach dem Wortlaut des Befehls von 1578 März 18 die Ausschaffung des Prädikanten betreiben sollten, falls bis Pfingsten keine
Lützelburg
51
dings von den allgemeinen Verhandlungen der Bundesversammlung getrennt und ab Oktober 6 in vergleichbarer Konstellation wie ein halbes Jahr zuvor erörtert. Den österreichischen Gesandten Dr. Johann Chrysostomos Hoechstetter,152 Kammerpräsident Dr. Christoph Vintler,153 Dr. Gall Hager154 und Landammann Thomas Renz standen auf Seiten Augsburgs die prononcierten Protestanten Geheimer Rat Johann Baptist Haintzlin" 5 und Stadtsyndikus Dr. Werner Seuter156 gegenüber. Verhandlungsmoderator war der Fürstlich Bayerische Hofrat und, seit 1576, Kanzler des Landsberger Bundes, Dr. Hieronymus Nadler.157 Der bayerische Vermittler versuchte, ohne Klärung der grundlegenden Frage, welche der beiden Parteien Berechtigung zum Eingriff in die Religion zu Lützelburg habe, eine gütliche Einigung herbeizufuhren. Er unterbreitete zwei alternative Vorschläge, deren erster einem Simultaneum fur Lützelburg gleichkam. Der zweite Vorschlag bedeutete ein interimsweise eingeschränktes Wirken ausschließlich des evangelischen Prädikanten. Im Verlauf der Verhandlungen gewann der hinsichtlich Besoldung und Unterkunft des katholischen Geistlichen modifizierte Vorschlag eines Simultaneums die Zustimmung beider Seiten. 1578 Oktober 29 riet die Regierung Erzherzog Ferdinand zur Annahme und Ratifikation des bereits Oktober II' 58 formulierten Vertragstextes, der vorsah,
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Zusammenkunft erfolgt sei. Aus diesem Grunde hatte 1578 Juni 16 Landvogtknecht Hans Kratzer im Wirtshaus zu Lützelburg seinen Befehl zur Ausschaffung des Prädikanten verkündet, den er aber nicht in die Tat umsetzte; TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (3), 1578 Juni 19 (Reichsstadt Augsburg an Herzog Albrecht); in der Anlage Übersendung eines undatierten Schreibens der Untertanen der Gemeinde Lützelburg an die Reichsstadt Augsburg, worin sie sich über den Eingriff des Landvogtknechtes (Abforderung ihres Pfarrers) beschweren; vgl. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1578 Juli 29 (oberösterreichische Regierung an Erzherzog Ferdinand) und 1578 August 14 (Landvogt und Rentmeister an Erzherzog Ferdinand). Seit 1551 Adelsprädikat Hoechstetter von und zu Scheibenegg (NDB, Bd. IX, S. 303). Christoph Vintler von Platsch fand häufig Verwendung als Verhandlungskommissär sowohl unter Erzherzog Ferdinand II. als auch unter Maximilian dem Deutschmeister (Hirn, Ferdinand IL, Bd. 2, S. 89, 139 Anm., 186, 205, 284; ders., Maximilian, Bd. 1, S. 104, 161 Anm.). Bei Him, Maximilian, Bd. 1, S. 471 Anm., wird er als Ensisheimer Rat angesprochen. Stetten, Lebensbeschreibungen, S. 141-194; zu seiner beruflichen und konfessionellen Einordnung: Lenk, Bürgertum, S. 13 lf., Warmbrunn, Konfessionen, S. 336 mit Anm. 71, und vor allem Sieh-Burens, Verflechtung, S. 79, 127, 178, 191, 197. In den Jahren 1558 bis 1569 zählte Johann Baptist Haintzel (1524-1581) ohne Unterbrechung zu den sechs Bürgermeistern der Stadt (Finkl, Verwaltung, S. 146f., Tafel IV). Zu ihm Sieh-Burens, Verflechtung, S. 194. Vgl., auch zum Folgenden, TLA, HR, Sei. Ferd. 132 (2), 1578 Oktober 6 (Bericht der österreichischen Unterhändler über den Verlauf der Verhandlungen). - Die Zusammensetzung der Gesandtschaften weicht ab von den bei Goetz, Beiträge, S. 876, genannten Personen. Zu den übrigen Inhalten des Bundestages S. 876-879 (dazu auch der Bestand StaAA, Reichsstadt, Akten 622) und S. 879 Anm. 2 zu den Sonderverhandlungen über Lützelburg. Z.B. datieren StaAA, HA, III, 31, Nr. 83, 1603 April 29, und TLA, GR, K/A, 1603 Mai 26, auf 1578 Oktober 11. Augsburg nahm den Vergleich Oktober 18, Erzherzog Ferdinand,
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Fallstudien
daß biß zu güetlicher ferrerer entschaidung oder Rechtlicher erkhcmtnuß in petitorio die von Auspurg gleichwol das Exercitium Religionis der Augspurgischen Confession gemeß daselbst zu Lüzlburg fürohin wie bißher durch Ire bestehe Predicanten vnd Kirchen diener mit predigen, raichung der Sacramenten vnd anndern Ministerien one eintrag gebrauchen mögen. Doch daneben auch ainen Catholischen, qualificiert vnd taugenlichen priester auß den negst vmbligenden fleckhen, wie Sy dann dessen guete gelegenhait, bestellen vnd solchen mit gebürender besoldung auf Ir, deren von Augspurg, Cossten vnnd one entgelt E.F.D. erhalten sollen, welcher mit predigen, Meßlesen, administrierung der heyligen Sacramenten vnnd allem annderm der Catholischen Religion vnnd Ordnung gemäß sich verhalte vnnd das die beede, der priester so wol als der Predicant Ire Gotsdienst vnd Ministerien in ainer kirchen, doch zu vnndterschidlichen Zeiten mit gepürender beschaidenhait verrichten, auch den vnnderthanen beederlay Gotsdienst zubesuchen vnnd die ain oder die annder Religion on alles abscheuhen anzenemen frej vnnd vnuerhinndert zuegelassen sein vnnd, da sich vber kurtz oder lanng begeben, das der Catholischen vnnderthanen in mehererer oder auch gleicher anzall zu Lüzlburg erfunden wurden als deren sie sich zu der Augspurgischen Confession bekhennen, das alßdann die von Augspurg schuldig sein sollen, ainen aigenen qualificierten Catholischen Priester in berüertem Fleckhen Lüzlburg zuhaben vnnd denselben mit aigner wesenlicher wohnung, sambt raichung notturfftiger gebürender vnndterhalltung zuuersehen.159
1.4.3
Die zweite Phase des Konfliktes und die Rekatholisierung Lützelburgs (1603-1608)160
Dieser ,Münchener Vertrag' war nahezu 25 Jahre in Geltung, als Erzherzog Maximilian III.,161 noch kein ganzes Jahr Regent Tirols und der Vorlande,162 1603
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nachdem er von Herzog Albrecht über die Zustimmung der Stadt zum Vertrag informiert worden war, November 26 an (Goetz, Beiträge, S. 880). TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1578 Oktober 29. Vgl. Goetz, Beiträge, S. 879f. mit Anm. 2. Ausschließlich zu dieser zweiten Phase Hirn, Maximilian, Bd. 1, S. 248f.; Schmidlin, Zustände, S. 58. Hirn, Maximilian; vor allem zur Rolle Maximilians im Deutschen Orden Noflatscher, Maximilian, und ders., Deutschmeister. Erzherzog Ferdinand war 1595 gestorben. Bis zum Regierungsantritt Erzherzog Maximilians (1602-1618) besaß Tirol und Vorderösterreich keinen eigenen Regenten, sondern unterstand unmittelbar Kaiser Rudolf II. (Stievermann, Vorlande, S. 258). - Evans, Rudolf II., kommt bei der Beurteilung der konfessionellen Politik Rudolfs zu dem Ergebnis, der Kaiser habe sich im wesentlichen beschränkt auf „wortgewaltige Erlässe, auf deren Durchführung er gar nicht so sehr drängte" (S. 62), Signum seiner Religionspolitik sei das Bestreben gewesen, „sich eine unabhängige Position zu bewahren" (S. 64); vgl. Lanzinner, Zeitalter, S. 179.
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Lützelburg
März 23 um unverzüglichen und ausfuhrlichen Bericht der burgauischen Beamten nachsuchte. Er habe glaubwürdig erfahren, daß in Lützelburg vngefar vor sechs
Jarn ain Predicant der widrigen Religion durch fürschub deren damals gewesten Spytalpfleger vnd Eur nachsehen eingesezt, die Catholische Religion außgemusstert vnd vnserm loblichen Hauß Osterreich an dessen der enden habender hoher Landsfürstlicher Obrigkait nit ein geringer eintrag zuegefüeget worden,163 Dem nicht überlieferten Bericht der Beamten von 1603 April 10 folgte April 21 die Anordnung, dem Prädikanten wegen seiner lang continuierten mißhandlung mit kurzer Fristsetzung die Räumung des Dorfes zu befehlen bzw. im Falle seiner Weigerung ihn auszuschaffen. 164 Mit Schreiben vom selben Datum ersuchte Maximilian Bischof Heinrich von Knöringen,165 daß wie von alters heer ain
Catholischer vnd zwar also qualificierter Priester bestelt werde, der nit allain mit vnd durch ain Erbaren, Gottseeligen, Priesterlichen Wanndl vnd leben, sonnder auch guete erfahrung, schicklichait vnd eiferigem Inprunst die laider alberait vbeluerfüerte Seelen widerumb zur waren, allain Seeligmachenden Religion, altem gebrauch vnd weegfüeren khünde, dort eingesetzt werde.166 Ein Brief gleichen Datums an Stadtpfleger und Rat zu Augsburg konkretisiert die gegen den lutherischen Prädikanten erhobenen Vorwürfe, er habe wider allem fueg, verbott
vnd obligation die newe, widerige opiniones durch allerhannd öffentliche exercitia dem Armen
Völckhlen vorgetragen. Da sich der Prädikant wider
gethone
Pflicht vnd von sich gebne Reuerß solliches vnfuegs aignen gewalts vnnderzogen, wurde der Stadt seine Ausschaffung angekündigt. Der Einsetzung eines katholischen Priesters durch den Bischof solle sie sich nicht widersetzen. 167 Einige Tage später, frühestens 1603 April 29, wahrscheinlich aber nicht vor Mai 8 und spätestens vor Mai 15, scheint der lutherische Prädikant zu Lützelburg, Simon Haderdey,168 dann Lützelburg tatsächlich verlassen zu haben.169 Jedenfalls 163 164 165 166 167
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TLA, GR, K/A, 1603 März 24. TLA, GR, K/A, 1603 April 21 (Erzherzog Maximilian an Beamte in Burgau). Zu ihm Kap. Β. I. l . A n m . 393. TLA, GR, K/A, 1603 April 21 (Erzherzog Maximilian an Bischof Heinrich). TLA, GR, K/A, 1603 April 21 (Erzherzog Maximilian an Stadtpfleger und Rat von Augsburg). Er befand sich seit 1589 August 1 auf der Pfarrstelle (StaAA, HA, III, 31, Nr. 272, Bestellrevers); vgl. ebenso H. Wiedemann, Pfarrerbuch, S. 61. StaAA, HA, III, 31, Nr. 80-83: Daraus geht hervor, daß der Prädikant sich 1603 April 29 noch im Dorf befand. Erzherzog Maximilian bestätigte 1603 Mai 26 (TLA, GR, K/A) den Eingang eines (nicht überlieferten) burgauischen Berichtes von 1603 Mai 8, in welchem die Ausschaffung des Prädikanten nicht zwingend als vollzogen dargestellt sein mußte, da Maximilian in seiner Antwort Befehl erteilte, mit der Ausschaffung des Prädikanten noch zu warten. Eine schriftliche Bitte Pfarrer Haderdeys an Stadtpfleger und Geheimen Rat von 1603 Mai 15 (StaAA, HA, III, 31, Nr. 84) um obrigkeitliche Erlaubnis, daß die Lützelburger bis zum Austrag der Sache ihre Kinder nach Augsburg zur Taufe bringen dürfen, setzt dagegen voraus, daß Simon Haderdey schon vor Mai 15 seine Pfarrei verlassen hatte. Eine Äußerung des Prädikanten von 1603 Juni 5 (StaAA, HA, III, Nr. 86) - er spricht von seinem hierentzwischen notgetrungenlich eingestelten Predigampt - deutet darauf, daß er dem ös-
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Fallstudien
befand sich der Prädikant bereits nicht mehr in Lützelburg, als sich Erzherzog Maximilian durch ein Schreiben Augsburgs, in welchem sich die Reichsstadt auf den Münchener Vertrag von 1578 berief,170 veranlaßt sah, den Beamten in Burgau zu befehlen, mit der Ausschaffung noch bis auf weitere Instruktionen zu warten. Aus dem darin geäußerten Tadel an den Beamten (So khumbt vns nit wenig verwunderlich für, das Ir vmb disen vertrag so gar khain wissen haben sollet) wird deutlich, daß offensichtlich Erzherzog Maximilian selbst vom Münchener Vertrag keine Kenntnis hatte.171 Eine Verletzung dieses Vertrages durch Augsburg konnte also nicht der Anlaß fur die Ausschaffung des Prädikanten gewesen sein. Doch forderte jetzt die oberösterreichische Regierung in einem Schreiben von 1603 Juli 29 an die burgauischen Beamten Landvogt Ulrich von Stotzingen (1603-1609)172 und Dr. Leonhard Plebst ausführliche Information an, ob und in welcher Weise Augsburg in der Vergangenheit den Bestimmungen des Münchener Vertrags gerecht geworden sei.173 Gleichzeitig wurden die Adressaten um ihr guetachten ersucht, ob vnd was gestalt etwa disem vnwesen zu Remediern vnd wie die Arme verfüerte Seelen von dem Sectischen gifft wider zu der allain seligmachenden Catholischen Religion am glimpflichisten zubringen seyen,174 Im Zusammenhang damit sind auch die Erkundigungen zu sehen, welcher der Landammann der Markgrafschaft im August des Jahres beim Hl.-Geist-Spital über die Zahl der Katholiken in Lützelburg und die Entfernung zum nächsten katholischen Geistlichen einzog.175
terreichischen Druck nachgegeben und den Ort von sich aus verlassen hatte. Für eine freiwillige Räumung spricht auch, daß über eine gewaltsame Verhaftung und Inhaftierung aufgrund der rechtlichen und politischen Konsequenzen eines solchen Eingriffs mit Sicherheit ein Bericht überliefert wäre oder doch sich zumindest Anhaltspunkte in der späteren Korrespondenz finden ließen. 170 StaAA, HA, III, 31, Nr. 83, 1603 April 29. 171 TLA, HR, K/A, 1603 Mai 26. 172 Erlacher, Beamtenschematismus, S. 49. 173 StAA, VÖ, Lit. 652, 1603 Juli 29, fol. 367v: Wir sein zuwissen bedürftig, demnach Stattpfleger, Burgermaister vnnd Rath zu Augspurg schuldig vnd verpunden, zu Lüzelburg neben Irem, der Widrigen, Sectischen Religion zugethonen Kirchen Diener, einen Catholischen Priester aus negst vmbgelegnen Fleckhen zubestellen vnd In Irem Costen zu vnderhalten, der aldorten zu Lüzelburg die Catholische Religion mit Messlesen, Predigen, Administrierung der heyligen Sacramennten vnnd allem anderm der Catholischen Ordnung gemeß exerciern solle, ob Sy, von Augspurg, sollichem bishero vnd wie lanng nachkhommen, was Sy fiir ain Priester bestellt, wo derselbig sein Wohnung habe, wieuil Sy Ime Ierlich zu seinem vnnderhalt geben, wie weit Er von Luzelburg gesessen, ob derselbe eines Priesterlichen, Exemplarischen Lebens, wie offt Er gehn Luzelburg khomme, die Gottsdienns [!] zuhallten, ob Er neben der heyligen Mesß auch die Predicatur daselbst verrichte vnd wie Er sich sonsten mit administrierung der Heyligen Sacramenten vnd besuechung der Kranckhen verhalte; Item wieuil an Iezo zu Luzelburg der Catholischen vnderthonen vnd hingegen in was für anzal der Sectischen seyen. 174 StAA, VÖ, Lit. 652, 1603 Juli 29. 175 StaAA, HA, III, 31, Nr. 94.
Lützelburg
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Die zur Beibringung dieser Informationen erforderliche Zeit erklärt, warum Erzherzog Maximilian auf mehrere Anfragen Augsburgs und Forderungen zur Restitution des Prädikanten 176 erst 1603 November 17 antwortete: Sehr wohl, heißt es nun, könne er sich des von Augsburg so oft bemühten Münchener Vertrages von 1578 Oktober 11 erinnern, doch habe sich die Stadt in den fiirnembsten Puncten nicht an den Vertrag gehalten. Denn entgegen der vertraglichen Zusage, einen katholischen Priester auf eigene Kosten in einem benachbarten Ort zu halten, habe man einen bestellt, der bej drey in vier stund von seiner Wohnung nach Lützelburg braucht, auch sei er so schlechtlich besoldet worden, das gleich hanndtgreifflich zu spüren, das Ir, den vertrag in Acht zu nemen, wenig lust gehabt [...]. Zu deme auch gnuegsamb am tages Lüecht vnnd gar zu wahr, das sich der Jenige durch aufgewiglete Lizlburgische Bauren so eiferig repetiert Lutherische Predicant des Calummirens, Scalirens, außrichtens auf der Cannzl vnnd annderer orthen, obgedachtem vertrag entgegen, gar nit enthalten haben solle. Die Ausschaffung sei daher nur konsequent. Augsburg solle sich damit abfinden. 177 Ein halbes Jahr später wiederholte Erzherzog Maximilian seinen Standpunkt, erneuerte die Forderungen und zeigte sich, ungehalten über die zwischenzeitliche Flut von Supplikationen, zu keiner weiteren Diskussion bereit. 178 Scheint nun auch die Verletzung des Münchener Vertrages durch Augsburg erst im nachhinein als Rechtsgrund für das österreichische Vorgehen entdeckt worden zu sein, der lutherische Prädikant also geradezu aus Versehen mit naheliegenden rechtlichen Gründen ausgeschafft worden zu sein, so sind doch die folgenden Schritte bei allem Lavieren zwischen Offensive und vorsichtiger Zurückhaltung in der eingeschlagenen Richtung konsequent: 179 Aus Berichten der burgauischen Beamten über Lützelburg vom März 1604 hatte Erzherzog Maximilian entnommen, daß das Exercitium catholicae religionis daselbst souil ab- vnd [die] Lutterische Sect so weit zuegenomen vnd eingerissen, das der Catholischen nit mehr dann drey par Eheleith, anders volckh alles verfüert sein solle. Mit Befehl von 1604 Mai 24 an die Beamten in Burgau ließ er daraufhin den Lützelburger Inwohnern vnd vnderthanen die ernste und scharfe Anordnung kommunizieren, sich des Auslaufens zu enthalten und den katholischen Gottesdienst im Ort (wie Ire andechtige vorel176 177 178
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StaAA, HA, III, 31, Nr. 97, 1603 Juni 5; Nr. 89, 1603 Juli 26; Nr. 92, 1603 August 2. TLA, GR, K/A, 1603 November 17. Original in StaAA, HA, III, 31, Nr. 97. TLA, GR, K/A, 1604 Mai 24: So geben doch nit allain Eure merfeltige, doch eines Inhalts an vnnß vber besagt vnnser genedige erclerung abgangne anmanungs schreiben, sonder auch der, sowol von gedachtem Praedicanten, als aber vbl verflierten Lüzlburger vnderthon vnd Inwohnern beygefliegte vnd zu Irem mehrern vnhail graichte supplicationes zuerkhennen, das mann sich dessen noch nit zu begeben, sonder gedachten Predicanten widerumb zu restituiern gemaint; Original in StaAA, HA, III, 31, Nr. 111. Hirn, Maximilian, Bd. 2, S. 248, fuhrt die Verbindung dieser beiden Elemente auf die Maximilian seiner Ansicht nach kennzeichnende Art zurück, „bei Behandlung solcher Gegenstände gern den subtileren Weg" einzuschlagen.
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tern) zu besuchen. Im Falle der Zuwiderhandlung würden die Ungehorsamen ausgeschafft. Die Amtleute wurden verpflichtet, vleissige obacht zu halten, ob und inwieweit dem nachgekommen würde, und Bericht zu geben.180 1605 Januar 24 erging der Befehl, die Frau des Prädikanten aus dem Pfarrhof von Lützelburg auszuweisen und den Spitalschreiber zu Zurückhaltung in religiösen Äußerungen zu mahnen.181 1605 Januar 10 ordnete die oberösterreichische Regierung die Bestellung und Unterhaltung eines katholischen Priesters an: Landvogt Ulrich von Stotzingen und Dr. Leonhard Plebst wurde befohlen, daß Ir vermüg yezt angezogner resolution ainen Catholischen Priester, vngeacht ermelter Statt iezigen erclärung, gehn Lizelburg bestellet vnd denselben mit nottwendigem einkhommen vnd vnnderhaltung fürsehet, auch sonnst solche verfüegung thuet, damit daselbst die alte, wahre, Catholische religion widerumben gepflanzet, die allberaith verfüerten seelen auf den rechten weeg gepracht vnd alle widerwertige opinion vnd secten gennzlichen außgereittet werden,182 1605 April 15 teilte die bischöfliche Regierung dem Magistrat die Präsentation eines katholischen Priesters nach Lützelburg mit. Der Rat protestierte (April 18) gegen die Verletzung seines Patronatsrechtes.183 Juli 23 informierte Erzherzog Maximilian Bischof Heinrich, wegen der gefehrlichen vnd schwingen leüfften seinen Beamten befohlen zu haben, mit der Einsetzung des ka180 181
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TLA, GR, K/A, 1604 Mai 24. TLA, GR, K/A, 1605 Januar 24. - Gleichwohl bewohnte die Prädikantin zwei Jahre später immer noch den Pfarrhof (StaAA, HA, III, 31, Nr. 228). In einem Schreiben von 1605 Juli 23 (TLA, GR, K/A) klagt Erzherzog Maximilian nach Erhalt einer Augsburger Beschwerdeschrift, die Amtleute hätten den Befehl von 1605 Januar 24 zur Ausschaffung der Gattin des Prädikanten aus dem Pfarrhof zu spät und zur vnzeit, außerdem nur durch Beauftragte (Landammann und Sequester von Haldenwang) und obendrein über die Anordnungen hinaus (mit betroung und attentata) ausgeführt. Daraus sei schon jetzt gefährliche Weiterung entstanden. So hätten die Augsburger ein Klageschreiben nicht nur an ihn, sondern auch an Bischof und Kaiser geschickt. Einstweilen sollten nun die Maßnahmen ausgesetzt werden. 1605 August 19 (TLA, GR, K/A) werden die Beamten dann wieder angewiesen, das Ir darauf bedacht seyet, damit die Predicantin daselbs abzeziechen gewisen. Daraufhin scheinen die Beamten erneut die Ausweisung der Prädikantin betrieben zu haben (TLA, GR, K/A, 1605 September 6, Erzherzog Maximilian an Landvogt Ulrich von Stotzingen und Dr. Leonhard Plebst), worüber (konkret über die Verletzung der Gerechtsame des Spitals) sich 1605 September 1 die Reichsstadt erneut beklagte (TLA, GR, K/A, 1605 September 6, Erzherzog Maximilian an Stadtpfleger, Bürgermeister und Geheimen Rat. Original im StaAA, HA, III, 31, Nr. 193). Den Beamten wurde daraufhin wiederum befohlen, einen Stillstand zu halten (TLA, GR, K/A, 1605 September 6, Erzherzog Maximilian an Landvogt Ulrich von Stotzingen und Dr. Leonhard Plebst). Zur Kontroverse um die Ausweisung der Prädikantengattin aus dem Pfarrhof Hirn, Maximilian, Bd. 1, S. 248f., der allerdings - entgegen dem Befund bei genauer Lektüre des Briefwechsels - die Verantwortung für die entstandenen Irritationen bei den burgauischen Amtleuten sieht, die die Anweisungen Maximilians falsch verstanden hätten. StAA, VÖ, Lit. 652, 1605 Januar 10. StaAA, HA, III, 31, Nr. 140f.
Lützelburg
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t h o l i s c h e n G e i s t l i c h e n e i n e n S t i l l s t a n d zu h a l t e n . D e r B i s c h o f s o l l e die Verrichtung
des
Gottsdiensts
durch
glimpfliche
mitl daselbs
demnach continuiern
lassen, 1 8 4 a l s o d u r c h d i e A b h a l t u n g d e r G o t t e s d i e n s t e e x c u r r e n d o , d u r c h n i c h t a m O r t r e s i d i e r e n d e Priester. 1 8 5 1 6 0 7 M a i 21 w u r d e d e r k a t h o l i s c h e P r i e s t e r G e o r g S c h ö f f e l s c h l i e ß l i c h als i n v e s t i e r t e r P f a r r e r w i r k l i c h in d e n P f a r r h o f u n d d a s p f a r r l i c h e E i n k o m m e n e i n g e f ü h r t . D i e P f a r r k i n d e r w u r d e n a u f sein G e b o t u n d V e r b o t v e r w i e s e n . 1 8 6 A l l e r d i n g s s c h e i n t G e o r g S c h ö f f e l d i e P f a r r e i b e r e i t s seit H e r b s t 1605 v e r s e h e n z u haben. 1 8 7 Schon kurz zuvor (1607 März 21) w a r der evangelischen Bevölkerung Lützelburgs durch Rentmeister Hans Christoph Han und Landammann
Georg
Kaysersberger unter Androhung von Strafe der Befehl Erzherzog Maximilia n s e r ö f f n e t w o r d e n , s i c h d e r winckhelpredigten u n d H o c h z e i t e n n i c h t an Lutherischen
orten
zu enthalten sowie Taufen
vorzunehmen, sondern durch den
katholischen Priester von Lützelburg.188
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187
188
TLA, GR, K/A, 1605 Juli 23. Dabei scheinen auch Kapuziner aus Augsburg (außer durch die dazu verordneten Priester auch durch Kapuziner) zum Einsatz gekommen zu sein (TLA, GR, K/A, 1605 Juli 23). Zur Einfuhrung der Kapuziner in Augsburg durch Bischof Heinrich im Jahre 1601 Spindler, Heinrich V. Reformarbeit, S. 85f.; Hohenegger/Zierler, Kapuziner, Bd. 1, S. 31-35; Sprinkart, Kapuziner, S. 796f.; allgemein zu ihrer Funktion und Problematik in bikonfessionellen Städten Warmbrunn, Konfessionen, S. 262f. StaAA, HA, III, 31, Nr. 259. Gleichzeitig bedauerte Erzherzog Maximilian in einem Schreiben an Bischof Heinrich (TLA, GR, K/A, 1607 Juni 21), daß Pfarrer Schöffel nur per modum commissionis, also nur ad tempus die Seelsorge aufgetragen wurde, was dazu geführt habe, daß man ihn in Lützelburg und Augsburg nicht als ordentlichen Seelsorger eingestuft habe. Bischof Heinrich solle ihn noch zu einem wirckhlichen Pfarrherr daselbst inuestiern oder ihn dahin bringen, die Seelsorge bis zur Präsentation eines neuen und dann volkhomen ordenlichen Pfarrers zu übernehmen. Pfarrer Schöffel scheint auch nicht ständig im Dorf residiert zu haben. So teilte Landvogt Ulrich von Stotzingen Erzherzog Maximilian 1607 Oktober 31 (TLA, GR, A/E (Einlauijournal); TLA, GR, K/A, November 12) mit, daß derzeit kein eigener Pfarrer in Lützelburg sei, sondern das Dorf wie vormals von einem Augsburger Pfarrer versehen werde. Erzherzog Maximilian zeigte sich darüber verwundert, dieweil vnß vor disem glaublich fürkhomen, das vnlangst ein newer vnd wol qualificierter Pfarrer mit gewohnlicher sollemnitet von beeden Spittalpflegern daselbst introduciert, der gemain fiirgestelt vnd allerdings immitiert sey worden. StaAA, HA, IV, 3, Nr. 13 und StaAA, HA, IV, 34, Nr. 5, 1605 September 26: Spitalpfleger Hans Sebastian und Bartholomäus May (beide sind katholisch; Finkl, Verwaltung, Tafel XVI, S. 171) als Inhaber des Patronatsrechtes präsentieren Domdekan Hieronymus Stor von Ostrach Pfarrer Georg Schöffel und bitten um Institution per annuam commissionem. Zu diesem Zeitpunkt bewohnte Pfarrer Schöffel den Pfarrhof noch nicht, da aus ABA, GVPr 1 (ohne Datum) hervorgeht, Domvikar Georg Schöffel solle die Pfarrei an Sonn- und Feiertagen versehen und erhalte dafür [vom Spital] 100 fl. und ein Pferd zum Reiten. - Zwischen 1605 Januar 1 und Juli 10 wurde die Pfarrei vom bischöflichen Siegler und nachmaligen Pönitentiar Michael Schmidtner, danach von Juli 16 bis Oktober 2 vom späteren Pfarrer von Gabiingen, Michael Rueff, excurrendo versehen. StaAA, HA, III, 31, Nr. 228.
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Fallstudien
In der Folgezeit kam es zu Auseinandersetzungen um die Rechte am Pfarrhof zu Lützelburg 189 und wiederholt zu allgemeinen wie auch Einzelmaßnahmen der burgauischen Beamten gegen Lützelburger Untertanen, die an ihrem Glauben festzuhalten versuchen. 190 Angesichts des vorangegangenen Engagements der Lützelburger Untertanen für den Erhalt ihres Glaubens und des Ausmaßes ihrer Widersetzlichkeit verwundert die Mitteilung des Landvogts Ulrich von Stotzingen 1608 Juli 1, das sich die vnderthanen zw Lüzlburg alle zu der Catholischen Religion begeben hätten,191 ja daß sie sich auf beschehne Verordnungen in der wahrn, Catholischen Religion vnd derselben eiferigen exercitijs so bestendig vnd rhuemblich erzaigen würden.192 Tatsächlich sind auch aus den Folgejahren (bis 1628) vereinzelt Klagen der Lützelburger Pfarrer über eine geringe Akzeptanz der katholischen Religionsübungen (Gottesdienstbesuch, Sakramentenempfang) in der Bevölkerung und mangelnde Ehrzuweisung an den katholischen Ortsgeistlichen überliefert. 193 Doch läßt sich nach 1608 August 30, abgesehen von einer rein rechtlichen Kontroverse
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1607 Mai 26 wurde per Ratsdekret von Pfarrer Schöffel der Pfarrhausschlüssel abgefordert. Im Weigerungsfalle würde ein Schloß vorgeschlagen (StaAA, HA, III, 31, Nr. 262). Unter Protest wurde der Schlüssel Juni 1 Spitalpfleger Rehlinger übergeben (Nr. 267), in der Nacht darauf das Markschloß aber durch burgauische Beamte abgeschlagen und ein neues Schloß angebracht (Nr. 268). StaAA, HA, III, 31, Nr. 241, 1607 April 17: Vorgehen gegen Georg Wieland wegen angeblich loser Reden gegen die burgauischen Beamten; StaAA, HA, III, 31, Nr. 286-288, 1607 vor Juli 25: Inhaftierung des Hans Hartmut, seiner Frau und seiner Magd, da sie ihre Ehe in Augsburg lutherisch einsegnen ließen; StaAA, HA, III, 31, Nr. 294, 300, 306, 308 und 311, 1607 September 10: Inhaftierung des Wagners Hans Mayr wegen Fernbleibens vom katholischen Gottesdienst und lutherischer Agitation; 1607 Dezember 31 (TLA, GR, K/A) erneuerte und modifizierte Erzherzog Maximilian seinen Befehl zur Inspektion des katholischen Exerzitiums an Sonn- und Feiertagen durch die burgauischen Beamten, nicht aber durch die Landvogtknechte vnd dergleichen wenig respectierte Personen. Einer Klage des Landvogtes Ulrich von Stotzingen von 1608 Februar 13 (TLA, GR, A/E (Einlaufjournal)) über Ungehorsam und Widersetzlichkeit der Lützelburger in Fragen der religiösen Praxis folgte der Befehl Erzherzog Maximilians von 1608 Februar 28 (TLA, GR, K/A) zu Besuch des Gottesdienstes und Empfang der Ostersakramente. Alle Lützelburger, gehorsame und ungehorsame, sollten vor ermeltem Pfarrer verzeichnet werden. Diejenigen, die sich dem Gottesdienstbesuch widersetzen oder andere dazu ermuntern würden, sollten, sobald sie die Markgrafschaft Burgau beträten, in Verhaft genommen werden. Sollte solliche coersition auch nit verfenckhlich sein, müßten die Ungehorsamen aus Lützelburg und der Markgrafschaft ausgeschafft werden. TLA, GR, A/E (Einlauf ouraal), 1608 Juli 1. Referiert im Antwortschreiben Erzherzog Maximilians von 1608 August 30 (TLA, GR, K/A), in dem der Landvogt aufgefordert wird, weiterhin sein Augenmerk auf die Vorgänge zu richten, demnach sich aber Zweifls ohne noch allerhandt widerigs eraigen möchte. Vgl. TLA, GR, A/E (Einlaufjournal), 1608 Juli 1. StaAA, HA, III, 31, Nr. 322f.
Lützelburg
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in der Folge einer älteren konfessionellen Maßnahme, 194 kein konfessionspolitisches Engagement Österreichs bzw. der burgauischen Amtleute in Lützelburg mehr nachweisen. Soweit feststellbar, wurden Probleme religiösen Lebens im Dorf von nun an wieder zwischen den Pfarrern im Ort und den Hospitalpflegern, also der Reichsstadt, abgemacht,195 trat der präsumtive Landesherr, die Markgrafschaft Burgau, also gegenüber Klerus196 und Ortsherr als obrigkeitlichen Exponenten in religiösen Fragen zurück.
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Im August 1612 hatte die Reichsstadt Augsburg den burgauischen Landvogtknecht Rimmele über Nacht in Fronveste gelegt, da er durch die Gefangennahme des Wagners Hans Mayr von Lützelburg gewaltsam in die Spitalsjurisdiktion eingegriffen habe. Gegen diese Maßnahme legte Markgraf Karl 1612 Oktober 31 Protest ein, die begehrte Satisfaktion für Gefängnishaft und Kosten wurde ihm aber von der Reichsstadt abgeschlagen (StaAA, HA, III, 31, Nr. 317, 320f.). Vgl. Kap. Β. I. 1. Anm. 45. Das Engagement der bischöflichen Behörden setzte sich fort: 1609 Februar 27 (ABA, SAPr 1) erteilte das Siegelamt den Hospitalpflegern Johann Sebastian Rehlinger und Bartholomäus May die Erlaubnis, (ob maiorem commoditatem parochianorum catholicorum in pago Lizelburg nec non cultus divini ibidem propagationem) ecclesiam parochialem Georgio Martyri dicatam demolire atque α fundamentis reaedificare et ampliorem reddere. An der Stelle der alten Kirche wollten sie eine [ecclesiam] ampliorem et capaciorem errichten. Die Relatio status Bischof Heinrichs von 1612 berichtete nach Rom, der katholische Pfarrer von Lützelburg habe „durch seine wachsame Bemühung sämtliche Untertanen" zum katholischen Glauben zurückgeführt (Schmidlin, Zustände, S. 62). Teil dieser Bemühungen war sogar das Verfassen eines Traktates, das der Pfarrer von Lützelburg, Sixtus Vischer (M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 935, verzeichnet ihn allerdings erst zwischen 1610 und 1614 in Lützelburg) seinen Pfarrkindem widmete (Vischer, Sixtus: Lützelburgische bekehrung, Das ist: Etliche gründtliche/ und so gar auch den einfältigen/ verständliche Vrsachen/ Warumb sich die Pfarrmenig zu Lützelburg vom Lutherthumb zur alten Catholischen Römischen Kirchen und Glauben/ recht vnd billich begeben hab/ auch vermittelst Göttlicher gnaden darbey beständig verharren soll vnd werd. Zu derselben vnd anderer Newbeköhrten Catholischen Christen/ nutz vnd tröstlicher stärckung in truck verfertiget. [...] Getruckt zu München/ durch Nicolaum Henricum/ im Jar M.DC.IIX. - Nikolaus Heinrich (1597-1654) erwarb das Münchener Bürgerrecht, war dort tätig als Landschafts- und Hofbuchdrucker und „hatte die Unterstützung der Jesuiten"; Benzing, Buchdrucker, S. 335f.). In der Vorrede des Büchleins wendet sich Pfarrer Vischer an seine Pfarrkinder, die sich dise Oesterliche zeit seiner Pfarrlichen Seelsorg vnd ordenlichem Hirtenampt einhellig vndergeben vnnd gäntzlich vertrawt hätten, und drückt seine hertzliche freud aus, daß nach so vilen Jaren bey diser Georgen Pfarr zu Lützelburg/ nit allein wider ein Hirt/ sonder auch ein Schafstall worden. Den Lützelburgern, die zu ihrem mehrerteil des Lesens wol bericht seien, möchte der Pfarrer mit seiner Schrift theologische Argumente an die Hand geben, um sie gegen die vilfeltige anstöß der widerwertigen zu wappnen. In zwölf Kapiteln auf 55 Seiten gibt Sixtus Vischer theologische - nicht etwa historische - Ursachen der Lützelburgischen Bekehrung vom Luther zum Christenthumb an, die mit einer Fülle biblischer Zitate angereichert sind und darin womöglich anknüpfen an die biblizistische Prägung der vormals evangelischen Rezipienten.
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Fallstudien
1.5
Der juristische Hintergrund des Konfliktes: die Auseinandersetzung um die Landeshoheit in der Markgrafschaft Burgau Ι Q*J
1577 März 30 teilten Landvogt und Rentmeister der Markgrafschaft Burgau Erzherzog Ferdinand den Tod des lutherischen Prädikanten von Lützelburg mit. Die Beamten äußerten ihre Zuversicht, ein Schreiben Erzherzog Ferdinands werde den Augsburger Rat bewegen, die Pfarrei jetzt mit einem katholischen Pfarrer zu besetzen: Dan In vertrauen khinden E.F.D. wier nit verhalten, das den Statpflegern vnnd gehaimen zu Augspurg (so all, aus erhalb Johann Papp is ten [!] Hainzel, Catholisch) nit Lieb, das solcher Predicannt alda gewesen, vnnd wan E.F.D. Inen, den Statt Pflegern vnnd gehaimen, schreiben, sy mit ainem Catholischen Pfarer woll zufryden sein werden.m Indes teilte die oberösterreichische Regierung in ihrem daraufhin formulierten Gutachten fur Erzherzog Ferdinand diese Hoffnung durchaus nicht, Dann ob schon die selben mererthails Catholisch vnnd für Ire Personen nit vngenaigt sein mechten, die Pfarr zu Lüzelburg mit ainem Catholischen Priester zubesezen, So werden sy doch E.F.D. hierinnen nit gern willfaren wellen, damit sy derselben die Lanndtsfurstlich Obrigkhait, die gegen allen Innsessen vnnd begueteten der Marggrafschafft Burgaw spennig ist, dardurch nit einräumen Die Einschätzung der Räte in Innsbruck macht die rechtliche (und politische) Dimension des konfessionellen Konfliktes offensichtlich. Die Frage der Kirchenhoheit im Dorf war so eng verknüpft mit dem Problem der landesfürstlichen Obrigkeit,200 daß ein Nachgeben in jener, eine Preisgabe der Ansprüche in dieser Hinsicht bedeuten mußte. Die strittigen Rechtspositionen wurden bereits unmittelbar nach den ersten Ereignissen formuliert und im weiteren Verlauf nur noch argumentativ variiert.
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Vgl. Kap. A. 2. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1577 März 30. - Die Katholiken besaßen im 45köpfigen Kleinen Rat während der gesamten Dauer des Konfliktes um Lützelburg (1573-1608) eine Mehrheit von mindestens einer und bis zu neun Stimmen. Im Gremium der „den kleinen Rat an Bedeutung übertreffenden" sieben Geheimen war dieses Verhältnis noch stärker zugunsten der Katholiken ausgeprägt. Öfter (beispielsweise auch in den Jahren 1570 und 1571) kam es vor, daß sechs katholische einem evangelischen Geheimen gegenüberstanden (Warmbrunn, Konfessionen, S. 132-134, Zitat 134). Der Geheime Rat stellte einen Ausschuß des Kleinen Rates dar. Er war „mit der Führung aller Geschäfte betraut, aber nicht befugt, im Namen der Reichsstadt verbindliche Entschlüsse zu fassen", was nur dem Kleinen Rat zustand (Bätori, Reichsstadt, S. 46-54, Zitat S. 54). TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1577 April 3. Zum Begriff und seiner Einordnung in eine „Morphologie der Herrschaftselemente" Hofmann, Herrschaft, S. 60f. - Zur grundlegenden Erörterung des Problems der Landeshoheit in der Markgrafschaft Burgau Kap. Β. I. 1.5.
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Lützelburg
1.5.1
Die Rechtsposition Augsburgs
(1) Die Reichsstadt Augsburg als Oberherrin des Hl.-Geist-Spitals sah sich zur Einführung der Reformation in Lützelburg als ohne mite! ein stand des hay. Reichs berechtigt.201 Auf der Grundlage dieser reichsrechtlichen Position reklamierte die Stadt für sich die Geltung des Passauer Vertrages (1552) und des ARF (1555), dessen einschlägige Bestimmungen weitleuffig außzufuern sie nicht eigens für nötig hielt.202 Im ARF hatten explizit nur die Reichsstädte Erwähnung gefunden, in denen bede religionen, nemlich unser alte religion und der Augspurgischen confession verwandten religion ein zeit hero im gang undgeprauch gewesen.™ Sie waren für die Zukunft festgelegt auf den ,,(schein-)paritätische[n] Status-quo, der die katholischen Minderheiten in ihren nach dem Interim (1548) erlangten Positionen schützte und der evangelischen Mehrheit das Ius reformandi verwehrte". 204 Das Nebeneinander zweier Religionsübungen galt zweifellos für Augsburg selbst, nicht jedoch für Lützelburg, wo zur fraglichen Zeit ausschließlich ein evangelischer Geistlicher gewirkt hatte. In diesem Zusammenhang gewinnt der Einwand der Reichsstadt argumentative Kraft, das evangelische Bekenntnis sei im Dorf nicht allein zur Zeit des Passauer Vertrages und des ARF, sonder yezt ob den 30 Jarn alda öffentlich gehalten vnd getriben worden,205 ohne daß sich Widerspruch geregt hätte. Um also die Legitimität der Lützelburger Reformation zu belegen, verweist die Stadt auf die grundlegende Bestimmung des Vertragswerkes, die einem yeden stand vnd seinenn angeherigen daß Jenige exercitium religionis bestetigt, eingeraumbt vnd conßrmirt, dessen er derselben Zeit Im Innhaben gewesen ist.206 Der formulierte Einwand erfüllte drei mögliche Funktionen, doch wurde nur eine argumentative Konsequenz wirklich expliziert: Das Fehlen einer praktizierten Bikonfessionalität im Dorf zur Zeit des ARF konnte die analoge Geltung des ,Städteartikels' des ARF für Lützelburg ausschließen und die Reichsstadt nun auch der Verpflichtung entheben, für zwei Konfessionen Sorge zu tragen und etwa zwei Geistliche zu besolden: Der Städteartikel kennt ein Nebeneinander der Konfessionen explizit nur für burger und andere einwohner, nicht auch für die Untertanen reichsstädtischer Territorien.207 Bikonfessionalität der Reichsstadt innerhalb ihrer Mauern und
201 202 203 204 205 206
207
TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1573 Juli 2. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1573 November 10. § 14 in der Edition des Textes bei Walder, Religionsvergleiche, S. 53. HRG IV, 869-874. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1573 Juli 2; vgl. ebd. 1574 Mai 11 TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1574 Mai 11; vgl. § 3 in der Edition des Textes bei Walder, Religionsvergleiche, S. 47f. § 14 in der Edition des Textes bei Walder, Religionsvergleiche, S. 53.
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Fallstudien
Monokonfessionalität ihrer Territorialherrschaften waren also durch den Städteartikel theoretisch nicht zwingend ausgeschlossen. - Freilich setzte die österreichische Seite schon deshalb hier nicht an und fand auf dieser Grundlage keine rechtliche Auseinandersetzung statt, weil man in Innsbruck eine Zugehörigkeit Lützelburgs zum reichsstädtischen Territorium, zu einer immediaten reichsstädtischen Herrschaft, ja gerade bestritt. Die lange und unwidersprochene ausschließliche Übung der evangelischen Religion, konnte - ebenfalls implizit - als stillschweigendes Einverständnis Österreichs mit dem Ius reformandi der Reichsstadt bzw. mit dessen herrschaftsrechtlichen Voraussetzungen gewertet werden.208 Sie diente, ausdrücklich, sogar als - juristisch zweifelhaftes und wohl aus diesem Grunde nur einmal vorgebrachtes - Argument für die Geltung der Declaratio Ferdinandea, gesetzt, Erzherzog Ferdinand befände sich im Besitz der Landeshoheit: Die ausdrücklich nur für die Landsässigen der geistlichen Territorien geltende Declaratio wird kühn ex similitudine rationis auf alle Stände und Communen ausgedehnt, die den Stennden der allien Religion zugethon vnnd zur Zeit aufgerichts Religion fridenns schon in Uber exercitio der Augspurgischen Confession offenlich gewesen seien.209 Selbst wenn also das Spital bzw. die Reichsstadt hinsichtlich Lützelburgs tatsächlich Landsasse der Markgrafschaft wäre, sollte im Ort auch weiterhin die evangelische Religion geübt werden. (2) Um die Kirchenhoheit über Lützelburg bzw. das im ARF verbriefte Ius reformandi zu legitimieren, führte die Stadt also ihre Reichsstandschaft an, die sie in ihrem Territorium nicht von den Beschränkungen des Städteartikels (Bikonfessionalität) restringiert sehen wollte. Der ARF hatte das Reformationsrecht jedoch ausschließlich persönlich gefaßt und auf die Reichsstandschaft der Herrschaftsträger bezogen. Davon abstrahierende Begriffe, wie ,Territorium', ,landesfurstliche Obrigkeit' oder gar Landeshoheit', finden sich im Vertragswerk nicht.210 Der konfessionelle Konflikt zwischen zwei Reichsständen um eine Herrschaft wie 208 209
210
Z.B. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1573 Juli 2 und 1574 Mai 11. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), Reichskammergerichtsmandat 1576 Juli 13 erlassen, August 12 verkündet und übergeben. Kaiser Ferdinand habe, so der eigentliche Inhalt der Declaratio, bey beratschlagunng vnnd beschlus des Religionns fridenns die Stenndt vnnd Communen, so den Geistlichen, Erzbischouen, Bischouen vnnd Stennden mit subiection zuegethon vnnd doch zur selbigen Zeit das Exercitium der Augspurgischen Confession schon gehabt haben, mit einer sonndern declaration versehen vnnd offerirt, das Sy bei solchem damals albereit habenden Exercitio Augspurgischer Confession, leer, Glaubens vnnd Religion vnbetrüebt gelassen werden sollen; vgl. die Edition der Declaratio bei Walder, Religionsvergleiche, S. 68f. So schon die Beobachtung der Regierung in Innsbruck, daß auch der Religion friden von solcher plossen hochgerichtlichen Oberkhait khain meidung thuet, sonnder ist in demselben geordnet, das khain stannd den anndern noch dessen vnnderthanen zu seiner Religion dringen, noch Practiciern soll (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1576 Dezember 1).
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Lützelburg führte zwangsläufig zu der Frage, welchem der beiden konkurrierenden Stände in bezug auf diese Herrschaft Reichsunmittelbarkeit zuzusprechen sei bzw. welcher der beiden Stände fur den anderen die - landesfiirstliche - Mediatgewalt darstelle, die dessen Ius reformandi entgegensteht. Die Argumentation Augsburgs mußte also darauf abzielen, (positiv) die Zugehörigkeit des Dorfes zum reichsstädtischen Territorium zu erweisen bzw. (negativ) dem Anspruch der Markgrafschaft Burgau auf Landeshoheit' in Lützelburg entgegenzutreten und Mittelbarkeit zum Reich und damit das Fehlen eines Ius reformandi zu negieren. Die Stadt ging dabei niemals so weit, für sich selbst explizit ,landesfiirstliche Obrigkeit' zu reklamieren bzw. sich selbst als Landesherrn' zu titulieren. Die Zugehörigkeit Lützelburgs zum Territorium der Reichsstadt wurde mit den Worten postuliert, daß das dorf Luzelburg sambt seinem Gericht Ie vnnd allwegen [...] der Stat Augspurg Hospital zum heiligen Geist vnnd desselben von Rats vnnd Oberkeit wegen geordneten Pflegern on mittl, wie noch, zugethon gewesen, dergestallt, das die vnnderthonen desselben Fleckhenns allein Ir, des Rats, geordneten Spital Pflegern vnnd sonnst weder E.L. noch ainigem annderm Stanndt im Reich mit Erbhuldigunng verwandt, Inen allein Gerichtbar, Potmessig, 2 diennstbar, Raißbar, Steurbar, vogtbar vnd gehorsam " sei, weshalb - gegen Österreich gewendet - die f . durchl. einiche landsfürstliche obrigkait derselben orten, beuorab gegen ein stand des Reichs vnd in gegenwerttigem fall, mit keinem grundfurzuwenden hätte.212 Niedergericht, Grundherrschaft, Steuer- und Waffenrecht waren also, um es in moderner Terminologie zu umschreiben, aus Sicht der Stadt entscheidende Kriterien, um eine Herrschaft als on mittl zu charakterisieren und ihrem Inhaber das Ius reformandi an die Hand zu geben. Dagegen hätten die Lützelburger dem Markgrafen von Burgau niemals Erbhuldigung geleistet, noch seien sie jemals auf Landtage geladen worden.213 Die von seiten Österreichs in Anschlag gebrachte Hochgerichtsbarkeit beschränke sich auf die vier hohen wänndel, so am leben gestrafft werden mögen und sei daher zur Begründung von Ansprüchen zu rudimentär.214 211
2,2
213
214
So gibt das Reichskammergerichtsmandat (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1576 Juli 23 erlassen, August 12 verkündet und übergeben) die augsburgische Rechtsauffassung wieder. StaAA, HA, III, 29, Nr. 1, 1574 September 18 (Rechtsgutachten Dr. Werner Seuters für den Kanzler der Reichsstadt Augsburg, Dr. Adam Zech). - Zu Dr. Adam Zech Lenk, Bürgertum, S. 28; Sieh-Burens, Verflechtung, S. 193. So über die vorgenannten positiven Kriterien hinaus die Zurückweisung österreichischer Ansprüche bei den Münchener Verhandlungen 1578 März 4; TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2). TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), Reichskammergerichtsmandat 1576 Juli 13 erlassen, August 12 verkündet und übergeben. - Tatsächlich aber war fremde Hochgerichtsbarkeit der Rechtsanspruch gewesen, der die Stadt vor einer Einfuhrung der Reformation im Umland - den Gebieten, in welchen städtische Stiftungen Grund-, Niedergerichts- und Patronatsherren waren - zurückschrecken ließ. Einer entsprechenden Supplikation der Kirchen-
64
Fallstudien
1.5.2
Die Rechtsposition der Markgrafschaft Burgau
(1) W i e d e r h o l t w i e s m a n in G ü n z b u r g und Innsbruck die Ansicht der Stadt zurück, das lange u n d ungehinderte V e r b l e i b e n des lutherischen Prädikanten bedeute ein P r ä j u d i z f ü r das reichsstädtische Ius r e f o r m a n d i in Lützelburg. D e n n z u m einen sei die lange D u l d u n g des Prädikanten aus Zeitläuften und b e s o n d e r e n U m ständen erklärbar, 2 1 5 z u m anderen stelle sie, d a v o n abgesehen, gar keinen Rechtstitel dar: Die E i n f ü h r u n g des Prädikanten erfolgte nämlich, so b e t o n e n die b u r g a u ischen B e a m t e n , nicht bey vnns, sonnder weil der Stifft [das Hochstift Augsburg] die Marggrafschafft Burgaw Innhanndenn gehabt, folglich k o m m e d a f ü r den Bischoffischenn Rathen die V e r a n t w o r t u n g zu. Für die Rechtsstellung der M a r k g r a f s c h a f t aber - so ist hier zu folgern - k ö n n e eine Fehlleistung der hochstiftischen V e r w a l t u n g nicht präjudiziell sein. 216 Allerdings hatte es n a c h der W i e d e r a u s l ö s u n g der P f a n d s c h a f t im Jahre 1559 d a n n n o c h m i n d e s t e n s drei Jahre bis zur ersten A b m a h n u n g des Prädikanten durch den L a n d v o g t k n e c h t u n d 14 Jahre bis zu einem auch in Innsbruck aktenk u n d i g e n V o r g e h e n gegen den Prädikanten gedauert. 2 1 7 D i e D u l d u n g des alten Prädikanten sei d e n n o c h nicht als Präjudiz zu interpretieren, als grundsätzliche Preisgabe rechtlicher Positionen, da sie allein aus Mitleid mit seinem Alter geschehen sei. 218
215 216 217
218
pröpste und Prädikanten hatte der Rat 1539 Juli 17 zur Antwort gegeben, dergleichen könne, in betracht, daß die [reichsstädtischen Hintersassen des Rates auf dem Lande] in fremden gerichten sitzen, nicht sein (Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 444; vgl. Kap. Β. I. 1.2). - Das Patronatsrecht, das die Hospitalpfleger über die Lützelburger Pfarrkirche St. Georg ausübten, wurde dabei von Augsburg in der Diskussion um das Ius reformandi im übrigen nie als Rechtsgrund bemüht. Vgl. Kap. Β. I. 1.3. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1573 September 10. Dies sei zunächst gewißlich nur ein vbersehen geweßen, mueß auch selzam zuganngen sein, das sich der Predicannt alda verhindert" (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1574 Februar 11). Möchte man dieses „vbersehen - Defizit einer effektiven Verwaltung - mit .menschlichem Versagen' begründen, so könnte die darüber hinaus von den Beamten angeführte Entschuldigung für ihre Tatenlosigkeit als ,Versagen der Verwaltung vor der Menschlichkeit' bezeichnet werden: Mehrfach und mit weinnenden äugen habe der Prädikant den auf die Räumung der Pfarrei drängenden burgauischen Beamten gannz vnnderthenig entgegnet, man well Inne sein leben also vollenndt alda verzern lassen. Alt wie er sei, lebe er doch kom drej tag (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1573 September 10). Daran hätten im übrigen, so die oberösterreichische Regierung in einem Gutachten für Erzherzog Ferdinand, die Amtleute nicht recht getan. Die menschliche Rücksichtnahme der burgauischen Beamten sei nach Ansicht der Regierung schon im Hinblick auf das Heil der Untertanen kurzsichtig, ja unverantwortlich gewesen: Dann das Sy des alten erlebten Predicanten auf sein flechlich bitten verschonet vnnd daneben mit angesehen haben, das die Armen vnnderthonen daselbs seiner Sectischen Opinion vnnd Leer gemeß in ainer solchen lanngen Zeit dermassen vnnderwisen vnnd verfüert vnnd alles nach seiner Religion angericht, auch Sy, die vnnderthonen darinnen dermassen gesterckht worden, Also das S>>, wie zubesorgen, nit leichtlichen mehr, sonnder gar beschwerlich von Irem eingewurzelten lrrthumb vnnd falschen verfüerischen Leer widerumben zu der allgemainen, Heyligen,
Lützelburg
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Das Gutachten bemüht sich, einem möglichen Versuch, politische Verantwortlichkeit von Regierung und Erzherzog aus der Fehlentscheidung der nachgeordneten Beamten herzuleiten, entgegenzutreten: Hätte nämlich Erzherzog Ferdinand selbst oder sein Vorgänger, der Kaiser, darum gewußt, wären sie gegen die unbefugte Änderung der Religion eingeschritten, wie dann bey anndern begüeteten in
der Marggrafschafft Burgaw, die sich dergleichen anstellung der Religion der Augspurgischen Confession gemeß auch vnnderstannden, dasselb auch der gebür nach abgestellt worden.219 Entsprechend betonte Erzherzog Ferdinand in einem Schreiben an den von der Reichsstadt Augsburg angerufenen Bundeshauptmann des Landsberger Bundes, Herzog Albrecht von Bayern, atßbald aber wir solches
erfarn, haben wir von stundan dargegen zuhanndlen beuolhen, Wie dann sie, die von Augspurg, desselben selbs gestendig. Zweifelsohne, wo weilendt höchstermeldter Kayser Ferdinand desselben bericht gewesen, Ir Mt. wurden es auch nit zuegesehen oder gestattet haben.210 (2) Doch wie auch immer: juristisch sei es, so die österreichische Position, nicht relevant, wie lange die evangelische Religionsübung zu Lützelburg bereits be-
stand, da der ARF sich auf die hohe oberkeit, wer dieselbe habe, lendet vnnd nit auf das Exercitium oder lannge Jar.22] Auf Seiten Österreichs wurden damit die niedergerichtlichen und grundherrlichen Rechte Augsburgs in Lützelburg keineswegs bestritten; auf eine Diskussion der daraus hergeleiteten Rechte aus Passauer Vertrag und Augsburger Religionsfrieden ließ man sich gleichfalls nicht ein. Entscheidend sei vielmehr, das die anstellung der ainen oder anndern Religion der Lanndsfurstlichen Obrigkhait zuesteet vnd anhangetr22 Die Augsburger - und hier argumentiert die Innsbrucker Regierung empirisch - wüßten selbst, das die Chur vnnd fürsten, auch anndere Stennd der Augspurgischen Confession, der Ennden da Sy die Lanndtsfürstlich vnnd hoch Obrigkhait hetten, vor vnnd nach aufgerichtem Religion friden Pfarrer, der Alten Religion anhenngig, auch die haltung des Gottßdiennsts derselben gemeß, vil vnnd lannge Jar zuegelassen vnnd erst lanng hernach dieselben wider abgeschaffen vnnd Ire Kirchen Ordnung angefleht, welches die Catholischen Obrigkhaiten, denen daselbst der Nider Gerichts Zwanng vnnd was demselben anhenngig, deßgleichen dieJhenigen, denen das Jus patronatus zuegehörig, gestatten vnnd Predicanten oder Kirchen dienner,
2,9
220
221 222
Catholischen, Christenlichen Kirchen Leer zubringen oder zubewegen sein, In dem khiinden Sy, die Ambtieüth nit wol entschuldiget werden (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1573 September 2). TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1573 September 2. - Die Abstellung vergleichbarer Reformationen in der Markgrafschaft Burgau spielt vermutlich auf die Vertreibung des Prädikanten in Unterrohr im Jahre 1563 an. Vgl. Kap. Β. I. 2. StaAA, HA, III, 29, Nr. 2, 1577 August 24. Ebenso: TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1577 August 24. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1573 September 10. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1576 August 22. Vgl. bestätigend TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1576 Oktober 18.
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so der Augspurgischen Confession verwanndt, praesentiern müessen. Gleiches Recht könne also auch umgekehrt von Erzherzog Ferdinand in Anspruch genommen werden.223 Nicht der Nider Gerichts Zwanng vnnd was demselben anhenngig, also die Ortsherrschaft, verbürge also einem Reichsstand das lus reformandi, solange - so ist die Argumentation der juristischen Vollständigkeit halber zu ergänzen - fremde ,landesfürstliche Obrigkeit' der Immedietät eines Reichsstandes in einer Herrschaft entgegensteht. Was aber sollte dann konstitutiv sein für , landesfürstliche Obrigkeit'? Die österreichische Seite stellte offiziell die Formel auf, diese sei gleichzusetzen mit der Hochgerichtsbarkeit, also dem Recht Österreichs, im Gebiet der Markgrafschaft Kapitalverbrechen zu ahnden.224 Die Gleichung von Lanndsfürstlicher vnnd hoher Obrigkhait begegnet in der österreichischen Argumentation im allgemeinen stereotyp und versucht mit suggestiver Eindringlichkeit zusammen mit den Begriffen die Rechtstitel zu amalgamieren,225 während Augsburg in seiner Argumentation bestrebt ist, diese formelhafte Ineinssetzung von landesfürstlicher Obrigkeit und Hochgerichtsbarkeit aufzulösen. Die Reichsstadt ignorierte einerseits die Hochgerichtsbarkeit als Kriterium der - so nicht bezeichneten - Landeshoheit und beharrte auf der Gültigkeit der ihrerseits formulierten Kriterien (Niedergericht, Grundherrschaft, Steuer- und Waffenrecht), wobei sie den juristischen Konflikt nicht auf Lützelburg beschränkt sah, sondern als symptomatisch für das Verhältnis der Insassen und Begüterten zur Markgrafschaft Burgau erkannte.226 Andererseits versuchte sie, durch eine differenzierte Interpretation der burgauischen Hochgerichtsbarkeit die argumentative Bedeutung des juristischen Kriteriums zu entwerten. Selbst über hochgerichtliche Rechte verfüge Österreich nicht uneingeschränkt, und nur bei einem Teil der 223
224 225
226
TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1573 September 2. Beispielsweise richte auch Ulm die Religion sowohl in der Stadt, etwa mit der kürzlich erfolgten Schließung der Barfiißerkirche (der Text spricht irrtümlich von der Predigerkirche), als auch auf dem Lande, ungeachtet der Dauer der vormals praktizierten katholischen Religion, nach seinem Gefallen ein, da es dort die hohe Obrigkeit innehabe, Also das, ob wol die von Augspurg dreyssig Jar anziechen, die Elte Bej Inen oder anndern nit statt haben wurde (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1574 Februar 11). Zur Schließung der Ulmer Barfüßerkirche im Jahre 1569 P. Lang, Minderheit, S. 41-45; die Arbeit von Hofer, Landgebiet, schließt ab mit dem ARF. Vgl. Kap. A. 2. Beispielsweise in der Darlegung der österreichischen Rechtsposition gegenüber Herzog Albrecht (StaAA, HA, 29, Nr. 2, 1577 August 24). Den geforderten Kriterien genüge Österreich nicht, denn Eur F.D. weren die Insessen vnd begueteten vber sie, Ire vnderthanen vnd gueter solcher Landtsfurstlichen Oberkait niemaln gestendig, wie auch Eur F.D. Sie vnd Ire vnderthanen mit kainer Erbhuldigung zu gethan, auch weder gelobt noch geschworn, weder steurbar, vogtbar, Raißbar noch potmessig, auch von Eur F.D. vf kaine Landtag niemaln erfordert worden, Vilweniger vf dieselben erschinen, sonder aller der Landtsfurstlichen Oberkait an vnd zugehöriger dingen als vngemitlete Stand des hailigen Römischen Reichs bis anher ledigelichen vnangefochten verbliben (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1578 März 4).
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Verbrechen, den vier hohen Wendl[x\], komme der Markgrafschaft das Recht zu strafen zu - eine Sichtweise, die den Kreis hochgerichtlich verfolgter Verbrechen implizit weiter definiert und nicht beschränkt sieht auf die vier durch Todesstrafe geahndeten Malefizfälle Mord, Totschlag, Brand und Diebstahl.227 Aber auch in diesen ohnehin stark reduzierten Fällen seien die Insassen selbst berechtigt, die vbelthätter [...] an[zu]greifen vnd in ainen yeden In gefelligem Halsgericht in der Marggrafschafft Burgaw zu verbringen, partizipierten also in gewisser Weise an den burgauischen Hoheitsrechten bzw. beschränkten diese.228 Kurzum: eine landesfurstliche Obrigkeit der Markgrafschaft Burgau in Lützelburg habe man nie anerkannt.229 Intern war die Problematik und Ambivalenz einer Argumentation mit landesfiirstlicher Obrigkeit und Hochgerichtsbarkeit der österreichischen Seite selbst durchaus bewußt. Eine Reihe von abwägenden Gutachten für Erzherzog Ferdinand zeugt von der Einsicht in die Schwächen der eigenen Beweisführung. Man wußte sehr wohl, daß die von Augspurg wie auch anndere Insessen vnd begüetteten der Marggrafschafft Burgaw Eur D. khainer Lanndtsfürstlichen Obrigkhait in der Marggrafschafft Burgaw ausser der vier Fleckhen Günzburg, Burgaw, Scheppach vnd Hohenwang nit gestenndig sein wellen,230 so daß außerhalb dieser Kameralorte die österreichische Position keine Akzeptanz finde, mithin betroffene Insassen etwa rechtliche Schritte gegen Österreich durchaus zu gehen bereit seien.231 Über die erwähnten vier Orte hinaus, in welchen die Markgrafschaft so gut wie alle 227
Kap. A. 2. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1578 März 4; vgl. ebenso zur Einschränkung der Hochgerichtsbarkeit der Markgrafschaft Burgau TLA, HR, Sei. Ferd. Pos. 132 (2), 1573 November 10, Reichsstadt Augsburg an Erzherzog Ferdinand. Dieselbe Position findet auch im Reichskammergerichtsmandat (TLA, HR, Pos. 132 (2), 1576 Juli 23 erlassen, August 12 verkündet und übergeben) ihren Niederschlag. Daß die Einschränkung der burgauischen Hochgerichtsbarkeit substantiell sei, wurde dagegen von Österreich zurückgewiesen: Dann obschon den Insessen vnd begueteten das exercitium der Höchen Oberkait, souil die bestrafungen anlangte, vsserhalb etlich gewisser fahlen gegen erlegung des Feurstat guldens pfandtsweiß bis zur wider abloßung vbergeben, so were doch die hoche Oberkait an Ir selbst vnd ipsum ius meri imperii nichts desto weniger bey der Marggrafschafft Burgaw verbliben vnd heten Eur F.D. sich dessen alles, was derselben zu end angehörig (ausgenomen was durch die Feurstat guldins freyhait gehörtermassen vergeben) Irer gelegenhait nach zugebrauchen (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1578 März 4). 229 So mit Verweis auf die entsprechenden Verhandlungen von Markgrafschaft Burgau und Insassen 1576 zu Donauwörth (StaAA, HA, III, 29, Nr. 5, 1578 September 25). 230 TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1574 April 2. 231 Die kritische Sicht der österreichischen Ansprüche auf Landeshoheit wurde geteilt von den bayerischen Vermittlern, die Erzherzog Ferdinand zum Eingehen eines Vergleiches bewegen wollten. Sie gaben den österreichischen Gesandten verthrawlich zu bedenken, daß der Austrag eines Prozesses am Reichskammergericht für Österreich wenig Erfolg verspräche und ein Urteil bey diser verwesenden vnrichtigkhait der landsfürstlichen vnd hohen Obrigkhait halb in der Marggraufschafft Burgaw seer mißlich sein würde (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132(2), 1578 Oktober 6). 228
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R e c h t e ausübe, b e s ä ß e n d a g e g e n Erzherzog Ferdinand b z w . seine A m t l e u t e geg e n ü b e r den Ständen selbst u n d ihren Untertanen w e d e r aydtspflicht, noch Huldigung, Steür oder Schazung, appellationen, Raysen, Frondiensten, Gebotten oder verbotten, noch anderer Landtdienstbarkaiten [...], dergleichen actus vnd exercitia aber sonst der Landtsfürstlichen superioritet vnd Oberkait gemainlich anhan232
gen. D i e a u f g r u n d dieses Defizites an Rechten nach offizieller Diktion f ü r landesfurstliche Obrigkeit u n d Kirchenhoheit a u s s c h l a g g e b e n d e Hochgerichtsbarkeit w u r d e intern in ihrer juristischen Tragfähigkeit ebenfalls skeptisch betrachtet: D u r c h die Hochgerichtsbarkeit allein k ö n n e khain vniuersal oder völlig vnd Rechtgeschaffne Lanndtsfürstliche Oberkhait geschaffen werden, mithin gehöre zur landesfürstlichcn Obrigkeit m e h r als das Recht, t o d e s w ü r d i g e V e r b r e c h e n zu ahnden. 2 3 3 A u c h der A R F wisse nichts von solcher plossen hochgerichtlichen Oberkhait, v i e l m e h r sei in demselben geordnet, das khain stannd den anndern noch dessen vnnderthanen zu seiner Religion dringen, noch Practiciern soll.234 Ja, der u m g e k e h r t e Fall, daß die der C o n f e s s i o A u g u s t a n a z u g e w a n d t e n Stände in 232 233
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TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1576 Oktober 18. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1576 Oktober 18. Beleg für die juristische Differenzierung von Hochgerichtsbarkeit und landesfürstlicher Obrigkeit auf österreichischer Seite ist auch die Überlegung, wem die Kirchenhoheit zuzusprechen sei, wenn man nicht zweifelsfrei klären könne, wer Landesfürst der Markgrafschaft sei bzw. wenn es denn überhaupt keinen Landesfursten geben sollte. Der Gedankengang setzt nämlich eine Unterscheidung zwischen den Inhalten beider Rechtstitel - landesfürstliche Obrigkeit und hohe Obrigkeit voraus. In diesem Fall komme doch die landeshoheitliche Kompetenz des Ius reformandi dem Inhaber der hochgerichtlichen Obrigkeit zu: In ihrem Verhandlungsbericht aus München umreißen Dr. Gall Hager und Isaak Han die burgauische Position, das die enderung der Religion vermög oftermelts Religions fridens vnd desselben daruf gefolgten Stetten vbung vnd obseruantz Niemand anderm dann dem Jenigen, so die Landtsfurstlichen oder, wo kain Landtsfurst, die hochen Oberkait zusteht, furzunemen gebur. Dergestalt das ainem Landtsfursten oder Hochgerichtlichen Oberkait die ainen oder die andern Religion, im Religions friden vergrifen, zu yederzeit es demselben gelegen, anzuordnen frey stiend (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1578 März 4). Infolgedessen, gesezt, da gleich vnns angeregte Lanndtsfürstliche Obrigkhait der ennden nit zuestendig, so gehört doch dieselbig Inen, denen von Augspurg, alda auch nit zue, vnnd seyen wir dennocht dessen in Crafft hoher Obrigkhait befuegt, wie dann die Augspurgischen Confessions verwanten Stännd die ennderung der Catholischen vnnd anstellung Irer Religion annderer Ortten gleichermassen auch allain in Crafft der blossen halßgerichtlichen Obrigkhait fürgenommen haben (StaAA, HA, III, 29, Nr. 2, 1577 August 24 und, mit Verweis auf das angeblich parallele Vorgehen Ulms im Ort Wain, TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1578 März 4. - Die Benediktinerabtei Ochsenhausen hatte 1570 die Herrschaft Wain allerdings mit allen Rechten - Hochgericht, Niedergericht, Patronatsrecht, Zehnten - unter dem Druck von Schulden einem katholischen Ulmer Patrizier verkauft, der sie als Strohmann für die Reichsstadt erwarb und im Jahr darauf an Ulm weiterveräußerte. 1573 wurde der katholische Pfarrer vertrieben und die Reformation eingeführt; zu Wain Geisenhof, Ochsenhausen, S. 88-90; Specker, Ulm, S. 66; E. Gruber, Ochsenhausen, hier S. 89; Maier, Erneuerung, hier S. 46; sowie ausfuhrlich Köpf, Wain, S. 85-96). TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1576 Dezember 1.
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crafft Malefizischer Oberkhait sich vnnderfanngen, in den dörffern, da Inen, den Catolischen Stennden, alle anndere Ober vnd gerechtigkait, Vogtey, Raiß, Steur, Fron, dienst, gebot vnd verpot (allain die Halßgerichtlich Oberkhait außgenomen) zuegehörig weren, die Catolischen Priester von den Pfarren abzeschaffen vnnd mit predicanten Irer Religion zubesezen, war von den katholischen Ständen jüngst auf dem Regensburger Reichstag als Klage vorgebracht worden. Österreich würde dann also etwas praktizieren, was es anderwärts ablehnt.235 Das Gutachten vollzieht an diesem Punkt allerdings die dialektische Wende und rät durchaus zur Continuation der eingeschlagenen österreichischen Politik gegenüber Augsburg, da ja, wie gerade die katholischen Gravamina auf dem
Reichstag auswiesen, auch die Stennd, der Augspurgischen Confession anhenngig, die Ennderung der Catolischen vnd anstellung Irer Religion in crafft der plossen halsgerichtlichen Oberkait fürnemen.2i6 Das Defizit ihrer rechtlichen Position schien die österreichische Seite symbolisch kompensieren zu wollen: Ebenso wie bei der Ausschaffung des lutherischen Prädikanten aus Unterrohr, der Herrschaft der Ulmer Patrizier Besserer, fällt auch bei der Gefangennahme des Lützelburger Prädikanten die unverhältnismäßig hohe Zahl und starke Bewaffnung der Truppe auf. In den frühen Morgenstunden des 1. August 1577, heißt es in einem Augsburger Bericht, ist Hanns Krazer, Burgau-
ischer Lanndtuogtkhnecht zu Butenwisen, geen Luzelburg selbdrit auf weissen schiimlen sambt 20 gewerter Männer mit Spiessen, Büchsen vnnd fausthemmern fur den Pfarrhof khommen, denselben mit einem grossen Aichin Blockh geöffnet vnnd die haus thür damit eingestossen. Nachdem der Prädikant außer Etters geschafft war und ein Kreiden schuß237 die Verhaftung kundgetan hatte, seind die
anndern Burgauischen gesanndten, alls zuuorderst der Lanndt Amman von Burgau vnnd ainer vom Adel (wie sy sagen), den nechsten dem Gericht vnnd dorff Lutzeiburg zugenachet, aber nit gar hinein khommen, den Pfarrherrn hinder einen Reiter gesezt vnnd eilennz zu dem Dorff ausgeritten vnnd gezogen. Item die Zall der Personen seind vleissig abgezellt worden vnnd gewesen bey 50 schiizen, 235
236 237
TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1576 Dezember 1. Das Gutachten berichtet von einem Brief Herzog Christophs von Württemberg, in welchem dieser eine unter vertauschten konfessionellen Vorzeichen parallele Auseinandersetzung zwischen Pfalzgraf Ottheinrich von Pfalz-Neuburg und Kardinal Otto, Bischof von Augsburg, um Reistingen, Wittislingen, Donaualtheim und Schretzheim (Scherzingen) erwähnt. Hier stand dem Bischof mit Ausnahme der malefizischen Obrigkeit die Herrschaft zu. In diesem Falle hatte der Kaiser sich gegen die malefizische Obrigkeit als alleiniges Kriterium für Landeshoheit und Ius reformandi ausgesprochen und sich auf die Seite des Bischofs gestellt (zu dieser Auseinandersetzung Zoepfl, Bischöfe, S. 246). Der Hinweis auf diesen Fall dient im Schreiben Herzog Christophs zur Untermauerung seiner Ansprüche gegen Österreich bzw. die Landgrafschaft Nellenburg auf den Ort Neuhaus, der in gleicher Weise wie Lützelburg - aber unter vertauschten konfessionellen Vorzeichen - umstritten war. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1576 Dezember 1. DWB XI, 2142.
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Fallstudien
dem Jeder ain Veistling vnnd wöhr an der seifen getragen, Item 10 Pferdt vnnd bey 45 Paursleüth, So ain yeder ain Spies, ain Veisstling, ain vaussthamer vnnd seitenwöhr gehabt Auf Diskretion wurde bei diesem Vorgehen also gewiß nicht geachtet. Daß die gegenüber dem beteiligten Fußvolk geäußerte Befürchtung der burgauischen Anführer, Es mecht ain sterckherer khommen, dann sy seyen,239 dabei einer realistischen Einschätzung der Lage entsprach, daß also das starke burgauische Aufgebot tatsächlich der Angst vor militärischen Gegenaktionen der Reichsstadt geschuldet war, muß schon aufgrund deren militärischer Organisation und Entfernung vom Ort des Überfalls, die einer raschen und adäquaten militärischen Reaktion entgegenstanden, skeptisch beurteilt werden.240 Der Sinn der überdimensionierten Exekutivaktion ist vielmehr primär kommunikativ in dem Bestreben der burgauischen Seite zu sehen, Herrschafts- oder Hoheitsansprüche sichtbar und hörbar vor allen zu machen, gerade dann, wenn sie umstritten waren. Adressaten waren die Untertanen, deren Wahrnehmung von Macht gegen ihre spitalische Obrigkeit durch die Markgrafschaft okkupiert werden sollte. Die Exekutivaktion in Lützelburg folgte damit demselben Muster wie die Ausschaffung des Prädikanten von Unterrohr und sie verfolgte die nämlichen Intentionen.
1.5.3
Die Furcht vor dem Präzedenzfall und die Bedeutung des Konfliktes für das Verhältnis von Insassen und Markgrafschaft Burgau
Da nun die landeshoheitlichen Ansprüche der Markgrafschaft Burgau von den Insassen insgesamt bestritten wurden,241 bestand für beide Seiten - für die Reichs-
238 239 240
241
TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), undatierter Augsburger Bericht. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), undatierter Augsburger Bericht. Augsburgs militärische Hoheitsrechte über außerstädtische Gebiete, die sich, wie die Grundherrschaft des Hl.-Geist-Spitals in Lützelburg, mittelbar im Besitz der Reichsstadt befanden, beschränkten sich auf das - umstrittene - Besteuerungs- und Besatzungsrecht. Die Stadt unterhielt in diesen Orten keine militärischen Stützpunkte (Kraus, Militärwesen, S. 30-33). Außerhalb von Krisenzeiten beruhte das städtische Militärwesen auf den Stadtsöldnern, „die ständig zu Wach- und Kriegsdiensten in nur geringer Anzahl besoldet wurden" (S. 170-172, Zitat S. 170). Zu ihnen gehörten die Soldritter, die als „Diener von Haus aus" allerdings so lange von allen Diensten frei blieben, „bis der Rat in Kriegszeiten ausdrücklich ihr Erscheinen befahl" (S. 232-234, Zitat S. 232; vgl. S. 384). Darüber legen die durch eine kaiserliche Kommission bzw. ihre subdelegierten Räte, der Eichstätter Bischof Martin von Schaumberg und Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg, initiierten Verhandlungen zu Donauwörth 1576 umfassend Zeugnis ab. Die Ergebnisse der Verhandlungen mit der Markgrafschaft Burgau wurden 1576 Mai 5 dann in Augsburg unterzeichnet (vgl. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1576 Oktober 18, und StaAA, Markgrafschaft Burgau: Akten, 10). Das Ius reformandi wurde bei diesen Verhandlungen nicht thematisiert. Der einzige Anhaltspunkt für Beschwerden mit konfessionellem Hintergrund ist in einer Auseinandersetzung zwischen burgauischen Amtleuten und Insassen über die Frage zu sehen, ob die Burgauischen den Wirt in der insassischen Herrschaft Norndorf
Lützelburg
71
Stadt wie für Österreich - die Gefahr, der Gang der Ereignisse zu Lützelburg könnte sich zu einem für ihre Rechtsposition präjudizierlichen Präzedenzfall entwickeln. Auf Seiten Augsburgs war man sich bewußt, daß die Duldung der österreichischen Einreden gegen die reichsstädtische Kirchenhoheit im Dorf einem Eingeständnis landeshoheitlicher Gewalt der Markgrafschaft gleichkommen mußte, das Konsequenzen für die Rechtsposition aller anderen Insassen der Markgrafschaft nach sich ziehen konnte. Justiziar Dr. Werner Seuter warnte daher in seinem Gutachten für die Reichsstadt zur Erwirkung eines Reichskammergerichtsmandates: Dan das meine hern dise sach gantz vnd gar soltten fallen lassen vnd der f . durchl. diß orts die landsfiirstliche obrigkait zu nit schlechter schmelerung der Burgauischen Insessen freihalten stillschweigendt einräumen, das khan ich meins thails nit rathen, es treffe gleich ein gaistliche oder welltliche sach an. Würde man also dem Ertzhertzog disen actum mit abschaffung des predicanten also stillschweigendt gestatten vnd einräumen, so geb es ein solliche consequentz, das man dardurch die nit geringste der Burgauischen Insessen freihalten verlieren wurde.242 In diesen Zusammenhang gehört auch die Rückversicherung, welche die Reichsstadt in der zweiten Etappe des Konfliktes, nach 1603, beim Engeren Insassenausschuß der Markgrafschaft suchte, 243 denn im Widerspruch gegen den österreichischen Anspruch auf Landeshoheit waren sich die Insassen der Markgrafschaft Burgau einig. 244 Auch die österreichische Seite begriff den Charakter der Lützelburger Auseinandersetzung als Präzedenzfall, allerdings mit einem signifikanten Unterschied. Einer definitiven Klärung des Ius reformandi zugunsten Augsburgs durch ein (Nordendorf, Landkreis Donauwörth) strafen durften, weil er seinen Gästen an katholischerseits verbotenen Tagen Fleisch zu essen gab. Die Frage wurde von den Insassen und Begüterten verneint, da das Verhalten des Wirtes ihres Erachtens kain malefiz, sonder nur ain freuet vnd darzu am leben nit zustraffen, der Gaistlichen Obrigkait mehr weder der weltlichen zustendig, gewesen sei (StaAA, Markgrafschaft Burgau, Lit., Kiste Nr. 2, 7). In dieser Frage wurde ein wichtiges Kriterium katholischer Reform, der Verzicht auf Fleischessen bzw. -speisen, in die Auseinandersetzung um landeshoheitliche Rechte in der Markgrafschaft gezogen, um nicht zu sagen, für diese Auseinandersetzung instrumentalisiert. Nordendorf befand sich seit 1528 im Besitz der Pimmel von Augsburg, seit 1548 im Besitz der Augsburger Rehling, 1580 kauften es schließlich die Fugger (A. Popp, Donauwörth, S. 362). 242 StaAA, HA, III, 29, Nr. 1, 1574 September 18. Vgl. ebenso StaAA, HA, III, 29, Nr. 5, 1578 September 25. 243 Vgl. Kap. A. 2.; Β. I. 1.7.2. 244 Vgl. die Verhandlungen von Donauwörth 1576 und vor allem die Interimsmittel von 1587: Strittig waren neben dem Ius reformandi auch andere herrschaftliche Rechte, etwa Forsthoheit und Geleitrecht (vgl. Färber, Burgau). - Zum Versuch Augsburgs, Rückhalt am Insassenausschuß zu finden, auch Kap. Β. I. 1.7.2.
72
Fallstudien
N a c h g e b e n Österreichs in Lützelburg standen - auch w e n n das D o r f an sich nit so ein nambhafft ort oder grosser fleckh war 245 - u n a b s e h b a r e K o n s e q u e n z e n nicht nur f ü r den Rechtsstatus, sondern auch Risiken f ü r den konfessionellen Status insassischer Besitzungen in der M a r k g r a f s c h a f t B u r g a u entgegen. 2 4 6 D i e Einschätzung des Lützelburger Konfliktes als Präzedenzfall u n d die W a r n u n g vor e i n e m N a c h g e b e n b e g e g n e t auf allen E b e n e n der österreichischen V e r waltung. D a ß w i e in Lützelburg die lutherische R e l i g i o n s ü b u n g sonnst sich andern mer orten einreissen könnte, b e f ü r c h t e t e n die b u r g a u i s c h e n Beamten 2 4 7 eb e n s o w i e die oberösterreichische Regierung, die E r z h e r z o g Ferdinand e m p f o h l , b e i m B u n d e s h a u p t m a n n des L a n d s b e r g e r B u n d e s u n d Vermittler im Lützelburger K o n f l i k t , Herzog Albrecht v o n Bayern, d a r a u f zu dringen, damit anndern Insessen vnnd begüetteten in E.D. Marggrafs chafft Burgaw der weg abgeloffen, das Sy sich dessen [einer E i n f ü h r u n g der lutherischen Religionsübung] nit auch vnnder ziehen u n d auf mitl vnnd weg bedacht zesein, wie solicher hochbeschwerlicher einganng zuuerhuetten,248 In diesem Sinne ersuchte Erzherzog F e r d i n a n d Herzog Albrecht nach den gescheiterten V e r h a n d l u n g e n 1578 M ä r z zu einer baldigen u n d unverzögerten V e r s a m m l u n g des L a n d s b e r g e r B u n d e s . A n d e r n f a l l s m ü s s e der Prädikant a u s g e s c h a f f t werden, weil sich, da wirß nachgeben, teglich [bei] der-
245
TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1574 Februar 11. Das Problem des Präzedenzfalles liegt in der prinzipiellen Bedeutung, die man ihm beimißt. Sie macht die Aufgabe der eigenen Position unmöglich und erschwert die Bereitschaft zum Kompromiß. Die zu einem erfolgreichen Austrag des Konfliktes unter Umständen notwendigen Schritte eskalieren bei entsprechendem Widerstand immer mehr, der Fall wandert durch die ,Instanzen' nach oben (im Falle Lützelburgs bis zum Reichskammergericht) und gewinnt Publizität. Die Gefahren, die ein Scheitern aufgrund von Nachahmung nach sich ziehen könnte, erhöhen den Druck für eine eindeutige und erfolgreiche Lösung des Konfliktes. Ein Gutachten der burgauischen Beamten Landvogt Ulrich von Stotzingen, Dr. Cyriak Renz und Rentmeister Hans Christoph Han an die oberösterreichische Regierung (TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 2, Nr. 5) von 1607 Oktober 25 zur Rekatholisierung Burtenbachs und Burgwaldens formuliert unter Hinweis auf die Auseinandersetzung um Lützelburg diesen Zusammenhang besonders deutlich: Geben E.G. vnd g. wir zuerwegen, waß es fir grosse mühe, gefahr arbeit vnd sorg gebraucht, ehe man den ainzigen Fleckhen Lüzlburg zur Cathollischen Religion gebracht vnd an disen beeden Orthen [Burtenbach und Burgwaiden] es noch ein grössere mühe vnd arbeit erfordern wurde. Dannenhero, da man solches behaubten will, die vnuermeidenliche notturfft erhaischet, daß man es nit allein mit eim rechten Ernst anfienge, sonder auch, vngeachtet was die gemeine Innsässen, etwan auch Ir Khay. Mt. [...] selbsten, seitenmal Sye die Sectische sambt Irem anhang vndgehilfi fen bej demselben alßbalden sich beclagen vnd allerhandt widerige informationes einstrewen wurden, einwenden möchten, also constanter Exequierte, dann sonsten, da ein solche schwäre reformation solte angefangen werden vnd nacher, da es zur Execution nacher wurde, ersizen bleiben sollte, es höchstermelter F.D. nit allein vercleinerlich sein, sonder auch den andern wideriger religion erst ein Herz vnd Frolockhen causiern möchte. 247 TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1574 Februar 11. 248 TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1578 Februar 20. 246
Lützelburg
73
gleichen Handlungen In vnserer Marggrafschaft Burgau die Insassen darauf sterckhen vnndziechen mechten.249 Es fällt auf, daß die österreichische Seite, anders als Augsburg, keineswegs mit den juristischen oder politischen Konsequenzen des Präzedenzfalles argumentiert, sondern ausschließlich ihren konfessionellen Befürchtungen Ausdruck verleiht und zwar nicht nur gegenüber Herzog Albrecht, dessen katholische Solidarität auf solche Weise eingefordert werden konnte, ohne ihn durch die Offenlegung politischer Ambitionen der österreichischen Markgrafschaft zu beunruhigen. Zusammen mit anderen Indizien spricht dies für die Dominanz konfessioneller Intentionen vor politischen Motiven auf seiten Österreichs. 250 Nichtsdestoweniger stand und fiel die österreichische Konfessionspolitik natürlich mit der Aussicht, Ansprüche auf Hochgerichtsbarkeit bzw. Landeshoheit aufrechterhalten bzw. nötigenfalls durchsetzen zu können. In dieser Perspektive stellen Konfession und Landeshoheit nur zwei Seiten der Medaille „Präzedenzfall" dar. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, daß eine grundsätzliche Lösung des Konfliktes um die Landeshoheit in Lützelburg nicht möglich war. Symptomatisch dafür ist der Versuch der bayerischen Vermittler, bei den 1578 zu München geführten Verhandlungen zwischen Österreich und der Reichsstadt Augsburg die grundlegende, aber ungelöste (und bis zum Ende des Alten Reiches nicht gelöste) Frage, wer in Lützelburg Landesherr sei, ob Erzherzog Ferdinand als Markgraf von Burgau oder die Reichsstadt Augsburg, auszuklammern und zu einer pragmatischen, ,unpräjudizierlichen' Lösung des konkreten Problems zu kommen.2"'1 Diese Lösung sollte dann auch für nahezu 25 Jahre Bestand haben, während dagegen die Versuche der Reichsstadt, über die von ihr angestrengten Reichskammergerichtsprozesse zu einer grundsätzlichen Klärung der juristischen Kontroverse zu gelangen, ohne Ergebnis blieben, da die Prozesse nie zu einem Urteilsspruch führten. 252 249 250 251
252
TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1578 März 18. Vgl. Kap. C. 4. So schon die Strategie der bayerischen Verhandlungsmoderatoren (Hofrat Dr. Vigileus Hundt, Oberstzeugmeister Hans Veichinger von Weilheim, Hofrat Dr. Hieronymus Nadler, Kanzler des Landsberger Bundes, und Hofrat Dr. Johann Liechtenauer) beim ersten (erfolglosen) Zusammentreffen der Parteien im Frühjahr 1578 (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1578 März 4) und schließlich beim zweiten, erfolgreichen Vermittlungsversuch im Oktober 1578. Als bayerischen Vermittler nennen die österreichischen Gesandten in ihrem Bericht an Erzherzog Ferdinand (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1578 Oktober 6) nur Dr. Hieronymus Nadler. Der 1578 März 4 von Herzog Albrecht gegenüber Erzherzog Ferdinand geäußerte - und von Augsburg postwendend abgelehnte - Vorschlag, Österreich solle das Dorf kaufen, entstand ausdrücklich aus der Einsicht, dieweil dann die erörterung des rechten haubtstritts, daraus der müßuerstandt diß Predicanten halben entspringt, bey vns, wie E.L. wissen, nit steet vnd wir doch zufürkhomung weitleuffigkait solche sach gern in der giiete entschaiden sechen wolten (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1578 März 4). Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Reichskammergericht, Bd. 1, Buchstabe A, Nr. 404, 406 und 407. Das nach Ausschaffung des Prädikanten Mayr 1576 von Augsburg erwirkte man-
74
Fallstudien
1.6
1.6.1
Das kirchliche Leben in Lützelburg und die Bevölkerung während des Konfliktes um die Konfession Die offizielle gottesdienstliche Ordnung
D i e Gottesdienste in der Pfarrkirche St. G e o r g wurden seit der Einführung der R e f o r m a t i o n in Lützelburg in einer der C o n f e s s i o A u g u s t a n a g e m ä ß e n F o r m g e feiert. K a t h o l i s c h e r Gottesdienst fand nicht m e h r statt. N a c h der e r f o l g t e n A u s s c h a f f u n g e i n e s Lützelburger Prädikanten 1 5 7 7 A u g u s t 1 bis zu seiner Haftentlass u n g 1 5 7 7 D e z e m b e r 16 fand i m Ort vermutlich k e i n v o n e i n e m G e i s t l i c h e n , g l e i c h w e l c h e r K o n f e s s i o n , geleiteter Gottesdienst statt. W ä h r e n d dieser Zeit w a n d t e n sich die Lützelburger ohne gewessten
Herrn
Pflegere
ersuecht
des Spittais,
eines
allain
E. Rhats
auß
Inen
oder der
selbsten
dazumalen
zur T a u f e der
Kinder und E i n s e g n u n g v o n E h e n an die e v a n g e l i s c h e n Prädikanten bei St. G e o r g in Augsburg. 2 5 3 N a c h seiner Restitution m u ß t e sich der Prädikant d e s P r e d i g e n s enthalten, durfte aber E h e n e i n s e g n e n und T a u f e n vornehmen. 2 5 4 M i t der Ratifizierung d e s M ü n c h e n e r Vertrages v o n 1 5 7 8 Oktober 11 war das Exercitium
Religionis
burg fürohin predigen,
der Augspurgischen
wie bißher
raichung
durch
Ire bestehe
der Sacramenten
Confession Predicanten
vnd anndern
tet. G l e i c h z e i t i g m u ß t e das Spital aber auch ainen
253
254
gemeß
daselbst
vnd Kirchen
Ministerien Catholischen,
zu
Lüzl-
diener
one eintrag qualificiert
mit
gestatvnd
datum de non offendendo (Nr. 404; Bestellnr. 3342) war nach Abschluß des Münchener Vertrages von 1578 obsolet geworden. - Gegen das nach der Vertreibung des Prädikanten Simon Haderdey (1603) und der Inhaftierung des Hans Hartmut, seiner Frau und seiner Magd (1607) - sie waren, um ihre Ehe einsegnen zu lassen, nach Augsburg ausgelaufen 1607 erwirkte mandatum poenale cum clausula auf den Religionsfrieden de relaxandis captivis et non offendendo (Nr. 406; Bestellnr. 3345) erhob die Markgrafschaft wegen der Befreiung des Hauses Österreich vom Reichskammergerichtszwang forideklinatorische Einreden, sah das Gericht also nicht für zuständig an. - Die nämlichen Einreden wurden gegen das gleichzeitig (1607) erwirkte mandatum poenale de relaxando captivo sine clausula (Nr. 407; Bestellnr. 3344) erhoben, das die Freilassung des inhaftierten Hans Mayr (er hatte sich geweigert, die katholischen Gottesdienste in Lützelburg zu besuchen) bewirken sollte. - Im Ergebnis Vergleichbares stellt Ruthmann, Religionsprozesse, S. 478-480, für die Auseinandersetzung zwischen den Grafen von Isenburg und denen zu Wied oder die Konflikte der Grafen von Ortenau mit den bayerischen Herzögen fest: Scharfe Kammergerichtsmandate brachen sich auch hier an faktischen Herrschaftsrechten, den politischen, auch militärischen Möglichkeiten des beklagten Reichsstandes. StaAA, HA, III, 31, Nr. 85, 1603 Mai 22. So schildern die Älteren des Dorfes die damalige Praxis aus ihrer Erinnerung und beantworten damit entsprechende Fragen der Spitalmeister, als sich nach der Ausschaffung Simon Haderdeys erneut das Problem der pastoralen Versorgung ergab und der ausgeschaffte Prädikant die Obrigkeit um Erlaubnis für eine nämliche Verfahrensweise ersuchte (StaAA, HA, III, 31, Nr. 84, 1603 Mai 15). TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1577 Dezember 16.
75
Lützelburg
taugenlichen priester auß den negst vmbligenden fleckhen auf Kosten der Reichsstadt bestellen, der sich mit predigen, Meßlesen, administrierung der heyligen
Sacramenten vnnd allem annderm der Catholischen Religion vnnd Ordnung gemäß zu verhalten hatte. Beide, der priester
so wol als der Predicant,
sollten Ire
Gotsdienst vnd Ministerien in ainer kirchen, doch zu vnndterschidlichen Zeiten mit gepürender beschaidenhait verrichten. Es bestand also von diesem Zeitpunkt an ein Simultaneum in Lützelburg, das noch fester institutionalisiert werden soll-
te, falls sich vber kurtz oder lanng begeben, das der Catholischen vnnderthanen in meherer oder auch gleicher anzall zu Lüzlburg erfunden wurden, als deren sie sich zu der Augspurgischen Confession bekhennen. In diesem Fall sollte das Spital dann verpflichtet sein, ainen aigenen qualificierten Catholischen Priester in
berüertem Fleckhen Lüzlburg zuhaben vnnd denselben mit aigner wesenlicher wohnung, sambt raichung notturfftiger gebürender vnndterhalltung zuuersehen. Ihre konfessionelle Richtung selbst zu wählen war den Untertanen in Lützel-
burg ausdrücklich freigestellt: sie sollten beederlay Gotsdienst zubesuchen
vnnd
die ain oder die annder Religion on alles abscheuhen anzenemen frej vnnd vnuerhinndert zuegelassen sein.155 Diese vertragliche Regelung hatte dann fast 25 Jahre lang Geltung, allerdings scheinen die katholischen Gottesdienste nicht wöchentlich abgehalten worden zu sein. 256 Nachdem im Frühjahr 1603 der evangelische Prädikant Simon Haderdey dem Druck der burgauischen Beamten nachgegeben und den Ort verlassen hatte, fand ein von einem Geistlichen geleiteter evangelischer Gottesdienst von diesem Zeitpunkt an in Lützelburg nicht mehr statt. Ab 1607 wurde die Pfarrei nicht mehr nur von einem Priester vikariert, sondern war nach über 60 Jahren wieder Sitz eines katholischen Ortsgeistlichen.
1.6.2
Die quantitative Entwicklung der Konfessionen
Diese Entwicklung entsprach nicht den quantitativen konfessionellen Verhältnissen in der Bevölkerung. Als der Münchener Vertrag abgeschlossen wurde, befanden sich nach Auskunft der österreichischen Verhandlungsdelegierten nit mher
dann zwen Catholische vnnderthanen zu Lüzlburg.251 25 Jahre danach waren es nicht wesentlich mehr geworden. Ein Bericht des Lützelburger Vogtes nennt als hausgesessenne Catholische nur ihn selbst, den Wirt und den Schmied. 258 In ei255 256
257 258
TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1578 Oktober 29. So gibt der Lützelburger Vogt dem burgauischen Landammann auf dessen Frage, wie ers [der Pfarrer] mit Verrichtung deß Gottesdienst haltt", zur Antwort, „er predige bisweilenn an der Kirchweih alda, sonnst haltt zu 14 tagen Meß (StaAA, HA, 111,31, Nr. 94, 1603 August 13). StaAA, HA, III, 31, Nr. 94, 1603 August 13. StaAA, HA, III, 31, Nr. 94, 1603 August 13. Der Vogt berichtet in diesem Schreiben vom Besuch des burgauischen Landammanns, der sich bei ihm über die Zahl der Katholiken im Dorf, die räumliche Entfernung des vikarierenden katholischen Geistlichen und die Verrichtung der katholischen Gottesdienste im Ort erkundigt hatte. Der Vogt nennt dem Landam-
76
Fallstudien
nem Brief an den Kaiser erwähnt Erzherzog Maximilian drei katholische Paare: Vogt, Wirt und Bader mit ihren Frauen,259 denen 1603 auf evangelischer Seite 81 Familien gegenüberstanden. Ihre Vorstände sind namentlich bekannt aus einem Verzaichnus der an der Zahl 81 Ehemans Personen, welche, zu Liizelburg wonhafft, sich sambt iren Eheweibern, Kindern vnd gesind zur Augspurgischen Confession Bekennen vnnd ganz flehenlich bitten, wie Inn der beyligenden Supplication.260 Eine 1604 und 1605 wiederholte Supplikation führt 84 und 89 Hausvorstände auf.261 Das Verzeichnis von 1605 fuhrt darüber hinaus auch die Größe der Hausgemeinschaft mit Frauen, Kindern und Gesinde - zwischen einer und neun Personen - auf, in der Summe sind es 381 Personen. Drei Jahre später haben sie sich - laut eines Berichtes Landvogt Ulrichs von Stotzingen - alle der katholischen Religion zugewandt, in deren eiferigen exercitijs sie sich bestendig vnd rhuemblich erzaigen, vmb welliche conuersion dem almechtigen wol zugedanckhen,262 Als Markgraf Karl im Oktober 1609 in seine schwäbischen Besitzungen eingewiesen wurde, legte ihm sein Vorgänger als Markgraf von Burgau, Erzherzog Maximilian, nahe, dem in etwelchen orthen, sonderlich der Marggrafschafft Burgaw, zu vast einreissenden Lutheranißmo mit ernst zubegegnen, und wies ihn exemplarisch auf seine erfolgreiche Rekatholisierungspolitik in Lützelburg hin: das ganze dorf Lüzlburg sei dergestalt alberait restituiert vnd die Catholische Religion mit gewin viller lieben Selen, so berait der Widerigen sect angehangen, daselbst widerumb introduciert.263
1.6.3
Die Bevölkerung im konfessionellen Konflikt
Diese Entwicklung war jedoch nicht reibungslos verlaufen und 1609 noch keineswegs zu ihrem Abschluß gekommen. Die offizielle Korrespondenz der Ge-
259
260 261
262 263
mann die drei Katholiken im Dorf, gibt aber zu bedenken, es habe aber gleichwol bey 50 oder 51 Hofstätten alhier, woraus die Relation der Bevölkerungsteile deutlich wird. Die Entfernung des katholischen Priesters, der Lützelburg versorgt, gibt er mit annderhalb Stunden an. Auf die Frage, wie ers mit Verrichtung deß Gottesdienst haltt, gibt er zur Antwort, er [der Pfarrer] predige bisweilenn an der Kirchweih alda, sonnst haltt zu 14 tagen meß. TLA, GR, K/A, 1604 Dezember 18. Die geringe Zahl katholischer Untertanen ist dabei fur Österreich keineswegs Argument gegen, sondern für die Ausschaffung des Prädikanten. Sie wird auch als Indiz für den Augsburger Vertragsbruch gewertet: Da der katholische Priester entgegen den Bestimmungen des Münchener Vertrages einen zu weiten Weg nach Lützelburg hatte und zu schlecht besoldet war, habe die katholische Religion nicht an Boden gewinnen können. StaAA, HA, III, 31, Nr. 91, 1603. StaAA, HA, III, 31, Nr. 107, 1604, und Nr. 198, 1605 Oktober 29. Damit würden, so klagen die evangelischen Untertanen dem Rat, die Katholiken die Zahl der Evangelischen nit zum vierzigsten theil erraichen vnd daher der Zahl halben zwischen vns vnd ihnen gar kein vergleichung ist (StaAA, HA, III, 31, Nr. 190, 1605 September 1). TLA, GR, K/A, 1608 August 30; vgl. TLA, GR, A/E (Einlaufjournal), 1608 Juli 1. TLA, GR, K/A, 1609 Oktober 15.
Lützelburg
77
meinde bzw. der evangelischen Untertanen Lützelburgs (1), die Anordnungen und Verfugungen der österreichischen Seite (2) bzw. die überlieferten Sanktionsmaßnahmen gegen einzelne Untertanen (3) und schließlich die Beobachtungen des katholischen Ortsgeistlichen viele Jahre nach der formalen Rekatholisierung des Dorfes (4) dokumentieren breit den tatsächlichen Stand und Erfolg der Bemühungen um Einführung und Festigung der katholischen Glaubensübung im Dorf. Auch für die Option eines ,dritten Weges' jenseits von Anpassung und Devianz finden sich Hinweise (5). (1) In insgesamt 28 Briefen zwischen 1603 April 29 und 1607 Juli 24 wenden sich die evangelischen Lützelburger an die reichsstädtische Obrigkeit, bitten, bei der Ausübung ihrer Konfession belassen zu werden, und ersuchen um Restitution ihres Prädikanten. 264 Noch nach der endgültigen Einsetzung des katholischen Pfarrers Georg Schöffel richten sie eine letzte Bitte an den Rat der Stadt, bei ihrer Religionsübung bleiben zu können und dabei geschützt zu werden. Sie bekräftigen, daß sie ihrer Christi Gewißen halber von der einmal erkannten warheit deß heyligen Evangelii nit abweichen können, sonder durch deß Allmechtigen gnedige verleyhung dabey standhaftigelich bis anns end zuebeharren vnd ehe Leib vnd bluet neben vnserm wenigem vermögen darzuestreckhen vnd zuverlaßen gedenckhen,265
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StaAA, HA, III, 31, Nr. 81, 1603 April 29; Nr. 91, 1603; Nr. 93, 1603; Nr. 95, 1603; Nr. 100, 1604 Januar 8; Nr. 102, 1604 März 6; Nr. 106, 1604, mit Beilage eines Namensverzeichnisses (Nr. 107); Nr. 108, 1604 März 30; Nr. 127, 1604 Juni 19; Nr. 130, 1604 September 2; Nr. 139, 1605 Februar 15; Nr. 190, 1605 September I; Nr. 197, 1605 Oktober 29, mit Beilage eines Namensverzeichnisses (Nr. 198); Nr. 199, 1605, November 26; Nr. 203, 1606 Januar 7; Nr. 209, 1606 Februar 23; Nr. 220, 1606 April 8; Nr. 221, 1606, Juni; Nr. 224, 1607 Januar 23; Nr. 226, 1607 März 20; Nr. 228, 1607 März 24 (1); Nr. 229, 1607 März 24 (2); Nr. 241, 1607 April 18; Nr. 247, 1607 Mai 3; Nr. 261, 1607 Mai 21; Nr. 277, 1607 Juli 17; Nr. 281, 1607 Juli 21; Nr. 284, 1607 Juli 24. - Die evangelischen Lützelburger klagen, daß sie seit der Ausschaffung Simon Haderdeys ohne die öffentliche yebung Gottes Worts vnd den gebrauch seiner hayligen Sacramenten gleichsam Trostloß Leben vnd wie Schaaf ohne ein Hirten verlassen sein muessen. Auf die Ausübung ihrer Religion verzichten zu müssen gereiche ihren Gewissen zu höchstem Trangsal (StaAA, HA, III, 31, Nr. 91, 1603). Ja, wie sie wenig später wiederholen, es geschehe gerade jetzt zu ihrer eußersten Sehlen beschwerdt, da derzeit viele Krankheiten in Lützelburg aufträten, daran Ihr ettliche also ohne trost vnsers Seelsorgers vnd gebrauch deß Herrn Abendtmals todts verfahren vnd die erkranckte noch täglich solches trosts vndgebrauchs beraubt sein müßen (StaAA, HA, III, 31, Nr. 95, 1603). Der Rat möge sich vor Augen fuhren, wie schmärzlich solches abschaffen vnns [...] vnderthonen sambt vnsern armen weib, kindern vnd gesinde zu herzen gehe, in dem diese lange Zeit hero vil arme, erkranckhte Christenmenschen ohne vnnsers lieben Seelsorgers trost vnd administration des Heiligen Abendtmahls in höchster Seelen betrüebtnus ihr leben beschließen (StaAA, HA, III, 31, Nr. 100, 1604 Januar 8). StaAA, HA, III, 31, Nr. 284, 1607 Juli 24.
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Fallstudien
Anliegen und Inhalt der überlieferten Suppliken266 der evangelischen Untertanen lassen nicht nur auf eine vorangehende erfolgreiche Einführung der Reformation im Ort schließen. Es wird auch deutlich, daß, jedenfalls zur Zeit des konfessionellen Konflikts mit Österreich, die Identifikation mit dem evangelischen Bekenntnis intensiv und letztlich aus dem Streben nach persönlichem Seelenheil gespeist ist. Als politisch bedeutsam erweist sich die Korrespondenz der Lützelburger Untertanen im Blick auf ihre Rezeption durch die reichsstädtische Obrigkeit: In zahlreichen Fällen läßt sich eine rasche Reaktion der Reichsstadt feststellen, die ihrerseits die Anliegen der Untertanen beantwortete und deren Inhalt zum Anlaß und Gegenstand eigener Petitionen an die burgauischen Beamten und Erzherzog Maximilian nahm.267 In der Regel sah sich die österreichische Seite dadurch zur Einholung von Gutachten, zu Stellungnahmen und Antworten gezwungen, die zu einer Verzögerung der Rekatholisierungsmaßnahmen führten. Insofern gelang es den evangelischen Bewohnern Lützelburgs, wenn auch nicht eine grundsätzliche Änderung der konfessionellen Intentionen Österreichs für das Dorf herbeizufuhren, so doch immerhin eine Retardation des Geschehens zu erreichen.268 Die Korrespondenz der Gemainen Euangelischen innwohner zue Lützelburg mit Stadtpfleger und Rat der Stadt kann als Indiz einer selbstbewußt und selbständig zu bezeichnenden kommunalen „Konfessionspolitik" gewertet werden.269 (2) Die Schärfe der Anordnung Erzherzog Ferdinands von 1604 Mai 24, die das Auslaufen von Lützelburger Inwohnern vnd vnderthanen zum evangelischen Gottesdienst, vermutlich nach Augsburg selbst, verbot, für die Zukunft unter Strafe stellte und sie dagegen aufforderte, den katholischen Gottesdienst im Ort (wie Ire andechtige voreitern) zu besuchen, wie auch der gleichzeitige Befehl an die Amtleute, vleissige obacht zu halten, ob und inwieweit diese Anordnung befolgt würde,270 lassen vermuten, daß das Auslaufen von Teilen der Bevölkerung kei-
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Die Begriffe ,Supplik', Supplikation' und ,Petition' werden hier als gleichbedeutend verwendet. In der Literatur wurde bisweilen versucht, den drei Begriffen eine inhaltliche Differenzierung zu entnehmen (vgl. HRG, Bd. III, S. 1639; Bd. V, S. 91f., 94-97), die ihrer historischen Verwendungsweise nicht gerecht wird. Im wesentlichen bezeichnen sie dieselbe Sache (R. Blickle, Supplikationen, S. 281 f.). Unter den Begriff der Supplikation subsumierte man „die Instrumente der Untertanen, die ihnen legal ermöglichten, in Form von Wünschen, Bitten, Beschwerden, Klagen, Benachrichtigungen der Obrigkeit gegenüber auf direkte Weise Position zu beziehen und Meinung zum Ausdruck zu bringen" (S. 278). Zur Problematik einer Differenzierung der Begriffe Fuhrmann/Kümin/Würgler, Gemeinden, S. 322 mit Anm. 302. Vgl. die in Kap. Β. I. 1. Anm. 304 aufgelisteten Belege. Schiersner, Suche, S. 73, sowie Kap. Β. I. 1.7.1. Der Begriff in seiner Zuordnung zur Gemeinde bei P.K. Weber, Organisation, S. 65; vgl. Schiersner, Suche. TLA, GR, K/A, 1604 Mai 24.
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neswegs eine marginale Erscheinung der Devianz - im auch wörtlichen Sinne war. Auch 1607 März 21, kurz vor dem Bezug des Pfarrhofes durch den katholischen Priester Georg Schöffel, scheint es noch immer üblich gewesen zu sein, daß Lützelburger zu Taufen und Eheeinsegnungen evangelische Orte aufsuchten. Ein neuerlicher Befehl Erzherzog Maximilians untersagte nämlich fürterhin die Kindertauf vnd einsegnung der Hochzeiten an Lutherischen orten und hielt die Untertanen dazu an, daß sie zue berüertem Lützelburg durch den Catholischen Priester [...] sollichen Gotes dienst der Kindertauf vnnd Hochzeiteinsegnung verrichten laßen sollen. Mit demselben Befehl erfuhr die evangelische Bevölkerung Lützelburgs, sie solle sich ebenfalls fürterhin [...] der zuesamenkünften in ihren Häusern enthalten. Auch die als winckelpredigten bekämpften Versammlungen, bei denen an Sonn- vnnd Feyertägen je einer oder vier zuesamenkommen vnnd der deß Lesens erfahren aus Gottes wort oder der bewehrten Theologen Augspurgischer Confession schrifften das Evangelium vnnd Predigten vorgelesen, scheinen also durch mehrere Jahre hindurch gepflogen worden zu sein.271 Wenige Monate später erneuerte Maximilian seinen Befehl zu prüfen, ob die Lützelburger ihrer Verpflichtung zum Besuch des (katholischen) Gottesdienstes an Sonn- und Feiertagen mittlerweile nachkämen. 272 Indes rissen die Klagen nicht ab. Einem Bericht Landvogt Ulrichs von Stotzingen von 1608 Februar 13, wellichermassen sich etliche Lüzlburgische vnderthanen, so Manß, so weibs personen, von newem vngehorsamb vnd widerig erzaigen, auch andere zu gleicher vnwesen anhalten sollen, antwortete Erzherzog Maximilian mit der Weisung, den Lützelburgern seine Anordnungen ad verbum abzulesen, auf Befolgung zu achten und widrigenfalls mit wirckhlicher execution wider die Verbrecher zuuerfahrn.273 Ein Befehl vom selben Datum konkretisierte die im ersten Schreiben erhobenen Vorwürfe gegen einige Lützelburger: Obwohl ein katholischer Pfarrer die Gottesdienste dort mittlerweile regelmäßig verrichte, unterließen es doch einige, sie zu besuchen, j a hielten auch andere davon ab. Es ergeht der Befehl an den 271
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Die Anordnungen gegen Auslaufen und Winkelpredigt hatten Rentmeister Hans Christoph Han und Landammann Georg Kaysersberger die Absicht, allen Untertanen von Lützelburg zu eröffnen und verlangten daher bei einem Besuch im Dorf 1607 März 21 für den folgenden Morgen eine Versammlung der Gemeinde. Nachdem der Lützelburger Vogt sich aber geweigert hatte, die Gemeinde zu versammeln, waren tags darauf allein biß in siben Gemeindemitglieder - ohnedies wohl die katholischen - erschienen und hatten die Befehle Erzherzog Maximilians vernommen. Gleichwohl war der Inhalt der Anordnungen auch den evangelischen Untertanen von Lützelburg zur Kenntnis gekommen. 1607 März 24 richten sie nämlich eine Supplikation an den Rat der Stadt, in welcher sie über die Vorgänge und Anordnungen Bericht geben (StaAA, HA, III, 31, Nr. 228, 1607 März 24). Doch solle die Inspektion nicht durch die Landvogtknechte vnd dergleichen wenig respectierte Personen erfolgen, die Bedeutung der Verordnung zum Gottesdienstbesuch also durch den Rang der Inspizienten unterstrichen werden (TLA, GR, Κ/Α, 1607 Dezember 31). TLA, GR, K/A, 1608 Februar 28 (1). Vgl. TLA, GR, A/E (Einlaufjournal), 1608 Februar 13.
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Landvogt, sich nach Lützelburg zu begeben und im Beisein von Pfarrer, Vogt und Obern des Fleckhens die Lützelburger vor sich zu bestellen und ihnen bei Strafandrohung ihre Widersetzlichkeit zu verweisen. Allein fur dieses Mal solle es noch ungeahndet hingehen. Besonders die Ablegung der Beichte und der Empfang der Eucharistie vor dem kommenden Osterfest wird den Lützelburgern auferlegt.274 Alle Lützelburger, gehorsame und ungehorsame, sollten vor ermeltem Pfarrer verzeichnet werden, diejenigen, die sich dem Gottesdienstbesuch widersetzen oder andere dazu ermuntern würden, sobald sie die Markgrafschaft Burgau beträten, in Verhaft genommen werden. Sollte solliche coersition auch nit verfenckhlich sein, müßten die Ungehorsamen aus Lützelburg und der Markgrafschaft ausgeschafft werden.275 Mehreres wird aus dieser Anordnung deutlich: Kriterium, formales und quantifizierbares Kriterium erfolgreicher Rekatholisierung ist Gottesdienstbesuch und (vor-)österlicher Empfang von Beichtsakrament und Kommunion. An diesen Kriterien gemessen, offenbaren sich Teile der Lützelburger Bevölkerung demonstrativ als deviant. Den exemplarischen Charakter ihrer individuellen Widersetzlichkeit begreift die österreichische Seite ohne weiteres, indem sie die ganze Gemeinde zum Adressaten ihrer neuerlichen Anordnungen macht. Damit diesen möglichster Nachdruck verliehen werde, geschieht die Vermeidung des Befehls im Beisein jeder verfügbaren inner- (Vogt, die Obern des Fleckhens) und außerdörflichen (Pfarrer, Landvogt) Autorität. Zweiter Schritt ist die namentliche Erfassung Widersetzlicher. Dabei bewährt sich die Kooperation zwischen geistlicher Gewalt vor Ort und Markgrafschaft. Verfolgung und Bestrafung, bis hin zur Ausweisung, obliegt schließlich den burgauischen Beamten, die im Falle Hans Hartmuts und Hans Mayrs ihre Bereitschaft zur Exekution bereits unter Beweis gestellt hatten.276 Eine Reihe von Protestanten gab dem noch einmal gestiegenen Druck nun endgültig nach, indem sie ihre Güter im Dorf an Katholiken verkaufte, andere versuchten, sich zumindest äußerlich der katholischen Glaubensübung anzupas-
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TLA, GR, K/A, 1608 Februar 28 (2): Die Lützelburger sollen ermahnt werden, das Sy sich einheligelich in die altcatholische Christenliche gehorsam gleich wie Ire liebe voreitern begeben, die heylige Gottsdienst, wie Sy aniezt wol verordnet vnd gehalten, vleissig besuechen, Irem geistlichen Seelsorger vnd fürgestelten ordenlichen Pfarrer hierin gebürenden gehorsam, respect vnd volg erweisen, von deme guete, hailsame vnderweisung gern annemmen, lnsonderheit aber dahin Ir thon vnd gewissen formiern vnd richten [...], damit sy sich sambt vnd sonderlich auf dise Pueßförttige vnd heilsame Zeit der zuenahenden hey. Carwochen vnd Ostern nach gewohnheit vnd sazung der heyligen Catholischen, Christlichen Khirchen zu der heiligen beicht vnd Communion beraiten ". TLA, GR, K/A, 1608 Februar 28 (2). Kap. Β. I. l.Anm. 190, 282. Nach Stetten, Geschichte, S. 791, hätten „viele" ihre Häuser verkauft und den Ort verlassen, während „einige" den katholischen Glauben angenommen hätten. Eine exakte Quantifizie-
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(3) Über diese allgemeinen Anordnungen hinaus zeugt eine Reihe von Einzelmaßnahmen der burgauischen Beamten gegen Untertanen, welche weiterhin die Befehle Erzherzog Maximilians mißachteten und konfessionell eigenständiges Verhalten praktizierten, von Verwurzelung und Beharrungsvermögen des evangelischen Glaubens unter der mittlerweile etablierten Oberfläche katholischer Formen. Der Widerstand einzelner ist dabei nicht - nicht nur - als individuelles Handeln zu begreifen, sondern artikuliert geradezu exemplarisch die Vorstellungen der Gemeinde insgesamt.278 1607 April 17 gingen die burgauischen Beamten gegen den Lützelburger Georg Wieland vor, vnder dem vorgeben, wie Wieland (zusammen mit den evangelischen Untertanen zu Lützelburg!) tags darauf in einem Brief an den Rat der Stadt mit der Bitte um Schutz vor burgauischer Gewaltanwendung formuliert, alls solt Ich die newlich zue Liizelburg gewesne Burgawische Herren Ambtleut an ehrn geschmeckt vnd Inen ehrnverletzliche wort nachgeredt haben. Gemeint ist der Auftritt von Rentmeister und Landammann 1607 März 21 und 22 in Lützelburg, als diese die Verordnungen Erzherzog Maximilians gegen Auslaufen und Winkelpredigt verkündeten. Die vorgeworfenen - und von Georg Wieland bestrittenen - Verbalinjurien stehen also offensichtlich im Zusammenhang mit den konfessionspolitischen Maßnahmen im Dorf und haben ihre Ursache in der religiösen Widersetzlichkeit des Lützelburgers. Das zeigt auch die im Falle Wielands besonders augenfällige Kooperation zwischen katholischer Geistlichkeit im Dorf und burgauischer Exekutive: Der burgauische Landvogtknecht war April 17 in Begleitung Pfarrer Schöffeis und eines zweiten Priesters ins Haus des allerdings abwesenden Georg Wieland gekommen, 279 um ihn zu verhaften. Während nun der Landvogtknecht unverrichteter Dinge wieder abzog, erbot sich Pfarrer Schöffel gegenüber Frau und Kindern Wielands, wie schon am Ostermontag zuvor gegenüber diesem selbst, er wolle, sollte sich Georg Wieland zue seiner Religion Kehren, [...] disen handel bey den Burgawischen amptleuthen selbs allerdings stillen vnd richtig machen. Anders gewendet: sollte Georg Wieland nicht konvertieren, würde er inhaftiert - wenn auch offiziell aus anderem Grund.280 Indes scheint, jedenfalls nach der Überlieferungslage, der Fall von Seiten Burgaus nicht weiter verfolgt worden zu sein. Auch nach der offiziellen Einführung des katholischen Pfarrers ist konfessionelle Devianz von Untertanen belegt. 1607 vor Juli 25 ließen die Lützelburger
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rung oder auch nur Bestätigung der angedeuteten Relation ist allerdings aus den untersuchten Quellen nicht möglich. Schiersner, Suche, S. 72-77. Wieland befand sich übrigens, als der Landvogtknecht bei ihm vorstellig wurde, nit anheimbs, sonder geschefi halben allhie zue Augspurg. Schlaglichtartig werden aus dieser Bemerkung geistige bzw. konfessionelle Verbindungswege deutlich, die sich aus der engen Verbindung des spitalischen Ortes mit der Reichsstadt zwangsläufig ergaben (StaAA, HA, III, 31, Nr. 241, 1607 April 18). StaAA, HA, III, 31, Nr. 241, 1607 April 18.
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Hans Hartmut und Ursula Mößler ihre Ehe zu Augsburg trotz der österreichischen Verbote evangelisch einsegnen. Auf ihrem Rückweg nach Lützelburg wurden sie zusammen mit ihrer Magd Barbara Bindnagel von burgauischen Beamten gefangengenommen und in Burgau inhaftiert.281 Nicht lange danach, wohl schon im September 1607 sprach der Landvogtknecht von Buttenwiesen beim Lützelburger Wagner Hans Mayr vor und mahnte ihn, den katholischen Gottesdienst im Ort zu besuchen. Der aber habe erclert, bej seiner Religion zue bleiben, ehe zuverkauffen vnd vß der Marggrafschafft Burgaw zueziehen, alls in die Kirchen daselbs zue Lüzelburg zueghen vnnd allein bis Pfingsten nechstkönfftig frist begert. Obgleich sich also der Wagner auf sein Ius emigrandi berief und ime auch von zwayen euren Landvogtknechten zue Romelzried vnd besagtem Butenwisen warhaftig vermeldet worden seye: Er habe vf solliche sein gethone erclerung sicher gleit, möge, wie zuvor, hin vnd wider handien vnnd wandlen vnd sein nahrung suechen etc., wurde er dennoch 1607 September 10 aus seinem Haus heraus von burgauischen Beamten festgenommen und nach Burgau in Haft gebracht.282 Drei Wochen danach kam Hans Mayr wieder frei, 281
StaAA, HA, III, 31, Nr. 286-288. Gegen dieses Vorgehen erwirkte die Reichsstadt am Reichskammergericht ein mandatum poenale cum clausula auf den Religionsfrieden de relaxandis captivis et non offendendo (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Reichskammergericht, Bd. 1, Buchstabe A, Nr. 406, Bestellnr. 3345). 282 StaAA, HA, III, 31, Nr. 300, 1607 September 18: Diese Beschwerdeschrift des Engeren Insassenausschusses an die Oberbeamten der Markgrafschaft in Günzburg rekapituliert aus Sicht der Reichsstadt - das Vorgefallene am ausfuhrlichsten. Ihrer Zusage jedoch vngeachtet, seyen gedachte beyde Landvogtknecht sambt drey fueß gehenden den 10. diß für ernants Wagners Hauß kommen, der von Romelzried hinein gangen, ime angezeigt, weiln er seines herren, deß Landvogts, bevelch nit nachkommen seye, müeße er mit inen. Darauf Ine gleich auß der Stuben herauß gefüehrt, vf ein Roß gesezt, mit Ime vß dem Fleckhen fortgeeylt vnd nach Burgaw gefüehrt. Daraufhin hatte die Stadt (StaAA, HA, III, 31, Nr. 295 und 296, 1607 September 11) bei Landvogt Ulrich von Stotzingen und Erzherzog Maximilian Protest gegen die Verletzung der spitalischen Jurisdiktionsrechte eingelegt, dem sich nach Aufforderung Augsburgs (StaAA, HA, III, 31, Nr. 297, 1607 September 11) der Engere Insassenausschuß der Markgrafschaft anschloß (StaAA, HA, III, 31, Nr. 300, 1607 September 18: Weyin dann diß ein vnfürsehener newerlicher vnd dem Spital deß heyligen Geists zue Augspurg an deßen zue Lüzelburg habender Obrig- vnd gerechtigkeiten ein vnleidenlicher gewalthetiger eingrif auch wider die vsstrukenliche, euch ohne vnser erinnern bewuste Interims mitel ist, kraft dem man so gar in Maleflz fällen, wa die Inseßen die Malefiz Personen vf der Burgawischen begern nit antworten wurden, einzuefallen vor dreyen Tagen nit macht hat, alls wollen wir solliches eur vnbefuegt begünnen hiemit vsstrukenlich widersprochen vnd darwider protestiert, beneben euch aber freündtlich ersuecht haben, mehrernanten Wagnern allsbalden der gefänkhnus zuerlödigen vnd ohne allen entgelt zue relaxieren.). Mit Schreiben von 1607 September 27 (StAA, VÖ, Lit. 653) forderte die oberösterreichische Regierung Landvogt und Amtleute der Markgrafschaft auf, zu den Vorwürfen Augsburgs Stellung zu nehmen (eine Stellungnahme ist nicht erhalten). - 1607 September 30 (StaAA, HA, III, 31, Nr. 308, 1607 Oktober 11) wurde Hans Mayr schließlich nach dreiwöchigem Arrest gegen Erlegung der Haftkosten freigelassen mit der Maßgabe, daß er aintweders In die Catholisch Kirch gehen oder Inner 6 wochen verkhaujfen vnd aus dem flekhen Lützelburg ziehen solle, oder Sy wollen selbsten verkhauffen vnd das gellt einnemen.
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schien jedoch noch immer nicht nachgeben zu wollen und dabei im Dorf Rückhalt am spitalischen Vogt zu finden. Hans Mayr und sein Bruder, Söhne des - aus ungenannten Gründen - außgetretnen Wagners, wie auch der Vogt würden sich, so klagt Landvogt Ulrich von Stotzingen 1607 Dezember 19 in einem Bericht an Erzherzog Maximilian, gegen die religiösen Verordnungen nach wie vor widerig erzaigen. Erzherzog Maximilian befahl, ihnen ihre Ungebühr und aufhezens zu verweisen, bei Zuwiderhandlung aber den Vogt beim Betreten burgauischen Ge-
Außerdem, so die Stadt in diesem Schreiben an den Engeren Insassenausschuß, zeigten sich die Burgauischen auch noch offensiv und kündigten jedem Untertanen an, gegebenenfalls in gleicher Weise mit ihm zu verfahren, sollten die Befehle von Erzherzog und Landvogt nicht beachtet werden (so Landvogt Ulrich von Stotzingen in einem Schreiben an den Rat der Stadt: StaAA, HA, III, 31, Nr. 306, 1607 Oktober 7). Unter selbem Datum wandte sich Augsburg auch unmittelbar an Erzherzog Maximilian und ersuchte um Einstellung der Eingriffe der burgauischen Beamten in die Jurisdiktion des Spitals und gegen die Untertanen, besonders gegen Hans Mayr. Auch forderte man die Stellung der verantwortlichen Landvogtknechte. Andernfalls wolle man beim Schwäbischen Kreis Beschwerde fuhren (StaAA, HA, III, 31, Nr. 307, 1607 Oktober 11). - 1607 Oktober 15 (TLA, GR, K/A) tadelte Erzherzog Maximilian seinen burgauischen Landvogt, er habe seinen Befehl von 1607 August 22 enormiter überschritten und gegen Verträge und Interimsmittel Lützelburger aus ihren eigenen Häusern eingezogen. Dadurch habe er das Erreichte in Gefahr gebracht. Er erließ die Anordnung, die begonnenen Prozesse einzustellen und allein nach dem Befehl zu verfahren. Eine 1607 Oktober 31 formulierte Entschuldigung Ulrichs von Stotzingen (TLA, GR, A/E (Einlaufjournal), 1607 Oktober 31), von Seiten Augsburgs seien seiner Exekution Verstöße vorausgegangen, der Vogt von Lützelburg habe nämlich das vom Landvogt als pfarrliches Einkommen arretierte Geld weggetragen (StaAA, HA, III, 31, Nr. 301, 1607 September 27), wurde nicht akzeptiert. Auch gegen diese Gefangennahme hatte Augsburg beim Reichskammergericht ein mandatum poenale de relaxando captivo sine clausula erwirkt (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Reichskammergericht, Bd. 1, Buchstabe A, Nr. 407, Bestellnr. 3344). Beide Pönalmandate sollten Mitte Dezember durch den Kammergerichtsboten Peter Maul der oberösterreichischen Regierung insinuiert werden (TLA, GR, A/E (Einlaufjournal), 1607 Dezember 13), die aber aufgrund der Befreiung Österreichs vom Reichskammergericht die Entgegennahme der Schriftstücke verweigerte und dem Boten bey hocher straff befahl, sie wieder zurückzutragen. Gleichzeitig wurde den österreichischen Advokaten und Prokuratoren am Reichskammergericht Befehl gegeben, die nötigen Schritte zu veranlassen und zu versuchen, den Inhalt der Mandate zu erfahren (TLA, GR, K/A, 1607 Dezember 15). - Eine späte Vergeltung übte die Reichsstadt fast fünf Jahre später, als sie im August 1612 den bei der Verhaftung Hans Mayrs beteiligten Landvogtknecht Rimmele von Buttenwiesen auf Augsburger Territorium gefangennahm und für kurze Zeit einkerkerte. Bereits 1610 mußte der Landvogtknecht den Rat der Stadt gegen die Bedrohung durch die Spitalpfleger um sicheres Geleit von und nach Augsburg ersuchen (StaAA, HA, III, 31, Nr. 312f.). 1612 August 13 berichtete Bürgermeister Paul Welser (zu ihm vgl. W.E.J. Weber, Paul Welser) von dessen Inhaftierung in Fronveste (StaAA, HA, III, 31, Nr. 314). Vom selben Tag datiert auch eine Urgicht des Landvogtknechtes (StaAA, HA, III, 31, Nr. 315). In seinem Protestschreiben gegen die Gefangennahme von 1612 Oktober 31 (StaAA, HA, III, 31, Nr. 320) fordert Markgraf Karl die Stadt auf, einen revers de non praejudicando auszufertigen und Satisfaktion für Gefängnis und Kosten Rimmeles zu leisten. Die Forderungen wurden zurückgewiesen, zumal der begehrte Revers, da man als Insasse nichts von einer landesfürstlichen Obrigkeit wisse (StaAA, HA, III, 31, Nr. 321, 1612 November 8).
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Fallstudien
bietes (also außer Etters von Lützelburg) zu verhaften und die beiden Mayr wie auch andere dergleichen erkhante meitmacher [!] alsbald auszuschaffen. 283 Kurze Zeit darauf, von 1608 Februar an, begegnen jedenfalls in den Quellen keine Fälle persönlicher Widersetzlichkeit und gegen Einzelpersonen gerichteter Strafmaßnahmen der burgauischen Beamten mehr. Deviantes Verhalten zeigte sich nicht mehr als konkret faßbares Praktizieren einer konfessionellen Alternative (Auslaufen oder Winkelpredigt), sondern nur noch als Verweigerung katholischer bzw. offizieller Glaubenspraxis. Ein Engagement der burgauischen Beamten ist ab jetzt gleichfalls nicht mehr belegt. (4) Die lange und ausgeprägte Tradition der evangelischen Bevölkerungsmehrheit in Lützelburg, ihre konfessionellen Wünsche deutlich zu artikulieren, zeigte sich indirekt noch etwa 20 Jahre nach der formalen Rekatholisierung des Dorfes in einem Schreiben des Lützelburger Pfarrers Kleophas Miller.284 Adressat des über mangelnde Glaubensdisziplin seiner Pfarrkinder weitläufig klagenden Ortsgeistlichen ist 1628 Juni 6 das Hl.-Geist-Spital als Ortsherr von Lützelburg bzw. dessen Spitalmeister. Bemerkenswert ist dabei, daß die Beschwerdeschrift des Pfarrers entstand als Entgegnung auf Kritik, welche Lützelburger Pfarrkinder gegenüber dem Spital an der Predigt des Priesters geäußert hatten.285 Der Geistliche selbst wies indes nicht nur die Klagen der Lützelburger zurück, sondern äußerte seinerseits Kritik an den Pfarrkindern.286 Seine - allerdings unkonkrete - Klage über 283
TLA, GR, K/A, 1607 Dezember 31; vgl. TLA, GR, A/E, 1607 Dezember 19. Überliefert ist nur der Text des Einlaufjournals: Wegen des Lüzlburgischen Pfarrers einsezung. Item des Vogts vnd Hannsen Mayrs, gewesten Wagners zu Lüzlburg, hinderlasßner zwen Söhn ärgerlichs vnd sträflichs thuen in Verhinderung der Catholischen Religion vnd dann deßhalben aufgewendten vncosten betreffendt. 284 M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 936, nennt ihn in Übereinstimmung mit StaAA, HA, IV, 34, Nr. 10, ab 1623 bis 1630 als Pfarrer von Lützelburg. 285 Die Kritik der Lützelburger kann nur indirekt und vage aus den Formulierungen des Geistlichen erschlossen werden. So rechtfertigt dieser gegenüber dem Spitalmeister seine offensichtlich heftige und anklagende Rede mit den Worten, er Laugne es euch in dem wenigsten nit, wie daß ich ihnen, als ein getrewer hirt schuldig zue thon ist, [...] trewherzig, auch freundtlich ermanet, und beklagt sich über die als anmaßend und unberechtigt empfundene Kritik der Lützelburger an seiner Predigt: Ich muste noch der Erste pfarer sein, der Ihnen recht predigen kindte. Ich hab fürsten, graffen, freyherrn vnd Edelleutten geprediget, bin aber niemahlen von ihnen getadelt worden, als von den zum theill Lutterischen Luzelberger. Offen bleibt, ob die Kritik der Lützelburger inhaltlich motiviert ist aus dem Vergleich mit der andersgearteten evangelischen Predigt, die ihnen aus langen Jahren vertraut war, oder ob Pfarrer Miller grundsätzlich als geistlicher Exponent des aufgezwungenen Glaubens auf Ablehnung stieß (StaAA, HA, IV, 31, Nr. 322, 1628 Juni 6). 286 Er nahm zum einen Anstoß an überkonfessionell bekämpften Verhaltensweisen seiner Gemeinde, namentlich dem Besuch im Spillhauß und der Beschäftigung mit vnnuzen Sachen, auch an fluchen vnd gottslestern, das, so schildert er mit drastischen Worten, bey Jungen vnd alten ohn einiges abschewen dermassen im schwung gehe, daß kein wunder mehr, der Erdboden thette sich auff vnd verschlukhte solliche gottslesterer in abgrundt der hellen.
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ihre zum theill Lutterische, Ja gar Caluinische gebreuch vnd wandet bezeugt dabei die inhaltliche und formale Perseveranz der vormaligen
Glaubensprägung
e b e n s o w i e d e n W i l l e n v o n T e i l e n d e r B e v ö l k e r u n g , an ihr f e s t z u h a l t e n b z w . d i e i n n e r e A n n a h m e d e s k a t h o l i s c h e n G l a u b e n s z u v e r w e i g e r n . 2 8 7 D i e s s c h l u g sich möglicherweise auch im Gottesdienstbesuch nieder. So klagt Pfarrer Kleophas M i l l e r , z u m j ü n g s t e n G o t t e s d i e n s t s e i e n v o n 3 3 2 K o m m u n i k a n t e n n u r 103 M ä n n e r u n d 73 F r a u e n , a l s o n u r e t w a s m e h r a l s d i e H ä l f t e d e r K o m m u n i k a n t e n , in d e r Kirche gewesen.288 Im Blick auf die erkennbare Z u r ü c k h a l t u n g b e i m M e ß b e s u c h o f f e n b a r t die A u s e i n a n d e r s e t z u n g u m d i e P r e d i g t P f a r r e r M i l l e r s z u n ä c h s t e i n e n u r als f r a g i l z u b e z e i c h n e n d e Katholizität seiner G e m e i n d e , für die er selbst die vormalige konfessionelle A u s r i c h t u n g der Lützelburger als mit ursächlich ansieht. Die K l a g e über die Gestaltung seiner Predigten zeigt weiter, w i e zumindest Teile der Bevölkerung auch nach der Rekatholisierung des Dorfes versuchen, innerhalb des nunm e h r k o n f e s s i o n e l l i r r e v e r s i b l e n R a h m e n s w e n i g s t e n s E i n f l u ß a u f Inhalt u n d A r t geistlicher Unterweisung und auf die Person des jetzt katholischen Geistlichen zu nehmen.289
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Der vrsachen mir vnß nit derffen verwunderen, daß gott vns mit einer sollichen abscheuUichen straff thue haimsuchen (StaAA, HA, IV, 31, Nr. 322, 1628 Juni 6). - In diesem Punkt, der übrigens mit dem Zorn Gottes das überkonfessionelle Motiv für Erziehung der Gläubigen bzw. Untertanen benennt (Entsprechendes zu den Motiven reformierter Sittenzucht bei H.R. Schmidt, Tätigkeit, S. 278), scheint im übrigen auch eine vorangegangene evangelische oder lutherische Konfessionalisierung jedenfalls keine dauerhaften Früchte hervorgebracht zu haben. - Zum anderen beklagt er nach spezifisch katholischen Maßstäben bewertetes Fehlverhalten: nachlässigen Besuch von Beichte und Kommunion zu Ostern, zurückhaltenden Meßbesuch, verweigerte Teilnahme an Prozessionen in der Kreuzwoche, wie auch die Wirkungslosigkeit seiner diesbezüglichen Ermahnungen, daß gott nit allein daß schwer! gezuckht, sunder auch anfahe, darein zue schlagen, weil etliche so vngehorsam gewesen, und die Notwendigkeit von Zwangsmaßnahmen, als er nach österlicher Zeit etwan 3 oder 4 mahlen habe müessen den schulmaister gar zue haus schikhen vnd sv mit gewalt zur beicht treiben (StaAA, HA, IV, 31, Nr. 322, 1628 Juni 6). StaAA, HA, III, 31, Nr. 322, 1628 Juni 6. Deutlich wird auch, wenn die Bemerkung des katholischen Geistlichen über die Caluinische gebreuch vnd wandel der Lützelburger nicht nur allgemein als Ausdruck ihrer besonderen Verwerflichkeit zu werten ist, sondern auf konkrete Beobachtungen zurückgeht, daß oberdeutsch-zwinglianische Elemente noch zu Beginn des 17. Jahrhunderts in der Glaubenspraxis der Bevölkerung vorhanden waren. Verwunderlich wäre das nicht, prägte doch der erste evangelische Prädikant in Lützelburg, Georg Mayr, der mit größter Wahrscheinlichkeit der oberdeutsch-zwinglianischen Richtung angehörte, nach seiner Einfuhrung bis zu seinem Tode 1577 über 30 Jahre das geistliche Leben im Dorf. StaAA, HA, III, 31, Nr. 323, 1628 Juni 12. Darüber hinaus wird deutlich, daß das Spital, ganz wie ein Landesherr, sich als Instanz circa sacra nicht nur empfindet, sondern auch akzeptiert wird. Das zeigt die Schlußwendung des Briefes, in der Pfarrer Miller resignierend formuliert, wenn er denn die Lebensführung seiner Pfarrkinder nicht mehr tadeln dürfe, so wils ich dem lieben gott beuelhen vnd klagen vnd solliches meine herrn selbsten vor gott verandtwordten lassen (StaAA, HA, III, 31, Nr. 322, 1628 Juni 6).
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Fallstudien
(5) Neben Konformität und Verweigerung konnte schließlich auch religiöse Desorientierung und Indifferenz Folge der konfessionellen Veränderungen im Dorf sein. Aufschlußreich ist in dieser Hinsicht eine Urgicht des bei 80 Jar alten Hafners Ulrich Koler aus dem Jahr 1605.290 Er war sonntags im Wirtshaus mit Pfarrer Schöffel, der dort nach der Messe sein Essen einnahm, in einen Disput geraten über die Frage, welcher von beiden, seine verstorbenen evangelischen Eltern oder er, ihr katholischer Sohn, in den Himmel kommen könne. Koler nimmt eine verworrene und widersprüchliche Haltung ein, sein Vertrauen in die heilsvermittelnde Kompetenz des einen wie des anderen Glaubens scheint verschwunden, wenn er aussagt: Ich hallte vff ainen (den Predicanten vermainend) souil allß vf den andern, weilen ainer den andern verdamet. Auf die Frage, Α uff wen er dann hallte, weilen Er weder vf die Catholische noch Lutterische religion nichts halte, entgegnet er, Er halt vf die Catholisch Religion, welche sie vor 60 Jaren gehabt. Was die beiden Geistlichen betreffe, so sei ainer [...] wie der ander. An Pfarrer Schöffel gerichtet, beendet er schließlich den Disput mit den Worten, du bist Mir nit guet genueg, das ich mit dir rede. Ob sich aus der Ablehnung der religiösen Autoritäten von Prädikant und Pfarrer spiritualistische Neigungen Kolers herauslesen lassen, ist eher unwahrscheinlich. Sehr deutlich wird aber seine Irritation über die Spaltung des Glaubens, die für ihn einen Verlust an Glaubwürdigkeit begründet. Ulrich Koler schien bereits die Reformation im Dorf nicht begrüßt zu haben. Aber auch die Rekatholisierung nimmt er nicht als Rückkehr zu den vorreformatorischen Verhältnissen wahr und sieht die katholische Kirche nicht in der Kontinuität der Alten Kirche: möglicherweise ein Indiz für die erfolgte Umsetzung der Tridentinischen Reformen im liturgischen Bereich.291
1.7
Die Politik der Reichsstadt Augsburg
Juristischer Hintergrund der Auseinandersetzung um die Konfession in Lützelburg war die Frage, wem die Landeshoheit über den Ort zukomme. Der grundsätzliche Charakter dieser Frage, der ,Lützelburg' zum Präzedenzfall geraten ließ, bestimmte inhaltlich die reichsstädtische Politik. Die Bedingungen, unter denen diese Politik ihren Handlungsspielraum abstecken und ihre Mittel wählen konnte, waren von äußeren und inneren politischen Faktoren bestimmt, die im Verlauf des Konfliktes nicht durchweg konstant blieben.
1.7.1
Rahmenbedingungen und innerstädtische Zwänge
,Außenpolitisch' war der Reichsstadt im Falle Lützelburgs ein Nachgeben im Grundsatz mit Rücksicht auf ihren weiteren insassischen Besitz wie auch die rechtliche Situation aller Insassen der Markgrafschaft Burgau nicht möglich. An290 291
StaAA, HA, III, 31, Nr. 202, 1605 Dezember 16. Der ,FalP Koler wurde von der Reichsstadt als spitalischer Obrigkeit geahndet, die damit als Bracchium saeculare ihres nunmehr katholischen Ortsgeistlichen fungierte.
Lützelburg
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dererseits war Augsburg an einer Eskalation des Konfliktes genauso wenig gelegen. Schon vor der Erwirkung eines Reichskammergerichtsmandates gegen die drohende Ausschaffung des Prädikanten Mayr schreckte man zurück, denn hätte man gegen eine Verletzung des Mandats anschließend gegen Österreich prozessieren müssen, so die Befürchtung der Stadt, so heften wir darunder anders nichts als ewige vngnad vnd feindschafft von wegen eins sollichen hessigen vnd peinlichen proceß zuerwartten.292 Eine Belastung des nachbarschaftlichen Verhältnisses zur Markgrafschaft Burgau und zu Österreich bzw. Habsburg versuchte die Stadt also bei allen Spannungen doch zu vermeiden. Innenpolitisch betrachtet, hätte die Stärke der katholischen Partei sowohl im Kleinen Rat (1575 bis 1579 stehen 24 katholischen 21 evangelische Ratsmitglieder gegenüber)293, als auch und besonders im Gremium der sieben Geheimen, dem mit der Erledigung der laufenden Amtsgeschäfte eine weitaus größere Bedeutung als dem Kleinen Rat zukam,294 auf den ersten Blick ein konfessionelles Einlenken Augsburgs vermuten lassen können. Nach dem Tode des Prädikanten Georg Mayr 1577 gaben Landvogt und Rentmeister der Markgrafschaft aus diesem Grunde ihrer Hoffnung Ausdruck, das den Statpflegern vnnd gehaimen zu Augspurg (so all, auserhalb Johann Pappisten [!] Hainzel, Catholisch) nit Lieb, das solcher Predicannt α Ida gewesen, vnnd wan Ε.F.D. Inen, den Statt Pflegern vnnd gehaimen, schreiben, sy mit ainem Catholischen Pfarer woll zufryden sein werden,295 Doch widersprach schon die oberösterreichische Regierung dieser Einschätzung dezidiert, Dann ob schon die selben mererthails Catholisch vnnd für Ire Personen nit vngenaigt sein mechten, die Pfarr zu Lüzelburg mit ainem Catholischen Priester zubesezen, So werden sy doch E.F.D. hierinnen nit gern willfaren wellen, damit sy derselben die Lanndtsfürstlich Obrigkhait, die gegen allen Innsessen 292
293
294
295
StaAA, HA, III, 29, Nr. 1, 1574 September 18. Das Gutachten Dr. Werner Seuters an den Kanzler der Stadt, Dr. Adam Zech, formuliert diese beiden Pole, innerhalb derer die Politik der Reichsstadt sich zu bewegen habe. Es rät, bis zur tatsächlich erfolgten Ausschaffung des Prädikanten zu warten, Als dan hell man dessto mehr vrsach vndgtympjf, pro remedio civili vff die Constitution der pfandung vmb ein Mandatum poenale sine clausula anzuhalten. Dann aber müsse der Rat handeln, Dan das meine hern dise sach gantz vnd gar soltten fallen lassen vnd der f . durchl. diß orts die landsfürstliche obrigkait zu nit schlechter schmelerung der Burgauischen Insessen freihalten stillschweigendt einräumen, das khan ich meins thails nit rathen, es treffe gleich ein gaistliche oder welltliche sach an. Die Vorschläge Dr. Seuters wurden so jedoch nicht befolgt. Noch vor erfolgter Ausschaffung des Prädikanten Mayr wurde ein mandatum de non offendendo erwirkt, also eine einstweilige Verfugung, ohne Möglichkeit des Einspruchs, den Prädikanten bei Strafe der Reichsacht nicht auszuschaffen. Vgl. die Übersicht über das Zahlenverhältnis zwischen Katholiken und Protestanten im Augsburger Rat von 1555 bis 1649 bei Warmbrunn, Konfessionen, S. 133. In der zweiten Phase des Konfliktes ab 1603 war das Verhältnis im Kleinen Rat mit 27 zu 18 Räten (15981628) noch mehr zugunsten der Katholiken verschoben. Warmbrunn, Konfessionen, S. 134. Zu den Funktionen des Geheimen Rates Bätori, Reichsstadt, S. 46-54. TLA, HR, Sei. Ferd. Pos. 132 (2), 1577 März 30.
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vnnd begueteten der Marggrafschafft Burgaw spennig ist, dardurch nit einräumen?96 Einer Rekatholisierung Lützelburgs durch den Rat stand aber nicht allein die Gefährdung insassischer Rechtspositionen, also elementarer politischer Interessen der Reichsstadt entgegen, sondern auch die Furcht vor innenpolitischen Konflikten. Die Lage in der Stadt schätzte Georg Ilsung (um 1510-1580), seit 1550 Landvogt der Landvogtei Schwaben,297 in einem Schreiben an Erzherzog Ferdinand so ein, das die Cattolischen solches [die Einsetzung eines weiteren lutherischen Prädikanten nach dem Tod des Vorgängers 1577] one grosse aufruhr nit haben verhindern khünden. Ich findt auch, das gar khein Hoffnung verbanden ist, Das solcher Predicant one ein grossen Tumult wider abgeschaffen werden khündt, Wie dan solches eur F.D., so sy sich mit Ernnst darumben annemen selten, Im werckh befindt vnnd den Catholischen alhie grost [!] vnruhe vnnd gefahr erweckhen wurdt?m Dieselbe Furcht vor konfessionell motivierten Unruhen in der Bevölkerung spricht aus den Worten, mit welchen die Stadt auch die Annahme des bayerischen Vermittlungsvorschlags, das Dorf Lützelburg der Markgrafschaft zu verkaufen, zurückwies. Mit der Begründung, daß es aus aller hannd beweglichen vrsachen gegen gemainer Statt vnnd Burgerschafft vnuerantwortlich sein will, Weil es bej disen one das schwierigen, geuarlichen Zeitten grössere verpitterung vnnd vnwillen, auch, wie zubesorgen, noch schwere weitterung verursachen möchte, lehnte die Stadt den Verkauf des Ortes ab.299 Noch deutlicher tritt der innerstädtische Druck auf den Rat als Ursache für die Weigerung Augsburgs, das Dorf zu verkaufen, aus der Mitteilung Herzog Albrechts an Erzherzog Ferdinand hervor: Dann ain Rath, ob derselb schon gern wollte, khünde es diser zeit bey Irer schwingen gemain nit verantwortten, während der Rat andererseits aber durchaus bereit sei, eine wie auch immer geartete Entscheidung der Einigungsstände des Landsberger Bundes zu akzeptieren, Auf das Inen von der Burgerschafft nur khein freywillige begebung zugemessen werden khünde. Darauf gründete sich die Hoffnung Herzog Albrechts fur die Versammlung der Einigungsstände, es sollte vnnser fürgeschlagen mittl [der Verkauf des Dorfes] pesser alls yez verfengkhlich sein?00 Diese Erwartung erfüllte sich indes auch bei den neuerlichen Verhandlungen einige Monate später nicht. Ein Verkauf des Dorfes stand offensichtlich im Oktober 1578 nicht mehr zur Debatte. Tatsächlich muß es neben aller innenpolitischen Rücksichtnahme auch als Gebot politischer Vernunft betrachtet werden, wenn es 296 297
298 299 300
TLA, HR, Sei. Ferd. Pos. 132 (2), 1577 April 3. Als Augsburger Patrizier in habsburgischen Diensten hatte er guten Einblick in die inneren Verhältnisse der Reichsstadt; zu ihm NDB X, 142f.; Kallbrunner, Ilsung; Noflatscher, Maximilian, S. 18; Zorn, Karrieresprungbrett, S. 45; zu seiner sozialen Verflechtung mit der Augsburger Führungsschicht Sieh-Burens, Verflechtung, S. 53f., 179. TLA, HR, Sei. Ferd. Pos. 132 (2), 1577 April 6 [wohl Mai 6], TLA, HR, Sei. Ferd. Pos. 132 (2), 1578 März 6. TLA, HR, Sei. Ferd. Pos. 132 (2), 1578 März 12.
Lützelburg
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d e m Rat angesichts eines sehr begrenzten reichsstädtischen Landgebietes u n m ö g lich erschien, Positionen freiwillig aufzugeben. Der sich vertraulich
gebende
H i n w e i s auf die schwierige innenpolitische Situation, die der Stadt, w i e im Falle des Kaufangebotes, die Hände binde, erscheint aus dieser Perspektive geradezu als Schutzbehauptung. In der ersten Phase der Auseinandersetzung scheint damit die persönliche konfessionelle Orientierung der Ratsmehrheit für die Politik der Stadt in Lützelburg keine Rolle zu spielen. A u c h in der zweiten Phase des Konfliktes blieb die reichsstädtische Politik defensiv, und auch jetzt erschien die k o n f e s s i o n e l l e Festlegung der katholischen Ratsmitglieder politisch nicht als bestimmend. 3 0 1 Trotz konfessioneller Spaltung agierte die Reichsstadt in ihren Außenbeziehungen, gegenüber der Markgrafschaft Burgau, geschlossen. D i e Berücksichtigung konfessioneller Sensibilitäten innerhalb der Mauern der Reichsstadt 3 0 2 war dafür weiterhin ein wesentlicher Faktor der reichsstädtischen Politik im Fall Lützelburgs. 3 0 3 Hinzu kam der Druck, den die evangelischen Untertanen z u Lützelburg in 2 8 Suppliken an den Rat der Stadt z w i s c h e n 1603 und 1607 ausübten und darin immer w i e d e r aufs neue ihrem Willen, bei der lutherischen Religionsübung z u bleiben und den ausgeschafften Prädikanten restituiert 301
302
303
Zwar berichteten die Augsburger Ratsdeputierten in Innsbruck, Hans Lauinger zu Mittelstetten und Dr. Veit Breitschwert, 1604 Mai 31 (StaAA, HA, III, 31, Nr. 113) nach Hause (dem Geheimen Rat), sie hätten durch ein vertraute person (die iedoch in allweg Vhngenant sein will) Inn höchster geheimb erfahren, Es hab sich Iher F.D. Camersecretarius, herr D. Michael Faber, der dise Sachen bißhero vnder seiner expedition gefiieret, außtruckhenlich verlauten lassen, daß etliche fürnemme Rhats personen inn Augspurg allhero gelangen lassen, selbigen were sonders angenem, da [...] Iher F.D. die beschehene abschaffung deß Euangelischen predigers ausser Lizelburg bestendig beharrete. Doch zeigten sich die Deputierten selbst skeptisch und schenkten dem Gerücht keinen Glauben. Dem Wunsch nach näherer Information (StaAA, HA, III, 31, Nr. 117, 1604 Juni 3) konnten die Deputierten nicht entsprechen. Sie wiederholten (StaAA, HA, III, 31, Nr. 123, 1604 Juni 7) ihren Verdacht, das Gerücht sei (sc. von österreichischer Seite) zu ausfluchtiger entschuldigung gestreut worden. Die Angelegenheit wurde schließlich vom Rat nicht weiter verfolgt. Im Augsburger Rat waren also konfessionelle Triebkräfte für die reichsstädtische Politik auch zu diesem Zeitpunkt so sekundär, daß man auf anderslautende Gerüchte mit Gelassenheit reagierte und sie nicht ernst nahm. Dies gilt um so mehr, als mit dem Protestanten Lauinger ein derartigen Gerüchten gegenüber konfessionell sensibilisierter Protestant der Augsburger Gesandtschaft in Innsbruck angehörte (vgl. Sieh-Burens, Verflechtung, S. 207). Vgl. den allerdings gerade fur die Zeit der Auseinandersetzung in Lützelburg wenig differenzierten Versuch der Periodisierung von Blaufuß, Verhältnis. Dieser Befund korrespondiert mit dem Resümee, das Warmbrunn, Konfessionen, S. 152. aus seiner Untersuchung zu den Auswirkungen der Ratszusammensetzung auf die Außenund Konfessionspolitik zieht. Bei der Analyse der reichsstädtischen Politik im Landsberger Bund, bei der Konfessionsfrage, insbesondere auf dem Augsburger Reichstag von 1582, und gegenüber den konfessionellen Bündnissen Union und Liga kommt er zu dem Ergebnis: „Die fast immer katholische Ratsmehrheit in Augsburg betrieb - zusammenfassend gesagt unter dem Druck der evangelischen Bevölkerungsmehrheit eine Politik, die, bei grundsätzlicher Annäherung an die katholischen Reichsstände, darauf bedacht blieb, eine allzu starke Identifizierung mit gegenreformatorischen Positionen zu vermeiden."
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zu sehen, Ausdruck verliehen. Der Rat der Stadt konnte sich einerseits über diese Bekundungen nicht hinwegsetzen, sie dienten ihm andererseits gegenüber der österreichischen Seite als Argumentationshilfe. So läßt sich in mehreren Fällen nachweisen, daß der Rat entsprechende Bitten der Untertanen unverzüglich weiterleitete bzw. zum Anlaß eigener Petitionen nahm.304 Dies galt jedoch weder für die Intervention beim Kaiser,305 noch für eine solche bei den protestantischen Reichsständen. 306 Beides forderten die Lützelburger mehrfach, als sich die Erfolglosigkeit des Bemühens um ein Einlenken Erzherzog Maximilians abzeichnete. Gerade letzteres hätte denn auch im Widerspruch gestanden zu einer Konstante in der Politik des mehrheitlich katholischen Rates, „trotz gegenläufiger Bestrebungen in der Bürgerschaft zu allen Versuchen, die Reichsstadt ins Lager der protestantischen Stände hinüberzuziehen", 307 auf Distanz zu gehen. In ihren Schreiben an den Rat der Stadt argumentierten die evangelischen Untertanen zwar immer, aber nicht ausschließlich mit ihrer Gewissensnot, 308 sondern bestätigten die Rechtsauffassung der Reichsstadt, sie sei im Besitz landeshoheitlich relevanter Rechte über Lützelburg, führten ebenfalls Religionsfrieden, Inte-
304
305
306 307 308
StaAA, HA, III, 31: - Nr. 81, 1603 April 29 (Evangelische Untertanen zu Lützelburg an Stadtpfleger und Geheimen Rat der Stadt): Nr. 82, 1603 April 29, Rat an Oberbeamte in Günzburg, und Nr. 83, 1603 April 29, Rat an Erzherzog Maximilian. - Nr. 91, 1603: Nr. 92, 1603 August 2, Rat an Erzherzog Maximilian. - Nr. 95, 1603, Bitte um Gesandtschaft an Erzherzog: bewilligt durch Ratsbeschluß 1603 September 9. - Nr. 100, 1604 Januar 8: Nr. 101, 1604 Januar 10, Rat an Erzherzog Maximilian. - Nr. 102, 1604 März 6: Nr. 104, 1604 März 6, Rat an Erzherzog Maximilian. - Nr. 130, 1604 September 2: Nr. 131, 1604 September 2, Rat an Erzherzog Maximilian. - Nr. 190, 1605 September 1: Nr. 191, 1605 September 1, Rat an Erzherzog Maximilian. - Nr. 199, 1605 November 26: Nr. 200, 1605 November 29, Geheimer Rat an Erzherzog Maximilian. - Nr. 209, 1606 Februar 23: Nr. 211, 1606 Februar 25, Rat an Erzherzog Maximilian. - Nr. 215, 1606 März: Nr. 216, 1606 März 9, [Rat] an Erzherzog Maximilian. - Nr. 221, 1606 Juni: Nr. 222, 1606 Juni 10, [Rat] an Erzherzog Maximilian. - Nr. 228 und Nr. 229, 1607 März 24 (1) und (2): Nr. 230, 1607 März 24, Rat an burgauische Oberbeamte. - Nr. 247, 1607 Mai 3: Nr. 248, 1607 Mai 3, Rat an burgauische Oberbeamte und an Erzherzog Maximilian. StaAA, HA, III, 31, Nr. 224, 1607 Januar 23; Nr. 226, 1607 März 20; Nr. 228, 1607 März 24 (1); Nr. 229, 1607 März 24 (2). Die Stadt hatte allerdings schon längere Zeit zuvor mehrfach und ohne greifbares Ergebnis versucht, den Kaiser auf ihre Seite zu ziehen. Vielleicht hatte man wegen der geringen Aussichten auf Erfolg später davon Abstand genommen. StaAA, HA, III, 31, Nr. 229, 1607 März 4 und Nr. 277, 1607 Juli 17. Warmbrunn, Konfessionen, S. 152. Z.B. StaAA, HA, III, 31, Nr. 81, 1603 April 29; Nr. 91, 1603; Nr. 95, 1603; Nr. 100, 1604 Januar 8; Nr. 130, 1604 September 2; Nr. 139, 1605 Februar 15; Nr. 284, 1607 Juli 24.
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rimsmittel und Münchener Vertrag an309 und trafen mit dem Hinweis, das Vorhaben zur Einsetzung eines katholischen Pfarrers in Lützelburg sei der Stadt an ihrem Kirchensaz, Ober- vnd andern herrlig- vnd gerechtigkeiten hoch praejudicirlich vnd nachtheilig, den Ton, der ihnen Aufmerksamkeit und Zustimmung auch der katholischen Ratsmitglieder sicherte. 310 Ganz vereinzelt findet sich eine gegenüber dem Rat weniger bittende als fordernde Diktion, so im Schreiben von 1605 September 1, in welchem die Untertanen mahnen, dem Vorbild der Reichsstadt Ulm zu folgen, die, obwohl sie selbst in der Markgrafschaft gar nicht begütert sei, ihre burger vnd vnderthonen wider ye zu zeiten begegnete beschwerden der Burgauischen Amptleuth in vil ringern fällen mitt nuz derselben ihrer burger vnd vnderthonen gehandhabt vnd sie also bey ihren Ober- vnd gerechtigkheiten bestendiglich erhallten haben, dermaßen daß derselben statt in berüerter Marggraufschafft begüetteten burgern [...] nie die wenigst widerwertigkheit begegnet. Die Lützelburger Untertanen bedauern, solchem löblichen exempel würde ihre Obrigkeit ohne einige vnsere erinnerung nachfolgen, also nicht nachfolgen. 3 " Sie klagen mit anderen Worten unter Verweis auf das - angeblich - forschere und beispielhafte Auftreten Ulms gegenüber der Markgrafschaft Funktion und Legitimation ihrer eigenen Obrigkeit ein. In der latenten Infragestellung obrigkeitlicher Legitimation (Schutz der Untertanen) wird politischer Druck besonders augenfällig. Über den Willen ihrer spitalischen Untertanen konnte sich die Reichsstadt ohne Schaden für ihre Herrschaftsgrundlagen nicht hinwegsetzen. 312
309
Z.B. StaAA, HA, III, 31, Nr. 197, 1605 Oktober 29. In dem umfangreichen, 16seitigen Bittschreiben argumentieren die Lützelburger, sie seien den Hospitalpflegem der Stadt Augsburg als der ohngemittelten Obrigkheit zugehörig, gerichtbar vnd botmeßig, dermaßen, Daß wir arme vnderthonen, so wol vnsere vorfahren, mitt huldigung. Erb- oder andern pflichten vnd ayden sonst niemand dann allein vnd einig den gedachten yederweilen verordneten Spitalpflegern, yedoch von wegen gemeiner Statt von vnfiirdencklichen Jahren hero verwandt, zugethon vnd vnderthenig gewesen vnd noch sein, daß also E. G. vnd hr. desto mehr befuegt, einen praedicanten Augspurgischer Confession in berüertem ihrem fleckhen Lyzeiburg vffzustellen vnd vns, ihren ainig gelobten vnd geschwornen vnderthanen widerfahren zulaßen. 310 StaAA, HA, III, 31, Nr. 139, 1605 Februar 15. 311 StaAA, HA, III, 31, Nr. 190, 1605 September 1. 312 Es war also wichtig, daß die Untertanen zu Lützelburg einerseits vom Einsatz der Reichsstadt in ihrer Sache überzeugt waren, andererseits begriffen, daß ein Scheitern der Bemühungen der Haltung Österreichs anzulasten, nicht aber ihre Obrigkeit dafür verantwortlich sei. Aus diesem Grunde sollte eine abschlägige Antwort Erzherzog Maximilians von 1606 Juni 10 (StaAA, HA, III, 29, Nr. 7) auf die Forderung der Stadt, den Prädikanten zu restituieren, laut Vermerk a tergo des Schreibens, nach Senatsbeschluß von 1606 Juni 17 denen Untertanen zu Lützelburg fürgehalten werden.
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Fallstudien
1.7.2
Das rechtliche und politische Instrumentarium
In der ersten Phase der Auseinandersetzung bis 1578 versuchte Augsburg, den Konflikt auf der Grundlage des Reichsrechtes und seiner Institution Reichskammergericht313 (1) sowie der vertraglichen Rechte aus dem Landsberger Bund und dessen Vermittlungsinstanzen, Bundeshauptmann und Bundesversammlung, (2) auszutragen. In der zweiten Phase gewannen dagegen Schritte und Überlegungen an Bedeutung, burgauische Insassen (3), Kaiser (4) und Reichskreis (5) zur Unterstützung der Reichsstadt zu gewinnen. (1) Das 1576 Juli 23 erlassene und August 12 trotz Widerstandes der burgauischen Beamten 314 insinuierte Mandaten de non offendendo, eine einstweilige Verfügung des Reichskammergerichtes, bei Strafe der Reichsacht den Prädikanten Mayr nicht auszuschaffen, 315 zeitigte dabei durchaus, wenn auch nur aufgrund der nun erforderlichen Einholung von Gutachten aufschiebende Wirkung.316 So berichtete der Rat der Stadt an seinen Kammergerichtsadvokaten Dr. Christoph Reifsteck 317 1576 August 28 ausdrücklich, nach der Insinuation des Mandates sei der Prädikant nicht mehr bedroht und zum Abzug genötigt worden.318 - Inwieweit hierfür die dem Luthertum gegenüber konfessionell aufgeschlossene Haltung Kaiser Maximilians (1564-1576) 319 bzw. für die schließlich doch erfolgte Ausschaffung des Prädikanten 1577 der Tod des Kaisers (1576 Oktober 12) einen relevanten Faktor der österreichischen Politik darstellte, läßt sich nicht nachweisen.
313
314
315
316
317 318 319
Zur Geschichte des Reichskammergerichtes nach wie vor grundlegend Smend, Reichskammergericht; mit einer umfangreichen Bibliographie Rainieri, Recht, S. 19-43. Einen Forschungsüberblick bietet Diestelkamp, Reichskammergericht, und ders., Funktion. Das Mandat mußte den Beamten aufgedrängt werden. Der Reichskammergerichtsbote Michael Gedarth wurde kurzzeitig in Personalarrest genommen (vgl. zu den Vorgängen bei der Insinuation des Mandates den Bericht des Boten an die Reichsstadt Augsburg, StaAA, HA, III, 31, Nr. 10, 1576 August 18, und den Bericht von Landvogt und Rentmeister der Markgrafschaft an Erzherzog Ferdinand, TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1576 August 13). - Zum Zustellungswesen des RKG Smend, Reichskammergericht, S. 363-369. Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Reichskammergericht, Bd. 1, Buchstabe A, Nr. 404, Bestellnr. 3342; dort knapp zum Wesen des Mandatsprozesses die Einleitung von Elisabeth Noichl, XIII. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1576 September 6. Erzherzog Ferdinandentspricht in dem Schreiben an Landvogt und Rentmeister der Markgrafschaft Burgau dem Vorschlag der oberösterreichischen Regierung, das Sy biß auf weitern beschaid mit ausschaffung ernents Predicanten zu Lüzlburg stillsteen, sich aber gegen denen von Augspurg nit erclärn selten, ob Sy dem am Khayserlichen Camergericht außgebrachten Mandat zu Pariern gedacht oder nit. Zu ihm Sieh-Burens, Verflechtung, S. 194. StaAA, HA, III, 31, Nr. 13, 1576 August 28. Bibl, Frage; Bibl, Maximilian II., S. 69-105; Lanzinner, Zeitalter, S. 52f.
Lützelburg
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( 2 ) A n d e r s j e d e n f a l l s stellte s i c h d i e S i t u a t i o n erst dar, als Prädikant M a y r v e r s t o r b e n u n d e i n lutherischer N a c h f o l g e r i m D o r f installiert war. O h n e R ü c k s i c h t a u f e i n e n m ö g l i c h e n P r o z e ß a m R e i c h s k a m m e r g e r i c h t hatten b u r g a u i s c h e B e a m t e 1 5 7 7 A u g u s t 1 d e n Prädikanten D a v i d S c h l u m p f e s t g e n o m m e n . In d i e s e r L a g e ersuchte A u g s b u r g zunächst die Reichsstadt Nürnberg u m ein vertrauliches Gutachten, 3 2 0 n a h m d a n n V e r b i n d u n g z u H e r z o g A l b r e c h t v o n B a y e r n auf 3 2 1 und forderte s e i n e R e c h t e als M i t g l i e d d e s L a n d s b e r g e r B u n d e s e i n , als d e s s e n B u n d e s h a u p t m a n n H e r z o g A l b r e c h t v o n B a y e r n zur A u s r i c h t u n g v o n
Verhandlungen
v e r p f l i c h t e t war. 3 2 2
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StaAA, HA, III, 31, Nr. 19, 1577 August 6; Antwort: Nr. 27, August 17. Die Nürnberger rieten Augsburg zu, ihr Vorhaben, den Landsberger Bund und Herzog Albrecht um Vermittlung anzurufen, weiter zu verfolgen. Herzog Albrecht würde wohl wissen, was ihm selbst tragenden ampts halb vnd zu erhaltung fridlichs vnd nachbarlichen wesens hieiynn zuthun gepuren wolle. Aus der Antwort der Reichsstadt Nürnberg geht hervor, daß sie im Sommer 1577 die konfessionelle Vermittlungsfunktion des Bundes und die Vermittlungsbereitschaft seines Hauptmannes noch durchaus optimistisch beurteilt. Zur Stellung und Politik Nürnbergs im Bund Mogge, Nürnberg. StaAA, HA, III, 31, Nr. 20, 1577 August 6: Instruktionen für eine an Herzog Albrecht abgeordnete Gesandtschaft der Stadt (Felix Rehm, Christoph Ilsung, Dr. Konrad Peutinger; vgl. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1577 August 6). Augsburg zählt zusammen mit König Ferdinand (als Erzherzog seiner ober- und vorderösterreichischen Lande), Erzbischof Michael von Salzburg und Herzog Albrecht V. von Bayern zu den Gründungsmitgliedern des Landsberger Bundes im Jahre 1556. Vgl. den immer noch empfehlenswerten Abriß zur Gründung des Bundes bei Riezler, Geschichte, S. 465-469; Lutz/Ziegler, Zeitalter, zum Landsberger Bund S. 379f.; zur Stellung Augsburgs im Landsberger Bund (ohne Bezugnahme auf Lützelburg) Warmbrunn, Konfessionen, S. 146-149. - Die Landsbergische Einigungsnote (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), undatiert) legt in ihrem ersten Teil fest, Wie es die Pundstend gegen einander vnd Irn vnderthanen halten sollen vnd von Irn austrägen. Die im konkreten Fall einschlägigen Pflichten des Bundeshauptmanns formuliert der Abschnitt Von entsezung, pfandung oder fahen: Da sich aber zutriege, das ain ainigungs verwandter den andern oder desselben vnderthanen des seinen, seiner habenden possession vnd gewehr, Ober-Recht vnd gerechtigkaiten entsezen, betrieben, den andern oder den seinen fahen oder in ander weg pfenden wurde, So soll der Oberst haubtman, so im Ampt oder, da die sach Ine selbs betref, Als dann sein mit Oberster, wie hernachuolgt, vf des beschwerdten oder gepfendten ansuchen dem Gegenthail schreiben vnd Ine ernstlich ersuechen, seines furnemens abzusteen vnd den clagenden bey dem Landfriden vnd seinen Inhabenden guetern vnd geburlichem Rechten bleiben zulassen, die gefangnen wider zu ledigen, auch die genomnen pfand dem gepfendten wider zuzustellen, Daneben auch ainen tag zu gutlicher vnuergrißicher Widerhandlung ansezen vnd gepieten, das durch kainen thail mitler zeit solches tags Ichts Thätlichs gehandlet werde, welchem beede thail auch zu geieben vnd vnuertzogenlich nachzukomen, doch vf widerStellung der gefangnen vnd pfand, da solches mit ordenlichem Rechten erkent wurdt, schuldig sein. Darauf soll auch der Hauptman oder, wie ob steet, sein mit Oberster zu angeseztem tag mit allem fleis handien, die schwebende speen vnd Irrungen in der guete ab vnd hin zulegen. Wo aber die Sachen vnd Irrung in der guete nit khindten hingelegt werden, So hat sich veder thail ordenlichs Rechtens zugebrauchen vnd, so der Ienig, so thätlich handlungfurgenomen, dauon nit absteen, sonder mit gewalt gegen dem andern furfahrn wurde, Als dann soll der
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Nicht zuletzt da dieser nach eigener Behauptung befürchtete, das auch aus dergleichen deinem wol ain grosses feur, do man nit bei Zeit whöret vnnd einsehens hat, ausbrechen dörft, des hernach, sonnderlich bei yz schwingen vnnsern leisten Zeiten, do man one das mer zu Khrieg, hader vnnd vnlust, alls den geliebten friden zu vnnderpawen, begirig ist, so bald nit mer gedempfft werden khönndte, wirbt er bei Erzherzog Ferdinand, in eine Verhandlung einzuwilligen. Derweil solle der Prädikant unpräjudizierlich die Gemeinde Lützelburg versehen.323 Auch in der Folgezeit bemühte sich Herzog Albrecht wiederholt persönlich bei Erzherzog Ferdinand um einen Ausgleich mit der Reichsstadt: Auf den Vorschlag Augsburgs, Daß gedachter Pfarrer bis zu angedeutem austrag der Sachen oder anderer vergleichung sich des Predigens zu Luzelburg enthalten, auch die Azung, da es Ye änderst nit sein kan, von im bezalt werden soll,i24 rät er, nit allein fur Sich selbs von geliebter Rhue wegen, Sonnder auch der fridlichen Lanndspergischen Schirmbs verain zu Eeren vnnd beleiblichem gueten verstanndt einzugehen, avisiert einen güetlichen Tag ungefähr um Dreikönig, um den eingefallnen vnwillen glimpflich hinzulegen, und lehnt den Wunsch Erzherzog Ferdinands ab, der Herzog solle übergangsweise selbst einen katholischen Priester nach Lützelburg verordnen.325 Kurz darauf erging tatsächlich der Befehl Erzherzog Ferdinands an Landvogt und Rentmeister in Burgau, den Prädikanten unter den von Augsburg zugegebenen Bedingungen freizulassen.326 Auch am Zustandekommen des schließlichen Vergleichs im Münchener Vertrag von 1578 Oktober 11 waren die bayerischen Vermittler wesentlich beteiligt. Dieser Befund verblüfft zunächst. Er steht im Widerspruch zu den Bemühungen Herzog Albrechts, den Landsberger Bund in Richtung auf eine katholische Liga327 zu erweitern, und zur Unbedenklichkeit, mit der er dabei die konfessionelle Polarisierung bereits zu dieser Zeit in Kauf nahm. Herzog Albrecht vermied, die Lützelburger Kontroverse zur konfessionellen Zerreißprobe des Bundes geraten zu lassen. Schon diplomatisch in der Form der Verhandlung und der Entscheidung sollte der Auseinandersetzung ihre Brisanz genommen werden. Die beteiligten Parteien führten unter der Vermittlung Bayerns Sonderverhandlungen und einigten sich in einem Vergleich, der als „Nebenabschied"328 den allgemeinen Beschlüssen der Bundesversammlung hinzugefügt wurde. Es traten also entgegen
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Oberst Haubtman oder, wie vorgemelt, sein mit Oberster vnuerzuglich die ander ainungs verwandten zusamen beschreiben, zuberathschlagen, Wie vnd mit was maß der beschwerdt gehandthabt vnd vor seinem widerthail bej recht geschuzt vnd geschurmbt werden möge. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1577 August 10. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1577 November 23. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1577 Dezember 7. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1577 Dezember 16. Endres, Landsberger Bund, S. 210. Goetz, Beiträge, S. 879.
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dem ursprünglichen Plan nicht alle Stände des Bundes zu Verhandlungen über den Fall Lützelburg zusammen, um eine verbindliche Entscheidung herbeizufuhren bzw. ihr Urteil zu fällen. 329 Da die Satzungen des Bundes 330 das Majoritätsprinzip vorsahen, die Mehrzahl der Einigungsstände aber katholisch war, hätte ein derartiges Verfahren tatsächlich ein fünf Jahre eheres Ende des Bundes bedeuten können. Dagegen vermochte der Landsberger Bund noch einmal diese „Probe auf die Vermittlerrolle" 331 zu bestehen. Gewiß war der Fall Lützelburg von geringerer reichsrechtlicher und politischer Tragweite als die versuchte Säkularisation des Kölner Erzstiftes durch Gebhard Truchseß von Waldburg im Jahre 1583, die durch das militärische Eingreifen Bayerns zum Austritt Nürnbergs, des einzigen rein protestantischen Mitglieds, 332 und damit zum faktischen Ende des Landsberger Bundes als überkonfessioneller Vermittlungsinstanz führte; im Jahr darauf vollzog Erzherzog Ferdinand seinen Austritt aus dem Bund, da es über die Besetzung des Kölner Erzstuhls zum Streit mit Bayern gekommen war. 333 Auch berührte die Nachfolge Gebhards vitale bayerische Interessen. Dennoch aber ist nicht zu übersehen, daß der Münchener Vertrag von 1578 Oktober 11 exakt die bayerische Interessenlage widerspiegelt. Denn weder lag Bayern in konfessioneller Hinsicht an einer grundlegenden Schwächung der katholischen Konfession in der Markgrafschaft Burgau, noch politisch an einer Stärkung der habsburgischen Position im Westen des Herzogtums. Die bayerische Vermittlerrolle verdankte sich also wohl 1578 zu einem nicht geringen Teil dem wittelsbachisch-habsburgischen Gegensatz. Auch aus diesem Grund ist mit Rudolf Endres der Einschätzung Karl Brandis zu widersprechen, der Landsberger Bund habe die Gegensätze und Rivalitäten zwischen Habsburg und Wittelsbach überwunden. 334 Rückhalt am Landsberger Bund zu finden war Augsburg in der zweiten Phase des Konfliktes nicht mehr möglich. Spätestens mit der formalen Auflösung des Bundes 1598 gab es keine Exekutive mehr, die einen Bruch des Münchener Vertrages hätte sanktionieren können. Die rechtliche Verbindlichkeit der Einigung, ja sogar seine Vertragsnatur konnte Erzherzog Maximilian daher negieren, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Am deutlichsten formuliert er seine Position in einer ihm vom Kaiser zur Stellungnahme weitergeleiteten Klageschrift der Reichsstadt Augsburg an das Reichsoberhaupt: Es handele sich beim Abkommen
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Nicht korrekt spricht Mogge, Nürnberg, S. 304, von einer Verhandlung der Mitgliederversammlung. Vgl. Kap. Β. I. 1. Anm. 322. Mogge, Nürnberg, S. 303. Mogge, Nürnberg, S. 305f. - Nicht mitgerechnet sind die beiden kleinen, mit Nürnberg seit alters verbündeten fränkischen Reichsstädte Windsheim und Weißenburg, die 1558 dem Beitritt Nürnbergs gefolgt waren (Riezler, Geschichte, S. 466). Hirn, Ferdinand II., Bd. 2, S. 196f.; Riezler, Geschichte, S. 652; Ritter, Geschichte, S. 14, verwechselt die Reihenfolge der Austritte. Brandl, Geschichte, S. 306; Endres, Landsberger Bund, S. 211.
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von 1578 Oktober 11 gar nicht um einen Vertrag, sondern um ein Interim, in das zwar Erzherzog Ferdinand für seine Person zu Lebzeiten als Mitglied des Landsberger Bundes expraecipitipersuasione gewilligt habe, an das er sich aber, zumal nach den Verstößen des Spitals (weite Entfernung und geringe Besoldung des vikarierenden Geistlichen, konfessionelle Schmähreden des lutherischen Prädikanten), nicht gebunden erachte.335 Im nachhinein wird deutlich, daß die Reichsstadt mit der Appellation an den Landsberger Bund bzw. Bayern einen erfolgreichen Weg, insofern die lutherische Religionsübung mit einem eigenen Prädikanten weiterhin möglich war, beschritten hatte. Damit entschied sich Augsburg gegen andere Optionen: gegen die Anstrengung eines Prozesses am Reichskammergericht und gegen ein gemeinsames Vorgehen zusammen mit den Insassen und Begüterten der Markgrafschaft Burgau. Beide Optionen wurden von der oberösterreichischen Regierung als für die österreichische Position gefährlicher eingeschätzt,336 was sie tatsächlich wohl kaum waren. Denn weder war klar, ob Österreich überhaupt dem Reichskammergerichtszwang unterlag und wie gegebenenfalls eine Exekution erfolgen oder wer sie übernehmen sollte, noch war erprobt, ob die politische Solidarität der burgauischen Insassen konfessionelle Unterschiede würde überspielen können und wie die Insassen in einem Konflikt sich würden behaupten können. Die Ergebnislosigkeit und Erfolglosigkeit beider alternativer Optionen fast 30 Jahre später spricht - bei aller Verschiedenheit der politischen Rahmenbedingungen - für das 1577 und 1578 von Augsburg bevorzugte Vorgehen: Die Annahme zweier weiterer Mandate des Reichskammergerichts (beide Pönalmandate wurden erwirkt aus Anlaß der Inhaftierung Lützelburger Untertanen in Burgau), die gegen eine Verletzung des Religionsfriedens klagten, wurde von Österreich verweigert,337 das Gericht nicht als für Österreich zuständige Jurisdiktionsinstanz anerkannt. (3) Auch der, allerdings erst ab 1605 mehrfach um Unterstützung angerufene Engere Ausschuß bzw. dessen Vorsitzender entwickelte keine größere Wirksamkeit für die Anliegen der Reichsstadt in Lützelburg. Dabei bot sich im Falle des Ius reformandi in Lützelburg sogar die Möglichkeit interkonfessionellen Agierens, denn pikanterweise war Vorsitzender des Engeren Insassenausschusses der 335 336
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TLA, GR, K/A, 1604 Dezember 18; vgl. S. 1604 Oktober 3. Vgl. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1577 August 22. In dem Gutachten für Erzherzog Ferdinand auf die durch Gesandte der Reichsstadt Augsburg Herzog Albrecht von Bayern vorgebrachten Beschwerden schreibt die oberösterreichische Regierung, sie hätten die Klagen der Stadt gelesen vnnd gern gehört, das gedachte von Augspurg nit am Kayserlichen Camergericht Proceß auf die Constitution des Lanndtfridens außgebracht haben, die Inen sonnder Zweifl erkhenndt worden weren [...]. So haben wir auch besorgt, Sy mechten mit den anndern verainigten Stennden, den Insassen vnnd begüetteten der Marggrafschafft Burgaw, auf die zwischen Inen, wie vormals fürkomen, beschlossne vergleichung de facto darwider was fürnemen. Daraus allerhanndt besorgeliche weitterung erfolgt were. TLA, GR, K/A, 1608 Januar 19.
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Bischof von Augsburg für das Hochstift als ranghöchstem und größtem Insassen der Markgrafschaft. In zwei Schreiben hatte der Rat der Stadt sich bereits an die bischöflichen Räte in Dillingen gewandt, um ihnen die nachteiligen Konsequenzen für die rechtliche Position nicht nur des Spitals und der Reichsstadt Augsburg, sondern aller Insassen gegenüber Österreich vor Augen zu halten, die sich aus der vom Bischof mitbetriebenen Einsetzung eines katholischen Pfarrers in Lützelburg ergäben. 338 Angesichts der alternativen Optionen von pastoraler Pflichterfüllung und politischer Opportunität erwies sich im Falle Lützelburgs jedoch die Prädominanz konfessioneller Konsequenz: Bischof Heinrich ließ sich durch Augsburgs Wink mit dem Zaunpfahl der weitterung339, also dem Hinweis auf für das Hochstift selbst abträgliche juristische Konsequenzen aus einem österreichischen Erfolg um das Ius reformandi in Lützelburg, keineswegs zum Einlenken bewegen, sondern betrieb weiterhin die Einsetzung eines katholischen Geistlichen in Lützelburg. 340 Augsburg unternahm auch weiterhin Versuche, sich der Solidarität der Insassen zu versichern. Indes erfuhren zwei weitere, nunmehr nicht an den Bischof bzw. seine Beamten, sondern an den Engeren Ausschuß adressierte Schreiben, die allgemein den burgauischen Eingriff in die Rechte des Spitals beklagten, 341 zumindest keine Antwort, die archivalisch überliefert wäre. Erst die ebenfalls an den Engeren Ausschuß gerichtete Klage und Bitte um Interzession wegen der Gefangennahme des Lützelburger Untertanen Hans Mayr durch burgauische Beamte 342 338
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StaAA, III, 31, Nr. 138, 1605 Februar 19: Dergleichen newerliche turbationes, führten sie aus, würden nit alain vnns vnd vnnserm Spital, sonder auch andern Innsassen der Marggraffschafft Burgaw zu beschwerdlichem praeiudicio vnd consequentz geraichen. Die Räte wurden ersucht, aus angezognen rechtmessigen vnd erheblichen vrsachen zu verhuettung allerhand weitterung, so Ir von selbsten vernunftig zue erwegen, daruor zusein. Vgl. ebenso StaAA, III, 31, Nr. 236, 1607 März 31. StaAA, HA, III, 31, Nr. 138, 1605 Februar 19. Die bischöflichen Statthalter und Räte in Dillingen wiesen mit Schreiben von 1607 April 24 an Bürgermeister und Rat von Augsburg (StaAA, HA, III, 31, Nr. 245) den von der Stadt erhobenen Vorwurf (StaAA, HA, III, 31, Nr. 239, 1607 April 10) zurück, für die Religionsveränderung in Lützelburg trügen Bischof Heinrich und seine Regierung die Verantwortung (der Bischof sei Author oder Anstiffter der Religions mutation). Sie hätten vielmehr auf Bitten Erzherzog Maximilians reagiert vnd waß daß hochlöbliche Hauß Österreich hierinnen befliegt oder nit befiiegt sein möchte, vil zu Inquirieren oder Ihr Judicium zue Interponiern [nicht gehabt], sonndern nach dem Außgeschqfften Praedicanten Sich Ihres tragenden Bischofflichen Ambts halber schuldig befunden, damit daß Arme Pfarr Völckhlin ohne Seelsorg nit gelassen, Ihrer F.D. begern statt zuethon. Bischöfliche Politik war es mit anderen Worten, sich im grundlegenden Konflikt um die Landeshoheit neutral zu geben, eine rein pastorale Position einzunehmen und die tatsächlich implizite Anerkennung landesherrlicher Ansprüche Österreichs in Abrede zu stellen. 1607 Mai 21 erfolgte schließlich die tatsächliche Einführung des katholischen Geistlichen, Domvikar Georg Schöffel, als investierter Pfarrer in den Pfarrhof und das pfarrliche Einkommen (StaAA, HA, III, 31, Nr. 259, 1607 Mai 21). StaAA, HA, III, 31, Nr. 251, 1607 Mai 5, und Nr. 270, 1607 Juni 2. StaAA, HA, III, 31, Nr. 297, 1607 September 11.
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- er hatte sich trotz wiederholter Mahnung geweigert, den katholischen Gottesdienst zu besuchen - 343 führte zu einem Schreiben des Ausschusses an die Oberbeamten in Günzburg. Als Abfassungsort dieses nur in Kopie vorhandenen Schreibens ist Augspurg genannt. Es ist nicht persönlich, etwa vom Bischof als Ausschußvorsitzendem, unterzeichnet. Als Verfasser firmieren vielmehr kollektiv der Marggrafschafft Burgaw Inseßen verordnete zuem Engen vsschuß. Unter Hinweis auf die Interimsmittel protestiert der Ausschuß gegen den Einfall burgauischer Beamter ins Dorf und die Inhaftierung Hans Mayrs aus seinem Haus heraus, da man so gar in Malefiz fällen, wa die Inseßen die Malefiz Personen vf der Burgawischen begern nit antworten wurden, einzuefallen vor dreyen Tagen nit macht hat. Sie fordern, den Inhaftierten allsbalden der gefänkhnus zuerlödigen vnd ohne allen entgelt zue relaxieren vnd euch hinfiiro dergleichen vnbefuegten vnd zue gemeiner herren Inseßen der Marggrafschafft Burgaw hochbeschwerlicher consequenz vndpraeiudicio raichender eingriffen nicht mehr [zu] vnderwinden. Andernfalls müsse man sich an Erzherzog Maximilian selbst wenden.344 Als Hans Mayr schließlich 1607 September 30 - drei Wochen nach seiner Gefangennahme und zwölf Tage nach Datierung des insassischen Interzessionsschreibens - gegen Erstattung der Haftkosten freigelassen und vor die Alternative gestellt wurde, daß er aintweders In die Catholisch Kirch gehen oder Inner 6 wochen verkhauffen vnd aus dem flekhen Lützelburg ziehen solle, oder Sy wollen selbsten verkhauffen vnd das gellt einnemen, ersuchte die Stadt, da solches Vorgehen nicht nur einen Verstoß gegen die Interimsmittel, sondern auch gegen das spitalische Gebot und Verbot bedeute, ja allgemein zu vergwalltigung der Insassen gereiche, um ein Schreiben des Ausschusses an Erzherzog Maximilian oder zusamen erforderung aller Innsessen vnd Interessirten, um solches für die Zukunft abzuwenden.345 Auch auf dieses Schreiben ist eine Reaktion des Insassenausschusses nicht überliefert. Abgesehen von einem im Stil zurückhaltenden und lediglich an die burgauischen Beamten, nicht aber an Erzherzog Maximilian als Markgrafen von Burgau selbst gerichteten Schreiben für die Freilassung des Lützelburger Untertanen Hans Mayr, läßt sich ein weitergehendes solidarisches Engagement des Insassenausschusses für die Reichsstadt Augsburg nicht nachweisen. Die geforderte Erlassung der Haftkosten für den Inhaftierten wurde zudem von Burgau keineswegs bewilligt und Hans Mayr noch etwa zehn weitere Tage nach Eingang des insassischen Fürbittschreibens in Haft belassen: Augsburg fand in der Auseinandersetzung mit der Markgrafschaft um Lützelburg am Insassenausschuß keinen wesentlichen Rückhalt. Für ein kollektives Agieren der Insassen gegen die Markgrafschaft Burgau scheinen konfessionell belastete Auseinandersetzungen die Grenze
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StAA, VÖ, Lit. 653, 1607 September 27. StaAA, HA, III, 31, Nr. 300, 1607 September 18. StaAA, HA, III, 31, Nr. 308, 1607 Oktober 11.
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der Solidarität zu markieren, selbst w e n n sie auf demselben grundlegenden Konflikt um die Landeshoheit beruhten wie die Vielzahl anderer Streitpunkte. (4) In dieser zweiten Phase der Auseinandersetzung bemühte sich Augsburg, nachdem Erzherzog Maximilian sich zu einem Einlenken im Sinne der Stadt nicht bereitfinden wollte und sich gegen die Restitution des Prädikanten Haderdey entschieden hatte, allerdings wenig konsequent und ohne entscheidendes Ergebnis, um Hilfe bei Kaiser Rudolf II.346 Die Absicht, seine Angelegenheiten vor den Kaiser zu bringen, äußerte der Rat erstmals 1604 N o v e m b e r 4 gegenüber den burgauischen Oberbeamten. 3 4 7 Ein derartiges Schreiben scheint dem Kaiser auch zugegangen zu sein: Dezember 3 forderte dieser von Erzherzog Maximilian eine Stellungnahme zu den Vorgängen in Lützelburg, 3 4 8 die dieser wenig später mit der
Bitte, die clagende Augspurger von Irem vnzeitigen Lamentiern ab- vnd diß orths zu Rhue zuweisen, übersandte. 3 4 9 Während eine Entscheidung des Kaisers auf sich warten ließ, ersuchte Augsburg in mehreren Schreiben gegenüber der burgauischen Seite um Stillstand mit der Einsetzung eines katholischen Geistlichen bis zu dieser kaiserlichen Resolution. 350 Als Erzherzog Maximilian aber den geforderten Stillstand schließlich bewilligte, 351 wurde ein entsprechendes Bemühen beim Kaiser 1605 Juli 23 eingestellt. 352 Noch einmal, 1606 Januar 19, wandte sich der Geheime Rat der Stadt an den Kaiser mit einem Memorial wegen Restitution des ausgeschafften Prädikanten und Erhalt des Patronatsrechtes. 3 5 3 Zu einem weiteren Kontakt mit dem Kaiser scheint es indes trotz der diesbezüglichen Aufforderungen der evangelischen Lützelburger 3 5 4 nicht mehr g e k o m m e n , eine Resolution des Kaisers nie ergangen zu sein. (5) Hingegen nur als mögliche Unterstützung werden in einigen Schreiben Schwäbischer Reichskreis 3 5 5 und protestantische Reichsstände genannt. Tatsäch346
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Zur konfessionellen Politik Rudolfs Lanzinner, Zeitalter, S. 179-182; Evans, Rudolf II., S. 62-82. StaAA, HA, III, 31, Nr. 136, 1604 November 4. TLA, GR, A/E (Einlaufjournal), 1604 Dezember 3. TLA, GR, K/A, 1604 Dezember 18. StaAA, HA, III, 31, Nr. 151, 1605 Juli 18 (an Erzherzog); Nr. 152, 1605 Juli 19 (an Landammann); Nr. 153, 1605 Juli 19 (an Bischof). StaAA, HA, III, 31, Nr. 157, 1605 Juli 21. StaAA, HA, III, 31, Nr. 163, 1605 Juli 23, Geheimer Rat an Dr. Gabriel Pichler in Prag. StaAA, HA, III, 31, Nr. 205, 1606 Januar 19. 1606 März 4 (StaAA, HA, III, 31, Nr. 213) berichtete Dr. Pichler aus Prag, das Augsburger Gesuch um Restitution des Prädikanten sei im Geheimen Rat des Kaisers verhandelt worden, ein weiteres Schreiben der Stadt sei allerdings notwendig. 1606 März 20 (StaAA, HA, III, 31, Nr. 218) mahnte er nochmals Instruktionen des Rates an. Kap. Β. I. 1. Anm. 305. Zum Schwäbischen Reichskreis Laufs, Kreis; Dotzauer, Reichskreise, S. 142-147; sowie zur Verfassung (besonders zur Kreisverfassung von 1563) und Funktion des Kreises Bader, Kreis, S. 9-24. - Die österreichischen Vorlande gehörten dem Österreichischen Reichskreis
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lieh wurden diese Institutionen mit den Auseinandersetzungen in Lützelburg nicht befaßt. Doch rechneten schon 1577 August 2 Landvogt und Rentmeister nach ihrem Eingriff in Lützelburg damit, daß die von Augspurg gewißlich nit feiren, sonder den Krayß darüber anriefen,356 Der Besorgnis der österreichischen Seite vor unkalkulierbaren Ausweitungen des Konfliktes etwa durch Verhandlungen im Reichskreis korrespondierte die Bereitschaft Augsburgs, damit zu drohen.357 Augsburg machte solche Drohungen jedoch niemals wahr.358 Aussicht auf Erfolg hätte die Stadt damit wohl auch kaum gehabt. Denn zum einen war das Verhältnis Augsburgs zum Kreis zeitweise gespannt und grundsätzlich nicht unbelastet,359 zum anderen war der Kreis prinzipiell bemüht, sich „vor rechtlich wirksamen Entscheidungen gegen die eine oder andere Konfession" zu hüten.360 Österreich nahm derartige Warnungen aber durchaus ernst und prüfte sie auf ihre politische Substanz: Als die Räte der Stadt nach erfolgter Ausschaffung des Prädikanten Haderdey gegenüber der österreichischen Seite der anrainenden Chur-, Fürsten vnnd Stennd des Reichs vnd dahero besorgennder consequenz halber einige Andeutungen machten, ersuchte die Regierung die burgauischen Beamten um ihren Bericht, ob vnd was auch [...] diß für benachberte Lutterische oder andere Sectische Churfürsten vnnd Stennd, so Ir obacht auf disen Lüzlburgischen faal also halten, seyen vnnd was für nachteilige consequenz daraus eruolgen möchte.361 In einiger Nähe, wenn auch nicht in unmittelbarer Nachbarschaft zur Reichsstadt befand sich als protestantischer Reichsstand von Bedeutung allenfalls Pfalz-Neuburg.362 Eine Kooperation dieser beiden Stände fand aber tatsächlich nicht statt. Überhaupt suchte die Reichsstadt nicht die Unterstützung der
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an. Innerhalb des Schwäbischen Reichskreises konnte es also nicht zu einem Zusammentreffen der Kontrahenten kommen. Bedeutendster protestantischer Stand des Schwäbischen Kreises und gleichzeitig neben dem Bischof von Konstanz kreisausschreibender Fürst war der Herzog von Württemberg. Die Kooperation mit ihm besaß schon aus geographischen Gründen wesentlich größere Bedeutung für die Reichsstadt Ulm als für das bikonfessionelle Augsburg (Jäger, Kreis, S. 286f. und 309-315). TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1577 August 2. Z.B. StaAA, HA, III, 31, Nr. 307, 1607 Oktober 11: Der Rat der Stadt ersucht um Einstellung der Eingriffe des Oberamts Günzburg in die Jurisdiktion des Spitals in Lützelburg und gegen die Untertanen, besonders des Vorgehens gegen Hans Mayr. Ferner wird um Stellung der Landvogtknechte, die ihn verhaftet haben, nachgesucht. Sonst wolle man beim Schwäbischen Kreis Beschwerde führen. Lediglich nahmen die Augsburger Abgeordneten zu Beginn des Jahres 1606 bei Gelegenheit eines Ulmer Kreistages in Ulm Kontakt zu den anwesenden kaiserlichen Kommissaren auf, um über die Lützelburger Angelegenheit zu sprechen: „allein die verhoffte Würckung bliebe aus" (Stetten, Geschichte, S. 785). Zur Entfremdung zwischen Augsburg und Ulm wegen der Augsburger Benennung eines Katholiken als Kreiskriegsrat im Jahr 1584 Laufs, Kreis, S. 401-406; Jäger, Kreis, S. 292309, bes. 304; Specker, Tagungsort, S. 194f. Jäger, Kreis, S. 288. StAA, VÖ, Lit. 652, 1604 Juni 5. Nadwornicek, Pfalz-Neuburg.
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Lützelburg
protestantischen Reichsstände, wie das die evangelischen Untertanen von Lützelburg gefordert hatten.363 Mit Ausnahme eines Geplänkels um die Schlüssel zum Lützelburger Pfarrhof 6 4 und der kurzzeitigen Inhaftierung des bei der Verhaftung des Lützelburgers Hans Mayr beteiligten burgauischen Landvogtknechtes 365 kann zusammenfassend die Politik der Reichsstadt als ausgesprochen defensiv und pragmatisch bezeichnet werden. Rechtliche und vertragliche Optionen dominierten ihr Handeln. Konfessionell polarisierende Koalitionen (z.B. mit den protestantischen Reichsständen) wurden vermieden, konfessionell ausgleichende (z.B. mit Bayern bzw. dem Landsberger Bund und dem Bischof bzw. dem Insassenausschuß der Markgrafschaft) dagegen gesucht. Jeder Eindruck grundsätzlicher konfessioneller Antagonie wurde auf diese Weise vermieden. 366
1.8
Die österreichische Politik
1.8.1
Ziele konfessioneller Politik in Lützelburg
Die Amalgamierung konfessioneller Ziele und landeshoheitlicher Ansprüche im Falle Lützelburgs macht eine Differenzierung der Intentionen österreichischer Politik nicht unproblematisch. Dennoch sprechen eine Reihe von Indizien in beiden Phasen der Auseinandersetzung für ein Dominieren konfessionell-religiöser Intentionen vor politischen Zielen. Von Anfang an sind Befehle und Gutachten der österreichischen Seite von Formulierungen durchzogen, welche die religiösen Motive der Rekatholisierungspolitik zum Ausdruck bringen. Die menschliche Rücksichtnahme der burgauischen Beamten auf den alternden Prädikanten, der bis zu seinem Tod in Lützelburg bleiben zu dürfen bat, sei nicht zu entschuldigen, weil dadurch gleichzeitig vielen Armen vnderthonen die Aussicht auf das Seelenheil genommen worden sei.367 Ähnlich klagte auch Erzherzog Maximilian 30 Jahre später, das Zuwarten mit der Ausschaffung des lutherischen Prädikanten habe zu vnwiderbringlichem verlust viler lieber seelen gefuhrt. 368 Um dies für die Zukunft zu vermeiden, er363
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StaAA, HA, III, 31, Nr. 229, 1607 März 4, und Nr. 277, 1607 Juli 17. - Warmbrunn, Konfessionen, S. 152, sieht im Widerstreben des mehrheitlich katholischen Rates gegen die Versuche, „die Reichsstadt ins Lager der protestantischen Stände hinüberzuziehen", eine Konstante der Augsburger Ratspolitik. Vgl. Kap. Β. I. 1.7.2. Kap. Β. I. 1. Anm. 194. Warmbrunn, Konfessionen, S. 152. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1573 September 2, oberösterreichische Regierung an Erzherzog. Vgl. die Formulierungen TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1577 November 26, 1578 Oktober 6 und 1578 Oktober 29. TLA, GR, K/A, 1603 April 21.
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Fallstudien
ging Befehl an die burgauischen Beamten, daß Ir alles ernnsts vnd fleißes darob sein sollet, damit die Catholische Religion zu besagtem Lüzelburg gahanndthabt vndfortgesezt werde. Alß ist hiemit [...] vnnser beuelch an Euch, das Ir [...] angedeüte Catholische Religion alles angelegnen fleiß vnd mit ernst hanndhabet vnd an müglicher befürderung nichts an Euch erwinden lasset, auf daß dieselbige aldorten zu Lüzelburg vngeendert erhalten, fortgepflanzt, ain stetter Catholischer Priester hierzue bestelt vnd daß weitter verderben der lieben Selen daselbst nit mehr zuegesehen noch gestattet werde?69 Den religiösen Intentionen korrespondiert dabei die österreichische Sichtweise der Lützelburger Untertanen als vbeluerfüerte Seelen370 oder Armes Völckhlen.371 Als Österreich sich 1578 im Münchener Vertrag zum Kompromiß mit der Reichsstadt Augsburg bereitfand, geschah dies ausdrücklich in der Hoffnung, es möchte mittler Zeit die wahr, alt, Catholisch Religion wider nach vnd nach, ye Lenger Je mer, daselbsten eingefüerth, Die ander ettlicher massen außgereittet vnd also durch diß mittell mer dann durch das Recht erhalten werden?11 Darin äußert sich die Erwartung, die katholische Religion möge sich aus inhaltlichen Gründen mehr denn aus politischen behaupten und an Zuspruch in der Bevölkerung gewinnen. Für den Fall, daß die katholische Bevölkerung der lutherischen einmal zahlenmäßig gleichkommen oder sie übertreffen sollte, sieht der Münchener Vertrag vor, das alsßdann die von Augspurg schuldig sein sollen, ainen aigenen qualificierten Catholischen Priester in berüertem Fleckhen Lüzlburg zuhaben vnnd denselben mit aigner wesenlicher wohnung, sambt raichung notturfftiger gebürender vnndterhalltung zuuersehen. Gleichwohl erfüllte sich diese Hoffnung nicht. Neben dem Auftrag, genaue Informationen zu übermitteln, ob Augsburg seinen Verpflichtungen aus dem Münchener Vertrag nachgekommen sei, wurden die burgauischen Beamten bei Wiederaufnahme des Konfliktes um Auskunft gebeten, wieuil an Iezo zu Luzelburg der Catholischen vnderthonen vnd hingegen in was für anzal der Sectischen Seyen?73 Die katholische Bevölkerung hatte während der vergangenen 25 Jahre kaum zugenommen, Nit mehr dann drey par Eheleith befanden sich 1604 in Lützelburg.374 In dieser Situation suchte Erzherzog Maximilian, und zwar in Kooperation mit dem Ordinarius, nach Wegen, die Lage der katholischen Seite in Lützelburg nachhaltig zu verbessern. Die Vorstellungen Maximilians - neben der er-
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StAA, VÖ, Lit. 652, 1604 Oktober 16. TLA, GR, K/A, 1603 April 21, Erzherzog Maximilian an Bischof Heinrich. TLA, GR, K/A, 1603 April 21, Erzherzog Maximilian an Stadtpfleger und Rat von Augsburg. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1578 Oktober 6, österreichische Verhandlungsdelegation an Erzherzog Ferdinand. StAA, VÖ, Lit. 652, 1603 Juli 29. TLA, GR, K/A, 1604 Mai 24, Erzherzog Maximilian an Beamte in Burgau. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses waren es nit mher dann zwen Catholische vnnderthanen (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1578 Oktober 29).
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folgten Ausschaffung des Prädikanten Anordnung zum Besuch des katholischen Gottesdienstes und Verbot des Auslaufens - entsprachen dabei ganz den Vorschlägen Bischof Heinrichs, waren seiner selbs anuor geschepffter Intention gemeß. Erzherzog Maximilian wies dabei darauf hin, daß zu anfang diser hailsamen
renouation das maiste an ainem gelerten, eifrigen vnd Exemplarischen Seelsorger vnd Pfarrer gelegen, den der Bischof dorthin verordnen möge. 375 Die erwähnten religiösen Motive müßten noch nicht für ihre Prädominanz vor politischen Zielen sprechen. Nachdem aber in Lützelburg durch eine Reihe von Befehlen, 376 Verordnungen und Strafmaßnahmen gegen widerspenstige Untertanen eine äußere Stabilisierung der religiösen Verhältnisse im Sinne Österreichs eingetreten war und Landvogt Ulrich von Stotzingen 1608 Juli 1 mitgeteilt hatte, alle Untertanen hätten sich der katholischen Religion zugewandt, 377 endete mit der Anordnung Erzherzog Maximilians, der Landvogt solle, demnach sich aber Zweifls ohne noch allerhandt widerigs eraigen möchte, weiterhin sein Augenmerk auf die Vorgänge richten, 378 das - archivalisch nachweisbare - religiöse Engagement der Markgrafschaft bzw. Österreichs in Lützelburg abrupt. Schon die Formulierung Erzherzog Maximilians, im Falle sich widerigs eraigen möchte, macht den von Anfang an eher reaktiven Charakter der österreichischen Politik in Lützelburg deutlich. Erstes Ziel war es, die katholische Religion in Lützelburg wieder einzuführen. Hebelpunkt dafür waren landesherrliche Ansprüche. Daß mit der Erreichung des religiösen Zieles aber keine Anstalten zu einer Fortsetzung der Politik im Sinne einer Konfessionalisierung gemacht wurden, sondern die obrigkeitliche Ordnung religiösen Lebens dem Engagement des Ortsbischofs 379 bzw. seiner Geistlichen und des Ortsherrn 380 überlassen blieb,
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TLA, GR, K/A, 1604 Mai 24, Erzherzog Maximilian an Bischof Heinrich. Noch vor erfolgter Ausschaffung des Prädikanten Haderdey ersuchte Erzherzog Maximilian Bischof Heinrich, daß wie von alters heer ain Catholischer vnd zwar also qualißcierter Priester besteh werde, der nit allain mit vnd durch ain Erbaren, Gottseeligen, Priesterlichen Wanndl vnd leben, sonnder auch guete erfahrung, schicklichait vnd eiferigem lnprunst die laider alberait vbeluerfüerte Seelen widerumb zur waren, allain Seeligmachenden Religion, altem gebrauch vnd weeg fueren khünde dort eingesetzt werde (TLA, GR, K/A, 1603 April 21, Erzherzog an Bischof Heinrich). In diesen Zusammenhang gehört auch die Anordnung, die burgauischen Amtleute sollen zway Crucifix an bewisten orten vnnden vnnd oben des dorfs Lüzelburg fiirderlich nach altem brauch wider aufrichten und Erkundigungen einziehen, auß was vrsachen dieselbe anuor also in abganng khommen (TLA, GR, K/A, 1603 November 18; vgl. StAA, VÖ, Lit. 652, 1603 November 23). Sachlich handelt es sich um einen Beitrag zur (Re-)Sakralisierung des Dorfes. TLA, GR, A/E (Einlaufjournal), 1608 Juli 1. TLA, GR, K/A, 1608 August 30, Erzherzog Maximilian an Landvogt. Spindler, Heinrich V. Reformarbeit, S. 72, erwähnt bereits für 1606 und 1607 in Lützelburg eine Mission der Jesuiten in bischöflichem Auftrag, nennt aber keine Quelle. Die Information kann aus den hier konsultierten Archivalien nicht bestätigt werden. Vgl. die Korrespondenz des Lützelburger Pfarrers Kleophas Miller mit dem Spitalmeister über den verweigerten Gottesdienstbesuch und Sakramentenempfang und die mangelnde
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Fallstudien
zeigt, daß die österreichische Seite aufgrund der gegebenen Verteilung der Herrschaftsrechte im Dorf keine weitergehenden Möglichkeiten zu einer konsequenten Konfessionalisierungspolitik sah - zu Recht, denn über eine punktuelle Interventionspolitik hinaus zu einer Politik der Gestaltung unter gleichzeitiger Festigung und Ausweitung landesherrlicher Kompetenzen foranzuschreiten hätte wohl die Solidarität des Bischofs auf eine gefährliche Probe gestellt, die Insassen der Markgrafschaft auf den Plan gerufen und die Erfolge der Rekatholisierung in Frage gestellt.
1.8.2
Zwischen Insassen und Reich: Bedingungen politischen Handelns
Mit den Insassen der Markgrafschaft Burgau ist schon eine der Bedingungen genannt, unter denen die österreichische Politik zu agieren hatte. Im zeitlichen Zusammenhang mit den vor kaiserlichen Kommissaren bzw. deren subdelegierten Räten gehaltenen Verhandlungen von Insassen und Markgrafschaft Burgau in Donauwörth (1576) stand die Einrichtung eines Großen Ausschusses ebenfalls im Jahre 1576. Diesem ,Ausschuß' konnten alle Insassen und Begüterten angehören. Das machte ihn zwar in seinen Entscheidungen schwerfälliger als den Engeren Ausschuß, doch trat für Österreich in der weiteren organisatorischen und institutionellen Formierung der Insassen - über ihre vorübergehene Handlungs- oder Verhandlungsgemeinschaft in Donauwörth hinaus - ein potentieller Machtfaktor gerade zu der Zeit in Erscheinung, als es sich zur Rekatholisierung Lützelburgs anschickte.381 Tatsächlich aber machte der Große Ausschuß der Insassen im Falle Lützelburgs nie, der Engere Ausschuß nur einmal, 1607, mit einem Schreiben an die Oberbeamten in Günzburg auf sich aufmerksam. 382 Die Rolle des Insassenausschusses in der Auseinandersetzung kann damit als marginal beschrieben werden. Die österreichische Politik in Lützelburg hatte aber auch Rücksichten zu nehmen auf jeweilige Entwicklungen der Reichspolitik. Komplizierend trat die familiäre Doppelfunktion Habsburgs hinzu: Der Erhalt der eigenen Glaubwürdigkeit und Autorität, aber auch politische Zwänge verwehrten dem Reichsoberhaupt die
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Ehrzuweisung an den Geistlichen (StaAA, HA, III, 31, Nr. 322, 1628 Juni 6, und Nr. 323, 1628 Juni 12). Bereits zu Beginn der Auseinandersetzung um Lützelburg wurde der Zusammenhang mit den Verhandlungen zu Donauwörth hergestellt und der Konflikt in den Kontext der Diskussion zwischen Insassen und Markgrafschaft um die Landeshoheit gestellt. Die geplante und bewilligte kaiserliche Kommission (die schließlich die Donauwörther Verhandlungen leitete) solle, so heißt es von Seiten der oberösterreichischen Regierung wie der Reichsstadt Augsburg (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1574 April 2 und 1574 Mai 11), durch eine Klärung in genere das Problem in specie lösen. Kap. Β. I. 1.7.2.
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offene Parteinahme für den Erzherzog als Markgrafen von Burgau und führten nicht selten ein retardierendes Moment in dessen Politik ein. Als 1576 zu Regensburg der noch von Kaiser Maximilian II. einberufene Reichstag abgehalten wurde (Juni 25 bis Oktober 12) und die protestantischen Reichsstände zeitweise die Abstellung ihrer Religionsbeschwerden zur Voraussetzung jeder Bewilligung von Türkenhilfe machten, 383 war Österreich bestrebt, keinen Anlaß zur Verschlechterung des konfessionellen und politischen Klimas zu geben. So riet die Regierung in Innsbruck 1576 Juli 14 Erzherzog Ferdinand,
mit der ausschaffung vilernents predicanten zu Lüzlburg diser Zeit vnnd biß nach Enndung des Reichstags ainen vnuergriffenlichen stills tanndt zehall ten Unter Ausnutzung derselben reichspolitischen Situation hatte Augsburg das 1576 Juli 23 erlassene und August 12 insinuierte Mandatum de non offendendo am Reichskammergericht erwirkt. So nimmt es nicht wunder, daß der österreichische Eingriff in Lützelburg erst ein Jahr später, 1577 August 1, erfolgte. Nicht zuletzt waren es also die politischen Konstellationen im Reich, die in der ersten Phase der Auseinandersetzung Österreich auf Maximalforderungen verzichten und zur Kompromißlösung des Münchener Vertrages von 1578 Oktober 11 bereitfinden ließen. 385 Wenngleich umstritten, ob Österreich überhaupt vor das Reichskammergericht gezogen werden könne, galt die Aussicht, in einen Prozeß verwickelt zu werden, in der ersten Phase der Auseinandersetzung dennoch als beunruhigend. So gab die oberösterreichische Regierung gegen eine Ausschaffung des nunmehr neuen Prädikanten in Lützelburg kritisch zu bedenken, Augsburg würde den negsten wide-
rumben Proceß am Kayserlichen Camergericht wider E.D. vnnd die Ambtleiit außziehen,386 In der zweiten Phase der Auseinandersetzung nach 1603 wurde das Reichskammergericht dagegen als beachtenswerter Faktor österreichischer Politik überhaupt nicht mehr in Erwägung gezogen: Als 1607 ein Kammergerichtsbote mit zwei von den Augsburger Spitalpflegern erwirkten Pönalmandaten bei der
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Rabe, Geschichte, S. 536-538; Lanzinner, Zeitalter, S. 65f.; ausführlich ders., Friedenssicherung, S. 474-509. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1576 Juli 14. Ein weiteres Mal führte eine Reichsversammlung 1578, allerdings aus organisatorischen, nicht politischen Gründen, zu einer Verschiebung, nämlich der für Pfingsten geplanten Versammlung der Einigungsstände des Landsbergischen Schirmvereins zu München. Wegen eines vom Kaiser nach Ostern nach Worms einberufenen Deputationstages und weil die Mituerainigten Churfursten, deputierte Fürsten vnnd Stennd, alls Trier, Wurzburg vnnd Nürnberg zu den Pundtstagen gemainigelich die Ihenige Rath vnnd Gesanndte ordnen, welche Sy sonnst auch zu den Reichshanndlungen vnnd legen gebrauchen, ersuchte Herzog Albrecht um die Verschiebung des Termins und einen einstweiligen Stillstand (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1578 März 29), den Erzherzog Ferdinand auch bewilligte (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1578 April 8). TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1577 Juni 22.
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oberösterreichischen Regierung vorsprach, wurde ihm bey hocher straff befohlen, sie wieder zurückzutragen.387 Die jetzt aber von der Reichsstadt an den Kaiser gerichteten Klagschriften konnten von diesem nicht ignoriert werden und führten zwar nicht zu Änderungen, aber doch Verzögerungen in der Politik der Markgrafschaft: Zu kaiserlichen Anfragen mußten Stellungnahmen verfaßt werden,388 und kaiserliche Resolutionen mußten abgewartet werden, ehe die Handlungen ihren Fortgang nehmen konnten.389 Wenn auch im Falle Lützelburgs nie eine kaiserliche Resolution erging, bedeutete doch die Involvierung des Reichsoberhauptes für die österreichische Seite eine gefährliche Weiterung der Angelegenheiten, die es zu vermeiden galt.390 Ob und inwieweit die Erzherzöge Ferdinand und Maximilian bzw. deren Berater und Verwaltung dabei die konfessionelle Einstellung Kaiser Maximilians II. (1564-1576) und Rudolfs II. (1576-1612) in ihre Überlegungen einbezogen, ob etwa die Sympathie Kaiser Maximilians für lutherische Auffassungen391 zur Verzögerung der Ausschaffung des Prädikanten Mayr bis 1577 beitrug und andererseits die „Handlungsschwäche" Kaiser Rudolfs392 Erzherzog Maximilian zur konsequenten Rekatholisierung Lützelburgs mitveranlaßte, läßt sich aus den Quellen zwar nicht eindeutig klären, doch besitzt die Annahme historische Plausibilität.
1.8.3
Kooperation zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt
Stellten auf der einen Seite die reichspolitischen Rahmenbedingungen stets neu zu kalkulierende Faktoren österreichischer Politik gegenüber der Reichsstadt Augsburg dar, eröffnete sich andererseits in der Kooperation mit der geistlichen Ge387 388 389
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TLA, GR, K/A, 1607 Dezember 15. Z.B. TLA, GR, K/A, 1604 Dezember 18, Erzherzog Maximilian an Kaiser. So ersuchte Augsburg nach Protest gegen die Einsetzung eines katholischen Priesters zu Lützelburg in Schreiben an Erzherzog Maximilian, burgauischen Landammann und Bischof Heinrich von 1605 Juli 18 und 19 (StaAA, HA, III, 31, Nr. 151-153) um einen Stillstand der Maßnahmen bis zu einer kaiserlichen Resolution. TLA, GR, K/A, 1605 Juli 23: Erzherzog Maximilian erteilte den burgauischen Beamten die Rüge, sie hätten seinen Befehl zur Ausschaffung der Prädikantengattin aus dem Lützelburger Pfarrhof zu spät und zur vnzeit, außerdem nur durch Beauftragte (Landammann und Sequester von Haldenwang) und obendrein über die Anordnungen hinaus ausgeführt (mit betroung und attentatä). Daraus sei schon jetzt gefährliche Weiterung entstanden, denn die Augsburger hätten mittlerweile ein Klageschreiben nicht nur an ihn, sondern auch an Bischof und Kaiser geschickt. Er forderte sie zur Stellungnahme und zum einstweiligen Stillstand der Maßnahmen auf. Vielleicht deutete die Nennung des Bischofs, der ja auch Vorsitzender des Engeren Insassenausschusses war, in diesem Zusammenhang auf eine gewisse Sorge vor einer Solidarisierung der Insassen hin. Zusammenfassend Rabe, Geschichte, S. 493f., der die religiösen Überzeugungen Kaiser Maximilians II. aus einem „sozusagen vorkonfessionellen Christentum humanistischer Färbung" begründet sieht. Vgl. Bibl, Frage; Bibl, Maximilian II., S. 69-105; Lanzinner, Zeitalter, S. 52f. Rabe, Geschichte, S. 605; vgl. Lanzinner, Zeitalter, S. 179; Evans, Rudolf II., S. 37-61.
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wait des Ortsbischofs, Heinrich von Knöringen, 393 in der zweiten Phase der Auseinandersetzungen die Gelegenheit zu wirkungsvollerem Vorgehen in Lützelburg, während in den Jahren 1562 bis 1578, der ersten Phase des Konfliktes, weder von Seiten Österreichs, noch von Seiten der insgesamt drei Bischöfe, die in diesem Zeitraum regierten, Kardinal Otto Truchseß von Waldburg (1543-1573), Johann Eglof von Knöringen (1573-1575) und Marquard vom Berg (1575-1591), Schritte zu einer engeren Kooperation unternommen wurden, 394 die sich archivalisch feststellen ließen. 395 Noch vor der erfolgten Ausschaffung des Prädikanten Haderdey teilte Erzherzog Maximilian im Schreiben von 1603 April 21 Bischof Heinrich seine Pläne mit und ersuchte ihn, daß wie von alters heer ain Catholischer vnd zwar also qualificierter Priester bestelt werde, der nit allain mit vnd durch ain Erbaren, Gottseeligen, Priesterlichen Wanndl vnd leben, sonnder auch guete erfahrung, schicklichait vnd eiferigem Inprunst die laider alberait vbeluerföerte Seelen widerumb zur waren, allain Seeligmachenden Religion, altem gebrauch vnd weeg füeren khünde,396 Mit dem Bischof wußte sich Maximilian in der Wahl der Mittel, Lützelburg zur katholischen Religion zurückzufuhren, einig: Den Bewohnern sollte die besuechung deren hinfüro daselbs haltenden, allein seeligmachenden Catholischen Gottsdiensten bey vnnachlessiger straff auferlegt vnd anders außlauffen an Sectische ort genzlich eingestelt werden. Nochmals forderte er den Bischof auf, einen moralisch und intellektuell geeigneten Priester nach Lützelburg zu verordnen, da zu anfang diser hailsamen renouation das maiste an ainem gelegen, eifrigen vnd Exemplarischen Seelsorger vnd Pfarrer gelegen sei.397 Ein solcher dürfte zunächst in der Person des bischöflichen Sieglers und nachmaligen Pönitentiars Michael Schmidtner 398 gefunden worden sein, der im ersten Halbjahr 1605 von Augsburg aus die Pfarrei excurrendo versah. Ihm folgte für kurze Zeit der spätere Pfarrer von Gabiingen, Michael Rueff, 399 ehe 1605 Septem393
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Braun, Bischöfe, Bd. 4, S. 77-292; Spindler, Heinrich V. Reformarbeit; Spindler, Heinrich V. kirchenpolitische Tätigkeit; Zoepfl, Heinrich; Bucher, Informativprozeß; Rummel, Lage; ders., Diözesansynoden, darin S. 46-52; ders., Heinrich V.; ders., Bischöfe, darin S. 28-30; Seiler, Domkapitel, S. 490-496; LThK Bd. VI, S. 360. Der Jurist Marquard vom Berg konnte gewiß kein der Rechtsstellung des Hochstiftes bzw. der burgauischen Insassen abträgliches Präjudiz darin erkennen, wenn Lützelburg durch einen katholischen Priester excurrendo versehen wurde. Man wird hier aber noch nicht von Kooperation sprechen können. - Grundlegend zu allen drei Bischöfen die materialreiche und detaillierte Darstellung von Zoepfl, Bischöfe (darin zu Kardinal Otto S. 173-463, zu Johann Eglof S. 465-559, zu Marquard S. 561-695). Die biographisch ausgerichtete Literatur bis Friedrich Zoepfl ist zusammengestellt in May, Bischöfe, S. 249-261. Die für die bischöfliche Seite einschlägigen Bestände aus der Provenienz des Ordinariates im ABA sind kriegsbedingten Zerstörungen zum Opfer gefallen. TLA, GR, K/A, 1603 April 21. TLA, GR, K/A, 1604 Mai 24. Zu ihm Zoepfl, Bischöfe, S. 749. Vgl. den Eintrag ins Siegelamtsregister für 1605 (zitiert nach M. Wiedemann, GeneralSchematismus, 935): In der Litzeiburgischen Pfarrverwaltung hab ich. Siegler, alß ich die
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ber 26 Domvikar Georg Schöffel, ein frembder vnd eingezogner Prießter,400 durch die Spitalpfleger präsentiert wurde. Als Inhaber des Ius praesentandi suchten sie bei Domdekan Hieronymus Stor von Ostrach401 für ihn um Institution per annuam commissionem nach.402 Den Klagen und Warnungen der Stadt, die Einführung eines katholischen Geistlichen sei letztlich fur die rechtliche Stellung aller Insassen gegenüber der Markgrafschaft von nachteiliger Konsequenz, 403 schenkte Bischof Heinrich auch als Vorsitzender des Engeren Ausschusses kein Gehör und stützte von dieser Seite die Maßnahmen Erzherzog Maximilians als Landesherr. 404 Lediglich mit einem Schreiben an die burgauischen Beamten, nicht an den Erzherzog, protestierte der Engere Insassenausschuß gegen den burgauischen Eingriff in spitalische Gerechtsame bei der Inhaftierung des Lützelburgers Hans Mayr.405 Von bischöflicher Seite wurde der konfessionellen Veränderung und Rekatholisierung Lützelburgs größere Bedeutung beigemessen als für den insassischen Rechtsstatus möglicherweise abträglichen Konsequenzen - die tatsächlich ja auch nicht eintraten. Gerade aus diesem Grunde, da auf Seiten Österreichs wie auch des Augsburger Bischofs konfessionelle bzw. religiöse Motive das Handeln dominierten, war die Kooperation zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt über den juristischen bzw. politischen Dissens hinweg leichter möglich und erfolgreich. Daß solche Kooperation auch zwischen den Exponenten der geistlichen und weltlichen Gewalt vor Ort erfolgreich war, hatte der Fall des Georg Wieland ge-
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pfärrliche Recht daselbsten vom 1. January bis 10. July diß Jahrs Ann Sontägen und Feyrtäg versechen, beim Würdt verzert: thuet 29 fl. 49 kr. Item Roßlohn dise Zeit 31 mahl, yedes mahl 20 kr.: thuet 9 fl. 20 kr.: thuet in Summa dise 7 Monat Zehrung 39 fl. 9 kr. - Item so hat herr Michael Rueff, yeziger Pfarrer zue Gabiingen, vom 16. July biß 2. Octobris, alß er zu Litzeiburg die Pfarr versehen, vermög seiner damahlen herrn Vicario übergebenen Rechnung verzehrt: thuet 59 fl. 15 kr. Ein späterer Extrakt aus Besetzungsurkunden der Pfarrei Lützelburg (StaAA, HA, IV, 34, Nr. 7) hält fest, Michael Schmidtner habe seine Aufgabe quasi gratis erfüllt. ABA, GVPr 1,310; DWB Bd. III, S. 192, umschreibt „eingezogen" mit „zurüchgezogen". Zu ihm Zoepfl, Bischöfe, S. 660 und 748. StaAA, HA, III, 34, Nr. 5. StaAA, HA, III, 31: Nr. 138, 1605 Februar 19; Nr. 236, 1607 März 31; Nr. 251, 1607 Mai 5; Nr. 270, 1607 Juni 2. Im Schreiben von 1607 April 24 (StaAA, HA, III, 31, Nr. 245, an Bürgermeister und Rat von Augsburg) weisen bischöfliche Räte und Statthalter zu Dillingen die gegen den Bischof und seine Regierung erhobenen Vorwürfe, sie seien die Anstifter der Religionsveränderung in Lützelburg, zurück. Mit der Einsetzung eines katholischen Geistlichen hätten sie ihrer pastoralen Pflicht genügt und damit zwar dem Wunsch Erzherzog Maximilians entsprochen, vom Problem der Landeshoheit in Lützelburg hätten sie dabei aber abgesehen. Nichtsdestotrotz impliziert freilich diese Neutralität' faktisch die Anerkennung des österreichischen Ius reformandi in Lützelburg. StaAA, HA, III, 31, Nr. 300, 1607 September 18. Das in Kopie vorhandene Schreiben gibt als Abfassungsort Augspurg an. Es ist nicht persönlich, etwa vom Bischof als Ausschußvorsitzendem, unterzeichnet. Als Verfasser firmieren vielmehr der Marggrafschafft Burgaw Inseßen verordnete zuem Engen vsschuß.
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Lützelburg
zeigt: 406 Nach Ansicht des Lützelburgers handelte es sich bei dem gegen ihn erhobenen Vorwurf, er habe die burgauischen Amtleute an ehm geschmecht vnd Inen
ehrnverletzliche wort nachgeredt, um ein vorgeben. Die von ihm bestrittenen Verbalinjurien hätten also einen Vorwand für die angedrohte Verhaftung abgegeben, deren tatsächlicher Grund in seiner konfessionellen Widersetzlichkeit zu sehen sei. Denn der katholische Ortsgeistliche erbot sich, disen Handel bey den
Burgawischen amptleuthen selbs allerdings stillen vnd richtig machen zu wollen und die drohende Inhaftierung abzuwenden, wenn Georg Wieland sich zue seiner [sc. des Priesters] Religion Kehren würde. 407 Man mag die Konversion als Preis für die Verschonung vor berechtigter Strafe betrachten oder aber ein zu Unrecht unterstelltes Vergehen als Ansatzpunkt für das ,Angebot' der Konversion - in jedem Falle offenbart sich im gemeinsamen Auftritt von Landvogtknecht und katholischem Ortsgeistlichen im Hause Georg Wielands die enge Kooperation zwischen weltlicher und geistlicher Gewalt, welche die Grundlage war für eine letztlich erfolgreiche Rekatholisierung der Lützelburger. 408
1.8.4
Rolle und Bedeutung der österreichischen Verwaltung in Innsbruck und Günzburg
Voraussetzung für die Exekution von landesherrlicher Politik war unter den geographischen Bedingungen des habsburgischen Herrschaftsraumes die Einrichtung einer effizienten Verwaltung. An den Vorgängen in Lützelburg lassen sich die Rolle der oberösterreichischen Regierung wie auch der burgauischen Beamten und die signifikanten Tendenzen gut studieren. Ein strukturelles Grundproblem der Herrschaftsausübung stellte dabei für Vorderösterreich insgesamt die weite Entfernung zu Residenz und Regierung in Innsbruck dar, für SchwäbischÖsterreich, also auch die Markgrafschaft Burgau, zudem - bis zu den Verwaltungsreformen Maria Theresias (ab 1749) - das Fehlen einer mit zumindest weiterreichenden Entscheidungsbefugnissen ausgestatteten Mittelbehörde zwischen den Beamten der Markgrafschaft und in Innsbruck. 409 Erste Aufgabe der Regierung war es, in Gutachten für den Regenten und dessen Hofrat (unter Erzherzog Ferdinand) 410 bzw. Geheimen Rat (unter Erzherzog Maximilian) 4 " das Für und Wider anstehender Entscheidungen darzustellen und in der abschließenden Abwägung der Argumente einen Ratschlag zu erteilen. 406 407 408
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Kap. Β. I. 1. Anm. 190. StaAA, HA, III, 31, Nr. 241, 1607 April 18. Wie sich Georg Wieland selbst schließlich entschied und ob die Kooperation in seinem Fall erfolgreich verlief, ob er also konvertierte, ist allerdings nicht überliefert. Quarthai, Verwaltung. Hirn, Ferdinand II.; zum „Organismus der Behörden" Bd. 1, S. 461-479; ebenso (auch zum Geheimen Rat) die Einleitungen zu den einschlägigen Personalschematismen der oberösterreichischen Wesen (Kap. Β. I. 1. Anm. 122) und Wüst, Günzburg, S. 74-78, zur Innsbrucker Zentralverwaltung. Hirn, Maximilian, Bd. 2, S. 1-3; Noflatscher, Deutschmeister, bes. S. 112f.
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Fallstudien
Einer langfristig ausgreifenden Politik des Landesherrn stand dabei nicht selten die nüchterne Einzelfallanalyse der Regierung gegenüber. Die schließlichen Entscheidungen des Landesherrn kommunizierte die oberösterreichische Regierung den burgauischen Beamten, für welche sie selbst umgekehrt Adressat von Anfragen und Nachrichten war. Aus der zweiten Phase der Auseinandersetzung um Lützelburg sind Gutachten der Regierung für den Erzherzog bzw. seinen Geheimen Rat nicht überliefert. Lediglich Inhaltsangaben in den Einlaufjournalen geben über die Gutachtertätigkeit der Regierung Auskunft. Nur in einem Fall - einem Schreiben von 1604 September 3 - kann dabei auf die inhaltliche Position des Gutachtens geschlossen werden.412 Aus der Aufgabenstellung heraus verständliche Tendenz ist, daß die Regierungsräte wiederholt zu einer eher defensiven Politik rieten, zumindest aber die einer offensiven Politik entgegenstehenden Argumente deutlich artikulierten. Das zeigte sich schon zu Beginn des Konfliktes, als die Regierung ihrerseits Gutachten der burgauischen Beamten anforderte und dabei mehrfach zu bedenken gab, aufgrund der langen Ausübung der lutherischen Konfession in Lützelburg würde es bedennckhlichen fallen, Erst Yezt ain Enderung dargegen fürzunemen.m Auch riet sie 1576 im Zusammenhang mit dem Regensburger Reichstag, mit der Ausschaffung des Prädikanten zuzuwarten,414 ein Ratschlag, dem Erzherzog Ferdinand nachfolgte - im Gegensatz zur ein Jahr danach formulierten Mahnung, von der Ausschaffung Abstand zu nehmen, da sie eine neuerliche Klage am Reichs412
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TLA, GR, A/E (Einlaufjournal): - 1603 Juli 11: Guetbedunckhen, den Bischoffen vnd die Statt Augspurg wegen des Sectischen Predicanten zu Lizlburg. - 1603 Oktober 4: Gutbedunckhen wegen abschaffung des Lutherischen Predicanten zu Lizelburg vnd aufreitung der daselbst schwebenden sectischen, vnd dargegen Pflanzung Catholischer Religion, auch wider aufrichtung zwayer crucifix daselbst. - 1604 Mai 15: Guetbedunckhen, die Statt Augspurg wegen des Predicanten zw Lüzelburg, wie es hinfuro mit der Religion mechte gehalten werden. - 1604 Juni 5: Guetbedunckhen, der Statt Augspurg abgesandten, als Hannsen Lauginger vnd Doctor Veiten Praidtschwerdt, vbergebnen Memorial wegen des Predigeanten zu Lüzelburg. - 1604 September 3: Guetachten wegen beschehner abschaffung des Lutherischen Predicanten zu Lizlburg vnd warumb bej dem Minichnerischen vertrag zuuerbleiben rätlich, auch wasgestalt die Stat Augspurg hierinn zubeantworten sein mechte. - 1607 Juni 18: Guetbedunckhen wegen der Statt Augspurg ohngebürlichs annemmen des widumbs vnd abschaffung des Pfarrers zw Lüzlburg in Burgaw vnd was hingegen furzunemen sein möchte. - 1607 Dezember 3: Guetbedunckhen wegen Hannsen Mayrs Spittalischen Augspurgischen vnderthanen zu Lüzlburg beyfachung von den Landtuogt Khnechten. Warumben solliches nit wol mügen vmbgangen werden. Item was es mit dem Pfarrherrn daselbst, Georgen Schöffeis, für ain beschaffenheit. StAA, VÖ, Lit. 649, 1573 Juli 29. Vgl. StAA, VÖ, Lit. 649, 1573 Dezember 10. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1576 Juli 14.
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kammergericht zur Folge haben könnte.415 Nachdem die Ausschaffung des Prädikanten wenig später dennoch erfolgte (1577 August 1), erinnerte die oberösterreichische Regierung nochmals an ihr vorangegangenes Schreiben und ihre Befürchtungen und riet wiederum, den Fall nicht eskalieren zu lassen, sondern den Predicanten des verhaffts gegen erlegung vnnd bezalung des vber Ine auferloffnen vncostens vnnd Azung vnnd ainer verschribnen vrphed, das Er sich des Predigens alda zu Lüzlburg hinfüro enthalten wolte, zuerlassen.4'6 Man vermeint geradezu eine Mahnung der Regierung zu hören, wie gefahrlich und unklug es sein könne, ihren Ratschlägen nicht zu folgen, als sie mit Erleichterung konstatiert, Augsburg habe nach der Ausschaffung des Prädikanten 1577 nun doch den von ihr prophezeiten Prozeß am Reichskammergericht nicht angestrengt, aber beinahe rechthaberisch hinzusetzt, er wäre Inen sonnder Zweifl erkhenndt worden, man würde also die Klage am Reichskammergericht gewiß angenommen haben. Ein anderer Kelch sei gleichfalls an ihnen vorübergegangen, denn die Regierung hatte auch die Besorgnis geäußert, die Augsburger mechten mit den anndern verainigten Stennden, den Insassen vnnd begüetteten der Marggrafschafft Burgaw, [...] was fürnemen, daraus allerhanndt besorgeliche weitterung erfolgt were.4]1 In Fortsetzung dieser defensiven Politik erscheint es nur konsequent, daß die Regierung schließlich auch zur Annahme des Münchener Vertrages riet.418 Wenngleich aufgrund der fehlenden Überlieferung eine durchgehende Dokumentation nicht möglich ist, scheint sich diese Tendenz auch in der zweiten Phase der Auseinandersetzung unter der Herrschaft Erzherzog Maximilians fortzusetzen. Noch 1604, also bereits nach der erfolgten Ausschaffung eines zweiten Prädikanten aus Lützelburg, riet die Regierung bej dem Minichnerischen vertrag zuuerbleiben.m Indes scheint sich das Verhältnis zwischen den Behörden in Innsbruck und Günzburg bzw. die Rolle der burgauischen Beamten in dieser zweiten Phase geändert zu haben.420 Den ersten Auftritten der burgauischen Beamten in Lützelburg, um 1562 und dann 1573, waren keine unmittelbaren Befehle Erzherzog Ferdinands vorausgegangen, während 1603 die Initiative zur Wiederaufnahme des Konfliktes, auch zur Prüfung möglicher Vertragsverletzungen durch Augsburg, von Erzherzog Maximilian ausging. Die größere Selbständigkeit der burgauischen Beamten zeigte sich auch in der eigenverantwortlichen Wahl eines ihnen geeignet erscheinenden Zeitpunkts zur Ausführung von Befehlen. Der Anordnung Erzherzog Ferdinands an sie, das Ir vorgedachten liizlburgischen praedicanten lenger 415 4,6 417 418 419 420
TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1577 Juni 22. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1577 August 13. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1577 August 22. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1578 Oktober 29. TLA, GR, A/E (Einlaufjournal), 1604 September 3. Zur Verwaltung der Markgrafschaft Burgau selbst Wüst, Günzburg, S. 78f.
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Fallstudien
alda nit geduldet, sonder Ine sich von dannen In ainer benanten zeitt, die Ir Ime nach glegenhait aus Ewerm guettachten bestirnten sollt, wegkzubegeben, mit Ernst anhalttet,42' kamen sie erst zwei Jahre später - in einer reichspolitisch schwierigen Lage - nach.422 Innerhalb dieser zwei Jahre sind keine Ereignisse dokumentiert. Die Funktion der burgauischen Beamten bestand in dieser ersten Phase des Konfliktes nicht allein in der Exekution von Befehlen und der Formulierung von Gutachten. Vielmehr bezogen die Regierungsstellen in Innsbruck elementare Kenntnisse über den rechtlichen Status der Markgrafschaft Burgau, nämlich die Zugehörigkeit Lützelburgs zum burgauischen Hochgerichtsbezirk, aus den Mitteilungen von Landvogt und Rentmeister in Günzburg.423 In ihren Gutachten diskutierten die burgauischen Beamten mit einiger Unabhängigkeit - dabei mit großem Optimismus - die landeshoheitlichen Grundlagen für die Politik der Markgrafschaft in Lützelburg.424 Davon unterscheidet sich die von ihnen ausgefüllte oder besser: ihnen zugewiesene Rolle ab 1603 deutlich. Zum einen verdoppelte sich die Zahl und Dichte der schriftlichen Befehle aus Innsbruck.425 Gefordert wurden von der Regierung jetzt mehrheitlich Relationen, also Berichte über Ereignisse und Handlungen, weniger dagegen Gutachten.426 Auch die Ausführung von Befehlen war zeitlich und inhaltlich weniger dem Ermessen der burgauischen Beamten anheimgestellt als vormals. Die Befehle wurden konkreter und spezieller.427 Insgesamt kann von einer Straffling des Verwaltungszuges oder, anders gewendet, einer stärkeren Engführung der burgauischen Beamten gesprochen werden. Bei der Vermittlung und Ausführung von Befehlen entstanden jedoch nach wie vor, wenn auch mit abnehmender Tendenz, Fehler und Mängel in der Effizienz, die sich aus zeitlichen Verzögerungen und inhaltlichen Abweichungen ergaben: Konnte 1574 der Befehl zur Ausschaffung des Prädikanten noch zwei Jahre unerledigt bleiben, genügte 1605 eine Verzögerung von sechs Monaten bei der Ausschaffung der Prädikantengattin für eine Rüge Erzherzog Maximilians an die 421 422 423 424 425
426
427
TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1574 Juni 28. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1576 Juni 30. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1573 September 2. Z.B. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1573 September 10 und 1574 Februar 11. Grundlage der Auszählung sind die im Briefauslaufregister der oberösterreichischen Regierung hinsichtlich Burgaus (StAA, VÖ, Lit.) festgehaltenen Schreiben. In den fünf Jahren zwischen 1573 und 1578 ergingen fünf (1573: 2, 1578: 3), in den vier Jahren zwischen 1603 und 1607 ergingen elf (1603: 3, 1604: 6, 1605: 1, 1607: 1) nur Lützelburg betreffende Schreiben an Beamte in Günzburg. Die Einlaufjournale (TLA, GR, A/E) vermerken in dieser Zeit keine Guetachten oder Guetbedunckhen burgauischer Beamter zu Lützelburg. Vgl. StAA, VÖ, Lit. Z.B. TLA, GR, K/A, 1607 Dezember 31: Befehl an Landvogt Ulrich von Stotzingen, die Abhaltung und den Besuch der Gottesdienste zu Lützelburg überwachen zu lassen, aber nicht durch die Landvogtknechte vnd dergleichen wenig respectierte Personen.
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burgauischen Beamten. Daß es aber in Innsbruck immer noch ein halbes Jahr unbemerkt bzw. ungerügt bleiben konnte, wenn einem Befehl nicht Folge geleistet wurde, offenbart bei allen Verbesserungen doch ein Defizit in der Effizienz der Verwaltung. Ein Musterbeispiel, wie Kommunikationsstörungen bzw. eine defiziente Verwaltungsorganisation nicht intendierte Fakten schaffen können, sind die Irritationen, welche um die Verschiebung der Versammlung des Landsberger Bundes 1578 entstanden. Herzog Albrecht wollte als dessen Hauptmann auf Pfingsten 1578 eine Bundesversammlung zur Klärung des Lützelburger Konfliktes einberufen. 428 Bis dahin einen Stillstand zu halten, also dem Prädikanten außer dem Predigen das Spenden von Taufen und Einsegnen von Ehen zu gestatten, willigte Erzherzog Ferdinand ein. 429 Er teilte dies den burgauischen Beamten mit, wies sie aber an, falls die Versammlung nicht Zustandekommen sollte, den Prädikanten auszuschaffen bzw. zu inhaftieren. 430 Später ersuchte Herzog Albrecht um eine Verschiebung des Termins, 431 die ihm Erzherzog Ferdinand zugab, 432 über die er aber seine burgauischen Beamten nicht in Kenntnis setzte. Bald nach Pfingsten drohten diese in Befolgung des erzherzoglichen Befehls dem Prädikanten die Ausschaffung an. Wieder kam es nun zu Klagen Augsburgs, Gesuchen aus Innsbruck um Stellungnahme und Rechtfertigungen aus Günzburg. 433 Neben solchen zeitlichen Verzögerungen zwischen der Erteilung eines Befehls und seiner Ausführung und Unterlassungen, die zu einer nicht intendierten Ausführung von Befehlen führten, ist für Irritationen und Ineffizienz auch die fehlende Korrektheit und Genauigkeit von Anordnungen verantwortlich zu machen. Als im Juli 1605 die burgauischen Beamten aufgrund eines Befehles von 1605 Januar 24 434 die Prädikantengattin zum Abzug aus dem Pfarrhof aufforderten, geschah dies nicht nur mit halbjähriger Verspätung und zur vnzeit, sondern angeblich über die erteilten Anordnungen hinaus mit betroung und attentata, so daß durch Klageschreiben der Augsburger an Bischof und Kaiser eine in den Augen der oberösterreichischen Regierung gefahrliche Ausweitung entstanden sei. Die burgauischen Beamten wurden aufgefordert, Stellung zu nehmen und die Maßnahmen gegen die Prädikantin einstweilen auszusetzen. 435 1605 August 19 erging aber nochmals der ausdrückliche Befehl an die Beamten, das Ir darauf bedacht seyet,
428 429 430 431 432 433 434 435
TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1578 März 12. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1578 März 18. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1578 März 19. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1578 März 29. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1578 April 8. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1578 Juli 29 und 1578 August 14. TLA, GR, K/A, 1605 Januar 24. TLA, GR, K/A, 1605 Juli 23. Vgl. TLA, GR, A/E (Einlaufjoumal), 1605 Juli 31: Endtschuldigung wegen der Statt Augspurg beschwer des außgeschafften Predicanten zu Liizelburg vnd sein Köchin, auch hingegen eingesezten Catholischen Priesters vnd welcher gestalt die Sachen beschaffen.
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Fallstudien
damit die Predicantin daselbs abzeziechen gewisen,436 Entsprechende Drohungen und Maßnahmen gegen die Prädikantin führten aber erneut zu Beschwerden der Reichsstadt, die mit Schreiben von 1605 September 1 um Stillstand bis zu einer kaiserlichen Resolution ersuchte.437 Dies konzedierte Erzherzog Maximilian September 6 der Stadt mit dem Hinweis, die Drohungen gegen die Prädikantengattin durch den Landammann und Dr. Plebst seien gegen seinen Befehl erfolgt.438 Mit Schreiben vom selben Datum wurden die burgauischen Beamten ein weiteres Mal zum Stillstand der Maßnahmen gemahnt und gerügt, gegen den Befehl gehandelt zu haben, der nur die einsezung des Catholischen Priesters angeordnet habe.439 Die Irritationen um einen erteilten oder nicht erteilten Befehl zeigen, daß bisweilen nicht nur die Linke nicht wußte, was die Rechte tat, sondern es auch geschehen konnte, daß die Rechte keine Erinnerung mehr daran besaß, was sie einige Zeit vorher getan hatte.440 Dies konnte jedoch nicht nur zu komplizierenden Ausweitungen eines Falles führen, es trug auch zur Verunsicherung der Exekutivorgane vor Ort, der burgauischen Beamten, bei - gar nicht zu reden vom Erlahmen ihrer Eigeninitiative. Solches muß nicht verwundern, wenn etwa Landvogt Ulrich von Stotzingen einen Auftrag in Lützelburg - das Abschlagen eines vom Spital am Pfarrhof angebrachten Markschlosses - mit den folgenden Worten ermahnt wird auszuführen: „ [daß du] dich in disem werckh vnd tragenden Ambt etwaß eiferiger gegen den widerigen erzaigest, alß sonsten von dir verlauten will,Ml wenig später aber wegen der Verhaftung des Lützelburgers Hans Mayr aus dessen Haus heraus wieder getadelt wird, einen erteilten Befehl, enormiter überschritten zu haben.442
1.9
Zusammenfassung und Ergebnisse
Wie läßt sich nun die unterschiedliche Entwicklung des konfessionellen Konfliktes um Lützelburg in zwei durch 25 Jahre zeitlich getrennten Phasen zusammenfassend erklären? Wie konnte es 1578 zu einem konfessionellen Kompromiß kommen, was führte dagegen nach 1603 letztlich zum Ende der evangelischen Religionsübung und zur Niederlage der reichsstädtischen Politik in Lützelburg?
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441 442
TLA, GR, K/A, 1605 August 19. StaAA, HA, III, 31, Nr. 191, 1605 September 1. TLA, GR, K/A, 1605 September 6, Erzherzog Maximilian an Reichsstadt Augsburg. TLA, GR, K/A, 1605 September 6, Erzherzog Maximilian an Landvogt Ulrich von Stotzingen und Dr. Plebst. Zur Kontroverse um die Ausweisung der Prädikantengattin aus dem Pfarrhof Hirn, Maximilian, Bd. 1, S. 248f., der allerdings - entgegen dem Befund bei genauer Lektüre des Briefwechsels - die Verantwortung für die entstandenen Irritationen bei den burgauischen Amtleuten sieht, die die Anweisungen Maximilians falsch verstanden hätten. TLA, GR, K/A, 1607 Juni 21, Erzherzog Maximilian an Landvogt Ulrich von Stotzingen. TLA, GR, K/A, 1607 Oktober 15, Erzherzog Maximilian an Landvogt Ulrich von Stotzingen.
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Schließlich, was bedeuten die geschichtlichen Ergebnisse für die Frage nach der Konfessionalisierung der Markgrafschaft Burgau? Konstante Faktoren im konfessionellen Konflikt um Lützelburg sind zum einen die, um es vorsichtig auszudrücken, umstrittenen rechtlichen Voraussetzungen für die Kirchenhoheit im Ort, die keinem der Kontrahenten ein deutliches juristisches Übergewicht in der Kontroverse gaben; zum anderen sind es die politischen Faktoren bis hin zu militärischer Präsenz, welche die burgauischen Beamten bei ihrem Eingriff in das Dorf 1577 August 1 mit einer sachlich unangemessenen Zahl Bewaffneter demonstrierten, bzw. auf der anderen Seite die Entfernung politisch wirkungsvoller protestantischer Mächte. Gleichzeitig charakterisierte seit dem Schmalkaldischen Krieg außenpolitische Defensive die Politik der Reichsstadt, denn ohnehin stand seit den Eingriffen Karls V. in die Stadtverfassung ein mehrheitlich katholischer Rat der Suche nach dezidiert protestantischen Koalitionspartnern entgegen. Vor diesem Hintergrund gelang es den Parteien zunächst, den konfessionellen Konflikt im Jahre 1578 durch einen Vergleich, den Münchener Vertrag, beizulegen. Entscheidend für diesen - gemessen an der nachmaligen Entwicklung - Erfolg Augsburgs war zunächst die noch wirksame Autorität des Reichskammergerichtes: Die spätere Ausschaffung eines Prädikanten konnte das von der Stadt erwirkte Mandat zwar nicht verhindern, aber doch verzögern. Auch war für die österreichische Seite die mögliche Verwicklung in einen Prozeß am Reichskammergericht immerhin ein Argument, den Ausgleich im Münchener Vertrag zu akzeptieren. Wesentlicher politischer Faktor für das Zustandekommen eines 25 Jahre lang tragfähigen Vergleiches war aber die Funktionstüchtigkeit des Landsberger Bundes, dem die Reichsstadt - ebenso wie die Erzherzöge der ober- und vorderösterreichischen Lande - seit dessen Gründung 1556 angehörte. Bis zum Kölner Krieg und dem dadurch bedingten Ausscheiden Nürnbergs und der protestantischen Mitglieder konnte der Bund seine Aufgabe als überkonfessionelle Vermittlungsinstanz wahrnehmen und „eine bemerkenswerte ausgleichende Funktion zwischen den verschiedenkonfessionellen Mitgliedern" ausüben.443 Die Bereitschaft der österreichischen Seite, als Mitglied des Landsberger Bundes bis 1584 in ihm diese Vermittlungsinstanz zu sehen und zu akzeptieren, sowie das Engagement des bayerischen Bundeshauptmanns und Vermittlers, das sich im Falle Lützelburgs zu einem gut Teil dem wittelsbachisch-habsburgischen Gegensatz verdankt haben dürfte, waren die entscheidenden Gründe für den schließlich gefundenen Ausgleich. Reichskammergericht und vor allem Landsberger Bund waren die Gewichte, welche Augsburg in der ersten Phase der Auseinandersetzung in die Waagschale 443
Albrecht, Zeitalter, S. 401.
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Fallstudien
werfen konnte. Mit der Verschärfung des konfessionellen Klimas wurden beide Möglichkeiten einer Rückversicherung für die Reichsstadt obsolet: In der Folge des Magdeburger Sessionsstreites kam es am Ende des Jahrhunderts Zug um Zug zu einer Lahmlegung des Reichskammergerichts. Von vornherein mußte bei Wiederaufnahme des Konfliktes im Jahre 1603 klar sein, daß ein Prozeß am Reichskammergericht zwar noch angestrengt werden konnte, gewiß aber nicht zu einem abschließenden Urteil gefuhrt würde, von einer Exekution ganz zu schweigen. Konsequenz und Ausdruck dieser Situation war, daß Österreich die Annahme der beiden 1607 von der Stadt erwirkten Pönalmandate unter Hinweis auf seine Befreiung vom Reichskammergerichtszwang einfach verweigerte. Ebenfalls am Ende des Jahrhunderts (1598) war auch formal das Ende des Landsberger Bundes gekommen, nachdem er seine Funktion als überkonfessionelle Vermittlungsinstanz bereits 1583 mit dem Ausscheiden der protestantischen Stände faktisch verloren hatte und auch Erzherzog Ferdinand im Jahr darauf den Bund verlassen hatte. Der Bund kam als Wahrer der Augsburger Interessen nicht mehr in Betracht. Ein Verstoß gegen den Münchener Vertrag war politisch nicht mehr sanktioniert. Zumal fühlte sich Erzherzog Maximilian an die von Ferdinand im Münchener Vertrag eingegangenen Verpflichtungen nicht gebunden und schlug als neuer Regent der Vorlande seit 1602 einen anderen Ton in seiner Konfessionspolitik an. Die Ausschaffung des Prädikanten Haderdey 1603 schuf vollendete Tatsachen, die trotz aller Bemühungen der Stadt nicht mehr revidiert wurden. Durch die Kooperation Maximilians mit der geistlichen Gewalt des Ortsbischofs - er war gleichzeitig Vorsitzender des Engeren Ausschusses der Insassen der Markgrafschaft Burgau - war Augsburg auch die Möglichkeit verwehrt, entscheidenden politischen Rückhalt an dem Gremium gegen die Markgrafschaft bzw. gegen Österreich zu finden. Dennoch kam es in Lützelburg auch nach 1603 nicht zu einer Konfessionalisierung „mit beträchtlichen Folgen für die Politik, besonders die Staatsbildung". 444 Die österreichische Politik war dazu zu sehr eine Politik des Eingriffs als der begleitenden Gestaltung. Nach der Einsetzung eines katholischen Geistlichen in das Dorf und der formalen Rekatholisierung der Bevölkerung verlor Österreich das Interesse an Lützelburg und überließ die obrigkeitliche Gestaltung des religiösen Lebens der geistlichen Gewalt und dem Ortsherrn. Politisch war nur die Behauptung des rechtlichen Status quo erreicht. Die so oft von Augsburg befürchteten negativen rechtlichen (und damit politischen) Konsequenzen für den eigenen reichsstädtischen Besitz innerhalb der Markgrafschaft wie auch für die Gemeinschaft der Insassen insgesamt blieben aus. Österreich schlug aus der Rekatholisierung Lützelburgs kein politisches Kapital. Versuche einer darüber hinausgehenden Integration Lützelburgs in ein ,Landesfurstentum Markgrafschaft Burgau' wurden nicht unternommen. An ihnen hätte vermutlich die Allianz mit dem Bi444
So ein Teil der Definition des Begriffes von W. Reinhard, Konfessionalisierung, S. 421.
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schof von Augsburg ein rasches Ende gefunden und die evangelischen nicht weniger als die katholischen Insassen auf den Plan gerufen. A u c h mit den Mitteln der faktischen Kirchenhoheit war für die Markgrafschaft Burgau nur eine Sicherung ihrer Rechte, kaum deren Ausbau zu erreichen. Gerade w e n n die österreichische Seite diese Grenzen ihrer politischen Möglichkeiten erkannte, war es ihr j e d o c h möglich, konfessionelle Erfolge zu verbuchen, bei denen treffender von Rekatholisierung als von Konfessionalisierung zu sprechen ist.
2. Unterrohr (1563-1569): Rekatholisierung als Ertrag der Eigenmächtigkeit 2.1
Unterrohr und die Besserer
Der Flecken Unterrohr,1 gelegen im Kammeltal rund einen Kilometer südlich von Ettenbeuren und etwa 3,5 Kilometer südöstlich von Ichenhausen, jedoch an die 28 Kilometer östlich von Ulm, dem Sitz seiner Ortsherren, war kein großes Dorf: Das Feuerstattguldenregister von 1492 erwähnt dort lediglich 26 Feuerstätten. 2 Für 1721 sind mit 32 nicht wesentlich mehr Feuerstätten genannt. 3 Verkehrstechnisch lag Unterrohr nicht ungünstig nahe der Straße von Ulm über Straß, Großkötz, Wettenhausen und Jettingen weiter in Richtung Augsburg. 4 Eine noch günstigere Anbindung des Dorfes könnte eine alternative Straßenführung von Ulm über Kissendorf, Ichenhausen, Ettenbeuren, Kemnat, Burtenbach und Dinkelscherben weiter in Richtung Augsburg dargestellt haben. Die Hochgerichtsbarkeit in Unterrohr übte die Markgrafschaft Burgau aus. Zur Zeit des konfessionellen Konfliktes (1563-1569) waren die Ulmer Besserer als Grund- und Ortsherren im Besitz von Niedergericht und Steuer. 5 Seit 1556 stand ihnen auch der Großzehnt in Unterrohr zu. 6 Die Kirche St. Wolfgang war eine Filiale der Pfarrei Ichenhausen, die ihrerseits seit dem Ende des 14. Jahrhunderts dem Augustinerchorherrenstift Wettenhausen inkorporiert war. 7
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Erst in neuerer Zeit wird das Dorf, wohl zur eindeutigen Unterscheidung des allerdings schon im Feuerstattguldenregister so genannten Obernror (Nebinger/Schuster, Feuerstattguldenregister, S. 97), als „Unterrohr" bezeichnet. In den ausgewerteten Quellen begegnet es ausschließlich als Ror. Nebinger/Schuster, Feuerstattguldenregister, S. 121. Wüst, Günzburg, S. 182. - Zum Vergleich: Das nahe Wattenweiler, das sich 1492 ebenfalls (zum größten Teil) im Besitz der Ulmer Besserer befand, wies insgesamt 78 Feuerstätten (davon 8 im Besitz des Klosters oder Damenstiftes Edelstetten; A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 154f.) auf (Nebinger/Schuster, Feuerstattguldenregister, S. 124, 101). 1493 verkaufte die Witwe des Klaus Besserer Wattenweiler zusammen mit dem benachbarten Höselhurst an Kloster Wettenhausen (A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 479). Vgl. die Karte zur schwäbischen Wirtschaft im 16. Jahrhundert (bis 1618) von Wolfgang Zorn in: Frei/Fried/Schaffer, Atlas, Karte XI, 3. Wüst, Günzburg, S. 228. Georg Besserer hatte ihn von Wettenhausen eingetauscht gegen das Drittel des Großzehnten von Oxenbronn, das er nach 1546 vom Abt des Benediktinerklosters Elchingen erworben hatte (A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 405). TLA, KKW, Α/Ε, XII1/2, Nr. 1, 1563 September 20; vgl. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 190f. und S. 31 lf. - Bei M. Wiedemann, General-Schematismus, findet sich kein Eintrag zu Unterrohr.
Unterrohr
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Mit einem Georg Besserer befindet sich die Ulmer Patrizierfamilie8 spätestens seit 1492 im Besitz des Dorfes. 9 Die Besserer hatten sich bereits im 14., besonders aber im Laufe des 15. Jahrhunderts teilweise umfangreichen Besitz in der Markgrafschaft Burgau angeeignet: Rechte und Güter im Osterbachtal10 (Schneckenhofen," Anhofen, 12 Balmertshofen 13 ), Günztal (Oxenbronn, 14 Ellzee, 15 vor allem Wattenweiler und Höselhurst, 16 Herolzberg,17 Oberegg, 18 Deisenhausen,19 Ebershausen20), Kötztal (Kleinkötz 2I ) und Kammeltal (Unterrohr, Ried, Naichen 22 ) kamen in den Besitz der Familie und wurden wieder veräußert. Nachdem zuletzt 1554 Güter in Deisenhausen verkauft worden waren,23 stellte die Grund- und Ortsherrschaft in Unterrohr den einzig verbliebenen Besitz der Familie in der Markgrafschaft Burgau dar. Als der Ulmer Ratsältere Georg Besserer 1569 kinderlos starb, veräußerten seine Nachkommen 1571 Schloß und Dorf Unterrohr mit Gericht an das Augustinerchorherrenstift Wettenhausen. 24 Unterrohr hatte sich damals seit mindestens 80 Jahren unter der Ortsherrschaft der Familie befunden, länger als jeder andere Besitz der Besserer in der Markgrafschaft Burgau, wozu seine verkehrsgünstige Lage in der Nähe einer Verbindungsstraße zwischen Ulm und Augsburg beigetragen haben mochte.
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Zur Genealogie und Bedeutung der Familie Besserer Kap. Β. I. 2. Anm. 80. Nebinger/Schuster, Feuerstattguldenregister, S. 121. Ältere Nachrichten über die Herrschaftsverhältnisse sind dagegen offenbar nicht überliefert (Kreisbeschreibung Günzburg, S. 91). Das Lehen-Register der an den Bischof von Augsburg verpfändeten Markgrafschaft Burgau von 1478 Februar 16 (ediert in: Monumenta Habsburgica, S. 429-469, und in: Brunner, Beiträge 1865, S. 106-114) nennt zwar eine Reihe Ulmer Bürger und deren Besitz in der Markgrafschaft, darunter jedoch weder die Familie Besserer, noch das Dorf Unterrohr. Die Aufzählung erfolgt von West nach Ost und dann jeweils von Nord nach Süd. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 213; Hohenstatt, Entwicklung, S. 67. A.Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 214. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 216. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 405. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 177. Zu den übrigen Herrschaftsanteilen Seitz, Ellzee. Nebinger/Schuster, Feuerstattguldenregister, S. 121; A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 478f., 482, 500; Hahn, Krumbach, S. 144, 147. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 525. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 548; Hahn, Krumbach, S. 58. Nebinger/Schuster, Feuerstattguldenregister, S. 122; Hohenstatt, Entwicklung, S. 69f.; Hahn, Krumbach, S. 65, 107. Hahn, Krumbach, S. 66, 141. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 325f.; Wüst, Günzburg, S. 156; Reißenauer, Kötz, S. 11, gegen Hohenstatt, Entwicklung, S. 69. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 355. Hahn, Krumbach, S. 65. Kreisbeschreibung Günzburg, S. 91; vgl. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 190, und Wüst, Günzburg, S. 172f.
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Fallstudien
Das grundherrschaftliche Engagement der Besserer ist nicht allein und isoliert als Ausdruck von durch Sozialprestige 25 und ökonomische Absicherung motivierten „Aristokratisierungstendenzen der städtischen Oberschicht" zu interpretieren,26 sondern stand im Zusammenhang einer „Umlandpolitik", mit der Städte wie Ulm danach strebten, in einem „umfassenden Zugriff ihre benachbarten Gebiete auf die Stadt zuzuordnen". 27 Bürgerbesitz auf dem Land bot dabei neben Erwerb und Ausbau eines reichsstädtischen Territorialbesitzes, 28 der indirekten Herrschaft über kirchliche Institutionen der Stadt, über Spitäler,29 Klöster und Stiftungen („Pflegschaft"), 30 sowie über die extensive Wahrnehmung reichsstädtischer Schutz- und Schirmfunktionen über benachbarte Reichsklöster - eine Chance, die gerade Ulm im Schmalkaldischen Krieg beherzt wahrnahm - 3 I eine der Möglichkeiten, das städtische Umland wirtschaftlich zu durchdringen und auf das Zentrum hin zu orientieren, 32 was gerade in der Markgrafschaft Burgau die „lockeren Besitzstrukturen des herrschaftlichen Umlandes" begünstigten. 33 Die Entwicklung des Besitzes der Ulmer Besserer bestätigt die Beobachtung Rolf Kießlings, der eine „nahezu lineare Grenze zwischen dem Ulmer und Augsburger Einflußraum" im Höhenrücken zwischen den Tälern der Kammel und Mindel feststellt. 34 Der Verkauf des nicht unbedeutenden Komplexes um Wattenweiler im Günztal und die Konzentration auf den schließlich jahrzehntelangen Besitz Unterrohrs im Kammeltal ist dabei ein gutes Beispiel für die schrittweise Ausweitung des Ulmer Einflußbereiches nach Osten.35 Die Einführung der Reformation in Unterrohr durch Georg Besserer kann in diesem Zusammenhang schließlich auch als Ver-
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Leiser, Territorien, S. 971, umschreibt dieses Motiv allgemein als „Faszination adeliger Lebensform" im Patriziat des späten Mittelalters. Vgl. mit Nennung einer Reihe oberdeutscher Patrizierfamilien und ihrer unterschiedlichen Politik zwischen eher kaufmännischem und ländlich-grundherrschaftlichem Engagement Kießling, Umlandpolitik, S. 127f., Zitat S. 128, und mit Bezug auf die Markgrafschaft Burgau ders., Günzburg, S. 17. - Dazu allgemein Rössler, Patriziat. Kießling, Günzburg, S. 11. Zu Ulm Hohenstatt, Entwicklung, der aber auch den Besitz Ulmer Bürger und Stiftungen bzw. Klöster auf dem Land behandelt; Neusser, Territorium, S. 26-49. Zur Arrondierung des Ulmer Territoriums durch Spitalbesitz Specker, Ulm, S. 66f. Ausführlich zu Augsburg Kießling, Gesellschaft, S. 99-179; ders., Grundherren, S. 105-109. Kießling, Umlandpolitik, S. 122f. Kießling, Umlandgefiige, S. 38f.; ders., Umlandpolitik, bes. S. 126-128 mit Anm. 65; vgl. auch die kartographische Übersicht des Ulmer Bürger- und Spitalbesitzes in Schwaben vom 13. bis zum 16. Jahrhundert von Max Huber in: Zorn, Atlas, Karte 22, 17. - Der Begriff des städtischen „Umlandes" verdankt seine ebenso kategoriale wie nivellierende Qualität ökonomischen Argumenten. Damit sollen keineswegs rechtlich „unklare Konturen" der unterschiedlichen Besitzverhältnisse geleugnet werden (Leiser, Territorien, S. 971). Kießling, Umlandpolitik, S. 128. Kießling, Günzburg, S. 12 f.; zum Ulmer Einflußbereich ders., Umlandpolitik, S. 130. Kießling, Günzburg, S. 12.
Unterrohr
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such gewertet werden, über konfessionelle Verbindungslinien die Orientierung des Ortes auf das städtische Zentrum hin zu vertiefen. 3 6 Der Verkauf Unterrohrs 1571 an das Augustinerchorherrenstift Wettenhausen dürfte dagegen nicht auf die gescheiterten konfessionellen Pläne zurückzuführen sein, sondern aus dem Erbgang nach dem Tode des 1569 kinderlos verstorbenen Georg Besserer zu erlären sein, denn das Erbe mußte unter die N a c h k o m m e n seiner beiden vorverstorbenen Geschwister Anna, Gemahlin des Ulmer Bürgermeisters Johann Walter Ehinger, und Matthäus aufgeteilt werden. 3 7 Umgekehrt war der Kauf Unterrohrs durch Wettenhausen nicht von gegenreformatorischen Absichten geleitet, wie dies etwa für die Territorialpolitik des Benediktinerklosters Ochsenhausen in derselben Zeit belegbar ist. 38 Bereits nach 1569 sind für Unterrohr reformatorische Aktivitäten auch nicht mehr bezeugt. Vielmehr reiht sich der Kauf des Ortes in eine konsequente und gezielte Erwerbspolitik des Stiftes ein, mit der es versuchte, zunächst eine Reihe südlich gelegener Orte mit allen ihren Rechten zu erwerben. So gelangten bereits unter Propst Ludwig Frank (1477-1505) 3 9 die Orte Wattenweiler und Höselhurst (1493) von den Erben des Klaus Besserer wie auch Kemnat (1491) von der Augsburger Familie Riedler in den Besitz des Stiftes. 40 Sein Nachfolger Ulrich I. Hieber (1505-1532) 4 1 konnte zudem Güter und Rechte unter anderem in Ettenbeuren und Limbach wie auch das ganze Dorf Unterbleichen von den Ulmer Giengern erwerben. 4 2 Schon beim K a u f Wattenweilers und Höselhursts wie auch beim Tausch des Großzehnten in Oxenbronn 4 3 waren also die Besserer oder vielmehr ihre Erben Vertragspartner des Stiftes gewesen. Nach dem Tode Georg Besserers mußte Wettenhausen in der Linie dieser Politik besonderes Interesse am Erwerb des nahen Unter-
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Zu den Wechselbeziehungen zwischen Stadt und Land hinsichtlich der Reformation am Beispiel der Städte Memmingen, Nördlingen, Lauingen und Mindelheim Kießling, Stadt, S. 784-794. Zu den Erben Georg Besserers Kreisbeschreibung Günzburg, S. 91. So kaufte etwa Abt Gerwig Blarer (1547-1567), um „langfristig katholische Interessen vor den Toren Biberachs zu sichern", 1565 von den Erben des Augsburger Kaufmanns Matthias Manlich (1499-1559) die Herrschaft U m m e n d o r f (Maier, Erneuerung, S. 46; vgl. Geisenhof, Ochsenhausen, S. 84; Reiff, Ochsenhausen, S. 42f.; E. Gruber, Ochsenhausen, S. 86, 89). Bereits als Matthias Manlich das Dorf 1554 dem Prämonstratenserstift Weißenau abkaufte, wurde ihm die ständige Versorgung der Pfarrei mit einem katholischen Geistlichen zur Bedingung gemacht (G. Seibold, Manlich, S. 106). Durch den Kauf U m m e n d o r f s hatte sich die Benediktinerabtei allerdings finanziell so sehr übernommen, daß unter Blarers Nachfolger Andreas Sonntag (1567-1585) die Herrschaft Wain veräußert werden mußte und mit allen Rechten an die Reichsstadt Ulm gelangte (1570), die hier die Reformation einführte. Zu seiner Person und Regierung F. Mayer, Wettenhausen, S. 20-26. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 500; vgl. S. 321, 479, 482. - Das Feuerstattguldenregister von 1492 nennt für Wattenweiler (vermutlich zusammen mit Höselhurst) 70, für Kemnat 62 Feuerstellen (Nebinger/Schuster, Feuerstattguldenregister, S. 124, 99). F. Mayer, Wettenhausen, S. 27-33. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 505; vgl. auch S. 365, 455. Kap. Β. I. 2. Anm. 6.
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Fallstudien
rohr haben, für das Propst Michael Schmid (1562-1571) denn auch bereit war, einen entsprechenden Preis zu zahlen. Der Kaufpreis von 30000 Gulden 44 trug allerdings mit zur Überspannung der finanziellen Möglichkeiten des Stiftes bei, dessen Propst auch wegen des Vorwurfs der Mißwirtschaft 1571 zur Resignation gezwungen wurde. 45 Unter seinem Nachfolger Georg Menhofer (1571-1575) 4 6 wurde der Ort schließlich an den Deutschen Orden verkauft, in dessen Besitz er bis zur Säkularisation verblieb. 47
2.2
Der Verlauf des Konfliktes
Die Ereignisse um die gescheiterte Reformation in Unterrohr sind durch archivalische Überlieferung unterschiedlicher Provenienzen einigermaßen gut zu rekonstruieren. 48 Dagegen fehlen unmittelbare Antworten aus den Quellen etwa auf die 44
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Zum Vergleich: Für den Erwerb Unterbleichens (mit Ansitz, Niedergericht und Kirchensatz zu Unter- und Oberbleichen, jedoch ohne den Großzehnt, der dem Prämonstratenserstift Ursberg zustand), das mit 34 Feuerstellen (Nebinger/Schuster, Feuerstattguldenregister, S. 122) etwas größer war als Unterrohr, brachte 1508 das Stift 7000 Gulden auf (A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 455). A. Schröder, Bistum, Bd. 5, 508f.; F. Mayer, Wettenhausen, S. 43-48. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, 509f.; F. Mayer, Wettenhausen, S. 48-50; Zoepfl, Bischöfe, S. 525. Unterrohr bildete zunächst zusammen mit dem gleichzeitig erworbenen Besitz in Ober- und Unterbleichen eine Herrschaft Rohr, die ein Obervogt von Unterrohr aus verwaltete. Nach dem zusätzlichen Erwerb der Herrschaft Waldstetten durch den Deutschen Orden 1673 war der Verwaltungssitz der nunmehrigen Herrschaft Rohr-Waldstetten in Waldstetten angesiedelt (A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 317f., 456, 466, 509f.; Kreisbeschreibung Günzburg, S. 91; Zoepfl, Bischöfe, S. 541; Wüst, Günzburg, S. 172f„ 181f„ 184, 228). Die Seite der Ortsherren bzw. der Reichsstadt Ulm, deren Ratsälterer Georg Besserer 1563 war, dokumentiert eine Reihe von Sitzungsprotokollen des Rates (StaAU, RPr). Zu den sieben einschlägigen Ratsprotokollen treten eigens überlieferte Anlagen und Ratsdekrete zum Thema aus dem reichsstädtischen Bestand (StaAU, A). Dagegen sind aus dem im StaAU verwahrten Familienarchiv der Besserer gegenwärtig nur die Urkunden erschlossen. Reichhaltiger ist die Überlieferung auf österreichischer Seite: Der Bestand ,Kaiserliche Kanzlei Wien, Akten/Einlauf enthält Archivalien, die während der Regentschaft Kaiser Ferdinands I. bezüglich der Landesteile Tirol und Vorderösterreich anfielen, deren Regent der Kaiser bis zu seinem Tode (1564) war. Danach wurden diese Archivalien zur Verfügung der Innsbrucker Behörden des Nachfolgers, Erzherzog Ferdinand II., in das Landesfürstliche bzw. Regierungsarchiv (heute TLA) verbracht. Der Bestand enthält unter der Signatur XIII/2 (.Bekämpfung des Protestantismus in den Vorlanden') eine erste Nummer mit insgesamt 17 Stücken zum Streit zwischen dem Landvogt von Burgau und der Stadt Ulm wegen eines protestantischen Predikanten zu Ror aus dem Jahr 1563. Die Korrespondenz der vorgesetzten oberösterreichischen Regierung in Innsbruck mit Landvogt und Rentmeister der Markgrafschaft in Burgau ist zusammengefaßt im ,Briefauslaufregister der oberösterreichischen Regierung hinsichtlich Burgaus. 1523-1660' (Bestand 79 Ρ 12 Nr. lOOOff. im GLA Karlsruhe, mikroverfilmt im StAA, VÖ Literalien 646-656). Zum Fall Unterrohr enthält es elf, teilweise recht ausführliche schriftliche Anweisungen. Verloren ging dagegen ein Faszikel betreffend Die Abstellung des Prädigen und Hochzeit Einsingen [!] durch den Lutherischen Schuelmeister zu Rohr. 1564, den das Hauptrepertorium des Registrators Johann Jakob
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Frage nach früheren reformatorischen Aktivitäten der Ortsherrschaft, nach dem Verhalten des benachbarten Reichsstiftes Wettenhausen, dem die Mutterkirche Unterrohrs, Ichenhausen, inkorporiert war und dessen Konventualen auch Unterrohr versahen,49 oder nach der Rolle der Bevölkerung im Dorf. Daß Bauern aus Unterrohr am Bauernkrieg teilnahmen, ist zwar gewiß, 50 nicht jedoch, welchen Stellenwert reformatorische Forderungen fur sie besaßen. Allerdings lassen die Annales Wettenhusani auf reformatorische Einflüsse in den Dörfern im Umkreis des Stiftes schließen. 51 Der Rahmen der Ereignisse läßt sich knapp skizzieren: 52 1563 Juli 9 teilte Landvogt Hans Werner von Raitnau (1562-1566) 53 der oberösterreichischen Regierung das Wirken eines evangelischen Prädikanten - sein Name war Anton Baur - 5 4 in Unterrohr mit55 und ließ ihn tags darauf durch den burgauischen Vogt von Hochwang nach Günzburg vorladen. Der Prädikant weigerte sich, dieser Aufforderung nachzukommen, und verlangte, zunächst Rücksprache mit seinem Herrn nehmen zu können.56 Erst jetzt57 erhielt der burgauische Landvogt als Antwort auf seine Anfrage von Juli 9 die Anordnung der Regierung, den Prädikanten, doch als für Euch selbs vnd vnuermelt diß vnnsers schreibens, vor sich zu bestellen, ihn des Ortes zu verweisen und ihm das Predigen zu untersagen. Sollte er sich
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Eberle fur das Archiv in Günzburg von 1779 (StAA, VÖ und Burgau, Lit. 100) ausweist. Ebensowenig erhalten sind Archivalien, die den Verkauf Unterrohrs an Wettenhausen bzw. von diesem weiter an den Deutschen Orden im Stiftsarchiv Wettenhausen dokumentierten (vgl. StAA, Kl. Wettenhausen MüB, 21: Repertorium über den Bestand des Klosterarchivs Wettenhausen, Bd. IV). Dies geht hervor aus TLA, KKW, Α/Ε, 1563 September 20. Ein „Verzeichnis des Leipheimer Haufens" (Radlkofer, Eberlin) vermerkt 20 Personen aus Unterrohr beim Leipheimer Haufen (S. 440). Ein weiteres Verzeichnis nennt sechs redlinfurer aus dem Dorf namentlich (S. 445). Nachdem sich die Hintersassen von Wettenhausen (also nicht auch die Bauern in Unterrohr) 1525 Februar 25 gegen Propst Ulrich Hieber erhoben hatten, versammelten sie sich März 6 erneut. Wahrscheinlich stießen nun auch die Bauern des nahen Unterrohr zu ihnen: Da kamen alle nachbauren und machten sie zu haubtleut und rate and richteten darauf ein bruederschaft auf. [...] Da Hessen sie allen pfarrern befehlen und entbieten, daß hinfiiro keiner nichts sollte predigen, alß daß hl. Evangelium, oder er möchte feurabend haben und abgesezt werden (Baumann, Quellen, S. 243). Ebenso berichtet ein Wettenhauser Konventuale des 17. Jahrhunderts zu den Vorgängen im Frühjahr 1525, Eß hat sich auch damal 4 ganzer wochen in unser nachbarschaft kein pfarrer auf der canzel derfen blicken lassen (S. 244). Die Einfuhrung eines lutherischen Prädikanten in Unterrohr und seine alsbaldige Ausschaffung durch den burgauischen Landvogt 1563 ist erwähnt bei A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 190; Färber, Burgau, S. 157-160; Kreisbeschreibung Günzburg, S. 91; Zoepfl, Bischöfe, S. 321 f., und - mit Angabe einer abweichenden Jahreszahl (1567), aber ohne Beleg - Wüst, Günzburg, S. 67. Kap. Β. I. 1. Anm. 122 StAA, VÖ, Lit. 648, 1566 August 13 und August 14, fol. 317 v . TLA, KKW, A/E, 1563 Juli 23. TLA, KKW, A/E, 1563 Juli 21 und Juli 23. Das Schreiben ist datiert von 1563 Juli 14 (StAA, VÖ, Lit. 648, fol. 5 Γ).
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Fallstudien
weigern zu erscheinen und auch das Predigen trotz einer nochmaligen, zweiten Ermahnung weiter fortsetzen, so sei es der Regierung nit zuwider, das Ir Ine, doch als für Euch selbs, fennckhlichen eintziehen vnd Ine volgends weckh weisen lasset,58 Wohl unmittelbar darauf, 1563 Juli 18, einem Sonntag, sind, nach einer Ulmer Schilderung des Vorfalls, Landammann und Landvogtknecht der Markgrafschaft mit zwayunduierzig gewerter Personen zu Roß vnd Fuoß gantz vnuerwarndter Sachen vnd eben der zeit, wie das arm volckh In der Kirchen gewesen, In denselben seinen Flecken gewalttetiger weiß mit ainem grossen tumult gefallen, die Kirchen angeloffen, darein geschoßen, ain thur In der Kirchen zertrümmert vnd vffgestossen, In die Kirchen hinein getrungen vnd daselbst denselben Predicanten angefallen, gefenglich hingefüert, auch vnder solchem tumult vil schwanger vnd anndere weiber, auch alte, erlebte menner, das sie zu boden gefallen, erschreckt, auch ain Junges Kind dermassen gestossen vnd getretten, das seines lebens zubesorgen.59 In zwei Schreiben an den burgauischen Landvogt legte nun der Ulmer Rat im Namen Georg Besserers, des Ratsälteren, Protest ein und forderte die Freilassung des Inhaftierten sowie die unverhinderte Ausübung der Augspurgischen Confession im Dorf.60 Ein Schreiben an die oberösterreichische Regierung wiederholt dieses Ansinnen.61 1563 Juli 24 wurde daraufhin Anton Baur nach Leistung eines Eides, nicht mehr in der Markgrafschaft zu predigen, und Bezahlung der Haftkosten freigelassen.62 Die Kosten der Atzung hatten Burgauer Bürger, der Wirt Veit Müller und Kaspar Bacher, für ihn verauslagt.63 In einem Schreiben von 1563 Juli 31 erfuhr der Augsburger Bischof, Kardinal Otto, von der erfolgten Ausschaffung des Prädikanten.64 Während die österreichische Seite in der Folge die Rekatholisierung des Dorfes wiederholt durch Anordnungen - sowohl für Unterrohr selbst als auch für die gesamte Markgrafschaft - gegen lutherischen und zwinglischen Buchbesitz sowie 58 59
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StAA, VÖ, Lit. 648, 1563 Juli 14, fol. 5Γ. TLA, KKW, A/E, 1563 September 20. Eine erste (inhaltlich gleiche) Schilderung des Vorganges gibt Georg Besserer in einer undatierten ersten Supplikation an den Rat (TLA, KKW, A/E, 1563). TLA, KKW, A/E, 1563 Juli 20 und Juli 23; Antwort auf letzteres Schreiben mit Ankündigung der Freilassung des Prädikanten vom selben Datum. TLA, KKW, A/E, 1563 Juli 23. Die Ablehnung der Ulmer Rechtsansprüche in der Antwort der Regierung (TLA, KKW, A/E, 1563 Juli 31; auch in StAA, VÖ, Lit. 648, 1563 Juli 31, fol. 54r). TLA, KKW, A/E, 1563 Juli 23. TLA, KKW, A/E, 1563 September 20, nennt als Summe der Atzung 29 fl., StAA, VÖ, Lit. 648, 1566 August 14, fol. 317v, nennt den Betrag von 20 fl. StAA, VÖ, Lit. 648, 1566 August 14, fol. 317 v . - Wegen dieser finanziellen Hilfeleistung sollte es noch drei Jahre später zu Schwierigkeiten kommen; siehe unten Kap. Β. I. 2. Anm. 274. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 190; Zoepfl, Bischöfe, S. 321f.
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Unterrohr
g e g e n d a s A u s l a u f e n in e v a n g e l i s c h e O r t e a b z u s i c h e r n suchte, 6 5 b e m ü h t e s i c h d i e Reichsstadt U l m u m die Unterstützung Herzog Christophs von w a n d t e sich an Kaiser Ferdinand
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Württemberg,66
und erwog die Befassung des Schwäbischen
Reichskreises68 mit der Angelegenheit. G e o r g Besserer selbst supplizierte noch 1 5 6 6 an d i e b e i m A u g s b u r g e r R e i c h s t a g a n w e s e n d e n S t ä n d e . 6 9 Alle Versuche, die A u s s c h a f f u n g des lutherischen Prädikanten rückgängig zu machen, blieben indes ohne Erfolg, ohne daß Georg Besserer deshalb von einer Gestaltung des kirchlichen Lebens im Dorf nach seinen konfessionellen Vorstell u n g e n v ö l l i g A b s t a n d g e n o m m e n h ä t t e . M ö g l i c h e r w e i s e ließ er b e r e i t s
1564, 7 0
s i c h e r a b e r 1 5 6 7 , d e n D o r f s c h u l m e i s t e r s o n n - u n d f e i e r t a g s in d e s s e n H a u s p r e d i gen. A u c h hatten die b u r g a u i s c h e n B e a m t e n v o n einer H o c h z e i t Kenntnis, die einzusegnen
1567 ein Prädikant von U l m nach Unterrohr g e k o m m e n
war.7'
N a c h d e m a b e r d i e B e a m t e n e r n e u t ins D o r f e i n g e d r u n g e n u n d g e g e n d e n S c h u l meister vorgegangen waren,72 hatte G e o r g Besserer offenbar nachgegeben. Den-
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Deßgleichen sollet Ir auch den vnnderthonen zu Ror vnnd anndren, in der Marggrafschafft Lanndtsfurstlichen Oberkhait geseßnen vnnderthanen anzaigen, verpietten lassen, das Sy an kaine Lutherische, noch andere verfuerische, Sectische Predig nit geen, sonnder Ire allte vnnd Catholische Pfarrkhirchen besuechen sollen (StAA, VÖ, Lit. 648, 1563 September 3, fol. 67 v ). Auf die Anregung des Landvogtes ging der Erlaß eines entsprechenden kaiserlichen Mandates zurück, dessen 31 überschickte Druckexemplare die burgauischen Beamten in der Marggrafschafft Burgaw, Ewerer Verwaltung, an orten vnd Enden, da Ir von nöten zesein vermaint vnd von alters herkhomen vnd gebreuchig gewesen, Publiciern vnd anschlagen und auf deren Befolgung achten sollten (StAA, VÖ, Lit. 648, 1563 November 23, fol. 89 r ). 1563 September 9 erging ein erstes Schreiben des Herzogs an den burgauischen Landvogt (TLA, KKW, A/E, 1563 September 9), das dieser nach einem Entwurf der oberösterreichischen Regierung (ebd. und StAA, VÖ, Lit. 648, 1563 September 30) im Oktober beantwortete (TLA, KKW, A/E, 1563 September 9). 1563 November 10 (StaAU, RPr, Nr. 28, fol. 652 v ) faßte der Rat erneut den Beschluß, Herzog Christoph in seiner Angelegenheit um Unterstützung zu ersuchen. Erörterung und Beschluß: StaAU, RPr, Nr. 28, 1563 September 15 und 17, fol. 595% und 599 r ; Text: TLA, KKW, A/E, 1563 September 20. StaAU, RPr, Nr. 28, 1563 November 10 und 17, fol. 652 v und 659a v . StAA, VÖ, Lit. 648, 1566 Mai 25, fol. 294 r . Das Hauptrepertorium des Registrators Johann Jakob Eberle verzeichnet 1779 im Günzburger Archiv einen heute nicht mehr erhaltenen Faszikel, betreffend Die Abstellung des Prädigen und Hochzeit Einsingen durch den Lutherischen Schuelmeister zu Rohr. 1564 (StAA, VÖ und Burgau, Lit. 100). Vielleicht handelt es sich dabei aber um die irrtümliche Zuweisung des Vorganges von 1567 (StAA, VÖ, Lit. 648, 1567 Juni 27, fol. A\T). StAA, VÖ, Lit. 648, 1567 Juni 27, fol. 412 v . Der vor 1567 Juni 11 erfolgte Eingriff erfuhr die Kritik der oberösterreichischen Regierung (die also von dem Vorgang anderweitig unterrichtet sein mußte), da die Landvogtknechte zur Unzeit, nämlich werktags statt sonntags auf frischer Tat, gegen den Schulmeister vorgegangen seien und sich dabei Übergriffe auf fremdes Eigentum hätten zuschulden kommen lassen. Die Landvogtknechte sollen das Genommene zurückerstatten, der Schulmeister im Falle weiteren Predigens nochmalen [!] gefangengenommen, in Burgau inhaftiert und
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Fallstudien
noch blieb die Regierung in Innsbruck aufmerksam und forderte im Juli 1569 — ohne erkennbaren äußeren Grund - von den burgauischen Beamten Auskunft über die derzeitige Verrichtung der Gottesdienste und das konfessionelle Engagement Besserers im Dorf an. Einen etwaigen evangelischen Prädikanten sollten sie - das impliziert die Formulierung - erneut ausschaffen. 73 - Es blieb der letzte Reflex der österreichischen Seite auf die (gescheiterte) Reformation in Unterrohr. Noch im selben Jahr war die ,Gefahr' gebannt: Georg Besserer starb kinderlos, seine Erben verkauften das Dorf bald darauf (1571) an das benachbarte Augustinerchorherrenstift Wettenhausen.
2.3
Die späte Einfuhrung der Reformation in Unterrohr und die konfessionelle Politik der Reichsstadt Ulm
Exakt läßt sich die Einführung eines evangelischen Prädikanten in Unterrohr nicht datieren, doch kann er nicht lange vor 1563 Juli 9, als die burgauischen Beamten auf ihn aufmerksam wurden und nach Innsbruck berichteten, 74 also seit dem Frühsommer 1563, erstmals im Dorf gewirkt haben. Hätte er sich damals bereits längere Zeit dort befunden, würde sich dies, ähnlich wie in der Auseinandersetzung um Lützelburg, in der juristischen Argumentation des Ortsherren mit der Markgrafschaft Burgau niedergeschlagen haben, ganz besonders dann, wenn der Prädikant bzw. die Reformation dort bereits vor dem Augsburger Religionsfrieden eingeführt worden wäre und sich aus der Dauer der evangelischen Religionsübung ein rechtliches Argument zum Verbleib bei der Augsburger Konfession hätte ableiten lassen. Auch wird in der Auseinandersetzung um Lützelburg gegenüber der Reichsstadt Augsburg das prompte Vorgehen der burgauischen Beamten gegen den Prädikanten in Unterrohr von österreichischer Seite als Beleg dafür angeführt, daß Österreich grundsätzlich unverzüglich eingegriffen habe, sobald es von derartigen Reformationen Kenntnis erhalten hatte.75 Während etwa die Reichsstadt Augsburg ebenso wie Sebastian Schertlin die politischen und militärischen Konstellationen in der ersten Phase des Schmalkaldischen Krieges nutzten und innerhalb der Markgrafschaft Burgau, unter anderem in Lützelburg bzw. Burtenbach, evangelische Prädikanten einsetzten, wählten die
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schließlich aus der Markgrafschaft ausgewiesen werden (StAA, VÖ, Lit. 648, 1567 Juni 27, fol. 412v). Konkret wollte die oberösterreichische Regierung wissen, wie es diser Zeit mit Verrichtung des Gotsdiennsts zu Ror gehalten vnnd ob nit der Ρesserer widerumben der Augspurgischen Confessions verwandten Predicannten dahin verordnet oder ob Er die Vnnderthanen bey der alten, waren, Catholischen Religion bleiben lasse oder wo dieselben dem [!] Gotsdiennst Yezt besuechen Auch, im fal Er, Pesserer, wider ainen der Augspurgischen Confessions verwandten Predicannten dahin verordnet, warumben Ir solches zuegesehen vnnd gestattet (StAA, VÖ, Lit. 649, 1569 Juli 18, fol. 93r). Das Datum wird erwähnt in TLA, KKW, A/E, 1563 Juli 23. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (1), 1578 März 4.
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Unterrohr
Ulmer Ortsherren in Unterrohr dazu einen späteren und ungünstigeren Zeitpunkt. Dieser Befund verlangt nach Erklärung.76 Mit ursächlich ist dabei zunächst, auch wenn dies so nie formuliert wurde, das Fehlen des einschlägigen kirchlichen Rechtes, des Ius patronatus, über das der Ortsherr nicht verfugte. Als Filiale der dem Augustinerchorherrenstift Wettenhausen inkorporierten Pfarrei Ichenhausen wurde Unterrohr von Konventualen des Stifts geistlich versorgt.77 Zuletzt setzte sich dann Georg Besserer 1563 doch noch über das rechtliche Defizit hinweg. Es muß also zusätzliche Gründe gegeben haben, die es dem Ortsherren lange Zeit nicht opportun erscheinen ließen, die Reformation des Ortes ohne die Grundlage des Patronatsrechtes in die Wege zu leiten. Ansätze fur eine Begründung dürften in der engen Verbindung der patrizischen Ortsherren mit der reichsstädtischen Politik zu finden sein. Die Vorgänge und Entwicklungen sollen aus diesem Grunde hier etwas ausfuhrlicher dargestellt werden. Umgekehrt müssen schließlich bei allen rechtlichen Einwänden die Argumente für die Einsetzung eines Prädikanten überwogen haben.
2.3.1
Die Frühphase der reichsstädtischen Reformation bis 1531
Mit Bernhard Besserer „zu Rohr und Wattenweiler" (1471-1542) 78 und dessen Sohn Georg (1502-1569) 79 standen in der Reformationszeit nicht irgendwelche Ulmer Patrizier im Besitz des Dorfes. 80 Vater und Sohn nahmen in der Politik der Reichsstadt über Jahrzehnte hinweg eine fuhrende Position ein, beide bestimmten die konfessionelle Ausrichtung der Stadt wesentlich mit. Als Bürgermeister der Reichsstadt (regelmäßig zwischen 1514 und 1538),81 der den Rat auch in den 76
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Gründe dafür zu nennen, weshalb eine Veränderung - hier die Reformation eines Dorfes nicht stattgefunden hat, ist in der Regel schwieriger und spekulativer, als die Ursachen zu erkennen, die zu einer Veränderung führten, unter anderem auch deshalb weil die von der Veränderung provozierte Kontroverse größere Chance auf Schriftlichkeit und Überlieferung besitzt (in diesem Sinne Esch, Überlieferungs-Chance). TLA, KKW, Α/Ε, XIII/2, Nr. 1, 1563 September 20. Eine solche Benennung findet sich bis zum Verkauf des erstgenannten Ortes 1493 (Walther, Besserer, S. 7 Anm. 3); zu Geburts- und Sterbedatum Walther, Besserer, S. 7, 49 Anm. 4: über Bernhard Besserer außerdem NDB, Bd. II, S. 183; Ernst, Besserer; ders., Bürgermeister, S. 35. Für Georg Besserer fehlt eine eigene biographische Würdigung; vgl. Specker, Ulm, Register. Zur Genealogie der Familie NDB, Bd. II, S. 183; J. Rieber, Besserer. - Die Besserer stammten aus ministerialischem Adel und gehörten vom 13. Jahrhundert an immer zur Ulmer Bürgerschaft. 1552 Oktober 29 erteilte ihnen Kaiser Karl V. vermutlich „im Zusammenhang mit den treuen und wertvollen Diensten, die Ulm im Frühjahr durch die Abwehr Moritz' von Sachsen dem Kaiser geleistet hatte", zusammen mit 16 weiteren fuhrenden Ulmer Geschlechtern eine „Declaratio sive confirmatio ihres adeligen Standes und Herkommens" (Riedenauer, Standeserhebungen, S. 56; zur kaiserlichen Adelskonfirmation auch Specker, Ulm, S. 139). Zur Verfassung Ulms bis zur karolinischen Reform von 1548 mit starker Betonung ihres demokratischen Charakters Walther, Besserer, S. 1-6; dagegen Specker, Ulm, S. 134, 142,
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Fallstudien
Jahren, in welchen er das Bürgermeisteramt nicht innehatte, als Mitglied des Gremiums der „Fünf Geheimen" zumeist nach außen vertrat, gilt Bernhard Besserer als „die einflußreichste Persönlichkeit der Reichsstadt" während der „Ulmer Reformationszeit", 82 als „most influential individual in the city",83 und war „entscheidend an der Wendung zur Reformation beteiligt": 84 Der Speyerer Reichstag von 1529 zählte Ulm - vertreten durch Bernhard Besserer und Daniel Schleicher - 8 5 zu den protestierenden Ständen, und als der Augsburger Reichstag 1530 mit der katholischen Mehrheit der Stände in seinem Abschied eine Widerlegung des Augsburger Bekenntnisses und ein Verbot der Neuerungen aussprach, sah sich Ulm zu einer Ablehnung des Abschieds veranlaßt. Bernhard Besserer führte dabei die Liste der Ratsherren an, welche den Abschied - bei Gefahr der Reichsacht für die Stadt - ablehnten. 86 Der Bürgermeister selbst scheint eine - innerhalb des evangelischen Bekenntnisses - 8 7 eher undogmatische Einstellung besessen zu haben,88 jedenfalls zeigte er sich - zunächst - gegenüber Sebastian Franck (1499-1542) 89 ebenso aufnah-
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der ihre faktisch aristokratischen Züge und damit die Elemente der Kontinuität zur Verfassung nach 1548 hervorhebt. - Die alte Ulmer Verfassung wies dem Bürgermeister den Vorsitz im Rat sowie exekutive und jurisdiktioneile Befugnisse zu. In das Amt wurde, ohne daß dies schriftlich fixiert worden wäre, jeweils für ein Jahr ein Patrizier gewählt, der dann zwei weitere Jahre normalerweise als Altbürgermeister (und Mitglied der Fünfer) die Funktion des Herrschaftspflegers ausübte und die Verwaltung des Ulmer Landgebietes übernahm, ehe er zumeist erneut zum Bürgermeister gewählt wurde (Specker, Ulm, S. 111); vgl. Rabus, Bürgermeister; Neusser, Territorium, S. 50-68; A. Rieber, Patriziat, S. 302. Ernst, Bürgermeister, S. 35. Hayden-Roy, Word, S. 173. W. Enderle, Ulm, S. 199. - Zur Bedeutung Bernhard Besserers als führender Politiker im ersten Jahrzehnt der Reformation Specker, Ulm, S. 111-115. Walther, Besserer, S. 18. Allerdings finden sich auch Vertreter seiner Familie (wenngleich weniger) auf der Seite der Ratsherren, die im Sinne des Kaisers votierten (Specker, Ulm, S. 117). - Zur berühmten Abstimmung der städtischen Gemeinde ausfuhrlich Specker/Weig, Reformation, S. 39-46 und 158-168. Darin auch eine neue Edition der Abstimmungslisten (S. 343-374); Bernhard Besserer führt als 1632. Bürger die Liste der Patrizier an (S. 369). Zuvor wurden die Abstimmungslisten bereits herausgegeben von Endriß/Schwaiger, Abstimmungslisten. Zu seiner „schroffefn] Stellung" gegenüber dem Papst Ernst, Besserer, S. 110. Zur Charakterisierung Besserers „trotz einer gewissen Toleranz" gegenüber „Andersgläubigen" und einer ,,gewisse[n] freiere[n] Einstellung zu den Fragen der Lehre und den äußeren Formen der Kirche" als „guter evangelischer Christ" und „entschiedener Protestant" Ernst, Bürgermeister, S. 44f., unter Verweis auf seinen Briefwechsel mit Landgraf Philipp von Hessen. Mit Blick auf die unterstützende Haltung Besserers für Sebastian Franck und Kaspar Schwenckfeld legt Hayden-Roy, Word, den Akzent umgekehrt auf die undogmatische Haltung des Bürgermeisters: „Besserer's sympathies lay with the new evangelical faith, though, he did not share many of the theological principles of the reformers. He shied away from binding piety to outward forms or the letter" (S. 155). Endriß, Franck, S. 12, 20f„ 34f.; Hofer, Landgebiet, S. 169-171; Specker, Ulm, S. 128f.; Hayden-Roy, Franck, S. 149-153. - Vgl. zu theologischen und biographischen Aspekten
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mebereit, wie er zu Kaspar von Schwenckfeld 9 0 ein freundschaftliches Verhältnis unterhielt. 91 Überblickt man die unterschiedlichen Versuche, die konfessionelle Politik Bernhard Besserers zusammenfassend zu würdigen, so stehen sich dabei entgegengesetzte Einschätzungen gegenüber: Während Heinrich Walther resümiert, es sei Besserers „Verdienst, der neuen Lehre Eingang in der Reichsstadt verschafft zu haben und bei ihrem Eindringen durch seine ausgleichende Tätigkeit schwere Widerstände und Streitigkeiten beseitigt zu haben",92 wertet Eberhard Naujoks dessen Politik, wenigstens bis 1530, als Versuch zu „lavieren", 93 und charakterisiert sie Ernst-Wilhelm Kohls generell als „Zauderpolitik". 94 Eine Strategie, die langfristig offenbar religiös motivierte 95 Zielvorstellungen verfolgt und dabei klug genug ist, U m w e g e in Kauf zu nehmen, steht in diesen Einschätzungen einem konzeptionslosen und konfessionell ziellosen, dem je größeren Druck nachgebenden (opportunen) Agieren 96 gegenüber. Es muß in diesem Zusammenhang nicht versucht werden, eine Entscheidung zwischen solchen vermeintlichen oder tatsächlichen Alternativen zu treffen. Es genügt festzuhalten, daß Bernhard Besserer konfessionelle und ,äußere' Politik nicht zu trennen vermochte, 97 um eine Erklärung zu finden, weshalb persönliche konfessionelle Überzeugung nicht auch schon zur Einführung der Reformation in seiner Herrschaft Unterrohr fuhren mußte. Kann schon innerhalb der Reichsstadt als Prämisse der Ratspolitik der Versuch bezeichnet werden, den Konflikt mit
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Sebastian Francks den Sammelband von J.-D. Müller, Franck; Hayden-Roy, Word, S. 103137 und 139-191. Endriß, Schwenckfeld; Hofer, Landgebiet, S. 159, 171-173; Specker, Ulm, S. 129; HaydenRoy, Word, S. 177f.; McLaughlin, Emmet, Franck. Zusammenfassend zu Besserers Verhältnis zu den beiden Walther, Besserer, S. 46f.; Specker, Ulm, S. 128f. mit Anm. 126; Brecht, Ulm, S. 22f. - Mit seiner positiven Einstellung zu Sebastian Franck und Kaspar Schwenckfeld stand Bernhard Besserer unter den Politikern der Stadt keineswegs allein (Hayden-Roy, Word, S. 155). Ausfuhrlich zur konfessionellen Politik Besserers Walther, Besserer, S. 48; ähnlich das prägnante Urteil in NDB, Bd. II, S. 183, „die Einfuhrung der Reformation ohne schwere Widerstände und Unruhen" verdanke sich der „religiösen Toleranz und politischen Vorsicht" Besserers. Naujoks, Obrigkeitsgedanke, S. 73. Kohls, Anteil, S. 341. Vgl. in diesem Sinne den Ausruf bei Walther, Besserer, S. 41: „Wie viel bedeutete es schon, wenn der überwiegende Teil der Bürgerschaft und die neugläubige Geistlichkeit wußte, daß der leitende Mann im Herzen auf Seiten der Neuerungen stand, [!] und so mittelbar die Reformation förderte und stärkte". „Schwachmütige Bedenklichkeit" und „mangelnder Glaubensmut" sind die bei Emst, Besserer, S. 111, referierten Urteile speziell von theologischer Seite. In diesem Sinne Hayden-Roy, Word, S. 155: „[Bernhard Besserer] constantly had before his eyes the political consequences which were bound up with the new religion. He often checked the attempts of the clergy to push forward with reform when he saw that it compromised the political interests of the city."
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dem Kaiser möglichst lange hinauszuzögern, 98 mußte konfessionelle Rücksichtnahme aus denselben Motiven in noch stärkerem Maße für den Landbesitz der Ulmer Bürger in der Markgrafschaft Burgau gelten. Denn anders als im reichsstädtischen Territorium, in dem Ulm unbestritten über die Fülle landeshoheitlicher Rechte verfugte und das sich geographisch im wesentlichen nach Nordwesten erstreckte" und hier dem seit 1534 ebenfalls protestantischen Württemberg 100 benachbart war, stellte die Herrschaft Unterrohr keinen oder jedenfalls keinen unbestritten immediaten reichsstädtischen Besitz dar101 und lag als eine Exklave als insassischer Besitz - innerhalb der Grenzen der habsburgischen Markgrafschaft Burgau - mochte die sich auch zwischen 1498 und 1559 in der Pfandschaft des Augsburger Bischofs Kardinal Otto befunden haben.102 Hier war mit anderen Worten nicht nur die rechtliche Basis eines aus der Vogtei hergeleiteten vorreformatorischen Kirchenregiments als Bestandteil landesherrlicher Rechte103 umstritten, hier waren auch die politischen Bedingungen prekär und reformatorisches Engagement konnte zu direkter Konfrontation mit Habsburg führen. Insbesondere letzteres stellte auch über den Augsburger Religionsfrieden (1555) hinaus eine bedenkenswerte politische Konstante dar. Daß Bernhard Besserer diese Zusammenhänge - heikle geographische Lage, rechtliche Defizite - generell im Auge behielt, zeigen zum einen seine Überlegungen für ein Bündnis, das Ulm nach dessen Protest gegen den Speyrer Reichstagsabschied von 1529 politisch absichern sollte. Verschiedene O p t i o n e n ein Bündnis mit den Städten der Eidgenossenschaft, eine Annäherung an den Kaiser, der Beitritt zum Schmalkaldischen Bund - wurden erwogen.104 Derartigen Überlegungen lag die Einsicht in die Notwendigkeit bündnispolitischer Rückendeckung zugrunde, die sich der Analyse Besserers verdankte, Ulm liege mitten unter den Hunden und könne kais. Maj. Ungnad nicht erleiden,105 worunter nichts anderes zu verstehen war als die Nachbarschaft mit Österreich, das ringsum in
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Naujoks, Obrigkeitsgedanke, S. 71-73; Ernst, Besserer, S. 112. Neusser, Territorium, S. 26-49. Ehmer, Württemberg (mit Angabe weiterer Literatur). Gleichwohl dürfte der Ort in Ulm selbst zum Herrschaftsbereich der Stadt gezählt worden sein oder vielmehr gegenüber anderen Territorialherren dieser Anspruch erhoben worden sein. Ein Verzeichnis der Flecken, die in ulmischer Herrschaft liegen von 1618 (StaAU, A 2072) - also zu einer Zeit, als sich Unterrohr bereits im Besitz des Deutschen Ordens befand - fuhrt etwa auch die Ehinger-Herrschaft Kötz auf (Hofer, Landgebiet, S. 21f.). Zoepfl, Bischöfe, S. 421 f. Zur Entwicklung des lus reformandi aus den Anfängen eines Ius reformandae disciplinae durch das lus reformandi cultus zum Ius reformandi exercitium religionis einführend Bonin, Bedeutung, S. 1-6, 11; zum vorreformatorischen landesherrlichen Kirchenregiment Wolf, Ordnung, S. 358-360; Fuchs, Zeitalter, S. 134-141; Zeeden, Zeitalter, S. 141-148; Willoweit, Konfessionalismus, S. 230f.; besonders zu Bayern: Rankl, Kirchenregiment, sowie zu den thüringischen und sächsischen Territorien: M. Schulze, Fürsten. Walther, Besserer, S. 18-35; W. Enderle, Ulm, S. 200. Walther, Besserer, S. 29 Anm. 3; vgl. Keim, Reformation, S. 101.
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Wirtemberg,106 Ehingen,107 Weißenhorn, Kirchbergm sitze.109 Die Verpfandung der drei letztgenannten Herrschaften an die Herren von Freiberg bzw. die Fugger konnte den Bürgermeister dabei offenbar nicht beruhigen. Dies läßt auch Rückschlüsse darauf zu, wie Bernhard Besserer die politische Präsenz Österreichs in der Markgrafschaft Burgau trotz deren Verpfändung an das Hochstift Augsburg taxierte. Zum anderen artikulierte Besserer in einem vermutlich im April/Mai 1531"° abgefaßten Gutachten für den Ulmer Rat seine rechtlichen Bedenken, warumb ich acht, das weyr nit genugsam ursach oberkat haben jm wor [im Wort Gottes] nach unserm gefallen zu handien, in sunder gegen dein gaystlichen.]]] Da sich des Rats gewalt gar nit uf dey gaistlichen streckt,112 bedeute dies, mit den Geistlichen, so weyr uf dem land haben, wer auch styll zu staun."1 Aus denselben Gründen hielt Besserer auch ein reformatorisches Vorgehen unter anderem in den Stiften Roggenburg und Ursberg, die Insassen der Markgrafschaft Burgau waren und über welche die Reichsstadt Schutz- und Schirmrechte besaß, rechtlich für unstatthaft."4 Damit wird zunächst für die Zeit bis 1531 plausibel, weshalb Bernhard Besserer eine Reformation seiner Herrschaft Unterrohr wohl nicht einmal in Erwägung zog.
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Herzog Ulrich von Württemberg (1498-1519 und 1534-1550) war 1519 als Landfriedensbrecher durch den Schwäbischen Bund vertrieben worden. 1522 überließ der Kaiser das Herzogtum seinem Bruder Ferdinand als Teil der österreichischen Vorlande. Im Frieden von Kaaden (1534) erhielt Ulrich das Land wieder zugesprochen. Unmittelbar danach begann er mit der Reformation Württembergs (Ehmer, Württemberg, S. 173f.; Press, Epochenjahr, S. 209-211; Faix, Württemberg; Quarthai, Vorderösterreich, S. 679-684; zum Vertrag von Kaaden Brendle, Dynastie, S. 175-211; zur habsburgischen Verwaltung Württembergs und ihrer zumindest retardierenden Wirkung für die Reformation in den schwäbischen Reichsstädten Press, Restitution, S. 63). Die „reichsstadtähnliche Stadt" an der Donau (Köbler, Lexikon, S. 145; vgl. Quarthai, Verfassung, S. 230; das Attribut besitzt besonders für die Zeit zwischen 1568 und 1680 Berechtigung, als die Stadt selbst die Pfandschaft über die Herrschaften Ehingen, Schelklingen und Berg innehatte) befand sich seit 1343 im Besitz Habsburgs und war Tagungsort der Landstände Schwäbisch-Österreichs sowie Sitz des Kantons Donau des Ritterkreises Schwaben. Stadt und Herrschaft Ehingen erlebte eine „fast nicht abreißende Reihe der Pfandschaften". Zwischen 1507 und 1530 waren die Herren von Freiberg Pfandherren (C. Bauer, Ehingen, S. 441), danach hatte bis 1567 Konrad von Bemelberg die Pfandschaft über die Herrschaften Ehingen, Schelklingen und Berg inne (F.M. Weber, Ehingen, S. 52f.). Weißenhorn war seit 1507 zusammen mit den Herrschaften Oberkirchberg, Pfaffenhofen und Wullenstetten sowie der Vogtei über Kloster Wiblingen (bis 1701) an die Fugger verpfändet (Bosl, Handbuch, 801 f.; Miller/Taddey, Handbuch, S. 589f.). Zitiert nach Walther, Besserer, S. 29 Anm. 3. Walther, Besserer, S. 40. Walther, Besserer, S. 58; vgl. Hofer, Landgebiet, S. 80f. Walther, Besserer, S. 59. Walther, Besserer, S. 60. Walther, Besserer, S. 62; zu Roggenburg Groll, Roggenburg, S. 99.
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2.3.2
Fallstudien
Ulms konfessionelle Politik zwischen 1531 und 1546
Anders stellten sich für Ulm die politischen Bedingungen reformatorischen Handelns seit 1531 dar: Politisch reagierte Ulm nach der Ablehnung des Reichstagsabschieds von 1530 zu seiner Absicherung mit dem Beitritt zum Schmalkaldischen Bund (1531 Januar 15), der eine katalysatorische Wirkung für die Reformation in der Stadt entfaltete.' 15 Bereits kurz darauf, 1531, beauftragte der Rat den Straßburger Martin Bucer," 6 den Konstanzer Ambrosius Blarer und Johannes Oekolampad aus Basel mit der Erstellung der ersten Ulmer Kirchenordnung, die sich durch eine „Mischung zwinglianischer und lutherischer Elemente"" 7 auszeichnete. Zu dieser Zeit trat nun auch erstmals Georg Besserer (1502-1569), Sohn Bernhard Besserers, in politischer Funktion auf: Zusammen mit dem erfahrenen Daniel Schleicher - er hatte Bernhard Besserer bereits im Jahr zuvor nach Speyer begleitet - 118 bildete er im Dezember 1530 die reichsstädtische Gesandtschaft nach Schmalkalden," 9 zwischen 1531 und 1546 übte auch er in regelmäßiger Folge das Amt des Bürgermeisters aus und nach der karolinischen Reform (1548)120 und deren Modifikation im erneuerten Ulmer Schwörbrief (1558) 12 ' stand er seit 1559 im Amt des auf Lebenszeit gewählten Ratsältesten an der Spitze der Reichsstadt.122 Im neugeschaffenen Ausschuß der „in evangelischen Sachen Verordneten des Rats zu Ulm" übernahm er 1531 als Bürgermeister, gefolgt von seinem Vater Bernhard, den Vorsitz.123 Signifikant für die Politik dieser „Religionsherren" wie auch der Fünfer, ja des ganzen Rates, ist für die 1530er und 1540er Jahre eine eher zurückhaltende Konfessionalisierung der Reichsstadt selbst und zumal ihres Territoriums, wofür Wilfried Enderle die konfessionelle Diversität in der Stadt - zwinglische, lutherische, 115
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Vgl. die Darstellung der Ereignisse bei Endriß, Reformationsjahr; Naujoks, Obrigkeitsgedanke, S. 73-86; Specker/Weig, Reformation, S. 169-195. Kohls, Anteil, S. 359, schreibt Bucer „die maßgebliche und überragende Rolle" bei der Abfassung der Ulmer Kirchenordnung zu: „Er ist als der eigentliche Schöpfer zu bezeichnen." So die Bewertung von W. Enderle, Ulm, S. 201. Im gleichen Sinne spricht Specker, Ulm, S. 126f., für die Zeit ab 1531 vom „Übergang von der zwinglischen zur lutherischen Lehre" und benennt dafür auch politische Motive (Zitat S. 126); vgl. dagegen die Hervorhebung der zwinglisch-oberdeutschen Elemente bei Anrieh, Kirchenordnung, S. 95-107. Walther, Besserer, S. 18. Specker, Ulm, S. 117f. Specker, Ulm, S. 134; vgl. die kommentierte Quellenedition von Naujoks, Zunftverfassung, sowie ders., Obrigkeitsgedanke, S. 118-153. Specker, Ulm, S. 140-142; Naujoks, Obrigkeitsgedanke, S. 156-162. Specker, Ulm, S. 111 Anm. 32. Specker, Ulm, S. 119 und Anm. 70; Naujoks, Obrigkeitsgedanke, S. 81-86. Der Ausschuß hatte die Aufgabe, das Verhältnis des Rates zur Geistlichkeit zu regeln. Zunächst bestand das Gremium aus vier bis fünf, später sieben bis neun Mitgliedern. 1537 scheinen sie als „Religionsherren" eine feste Institution geworden zu sein.
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spiritualistische und katholische Strömungen sind hier gleichzeitig festzustellen als ursächlich ansieht,124 während Eberhard Naujoks dafür zum einen ein gewisses Ressentiment des Rates gegenüber dogmatischen Festlegungen plausibel machen kann,125 zum anderen dessen Besorgnis, „der Vorrang der Politik gegenüber der Religion" könne gefährdet werden.126 Nichtsdestoweniger prägte die Interessenkonvergenz von Religion und Politik, von Prädikanten und Rat, christenliche Zucht in der Kirche und Gemeinde aufzurichten, die Entwicklung der Stadt und ihres Territoriums bis zum Schmalkaldischen Krieg.127 Das zeigen nicht zuletzt die Synoden und Visitationen der Reichsstadt selbst und ihres Landgebietes in diesen Jahren.128 Meist - bei den Synoden von 1532, 1537, 1539 - waren dabei auch Bernhard und vor allem Georg Besserer mit den Verhören betraut. Die „führende Rolle" in der reichsstädtischen Politik kam während des Schmalkaldischen Krieges Georg Besserer als Bürgermeister zu.129 Zunächst spekulierte Ulm auf territoriale Zugewinne im (Süd-)Osten seines Territoriums, in der Markgrafschaft Burgau. Ansatzpunkt war dafür seine Funktion als Schutzund Schirmherr der Prämonstratenserstifte Roggenburg und Ursberg,130 die der Rat im Sommer 1546 besetzen ließ.131 Hand in Hand mit der militärischen Okkupation gingen dabei reformatorische Maßnahmen in den besetzten Gebieten. So verbot ein Ratsdekret von 1546 August 24 dort alle katholischen Zeremonien,
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W. Enderle, Ulm, S. 202; vgl. Hofer, Landgebiet, S. 166-173. Naujoks, Obrigkeitsgedanke, S. 85f. Naujoks, Obrigkeitsgedanke, S. 81-86, Zitat S. 86. Naujoks, Obrigkeitsgedanke, S. 86. Zur Reformation des Ulmer Territoriums bis zum Schmalkaldischen Krieg W. Enderle, Ulm, S. 202f.; einen Versuch, die Reformation des Ulmer Landgebietes „keineswegs nur als Oktroy-Maßnahme des Rates" (gegen Hofer, Landgebiet) darzustellen, sondern auf die Wechselwirkungen zwischen ländlichen Gemeinden und reichsstädtischer Obrigkeit aufmerksam zu machen, stellt Kießling, Reformation. S. 54-58, Zitat S. 54, dar. Endriß, Synoden. Naujoks, Obrigkeitsgedanke, Zitat S. 86. - Dies belegt etwa seine Rolle bei den Synoden (1532, 1537, 1539) und Visitationen (1535, 1543/44) für das Ulmer Landgebiet bis zum Interim; dazu Endriß, Synoden; Hofer, Landgebiet, S. 118-122; Specker, Ulm, S. 130f. Neusser, Territorium, S. 27. Zur Vogtei Ulms und zu seinem Vorgehen in Ursberg Lohmüller, Ursberg, S. 71 f. und 261. Zur Vogtei Ulms über Roggenburg und Ursberg Groll, Roggenburg, S. 12-16 und 99-102; Hofer, Landgebiet, S. 27-29. - Die Eile, die Ulm bei der Besetzung Roggenburgs und Ursbergs an den Tag legte, war, so Groll, der Befürchtung geschuldet, Sebastian Schertlin wolle als Stadthauptmann Augsburgs seine Hand darauf legen. Umgekehrt galt die Ulmer Besetzung in Augsburg als Argument, in der Markgrafschaft das Augustinerchorherrenstift Wettenhausen und das Damenstift Edelstetten (wie auch Kloster Oberschönenfeld) einzunehmen (Groll, Roggenburg, S. 15; Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 398-402; Kießling, Musculus, S. 151-153). Im Gegensatz zu Ulm übte allerdings gar nicht die Reichsstadt Augsburg über Wettenhausen, Oberschönenfeld und Edelstetten Schutz und Schirm aus, sondern - über Wettenhausen und Oberschönenfeld - der Bischof von Augsburg (Zoepfl, Bischöfe, S. 422, 426 Anm. 1259) bzw. - über Edelstetten - die Inhaber der Markgrafschaft Burgau (A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 153f.).
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Fallstudien
besonders die Messe.132 Die „Verbindung von reformatorischem Export und regionalpolitischem Interesse", die Rolf Kießling für die Politik Augsburgs während des Schmalkaldischen Krieges - bei der Besetzung von Wettenhausen und Edelstetten, dem allerdings nur kurzzeitigen Wirken der Reformatoren Wolfgang Musculus und Hans Held dort und der Einführung von evangelischen Prädikanten in die innerhalb der Markgrafschaft gelegenen Dörfer des Hl.-Geist-Spitals (Grimoldsried, Mittelneufnach und Lützelburg) - konstatiert,133 ist also gleichermaßen für Ulm wirksam. Zu reformatorischen Offensiven, die durch den Verlauf des Krieges in seiner ersten Phase möglich wurden, kam es dabei gerade auch in der Nachbarschaft der Besserer-Herrschaft Unterrohr: in Wettenhausen, aber auch in Burtenbach, wo Sebastian Schertlin (1496-1577) auf sontag Judica (1546 April 11) das bapsthumb [...] verändert, vnndainen cristenlichen euangelischenpredicanten aufgestelt hatte.134 Angesichts solch günstiger Bedingungen ist mit um so größerer Berechtigung zu fragen, weshalb es während der Erfolge des Schmalkaldischen Krieges dennoch nicht zur Reformation der Herrschaft Unterrohr kam. Einen gewissen Anhaltspunkt gibt der tatsächliche Verlauf der Reformation' in den von Ulm, aber auch Augsburg okkupierten Klöstern bzw. Stiften. Dabei beschränkte sich Ulm darauf, Roggenburg und Ursberg anzuweisen (1546 August 23), daß sie die Meß und alle andere Ire bißher geuebte Ceremonien abstöllen, und die weder haimlich noch offenlich mer ueben oder gebrauchen; auch Ir Sacrament uß der kirchen verendern und hinweg thuen, und in ain oder in anderm weg nit mer prauchen. Stattdessen übersandte der Rat eine evangelische Postille, nach der [sc.] die Konventualen predigen, Ehen einsegnen und Taufen spenden sollten.135 Augsburg entsandte über vergleichbare Maßnahmen136 hinaus Wolfgang Musculus und Hans Held zu Unterweisung und Predigt nach Wettenhausen und Edelstetten - beide predigten dort ein einziges Mal und kehrten alsbald nach Augsburg zurück.137 Neben der Enttäuschung über die zurückhaltende Aufnahme ihrer evangelischen Predigt spielte hierfür der Mangel an geeigneten Prädikanten und damit die Notwendigkeit ihres effizienten Einsatzes gewiß eine entscheidende Rolle, denn der Augsburger Rat mußte gerade in diesem Jahr der Expansion zusätzliche Prediger aus Zürich und Basel rekrutieren.138 132 133 134
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Specker, Ulm, S. 131; Groll, Roggenburg, S. 100. Kießling, Musculus, S. 149. Schönhuth, Leben, S. 33; Hegauer, Leben, S. 49; A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 840; Nebinger, Pfarrer, S. 56f.; Wüst, Schertlin. Groll, Roggenburg, S. 100. - In das Benediktinerkloster Ochsenhausen, über das Ulm ebenfalls Schutz und Schirm ausübte, führte die Reichsstadt dagegen einen evangelischen Prädikanten aus Ulm ein (nach Geisenhof, Ochsenhausen, S. 79f., sei dieser Prädikant „unter dem Vorwande, nur der Ulmischen Schutzwache Gottesdienst zu halten," eingesetzt worden; Reiff, Ochsenhausen, S. 38). Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 425 Anm. 65. Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 398-402. Kießling, Musculus, S. 154; zum Predigermangel Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 396.
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Im Ulmer Territorium hatte sich bereits vor dem Krieg bei der Neubesetzung der Pfarrstellen der Mangel an qualifizierten Predigern gezeigt, 139 weshalb man vermutlich schon aus diesem Grund an eine Entsendung von Prädikanten in das besetzte Gebiet nicht dachte. Dieselbe Vermutung kann verständlich machen, weshalb es auch unter den anfänglich günstigen Konstellationen des Krieges nicht zur Bestellung eines evangelischen Prädikanten in Unterrohr kam. Daß der Ort zu dieser Zeit außerdem von Wettenhauser Konventualen versorgt wurde, deren Reformation j a eben die Reichsstadt Augsburg angestoßen hatte, mag vielleicht für die eigene Zurückhaltung mit eine Rolle gespielt haben. Kurz jedenfalls war die Zeit des Erfolgs und der Expansion für Ulm im Schmalkaldischen Krieg bemessen, mithin mochten mögliche reformatorische Initiativen Georg Besserers fur seine Herrschaft gar nicht mehr zum Tragen gek o m m e n sein: Zwischen der Anordnung des Rates, in Roggenburg und Ursberg die Messe abzutun und evangelisch zu predigen (1546 August 23), und seinem Auftrag an die Geheimen, Friedensverhandlungen mit dem Kaiser aufzunehmen (1546 Oktober 29), lagen gerade einmal zwei Monate. Zuvor hatte das kaiserliche Heer bereits Lauingen eingenommen und Teile des Ulmer Landgebietes durch Plünderungen und Brandschatzungen verwüstet. 1 4 0
2.3.3
Die konfessionelle Konsolidierung nach dem Schmalkaldischen Krieg und die Einführung der Reformation in Unterrohr
Nach der Unterwerfung der Reichsstadt unter den Kaiser (1546 Dezember 23) als einer der Gesandten vollzog Bürgermeister Georg Besserer den Fußfall vor Karl V. - verbot sich zunächst j e d e r Gedanke an eine Fortsetzung reformatorischer Politik, sowohl für den Rat als auch für seinen fuhrenden Repräsentanten. 1 4 1 Für immer verlor die Stadt ihre Schutz- und Schirmrechte über Roggenburg und Ursberg an Österreich bzw. die Markgrafschaft Burgau. 142 Erst Passauer Vertrag (1552) und vollends Augsburger Religionsfriede (1555) schufen f ü r Ulm neue politische und rechtliche Rahmenbedingungen zur Konfessionalisierung der Reichsstadt und ihres Territoriums - nunmehr in lutherischer Ausprägung. Die A n n a h m e der württembergischen Kirchenordnung (vorläufig
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W. Enderle, Ulm, S. 202. Zur Abkehr Ulms vom Schmalkaldischen Bund und seinem Separatfrieden mit dem Kaiser Specker/Weig, Reformation, S. 131 f. Zu Interim und Verfassungsänderung Fritz, Kirchengeschichte, S. 131-169; Hofer, Landgebiet, S. 174-186; Specker/Weig, Reformation, S. 222-228; W. Enderle, Ulm, S. 203f. Zu Roggenburg Groll, Roggenburg, S. 101; zu Ursberg Lohmüller, Ursberg, S. 72 und 261; Hofer, Landgebiet, S. 29; allgemein zum Übergang an Österreich Reden-Dohna, Reichsprälaten, S. 77.
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Fallstudien
1554, endgültig 1560) und das Wirken des Lutheraners Dr. Ludwig Rabus (15241592) als Superintendent seit 1556 markieren hierfür die wesentlichen Schritte:143 Nach siebenjähriger Pause berief der Rat im Juli 1554 wieder einen damals sechsköpfigen Ausschuß der Religionsherren, als deren „Wortführer" 144 Georg Besserer fungierte. Zu den Kompetenzen der Religionsherren zählten Jurisdiktion in kirchlichen Fragen, Anstellung und Besoldung der Geistlichen, Sorge für die Anlage von Kirchenbüchern und Aufsicht über den Verkauf von Büchern. Die Verordneten betrieben etwa das Verbot katholischer Predigt in der Barfüßerkirche bzw. die Beschränkung allein auf Verkündigung von Lesung und Evangelium, die Übernahme des württembergischen Katechismus, die Durchführung der lutherischen Ordnungen des Herzogtums und die Berufung des Lutheraners Ludwig Rabus zum Superintendenten.145 - Deutlich geht hieraus die Bedeutung Georg Besserers für die lutherische Konfessionalisierung Ulms hervor. Nach der Berufung von Ludwig Rabus setzten 1557 auch wieder die Visitationen im Ulmer Landgebiet - zunächst wollte man nur die Orte visitieren, wo ein E. Rat ohne Mittel die Oberkeit und den Kirchensatz hat - 146 ein, wo der Rat nun seine Rechte konsequent für eine Einführung der Reformation in die bislang katholisch verbliebenen Pfarreien nutzte.147 Als führender Religionsherr bzw. seit 1559 als Ratsälterer war Georg Besserer eingehend befaßt mit den juristischen und politischen Möglichkeiten der Reformation im Ulmer Territorium. Er fand dabei ähnliche rechtliche Rahmenbedingungen wie in seiner eigenen Herrschaft vor und mochte, vom Erfolg der reformatorischen Bemühungen im Landgebiet Ulms bestärkt, die Einführung der Reformation in Unterrohr in Erwägung gezogen haben. Daß mit Maximilian II. (Kaiser 1564-1576) ein dem Luthertum gegenüber konfessionell aufgeschlossener Herrscher148 Reichsoberhaupt werden würde - als neuerwählter römischer König hatte er im Dezember 1562 die Reichsstadt besucht mochte zudem entgegenstehende Bedenken überwinden helfen, wenngleich Kaiser Ferdinand I. noch bis 1564 amtieren sollte. Von grundlegender, wenn auch nicht beweisbarer Bedeutung mag dabei sein, daß religiöse Motive für Georg Besserer persönlich an Gewicht gewannen. Solche Motive wie auch der Wunsch, nicht nur die Heimatstadt, sondern auch den eigenen Ort konfessionell zu gestalten, mußten besonders dann zum Tragen kommen, wenn der Ortsherr vermehrt in Unterrohr residierte und der - in seinen Augen religiösen und kirchlichen Defizite gewahr wurde. Diese Zusammenhänge deutet 143
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Fritz, Kirchengeschichte, S. 169-206; Naujoks, Obrigkeitsgedanke, S. 162-170; Specker, Ulm, S. 147f.; Specker/Weig, Reformation, S. 228f.; W. Enderle, Ulm, S. 205-207. Naujoks, Obrigkeitsgedanke, S. 164. Naujoks, Obrigkeitsgedanke, S. 164-166. Fritz, Kirchengeschichte, S. 190 Anm. 72. Als Visitatoren fungierten bei der Visitation im Mai und Juni 1557 Georg Besserer bzw. Hans Krafft im Wechsel zusammen mit zwei Kirchenbaupflegern und Superintendent Rabus (S. 189f.). Naujoks, Obrigkeitsgedanke, S. 165; Endriß, Kirchenvisitationen, S. 9-12. Bibl, Frage; Bibl, Maximilian II., S. 69-105; Lanzinner, Zeitalter, S. 52f.
Unterrohr
137
Georg Besserer selbst in seiner ersten Supplikation an den Rat nach der Ausschaffung seines Prädikanten an, wenn er erwähnt, er habe den alten Burgstall in Unterrohr nit mit geringem costen aufgericht vnd erbawet, Damit mein Hebe hausfraw vnd Ich zu Zeiten vnser ergezlichait alda suechen vnnd haben mögen und unmittelbar daran anschließend dem Rat Rechenschaft über die Beweggründe gibt, die ihn zur Reformation des Dorfes veranlaßt hatten: Nachdem Ich aber Inn Zeit desselben Innhabens schmerzlich befunden, daß das arm volckh darinnen so gar Irrendt vnd vnwissendt gewesen, daß Sy von Gott, dem Almechtigen, vnd seinem hail igen wort gar wenig gewüst, Ja daß auch die alten, zu geschweigen der Jungen vnd kinder, nit recht betten künden, sein mein liebe hausfraw vnd Ich aus Cristenlichem Eifer vnnd daß die arme Irrende Schäfflin mit Gottes hilff vnd gnaden zu warer erkhanntnus seines hailigen worts gepracht vnd Inn der Leer vnnd Leben Christlich vnderwisen wurden, bewegt vnd verursacht worden, ain Christenlichen kirchen diener, wie wir vns desselben aus Gottlichem beuelch schuldig erkhennen, anzunemen vnd Inn daß kirchlin zu Ror [...] zuuerordnen.N9 Der göttliche Befehl zielte letztlich auf die Wahrnehmung von Verantwortung einer christlichen Obrigkeit für das Seelenheil der ihr anvertrauten Untertanen. Ausfuhrlich stellte diesen Zusammenhang der Ulmer Rat einige Monate später in einem Schreiben an Kaiser Ferdinand dar: Wettenhauser Konventualen - sie hatten Unterrohr als Filiale der ihrerseits dem Stift Wettenhausen inkorporierten Mutterkirche Ichenhausen zu versehen - hätten den Gläubigen nicht nur mit Irem onordenlichen, ergerlichen leben vnd wesen ein schlechtes Beispiel gegeben, sondern auch Glaubenswissen nur mangelhaft vermittelt, so daß die arme leut von dem alten oder newen Testament, von Prophetischen vnd Apostolischen schrifften nichts oder gar wienig wüsten vnnd sonderlich nit bericht vnd vnderwisen wurden, worauff Irer seelen seligkait beruwet vnd das sie derowegen auß diser weit wie das onuernunfftig vich abstürben.l5C Göttlichen Befehl und christlichen Eifer nennt, um es auf die gegebenen Stichworte zu reduzieren, Georg Besserer als seine (religiösen) Motive für die Einführung Anton Baurs als Prädikanten in Unterrohr. Es waren die nämlichen Motive, die die konfessionelle Politik des Rates und der Religionsherren legitimierten, aber es waren nicht die Argumente, die gegenüber Österreich verfangen konnten. Die Chancen auf eine dauerhafte Reformation des Dorfes lagen in den Möglichkeiten Georg Besserers, seinen Schritt juristisch und - mehr noch - politisch abzusichern.
149 150
T L A , K K W , Α/Ε, XIII/2, Nr. 1, undatiert (frühestens 1563 Juli 19, spätestens 1563 Juli 20). TLA, K K W , A/E, XIII/2, Nr. 1, 1563 September 20.
138
2.4
Fallstudien
Die konkurrierenden Rechtspositionen
Im Vorgehen der burgauischen Beamten gegen den lutherischen Prädikanten in Unterrohr sah Georg Besserer und mit ihm die Reichsstadt Ulm einen Verstoß zuuorderst wider des heiligen Reichs aufgerichten vnnd publicierten Religion vnndprophan friden,l5] der für ihn die Legitimationsgrundlage für eine Reformation des Dorfes darstellte. Die Argumentation zielte somit zunächst darauf ab, die Geltung der Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens (1555) für Georg Besserer und damit die Reichsstandschaft Georg Besserers (1), die Reichsunmittelbarkeit seiner Herrschaft Unterrohr (2) und die Verknüpfung des Jus reformandi mit der Ortsherrschaft (3) zu erweisen. (1) Zur Reklamation der Reichsstandschaft, die allererst das Reformationsrecht verbürgt (ARF § 15, Art 3),152 wurden drei alternative, unterschiedlich stichhaltige Argumente in der Kontroverse angeführt: die persönliche Reichsstandschaft Georg Besserers, die stellvertretende Wahrnehmung durch die Reichsstadt Ulm und - vgl. (2) - die Reichsstandschaft in bezug auf die Herrschaft Unterrohr. Geradezu die persönliche Reichsstandschaft Georg Besserers wird lediglich in einem Interzessionsschreiben Herzog Christophs von Württemberg an den burgauischen Landvogt postuliert, da ermellter Besserer von Rö. Kaisern vnd Khunigen lange Jam mit adenlichen freihalten begabt, Er sich deren auch weniger nit dann andere freye vom Adl des Schwäbischen Krais öffentlichen gebraucht. Aus diesem Grunde besitze Georg Besserer - hier bezieht sich das Schreiben ausdrücklich auf den Einschluß der Reichsritterschaft in die Bestimmungen des Religionsfriedens (ARF § 26, Art 13)153 - auch Anspruch auf das Ius reformandi.154 Dagegen widersprechen die Stellungnahmen des Ulmer Rates nicht glattweg der Auffassung Österreichs, daß Er, Pesserer weder ain Stanndt deß Reichs oder ainer von der Ritterschafft vnnd Adel, der dem heiligen Rö. Reich one mittel vnderworffen seye,'55 wäre, sondern modifizieren die eigene Behauptung dahingehend, daß Georg Besserer zwar, was seine Person anlange, Ulmer Bürger und also der Reichsstadt als Mediatgewalt nachgeordnet sei,156 jedoch Kaiser und 151
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156
Erstmals TLA, KKW, Α/Ε, XIII/2, Nr. 1, 1563 Juli 18, in der Folge immer wieder angeführt. Walder, Religionsvergleiche, S. 47f. Walder, Religionsvergleiche, S. 52. TLA, KKW, A/E, XIII/2, Nr. 1, 1563 September 9. TLA, KKW, A/E, XIII/2, Nr. 1, 1563 Juli 31. Zum Beweis fuhrt die oberösterreichische Regierung den Gerichtsstand Besserers an, gegen den in Erster Instanz nindert annderstwo dann vor denen von Ulm Klage gefuhrt werden müßte (StAA, VÖ, Lit. 648, 1566 Mai 25). Daran änderte freilich auch die kaiserliche „Declaratio sive confirmatio" des Adels der Besserer von 1552 (Kap. Β. I. 2. Anm. 80) nichts. Vgl. TLA, KKW, A/E, XIII/2, Nr. 1, 1563 September 20.
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Unterrohr
Reich vnnder vnns [der Reichsstadt Ulm], als ainem Reichsstannd, so wol als anndere freye vom Adel fur sich selbs gethon, gesteurt vnd gedient hette:1'1 Die Reichsstandschaft, die Voraussetzung fur eine Wahrnehmung von Rechten aus dem ARF ist, behauptet die Reichsstadt mit anderen Worten anstelle Georg Besserers wahrnehmen zu können. Aus der Perspektive burgauischer Landeshoheit läuft dies juristisch auf die Behauptung einer reichsstädtischen Mediatgewalt für die Besserer-Herrschaft Unterrohr hinaus, der von österreichischer Seite prompt widersprochen wird: Der Ort befinde sich In hochgedachter Kay.Mt.
Furstenthumb der Marggrafschafft Burgaw one alles mittel.l58 (2) Die modifizierende Einschränkung, Georg Besserer besitze zwar nicht persönlich die Reichsstandschaft, jedoch sei er souil sein Flecken vnd sitz Ror anlanngt,
E.Kay.Mt. als Rhömischen Kaiser vnd dem hailigen Reich one mite/ vnderworffen,159 stellt einen zweiten Argumentationsstrang dar, welcher das Ius reformandi letztlich durch die Unmittelbarkeit einer Herrschaft zum Reich, nicht ihres Inhabers, zu begründen sucht. Zwangsläufig müssen damit die Rechtsansprüche der Markgrafschaft Burgau zurückgewiesen werden. Unterrohr sei ain frey Edlmans
guet und dem hay. Rom. Reich mit seinem aignen Gericht, Zwing vnd benden [!] one alles mittl vnderworffen vnd der hochgedachten Marggrafschafft mit Pflichten, diensten, steuren, Raysen oder Inn ainich andere weg (dann souil bemelte Maleficia vnd also die hohe, Jedoch Limitierte Oberkhait anlangt) mit nichten, sonnder allain dem hailigen Reich, wie andere gefreyte Edelmans gueter verwandt vnd zugethan.]60
Konkret sei die Reichweite der burgauischen hohen Ob-
rigkeit beschränkt auf die vier Maleficien (mord, brand, todschlag vnd diebstall), darumb man ainen vom leben zum todmag richten lassen."'1 (3) Selbstverständlich blieb auch diese Einschätzung von österreichischer Seite nicht unwidersprochen: Unterrohr sei weder Furstenthumb noch Lanndt, vielmehr sei es die vnwidersprechlich warheit, daß der Ort Irer Mt. alß Marggrafen zue Burgaw mit aller Lanndsfurstlichen vnnd hohen obrigkhait vnnderworjfen sei. 157 158
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TLA, KKW, Α/Ε, XIII/2, Nr. 1, 1563 September 20. TLA, KKW, A/E, XIII/2, Nr. 1, 1563 Juli 31. - Der Anspruch, den die Stadt dabei ihrerseits auf das Ius reformandi erhob, beruhte auf der Annahme, daß der vilgemelt Religion Friden vnd Reichs abschidt sich nit allain vff Churfursten, Fürsten oder Furstmessigen, sonnder auch vff die vom Adel vnd die mindern Stennde erstrecke (TLA, KKW, A/E, XIII/2, Nr. 1, 1563 September 20), also die Reichsstädte mit einbegreife. Denn explizit erwähnt werden diese allein im Städteartikel des ARF (§ 27, Art. 14), der zwar die Verhältnisse in bikonfessionellen Städten regelt, sich aber über ein Reformationsrecht der Reichsstädte ausschweigt. Dementsprechend kontrovers wurde ihre Qualifikation zum Ius reformandi in der zeitgenössischen Jurisprudenz diskutiert (Pfeiffer, Religionsfrieden, S. 271-276; Ruthmann, Religionsprozesse, S. 469f.). TLA, KKW, A/E, XIII/2, Nr. 1, 1563 September 20. TLA, KKW, A/E, XIII/2, Nr. 1, undatiert (frühestens 1563 Juli 19, spätestens 1563 Juli 20). TLA, KKW, A/E, XIII/2, Nr. 1, 1563 September 20.
140
Fallstudien
Besserer verfüge dort auch nicht über Herrschafft oder dergleichen Lanndsfurstliche hohe ober Recht vnd gerechtigkhait, die ihn zur Ausübung eines Reformationsrechtes befähigen würde.162 Innerhalb des Ulmer Rates scheint die österreichische Rechtsposition einer Koppelung von Hochgerichtsrechten und Ius reformandi akzeptiert zu werden, wenn der Rat den hauptstrit darin sieht, ob der fleckh Ror mit der landtsfurstlichen vnd hohen oberkait der marggrafschafft Burgaw zugehörig oder dem hailligen Reich one alles mittel vnderworffen [sei], allso das durch erledegung diß punctens, auch der stritt, souil enderung der Religion betrifft, erörtert seye.'63 In der Argumentation gegenüber Österreich vertritt die Stadt im Widerspruch dazu den Standpunkt, daß nach Bestimmung des ARF - soviel würden die deßwegen gehapte νilfeltige disputationes erweisen - der Stannd, welchem In einem fleckhen die nidergerichtlich oberkait vnd was der selbigen anhenngt, zugehörig, die Religion seines gefallens [...] endern vnd anrichten mög, ongeacht wem die hohe vnd landtsfurstliche oberkait an demselben ort gebure,164 Mit anderen Worten, selbst wenn sich die Markgrafschaft Burgau im Besitz der ihr von Ulm denegierten landesfürstlichen und hohen Obrigkeit über Unterrohr befände, könne dies nichts am Ius reformandi des Ortsherren Georg Besserer ändern. Eine besondere Schwierigkeit für die Reformation in Unterrohr ergab sich aus der Zuordnung kirchlicher Rechte, denn der Ortsherr befand sich nicht selbst im Besitz des Patronatsrechtes für die Kirche St. Wolfgang - ein Umstand, den die österreichische Seite in der Auseinandersetzung übrigens nicht als Argument heranzog. Als Filiale der dem Stift Wettenhausen inkorporierten Pfarrei Ichenhausen wurde der Ort von Augustinerchorherren geistlich versorgt.165 Den - ursprünglich kirchlichen - Zehnt dagegen hatte Georg Besserer 1556 in einem Tauschgeschäft mit Wettenhausen erwerben können.166 Dem möglichen, aber tatsächlich offenbar nie erhobenen Vorwurf, er eigne sich zur Besoldung seines Prädikanten pfarrliches Einkommen an, über das ihm nicht zu verfügen zukomme, begegnete Besserer vorsorglich mit dem Hinweis, er sei zwar durchaus der Ansicht, daß solche ministeria von der Kürchen vnd Pfarren zu Ichenhausen Rent, Zinß, Gult, Zehendten vnd annderm einkomen unterhalten werden müßten. Dennoch hab er doch derselben Pfarr oder Jemands anndern deßwegen an sei-
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TLA, KKW, Α/Ε, XIII/2, Nr. 1, 1563 Juli 31. StaAU, RPr, Nr. 28, 1563 November 17, fol. 659a v ; vgl. StaAU, Ratsdekrete, A 1826, Bl. 10. TLA, KKW, A/E, XIII/2, Nr. 1, 1563 September 20. Kap. Β. I. 2. Anm. 7. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 405. Der Zehnt wurde schließlich zunächst 1571 weiter an Wettenhausen, dann 1574 an den Deutschen Orden veräußert (S. 193, 317f.).
Unterrohr
141
nem einkomen nichts entziehen wollen, sonnder von seinem aignen gutt ain nambhaffte summ gelts zu vnderhaltung derselben ministerien gewidmet.167
2.5
Die politischen Optionen Georg Besserers und der Reichsstadt Ulm
Die Position, die Georg Besserer - wie schon sein Vater Bernhard - über Jahrzehnte hinweg in der Ulmer Politik eingenommen hatte, zuletzt seine Führungsstellung in der reichsstädtischen Hierarchie als Ratsälterer, versuchte er im Konflikt mit der Markgrafschaft Burgau zu nutzen, indem er den Rat der Stadt nicht nur als gewichtigeren Fürsprecher seiner Sache in Anspruch nahm, sondern sich dessen Reichsstandschaft und sein daraus, wenn auch nicht unumstritten, hervorgehendes Ius reformandi gewissermaßen ,entlieh'. Hierin traf er sich mit der Argumentationslinie der Reichsstadt selbst. Die überragende Bedeutung Georg Besserers als Ratsälterer f ü r die Politik der Stadt trug zu dieser so weitgehenden Identifikation bei. Allerdings greift die Charakterisierung des Verhältnisses als einseitige Instrumentalisierung des Rates durch seinen Älteren zu kurz. Denn grundsätzlich barg die Reformation von Ulmer Bürgerbesitz außerhalb ihres Territoriums f ü r die Reichsstadt die „Möglichkeit, territorialrechtlich über die eigentlichen Landesgrenzen hinauszugreifen und ,Stützpunkte' in fremden Herrschaftsgebieten zu bilden", u m auf diesem W e g e „in fremden Herrschaftsbereichen Fuß zu fassen". 1 6 8 Konkret ermöglichte die Reformation 1 6 9 eines patrizischen Ortes der Reichsstadt solches „Fußfassen", indem sie dem Rat als S u m m u s episcopus 1 7 0 grundsätzlich erlaubte, gewisse Iura episcopalia wahrzunehmen. 1 7 1 Die Synode von 1537, als alle „rechtsabhängigen Flecken auch außerhalb der eigentlichen Landesgrenzen" - darunter die Orte Schnürpflingen, Reutti und Thalfingen, die sich im Besitz Ulmer Bürger befanden - einer Begutachtung unterzogen wurden, offenbart solche Ambitionen. 1 7 2 Unterrohr entsandte zu dieser Synode übrigens 167
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TLA, KKW, Α/Ε, XIII/2, Nr. 1, 1563 September 20; vgl. TLA, KKW, Α/Ε, XIII/2, Nr. 1, undatiert (frühestens 1563 Juli 19, spätestens 1563 Juli 20). Hofer, Landgebiet, S. 1 lf. Auch außerhalb reformatorischer Maßnahmen versuchte der Rat in dieser Zeit, „Rechtsansprüche über die Landesgrenzen hinaus auszudehnen und landesherrliche und grundherrliche Funktionen außerhalb des eigentlichen Herrschaftsgebietes wahrzunehmen". So forderte er etwa im Jahre 1532 auch in den Orten, die sich nicht im Ulmer Landgebiet, aber im Besitz Ulmer Bürger befanden, etwa in der Ehinger-Herrschaft Großkötz in der Markgrafschaft Burgau, die Entrichtung der Türkensteuer ein (Hofer, Landgebiet, S. 18f.). Wolf, Ordnung, S. 382-384; HRG, Bd. V, S. 81 f. Hofer, Landgebiet, S. 100-104, nennt als diese Rechte Ordination von Geistlichen, Verwaltung des Kirchengutes, geistliche Gerichtsbarkeit in allen geistlichen und weltlichen Angelegenheiten der Kleriker, Visitationsrecht und gewisse, vormals dem Bischof geleistete Abgaben (S. 100 Anm. 49); zur Verwaltung durch Pfarrkirchenbaupflegamt und Religionsamt Neusser, Territorium, S. 163-165. - Allgemein zum städtischen Kirchenregiment Schultze, Stadtgemeinde, S. 9-26. Hofer, Landgebiet, S. 121.
142
Fallstudien
ebensowenig wie die altgläubige Ehinger-Herrschaft Kötz einen Vertreter.173 Hinzu kommt aber auch der weite Bereich informeller Möglichkeiten einer durch übereinstimmende konfessionelle Ausrichtung verstärkten Bindung zwischen Stadt und Umland.174 Die Rede vom „territorialrechtlichen" Ausgreifen erfaßt freilich diese Formen der Stadt-Umland-Beziehung nicht hinreichend. 175 Könnte aus dieser Perspektive das Engagement des Rates für seinen Älteren nicht mehr nur als Gefälligkeitsdienst erscheinen, sondern umgekehrt die Einfuhrung der Reformation in Unterrohr rückblickend geradezu als Unternehmen der reichsstädtischen Politik, so müssen doch einige Einschränkungen deutlich artikuliert werden: Schon im Schmalkaldischen Krieg machte der Rat zwischen der reichsstädtischen Einflußsphäre und dem Bürgerbesitz der Besserer einen Unterschied: Weder der Ortsherr noch der Rat kümmerten sich damals erkennbar um Unterrohr, betrieben aber - wenigstens in Ansätzen - die Reformation der schütz- und schirmverwandten Prämonstratenserstifte Roggenburg und Ursberg. Die Einfuhrung der Reformation in Unterrohr war, welche Motive auch immer ihn dazu veranlaßt haben mögen, nach Auskunft der archivalischen Überlieferung nicht von der Reichsstadt initiiert, sondern vom Ortsherren Georg Besserer, während in den ebenfalls in der Markgrafschaft Burgau gelegenen und mit ihr strittigen patrizischen Orten Holzschwang 1532, Neuhausen 1535 und Reutti 1540 reformatorische Handlungen auf Initiative des Rates vorgenommen wurden.176 Im Engagement für die Reformationshandlung seines Älteren folgte der Rat der Stadt grundsätzlich den Vorschlägen und Anstößen Georg Besserers. Weiterreichende Überlegungen formulierte der Rat nicht. Dort, wo ein vom Älteren gefordertes weitergehendes Engagement des Rates - nämlich im Schwäbischen Reichskreis - für die Reichsstadt selbst Risiken bergen konnte, ist die Grenze der postulierten Interessenkonvergenz von Ortsherr und Reichsstadt markiert.
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Endriß, Synoden. Zu den Wechselbeziehungen zwischen Stadt und Land hinsichtlich der Reformation am Beispiel der Städte Memmingen, Nördlingen, Lauingen und Mindelheim Kießling, Stadt, S. 784-794. Zur Abgrenzung von Territorial- und Umlandpolitik Kießling, Umlandgefuge, S. 53. Hofer, Landgebiet, S. 18f.; zu Holzschwang und Reutti Eberle, Holzschwang, S. 55 Anm. 22: Ortsherr von Reutti und Holzschwang war Konrad Roth, Neuhausen gehörte Marx und Laux Gienger. Reutti sollte mit einem evangelischen Prädikanten versehen werden, den Neuhausern sollte der Besuch des evangelischen Gottesdienstes in Holzheim auferlegt werden, und in Holzschwang sollten die Bilder aus der Kirche entfernt werden.
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143
Nichtsdestoweniger macht bei aller notwendigen Differenzierung nicht nur die Position des Älteren in der Ratshierarchie, sondern auch der streckenweise Gleichklang der Interessen das Engagement der Reichsstadt für Georg Besserer plausibel: Nur in einem ersten Schreiben, unmittelbar nach dem Einfall burgauischer Beamter in Unterrohr, wandte sich Georg Besserer selbst an Landvogt und Rentmeister der Markgrafschaft und ersuchte um sofortige Freilassung des inhaftierten evangelischen Prädikanten.' 77 Alle weitere Korrespondenz mit der österreichischen Seite, mit burgauischen Oberbeamten, oberösterreichischer Regierung und Kaiser Ferdinand, führten formal Burgermaister vrtnd Rath zu Vlm.]:H Über die erste Supplikation Besserers an den Rat, in der er sich an seine Oberkhait um Rat, H i l f f , schütz, schirm vnd beistanndt wandte, 179 ließ die Stadt der herrn Rechtsgelerten bedenncken einholen 180 und entschloß sich 1563 Juli 20 zu einem Schreiben an Landvogt Hans Werner von Raitnau, dem die Supplikation beigegeben ist.181 Der unnachgiebigen Antwort des Landvogtes, die nicht an Georg Besserer selbst, sondern an Bürgermeister und Rat der Stadt gerichtet ist,182 ließ der Ratsältere kurz darauf eine zweite Supplikation an den Rat folgen, 183 die dieser als Kopien - wiederum unverzüglich zusammen mit einem eigenen Schreiben an den Landvogt 184 und die oberösterreichische Regierung weiterleitete. 185 Die weiteren Schritte Georg Besserers bzw. des Ulmer Rates zielten darauf ab, die Unterstützung Kaiser Ferdinands (1), der Stände des Schwäbischen Reichskreises (2), Herzog Christophs von Württemberg (3) sowie der burgauischen Insassen (4) gegen das Vorgehen der Markgrafschaft im konkreten Fall bzw. allgemein gegen ihre sich darin artikulierenden Ansprüche zu gewinnen. (1) Ein umfangreiches Schreiben an Kaiser Ferdinand von 1563 September 20 186 zeugt von den Erwartungen, welche die Reichsstände auch in Konflikten mit Habsburger Herrschern auf das Reichsoberhaupt setzen konnten. Dabei ist jedoch
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TLA, KKW, A/E, XIII/2, Nr. 1, 1563 Juli 18. Z.B. TLA, KKW, A/E, XIII/2, Nr. 1, 1563 September 20. TLA, KKW, A/E, XIII/2, Nr. 1, undatiert (frühestens 1563 Juli 19, spätestens 1563 Juli 20); vgl. StaAU, RPr, Nr. 28, 1563 Juli 19, fol. 525 v . StaAU, RPr, Nr. 28, 1563 Juli 20, fol. 526r: Der Rat beschloß die Übernahme eines Konzeptes von licentiat Schlibeck. - Es dürfte sich um Heinrich Schilbock (1530-1609, seit 1557 Ulmer Ratsadvokat) handeln; zu ihm Gänßlen, Ratsadvokaten, S. 263f., allgemein zur Gutachtertätigkeit der Ratsadvokaten S. 75f. TLA, KKW, A/E, XIII/2, Nr. 1, 1563 Juli 20. TLA, KKW, A/E, XIII/2, Nr. 1, 1563 Juli 21. TLA, KKW, A/E, XIII/2, Nr. 1, undatiert (frühestens 1563 Juli 21, spätestens 1563 Juli 23). TLA, KKW, A/E, XIII/2, Nr. 1, 1563 Juli 23. TLA, KKW, A/E, XIII/2, Nr. 1, 1563 Juli 23. Dem Schreiben an die Regierung ist auch die erste Supplikation Besserers beigegeben. TLA, KKW, A/E, XIII/2, Nr. 1, 1563 September 20. Abgefertigt nach Ratsbeschluß von 1563 September 17 (StaAU, RPr, Nr. 28, 1563 September 17, fol. 599 r ).
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zu bedenken, daß Kaiser Ferdinand zu diesem Zeitpunkt und noch bis 1564 selbst Markgraf von Burgau war. Das Schreiben legt eingangs die Herrschaftsrechte des Ortsherrn von Unterrohr - der Markgrafschaft komme dagegen nur die Gerichtsbarkeit über Mord, Brand, Totschlag und Diebstahl zu - dar und benennt die religiösen Motive, die Georg Besserer zur Reformation des Dorfes veranlaßt hätten. Neben eher aus evangelischer Perspektive hervorgehobenen Defiziten in der Bevölkerung hinsichtlich Schriftkenntnis und Gnadenverständnis - das die arme leut von dem alten oder newen Testament, von Prophetischen vnd Apostolischen schafften nichts oder gar wienig wüsten vnnd sonderlich nit bericht vnd vnderwisen wurden, worauff Irer seelen seligkait beruwet - werden auch Mängel in der pastoralen Versorgung des Dorfes erwähnt, die ebensogut aus katholischer Perspektive - also auch von seiten des Kaisers - Kritik erfahren konnten: Anstoß erregt zum einen die sittliche Lebensform der vikarierenden Wettenhauser Konventualen, die mit Irem onordenlichen, ergerlichen leben vnd wesen dem armen volck mit bösen exempeln [...] vorstunden;187 zum anderen - und hier argumentiert bemerkenswerterweise der Text innerhalb katholischer Vorstellungen systemimmanent - deren kerygmatische Nachlässigkeit oder Unfähigkeit, denn das geringe Glaubenswissen der Bevölkerung resultiere daraus, daß die Priester die lehr Irer Religion unzureichend vermittelten. Hervorzuheben ist diese Passage, weil hier weder juristisch noch mit theologischen Stereotypen argumentiert wird, sondern ernsthaft auf die Möglichkeit eines inhaltlich begründeten überkonfessionellen Konsenses zwischen Kaiser und Reichsstadt für eine Reformation des Dorfes abgestellt wird. Hieran schließt sich die Darlegung der eigenen Rechtsposition - Reichsstandschaft Ulms für Georg Besserer, Reichsunmittelbarkeit der Herrschaft Unterrohr, Verknüpfung des Ius reformandi mit der Ortsherrschaft, keine Aneignung (finanzieller) pfarrlicher Rechte - an, woraus sich die Geltung der Bestimmungen des ARF für Unterrohr ergebe. Einer Wiedergabe der österreichischen Einwände und einer nochmaligen Gegendarstellung folgt das Ersuchen, von der Markgrafschaft nicht weiter an der Reformation des Dorfes gehindert zu werden. Es handelt sich also keineswegs um einen rein apologetischen Text. Schon vor diesem Schreiben der Reichsstadt war der Kaiser über den Vorgang ausführlich informiert worden. Den bisherigen Schriftwechsel übermittelte ihm 1563 August 5 die oberösterreichische Regierung und wies die Ansprüche des Ortsherren auf ein Ius reformandi zurück. Obwohl also bislang noch keine reichsstädtische Intervention beim Kaiser erfolgt war, beabsichtigte die Regierung, der kaiserlichen Majestät solches alles zeytlich zuberichten, damit Sy dessen ain gne187
Die pauschale Beurteilung von Faust, Prälatenorden, S. 678, „In Wettenhausen herrschte zu Beginn der Neuzeit eine hervorragende Zucht", steht der Einschätzung Kardinal Ottos entgegen, der im Juni 1570 eine Visitation des „völlig heruntergekommenen Chorherrnstifts" (Zoepfl, Bischöfe, S. 367 Anm. 971) anordnete; ebenso ausdrücklich zum „Verfall" der klösterlichen Zucht unter Propst Michael Schmid (1562-1571) A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 507-509; F. Mayer, Wettenhausen, S. 47f.
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digist vorwissen vnnd sich auch desto bas mit anntwort darauf gefast zemachen habe, falls es zu einer Parteinahme des Schwäbischen Reichskreises für Georg Besserer kommen sollte. 188 Auch für die österreichische Seite stellte somit das Reichsoberhaupt einen beachtenswerten politischen Faktor dar, dessen Zustimmung zur eigenen Position es sicherzustellen galt oder - anders gewendet - dessen Zustimmung man nicht von vornherein für über alle Zweifel erhaben hielt. Um so größere Bedeutung kam der ausdrücklichen kaiserlichen Rückendeckung für die österreichische Politik zu, so wenn ein Schreiben der Regierung in Innsbruck den Landvogt darüber beruhigt, daß Ir Kay. Mt. ob der darunder gepflognen handlung vnd denen von Ulm gethanen beantwortung ain Allergnedigists gefallen tragt.™ Zur befürchteten Parteinahme des Reichskreises' 90 für Georg Besserer kam es nicht. Zwar beschloß der Rat in seiner Sitzung von 1563 November 10, Bürgermeister, Geheime und Rechtsgelehrte sollten über das weitere Vorgehen v f f k u n f f tigem kraißtag oder in ander weg weitere Beratungen anstellen, 191 einer Bitte Georg Besserers in der Woche darauf um Rat, Hilfe und Beistand bei den Kreisständen, begegnete der Rat dagegen zurückhaltend: Wie glimpßig auch immer er die Angelegenheit vor dem Kreistag zur Sprache brächte, würde doch der herr als der Principal bey der Kay. Mt. vnd manigelichem verdacht erregen, vnd Ime derwegen aller vnglimpff vngnad vnd villeucht auch anndere beschwerden vfferlegt werden. So rät man Georg Besserer, seine beschwerden bey den Kraisstenden v f f diß mal einzustöllen.192 Als Bezugsgröße für die reichsstädtische Position erscheint auch hier namentlich das Reichsoberhaupt. Seit seiner Niederlage im Schmalkaldischen Krieg wurde Ulms Orientierung am Kaiser immer wieder deutlich: Im Fürstenkrieg von 1552 blieb die Reichsstadt auf seiten des Kaisers - belohnt wurden dafür 17 ihrer Patrizierfamilien, darunter die Besserer, mit der kaiserlichen Nobilitierung, 193 die Modifikation der karolinischen Verfassungsreform im Schwörbrief von 1558
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TLA, KKW, Α/Ε, XIII/2, Nr. 1, 1563 August 5: Dieweyl wir dann fürsorg tragen, Wey1 Er. Pesserer, bey den Schwebischen Krayß Stennden in guelem ansehen, ernennte Krayß Stennd möchten sich villeicht auf sein anbringen sein annemen vnnd zuerlanngung seines Vorhabens bey E. Mt. durch Fiirschrifften ansuechen thuen. StAA, VÖ, Lit. 648, 1563 September 27, fol. 8Γ. Zum Schwäbischen Reichskreis Langwerth von Simmern, Kreisverfassung; Bader, Kreis, S. 9-24; Laufs, Kreis; Jäger, Kreis; Dotzauer, Reichskreise, sowie mit einer prägnanten Zusammenfassung der Stellung und Politik Ulms im Schwäbischen Reichskreis Specker, Ulm, 179-182; zur Bedeutung und Funktion Ulms als Tagungsort der Kreistage Jäger, Kreis, S. 318f.; Specker, Tagungsort. StaAU, RPr, Nr. 28, 1563 November 10, fol. 652v. StaAU, RPr, Nr. 28, 1563 November 17, fol. 659a1; vgl. StaAU, Ratsdekrete, A 1826, Bl. 10.
193
Specker, Ulm, S. 138f.
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Fallstudien
geschah erst nach Billigung durch Karl V.,194 und noch 1562 leistete Ulm dem König und künftigen Reichsoberhaupt Maximilian II. den Gehorsamseid. 195 Pointiert sieht Paul Hofer die Religionspolitik des Rates nach dem Augsburger Reichstag von 1555 gar „ausschließlich beherrscht von der Notwendigkeit der Anlehnung an das Reichsoberhaupt". 196 Auf der anderen Seite fühlte man sich gegenüber dem Kaiser immer weniger an die konfessionelle Parität gebunden, zu der Ulm durch den Augsburger Religionsfrieden „formell und politisch" zwar verpflichtet war,197 hinsichtlich des katholischen Glaubens allerdings mit Beschränkungen, die bereits den Status quo des Jahres 1555 darstellten.198 Eine Ermahnung Kaiser Ferdinands I. von 1559, den Katholiken die Predigt zu gestatten,199 konnte die Reichsstadt mit Verweis auf diese Rechtslage einfach „unbeachtet" lassen.200 Wie ist diese Ambivalenz zu erklären? Die gegenüber Georg Besserer formulierten Bedenken des Rates, eine Befassung des Schwäbischen Reichskreises mit der konfessionellen Kontroverse um Unterrohr könne den Kaiser ungnädig stimmen, weisen hin auf eine Abwägung politischer Prioritäten in Ulm: Die Stadt wollte keinen grundsätzlichen Zweifel an ihrer Reichs- und Kaisertreue aufkommen lassen. Wenn es aber dennoch in konfessioneller Hinsicht zu Konflikten mit dem Reichsoberhaupt kam, war die juristische Position Ulms innerhalb der Reichsstadt durch den ARF gut begründet. Das galt nicht für einen Patrizierbesitz wie Unterrohr, zumal der Konflikt mit Habsburg hier direkt auszufechten war. Um mit desto größerer Freiheit und Entschiedenheit, unbehelligt von kaiserlichen Eingriffen und Störungen die Reichsstadt selbst und ihr Territorium der Reformation zuführen zu können bzw. durch eine konfessionelle Parität nicht „die volle Regierungsgewalt" über ihre Stadtgemeinde zu verlieren,201 konnte es dabei klug erscheinen, gefährdete , Außenpositionen' aufzugeben.
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Specker, Ulm, S. 139f. Naujoks, Obrigkeitsgedanke, S. 166f. Hofer, Landgebiet. Naujoks, Obrigkeitsgedanke, S. 162-170, Zitat S. 163. Specker, Ulm, S. 150. Vgl. die Formulierung des ARF-Textes, es solle, wo beide Religionen nebeneinander im gang und geprauch gewesen, also - das könnte für Ulm heißen: mit den bereits wirksamen Einschränkungen des katholischen Gottesdienstes - auch in Zukunft bleiben (Walder, Religionsvergleiche, S. 53), sowie die Interpretation bei Bonin, Bedeutung, S. 48, als „im Gang und Gebrauch" sei jedoch nur eine Religion anzusehen, „wenn sie das später sogenannte Exercitium publicum hatte, Duldung oder auch private Uebung genügte nicht". - Für Ulm ist die juristische Kontroverse dargestellt bei Pfeiffer, Religionsfrieden, S. 283f. Ausführlich zu den Auseinandersetzungen um die katholische Predigt in Ulm P. Lang, Minderheit, S. 124-127. Specker, Ulm, S. 150. Vgl. auch die ganz ähnlichen Reaktionen des Rates auf die Forderungen einer kaiserlichen Kommission 1569 und 1571 zur Restitution des Gottesdienstes in der Barfüßerkirche (P. Lang, Minderheit, S. 110-112). Naujoks, Obrigkeitsgedanke, S. 155.
Unterrohr
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Da Georg Besserer nicht für seine Person Kreisstand war, hätte er seine Beschwerden als Ratsälterer der Reichsstadt vortragen müssen. Der Rat befürchtete negative Konsequenzen aus der Identifikation von Ratsälterem und Reichsstadt; soviel läßt sich aus der Formulierung erschließen, Besserer würde als der Principal, also in seiner Funktion als Führer der reichsstädtischen Politik, möglicherweise Nachteile erfahren. Damit ist der Punkt bezeichnet, an welchem das persönliche Interesse Georg Besserers und das der Reichsstadt zu divergieren begannen: Die Stadt war nicht bereit, wegen der Reformation der Herrschaft Unterrohr einen schwer zu kalkulierenden Konflikt - umschrieben als vnglimpff, vngnad vnd villeucht auch anndere beschwerden - mit dem Kaiser zu riskieren. Deutlich wird sowohl aus der Aufnahme direkten Kontaktes zum Kaiser als auch aus den Überlegungen zur Einbeziehung des Reichskreises in den Konflikt, wie stark die reichsstädtische Politik nach wie vor am Reichsoberhaupt orientiert war, dem man einerseits offenbar die Parteinahme für eine reformatorische Stadt und ihren Ratsälteren zutraute, dessen Mißmut auf sich zu ziehen man andererseits peinlich vermeiden wollte. (2) Vor einer Befassung des Reichskreises mit dem Konflikt im Rahmen eines Kreistages schreckte Ulm aber auch aus ganz anderen Erwägungen zurück, welche die Funktionsfähigkeit der Kreisorganisation im Blick hatten. Die Stände des Schwäbischen Reichskreises - auch dessen nachmals so bezeichnete kreisausschreibende Fürsten, der Bischof von Konstanz und der Herzog von Württemberg - waren konfessionell gespalten.202 Unter den Reichsstädten stellten dabei zwar 202
Jäger, Kreis, S. 286-292; eine Auflistung der Kreisstände bei Dotzauer, Reichskreise, S. 143f. - Das Augustinerchorherrenstift Wettenhausen, dessen pfarrliche Rechte in Unterrohr in Widerspruch zur Einfuhrung eines Prädikanten durch Georg Besserer standen, gehörte zum Zeitpunkt dieser Auseinandersetzung 1563 noch nicht dem Schwäbischen Reichskreis an. Das Stift steuerte seit 1533 zum Kanton Donau der Reichsritterschaft (A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 501 f.), der seinerseits dem Schwäbischen Kreis fernblieb (Laufs, Kreis, S. 432-442; Dotzauer, Reichskreise, S. 142). Der Augsburger Reichstag (§ 129 des Abschiedes) löste aber 1566 April 30 (StAA, Kl. Wettenhausen MüB 1, IV, 461495 passim; Α. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 502, 507 Anm. 71; Fried, Klosterstaatlichkeit, S. 431; Wüst, Günzburg, S. 177) das Stift aus dem Reichsritterschaftsverband. Unklar scheint allerdings, zu welchem Zeitpunkt Wettenhausen zuerst einen Kreistag besuchte: unmittelbar nach dem Reichstagsbeschluß von 1566 (so Wüst, Günzburg, S. 177), 1572 (so dezidiert Stiftsarchivar Werner Gall in seinem , Historisch-diplomatischen Unterricht von der uralten Reichs-Immedietät und Standschaft des Stifts und Gotteshauses in Wettenhausen' (1782), StAA Kl. Wettenhausen MüB 4, 1. Teil, 166f.: das Stift sei in besagtem Jahr 1572 im August Monath das erste mal zu dem Schwäbischen Creys gezogen worden und so fort weiters erschienen) oder erst 1575 (Wohlhaupter, Reichsprälaturen, Nr. 7, mit Bezug auf das Werk des Rother Prämonstratensers Held, Staatsrecht, 1. Teil, S. 103f.; ebenso - mit Angabe der Quelle - Böhme, Kollegium, S. 289). Weiterer Klärung bedarf dann die Frage, weshalb das Reichsstift in einem Verzeichnis der Stände des Schwäbischen Kreises', das der Bischof von Konstanz 1625 Juni 25 Erzherzog Leopold übermittelt, nicht aufgeführt wird (TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. II, Lg. 1, Nr. 23). Auch Dotzauer, Reichskreise, S. 144, nennt Wettenhausen nicht unter den seit 1555 hinzugetretenen Kreisständen.
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Fallstudien
die protestantischen mit 14 gegen 11 katholische und 6 paritätische Städte die größte und bedeutendste Gruppe,203 doch verfügten die katholischen Kreisstände insgesamt - alle geistlichen und weltlichen Fürsten mit Ausnahme Württembergs und Badens, alle Prälaten und alle Grafen außer Eberstein - 204 über die Mehrheit der untereinander rechtlich gleichgestellten (Viril-)Stimmen, nämlich etwa vier Fünftel der Kreisvoten. Dabei befanden sich zwei Drittel des Kreisgebietes im Besitz katholischer Kreisstände und war mit rund 55 Prozent die Mehrheit der Kreisbevölkerung katholisch.205 Gleichwohl war eine Majorisierung in religiösen Angelegenheiten ebenso wie im Reichstag nicht möglich.206 Selbst die katholischen Stände scheuten sich, wie die 1562 aus Rom übersandte „Resolutionsschrift" Kardinal Ottos von Augsburg zeigt,207 Religionsangelegenheiten vor dem Kreistag zu entscheiden. Winfried Dotzauer fuhrt dieses Verhalten „quer zu den Konfessionsfronten" auf ein generelles „Mißtrauen der schwäbischen Stände vor dem Hineingezogenwerden in neue Verbindlichkeiten von Bündniskonstellationen" zurück.208 Herbert Jäger macht für diese, auch von ihm - jedenfalls bis in die 1580er Jahre hinein - 209 konstatierte „Zurückhaltung in der Behandlung konfessioneller Fragen" die Erfahrung des Scheiterns des Schwäbischen Bundes verantwortlich, der nicht zuletzt an der Glaubensfrage zerbrochen war.210 Ein erster Versuch im Jahre 1559, konfessionelle Streitigkeiten vor dem Kreis auszutragen, scheiterte: Für die Beschwerden einiger weltlicher Stände gegen den Abt von Weingarten - beide Parteien waren Stände des Schwäbischen Reichskreises wegen eines im Kern konfessionellen Konfliktes hielt sich die Mehrzahl der geistlichen wie weltlichen Kreisstände nicht für zuständig und verwies die Kläger an das RKG. Gerade Ulm lehnte damals die Befassung des Kreises mit der Angelegenheit aus Sorge vor einem Zerwürfnis zwischen den Ständen ab.211 Allerdings betraf der Streit ausschließlich Kreismitglieder. In der Auseinandersetzung Georg Besserers bzw. der Reichsstadt Ulm wegen des Einfalls burgauischer Beamter bzw. um das Ius reformandi in Unterrohr wäre der Schwäbische Reichskreis gar nicht als Richter zwischen den Kreisständen angerufen worden, da die Markgrafschaft Burgau nicht Mitglied des Schwäbischen, sondern des Österreichischen
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Jäger, Kreis, S. 285. Jäger, Kreis, S. 285. Die Zahlen gibt Dotzauer, Reichskreise, S. 144f., für die Zeit um 1700 an. Zur viritimen Abstimmung S. 144; HRG, Bd. IV, S. 684. Dotzauer, Reichskreise, S. 145. Die Schrift will Religionssachen nicht vor dem Kreistag oder ständischen Schiedsgerichten, sondern vor dem RKG verhandelt wissen (Laufs, Kreis, S. 327); vgl. Dotzauer, Reichskreise, S. 161. Zur Kreispolitik Kardinal Ottos Zoepfl, Bischöfe, S. 325f., 418-420. Dotzauer, Reichskreise, S. 161. Zur Zunahme konfessioneller Konflikte innerhalb des Schwäbischen Reichskreises Jäger, Kreis, S. 283f„ 289-294, 314f. Jäger, Kreis, S. 283. Jäger, Kreis, S. 286f.
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Reichskreises war. 212 Vielmehr hätte die Funktion des Kreises wohl allein darin bestehen können, der Position des Ortsherren gegenüber dem habsburgischen Inhaber der Markgrafschaft größeren Nachdruck zu verleihen bzw. beim Kaiser f ü r ihn Partei zu nehmen. Daß die Stadt den Kreis „ausdrücklich mit diesem Problem verschonen wollte", 213 lag hier also zum einen an den befürchteten Folgen kaiserlicher Opposition, die eine derartige ,Instrumentalisierung' des Kreises zur Folge gehabt hätte. Z u m anderen kann es - jedenfalls für die hier in Frage stehende Zeit - trotz aller gegenteiligen Versuche gerade kleinerer Kreisstände 2 1 4 als Handlungsmaxime des Schwäbischen Reichskreises gelten, sich im Blick auf seine Funktionstüchtigkeit „vor rechtlich wirksamen Entscheidungen gegen die eine oder die andere Konfession" zu hüten. 215 An dieser pragmatischen Politik hatte gerade Ulm, das als größte unter ihnen die meisten Stimmen der evangelischen Reichsstädte auf den Kreistagen vertrat, 216 maßgeblich Anteil. Die als höfliche Weigerung zu interpretierenden Bedenken des Rates gegen Georg Besserers Überlegungen, den Reichskreis in seinen Streit zu ziehen, fügen sich damit ganz ein in die traditionelle Linie reichsstädtischer Kreispolitik, „im allgemeinen eine sachgerechte Entscheidung über das konfessionelle Prinzip" zu stellen. 217 An diesem Punkt trug die Interessenkonvergenz zwischen der Reichsstadt und ihrem Älteren nicht weiter: Die Vorstellungen Georg Besserers waren hier mit den Zielen reichsstädtischer Politik nicht mehr vermittelbar. Möglich war es dagegen, den spezifisch konfessionellen Konflikt allgemeiner zu fassen und damit überkonfessionell konsensfähig zu formulieren. Auf diese Weise fand er Eingang in eine gemeinsame Beschwerde der schwäbischen Kreisstände auf dem Augsburger Reichstag 1566. Die Stände beklagten sich dabei vor dem Kaiser nicht nur über newerung und extension österreichischer Herrschaftsausübung in der Landvogtei Schwaben, sondern auch über aller hand beschwerliche newerung, die sie seit Wiederauslösung der Pfandschaft durch den burgauischen Landvogt zu erleiden gehabt hätten. 218 Die beiden Supplikationen der Kreisstände an Kaiser und versammelte Reichsstände nehmen auf die Ereignisse in Unterrohr zwar nicht explizit Bezug, doch begreift Ulm seine Klagen zweifellos in diesem Kontext. - Das Vorgehen ist im übrigen auch ein weiteres Beispiel 212
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Zum österreichischen Reichskreis Dotzauer, Reichskreise, S. 381-389; speziell zur Mitgliedschaft der Markgrafschaft Burgau A. Schröder, Verhältnisse, S. 159; das Problem unterschiedlicher Kreiszugehörigkeiten benachbarter Stände erwähnt auch Jäger, Kreis, S. 161. - Versuche Erzherzog Ferdinands, nach der österreichischen Exekution gegen Konstanz 1548 als auswärtiger Fürst für die annektierte Stadt im Schwäbischen Reichskreis Fuß zu fassen, wurden von den schwäbischen Kreisständen abgelehnt (S. 150f.). Jäger, Kreis, S. 287. Jäger, Kreis, S. 287f. Jäger, Kreis, S. 288. Jäger, Kreis, S. 290. Jäger, Kreis, S. 290. StaAU, A 725, 1566 Mai 4, fol. Γ-2 ν .
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für die Versuche und Möglichkeiten einer Reichsstadt, mit Hilfe des Kreises Einfluß auf die Entscheidungen der Reichstage zu gewinnen, auf denen den Städten ja keine Virilstimme zukam. 219 Unterhalb dieser Schwelle der problematischen Indienstnahme einer „reichsverfassungsrechtlichen Institution"220 bemühte sich Ulm bzw. Georg Besserer indes durchaus um reichsständische Koalitionen. So unternahm Georg Besserer den Versuch, die Unterstützung der Reichsstände in seiner konkreten Auseinandersetzung mit der Markgrafschaft Burgau zu gewinnen und übergab auf demselben Augsburger Reichstag - ob als Ulmer Ratsälterer oder für seine eigene Person, bleibt offen - den Chur vnd Fürsten, auch Stennden der Augspurgischen Confession wegen der Ausschaffung seines Prädikanten eine Petition.221 Wenn auch eine Intervention der religionsverwandten Stände für Georg Besserer nicht aktenkundig wurde, zeigt doch die Reaktion der von Burgau unterrichteten oberösterreichischen Regierung, daß man Einreden der Reichsstände nicht einfach ignorieren zu können glaubte. Innsbruck fühlte sich immerhin bemüßigt, den burgauischen Beamten ein vorsorgliches Antwortschreiben mit einer umfangreicheren Darlegung der österreichischen Rechtsposition für Kaiser und Reichsstände zukommen zu lassen.222 Die Bemühungen Georg Besserers erhöhten mithin zumindest den Legitimationsdruck für die österreichische Seite. (3) Noch ehe man in Ulm daran dachte, Kaiser oder Kreistag mit der Angelegenheit zu befassen, erwog die Reichsstadt bereits zwei Wochen nach Beginn der Auseinandersetzung, sich an Herzog Christoph von Württemberg (1550-1568) 223 um Hilfe zu wenden. 224 Generell sollte sich die enge Zusammenarbeit Ulms mit Württemberg in den folgenden Jahrzehnten, gerade im Zeichen einer zunehmenden konfessionellen Polarisierung des Kreises, noch verstärken.225 Die Unterstützung Christophs erfolgte wenig später in Form eines im Ton aggressiven Schreibens an Landvogt Hans Werner von Reitnau, das sich die bekannten Argumentationsfiguren zu eigen macht, und vom Landvogt als Kopie mit der Bemerkung, man könne daraus ersehen, daß der Jerg Besserer vnd auf sein anstifften die statt Ulm nit feyrendt, sonnder denn Hertzog von Würtenberg In daß spill vermischendt, an die oberösterreichische Regierung weitergeleitet wurde.226 Von dort
219 220 221 222 223 224 225
226
Jäger, Kreis, S. 153f. HRG, Bd. IV, S. 682. StAA, VÖ, Lit. 648, 1566 Mai 25, fol. 294r. StAA, VÖ, Lit. 648, 1566 Mai 25, fol. 294r. Zu seiner Person und Regierung Maurer, Landesherr, S. 136-162. StaAU, RPr 28, 1563 Juli 20, fol. 526r. Vgl. die Beschreibung des Verhältnisses der beiden Nachbarn Ulm und Württemberg aus der Perspektive des bikonfessionellen Augsburg bei Jäger, Kreis, S. 298f., 309-314. TLA, KKW, Α/Ε, XIII/2, Nr. 1, 1563 September 9.
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gelangte es an Kaiser Ferdinand 2 2 7 zusammen mit der nach einem Innsbrucker Konzept abgefaßten Antwort des Landvogtes an Herzog Christoph. 228 Weitere Schreiben an den württembergischen Herzog - eine Dankadresse auf seine briefliche Intervention hin 229 und eine neuerliche Bitte u m Unterstützung 2 3 0 - ließ Ulm folgen. Jedenfalls in ihrem ersten Schreiben hatte die Reichsstadt den Herzog in seiner Funktion alls des Schwäbischen Krais Obersten Ampts erpetten verwallter angegangen - ein Z u s a m m e n h a n g , den Herzog Christoph seinerseits im Schreiben an den Landvogt nicht unerwähnt läßt - und ihn wie auch die Kreis- und Kriegsräte ersucht, über eine geeignete Reaktion nachzudenken. 2 3 1 Die Wirkung, die man sich in Ulm von einer Unterstützung des Herzogs von Württemberg erhoffte, beruhte also auf der einflußreichen Position, die er im Schwäbischen Reichskreis innehatte. O h n e förmlich den Reichskreis mit der Angelegenheit zu befassen, versuchte Ulm doch, auf solche Weise mit dieser Option zu drohen. (4) In seiner abratenden Antwort auf die Supplikation Georg Besserers, der Rat der Stadt möge sich seiner Sache im Reichskreis annehmen, formulierte das Grem i u m eine Alternative, von der es sich größeren Erfolg versprach: 2 3 2 Ausgehend von der konzisen Analyse, der hauptstrit der Auseinandersetzung um die Vertreibung des Unterrohrer Prädikanten beruhe darauf, ob der fleckh Ror mit der landtsfurstlichen vnd hohen oberkait der marggrafschafft Burgaw zugehörig oder dem hailligen Reich one alles mittel vnderworffen sei, Schloß der Rat, daß folglich durch erledegung diß punctens auch der stritt, souil enderung der Religion betrifft, erörtert seye. Da nun die Klärung dieser grundlegenden Frage das Interesse aller Insassen und Begüterten - einwoner vnd anstösser - der Markgrafschaft berühre, sei es ratsam, v f f solliche weg zugedencken, damit dise vnnd anndere beschwerden, von allen vnd Jeden einsassen beruerter Marggrafschafft oder doch dem mehrern thail derselben, als ain gemain werck verfochten wurde. In der Generalisierung des konkreten konfessionellen Streitpunktes sieht der Ulmer Rat also - hier sind die Parallelen zur Supplikation der Schwäbischen Kreisstände auf dem Augsburger Reichstag 1566 o f f e n k u n d i g - die Gelegenheit zur Solidarisierung über konfessionelle Grenzen hinweg und damit zur effektiveren Durchsetzung der eigenen Position. Rückhalt solle Georg Besserer durchaus suchen, zumal es sich um eine Angelegenheit handele, die zum einen weitleuff befürchten lasse, z u m anderen einem eintzig vßzufieren zu schwer vnd, wie ain Erbarer Rath dafür habe, schier vnmuglich sein werde. Doch solle eben nicht der Reichskreis als Forum für ein konfessionell kontroverses Einzelproblem gewählt
227 228 229 230 231 232
TLA, KKW, A/E, XIII/2, Nr. 1, 1563 September 30. TLA, KKW, A/E, XIII/2, Nr. 1, 1563 September 30 [!]. StaAU, RPr 28, 1563 September 15, fol. 595v. StaAU, RPr 28, 1563 November 10, fol. 652 v . Der Brief selbst ist nicht überliefert. TLA, KKW, A/E, XIII/2, Nr. 1, 1563 September 30. um folgenden: StaAU, RPr 28, 1563 November 17, fol. 659a v .
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Fallstudien
werden, sondern die Insassen der Markgrafschaft Burgau für ein mit ihnen konsensfähiges verfassungsrechtliches Grundanliegen. Die burgauischen Insassen formell mit der Vertreibung des Prädikanten von Unterrohr bzw. dem zugrundeliegenden hauptstrit zu befassen, unterließ jedoch Georg Besserer, ohne daß seine Gründe dafür bekannt wären. Eine Ursache mochte die bis dato mangelnde organisatorische Verfestigung der Insassen der Markgrafschaft Burgau gewesen sein, die sich erst 1569 mit dem Engeren Ausschuß ein Gremium gaben, das dem burgauischen Landeshoheitsanspruch gewissermaßen institutionell entgegentrat.233 Allerdings dürften die Schwebischen Kraiß Stennde, die sich 1566 Mai 4 auf dem Augsburger Reichstag in einer Supplikation an Kaiser und versammelte Stände wandten, um gegen die beschwerliche newerung zu protestieren, die ihnen der burgauische Landvogt zugefügt habe,234 wohl niemand anderen repräsentieren als die Insassen der Markgrafschaft Burgau. Zusammenfassend ist festzustellen, daß Georg Besserer bzw. die Reichsstadt Ulm generell größere Hoffnung setzte in eine Intervention einzelner Persönlichkeiten, des Kaisers selbst, aber auch Herzog Christophs von Württemberg. Demgegenüber traten mögliche Formen kollegial verstärkten Konfliktaustrags, mit Hilfe eines Kreistages oder auch der burgauischen Insassen, faktisch zurück, wenngleich sie in Erwägung gezogen und von der österreichischen Seite teils auch befürchtet wurden. Für den Reichskreis läßt sich die Aussparung konfessioneller Konflikte mit der Rücksichtnahme auf seine Funktionstüchtigkeit sowie der Sorge vor kaiserlichen Sanktionen erklären, während für die Insassen der Markgrafschaft zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung noch die formelle Organisationsform fehlte. Sie stellten jedoch schon vor der Etablierung von Ausschüssen einen Teil der Schwäbischen Kreisstände dar, als welche sie - auch unter Einschluß Ulms - ihre Anliegen gegenüber Österreich kollektiv formulieren konnten. Wie ist nun die Politik Ulms inhaltlich zu charakterisieren? Die evangelischen Untertanen von Lützelburg warfen 1605 ihrer Obrigkeit, dem Rat der Stadt Augsburg, kaum verblümt vor, in der Auseinandersetzung mit der Markgrafschaft Burgau um die Rekatholisierung Lützelburgs zu wenig Engagement und Durchsetzungsvermögen zu zeigen. Als Beispiel einer vorbildlichen Politik beschrieben die Untertanen dem Rat dagegen das Verhalten der Reichsstadt Ulm, die, wenn auch selbst in der Markgrafschaft gar nicht begütert, ihre burger vnd vnderthonen gehandhabt vnd sie also bey ihren Ober- vnd gerechtigkheiten bestendiglich erhallten habe, dermaßen, daß derselben statt in berüerter Marggraufschafft begüetteten burgern [...] nie die wenigst widerwertigkheit begegnet. Diesem löbli-
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Wüst, Adelskurien, S. 189f. und ausführlich zum Insassenausschuß Kap. A. 2. StaAU, A 725, 1566 Mai 4, fol. Γ-2 ν .
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chert exempel würde ihre Obrigkeit, also der Rat der Stadt Augsburg, ohne einige vnsere erinnerung - also nicht - nachfolgen. 2 3 3 Die Analyse der von Ulm w a h r g e n o m m e n e n politischen Optionen läßt ihre offensive Charakterisierung durch die evangelischen Untertanen von Lützelburg als inhaltlich keineswegs gerechtfertigt erscheinen. Vielmehr ist sie als rhetorische Figur zu deuten, welche die eigene Obrigkeit der Reichsstadt Augsburg zu noch weitergehendem Engagement im Sinne der evangelischen Lützelburger veranlassen sollte. Gerade im Blick auf die offensive und teils erfolgreiche Inanspruchnahme juristischer Optionen durch das bikonfessionelle Augsburg (Landsberger Bund, R K G ) erscheint die Politik des protestantischen Ulm - auch unter denselben reichspolitischen Rahmenbedingungen - vergleichsweise zurückhaltend und defensiv. Als Erklärung braucht hierfür nicht etwa ein unterschiedlicher politischer ,StiP der beiden Städte bemüht zu werden. Daß sich Augsburg wenigstens zeitweise partiell in Lützelburg durchsetzen konnte, verdankte es im wesentlichen seiner Mitgliedschaft im Landsberger Bund.
2.6
Die österreichische Politik
Der Einführung des evangelischen Prädikanten in Unterrohr begegnete die burgauische Verwaltung nach einer einmaligen M a h n u n g zum A b z u g sofort mit der aufsehenerregenden und gewalttätigen A u s s c h a f f u n g des Predigers. Den Vorgang schildert unter anderem 2 3 6 ein Schreiben von Bürgermeister und Rat der Stadt Ulm an Kaiser Ferdinand. Der Darstellung wurde von österreichischer Seite nicht widersprochen: Der Landvogt der Markgrafschaft Burgau sei [...] Sontags, den achtzehenden Julij nechstuerschinen durch den Landtamman vnd Landtknecht zu Burgaw mit zwayunduierzig gewerter Personen zu Roß vnd Fuoß gantz vnuerwarnedter Sachen vnd eben der zeit, wie das arm volckh In der Kirchen gewesen, In denselben seinen [des Georg Besserer] Flecken gewalttetiger weiß mit ainem grossen tumult gefallen, die Kirchen angeloffen, darein geschoßen, ain thur In der Kirchen zertrümmert vnd vffgestossen, In die Kirchen hinein getrungen vnd daselbst denselben Predicanten angefallen, gefenglich hingefüert, auch vnder solchem tumult vil schwanger vnd anndere weiber, auch alte, erlebte menner, das sie zu boden gefallen, erschreckt, auch ain Junges Kind dermassen gestossen vnd getretten, das seines lebens zubesorgen.23' Ins Auge springt zunächst die militärisch unangemessene Dimension des Eingriffs: 42 Bewaffnete, teils zu Pferd, stehen der nichtsahnend zum sonntäglichen Gottesdienst in der Kirche versammelten und vermutlich unbewaffneten Gemein235 236
237
StaAA, HA, III, 31, Nr. 190, 1605 September 1. Daneben auch erstmals in der undatierten ersten Supplikation Georg Besserers an den Rat der Stadt Ulm (TLA, K K W , Α/Ε, XIII/2, Nr. 1). T L A , K K W , A/E, XIII/2, Nr. 1, 1563 September 20.
154
Fallstudien
de gegenüber. Teilweise aus sachlichen Erfordernissen heraus zu begründen ist der überfallartige Charakter des Vorgangs aus dem Bemühen, eine vorzeitige Flucht des Prädikanten zu verhindern. Gleichzeitig konnte man durch die Wahl des Sonntags davon ausgehen, den Prädikanten auch tatsächlich im Dorf anzutreffen. Dies wird deutlich aus dem Tadel der Regierung, den ein Eingriff der burgauischen Beamten gegen den lutherischen Schulmeister in Unterrohr vier Jahre später unter anderem deswegen erfährt, weil die Landvogtknechte entgegen einem ausdrücklichen Befehl nit [...] an ainem Sontag oder Feyrtag, da Sy gewisse Kundtschafft gehabt, daß der Schuelmaister die Predig halt, sounder an ainem werchtag daselbst zu Ror eingefallen™ Dabei aber wählten die burgauischen Beamten für die Ausschaffung des Prädikanten eine besonders öffentlichkeitswirksame und auch symbolträchtige Form. So wurde die gesamte Dorfgemeinde Zeuge ihrer Exekutionshandlung, die genau dort ansetzte, wo sich der theologische Dissens der Konfessionen an zentraler Stelle manifestierte: in der Feier des Gottesdienstes. Worin aber lag die Funktion des so gestalteten Auftritts, wenn nicht in militärischer Absicherung? Der Einfall der burgauischen Beamten in Unterrohr zielte zunächst auf seine Wahrnehmung durch die Bevölkerung des Ortes. Militärische Stärke und Präsenz des habsburgischen Landesherrn im Dorf, mithin sein Wille und seine Fähigkeit, Herrschaftsrechte wahrzunehmen, wurden ihr handgreiflich' vor Augen geführt. Herrschaftliche Gewalt, die man nicht erfährt, die niemand sieht noch hört, ist keine Herrschaft. Umgekehrt ist die demonstrative Präsenz herrschaftlicher Gewalt Voraussetzung für die Anerkennung von Herrschaft und ihre Legitimierung durch die Untertanen. Die Markgrafschaft Burgau wollte offensichtlich auch und gerade in den Augen der Untertanen als landeshoheitlicher Herrschaftsträger gelten, und zwar in erfolgreicher Konkurrenz zum Ortsherren von Unterrohr.239 Die Gewaltsamkeit, mit der die Ausschaffung des Prädikanten in Unterrohr vor sich ging, dürfte darüber hinaus auch als Exempel-Pädagogik zu verstehen sein, 238 239
StAA, VÖ, Lit. 648, 1567 Juni 27, fol. 412v. Auf die Bedeutung der Visualisierung von Herrschaft für ihre Wahrnehmung (und Anerkennung) durch die Untertanen weist Alexander Schunka in seiner Analyse von Verhörprotokollen des RKG hin (Schunka, Wissen, S. 64). - Übergriffe und Mißbräuche der burgauischen Beamten mußten dabei den bei den Untertanen intendierten Eindruck legitimer Herrschaft konterkarieren. Als daher einige Jahre später burgauische Landvogtknechte gegen den evangelisch predigenden Schulmeister im Dorf vorgingen, wurden sie von der Regierung in Innsbruck dafür gemaßregelt, daß sie bei ihrem Einfall ins Dorf gelt vnndprot, welches Inen doch kains wegs geburt, mit Inen wegg genomen haben sollen, was die Räte ihrerseits nit guet haissen oder vertädigen khunden. Landvogt und Rentmeister wurden vielmehr dazu angehalten, den Landvogtknechten ein derartiges Verhalten zu untersagen. Das Entwendete sollten diese den Jhenigen, den Sy es genomen, wider zuestellen vnnd vberanntwurten. Freilich sollte durch die Vermeidung von Übergriffen auch sichergestellt werden, daß Georg Besserer sich, „daß was Lanndtsfridpruchigs gegen Ime oder den seinen gehanndlt, Rechtmessigerweiß nit zubeschweren habe (StAA, VÖ, Lit. 648, 1567 Juni 27, fol. 412v).
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die den A n w e s e n d e n augenfällig machen konnte, welche Folgen das Abweichen v o m alten Glauben mit sich bringe, und damit signalisierte, wie vorteilhaft es umgekehrt sei, den konfessionellen Vorstellungen des Landesherrn zu folgen. Gleichzeitig bezeugte die Entschiedenheit des Handelns und die Demonstration von Macht dem Ulmer Ortsherren deutlich den burgauischen Anspruch auf landeshoheitliche Rechte über Unterrohr, hier der Kirchenhoheit, und war dazu angetan, ihn von einer Machtprobe mit der Markgrafschaft Abstand nehmen zu lassen. Auch wenn Georg Besserer nicht selbst Zeuge des burgauischen Einfalls ins Dorf war, so mußte ihm das Vorgefallene doch unverzüglich in aller A u s f ü h r lichkeit hinterbracht worden sein. N o c h am selben Tag vmb 4 vr nachmittag wandte er sich mit seiner A n f r a g e an Landvogt und Rentmeister der Markgrafschaft Burgau. 240 Dabei war die oberösterreichische Regierung gegenüber Ulm bestrebt, den Eingriff in Unterrohr ganz als Initiative der burgauischen Verwaltung erscheinen zu lassen, was zumindest teilweise durchaus zutraf. Z w a r informierte Landvogt Hans Werner von Raitnau die oberösterreichische Regierung 1563 Juli 9 noch vor jeder Handlung über das Wirken des evangelischen Prädikanten Anton Baur im Dorf. 241 Der Juli 14 schließlich an ihn abgegangenen Anordnung, den Prädikanten vor sich zu fordern, ihm das Predigen zu verbieten und ihn des Ortes zu verweisen, 2 4 2 hatte er aber teilweise bereits vorgegriffen und Anton Baur schon Juli 10 durch den Vogt von H o c h w a n g vorladen lassen. 243 Da jener der Ladung nicht Folge leistete, kam es dann wenige Tage darauf zum Einfall burgauischer Beamter in Unterrohr und zur A u s s c h a f f u n g des Prädikanten. 2 4 4 Dieses Vorgehen ging über die im Innsbrucker Schreiben von Juli 14 e m p f o h lenen Schritte hinaus. Darin war dem Landvogt nahegelegt worden, im Falle Anton Baur den erwähnten Aufforderungen nicht nachkomme, solle er noch einmal dazu ermahnt werden und erst, so er alßdann vber solliche beschehne Verwarnung noch lenger alda verharren vndpredigen wurde, solle er g e f a n g e n g e n o m m e n und ausgewiesen werden. 2 4 5 Sehr wahrscheinlich - der Landvogt selbst behauptet dies gegenüber der Regierung - hatte man aber in Burgau den Eingang dieses Schreibens nicht einmal abgewartet. 2 4 6 Nichtsdestoweniger äußerte die Regierung wenig später - ein Protestschreiben U l m s hatte sie bereits erreicht 247 und war zurückge-
240 241 242 243 244 245 246 247
TLA, K K W , A/E, XIII/2, Nr. 1, 1563 Juli 18. StAA, V Ö , Lit. 648, 1563 Juli 14, fol. 5 Γ . StAA, V Ö , Lit. 648, 1563 Juli 14, fol. 5 Γ . TLA, K K W , A/E, XIII/2, Nr. 1, 1563 Juli 21 und 1563 Juli 23. TLA, K K W , A/E, XIII/2, Nr. 1, 1563 Juli 21 und 1563 Juli 23. StAA, V Ö , Lit. 648, 1563 Juli 14, fol. 5 Γ . TLA, K K W , A/E, XIII/2, Nr. 1, 1563 Juli 23. TLA, K K W , A/E, XIII/2, Nr. 1, 1563 Juli 23.
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Fallstudien
wiesen worden248 - gegenüber dem Landvogt ihr guet gefallen an seiner des Predicanten halben gepflognen Handlung.249 Daraus geht einerseits sehr deutlich hervor, wie weitgehend eigeninitiativ die burgauische Verwaltung unter Landvogt Hans Werner von Raitnau agierte. Andererseits kann es aber keinem Zweifel unterliegen, daß das konkrete Vorgehen der burgauischen Verwaltung bzw. des Landvogtes mit den Intentionen der oberösterreichischen Regierung grundsätzlich übereinstimmte und auch deren Rückendeckung erfuhr. Ja selbst ain Allergnedigists gefallen des Kaisers und Landesherm Ferdinand I. an der Ausschaffung des Prädikanten wurde den burgauischen Beamten durch die Regierung übermittelt.250 Dennoch legte man in Innsbruck Wert darauf, diesen Zusammenhang nicht von vornherein deutlich werden zu lassen. Die Anweisungen von 1563 Juli 14 wurden dahingehend modifiziert, der Landvogt solle die Vorladung des Prädikanten für Euch selbs vnd vnuermelt diß vnnsers schreibens vornehmen. Auch eine gegebenenfalls notwendige Ausschaffung solle als für Euch selbs erfolgen.251 Die Vorteile einer solchen Verschleierung von Verantwortlichkeiten liegen auf der Hand: Markgraf von Burgau war zu diesem Zeitpunkt und noch bis 1564 das Reichsoberhaupt, Kaiser Ferdinand I., selbst. Was Ferdinand als Markgraf von Burgau tat, mußte gleichzeitig wahrgenommen werden als das Handeln des Kaisers. Ganz besonders dann, wenn es sich dabei um einen Vorgang von konfessioneller Tragweite handelte, war dies keineswegs unproblematisch. Erst acht Jahre nach Abschluß des ARF, der nach mehreren Kriegen endlich ein prekäres Gleichgewicht der Konfessionen begründet hatte, wurden gerade die Handlungen des Kaisers mit besonderer Aufmerksamkeit bedacht. Seine Autorität und Position im Reich war selbst durch den Anschein, er würde den Friedensvertrag konterkarieren, gefährdet. Er mußte es vermeiden, wegen der Vorgänge in Unterrohr in einen konfessionellen Grundsatzkonflikt gezogen zu werden, dessen Konsequenzen schwer zu kalkulieren gewesen wären. Auch ein Mißerfolg der Rekatholisierung Unterrohrs wäre dann eher wahrscheinlich geworden. Schließlich aber bot die so bezeichnete Verschleierung von Verantwortung dem Landesfiirsten bzw. seiner Regierung auch die Möglichkeit eines Rückzuges ohne eigenen Gesichtsverlust. Ob in Verkennung der tatsächlichen Verantwortung des Kaisers bzw. seiner landesfurstlichen Regierung in Innsbruck für das Geschehen in Unterrohr, mithin als Versuch, Druck auf nachgeordnete burgauische Beamte auszuüben, oder doch eher aus taktischen Erwägungen, eine mögliche Brücke für den Rückzug der habsburgischen Seite zu bauen: Mehrfach fuhren Georg Besserer bzw. die Reichsstadt Ulm in ihrer Korrespondenz mit der österreichischen Seite als ihre gewisse Überzeugung an, daß die burgauischen Beam248 249 250 251
TLA, KKW, Α/Ε, XI11/2, Nr. 1, 1563 Juli 31 (= StAA, VÖ, Lit. 648, 1563 Juli 31, fol. 54r). StAA, VÖ, Lit. 648, 1563 August 3, fol. 55v. StAA, VÖ, Lit. 648, 1563 September 27, fol. 8 Γ . StAA, VÖ, Lit. 648, 1563 Juli 14, fol. 51r.
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ten ohne Wissen des Kaisers ins Dorf eingegriffen hätten. 252 Sofern es sich dabei nicht um eine Fehleinschätzung der Zusammenhänge handelte, stellte dies eine auch von Augsburg im Falle des Konfliktes um Lützelburg gegenüber Erzherzog Ferdinand und Erzherzog Maximilian geübte Konfliktstrategie dar. Beide Reichsstädte artikulierten dabei ihre Einreden auf der Grundlage einer Fiktion schiedsrichterlicher Unparteilichkeit des adressierten Fürsten und gaben ihm so die Chance, eine Wende seiner Politik ohne Prestigeverlust zu vollziehen. Das gegenreformatorische Engagement der österreichischen Seite beschränkte sich im Fall Unterrohrs nicht auf die Vertreibung des evangelischen Prädikanten 1563. Für das Dorf selbst richtete sich die Aufmerksamkeit der burgauischen Beamten auch über diesen Zeitpunkt hinaus auf reformatorische Aktivitäten. Vielleicht bereits 1564,253 sicher jedoch 1567 gingen sie gegen den evangelisch predigenden Schulmeister und gegen lutherische Eheeinsegnungen im Ort vor. Gefangennahme und Ausweisung sollte, so die Regierung in Innsbruck, dem Schulmeister in Aussicht gestellt werden, Im faal der Pesserer das predigen bey Ime nit abstellen wurde.254 Selbst weitere zwei Jahre später hatten - ohne daß eine äußere Veranlassung dafür erkennbar wäre - die Innsbrucker Räte das Dorf noch nicht aus ihrer Beobachtung entlassen. Landvogt und Rentmeister sollten darüber Erkundigung einziehen, wie es diser Zeit mit Verrichtung des Gotsdiennsts zu Ror gehalten vnnd ob nit der Pesserer widerumben der Augspurgischen Confessions verwandten Predicannten dahin verordnet oder ob Er die Vnnderthanen bey der alten, waren, Catholischen Religion bleiben lasse oder wo dieselben dem [!] Gotsdiennst Yezt besuechen. Im Falle Georg Besserer aber erneut einen evangelischen Prädikanten im Ort eingesetzt hätte, erwartete man die Stellungnahme der burgauischen Beamten, weshalb sie solches zuegesehen vnnd gestattet hätten. 255 Es war dies das letzte Mal, daß man sich in Innsbruck bzw. Günzburg um die konfessionelle Stabilität Unterrohrs besorgt zeigte. Nicht ganz zwei Jahre später im April 1571 - wechselte der Ort zu einem in dieser Hinsicht unbedenklichen
252
253
254 255
TLA, KKW, Α/Ε, XIII/2, Nr. 1, 1563 Juli 18: Georg Besserer an Landvogt und Rentmeister; ebd. undatiert: Georg Besserer an Rat der Stadt Ulm; 1563 Juli 20: Rat der Stadt Ulm an Landvogt Hans Werner von Raitnau; 1563 Juli 23: Rat der Stadt Ulm an oberösterreichische Regierung; ebenso 1563 September 9 Herzog Christoph an Landvogt Hans Werner von Raitnau. Nach Ausweis des burgauischen Altrepertoriums existierte ein dem Jahr 1564 zugeordnetes Faszikel betreffend Die Abstellung des Prädigen und Hochzeit Einsingen durch den Lutherischen Schuelmeister zu Rohr. 1564, das allerdings nicht überliefert ist. Aufgrund der Parallelität der Gegenstände handelt es sich möglicherweise um denselben Vorgang, der für 1567 überliefert ist. Daß es sich bei der Bezeichnung der Jahreszahl mit 1564 also um eine Verschreibung handelt, ist zwar wahrscheinlich, aber nicht zu beweisen. StAA, VÖ, Lit. 648, 1567 Juni 27, fol. 4 1 2 \ StAA, VÖ, Lit. 649, 1569 Juli 18.
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Fallstudien
Herrn, dem Augustinerchorherrnstift Wettenhausen.256 Ein konfessionelles Engagement der Markgrafschaft in Unterrohr selbst ist nach 1569 nicht mehr bezeugt. Über Unterrohr hinaus aber hatte die oberösterreichische Regierung, die dabei noch deutlicher als treibende Kraft erscheint, auch die gesamte Markgrafschaft Burgau im Blick. Mit dem Lob für die Ausschaffung des Prädikanten, das sie dem burgauischen Landvogt 1563 August 3 kommunizierte, verband man in Innsbruck gleichzeitig die Anordnung, daß Ir in Irer Mt. Marggrafschafft Burgaw Lanndtsfurstlichen Oberkait, Ewerer Verwaltung, niemants einiche newe Religion vnd glauben aufzurichten, zupredigen oder zulernen zuesehet noch gestattet, sonnder mit allem Ernnst ob vnnserer Alten, waren, Catholischen Religion vnnd glauben haltet?51 Die Ursache für die Sorge der Regierung wird deutlich aus einem bereits zwei Tage später dem Kaiser übermittelten Schreiben. Die Räte erinnern darin Ferdinand, mit allem Ernnst ob der Alten, Catholischen, Christenlichen Religion festzuhalten und die Aufrichtung der Newe[r\] Religion weder in der Markgrafschaft Burgau noch in anndern E. Mt. Österreichischen Lannden vnnd Gebieten zu dulden. Die Begründung für die angeratene restriktive Position charakterisiert die Situation in Unterrohr aufgrund der Verteilung der Herrschaftsrechte als möglichen Präzedenzfall für die gesamte Markgrafschaft: Dann dieweyl sonnsten vil Burger von Augspurg vnnd Ulm vnnd anndere mer, die Irer personen halber der Newen Religion anhenngig Seyen, Guetter in gemelter E.Kay. Mt. Hohen vnnd Lanndsfürstliehen Oberkayt der Marggrafschafft Burgaw ligen vnnd darzue die Nidergerichtlich Oberkayt haben, vnnd nun Ime, Besserer, ain solche Newerung mit der Religion fürzenemen zuegesehen oder gestatt werden solle, wurden alspald dieselben auch mit derglaichen Newerungen im Fuesstapfen nachuolgen vnnd die Augspurgisch Confession in der Marggrafschafft Burgaw dermassen vber hannd nemen, das dardurch ain gannz beschwerlicher einbruch vnnd abfal von der Alten Religion gemacht vnnd geursacht vnnd zu aller hannd merern Weiterung geraichen [würde].25" Die zitierte Passage ist in mehrfacher Hinsicht aufschlußreich: Sie ist erstens ein Hinweis darauf, wie hoch die Regierung in Innsbruck in den 1560er Jahren die Wahrscheinlichkeit für konfessionelle Veränderungen im Gebiet der Markgrafschaft Burgau tatsächlich einschätzte. Als Einfallstor für die Reformation erkannte sie dabei die Ortsherrschaften, die sich im Besitz Augsburger und Ulmer Bürger, auch einzelner Reichsritter befanden. In der historischen Rückschau mag man solche Sorge für übertrieben halten, da die meisten innerhalb der Markgrafschaft Burgau eingesessenen und begüterten Bürger und Adligen ja bei der alten Kirche blieben. So festgefügt waren indes die konfessionellen Grenzen zu dieser Zeit
256 257 258
Kap. B. 1.2.1. StAA, VÖ, Lit. 648, 1563 August 3, fol. 55 v . TLA, KKW, Α/Ε, XIII/2, Nr. 1, 1563 August 5.
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noch keineswegs, daß nicht persönliche Konversionen der Ortsherren oder ein Besitzwechsel im Erbgang zu zahlreicheren Reformationsversuchen hätten fuhren können. Zweitens wird, was die herrschaftsrechtliche Situation in der Markgrafschaft Burgau charakterisiert - die V e r f ü g u n g der Insassen über die Niedergerichtsbarkeit - , als grundlegendes Problem im Konflikt u m die rechtliche Begründung des Ius reformandi erkannt. Von daher könnte, so die Befürchtung, ein Entg e g e n k o m m e n oder Nachgeben gegenüber Georg Besserer bzw. Ulm einen folgenreichen Präzedenzfall bedeuten. Expliziert wurden, drittens, dabei bemerkenswerterweise j e d o c h ausschließlich die möglichen konfessionellen Konsequenzen, nämlich ein zunehmender abfal von der Allen Religion, nicht jedoch die Weiterungen, die sich daraus generell für den österreichischen Anspruch auf Landeshoheit ergeben könnten. Die versuchte Reformation Unterrohrs gab aus diesem Grund den Anlaß für religionspolitische M a ß n a h m e n , die sich ausdrücklich auf die gesamte Markgrafschaft bezogen: Zunächst wurde der burgauische Landvogt aufgefordert, gegen evangelischen Buchbesitz und das Auslaufen zum evangelischen Gottesdienst nicht nur bei den vnnderthonen zu Ror, sondern auch bei anndren, in der
Marggrafschafft
Lanndtsfurstlichen
Oberkhait geseßnen vnnderthanen
einzu-
schreiten. 259 Wenig später ging die Regierung in Innsbruck Kaiser Ferdinand - als Landesherrn - mit der Bitte an, dagegen ein Mandat zu erlassen, 260 das sich nun generell an die Untertanen der Markgrafschaft richten sollte. Inwieweit man dabei in Innsbruck der Bitte Landvogt Hans Werner von Raitnaus folgte, der bereits zuvor bei der Regierung einen Erlaß gegen das Auslaufen angeregt hatte, 261 läßt sich nicht sagen. Die Räte übermittelten ihren Formulierungsvorschlag, 2 6 2 der gleichlautend als kaiserliches Mandat 1563 N o v e m b e r 13 erlassen wurde und an Landvogt, Rentmeister, Landammann, Schultheissen, Bürgermeister, Richter, Räte, Gemeinden und alle anderen Untertanen in der Markgrafschaft adressiert ist.263 Zehn Tage darauf wurden 31 gedruckte Exemplare dieses Mandates von Innsbruck aus Landvogt und Rentmeister übersandt mit dem Befehl, daß Ir die in der Marggraf-
schafft Burgaw, Ewerer Verwaltung, an orten vnd Enden, da Ir von nöten zesein vermaint vnd von alters herkhomen vnd gebreuchig gewesen, Publiciern vnd anschlagen lasset vnnd ob denselben alles Ernnsts haltet}6* Die M a ß n a h m e n der österreichischen Seite beschränkten sich somit im Falle Unterrohrs nicht auf einen punktuellen Eingriff, wie ihn die Entfernung des lutherischen Prädikanten Anton Baur darstellte. Die Beamten in Innsbruck und Günz259 260 261 262 263 264
StAA, VÖ, Lit. 648, 1563 September 3, fol. 67v. TLA, KKW, Α/Ε, XIII/2, Nr. 1, 1563 September 30. TLA, KKW, A/E, XIII/2, Nr. 1, 1563 September 17. TLA, KKW, A/E, XIII/2, Nr. 1, 1563 September 30 (Anlage). Text: StAA, VÖ, Lit. 648, 1563 November 13, fol. 90% und 9Γ. StAA, VÖ, Lit. 648, 1563 November 23, fol. 89r.
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Fallstudien
burg schenkten vielmehr dem Dorf selbst noch Jahre danach ihre Aufmerksamkeit und begleiteten die Rekatholisierung des Ortes mit konfessionspolitischen Maßnahmen für die gesamte Markgrafschaft Burgau, die in Form von Mandaten gegen den Besitz evangelischer Bücher und das Auslaufen zum evangelischen Gottesdienst gleichwohl nicht über die gegenreformatorische Stoßrichtung hinaus zu einer Reform des katholischen Lebens vordrangen. Perspektiven für eine weitergehende herrschaftliche Durchdringung des Ortes selbst, die sich aus der erfolgreichen Behauptung landeshoheitlicher Rechte im Falle der Kirchenhoheit hätten eröffnen können, wurden von österreichischer Seite ebensowenig weiterverfolgt.
2.7
Die Bevölkerung im Konfessionskonflikt
Wie stellte sich nun die Bevölkerung in Unterrohr selbst, die Gemeinde oder auch einzelne ihrer Mitglieder, zu ihrem zweifachen Konfessionswechsel innerhalb kurzer Zeit? Zwar hatten sich die Untertanen des Dorfes zu keiner Zeit in einer archivalisch überlieferten Form dazu direkt geäußert, doch findet sich eine Reihe von Anhaltspunkten, die Aufschluß geben über die Rolle der Dorfbevölkerung im Konfessionskonflikt. Unterrohr gehörte als Filiale zur Pfarrei Ichenhausen und besaß weder eine eigene Pfarrkirche noch einen eigenen Geistlichen.265 Nach allem, was man über die Bedeutung der eigenen ,Kirche im Dorf, also einer eigenen Pfarrei und eines eigenen, im Dorf residierenden Pfarrers in Spätmittelalter und Früher Neuzeit weiß, mußte die Einsetzung des Predigers in Unterrohr einen großen Gewinn an Prestige für das Dorf darstellen, festigte die Identität der Dorfgemeinschaft und brachte eine Reihe praktischer Vorteile, von der Zuverlässigkeit seelsorglicher Betreuung bis hin zur Taufe und Beerdigung am eigenen Ort.266 Daß die Reformation des Dorfes in dieser Hinsicht Vorteile mit sich brachte und daher auch auf Sympathie in der Bevölkerung stoßen mußte, klingt in der Begründung an, die Georg Besserer für ihre Einführung formulierte. Aus göttlichem Befehl und christlichem Eifer habe er sie allain darumb furgenommen, damit daß arm volckh, welches ob 30 oder 40 Jarn mit kainen gepürlichen Pfarrlichen Rechten nie versehen worden, im Wort Gottes unterwiesen würde.267 Im Nebensatz wird das Fehlen pfarrlicher Rechte - so lange man denken könne - als ungebührlich für das Dorf bezeichnet, als ungerechtfertigte Zurücksetzung und Minderbehandlung, die durch die Reformation beendet worden sei. So verwundert es nicht, wenn die allenfalls wenigen Wochen, die sich der evangelische Prädikant Anton Baur in Unterrohr aufhielt, in der Erinnerung der Dorfbewohner bewahrt und der Nach-
265 266 267
Kap. B. I. 2. Anm. 7. Fuhrmann, Kirche im Dorf; dies., Dorfgemeinde; Schiersner, Suche. TLA, KKW, Α/Ε, XHI/2, Nr. 1, undatiert (frühestens 1563 Juli 19, spätestens 1563 Juli 20).
Unterrohr
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welt sogar bis in unsere Tage tradiert wurden. Die Benennung eines Hauses in Unterrohr als „Prädikantenhaus" belegt das sehr deutlich.268 Wenn die oberösterreichische Regierung unter anderem den vnnderthonen zu Ror, etwa sieben Wochen nach der Vertreibung des evangelischen Prädikanten, durch die burgauischen Beamten anzaigen und verpietten ließ, das Sy an kaine Lutherische, noch andere verfuerische, Sectische Predig nit geen, sonnder Ire allte vnnd Catholische Pfarrkhirchen besuechen sollen,26" möchte man annehmen, daß zumindest Teile der Bevölkerung Unterrohrs, nachdem ihnen die Möglichkeit genommen war, den evangelischen Gottesdienst weiterhin im eigenen Dorf zu besuchen, in eine evangelische Herrschaft - wohl das nahe reichsritterschaftliche Burtenbach - ausliefen. Aber selbst wenn es sich bei dieser Anordnung ausschließlich um eine Vorsichts- oder Routinemaßnahme gehandelt haben sollte, die gar nicht durch ein konkretes ,unkatholisches' Verhalten veranlaßt war, zeigt sie doch, für wie wenig gesichert man in Innsbruck den alten Glauben und seine Praxis im Dorf einschätzte, da man derartige Verbote überhaupt auszusprechen für nötig befand. Daß diese Einschätzung jedoch durchaus zutraf, zeigte 1567 - vielleicht auch erstmals schon 1564 - 270 die Tätigkeit des Schulmeisters im Dorf. Ihn hatte Georg Besserer beauftragt, daß er den Baurn am Sontag vnnd Feyrtag in seinem hauß Predige vnd die Leut verfuere, so die burgauische Diktion.27' Da man dabei zwangsläufig zur gleichen Zeit den Meßbesuch verweigerte, mochte die ,Winkelpredigt' des Schulmeisters ruchbar geworden sein. Anstoß aber konnte diese Einrichtung des Ulmer Ortsherren in Günzburg und Innsbruck nur dann erregen, wenn sie auch Zuspruch im Dorf fand. Auf eine noch stärkere Bindung an evangelische Glaubensvorstellungen in der Bevölkerung des Dorfes deutet es schließlich, wenn nicht nur ,private' und gewöhnliche' Gottesdienste im Verlauf des Kirchenjahres besucht, sondern bedeutende Feste im persönlichen Lebenslauf in der Öffentlichkeit 272 des Dorfes evangelisch gefeiert wurden. So hatte der Schulmeister im Frühsommer 1567 mit Sicherheit für ein Paar ain Hochzeyt zu Ror gehalten vnnd ainen Predicanten von Ulm dieselbig zu Ror einsegnen lassen.213 Man muß sich vor Augen halten, daß all dies bereits vier Jahre nach der Vertreibung des Prädikanten Anton Baur und damit der formalen Rekatholisierung Unterrohrs geschah. Aus diesen Indizien läßt sich darauf schließen, daß nicht nur die Einfuhrung der Reformation in Unterrohr durch Georg Besserer auf Sympathien im Dorf 268
269 270 271 272 273
Das Haus (Nr. 37) trägt die Jahreszahl 1562 und hieß zur Zeit der Abfassung des fünften Bandes der Bistumsbeschreibung von Alfred Schröder (1895) „noch bis in die letztere Zeit das Prädikantenhaus" (A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 190 Anm. 17). StAA, VÖ, Lit. 648, 1563 September 3, fol. 69 v . Kap. Β. I. 2. Anm. 70. StAA, VÖ, Lit. 648, 1567 Juni 27, fol. 412 v . Zu Privatheit und Öffentlichkeit in der Frühen Neuzeit vgl. Hoffmann, Öffentlichkeit. StAA, VÖ, Lit. 648, 1567 Juni 27, fol. 412 v .
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Fallstudien
stieß, sondern, ungeachtet der kurzen Zeit, die sich ein Prädikant hier aufhielt, die A n n a h m e des evangelischen B e k e n n t n i s s e s k e i n e s w e g s oberflächlich oder widerstrebend erfolgte. A n d e r s ist nicht zu erklären, w e s h a l b es in den vier Jahren seit der V e r t r e i b u n g des Prädikanten A n t o n B a u r o f f e n b a r nicht allgemein zu einer inneren A b k e h r v o n evangelischen Vorstellungen g e k o m m e n war. Ja es scheint, a u s g e h e n d v o n d i e s e m B e f u n d , nicht unwahrscheinlich, d a ß bereits vor der Einf ü h r u n g des Prädikanten reformatorischer E i n f l u ß , in w e l c h e r W e i s e auch immer, im D o r f w i r k s a m w a r u n d die V o r a u s s e t z u n g e n f ü r eine positive A k z e p t a n z der R e f o r m a t i o n in der G e m e i n d e bereitet hatte. 274
274
Über Rückschlüsse auf die Bevölkerung Unterrohrs und ihre Haltung zu Reformation und Rekatholisierung ihres Dorfes hinaus werfen die Ereignisse im Umkreis der Inhaftierung des Prädikanten Anton Baur und die ordnungspolitischen Reaktionen der österreichischen Seite im übrigen deutliche Schlaglichter auf die konfessionelle Haltung in der Bevölkerung der Stadt Burgau. Der im Burgauer Gefängnis inhaftierte Prädikant Anton Baur fand unter den Bürgern der Stadt tatkräftige Unterstützung. Konfessionelle Solidarität als Ursache ist dabei in einem Fall offenkundig, in einem anderen zu vermuten: Deren von Burgaw halber mit nit zu geringem mißfallen nahmen die Räte in Innsbruck den Bericht des Landvogtes auf, der Zwinglische, Sectische Puecher, die des Pesserers Predicanten in die gefennckhnus gelihen worden, gefunden hatte. Mehr noch als der inkriminierte Besitz ketzerischer Bücher in den Händen eines Bürgers der Stadt spricht das Bemühen, den lutherischen Prädikanten durch entsprechende Lektüre ideell zu stützen, für eine tiefergehende Identifikation mit dessen konfessioneller Richtung. Alarmiert durch diesen Fund, der übrigens - wenn man der Klassifikation theologischer Literatur durch den Landvogt Hans Werner von Raitnau vertrauen will - ein weiterer Hinweis auf das Fortwirken zwinglischer Theologie in Oberdeutschland noch in der zweiten Jahrhunderthälfte ist (vgl. etwa Frieß, Konfessionalisierung, S. 86f.), befahl die Innsbrucker Regierung den burgauischen Beamten, das Ir derowegen ain Inquisition furnemet vnnd, was Ir fur Zwinglische, Lutherische vnnd dergleichen verfuerische Puecher befinden werden, dieselben zu Eurn hannden nemet vnnd der Jhenigen Personen halber, bey denen Ir dieselben befinden, ferrere erkhonndigung, ob Sy nit der Newen Religion anhenngig, halltet, damit verrer die gebur gegen Inen furgenommen werden muge, vnnd Inen auch anzaiget vnnd aufleget, sich derselben Puecher hinfuro gennzlichen zuenndthallten mit dem anhanng, wo weitter dergleichen verfuerische Puecher bey Inen befunnden, das Ir Sy der notturfft nach darumben straffen wurden (StAA, VO, Lit. 648, 1563 September 3, fol. 67v. Der Bericht des Landvogtes von dem Fund wurde in einem Schreiben von August 13 oder 20 übermittelt). Das Auftauchen verbotener Lektüre im Gefängnis des Prädikanten von Rohr wertete man in Innsbruck also nicht als Einzelfall, sondern als mögliches Indiz für eine weitere Verbreitung ketzerischer Literatur in der Stadt. Allerdings bewies man dabei immerhin so viel Fähigkeit zur Differenzierung, daß aus dem Besitz entsprechender Bücher nicht schon zwangsläufig auf die ,Apostasie' ihrer Besitzer oder Leser geschlossen wurde. - Einen weiteren Vorfall hatten die Beamten in Innsbruck nit gern (StAA, VÖ, Lit. 648, 1566 August 14, fol. 317 v) vernommen: Zwei Burgauer Bürger, der Wirt Veit Müller - in Veiten Millers Herberg war auch der Lützelburger Prädikant David Schlump im Sommer 1577 arrestiert worden (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1577 August 2) - und Kaspar Bacher, hatten die Haftkosten für den inhaftierten Prädikanten von Unterrohr- 20 (StAA, VÖ, Lit. 648, 1566 August 14, fol. 317v) oder 29 (TLA, KKW, A/E, XIII/2, Nr. 1, 1563 Juli 23) Gulden - verauslagt. Daraufhin und nach Leistung einer Urfehde, nicht mehr in der Markgrafschaft zu predigen, war Anton Baur 1563 Juli 24 freigelassen worden (TLA, KKW, A/E, XIII/2, Nr. 1, 1563 Juli 23). In Innsbruck wurde diese finanzielle
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Hilfeleistung erst drei Jahre später ruchbar, als die beiden Gläubiger versuchten, den geschuldeten Betrag von dem zahlungsunwilligen Prädikanten bzw. der Reichsstadt Ulm gerichtlich einzutreiben. Bereits im Oktober 1563 hatte der Rat der Stadt eine Supplik Kaspar Bachers, den Prädikanten zur Zahlung des verauslagten Haftgeldes anzuweisen, mit der Begründung abgewiesen, der burgauische Landvogt habe gegen den Prädikanten ettwas zuuil ongepurlich gehandelt; außerdem sei die Sache noch beim Kaiser anhängig und nicht abschließend erörtert (StaAU, RPr 28, 1563 Oktober 1, fol. 609 r ). Daraufhin appellierten die Gläubiger an das Kaiserliche Hofgericht zu Rottweil; Ulm dagegen berief sich auf seine Befreiung vom Hofgericht, die das Gericht selbst jedoch nicht anerkannte, woraufhin die Stadt das RKG anrief. Einem - kostspieligen und langwierigen - Verfahren am RKG versuchten sich die Burgauer Gläubiger nun durch den Verweis auf die Befreiung Österreichs vom RKG-Zwang zu entziehen. Diese Argumentation wies die oberösterreichische Regierung schließlich gegenüber den um Auskunft ersuchenden burgauischen Beamten zurück, stellte den beiden Untertanen jedoch - allerdings auf deren eigene Kosten - Dr. Kaspar Fichart, den österreichischen Prokurator am RKG, zur Verfugung. Den Beamten der Regierung schien es unerklärlich, warumben oder aus was vrsachen vnd bewegung doch bemelter Pacher sich mit Pürgschafft für Ine, Predicanten, Auch Ir von Ambtßwegen mit bezalung derselben Azung eingelassen. Ihre Kritik traf also nicht allein die beiden Burgauer Bürger, die nun zusehen sollten, wie sie wieder zu ihrem Geld kämen, sondern auch die burgauischen Amtleute. Denn diese hätten den Prädikanten erst und nur aus der Haft entlassen dürfen, wenn dieser die Haftkosten mit eigenen Mitteln beglichen hätte oder in annder weg ausserhalb der Marggrafschafft Burgaw vnnderthanen darumben statlich vnd mit pesster sicherhait verobligiert vnd verbürgt hette (StAA, VÖ, Lit. 648, 1566 August 14, fol. 3 1 T ) . Es wird nicht formuliert, was die beiden Burgauer veranlaßt hatte, dem Prädikanten die Haftkosten zu verauslagen - auch die Regierung in Innsbruck zeigte sich verwundert, warumben oder aus was vrsachen vnd bewegung dies geschehen war (StAA, VÖ, Lit. 648, 1566 August 14, fol. 317 v ). Einen finanziellen Vorteil daraus zu ziehen, konnten sie jedenfalls nicht erwarten. Dagegen ermöglichte ihr finanzielles Eintreten für Anton Baur dessen Entlassung aus der Haft nach nur einer Woche und bedeutete für den Prädikanten zweifellos eine entscheidende Erleichterung und eine Verbesserung seiner Perspektiven. Das Schicksal des Mannes war den beiden Burgauer Bürgern offenbar nicht gleichgültig: Geschah deren Hilfeleistung dabei aus konfessioneller Solidarität, ist sie ein Indiz für die Virulenz reformatorischen Gedankengutes in der Burgauer Bevölkerung; geschah sie indes lediglich aus Mitleid, belegt der Vorfall immerhin, wie wenig ausgeprägt das Verständnis für konfessionelle Abgrenzung in der Bevölkerung zu diesem Zeitpunkt war. Daß dabei im einen wie andern Fall die abgeleiteten Konsequenzen über die beiden Gläubiger hinaus Rückschlüsse auf weitere - freilich nicht quantifizierbare - Teile der Burgauer Bevölkerung zulassen, ist nicht zuletzt deshalb zu vermuten, da Veit Müller als Wirt in der sozialen Hierarchie der Stadt eine herausragende Position eingenommen haben dürfte.
3. Holzheim (1580-1627/1635): verspätete Rekatholisierung als Preis habsburgischer Herrschaftsstruktur im deutschen Südwesten 3.1
Holzheim und das Hl.-Geist-Spital Ulm
Etwa neun Kilometer südöstlich der Reichsstadt Ulm am Ostrand des Leibitales, aus Burgauer Perspektive an der Gränitz gegen Ulm wertz gelegen,1 befand sich das nicht unbedeutende2 Dorf Holzheim seit 1488 als österreichische Pfandschaft im Besitz des Benediktinerklosters Elchingen.3 Der Abt besaß hier als größter Grundherr4 alle Oberkait vsserhalb der vier wendl,5 also der vier Malefizfälle, die zu strafen die Markgrafschaft Burgau für sich in Anspruch nahm, wozu ihr das Recht von der Reichsstadt Ulm, die sich selbst im Besitz der hohen Obrigkeit wähnte, allerdings bestritten wurde.6 1580 hatte Erzherzog Ferdinand als Markgraf von Burgau dann die Herrschaft ausgelöst7 und sie zusammen mit Bubes-
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TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 41 (1), 1578 Dezember 18. 1492 zahlte der Abt von Elchingen für 48 Anwesen den Feuerstattgulden (Nebinger/Schuster, Feuerstattguldenregister, S. 98); zum Vergleich: in Lützelburg wurde für 21, in Unterrohr für 26 Feuerstätten der Gulden entrichtet (S. 112, 121). - Vgl. zur Verkehrsanbindung die Karte zur schwäbischen Wirtschaft im 16. Jahrhundert (bis 1618) von Wolfgang Zorn in: Frei/Fried/Schaffer, Atlas, Karte XI, 3. Raiser, Elchingen, S. 95; Kreisbeschreibung Neu-Ulm, S. 27; falsch dagegen die Wiedergabe des Datums mit 1580 in Bosl, Handbuch, S. 316. Daneben besaßen auch das Ulmer Hl.-Geist-Spital und Fugger-Kirchberg Güter im Dorf. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 41 (1), 1578 Dezember 18. Daß das Dorf mit der Stat Ulm der hohen Oberkait halben strittig war, lag mit an der unterschiedlichen Interpretation des Grenzverlaufs. Während die Markgrafschaft Burgau den Verlauf ihrer Westgrenze entlang der Leibi behauptete, beanspruchte Ulm die Landeshoheit bis zur Linie Holzheim - Straß - Glassenharter Höfe - Donau, also noch östlich des Flußlaufs (Wüst, Günzburg, S. 47; mit Bezug auf die Auseinandersetzungen zwischen Ulm und der Markgrafschaft um das Geleit zwischen Leibi und Rot Färber, Burgau, S. 104f., III). — Der Untermauerung landeshoheitlicher Rechtsansprüche diente auch der ebenfalls kurz nach Erwerb Holzheims unternommene Versuch, das Forstregal der Markgrafschaft bis zur östlichen Flußgrenze der Leibi - also entgegen der Ulmer Auffassung unter Einschluß Holzheims - durchzusetzen und vmb das dorff Holzhaim biß an das wasser der Leibin niemanndt, wer der sey, ainich waidwerch [...] zuegestatten (StAA, VO, Lit. 649, 1582 Dezember 17, fol. 502"). Raiser, Elchingen, S. 95. - 1580 als Datum nennt Ulm in einem Schreiben an Erzherzog Leopold (TLA, Sei. Leop. (aiphabet. Leop.), 1/1160, 1624 Oktober 2). Dafür sprechen auch die ab 1581 April aktenkundigen Auseinandersetzungen mit den Untertanen Holzheims um deren verwiderung der Aydspflicht vnd Huldigung (StAA, VÖ, Lit. 649, 1581 April 12, fol. 446r) sowie der Erwerb von Bubesheim 1581 ebenfalls für die Söhne Ferdinands (Kreisbeschreibung Günzburg, S. 36).
Holzheim
165
heim 8 und Großkissendorf den Brüdern Jakob und Hannibal Rieter von Bocksberg zu Lehen gegeben, ehe er die Orte nach deren Tod 1588 bzw. 1590 seinen Söhnen Andreas (1558-1600) und Karl (1560-1618) übertrug (1590 Juli 24). 10 Markgraf Karl von Burgau, nach dem Tode seines Bruders alleiniger Inhaber Holzheims, vermachte das Dorf seinen Söhnen Karl und Ferdinand von Hohenberg". Von diesen erwarb es Erzherzog Leopold, Nachfolger als Markgraf von Burgau, für die Markgrafschaft 1621 Januar 2 zwar wieder zurück, mußte es aber aufgrund fehlender finanzieller Mittel pfandweise im Besitz Karls von Hohenberg bzw. dessen Kinder belassen (bis 1654). 12 Das Patronatsrecht über die dem Landkapitel Weißenhorn als ecclesia maior zuzählende Pfarrkirche St. Peter und Paul 13 übte das Hl.-Geist-Spital Ulm, dem die Kirche mit ihren Einkünften - ausgenommen des dem Pfarrer zustehenden Kleinzehnts - seit 1445 inkorporiert war, aus. 14 Daneben bestand in Holzheim mindestens seit dem 15. Jahrhundert ein Frühmeßbenefizium, dessen Ius patronatus vermutlich zusammen mit der Orts- und Niedergerichtsherrschaft von Kloster Elchingen auf Erzherzog Ferdinand II. bzw. die Inhaber des Dorfes überging.' 5 Das Benefizium bestand als capellania sive altare fundatum in ecclesia profanata,]6 also innerhalb der seit 1531 für evangelische Gottesdienste genutzten Pfarrkirche fort. 17
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A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 104-110; Kreisbeschreibung Günzburg, S. 35f. - Bubesheim war 1581 von Erzherzog Ferdinand erworben worden (S. 36). A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 52, datiert nicht etwa, wie von Wüst, Günzburg, S. 48, behauptet, abweichend diesen Erwerb auf 1590, sondern nennt für dieses Jahr die Übertragung des Ortes von Ferdinand an seine beiden Söhne. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 205-222; Kreisbeschreibung Günzburg, S. 52f. Raiser, Elchingen, S. 95; A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 52; Kreisbeschreibung Neu-Ulm, S. 27; Wüst, Günzburg, S. 48. Zu ihnen Hirn, Maximilian, Bd. 2, S. 306f. Nach seinem Tode 1654 fiel die Pfandschaft zunächst an die Rehlingen von Horgau, dann 1692 an die Rehlingen von Hainhofen. 1766 löste Österreich die Pfandschaft aus (A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 105; Eberle, Holzheim, S. 460ABA, DA 15, 216 (Descriptio ecclesiarum parochialium et capellaniarum totius eapituli in Weißenhorn anno 1602). Greiner, Geschichte, S. 116, 139 Anm. 12; Eberle, Reformation, S. 67f.; Kreisbeschreibung Neu-Ulm, S. 2. - 1444 als Datum für den Verkauf des Patronatsrechtes durch Wilhelm von Ems und Margarete Renz wird in einem Schreiben Ulms an Erzherzog Leopold genannt (TLA, Sei. Leop. (aiphabet. Leop.), 1/1160, 1624 Oktober 2). Kap. Β. 1.3.5. ABA, DA 15,216. Kreisbeschreibung Neu-Ulm, S. 27f.
166
3.2
Fallstudien
Einfuhrung der Reformation und evangelische Konfessionsbildung in Holzheim
W i e in Augsburg 1 8 g e l a n g t e auch in U l m die ursprünglich rein kirchliche Institution d e s Hl.-Geist-Spitals m e h r u n d m e h r unter städtische V e r f ü g u n g s g e w a l t . Seit 1 4 1 9 lag die V e r w a l t u n g d e s Spitals uneingeschränkt in den H ä n d e n seiner w e l t lichen Pfleger. 1 9 D i e o f f i z i e l l e Einfuhrung der R e f o r m a t i o n in der Stadt 1531 z o g damit die N e u b e s e t z u n g der Spitalpfarreien i m U l m e r Landgebiet mit e v a n g e l i s c h e n G e i s t l i c h e n unmittelbar nach sich. 2 0 S o k a m e s bereits sehr früh, vermutlich 1 5 3 2 , zur Einführung e i n e s Prädikanten in H o l z h e i m , 2 1 das die Stadt ihrem Territorium zuzählte. 2 2 Für eine g ü n s t i g e A u f n a h m e dieser obrigkeitlichen M a ß n a h m e i m D o r f m a g dabei sprechen, daß die Untertanen s e c h s Jahre zuvor, i m Bauernkrieg, mit ihrer W e i g e r u n g , d e n K l e i n z e h n t e n für den Pfarrer zu entrichten, a u f eine reformatorisch inspirierte und begründete Forderung B e z u g g e n o m m e n hatten 2 3 u n d damit d e m n e u e n G l a u b e n grundsätzlich o f f e n gegenüberstanden. 2 4 W i e in der Stadt selbst, 2 5 soll e s - allerdings z w e i e i n h a l b Jahre später - auch in H o l z h e i m z u e i n e m Bildersturm g e k o m m e n sein, 2 6 w a s e b e n f a l l s auf eine p o s i t i v e R e s o n a n z für die
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Kießling, Gesellschaft, S. 159-167, 175-179. Greiner, Geschichte, S. 107f.; Specker, Ulm, S. 99f. - Damit war die Kommunalisierung des Hl.-Geist-Spitals, verglichen mit anderen oberdeutschen Städten, aber auch mit anderen Spitälern in Ulm selbst, relativ spät abgeschlossen (Trostel, Kirchengut, S. 78 Anm. 78). Trostel, Kirchengut, S. 107; Specker, Ulm, S. 118-122; sowie Kap. Β. I. 2.3. Die Jahreszahl 1532 bei Eberle, Holzheim, S. 45; Kreisbeschreibung Neu-Ulm, S. 28, sowie bei Aubele, Geschichte, S. 16, der allerdings noch 1535 (auch?) einen katholischen „Pfarrer" fur Holzheim (Johann Penlein) registriert. - Erster Prädikant war Wolfgang Syrer von Isny (Hofer, Landgebiet, S. 142; Aubele, Geschichte, S. 16), vermutlich folgte auf ihn Ottmar Meyländer, der 1536 auf die Pfarrei Leipheim wechselte (Radlkofer, Eberlin, S. 493); vgl. ohne Bezeichnung des Namens und ohne exakte Angabe des Einfuhrungsjahres M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 559. - 1531 als Datum der Einfuhrung des Prädikanten nennt die Stadt Ulm selbst in einem Schreiben an Erzherzog Leopold (TLA, Sei. Leop. (aiphabet. Leop.), 1/1160, 1624 Oktober 2). Bei Hofer, Landgebiet, S. 21 f., fehlt Holzheim zwar in der Reihe der Orte, in denen Bürger und geistliche Institutionen der Stadt begütert waren, findet sich aber gleichwohl auf der beigegebenen Karte „Ulm und sein Territorium (1531)". Hofer, Landgebiet, S. 50. - Einer der Hauptleute des Leipheimer Haufens war ein Hans Scherlin von Holzheim (Radlkofer, Eberlin, S. 444). So auch die Vermutung bei Eberle, Reformation, S. 68. Zu den ikonoklastischen Vorgängen in Ulm Endriß, Reformationsjahr, S. 63-66; Specker, Ulm, S. 120. Dies berichtet Nicolaus Thoman über Holtzhan in seiner Weißenhorner Historie: Anno domini 1533 am samstag zu nacht, am 4 tag Januarii, da wart die kurch zu Holtzhan gebrochen heymlich, wurden all taflen und buldnuß zerschlagen und verderbt, darvor wart das hochwurdig sacrament, crisam, heylig öl verloren, woltz niemetz gethan haben, der tauf außgeschitt. - Zur Abschaffung der Bilder in anderen Kirchen des Ulmer Landes Hofer, Landgebiet, S. 132f.
Holzheim
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Reformation in der Bevölkerung deuten könnte. Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, daß es von Anfang an in Holzheim eine katholische Bevölkerungsgruppe - die Päpstler nennt sie das Ulmer Visitationsprotokoll von 1535 - gab, die sich der Reformation und evangelischen Konfessionsbildung widersetzte und entzog. Sie konnte nach wie vor innerhalb der Pfarrkirche die Messe besuchen, 27 ließ sich, vor allem zur Taufe der Kinder, nicht vom Auslaufen in die katholischen Nachbarkirchen von Reutti28 und Finningen abhalten und wollte die mittlerweile verpönten Gebräuche, wie das Sterbe-, Wetter- und Feierabendläuten, aufrechterhalten sehen.29 In der Folge wurde der Ort in die Bestrebungen Ulms zum Ausbau seines landesherrlichen Kirchenregimentes einbezogen und - bis zum Interim - bei den Visitationen und Synoden von 1535, 1537, 1539 und 1543 erfaßt. 30 Im Schmalkaldischen Krieg legte Ulm wie auch in die gleichfalls jenseits der Donau gelegenen elchingischen Orte Fahlheim, Nersingen und Straß Besatzung.31 1548 gehörte der Pfarrer von Holzheim offensichtlich nicht zu den Ulmer Landgeistlichen, die bereit waren, das Interim anzunehmen. 32 Es ist also anzunehmen, daß auch er vom Rat entlassen wurde33 und Holzheim dann möglicherweise, ebenso wie Holzschwang durch den Pfarrer von Finningen und Pfuhl durch den von Burlafingen, 34 vorübergehend wieder durch einen katholischen Geistlichen - vielleicht den Benefiziaten der Frühmeßpfründe in Holzheim - versehen wurde. Nach dem Interim setzten mit der Bestellung von Ludwig Rabus zum Ulmer Superintendenten (1556) und der endgültigen Hinwendung der Reichsstadt zum Luthertum erneut die Bemühungen um eine „konfessionelle Vereinheitlichung" auch in den Landgemeinden ein, die in den 1570er Jahren schließlich zu greifen begannen. 35
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Kap. Β. I. 3.5. Der Ortsherr Konrad Roth hatte den Rat gebeten, mit der Einfuhrung der Reformation (Abschaffung der katholischen Zeremonien und des Kirchenschmucks) in Reutti bis zum Ableben seiner Mutter zu warten (Hofer, Landgebiet, S. 133). 1540 wurde er dann vom Rat ersucht, syn pfar zu Reuti mit eym evangelischen predicanten zu versehen (S. 18f.). Die Anweisung setzt voraus, daß Reutti bis zu diesem Zeitpunkt noch katholisch pastoriert wurde. M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 568, erwähnt als letzten katholischen Geistlichen in Reutti noch 1539 Dekan Georg Schmutterer; bei Stempfle, Weissenborn, Nr. 59, ist sein Ableben zwischen 1539 und 1542 vermerkt. Endriß, Synoden, S. 114, 123. Vgl. die Niederschriften bei Eberle, Holzheim, S. 45; Endriß, Synoden, S. 113f„ 123, 142, 200. - Dennoch mußte der Ulmer Rat dem Prädikanten von Holzheim noch 1541 eigens verbieten, Anweisungen und Befehle des Bischofs von Augsburg weiterhin entgegenzunehmen (Hofer, Landgebiet, S. 101). Aubele, Straß, S. 160. Fritz, Kirchengeschichte, S. 159f. und 163f. Fritz, Kirchengeschichte, S. 160. Fritz, Kirchengeschichte, S. 161. Kießling, Reformation, S. 58. - Insgesamt zum Fortleben der im Bauernkrieg manifesten reformatorischen Neigungen in der Bevölkerung des Ulmer Landgebietes und zu den Schwierigkeiten und Brüchen der obrigkeitlichen Reformation S. 54-58.
168
Fallstudien
Bis in den Dreißigjährigen Krieg hinein wurden regelmäßige oder doch häufigere Visitationen abgehalten, die wenigstens teilweise auch Holzheim einbezogen. 36 Die Reformation in Holzheim war also längst etabliert, das Dorf von der Konfessionalisierungspolitik der Reichsstadt Ulm längst erfaßt, als die Markgrafschaft Burgau erste Schritte zur Rekatholisierung unternahm. 37 λ
3.3
ο
Phasen österreichischer Rekatholisierungspolitik
Der archivalische Befund zum Konflikt um Holzheim 39 läßt zunächst zwei durch 20 Jahre voneinander geschiedene Phasen dichter Überlieferung erkennen, die sich inhaltlich voneinander abheben und mit der Veränderung der politischen Akzente im Regiment der unterschiedlichen Herrscher verbunden sind: Dem zwar von konfessionellen Motiven mitveranlaßten Erwerb des Ortes (1580) durch Erzherzog Ferdinand II. (1564-1595) folgten dann jedoch konfessionspolitisch von legalistischen Bedenken gehemmte Jahre (bis 1585). Es blieb 36 37
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Endriß, Kirchenvisitationen, S. 44, 54. Für die knapp 100 Jahre zwischen 1530 und 1626 nennt Stempfle, Weissenborn, Nr. 20 (handschriftlicher Nachtrag), eine Zahl von 15 evangelischen Prädikanten. Vgl. für die Zeit der evangelischen Religionsübung Eberle, Holzheim, S. 42-43, 45-47. Vgl. die knappe Zusammenfassung bei Aubele, Geschichte, S. 18f. Abgesehen von einem zum Erwerb des Dorfes ratenden Gutachten, das der burgauische Rentmeister 1578 für Erzherzog Ferdinand verfaßte (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 41 (1), 1578 Dezember 18), ist für die erste Phase habsburgischer Aufmerksamkeit für Holzheim an Quellen österreichischer Provenienz lediglich die Überlieferung im Buch Burgau (StAA, VÖ, Lit. 649-650) mit zehn Schreiben aus den Jahren 1581-1585 einschlägig. Differenzierter überliefert sind hingegen die Vorgänge besonders fur die beiden Jahrzehnte nach dem Herrschaftsantritt Erzherzog Maximilians. Zu den insgesamt acht zwischen 1604 und 1639 einschlägigen Schreiben der Innsbrucker Regierung an die Amtleute in Günzburg (StAA, VÖ, Lit. 652-655) treten die Korrespondenz des Geheimen Rates mit der Regierung (TLA, GR, K/A) bzw.die der Regierung mit dem Rat (TLA, GR, A/E) in fünf Schreiben sowie die extradierten Dokumente, die von der oberösterreichischen Regierung unter Erzherzog Maximilian 1607 (TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1607 Oktober 25) bzw. Leopold 1624 (TLA, Sei. Leop. (alphabet. Leop.), 1/1160) gesammelt wurden - ein ausfuhrliches burgauisches Gutachten zur konfessionellen Lage in Holzheim und ein Schreiben Ulms an den Regenten. Nicht erhalten ist ein Faszikel burgauischer Provenienz zu den Auseinandersetzungen um Holzheim unter Markgraf Karl (1613), auf das ein Günzburger Altrepertorium von 1779 noch verweist (StAA, VÖ und Burgau, Lit. 100). Über die immer noch unsichere und konfliktreiche Zeit nach der Rekatholisierung Holzheims (1630, 1649 und 1650) geben ein Klagschreiben Bischof Heinrichs an den Reichshofrat (HHStAW, RHR, Decisa, K. 269) sowie insgesamt 14 Stücke eines Sammelakts zur Besetzung der Pfarrei nach dem Ableben des ersten katholischen Pfarrers (HHStAW, Rep. Ν, K. 7) Auskunft. - Einige Schlaglichter auf die pastorale Situation im Dorf werfen zudem Quellen kirchlicher Provenienz: Notizen in einer Descriptio des Landkapitels von 1602 (ABA, DA 15, 216), in einem Visitationsprotokoll kurz vor der Rekatholisierung Holzheims (ABA, BO 3672) und in einem Bericht des Pfarrers der nahen Gemeinde Straß (ABA, DA 15, 344). Für die Überlieferung Ulmer Provenienz kann auf die quellengesättigten ereignisgeschichtlichen Abhandlungen Sylvester Eberles zurückgegriffen werden, der für Holzheim in breitem Umfang reichsstädtische Ratsprotokolle dokumentiert und ausgewertet hat.
Holzheim
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beim konfessionellen Status quo. Für fast 20 Jahre scheint es nun in Holzheim nicht zu katholischen Initiativen der österreichischen Seite gekommen zu sein (1). Die nachfolgenden Regenten der Markgrafschaft - Erzherzog Maximilian III., der Deutschmeister, (1602-1618) bzw. Markgraf Karl von Burgau (1609-1618) sowie Erzherzog Leopold V. (1619-1632) - griffen alle, mehr oder weniger kurz nach ihrem Regierungsantritt, das konfessionell nach ihrem Verständnis ungelöste Problem ,Holzheim' wieder auf: Erster Schritt war dabei stets die Beibringung von Informationen und Gutachten über den konfessionellen und rechtlichen Status im Dorf. 40 Eine gegenüber Erzherzog Ferdinand grundsätzlich unterschiedliche Beurteilung dieser Informationen und Gutachten, nämlich eine offensivere Auffassung der burgauischen Herrschaftsrechte, führte dann entweder erneut zu konfessionellem Stillstand (unter Erzherzog Maximilian und zunächst auch Erzherzog Leopold) oder aber zur Einleitung weiterer Schritte in Richtung auf die Rekatholisierung des Dorfes (unter Markgraf Karl). Signum dieser zweiten Phase ab 1604 ist die zunehmende Bedeutung konfessionell-religiöser Motive. Sie sind, wie sich zeigen läßt, selbst für den Stillstand weiterer Maßnahmen zur Rekatholisierung verantwortlich (2). Unter den Bedingungen des Dreißigjährigen Krieges gelang schließlich die Einsetzung eines katholischen Pfarrers in Holzheim (1627/1635), die erfolgreich einmündete in eine Phase katholischer Konfessionsbildung (unter Erzherzog Leopold bzw. Erzherzogin Claudia, 1632-1646). Nicht erst jetzt, aber zumal für die Zeit nach der formalen Rekatholisierung erwies sich die entscheidende Bedeutung des Bischofs und seiner kirchlichen Vertreter vor Ort (3).41 (1) Für den Erwerb Holzheims durch Erzherzog Ferdinand waren konfessionelle Gründe mit maßgeblich. Aufgrund einer drückenden Schuldenlast sah sich Kloster Elchingen zum Verkauf von Gütern gezwungen und wandte sich 1578 an seinen Schutz- und Schirmherrn in temporalibus, Erzherzog Ferdinand als Markgra40
41
Die Regierung Erzherzog Maximilians ersuchte Landvogt Ulrich von Stotzingen und Dr. Leonhard Plebst um bericht vnnd guetachten, wann vnnd aus was vrsachen die Widrig Religion durch die Statt Ulm der enden eingefiiert, weme die hohe vnd anndere Oberkhait alda zuestenndig vnd wie es in ainem vnd annderm damit beschaffen, auch wie vnd durch was mit! daß Luttertumb zu besagtem Holzheim abzuschaffen vnd die Catholische Religion einzufüern seye (StAA, VÖ, Lit. 652, 1604 September 27); die oberösterreichische Regierung richtete an den Geheimen Rat ein Guetbedunckhen wegen wider einbringung der Catholischen Religion im Dorff Holzhaimb, so mit hocher Obrigkhait in der Marggrafschafft Burgaw ligt, die Statt Ulm aber alda daß lus Patronatus haben (TLA, GR, A/E, 1616 September 9); der Geheime Rat Erzherzog Leopolds ersuchte die oberösterreichische Regierung, über die Rechte Burgaus in Holzheim nähere Informationen einzuholen und zu übermitteln (TLA, GR, K/A, 1621 September 30); die oberösterreichische Regierung forderte vor einer Verhandlung mit Ulm erneut ausfüerliche information von den burgauischen Amtleuten an (StAA, VÖ, Lit. 654, 1625 Januar 13, fol. 235 v ). - Herrscherwechsel zeigen unter dieser Perspektive geradezu mnemotechnische Funktion, weil sie die Verwaltung zur Erinnerung von Rechtsverhältnissen bzw. Rechtsansprüchen veranlassen. Kap. Β. II. 3.4.
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Fallstudien
fen von Burgau, 42 um Holzheim mit dessen genedigsten Consens zu veräußern. In einem zu Verschwiegenheit mahnenden Bericht über die Absichten des Klosters setzt Rentmeister Isaak Han Erzherzog Ferdinand auseinander, wie vorteilhaft ein Kauf des Dorfes durch Österreich selbst wäre.43 Zwei Erwägungen verbinden sich in seiner Argumentation: Zum einen würde die Übernahme der Ortsherrschaft durch die Markgrafschaft und damit die Präsenz ihrer Verwaltung in Holzheim die Wahrnehmung jurisdiktioneller Rechte, die sich aus dem österreichischen Anspruch auf Hochgerichtsbarkeit 44 ergäben, erleichtern bzw. allererst ermöglichen. Denn bislang hätten die burgauischen Amtleute bei der Strafverfolgung einfach aufgrund der geographischen Nähe Ulms das Nachsehen gehabt: Während die Beamten sonst von Gunzburg aus vast ein drithalben stund dahin zu reiten, vnd was sich daselbst herumb fur fähl zutragen, bis mir Leut dahin ordnen, habens die von Ulm schon gestraft vnd hinwegk genomen. [...] Darumben wer es Eur F.D. gantz nuzlich [...], das Sie disen Flegken nit vß handen lassen, dann wo man an den Gränizen leuth hat, kan man dieselbige auch souil desto bösser handthaben. - Zum anderen und als Konsequenz hieraus könnte im Falle des Kaufes, was die Tätigkeit des lutherischen Prädikanten im Dorf angeht, diser sachen [...] aller Rath gefunden, geholfen vnd der Predicant villeicht abgesezt vnd vertriben mögen werden; denn mit Hinweis auf die zwischen Ulm und der Markgrafschaft umstrittene hohe Obrigkeit hatte die Reichsstadt bislang den Standpunkt vertreten, wer die Abschaffung des Prädikanten wünsche, müsse bis zu erörtterung desselben [Streitpunktes] gedult tragen, vnd bleibt der Predicant also noch in der posseß.45 Deutlich verbinden sich damit in den Überlegungen des burgauischen Rentmeisters konfessionell-religiöse und herrschaftliche Motive und Argumente. Indes erfüllten sich die mit dem Erwerb Holzheims verbundenen Hoffnungen nicht. Weder scheint es zu einer wirkungsvolleren Handhabung und Einlösung 42
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Wie die Klostervogteien über Ochsenhausen, Roggenburg und Ursberg, so wurde der Reichsstadt Ulm nach der Besetzung der ihr schirmverwandten Klöster im Schmalkaldischen Krieg 1548 auch Schutz und Schirm über Elchingen entzogen und dem Erzhaus Österreich bzw. als Afterschutzherrn der Markgrafschaft Burgau, später, 1596, der Landvogtei Schwaben transferiert (StAA, VÖ, Lit. 651, 1596 Januar 26, fol. 5V); vgl. RedenDohna, Reichsprälaten, S. 77f.; Maier, Landvogtei. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 41 (1), 1578 Dezember 18. Die hohe Obrigkeit ist für Rentmeister Han schon dadurch für die Markgrafschaft erwiesen, daß diser Flegk den Feurstat gulden durchauß erlegt vnd das sich der Prelat bisher wie andere Insessen der Marggrafschajft Burgaw der Feurstatguldins Freyhait behalten (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 41 (1), 1578 Dezember 18). TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 41 (1), 1578 Dezember 18. - Aus dem Erwerb der Ortsherrschaft und einer Erweiterung der ohnehin als gegeben betrachteten hochgerichtlichen durch niedergerichtliche Rechte sollte keineswegs eine auch nur zusätzliche Legitimation für die Ausübung kirchenhoheitlicher Rechte und die Abwehr reichsstädtischer Ansprüche auf ein Ius reformandi gezogen werden. Es ging Isaak Han vielmehr darum, allererst Möglichkeiten zu schaffen, hohe Obrigkeit durch ortsherrschaftliche Präsenz überhaupt wirkungsvoll zu praktizieren.
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landeshoheitlicher Ansprüche, noch zu ersten Schritten einer Rekatholisierung des Dorfes gekommen zu sein, wobei sich auch im - vorläufigen - gleichzeitigen Scheitern beider Erwartungen deren inhaltliche Verbindung zeigt: Über fünf Jahre nach dem Kauf des Dorfes im Jahre 1580 hatten Untertanen und Prädikant des Ulmer Spitals im Ort Erzherzog Ferdinand und seinem Sohn Karl von Burgau in seinen Besitz sollte Holzheim 1590 bzw. 1600 übergehen - Aidtspflicht vnd huldigung noch immer nicht geleistet.46 Mindestens bis 1585 hatte die Reichsstadt gegen das burgauische Ansinnen immer wieder Einspruch erhoben und eine Huldigung seiner Untertanen erfolgreich zurückgewiesen 47 - ob oder wann sie danach erfolgte, geht aus den Archivalien nicht hervor. Für die Politik Ferdinands und seiner Regierung war die Legitimation konfessioneller Veränderung aus der hohen Obrigkeit maßgeblich und wurde zum Kriterium eigenen Handelns: Die zahlreichen Widersprüche, die Ulm gegen die Huldigung seiner Untertanen und seines Prädikanten einlegte, zogen verwaltungsintern stets die Aufforderung der Regierung in Innsbruck an den Landvogt und seine Amtleute in Günzburg nach sich - auch gemeinsam mit ihren juristischen Beratern Dr. Gall Hager48 und Dr. Leonhard Plebst49, - zu den Vorwürfen der Reichsstadt Stellung zu nehmen und die Rechtsposition der Markgrafschaft im Dorf zu schildern.50 Die Regierung brachte dabei einer hinsichtlich der burgauischen Rechte nicht selten eher optimistischen Einschätzung der Amtleute einige Skepsis entgegen. Aufschlußreich für ihre, um es überspitzt zu formulieren, legalistischen Skrupel ist ein Schreiben der oberösterreichischen Regierung, in welchem sie der Auffassung der Amtleute, das gedachte von Ulm [...] so wol der begertten huldigung als des Predicanten halber zu verlengerung vnnd aufzug ain vergebenliche disputation zuenveckhen sich vnndersteen vnd anmassen, mit den Worten entgegentritt, das deren von Ulm Jezt angezogen Argumenta vnnd behelff[...] vnnsers erachtens nit gering oder schlecht, sonnder das ansehen haben, als ob sy Irer verwiderung befuegt sein mechten.51 Die vermutete juristische Stärke der Argumente, mit denen Ulm seine Ansprüche auf hohe Obrigkeit bzw. landeshoheitliche Rechte geltend machte, scheint denn auch nach dem Erwerb Holzheims - trotz der daran ursprünglich geknüpften Hoffnungen - entscheidend für die nahezu 20 Jahre gewesen zu sein, in denen die
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Im Gegensatz zu den Untertanen der Fugger-Kirchberg in Holzheim (StAA, VÖ, Lit. 650, 1585 Februar 6, fol. 47 r ). Vgl. StAA, VÖ, Lit. 649, 1581 April 12, fol. 446 r ; 1581 April 15, fol. 448 r ; 1582 Dezember 17, fol. 502 r ; StAA, VÖ, Lit. 650, 1584 März 24, fol. 15r; 1584 August 27, fol. 25 r ; 1585 Februar 7, fol. 47 r ; 1585 März 22, fol. 52r; 1585 Oktober 11, fol. 73 v . Vgl. Kap. Β. I. l . A n m . 1 5 4 . Kap. Β. II. 3. Anm. 402. Z.B. StAA, VÖ, Lit. 650, 1585 März 22, fol. 52r. StAA, VÖ, Lit. 650, 1585 Februar 7, fol. 47 r . Das - nicht überlieferte - Gutachten der burgauischen Beamten datiert von 1584 November 26.
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Fallstudien
Bemühungen Österreichs um eine Rekatholisierung ruhten.52 Die Tatsache, daß beede Religion alda zu Holzhaim gehalten wurden,53 also auch die Messe aufgrund einer Frühmeßstiftung im Ort regelmäßig zelebriert wurde,54 mochte dabei über religiöse Vorbehalte hinweghelfen, zumal Erzherzog Ferdinand eine ähnlich simultane Lösung wenige Jahre zuvor auch in Lützelburg - im Münchener Vertrag von 1578 - praktikabel erschienen war. (2) Anders als Erzherzog Ferdinand auferlegten sich dessen Nachfolger konfessionspolitische Selbstbeschränkung nicht mehr aufgrund des defizitären oder wenigstens ungeklärten rechtlichen Status der Markgrafschaft Burgau in Holzheim. Hohe Obrigkeit und das aus ihr abgeleitete landeshoheitliche Recht auf Ausübung der Kirchenhoheit im Ort wurden - nicht mehr nur von den Amtleuten in Günzburg - als gegeben vorausgesetzt.55 Daß Erzherzog Maximilian und später zunächst auch noch Leopold dennoch von der Rekatholisierung Abstand nahmen, geschah gegen die juristische Konsequenz dieses Rechtstitels und hatte einen religiös-konfessionellen Grund, den Landvogt Ulrich von Stotzingen (16031609)56 und die burgauischen Amtleute Dr. Cyriakus Renz und Rentmeister Hans Christoph Han in ihrem Gutachten an die Regierung in Innsbruck präzise formulieren: Man habe bißhero - gemeint ist die Zeit seit Übernahme des Landvogteiamtes durch Ulrich von Stotzingen im Jahre 1603 ex parte Burgaw solchen Ulmischen Predicanten [...] geduldet, weilen der herr Prelath zu Elchingen vnderschidliche grosse Fleckhen in der Herrn von Ulm hocher vnd Niderer Obrigkheit ligendt hat, welche bej der Cathollischen Religion dargegen auch vnzt dato gelassen worden. Da wir nun den Predicanten zue besagtem Holzheim abschaffen sollten, were sich zuebefahren, die von Ulm möchten in den Elchingischen57 vnd andern5/1 vnder Irm gebiet ligenden 52
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Gegen Eberle, Reformation, S. 70f., der denn auch Schwierigkeiten hat zu erklären, weshalb Erzherzog Ferdinand „seine drohenden Worte nicht in die Tat umsetzte" (S. 70). StAA, VÖ, Lit. 650, 1585 Oktober 11, fol. 73v. Kap. Β. I. 3.5. TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1607 Oktober 25; TLA, GR, A/E, 1616 September 9; TLA, GR, K/A, 1616 Oktober 3; StAA, VÖ, Lit. 653, 1616 Oktober 5, fol. 4 2 Γ ; StAA, VÖ, Lit. 654, 1627 Oktober 11, fol. 624v. Zu ihm Erlacher, Beamtenschematismus, S. 49. Dirr, Elchingen, S. 12f., nennt für 1523 folgende, dem Kloster Elchingen inkorporierte Pfarreien: Plüderhausen bei Schorndorf, Straß, Urbach und seine Filialen Haubersbronn, Glashütte und Albersbach, Thalfingen, Fahlheim und seine Filialen Nersingen und Leibi, Waldstetten, Gerstetten, Stoffenried, Westerstetten und Tomerdingen; außerdem besaß Elchingen das Vogtrecht der Kirche in Oxenbronn und die Zehnten von Oxenbronn, Bermaringen, Böttingen, Temmenhausen und Dornstadt. Zur Gänze zum Territorium der Reichsstadt Ulm zählte davon jedoch nur Bermaringen, Temmenhausen und Thalfingen, wo die Ulmer Familie Besserer Besitz hatte (Neusser, Territorium, S. 192-195 (Stand des Jahres 1802); Hofer, Landgebiet, S. 25f., 106).
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Fleckhen die Cathollischen Priester auch außschaffen vnd die Sectischen einfieren59 Das Gutachten rät darum, es sei ex his duobus malis minus eligendum.60 Als geringeres Übel wird es verstanden, auf die vollkommene Rekatholisierung eines einzigen Dorfes zu verzichten, wenn es dadurch möglich ist, gleichzeitig die katholische Glaubenspraxis in mehreren anderen Dörfern zu erhalten. Daß bei dieser Überlegung gleichgültig ist, wenn es sich, wie im Falle Elchingens, um fremde Herrschaften handelt, der katholische Status anderer österreichischer Orte und Dörfer also gar nicht zur Debatte steht, belegt deutlich einen Primat des Religiösen vor territorialpolitischen Überlegungen: Der Verzicht auf herrschaftsrechtliche Arrondierung des eigenen Gebietes hier der Verzicht auf die Durchsetzung der Kirchenhoheit in Holzheim als Ausfluß landeshoheitlicher Rechte - erscheint vertretbar, weil er summa summarum zum Nutzen des Bekenntnisses geschieht. 61 Daß auch dies politisch letztlich Vorteile bringen mochte, soll nicht bestritten werden, spielte jedoch in der Argumentation der Amtleute keine Rolle. Daß man sich vorderhand an der Zahl der Seelen orientierte, der man durch den rechten Glauben den Weg zur Seeligkeit entweder eröffnete oder aber offenhielt, und dabei geradezu kalkulierte, zeigt noch deutlicher ein Gutachten des Geheimen Rats, der noch 1625, kurze Zeit bevor die militärische Entwicklung die Einführung eines katholischen Pfarrers tatsächlich möglich machte und Gegenmaßnahmen Ulms ausschloß, gegenüber Erzherzog Leopold die nämlichen Bedenken äußerte. Nachdem die Reichsstadt Ulm die österreichischen Rekatholisierungsabsichten fur Holzheim mit der Drohung beantwortet hatte, daraufhin ihrerseits in den Orten und Dörfern unter ihrer hohen Obrigkeit, alda bishero das
Catholische exercitium passiert worden, gleichmessigen Rechtens verfahren zu wollen, wurden die davon gegebenenfalls betroffenen Ortsherrschaften von Innsbruck aus um ihre - nicht überlieferten - Stellungnahmen ersucht, woraus die 58
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Z.B. im Ulmer Winkel etwa im söflingischen Burlafingen, w o die Reichsstadt die Hochgerichtsbarkeit ausübte und zunächst (1531) die Reformation einfuhren wollte, was jedoch nicht gelang. 1634 wurde an diesen Versuch erneut - und erneut ohne Erfolg - angeknüpft (Aubele, Burlafingen, S. 17, 21 f.), obwohl Ulm über das Klarissenkloster auch nach dem Schmalkaldischen Krieg die Vogteirechte behalten hatte (zur Klostergeschichte Specker, Ulm, S. 132 Anm. 142; Specker/Tüchle, Kirchen, S. 163-199; Frank, Söflingen, S. Ι Π ΠΟ). - Vgl. die Zusammenstellung der klösterlichen Patronatsrechte im Ulmer Territorium bei Hofer, Landgebiet, S. 24-26). TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1607 Oktober 25. TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1607 Oktober 25. Erleichtert wurde diese Entscheidung, die der Bevölkerung Holzheims gleichwohl den Weg zu Glauben und Heil nach katholischer Vorstellung erschwerte, dadurch, daß im Dorf dank des Frühmeßbenefiziums die Möglichkeit zur katholischen Glaubensübung nicht gänzlich ausgeschlossen war: Ein Verzicht sei vmh souil ehender zuegedulden, dieweil nicht destoweniger ein Cathollischer Priester alda zu Holzheim den Gotsdienst verrichtet vnd die Cathollischen vnderthonen dannocht Ire andacht haben khinden (TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1607 Oktober 25).
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Fallstudien
Geheimen Räte ersahen, das man zum thail durch besagte introduction sich einer mehrern anzahl Seelen verlursts [!] zubefahren hätte, und vorerst abrieten.62 Aus der angeführten Argumentation, die mindestens zweimal für den Stillstand der Rekatholisierungsbemühungen in Holzheim verantwortlich war, erhellt die gegenüber der Zeit Erzherzog Ferdinands gestiegene Bedeutung religiöser bzw. konfessioneller Triebkräfte der Politik. Konfessionelle Überlegungen durchbrachen die Logik einer auf verdichtete Staatlichkeit zielenden Politik. Um es als Paradoxon zu formulieren: Konfession diente nicht, sondern ging zu Lasten der Konfessionalisierung, verstanden als Prinzip politischen Handelns, das die Konfessionsbildung für die Staatsbildung nutzbar zu machen bestrebt ist.63 Voraussetzung aber für den konstatierten Primat des Religiösen vor territorialpolitischen Erwägungen war die Bereitschaft bzw. Notwendigkeit, konfessionelle Konsequenzen des eigenen politischen Handelns großräumig und grenzüberschreitend wahrzunehmen. Wenn die Erzherzöge Maximilian und Leopold von der Rekatholisierung Holzheims deshalb Abstand nahmen, weil Ulm dann auch Hand an die verbliebenen katholischen Patronate im Bereich der reichsstädtischen - nicht etwa burgauischen - hohen Obrigkeit legen wollte, so belegt dies zuerst, daß sich ihre Aufmerksamkeit als Regenten der Markgrafschaft Burgau nicht auf deren Gebiet beschränkte, sondern sich, weit gefaßt, selbst über die eigenen Landesgrenzen der Markgrafschaft wie auch der Landvogtei Schwaben hinaus auf grenzüberschreitende räumliche Zusammenhänge im deutschen Südwesten richtete. Die religiöse, d. i. konfessionelle Verantwortung, die sie für dessen Bevölkerung empfanden - nichts anderes spricht aus der Aufrechnung von Seelen - , machte sie vice versa auch anfällig für die Drohung mit konfessioneller Vergeltung beim Nachbarn. Sobald sich der Horizont politischen Handelns dagegen auf den räumlich begrenzten Bereich der Markgrafschaft Burgau als eines gewissermaßen geschlossenen Systems beschränkte, fehlte allfälligen konfessionellen Drohungen mit ersatzweiser Talion beim Nachbarn von vornherein der Adressat. Damit vermochte sich Konfessionspolitik in anderen Bahnen zu bewegen: Ohne daß deswegen Rückschlüsse auf einen gesunkenen Stellenwert des Religiösen für das politische Handeln gezogen werden könnten, war jetzt die Option zur Konfessionalisierung eröffnet. Diese Zusammenhänge erklären das abweichende Bild der Politik Markgraf Karls in Holzheim, dessen Herrschaftsbereich aus dem österreichischen Länderkomplex - wenn auch unter Aufrechterhaltung zahlreicher, auch administrativer Verbindungen - herausgelöst und (neben der Landgrafschaft Nellenburg, den Vogteien Ach und Tengen und der Grafschaft Hohenberg) auf die Markgrafschaft Burgau beschränkt war. Auch die Vogtei über Kloster Elchingen lag seit 1596 nicht mehr bei der Markgrafschaft, sondern war auf die Landvogtei Schwaben 62 63
TLA, GR, K/A, 1625 August 20. W. Reinhard, Konfessionalisierung, S. 421.
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übertragen worden. 64 Ohne Rücksicht auf Konsequenzen seines Handelns jenseits der eigenen Territorialgrenzen, forderte nun Karl - anders als seine Vorgänger unter Hinweis auf seine, die Kirchenhoheit verbürgenden Rechte in Holzheim -
aldieweiln in disem fahl der Religion friden ganz clar vnd lauter sef5 - die Reichsstadt 1616 zur praesentirung eines Catholischen Priesters auf.66 Sollte Ulm sich widersetzen, wolle er nicht unterlassen, das Ihenig [...] selbers zuuerfüegen, wozu er sich diß orts berechtigt sah, und den Bischof um Besetzung der Stelle Iure devolutionis zu ersuchen.67 Ohne daraufhin in ähnlicher Weise wie vormals gegenüber Maximilian oder nachmals gegenüber Leopold mit der Reformation bislang katholischer Orte im reichsstädtischen Landgebiet zu drohen, willigte Ulm ein, die Kontroverse neben andern nachparlichen Irrungen - gemeint war unter anderem ein Streit über das Geleit durch Leipheim - vermitlest ainer conferenz hinlegen zulassend Der Verzicht auf ein bislang gängiges Argumentationsmuster zeigt, daß die Reichsstadt die eingetretene Veränderung in der habsburgischen Herrschaftsstruktur wahrgenommen hatte und darauf reagierte. Zwar läßt sich über den weiteren Austausch von Argumenten und den Fortgang der Verhandlungen nur spekulieren, da es in den folgenden Monaten und bis zum Tode Markgraf Karls (1618 Oktober 31) nicht mehr zur geplanten Konferenz kam. Die Bereitschaft der Reichsstadt zu Gesprächen signalisiert aber dennoch eine qualitative Veränderung ihrer Politik. Es ist dabei wichtig festzuhalten, daß diese Veränderung nicht einem am Vorabend des Krieges gestiegenen Gefühl der (politischen und militärischen) Bedrohung geschuldet war, denn selbst noch 1624 und 1625, als eine Gefahr dann tatsächlich gegeben war,69 kehrte Ulm gegenüber 64 65 66
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StAA, VÖ, Lit. 651, 15% Januar 26, fol. 5 \ StAA, VÖ, Lit. 653, 1616 Oktober 5, fol. 42 Γ . TLA, GR, K/A, 1616 Oktober 3. - Der Eintrag in ein Altrepertorium der Markgrafschaft, das Hauptrepertorium des Registrators Johann Jakob Eberle von 1779 aus dem Oberamt Günzburg (StAA, VÖ und Burgau, Lit. 100), Holz und Bubesheim in diversis, besonders den ohnruig und amovial [vermutlich: zu entfernenden] Pfarr betr. 1613 (1 Fasz.), macht wahrscheinlich, daß man sich in Günzburg unter Markgraf Karl nicht erst 1616 mit der konfessionellen Problematik in Holzheim auseinandersetzte. - Daß Ulm wegen Holzheims unter Markgraf Karl nicht besonders beunruhigt worden sei (Eberle, Reformation, S. 72), entspricht damit nicht den Tatsachen. Das Devolutionsrecht erlaubt es dem Bischof, im Falle eine Präsentation auf eine vakante Stelle unterbleibt, von sich aus und unbeschadet der weiteren Rechte des Patronatsherren einen geeigneten Kandidaten zu präsentieren (WWKL Bd. III, S. 1647-1650). TLA, GR, K/A, 1621 September 30; darin wird der Inhalt des nicht erhaltenen Antwortschreibens der Reichsstadt von 1617 Januar 4 referiert. - Die avisierte Kombination unterschiedlicher Erörterungsgegenstände könnte auch auf eine veränderte diplomatische Taktik hindeuten, auf diese Weise die Verhandlungsbereitschaft der Reichsstadt zu fördern und den konfessionellen Konflikt durch Nachgeben und Kompromisse in anderen strittigen Punkten eher im österreichischen Sinne zu lösen. Zu den Ereignissen und Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges in der Umgebung Ulms Eberle, Streiflichter; Zillhardt, Krieg, S. 14-40. Zwischen März und September 1625 waren mehr als 1000 Landsknechte des Grafen Gottfried Heinrich zu Pappenheim (1594-1632) in Langenau einquartiert (S. 18f.).
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der Administration Erzherzog Leopolds zu den herkömmlichen Drohungen zurück.70 Der Nachdruck, mit dem Markgraf Karl seine Rekatholisierungsabsichten vortrug, ebenso wie die Gesprächsbereitschaft der Reichsstadt, die eine konfessionelle Veränderung des Status quo in Holzheim neuerdings denkbar erscheinen ließ, waren vielmehr die Folge der geographischen Neuformulierung politischer Handlungsräume durch Habsburg. In Innsbruck sah man in dieser Neuformulierung gerade auch unter konfessionellem Aspekt Chancen. Markgraf Karl mochte nach außen, gegenüber Ulm, eigenständig auftreten, innerhalb des Erzhauses war seine Politik Ergebnis einer engen Abstimmung mit Erzherzog Maximilian. Ja mehr noch: Sowohl die Initiative, die Situation in Holzheim erneut ins Visier zu nehmen, als auch das nun entschiedener fordernde Auftreten gegenüber Ulm ging von Maximilian aus bzw. war von ihm angeregt.71 Auch von dieser Seite erfahrt die These also Bestätigung, daß die festzustellenden konfessionalisierenden Akzente in der Politik Markgraf Karls nicht primär eine Frage der Persönlichkeit des Regenten, sondern vor allem Ergebnis neuer Handlungsmöglichkeiten waren, welche die veränderten räumlichen Herrschaftsstrukturen mit sich brachten. (3) Unter den zunächst für die kaiserlich-katholische Seite günstigen militärischen Entwicklungen des Dreißigjährigen Krieges kam es schließlich 1627 nach der vorläufigen Versehung der Pfarrei durch einen Dillinger Priester72 tatsächlich zur Einführung eines katholischen Pfarrers - Anton Schnitzler - in Holzheim. 73 Zuvor 70
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Denn wenn schon vmb der hohen Obrigkhait willen die Religions Enderung Befugsam vnnd rechtmessig sei, müsse dieselbe einem E. Rhat Bei vnderschidlicher Stenden Inn seinem gebiett gelegnen dorfschafft in vnverwehrt sein, womit der Rat doch Biss dato Inn Rhue gestanden (TLA, Sei. Leop. (alphabet. Leop.), 1/1160, 1624 Oktober 2; vgl. auch TLA, GR, K/A, 1625 August 20). - Für die Reichsstadt führte damals der Ulmer Ratskonsulent Dr. Konstantin Vahrenbühler (1584-1630) die Verhandlungen mit Österreich (StAA, VÖ, Lit. 654, 1624 Dezember 23, fol. 232 r; TLA, GR, A/E, 1625 Februar 22); zu ihm Gänßlen, Ratsadvokaten, S. 280f. Vgl. die Aufforderung der Regierung an Markgraf Karl, über die strittige hohe Obrigkeit in Holzheim Bericht zu erstatten (StAA, VÖ, Lit. 653, 1616 Februar 12, fol. 412 v ), sowie das wohl als Antwort auf dessen (nicht überlieferten) Bericht formulierte Schreiben der Regierung an Markgraf Karl, der Erzherzog Maximilian, dem es gehorsamist referiert worden, über die rechtliche Lage in Holzheim und seine konfessionellen Pläne informiert hatte. Daraufhin hatte Maximilian seinem Geheimen Rat die eigenen Vorstellungen - Aufforderung Ulms zur Präsentation eines katholischen Geistlichen aufgrund der burgauischen Rechte im Dorf und Drohung mit ersatzweiser Bestellung eines Priesters durch den Bischof im Weigerungsfalle - zur Weiterleitung über die oberösterreichische Regierung in Innsbruck an den Markgrafen mitgeteilt (StAA, VÖ, Lit. 653, 1616 Oktober 5, fol. 4 2 Γ ) . Inwieweit Maximilians Vorschläge auf Anregungen Karls beruhen, ist nicht klar. Jedenfalls verfuhr der Markgraf in der vorgesehenen Weise (TLA, GR, K/A, 1621 September 30). Zusammenhänge bzw. Abhängigkeiten zwischen den Regenten werden hierbei deutlich sichtbar. Eberle, Reformation, S. 78f. Die Einführung Pfarrer Schnitzlers muß vor der Sitzung der Propagandakongregation 1627 April 16, bei der die erfolgreiche Rekatholisierung Holzheims referiert wurde, erfolgt sein
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hatte Erzherzog L e o p o l d den e v a n g e l i s c h e n Prädikanten W i l h e l m M e y e r und s e i n e F a m i l i e 1627 Januar 2 9 g e w a l t s a m nach S t e i n h e i m a u s s c h a f f e n lassen. 7 4 Z w a r w u r d e A n t o n Schnitzler 1 6 3 2 durch die S c h w e d e n w i e d e r vertrieben, 7 5 W i l h e l m M e y e r n o c h m a l s in H o l z h e i m e i n g e s e t z t und n o c h 1635 durch B o n i f a z Stölzlin als n e u e m e v a n g e l i s c h e n Prädikanten ersetzt. D i e s c h w e d i s c h e N i e d e r l a g e in der Schlacht v o n N ö r d l i n g e n 1 6 3 4 S e p t e m b e r 6 veränderte j e d o c h die militärischen und politischen R a h m e n b e d i n g u n g e n erneut: 76 Mit H i l f e der burgauis c h e n B e a m t e n konnte der katholische G e i s t l i c h e - g a n z nach d e m Muster ihrer b e w a f f n e t e n und überfallartigen E x e k u t i o n e n in Lützelburg und Unterrohr war auch B o n i f a z Stölzlin v o n seiner Stelle vertrieben w o r d e n - n o c h 1635 7 7 e n d g ü l t i g a u f die Pfarrei zurückkehren und 1 6 3 6 N o v e m b e r 1 auch formal die Stelle besetzen. 7 8 D e n A m t l e u t e n war der B e f e h l erteilt w o r d e n , g e g e n den Widerstand der Reichsstadt und der Untertanen in H o l z h e i m bequeme damit
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Anton
Schnitzler
widerumb
aldahin
ein-
mittl vnd
vnd weeg
zu w ä h l e n ,
vndergebracht,
auch
(zu dieser Sitzung Tüchle, Acta, S. 153). M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 559, nennt dagegen bereits ab 1620 wieder katholische Geistliche auf der Pfarrei, nämlich die Pfarrer von Großkissendorf, Michael Mayr (1620-1624) und Augustin Schenk (1624-1627). Dabei handelt es sich offensichtlich um eine Verwechslung mit den Inhabern der Frühmeßpfründe in Holzheim, für welches Benefizium zu den Jahren „1620ff." vermerkt ist: „der Ortspfarrer" (S. 560). Nach Stempfle, Weissenhorn, Nr. 21, wurde das Frühmeßbenefizium bereits seit Einfuhrung eines evangelischen Prädikanten auf die Pfarrstelle vom Kissendorfer Pfarrer versehen (providetur per rev. Dom. parochum in Kissendorf)·, Stempfle, Weissenhom, Nr. 20, wird auch der Antritt Anton Schnitzlers fur 1627 vermerkt. Auch das Protokoll der Visitationsreise im Landkapitel Ichenhausen (ABA, BO 3672) fur 1626 Oktober 10 notiert zur Capellania in Holtzhaim: Haec est fundata in altari Leonardi in parochiali ecclesia, quae iam ab haereticis occupatur, was also die Tätigkeit eines katholischen Pfarrers zu diesem Zeitpunkt noch ausschließt. Auf Schnitzler folgte 1652 (bis 1657) bzw . 1653 Pfarrer Johann Mayr (M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 559, bzw. Stempfle, Weissenhorn, Nr. 20). Nach dem Tode Schnitzlers 1650 (HHStAW, Rep. Ν, K. 7 (F. VI, P. II, Nr. 1), 1650 Juni 23) mußte Holzheim zunächst von den benachbarten Pfarrern vikariert werden. - Anton Schnitzler wird in der österreichischen Korrespondenz zunächst als Caplan (StAA, VÖ, Lit. 655, 1628 April 11, fol. 28'), später als Pfarrherr (StAA, VÖ, Lit. 655, 1639 September 12, fol. 659 r ) bezeichnet. Eberle, Reformation, S. 78f. Aufgrund des Bündnisses der Reichsstadt 1632 Februar 13 mit Gustav Adolf zog 1632 Februar 24 eine schwedische Besatzung (1200 Mann) in Ulm ein (Zillhardt, Krieg, S. 23f.; vgl. zu den einzelnen Ereignissen in der Umgebung des Klosters Elchingen auch die zeitgenössischen Aufzeichnungen eines Konventualen bei Brunner, Schicksale; allgemein zu den Versuchen Ulms, Besitz des Wengenklosters, der Klöster Söflingen, Elchingen, Kaisheim und Salem in seinem Gebiet im Schutz der schwedischen Macht zu säkularisieren, Eberle, Reformationsversuche. - Zur Mißhandlung und Vertreibung Anton Schnitzlers durch schwedische Soldaten ders., Reformation, S. 149f.; ders., Streiflichter, Nr. 37, S. 152. Zillhardt, Krieg, S. 25-29. StAA, VÖ, Lit. 655, 1635 September 7, fol. 598 r . Zu diesen Ereignissen Eberle, Reformation, S. 150, sowie ausfuhrlicher ders., Holzheim, S. 5-7; Kreisbeschreibung Neu-Ulm, S. 28; Aubele, Geschichte, S. 18f.
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Fallstudien
vnuerhindert erhalten, sowol Ime die gebürliche gefell vnd Einkhommen vnuerwaigerlich geraicht werden miigen. Sie sollten dem Pfarrer dabei auch für die Zukunft, souil sein khan vnd sich thuen last, Schutz und Unterstützung zuteil werden lassen und, im Falle gedachte Statt Ulm vnd vnderthonen sich noch weitter opponieren vnd widersezen sollten, die Regierung in Innsbruck unverzüglich in Kenntnis setzen.79 Indes fügte sich die Reichsstadt. Auch die schwedischen Durchzüge, Einfalle und Einquartierungen der Folgezeit80 hatten keine Konsequenzen für den konfessionellen Status des Dorfes mehr. Keinen Erfolg hatte Ulm auch nach 1648 mit seinem Versuch, unter Berufung auf die Normaljahrsregelung des Westfälischen Friedens (1624 Januar 1) die neuerliche Besetzung der Pfarrei mit einem lutherischen Geistlichen zu erreichen.81 Denn zum einen - so die österreichische Argumentation - sei Holzheim dem Erzherzog, seit 1632 bzw. ohne Vormundschaft seit 1646 Ferdinand Karl, immediate zuegehörig, während die Reichsstadt allein über das Patronatsrecht verfüge, zum anderen werde das Haus Österreich in puncto religionis allerdings für exempt gehalten, für dessen Herrschaften gelte also das Normaljahr nicht.82 Dennoch versuchte Ulm 1650 noch einmal, nach dem Tod des katholischen Pfarrers Anton Schnitzler, die Rekatholisierung Holzheims rückgängig zu machen und einen evangelischen Geistlichen zu präsentieren, was aber durch das unverzügliche Zusammenwirken von burgauischer und bischöflicher Administration verhindert wurde.
3.4
Die Bedeutung der kirchlichen Gewalt fur Rekatholisierung und katholische Konfessionsbildung in Holzheim
Damit spätestens richtet sich die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung, die der kirchlichen Hierarchie, dem Ortsbischof und seiner Administration wie auch dem Geistlichen vor Ort, für Rekatholisierung und katholische Konfessionsbildung in Holzheim zukam. Besonders, aber nicht erst für die Zeit nach der Installation des katholischen Pfarrers (1627) trat der Bischof hierbei immer mehr als die eigent-
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StAA, VÖ, Lit. 655, 1635 September 7, fol. 598 r . Zillhardt, Krieg, S. 29-36. Eberle, Reformation, S. 151f.; ders., Streiflichter, Nr. 42, S. 172. HHStAW, Rep. Ν, K. 7 (F. VI, P. II, Nr. 1), 1649 April 19 (Gutachten der oberösterreichischen Regierung für Erzherzog Ferdinand Karl, das sich inhaltlich der Auffassung Dr. Isaak Volmars anschließt). - Zu Dr. Isaak Volmar (1583-1662; der konvertierte Württemberger war 1606-1613 Professor in Freiburg, 1616-1620 Kanzler in St. Gallen, 1620-1638 vorderösterreichischer Kanzler in Ensisheim, 1639-1650 oberösterreichischer Kammerpräsident, 1643-1662 Geheimer Rat, 1650-1662 Hofkanzler in Innsbruck und seit 1649 auch kaiserlicher Geheimer Rat) Schwarz, Council, S. 376f.; Erlacher, Beamtenschematismus, S. 49, 203-205; Seeber, Beamtenschematismus, S. 27f., 33, 175; Foerster/Philippe, Diarium, XXIV-XXXI.
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lieh treibende Kraft in Erscheinung. Er bediente sich des Brachium saeculare der österreichischen Beamten, ja die österreichische Seite begab sich von sich aus kirchlicher Funktionen ihrer obrigkeitlichen Gewalt zugunsten des Bischofs. Schon daß die konfessionelle Situation in Holzheim 1604 nach nahezu 20 Jahren wieder ins Blickfeld der österreichischen Verwaltung rückte, verdankte sich der Initiative Bischof Heinrichs von Knöringen (1598-1646), der sich in dieser Hinsicht auch von seinen Vorgängern abhob. Mit eyferiger sorgfeltigkhait ließ er sich die außreüttung der Lutterischen, Verfüerischen Sect vnd hingegen die eüjfnung [!] vnd fortpflannzung der allain seeligmachenden Catholischen Religion in dem Fleckhen Holzhaim angelegen sein und hatte sich deshalb an Erzherzog Maximilian gewandt. Dies erst veranlaßte die österreichische Administration, nach fast zwei Jahrzehnten ihrerseits über eine Rekatholisierung des Dorfes erneut nachzudenken.83 Bischof Heinrichs Name ist von jetzt an verknüpft mit den weiteren österreichischen Anläufen; sei es, daß dabei die Bemühung um Kooperation von der österreichischen Seite ausging - so wurde (1616) das bischöfliche Ius devolutionis als möglicher Ansatzpunkt für die Rekatholisierung von Erzherzog Maximilian und seiner Regierung in Innsbruck gegenüber Markgraf Karl ins Spiel gebracht84 - oder vom Augsburger Bischof - dieser hatte wegen Holzheims bei Erzherzog Leopold instendig vnd beweglich angehalten um eheiste anstellung einer zesamen schickhung, einer Konferenz reichsstädtischer und österreichischer Verhandlungsdelegierter.85 In signifikanter Deutlichkeit trat die Bedeutung des Bischofs und seiner kirchlichen Administration auch nach der formalen Rekatholisierung Holzheims - der Einfuhrung des katholischen Pfarrers Anton Schnitzler im Frühjahr 1627 - hervor. Im sich nun anschließenden Prozeß der Vertiefung und Verfestigung des konfessionellen Wechsels profilierten sich der Bischof und seine Administration gegenüber der weltlichen Obrigkeit, die ein - freiwillig und bereitwillig - dienendes Verhältnis zur kirchlichen Obrigkeit einnahm. Für Heinrich von Knöringen selbst war aus der Rückschau des Jahres 1630 ohnedies ausgemacht, wem die Rekatholisierung Holzheims vorrangig zu verdanken war und wie die Rollen hierbei verteilt waren: Mit Selbstverständlichkeit spricht er von Holzheim als einem vor wenig Jahren vermitlest des durchleiichtigsten Fürssten, Herren Leopoldj, Erzhörzogens zue Ossterreich [...] gnediger Assistenz vnndzuethuen durch
83 84 85
StAA, VÖ, Lit. 652, 1604 September 27. StAA, VÖ, Lit. 653, 1616 Oktober 5, fol. 4 2 Γ . TLA, GR, K/A, 1621 September 30. Eine Mitteilung der Regierung in Innsbruck an den Bischof über das Zustandekommen einer solchen Tagsatzung datiert erst 1624 Dezember 23 (StAA, VÖ, Lit. 654, fol. 233 r ).
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Fallstudien
mich alß ordinarium zue der wahren Catholischen Religion widerumb gebrachten vnnd in der Margrajfschafft Burgaw gelegnen Fleckhen,86 Die Bedeutung des Ortsbischofs zeigt sich schließlich auch im Widerstand, auf den die Rekatholisierung Holzheims zunächst traf.87 Der Bauer, der den spitalischen Widenhof im Dorf bewirtschaftete, versuchte sich dem Konfessionswechsel für seine Person zu widersetzen und rief deswegen die Reichsstadt um Hilfe an.88 Ulm wandte sich nun zunächst an Erzherzog Leopold - über das Ergebnis der Gesandtschaft ist nichts Näheres bekannt -, 8 9 dann aber an Bischof Heinrich, um für seinen Untertanen nachzusuchen, Ine, Widumb Paurn, mit der reformation zuuerschonen.90 Die Wahl der kirchlichen Obrigkeit als Adressaten mag vielleicht auch Ausdruck der Mißachtung von landeshoheitlichen Rechten der Markgrafschaft im Ort sein; vor allem aber zeigt sie, wen man in Ulm als tatsächlich maßgeblich für die konfessionelle Politik im Dorf ansah. Der Bischof wies das Ansinnen gegenüber der Reichsstadt mit juristischen Gründen zurück, die er auch die Regierung in Innsbruck wissen ließ.91 Diese folgte seiner Einschätzung - die Markgrafschaft Burgau übe die hohe wie niedere Gerichtsbarkeit über den Widenbauern genauso wie über andere Untertanen des Dorfes, von daher könne sie keinen Grund erkennen, aus was vrsachen Ime ain absonderliches exercitium der Religion zuuerstaten wäre - und wies den Landvogt und seine Beamten in Günzburg an, den Widenbauern zu angeregter Catholischen Religion, andern Insessen [hier: Bewohner bzw. Untertanen des Dorfes] gleich, alles ernsts an- vnd steif darob zu halten,92 sich also als weltlicher Arm den konfessionellen Disziplinierungsabsichten des Bischofs zur Verfügung zu stellen. In ähnlicher Weise deutlich wird die dienende Funktion der burgauischen Administration bei der Sicherung der finanziellen Grundlage für das Wirken des neuen, katholischen Geistlichen. So wurde Rentmeister Johann Sagittarius von Erzherzog Leopold angewiesen, wiederum einer Bitte Bischof Heinrichs zu entsprechen und sein Brachium saeculare zur Beschlagnahmung des Großzehnten in
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HHStAW, RHR, Decisa, K. 269, 1630 September 2. - Ebenfalls auf die Initiative Heinrichs (1628 März 10) ging der Versuch zurück, bereits im Vorgriff auf das Restitutionsedikt der katholischen Religion in Holzschwang, Neuhausen und Reutti wieder Zugang zu verschaffen (Tupetz, Restitutionsedict, S. 534 sowie Übersichtskarte II; Eberle, Holzschwang). Eberle, Reformation, S. 147f., 150f. Eberle, Holzheim, S. 5, der sich auf die Ulmer Ratsprotokolle bezieht. Ein Ratsbeschluß von 1627 März 21 trug dem Ulmer Ratskonsulenten Dr. Konstantin Vahrenbühler (zu ihm Kap. Β. I. 3. Anm. 200) die Übergabe einer entsprechenden Bittschrift in Innsbruck auf (Eberle, Holzheim, S. 6). StAA, VÖ, Lit. 654, 1627 Oktober 11, fol. 642v. Das Schreiben selbst ist nicht überliefert, sein Inhalt wird aber umrissen in einem Schreiben der Regierung an die burgauischen Amtleute (StAA, VÖ, Lit. 654, 1627 Oktober 11). StAA, VÖ, Lit. 654, 1627 Oktober 11.
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Holzheim zu leihen, damit der Pfarrer dort seine Gefalle erhalte.93 Leopold bestätigt dabei die Einschätzung, für die konfessionelle Gestaltung des Dorfes sei der Bischof verantwortlich, wenn er den Rentmeister heißt, Ulm im Falle von Beschwerden an den Bischof zu verweisen. 94 - Ähnliche Befehle ergingen dann noch zweimal (1635 und 1637) nach der erneuten Rückführung des katholischen Pfarrers Anton Schnitzler.95 Auch als dieser 1639 und 1640 bei Erzherzogin Claudia und ihrem Hofkanzler wegen der geringen pfarrlichen Einkünfte um eine zusätzliche Übertragung der Frühmeßpfründe nachsuchte, 96 auf die zu präsentieren der Inhaber der Markgrafschaft das Recht hatte, wurde der Pfarrer jeweils ohne nähere Erörterung an seinen Bischof verwiesen. 97 Die Zuständigkeit des Ordinarius in Fragen der Pfründenkumulation steht zwar kirchenrechtlich ohnehin außer Frage,98 doch verzichtete die weltliche Obrigkeit auch freiwillig darauf, eine ihr vom Pfarrer faktisch angetragene Mitsprachemöglichkeit wahrzunehmen. Die Bemühungen der kirchlichen Obrigkeit erschöpften sich nicht in institutioneller bzw. finanzieller Absicherung der Rekatholisierung noch in gegenrefoimatorischer Konfrontation mit widersetzlichen Untertanen. Vielmehr begannen mit der Einsetzung eines katholischen Pfarrers auch die pastoralen Versuche, die Bevölkerung mit genuin geistlichen Mitteln für den katholischen Glauben wiederzugewinnen bzw. sie darin zu festigen. Der Begegnung mit der katholischen Bevölkerung der Nachbarorte bei Prozessionen, Wallfahrten oder Kreuzgängen kam dabei eine wichtige Funktion für die Entstehung bzw. Förderung der neuen konfessionellen Identität zu. Auf der anderen Seite wurde die Entwicklung einer neuen Identität nicht weniger durch die Erfahrung konfessioneller Andersartigkeit gefördert. Beide Aspekte illustriert eine Wallfahrt der Gemaindt zue Holzhaimb nach dem etwa sieben Kilometer südwestlich gelegenen Wullenstetten. Nach einem Bericht Bischof Heinrichs an Kaiser Ferdinand II. (1619-1637) hatten die Gläubigen zur Ehre der Hl. Afra 99 wie auch zur bezaigung ihres gegen der Catholischen religion tragenden rüehmblichen eüffers dorthin am Festtag der Bistumspatronin, 1630 August 7, eine Wall- oder Kürehfarth unternommen. Als 93
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Bislang erhielt der Pfarrer nur den Kleinzehnt, während den Großzehnt das Spital einnahm (Kap. Β. I. 3.1). TLA, GR, K/A, 1628 Dezember 13. StAA, VÖ, Lit. 655, 1635 September 7; TLA, GR, K/A, 1637 Juli 15. Widerspricht dem Vermerk in M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 560, die Frühmeßpfründe halte „1620ff." (bis 1727) „der Ortspfarrer". StAA, VÖ, Lit. 655, 1639 September 12 und 1640 Februar 27. Auch das Tridentinum ließ die Kumulation unter der Voraussetzung ohne weiteres zu, „daß ein Beneficium dem Besitzer desselben kein standesgemäßes Einkommen abwirft, und nicht etwa beide zur beständigen Residenz verbinden oder sonstwie incompatibel sind" (WWKL Bd. III, S. 1242). Die Zuständigkeit des Ordinarius auch für diesen unkomplizierten Fall hält fest: Sess. VII, c. 2.5 (Conciliorum Oecumenicorum Decreta, 687f.). Die Konversionslegende der hl. Afra wie auch die Geschichte ihres Martyriums bietet gerade für die Konvertitenpastoral zahlreiche Anknüpfungspunkte; vgl. WWKL Bd. I, S. 299f.
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Fallstudien
sie am Flecken Holzschwang, einer Ortsherrschaft der protestantischen Ulmer Patrizierfamilie Roth,100 vorbeikamen, mußten sie nil ein geringen schimpf vnnd gefahr durchstehen, in dem nit allein vber Sie vnuersehens der Sturmbstraich zue gemelltem Holzschwanng gegeben, sondern auch vnnder den vollen Haufen der Kürchfärter ein Musgeten, so doch kein schaden zuegefüegt, loßgebrand worden. Als Anstifter des Übergriffes auf die Wallfahrer vermutete Bischof Heinrich den Prädikanten in Holzschwang. Das Läuten des Sturmstreiches - grundsätzlich ein obrigkeitliches Verfügungsrecht - 101 weist zudem auf die Verantwortlichkeit des protestantischen Ortsherren hin. Der Vorfall hatte jedenfalls einen eindeutig konfessionellen Hintergrund.102 - Es liegt auf der Hand, daß gerade das Erlebnis konfessionell motivierter Feindschaft und Bedrohung aus dem Nachbardorf heraus, dessen Bekenntnis man noch vor wenigen Jahren teilte, konfessionelle Abgrenzung und katholische Identitätsbildung der Bevölkerung Holzheims längerfristig ebenso förderte, wie es im Augenblick des Übergriffs aus einer religiösen Pilgergruppe eine konfessionelle Weggemeinschaft formte. Umgekehrt erfuhr die Bevölkerung Holzheims aufgrund des Konfessionswechsels jetzt neue Solidaritäten und eröffnete die Rekatholisierung neue Möglichkeiten kommunikativer Verdichtung regionaler Zusammenhänge. Der Pfarrer von Straß etwa bezog spätestens 1630 das fünf Kilometer südwestlich gelegene Holzheim in die ,katholische Topographie' mit ein und unternahm dorthin mit seiner Gemeinde an Maria Magdalena (22. Juli) einen Kreuzgang. An eine dogmatische Gefahrdung seiner eigenen Pfarrkinder dachte er dabei offenbar nicht.103 - Regionale Bezüge wurden so durch religiöse ,Er-fahrung' des Raumes konfessionell vertieft, restituiert oder allererst neu konstituiert. Damit ging die - jedenfalls für die Mehrheit seiner Bevölkerung - konfessionelle Neuorientierung in Holzheim einher mit einer veränderten regionalen Konfiguration und Integration: Konfessionelle Orientierung bedeutete regionale Organisation. Als 1650 der Tod Anton Schnitzlers, des ersten katholischen Pfarrers in Holzheim nach der Reformation, noch einmal eine prekäre Situation schuf, führte die sofortige Kooperation von weltlicher und geistlicher Gewalt zur Bewältigung der Krise. Charakteristisch bleibt, daß die österreichische Seite von sich aus zugunsten der bischöflichen Administration auf die Möglichkeit verzichtete, kraft ihrer landeshoheitlichen Rechte die konfessionelle Kontinuität im Dorf sicherzustellen. 100 101 102
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Kreisbeschreibung Neu-Ulm, S. 28. H R G I , 1707. HHStAW, RHR, Decisa, K. 269, 1630 September 2. Der Vorfall ist auch beschrieben bei Eberle, Holzschwang, S. 52. ABA, DA 15, 344, 1630 August 23. - Die beiläufige Erwähnung des Kreuzganges - Pfarrer Johannes Mair nennt in einem Bericht auf ein bischöfliches Religionsmandat die Festtage, bei denen er die Zelebration der Messe in Straß unterließ, nämlich am Tag der Kirchweihe in Fahlheim am Pfingstmontag und eben am Magdalenentag - spricht dafür, daß diese Prozession nicht zum erstenmal stattfand, sondern mittlerweile üblich war.
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Die burgauischen Beamten reagierten prompt: Gleich am Tag nach dem Tode Schnitzlers - dies läßt Rückschlüsse auf funktionstüchtige Informations- bzw. Kommunikationsstrukturen zu - wurde der L a n d a m m a n n zu Sepultur und Inventur, also z u m Begräbnis des Pfarrers und zur Ordnung des Nachlasses 1 0 4 , nach Holzheim geschickt, mit dem Auftrag, bei Dekan und K a m m e r e r des Landkapitels (Weißenhorn) darauf hinzuwirken, daß der Gottesdienst bis zur Wiederbesetzung der Pfarrstelle nicht leide.' 05 Gleichzeitig forderten die Beamten Ulm auf, dem bischöflichen Administrator Johann Rudolf von Rechberg 1 0 6 einen katholischen Priester als Nachfolger zu nominieren, wozu sie den Pfarrer von Waldstetten, Johannes Mair, 107 vorschlugen. 1 0 8 Die Reichsstadt selbst dagegen hatte die Absicht, keinen katholischen Geistlichen, sondern Bonifaz Stölzle, der Zeit vncatholischen Pfarrer zu Stainhaimb, zu nominieren. 1 0 9 Seine Einführung in Holzheim zu verhindern, waren die burgauischen Beamten angewiesen worden. 1 1 0 Während nun Regierung und K a m m e r in Innsbruck und im Anschluß an ihr Gutachten" 1 auch Erzherzog Ferdinand Karl" 2 nach weiteren vier Monaten die Pfarrei Iure devolutionis" 3 durch den Bischof besetzt sehen wollten, wobei die Seelsorge zwischenzeitlich vom Generalvikar zu garantieren sei, bat Generalvikar Kaspar Zeiller (1592-1681, Generalvikar 1630-1674), 114 Erzherzog Ferdinand Karl möge selbst diß orths die notwendige prouision tun, die ihm durch die Kirchenhoheit im Dorf an die Hand gegeben sei. Andernfalls müßten, bis die bischöfliche Einsetzung eines Pfarrers im Devolutionswege möglich sei, die Geistlichen der umliegenden Gemeinden noch länger in unzumutbarer Weise zusätzlich belastet werden; auch würde aus der Devolution für die österreichische Seite weniger authoritet erscheinen, und Ulm könnte daraus dann wieder Anlaß zu einer erneuten Kontroverse um landeshoheitliche Rechte in Holzheim ziehen." 5 So geschickt gerade dieses Argument gewählt scheint: Die Regierung in Innsbruck ging auf die Einwände des Generalvikars keineswegs ein und blieb bei ihrer 104
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Als Testamentsvollstrecker hatte Schnitzler seinen nachmals zweiten Nachfolger Martin Nieß, Pfarrer und Dekan von Weißenhorn, eingesetzt (Poppa/Apitz, Nieß, S. 69; dort wird allerdings das Todesjahr Schnitzlers mit 1653 falsch angegeben). HHStAW, Rep. Ν, K. 7 (F. VI, P. II, Nr. 1), 1650 Juni 23. Rummel, Sigmund Franz, S. 37-42; ders., Bischöfe, S. 31-33. Als Pfarrer in Waldstetten 1631-1648 und nochmals 1649-1651 genannt (M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 342). HHStAW, Rep. Ν, K. 7 (F. VI, P. II, Nr. 1), 1650 Juni 12. HHStAW, Rep. Ν, K. 7 (F. VI, P. II, Nr. 1), 1650 August 5. StAA, VÖ, Lit. 656, 1650 August 23, fol. 144r. HHStAW, Rep. Ν, K. 7 (F. VI, P. II, Nr. 1), 1650 August 5. HHStAW, Rep. Ν, K. 7 (F. VI, P. II, Nr. 1), 1650 August 18; vgl. HHStAW, Rep. Ν, K. 7 (F. VI, P. II, Nr. 1), 1650 August 23. Das Devolutionsrecht erlaubt es dem Bischof, im Falle die Präsentation auf eine vakante Stelle sechs Monate unterbleibt, von sich aus und unbeschadet der weiteren Rechte des Patronatsherren einen geeigneten Kandidaten zu präsentieren (WWK.L Bd. III, 1647-1650). Merkle, Reliquien; Rummel, Bischöfe, S. 73f. HHStAW, Rep. Ν, K. 7 (F. VI, P. II, Nr. 1), 1650 September 7.
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Forderung, die Pfarrei solle nach dem Devolutionsrecht besetzt werden.116 So sah sich Kaspar Zeiller gezwungen, weil aber die Erzherzogische Herren beambten einer anderer Meinung sein sollen vnnd der instituierte Priester, damit er sich vor außlauffung deß terminß nit in ain gefahr gebe, die pfarr zuebeziehen, selbs auch bedenckhen hat, die pastorale Versorgung Holzheims auch für die nächsten Monate noch durch Priester der Nachbargemeinden zu sichern." 7 - Auch beim Tode des dann investierten Johannes Mair von Waldstetten weigerte sich die Reichsstadt noch einmal, einen katholischen Amtsnachfolger zu präsentieren, weshalb dann die Einsetzung von Pfarrer Martin Nieß (1656-1686)" 8 ebenso im Devolutionswege erfolgen mußte." 9 Martin Nieß scheint ein qualifizierter und wohl auch sittlich unanstößiger Geistlicher gewesen zu sein,120 dessen 30jährige Tätigkeit in Holzheim gute Voraussetzungen für eine kontinuierliche Festigung des katholischen Bekenntnisses im Dorf bedeutete. Die Vorgänge nach dem Tode Anton Schnitzlers zeigen deutlich, wie die erfolgreiche Kooperation von weltlicher und geistlicher Gewalt ein mögliches Eingreifen Ulms - die österreichische Seite befürchtete, Ulm könne ohne vorherige Präsentation durch die Einsetzung eines evangelischen Prädikanten vollendete oder jedenfalls schwer zu revidierende Tatsachen schaffen - 121 verhindern konnte. Die sofortige Präsenz der burgauischen Verwaltung am Ort verwies die Reichsstadt auf den kanonischen Weg der Präsentation ihres (evangelischen) Kandidaten beim Bischof, der diesem freilich nicht genehm sein konnte. Für die Zeit während der Vakanz der Pfründe bis zur Ausübung des Devolutionsrechtes trugen die Geistlichen der Umgebung die Verpflichtung zur Seelsorge in Holzheim und sicherten den katholischen Gottesdienst im Ort. Generalvikar bzw. Dekan des Landkapitels Weißenhorn übernahmen die Koordination. Die Kooperation von geistlicher und weltlicher Gewalt weist dabei hinsichtlich der Verteilung der Kompetenzen ausgesprochen traditionelle' Züge auf: Obwohl Generalvikar Zeiller Erzherzog Ferdinand Karl nahelegte, von sich aus einen katholischen Pfarrer im Ort einzusetzen, um so seine landeshoheitliche Autorität zu untermauern,122 gab dieser dem kirchenrechtlich korrekten Verfahren den Vorzug. Er respektierte damit nicht nur das Patronatsrecht der Reichsstadt und wich so einem weiteren Konflikt mit Ulm aus, sondern zeigte sich auch an einer Ausweitung seiner Kompetenzen aufgrund der Kirchenhoheit und zulasten der kirchlichen Gewalt keineswegs interessiert. Von Konfessionalisierung kann hier nicht die Rede sein, vielmehr bleibt die konfessionelle Konsolidierung Holzheims ganz 116 117 118 119
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HHStAW, Rep. Ν, K. 7 (F. VI, P. II, Nr. 1), 1650 September 12. HHStAW, Rep. Ν, K. 7 (F. VI, P. II, Nr. 1), 1650 Oktober 24. M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 559, dort verzeichnet zwischen 1657 und 1686. Von da ab (1686) präsentierte Ulm in jedem Erledigungsfall einen katholischen Geistlichen (Eberle, Reformation, S. 154). Poppa/Apitz, Nieß. StAA, VÖ, Lit. 656, 1650 August 23, fol. 144r. HHStAW, Rep. Ν, K. 7 (F. VI, P. II, Nr. 1), 1650 September 7.
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Holzheim
A u f g a b e der Kirche. Gleichwohl trug die österreichische Administration Sorge, die politischen Rahmenbedingungen hierfür zu garantieren. Mehr als ein Rahmen war dies aber nicht.
Exkurs: Katholische Konfessionsbildung Verkündigung
mit den Mitteln bildlicher
Die Rekatholisierung Holzheims war ein , D r a m a ' , das mit der endgültigen Rückkehr eines katholischen Pfarrers - Anton Schnitzler - 1635 einen für die katholische Seite glücklichen Ausgang nahm. Geradezu ein Tableau der Dramatis personae, der Darsteller der Gegenreformation auf katholischer Seite, stellt die Holztafel eines unbekannten Künstlers in der Pfarrkirche St. Peter und Paul in Holzheim dar, 123 die 1627 oder 1635 wohl von Anton Schnitzler gestiftet wurde.' 2 4 Die konfessionspolitische Adaption des Typus ,Schutzmantel-Madonna' 1 2 5 f ü r Holzheim konnte dabei auf ältere Vorbilder zurückgreifen, etwa auf eine in den Grundzügen parallel aufgebaute Konstanzer Darstellung aus dem späten 16. Jahrhundert. 1 2 6 Die Holzheimer Tafel zeigt geistliche und weltliche Stände in Verehrung und Gebet - alle Figuren halten in gefalteten Händen den Rosenkranz - zu Füßen einer Schutzmantel-Madonna, die ihren Blick liebevoll auf die knieende Schar gerichtet hält und durchaus männliche A r m e über die Geistlichkeit zu ihrer Rechten und die vornehmlich weltlichen Herren zu ihrer Linken ausbreitet: zur Rechten über den Papst, als das Gemälde gestiftet wurde, war das Urban VIII. (16231644), einen Kardinal, zwei Bischöfe, Ordensleute, darunter Männer, deren Habit an das der für die katholische Erneuerung so bedeutsamen Kapuziner erinnert, und, hinter dem Papst in vorderster Linie zum Betrachter, über einen Weltgeistli-
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Vgl. Habel, Neu-Ulm, S. 80, sowie die allerdings nicht vollständige Wiedergabe der Darstellung (oben und vor allem links und rechts fehlen auf der Photographie einige Figuren, darunter Pfarrer Anton Schnitzler) bei Konrad, Neu-Ulm, Abb. 73; vgl. Schiersner, Pietas, S. 46. Vgl. auch die Interpretation der sieben (heute noch f ü n f ) lutherischen Bekenntnisbilder in der St. Nikolaus-Kirche in Steinheim, besonders der Gemälde vom Sakrament des Altares und der Beichte, als künstlerische Auseinandersetzung mit der Holzheimer Tafel und als lutherischer Gegenentwurf zu ihr von H. Popp, Bekenntnisbilder; vgl. Kap. Β. 1. 3.6.1 (Exkurs). Konrad, Neu-Ulm, Abb. 73, bezeichnet, H. Popp, Bekenntnisbilder, S. 34, vermutet ihn als Stifter. - Dehio, Kunstdenkmäler, S. 473, datiert das Holzheimer Gemälde - vermutlich aufgrund der bekannten Daten, nicht aufgrund kunsthistorischer Analyse - a u f . , 1627/35". Zu Entwicklung und Typus der Schutzmantel-Madonnen Olbrich u.a., Lexikon, Bd. 6, S. 547f. Das Gemälde des Konstanzer Malers Kaspar Memberger zeigt ebenfalls zur Rechten der Muttergottes die Geistlichkeit - angeblich Papst Clemens VIII. , Kardinal Andreas von Österreich, einen Bischof oder Abt und verschiedene Vertreter von Ordensniederlassungen in der Stadt - sowie zur Linken Vertreter des weltlichen Regiments - angeblich Kaiser Rudolf II., Erzherzog Ferdinand und zwei bekrönte Frauen (kann dann der unverheiratete Rudolf dargestellt sein?) - , des Konstanzer Patriziats und vermutlich der Stadtregierung (Abbildung mit Bilderklärung bei Zimmermann, Mythos, S. 164f. mit Abb. 11).
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chen im Superpelliceum,' 27 vermutlich das Bild des Stifters selbst, des Pfarrers Anton Schnitzler; zu ihrer Linken über den Kaiser, damals Ferdinand II. (16191637), über drei weitere, unterschiedlich bekrönte Häupter, vielleicht links neben dem Kaiser Erzherzog Leopold V. (1619-1632) und neben diesem Erzherzogin Claudia (1632-1646), vielleicht auch - in der zweiten Reihe - Markgraf Karl von Burgau.128 Das dargestellte Personal des Gemäldes, zumal Papst und Kaiser, bettet den Konfessionswechsel in Holzheim in die ,große' Politik ein. Aber selbst der Bezug des Papstes zu den Ereignissen im Ort ist direkter, als man zunächst annehmen möchte. Als einzigem Ort der Markgrafschaft Burgau nämlich wurde Holzheim sogar die Aufmerksamkeit der Propagandakongregation Urbans VIII. zuteil.129 Den Vätern war 1627 April 16 ein Bericht des Luzerner Nuntius 130 von der Vertreibung lutherischer Prädikanten, der Rückführung vormals vertriebener katholischer Pfarrer und der Aufrichtung ausschließlich katholischer Glaubensübung in Holzheim durch Erzherzog Leopold vorgetragen worden.131 Die Aufmerksamkeit des Sekretärs der Kongregation - er wählte aus den eingegangenen Berichten aus und faßte sie fur die Sitzungen zusammen - 132 für das Dorf verdankte sich möglicherweise den engen Kontakten Bischof Heinrichs zu diesem Gremium, 133 zu dessen „hervorragendsten Mitarbeitern" er gehörte.134 Zudem hatte bereits der bischöfliche Quadriennalbericht nach Rom, die Relatio status von 1624 Dezember 20, von der Hoffnung auf eine Rekatholisierung des Dorfes gesprochen. 135 Das Gemälde setzt, ganz abgesehen vom religiösen Stiftungszweck der Devotion, indes nicht nur den Erfolg eines Zusammenwirkens geistlicher und weltlicher Gewalten ins Bild, die, einig in Glauben und kniefälliger Demut, unter himmlischem Schutz stehen und so zu Bewahrung bzw. Ausbreitung des rechten Glaubens wirken können - insofern ist es freilich eine allegorische Illustration der 127 128
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Zu den Formen des Chorrockes WWKL Bd. III, S. 194f. Die dargestellten Figuren sind freilich nicht als Portraits zu begreifen, sondern stellen Typen dar, die gleichwohl für eine aktualisierende Identifikation durch den Betrachter offen waren. Zur Sacra Congregatio de Propaganda Fide Tüchle, Acta, S. 1-17 (Vorbemerkungen). Seit 1601 war Luzern Sitz des apostolischen Nuntius für Helvetien, Rätien und Oberdeutschland. Die neueste Monographie zur Luzerner Nuntiatur von Fink, Nuntiatur, befaßt sich vorwiegend mit dem Wirken der Nuntiatur innerhalb der Schweiz und geht nicht auf ihren Zuständigkeitsbereich im Bistum Augsburg ein. Der Bericht spricht von Prädikanten und Pfarrern im Plural: Ex eiusdem Nuniii Uteris [...] retuli [der Referent der Sitzung].1 [...] Serertissimum Leopoldum ex insigni oppido Obcacim [Anm.: Holzheim, Landkreis Neu-Ulm] marchionatus de Burgau praedicantes eiecisse in illudque solum exercitium catholicum restituisse omnibus parochis catholicis, quos Ulmenses haeretici inde expulerant, in illudoppidum revocatis [...] (Tüchle, Acta, S. 153). Tüchle, Acta, S. 5. Vgl. etwa das Protokoll der Sitzung von 1630 Februar 1, das den Eifer des Bischofs in besonderer Weise hervorhebt und lobt (Tüchle, Acta, S. 266-268). Tüchle, Acta, S. 15; Protokolle, die Heinrichs Reformeifer belegen S. 266-268, 473, 475, 477. Schmidlin, Katholizismus, S. 33.
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geschilderten Vorgänge auch noch für die Zeit nach 1635. Die Anbringung der Darstellung in der Holzheimer Kirche, und zwar im liturgisch zentralen Chorraum, ist darüber hinaus auch als Beitrag zur konfessionellen Rekuperation des durch die Reformation profanierten und im Bildersturm leergeräumten Gebäudes zu werten: 136 Die ,katholische' Gottesmutter und mit ihr die ganze Hierarchie der römischen Kirche - v o m Papst bis zum Landgeistlichen - finden jetzt symbolisch Platz in Holzheim und ergreifen Besitz vom Innenraum der Kirche. Mit dem Kniefall der Gläubigen im Gottesdienst erweitert sich das Gemälde in die Wirklichkeit, wird diese Besitzergreifung zur stets aktualisierbaren Realität. Darin ist die Darstellung gleichzeitig ein Appell zur Integration: Beugen die Holzheimer vor der katholischen Kirche - Maria ist ihr Schibboleth schlechthin - ihre Knie, dürfen sie sich dank ihres Glaubens mit den Großen und Mächtigen eins wissen und befindet sich die Ordnung der Stände (wieder) in ihrem gottgewollten Zustand. Die Funktion konfessioneller Rekuperation erfüllte auch die sitzende Holzskulptur einer Muttergottes mit Kind (um 1420), die - nach Ausweis der Inschrift auf dem Sockel - ebenfalls Anton Schnitzler renovieren und wohl erneut aufstellen ließ. 137 Sie ist dabei Siegeszeichen und bildlich vermitteltes Programm der Rekatholisierung in einem, denn was Pfarrer Schnitzler an der Madonnenfigur gewissermaßen exemplarisch zeigte, verstand sich als A u f g a b e der Ecclesia insgesamt: Renovieren und erneut aufstellen. Eine weitere, pädagogische Funktion kam hinzu: Gerade die Wiederaufstellung und Renovierung einer alten, vorreformatorischen Marienfigur mußte von ihren Betrachtern nicht als Zeichen konfessionell feindlicher Okkupation aufgefaßt werden, sondern bot den vormals evangelischen Holzheimern eine Möglichkeit, sich mit einer Neuerung auszusöhnen, die doch an Vertrautes oder wenigstens Eigenes anknüpfte, sofern sich freilich die Figur bereits früher in der Holzheimer Kirche befunden hatte. So sind auch die künstlerischen Akzente, die Anton Schnitzler als erster katholischer Pfarrer nach der Reformation in der Pfarrkirche Holzheim setzte, zu verstehen als ein kirchlicher Beitrag zur katholischen Konfessionsbildung mit den Mitteln bildlicher Verkündigung.
3.5
Kirchliches Leben und Bevölkerung während der konfessionellen Auseinandersetzung
Die Bemühungen u m Rekatholisierung und konfessionelle Festigung konnten in Holzheim an günstige Voraussetzungen anknüpfen: Für die Zeit, in der ein evangelischer Prädikant in der Pfarrkirche wirkte, gibt es immer wieder Nachrichten, die auf eine katholische Minderheit im Dorf schließen lassen. Ihre Glaubenspraxis in Holzheim selbst war institutionell abgesichert durch eine (katholische) Früh136 137
Zur Entfernung der Bilder aus der Holzheimer Kirche Kap. Β. I. 3.2. Habel, Neu-Ulm, Farbtafel 8; Dehio, Kunstdenkmäler, S. 473.
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meßpfründe, die zumindest noch in der ersten Zeit nach Einfuhrung der Reformation und sicher wieder in den 1580er Jahren regulär besetzt war138 und deren Obligationen wohl auch in den dazwischenliegenden Jahren139 durch Geistliche umliegender Pfarreien mehr oder weniger regelmäßig versehen wurden, ohne daß die Reichsstadt dieses Benefizium je erkennbar versucht hätte zu unterdrücken. 140 So hatte die katholische Seite von Anfang an gewissermaßen einen konfessionellen Fuß in der Türe, der - aus dem Blickwinkel Ulms - der lutherischen Konfessionalisierung Holzheims durch die Reichsstadt von vornherein im Wege stand. Das Frühmeßbenefizium in Holzheim bestand „mindestens seit dem 15. Jahrhundert" 141 und war gestiftet auf den Leonhardsaltar, der sich innerhalb der Pfarrkirche befand. 142 Das Patronatsrecht für dieses Frühmeß- oder Altarbenefizium besaß zunächst das Kloster Elchingen. Wohl zusammen mit der Grund- und Niedergerichtsherrschaft über Holzheim gelangte es 1580 bzw. 1588 an Erzherzog Ferdinand II. bzw. die Inhaber der Markgrafschaft Burgau.143 138
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M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 560: 1533 ist als Primissarius Johann Eberlin vermerkt. Der nächste Eintrag nennt 1582 P. Jakob Fetzer, dann 1594 Jakob Walter, Pfarrer in Großkötz. Stempfle, Weissenhorn, Nr. 21, ist hier weniger ausführlich und vermerkt die Provision des Benefiziums per rev. Dom. parochum in Kissendorf. So Eberle, Reformation, S. 69. Als Erzherzog Leopold 1624 erneut die Rekatholisierung des Dorfes in Angriff nahm, beteuerte Ulm, die Einfuhrung der Reformation 1531 der Catholischen Religion ohne hindernuss vorgenommen zu haben. Auch danach sei zu Bemelltem Holtzheim niemands wider sein gewüssen Beschwert worden, Sonder die offenliche Yebung der Catholischen Religion vngehündert verpliben (TLA, Sei. Leop. (alphabet. Leop.), 1/1160, 1624 Oktober 2). Dem wurde von katholischer Seite nie widersprochen. Kreisbeschreibung Neu-Ulm, S. 28. Heute der linke Seitenaltar. - Die Descriptio ecclesiarum parochialium et capellaniarum totius capituli in Weißenhorn anno 1602 (ABA, DA 15, 216) des Dekans und Pfarrers von lllerberg, Johannes Frey, vermerkt die Existenz einer capellania in Holzhaim, die sie zunächst in einer Kapelle außerhalb der Pfarrkirche fundiert sieht: Est enim sacellum ibidem extra ecclesiam parochialem fundatum. (Auf die Existenz einer Kapelle verweist auch das Protokoll der Ulmer Synode von 1537. Zu Holzheim war dort unter anderem vermerkt: Das Käppelin ist noch offen; Endriß, Synoden, S. 123.) An anderer Stelle der Descriptio heißt es dagegen, die Kaplanei sive altare fundatum befinde sich in ecclesia profanata in Holzheim. Est enim sacellum irrutum non fundatum ibidem extra ecclesiam parochialem. Ein Zusatz von 1606 lokalisiert das Kaplaneibenefizium ebenfalls innerhalb der lutherischen Pfarrkirche und gibt dieser Version den Vorzug: Alij dicunt, quod magis veritati consentaneum, praedictam capellaniam non esse eam, quam videmus fere iuxta pagum destructam, sed illam esse in parochiali ecclesia, in qua est sacellum vel altare fundatum. - Noch genauer weiß das Protokoll einer Visitationsreise im Landkapitel Ichenhausen (ABA, BO 3672) für 1626 Oktober 10 zur Capellania in Holtzhaim zu berichten: Haec est fundata in altari Leonardi in parochiali ecclesia, quae iam ab haereticis occupatur. Die Descriptio (ABA, DA 15, 216) nennt 1602 als Inhaber des lus patronatus den Markgrafen von Burgau. Das Recht stehe dem Marchioni de Burgaw, antea Ferdinande archiduci Austriae et Oeneponti (et iam praefectus [!] auff dem waldt in tutela) zu. Die Formulierung ist möglicherweise so zu verstehen: Das Patronatsrecht für die Kaplanei Holzheim besitzt der Inhaber der Markgrafschaft Burgau, der Markgraf von Burgau. Vormals war das - bis
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Holzheim V e r s e h e n w u r d e d a s B e n e f i z i u m n a c h A u s k u n f t d e r Descriptio
parochialium
v o n Johannes Frey, D e k a n und Pfarrer von Illerberg, verfaßten seines Landkapitels,
144
n a c h d e m e s per aliquot
1602 v o m K i s s e n d o r f e r Pleban Paulus annos
a religioso
quodam
[...] Elchingensi
d e n war 1 4 6 - s c h o n f ü r 1 5 8 5 h i e ß es j a , das one das beede haim
gehalten
ecclesiarum
et capellaniarum totius capituli in Weißenhorn anno 1602, einer
werden,147
Z u s ä t z e z u d i e s e r Descriptio
Religion
Beschreibung
Gaggenmayer,145 vikariert woralda zu
Holz-
a u s d e n J a h r e n 1603 u n d
1 6 0 6 v e r m e r k e n d i e P r o v i s i o n d e r K a p l a n e i H o l z h e i m singulis
hebdomadibus
durch den Pfarrer von Bubesheim, Balthasar Malterrock.148 Eine Meßfeier fand damals also wöchentlich, z u m Zeitpunkt der Visitation des Landkapitels Ichenh a u s e n i m O k t o b e r 1 6 2 6 i m m e r h i n singulis
14 diebus
statt. 1 4 9 F ü r 1615 v e r m e r k e n
Notizen zu einer Visitation desselben Landkapitels die Abwesenheit des Kissend o r f e r P f a r r e r s E l i a s H ö p p , ' 5 0 d e r s i c h ad dicendum
sacrum
in H o l z h e i m a u f h a l -
te. 151 D a ß es in H o l z h e i m „ P ä p s t l e r " gab, 1 5 2 d i e w e i t e r h i n k a t h o l i s c h e G o t t e s d i e n s t e b e s u c h t e n , ihre K i n d e r in d e n u m l i e g e n d e n k a t h o l i s c h e n P f a r r k i r c h e n t a u f e n ließen und an katholischen G e b r ä u c h e n festhielten, d a r ü b e r klagten schon die U l m e r V i s i t a t i o n e n u n d S y n o d e n d e r 1 5 3 0 e r u n d 1 5 4 0 e r Jahre. 1 5 3 E n t s p r e c h e n d e B e m ü -
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zu seinem Tode 1595 - Erzherzog Ferdinand. Ihm folgte Kaiser Rudolf II. bis zum Abschluß eines Vergleiches mit Karl, dem noch lebenden jüngeren Sohn Ferdinands im Jahre 1605 (Andreas war 1600 gestorben). 1578 Juli 1 hatte Erzherzog Ferdinand die Herrschaft Irmatshofen auf dem Wald (heute Markt Wald) für seine Söhne Andreas und Karl erworben. Möglich, daß nun, zum Zeitpunkt der Abfassung der Descriptio (1602), der Pfleger (praefectus) dieser Herrschaft in tutela (wörtlich ,als Vormund'), stellvertretend für den Markgrafen, das Patronatsrecht wahrnahm (Eberle, Holzheim, S. 47). Danach hätte Erzherzog Ferdinand Holzheim - zusammen mit Bubesheim und Großkissendorf 1590 Juli 24 (A. Schröder, Bistum, Bd. 5, 52) - unter Vorbehalt des Patronatsrechtes an seine Söhne ausgegeben. - Zur Herrschaft Wald A. Schröder, Bistum, Bd. 9, S. 184-192; Vogel, Mindelheim, S. 156-159. ABA, DA 15, 216. M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 280: Kissendorf 1594-1603, Weihe 1586. Als Kaplan von Holzheim bei M. Wiedemann, General-Schematismus nicht erwähnt; vgl. aber Stempfle, Weissenhorn, Nr. 21. StAA, VÖ, Lit. 650, 1585 Oktober 11, fol. 73v. StAA, VÖ, Lit. 650, 1585 Oktober 11, fol. 7 3 \ Bei M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 560, erst ab 1604 bzw. 1608 als Primissarius von Holzheim erwähnt. - Für 1607 ist ebenfalls gesichert, daß die Cathollischen vnderthonen dannochi Ire andacht haben können, dieweil nicht des/oweniger ein Cathollischer Priester alda zu Holzheim den Gotsdienst verrichtet (TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1607 Oktober 25). ABA, BO 3672, 1626 Oktober 9-14. Μ. Wiedemann, General-Schematismus, S. 280, vermerkt Elias Höpp zwischen 1614 und 1618 als Pfarrer von Großkissendorf-Anhofen. ABA, BO 3672, 1615 August 25-28. Endriß, Synoden, S. 114. Kap. Β. I. 3.2.
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Fallstudien
hungen der Reichsstadt müssen aber auch fiir die folgenden Jahrzehnte als gescheitert betrachtet werden, eine konfessionelle Homogenisierung in seinem Sinne konnte Ulm in Holzheim nicht erreichen: Noch das Protokoll einer Visitationsreise, die Dekan und Kammerer des Landkapitels Weißenhorn, Johannes Frey und Georg Reiser, 1618 unternahmen, hält fest, daß der Pfarrer von Finningen etwa 200 Kommunikanten zu versorgen habe, die aber nicht alle seiner Pfarrei Finningen zugehörten. Auch Gläubige aus Holzheim, Steinheim und Neuhausen seien darunter, omnes sponte venientes kämen noch hinzu.'54 Ulm hatte das Auslaufen zu Messe und Sakramentenempfang also auch nach Jahrzehnten nicht abstellen können. Erst recht dürfte dann der wöchentliche oder vierzehntägige katholische Gottesdienst in Holzheim selbst besucht worden sein. Faktisch war Holzheim damit ein bikonfessionelles Dorf. In seiner Pfarrkirche herrschte ein - hinsichtlich der katholischen Praxis allerdings eingeschränktes - Simultaneum.155 Auf der anderen Seite widersetzten sich die evangelischen Untertanen des Dorfes dem Konfessionswechsel zum katholischen Glauben. Das hatte bereits 1627 das Ersuchen des Widenbauers gezeigt, ihn mit der reformation zuuerschotien.156 Auch nachdem Pfarrer Anton Schnitzler nach seiner vorübergehenden Vertreibung durch die Schweden 1635 wieder auf seine Pfarrei zurückgekehrt war, sah er sich veranlaßt zu klagen, nicht allein die Reichsstadt Ulm, sondern auch die vnderthonen hätten ihm dabei allerhand widerstandt vnd Verhinderung zuegefüegt.]il Wer sich, wie der Holzheimer Wirt Lienhard Geiger,158 der Rekatholisierung nicht fügen wollte, wanderte in reichsstädtische evangelische Dörfer der Nachbarschaft aus, etwa nach Steinheim, wo das Hl.-Geist-Spital infolge von Krieg und Pest leerstehende Höfe neu zu Lehen ausgab.159 Gerade auch angesichts der Veränderungen während des Krieges ist es nicht möglich, die Verteilung der Konfessionen in der Bevölkerung Holzheims zu quantifizieren; auch haben die Untertanen Holzheims, gleich welcher Konfession sie sich zugehörig betrachteten, ihre religiösen oder kirchlichen Vorstellungen anders als etwa die evangelischen Untertanen Lützelburgs niemals in schriftlich überlieferter Form artikuliert. Es gab im Dorf wohl drei verschiedene Gruppen: überzeugte Protestanten, die dem Konfessionswechsel ablehnend gegenüberstanden und dafür sogar bereit waren, von ihrem Emigrationsrecht Gebrauch zu machen, wie auch - nicht zuletzt dank des Frühmeßbenefiziums in der Pfarrkirche eine über die Jahrzehnte hinweg stabile katholische Bevölkerungsgruppe, die die Meßfeiern im Ort mittrug und nach der Rekatholisierung als ,Kondensations154 155 156 157 158
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ABA, DA 15,216. Schiersner, Heterogenität. StAA, VÖ, Lit. 654, 1627 Oktober 11, fol. 624 v . StAA, VÖ, Lit. 655, 1635 September 7, fol. 598r. Mit Hilfe des Ulmer Ratskonsulenten Johann Ludwig Böck (gest. 1669) erhielt er 1637 vom Spital einen unbesetzten Hof in Steinheim zu Lehen (H. Popp, Bekenntnisbilder, S. 40; zu Johann Ludwig Böck Gänßlen, Ratsadvokaten, S. 250f.). Aubele, Geschichte, S. 20.
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keim' für den Teil der Bevölkerung dienen konnte, der sich der Konversion zumindest äußerlich nicht völlig verschloß. Dies erleichterte es der katholischen Glaubenspraxis zweifellos erheblich, weiter und tiefer Fuß zu fassen. Hier konnten gerade die Geistlichen vor Ort mit den Instrumenten der katholischen Reform, etwa der populären Wallfahrt, ansetzen. Möglicherweise aber gab es zudem auch noch zu Beginn des 17. Jahrhunderts und bis 1627 bzw. 1635 Untertanen, die sich, begünstigt durch die Bikonfessionalität des Dorfes, auch äußerlich weder dem einen noch dem anderen Bekenntnis anschlossen.' 60 Glaubt man einem Visitationsbericht des Landkapitels Weißenhorn, der neun Jahre nach der endgültigen formalen Rekatholisierung Holzheims (1644 September 16) erstmals auch Auskunft über die kirchliche Disziplin der Gemeinde gibt ein Bericht des Jahres 1642 hatte lediglich den maroden Bauzustand des Kirchendaches vermerkt -, 161 so galten mittlerweile alle Pfarrkinder in Holzheim selbst als obsequiales, was m i t , g e h o r s a m ' bzw. diszipliniert' oder ,nicht widersetzlich' wohl richtig umschrieben ist und eine zumindest äußerliche konfessionelle Homogenität im Dorf charakterisiert - immerhin eine Feststellung, die man im Gegensatz zu den anderen visitierten Gemeinden für Holzheim hervorzuheben für nötig befand. Daß Pfarrer Schnitzler gleichzeitig einen mangelhaften Besuch seines Katechismusunterrichtes zu beklagen hatte, änderte dabei nichts an der Einschätzung der Visitatoren.
3.6
Die konfessionelle Entwicklung in Steinheim im Vergleich
Aufschlußreich für die Frage, welche Faktoren letztlich für den Erfolg von Rekatholisierung und katholischer Konfessionsbildung in Holzheim verantwortlich waren, ist der vergleichende Blick auf Orte in unmittelbarer Nachbarschaft, in denen die Entwicklung anders verlief und die evangelische Konfession fest etabliert werden konnte. 162 Instruktiv ist ein Vergleich Holzheims mit seinem unmittelbaren Nachbarort Steinheim (zwei Kilometer nördlich von Holzheim). Denn hier waren die Herrschaftsrechte nahezu umgekehrt verteilt: 163 Als größter Grundherr besaß das Ul160
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So registrierte die Ulmer Visitation von 1535 einen Bauern (Balthus Kling), der weder zum Evangelischen noch Päpstischen an die Predigt ging und zur Begründung vorbrachte, es gang ihm wohl, er glaube weder diesem noch einem andern (Endriß, Synoden, S. 113f.). Vgl. ähnlich die Äußerungen des Lützelburger Hafners Ulrich Koler (StaAA, HA, III, 31, Nr. 202, 1605 Dezember 16). Die für das Ordinariat archivierten Protokolle des Landkapitels Weißenhorn im ABA sind im Zweiten Weltkrieg zerstört worden. Auszüge daraus sind jedoch veröffentlicht bei Eberle, Streiflichter, Nr. 41, S. 167f. Neben Steinheim waren das Hausen, Pfuhl, Holzschwang und Reutti (Aubele, Pfuhl, S. 4350; Eberle, Holzschwang, S. 55 Anm. 22; Hofer, Landgebiet, S. 18f.). Vgl. die Darstellung der Herrschaftsrechte in Kreisbeschreibung Neu-Ulm, S. 43f.; Aubele, Geschichte, S. 14f.
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Fallstudien
mer Hl.-Geist-Spital in Steinheim die Ortsherrschaft mit der Niedergerichtsbarkeit. Die Hochgerichtsbarkeit beanspruchte ebenfalls die Reichsstadt, ein Recht, das ihr die Markgrafschaft Burgau bestritt, wenn auch durchaus halbherzig.164 Das Patronatsrecht fur die 1434 gestiftete Kaplanei an der ursprünglich den beiden Heiligen Erhard und Nikolaus geweihten Kirche (heute nur noch Nikolauskirche genannt) kam dagegen - ebenso wie für die Steinheimer Mutterkirche, die Pfarrkirche St. Mammas in Finningen - dem Kartäuserkloster Buxheim165 zu,166 über das die Markgrafschaft Burgau als Schutz- und Schirmherr die Vogteirechte besaß. Ausdruck des Filiationsverhältnisses zu Finningen war die Verpflichtung für den Steinheimer Kaplan, bei zahlreichen, insgesamt 17 Gottesdiensten im Jahr dem Pfarrer der Mutterkirche Assistenzdienste zu leisten. Entsprechend mußte die Bevölkerung Steinheims an diesen Feiertagen die Pfarrkirche in Finningen besuchen. Über einen eigenen Begräbnisplatz verfügte Steinheim aus diesem Grund ebenfalls (bis 1539) nicht, der gemeinsame Friedhof für die Pfarrei befand sich in Finningen. Dagegen hatte der Kaplan seinen Sitz in einem später als Pfarrhof bezeichneten Haus in Steinheim selbst. Zu seinem Unterhalt war der halbe Großzehnt und der ganze Kleinzehnt in Steinheim von den Einkünften des Finninger Pfarrers abgetrennt worden und übertraf damit dessen Einkünfte. 167
3.6.1
Reformation und evangelische Konfessionsbildung in Steinheim
Das Buxheimer Patronatsrecht war zunächst das rechtliche Hindernis, das sich einer Einfuhrung der Reformation in Steinheim entgegenstellte. 168 Zwar hatte Ulm schon im Reformationsjahr 1531 versucht, den katholischen Kaplan Lienhart Moppolt 169 auf die 18 Artikel zu verpflichten, 170 der Geistliche weigerte sich allerdings, der Neuerung zu folgen.171 1537 sah dann der Ulmer Rat eine Möglichkeit, den amtierenden Kaplan durch massive Vorwürfe gegen dessen sittliche Lebensführung zugleich mit der katholischen Glaubenspraxis im Dorf auszuhebeln.
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So stellt die Regierung in Innsbruck in einem Schreiben an die burgauischen Amtleute fest, die hoch Obrigkhait sei gegen denen von Ulm strittig, und räumt ein, Ulm sei auch villeicht bisheer Im Innhaben gewest (StAA, VÖ, Lit. 649, 1572 Juni 9, fol. 238 v ). - Um den Anspruch auf Ausübung der Malefizgerechtigkeit in ihrer westlichen Randzone aufrechtzuerhalten, unterhielt die Markgrafschaft auf dem Glassenharthof südlich von Fahlheim eine Außenstelle des Landgerichtes (Wüst, Günzburg, S. 85; H. Enderle, Oberfahlheim, S. 41 f.) P. Blickle, Memmingen, S. 317-322; Stöhlker, Buxheim; ders., Buxheim NF. Detailliert Stöhlker, Buxheim 3, S. 326-328, 362; Hofer, Landgebiet, S. 106. Stöhlker, Buxheim 3, S. 326f.; Aubele, Geschichte, S. 15. Für die Ereignisgeschichte kann auf die detaillierte Darstellung von Aubele, Geschichte, S. 11-27, zurückgegriffen werden. M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 568, nennt einen Leonhard Goppold 1533 als letzten katholischen Geistlichen bis 1563. Endriß, Reformationsjahr, S. 25, 31-40; Abdruck der 18 Artikel S. 115-118. Aubele, Geschichte, S. 16.
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Als Beleg für ein auch nach dem Bauernkrieg „weiterwirkendes eigenständiges Engagement in den städtischen Territorien" 172 wird man es dennoch nicht ohne Abstriche werten können, wenn dabei die Einfuhrung der Reformation als Wunsch der Gemeinde erscheint - die Vorwürfe gegen den Kaplan waren gegenüber dem Rat von den Steinheimer Richtern Michel Paur und Peter Botzenhart erhoben worden; die Gemeinde hatte den Rat in einer Bittschrift um einen reformatorisch gesinnten Prediger ersucht - , denn sowohl die Klage der Steinheimer Richter als auch die Bittschrift der Gemeinde waren vom Ulmer Rat bzw. seinen Herrschaftspflegern veranlaßt worden. 173 Auf der anderen Seite kann die Einführung eines evangelischen Prädikanten nach der Stiftung einer eigenen Kaplanei 1434 als weiterer Schritt hin zur Errichtung einer selbständigen Pfarrei verstanden und aus der Kontinuität der Bemühungen um eine Kommunalisierung der Kirche im D o r f 7 4 begriffen werden, die den Bewohnern Steinheims praktische Vorteile brachte und eine Aufwertung ihrer Gemeinde bedeutete: Der häufige, unter Umständen beschwerliche und lästige Kirchgang ins Nachbardorf entfiel, Taufen und Beerdigungen sollten fortan im Dorf selbst vorgenommen werden können. 175 Zweifellos trafen sich darin die Bedürfnisse der Bevölkerung mit der Politik des Rates, der die Buxheimer Rechte in Steinheim auszuschalten bestrebt war. Die Kartause berief nun zwar den mißliebigen Priester ab und ersetzte ihn 1538 durch Kaspar Hueber, doch fand auch er nicht die Zustimmung der Reichsstadt, die ihn vergeblich zur evangelischen Predigt drängte. Durch die Sperrung seiner Zehnteinkünfte erzwang die Stadt daraufhin seinen Abzug und setzte ihrerseits (1539) den Prädikanten Jakob Grießbeutel in Steinheim ein. 176 Von jetzt an wurde Steinheim mit den Mitteln der Visitation in die reichsstädtische Konfessionalisierungspolitik einbezogen, der die Gemeinde durchaus differenziert begegnete: Der Wunsch, das überkommene Feierabendläuten beizubehalten, und ein nachlässiger Besuch des Katechismusunterrichtes einerseits, gingen einher mit fleißigem Kirchgang und einer von den Gemeindevertretern selbst angemahnten verbesserten Sittenzucht, dem Kampf gegen Trinken und Schwören, andererseits. Der Vergleich der Protokolle von 1539 und 1543 zeigt dabei eher Fortschritte. 177 Der Kirchenschmuck, der sich 1543 noch immer in der Kirche befand, wurde wohl nicht lange danach entfernt. 178
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Kießling, Reformation, S. 54, nennt reformatorische Initiativen aus Geislingen, Leipheim und Pfuhl, die zeigten, daß die Einführung der Reformation keineswegs nur als OkiroyMaßnahme des Rales (gegen Hofer, Landgebiet) zu begreifen sei. Der Befund in Steinheim mahnt, den obrigkeitlichen Anteil auch an Initiativen ,νοη unten' genau freizulegen. Aubele, Geschichte, S. 16f. Vgl. P. Blickle, Kommunalismus; Schiersner, Suche. Die Errichtung eines Friedhofes in Steinheim gestattete der Rat 1539 (Aubele, Geschichte, S. 17). Hofer, Landgebiet, S. 113f.; Aubele, Geschichte, S. 17. Vgl. die Niederschriften bei Endriß, Synoden, S. 157, 197, 209. 1 5 5 2 fehlte er samt der Altäre und Kirchengewänder (Aubele, Geschichte, S. 17).
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Fallstudien
Das Interim bedeutete für die evangelische Konfessionsbildung in Steinheim einen Rückschlag: Nach dem Weggang Jakob Grießbeutels scheint das Dorf zunächst weder vom Rat mit einem Prädikanten noch von Buxheim mit einem eigenen Kaplan versehen worden zu sein. Vielmehr übertrug der Patronatsherr mit bischöflichem Konsens die Seelsorge dem Pfarrer der Mutterkirche in Finningen,179 nicht zuletzt da Ulm auch jetzt wieder die Einkünfte der Kaplanei für sich behielt und einem Geistlichen damit die finanzielle Ausstattung entzog. 180 1557 und 1567 wurde Steinheim dann erneut in die reichsstädtischen Visitationen unter Ludwig Rabus einbezogen. 181 Der Prädikant von Holzheim, Michael Sponsus, wurde offiziell 1568 mit der zusätzlichen Übernahme der Seelsorge in Steinheim beauftragt. Im selben Jahr befaßten sich, angegangen von der Kartause Buxheim, erstmals die österreichischen Behörden in Innsbruck und Günzburg mit dieser Entwicklung. Zu einem neuerlichen Konfessionswechsel kam es, abgesehen von möglichen kurzfristigen Veränderungen während des Dreißigjährigen Krieges, dennoch nicht. Steinheim blieb für die katholischen Visitatoren innerhalb des Landkapitels Weißenhorn eine cappellania apostatam und wurde auch fortan und bis zur Rekatholisierung Holzheims (1627 bzw. endgültig 1635) vom dort ansässigen lutherischen Prädikanten versorgt. 183 Seit 1609 geschah dies auf der Grundlage des Patronatsrechtes, das Ulm zusammen mit Groß- und Kleinzehnt, Zehntstadel, Pfarr-und Widenhof um eine nicht unbeträchtliche Summe der Kartause Buxheim abgekauft hatte.184 - Angesichts der vorangegangenen jahrzehntelangen Auseinandersetzungen zwischen Reichsstadt und Kartause geschah dieser Verkauf nicht wirklich „überraschend". 185 Das Patronatsrecht hatte sich vielmehr längst als stumpfe Waffe in der konfessionellen Auseinandersetzung erwiesen, in den Genuß der finanziellen Zugehör war Buxheim wenn überhaupt, so nur unregelmäßig und mit erheblichem Aufwand gekommen. Einen Anlaß zur
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In M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 568, ist die Übernahme des Kaplaneibenefiziums durch den Pfarrer von Finningen allerdings erst für 1563 vermerkt (letzter Eintrag zu Steinheim). Hofer, Landgebiet, S. 114. Endriß, Kirchenvisitationen, S. 44, 48. Eine weitere Visitation fand dann 1579 statt (S. 49). - 1557 wirkte in Steinheim als Meßpfaffe ein - wie man wohl wegen seiner niederdeutschen Sprache annahm - Niederländer aus dem Stifft Cölln. Er sei nicht verständlich und halte sich übel (Rippmann, Kirchenvisitationen, S. 138; zur Visitation von 1557 auch Giesel, Extrakt, zu Steinheim Nr. 12, S. 96). ABA, DA 15, 216 (Descriptio ecclesiarum parochialium et capellaniarum totius capituli in Weißenhorn anno 1602). Aubele, Geschichte, S. 17f. Verhandlungen wurden seit 1608 gefuhrt. Der Vertrag wurde 1609 November 10 um die Summe von 13000 Gulden geschlossen (Aubele, Geschichte, S. 18; irrtümlich nennt Hofer, Landgebiet, S. 115, 1610 Juli 18 als Datum und 11000 Gulden als Kaufsumme des Vertrages; tatsächlich ging im Juli 1610 eine erste Rate von 2000 Gulden ein, 11000 Gulden standen damit noch aus; dazu detailliert Stöhlker, Buxheim NF 1, S. 137). Gegen Hofer, Landgebiet, S. 115.
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Veräußerung mochten schließlich die Solvenzschwierigkeiten abgegeben haben, in die das Kloster zu dieser Zeit geraten war.186 Nichtsdestoweniger scheint es auch in Steinheim noch bis weit ins 17. Jahrhundert hinein eine katholische Minderheit gegeben zu haben, die zum Empfang der Sakramente nach Finningen auslief oder vielleicht in Steinheim vom Finninger Pfarrer besucht wurde, was aufgrund der Profanierung der Kirche aber eher unwahrscheinlich ist.187 Nach 1627 bzw. 1635 avancierte Steinheim schließlich zur eigenständigen Pfarrei.188 Zur Einführung der Reformation in Steinheim, ihrer Fortsetzung nach dem Interim und ihrer endgültigen Etablierung führten damit zusammenfassend drei Umstände: 1538 bzw. 1539 nötigte die Sperrung des Zehnten den katholischen Kaplan zum Abzug und gestattete der Reichsstadt Ulm die Einsetzung ihres Prädikanten Jakob Grießbeutel. Nach dem Interim gab Buxheim die Präsenz eines eigenen katholischen Kaplans am Ort auf und ließ Steinheim vom Finninger Pfarrer excurrendo versehen. Dies erleichterte dem Holzheimer Prädikanten das zusätzliche Wirken in Steinheim, zumal als dem katholischen Pfarrer die Einkünfte aus der Kaplanei abermals vorenthalten wurden. Nachdem die Kartause 1609 der Reichsstadt schließlich das Ius patronatus mit allen Rechten überlassen hatte, waren die letzten formalen Hindernisse für die lutherische Konfessionsbildung in Steinheim beseitigt. Daß die Konsolidierung des Bekenntnisses unter den Bedingungen kleinräumiger herrschaftsrechtlicher Diversität - wie auch konfessioneller Diskontinuität - mit besonderen Schwierigkeiten behaftet war, zeigte schon der Blick auf die Bevölkerung in Holzheim. Deviante Verhaltensmuster in Steinheim (Auslaufen zu Gottesdienst und Taufe in katholische Gemeinden) bestätigen den Befund aus evangelischer Perspektive. Insofern hemmte die Nähe der konfessionellen Alternative, mithin die Nähe der Grenze, die konfessionelle Gruppen- bzw. Gemeindebildung erkennbar. Ergebnis war in vielen Dörfern des Ulmer Winkels eine faktische Bikonfessionalität ihrer Bewohner, die im Einzelfall über den Dreißigjährigen Krieg hinaus Bestand hatte.189 Gleichzeitig aber zeigte das Bemühen in Holzheim, 186 187
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So Stöhlker, Buxheim NF 1, S. 136. Die Ulmer Visitationsberichte vermerken 1577 und 1581 mit Mißfallen, daß Steinheimer Untertanen ihre Kinder zur Taufe nach Finningen brächten oder der Pfarrer von Finningen Haustaufen in Steinheim spende (Aubele, Geschichte, S. 18). - Bei der Angabe der Kommunikantenzahl (etwa 200) für Finningen vermerkt 1618 der Visitator, zu dieser Zahl gehörten auch Gläubige aus Holzheim, Steinheim, Neuhausen et omnes sponte venientes (ΑΒΑ, DA 15,216). Aubele, Geschichte, S. 19. In Holzheim beruhte die jahrzehntelange Bikonfessionalität auf der Institutionalisierung von Gottesdiensten beider Konfessionen (evangelischer Prädikant und katholischer Frühmesser) in einer Kirche. - In Burlafingen rührte sie daher, daß neben dem Klarissenkloster Söflingen das Ulmer Spital über einige Höfe Nieder- und Hochgerichtsbarkeit ausübte und seine Untertanen zu evangelischer Glaubensübung und Besuch des Gottesdienstes in Pfuhl verpflich-
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die katholische Glaubenspraxis im Dorf etwa durch Wallfahrten oder Prozessionen zu festigen, die Ambivalenz der konfessionellen ,Grenzerfahrung', denn die Nähe der konfessionellen Alternative, die Nähe der Grenze, barg auch die Chance auf Ab-Grenzung und Ausbildung konfessioneller Identität.
Exkurs: Evangelische Konfessionsbildung mit den Mitteln bildlicher Verkündigung Auch in Steinheim, auf evangelischer Seite, nutzte man die Chance der Abgrenzung und antwortete zugleich, ebenfalls mit den Mitteln der Bildpropaganda, auf die Darstellung der Schutzmantel-Madonna in Holzheim. Von den (ursprünglich) sieben lutherischen Bekenntnisbildern in der St. Nikolauskirche in Steinheim190 nehmen zwei Gemälde - teils ikonographisch, teils durch die Widmung und einen beigegebenen, heute nicht mehr erhaltenen Merkvers - direkt Bezug auf die Rekatholisierung der Nachbargemeinde Holzheim. Deren Rekatholisierung hatte auch fur Steinheim Konsequenzen: Nachdem beide Gemeinden mindestens 60 Jahre lang vom selben Prädikanten versehen worden waren, rissen die kirchlichen Verbindungen 1627 bzw. endgültig 1635 ab, Steinheim wurde nun Sitz eines evangelischen Prädikanten, konfessionelle Exulanten aus Holzheim fanden eine
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tete (Aubele, Burlafingen, S. 17, 22). - In Neuhausen (Kreisbeschreibung Neu-Ulm, S. 33f.), in unmittelbarer Nachbarschaft Holzheims am westlichen Rand des Leibitales, lagen die Verhältnisse wieder anders, weil der kleine Ort weder Pfarrkirche noch Benefizium besaß, sondern bis zur Reformation nach Finningen gehörte. Die hohe Obrigkeit nahm die Reichsstadt Ulm aufgrund des Wildbannes für sich in Anspruch, zudem lag der Ort westlich der Leibi (vgl. die Kartierung der Hochgerichtsbarkeitsbezirke Schwabens um 1450 von Wolfgang Zorn in: Zorn, Atlas, Karte 26, 22f. Häufig wechselten die patrizischen Grundherren im Dorf. Zur Zeit der Reformation waren es Marx und Laux Gienger, die 1535 vom Rat aufgefordert werden mußten, ihre aigen Leut zu Neuhausen nach Holzheim in die Gottesdienste zu schicken und eine nahe des Ortes gelegene Feldkapelle zu schließen (Hofer, Landgebiet, S. 19). Die Klagen der Ulmer Visitatoren über das Auslaufen der Neuhauser rissen indes nicht ab, auch war die Kapelle zwei Jahre später immer noch zugänglich (Endriß, Synoden, S. 123, 200). Als seit 1577 mit Ulrich Ehinger von Balzheim zu Großkötz (zu ihm Seitz, Ehinger, S. 106-108) ein dezidierter Katholik Ortsherr des Fleckens war, verschärften sich die Auseinandersetzungen mit dem Rat. Ein Teil der Bevölkerung mag im katholischen Finningen (vgl. ABA, DA 15, 216), ein anderer im evangelischen Holzheim den Gottesdienst besucht haben (ein dritter Teil mag vielleicht ganz auf den Besuch einer Kirche verzichtet haben). Sofort nach der Rekatholisierung Holzheims wurde Hans Christoph Ehinger aufgefordert, seine Untertanen zum Besuch des Gottesdienstes ins evangelische Steinheim zu schicken (Eberle, Reformation, S. 146f.). Noch 1644 vermerkt ein Visitationsbericht des Landkapitels Weißenhorn, in Neuhausen gehörten die Untertanen „nach Belieben der katholischen oder lutherischen Religion an" (ders., Streiflichter, Nr. 41, S. 168). Dennoch bedeutete die Rekatholisierung Holzheims schließlich auch für Neuhausen die Homogenisierung des Bekenntnisses im katholischen Sinne (ders., Reformation, S. 148). Habel, Neu-Ulm, S. 197, sowie ausführlich zu Entstehung und Inhalt der Darstellungen H. Popp, Bekenntnisbilder.
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neue Heimat in Steinheim: Die neue konfessionelle Grenzziehung war spürbar geworden. Wie in Holzheim ging die Initiative für die Anfertigung der Bilder auch in Steinheim vom Ortsgeistlichen aus. Bonifaz Stölzlin hatte 1652 19 ' - zwei Jahre zuvor, nach dem Tod Anton Schnitzlers von Holzheim, war der Versuch Ulms gescheitert, ihn in die Pfarrei Holzheim einzusetzen - 1 9 2 seinem Bruder Johann Stölzlin 193 den Auftrag erteilt, eine Bilderreihe zum Katechismus Luthers zu malen und konnte fur die einzelnen Bilder Stifter unter anderem in der Reichsstadt gewinnen. 194 Das Gemälde, das das Altarsakrament zum Thema hat,195 wurde 1653 von den evangelischen Bewohnern Neuhausens, Ulmer Bürgern und Steinheimer Untertanen gestiftet: Vor dem Hintergrund eines gewaltigen Chorraumes ist über einem Altar ein überragendes Kruzifix aufgerichtet. Auf dem Altar liegt aufgeschlagen die Bibel, daneben steht ein Kelch. Zwei (evangelische) Geistliche reichen das Abendmahl in beiderlei Gestalt, Frauen zur Rechten des Betrachters den Kelch, Männern zur Linken Hostien. Dahinter, auf zwei bis zum Architrav reichenden Säulen rechts und links des Triumphbogens stehen zwei Heilige, Petrus - erkennbar am beigegebenen Schlüssel - und also wohl Paulus, der, „wie zum Fortgehen" in einen Mantel gehüllt, dem Betrachter nur den Rücken bietet, aber über die Schulter noch einmal zurückblickt: 196 Petrus und Paulus sind die Patrone der Holzheimer Nachbarkirche. Nur noch aus der Distanz können sie das sakramentale Geschehen betrachten, das so in ihrer Kirche nicht mehr gefeiert wird. Das Gemälde setzt damit den Verlust Holzheims flir den evangelischen Glauben ins Bild und läßt die verlorenen Brüder dennoch in der Vorstellung der betrachtenden Steinheimer an der Communio teilhaben. Andererseits zwingt die Darstellung die ,katholischen Nachbarn' Petrus und Paulus damit auch zu erkennen, „daß hier das wahre Sakrament nach den Einsetzungsworten Christi gereicht wird, also kein ,verdammliches, gottloses, sektisch ungültiges' Geschehen stattfindet". 19 ' Das zweite Bekenntnisbild, das auf die Rekatholisierung Holzheims Bezug nimmt, ist die Darstellung einer Beichte. 198 Stifter des Gemäldes ist der Ulmer 191
Irrtümlich auf 1 5 5 2 - 1 5 5 4 sind die G e m ä l d e datiert bei D e h i o , Kunstdenkmäler, S. 9 6 7 .
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Vgl. Kap. Β. 1. 3.4. Wortmann, Stöltzlin, S. 143, konnte ihm die Steinheimer Bekenntnisbilder noch nicht z w e i felsfrei zuschreiben, da A u f z e i c h n u n g e n über den Entstehungszusammenhang der G e m ä l d e erst 1984 im Steinheimer Pfarrarchiv wiederentdeckt wurden. D i e Stifter sind heute rückseitig mit Bleistift auf den einzelnen G e m ä l d e n vermerkt, nachd e m die N a m e n vermutlich im 19. Jahrhundert von e h e m a l i g e n Inschriften der Vorderseite bzw. der Rahmung übertragen wurden (Wortmann, Stöltzlin, S. 143). Beschreibung und Abbildung des G e m ä l d e s bei H. Popp, Bekenntnisbilder, S. 38 und 41 Abb. 3. H. Popp, Bekenntnisbilder, S. 38. S o die Interpretation bei H. Popp, Bekenntnisbilder, S. 38. Beschreibung und A b b i l d u n g des G e m ä l d e s bei H. Popp, Bekenntnisbilder, S. 38f. und 3 9 Abb. 4. - Luther wollte Sündenbekenntnis und Absolution nicht abgetan w i s s e n , auch w e n n
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Fallstudien
Ratskonsulent Johann Ludwig Böck (gest. 1669). 1 " Er ist gerade im Begriff, vor einem Geistlichen im Beichtstuhl - er trägt angeblich die Züge Stölzlins - das Bekenntnis seiner Sünden abzulegen. Hinter ihm haben sich noch sechs weitere bußfertige Gläubige eingefunden. Hanna Popp identifiziert unter anderem den Ulmer Ratskonsulenten, der für Ulm erfolglos gegen die Rekatholisierung Holzheims stritt,200 sowie den Holzheimer Wirt Lienhard Geiger, der aus Glaubensgründen seinen Heimatort verlassen mußte und 1637 mit Hilfe des Stifters in Steinheim ansässig wurde.201 Alle acht, einschließlich des Prädikanten, plage ihr „Hader gegen Gott", der es zulassen konnte, daß Holzheim dem evangelischen Bekenntnis verlorenging. 202 Damit erweist sich das Bekenntnisbild von der Beichte als das Gegenstück zur Holzheimer Schutzmantel-Madonna: Es versammelt die in der konfessionellen Auseinandersetzung um Holzheim unterlegene Seite, die Reichsstadt Ulm bzw. ihre juristischen Vertreter, die evangelische Bevölkerung Holzheims und ihren evangelischen Geistlichen. Die Darstellung, wie auch das Gemälde vom Abendmahl, ist zunächst als Versuch zu interpretieren, dem Betrachter im Medium der Kunst einen Weg zu weisen, das Erlebnis der konfessionellen Spaltung zu verarbeiten; wenn schon nicht zu begreifen, so wenigstens im Glauben annehmen zu lernen, daß den Nachbarn und Verwandten im Dorf nebenan der Weg zum Heil nach protestantischer Auffassung versperrt oder zumindest erschwert ist. Es ist dies aber nur die eine Seite, impliziert doch die Trauer um den Verlust des Nachbardorfes an den vorgeblichen Irrglauben die eigene Rechtgläubigkeit. Deutlicher als die katholische Bildprogrammatik in Holzheim rekurrieren die beiden Steinheimer Gemälde auf den konfessionellen Gegner, er ist bildlich oder gedanklich präsent und dient - in der Darstellung vom Abendmahl unter beiderlei Gestalt - als theologische und - in der Beichtdarstellung - historische Folie, auf deren Hintergrund sich das Identitätsprofil der eigenen Konfession und ihrer Anhänger schärfte und schärfen sollte. Dies war die soziale Funktion der lutherischen Bekenntnisbilder in der Steinheimer Nikolauskirche: Sie entwickelten aus der Erfahrung der Grenze die Möglichkeit der konfessionellen Abgrenzung und trugen somit bei zur Konsolidierung des Bekenntnisses, zur evangelischen Konfessionsbildung in Steinheim.
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sie nach seiner Auffassung kein Sakrament konstituierten. Dazu Heidelmann/Meißner, Beichtstühle. Der Ausstellungskatalog enthält eine Darstellung des Forschungsstandes zum evangelischen Beichtstuhl, eine Bibliographie (S. 13-16, 168-174) sowie eine Geschichte der lutherischen Beichte (S. 17-35). Zu ihm Gänßlen, Ratsadvokaten, S. 250f. Zwei seiner Kinder waren (1629 und 1630) in Steinheim getauft worden (H. Popp, Bekenntnisbilder, S. 38). Es handelt sich um Dr. Konstantin Vahrenbühler (1584-1630); vgl. StAA, VÖ, Lit. 654, 1624 Dezember 23, fol. 232 r ; TLA, GR, A/E, 1625 Februar 22; zu seiner Person Gänßlen, Ratsadvokaten, S. 280f. Kap. Β. I. 3. Anm. 158. H. Popp, Bekenntnisbilder, S. 38.
Holzheim
3.6.2
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Rekatholisierungsbemühungen und ihr Scheitern
Fremdes, Buxheimer Patronatsrecht stand zunächst der Einführung der Reformation in Steinheim entgegen, denn der Prior der Kartause konnte nicht zur Institution eines evangelischen Kandidaten bewogen werden. So mußte es der Reichsstadt u m die Überwindung dieses Hindernisses zu tun sein, hier setzte ihre Politik an, und hier mußte sich die katholische Seite zu behaupten versuchen. Die Arrestierung seines Zehnten durch die Reichsstadt Ulm zwang den Steinheimer Kaplan erstmals 1538 zur A u f g a b e . Als Ulm in einem zweiten Anlauf, spätestens 1568, erneut einen evangelischen Geistlichen, den Prädikanten von Holzheim, mit der Seelsorge in Steinheim betraute, schaltete es den zusätzlich als Kaplan fungierenden Pfarrer von Finningen wiederum durch die Sperrung der Kaplanei-Einkünfte aus. Jetzt, 1568 September 10, wandte sich die Kartause erstmals u m Unterstützung an Erzherzog Ferdinand II., denn das Dorff Stainhaim, nit ferr von Ulm, sei in der F.D. Erzherzog Ferdinanden zu Ost err eich [...] Marggrafschajft Burgaw hochen Obrigkait gelegen. Dieses, die Kirchenhoheit verbürgende Recht, so ist zu ergänzen, stehe der Forderung Ulms auf eine Präsentation in seinem konfessionellen Sinne von vornherein entgegen. Die Weigerung Buxheims, einen evangelischen Prädikanten zu akzeptieren, mit der Arrestierung des Zehnten zu beantworten, erfolge also ohne rechtliche Grundlage. 2 0 3 Mit dem Verweis auf die hohe Obrigkeit ist damit der eigentlich neuralgische Punkt der Kontroverse benannt, w e m tatsächlich mit hoher Obrigkeit Ius reformandi bzw. Kirchenhoheit in Steinheim z u k o m m e . An diesem Punkt wurde Österreich vom Schiedsrichter zur Partei. Die Regierung in Innsbruck beauftragte nun Landvogt und Amtleute der Markgrafschaft, das Ir denselben [Prädikanten] - doch alles fur Euch selbst vnd vnuermelt diß vnnsers schreibens - für Euch erforderet vnd Ime aufleget, sich strackhs vnd alspald von dannen zuthuen vnd weiter alda nit zupredigen. Im Falle seiner Weigerung solle er g e f a n g e n g e n o m m e n und ausgeschafft werden. Diese M a ß n a h m e n sollten jedoch nur unter einer Voraussetzung ergriffen werden, nämlich Wouer die Sachen dermassen geschaffen, Das der Fleckhen Stainhaim in der Marggrafschafft Burgaw Lanndtsfurstlichen hochen Obrigkhait gelegen.204 Den Beweis dafür konnten die burgauischen Beamten dann allerdings nicht erbringen, denn während gedachte von Ulm Irem fürgeben nach der hohen Obrigkhait daselbst zu Stainhaim Inn Rüewigem Innhaben vnnd Posseß vel quasi sein vnnd zu hanndt habung solcher hohen Obrigkait etliche vil Actus one menigeliche Verhinderungen vnnd widersprechen geiebt vnnd gebraucht haben sollen, sahen sich die Beamten nicht in der Lage, auch nur einen einzigen fahl oder Actum, so von der Marggrafschafft Burgaw wegen daselbst Exerciert worden, anzu-
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StAA, VÖ, Lit. 649, 1568 Oktober 23, fol. 50r. StAA, VÖ, Lit. 649, 1568 Oktober 23, fol. 50r; nochmals wiederholt 1569 Januar 15, fol. 63 v .
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Fallstudien
führen.205 Sie konnten also nicht nachweisen, daß die Markgrafschaft in Steinheim je Malefizverbrechen geahndet hätte. Daß sich für die Zeit der Verpfändung der Markgrafschaft an das Hochstift Augsburg (bis 1559) solche Fälle finden ließen, hielt man in Innsbruck ebenfalls für sehr unwahrscheinlich. Umfängliche Recherchen, die man wegen einer älteren Auseinandersetzung mit Ulm um das Geleitrecht unternommen hatte, hätten jedenfalls keine verwertbaren Ergebnisse gebracht. Kurz: Die oberösterreichische Regierung trug fürsorg, Sy, die von Ulm, werden von Irem vorhaben nit leichtlichen Absteen. Damit gab sich - abgesehen von einem notariellen Protest, der die Ansprüche weiterhin aufrechterhielt - 206 die österreichische Seite geschlagen:207 Lakonisch wies man 1572 eine Beschwerde des Pfarrers von Finningen, Peter Kay,208 wegen des evangelischen Prädikanten in Steinheim mit den Worten zurück, das man Ime nach der Zeit nit helffen khund.209 Dieselben Beschwerden des Buxheimer Priors Kaspar Schilder210 wurden auch 1577 und 1579 nicht anders beantwortet.2"
3.7
Holzheim und Steinheim: Bewertung der Ergebnisse
Eine anfängliche Konvergenz der österreichischen Politik in Holzheim und Steinheim ist deutlich erkennbar: Hier wie dort standen der Rekatholisierung ,legalistische' Bedenken Erzherzog Ferdinands und seiner Regierung in Innsbruck entgegen, denn den Nachweis der hohen Obrigkeit glaubte man weder für das ein noch das andere Dorf zweifelsfrei erbringen zu können. Während dabei in Holzheim ein finanziell dem Ulmer Zugriff entzogenes und vom habsburgischen Ortsherren patroniertes Altarbenefizium institutionellen Rückhalt für eine katholische Glaubensübung weiterhin bot, gelang es der Reichsstadt, durch finanziellen Druck das katholische Exerzitium in Steinheim zu unterbinden. Die Hilferufe, die der Buxheimer Patronatsherr in dieser Situation mehrfach (1568, 1572, 1577 und 1579) an Innsbruck richtete, fielen ganz in die von Zurückhaltung geprägte Phase habsburgischer Politik unter Erzherzog Ferdinand II. und konnten keinerlei Unterstüt205 206
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StAA, VÖ, Lit. 649, 1569 Januar 27, fol. 64 r . Gegen die Aufstellung eines Sectischen Predicanten zu Stainhaim durch Ulm sollten die burgauischen Beamten vor einem Notar und Zeugen Protest einlegen, Mit Vermeidung, das Inen solchs nit gebärt, Dann der F.D. Als Marggrafen zu Burgaw die Lanndsfürstlich, Glaitlich vnnd hohe Obrigkhait der Ennden zugehört. Vnnd ob sich die von Ulm gleichwol vnndterstannden, Irer F.D. darinnen eintrag zuthuen, So hetten doch Ir F.D. Inen, denen von Ulm, dasselbig nit gestatten oder nachgeben wellen (StAA, VÖ, Lit. 649, 1569 Januar 27, fol. 64 r ). StAA, VÖ, Lit. 649, 1569 Januar 27, fol. 64 r . M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 558, nennt ihn zwischen 1564 und 1580 als Pfarrer in Finningen. Stempfle, Weissenborn, Nr. 18, vermerkt sein Ableben zwischen 1589 und 1596. StAA, VÖ, Lit. 649, 1572 Juni 9, fol. 238 v . Zu ihm Stöhlker, Buxheim NF 3, S. 761, sowie ausführlich ders., Buxheim, N F 2, S. 475481. StAA, VÖ, Lit. 1577 Januar 8, fol. 337 r und 1579 Mai 23, fol. 395 r .
Holzheim
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zung bewirken. Das ohnedies mittlerweile wertlose Patronatsrecht hatte die Kartause 1609 schließlich an Ulm abgetreten, sich damit aber eines Rechtstitels begeben, der unter den günstigen militärischen Voraussetzungen der 1620er Jahre möglicherweise einen juristischen Hebel für ein Wiederaufleben der Rekatholisierungsforderungen hätte abgeben können. Die Erzherzog Ferdinand nachfolgenden Regenten widmeten Holzheim auch weiterhin Aufmerksamkeit, ließen sich über den rechtlichen und konfessionellen Status informieren und ventilierten Für und Wider einer möglichen Rekatholisierung. Entsprechendes Interesse fur die Verhältnisse, geschweige Überlegungen zur konfessionellen Rekuperation lassen sich dagegen in Steinheim nach Lage der Überlieferung auch nicht in Ansätzen erkennen. Entscheidender Grund war dafür wohl die ortsherrschaftliche Gewalt, die Habsburg bzw. die Markgrafschaft Burgau über Holzheim, nicht aber über Steinheim ausübte. Steinheim geriet aus dem Blickfeld Österreichs. Als dann unter den Bedingungen des für die habsburgischkatholische Seite zunächst erfolgreichen Krieges die Rekatholisierung Holzheims gelang, zählte der Nachbarort bereits nicht mehr zur burgauisch-österreichischen Interessensphäre und niemand dachte hier mehr an eine Revision der konfessionellen Verhältnisse. Daß dabei auch die Anstöße, welche die österreichische Politik in Holzheim durch Bischof Heinrich erfuhr, in Steinheim - jedenfalls nach Ausweis der Überlieferung - fehlten, könnte seinen Grund im unterschiedlichen Status der beiden Kirchen haben. Denn während Holzheim als Pfarrsitz größere, auch größere pastorale Bedeutung besaß, mochte Steinheim als Kaplanei eher der A u f m e r k s a m k e i t und dem Eifer des Ortsbischofs entgangen sein.
4.
Burtenbach: Scheitern an Ritter und Recht
4.1
Burtenbach und die Schertlin
Unter den Orten, deren konfessionelle Geschichte hier in Einzelstudien dargestellt ist, besaß Burtenbach zweifellos die größte Bedeutung. Er zählte zu einer Kette von Marktorten - Thannhausen (vor 1348), Burtenbach (1471), Jettingen (vor 1410), später auch Münsterhausen (möglicherweise um 1580, jedenfalls vor 1791) die sich innerhalb der Markgrafschaft Burgau im Mindeltal aneinanderreihten, und lag etwa 6 Kilometer südlich des Marktes Jettingen, einer Zollstätte an der Handelsstraße zwischen Augsburg und Ulm. Zusammen mit den jeweils etwa 10,5 Kilometer entfernten Märkten Dinkelscherben im Osten und Ichenhausen im Westen, bildete es einen zu dieser Handelsstraße parallel verlaufenden Verbindungsweg. 1 Das Register von 1492 vermerkt dort für insgesamt 114 Anwesen die Zahlung des Feuerstattguldens. 2 Walter Gruber errechnet aus den Einträgen der Kirchenbücher für die Zeit Sebastian Schertlins (1496-1577) etwa 1200 Einwohner des 1471 zum Markt erhobenen Ortes.3 Die Besitzgeschichte Burtenbachs ist durch eine Reihe auch monographischer und jüngerer Arbeiten gut erschlossen: 4 Ulrich IV. Burggraf von Burtenbach verkaufte seinen, den größten Anteil Burtenbachs 1532 an Sebastian Schertlin, der, kurz zuvor Stadthauptmann der Reichsstadt Augsburg geworden, auf der Suche nach einem der Stadt nahegelegenen Ansitz war. In der Folgezeit konnte Schertlin auch den Besitz weiterer Grundherren in Burtenbach, burgauische und bayerische Lehenträger, erwerben und so den Ort zu einer arrondierten reichsritterschaftlichen Herrschaft ausbauen. 5 Als größter Grundherr besaß er nicht nur die Nieder-
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Vgl. zur Verkehrsanbindung die Karte zur schwäbischen Wirtschaft im 16. Jahrhundert (bis 1618) von Wolfgang Zorn in: Frei/Fried/Schaffer, Atlas, Karte XI, 3; sowie die Karte zu Städten und Märkten vom Hochmittelalter bis zur Gegenwart in Schwaben von Rolf Kießling in: Frei/Fried/Schaffer, Atlas, Karte IV, 1. Größter Grundbesitzer war 1492 mit 88 Feuerstätten Stoffel Burggraf von Burtenbach (Nebinger/Schuster, Feuerstattguldenregister, S. 107). Hinzu kamen die Feuerstätten Heinrichs von Burtenbach (15), Lukas Fuggers (6) und des Augsburger Domkapitels (3) sowie jeweils eine Feuerstatt der Zisterzienserinnen von Oberschönenfeld und des Augsburger Bürgers Ulrich Schmucker (S. 107, 117, 85, 100, 119). - Zum Vergleich: In Ichenhausen hatte Konrad von Rot 84 Feuerstätten angegeben (S. 108). W. Gruber, Schertlin, S. 22, 32. Vgl. neben der einschlägigen Handbuchliteratur (Bosl, Handbuch, S. 121; Köbler, Lexikon, S. 99) A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 835-841; Brüderlein, Burtenbach; Kreisbeschreibung Günzburg, S. 40f.; Reißenauer u.a., Günzburg, S. 42-48; Wüst, Günzburg, S. 111-116; ders., Schwaben, S. 87-89; Kreuzer/Gruber, Schertlin. W. Gruber, Schertlin, S. 14-16.
Burtenbach
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gerichtsherrschaft, sondern zugleich auch den Blutbann, jedenfalls inner Etters.6 Seine Untertanen scheinen ihm - nach deren eigenem Bekunden - jedoch nicht reis- und steuerbar gewesen zu sein. Erst Hans Sebastian Schertlin d.Ä. (15231596) versuchte, seinen Untertanen wider altes herkhomen vnd gebrauch diese Pflichten abzuverlangen. 7 Dagegen kam dem Ortsherren das Patronatsrecht über die dem Landkapitel Jettingen 8 zugehörende Pfarrkirche - sie besaß keine Filiationen - unbestritten zu. 9 Neben dieser Pfarrstelle bestand in Burtenbach vermutlich seit dem Spätmittelalter ein Frühmeßbenefizium, dessen Güter - zwei Höfe und eine Sölde - der Patron des Benefiziums, Hans Wolf von Knöringen zu Röttingen und Weiltingen, 1554 an Sebastian Schertlin veräußerte und den Verkaufserlös dem Frühmeßbenefizium in Edelstetten zuwandte. 10 Zuletzt - mit dem Inhaber der Pfarrstelle - besetzt war das Burtenbacher Benefizium im Jahre 1550," als Bonacurs von Grim den Großteil der Lehen des zwischen 1548 und 1553 geächteten Schertlin innehatte. 12 Auch nach der Reformation Burtenbachs 1546 und bis zum Verkauf des Benefiziums 1554 bot die gestiftete Frühmesse offenbar keinen Ansatzpunkt für ein Beharren der katholischen Religionsübung im Ort. Sebastian Schertlin (1496-1577) erfuhr die Würdigung zahlreicher Biographen. 13 Unter der Faszination für seine Person litt dabei bisweilen die Differen-
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Kaiser Friedrich III. (1452-1493) verlieh ihn 1471 Juli 27 Ulrich III. Burggraf und seinen N a c h k o m m e n im Mannesstamm z u s a m m e n mit dem Marktrecht (Bruderlein, Burtenbach, S. 22 A n m . 12; Wüst, Schertlin, S. 63f.). Anlage undatierter Beschwerdeartikel der Burtenbacher Untertanen zu einem Schreiben der Statthalter, Amtsverwalter, Regenten und Räte der oberösterreichischen Lande an Erzherzog Ferdinand (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos 132 (1), 1579 März 27). - Bemerkenswert ist, daß dieser der österreichischen Seite durch die Klagen der Untertanen gegen ihre Ortsherrschaft bekannte B e f u n d nicht in deren Argumentation gegen Schertlin Eingang fand. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 566-575. Brüderlein, Burtenbach, S. 14f., S. 107-111. Das Patronatsrecht ist ebenfalls Gegenstand des 1532 Mai 10 mit Ulrich IV. Burggraf geschlossenen Vertrages (Nebinger, Burtenbach, S. 21). - Die hl. Anna als Patronin der Pfarrkirche hatte im späten Mittelalter vermutlich einen älteren Patron verdrängt (A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 841; Brüderlein, Burtenbach, S. 14). A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 170, 840. M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 796. Vgl. Kap. Β. I. 4.3. Vgl. die Zusammenstellung älterer Biographien bzw. biographischer Notizen bis 1775 bei Holzschuher, Lebensbeschreibung, Bd. 1, S. VIII-XIV; Rexroth, Schertlin; Blendinger, Schertlin; Gaese, Schertlin; Wunder, Schertlin; ders., Schertlin von Burtenbach. - Die Faszination f ü r die Person Schertlins - im übrigen auch der Erfolg seiner literarischen Selbstdarstellung - spricht auch aus der mehrfachen Edition seiner autobiographischen Lebensbeschreibung seit dem 17. Jahrhundert: [Schertlin, Sebastian], Leben; Holzschuher, Lebensbeschreibung; Schönhuth, Leben; Hegauer, Leben; Breimesser, Lebensbeschreibung. Schertlins Lebensbeschreibung wurde neuerdings sogar ins Spanische übertragen, eingeleitet und kommentiert (Hernandez, Schertlin). Eine Interpretation als Egodokument steht noch aus. Vgl. auch die Edition seines Briefverkehrs mit der Reichsstadt Augsburg (Herberger, Schertlin).
204
Fallstudien
ziertheit der Darstellung, die - zumal aus protestantischer oder lokalpatriotischer Perspektive - mitunter hagiographische Züge annehmen konnte. Eine Neubewertung seiner Persönlichkeit und Biographie ist im Zusammenhang dieser Arbeit nicht zu leisten. Wichtig ist es jedoch, einen Aspekt herauszugreifen und nach den Gründen für die Konversion Sebastian Schertlins bzw. die Einführung der Reformation in Burtenbach ebenso wie für sein und seiner Nachkommen Festhalten am neuen Glauben14 zu fragen.
4.2
Die Einführung der Reformation in Burtenbach
Vielzitiert ist der lapidare Satz, mit dem Sebastian Schertlin in seiner Lebensbeschreibung die Einführung der Reformation 1546 April II 15 in seiner Herrschaft vermerkt hat: auf sontag Judica hab ich das bapsthumb zu Burtenbach verändert, vnnd ainen cristenlichen euangelischen predicanten aufgestelt hat her Hans N. gehayssen.16 - Auf seine Bitte, die Stadt möge ihm einen Prädikanten vermitteln, hatte der Augsburger Rat den Helfer des Wolfgang Musculus,17 „den jungen, ganz unbedeutenden" Johann Hilpert,18 zur Verfügung gestellt. Aus der Autobiographie Schertlins erklärt sich dieser Schritt nicht. Inmitten endloser Schilderungen militärischer Operationen erscheint die Entscheidung für die Reformation nicht hinreichend motiviert. Was ihn persönlich zur Konversion und zur Einfuhrung der Reformation in Burtenbach bewogen haben mag und wie er fortan das religiöse Leben im Markt gestaltete, darauf geht Schertlin in seiner Lebensbeschreibung mit keinem weiteren Wort ein.19 Er, der noch Jahrzehnte später über Roß und Reiter, besonders aber die finanziellen Erträge seiner diversen Kriegszüge detaillierte Angaben zu machen vermochte, hatte offenbar nicht
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Jedenfalls bis zur katholischen Taufe Johann Friedrich Schertlins von BurtenbachStammheim (1675-1721); vgl. Kap. Β. I. 4.4.2. Nebinger, Burtenbach, S. 23, vermerkt jedoch erst ab 1546 Mai 17 den Prädikanten Johann Hilpert als Pfarrer in Burtenbach. An diesem Tag war vom Augsburger Rat beschlossen worden, den Helfer des Wolfgang Musculus ain zeit lang und so lang es ainem ersamen rat gefellig ist nach Burtenbach zu entleihen (Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 396 und 421f. Anm. 54). Schönhuth, Leben, S. 33; vgl. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 840; Nebinger, Pfarrer, S. 56f.; Wüst, Schertlin. Zu ihm Dellsperger, Musculus; sowie den Sammelband von Dellsperger/Freudenberger/Weber, Musculus. Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 396. Zu ihm und seinen Nachfolgern Nebinger, Pfarrer; ders., Burtenbach; Wegele, Nachtrag. - Hilperts katholischer Vorgänger war nach M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 795, der Lorcher Benediktiner P. Heinrich Schertlin [!] (1541-1545). Möglicherweise war zu dieser Zeit auch noch der 1533 eingesetzte Frühmesser Bartholomäus Schmid (M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 796) in Burtenbach tätig. Zur kurzfristigen Rekatholisierung Burtenbachs 1547-1552 vgl. Kap. Β. I. 4.3. Die Erstausgabe seiner Lebensbeschreibung ([Schertlin, Sebastian], Leben) enthält überhaupt nur ein kurzes Verzeichnis der Feldzug vnd Kriegsthatten, auch die Reformation in Burtenbach wird dort mit keinem Wort erwähnt.
Burtenbach
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einmal den vollständigen N a m e n des ersten, von ihm eingesetzten Prädikanten in Burtenbach präsent. Daraus auf eine mangelnde religiöse Motivation für die Reformation Burtenbachs oder einen geringen Stellenwert religiöser bzw. konfessioneller Fragen für sein persönliches Leben zu schließen, wäre allerdings übereilt. Denn Schertlins Zurückhaltung bei der Darstellung der Hintergründe fur den konfessionellen Wechsel läßt sich auch mit der primären Intention seiner Lebensbeschreibung erklären, der es ganz vorrangig um eine Schilderung seiner militärischen Leistungen zu tun ist. Im Briefwechsel mit dem Rat der Stadt Augsburg 2 0 dagegen stellt Schertlin seinen W e g zum neuen Glauben als ein ganz persönliches religiöses Ringen um die Wahrheit dar: 21 Dem ihm befreundeten Hauptmann Bernhard Schludi von Lindau 22 zu Gefallen, habe er, Schertlin, erstmals eine evangelische Predigt besucht, habe fortan die Positionen der einen wie der anderen Seite miteinander verglichen und abgewogen und schließlich die Wahrheit des Evangelii dem Päpstischen Irrtum vorgezogen. 2 3 Tatsächlich war Schertlin trotz der damit verbundenen Nachteile nach der Niederlage der Schmalkaldener seiner einmal gefällten Glaubensentscheidung treu geblieben und hatte, der Reichsacht verfallen (1548 August 3 bis 1553 Juni 18)24 und seiner Lehengüter beraubt, seine Rehabilitation nicht durch eine politisch opportune Konversion befördert. Die Ernsthaftigkeit der persönlichen religiösen Motive, die ihn zum neuen Glauben führten, muß man daher nicht in Zweifel ziehen. Auf der anderen Seite entfielen f ü r Schertlin die - nicht eigentlich religiösen Argumente, die sonst den Adel - abgesehen von religiösen Erwägungen - von der Reformation abhalten konnten: Z u m einen stellte zwar für die alteingesessenen Familien des insassischen Adels in der Markgrafschaft die Mitgliedschaft im Augsburger Domkapitel einen bedenkenswerten Einwand gegen die Reformation dar, durch die man sich selbst eines finanziellen Versorgungsinstitutes beraubt hätte, dessen sich die nachgeborenen Söhne des Adels seit Jahrhunderten erfreuten. 25 Sebastian Schertlin jedoch hatte solche Konsequenzen nicht zu fürchten: Er 20 21
Herberger, Schertlin. Allerdings legte Schertlin selbst dem Rat nahe, daß seine seit der Besetzung Füssens 1546 Juli 9 (Herberger, Schertlin, Nr. III, S. 11) verfaßten Briefe nach jrer Ordnung bey einander
behalten vnd bewart würden biss zu müessiger zeit dieselbigen jnn ein rechte Ordnung zusamen gezogen vnndzu rechten acta der historien gebracht werden möchten (Nr. III, S. 29).
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Er mag diese Briefe also bereits im Hinblick auf ihre spätere Veröffentlichung konzipiert und stilisiert haben. Roth, Reformationsgeschichte 1, S. 65, nennt ihn einen „Augsburger Söldner". Herberger, Schertlin, Nr. LII. Über das erste Datum sind sich Schertlins Biographen aufgrund dessen eigener Aussage (Schönhuth, Leben, S. 72) einig. 1553 Juni 12 als Datum ftir die Aufhebung der Reichsacht nennt Blendinger, Schertlin, S. 216, 219. Juni 18 als Datum dagegen Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 840, und Wunder, Schertlin, S. 64f. Den Wortlaut der Achtenthebung unter diesem Datum gibt Rexroth, Schertlin, S. 326-329 (Anhang X), wieder. So grundsätzlich die Argumentation bei Press, Folgen, S. 208. - Zur Mitgliedschaft des schwäbischen Adels im Augsburger Domkapitel Haemmerle, Canoniker; Seiler, Domkapitel.
206
Fallstudien
selbst war bürgerlicher Herkunft und entstammte der württembergischen Ehrbarkeit. Erst 1532 September 17 wurde Schertlin von Karl V. zum Ritter geschlagen, 1534 Mai 1 zum Freiherrn erhoben.26 Zu einer dynastischen Verflechtung der Familie mit den Domkapiteln von Konstanz - zu diesem Bistum gehörte Schertlins Heimatstadt Schorndorf bzw. die seines Vaters Leonberg - oder gar Augsburg,27 deren finanzielle Vorteile man sich für die Zukunft nicht hätte nehmen wollen, war es daher noch nicht gekommen. 28 - Zum anderen entfiel für Schertlin mit seinem Übertritt in den Dienst der Reichsstadt Augsburg (1530) jede, wenn auch kaum zwingende Notwendigkeit, Rücksicht auf das katholische Bekenntnis seiner vormaligen Dienstherren, Ferdinands I. als kaiserlichem Statthalter in Württemberg (1522-1534) und des bayerischen Herzogs Ludwig X. (15161545),29 zu nehmen. Für Schertlin fielen damit jedoch nicht nur außerreligiöse Argumente weg, die gegenüber der Glaubensneuerung Skepsis zu befördern vermochten. Gleichzeitig gingen sowohl Schertlins persönliche Entscheidung als auch die Einführung der Reformation in seiner Herrschaft Burtenbach 30 mit politischen Vorteilen einher: Seit 1530 übte Sebastian Schertlin das Amt des Augsburger Stadthauptmanns aus.31 Konfessionelle Übereinstimmung mit dem evangelischen Rat der Stadt mochte dabei angesichts der sich verschärfenden konfessionellen Polarisierung immer weniger verzichtbar erscheinen, 32 denn politische Ziele - und damit defen26
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Zur Genealogie der Schertlin Hänlein, Vorfahren; Nebinger, Schertel. - Sebastian Schertlins 1518 geehelichte Frau, Barbara Send, entstammte ebensowenig dem Adel (so jedoch noch Blendinger, Schertlin, S. 198), sondern war Tochter des Konstanzer Zunftmeisters Ulrich Send (Kreuzer/Gruber, Schertlin, S. 109f.). Haemmerle, Canoniker. Die Mitgliedschaft nichtadliger Geistlicher in den Domkapiteln war nicht grundsätzlich ausgeschlossen, solange sie promoviert waren (Schmidlin, Zustände, S. 33, sowie insbesondere Leuze, Domkapitel, S. 3-5). Immer wieder profilierten sich einzelne hervorragende Beamte der geistlichen Verwaltung etwa als Weihbischöfe oder Generalvikare, die auf diese Weise Zugang zum Domkapitel erhielten, jedoch niemals dynastische Vorrechte daraus ableiten konnten, so etwa in Augsburg Sebastian Breuning (Weihbischof 1586-1618), Peter Wall (Generalvikar/Weihbischof 1617/18-1629/30), Sebastian Müller (Weihbischof 15841644), Kaspar Zeiller (Generalvikar/Weihbischof 1630/45-1674/80); Rummel, Bischöfe, S. 71-74). Entsprechendes gilt auch für den Großonkel Heinrich des Sebastian Schertlin, der zwischen 1487 und 1511 Weihbischof in Speyer war (Hänlein, Vorfahren, S. 154f.). Zwischen 1601 und 1803 kann kein Schertlin als Domherr in einem der Bistümer des Reichs mehr nachgewiesen werden (Hersche, Domkapitel, Bd. 1, S. 272). Rexroth, Schertlin, S. 33; W. Gruber, Schertlin, S. 12. Beides mußte zeitlich nicht notwendigerweise zusammenfallen, wie der Blick auf die Besserer-Herrschaft Unterrohr zeigt, wo die persönlich seit langem prononciert evangelischen Ulmer Ortsherren erst spät (1563) die Reformation einführten (vgl. Kap. Β. I. 2.3.3). Die Erwerbung Burtenbachs, das der Reichsstadt nicht allzu fern lag, geschah aufgrund der Annahme dieses Dienstverhältnisses (vgl. Kap. Β. I. 4.1). Freilich hatte Schertlin, auch als er wenigstens formal noch Katholik war, die reformatorische Politik der Reichsstadt „militärisch gedeckt" (Blendinger, Schertlin, S. 209). Immerhin aber hielt er es 1537 noch für angebracht, gegenüber Herzog Wilhelm IV. von Bayern
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sive wie offensive militärische Konzepte - waren von der konfessionellen Ausrichtung der Stadt immer weniger zu trennen. Die Konversion Schertlins sicherte dabei zuallererst das gegenseitige Vertrauensverhältnis und eröffnete dem Stadthauptmann darüber hinaus Möglichkeiten, sich als politischer Stratege der Reichsstadt zu profilieren. Denn nachdem der Weg der militärischen Auseinandersetzung einmal beschritten war, sah Schertlin seine Aufgabe keineswegs auf die bloße Exekution militärischer Aufträge seiner Dienstherren beschränkt. Zu Beginn des Schmalkaldischen Krieges hielt der Rat der Stadt endlich die Gelegenheit für gekommen, benachbartes Gebiet als reichsstädtisches Territorium zu erwerben.33 Hier, in der hochstiftischen Straßvogtei34 im Süden und im Hochstiftsgebiet und der (wenigstens östlichen) Markgrafschaft Burgau im Westen Augsburgs besaß die Reichsstadt eine traditionelle Einfluß- und Interessensphäre.35 Daß dem Erfolg der Waffen der Export des evangelischen Bekenntnisses durch die Reichsstadt zu folgen habe, um eine politische Herrschaftsbildung zu befördern - Heinrich Lutz bezeichnet diese Strategie der Reichsstadt als „systematische Okkupations- und Säkularisationspolitik" (nicht etwa als „Reformationspolitik"!) -, 3 6 wurde nun von Sebastian Schertlin deutlich erkannt und konsequent umgesetzt: Als Befehlshaber über das gesamte Fußvolk der oberdeutschen Städte im Schmalkaldischen Bund hatte Schertlin mit seinem Zug gegen Füssen, wo sich die kaiserlichen Musterungsplätze befanden, 1546 Juli 5 den Krieg eröffnet und Juli 9 das hochstiftische Füssen kampflos eingenommen. 37 Schertlin bewegte sich
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(1508-1550) vorsorglich jede Beteiligung am „Augsburger Bildersturm" von sich zu weisen (Zoepfl, Bischöfe, S. 117). Derartiger Rücksichtnahmen war Schertlin später überhoben. Während bedeutende Reichsstädte wie Ulm und Nürnberg über ein großes Territorium verfügten, stand die territoriale Ausstattung Augsburgs in einem eklatanten Mißverhältnis zu seiner wirtschaftlichen und politischen Bedeutung: Abgesehen von dem mittelbar beherrschten Besitz seiner Bürger, Klöster und Stiftungen, blieb Augsburg trotz seiner Bemühungen, zunächst mit Hilfe des Pfahlbürgerrechtes und später des gezielten Besitzerwerbs im Umland der Stadt seine Machtposition zu erweitern, praktisch eine Reichsstadt ohne eigenes Territorium (D. Schröder, Augsburg, S. 168-170; Lutz, Augsburg, S. 413). Zur Straßvogtei A. Schröder, Straßvogtei; Jahn, Augsburg-Land, S. 43-54. Hinzu kam noch das sich nördlich der Stadt anschließende, ebenfalls von hochstiftischen Herrschaftsrechten durchsetzte Gebiet der unteren Landvogtei (D. Schröder, Augsburg, S. 168-170; Jahn, Augsburg-Land, S. 55-63). Vgl. dazu besonders die zahlreichen Arbeiten von Kießling, Besitz; ders., Grundherren; ders., Umlandpolitik; ders., Günzburg, S. 10-15; ders., Musculus, S. 149, 153. Lutz, Augsburg, S. 427. Zwar konnten die kaiserlichen Truppen seinem Angriff ausweichen, doch gelang es Schertlin, durch die Besetzung der strategisch bedeutsamen Ehrenberger Klause (Lindgren, Alpenübergänge, S. 145f.) Kaiser Karl V. (1519-1556) vom Nachschub aus Italien abzuschneiden. 1546 September 5 wurde die Ehrenberger Klause dann von Tirol aus zurückerobert (Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 440). - Zur unmittelbaren Vorgeschichte und zum Verlauf des Schmalkaldischen Krieges in Oberdeutschland, besonders im Hochstift und Bistum Augsburg Blendinger, Schertlin, S. 209-214; Zoepfl, Bischöfe, S. 208-215; knapp zusammenfassend Lutz/Ziegler, Zeitalter, S. 367f.
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Fallstudien
damit gleich zu Anfang wie auch wenige Tage später, als er seine Truppen wieder nach Norden an die Donau (nach Günzburg) führte, in hochstiftischem und dann auch burgauischem Gebiet. Die militärische Strategie der Schmalkaldener ließ sich auf diese Weise mit den territorialen Aspirationen verbinden, denen die Reichsstadt durch einen gleichzeitigen ,„Export' der Reformation" 38 näherkommen wollte: Unmittelbar nach der Einnahme von Füssen ergriff Sebastian Schertlin die Initiative zur Einführung der Reformation in der Stadt, suchte in Augsburg um einen Prädikanten nach und erhielt daraufhin Johann Flinner, der seit 1540 bei Hl. Kreuz gewirkt hatte. Dessen Vorhaben, die Augsburger Kirchenordnung auch in Füssen zu etablieren, stellte der Rat jedoch aufgrund der Kriegswirren noch zurück. 39 Noch deutlicher wird die politische, nicht allein also religiöse Motivation dieser reformatorischen Initiativen in der Besetzung der Stifte Wettenhausen und Edelstetten in der Markgrafschaft Burgau. Denn als Argument führte Schertlin, der den Rat hierzu mehrfach, erstmals 1546 Juli 30, aufforderte, 40 die vorangegangene Annexion von Elchingen, Roggenburg und Ursberg durch die Reichsstadt Ulm an, die über diese Klöster die Schirmvogtei ausübte.41 Augsburg solle mit der Einnahme von Wettenhausen und Edelstetten einer weiteren Expansion Ulms zuvorkommen. 42 Die Einführung der Reformation in die okkupierten bzw. zu okkupierenden Gebiete begriff Schertlin dabei dezidiert als Instrument der Politik, gerade auch in Konkurrenz mit dem Vorgehen Ulms. Der Ulmer Rat habe es mit der Entsendung seines Prädikanten Martin Frecht ghen Tillingen vnnd jnn andere ort vorgemacht: Allso muessen E.F. auch thun, denn - und damit bezieht Schertlin auch die erwartete Sympathie der Bevölkerung für die Reformation in das politische Kalkül mit ein - So werden sie bey dem gemeinen mann grossen gunst vnnd zufall erlangen vnd inen dadurch mit der zeit die gantz landschafft
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Kießling, Reformationszeit, S. 36. Roth, Füssen; Kießling, Musculus, S. 150f. - Die Vermutung, die Reformation habe bei ,der' Bevölkerung in Füssen positive Aufnahme gefunden (Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 390), beruht übrigens ausschließlich auf der Darstellung Schertlins in seinem Schreiben an die Reichsstadt 1546 Juli 10 (Herberger, Schertlin, Nr. III, 13). Herberger, Schertlin, Nr. III, S. 27, wiederholt 1546 August 19, 20 und 21 (Nr. III, S. 44f.). Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 395 und 421 Anm. 49; vgl. Kießling, Reformationszeit, S. 36f. - Umgekehrt hatte sich Ulm zur Einnahme dieser Klöster veranlaßt gesehen, weil es fürchtete, Augsburg bzw. Schertlin könnte hier schneller sein (Groll, Roggenburg, S. 15; vgl. Kap. Β. I. 1. Anm. 76, Kap. Β. I. 2. Anm. 31). Das ebenfalls besetzte Zisterzienserinnenkloster Oberschönenfeld lag dagegen außerhalb jeder Konkurrenz mit Ulm ohnehin im näheren Augsburger Einflußbereich (Kießling, Zentralität, S. 190f.). Wie Ulm die Schirmvogtei als juristischen Ansatzpunkt - oder Vorwand - der Annexion zu nutzen war Augsburg nicht möglich. Die Vogtei über Wettenhausen übte seit 1531 der Bischof von Augsburg (StAA, Kl. Wettenhausen, Akten 27 (Schutz und Schirm des Hochstiftes Augsburg für das Kloster 1531-1587); vgl. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 503f.), Edelstetten bestimmte seit 1460 für jeweils sechs Jahre seine Schirmvögte aus dem benachbarten reichsritterschaftlichen Adel (S. 158).
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anebinden,43 Der Augsburger Rat folgte der Konzeption Schertlins und beauftragte einerseits mit Dr. Nicolaus Mair 44 einen Juristen mit der ,weltlichen' Inbesitznahme der Stifte (wie auch des Klosters Oberschönenfeld), andererseits mit W o l f g a n g Musculus und Hans Heinrich Held in Wettenhausen und Edelstetten zwei Prädikanten der Reichsstadt mit der g e i s t l i c h e n ' Besitzergreifung durch ihre reformatorische Predigt. 45 Es ist wichtig hervorzuheben, daß es also zunächst Sebastian Schertlin war, der im zitierten Schreiben mit der V e r k n ü p f u n g territorialpolitischer Ziele und konfessioneller Einflußnahme 4 6 eine Perspektive fur die reichsstädtische Politik formulierte und erschloß, die sich nur dem Protestanten Schertlin eröffnen konnte. Der Politik einer Integration von Reformation und Herrschaftsbildung folgte Sebastian Schertlin nicht nur als Stadthauptmann ftir einen fremden Herren, sondern auch als Ortsherr seiner eigenen Herrschaft Burtenbach. Unter den Bedingungen des Schmalkaldischen Krieges konnte er diese Politik zunächst expansiv verfolgen, daneben und später diente sie ihm als Möglichkeit der Intensivierung seiner Herrschaft nach innen, mithin zur Konfessionalisierung. Im Sommer 1546, kurz vor der Annexion der Stifte Wettenhausen und Edelstetten durch Augsburg, hatte Schertlin die drei am westlichen Rand des Mindeltales in unmittelbarer Nachbarschaft Burtenbachs gelegenen Dörfer Schönenberg, Kemnat - sie gehörten dem Propst von Wettenhausen - und Hagenried im Besitz des Propstes von Hl. Kreuz in Augsburg - eingenommen. Die Begründung gab ihm sein reformatorischer Eifer an die Hand: Die beiden Pröpste hätten ihre Untertanen durch eine Geldbuße am Besuch der evangelischen Predigt in Burtenbach gehindert. Von den Untertanen ließ er sich - und nicht etwa der Reichsstadt Augsburg - daraufhin den Treueid schwören und nahm noch im selben Jahr Zinsen und Gülten aus den drei Dörfern ein. 47 Damit hatte Sebastian Schertlin seine eigenen territorialen Ambitionen offenbart, als deren Ansatzpunkt oder Legitimation der reformatorische Impetus fungierte. Es gibt Hinweise, daß man in Ulm den Aufstiegswillen Schertlins als Inhaber der Herrschaft Burtenbach bereits vor dieser Zeit a u f m e r k s a m und mit Sorge beobachtete, da man schon das westlich von Burtenbach verlaufende Kammeltal der eigenen Einflußsphäre zurechnen konnte. 4 8 Vermutlich aus diesem Grund hatte Ulm noch auf dem W o r m -
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Herberger, Schertlin, Nr. III, S. 45; Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 395. Zu ihm Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 224-226; Sieh-Burens, Verflechtung, S. 160f. Zu ihrem Aufenthalt, Wirken und Erfolg Kap. Β. I. 1.2. Kießling, Musculus, S. 133. Schönhuth, Leben, S. 38; Gaese, Schertlin, S. 80. - Die drei Dörfer konnte Schertlin nicht dauerhaft halten; sie waren nur wenige Monate in seinem Besitz (A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 321 f.; W. Gruber, Schertlin, S. 43). Hier befand sich etwa auch die Besserer-Herrschaft Unterrohr (Kap. Β. I. 2.1).
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ser Bundestag der Schmalkaldener im April 1546 eine Aufnahme Sebastian Schertlins zu verhindern gesucht. 49 In diesem Zusammenhang kann nun auch Schertlins wiederholtes Drängen auf die Einnahme der Stifte Wettenhausen und Edelstetten in neuem Licht interpretiert werden, denn das Vorgehen Augsburgs lag hier auch, vielleicht sogar zuerst im Interesse Schertlins als Ortsherr von Burtenbach. Kommt man mit Rolf Kießling darin überein, sowohl aufgrund des reichsstädtischen Bürger- und Stiftungsbesitzes wie auch der jeweiligen wirtschaftlichen Verflechtungen die „nahezu lineare Grenze zwischen dem Ulmer und Augsburger Einflußraum" im Höhenrücken zwischen Kammel- und Mindeltal auszumachen, 50 dann verlangt die Politik der beiden Reichsstädte gegenüber den Klöstern Ursberg, Wettenhausen und Edelstetten nach einer Erklärung. Denn während die Klöster Roggenburg einerseits und Oberschönenfeld andererseits schon aufgrund ihrer größeren geographischen Nähe eindeutig dem Ulmer bzw. Augsburger Glacis zuzurechnen sind, folgt die Okkupation der drei übrigen Klöster nicht der bezeichneten Grenzziehung der reichsstädtischen Einflußräume: Das im Mindeltal gelegene Ursberg wäre demnach dem Augsburger, Wettenhausen 51 und Edelstetten im Kammeltal dagegen dem Ulmer Bereich zuzuordnen. - Bei der Einnahme und Reformation des Prämonstratenserklosters Ursbergs konnte sich Ulm ebenso wie im Falle Roggenburgs immerhin auf seine Schutz- und Schirmrechte berufen. Die geographische Inkonsequenz der Annexion wird hier also durch eine innere, juristische Konsequenz verständlich. Augsburg dagegen besaß weder über Wettenhausen noch Edelstetten vogteiliche Rechte. Sein Vorgehen war, der juristischen Verbrämung entkleidet, als Expansionspolitik deutlich erkennbar. Zwar zielten die wirtschaftlichen, aber auch herrschaftlichen Ambitionen beider Reichsstädte traditionell auf das Gebiet der Markgrafschaft Burgau. Von daher erscheint die Besetzung der klösterlichen Territorien konsequent und geschah letztlich im Interesse der reichsstädtischen Umland- und Territorialpolitik. Aber auch wenn das Ausgreifen Augsburgs in einen Raum, „der traditionell eher zum Ulmer Umland tendierte", im nachhinein mit dem größeren Gewicht der Stadt erklärt werden kann,52 bleibt dennoch die Frage, wieso es dann noch über einen Monat dauerte, ehe Augsburg mit der Einnahme von Wettenhausen und Edelstetten - 1546 September 1 - 5 3 dem Beispiel Ulms folgte, das mit der Besetzung Roggenburgs und vor allem Ursbergs bereits im Juli 1546 vorangegangen war.54 49
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Auch Gaese, Schertlin, S. 79, betrachtet „Expansionsgelüste" Schertlins als Ursache fur die ablehnende Haltung Ulms. Kießling, Günzburg, S. 12f.; zum Ulmer Einflußbereich ders., Umlandpolitik, S. 130. Zumal die Reichsstadt Ulm über Wettenhausen zwischen 1469 und 1531 die Schirmherrschaft innehatte (A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 503f.). Kießling, Musculus, S. 153. Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 399. Der Beschluß des Rates datiert von 1546 Juli 15 (Groll, Roggenburg, S. 14), die förmliche Inbesitznahme Ursbergs erfolgte 1546 Juli 27 (Lohmüller, Ursberg, S. 71).
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Der Blick auf die unmittelbare Vorgeschichte der jeweiligen Annexionen bringt nun einen überraschenden Befund zu Tage, der ein Schlaglicht auf die Bedeutung Schertlins und seiner eigenen Ambitionen wirft und eine mögliche Erklärung für die Ungereimtheiten der reichsstädtischen Annexionspolitik darstellt: Selbst der Vorgang Ulms bei der Besetzung der Prämonstratenserklöster Roggenburg und Ursberg ist nicht Beweis für eine initiativenstarke und offensive Politik Ulms, sondern war vielmehr eine Reaktion auf das Gerücht, Schertlin könnte der Stadt dabei zuvorkommen. 55 Dieser aber nutzte umgekehrt die erfolgte Einnahme der Prämonstratenserklöster, um den Augsburger Rat in insgesamt drei Schreiben - Juli 30, August 19 und August 20/21 - 5 6 seinerseits zur Einnahme Wettenhausens und Edelstettens geradezu zu drängen. Im letzten dieser Schreiben entwirft Schertlin eine noch weitergehende territorialpolitische Perspektive: Der Stadthauptmann rät der Reichsstadt, den stifft Augspurg vonn Fiessen herabe, bis auf die Ginss [Günz] vnnd marggrafschajft Burgaw einzunehmen, 57 nun also weit in den Ulmer Einflußbereich vorzustoßen. Möglicherweise war dem Augsburger Rat die Brisanz einer Expansion in die Ulmer Interessenssphäre durchaus bewußt. Jedenfalls würde dies auch sein Zögern bei der Einnahme der beiden Stifte erklären. Das weitergehende territorialpolitische Ziel Schertlins wurde ohnedies nicht mehr in Angriff genommen. Ein persönliches Interesse Schertlins an einer expansiven Politik Augsburgs, gerade auch kurz nach seiner Inbesitznahme der Dörfer Schönenberg, Kemnat und Hagenried, liegt auf der Hand: Die Stifte Wettenhausen und Edelstetten und deren Dörfer lagen in unmittelbarer Nachbarschaft im Nordwesten bzw. Südwesten Burtenbachs. Mit ihrer Annexion durch Augsburg war zum einen Einfluß und Konkurrenz Ulms im Westen der Schertlin-Herrschaft ausgeschaltet, zum anderen eröffnete sich für den Augsburger Stadthauptmann im Falle eines günstigen Kriegsverlaufes die Aussicht, mit weiteren Stücken aus dem mittlerweile reichsstädtischen Besitz der benachbarten Stifte für seine Leistungen entlohnt zu werden und so seine eigene Herrschaft territorial weiter ausbauen zu können. Unabhängig von den Möglichkeiten der territorialen Expansion, die er in der ersten Phase des Schmalkaldischen Krieges für sich erkannte, strebte Schertlin die Arrondierung und Konsolidierung seiner Herrschaftsrechte nach innen an. Auch dabei eröffnete ihm der konfessionelle Wechsel zusätzliche Vorteile. Sofort nach Erwerb Burtenbachs, vielmehr seines größten Teiles, von Ulrich IV. Burggraf war Schertlin darangegangen, weiteren Grundbesitz zu erwerben und Burtenbach zu einer geschlossenen Ortsherrschaft auszubauen. 58 1546, während des Schmalkal55 56 57
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Groll, Roggenburg, S. 15. Herberger, Schertlin, Nr. III, S. 27, 44, 45. Herberger, Schertlin, Nr. III, S. 45. Die Formulierung ist so zu verstehen, daß Schertlin zur vollständigen Einnahme des Hochstiftsgebietes sowie zur Besetzung der Markgrafschaft bis zur Günz rät. Vgl. Kap. Β. 1.4.1.
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Fallstudien
dischen Krieges, hatte er im Ort alle dess capittels vnnd andrer pfaffen gueter eingenomen vnd diss jars genossen.59 Einige Zeit später formulierte und erließ Schertlin dann eine Dorfordnung, in der Georg Kreuzer die „Tendenz zur Überwachung durch die Obrigkeit [...] stärker verankert" sieht als in anderen bislang bekannten schwäbischen Gerichtsordnungen. 60 Die Reformation bot dem Ortsherrn nun eine zusätzliche Möglichkeit herrschaftlichen Zugriffs, den katholische Herren vorderhand nicht besaßen. Die Bemühungen Schertlins um einen inneren wie äußeren Herrschaftsausbau in Burtenbach korrespondieren mit einem aus der bürgerlichen Herkunft erklärbaren ausgeprägten Streben nach aristokratischer Profilierung, das sich - neben dem Rekurs auf die Memoria der Nachwelt in der literarischen61 und bildlichen 62 Selbstdarstellung und -Stilisierung - in der Bautätigkeit, besonders dem Schloßbau,63 ebenso niederschlug wie in der Jagd.64 Gerade die Hohe Jagd aber, die wiederholt Anlaß zum Konflikt mit der Markgrafschaft Burgau gab, besaß dabei nicht nur große Bedeutung für adliges Selbstbewußtsein und aristokratisches Sozialprestige, sondern galt und fungierte bisweilen als Bestandteil und wichtiges Indiz landeshoheitlicher Rechte.65 Nicht anders verhielt es sich mit dem Ius reformandi. Wer es erfolgreich durchzusetzen vermochte, machte zum einen Herrschaft manifest und signalisierte auf diese Weise seine landeshoheitliche Unabhängigkeit, zum anderen wuchsen ihm aus dem Vollzug der Reformation vor allem durch die Säkularisation des Kirchengutes neue obrigkeitliche Kompeten-
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Schönhuth, Leben, S. 38. Vgl. die Edition der Dorfordnung bei Kreuzer, Statuten. - Die Ordnung wurde erst nach der Reformation Burtenbachs erlassen. Eine Passage ordnet ausdrücklich den Besuch der Predigt und des nachmittäglichen Katechismusunterrichtes an Sonntagen bei Strafe an (S. 99f.). Vgl. die Autobiographie Sebastian Schertlins und ihre zahlreichen Editionen seit dem 17. Jahrhundert (Kap. Β. I. 4. Anm. 13). Madel-Böhringer, Darstellung. W. Gruber, Schertlin, S. 22-28. - Besonders über die zum Bau geforderten Frondienste kam es - anders als es das positive Bild Schertlins bei Walter Gruber (S. 22, 24) glauben macht zu erheblichen, auch blutigen Auseinandersetzungen mit den Burtenbacher Untertanen (TLA, HR, Sei. Ferd., 1579 Januar bis August, passim; vgl. Kap. Β. I. 4.6). Mit den benachbarten Vöhlin, besonders aber mit Hans Adam vom Stein zu Jettingen kam es wiederholt zu Konflikten um die räumliche Ausdehnung der jeweiligen Jagdgerechtigkeiten (Rexroth, Schertlin, S. 46-48, 56-60, 225f„ 315f. (Anhang V); Färber, Burgau, S. 210-213, 217f.; Brüderlein, Burtenbach, S. 20, 23; Wunder, Schertlin, S. 67f.). Vgl. für die Nachfolger Sebastian Schertlins die im burgauischen Altrepertorium (StAA, VÖ und Burgau, Lit. 100) verzeichneten, aber nicht erhaltenen vier Faszikel zu Auseinandersetzungen um Schertlins Jagdlehen. - Auch in der 1557 von Sebastian Schertlin für seinen ältesten Sohn Hans Sebastian d.Ä. (1523-1596) erworbenen Herrschaft Hohenburg-Bissingen im Ries focht Schertlin Konflikte um die Hohe Jagd, dort mit Graf Ludwig von OettingenOettingen, aus (Schunka, Wissen, S. 52, 62f.; ders., Schertlin, S. 239f.). Schunka, Wissen, S. 113-116.
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zen und zumeist wirtschaftliche Vorteile zu. 66 Wie sich konkret dieser als lutherische Konfessionalisierung zu fassende Prozeß in Burtenbach selbst abgespielt hat, ist bislang - im Gegensatz zu der gut aufgearbeiteten Reformationsgeschichte im engeren Sinne - nicht systematisch erforscht und kann nicht Gegenstand dieser Arbeit sein.
4.3
Burtenbach während Flucht und Ächtung Sebastian Schertlins (1547-1553)
Eine erste und aussichtsreiche Gelegenheit zur Rekatholisierung Burtenbachs bot sich bereits vor dem im Rahmen dieser Arbeit thematisierten zeitlichen Zusammenhang: N o c h vor der entscheidenden Niederlage des sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich (1532-1547, bis 1554 nurmehr Herzog) in der Schlacht von Mühlberg (1547 April 24) hatten die südwestdeutschen Verbündeten im Schmalkaldischen Bund kapituliert. 1546 Dezember 23 hatte sich die Reichsstadt Ulm unterworfen, 6 7 1547 Januar 29 schließlich auch Augsburg. 6 8 Die ursprüngliche Forderung nach Auslieferung Sebastian Schertlins ließ der Kaiser wieder fallen, doch mußte der Stadthauptmann abgeschoben werden. 6 9 Er verließ die Stadt am Tag ihrer Unterwerfung und floh nach Lindau (1547 Januar 31 ),70 von dort nach Konstanz (1547 Februar 2) 7 ' und Basel (1547 N o v e m b e r 24). 72 1548 April Γ 3 trat er in die Dienste des französischen Königs Heinrich II. (1547-1559), vermittelte dessen Bündnis mit Herzog Moritz von Sachsen (1541-1553, Kurfürst seit 1547) und beteiligte sich an der Belagerung von Metz (1552). 7 4 1548 August 3 verhängte der Kaiser die Reichsacht über Schertlin, die er knapp fünf Jahre später (1553 Juni 18)75 wieder aufhob. Vor seinem W e g g a n g aus Augsburg hatte Schertlin mit der Stadt einen Vertrag geschlossen, wonach diese „gegen eine noch zu bestimmende K a u f s u m m e die Herrschaft Burtenbach auf so lange übernahm, bis er oder seine Erben wieder
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Zusammenfassend fiir die evangelischen Landesfürsten Stievermann, Territorien, S. 49f.. 58-60. Biberach, Memmingen, Kempten, Ravensburg und Isny, wenig später auch Lindau folgten dem Beispiel Ulms (Specker, Ulm, S. 132). - 1547 Januar 12 unterwarf sich Herzog Ulrich von Württemberg (Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 464). Dazu und zum Folgenden ausführlich Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 465-482. Schönhuth, Leben, S. 62. Schönhuth, Leben, S. 63. Schönhuth, Leben, S. 64. Schönhuth, Leben, S. 70; vgl. Thommen, Schertlin; Burckhardt, Basel, S. 90-99. Schönhuth, Leben, S. 71. - Brüderlein, Burtenbach, S. 21, nennt fälschlich 1551 April 1 als Datum, wodurch dann die kaiserliche Achterklärung freilich weniger begründet und legitimiert erscheint. Zu den Einzelheiten vgl. Kap. Β. I. 4. Anm. 13. Vgl. Kap. Β. I. 4.5.2.
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gefahrlos dahin zurückkehren könnten". 76 Die Abmachung schien jedoch aus Sicht der Lehensherrn in Burtenbach ohne Belang zu sein, denn infolge der später über Schertlin verhängten Reichsacht wurden seine Güter dort konfisziert und neu ausgegeben. König Ferdinand I. (1531-1564), Erzherzog von Tirol (1521-1564), zog die burgauischen Lehen und Schertlins Eigengüter ein und belehnte damit zum Teil die Reichsstadt Augsburg, zum Teil seinen Rat, Jakob Tübinger, während die bayerischen Lehen an den wittelsbachischen Agenten Bonacurs von Grim vergeben wurden. 77 Während des Fürstenaufstandes war Burtenbach für kurze Zeit von der Reiterei Jakobs von der Schulenburg 78 eingenommen worden, der die Untertanen wieder zu Schertlin schwören ließ, doch restituierten die kurz darauf einfallenden Kaiserlichen Bonacurs von Grim erneut.79 Nachdem sich der Kaiser schließlich mit Schertlin ausgesöhnt hatte, wurde er noch 1553 in seine vormaligen Besitzungen eingeführt. 80 Flucht bzw. Ächtung und Restitution Schertlins hatten konfessionelle Konsequenzen. Der erste evangelische Prädikant in Burtenbach scheint den Marktflecken etwa um die Zeit verlassen zu haben, als auch Schertlin Augsburg verließ.81 Erst nach dessen Rehabilitation und Rückkehr amtete mit Konrad Kircher - er war vormals im Ulmer Landgebiet tätig - wieder ein evangelischer Prädikant im Ort (1553-1562). 82 Für rund sechseinhalb Jahre - abgesehen von dem Intermezzo im Jahre 1552 von Anfang 1547 bis Mitte 1553 - war damit erneut die katholische Religion in Burtenbach aufgerichtet. 83 76 77
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83
Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 469; vgl. Schönhuth, Leben, S. 63. So faßt Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 839, prägnant und übersichtlich die komplizierten Vorgänge mit Bezug auf archivalische Quellen zusammen; vgl. Färber, Burgau, IX, S. 215f. Zu Jakob Tübinger Färber, Burgau, S. 117-140. Tübinger war „sozusagen der Verbindungsmann der Markgrafschaft und der Regierung in Innsbruck zur Zeit der augsburgischen Pfandschaft" (S. 117). Zu Bonacurs von Grim Riezler, Geschichte, S. 241 Anm. 3; Kohler, Politik, S. 87 Anm. 46. - Bonacurs kam bei der Belagerung von Metz ums Leben - der teufel hol jne, notierte Schertlin (Schönhuth, Leben, S. 81). Der Vetter des Bonacurs beerbte ihn in Burtenbach (Schönhuth, Leben, S. 106). Vgl. ohne konkrete Erwähnung Burtenbachs Radlkofer, Zug, S. 164, 186. Schönhuth, Leben, S. 80f. Schönhuth, Leben, S. 106. Nebinger, Burtenbach, S. 23. Nebinger, Burtenbach, S. 23. - Die Regierung in Innsbruck hatte spätestens im Sommer 1554 Kenntnis erhalten, das herr Sebastian Schertlin zu Purtenbach, Ritter, den Pfarrer daselbst zu Purtenbach verjagt, desselben schulden einziehen, die heilig Mesß abgethan vnnd ainen Luterischen Predicanten daselbst hin geen Purtenbach gesezt haben sol (StAA, VÖ, Lit. 647, 1554 Juli 14, fol. 130v). M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 795, nennt im Jahre 1550 Christoph Gessel als Pfarrer in Burtenbach, der gleichzeitig Inhaber der Frühmeßpfründe war. - Vgl. die Zusammenfassung der konfessionellen Wechsel bis zu diesem Zeitpunkt in einem Gutachten der burgauischen Amtleute an die Regierung in Innsbruck: Die Religion hat der Schertlen im oder vor dem Schmackhaldischen [!] Krieg geendert. Dazumal fur sein gewalt niemandt köndt, Bis weilund Kayser Carol [...] obgesiget. Darnach haben Ir Kay.Mt. etc. Burttenbach dem Bona Kursch eingeben, ist es wider Catholisch worden vnd im Sächsischen Krieg,
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Burtenbach
4.4
Die österreichische Konfessionspolitik in Burtenbach
Die Restitution Schertlins bedeutete fur Burtenbach abermals eine konfessionelle Wende. Damit einher gingen nunmehr noch verstärkt die - erfolgreichen - Bemühungen um eine Arrondierung von Herrschaftsrechten und Besitz zur geschlossenen reichsritterschaftlichen Herrschaft. Erneut bestätigt erhielt Schertlin vom Kaiser den Blutbann für Burtenbach. 84 Dennoch akzeptierten die Regenten der Markgrafschaft die damit verbundenen konfessionellen Konsequenzen nicht ohne weiteres: Ferdinand I. (1521-1564), Ferdinand II. (1564-1595), Maximilian III. (1602-1618) und Markgraf Karl von Burgau (1609-1618) überprüften jeweils die rechtlichen Voraussetzungen und Chancen für eine Rekatholisierung des Ortes und waren - auf unterschiedliche Weise - bestrebt, eine Ausweitung der Ansprüche Schertlins auf das Gebiet seiner Ortsherrschaft außer Etters zu verhindern, ja indirekt auch in das religiöse Leben in Burtenbach einzugreifen.
4.4.1
Juristische Argumentationskonzepte und Ansatzpunkte
Als juristischer Ansatzpunkt für eine Veränderung des konfessionellen Status im katholischen Sinne fungierte zunächst die Frage nach der Hochgerichtsbarkeit in der Herrschaft Burtenbach (1). Darauf, ihren Inhalt bzw. ihre Reichweite abzustecken, zielten die in jeder Regentschaft immer neu von den Administrationen in Innsbruck oder Günzburg eingeholten Informationen, häufig verbunden mit der Anforderung eines Gutachtens über die daraus ableitbaren Möglichkeiten der Rekatholisierung (2). Da jedoch der Blutbann Schertlins innerhalb Burtenbachs letztlich nicht ernsthaft in Zweifel zu ziehen war, wurde - besonders unter Markgraf Karl - der systematische Versuch unternommen, einerseits sich aus der Hochgerichtsbarkeit ergebende landeshoheitliche Ansprüche des Ortsherren auf den Bereich inner Etters zu beschränken - etwa die das Ius reformandi indizierende Arbeit der Untertanen an katholischen Feiertagen (3) - und eine vom Burtenbacher Ortsherren angestrebte Expansion seines hochgerichtlichen Zuständigkeitsbereiches - sichtbar gemacht durch die Aufrichtung von Grenzsäulen (4) nicht zu dulden; andererseits wurden neben der Hochgerichtsbarkeit weitere Indizien landeshoheitlicher Gewalt - hohe Jagd und Geleit - bemüht (5), um auch von dieser Seite den landeshoheitlichen Ansprüchen des Ortsherren nicht nachzugeben bzw. die Position Schertlins zu schwächen. - Eine letzte Gelegenheit, die konfessionelle Änderung herbeizuführen, ergab sich schließlich unter den besonderen Rahmenbedingungen des Dreißigjährigen Krieges aus dem Restitutionsedikt (6). Die geringen Chancen einer juristisch begründeten Rekatholisierung Burtenbachs wurden von österreichischer Seite allerdings frühzeitig erkannt. Ein
84
als Bona Kursch vnd andere wider vertriben, Burttenbach die St at Augspurg, bis der Schertlen vsgesönt worden, bekomen, die widerumb die Sectisch Religion halten lassen (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos 132 (1), 1579 Juli 20). Vgl. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos 132 (1), 1582 April 9; Brüderlein, Burtenbach, S. 21 f.
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Fallstudien
alternatives Projekt setzte deshalb - unter Erzherzog Maximilian - auf die Konversion des Ortsherren (Kap. Β. I. 4.4.2). (1) Bereits Ulrich III. Burggraf hatte 1471 Juli 27 den Blutbann inner Etters für Burtenbach verliehen bekommen.85 Mit dem Kauf seines Anteils am Dorf (1532) gelangte auch dieses Recht in die Hand Sebastian Schertlins, dem es von den jeweiligen Kaisern wiederholt bestätigt wurde, ausdrücklich auch bei seiner Restitution 1553.86 Der Blutbann war also ein Lehen des Reiches und nicht der Markgrafschaft Burgau.87 Nach frühneuzeitlichem Rechtsverständnis erloschen Privilegien - und bei der lehensweisen Überlassung des Blutgerichtsregals handelte es sich um ein Privileg - , wenn sie nicht auch wahrgenommen wurden. Dagegen konnte Hans Sebastian Schertlin d.J. (1580-1638) in einer Klage gegen Markgraf Karl 1613 den Nachweis führen, dieses Recht in einer Reihe von Hinrichtungen immer wieder auch tatsächlich ausgeübt zu haben, zwischen 1545 und 1599 in insgesamt 13 Fällen.88 Daß sich das Ius reformandi grundsätzlich auf die Hochgerichtsbarkeit stütze daß, wer die hohe Frayßliche oder Malefizische Ober- vnd Gerichtbarkait hat, [...] demselbigen gleicher gstalt auch die constitutio oder anstellung der Religion gebürte - 89 war prinzipiell die österreichische Rechtsposition in der Markgrafschaft Burgau. In internen Rechtsgutachten zu den Möglichkeiten der Rekatholisierung Lützelburgs diente daher umgekehrt die Reformation in Burtenbach als Bestätigung dieses Prinzips: Erfolgreich sei die Reformation hier deshalb verlaufen, weil in Burtenbach der Ortsherr eben ausnahmsweise und anders als in Lützelburg die Hochgerichtsbarkeit besitze;90 in crafft derselben habe man die Reformation allso nach gesehen und den Inhaber des Ortes dessen berechtigt erachtet.91 Schien von dieser Seite aus die Kirchenhoheit Schertlins also außer Zweifel zu stehen, so konkurrierte das Hochgerichtsprinzip (Kirchenhoheit qua Hochgerichtsbarkeit) andererseits mit der von Österreich aus der Zahlung des Feuerstattguldens von 1492 hergeleiteten Anerkennung einer landesfurstlichen Obrigkeit der Markgrafschaft Burgau. Während die Insassen den Feuerstattgulden als eine Art einmaliger Abfindung Österreichs für landeshoheitliche Rechte interpretier85 86
87 88 89 90
91
Vgl. Kap. Β. I. 4. Anm. 6. Brüderlein, Burtenbach, S. 21 f. - Konfirmationen erfolgten außerdem auch 1577 Juni 4 sowie 1606 April 6 (HHStAW, ÖA, VÖ, K. 10, fol. 406-526, 1613 Oktober 2; vgl. ebenso TLA, HR, Sei. Ferd., Pos 132 (1), 1582 April 9). Explizit: TLA, HR, Sei. Ferd., Pos 132 (1), 1579 Juli 20. HHStAW, ÖA, VÖ, K. 10, fol. 406-526, 1613 Oktober 2. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos 132 (1), 1576 Oktober 18. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos 132 (1), 1576 Oktober 18; 1576 Dezember 1 (Rechtsgutachten Dr. Wendel Arzts an die oberösterreichische Regierung sowie Rechtsgutachten der Regierung an Erzherzog Ferdinand). TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1607 Oktober 25; vgl. ebenso TLA, HR, Sei. Ferd., Pos 132 (1), 1579 M i 14.
Burtenbach
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ten, galt der österreichischen Seite in diametral entgegengesetzter Auffassung die Zahlung als eine Form von Steuer, mithin als Anerkennung eines Landsassiates der Insassen. 92 Es blieb bei der Aporie, daß man auf österreichischer Seite nit aigentlich wußte, wie dise beede, das der Feurstat gulden daruon erlegt worden sein vnd das Sy, die Schertlin, die hoch Obrigkhait vom heiligen Römischen Reich zu Lehen tragen sollen, für ainannder zubringen,9' (2) Voraussetzung fur die Rekatholisierung Burtenbachs war der Aufweis oder auch die Konstruktion eines Rechtsanspruches, der zumindest in Konkurrenz zu dem des Ortsherrn hätte treten können. Es ging darum, sich über die Reichweite der Rechte Schertlins Klarheit zu verschaffen, Informationen zu erhalten, etwa ob nicht doch von der Marggrafschafft Burgaw wegen auch etliche Actus Jurisdictionis, so in der Feurstatt gulden Freyhait vorbehalten vnd außgenomen, neben dem Schertlin, so die hoch Obrigkhait allda hat, vnd in was feilen dasselbig beschehen, Exerciert worden oder nit, auch ob und wie Schertlin möglicherweise in die Auseinandersetzungen der Insassen und Begüterten mit der Markgrafschaft einbezogen war 94 und von daher auch ihren hinsichtlich der Landeshoheit gegenüber der Markgrafschaft generell defizitären Rechtsstatus teilte. Anknüpfungspunkte solcher Art zu erhalten, darauf zielte das wiederholte Anfordern von Informationen und Gutachten ab, die auch deshalb als erster Schritt zu einer Revision des konfessionellen Status in Burtenbach zu werten sind, weil sie ihren Anlaß stets von der Feststellung nahmen, daß in dem Marckht Burtenbach die Lutherische religion [...] publice exerciert werde und der Ortsherr dort einen Sectischen Predicanten halte. 95 An diese sich über Jahrzehnte hinweg immer wieder gleichermaßen überrascht gebende Feststellung 96 knüpfte sich zumeist die Frage an die burgauischen Beamten, warum Schertlin denn die Ennderung der Religion daselbst zu Burtenbach zuegesehen vnd gestattet worden sei. 9 ' Abgesehen von der Zeit der Regentschaft Kaiser Rudolfs II. (1595-1602) über die ober- und vorderösterreichischen Lande ließ - jedenfalls nach Lage der archivalischen Überlieferung - bis in den Dreißigjährigen Krieg hinein jeder der regierenden Markgrafen von Burgau bzw. ihre jeweilige Administration in Innsbruck entsprechende Informationen und Gutachten einholen: Noch zur Zeit, als die Markgrafschaft an das Hochstift Augsburg verpfändet und Schertlin eben von Kaiser Karl in seinem Besitz und seinen Rechten restituiert worden war, wurde
92
Kap. A. 2.
93
S t A A , V Ö , Lit. 6 4 9 , 1579 Juli 14, fol. 397 v ; e b e n s o S t A A , V Ö , Lit. 6 5 3 , 1608 Januar 28, fol. 104 r . S t A A , V Ö , Lit. 6 4 9 , 1579 Juli 14, fol. 397 v .
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T L A , Sammelakten, Reihe B, Abt. X V , Lg. 3, Nr. 2, 1607 Oktober 25. Z.B. S t A A , V Ö , Lit. 6 4 7 , 1554 Juli 14, fol. 130'; S t A A , V Ö , Lit. 6 4 9 , 1579 Juli 14, fol. 397 v ; S t A A , V Ö , Lit. 6 5 3 , 1607 Juli 30, fol. 68 r . S t A A , V Ö . Lit. 6 4 9 , 1579 Juli 14, fol. 3 9 7 \
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Fallstudien
Eberhard von Freiberg 98 im Sommer 1554 von der Innsbrucker Regierung Erzherzog Ferdinands I. (1521/22-1564) um seinen schriftlichen Bericht ersucht." 25 Jahre später - Ferdinand II. (1564-1595) regierte bereits seit 15 Jahren - wurde die Regierung durch einen Aufstand der Untertanen in Burtenbach 100 auch auf die konfessionelle Situation im Ort wieder aufmerksam und forderte erneut Bericht und guetbedunckhen der burgauischen Amtleute an.101 Ebenso tat es 1607 und 1608 - nunmehr wiederholt - die Regierung Erzherzog Maximilians III. (16021609/1618)102 bzw. umgekehrt Markgraf Karl (1609-1618) selbst 1610 bei der oberösterreichischen Regierung. 103 Noch Leopold V. (1619-1632) bat 1624 den burgauischen Advokaten Dr. Christoph Keller von Zinnendorf, die hochgerichtlichen Ansprüche des Ortsherren gegen die Burgaus abzuwägen und, was ain vnd der ander Thail entlich befuegt vnd berechtigt, schrifft- vnd vmbstendigelich zu berichten.104 Berichte und Gutachten brachten, so oft sie auch eingeholt werden mochten, für die Rechtsposition der Markgrafschaft nicht die erhoffte Stärkung. Der Blutbann des Ortsherren inner Etters war nicht hinwegzudiskutieren. Also richteten sich die juristischen Bemühungen einerseits darauf, den Geltungsbereich der Schertlinschen Kirchenhoheit geographisch so eng als möglich zu definieren und einer von Schertlin angestrebten Ausweitung der Ansprüche auf seine Güter außer Etters entgegenzutreten, andererseits darauf, wenigstens die der Markgrafschaft verbliebenen Regalien der Hohen Jagd und des Geleites unnachgiebig zu verteidigen. (3) Erstmals zu einem konfessionell motivierten Zusammenstoß kam es 1613 in der Frage, ob die Untertanen des Hans Sebastian Schertlin d.J. (1580-1638) 105 an katholischerseits gebotenen Feiertagen auf den Feldern oder im Wald außer Etters von Burtenbach arbeiten durften. Grundlegend war die divergierende Auffassung von den räumlichen Grenzen des Schertlinschen Blutbannes. Denn wie sich Ius
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Zu ihm Färber, Burgau, S. 163-170. StAA, VÖ, Lit. 647, 1554 Juli 14, fol. 130v. Vgl. Kap. Β. 1. 4.6. StAA, VÖ, Lit. 649, 1579 Juli 14, fol. 397 v . StAA, VÖ, Lit. 653, 1607 Juli 30, fol. 68 r ; vgl. TLA, GR, K/A, 1607 Juni 27; wiederholt Oktober 11 (teilweise Beantwortung und ausführliches Gutachten: TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1607 Oktober 25; TLA, GR, A/E, 1607 Dezember 24); TLA, GR, K/A, 1608 Januar 14; StAA, VÖ, Lit. 653, 1608 Januar 28, fol. 104r. Vgl. die Antworten Erzherzog Maximilians III. und seiner Regierung auf mehrfache Anfragen: StAA, VÖ, Lit. 653, 1610 September 20, fol. 310 v , bzw. TLA, GR, A/E, 1610 September 20 (der eigentliche Bericht war als Anlage dem Begleitschreiben beigegeben und ist nicht überliefert) sowie TLA, GR, K/A, 1611 Januar 24 und März 18; TLA, GR, A/E, 1611 Februar 28. StAA, VÖ, Lit. 654, 1624 Juli 30, fol. 206 v . Nebinger, Scheitel, S. lOf. - Hans Sebastian Schertlin d.J. war seit 1600 mit Margaretha, der Tochter Konrads von Riedheim zu Angelberg, verheiratet (S. 10).
Burtenbach
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reformandi bzw. Kirchenhoheit innerhalb Burtenbachs aus der hochgerichtlichen Obrigkeit des Ortsherren herleiteten, so mußte umgekehrt die evangelische Religionsübung - hier negativ die Verweigerung der katholischen Feiertagspraxis dort ihr Ende finden, w o nicht mehr Schertlin, sondern die Markgrafschaft vom Leben z u m Tod zu strafen berechtigt war. Während nun der Ortsherr die Ansicht vertrat, auch auf dem fraglichen - seinem - Grund und Boden über die Hochgerichtsbarkeit zu verfugen, 1 0 6 waren dagegen die Beamten Markgraf Karls in Günzburg überzeugt, solche Arbeit w ü r d e In Irer F. G. hochen Obrigkeit gelegenen Veldern verrichtet; die hoche Obrigkeit dagegen stehe dem Schertlin In dem Marckht Burttenbach allein vnd weiters nit zu. 107 Auch durch den Wortlaut der Lehensurkunden konnte der Dissens nicht geklärt werden. 1 0 8 Z u m ersten Mal gingen burgauische Amtleute am Vortag 109 des - konfessionell aufgeladenen - Feiertages Mariä Himmelfahrt, 1613 August 14, gegen Bauern auf den Feldern von Burtenbach vor, die gerade ihren erndtgeschefften nachmittags zwischen zwey vnnd drey vhr hartschaffendt obgelegen, als sie vnfürsehner ding durch vierzig oder mehr Muscetiren vnnd Schüzen sampt anndern bewerten gewalthätig vberfallen, gefängkhlich angenommen vnnd nacher Burgaw sampt Iren pferdten eilendt fortgefiert wurden. Während auf Schertlins vnderthenig rechtmessig anlangen vier Bauern mit ihren Pferden nach einigen Tagen wieder auf freien Fuß gesetzt wurden, verblieb der aine, so ein alter, erlebter, mehr dann Sibenzig Järiger man ist, noch so lange in Gewahrsam, bis er die hohen Haftkosten beglichen hatte. 110 Der Strafaktion vorausgegangen war ein gebott Markgraf Karls, daß die Burtenbacher Untertanen (auf den Feldern und im Wald außerhalb des Marktes) an gewissen tagen khein wenigste hanndt Arbeit [...] thun solten.n 1 Gegen dieses, in seinen Augen anmaßlich gebott hatte sich Hans Sebastian Schertlin verwahrt, gegen das Vorgehen der burgauischen Amtleute notariell Protest einlegen lassen (1613 September 12) und unter Bezugnahme auf die burgauischen Interimsartikel (Artikel 28)' 1 2 vor Kaiser Matthias (1612-1619) Klage
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HHStAW, ÖA, VÖ, K. 10, fol. 406-526, 1613 Oktober 2; wiederholt 1613 November 4 [stilo antiquo?]. 107 HHStAW, ÖA, VÖ, K. 10, fol. 406-526, 1615 August 11; vgl. bereits TLA, HR, Sei. Ferd., Pos 132 (1), 1579 Juli 20. 108 HHStAW, ÖA, VÖ, K. 10, fol. 406-526, 1613 Oktober 2 [stilo antiquo?]. 109 Die Vigil eines höheren Festes wie Mariä Himmelfahrt, das Hauptfest der Marientage, beginnt am Vortag des Festes (WWKL, Bd. VIII, S. 812-814, und WWKL, Bd. XII, S. 951-954). 110 Den Vorgang schildert Hans Sebastian Schertlin in seiner an Kaiser Matthias gerichteten Klage über das Vorgehen Markgraf Karls (HHStAW, ÖA, VÖ, K. 10, fol. 406-526, 1613 Oktober 2 [stilo antiquo?]). Der Darstellung ist von burgauischer Seite nicht widersprochen worden. "' HHStAW, ÖA, VÖ, K. 10, fol. 406-526, 1613 Oktober 2 [stilo antiquo?]. 112 Vgl. den Text der Interimsmittel: TLA, Handschriften, Hs. 5300; P. Blickle/R. Blickle, Schwaben, S. 475-464, Nr. 141 (Edition der perpetuierten Interimsmittel von 1653).
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Fallstudien
erhoben,113 ja Erzherzog Maximilian - der allerdings hielt sich selbst für zuständig und fand, das dise sach für mich gehörig - um Unterstützung seiner Klage beim Kaiser ersucht.114 Auch die Schwäbische Reichsritterschaft des Kantons Donau wandte sich zur Unterstützung Schertlins an Kaiser Matthias115 und Erzherzog Maximilian116. Dennoch kam es auch in den folgenden Jahren erneut zu vergleichbaren Vorgängen: auf jeden Fall 1614 an St. Georg (23. April) sowie Philippus und Jacobus (3. Mai)117 und 1615 erneut an der Vigil zu Mariä Himmelfahrt." 8 Markgraf Karl ließ sich dabei auch durch die nunmehr häufiger werdenden Mahnungen aus Innsbruck bzw. Wien" 9 keineswegs zur Zurückhaltung bewegen, sondern gab seinen Amtleuten weiterhin entsprechende Anordnungen. 120 Auch nach dem Tod Markgraf Karls und bereits nach Antritt Leopolds V. (16191632) als Regent setzten die burgauischen Beamten diese Politik buchstäblich auf eigene Faust fort, wenigstens 1619 an Laurentius (10. August)121 und noch 1624 an Maria Magdalena (Juli 22).122 Die Regierung Leopolds mahnte erneut zur Zurückhaltung und leitete schließlich 1624 einen Vergleich mit Schertlin in die Wege.123 Danach kam es offenbar nicht mehr zu neuen Auseinandersetzungen. Die Konflikte um die Feld- bzw. Feiertagsarbeit spielten sich sämtlich nach einem charakteristischen Muster ab, stets zur Zeit der Ernte im August oder der Aussaat im Frühjahr: Zuerst ließ die burgauische Administration ein Verbot der Feld- und Waldarbeit an Feiertagen ergehen und dem Burtenbacher Ortsherren zur Publikation kommunizieren, das dieser als Anmaßung begriff 124 bzw. begreifen mußte, wenn er ein Recht der Markgrafschaft Burgau auf Gebot und Verbot in
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HHStAW, ÖA, VÖ, K. 10, fol. 406-526, 1613 Oktober 2 [stilo antiquo?]; nach einem ähnlichen Vorgang nochmals in verschärfter Form 1615 August 21 [stilo antiquo?] (HHStAW, ÖA, VÖ, K. 10, fol. 406-526): Schertlin drohte nun damit, sollte ihm der Kaiser nicht helfen, fiele es ihm vast vnmöglich, die gebiirende Lehendienst vnd andere gehorsambste Schuldigkeiten [...] weiter zuerschwingen vnd außzurichten, und bat um die Ausfertigung eines Pönalmandates sine clausula gegen Markgraf Karl. HHStAW, ÖA, VÖ, K. 10, fol. 406-526, 1613 Oktober 11. HHStAW, ÖA, VÖ, K. 10, fol. 406-526, 1613 November 29. TLA, GR, A/E, 1614 Februar 5. TLA, GR, A/E, 1614 Mai 7 und 1614 Mai 12. HHStAW, ÖA, VÖ, K. 10, fol. 406-526, 1615 August 21 [stilo antiquo?]. TLA, GR, A/E, 1614 Mai 12; HHStAW, ÖA, VÖ, K. 10, fol. 406-526, 1614 Oktober 1 und 1616 Juni 25. - Vgl. unten zu: Scheitern der Rekatholisierungsversuche Kap. Β. I. 4.5.2. Vgl. HHStAW, ÖA, VÖ, K. 10, fol. 406-526, 1615 August 11. StAA, VÖ, Lit. 653, 1619 August 29, fol. 473 r . StAA, VÖ, Lit. 654, 1624 Juli 27, fol. 205 v . Bereits über die Androhung entsprechenden Vorgehens durch die burgauischen Beamten im Vorfeld klagte Schertlin bei der Innsbrucker Regierung (vgl. StAA, VÖ, Lit. 654, 1624 Juli 12, fol. 20 Γ). StAA, VÖ, Lit. 653, 1619 August 29, fol. 473 r ; StAA, VÖ, Lit. 654, 1624 Juli 12, fol. 201 r ; 1624 Juli 15, fol. 2 0 Γ ; 1624 Juli 27, fol. 205 v ; 1624 Juli 27, fol. 206 r ; 1624 Juli 30, fol. 206 v ; 1624 Juli 30, fol. 208 r . Vgl. HHStAW, ÖA, VÖ, K. 10, fol. 406-526, 1613 Oktober 2 [stilo antiquo?] und 1615 August 11.
Burtenbach
221
seiner Herrschaft nicht akzeptieren wollte. 125 Da die Bauern in Unkenntnis des Verbotes oder ihm zum Trotz - ob es vielleicht auch einige gab, welche die Verordnung bewußt befolgten, ist unbekannt - an den gebannten Feiertagen außerhalb Burtenbachs dennoch arbeiteten, gingen die burgauischen Amtleute gegen sie in großangelegten Exekutivaktionen vor 126 und ließen die Gefangenen für einige Tage in Burgau in Haft legen. 127 Das erstmalige Auftreten eines Konfliktes um die feiertägliche Feldarbeit 1613 und die Häufung der Zusammenstöße in den folgenden Jahren ist ein auffälliger und daher interpretationsbedürftiger Befund. Die entsprechenden Auseinandersetzungen begannen nicht lange (rund vier Jahre) nach Herrschaftsantritt Markgraf Karls in Burgau, während Hans Sebastian Schertlin d.J. (1580-1638) zu diesem Zeitpunkt bereits 17 Jahre regierte, und sind - von ,Ausläufern', die von den burgauischen Beamten zu verantworten sind, abgesehen - auch auf die Zeit der Regentschaft Karls beschränkt. Es ist nicht wahrscheinlich, daß die Burtenbacher Bauern erst im August 1613 damit begannen, an katholischen Feiertagen auf ihren Feldern zu arbeiten. Vielmehr darf angenommen werden, daß man in Günzburg erst jetzt die Kritikwürdigkeit dieser Praxis begriff bzw. bewußt aufgriff. Dabei mochte eine Rolle gespielt haben, daß inmitten einer für religiöse und kirchliche Vorschriften immer mehr sensibilisierten katholischen Umgebung tatsächlich gingen kirchliche und weltliche Obrigkeiten insgesamt und in der 125
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Die Publikation österreichischer Mandate in den Herrschaften der Insassen konnte deshalb zu einem grundsätzlichen, von konfessioneller Orientierung unabhängigen verfassungsrechtlichen Problem werden. So ließ 1562 August 6 das Augustinerchorherrenstift Wettenhausen die Regierung in Innsbruck wissen, daß man die Mandate der burgauischen Beamten - ihr Inhalt ist unbekannt - nicht veröffentlichen werde und, selbst wenn ihnen noch mer zugeschickt würden, das Sy dieselben auch nit anschlagen wellen. Gleichzeitig geht aus dem Schreiben jedoch auch hervor, daß sich Wettenhausen damit - nach Auskunft der Regierung - anders als in der Vergangenheit selbst und anders als Ursberg und Roggenburg verhalte (StAA, VÖ, Lit. 647, 1562 August 6, fol. 592 v ). Für zwei dieser Aktionen sind die näheren Umstände genauer überliefert: 1613 August 14 wurden fünf Bauern durch vierzig oder mehr Muscetiren vnnd Schüzen sampt anndern bewerten gewalthätig vberfallen, gefängkhlich angenommen vnnd nacher Burgaw sampt Iren pferdten eilendt fortgefierl (HHStAW, ÖA, VÖ, K. 10, fol. 406-526, 1613 Oktober 2 [stilo antiquo?]); 1624 Juli 22 ließ der Landammann durch den Burgawischen Lanndtuogt khnecht, sambt in [mit] 35 Mußquetierern, [...] ainen straiff auf den Burtenbachischen Veldern fürnemen und wollte die Veld arbaiter beyfanngen (StAA, VÖ, Lit. 654, 1624 Juli 27, fol. 205 v ). 1613 August 14 wurden fünf Bauern samt einer ungenannten Zahl von Pferden nach Burgau verbracht. Während vier der Bauern mit den Pferden nach etlich tag wieder entlassen wurden, wurde ein älterer mehr dann Sibenzig Järiger man festgehalten, bis er die (gesamten) Haftkosten beglichen hatte (HHStAW, ÖA, VÖ, K. 10, fol. 406-526, 1613 Oktober 2 [stilo antiquo?]); 1614 April 23 oder Mai 3 wurden drei Bauern nach Burgau verbracht, allen der Eid abverlangt, künftig an katholischen Feiertagen auf Feldarbeiten zu verzichten und einem der Inhaftierten, der es woll vermögt vnd verschuldt, 8 fl. Haftkosten abverlangt (TLA, GR, A/E, 1614 Mai 7 und Mai 12); 1615 August 14 wurden vier Roß nach Burgau gebracht (HHStAW, ÖA, VÖ, K. 10, fol. 406-526, 1615 August 11 und August 21 [stilo antiquo?]).
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Fallstudien
Markgrafschaft Burgau ja auch gegen die sonn- und feiertägliche Arbeit der katholischen Untertanen konsequent vor - 1 2 8 die feiertägliche Feldarbeit der Nachbarn zunehmend als anstößig empfunden wurde und menniglich zu öffentlichem scandalo gereichte, wie es Markgraf Karl selbst zur Begründung für einen erfolgten Eingriff seiner Amtleute formulierte. 129 Umgekehrt konnte man auch auf der evangelischen Gegenseite an der Arbeit der katholischen Nachbarn an Feiertagen des alten, in Burtenbach gebräuchlichen Kalenders Anstoß nehmen. 130 128
129 130
Vgl. etwa von Seiten der kirchlichen Obrigkeit für das Bistum Augsburg die Bestimmungen De festis diebus rite celebrandis der Diözesansynoden von 1567 (Schannat/Hartzheim, Concilia, Tomus 7, S. 156f.) und 1610 (dies., Concilia, Tomus 9, S. 35f.). - Geradezu groteske Züge besaß etwa die Bestrafung von Bauern aus Dürrlauingen, die an einem bestimmten Tag im Juli 1583 Ire Mäder gemeht vnd gehewet hatten. In der Markgrafschaft fiel dieses Erntegeschäft auf das Hochfest Peter und Paul (29. Juni), weshalb die Beamten gegen die Bauern einschritten und etliches Hew nemen vnd gen Burgaw in ainen sonndern Stadl, vnzt Sy sich vergleichen, füern vnnd verwaren lassen. In der Fugger-Herrschaft Dürrlauingen (A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 600-605; Wüst, Günzburg, S. 126-128) war dagegen der neue, gregorianische Kalender schon eingeführt, die Untertanen hatten das Fest also durchaus, jedoch bereits zehn Tage zuvor gefeiert. Nach einer Beschwerde Hans Fuggers wurden die burgauischen Amtleute von der Innsbrucker Regierung daher angewiesen, den vnnderthanen zu Dürrlauingen das genomen hew wider zuesteen vnnd eruolgen zu lassen (StAA, VÖ, Lit. 649, 1583 August 1, fol. 53Γ). Erzherzog Ferdinand II. zögerte mit der Kalenderreform in Tirol und den Vorlanden noch bis zum Spätsommer 1583. Bischof Marquard vom Berg (1575-1591), der in seinem Bistum gemäß der päpstlichen Bulle ,Inter gravissimas' den neuen Kalender im Oktober 1582 eingeführt hatte, bat daher den bayerischen Herzog, bei Ferdinand auf eine rasche Einführung des neuen Kalenders hinzuwirken (Hirn, Ferdinand II., Bd. 1, S. 460; Zoepfl, Bischöfe, S. 614f. Anm. 314). - Gleichzeitig ein Beispiel für die Kooperation zwischen einem burgauischen Insassen und der Markgrafschaft ist das Vorgehen gegen den sonn- und feiertäglichen Vogelfang in Anhausen, einer Herrschaft des Augsburger Domkapitels (Steichele, Bistum, Bd. 2, S. 14-17). Das Kapitel hatte es seinen Untertanen untersagt, weiterhin an solchen Tagen dieser Tätigkeit nachzugehen, wollte sich aber beim Forstmeister der Markgrafschaft rückversichern, da die Untertanen die Voglwaiden von ihm bestanndtßweiß innehatten. Die Innsbrucker Regierung beantwortete daraufhin eine Anfrage des Forstmeisters, daß solche, sein, des Thumb Capitis, furgenomne Ordnung, so allain zu Gottes Ehr raicht vnnd den Christlichen vnnderthanen zu guetem gemaint würdet, ersthöchstermelter F.D. nicht Preiudicierlich sei, und unterstützte die Anordnungen des Domkapitels (StAA, VÖ, Lit. 650, 1594 Oktober 12, fol. 434v); vgl. zum kooperativen Vorgehen gegen Sonn- und Feiertagsarbeit in der Markgrafschaft auch StAA, VÖ, Lit. 652, 1601 August 13, fol. 167r. TLA, GR, A/E, 1614 Mai 7. So etwa im Sommer 1602 bei einer Auseinandersetzung zwischen Propst Hieronymus von Wettenhausen und Schertlin um die Räumung der Mindel. Dabei sollte der Flußlauf zum Schutz vor Überschwemmung von Pflanzen und Ästen gereinigt werden. Da auf diese Weise aber auch der Krebslaich entfernt wurde, kam es immer wieder zu Konflikten, die schließlich 1601 Dezember 7 vertraglich beigelegt wurden. Die Wettenhauser Untertanen zu Kemnat erhielten darin das Recht, die notwendigen Arbeiten auf Burtenbacher Gebiet zu verrichten. Wohl im Juli 1602 taten sie dies an einem, im allten Callender eingefallnen Feyrtag und, weil selbigen Feyrtag zue Burttenbach hew einzefleren recht gewesen, haben sy das räumen auch für billich gehallten, wogegen Schertlin jedoch Kritik anmeldete (StAA, Kl. Wettenhausen MüB 36, 1602 August 3; vgl. auch 1605 November 16).
Burtenbach
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Gleichwohl besaß das Vorgehen gegen die feiertägliche Feldarbeit der Burtenbacher auch eine politische Dimension, einerseits defensiv als Ansatzpunkt, die Schertlinschen Ansprüche auf den kleinstmöglichen räumlichen Bereich - auf den Marckht Burttenbach allein vnd weiters nit - 1 3 ' einzuhegen, andererseits offensiv als Möglichkeit, auf diese Weise indirekt auch in das religiöse Leben in Burtenbach einzugreifen, denn so konnten - um es pointiert zu formulieren - die evangelischen Burtenbacher gezwungen werden, katholische Feiertage zu beachten, jedenfalls aber von ihrem Arbeitsrhythmus abzuweichen, also bei bestem Erntewetter am heilichten (evangelischen) Werktag zweitrangige Arbeiten innerhalb des Ortes zu verrichten oder gar müßig zu gehen. Im Mai 1614 etwa nahm man drei wegen ihrer Feiertagsarbeit nach Burgau verbrachte Burtenbacher Bauern ins glubdt, sich hinfuro auff alle Catholische Feyrtagen der Veldtarbeit zuenthaltten.m Wenn es so der Markgrafschaft Burgau möglich war, ins Alltagsleben der Untertanen Hans Sebastian Schertlins in Burtenbach einzugreifen, mußte dies gerade in den Augen dieser Untertanen für den Herrschaftsanspruch des Ortsherren einen empfindlichen Prestigeverlust bedeuten und umgekehrt den Herrschaftsanspruch der Markgrafschaft allererst für sie spürbar machen. Demselben Zweck diente denn auch der Ablauf der burgauischen Exekutivmaßnahmen: 35 oder 40 und mehr Musketiere und Schützen befanden sich gewiß nicht auf zufalliger Streife in der Markgrafschaft, sondern waren sicher schon in hoffnungsfroher Erwartung arbeitender Bauern in der Umgebung Burtenbachs positioniert. Sie warteten nur darauf, daß die Untertanen Schertlins das burgauische Arbeitsverbot mißachteten. Ja, da der Ortsherr eine burgauische Gebots- und Verbotsgewalt gar nicht akzeptieren konnte, wenn er nicht zugleich seine hochgerichtlichen Herrschaftsansprüche außer Etters aufgeben wollte, darf man annehmen, daß das Verbot überhaupt nur aus dem Grund erlassen wurde, um seine Übertretung bestrafen zu können. Gegen die Bauern vorzugehen, brachte die Möglichkeit mit sich, Herrschaft augenfällig und handgreiflich zu machen und ihr konkrete Präsenz zu verschaffen. Die acht- oder zehnfache Überzahl an Bewaffneten - auf diese Weise leisteten möglicherweise wesentlich mehr burgauische Katholiken als evangelische Burtenbacher Feiertagsarbeit - war also nicht einer militärischen oder polizeilichen Notwendigkeit geschuldet, sondern ist als Form symbolischer Kommunikation zu begreifen. 133 - Die Wahrnehmung der Feiertagsarbeit auf den Feldern und im Wald um Burtenbach und das Vorgehen dagegen - gerade auch in seinen Einzelheiten - eröffnete religiöse, aber auch politi-
131 132
133
HHStAW, ÖA, VÖ, K. 10, fol. 406-526, 1615 August 11. TLA, GR, A/E, 1614 Mai 12. - Ohnedies erforderte die konfessionelle Insellage Burtenbachs die Berücksichtigung des katholischen Feiertagsrhythmus etwa im Handel mit dem katholischen Umland. Seit der gregorianischen Kalenderreform (Kap. Β. I. 5. Anm. 130), die in der Schertlin-Herrschaft nicht mitvollzogen wurde, beging man dann nicht einmal mehr die Sonntage am selben Tag. Kap. C. 2.2.
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Fallstudien
sehe Chancen. Markgraf Karl scheint dieses Konfliktpotential der Feiertagsarbeit als erster entdeckt und genutzt zu haben. (4) Ebenfalls im Zusammenhang mit der Frage nach der Reichweite des Burtenbacher Hochgerichtes steht eine Auseinandersetzung um die Aufstellung von Marksäulen durch Schertlin. Die Mark- oder Grenzsäulen, die er im Bereich oder an der Grenze seiner Ortsherrschaft aufstellen ließ, waren gemeinem Landtbrauch nach Ausdruck eines hochgerichtlichen Anspruchs, den man von österreichischer Seite nicht hingehen lassen wollte. Zwar billigte man ihm zu, kleine Marksäulen zur Bezeichnung wun vnd waid bezirckhs zu setzen, nicht jedoch dergleichen hohe Marckhseulen, da man der Überzeugung war, daß Schertlin mit dem bluttban allein im marckht Burtembach [...] belehnet sei,134 und die Aufrichtung der Säulen als einen Versuch begriff, diese Criminal Jurisdiction, also die hohe Obrigkeit, auf den Bereich außer Etters zu erweitteren,135 Zu Konflikten um die Aufstellung der Grenzsäulen war es offenbar zuerst 1582, zur Zeit Erzherzog Ferdinands II. (1564-1595) als Regent der Markgrafschaft, schließlich auch 1606 unter Maximilian III. (1602-1609/18) gekommen,136 jedoch scheint erstmals Markgraf Karl von Burgau (1609-1618) mit Nachdruck vorgegangen zu sein: Er verschaffte sich zunächst Kenntnis über die bereits in der Vergangenheit ergriffenen Maßnahmen,137 wohl bereits in der Absicht, das geplante eigene Vorgehen mit dem Verweis auf die Kontinuität der österreichischen Politik begründen zu können138 - nicht zuletzt auch gegenüber möglichen Vorbehalten innerhalb des Hauses Habsburg selbst, die Markgraf Karl einem erhöhten Legitimationsdruck aussetzten: Als etwa Erzherzog Maximilian eine Klage 134
TLA, GR, A/E, 1614 Mai 7. StAA, VÖ und Burgau, Lit. 100. 136 Das Günzburger Altrepertorium von 1779 verzeichnet einen heute verschollenen Bestand von fünf Faszikeln Differenzier! zwischen der M. Burgau und herrn Schertl zu Burtenbach wegen angemaßter Demolierung der ausser Etters gesezten Mark. Säulen und dadurch zu erweitteren gesuchter Criminal Jurisdiction; dann zerschiedene Betruckungen, besonders in puncto religionis. 1582, 83, 1606 bies 17 (StAA, VÖ und Burgau, Lit. 100). 137 Welche Anordnungen im einzelnen Maximilian getroffen hatte, ist nicht bekannt. Vermutlich hatte er den burgauischen Beamten den Abbruch der Säulen befohlen. Markgraf Karl ersuchte die Regierung in Innsbruck um eine Mitteilung des genauen Wortlautes (als nicht überlieferte Anlage zu StAA, VÖ, Lit. 653, 1612 Oktober 5, fol. 360r, übersandt). - Vgl. allgemein die mehrfache Anforderung Innsbrucker Akten zur Religionsfrage in Burtenbach durch Markgraf Karl (TLA, GR, A/E, 1610 September 20; TLA, GR, K/A, 1611 Januar 24 und März 18; TLA, GR, A/E, 1611 Februar 28). 138 Dafür spricht - neben der späteren ausdrücklichen Berufung auf diese Maßnahmen - auch, daß Karl gar keine nähere Vorstellung von einer entsprechenden Anordnung seines Vorgängers besaß und im Innsbrucker Regierungsarchiv einfach aufs Geratewohl suchen ließ, worüber sich die Beamten denn auch mokierten, es wäre besser gewesen, wenn Eur F.G. in specie angedeüt hetten, was für ain beuelch solliches aigentlich gewest vnd zu was zeit derselb ergangen seye, damit man desto beßer nachsuechen mögen (StAA, VÖ, Lit. 653, 1612 Oktober 5, fol. 360r). 135
Burtenbach
225
Schertlins bzw. des Engeren Insassenausschusses über den Befehl Karls zum Abriß der Grenzsäulen an den Markgrafen weiterleitete und zu deeskalierender Zurückhaltung mahnte, 139 verwies dieser sogleich darauf, daß solches nit allererst von vnß neuerlich, sonder vor vielen Jaren von weilandtt vnserm g. gliebtten herrn Vattern [...], zumahln auch von E.L. vnd dero 00. Regirung durch vnterschiedtliche, ernstliche beuelch, wie billig, angeschafft worden sei.140 Ein unmittelbarer Zusammenhang des Konflikts mit der konfessionellen Problematik wird deutlich aus der Argumentation Markgraf Karls, Konsequenz und Indiz der expansiven Ambitionen Schertlins sei etwa die Arbeit seiner Untertanen an katholischen Feiertagen innerhalb des nunmehr durch die fraglichen Grenzsäulen markierten Gebietes. Auf diese Weise versuche Schertlin auch außer des Marckhs Burtenbach mit seiner Religion [...] die hohe Obrigkeitt zu exercieren.iM Darum sei es hohe notturfft, - auch - aus konfessionellen Gründen 142 für den Abriß der Grenzsäulen zu sorgen, in erinderung, waß sonsten fur gefharliche vnd vnuerantwortliche Consequentz mit introducirung der widrigen religion in vnseren Landen [...] herauß erfolgen mechte.,4i Damit wird deutlich, daß die Kontroverse um die Aufrichtung hoher Grenzsäulen von den Regenten der Markgrafschaft, allen voran von Markgraf Karl, umgekehrt als konfessionspolitisches Mittel genutzt wurde - primär defensiv, um die Ansprüche Schertlins auf das Ius reformandi geographisch zu begrenzen. (5) Hohe Jagd und Geleit stehen vorderhand nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Problem der Kirchenhoheit. Ein Bezug ist aber dadurch gegeben, daß sowohl Jagdregal und Geleitrecht als auch Ius reformandi als Indikatoren bzw. Inhalte der Landeshoheit begriffen werden können 144 und in der zeitgenössischen Auseinandersetzung zwischen der Markgrafschaft Burgau und ihren Insassen immer wieder begriffen wurden. 145 Die Konflikte Burgaus mit Schertlin unter139
140 141 142
143 144 145
Maximilian hatte Karl zu vnuergreifflicher einstellung alles des Jenigen, so zu mehrer alteration bey disen ohne das gefahrlichen Zeitten vrsach geben mechte aufgefordert und gebeten, Insonderheit aber des Scherthels zu Burtenbach mit allen thättligkeiten zuuerschonen (TLA, GR, A/E, 1614 Mai 7). TLA, GR, A/E, 1614 Mai 7. TLA, GR, A/E, 1614 Mai 7. Das Streben nach Schutz und Ausbau des katholischen Bekenntnisses erscheint in der Argumentation untrennbar verbunden mit dem Anliegen, landeshoheitliche Ansprüche nicht vollends preiszugeben (neben deme es auch vmb endtlichen vertust der Landtsfurstlichen vnd hohen Obrigkeit zuthuen ist). Noch prägnanter formuliert Markgraf Karl diese ganz grundsätzliche Problematik gleichzeitig als Wunsch nach Unterstützung durch Erzherzog Maximilian, dann wür ie nit gedenckhen könden, daß E.L. gefallen daran haben würden, wan wür daß wenig, so der Marggraffschafft Burgaw bißhero noch vbrig verplieben, gar vergeben sollen (TLA, GR, A/E, 1614 Mai 7). TLA, GR, A/E, 1614 Mai 7. Wüst, Günzburg, S. 51-55. Zur Kontroverse um das Ius forestale ausführlich Färber, Burgau, S. 17-101; vgl. Wüst, Günzburg, S. 70-72; ders., Rechtsstreit, S. 223-225, bzw. ders., Landeshoheit, S. 89-91. Zu
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Fallstudien
schieden sich darin nicht grundsätzlich von denen mit anderen Insassen,146 doch besaßen sie im Kontext der Frage um die Kirchenhoheit zusätzliche Brisanz, weil beide Seiten gegebenenfalls darauf achten mußten, Ius forestale und Ius conducendi nicht zum Präjudiz für die Kirchenhoheit werden zu lassen. Die teils - auch im Vergleich mit anderen Insassen - umfangreiche Überlieferung belegt, wie aufmerksam die Markgrafschaft dabei auf die Wahrung ihrer Rechte bedacht war, um einer Expansion landeshoheitlicher Ansprüche Schertlins entgegenzuwirken, die er auch im Konflikt um die Reichweite seines Ius reformandi für sich hätte verbuchen können. (6) Soweit es die hierin äußerst lückenhafte Überlieferung österreichischer und bischöflicher Provenienz erkennen läßt, dachte man während des Dreißigjährigen Krieges auf dem Höhepunkt der kaiserlichen Macht nochmals an eine Rekatholisierung Burtenbachs und die Ausschaffung des evangelischen Prädikanten. Rechtliche Grundlage stellte dabei wohl das Restitutionsedikt (1629 März 6) dar, worin der Kaiser vor allem die Rückgabe der nach 1552 von den Protestanten eingezogenen Kirchengüter befahl. 147 Da Burtenbach zu diesem Zeitpunkt und bis zur Rehabilitation Sebastian Schertlins im Juni 1553 katholisch war, bot sich damit ein juristischer Titel zur Rückgabe des seither entfremdeten bzw. säkularisierten Kirchengutes. 148 Aus den überlieferten Zeugnissen läßt sich immerhin soviel erkennen, daß die treibende Kraft dieser Überlegungen Bischof Heinrich von Knöringen war, während die Administration der Markgrafschaft Burgau - auch Erzherzog Leopold V. - dabei nicht hervortrat.149 Zu einem Erfolg der Bemühungen kam es indes nicht.
4.4.2
Die kommunikative Option des Konversationsprojektes
Alle Auseinandersetzungen um Feiertagsarbeit, Aufrichtung hochgerichtlicher Grenzsäulen, Hohe Jagd und Geleit betrafen lediglich Rechte außer Etters von Burtenbach. Allenfalls konnten Erfolge der Markgrafschaft hier eine - im übrigen
146
147 148
149
den Auseinandersetzungen um das Geleitrecht fehlt bislang eine zusammenfassende Monographie; vgl. daher einstweilen Färber, Burgau, S. 102-111; Wüst, Günzburg, S. 63-65; ders., S. 221 f., bzw. ders., Landeshoheit, S. 86-89. Vgl. die Einträge des Günzburger Altrepertoriums (StAA, VÖ und Burgau, Lit 100): Schertliche Suplication um seine in dem Schwedischen Krieg ihm abgekündte Lehen-Jagen Wahlberg, Brandloch, mit Beischluß eines Lehenbriefs. 1630, 1763 (1 Fasz.); Das dem Schert! zu Burtenbach abgeschafte Jagen und Pürßen zu Oggenhofen und Hausen; dann zerschiedene Eingriff in die M. Burgauische Forstgerechtsame. 1584 etc., 1739, 41 (3 Fasz.); Die abseilen Burtenbach angemaßte Mitbeglaithung der Maleficanten, ohne Datum (1 Fasz.). Zum Restitutionsedikt Tupetz, Restitutionsedict; Urban, Restitutionsedikt. Zu dieser Konstellation und zur extensiven Auslegung des Ediktes durch Bischof Heinrich von Augsburg Tupetz, Restitutionsedict, S. 395f. TLA, GR, K/A, 1629 Dezember 8 und Dezember 18; vgl. auch Brüderlein, Burtenbach, S. 71. - Allgemein zur Bedeutung Bischof Heinrichs für Erlaß und Durchführung des Restitutionsediktes im Bistum Augsburg Spindler, Heinrich V. Reformarbeit
Burtenbach
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geringfügige - Expansion der Reformation durch Schertlin verhindern, nicht jedoch die Rekatholisierung der Untertanen Schertlins erreichen. Ebensowenig bot dazu die Rechtslage inner Etters einen juristischen Ansatzpunkt. In dieser Situation gewann das Projekt einer Konversion des Ortsherren zum katholischen Glauben besondere Bedeutung als verbleibende Alternative. Den Anstoß zu dieser Überlegung könnte ein Gutachten gegeben haben, das Landvogt Ulrich von Stotzingen, Dr. Cyriak Renz und Rentmeister Hans Christoph Han im Oktober 1607 für die Innsbrucker Regierung Maximilians verfertigten.150 Es widmet sich neben der konfessionellen Lage in Burgwaiden, Bocksberg, Holzheim und Pfersee auch der Situation in Burtenbach. Besonders im Aufweis der Probleme, die sich mit der Rekatholisierung Burtenbachs verknüpfen, stellt das Gutachten in wenigen Strichen eine prägnante Analyse der politischen, auch psychologischen Rahmenbedingungen der österreichischen Konfessionspolitik in der Markgrafschaft Burgau insgesamt dar, während die juristische Ausgangssituation in ihrer Bedeutung und Tragweite als eher nachrangig betrachtet wird. - Es mag darin auch dem Historiker eine Warnung sein, die juristische Argumentation als ausschließlich handlungsleitend überzubewerten. Eher gilt, daß juristisch hingenommen wurde, was politisch nicht realisierbar erschien." 1
150 151
TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1607 Oktober 25. Einleitend gibt das Schreiben der burgauischen Beamten zu bedenken, waß es fir grosse mühe, gefahr arbeit vnd sorg gebraucht, ehe man den ainzigen Fleckhen Lüzlburg zur Cathollischen Religion gebracht, vnd an disen beeden Orthen [Burtenbach und Burgwaiden] es noch ein grössere mühe vnd arbeit erfordern wurde. Dannenhero, da man solches behaubten will, die vnuermeidenliche notturfft erhaischet, daß man es nit allein mit eim rechten Ernst anfienge, sonder auch, vngeachtet was die gemeine Innsässen, etwan auch Ir Khay. Mt. [...] selbsten, seitenmal Sye die Sectische sambt Irem anhang vnd gehilffen bej denselben alßbalden sich beclagen vnd allerhandt widerige informationes einstrewen wurden, einwenden möchten, also constanter Exequierte, dann sonsten, da ein solche schwäre reformation solte angefangen werden vnd nacher, da es zur Execution nacher [!] wurde, ersizen bleiben sollte, es höchstermelter F.D. nit allein vercleinerlich sein, sonder auch den andern wideriger religion erst ein Herz vnd Frolockhen causiern möchte. Zue dem ende dann vnd da mit beede Innhabere, Burttenbach vnd Burckhwalden, vmb souil ehender den ernst verspiren möchten, were der negste weeg, daß von höchstermelter Irer F.D. Inen selbsten zuegeschriben wurde, solche hailsame reformation vnd enderung der religion fir sich selbsten zuethuen, damit Sye nit vhrsach haben, durch andere, vnbeliebende mittel durch dero Landtuogt vnd beambte ein solches ejfectuiern zuelassen (TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1607 Oktober 25). - Die Überlegungen des burgauischen Landvogtes und seiner Beamten machen eingangs die exemplarische Bedeutung des langwierigen Lützelburger Rekatholisierungsprozesses deutlich. Lützelburg figuriert in der Argumentation als konfessionspolitischer Präzedenzfall und Bezugspunkt. Aus welchen Gründen die Rekatholisierung Burtenbachs (und Burgwaldens) mit größeren Schwierigkeiten als dort behaftet sein sollte, wird im Gutachten nicht ausgeführt, doch mag der Grund darin liegen, daß es sich in beiden Fällen um Herrschaften handelt, deren Inhaber mit der Hochgerichtsbarkeit ausgestattet sind.
228
Fallstudien
Das Schreiben der burgauischen Beamten sieht Erzherzog Maximilian grundsätzlich zum konfessionellen Eingreifen in Burtenbach legitimiert,152 rät jedoch angesichts äußerer Widerstände - der protestantischen Stände, der burgauischen Insassen und, unter deren Einfluß, des Kaisers - sowie innerer Schwierigkeiten der Unfähigkeit oder Unwilligkeit des Regenten und seiner Innsbrucker Regierung zu konsequenter Verfolgung des einmal eingeschlagenen Weges gegen alle Hindernisse - zu einem alternativen Vorgehen, das man als kommunikative Option bezeichnen könnte, weil es ganz auf den Erfolg einer persönlichen Verbindung Erzherzog Maximilians zum Ortsherren abstellt. Maximilian solle Hans Sebastian Schertlin zunächst die hailsame reformation vnd enderung der religion in Burtenbach fir sich selbsten ans Herz legen. Nach Schertlins - stillschweigend vorausgesetzter - Konversion könnte der konfessionelle Wechsel so auf seine eigene Initiative hin und unter Gebrauch seines Ius reformandi erfolgen. Der Ortsherr müßte auf diese Weise in der Frage der hohen Obrigkeit nicht nur nicht nachgeben, sondern könnte seine Rechte wirkungsvoll und unwidersprochen zur Geltung bringen. Die Markgrafschaft Burgau könnte den Konfessionswechsel nicht zur Heilung ihrer herrschaftsrechtlichen Defizite nutzen. Damit formuliert das Gutachten einen Primat religiöser vor territorialpolitischen Erwägungen, der jedoch das Operieren mit politischen Drohungen keineswegs ausschloß, denn gleichzeitig müßte der Ortsherr den ernst verspiren, also mit der Aussicht auf eine gewaltsame Intervention der burgauischen Beamten - andere, vnbeliebende mittel konfrontiert werden. Voraussetzung der im Gutachten skizzierten Perspektiven war der persönliche Konfessionswechsel des Ortsherren, seine Konversion. Möglicherweise standen die Überlegungen Maximilians wenige Monate später im Zusammenhang mit dem eingereichten Gutachten: Anfang 1608 teilte Erzherzog Maximilian dem burgauischen Landvogt Ulrich von Stotzingen153 mit, er habe erfahren, daß der derzeitige Inhaber Burtenbachs, Hans Sebastian Schertlin (d.J., 1580-1638), für sein Person, gleichwol Luterisch, aber doch der alten vnd wahrn Catholischen Religion nit so gar vngenaigt und daß, da villeicht die rechte mitl gebraucht, seiner conuersion halber nit schlechte hoffnung sei. Er trug dem Landvogt darum auf, zunächst einmal vertraulich und bei guter Gelegenheit - gleichsamb für dich selbß - Schertlins Einstellung in Erfahrung zu bringen und darüber hinaus seine Ansicht über die Möglichkeiten zur Rekatholisierung Burtenbachs mitzuteilen.154 In seiner umgehenden Antwort verdeutlicht Ulrich von Stotzingen die Bedeutung des Konversionsprojektes: Wenn Schertlin durch guotte, eüjferige vnd threwhertzige Leutt zu der Catholischen Religion gebracht werden könne, so were dem andern allem geholffen. Sons ten mechte es woll schweherlich zugehen,155 auf 152 153 154 155
Vgl. Kap. C. 3.2. Zu ihm Kap. Β. I. 1. Anm. 172. TLA, GR, K/A, 1608 Januar 14. TLA, GR, A/E, 1608 Januar 28.
Burtenbach
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andere Weise also werde die Rekatholisierung des Ortes nicht mehr zu erreichen sein. Allerdings gibt der Landvogt seine geringe (sc. theologische und psychologische) Qualifikation und mangelnde nähere Bekanntschaft mit Schertlin zu bedenken156 und bittet zunächst einmal um die Nennung des Informanten, um genauere Kenntnis zu erhalten, was es mit der Konversionsbereitschaft Schertlins tatsächlich auf sich habe.157 Ein postwendendes Schreiben verweist Ulrich von Stotzingen an Dr. Georg Wagner, der sich derzeit auf dem Regensburger Reichstag aufhalte. Er habe Schertlins humor vnd quäliteten in bösserer erfarnheit, verfuge also über die nötigen psychologischen Kenntnisse; seinen Rat solle er einholen, ehe er mit Schertlin wegen einer möglichen Konversion ins Gespräch trete.158 So beherzt das Projekt einer Konversion Hans Sebastian Schertlins in Angriff genommen wurde - der rasche Briefwechsel belegt dies ebenso wie der Enthusiasmus auf Seiten des Landvogtes -, 159 so sehr erstaunt der offenbar plötzliche Abbruch weiterer Bemühungen. Sei es, daß sich bereits die Nachricht von der Konversionsbereitschaft Schertlins nicht bestätigte oder erste Sondierungen jede Hoffnung zerschlugen - jedenfalls finden sich nach der Anweisung aus Innsbruck, Kontakt mit Dr. Wagner aufzunehmen, keine archivalisch überlieferten Nachrichten mehr über das Konversionsprojekt. 160 Auch unter Markgraf Karl wurden ähnliche Versuche nicht mehr unternommen. Bemerkenswert bleibt der Gedanke, jenseits der sich als Sackgassen erweisenden juristischen Wege eine neue Perspektive für die Rekatholisierung Burtenbachs zu eröffnen. Es ist bezeichnend, daß diese Möglichkeit erst unter Erzherzog Maximilian III. ernsthaft in Erwägung gezogen wurde, obwohl Hans Sebastian Schertlin d.J. bereits seit 1596 (damals im Alter von 16 Jahren) Herr in Burtenbach war. Als es nach einer Teilung der Schertlin 1653 in eine Burtenbach-Geisinger und eine Burtenbach-Stammheimer Linie 1706 doch noch zur Übernahme einer Teilherrschaft durch eine katholische Linie, der des Hans Friedrich Schertlin von 156
Er fuhrt im einzelnen an, daß ich zu gedachtem Schertlin khein sondere khundtschqfft, also sein thon vnd Laßen nitt sonderlich bekhandt, wie auch nit wissen mag, wie er In der gleichen conversation sein mag, ebenso daß ich zu dergleichen schweheren Verrichtungen vill zu gering vnd vnqualificirt vnd E. hoch. Fürst. Duh. andre vnd meher taugenlichere gebrauchen vnd solches anbeuehlen Köndten (TLA, GR, A/E, 1608 Januar 28). 157 Damitt ich (vnuermerckht aber meines beuelchs) mitt der gelegenhait mich zu derselben Person verfertigen oder sonsten ein gelegne vnd deßwegen vnuerdechtige zusamen khunfft anstellen, damitt ich mich von dem selben eins vnd anders recht informirn vnd alß dan desto fieglicher vnd mehrern nutzen daß andre gegen dem Schertlin Inß werckh richten vnd ein versuoch thon khöndt (TLA, GR, A/E, 1608 Januar 28). 158 TLA, GR, K/A, 1608 Februar 8. 159 Stotzingen schreibt, da ein Effect soldte volgen, wäre khein vncosten zu vill (TLA, GR, A/E, 1608 Januar 28). 160 Es bleibt auch im dunkeln, was es mit der Bereitschaft Hans Sebastian Schertlins d.J. zu konvertieren tatsächlich auf sich hatte. Bei Brüderlein, Burtenbach, der auch einige Bemerkungen zu Hans Sebastian d.J. anführt, finden sich keinerlei Anhaltspunkte fur eine schwankende konfessionelle Haltung des Ortsherren.
230
Fallstudien
Burtenbach-Stammheim (1675-1721) kam,161 führte dies zwar zum Entstehen einer kleinen katholischen Gemeinde im Ort, die ihre Gottesdienste in der Kapelle im unteren Schloß feierte; für eine Rekatholisierung Burtenbachs war es indes aufgrund der Normaljahrsregelung des Westfälischen Friedens zu spät. Ohnedies erlosch 1748 mit Johann Franz Marquard Eusebius Schertlin (1712-1748) diese katholische Linie der Schertlin.162
4.4.3
Die habsburgische Konfessionspolitik in zeitlicher Differenzierung
Ein zusammenfassender Blick auf Versuche oder Ansätze der Rekatholisierung Burtenbachs läßt signifikante zeitliche Differenzierungen zu: Während die Vorgänger Maximilians III. bzw. deren Regierungen über die singulare Anforderung von Bericht und Gutachten nicht hinausgelangten, häuften sich die , Informationsoffensiven' unter dem Deutschmeister, der mit dem Projekt der Konversion des evangelischen Ortsherren erstmals auch darüber hinaus Schritte zur Rekatholisierung Burtenbachs unternahm - eine Hoffnung, die sich allerdings zerschlug. Auch Markgraf Karl gab sich mit der für Burgau unbefriedigenden rechtlichen Konstellation in Burtenbach nicht zufrieden und setzte darin die Politik seines Vorgängers fort. Unter ihm kam es zur Eröffnung und Bündelung neuer Konfliktfelder im Umkreis von Konfession und Hochgerichtsbarkeit. Während die burgauische Administration nach Karls Ableben jedoch auf den eröffneten Feldern die Konflikte eskalieren zu lassen bereit war, wurde sie von Leopold V., der einen Ausgleich mit dem Ortsherren suchte, wiederholt in ihrem Eifer gebremst. Eine von Bischof Heinrich angestrebte restriktive Interpretation des Restitutionsediktes fand auf Burtenbach keine Anwendung mehr und führte nicht zur Rekatholisierung des Ortes.
4.5
Das Scheitern der Bemühungen um die Rekatholisierung Burtenbachs
Wie sind die unterschiedlichen Ansätze und Versuche zur Rekatholisierung Burtenbachs zu bewerten, bedeuteten sie überhaupt eine realistische Perspektive für den konfessionellen Wechsel, wenn aber ja, warum scheiterten die Bemühungen?
161
162
Hans Friedrich Schertlin „konvertierte" keineswegs (so Wüst, Schwaben, S. 88, sowie ders., Schertlin, S. 66f., nach A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 840), sondern wurde 1675 April 16 im Gegensatz zu seinem älteren, 1702 kinderlos verstorbenen Bruder katholisch getauft (Nebinger, Scheitel, S. 16, 18f.). A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 840f.; Brüderlein, Burtenbach, S. 110; Wüst, Günzburg, S. 113. - Zu Johann Franz Marquard Eusebius Nebinger, Schertel, S. 20f.
Burtenbach
4.5.1
231
Die Fixierung auf juristische Argumentationskonzepte
Aus der Rückschau und im vergleichenden Blick auf die Rekatholisierungen etwa in Unterrohr und Lützelburg mag man den Mangel an hochgerichtlichen Rechten als grundlegendes herrschaftsrechtliches Defizit der Markgrafschaft Burgau in Burtenbach ausmachen. Aus dieser Sicht wird man die Chancen der Rekatholisierungsbemühungen von vornherein skeptisch beurteilen. Das hieße jedoch zu übersehen, daß sich die Hochgerichtsbarkeit zum landeshoheitlichen Leitkriterium des Ius reformandi erst entwickelte und in den Bestimmungen des Religionsfriedens nicht schon vorformuliert war. 163 Der A R F (1555) spricht vielmehr nur allen churfürsten, fürsten und Stenden des heiligen reichs Teutscher nation das Recht zu, die Konfessionszugehörigkeit in iren fürstentumen, landen und herrschaften zu bestimmen 1 6 4 und knüpfte so das Reformationsrecht an die Reichsstandschaft, an der es dem Haus Österreich für die Markgrafschaft Burgau nicht gebrach. Da auch die Reichsritterschaft, wenngleich ohne Reichsstandschaft, in den A R F (§ 26, Art 13) einbezogen war, 165 galt dies auch analog fur Schertlin und seine Herrschaft Burtenbach. Entscheidend war die Frage, welche konkreten Rechte bei konkurrierenden Herrschaftsansprüchen zweier (oder mehrerer) Reichsstände innerhalb eines Ortes die Kirchenhoheit verbürgen sollten. Die B e r u f u n g auf die Hochgerichtsbarkeit war dabei eine, aber keineswegs die einzige juristische Argumentationsfigur, derer man sich bedienen konnte. Die Reichsstadt Ulm etwa wollte das Reformationsrecht in Unterrohr an Georg Besserers Niedergerichtsherrschaft geknüpft wissen. 166 Freilich verfügte die Markgrafschaft Burgau in Burtenbach weder über die Niedergerichtsbarkeit noch etwa über das Patronatsrecht, doch bot sich auch ihr im Konflikt mit Schertlin ein alternativer juristischer Anknüpfungspunkt: Die Beobachtung, daß die vormaligen Besitzer Burtenbachs 1492 den Feuerstattgulden aufgebracht hatten, galt zunächst als ain anzaigen, Das solcher Fleck-
hen Burttenbach in lrer D. Burgawischer Lanndtsfurstlicher vnd hoher Obrigkhait gelegen sei. 167 In der Konsequenz dieses B e f u n d e s formulierte man dann in Günzburg die Ansicht, daß - explizit ungeachtet der hoch- wie niedergerichtlichen Rechte Schertlins -
eim Regierenden herrn vnd Landtßfiirsten in seinem Landt vnd Fürstenthumb die Cathollische Religion Rain vnd durchauß gleich zuerhalten vnd zu manuteriern [!] in albeg beuor stände vnd dahero auch höchstermelte F.D. dem Innhaber Burttenbach die Catollische Religion anzuenemmen vnd seinen
163 164 165 166 167
Kap. C. 2.1. Walder, Religionsvergleiche, S. 48. Walder, Religionsvergleiche, S. 52. Kap. Β. I. 2.4. StAA, VÖ, Lit. 649, 1579 Juli 14, fol. 397 v .
232 vnderthonen durch Cathollische Seelsorger firzuetragen, als Fürstenthumb gelegnem orth, aufzuerladen berechtiget seyen.'68
Fallstudien
in
dero
Indes, die konstatierte Zahlung des Feuerstattguldens konkurrierte mit der Feststellung einer vom Reich zu Lehen rührenden Blutgerichtsbarkeit des Ortsherren und blieb als aporetischer Befund im Raum stehen, ohne daß sein juristisches Argumentationspotential genutzt oder auch nur weiter ausgelotet worden wäre. Die Konsequenzen, welche die Beamten der Markgrafschaft daraus zogen, fanden in Innsbruck kein Gehör. Statt dessen akzeptierte man auf österreichischer Seite auch für Burtenbach die Verknüpfung von Hochgerichtsbarkeit und Ius reformandi. Allerdings besaß die Hochgerichtsbarkeit als Kriterium der Kirchenhoheit fur Österreich von vornherein besondere Attraktivität, da sie - abgesehen vom Jagdregal - 169 den geographisch umfassendsten Rechtsanspruch der Markgrafschaft gegenüber ihren Insassen darstellte. Entsprechend gab sie auch die juristische Grundlage für die Rekatholisierungen in der Markgrafschaft Burgau in Unterrohr und Lützelburg - aber auch in der Landvogtei Schwaben - ab.170 Die österreichische Seite vermied es darum, ihr eigenes, teils bereits erfolgreiches Rechtsprinzip zu konterkarieren. Die Fixierung der Argumentation auf die Hochgerichtsbarkeit verstellte dann aber im Falle Burtenbachs den Blick auf alternative juristische, aber auch politische Optionen. Aus diesem Grunde wird man in den besonders von Markgraf Karl bestrittenen Kontroversen um feiertägliche Arbeit außer Etters von Burtenbach, um die Aufrichtung hoher Grenzsäulen, um Hohe Jagd und Geleit nur die Intention erkennen können, der Ausdehnung landes-, mithin kirchenhoheitlicher Rechte durch Schertlin entgegenzuwirken und so die Herrschaft konfessionell noch stärker zu isolieren, vielleicht sogar der Ausübung des evangelischen Bekenntnisses innerhalb Burtenbachs durch eine Beeinträchtigung des protestantischen Werktagsrhythmus absichtlich und spürbar Eintrag zu tun. Einer Rekatholisierung des Ortes war freilich auf diese Weise nicht näherzukommen. Systemsprengend war dagegen die Option auf eine Konversion des Ortsherren. Auch die in der Folge des kaiserlichen Ediktes von 1629 erwogene Restitution des Kirchengutes hätte der katholischen Glaubensübung erneut Zugang in Burtenbach verschaffen können, ohne dabei das Ius reformandi des Hochgerichtsherren in Abrede zu stellen. Das eine jedoch scheiterte offenbar an der mangelnden Bereitschaft Hans Sebastian Schertlins d.J. zum persönlichen Konfessionswechsel, das andere an der weiteren Entwicklung der Kriegsläufte.
168
169 170
TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1607 Oktober 25 (burgauische Beamte an oberösterreichische Regierung). Wüst, Günzburg, S. 70-72. Kap. C. 2.1.
Burtenbach
4.5.2
233
Die Inkonsistenz habsburgischer Konfessionspolitik als Folge dynastischer Polyfunktionalität
Unter den skizzierten juristischen Voraussetzungen bot sich jedoch eine Möglichkeit zur dauerhaften Rekatholisierung des Ortes zu einer Zeit, als Sebastian Schertlin aller Rechte in Burtenbach beraubt war. Diese Aussicht eröffnete sich noch vor der Wiedereinlösung der hochstiftischen Pfandschaft (1559) mit der Ächtung Schertlins und dem Verlust seines Besitzes (1548), doch blieb die Gelegenheit ungenutzt: Feudaler Ordo und überkommene Lehenspolitik erwiesen sich gegenüber der Kofessionalisierung als resistent. Nach seiner Rehabilitation (1553) wurden Schertlin neben den hochstiftischen und bayerischen auch die burgauischen Lehen - drey höf zu Burtenbach vnd etliche gezaider - 171 und das Reichslehen des Blutbannes, ungeachtet der zu erwartenden konfessionellen Konsequenzen, erneut übertragen. Auch in der Zukunft blieben die Beziehungen der Ortsherrschaft zu den „gegenreformatorischen" Lehenshöfen „interessanterweise" ungetrübt, 172 obwohl bei der Wiedervergabe von Lehen konfessionelle Kriterien durchaus Berücksichtigung finden konnten, wie die Praxis der Schertlin gegenüber ihren Untertanen belegt. Allerdings setzten sich die Lehensherren dadurch auch dem Vorwurf der Felonie aus. 173 Im Falle Schertlins wären endgültige lehensrechtliche Konsequenzen zumindest denkbar gewesen: Der Entzug der Lehengüter und -rechte hatte sich nicht auf konfessionelle Begründungen gestützt und die Rechte der mittlerweile neuen Lehensträger - Bonacurs von Grim bzw. dessen Vetter und Jakob Tübinger 171
StAA, VÖ, Lit. 649, 1579 Juli 14, fol. 3 9 7 \ Wüst, Schertlin, S. 67. 173 So hatten sich 1616/17 einige Untertanen des Hans Sebastian Schertlin d.J. beim RKG um die Restitution ihrer außer Etters von Burtenbach gelegenen Güter bemüht und offenbar um die Unterstützung Markgraf Karls nachgesucht. Sie klagten, das Er, Scherl!, vnd seine vor eitern Inen solche Giietter, weil Sy von der Catholischen Religion bej einfierimg des Predicanten vnd Kezerischer Sect zu bemeltem Purtenpach nit abwendig machen lassen wellen, vnnd also nuliter oder mit ainichem flieg abgenumen vnd Sy dauon vertriben habe. Nach seiner Anfrage (1616 März 15) und erneuten Anmahnung (1617 Februar 22) wegen eines Gutachtens beschied die Regierung in Innsbruck Markgraf Karl in Günzburg 1617 März 6, Schertlin unter Berufung auf die Interimsmittel und Producierten Lehenbrief zur Restitution der Güter zu bewegen (das Er den vnderthonen Ire abgetrungene, ausser Ellers gelegne Giietter vnd was Sj' sonsten mit billichait zu begern, vnaufgehalten eruolgen vnd ohne eintrag oder verhindterung riiebig genüessen lasse). Würde sich Schertlin jedoch weigern, solle Karl - als vndter deren hochen Obrigkhait dise Giietter gelegen - die betroffenen Untertanen von sich aus würckhlich einsezen vnd inmittieren (StAA, VÖ, Lit. 653, 1617 März 6, fol. 430*). Auf eine Rückfrage Karls hin (1617 August 4), stellte die Regierung noch einmal klar, daß die Restitution der fraglichen Güter dann erforderlich sei bzw. dann durch wolbefuegte Obrigkhaitliche mitl eingegriffen werde, wenn der vnderthonen vnderschidlich angezogne beschwerdten von der Religion heer allainig dependiern (StAA, VÖ, Lit. 653, 1617 August 26, fol. 432"). - Ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen daraufhin von Markgraf Karl ergriffen wurden, läßt sich der archivalischen Überlieferung allerdings nicht entnehmen. 172
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Fallstudien
hätten gegen die Ansprüche Schertlins wirkungsvoll konkurrieren können. Dem standen jedoch gewichtige reichspolitische Erwägungen entgegen: Schertlin war als Verbindungsmann der Fürstenopposition im Reich zum französischen König Heinrich II. (1547-1559) hervorgetreten. Die Aussetzung eines Kopfgeldes von vier- bzw. dreitausend Gulden auf die Ergreifung bzw. Beseitigung Schertlins174 zeigt die Bedeutung, die Kaiser Karl V. ihm beimaß. Da es trotz mehrfacher Attentate175 nicht gelang, Schertlin auszuschalten, war es der Wunsch des Kaisers, den erfahrenen Militär und offenbar auch geschickten Diplomaten nicht an den französischen König zu verlieren, sondern gerade auf seine Kompetenz als militärischer Führer - etwa in den wiederholten kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Türken - zurückgreifen zu können.176 Daß der Kaiser im übrigen bei einer Fortsetzung seiner Politik gegenüber Schertlin mit ständisch-aristokratischer Solidarität mit dem Geächteten hätte rechnen müssen, zeigt, wie rasch Sebastian Schertlin nach Aufhebung der Acht wieder zu gesellschaftlicher Reputation über die konfessionellen Grenzen hinweg fand.177 Mit der reichspolitischen Begründung für die Rehabilitation Schertlins ist ein Grundproblem habsburgischer Politik in der Markgrafschaft Burgau angesprochen, das besonders im Falle der reichsritterschaftlichen Herrschaft Burtenbach deutlich hervortritt: Signifikant ist die Widersprüchlichkeit dieser Politik, die allgemeiner formuliert - einerseits aus unterschiedlichen politischen Vorstellungen der Regenten in Wien oder Prag, Innsbruck und Günzburg und ihrer jeweiligen Administrationen, andererseits aber auch aus der Ineffizienz der Verwaltung resultiert. Insgesamt ergibt sich auf diese Weise gerade für Burtenbach das Bild einer inkonsistenten österreichischen Konfessionspolitik. Freilich ist einschränkend zu betonen, daß unter der Prämisse der Hochgerichtsbindung selbst eine konsistente Politik keine substantielle Veränderung des konfessionellen Status innerhalb Burtenbachs hätte bewirken können. Daß habsburgische Politik im Reich und in der Markgrafschaft Burgau - trotz der Identität des Regenten (König bzw. Erzherzog Ferdinand) - nicht koordiniert war, erwies sich bereits nach der Rehabilitation Schertlins 1553 Juni 18 durch Kaiser Karl V. und König Ferdinand und seiner daraufhin erfolgten Restitution in 174 175
176
177
Schönhuth, Leben, S. 83f. Schönhuth, Leben, S. 83, 101, 89-91; Spicker-Beck, Kriminalität, S. 118-121; W. Gruber, Schertlin, S. 45-47. - Schertlin seinerseits hatte 1552 zwei Landsknechte gedungen, die Stadt Bregenz anzuzünden und ihren Vogt Laux von Reischach umzubringen (SpickerBeck, Kriminalität, S. 115-118). 1554 wurde Schertlin Oberster des Rheinischen, 1556 des Landsberger Bundes; 1556 warb Ferdinand vergeblich, 1557 erfolgreich um seine Dienste als Kriegsrat gegen die Türken (Schönhuth, Leben, S. 107, 111, 113f.). Dies wird etwa deutlich aus der Aufzählung der Gäste bei der Hochzeit seines Sohnes Hans Sebastian d.Ä. (1523-1596) im Jahr 1555: Vnd sein v f f der hochzeit erschienen pfaltzgraf Fridrich, churfürst herzog Ott Heinrich, pfalzgraf herzog Albrecht zu Baiern, herzog Cristoff zu Wirtenberg durch jre bottschafft, vnd vil vil adels sampt der statt Augspurg vnd bayden hern Beumgartnen (Schönhuth, Leben, S. 108).
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Burtenbach: N o c h im Sommer 1554 zeigte sich die oberösterreichische Regierung gegenüber Eberhard von Freiberg überrascht, das herr Sebastian Schertlin zu
Purtenbach, Ritter, den Pfarrer daselbst zu Purtenbach verjagt, desselben schulden einziehen, die heilig Mesß abgethan vnnd ainen Luterischen Predicanten daselbst hin geen Purtenbach gesezt haben solle und bat u m nähere Informationen. 178 Die konfessionellen Konsequenzen der Restitution Schertlins für Burtenbach und mit ihnen deren Implikationen für die Rechtsstellung der Markgrafschaft Burgau waren entweder in das Kalkül des Kaisers nicht eingegangen oder in ihrer Bedeutung als sekundär verworfen worden. Jedenfalls zeigt die A n f r a g e der Innsbrucker Regierung in Günzburg nicht nur deren mangelnde Information und damit ein kommunikatives Defizit der habsburgischen Verwaltungen, sie offenbart darüber hinaus grundlegend eine fehlende Integration der landesfurstlichen Politik in die Reichspolitik Habsburgs: Eine Vermittlung oder auch nur Diskussion der unterschiedlichen Vorstellungen im Falle Schertlins bzw. Burtenbachs fand offenkundig nicht statt. - Daß sich die Markgrafschaft zum Zeitpunkt der Restitution Schertlins im Pfandschaftsbesitz des Hochstifts Augsburg befand, bietet dafür letztlich keine völlig befriedigende Erklärung, da die österreichischen Administrationen in Günzburg und Innsbruck ungeachtet der Pfandschaft in anderen Fällen - etwa bei der Reformation Mindelaltheims durch Augsburg - durchaus a u f m e r k s a m blieben und rasch reagieren konnten. 1 7 9 Eine Erklärung ist vielmehr darin zu suchen, daß die habsburgische Politik in ihren unterschiedlichen Herrschaftsfunktionen - im Reich, in den vorder- und oberösterreichischen Landen insgesamt und in der Markgrafschaft Burgau im speziellen - im Falle Burtenbachs teilweise konkurrierende Intentionen verfolgte. Dies wird besonders deutlich, als mit Markgraf Karl ein Regent vor Ort willens war, der Konfrontation mit Hans Sebastian Schertlin d.J. nicht auszuweichen, ja, der den Konflikt geradezu suchte: Als Schertlin vor Kaiser Matthias (1612-1619) - unterstützt v o m Kanton Donau der schwäbischen Reichsritter - 1 8 0 gegen die Versuche Karls Klage erhob, 181 die Geltung der katholischen Feiertagsruhe außerhalb Burtenbachs durchzusetzen, zog zunächst Erzherzog Maximilian die Angelegenheit an sich, 182 u m schließlich Markgraf Karl unter Hinweis auf die kaiserliche Anordnung selbst zur Abstellung der M a ß n a h m e n gegen Schertlin zu bewe-
178 179 180
StAA, VÖ, Lit. 647, 1554 Juli 14, fol. 1301. Kap. A. 3. HHStAW, ÖA, VÖ, K. 10, fol. 406-526, 1613 November 29; vgl. ebenso die Klage des Ritterkantons über Markgraf Karl vor Erzherzog Maximilian (TLA, GR, A/E, 1614 Februar
5). 181
182 183
HHStAW, ÖA, VÖ, K. 10, fol. 406-526, 1613 Oktober 2; wiederholt 1613 November 4 [stilo antiquo?]. HHStAW, ÖA, VÖ, K. 10, fol. 406-526, 1613 Oktober 13. TLA, GR, A/E, 1614 Mai 12; HHStAW, ÖA, VÖ, K. 10, fol. 406-526, 1614 Oktober I.
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Da Karl sich auch dadurch keineswegs zu einer Abkehr von seiner Politik veranlassen ließ, kam es bald darauf erneut zu einer Klage Schertlins vor dem Kaiser,184 der Erzherzog Maximilian erneut aufforderte, endlich für ein Einlenken des Markgrafen zu sorgen.185 Nach Karls Ableben setzten seine burgauischen Beamten 1619 und 1624 dessen Politik eigenmächtig und gegen die Anordnungen aus Innsbruck fort.186 - Mit dem Hinweis unter anderem auf seine militärischen Dienste für den Kaiser gegen die Türken187 hatte Hans Sebastian Schertlin d.J. ein reichspolitisches Argument ausgespielt und Kaiser Matthias damit gedroht, würde dieser ihn vor den burgauischen Übergriffen nicht in Schutz nehmen, fiele es ihm vast vnmöglich, die gebürende Lehendienst vnd andere gahorsambste Schuldigkeiten [...] weiter zuerschwingen vnd außzurichtenm Im Rollenkonflikt, einerseits die Autorität des Reichsoberhauptes, andererseits die territorialen Interessen des Hauses wahren zu wollen,189 entschied sich der Kaiser dafür, Druck auf Maximilian bzw. Markgraf Karl auszuüben. Erzherzog Maximilian wollte zwar einerseits Markgraf Karl als seinen Nachfolger in Burgau ausdrücklich auf die Fortsetzung seiner eigenen gegenreformatorischen Politik verpflichten,190 andererseits lag ihm, der als Regent der ober- und vorderösterreichischen Lande auch in größeren geographischen Zusammenhängen dachte, grundsätzlich an der Verhütung allerhandt schädtlicher erbitter- und WeiterungDie Zielstrebigkeit und Virtuosität, mit der Karl auf eine Stärkung seiner rechtlichen und politischen Stellung in der Markgrafschaft hinarbeitete, stand diesem Wunsch allzuoft entgegen.'92 Auch die Regierung Maximilians in Innsbruck fand kein Gefallen an der aktiveren Politik des Markgrafen. Die Beamten flankierten die Versuche Erzherzog Maximilians, mäßigend auf seinen Vetter einzuwirken, mit den Waffen der Bürokratie und gaben angeforderte Informationen193 verzögert,194 unvollständig,195 mit 184 185 186 187
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190 191
HHStAW, ÖA, VÖ, K. 10, fol. 406-526, 1615 August 21 [stilo antiquo?]. HHStAW, ÖA, VÖ, K. 10, fol. 406-526, 1616 Juni 25. Kap. Β. I. 4.4.3. Auch andere Mitglieder der Familie Schertlin dienten Habsburg als Soldaten, etwa Hans Ludwig Schertlin von Binswangen, der im Heer Herzog Albas in den Niederlanden kämpfte (Öhlschläger, Binswangen, S. 72). HHStAW, ÖA, VÖ, K. 10, fol. 406-526, 1615 August 21 [stilo antiquo?]. Prononciert und mit Bezug auf die Konfessionspolitik besonders der Landvogtei Schwaben Press, Schwaben, S. 34, der vom „Rollenkonflikt des Kaisers als Reichsoberhaupt und Herr der Erblande, zwischen reichspolitischer Großzügigkeit und territorialer Unterwerfungspolitik" spricht; vgl. Kap. C. 3.1. Kap. Β. I. 4. Anm. 182. So in bezug auf Burtenbach in einem Schreiben von 1614 Mai 9 (TLA, GR, A/E, 1614 Mai 12).
192 193
Vgl. Kap. C. 3.1. Informationen über herrschaftsrechtliche und im weiteren Sinne konfessionelle Fragen, Burtenbach betreffend, forderte Karl 1610 September 9, 1610 Dezember 16, 1611 Februar 10, 1612 September 22, 1616 März 15, angemahnt 1617 Februar 22, 1617 August 4 an (vgl. die Antworten Erzherzog Maximilians III. und seiner Regierung: StAA, VÖ, Lit. 653, 1610
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dem Hinweis, der A n f r a g e mangele es an exakten Daten, 196 oder man habe solche Fragen schon einmal beantwortet, 1 9 7 nach Günzburg weiter oder verwiesen Karl überhaupt an andere Stellen. 198 Von dieser retardierenden Strategie hob sich hinwiederum die burgauische Administration ab. Die Beamten in Günzburg beantworteten die Frage nach der Rechtsstellung der Markgrafschaft gegenüber Burtenbach - wie überhaupt gegenüber den Insassen - deutlich positiver 199 und beurteilten die Chance auf eine Rekatholisierung des Ortes zwar durchaus differenziert, aber insgesamt als aussichtsreicher. Zeugnis dafür ist ihr bereits zitiertes Gutachten vom Oktober 1607 für die Regierung in Innsbruck: 2 0 0 Es hält eingangs die grundsätzliche herrschaftsrechtliche Legitimation Maximilians zur Rekatholisierung des Ortes unmißverständlich fest. Da Burtenbach - hohe und niedere Obrigkeit hin oder her - im Fürstenthumb Maximilians liege und es eim Regierenden herrn vnd Landtßfürsten in seinem Landt vnd Fürstenthumb die Cathollische Religion Rain vnd durchauß gleich zuerhalten vnd zu manuteriern [!] in albeg beuor stände, sei der Erzherzog auch berechtigt, dem Innhaber Burttenbach, die Catollische Religion anzuenemmen vnd seinen vnderthonen durch Cathollische Seelsorger firzuetragen, [...] aufzuerladen - nicht anders würde es von den benachbarten Fürsten in Württemberg und Pfalz-Neuburg gehandhabt. Nicht ein juristisches Defizit - das Fehlen der Hochgerichtsbarkeit etwa sondern politische Widerstände - nicht nur der protestantischen Stände (die Sectische sambt Irem anhang vnd gehilffen), sondern auch der Insassen und des Kaisers selbst - stellten sich nach A u f f a s s u n g der Beamten in Günzburg der Rekatholisierung entgegen.
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199 200
September 20, fol. 310v, bzw. TLA, GR, A/E, 1610 September 20, sowie TLA, GR, K/A, 1611 Januar 24 und März 18; StAA, VÖ, Lit. 653, 1612 Oktober 5, fol. 360r; StAA, VÖ. Lit. 653, 1617 März 6, fol. 430 v ; StAA, VÖ, Lit. 653, 1617 August 26, fol. 432'). Vgl. die Erteilung einer Antwort 1617 März 6 (StAA, VÖ, Lit. 653, fol. 430') auf eine Anfrage von 1616 März 15 nach einer Anmahnung von 1617 Februar 22. Daraus erklären sich eine Reihe wiederholter Anfragen, z.B. 1610 Dezember 16 die Wiederholung einer Anfrage von 1610 September 9 (StAA, VÖ, Lit. 653, 1610 September 20, fol. 310v, bzw. TLA, GR, A/E, 1610 September 20, sowie TLA, GR, K/A, 1611 Januar 24). Tadelnd etwa wird in Innsbruck eine Anfrage Karls zu den in der Vergangenheit getroffenen Maßnahmen und Anordnungen gegen die Aufrichtung von Grenzsäulen mit der Bemerkung quittiert, es wäre gut gewesen, daß Eur F G. in specie angedeüt hellen, was für ain beuelch solliches aigentlich gewest vnd zu was zeit derselb ergangen seye, damit man desto beßer nachsuechen mögen. Gleichwohl obsiegte bereits zu des Markgrafen Zeiten die Güte und Menschenfreundlichkeit des Innsbrucker Archivpersonals, das der mangelnden verwaltungstechnischen Geschmeidigkeit seiner transalpinen Bittsteller zu keiner Zeit anders denn dienstfertig zu begegnen wußte: yedoch aber haben wir nachsehen lassen (StAA, VÖ, Lit. 653, 1612 Oktober 5, fol. 360r). TLA, GR, K/A, 1611 März 18. Etwa an Dr. Georg Wagner, der alle nottwendige Information erteilen könne (StAA, VÖ, Lit. 653, 1610 September 29). Kap. C. 3.2. TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1607 Oktober 25.
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Scheitern würde das Unternehmen aber auch daran nicht, falls, ja falls man nur auf österreichischer Seite die einmal eingeschlagene Politik gegen alle Widerstände constanter Exequierte. In diesem Hinweis artikuliert sich schließlich die Kritik der burgauischen Administration an einer inkonsistenten Innsbrucker Konfessionspolitik, wenigstens aber ihre Skepsis, ob Österreich in der Markgrafschaft wirklich fähig oder willens wäre, den erwarteten Widerständen zu trotzen. - Im Falle Lützelburgs etwa hatten letztlich die Beamten in Günzburg unter den widersprüchlichen Vorgaben aus Innsbruck zu leiden, waren sie hier doch von der Regierung wiederholt fur etwas getadelt worden, was auszufuhren ihnen eben noch befohlen worden war.201 - Indes im entscheidenden Moment von der Execution abzustehen, brächte mehr Schaden denn Nutzen, nicht nur für das Prestige des Regenten, dem solches vercleinerlich wäre, sondern auch im Hinblick auf die konfessionelle Lage in der Markgrafschaft insgesamt, denn dies könnte auch den andern wideriger religion erst ein Herz vnd Frolockhen causiern.202 Aufgrund dieser Einschätzung nimmt es nicht wunder, wenn man in Günzburg grundsätzlich mehr Sympathie für offensives Vorgehen hegte. Das belegt im Falle Burtenbachs nicht zuletzt das mehr oder weniger eigenmächtige Vorgehen der Amtleute gegen die Feiertagsarbeit auf den Feldern des Marktes nach dem Tod Markgraf Karls:203 Bereits 1619 wurden die Beamten dafür von Innsbruck getadelt und zur Zurückhaltung aufgefordert. 204 Dennoch wiederholten sie ihr Vorgehen erneut im Juli 1624: Im Vorfeld des Festes Maria Magdalena (22. Juli) drohten sie Hans Sebastian Schertlin d.J. wieder mit Strafmaßnahmen gegen arbeitende Burtenbacher. Den daraufhin von Schertlin erwirkten Befehl der Innsbrucker Regierung, α inen vnuergriffnen stillstandt zu halten - eine Wiederholung der Anordnung von 1619 -, 205 ignorierten die Beamten in Günzburg schlichtweg und schickten den Landvogtknecht an Maria Magdalena mit einer großen Zahl Bewaffneter - 35 Mußquetierern - auf die Suche nach arbeitenden Burtenbacher Bauern. Unverzüglich richtete Schertlin eine neuerliche Beschwerde an die oberösterreichische Regierung, die daraufhin erneut die burgauischen Amtleute zur Ordnung rief. Die Unbotmäßigkeit aber, gleich zwei Befehle offenkundig mißachtet zu haben, registrierte man in Innsbruck deutlich mit nicht zu geringem befrembden.206
201 202 203 204 205
206
Vgl. Kap. Β. I. 1.8.4. TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1607 Oktober 25. Vgl. Kap. Β. I. 4.4.3. StAA, VÖ, Lit. 653, 1619 August 29, fol. 473 r . StAA, VÖ, Lit. 654, 1624 Juli 12, fol. 20Γ; in Abschrift an Hans Sebastian Schertlin d.J.: StAA, VÖ, Lit., 1624 Juli 15, fol. 2 0 Γ . StAA, VÖ, Lit. 654, 1624 Juli 27, fol. 205 v ; in Abschrift an Hans Sebastian Schertlin d.J.: StAA, VÖ, Lit., 1624 Juli 27, fol. 206 r .
Burtenbach
4.6
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Die Rolle der Bevölkerung im Konfessionskonflikt
A n d i e s e r Stelle soll n i c h t d e r V e r s u c h u n t e r n o m m e n w e r d e n , d i e H a l t u n g d e r B u r t e n b a c h e r U n t e r t a n e n z u m k o n f e s s i o n e l l e n W e c h s e l u n d ihr V e r h a l t e n in z e i t licher D i f f e r e n z i e r u n g zu erfassen. D a s hier ausgewertete Archivmaterial
vor-
n e h m l i c h ö s t e r r e i c h i s c h e r P r o v e n i e n z g i b t d a z u e i n e zu s c h m a l e B a s i s a b , v o r allem aber bleibt die detaillierte A n a l y s e A u f g a b e einer Studie zur lutherischen Konfessionalisierung Burtenbachs. Sie wird mit Bestimmtheit zu einer Revision des einseitig positiv gezeichneten Bildes führen, das bislang die Vorstellungen v o m V e r h ä l t n i s z w i s c h e n O r t s h e r r e n u n d U n t e r t a n e n n i c h t n u r in k o n f e s s i o n e l l e r H i n s i c h t prägte. 2 0 7 V o n I n t e r e s s e i m Z u s a m m e n h a n g d i e s e r A r b e i t - u n d d u r c h d a s k o n s u l t i e r t e Q u e l l e n k o r p u s a u c h e r f a ß b a r - ist j e d o c h d i e F r a g e , o b u n d a u f w e l c h e A r t u n d W e i s e es z w i s c h e n d e n V o r s t e l l u n g e n d e r B e v ö l k e r u n g u n d d e r österreichischen Konfessionspolitik zu Interferenzen kam. E i n Z u s a m m e n h a n g ist 1 5 7 9 in e i n e r E m p ö r u n g d e r B u r t e n b a c h e r U n t e r t a n e n a u s z u m a c h e n . Z u ersten U n r u h e n k a m es noch im Januar des Jahres. Sebastian S c h e r t l i n w a r erst 14 M o n a t e z u v o r , 1 5 7 7 N o v e m b e r 18, g e s t o r b e n , sein S o h n H a n s Sebastian d.Ä. ( 1 5 2 3 - 1 5 9 6 ) hatte die N a c h f o l g e angetreten.208 Die meisten der den U n r u h e n z u g r u n d e l i e g e n d e n B e s c h w e r d e n b e z o g e n sich denn auch z w a r a u f die Z e i t d e r H e r r s c h a f t S e b a s t i a n S c h e r t l i n s , g l e i c h w o h l d ü r f t e d e r
Herr-
s c h a f t s w e c h s e l A n l a ß f u r d i e U n r u h e n g e w e s e n sein - o b m a n n u n v o m N a c h f o l -
207
208
Vgl. etwa die resümierende Bewertung Sebastian Schertlins bei Alfred Brüderlein, evangelischer Pfarrer zu Burtenbach (1948-1963): „Burtenbach hatte es jedenfalls nicht zu bedauern, daß Sebastian Schertlin sein Gutsherr wurde. Er sorgte im besten Sinne für das Wohl seiner Untertanen, indem er ihre leiblichen und sittlichen Zustände förderte, dem Ort ein Rathaus und eine Schule baute, die Kirche erneuerte und in teueren Zeiten seinen Bauern Getreide zu günstigen Preisen verschaffte" (Brüderlein, Burtenbach, S. 24). Daß die rege Bautätigkeit Sebastian Schertlins den Bewohnern Burtenbachs „finanzielle Vorteile und einen bescheidenen Wohlstand" bescherte (W. Gruber, Schertlin, S. 22), hatten die Zeitgenossen so noch nicht erkannt. Sie klagten im Gegenteil vehement über vermehrte Abgaben und Dienste. Auch der Behauptung Schertlins, zum Neubau des Rathauses in Burtenbach habe ain gmaind gar nichts darzu gethon, dann das hollz vnd stain darzu gefiert, vnnd die hanndknecht oder langer dargegebenn (Schönhuth, Leben, S. 114; vgl. danach die Darstellung bei W. Gruber, Schertlin, S. 24) wirft angesichts der Beschwerdeartikel der Gemain zu Burttenbach Zweifel auf (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos 132 (1), 1579 März 27; darin unter anderem auch Klagen, die Gemaines Marckhts Rathauß betreffen). Diese Beschwerden beantwortete der Sohn und Nachfolger Sebastian Schertlins, Hans Sebastian d.Ä. (1523-1596), indem er die Gemeinde bei währender Verhandlung 1579 Juli 1 zusammen mit einigen Standesgenossen vom Adel überfiel und blutig unter den Versammelten wütete: Ein Untertan wurde erschossen, wer nicht fliehen konnte, gefangengenommen, die Häuser der Untertanen geplündert (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos 132 (1), 1579 Juli 3, sowie Juli 20). Aus einem von Herzog Albrecht in seinem Schreiben an die Schertlisch Burgerschafft deß Marckhts Purttenpach referierten Brief Schertlins an ihn geht hervor, daß bereits 1578, also kurz nach dem Tod Sebastian Schertlins, ein Vergleich zwischen Herrschaft und Untertanen geschlossen wurde ( TLA, HR, Sei. Ferd., Pos 132 (1), 1579 Februar 10). - Zu Hans Sebastian Schertlin d.Ä. Nebinger, Schertel, S. 8f.
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Fallstudien
ger eine B e h e b u n g der K l a g e n eher erwartete oder einer b e f ü r c h t e t e n Verschlechterung zeitig zu steuern beabsichtigte. I n s g e s a m t thematisieren die 2 9 Beschwerdeartikel einer Ersamen Gemain zu Burttenbach [...] gegen vnd wider Ir herrschafft daselbst die erhöhte wirtschaftliche Belastung der U n t e r t a n e n durch A b g a b e n u n d Dienste. D i e ersten acht beschwerdt articul b e t r e f f e n dabei z w a r kirchliche, nicht aber d o g m a t i s c h e Fragen. Sie stehen in Z u s a m m e n h a n g mit der durch die R e f o r m a t i o n bedingten finanziellen N e u o r d n u n g der kirchlichen u n d pfarrlichen E i n k ü n f t e sowie der Bes o l d u n g der Kirchendiener. 2 0 9 In ihnen artikuliert sich nicht nur vordergründig der W u n s c h nach finanzieller Entlastung, sondern darüber hinaus die k o m m u n a l e G e g e n k o n z e p t i o n zu einer obrigkeitlich verfaßten Kirche, w a s freilich nicht gleichzusetzen ist mit einer O p t i o n f ü r den katholischen G l a u b e n . D e n n o c h k a m auf seiten Österreichs dieser G e d a n k e auf: A n f a n g Februar 1579 berichteten Landvogt Karl W e l s e r u n d Rentmeister Isaak H a n Erzherzog Ferdinand, a m 24. Januar, e i n e m Samstag, seien fast alle Untertan e n Schertlins - 140, 130 oder 119 an der Z a h l - ausgetreten in der Absicht, sich n a c h M ü n c h e n zu H e r z o g Albrecht V. ( 1 5 5 0 - 1 5 7 9 ) - e i n e m der L e h e n s h e r r n
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Die undatierten Beschwerdeartikel der Burtenbacher Untertanen sind Anlage zu einem Schreiben der Statthalter, Amtsverwalter, Regenten und Räte der oberösterreichischen Lande an Erzherzog Ferdinand (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos 132 (1), 1579 März 27). Die ersten acht Artikel lauten: Anfangs: wiewol diß orths gemainer Marckht von Alters mit ainem Gottshauß versehen gewest, So hat doch herr Schertie seliger dißer orten ein Neue Kirchen Aufferpaut vnd ein Taffei aufmachen lassen, als hab er solche Kirchen allein erpaut vnd verlegt, So hat doch Gemainer Marckt nit allein 300 fl. an gelt bezalt, sonder auch mit faren vnd handarbait allerlaj Scharwerch damit zuebringen miessen. - Am andern: wiewol vor Jarn von dem widern Zehent vnd andern Geistlichen einkhommen die Kirchendiener ohne der gemain sonderbare außgab Ir einkhommen gehabt, So hat es doch auch iezt dise gelegenhait damit, als nemlich das herr Schertlin von dem widenpaurn die gult, deßgleichen allen zehenden (außgenomen den klainen) allein einnimbt vnd dem herrn Prediger seines gefallens ein benants gibt. - Zum dritten: obwol vor Jarn fur den klainen Zehent 15 kr. geben worden, So ist solches Jezundt auf 30 kr. gesezt vnd auch die Jenigen, so gar nichts zupauen oder ainiche gärten nit haben, 4 kr. fur den klainen Zehent geben miessen. - Zum viertten: wiewol das Jerlich einkhommen der Kirchen bey 50 fl. gulten erträgt, so wurt doch daßselbig der Kirchen zue guettem allein nit, sonder in ander weg außgespendt, als dem gerichtschreiber Jerlich 10 fl. geben werden. - Zum Funfften: wiewol es bey vns diser Zeit nit gebreuchig, weytter zu opffern, so miessen wir doch die Kirchen Laib als ye ainer Zehen oder 12 geben, von welchen halber thail dem gerichtschreiber, der vbrig halb thail dem Prediger vnd Armen leuthen zugehörig ist. - Zum Sechsten: miessen wir Jerlich von vnserm gelt 30 fl. den Kirchendiener [!] auß vnserm Seckhl bezalen, welches vor auch nie gewest, dan dieselbige von Zehent alzeit erhalten worden. - Zum Sibenden: obwol vor Jarn den Flax Zehent die Kirchendiener auf Iren Costen selbst eingethon vnd gearbait, herr Schertl auch seliger denselben eingethon, so sollen wir dißen iezt vmb sonst arbaiten vnd zurichten. - Zum Achten: wiewol wir Kirchhojfs gnueg gehabt hetten, wir auch denselben erpaut vnd weitter gemacht, so haben doch wir herrn Schertls Angefangnen Gottsackher erpauen, darzue Stain, Kalch, Sandt vnd andere notturfft gefuert vnd vber solche Scharwerch gelt noch darzue bezallen mießen.
Burtenbach
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Schertlins - 210 aufzumachen. Drej vom Adel mit zehen pferdten seien ihnen nachgeeilt, ohne sie jedoch aufhalten oder zur Umkehr bewegen zu können. Sollten sie bei Albrecht keine Hilfe finden, wollten die Untertanen weiter zu Erzherzog Ferdinand nach Innsbruck ziehen.211 Zunächst jedoch hatten sie sich lediglich in die benachbarte Herrschaft Thannhausen 212 begeben und im Ziemetshauser Wald mehrfach Versammlungen abgehalten.213 Bemerkenswert sind nun die Vermutungen, die über die Gründe für ihr Verhalten angestellt und von den burgauischen Beamten aufgegriffen werden: Die vrsach, wie man vnß anzaigt, sollen sie ein Catholischen priester begern vnd nit mer vnder dem Lutterthumb sein wollen.214 Auf die schriftlich niedergelegten Beschwerdeartikel der Burtenbacher Untertanen konnte sich diese Vermutung zwar nicht beziehen. Mag sie nun aber einen realen Hintergrund gehabt haben oder auch nur der Wunsch Vater des Gedankens gewesen sein - die Frage, welche Konsequenzen daraus gezogen wurden, ist in jedem Falle aufschlußreich für die österreichische Politik in der Markgrafschaft. Der Kommentar der Beamten weist Erzherzog Ferdinand sogleich auf zwei mögliche Anknüpfungspunkte hin - ohne allerdings denkbare Konsequenzen für die österreichische Politik daraus abzuleiten. Zum einen nämlich sei Ferdinand doch gleichfalls nit wenig daran gelegen, vnd yetzunder des Lutterischen predicanten abkomen möchten, zum anderen sei es Auch nit wol zugestaten, das hochermelter Herzog in Bayrn etc. in der Marggrafschafft Burgaw sich eintringe oder Ordnung geb.215 Die Vorgänge in Burtenbach und ihre - vermuteten - Hintergründe tangierten mit anderen Worten in religiös-konfessioneller und in politischer Hinsicht die Interessen Österreichs. Die politischen Implikationen der - unterstellten - religiös-konfessionellen Interessenkonvergenz zwischen Untertanen und Erzherzog Ferdinand gewannen dabei rasch dominante Bedeutung für die Wahrnehmung auf österreichischer Seite. Schon Landvogt und Rentmeister in Günzburg mahnten erneut in einem Schreiben an Erzherzog Ferdinand216 und an die oberösterreichische Regierung,217 sollte Herzog Albrecht von Bayern als Beauftragter einer kaiserlichen Kommission mit der Vergleichung zwischen Schertlin von Burtenbach und seinen Untertanen betraut werden, würde der Markgrafschaft Burgau an ihrer landesfurstlichen 210
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Vgl. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos 132 (1), 1579 Februar 10 (Schreiben Albrechts an die Scherllisch Burgerschafft deß Marckhts Purttenpach). TLA, HR, Sei. Ferd., Pos 132(1), 1579 Februar 3. Damals (1560-1615) im Besitz der Baumgartner, jedoch verpfändet an Philipp bzw. Johann Adam von Bicken (A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 758f.). TLA, HR, Sei. Ferd., Pos 132 (1), 1579 Februar 10 (Schreiben Albrechts an die Schertlisch Bargerschafft deß Marckhts Purttenpach). TLA, HR, Sei. Ferd., Pos 132 (1), 1579 Februar 3; vgl. dieselbe Mutmaßung TLA, HR, Sei. Ferd., Pos 132 (1), 1579 Februar 6, sowie 1579 Februar 10. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos 132 (1), 1579 Februar 3. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos 132 (1), 1579 Februar 6. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos 132 (1), 1579 Februar 4, ebenso nochmals 1579 Juli 29.
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Fallstudien
Obrigkeit Abbruch getan. Die Bedenken wandten sich dabei zum einen speziell gegen die Rolle des Wittelsbachers, der sich in die Markgrafschaft eintringe oder Ordnung geb2is - wie ja die konkurrierenden Ambitionen Bayerns westlich des Lechs von Habsburg grundsätzlich mit Sorge betrachtet wurden;219 zum anderen befürchtete man, durch die Tätigkeit einer kaiserlichen Kommission würden Rechte der Markgrafschaft zugunsten des Reiches preisgegeben. So hieß es mit Bezug auf konkrete juristische Argumente wenig später - Albrecht war bereits aktiv geworden: Da sich die Beschwerden auch auf Streitgegenstände, etwa Äcker, außer Etters von Burtenbach, wo doch zweifellos der Markgrafschaft die Gerechtsame zustünden, bezogen hätten, sei die Vermittlungstätigkeit einer kaiserlichen Kommission unter Vorsitz Albrechts rechtlich inkorrekt gewesen.220 Der Hofrat Ferdinands Schloß sich in einem Gutachten für den Regenten vom Februar 1579 den Bedenken der burgauischen Beamten an, schlug nun aber keineswegs vor, der Erzherzog solle in die Offensive gehen und die Rolle des Schiedsrichters an sich ziehen, sondern legte ihm nahe, die Burtenbacher Untertanen auf ihrem möglichen Zug nach Tirol an den entsprechenden Grenzen zurückschicken zu lassen und sie aufzufordern, sich schriftlich oder durch eine Gesandtschaft an Erzherzog Ferdinand zu wenden.221 Dazu kam es nicht. Vielleicht lag Rudolf II. (1576-1612) daran, nicht in den Verdacht zu geraten, kaiserliche Macht zugunsten der Stellung seines Hauses in der Markgrafschaft auszunutzen, vielleicht auch hatte sich Erzherzog Ferdinand in vorauseilender Vorwegnahme der kaiserlichen Position erst gar nicht um eine Vermittlerrolle bemüht - jedenfalls wurde Herzog Albrecht trotz der Bedenken in Günzburg und Innsbruck mit der Leitung einer kaiserlichen Kommission betraut, die schließlich Verhandlungen zwischen den Burtenbacher Untertanen und Hans Sebastian Schertlin d.Ä. einleitete. Eine dieser Verhandlungen nahm ein blutiges Ende: 1579 Juli 1 griffen der Ortsherr selbst, sein Großcousin Ludwig Schertlin von Binswangen und dessen Sohn Hans Ludwig,222 Egolf von Riedheim zu Remshart und sein Sohn, ferner Dr. Georg Tradel, juristischer Ratgeber Schertlins aus Augsburg, 223 sowie Graf Schweikhart von Helfenstein zusammen mit etlichen Einspännigen von Augsburg, etwa 14 Pferden und 40 oder mehr Landsknechten bei währenden Verhand-
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TLA, HR, Sei. Ferd., Pos 132 (1), 1579 Februar 3. P. Blickle/R. Blickle, Schwaben, S. 27-31. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos 132 (1), 1579 Juli 20. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos 132 (1), 1579 Februar 10. Zu ihm Öhlschläger, Binswangen, S. 34f. Ludwig Schertlin muß besonderes Verständnis für seinen Verwandten gehabt haben. Denn auch er hatte den Widerstand seiner Untertanen gespürt - und unterdrückt - , als er in den Jahren 1570-1573 in Binswangen ein neues Schloß errichten ließ (Öhlschläger, Binswangen, S. 41, 51-53). Zu Georg Tradel (1524-1598) Stetten, Lebensbeschreibungen, S. 195-220; Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 154 und 190 Anm. 155; Warmbrunn, Konfessionen, S. 369, 371; SiehBurens, Verflechtung, S. 193.
Burtenbach
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lungen mit der Herrschaft die versammelten Untertanen an.224 Einer von ihnen wurde erschossen, wer nicht fliehen konnte, gefangengenommen, die Häuser der Untertanen geplündert.225 Die Überlegungen in Innsbruck, wie diese Lanndtfridprüchige Thatt vnnd hanndlung durch die Markgrafschaft Burgau zu ahnden sei, spitzte sich sogleich zur Frage zu, ob sie überhaupt in Erzherzog Ferdinands Lanndsfürstlicher Oberkait geyebt vnnd volbracht wurde; eine Frage, die angesichts der widerstreitenden Befunde - Zahlung des Feuerstattguldens versus reichslehenbarer Blutgerichtsbarkeit - wiederum in Aporie endete226 und zur Agonie der österreichischen Politik führte: Nicht einmal der Plan, Ludwig und Hans Ludwig Schertlin von Binswangen, da sie auf ihrem Weg nach Burtenbach zweifelsohne burgauisches Territorium passiert hätten, beim Betreten der Markgrafschaft in Arrest zu nehmen und mit einem abtrag zu bestrafen, 227 wurde - jedenfalls nach Lage der Überlieferung - ausgeführt. Als nahezu zweieinhalb Jahre [!] nach dem Vorfall in Innsbruck die angeforderten kaiserlichen Lehenbriefe eintrafen, um die Frage der hohen Obrigkeit in Burtenbach zu klären, legte man die Angelegenheit abschließend zu den Akten, weil die Sachen zimblich lanng angestannden vnnd albrait ain guette Zeit fürüber vnnd verflossen, auch seitheero etliche Personen, so in diser hanndlung verwanndt gewest, Tods verschiden vnnd zum tail sonnsten weckh zogen, dardurch sich dann die Sachen seitheero nit wenig verenndert haben möchte, vnnd dann auch E.F.D. mit den Innsässen vnnd begüeteten ermelter Marggrafschafft Burgaw der strittigen Lanndsfürstlichen oberkhait auch annderer mer spenn halben in güettlicher Taractation vnnd hanndlung steet.228 Mit dem Ratschlag der Regierung, das E.D. dise sachen gegen Ime, Schertlin, vnnd seinen mitconsorten nach der Zeit einstellen vnnd dieselb auch zu der beuorsteennden güettlichen hanndlung khomen,229 verlieren sich die Nachrichten über den Vorfall.230
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Es handelte sich ausdrücklich nicht um eine bloße Versammlung der Untertanen zu Beratungen gegen die Herrschaft, sondern um eine Verhandlung mit Hans Sebastian Schertlin d.Ä. Vgl. die Beschreibung des Vorgangs (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos 132 (1), 1579 Juli 3 sowie Juli 20). TLA, HR, Sei. Ferd., Pos 132 (1), 1579 Juli 14 sowie 1579 Juli 20. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos 132 (1), 1579 Juli 14. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos 132 (1), 1582 April 9. Gemeint sind vermutlich die Verhandlungen zwischen der Markgrafschaft Burgau und ihren Insassen, die 1583 - wie schon 1576 - ebenfalls in Donauwörth geführt wurden und den Entwurf der 1587 ausgefertigten Burgauischen Interimsmittel hervorbrachten (A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 58f.). TLA, HR, Sei. Ferd., Pos 132 (1), 1582 April 9 (die Lehenbriefe waren 1579 August 6 angefordert worden).
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Fallstudien
Wie in einem Brennglas werden in diesen Vorgängen noch einmal die beobachteten strukturellen Probleme der österreichischen Politik in Burtenbach zusammengeführt: Inkongruenz bzw. Inkompatibilität der Ziele Habsburgs im Reich und in den Erblanden, vermutlich dadurch (mit)bedingte Defizite in der Kommunikation zwischen den unterschiedlichen habsburgischen Administrationen - in diesem Fall zwischen Prag und Innsbruck - und nicht zuletzt Fixierung auf juristisch konsistente Handlungsoptionen (Legalismus). Besonders letzteres mag mit ein Grund dafür gewesen sein, daß die österreichische Politik unter Erzherzog Ferdinand II. (1564-1595) mit der Empörung der Burtenbacher Untertanen auch in konfessioneller Hinsicht nichts anzufangen wußte, obwohl man von einer religiösen Motivation des Aufstandes ausging. Möglichkeiten, die vermutete und vielleicht partiell tatsächlich gegebene Interessenkonvergenz mit den Anliegen der Untertanen, etwa durch die energische Einforderung einer burgauischen Vermittlerrolle wenigstens zu einem Prestigegewinn für die Markgrafschaft zu nutzen, blieben unbeachtet. Man hat vielmehr etwa bei dem Ratschlag, die Burtenbacher gegebenenfalls von den Grenzen nach Tirol zurückzuweisen - den Eindruck, um es pointiert zu formulieren, als habe Ferdinand und seinen Hofrat mehr die Vorstellung geschreckt, die Untertanen könnten ihre konfessionellen Anliegen, selbst in katholischem Sinne, aktiv verfechten, als daß sie die Hoffnung auf konfessionellen Zugewinn bewegte.
5. Das Zurückdrängen reformatorischer Ansätze in Burgwaiden, Pfersee, Bocksberg, Laugna und Emersacker 5.1 5.1.1
Burgwaiden (1605-1608) Burgwaiden und Karl Rehlinger
Aufgrund seiner Nähe zur Reichsstadt Augsburg - das Dorf liegt etwa 13 Kilometer südwestlich der Stadt im Gebiet der Stauden - sind in Burgwaiden, so lange sich dies zurückverfolgen läßt, Augsburger Klöster und Bürger begütert. Seit dem ausgehenden 11. Jahrhundert hatte sich das Benediktinerkloster St. Ulrich zum Hauptgrundbesitzer im Dorf entwickelt. Von ihm wie auch vom ebenfalls dort begüterten Augustinerchorherrenstift St. Georg hatte 1506 Ambrosius Hoechstetter alle Güter und Rechte erworben. 1 Infolge des finanziellen Zusammenbruchs der Firma2 mußte der Ort 1529 zunächst - an Raymund und Hieronymus Fugger verpfändet, 1570 schließlich - an Georg von Stetten - verkauft werden. Von ihm gelangte Burgwaiden 1604 an Karl Rehlinger, der es 1629 an die weiterveräußerte.3 1605 wird Burgwaiden beschrieben als ein kleines dorflein, so rings weiß ein weges darumb gehet vnd einem burger in Augspurg, vom geschlecht ein Rehlinger, zugehörig. Sonsten darinen zwölf feurstatten sambt einem Kirchlein.4 Der geringen Größe und Bedeutung des Dorfes widersprach die großzügige Ausstattung seiner Ortsherren mit Herrschaftsrechten - oder vermutlich treffender: die geringe Größe des Dorfes wirkte Vorbehalten gegen eine großzügige Belehnung der Herrschaftsinhaber mit hoheitlichen Rechten entgegen und ermöglichte so 1518 die Übertragung von Hochgericht und Niedergericht an Ambrosius Hoechstetter, die Maximilian I. als Erzherzog und als Markgraf von Burgau, bzw. die Belehnung mit dem Blutbann, 5 die er als Kaiser vornahm. Die 1559 ausge1 2 3
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Kern, Höchstetter, S. 21 f. Kern, Höchstetter, S. 30-35. Ausführlicher zur Besitzgeschichte A. Schröder, Bistum, Bd. 9, S. 283-285; Jahn, Augsburg-Land, S. 464f.; L. Wiedemann, Burgwaiden, S. 877-880. TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1605 Dezember 5 (Bericht des burgauischen Landvogtknechtes). - Nebinger/Schuster, Feuerstattguldenregister, S. 95, erwähnt nur eine Feuerstelle in Ettenhofen (so der bis zu Beginn des 16. Jahrhunderts gebräuchliche Name des Ortes), und zwar im Besitz des Augustinerchorherrenstifts St. Georg in Augsburg, ausgegeben als Lehen an Hanns Lusterer; noch für die Zeit um 1934 verzeichnet A. Schröder, Bistum, Bd. 9, S. 283, lediglich 17 Sölden und 82 Einwohner im Dorf. Der „Galgenberg" in Burgwaiden bezeugt noch heute dieses vormalige Recht der Ortsherren (A. Schröder, Bistum, Bd. 9, S. 284 Anm. 31).
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Fallstudien
stellte kaiserliche Urkunde bestätigt den Besitz dieser Rechte ebenso w i e die 1604 Karl Rehlinger erteilte Konfirmation seiner Privilegien, 6 die sein Schwager, Zacharias Geizkofler (Reichspfennigmeister 15 89-1604), 7 beim Kaiser befördert haben mag. 8 Während jedoch die Inhaber Burgwaldens als Ortsherren seit Ambrosius Hoechstetter die Fülle nieder- und hochgerichtlicher Rechte in ihren Händen hielten, krankte das Dorf an einem defizitären oder wenigstens umstrittenen kirchlichen Status. Längstens bis 1150 hatte das Dorf mit seiner Kirche als Filiale zur Pfarrei Bobingen gehört, dessen Pfarrkirche seit 1090 im Besitz des Benediktinerklosters St. Ulrich in Augsburg war. Aufgrund seines dreißigjährigen unangefochtenen Besitzes wurde jedoch dem Augustinerchorherrenstift St. Georg 1180 „das freie Eigentum und Besitzrecht der Kirche" zu Burgwaiden durch Bischof Hartwig von Lierheim zugesprochen, alle anderen Ansprüche - die des Pfarrers
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Diese Rechte wurden auch den Erben Hoechstetters als Inhabern von Burgwaiden zugesprochen. Der vom Reich zu Lehen rührende Blutbann sollte durch einen Amtmann und Richter und zwölf Urteilssprecher ausgeübt werden, das Regiment in Innsbruck als Berufungsinstanz fungieren (A. Schröder, Bistum, Bd. 9, S. 284; Jahn, Augsburg-Land, S. 465). Eine vidimierte Abschrift der Konfirmation seiner Privilegien von 1604 November 30 (Innsbruck) hatte Karl Rehlinger 1606 November 14 den burgauischen Amtleuten übersandt mit der Bitte, Ine darwider nit zuebeschwären (TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1607 Oktober 25, Bericht der Amtleute an die Regierung in Innsbruck). Nicht korrekt gibt ein im ABA überlieferter Druck die Besitzverhältnisse wieder (Gründlichhistorischer Bericht von der Kayserlichen und Reichs Landtvogtei in Schwaben wie auch dem Kayserlichen Landtgericht auf Leutkircher Haid und in der Pirß. Aus den bewährtesten Geschichts-Schreibern und ccLXXV meistentheils noch unedirten Archival-Urkunden zusamen getragen/ samt einer Tabula Geographica vom Bezürck der Landtvogtey/ der Leutkircher Haid und der Pirß/ wie auch den altern und neuern Landtgerichtlichen Insigeln. Getruckt im Jahr 1755; darin unter Num. III Beschreibung der so genandten Schwaben Lehen des Hauses Oesterreich von Michael Lautherio geweßten Landtschreibern Anno 1594), da er für das Jahr 1594 den Blutbann zu Burgwaiden den Rehlingern zuschreibt, die aber erst 1604 in den Besitz des Ortes gelangten. Bis dahin und seit 1570 befand sich Georg von Stetten im Besitz Burgwaldens. - Erst beim Erlöschen der Linie Fugger-Wellenburg (1764) und dem Übergang der Herrschaft Wellenburg an die Linie Fugger-Babenhausen zog die Markgrafschaft das Hochgericht an sich (A. Schröder, Bistum, Bd. 9, S. 285; Jahn, Augsburg-Land, S. 465, 559; vgl. L. Wiedemann, Burgwaiden, S. 883f.). Maria Rehlinger, die Schwester Karls, hatte 1591 Zacharias Geizkofler geheiratet (SiehBurens, Verflechtung, S. 267 Anm. 532; zu Zacharias Geizkofler Joh. Müller, Geizkofler; Blendinger, Geizkofler; zu seinem Verhältnis zu Augsburg W. Schulze, Augsburg, S. 440). So die Vermutung des erzherzoglichen Rates Dr. Georg Wagner in einem Schreiben an die Regierung in Innsbruck (TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 2, 1607 November 2). - An Zacharias Geizkofler wandte sich Karl Rehlinger auch im Konflikt um die verweigerte katholische Beerdigung eines Burgwaldener Untertanen mit der Bitte, ihn bei Erzherzog Maximilian zu unterstützen, damit ich bej altem Inhaben verbleiben vnd von den Burgauischen beambten deßwegen ferners nit molestiert werden möge (TLA, GR, A/E, 1608 Mai 17). Ein daraufhin Maximilian von Geizkofler zugegangenes Schreiben veranlaßte diesen, ein Gutachten der Regierung über die Angelegenheit anzufordern (TLA, GR, A/E, 1608 Mai 27).
Burgwaiden, Pfersee, Bocksberg, Laugna und
Emersacker
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v o n B o b i n g e n , also der e h e m a l i g e n Mutterkirche, b z w . des Klosters St. Ulrich für „erloschen" erklärt. 9 Zur tatsächlichen W a h r n e h m u n g der pfarrlichen Rechte k a m e s indes aufgrund der v ö l l i g u n z u r e i c h e n d e n Pfründenausstattung auch in der F o l g e z e i t nicht: „das Pfarrlein verschwand".' 0 Unter der B e d i n g u n g , den schadhaften Kirchenbau n e u a u f z u f ü h r e n " und eine Pfründe zu fundieren, 1 2 übertrug das Stift St. G e o r g 1 5 0 6 A m b r o s i u s Hoechstetter das Patronatsrecht für die Kirc h e in B u r g w a i d e n , w o d u r c h der e n t s c h e i d e n d e Schritt zur B e f e s t i g u n g pfarrlicher R e c h t e z w a r getan war - die B e z e i c h n u n g e i n e s A n w e s e n s n e b e n der Kirche als „ P f a r r h o f ' und „Pfarrgarten" n o c h im 17. Jahrhundert s o w i e die E x i s t e n z e i n e s Friedhofes bei der Kirche erinnern an diese v o r m a l i g e n pfarrlichen Rechte. 1 3 D o c h s c h e i n e n Kirche w i e Pfründe unter den protestantischen Ortsherren G e o r g v o n Stetten ( 1 5 7 0 - 1 6 0 4 ) und Karl Rehlinger ( 1 6 0 4 - 1 6 2 9 ) w i e d e r in A b g a n g g e k o m m e n z u sein, 1 4 s o daß sich selbst die D i ö z e s a n v e r w a l t u n g über den kirchlic h e n Status des Ortes i m unklaren war, bis B u r g w a i d e n schließlich unter den Fuggern der Pfarrei Reinhartshausen als Filiale z u g e w i e s e n wurde. 1 5 Im V e r l a u f
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A. Schröder, Bistum, Bd. 9, S. 285; vgl. Jahn, Augsburg-Land, S. 384. A. Schröder, Bistum, Bd. 9, S. 285, vgl. S. 549. Bei M. Wiedemann, General-Schematismus finden sich keine Einträge zu Burgwaiden. Der Neubau der Kirche war vermutlich 1513 abgeschlossen (A. Schröder, Bistum, Bd. 9, S. 286 Anm. 38). Nicht korrekt die Jahreszahl 1505 als Datum für den Bau(beginn) der Kirche bei Kern, Höchstetter, S. 5. - Zur weiteren Baugeschichte der Kirche Dehio, Kunstdenkmäler, S. 218). Die von A. Schröder, Bistum, Bd. 9, S. 2, und ebenso in dieser Formulierung von Karl Rehlinger in einem Schreiben an Erzherzog Maximilian (TLA, GR, A/E, 1608 März 21; vermutlich zitieren beide aus derselben Quelle) genannten Bedingungen - Wiedererrichtung der Kirche oder Fundation - stellen keine Alternative dar. Inhaltlich plausibel ist es, die Erfüllung beider Bedingungen als Voraussetzung für die Übertragung und Ausübung des Patronatsrechtes zu begreifen; auch ist die Verwendungsweise von ,oder' nicht auf Disjunktion beschränkt, sondern kann semantisch konjunktionale Funktion erfüllen (DWB, Bd. XIII, S. 1151-1153). A. Schröder, Bistum, Bd. 9, S. 285 Anm. 35. Die Existenz eines eigenen Friedhofs belegt die ganze nachfolgend zu schildernde Auseinandersetzung um die katholische Beerdigung eines Untertanen von Burgwaiden (explizit z.B. TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1605 Dezember 5). A. Schröder, Bistum, Bd. 9, S. 285f. - In seinem Schreiben an Erzherzog Maximilian beteuert Karl Rehlinger, er wisse von kainem einkomen, so darzue gehörig sein solle, auch sei die Kirche mittlerweile widerumb baufällig worden (TLA, GR, Α/Ε, 1608 März 21). Als 1607 der Siegler vom Domscholaster beauftragt wurde, über die „Kapelle Burgwaiden" zu berichten, konnten die nötigen Informationen deshalb nicht beschafft werden, weil die Siegelamtsakten um 1570 durch einen Brand vernichtet worden waren (A. Schröder, Bistum, Bd. 9, S. 286 Anm. 37). - Mit Bezug auf die nicht näher bestimmte Überlieferung im ABA („Ord.=Arch.") führt Alfred Schröder, Bistum, Bd. 9, S. 286, aus: „Wohin der Ort in Pfarrei und Kapitel gehöre, wußte man um 1600 nicht; der Dekan des Kapitels Kirchheim meldete, Burgwaiden sei nicht seines Kapitels, sondern liege im Gehölz ob Bobingen und werde von den Pfarrern von Reinhartshausen und Döpshofen karitativ versehen, und noch 1623 war der Ort keiner Pfarrei zugeteilt, und die Seelsorge lag im Argen". - Reinhartshausen befand sich zwischen 1586 und 1672 im Besitz der Fugger-Kirchheim, denen auch das
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Fallstudien
des konfessionellen Konfliktes um die katholische Beerdigung eines Burgwaldener Untertanen auf dem Friedhof im Dorf sollte der ungeklärte kirchliche Status dann zum Angelpunkt der Auseinandersetzung werden. Nachdem Ambrosius Hoechstetter Burgwaiden 1506 erworben hatte, begann er, den Ort systematisch zu seinem Herrschaftssitz auszubauen: Inmitten eines vom Anhauser Bach gespeisten Weihers ließ Hoechstetter ein Wasserschloß erbauen,16 wovon sich der von nun an programmatisch, also zur Verdeutlichung der Herrschaftsfiinktion des Sitzes, verwendete Ortsname „Burgwaiden" - vormals hieß das Dorf weniger repräsentativ Attenhofen oder Ettenhofen - ableitet.17 Zugleich hatte er das Patronatsrecht für die St.-Veit-Kirche im Ort18 erworben und versuchte, durch den Neubau eines Kirchengebäudes wie auch die Errichtung einer Pfründe, Burgwaiden zur Pfarrei aufzuwerten, was mit einem erheblichen Funktions-, aber auch Prestigegewinn für das Dorf verbunden war. Die Belehnung mit Hoch- und Blutgericht (also der Hochgerichtsbarkeit unter Einschluß der sonst in der Regel der Markgrafschaft Burgau vorbehaltenen Malefizfälle) rundete die hoheitlichen Rechte im Dorf ab. An die Politik, die Bedeutung des Herrschaftssitzes zu mehren, knüpfte auch Karl Rehlinger (1562-1642)19 an. Davon zeugt nicht nur sein Versuch, durch die Anwerbung von Siedlern die Zahl der Untertanen zu mehren;20 auch seine ,Kirchenpolitik' kann als Beitrag zu Erhalt und Ausbau der Eigenständigkeit des Herrschaftssitzes gedeutet werden: Ambrosius Hoechstetter hatte - angesichts der geringen Zahl zehntpflichtiger Untertanen im Dorf unter wohl nicht unerheblichem persönlichen finanziellen Aufwand - durch Kirchenneubau und Einrichtung einer Pfründe pfarrliche Rechte für Burgwaiden erwirken können. Karl Rehlinger wollte diesen kostenintensiven Weg offensichtlich nicht gehen und versuchte gleichzeitig, die Freiheit der Kirche im Dorf von einem Filiationsverhältnis zu sichern, damit gleichzeitig dem Wirken eines katholischen Priesters der Mutterkirche in der St.-Veits-Kirche kein Recht eingeräumt wäre. Folgerichtig behauptete und forderte Rehlinger für die Kirche im Dorf auch nicht den Status einer Pfarrkirche, sondern wollte sie für ein Privat oder Schloß Capellen gehalten wis-
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Patronatsrecht über die Pfarrkirche zustand. Zur Pfarrei Reinhartshausen (und seinen nachmaligen - Filialen) A. Schröder, Bistum, Bd. 9, S. 274-292; Jahn, Augsburg-Land, S. 462-464. Es wurde Mitte des 17. (so Jahn, Augsburg-Land, S. 465) oder 18. Jahrhunderts (so A. Schröder, Bistum, Bd. 9, S. 285) abgebrochen. Jahn, Augsburg-Land, S. 348; dagegen behauptet A. Schröder, Bistum, Bd. 9, S. 283, der Name ,Burgwaiden' sei bereits 1503 erstmals genannt, also zu einem Zeitpunkt, als es noch keine ,Burg' im Dorf gab. 1628, nachdem Burgwaiden von Hieronymus Fugger von Wellenburg erworben und der zwischenzeitlich profanierte Bau neu geweiht worden war, erhielt die Kirche ein neues Patrozinium (,Unsere Liebe Frau und St. Franziskus'); L. Wiedemann, Burgwaiden, S. 884. Zu den Lebensdaten Hildebrandt, Quellen, Nr. 176 Anm. A. Schröder, Bistum, Bd. 9, S. 284.
Burgwaiden, Pfersee, Bocksberg, Laugna und
Emersacker
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sen.21 Auch seine im folgenden dargestellten Versuche, im Dorf - um es vorsichtig zu formulieren - eigene konfessionelle Akzente zu setzen, sind nicht nur n a türliche' Konsequenz der eigenen religiösen Überzeugungen, sondern auch Beleg für die Bereitschaft und den Willen zu größerer herrschaftlicher Durchdringung des Dorfes.
5.1.2
Reformatorische Ansätze und ihr Scheitern
Das Fehlen einer ausreichend fundierten Pfarrstelle engte die Möglichkeiten einer Reformation Burgwaldens grundsätzlich ein. Nichtsdestoweniger sind konfessionelle Akzente nach dem Erwerb des Dorfes dreh Karl Rehlinger unverkennbar. Sie können als erste Schritte hin zur Reformation Burgwaldens gedeutet werden, die durch das Einschreiten Österreichs bzw. der Markgrafschaft Burgau ein vorzeitiges Ende fanden. Vermutlich noch zur Zeit Georgs von Stetten war eine berhiiembte wallfart22 nach Burgwaiden in Abgang gekommen, die an Sanct Veyts tag, so patron in bemelttem Kirchlein gewest, von den vmbsässen gehalten wurde." 3 Karl Rehlinger hatte zu ihrer Wiederbelebung freilich ebensowenig unternommen, wie er den schon zu Zeiten seines Vorgängers unterlassenen katholischen Gottesdienst im Dorf wiederaufgenommen hätte. 24 Stattdessen glaubte 1605 der burgauische Landvogtknecht Hans Rimmele 25 über den Vogt Karl Rehlingers in Burgwaiden zu wissen, er sei Lutterisch und unterstehe sich, die Leuth zue sich zu zihen, um ihnen winckhel predigen zu halten, 26 was dieser allerdings bestritt. 27 Nicht auszuschließen ist auch, daß die Verringerung der Altäre in der Kirche - um 1600 gab es noch drei, 100 Jahre später war dagegen nur noch einer vorhanden - 2 S einen reformatorischen Hintergrund hatte. Daß nach dem Verkauf der Herrschaft an die Fugger die Kirche zudem neu geweiht werden mußte, da sie vormals zu „nichtkirchlichen" Zwecken gedient habe, 29 könnte ebenfalls auf ihre Nutzung zu evangelischen Gottesdiensten in der Zeit Karl Rehlingers als Ortsherr hindeuten.
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TLA, GR, A/E, 1608 März 18. TLA, GR, K/A, 1608 Januar 14; A. Schröder, Bistum, Bd. 9, S. 286, bezieht sich auf einen „Dekansbericht" von 1600, der die Wallfahrt als vormals „von Bobingen und aus der Gegend ringsum viel besucht" schildert; vgl. S. 553. TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1605 Dezember 5. - Die Anfänge dieser Wallfahrt - wohl wenig mehr als die Feier eines Patroziniums (ein Kirchenfest) - liegen im dunkeln, sind aber möglicherweise im Zusammenhang mit den Versuchen des Ambrosius Hoechstetter zu sehen, seinen Herrschaftssitz kirchlich aufzuwerten. TLA, GR, K/A, 1608 Januar 14; TLA, GR, A/E, 1608 März 7. Färber, Burgau, S. 112, erwähnt fur das Jahr 1561 mit dem Landvogtknecht „Cristan Rumelin" vielleicht einen älteren Verwandten des Hans Rimmele. TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1605 Dezember 5. TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1606 Februar 16. A. Schröder, Bistum, Bd. 9, S. 286. A. Schröder, Bistum, Bd. 9, S. 286.
250
Fallstudien
Vor allem aber am Konflikt um die verweigerte katholische Bestattung eines Burgwaldener Untertanen läßt sich das Bemühen des lutherischen Ortsherren erkennen, seine Herrschaft nicht nur gegen fremde - hier: kirchliche - Rechtsansprüche abzusichern, sondern auch die konfessionell katholischen Bindungen seiner Untertanen zu lockern. Im November oder noch Oktober 1605 war Hans Kleber, ein Untertan Karl Rehlingers in Burgwaiden, erkrankt und hatte nach dem Priester von Reinhartshausen, Jakob Haller,30 verlangt, hatte bei ihm gebeichtet und kommuniziert und ihn gebeten, ihn im Falle seines Todes katholisch zu beerdigen, ihm besingnus und Dreißigstgottesdienst zu halten. Als Kleber tags darauf verstarb und der Pfarrer Catholischem brauch nach in seinem Chorrockh vnnd ainer Stola, item mit kreiz, liechtern vnnd weich wasser31 erschien, ihn zu beerdigen, habe ihn der Vogt unter Hinweis auf die mangelnde Berechtigung für diese Beerdigung zum Umkehren veranlaßt. Besingnis und Dreißigstmesse hatte der Pfarrer dann in Reinhartshausen abgehalten.32 Daß es sich bei dem Vorgehen des Vogtes um eine zugleich konfessionell motivierte Maßnahme handelte, wird daraus deutlich, daß dieser sich offenbar vorderhand an den öffentlich demonstrierten Elementen des katholischen Ritus stieß.33 Bei dem Ansinnen des verstorbenen Hans Kleber handelte es sich um eine Neuerung. Das war Pfarrer Haller durchaus bewußt, wenn er gegenüber der Tochter des Verstorbenen einwandte, er habe eigentlich keinen gewalt, alda [in Burgwaiden] zubegraben.34 Denn zwar wurden in Burgwaiden - als Ausfluß seiner pfarrlichen Rechte - Verstorbene im eigenen Friedhof beigesetzt, doch geschah dies ohne jede kirchliche Zeremonie, weder auf dem Friedhof noch in der Kirche selbst: wenn einer sterbe, werde er von seinen nachbarn daselbsten vf dem Kirchhoff vergraben, ohne daß fur ihn Siebendt, besingnus, dreissigsten, noch iahrtag gehaltten werde?5 berichtete der burgauische Landvogtknecht. Offiziell sollten katholische Zeremonien im Dorf also nicht gefeiert werden. Das entschiedene Auftreten des Vogtes von Karl Rehlinger zeigt einerseits das Bestreben der Ortsherrschaft, katholische Glaubenspraxis aus dem Dorf selbst möglichst fernzuhalten, was auf die Vorbereitung einer praktikablen evangelischen Alternative im Ort hindeutet, ohne daß diese je verwirklicht werden konnte. Der Vorgang fuhrt andererseits auch alle Faktoren vor Augen, die der Reformation Burgwaldens entgegenstanden: der problematische kirchenrechtliche Status
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Pfarrer in Reinhartshausen 1602-1609 (M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 808). TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 2, Nr. 7, 1607 November 2. Vgl. den Eintrag im Burgauer Altrepertorium für 1605: Einen abseilen Burgwaiden zur Catholischen Sepultur verweigerten todten Körper (StAA, VÖ und Burgau, Lit. 99), sowie den Bericht des Pfarrers selbst über den Vorgang (TLA, GR, A/E, 1608 März 12). TLA, GR, A/E, 1608 März 12. TLA, GR, A/E, 1608 März 12. TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1605 Dezember 5.
Burgwaiden, Pfersee, Bocksberg, Laugna und
Emersacker
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von Kirche und Gemeinde (1), die religiösen Bedürfnisse der Untertanen (2) und die Präsenz der Markgrafschaft Burgau (Kap. Β. I. 5.1.3). (1) Zwar war der Versuch, eine katholische Beerdigung in Burgwaiden selbst zu feiern, ein Novum. In anderer Weise pastoral im Dorf zu wirken war dem Pfarrer von Reinhartshausen dagegen keineswegs verwehrt: Wann immer ein Burgwaldener Untertan doselbsten in dem gewalt Gottes Ligt vnd des Pfarrhers von Ranertzhaußen mit beicht hören vnd versehung des heiligen hochwirdigen Sacraments begehren thue, So nehme der pfarrher dasselbig aus seiner pfarkirchen vnd gehe mit zweyen Männern dahin vnd versehe den Kranckhen. Daß solche pastorale Versorgung durch den Pfarrer von Reinhartshausen überhaupt erfolgen konnte, lag daran, daß Burgwaiden zu dieser Zeit - um es vorsichtig zu formulieren seine pfarrlichen Rechte faktisch nicht wahrnehmen konnte. Eine fundierte Pfarrstelle, die mit einem evangelischen Prädikanten hätte besetzt werden können, fehlte. Karl Rehlinger konnte lediglich versuchen, offizielle katholische Riten aus Kirche und Friedhof fernzuhalten, indem er St. Veit als seine Privat oder Schloß Capellen interpretierte und auf sein alleiniges Patronatsrecht pochte. 36 Damit aber war dem Reinhartshauser Pfarrer der Weg ins Dorf und zu den Untertanen Karl Rehlingers nicht gänzlich verschlossen, und eine völlige konfessionelle Abschottung der Herrschaft war so nicht zu erreichen. Daß die pfarrlichen Rechte Burgwaldens faktisch ruhten, mußte einer erfolgreichen Reformation des Dorfes von vornherein entgegenstehen. (2) Den geschilderten Versuchen Karl Rehlingers, das Dorf in seinem Sinne konfessionell zu prägen, widersprachen aber auch die anders ausgerichteten religiösen Bedürfnisse der Menschen. Die verweigerte katholische Beerdigung für Hans Kleber stellte - so vermutete man auf österreichischer Seite - wohl keinen Einzelfall dar und wurde als Indiz dafür gewertet, daß dergleichen actus mehr fiirgehendt und die bawren daselbsten durch solche von der Catholischen Religion abgehaltten werden.11 Anders gewendet: der Wunsch nach einer kirchlichen (katholischen) Begräbnisfeier war - jedenfalls nach Ansicht der konfessionellen Gegenseite - im Dorf verbreitet. Auch die unbehinderten Versehgänge des Pfarrers von Reinhartshausen hinüber nach Burgwaiden deuten in diese Richtung. 38 Dabei wurde katholische Liturgie aber nicht erst im Angesicht des Todes nachgefragt, vielmehr berichtet der burgauische Landvogtknecht glaubwürdig, 39 daß sich
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TLA, GR, A/E, 1608 März 18. TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 2, Nr. 7, 1607 November 2. TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1605 Dezember 5. TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1607 Oktober 25. Der Bericht ist gerade deshalb glaubwürdig, weil er das Verhalten Karl Rehlingers differenziert darstellt. Dieser habe zwar in Burgwaiden den katholischen Gottesdienst verhindert, aber die noch Cathollische vnderthanen die negst darbej gelegne Cathollische Khirchen vnd Gotsdiensl besuechen.
252
Fallstudien
etliche der Burgwaldener Untertanen geen Renhartzhaußen vnd Depshofen40 in die Kirchen begeben vnd dem Gottsdienst abwartten,4] also die Messe am Sonntag in einer der Nachbarpfarreien besuchen,42 wie sie denn 30 Jahre zuvor noch in Burgwaiden gern den Gotsdienst daselbst besuechten,43 Mit breiter Sympathie für eine Reformation des Dorfes hätte Karl Rehlinger demzufolge kaum rechnen können.
5.1.3
Die österreichische Politik: Einfluß durch dichte Kommunikation
Rechnen konnte er dagegen mit der Wachsamkeit der österreichischen Seite bzw. ihrer Bereitschaft, eine konfessionelle Veränderung Burgwaldens nicht hinzunehmen. Hellhörig durch die Ereignisse in Lützelburg, hatte Erzherzog Maximilian III., selbst noch nicht zwei volle Jahre Regent der Vorlande, bereits im Mai 1604 den burgauischen Amtleuten neben einigen Anordnungen für Lützelburg den allgemeinen Befehl erteilt, Erkundigungen einzuziehen über den der Statt Augspurg auch nach gelegnen fleckhen Burgwaiden, der ebenfalls im Hochgerichtsbezirk der Markgrafschaft liege44 - eine Annahme, die sich erst im Verlauf der weiteren Ereignisse als irrig herausstellen sollte.45 Im selben Jahr erst hatte Karl Rehlinger die Herrschaft erworben. Aufgrund seines evangelischen Bekenntnisses glaubte man dem neuen Herrschaftsinhaber wohl besondere Aufmerksamkeit schenken zu müssen. Ein weiteres und umfangreicheres schriftliches Gutachten über den Stand der Religion wurde aufgrund vorangegangener Berichte ainer vngenanden person46 vermutlich des erzherzoglichen Rates Dr. Georg Wagner - 47 für die Orte Burg40
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Seit 1595 besaß das Augsburger Augustinerchorherrenstift Hl. Kreuz eine geschlossene Ortsherrschaft in Döpshofen. Die Pfarrkirche war bereits seit 1494 dem Stift inkorporiert (Steichele, Bistum, Bd. 2, S. 30f.; Jahn, Augsburg-Land, S. 365-367, 561). TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1605 Dezember 5. Vgl. auch den bei A. Schröder, Bistum, Bd. 9, S. 286, zitierten Bericht des Dekans des Landkapitels Kirchheim, Burgwaiden werde von den Pfarrern von Reinhartshausen und Döpshofen „karitativ versehen". TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1607 Oktober 25. TLA, GR, K/A, 1604 Mai 24; eine Antwort ist nicht überliefert. TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1607 Oktober 25. TLA, GR, A/E, 1607 August 14. Der Bericht Dr. Georg Wagners über Bocksberg, Burgwaiden, Burtenbach und Pfersee von 1607 November 2 sollte beispielsweise als Abschrifft für die burgawische beambten von waxl zum andern [also für die Länge einer durch zwei Wachstropfen markierten Textpassage] sine nomine autoris weitergeleitet werden (TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 2, Nr. 7). - Als Informant in religiösen Belangen eignete sich der „österreichische Rat" (Hirn, Maximilian, Bd. 1, S. 302 Anm. 4) Dr. Georg Wagner, der später auch vielfältige Aufgaben für Markgraf Karl von Burgau übernahm (Hauser, Karl, S. 187, nennt ihn Karls „Faktotum"), wohl auch wegen seiner Bekanntschaft mit dem konfessionellen Gegner: Er verfaßte eine Schrift „Calvinischer Model", die er Erzherzog Maximilian widmete (Hirn, Maximilian, Bd. 2, S. 376 mit Anm. 6).
253
Burgwaiden, Pfersee, Bocksberg, Laugna und Emersacker
walden, Bocksberg, Burtenbach und Pfersee z u s a m m e n dann auch 1607 noch einmal angefordert. Die Beibringung der gewünschten Informationen ist dabei ein Beispiel für die unter Maximilian gesteigerte Effizienz der erzherzoglichen Verwaltung in Innsbruck, 4 8 die Fehlern und Verzögerungen der nachgeordneten Behörden mittlerweile besser zu begegnen wußte. 4 9 Als es im Herbst 1605 zur Verweigerung der katholischen Beerdigung des Burgwaldener Untertanen Hans Kleber kam, hatte der burgauische Landvogtknecht rasch Kenntnis darüber erhalten und den Vorgang weitergemeldet.- 0 Der Fall wurde in Günzburg aktenkundig, 5 1 Landvogt Ulrich von Stotzingen lud Karl Rehlingers Vogt zu Burgwaiden umgehend vor und verlangte Rechenschaft über den verwaisten katholischen Gottesdienst in der St. Veits-Kirche, über des Vogts angebliche Winkelpredigten und die verweigerte katholische Beerdigung für Hans Kleber. 52 A u c h danach blieb man in Günzburg und Innsbruck aufmerksam und ließ den Herrschaftsinhaber Burgwaldens die Möglichkeiten Österreichs spüren, auch ohne konkrete Rechtstitel Druck auszuüben: Über ein dreiviertel Jahr später wurde der Vogt - ohne erkennbare Veranlassung - erneut, für N o v e m b e r 7, nach Günzburg vorgeladen, wogegen Karl Rehlinger unter Hinweis auf seine Freiheiten und Privilegien - hohe Obrigkeit und Blutbann - zwar Einspruch erhob, 53 nun aber sofort aufgefordert wurde, bis zum selben Termin den schriftlichen Nachweis für die angeführten Privilegien zu erbringen. 5 4 Einige Monate darauf vertrat Notar Christoph W c y e n m a i r " Karl Rehlinger bei Verhandlungen mit Dr. Cyriak Renz in Günzburg. Dem Notar wurden die V o r w ü r f e Erzherzog Maximilians - Unterlassung der Gottesdienste und Behinderung des Pfarrers von Reinhartshausen bei der Beerdigung Hans Klebers - vorgetragen und Rehlinger der Befehl erteilt, die Behinderung des Pfarrers durch seinen Vogt abstrafen zu lassen sowie St. Veit mit einkommen vnd andern In alten stand zu richten. 56 Zuvor hatte sich Maximilian an Bischof Heinrich von Augsburg gewandt, ihm seine Absicht mitgeteilt, unter anderem in Burgwaiden 48
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Zur Bedeutung Maximilians für die Modernisierung der Verwaltung Hirn, Maximilian, Bd. 2, S. 11-16; Noflatscher, Deutschmeister, S. 112f. TLA, GR, K/A, 1607 Juni 27, Maximilian an Regierung; von dort weitergeleitet an Amtleute (StAA, VÖ, Lit. 653, 1607 Juli 30, fol. 68 r ); nach Eingang eines unvollständigen Antwortschreibens (TLA, GR, A/E, 1607 August 14) Mahnung des Geheimen Rates an die Regierung, Amtleute und Dr. Georg Wagner zu rascher Berichterstattung aufzufordern (TLA, GR, K/A, 1607 Oktober 11). Die schließlich umfängliche Antwort erfolgte wenig später im Schreiben von Landvogt und Amtleuten an die Regierung (TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1607 Oktober 25). TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. X V , Lg. 3, Nr. 2, 1605 Dezember 5 (Anlage Eintrag ins Altrepertorium (StAA, V Ö und Burgau, Lit. 99). TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. X V , Lg. 3, Nr. 2, 1606 Januar 18 (Anlage rückweisung der Vorwürfe 1606 Februar 16 (Anlage C). TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1606 N o v e m b e r 4 (Anlage TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1606 N o v e m b e r 6 (Anlage TLA, GR, A/E, 1608 März 18 (dort „Wegenmair" genannt). TLA, GR, A/E, 1608 März 7.
A). B), und ZuD). E).
254
Fallstudien
eine reformationem Religionis anzustellen, und ihn gebeten, Erkundigungen über den Niedergang der katholischen Religionsübung wie auch die aigentliche beschaffenheit des kirchlichen Einkommens einzuziehen.57 Die Bitte des Notars, eine schriftliche Kopie der Vorwürfe und Befehle zu erhalten, wurde mit der Begründung zurückgewiesen, solches sei nicht üblich, auch wolle man sich mit Karl Rehlinger durchaus in keine disputation einlassen, vielmehr solle dieser persönlich nach Günzburg einbestellt werden.58 Daraufhin bemühte sich Karl Rehlinger, die Rückendeckung der Reichsstadt zu erhalten. In einem Schreiben an Stadtpfleger und Geheime von Augsburg legt er seine Sichtweise dar:59 St. Veit sei keine Filiale, sondern eine Privat oder Schloß Capellen ohne eigenes Einkommen; der Pfarrer von Reinhartshausen sei von seinem Vogt in keiner Weise ungebührlich behandelt worden, wie des Geistlichen eigene, beiliegende schriftliche Erklärung60 belege. Er ersucht Stadtpfleger und Geheime um ihre Fürsprache bei Erzherzog Maximilian. Diese schlossen sich seiner Bitte an, Rehlinger beim alten herkomen vnbetrüebt vnd vnbeschwerdt verbleiben zulassen.61 Ein Schreiben Karl Rehlingers an Maximilian persönlich wiederholt noch einmal die Bitte, bei seinen Rechten belassen zu bleiben und von den Oberbeamten der Markgrafschaft nicht grauirt oder beschwerdt zu werden.62 Diese Schreiben wurden wenig später zur Berichterstattung und Begutachtung durch die burgauischen Beamten von Innsbruck nach Günzburg gesandt.63 Schließlich versuchte Karl Rehlinger noch über seinen Schwager, den ehemaligen Reichspfennigmeister Zacharias Geizkofler, Einfluß auf den Erzherzog zu nehmen.64 Auch für dieses Interzessionsschreiben ersuchte Maximilian um ein Gutachten (des Geheimen Rats).65 Danach läßt sich kein weiterer Schriftwechsel über die Rehlinger-Herrschaft Burgwaiden mehr feststellen. Ob bzw. wie sich das kirchliche Leben im Dorf weiter entwickelte läßt sich nur mutmaßen. Jedenfalls kam es in den folgenden 20 Jahren bis zum Übergang der Herrschaft an die Fugger nicht mehr zu - archivalisch überlieferten - Konflikten.
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TLA, GR, K/A, 1608 Januar 14. Maximilian wollte speziell zu Burgwaiden wissen, woran es ermanglt, das man der Catholischen Religion daselbß so gar vergessen, und ob solliche St. Veits Khirchen zu mehrgemeltem Burckhwalden souil einkhomenß, das es vor disem ein aignen Beneficiaten vnd noch erhalten mügen oder von der gemelten Pfarr Reinhardtshaußen versehen werden sollen. Eine Antwort des Bischofs bzw. seiner Behörden auf dieses Schreiben ist allerdings nicht überliefert. TLA, GR, A/E, 1608 März 7. TLA, GR, A/E, 1608 März 18. TLA, GR, A/E, 1608 März 12. TLA, GR, A/E, 1608 März 20. TLA, GR, A/E, 1608 März 21. StAA, VÖ, Lit. 653, 1608 Mai 23, fol. 129r. TLA, GR, A/E, 1608 Mai 17 (Bitte um seine Fürschrift; die Fürschrift selbst fehlt). TLA, GR, A/E, 1608 Mai 27.
Burgwaiden, Pfersee, Bocksberg, Laugna und Emersacker
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Betrachtet man die rechtliche Ausgangslage, so war diese Entwicklung keineswegs zwangsläufig. Während für die österreichische Seite in den verschiedenen konfessionellen Konflikten zwischen der Markgrafschaft Burgau und ihren Insassen der Besitz der hohen Obrigkeit das entscheidende juristische Argument darstellte, u m das insassische Ius reformandi zurückzuweisen, konnte es in der Auseinandersetzung um reformatorische Handlungen in Burgwaiden zur Durchsetzung der österreichischen konfessionellen Position einfach deshalb nicht bemüht werden, weil hier die Hochgerichtsbarkeit einschließlich der Malefizgerechtigkeit zweifellos dem Ortsherren Karl Rehlinger zukam. Erst kurze Zeit zuvor, 1604 N o v e m b e r 30, hatte er eine erneute Konfirmation dieser Rechte in Innsbruck erlangt und konnte sie schriftlich nachweisen. 6 6 Der Hinweis Dr. Georg Wagners,
daß doch die Hoche Oberkail [...] diß ortts, da der Innhaber nit immediate dem Reich vnnderworffen, zue enderung der Religion impertinens et inefficax, auch von der landtsfürstlichen Oberkait [...] vbertroffen wirdt,67 ist in seinem zweiten Teil insofern inkonsistent, als die österreichischen Juristen landtsfürstliche Oberkait anderwärts gerade durch die hohe Obrigkeit definiert sehen. Die Argumentation der Markgrafschaft Burgau stand hier also bestenfalls auf einem Bein. Zieht man z u d e m in Betracht, daß die pfarrlichen Rechte Burgwaldens gewissermaßen nur ruhten und einer, wenngleich kostspieligen Wiederbelebung durch Karl Rehlinger - mit allen konfessionellen Implikationen - grundsätzlich keine kirchenrechtlichen Hinderungsgründe entgegenstanden; bedenkt man weiter, daß zu dieser Zeit in einer Reihe von Orten im Umkreis Augsburgs (neben Lützelburg auch in Bocksberg, Burtenbach, Emersacker und Pfersee), die von der österreichischen Verwaltung auch z u s a m m e n g e n o m m e n als ,Problemorte' aufgefaßt wurden, 6 8 konfessionelle Konflikte virulent waren, dann war das Scheitern reformatorischer Ansätze in Burgwaiden nicht von vornherein ausgemacht. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach dem Stellenwert der österreichischen Politik für den Gang der Ereignisse neu. Tatsächlich konnte sich die Markgrafschaft Burgau also nicht auf formal zwingende und konkrete juristische Argumente stützen, um ihre konfessionelle Position in Burgwaiden durchzusetzen. Das Instrument, das sie stattdessen einsetzte, war vielmehr informeller Art. Es war der Versuch, gegründet auf Information durch intensive und hierarchisch geprägte Kommunikation Druck auf den Ortsherren Karl Rehlinger auszuüben. Der dargestellte Schriftwechsel zwischen Oberamt und Regierung in Günzburg und Innsbruck einerseits, und Karl Rehlinger andererseits macht beide Komponenten deutlich: Eine relativ effiziente Verwaltungsorganisation stellte den österreichischen Behörden rasch (etwa im Falle des
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TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. X V , Lg. 3, Nr. 2, 1607 Oktober 25. TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. X V , Lg. 2, Nr. 7, 1607 N o v e m b e r 2. Vgl. etwa die Berichte über diese Orte und das nahe Ulm gelegene Holzheim in TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. X V , Lg. 3, Nr. 2, 1607 Oktober 25; T L A , Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 2, Nr. 7, 1607 N o v e m b e r 2.
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Fallstudien
Berichtes von Landvogtknecht Rimmele wenige Wochen nach der vom Vogt verhinderten katholischen Beerdigung) und umfassend (in mehreren umfänglichen Nachrichten und Gutachten zur konfessionellen Situation im Dorf) Informationen zur Verfugung, die durch die Kooperation mit dem Ortsbischof noch ergänzt werden konnten. Karl Rehlinger bzw. sein Vogt sahen sich dann immer wieder mit den hieraus formulierten Vorwürfen konfrontiert und zu schriftlichen Stellungnahmen bzw. Rechtfertigungen, ja sogar ihrem mehrfachen persönlichen Erscheinen in Günzburg gezwungen, auch dazu, Dritte um schriftliche Parteinahme für sich zu ersuchen. Dabei formulierte die österreichische Seite in Ton und Stil stets den Anspruch hierarchischer Überordnung, ob in einem Schreiben an den Vogt zu Burgwaiden,69 an Karl Rehlinger selbst70 oder im persönlichen Gespräch mit Notar Christoph Weyenmair71 beim verhörtag72 [!] in Günzburg.73 Auch ein erzherzogliches Mandat gegen newe Secten vnd widerige Religionen, das zur nämlichen Zeit Insassen und Begüterten der ,Problemorte' Burgwaiden, Bocksberg, Burtenbach und Pfersee zur Veröffentlichung übergeben werden sollte, betont dieses hierarchische Verhältnis, da seine Insinuation und Publikation die Akzeptanz einer landeshoheitlichen Gewalt der Markgrafschaft voraussetzte. Da sich das Mandat an die Bevölkerung der einzelnen Orte richtete, stellte es für den Landesherrn Maximilian auch eine Möglichkeit dar, auf die Ortsherrschaften zudem von seiten ihrer Untertanen Druck auszuüben.74 Die österreichische Seite setzte Karl Rehlinger auf solche Weise einem beständigen Legitimationsdruck aus, dem dieser durch einen nicht unerheblichen (Verwaltungs-)Aufwand (Abfassung und Veranlassung zahlreicher Schreiben, persönliches bzw. vertretenes Vorsprechen in Günzburg) begegnen mußte bzw. dem er durch Verzicht auf eine eigenständige konfessionelle Politik ausweichen konnte. Letztere Option nahm Karl Rehlinger nach Lage der Überlieferung wahr. Insofern war die österreichische Politik, durch kommunikative Strategien informell Druck bzw. Macht auszuüben, erfolgreich. Denn so gelang es, trotz widriger rechtlicher 69 70 71
TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1606 Januar 18 (Anlage B). TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1606 November 5 (Anlage E). Karl Rehlinger war persönlich durch die Oberbeamten zitiert worden, hatte aber aufgrund einer Verhinderung den Notar bevollmächtigt (TLA, GR, A/E, 1608 März 8 und 1608 März 21).
72 73 74
TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1606 November 5 (Anlage E). TLA, GR, A/E, 1608 März 7. TLA, GR, K/A, 1608 Januar 14. Etwelliche Exemplaria dieser nicht überlieferten Mandate wurden den burgauischen Beamten zur Publikation in den Orten Bocksberg, Burgwaiden, Burtenbach und Pfersee überschickt, nachdem eine Nachfrage der Regierung in Innsbruck bei den Amtleuten (StAA, VÖ, Lit. 653, 1607 Juni 27, fol. 68r, angemahnt 1607 September 26, fol. 8Γ), ob deren Vorgänger die 1586 und 1596 publizierten Mandate den Insassen und Begüterten insinuiert hätten, in Günzburg nicht mehr beantwortet werden konnte (TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1607 Oktober 25).
Burgwaiden, Pfersee, Bocksberg, Laugna und Emersacker
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Ausgangslage und auch trotz eines zu dieser Zeit nicht eindeutigen konfessionspolitischen Umfeldes in der Markgrafschaft, wenn auch nicht die formulierte Maximalforderung der Restitution einer - katholisch zu besetzenden - Pfarrpfründe in Burgwaiden durchzusetzen, wohl aber die Fortfuhrung reformatorischer Tendenzen im Dorf zu unterbinden. Dies war offensichtlich der Fall. Gegenteiliges läßt sich jedenfalls archivalisch nicht nachweisen.
5.2 5.2.1
Pfersee (1582/83 und 1607/08) Pfersee und die Zobel
Im Besitz des unmittelbar vor den Toren Augsburgs im Westen der Stadt gelegenen Pfersee befanden sich seit dem 14. Jahrhundert stets Augsburger Bürger.75 1492 hatten die Phleger Wilhalm Gossenbrots seligen Tochter den Feuerstattgulden fur 38 Feuerstätten in Pfersee gezahlt. 76 Besitzwechsel folgten zum Teil rasch aufeinander. 1549 hatte Hieronymus Sailer das Dorf mitsamt der Niedergerichtsbarkeit - die Hochgerichtsbarkeit lag bei der Markgrafschaft Burgau - erstanden, 1568 gehörte es Bartholomäus Welser, 1570 dessen Schwager Michael Kazböck von Thürnstein, ehe es Martin Zobel77 1579 kaufte und Pfersee jedenfalls bis in die 1640er Jahre im Besitz der Familie Zobel verblieb.78 Deren konfessionelle Orientierung kommt etwa darin zum Ausdruck, daß sie später zum Kreis der „schwedischen Geschlechter" gehörten, zu jenen Augsburger Familien, die 1632 ihre Standeserhebung Schwedenkönig Gustav Adolf verdankten.79 Die Pfarrkirche St. Michael in Pfersee war dem Hochstift Augsburg inkorporiert, dem das Patronatsrecht zukam.80 Die unmittelbare Nachbarschaft Pfersees zur Reichsstadt Augsburg bestimmte das wirtschaftliche Leben des Dorfes. Hermann Kellenbenz rechnet Pfersee mit anderen stadtnahen Dörfern noch zum geographischen Bereich des Augsburger Lokalhandels, wo die Verflechtung durch Warenaustausch und Versorgung besonders eng war.81 Als Handwerker, Tagelöhner oder Dienstboten gingen zahlreiche Bewohner des Dorfes ihrer Arbeit in der Reichsstadt nach. Umgekehrt ließ
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78
79 80 81
Zu den Besitz- und Rechtsverhältnissen D. Schröder, Augsburg, S. 178, der sich jedoch nur auf Raiser, Drusomagus, S. 78-85, bezieht. Ausfuhrlicher und mit Auswertung des Quellenmaterials, jedoch fehlenden Einzelnachweisen, immer noch A. Müller, Pfersee; vgl. dort die Übersicht über die Besitzer Pfersees mit Angabe der jeweiligen Kaufsummen. Nebinger/Schuster, Feuerstattguldenregister, S. 116. So A. Müller, Pfersee, S. 9; bei D. Schröder, Augsburg, S. 178, heißt der Erwerber (irrtümlich) Michael Zobel. Widersprüchlich die Datierungen von A. Müller, Pfersee, S. 10, 23, und D. Schröder, Augsburg, S. 178. Mörke/Sieh, Führungsgruppen, S. 304. A. Müller, Pfersee, S. 7; Jahn, Augsburg-Land, S. 244. Kellenbenz, Wirtschaftsleben, S. 269; vgl. Ullmann, Nachbarschaft, S. 60-64.
258
Fallstudien
sich eine Reihe aus der Stadt verbannter Bürger in Pfersee nieder.82 Nähe und Verflechtung stellten denn auch die Grundvoraussetzung für die konfessionelle Situation und ihre Entwicklung in Pfersee dar.
5.2.2
Die konfessionelle Lage in Pfersee
Über die konfessionelle Lage in Pfersee existieren zwar keine seriellen Daten, jedoch teils detaillierte Nachrichten aus zwei unterschiedlichen Zeiträumen, aus den Jahren nach dem Erwerb des Dorfes durch Martin Zobel, 1579 und 1582/1583, sowie 1607/1608, denen in mancher Hinsicht die Qualität von Stichproben zukommt. Auch wenn ein quantitativer Vergleich der Konfessionsverteilung im Dorf oder der Intensität der jeweiligen Glaubensübung nicht möglich ist, läßt die Überlieferung signifikante Rückschlüsse auf einige Charakteristika der konfessionellen und politischen Entwicklung zu. 1583 November 21 gaben Insassen und Begüterte eine Reihe von Beschwerden gegen die Markgrafschaft Burgau zu Protokoll.83 Darunter befand sich auch im übrigen als einziger Konflikt mit konfessionellem Hintergrund - die Klage Martin Zobels wegen seines Dorfes Pferßheim. Er warf den burgauischen Beamten zum einen vor, seine Lutterischen Vnderthanen hinwöckh gefüert vnd entlich gar vß der Marggrafschafft geschafft, zum anderen, den Lutterischen Kirchhof,84 so vber die 30 Jahr lang daselbst zue Pferßheim vnangefochten verblieben, mit der Thatt hinwöckhgerissen zu haben. Beide Eingriffe seien vnder dem schein der Landtsfürstlichen Obrigkheit geschehen.85 Tatsächlich hatten die Beamten bereits 1579, im selben Jahr, als Martin Zobel den Ort erworben hatte, eine große Zahl von Protestanten aus Pfersee ausgeschafft. Der Augsburger Rat, vom Ortsherrn um Hilfe angegangen, verstand sich lediglich dazu, den vertriebenen Untertanen vorübergehend in der Stadt Asyl zu gewähren.86 82 83
84 85
86
TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 2, Nr. 7, 1607 November 2. Die Protokollierung steht im Zusammenhang mit den Verhandlungen, die erzherzogliche und insassische Deputierte nach dem Scheitern der ersten Donauwörther Zusammenkunft (1576) im Dezember 1583 abermals in Donauwörth führten und die schließlich zur Formulierung der ,Burgauischen InterimsmitteP führten; vgl. Kap. C. 3.3. Hier „Friedhof' (DWB, Bd. V, S. 819). StaAA, Markgrafschaft Burgau, Lit., Kiste Nr. 3, 8, 1583 November 21, fol. 59v. - Auf die nämlichen Vorgänge dürfte auch eine Klage der evangelischen Stände auf dem Reichstag 1582 zurückgehen. Sie hatten Kaiser Rudolf II. neben anderm ein Supplication vnd beschwerungsschrijft der vnderthanen zu Pfersheim wider E.L. Oberamptleut der Marggrafschafft Burgaw vbergeben, worauf der Kaiser bei Erzherzog Ferdinand II. über deren von Pfersheim Religionsbeschwerung - der Inhalt wurde nicht näher konkretisiert - um einen (nicht überlieferten) Bericht nachsuchte (HHStW, ÖA, VÖ, Fasz. 25, 1582 Dezember 4). Diese Klagen scheinen offensichtlich nicht zum Erfolg geführt zu haben, weshalb Martin Zobel versuchte, sie im Jahr darauf zusammen mit anders gelagerten insassischen Beschwerden noch einmal vorzubringen. Raiser, Drusomagus, S. 85, spricht von 150 ausgeschafften Protestanten; vgl. A. Müller, Pfersee.
Burgwaiden, Pfersee, Bocksberg, Laugna und
Emersacker
259
Knapp 24 Jahre später führt der Bericht ainer vngenanden person - vermutlich handelt es sich um den erzherzoglichen Rat Dr. Georg Wagner - 8 7 über Bocksberg, Burgwaiden, Burtenbach und Pfersee aus, in diesen Orten werde mit der Religion vast vbel gehauset, die Catholische Exercitia abgestelt vnd hingegen sectische mit vnwiderbringlichen viller lieben Selen gefahr tarn latenter quam publice introduciert.ss Ein daraufhin angefordertes 89 Gutachten der burgauischen Beamten zeichnet zusammen mit einem Bericht Dr. Georg Wagners ein detailliertes Bild von der konfessionellen Lage des Dorfes Ende des Jahres 1607: Der Innhaber Pferßhaim, Martin Zobel, sei zwar der Sectischen Religion verwonth, doch lasse er im Dorf keine haimbliche conuenticula oder Winckhelpredigen halten. Dagegen lebten einige Lutherische Personen in Pfersee, die sonn- und feiertags vnuermerckht, zuemal Pferßheim gleich an der Statt gelegen ist, die Sectischen Predigen heren khündten - der Bericht spricht im Konjunktiv - , was die Beamten nit wol Innen khönnen werden, da der zuständige Landvogtknecht 90 etwas weit davon entsessen.9] Mit genauen Informationen vermag dagegen der Bericht Dr. Wagners aufzuwarten. Zusammenfassend begreift er vom katholischen Standpunkt aus vier Verhaltensweisen als kritikwürdig. Sie offenbaren sich damit gleichzeitig als zeitgenössische Kriterien konfessioneller Differenzierung, wenigstens aber als Kriterien konfessioneller Unzuverlässigkeit: prinzipielle Verweigerung des katholischen Gottesdienstes (1), evangelischer Schulbesuch der Kinder (2), Mißachtung katholischerseits gebotener Feiertage (3) und Meidung der Sakramente von Beichte und Kommunion (4). (1) Insgesamt erfaßt Wagner elf oder zwölf Personen, die nit Catholisch, auch nimmer nit in die kirchen kommen vnnd den Gottes dienst nit besuechen.92 Zwei 87 88 89
90
91 92
Zu ihm Kap. Β. I. 5. Anm. 47. TLA, GR, KJA, 1607 Juni 27; vgl. TLA, GR, A/E, 1607 August 14. TLA, GR, KJA, 1607 Juni 27; wiederholt 1607 Oktober 11; weitergeleitet von der Regierung in Innsbruck an die burgauischen Beamten 1607 Juli 30 (StAA, VÖ, Lit. 653, fol. 68 r ). Der mit etwa acht Kilometern Entfernung nächstgelegene Sitz eines burgauischen Vogtamts war Biburg. Der Beritt des dortigen Vogtes erstreckte sich zwischen Zusam, Wertach und Reichslandvogtei (Jahn, Augsburg-Land, S. 203, 335, 418). TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1607 Oktober 25. Es sind dies im einzelnen: Sara Stuelerin, Hannsen Stuelers, Wirts vnnd bierbrewers daselbsten, ehewirttin. - Α in wittib, so wegen der Kezerey auß Steyr gewichen, sambt ainem Son, bey 12 Jaren altt. - Carl Rehlingers, innhabers Burckwalden, knecht vnnd dessen weib, ob wol der knecht nit vil daussen, sonnder maistthails der Zeit in der Statt bey seinem herren hinbringt. - Α in goldschmid von Augspurg, Krauß genant, sambt seinem Weib, welcher goldschmid vor ettlichen Jaren, vmb daß er ainen Kelch vnnd annders, so ain dieb auß ainer Kirchen gestolen, von ihme angenomen, zue dem schwert verurthailt vnnd in puncto executionis widerumben begnadet ist worden. Diser goldschmid haltt sich gleich wolenn, schäm vnnd hochen altters halben, vnnd gibt niemand kain argernuß. - Ain schneiders gesell bey dem Keüfferer in der der Mühl. - Ain Webers knapp sambt ainem son von 12 Jaren, welcher von Langenaw bey Ulm gebirttig, dient bey Jacob Widenmans Sohns frawen, wel-
260
Fallstudien
Drittel von ihnen, acht Personen (mitgezählt sind die Familienangehörigen - die Ehefrau bzw. ein Kind über die allerdings keine Herkunftsangaben gemacht sind), stammen explizit oder nachweislich nicht aus Pfersee selbst, sondern aus evangelischen Orten: vier von ihnen kamen aus Augsburg - darunter mit Sara93 Stuelerin,94 der Ehefrau des Wirts und Bierbrauers Hans Stueler, eine vermutlich wirtschaftlich und sozial prominentere Persönlichkeit - , zwei Personen kamen aus dem ulmischen Langenau, 95 zwei Religionsflüchtlinge waren aus dem oberösterreichischen Steyr gewichen?6 Abgesehen vielleicht vom Knecht des Karl Rehlinger von Burgwaiden stammten aus dem Dorf selbst vermutlich nur zwei Personen. Auch den Sohn der Sara Stuelerin - offenbar jedoch nicht ihren Ehemann vermißte Dr. Wagner unter den Gottesdienstbesuchern. - Abgesehen von den Frauen und Kindern wie auch vom Knecht Karl Rehlingers, gingen alle einem handwerklichen Beruf als Goldschmied, Schneider, Weber oder Büchsenmacher nach. (2) Nach Augsburg in die Lutherische schuel zue St. Anna wurden zwei Knaben geschickt, der Sohn des Zimmermannes Hans Holzbock - Vater und Sohn sind beide nicht unter den Gottesdienstverweigerern aufgeführt - und der Sohn des Wirtes und Bierbrauers Hans Stueler. (3) Wer die katholischerseits gebotenen Feiertage nicht hielt, wird nicht namentlich genannt, doch handelte es sich offenbar um eine größere Zahl von Handwerksleuten und Tagelöhnern (v/7 Handtwerckhs leüt vnnd tagwercker zue Pfersen), die das feiertägliche Arbeitsverbot nicht nur dann ignorierten, wenn sie sich in Augsburg befanden, sich also durch wirtschaftliche Abläufe in der Reichsstadt dazu veranlaßt sahen, sondern auch, wenn sie sich in Pfersee selbst aufhielten. Dies galt ebenso für ettliche weiber mit spinnen, spuelen, wüschen.
93
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che ain wittib. - Ain Bixenmacher von Augspurg, dem von wegen begangnem ehebruchs die Statt verwisen worden. - Hinzu kommt noch der Sohn des Hans Stueler, welcher immer nit in die Kirchen khombt (TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 2, Nr. 7, 1607 November 2). Der alttestamentarische Taufname zeigt, daß Sara Stueler nicht Konvertitin war (zur konfessionsspezifischen Namensgebung in Augsburg Frangois, Grenze, S. 167-179, bes. S. 170, 278). Aus ABA, GVPr 1, 1608 August 14, 372, geht hervor, daß sie sich als Bürgerin allhie, nämlich zu Augsburg, bezeichnet. Zum Erwerb Langenaus durch Ulm Hohenstatt, Entwicklung, S. 115; zur Einführung der Reformation dort A. Heckel, Langenau, S. 189f.; Hofer, Landgebiet, passim; U. Schmidt, Langenau, S. 450-456; zur zentralen Bedeutung der Weberei in Langenau A. Heckel, Langenau, S. 235f.; U. Schmidt, Langenau, S. 300-307, 329-341; Jooß, Weber-Residenz, S. 5458. Vielleicht handelte es sich um Angehörige der vier Bürger (wohl Familien?), die 1604 dem Rekatholisierungsdruck in Steyr nachgaben und die Stadt verließen (Doppler, Steyrer Bürgertum, S. 63 Anm. 33; vgl. Merz, Landstädte, S. 111).
Burgwaiden, Pfersee, Bocksberg, Laugna und Emersacker
261
(4) Um Informationen zu erhalten, wer auff die ordenliche Zeit nit beichtet, noch communiciert, verweist Dr. Georg Wagner auf die Auskunft, die gegebenenfalls der Ortspfarrer erteilen könne.97 Während die Nachrichten des Jahres 1607 und 1608 geradezu das Panorama einer konfessionellen Minderheit im Dorf zeichnen, wird aus den Ursachen des Konfliktes der Jahre 1579 bis 1583 zumindest deutlich, daß es im Ort eine nicht unerhebliche evangelische Bevölkerungsgruppe gab. Daß deren Verstorbene wenigstens bis 1579 noch im eigenen Lutterischen Kirchhof beigesetzt wurden, geht aus den Formulierungen nicht eindeutig hervor, ist aber anzunehmen. In diesem Fall hätte auch noch zu Ende der 1570er Jahre eine seit Jahrzehnten bestehende evangelische Gemeinde in Pfersee existiert, der ein öffentliches und wohl im wesentlichen unbehelligtes Bekenntnis zu ihrer Konfession möglich war. Die ausfuhrlichen Darstellungen zur konfessionellen Lage etwa 25 Jahre später zeigen, daß der Abbruch des Friedhofes nicht die konfessionelle Homogenität der Bevölkerung zur Folge hatte, daß es also weiterhin Protestanten im Dorf gab. Die Kontinuität einer evangelischen Minderheit scheint nicht, wenigstens nicht wirkungsvoll, unterbrochen worden zu sein. Die Nachrichten des Jahres 1607 erlauben eine differenziertere Analyse: Da gab es zunächst die Gruppe derjenigen, die sich durch fortgesetzte Verweigerung der katholischen Riten und Sakramente dezidiert als Protestanten zu erkennen gaben. Die meisten von ihnen waren von auswärts, besonders aus Augsburg zugezogen und stammten nicht aus Pfersee selbst. Zwischen ihnen und den Ungenannten aber, die ihre Verpflichtungen als Katholiken im wesentlichen erfüllt haben dürften, fand sich eine offensichtlich größere Zahl von Einwohnern - vil Handtwerckhs leüt vnnd tagwercker und ettliche weiter - die zwar die katholischen Gottesdienste nicht mied, aber doch die gebotene Feiertagsruhe nicht einhielt. Bemerkenswert ist, daß von den Eltern der beiden in St. Anna eingeschulten Knaben nur Sara Stuelerin zu den offenkundigen Protestanten zählte, Hans Holzbock, der Vater des zweiten Knaben, dagegen ebensowenig wie Hans Stueler bei den Gottesdienstverweigerern aufgelistet wird. Sollte die Liste vollständig sein, bedeutet das, daß die katholischen Väter Hans Holzbock und Hans Stueler nichts dabei fanden, ihre Söhne an eine evangelische Schule zu schicken. Die Ehe von Sara und Hans Stueler scheint im übrigen konfessionsverschieden gewesen zu sein. Diese Beobachtungen zeigen, daß auch zu Beginn des 17. Jahrhunderts mit erheblichen konfessionellen Differenzierungen und Mischungsverhältnissen - im Hinblick auf dogmatische Glaubensüberzeugungen nicht weniger als nach religiös-sittlicher Lebensform - 9 8 zu rechnen ist. Gerade die Nähe zur konfessionellen Alternative in der Reichsstadt Augsburg erwies sich fur Pfersee als Hemmschuh distinkter Konfessionsbildung. 97 98
TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 2, Nr. 7, 1607 November 2. Vgl. Zeeden, Konfessionsbildung, S. 69.
262
5.2.3
Fallstudien
Österreichische und bischöfliche Konfessionspolitik in Pfersee
Die überlieferungsbedingten Stichproben lassen aber auch einen signifikanten Unterschied zwischen den Jahren 1582/1583 und 1607 erkennen: 1582 und 1583 traten die Untertanen Pfersees und ihr Ortsherr Martin Zobel noch als Kläger auf dem Reichstag, gegenüber Kaiser Rudolf und Erzherzog Ferdinand - auf und verwahrten sich gegen die Konfessionspolitik des Erzherzogs, der sich durch solche Actus wie den Abriß des evangelischen Friedhofes eine Landsfürstliche Obrigkeit anmaßen wolle." Daß der Kaiser Erzherzog Ferdinand um seine Stellungnahme zur Religionsbeschwerung Pferseer Untertanen gegen die burgauischen Oberamtleute bat, zeigt, daß seine konfessionspolitischen Maßnahmen immerhin einem Legitimationsdruck ausgesetzt waren. 25 Jahre später, zur Zeit der Regierung Erzherzog Maximilians III., stellte sich die Situation anders dar, die Offensive lag nun deutlich auf österreichischer Seite. Die detaillierten Informationen, die Dr. Georg Wagner beigebracht hatte, führten zu Überlegungen, wie in Pfersee die Oncatholische, welche von ihrem irthumb nit abstehn wollen, auß disem flecken getriben künden werden.100 Dabei wurde auf die Vorgänge in Lützelburg als vorbildgebendem Musterprozeß verwiesen. Pfersee - wie auch Bocksberg - sei im Besitz Augsburger Bürger, die nur die nider gerichtbarkait im Dorf besäßen, allso daß ihnen, wie gegen denen von Lizelburg geschehen, gebotten vnnd geschafft kan werden101 und die evangelischen Ortsherren für die katholische Konfessionsbildung in die Pflicht genommen werden könnten. Erzherzog Maximilian veranlaßte nun zweierlei konkrete Schritte: Zum einen übersandte er seinen Beamten in Burgau etwelliche Exemplaria der Religion Mandaten mit dem Befehl, daß sie diese in den entsprechenden Orten vleissig intimiern vnd publiciern.102 Der konkrete Inhalt der Mandate ist nicht bekannt, doch dürften sie sich an die Bevölkerung gewandt und Fragen der Religionsübung betroffen haben. Die österreichische Verwaltung trat hier gegenüber ihren Untertanen in Pfersee obrigkeitlich und direkt in Erscheinung. - Mit den Mitteln der Mandatspolitik hatte bereits Erzherzog Ferdinand II. versucht, Einfluß auf das religiöse Leben vor Ort zu nehmen: Nachdem man in Innsbruck im Frühjahr 1607 auf die konfessionelle Situation in Bocksberg, Burgwaiden, Burtenbach und Pfersee aufmerksam geworden war,103 stellte sich die Frage nach dem Erfolg vormals erlassener Mandate. Die oberösterreichische Regierung wollte nun von den Amtleuten in Günzburg wissen,
99 100 101 102 103
StaAA, Markgrafschaft Burgau, Lit., Kiste Nr. 3, 8, 1583 November 21, fol. 59v. TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 2, Nr. 7, 1607 November 2. TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 2, Nr. 7, 1607 November 2. TLA, GR, K/A, 1608 Januar 14 (2). TLA, GR, K/A, 1607 Juni 27.
Burgwaiden, Pfersee, Bocksberg, Laugna und Emersacker
263
Ob vnd waßgstalt die Anno 86 so wol 96 den vorigen vnd Jungstgewesnen Beambten vberschickhte Religions Mandaten durch Sy den Insessen vnd begüetteten der Marggrafschafft Burgaw insinuiert, Ob Sy auch von Inen allen angenomen vnd in Ir Jedes fleckhen vnd Innhabungen öffentlichen publiciert oder auch von etlichen aus Inen vnd welchen berüerte Religions Mandaten anzunemen verwidert vnd was gegen denselben darüber fürgenomen worden. "'4 Um überhaupt Wirksamkeit entfalten zu können, mußten die erlassenen Mandate den Weg über die Insassen und Begüterten, die Ortsherren, nehmen; ihnen mußten sie - durch die burgauischen Amtleute - insinuiert werden; sie mußten die Mandate annehmen und ihrerseits in ihren Ortsherrschaften publizieren. Erst jetzt waren die Untertanen überhaupt in der Lage, die Anordnungen des Erzherzogs oder Markgrafen zu befolgen - oder sich ihnen zu widersetzen. Die im rhetorischen Stil der Zeit enzyklopädisch formulierte Anfrage der Innsbrucker Regierung macht dabei auf die verschiedenen Hindernisse aufmerksam, die sich der Effizienz eines Mandates entgegenstellen konnten: Wurde das Mandat dem jeweiligen Insassen oder Begüterten durch die Beamten insinuiert? Wurde es angenommen? Wurde es publiziert? Wenn nicht, wurde etwas dagegen unternommen; wenn ja, was? - Die Anfrage überforderte jedoch die burgauische Administration, denn, so ihre Antwort, da vberal khein bericht oder gewäxelte schreiben zuebefinden, ist [...] ein solches zueberichten vnmiglich. Lediglich das gedruckte Exemplar eines Mandates von 1587 April 13 habe man zusammen mit einer Instruction vnd Ordnung, die Khinderzucht betreffendt, von 1586 Dezember 16 gefunden. Doch mußten die Beamten mit Bedauern passen, sie hätten, vf waß weiß aber solliche insinuiert oder in Effectum gezogen, darbej nit befanden.105 Wie es denn um den Effectum stehe, ist freilich auch die grundlegende Frage, die sich dem mit normativen Quellen arbeitenden Historiker heute stellt: Ob und inwieweit die erwähnten Mandate eine konkrete Veränderung des Verhaltens in der Bevölkerung bewirkten, läßt sich im vorliegenden Fall nicht beurteilen. - Eher skeptisch wird man angesichts der wirtschaftlichen Strukturen Pfersees auch den Versuch Markgraf Karls beurteilen müssen, auf die Möglichkeiten der Mandatspolitik zurückzugreifen. 1610 Oktober 7 wandte er sich speziell an seine Untertanen in Pfersee, sie sollten unter anderem keine Arbeitsverhältnisse mit evangelischen Dienstherren eingehen bzw. bestehende Verhältnisse beenden.106 Zum anderen richtete sich Maximilian mit einer Klage über Burtenbach, Pfersee, Burgwaiden, Bocksberg vnd dergleichen per Lutheranismum vbel eingenommen orthen an Bischof Heinrich von Knöringen und bat ihn um seine Hilfe. Zw Pfersen, so seine Ausführungen, soll gleichsam collunies [!] von Juden, Kezern vnd aller Sorten bösen gesündl sich befinden. Dahero causa religionis vmb souil mehr periclitiern vnd also scharpfes ernsthafftes einsehen desto bösser er104 105 106
StAA, VÖ, Lit. 653, 1607 Juli 30, fol. 68r. TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1607 Oktober 25. Francois, Grenze, S. 114 mit Anm. 72.
264
Fallstudien
fordert werden. Einen wirksamen Ansatzpunkt zur konfessionellen Stabilisierung des Dorfes sah Maximilian dabei in der Einführung eines geeigneten Priesters, also in einer genuin geistlichen Maßnahme, wie dann einß feinen, Exemplärischen Selsorgers gegenwart vil guets schaffen vnd vbel verhindern khundte.'01 - Bereits 44 Jahre zuvor hatte ein für Kardinal Otto Truchseß von Waldburg zusammengestelltes Verzeichnis der geistlichen Mängel im Bistum Augsburg unter den wenigen vermerkten und offenbar als besonders dringlich empfundenen Problemen die Situation in den Pfarreien Bergheim und Pfersee angeführt. Ein guter Pfarrer sei dort um so nötiger, als die armen Leute in der nahen Stadt die sektischen Kirchen besuchten.108 Ob es auf die von Erzherzog Maximilian angestrebte Weise zur katholischen Konfessionsbildung in Pfersee kam, ist nicht bekannt. Jedenfalls scheint Bischof Heinrich seine Möglichkeiten voll ausgeschöpft zu haben und dürfte dafür verantwortlich gewesen sein, daß in den folgenden Monaten die evangelischen Einwohner bis auf zwei, darunter die Wirtin,109 das Dorf verlassen oder sich zum katholischen Gottesdienst eingestellt hatten. Denn die vnlangst beschehne starckhe andung des Bischofs hatte - nach Ansicht des Generalvikars - den Gerichts herrn Melchior Zobel zum Eingreifen veranlaßt.110 Damit waren freilich noch nicht alle Gefahren für die konfessionelle Homogenität im Dorf beseitigt. Nach wie vor bedeutete die Nähe zur Stadt mit ihren wirtschaftlichen Verflechtungen ein Risiko. Während es sich Bischof Heinrich über den Ortsherren in erster Linie angelegen sein ließ, eine Stabilisierung des Bekenntnisses im Innern des Dorfes zu erreichen, blieb es der weltlichen Gewalt überlassen, die Einfallstore reformatorischen Gedankengutes zu verschließen." 1 Das erwähnte Mandat Markgraf Karls (1610 Oktober 7) versuchte hier anzusetzen und legte den Untertanen in Pfersee nahe, nicht bei Protestanten Ausbildung, Dienst oder
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108 109
110 111
Die enge Verknüpfung von ausreichender Dotation der Pfarrpfründe und Qualität des Geistlichen kommt in den Äußerungen Maximilians deutlich zum Ausdruck: Zu wellichem endt, vor weiterm Procediern, der Pfarrlichen einkhomen daselbß aigentliche wissenschafft vnd sonderlich von nöthen, ob die selben dauon vnd wellicher gestaldt, durch wen, auch wohin alieniert worden, ob Sy auch also beschaffen, das sich daselbß ein wesenlicher Priester in loco zimblich bethragen müge (TLA, GR, K/A, 1608 Januar 14 (1)). Zoepfl, Bischöfe, S. 341. Sie hatte sich mit der Begründung, das sie Bürgerin allhie [in Augsburg] ist, vermaindt zubehelffen vnd der schuldigen gehorsam zuentschütten. In seinem Schreiben stellt es der Generalvikar dem burgauischen Landvogt anheim, weitere Maßnahmen gegen die Frau zu ergreifen (ABA, GVPr 1, 1608 August 14, 372). ABA, GVPr 1, 1608 August 14, 372. In diese Richtung zielte auch die Aufforderung Bischof Heinrichs an die burgauischen Beamten, zwei Prädikanten, die im Jahre 1628 aus Augsburg geflohen und nacher Pfersee gewandlet waren, gefangenzunehmen (StAA, VÖ und Burgau, Lit. 100; Altrepertorium).
Burgwaiden, Pfersee, Bocksberg, Laugna und Emersacker
265
Arbeit zu suchen." 2 Angesichts der ökonomischen Zwänge bzw. Opportunitäten darf die Wirksamkeit des Erlasses allerdings bezweifelt werden.
5.3 5.3.1
Bocksberg und Laugna (1586 und 1607-1609) Die Herrschaft Bocksberg und die von Stetten
Zur Herrschaft Bocksberg zählte neben den Dörfern Laugna und Bocksberg, in denen es zu konfessionellen Konflikten kam, um 1560/80 noch eine Reihe weiterer Orte." 3 Seit Georg I. von Stetten (1489-1562) im Jahre 1524 die etwa 25 Kilometer nordwestlich Augsburgs gelegene Herrschaft Ursula Rieter abgekauft hatte - ein Nachkomme der aus Nürnberg stammenden Patrizierfamilie Rieter, in deren Besitz sich Bocksberg seit 1462 befand - , verblieben die drei Dörfer bis 1609" 4 in den Händen der Familie von Stetten und gelangten dann für wenige Jahre an Johann Friedrich Schertlin von Burtenbach (1566-1634), 1 1 3 der sie im November
112 113
114
"5
Francois, Grenze, S. 114 mit Anm. 72. Haemmerle, Hausarchiv, Nr. 406 (Plan der Herrschaft mit den ihre Ausdehnung begrenzenden Orten Gottmannshofen, Lauterbrunn, Hegnenbach bzw. Sontheim und Salmannshofen bzw. Rieblingen). - Die Herrschafts- und Besitzgeschichte Bocksbergs - wie auch Emersackers - ist in der Literatur völlig unzureichend erschlossen; eine grundlegende Aufarbeitung wäre dringend erforderlich: Das einschlägige Landkapitel Wertingen wurde von Anton Steichele bzw. Alfred Schröder nicht mehr bearbeitet; der Historische Atlas zu Wertingen (Fehn, Wertingen, S. 34f.) beschränkt sich auf wenige, zudem pauschale oder unzuverlässige Informationen. Vgl. zur Herrschafts- und Besitzgeschichte immer noch Bosl, Handbuch, S. 395f., sowie fur die ältere Zeit v o m Erwerb Georgs von Gumppenberg (1415) bis zum Kauf durch Georg I. von Stetten (1524) Haemmerle, Geschlechterbuch, S. 66 Anm. 8; ausfuhrlich dagegen fur die Zeit nach 1613 Karg, Emersacker. Das Datum nennt zusammen mit Details (unter anderem der Angabe der K a u f s u m m e in Höhe von 164 000 fl.) und daher am glaubwürdigsten Haemmerle, Geschlechterbuch, S. 103 A n m . 2; „um 1610" datiert Fehn, Wertingen, S. 34f., der sich auf Bosl, Handbuch, S. 395f., bezieht; auf 1613 dagegen datiert Karg, Emersacker, S. 392 Anm. 5, der sich auf Friegl, Bocksberg, S. 15, bezieht. - Als Ursache für den Verkauf nennt Haemmerle, Geschlechterbuch, S. 103 A n m . 2, die Verschuldung Albrechts von Stetten, in die ihn ein unglücklicher „Hang zur Alchemie" gebracht habe. Er hatte aus diesem Grunde 1607 beim Augsburger Domkapitel bereits eine Anleihe in Höhe von 60 000 fl. aufgenommen. Nach dem Verkauf an Schertlin kam es zum Streit mit dem Domkapitel, „der 1613 dahin geschlichtet wurde, daß die Herrschaft den Grafen Fugger zugesprochen wurde, die am 14.11.1613 in Bocksberg und Emersacker die Huldigung einnahmen". Aufgrund welcher Rechte das Domkapitel die Veräußerung an Schertlin ablehnen konnte und ob der genannte Streit konfessionell begründet war, geht aus den Ausführungen Haemmerles wie auch den angeführten Belegen nicht hervor. Zu ihm Nebinger, Scheitel, S. 9f. - Verheiratet war Johann Friedrich Schertlin seit 1594 mit Euphrosina von Riedheim, Tochter Konrads von Riedheim zu Angelberg. Die den beiden als 12. und 13. Kind 1609 Juni 8 geborenen Zwillinge Johann Georg und Hans Friedrich und ein 16., 1613 März 16 totgeborenes Kind wurden auf Schloß Bocksberg entbunden. Mindestens in dieser Zeit muß sich damit die Familie auf Bocksberg befunden haben.
266
Fallstudien
1613116 an die Vormünder von Marquard (1595-1653) und Marx Philipp (15981620) Fugger weiterveräußerte. 1660 erwarb die Fugger-Stiftung die Herrschaft. Bocksberg mit insgesamt 23117 und Laugna mit 39 Feuerstätten118 zur Zeit der Erhebung des Feuerstattguldens im Jahre 1492 waren in ihrer Größe jeweils vergleichbar mit Lützelburg (24 Feuerstätten)"9 und Pfersee (38 Feuerstätten)120. Georg I. von Stetten (1489-1562) erhielt 1527 die limitierte hohe oberkait und befrayte nidergerichtsbarkeit durch die Markgrafschaft Burgau gewährt,121 besaß also die Ortsherrschaft, während die Markgrafschaft Burgau die Malefizfälle ahndete und damit die hohe Obrigkeit grundsätzlich für sich reklamierte. Kaiser Maximilian II. und Rudolf II. bestätigten 1566 und 1606 die Privilegien für Georg II. (1520-1573) und Albrecht von Stetten (gestorben 1614).122 Das burgauische Vogtamt Buttenwiesen,123 in dessen Beritt die Herrschaft Bocksberg lag, war rund zwölf Kilometer nördlich der Dörfer Bocksberg und Laugna gelegen. Kirchlich gehörte Bocksberg als Filiale zur Pfarrei Laugna124 und zählte zum Ruralkapitel Wertingen. Patronatsherren über die Pfarrkirche in Laugna waren seit der Mitte des 16. Jahrhunderts (1557) und bis 1670 die evangelischen Grafen von Oettingen.'25 Die Ortsherren von Bocksberg und Laugna, die Patrizierfamilie von Stetten,126 gehörten zu den prononciert evangelischen Augsburger Bürgern: Sie zählten bereits in den ersten Jahren der Reformation zu den „vorrangigen Verbindungsleu116 117
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126
Zur Datierung das Regest der Verkaufsdokumente bei Haemmerle, Hausarchiv, Nr. 111. Georg und sein Bruder Gilg Rieter hatten 1492 für insgesamt 22 Anwesen in Bocksberg, das Augsburger Dominikanerkloster St. Magdalena für ein Anwesen den Feuerstattgulden bezahlt (Nebinger/Schuster, Feuerstattguldenregister, S. 109, 114). Georg Rieter hatte für 24, die Dominikanerinnen von St. Katharina in Augsburg hatten für fünf, die Augsburger Augustinerchorherren zu Hl. Kreuz für zwei, die zu St. Georg sowie das Zisterzienserkloster Kaisheim ebenfalls für zwei Feuerstätten, das Benediktinerkloster Fultenbach, die Kartäuser von Christgarten , Erbmarschall Mang von Hohenreichen sowie der Augsburger Bürger Gilg Rehm jeweils für eine Feuerstätte bezahlt (Nebinger/Schuster, Feuerstattguldenregister, S. 109, 113, 94, 96, 99, 97, 102, 120). - In Modelshausen besaß Georg Rieter vier Anwesen (S. 109). Nebinger/Schuster, Feuerstattguldenregister, S. 85, 112. Nebinger/Schuster, Feuerstattguldenregister, S. 116. Fehn, Wertingen, S. 35; vgl. Haemmerle, Hausarchiv, Nr. 182a/2p 15/17. Vgl. das Regest des Gnadenbriefes Rudolfs II. in Haemmerle, Hausarchiv, Nr. 112. Fehn, Wertingen, S. 11 f. Fehn, Wertingen, S. 56; vgl. Friegl, Bocksberg, S. 21 (ohne Angabe von Belegen). - Seit 1906 ist Bocksberg Filiale der Pfarrei Modelshausen. Seit 1409 war die Kartause Christgarten im Besitz des Patronatsrechtes. Der letzte Prior der Kartause trat zum neuen Glauben über und übertrug Rechte und Besitz des Klosters 1557 Graf Ludwig XVI. von Oettingen (Bosl, Handbuch, S. 127; Kratsch, Vierklösterstreit, S. 44-51). 1670 erwarben die Buxheimer Kartäuser das Patronatsrecht in Laugna von den Oettingern, 1720 St. Ulrich und Afra in Augsburg (Fehn, Wertingen, S. 69; Wömer, Wertingen, S. 154). Die von Stetten gehörten zu den 38 im Jahr 1538 neu ins Patriziat aufgenommenen Familien (Mörke/Sieh, Führungsgruppen, S. 303).
Burgwaiden, Pfersee, Bocksberg, Laugna und Emersacker
267
ten" Luthers in der Stadt.127 Zwischen 1548 und 1648 entsandten sie ausschließlich evangelische Vertreter in den Kleinen Rat128 und gehörten zu jenen fuhrenden Familien der Reichsstadt, die sich „endgültig" und engagiert zum Protestantismus bekannten.129 Im bis 1591 währenden Streit um das Prädikantenberufungsrecht des Rates (Vokationsstreit) sowie um die Kalenderreform Papst Gregors (Kalenderstreit)130 rechnet Katarina Sieh-Burens den nachmaligen (1595-1611) Bürgermeister Albrecht von Stetten gar zur „radikal-protestantischen Faktion" in der Stadt.131 Von ihm wußten auch die burgauischen Amtleute, daß er der Lutherischen Sect eüferig zuegethon sei'32 und sich - in einem hier nicht thematisierten Zusammenhang - in Religions sachen In vi! weg ergerlich erzaigen solle."3
5.3.2
Konfessionelle Lage und konfessionelle Konflikte in Bocksberg
Aufgrund dieser dezidiert evangelischen Orientierung der Ortsherren müßten sich konfessionelle Reibungspunkte mit der Markgrafschaft Burgau und dem Bischof von Augsburg in der Herrschaft Bocksberg nur konsequent ergeben haben. Das Patronatsrecht der evangelischen Oettinger über die Mutterkirche in Laugna hätte zudem seit 1557 einen Ansatzpunkt für die Reformation der Herrschaft abgeben können. Um so erstaunlicher ist es, daß es offensichtlich nicht einmal während des Schmalkaldischen Krieges zur Einführung eines evangelischen Prädikanten in die Pfarrei Laugna kam,134 obwohl die Herrschaft bereits seit 1524 in den Händen der Familie war.135 Auch in den folgenden Jahren kam es dazu in Laugna und Bocksberg nicht, doch gaben unterhalb dieser Schwelle einige Vorgänge der österreichischen Seite wohl auch deshalb Anlaß zu erhöhter Aufmerksamkeit, weil sie - ebenso wie in Burgwaiden - auch als Schritte hin zu einer formal veranker-
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135
Mörke/Sieh, Führungsgruppen, S. 306. Warmbrunn, Konfessionen, S. 325 mit Anm. 18. Sieh-Burens, Verflechtung, S. 208, vgl. S. 210; Mörke/Sieh, Führungsgruppen, S. 307. Zu Augsburger Kalenderstreit und Vokationsstreit Kaltenbrunner, Kalenderstreit; Warmbrunn, Konfessionen, S. 360-375; Jesse, Kalenderreform. Sieh-Burens, Verflechtung, S. 192. TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1607 Oktober 25. StAA, VÖ, Lit. 650, 1592 Juni 10, fol. 310 r . Auch M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 904, fuhrt ohne erkennbare Lücken nur katholische Geistliche auf, was allerdings nur ein Indiz darstellt, denn etwa für Mindelaltheim sind die gesicherten evangelischen Intermezzi ebensowenig aus M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 351, ersichtlich. Die Verfügung des Rates der Reichsstadt 1546 August 10, die Bürger und Einwohner Augsburgs sollten in ihren Herrschaften im Umland der Stadt die Reformation einführen, bezog sich allerdings auf deren geistliche Lehen (Roth, Reformationsgeschichte 3, S. 395 und S. 421 Anm. 51f.; Kießling, Reformationszeit, S. 37). Zu diesem Zeitpunkt (und noch bis 1557) war jedoch das Kartäuserkloster Christgarten im Besitz des Patronatsrechtes über Laugna (Kap. Β. I. 5. Anm. 125).
268
Fallstudien
ten Reformation verstanden werden konnten, gleichgültig, ob diese Schritte nun latenter oder publice getan wurden.136 Bocksberg war - wie Burgwaiden - nicht eigenständige Pfarrei, sondern gehörte als Filiale zur Pfarrei Laugna. Doch befand sich bis zur Zerstörung der Burg Bocksberg im Kriegsjahr 1635 hier der herrschaftliche Amtssitz.137 Diese Konstellation war auch für die konfessionellen Konflikte verantwortlich und bedingte die Existenz einer evangelischen Minderheit im Dorf mit. Erstmals Ende 1586 hatte man in Innsbruck von evangelischen Prädikanten Kenntnis erhalten, die sich vnndersteen, von Ulm aus geen Pockhsperg, In Irer D. Marggrafschafft Burgaw gelegen, zuziehen vnd daselbst bej Albrechten von Stetten vnd seiner Muetter Conuenticula zuhalten, auch zu Predigen vnd das nachtmal zu raichen, desgleichen, das Sy sich anmassen sollen, die Heyrat zusamen zegeben.m - Es waren jene Augsburger Prädikanten, die der Rat im Verlauf des Vokations- und Kalenderstreites der Stadt verwiesen hatte.139 Albrecht von Stetten hatte sich in dieser Auseinandersetzung als Protagonist der protestantischen Opposition gegen den katholisch dominierten Rat profiliert und sich für die ausgewiesenen Prädikanten eingesetzt.140 Einen von ihnen, den Pfarrer an St. Anna, Dr. Georg Mylius (= Müller), hatte die Mutter Albrechts und Witwe Georgs von Stetten, Regina Welser (1531-1603), bereits 1584 Juni 5 auf Bocksberg in Sicherheit bringen lassen, von wo aus er sich dann nach Lauingen und Ulm absetzte.'41 Für ihre Person war es den patrizischen Ortsherren durch den ARF wie auch in der Praxis unbenommen, das evangelische Bekenntnis zu üben. Daß sich die von Stetten also persönlich auf ihrem Ansitz predigen und das Abendmahl reichen ließen, stand demnach nicht zur Debatte; daß die Prädikanten jedoch ihre Tätigkeit auch auf die Bevölkerung Bocksbergs ausgeweitet und Ehen eingesegnet haben sollten, hatte Erzherzog Ferdinand II. - zumal wenn die burgauischen Beamten solches zugesehen vnd [...] nit alspald berichtet haben sollten - nit zu geringem mißfallen verstannden. Die Amtleute wurden daraufhin zu unverzüglichem Bericht und guetbeduckhen aufgefordert, wie sie gegen Prädikanten und Ortsherrn weiters zu verfahren vorschlügen.142 - Nach Lage der Überlieferung läßt sich allerdings weder der in Innsbruck geäußerte Verdacht verifizieren, noch können über einen möglichen weiteren Verlauf des Konfliktes Aussagen getroffen werden. 136 137 138 139
140 141 142
TLA, GR, K/A, 1607 Juni 27. Fehn, Wertingen, S. 35; Bosl, Handbuch, S. 395. StAA, VÖ, Lit. 650, 1586 November 12, fol. 106v. [...] die Predicanten, so Newlicher Zeit der Religion halber zu Augspurg ausgeschaffen worden (StAA, VÖ, Lit. 650, 1586 November 12, fol. 106v); vgl. Kaltenbrunner, Kalenderstreit, S. 539; Warmbrunn, Konfessionen, S. 373. Vgl. Kap. Β. I. 5. Anm. 130. Haemmerle, Geschlechterbuch, S. 98 Anm. 8; vgl. Jesse, Kalenderreform, S. 98. StAA, VÖ, Lit. 650, 1586 November 12, fol. 106v.
Burgwaiden,
Pfersee, Bocksberg, Laugna und
Emersacker
269
Indes taucht Bocksberg etwa 20 Jahre später im Bericht einer vngenanden person - es ist wohl der erzherzogliche Rat Dr. Georg Wagner - 1 4 3 an Erzherzog Maximilian neben Burtenbach, Burgwaiden und Pfersee wieder auf. In all diesen Orten werde mit der Religion vast vbel gehauset, die Catholische Exercitia abgestelt vnd hingegen sectische mit vnwiderbringlichen viller lieben Selen gefahr tarn latenter quam publice introduciert.w Möglicherweise hatte der anonyme Bericht den nämlichen Vorgang im Auge, über den im Juni 1607 auch die burgauischen Amtleute informiert worden waren, daß nämlich ein praedicant zu Höhstet ein gute zeit hero im gebrauch habe, wöchentlich ain oder zweymal sich nach Bocksperg zuuerfiegen, doselb haimblicher weiß predige, das nahtmal raiche vnd doselbst auch Kinder vielleicht zu tauffen Im gebrauch habe. Die dem Landvogtknecht von Buttenwiesen, Leonhard Rößle, allerdings abverlangte vleissige, vnuerlengte, in alle weg aber vnuermerckhte inquisition, ob die Vorwürfe denn zuträfen und wenn ja, ob der Prädikant im Schloß oder pauren hauß predige, und in was personen beysein er dergleichen Exercitia verrihte,]A5 konnte den Verdacht nicht bestätigen. Rößle hatte sich an den Pfarrer von Laugna, Johann Kleinlin, 146 gewandt. Zum damaligen Zeitpunkt hielt dieser sich bereits 34 Jahre in Laugna auf und wußte sich nicht zu erinnern, daß in etlichen iahren ein praedicant in der herrschafft Bocksperg gepredigt habe, haimblichen oder öffentlich. - Pfarrer Kleinlin zeigte damit bemerkenswerterweise ebensowenig wie der Pfarrer von Reinhartshausen in Burgwaiden 147 Interesse an der Belastung oder gar Denunziation des evangelischen Ortsherren. Auch die zusätzliche Nachfrage bei weiteren, vertrewlichen Leuten brachte nichts anderes zutage. 148 Gleichwohl berichtete der Pfarrer - auf die Anfrage des Landvogtknechtes hin - von einem evangelischen Bevölkerungsteil in seiner Pfarrei, der sich zur Lektüre, vermutlich der Bibel, in privaten Konventikeln treffe, zum Empfang des 143 144
145
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147 148
Zu ihm Kap. Β. I. 5. Anm. 47. TLA, GR, K/A, 1607 Juni 27; vgl. TLA, GR, A/E, 1607 August 14; Bitte um Gutachten nochmals wiederholt TLA, K/A, 1607 Oktober 1 1 . - Wie für die anderen Orte, wurden auch fur Bocksberg daraufhin die burgauischen Beamten ersucht, über die Insinuation und Publikation der Religionsmandate Erzherzog Ferdinands aus den Jahren 1586 und 1596 bei den hier genannten - Insassen Bericht zu geben (StAA, VÖ, Lit. 653, 1607 Juli 30, fol. 68r; wiederholt 1607 September 26, fol. 8Γ), was ihnen aber nicht möglich war. TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1607 Juni 11 (Anlage F zum Schreiben von 1607 Oktober 25). Nach M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 904, war Johann Kleinlin 50 Jahre lang, von 1573 bis 1623, Pfarrer in Laugna; Name und Antrittsjahr ebenso in TLA, Sei. Leop., Lit. Ε 27, 1609 März 12 und 20. Kap. Β. I. 5.1.3. Den negativen Befund bestätigt Dr. Georg Wagner in einem Schreiben an die Regierung in Innsbruck: Er hatte 1607 Oktober 19 einen Bericht über Burtenbach eingereicht vnnd seidher nachfrag gehabt, souiel Pockhsperg, Burckhwalden vnnd Pfersen belanngt, aber auff allen angewendten fleiß vber iungsts von Pocksperg vnnd Burckwalden angezaigtes nichts vernomen (TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 2, Nr. 7, 1607 November 2).
270
Fallstudien
Abendmahles aber nach Khurstat - gemeint ist der Ortsteil Kierstadt des etwa neun Kilometer nordwestlich gelegenen pfalz-neuburgischen Kicklingen - 1 4 9 auslaufe: Etlihe Leut seien es, die Lutterisch seyen; diese Lesen einander selbsten vnd wen sie daß nachtmal nehmen wollen, so ziehen sie gemainlich nach Khurstat zum praedicanten.'50 Daß sie dabei gleichzeitig dem katholischen Gottesdienst fernblieben, versteht sich von selbst. Die Analyse der konfessionellen Rahmenbedingungen in der Herrschaft Bocksberg offenbart Faktoren, wie sie auch für Pfersee charakteristisch waren: Zum einen befand sich Bocksberg in der Hand eines evangelischen Ortsherrn, dem zwar trotz aller Befürchtungen und Verdächtigungen, die sich über Jahrzehnte hinweg hartnäckig hielten, aktive Zurückdrängung des alten Glaubens und Förderung der Reformation bei den Untertanen nicht nachgewiesen werden konnten, der aber vom katholischen Standpunkt aus abweichenden Glaubenspraktiken im Dorf - Auslaufen und Winkelpredigt - wenn schon nicht Vorschub leistete, so zumindest keinen Widerstand entgegensetzte. Zum anderen erweist sich auch im Falle von Bocksberg - allerdings verglichen mit Pfersee in abgeschwächter Form - die Nähe zu benachbarten evangelischen Herrschaften als grundlegende Schwierigkeit konfessioneller Homogenität und Homogenisierung. Das pfalz-
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Als Namensformen erscheinen in der Literatur Kierstadt, Kirstatt oder Kirchstatt. - Patronatsherren in Kicklingen waren seit der Reformation die Grafen von Oettingen, die Landeshoheit besaß Pfalz-Neuburg; vgl. vorerst bis zum Erscheinen des Historischen Atlas zu Dillingen noch immer Steichele, Bistum, Bd. 4, S. 685-694, bes. S. 688f.; Einwohnerbuch Dillingen, S. 22; Bosl, Handbuch, S. 354f. - Einige Jahre nach der Auslösung der hochstiftaugsburgisehen Pfandschaft (1559) hatte die oberösterreichische Regierung erfahren, daß Pfalzgraf Wolfgang (1559-1569) in zwaien Fleckhen, Kirchstat vnd Kickhlingen, [...] Lutterische vnd verfuerische Predicanten aufgestellt habe. Da man in Innsbruck damals annahm, die Orte (oder Ortsteile) lägen innerhalb der Markgrafschaft Burgau und der Pfalzgraf besitze darin khain anndere Obrigkhait, sann souil [...] die Feurstat gulden Freyhait zuegibt, wurde die bischöfliche Regierung in Dillingen um ihren Bericht ersucht, warum man unter Kardinal Otto zuegesehen vnd gestattet habe, das also verfuerische, Sectische predicanten in der Marggrafschafft Burgaw aufgestelt vnd die Newe Religion darinnen angericht worden (StAA, VÖ, Lit. 648, 1563 September 3, fol. 69v). Der Anspruch der Markgrafschaft auf hohe Obrigkeit über Kicklingen mit Kierstadt läßt sich jedoch auch über die Feuerstattguldenfreiheit nicht belegen. Nur das Zisterzienserkloster Kaisheim hatte 1492 dort lediglich eine einzige Feuerstatt angegeben (Nebinger/Schuster, Feuerstattguldenregister, S. 99). Österreich dürfte erkannt haben, daß es hier die hohe Obrigkeit gegen den Pfalzgrafen nicht geltend machen konnte. Dies mag der Grund sein, weshalb die Reformation der Orte bzw. Ortsteile in den österreichischen Archivalien nach 1563 nicht mehr thematisiert wurde. - Zu älteren Auseinandersetzungen um die Hochgerichtsbarkeit über die beiden Orte (1543 und 1551) Färber, Burgau, S. 129. Einen Überblick über Rechte und Besitz der Markgrafschaft im Altlandkreis Dillingen bietet Lausser, Markgrafschaft, S. 32-34; zur Rekatholisierung Kicklingens Spindler, Heinrich V. Reformarbeit, S. 133f. TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, undatiert [nach 1607 Juni 11] (Anlage G zum Schreiben von 1607 Oktober 25).
Burgwaiden, Pfersee, Bocksberg, Laugna und Emersacker
271
neuburgische 1 5 1 Hochstätt, 152 von d e m aus ein lutherischer Prädikant - angeblich ein- oder zweimal in der W o c h e in das Dorf kam, 153 lag nur 14 Kilometer nordwestlich von Bocksberg; das ebenfalls pfalz-neuburgische Kierstadt bzw. Kicklingen, in das einige Bocksberger zum E m p f a n g des Abendmahles ausliefen, war gar nur neun Kilometer entfernt.
5.3.3
Die konfessionelle Politik Österreichs in Bocksberg
Ebenso wie in Pfersee bestand die politische Antwort Erzherzog Maximilians aus zwei Komponenten: einer weltlichen und einer geistlichen. Z u m einen trat die Markgrafschaft Burgau über die Mandatspolitik in direkter Weise obrigkeitlich gegenüber ihren Untertanen in Bocksberg in Erscheinung: Die Amtleute sollten unter anderem dort die erzherzoglichen Religionsmandate vleissig intimiern vnd publiciern. Darüber hinaus aber erhielten sie den Befehl, sich beim zuständigen Pfarrer in Laugna nach den N a m e n der Unkatholischen zu erkundigen und ihnen zu befehlen, sich binnen einer Frist von drei oder vier Monaten wieder zur katholischen Religion zu bekennen und Beichte und K o m m u n i o n zu empfangen. U m dies nachzuweisen, sollten sie hierüber dann von Iren ordenlichen Pfarrherrn schrifftlichen schein fürbringen oder aber alsbald die Markgrafschaft Burgau verlassen. 154 - Nachrichten über den Vollzug oder die Wirkung bzw. Wirksamkeit dieser M a ß n a h m e n fehlen allerdings. Z u m anderen forderte Maximilian Bischof Heinrich auf, als Ordinarius loci für die qualifizierte geistliche Versorgung Bocksbergs Sorge zu tragen, damit [...] diß oris an der geistlicheit auch nichts ermangle,155 O b und gegebenenfalls welche konkreten M a ß n a h m e n der Bischof daraufhin ergriff, ist nicht bekannt. Johann Kleinlin jedenfalls blieb noch bis zu seinem Tod 1623 Pfarrer in Laugna und dessen Filiale Bocksberg, sicherte der Seelsorge dort also - zumindest - Kontinuität. Man könnte annehmen, daß es kurz darauf, seit 1609 zu einer Fortsetzung oder Verschärfung des konfessionellen Konflikts in Laugna und Bocksberg kam, da die Herrschaft in diesem Jahr an Johann Friedrich Schertlin von Burtenbach gelangte, 156 der schon in seiner benachbarten Herrschaft Emersacker 1 5 7 vor konfessi151
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Zu Reformation bzw. Rekatholisierung von Pfalz-Neuburg A. Weber/Heider, PfalzNeuburg; Nadwornicek, Pfalz-Neuburg. Zu Hochstätt Steichele, Bistum, Bd. 4, S. 660-685; Einwohnerbuch Dillingen, S. 21; zur Rekatholisierung der Stadt ab 1615 Markmiller, Gegenreformation. 1607 versah Johannes Philipp Heilbrunner aus Lauingen die Pfarrei Höchstädt. Sein als „Diakon" bezeichneter Gehilfe war damals Johann Jakob Manne (Markmiller, Höchstädt, S. 57, 63). TLA, GR, K/A, 1608 Januar 14 (2). TLA, GR, K/A, 1608 Januar 14 (1). Zur Datierung Kap. Β. I. 5. Anm. 114. Fehn, Wertingen, S. 35; Bosl, Handbuch, S. 395; Karg, Emersacker, S. 392.
272
Fallstudien
onellen Auseinandersetzungen nicht zurückgeschreckt war.158 Dennoch scheint es dazu in Bocksberg nicht gekommen zu sein - wohl aber in Laugna (Kap. Β. I. 5.3.4). Schertlin hielt die Herrschaft Bocksberg nur kurze Zeit bis 1613. Danach ging sie an Marx Philipp und Marquard Fugger. Eine allfällige evangelische Minderheit im Dorf fand damit am Ortsherren keinen Rückhalt mehr. - Wenig später wurden auch die pfalz-neuburgischen Orte Hochstätt und Ricklingen rekatholisiert und ihre evangelischen Prädikanten durch katholische Geistliche ersetzt.159 Nachrichten über konfessionelle Abweichung finden sich seither nicht mehr. Zum Eingreifen sah sich Erzherzog Maximilian in Bocksberg nach eigenem Bekunden deshalb gezwungen, weil die Arme leüth nach vnd nach in Irtumb des glaubenß gerathen vnd das gifft der Kezerey latenter eingeschlichen sei. Nun gehe es ihm um die Rettung der Seelen.160 Maximilian formuliert damit als Motiv seines Handelns ausschließlich seine religiöse Verantwortung ftir die Menschen. Daß die österreichische Seite auch in Bocksberg keine Anstalten machte, aus ihrer zeitweise intensiveren kommunikativen bzw. administrativen Präsenz im Dorf weitergehendes politisches Kapital für sich zu ziehen, vielmehr - nach Ausweis der Überlieferung - Aufmerksamkeit und Interesse für Bocksberg nach Einleitung der konfessionellen Korrektur verlor, zeigt, daß die Äußerungen Maximilians durchaus nicht als religiöse Verbrämung politischer Ziele zu verstehen sind. Eine beiläufige Bemerkung Maximilians in seinem Schreiben an die burgauischen Amtleute muß dabei hellhörig machen, weil sie zusätzlich zur Rettung der Seelen noch einen weiteren Beweggrund für die Zurückdrängung des evangelischen Bekenntnisses im Dorf anfuhrt: Der Aufenthalt etwelliche[r] Luterische[r] Personen in Bocksberg bedeute nämlich für die Catholischen daselbß nicht nur eine gefahr, angesteckt zu werden und damit des Seelenheils verlustig zu gehen, sondern stelle für die Katholiken auch ein ergernuß dar,161 werde also als skandalös empfunden und errege das Mißfallen der Bevölkerungsmehrheit.162 Als zusätzliches Motiv hätte Maximilian es somit begriffen, mit der konfessionellen Homogenität auch Frieden und Eintracht im Dorf wiederherzustellen. - Ist die Bemerkung nicht als bloße Rhetorik zu verstehen, sondern nahm sie auf konkrete Stimmungen in der Bevölkerung Bocksbergs Bezug, kann man sie darüber hinaus als Votum des größeren Bevölkerungsteils für den katholischen Glauben bzw. als Beleg für die Ausbildung konfessionellen (katholischen) Bewußtseins werten. Vice versa müßten dann die Maßnahmen der österreichischen Verwaltung und des Bischofs grundsätzlich das Einverständnis der katholischen Mehrheit im Dorf gefunden haben.
158 159 160 161 162
Kap. Β. I. 5.4.2. Zur Rekatholisierung von Höchstädt Markmiller, Gegenreformation. TLA, GR, K/A, 1608 Januar 14 (1). TLA, GR, K/A, 1608 Januar 14 (2). Zur Semantik von .Ärgernis' DWB, Bd. I, S. 549.
Burgwaiden, Pfersee, Bocksberg, Laugna und Emersacker
5.3.4
273
Konfessionelle Konflikte und konfessionelle Politik Österreichs in Laugna
Von ganz anderer Art als in Bocksberg waren die konfessionellen Konflikte, die sich in Laugna in den Jahren 1608 und 1609, vermutlich auch noch bis 1613, ergaben. Nicht die Praxis einer evangelischen Bevölkerungsminderheit erweckte hier Anstoß und fand die Aufmerksamkeit der österreichischen bzw. burgauischen Beamten; über evangelische Neigungen der Bevölkerung Laugnas ist nichts überliefert. Anstößig und konfliktträchtig war hier vielmehr das Verhalten des evangelischen Vogtes Albrechts von Stetten bzw. Johann Friedrich Schertlins von Burtenbach, w o f ü r den eigentlichen Hintergrund eine Auseinandersetzung um finanzielle Rechte der Pfarrei abgab. Ebenfalls anders als in Bocksberg war es in Laugna zunächst auch die geistliche Gewalt, der bischöfliche Generalvikar Zacharias Furtenbach (1598-1617)' 6 3 bzw. vor Ort Pfarrer Johann Kleinlin, die auf die Vorgänge a u f m e r k s a m machte und ihrerseits die weltliche Gewalt um Unterstützung ersuchte. Erstmals im August 1608 klagte Generalvikar Furtenbach, wahrscheinlich informiert durch Ortspfarrer Johann Kleinlin, dem burgauischen Landvogt Ulrich von Stotzingen, in Laugna gebe es einen ketzerischen Vogt, der, wie leichtlich zue-
rachten, nit allein mit dem bößen exempel, sonder auch das hierdurch den vnderthannen an gebührender obacht in Religionis Sachen ermanglet, nit viel guetes, sonder nuhr nachthail vnd schaden vervrsachen khan. Der Vogt teilte offensichtlich nicht die Glaubenspraxis der katholischen Bevölkerung Laugnas und gab ihr damit ein exempel, wie man sich religiösen Pflichten widersetzen oder entziehen könne. Darüber hinaus konnte die Kirche - Pfarrer Kleinlin vor Ort - von ihm keine Hilfe bei der religiösen Disziplinierung der Gemeinde erwarten, da es der Vogt in Religionis Sachen an der Aufsicht, der notwendigen obacht, fehlen lasse - konkrete Fälle sind hier allerdings nicht genannt. 164 Furtenbach ersuchte daher den Landvogt, gegen den stettenschen Vogt entsprechende, nicht näher ausgeführte Schritte - iedoch ohne mein maßgebung - zu unternehmen. 1 6 5 Schon die Tatsache, daß das Schreiben des Generalvikars überhaupt an den burgauischen Landvogt gerichtet wurde, zeigt, daß Albrecht von Stetten das Verhalten seines Vogtes offenbar billigte. Eine Beschwerde des Generalvikars beim Ortsherren hatte wohl entweder keinen Erfolg gebracht oder war wegen der geringen Aussichten auf Erfolg überhaupt unterlassen worden. O b die burgauischen Beamten daraufhin (1608) gegen den Vogt vorgingen, ist nicht überliefert. Wenn sie es taten, blieb es jedenfalls ohne Wirkung. Denn schon wenige Monate nach dem Schreiben des Generalvikars hatte Pfarrer Kleinlin
163 164 165
Rummel, Bischöfe, S. 84f. ABA, GVPr 1, 1608 August 14, 372. ABA, GVPr 1, 1608 August 14, 372.
274
Fallstudien
Anlaß, seine Vorwürfe zu konkretisieren. Vermutlich im Generalvikariat zu Augsburg gab er Gravamina zu Protokoll, von denen sich - aus welchen Gründen auch immer - eine Abschrift in der Tiroler Hofregistratur erhalten hat.166 Dem Vogt wird darin vorgeworfen, seit Jahren Einkünfte des Heiligen entfremdet zu haben. Er gehe seines gefallens mit dem heilligen, so ein stadtliches vermügen hat, um; ja, wenn man einmal nach den Rechnungen sähe, würde offenbar, daß er demselben etlich hundert gulden schuldig sei. Die Kontrolle durch Rechnungseinsicht war Kleinlin jedoch bereits seit der Zeit nicht mehr möglich, als Albrecht von Stetten den Pfarrer gar von der Rechnung ausgeschlossen hatte.167 Der Geistliche vermutete, sich die Gegnerschaft des Ortsherrn deshalb zugezogen zu haben, weil er dem Patronatsherren der Pfarrkirche, dem (evangelischen) Grafen von Oettingen, etlich newbrüch angezeigt hatte,168 also den Zehnten daraus gegen die Absicht des Ortsherren den pfarrlichen Einkünften zugezählt wissen wollte. Mittlerweile (1609) hatte Johann Friedrich Schertlin von Burtenbach die Herrschaft Bocksberg erworben und den Vogt Albrechts von Stetten offenbar übernommen. Mit dem Übergang der Herrschaft an Schertlin verschärften sich die konfessionellen Auseinandersetzungen noch einmal erheblich. Es kam gar zu Handgreiflichkeiten gegen den Pfarrer von Laugna. Als der Dekan des Landkapitels Wertingen in Begleitung der beiden Pfarrer von Laugna und Modelshausen 1609 März 16 im Wirdtshauß ein Verhör gegen die Vierer von Bocksberg Khraut zehendten vnnd khirchenbrots halber, also wegen der pfarrlichen Einkünfte durchführte, kam es zu einem ersten Zwischenfall: Der Sohn des Vogtes, Matthäus Huriinger, ein Khezer sowol alß der Vatter, hatte das Pferd des Dekans hinwekh geritten vnnd, alß der Bedell Ime nachgeeylet vnnd seines herrn Roß begert, hat Er Ine mit der blossen wehr dreymal vber den khopf flächlich geschlagen. Der Übergriff des Matthäus Huriinger gegen den Pedell des Dekans geschah dabei nicht nur in provokativer Absicht - er war geeignet, mit 166
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TLA, Sei. Leop., Lit. Ε 27, 1609 März 12 und 20 (Daten der Protokollierung). - Die Bezeichnung als ,Leopoldina' ist insofern irreführend, als sich in diesem Bestand nicht nur Akten aus der Regierungszeit Erzherzog Leopolds V. (1619-1632), sondern auch seiner Nachfolger - seiner Witwe Erzherzogin Claudia (1632-1646) und seiner Söhne Ferdinand Karl (1646-1662) und Sigismund Franz (1662-1665) - und, wie im vorliegenden Fall, seines Vorgängers Maximilian III. (1602-1618) befinden; zu diesem Bestand Arbeitsgemeinschaft Alpenländer, Staats- und Landesarchive, S. 166. Im einzelnen sagte der Pfarrer aus, Er seye Anno 1573 daselbst pfarrer worden. Ein Jahr, zway oder drey seye die Rechnung im Pfarrhojf gehalten vnnd der von Stetten selbst darbey gewesst. Hernacher hab Er die Rechnung in daß Schloß Pokhsberg gezogen oder anderer orthen seines gefallens gehalten. Seye doch ain Pfarrer alzeit darbey gewesst, hab auch alzeit ein Schlüßl zu der heyligen Bix gehabt. Biß auf die nechste 5 oder 6 Jahr hab man etwan den schrein zu vngelegner Zeit offenen wollen vnnd, weil Er sich beschwert, darzue zukhomen vnnd den schlissl von sich geben. Seye derselbe Ime nit mehr zuegestellt vnnd Er dardurch gar von der Rechnung außgeschlossen worden (TLA, Sei. Leop., Lit. Ε 27, 1609 März 12 und 20). TLA, Sei. Leop., Lit. Ε 27, 1609 März 12 und 20 (Daten der Protokollierung).
Burgwaiden, Pfersee, Bocksberg, Laugna und
Emersacker
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dem Diener zugleich dessen geistlichen Herrn und seine scheinbar machtlose Kirche vor den Augen einer größeren Schar von Zeugen zu demütigen - , sondern brachte auch deutlich zum Ausdruck, was Schertlin von der Anwesenheit und Wirksamkeit der kirchlichen Jurisdiktion in seiner Herrschaft hielt. - Als kurz darauf die Geistlichen nach Bocksberg gingen, einen Trunckh zu tun, kam es zu einem weiteren Zwischenfall: Pfarrer Kleinlin war von schertlins dienner auß Beuelch seines Junckhern mit den Worten angesprochen worden: Hörst dus, P f a f f , es ist meines Junkhern beuelch: Du sollest auß dem Wierthshauß gen vnnd nur gschwindt. Vnnd du, Wirth, es seye dir geschafft, du sollest dem Pfaffen da bey straff zwainzig gulden khein wein mehr geben vnnd du, Pfaff du sollest meines Junkhern dorff müessig gehn! Daraufhin habe der Diener ihn gwaltthättiger weiß auß dem Wiertshauß ohne ainiche Rechtmessige vrsach vertrieben. Daß beide Vorgänge in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den Verhandlungen um Zehnt und kirchliche Einkünfte stehen, macht die Vermutung Pfarrer Kleinlins wahrscheinlich, er sei allein darumb, daß Er der Pfarr Ihre gerechtigkheit zuerhalten begert, vertrieben worden. 169 Die burgauischen Beamten versuchten jetzt, gegen den Vogt vorzugehen, doch auch der Nachfolger Albrechts von Stetten nahm ihn offenbar weiterhin gegen ihre nicht näher bekannten Maßnahmen in Schutz. 170 Erst mit dem Kauf Laugnas durch Marquard und Marx Philipp Fugger verlieren sich die Klagen, vermutlich weil der Vogt nun abgelöst und durch einen Katholiken ersetzt worden war.
5.4 5.4.1
Emersacker (1608/09) Emersacker und die Schertlin
In unmittelbarer Nachbarschaft Bocksbergs - zweieinhalb Kilometer südlich liegt Emersacker. Stefan von Knöringen, genannt Schräg, hatte dort 1492 für 37 Feuerstätten den Feuerstattgulden erlegt. 171 Der Ort - ein bayerisches Lehen - 1 7 : besaß damit zu diesem Zeitpunkt etwa die Größe Laugnas mit 39 Feuerstätten. 173
169 170
171 172 173
TLA, Sei. Leop., Lit. Ε 27, 1609 März 12 und 20 (Daten der Protokollierung). Das Günzburger Hauptrepertorium von 1779 weist hierzu noch zwei verschollene Faszikel aus (Stell- und Bestrafung des Vogtens zu Lugna wegen ei'ge/7i/j[ümlichen] Exercitij Lutherischer Religion und andern Verbrechen. 1610, 11, 12, 13). Die mit zwei Faszikeln offenbar nicht nur marginale Überlieferung umfaßt mit Ausnahme von 1609 die Jahre, in welchen Johann Friedrich Schertlin die Herrschaft Bocksberg innehatte (StAA, VÖ und Burgau, Literalien 100). Nebinger/Schuster, Feuerstattguldenregister, S. 106. Färber, Burgau, S. 38. Vgl. Kap. Β. I. 5. Anm. 118.
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Fallstudien
Das Patronatsrecht für die Pfarrkirche St. Martin lag in den Händen des Ortsherren.174 Die Besitz- und Herrschaftsgeschichte Emersackers bis zum Erwerb durch Marquard und Marx Philipp Fugger (1613)175 ist völlig unzureichend aufgearbeitet. Unzutreffend ist die im Historischen Atlas geäußerte Ansicht, Bocksberg und Emersacker seien bis 1610 getrennte Herrschaften gewesen,176 denn beide Orte befanden sich bereits im 16. Jahrhundert im Besitz der Augsburger Patrizierfamilie von Stetten.177 Diese veräußerten Bocksberg und Laugna zusammen mit Emersacker 1609 an Johann Friedrich Schertlin von Burtenbach, 178 der die Orte 1613 den Fuggera überließ.179 Zu klären, wie es dann aber möglich ist, daß konfessionelle Konflikte mit Schertlin in Emersacker bereits fur September 1607 nachgewiesen sind,180 muß jedoch einer ausfuhrlicheren Aufarbeitung der Besitzund Herrschaftsgeschichte vorbehalten bleiben.
5.4.2
Konfessionelle Konflikte in Emersacker
Nicht anders als in Laugna bot auch in Emersacker nicht die Bevölkerung Anlaß zu konfessionellem Konflikt. Vielmehr versuchte hier Ortsherr Johann Friedrich Schertlin nachgerade virtuos, die katholische Glaubensübung im Dorf zu behindern, zwang seine Untertanen zur Arbeit an katholischen Feiertagen, veränderte ständig die Gottesdienstzeiten, gab Evangelischen wie Katholischen gleichermaßen in seinem Schloß auch an Fasttagen Fleisch zu essen und schmälerte die Einkünfte des Pfarrers und des Kirchenheiligen. Vieles spricht dafür, daß er dabei auf den Widerstand seiner Untertanen stieß, die dagegen bei ihrem Ortspfarrer Rückhalt suchten, der sich seinerseits an das Ordinariat wandte. Wie in Laugna war es also auch hier im wesentlichen die kirchliche Hierarchie, nicht die österreichische Administration, die gegen den reformatorisch gesinnten Ortsherrn auftrat. Zentraler Vorwurf und Anlaß für eine Reihe weiterer Klagen gegen Schertlin181 war zunächst sein Befehl an die Untertanen, daß sie für ihn an Mariä Geburt 174
175 176 177
178 179 180 181
TLA, Sei. Leop., Lit. Ε 27, 1608 März 23; ABA, GVPr 1, 1609 Juli 11, 274, 1611 August 28, 285 und ohne Datum, 289. - Vgl. Wörner, Wertingen, S. 93f. Für die Zeit ab 1613 ausführlich Karg, Emersacker. Fehn, Wertingen, S. 35, folgt hier Bosl, Handbuch, S. 395 (bzw. einer älteren Auflage). Vgl. den Plan der Herrschaft Bocksberg unter anderem mit Bocksberg, Emersacker und Laugna („um 1560/80"), verzeichnet bei Haemmerle, Hausarchiv, Nr. 406; ders., Geschlechterbuch, S. 103 Anm. 2; Wörner, Wertingen, S. 93, 96. - 1553 befand sich Emersacker noch im Besitz Ulrichs von Knöringen (Färber, Burgau, S. 60 Anm. 1 und S. 180). Haemmerle, Geschlechterbuch, S. 103 Anm. 2. Haemmerle, Hausarchiv, Nr. 111; ders., Geschlechterbuch, S. 103 Anm. 2. TLA, Sei. Leop., Lit. Ε 27, 1608 März 23. Die Klagen gab Pfarrer Georg Kaut (M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 885, vermerkt ihn zwischen 1608 und 1610 als Pfarrer von Emersacker) dem bischöflichen Siegler Michael Schmidtner im Augsburger Generalvikariat unter Eid zu Protokoll (TLA, Sei. Leop., Lit. Ε 27, 1608 März 23).
Burgwaiden, Pfersee, Bocksberg, Laugna und
Emersacker
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(1607 September 2) in daß holz fahrn vnnd holz zum Ziegelstadl füeren sollen. A m Morgen dieses Feiertages vor der khürchen vnnd Gotßdiennst hatte er durch den Pittel bey straff 4 fl. oder dem stockh seinen Vnndterthanen daselbsten seine Anordnung mitteilen lassen. 182 Die näheren Umstände der Anordnung selbst - vor dem Gotteshaus und unmittelbar vor Beginn der Messe - offenbaren dabei ebenso wie die demonstrative Beschaffenheit der Tätigkeit, die Schertlin seinen Untertanen abverlangte - schwere körperliche Arbeit, die weithin sichtbar nicht ohne Aufsehen ausgeführt werden konnte - , die provokative Intention des Vorgehens. Schertlin hatte die Provokation dabei längst zum System gemacht und bißhero an allen fest vnd Feyrtägen vnnd in specie neulich an St. Niclaß tag seine Maurer Mörtl tragen vnd Zimerleüth von Augspurg, so Er im Schlosß hat, öffentlichen Arbaiten lasßen, Er fringe auch etliche Junge leüth seines dorffs Emersackher dahin, daß Sye an dergleichen Vest- vnnd Feyrtägen Mörtl tragen müessen.m Regelmäßig ließ er seine Untertanen, alßbaldt nach der Khürchen an Feyr- vnd Sontägen auf daß Geiaydt züehen.m Auch noch im Jahr darauf, 1608, verlangte er ihnen ab und zwang sie, Sontag vor mitag - also zur Zeit der Messe - Steine zu seinem Schloßbau in Emersacker zu fahren. 185 An einem anderen Sonntag ließ Schertlin die Bauern sogar aus der Kirche heraus zum Jagen holen. 186 Wenngleich das sonntägliche Arbeiten überkonfessionell abgelehnt wurde, wird gerade in den Umständen, wie hier die Ableistung der Jagdfron gefordert wurde, die konfessionelle bzw. antikatholische Stoßrichtung deutlich. Die Störung einer Messe von kaum mehr als einer Stunde Dauer, läßt sich weder mit zeit-, noch arbeitsökonomischen Argumenten begründen, wie dies vielleicht bei gelegentlicher Forderung von Baufronen an Feiertagen zur Not hingehen mag, sondern stellt die eklatante und gewollte Mißachtung einer aus katholischer Perspektive heiligen liturgischen Handlung dar. 187 Störung der Gottesdienste mußte und wollte Schertlin auch mit einer weiteren Maßnahme bewirken. So wurde ihm vorgeworfen, Er mutiere die Zeit des geleiits vnd haltung des Gottßdiensts, wie er
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Jeder der zwölf Bauern mußte je ein Fuder Scheitholz fahren (ABA, GVPr 1, 1609 Juli 11, 274). Pfarrer Kaut fugt hinzu, Dises Alles sey mit menigelichen zubeweisen (TLA, Sei. Leop., Lit. Ε 27, 1608 März 23). TLA, Sei. Leop., Lit. Ε 27, 1608 März 23. ABA, GVPr 1, 1609 Januar 18, 297: Es handelt sich um einen Brief des Generalvikars an den Dekan des Landkapitels Wertingen, der über die beschriebenen Vorkommnisse glaubwürdige erfahrung erhalten haben will und den Dekan nun um die Beibringung näherer Informationen beim Pfarrer von Emersacker ersucht. Er habe sie eilendts auß der kürchen durch seine diener abholn lasßen vnd ins Jagen geschafft (ΑΒΑ, GVPr 1, 1609 Januar 18, 297). Die gleiche Intention muß man auch in der Vorladung eines Bauern erblicken, den Schertlin wegen einer Auseinandersetzung in festo caenae domini gleich post sacram communionem zue sich in des Vogts Hauß gerueffen hatte, ohne also das Ende des Gottesdienstes abzuwarten (TLA, Sei. Leop., Lit. Ε 27, 1608 März 23).
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Fallstudien
welle. Mit der Verfügungsgewalt über die Kirchenglocken188 konnte der Ortsherr Einfluß nehmen auf Regelmäßigkeit und Verläßlichkeit der Gottesdienstzeiten und damit dem Kirchenbesuch ein Hindernis in den Weg legen.189 Ebenso wie das beschriebene Verhalten Schertlins nicht anders denn als planmäßige Sabotage katholischer Gottesdienste und Feiertage bezeichnet werden kann, wird man auch in der Mißachtung der Fasttage nicht nur eine persönliche religiöse Entscheidung des Ortsherren erblicken, sondern den Versuch, die katholische Glaubenspraxis bei den Untertanen zu untergraben. Denn Schertlin setzte sich über die Autorität des kirchlichen Gebotes nicht nur für seine Person hinweg, sondern ließ an verbotnen tagen den Taglöhnern, hanndtwerckhs leüthen vnd so gar seinen Catholischen Arbaitern vnd gannzem Hausgesindt, wer im Schlosß ist, yederzeit flaisch zur Mahlzeit reichen.190 Wollten die Katholiken unter ihnen und nur um sie geht es bei diesem Vorwurf - nicht überhaupt auf das Essen verzichten, waren sie gezwungen, gegen das kirchliche Gebot zu verstoßen. Mochten sie dadurch aufgrund der Zwangslage auch keine Sünde begehen,191 war die Praxis Schertlins aber in jedem Falle dazu geeignet, zur Beschädigung der kirchlichen Autorität bei seinen Untertanen beizutragen, da sie zum einen sahen, wie ihre evangelischen Tischgenossen das Aufgetragene mit bestem Gewissen essen konnten, zum anderen erlebten, wie sich ihr Ortsherr über kirchliche Gebote einfach hinwegsetzen konnte. Auch die materiellen Grundlagen der katholischen Kirche in Emersacker versuchte Johann Friedrich Schertlin zu beschädigen und das Einkommen des Pfarrers selbst wie auch das der Kirchenfabrik zu schmälern: Schon die Verleihung der Pfarrstelle an Georg Kaut knüpfte Schertlin an die Bedingung, der Geistliche solle sich mit 200 fl. für den Großen Zehnten zufrieden geben. Andernfalls stünden schon zwei weitere Priester bereit, die sich zu diesen Konditionen präsentieren ließen. Als Kauts Vorgänger, Balthasar Stegherr,192 die Pfarrei räumte, habe Schertlin, so die Vorwürfe, ein gannzen kharn vol junger Peum auß dem Pfarrgarten fiieren lasßen. Nachdem er bereits mit einziehung etlicher Ackher vnd wißmadts, so der Pfarr zehntbar gewest, die pfarrlichen Einkünfte reduziert habe, wolle Schertlin neuerdings zehendtfrey sein,193 also aus seinen Schloßäckern über-
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Zum obrigkeitlichen Verfügungsrecht über die Kirchenglocken Wohlhaupter, Glocke, Nr. 2; HRGBd. I, S. 1706-1708. TLA, Sei. Leop., Lit. Ε 27, 1608 März 23. TLA, Sei. Leop., Lit. Ε 27, 1608 März 23; vgl. ABA, GVPr 1, 1609 Juli 11, 274. „Soldaten, Dienstboten und überhaupt Untergebene, welche für ihren Tisch nicht selbst sorgen können [...], von ihren Vorgesetzten aber nur verbotene Speisen erhalten, sind wenigstens nicht zur Abstinenz verpflichtet; ob auch nicht zum Jejunium, hängt von der Arbeitslast ab, die ihnen aufgebürdet ist" (WWKL, Bd. IV, S. 1249). M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 885, verzeichnet ihn zwischen 1590 und 1608 als Pfarrer von Emersacker; in TLA, Sei. Leop., Lit. Ε 27, 1608 März 23, als doctor Stöckher bezeichnet. TLA, Sei. Leop., Lit. Ε 27, 1608 März 23.
Burgwaiden, Pfersee, Bocksberg, Laugna und
Emersacker
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haupt keinen Zehnt mehr entrichten. 194 Auch den von Stefan von Knöringen gestifteten Jahrtag wolle er nicht mehr halten lassen. 195 Zu den Einkünften der Kirchenfabrik zählte bislang ein Geldzins der Mühle zu Emersacker. Mit deren Erwerb hatte Schertlin die Zahlung eingestellt und trieb, wie man sagt, nur das ge-
spött darauß, wan St. Peter oder St. Martin zue ihme komb, well er sie schon bezahlen.'96 Im Generalvikariat sah man darin nicht nur eine materielle Gefahr für die finanzielle Versorgung von Pfarrer und Kirchenfabrik, sondern auch eine res pess//w[i] exempli, wenn sich der Ortsherr ungestraft so verhalten könne, alß wan
weder gericht noch recht, weder gaistliche noch weltliche obrigkeit im Land were, die seiner zue gebühr mächtig und er zue respectieren schuldig seye. Es gehe also auch darum, durch entschiedene Gegenmaßnahmen die frechen Lutheranner nicht zur Nachahmung anzuregen. 197 Die Schmälerung pfarrlicher Einkünfte durch den Ortsherren geschah zwar oft genug unabhängig von dessen Konfession, auch also, wenn dieser katholisch war; doch macht die Argumentation des Generalvikars im Falle Schertlins den konfessionellen Hintergrund auch fur diese Klagen noch einmal deutlich. Mehr als bei allen anderen Vorwürfen bot hier das Kirchenrecht eine klare juristische Handhabe.
5.4.3
Das kirchliche Vorgehen gegen Hans Friedrich Schertlin
Erstes überliefertes Zeugnis über die Auseinandersetzungen in Emersacker sind die Gravamina, die Pfarrer Georg Kaut 1608 März 23 dem bischöflichen Siegler Michael Schmidtner 198 im Generalvikariat zu Protokoll gab. 199 Generalvikar Zacharias Furtenbach (1598-1617) 200 hatte den Pfarrer dazu veranlaßt, nachdem er vom Verhalten Schertlins bereits erfahren hatte. 201 Furtenbach scheint Schertlin daraufhin nachdrücklich aufgefordert zu haben, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen und die katholische Glaubensübung im Dorf nicht zu beeinträchtigen. 202 Da er aber annehmen mußte, dieser würde solche monition in wind schlagen, drohte er mit dem Entzug des Patronatsrechtes. 203 Daß dieser sich jedoch von der Drohung mit einem kanonischen Prozeß allein hätte beeindrucken 194 195
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ABA, GVPr 1, 1609 Juli 11, 274. Den Jahrtag hatte vormals die Herrschaft, auch in sonderhait die von Knöringen, ob sie gleich der Catholischen Religion nit gewesst, gehalten (ABA, GVPr 1, ohne Datum, 289). ABA, GVPr 1, ohne Datum, 289. ABA, GVPr 1,1611 Juni 20, 293. Nähere Daten über ihn fehlen; vgl. lediglich Spindler, Dekans-Ansprache, S. 26. TLA, Sei. Leop., Lit. Ε 27, 1608 März 23. Rummel, Bischöfe, S. 84f. ΑΒΑ, GVPr 1, 1609 Juli 11, 274. ΑΒΑ, GVPr 1, 1609 März 24, 285. Der Generalvikar beruft sich auf den Konzilskanon 9 der Sessio XXV (ΑΒΑ, GVPr 1, 1609 Juli 11, 274), obwohl conc. Trid. XXII, 11 einschlägig wäre; WWKL, Bd. IX, S. 1628f.
280
Fallstudien
lassen, schien auch dem Generalvikar unwahrscheinlich: Da dißer frecher Lutranner auß der Gaistlichen iurisdiction nuhr das gespott treiben würde, konnte ihm nach seiner Auffassung nit besßer dann durch den Herzogen in Bayren alß des guets Emerßackher Lehenherrn begegnet werden. Herzog Maximilian I., von Zacharias Furtenbach daraufhin um Unterstützung angegangen, hatte Schertlin dann anfangs der Fasten gehn München erfordert, damit er sich vor ihm verantworte.204 Ob Schertlin dieser Vorladung nachkam oder nicht - seine Eingriffe in pfarrliche Gerechtsame hatte er jedenfalls auch zwei Jahre später noch nicht aufgegeben und enthielt dem Pfarrer205 auch 1611 noch den Zehnten vor.206 Der Konflikt scheint erst mit dem Erwerb Emersackers durch Marquard und Marx Philipp Fugger ein Ende gefunden zu haben. Für die Position der kirchlichen Gewalt wird aus den Vorgängen deutlich, daß sie mit ihren Maßnahmen im wesentlichen auf sich selbst gestellt blieb. Der Versuch, über den bayerischen Herzog als Lehensherrn Einfluß auf Schertlin zu nehmen, muß als gescheitert betrachtet werden. Aufschlußreich für die Frage nach der Rolle der österreichischen Seite, besonders der Markgrafschaft Burgau, in diesem Konflikt ist ein negativer Befund: Die bischöfliche Administration wandte sich nach Lage der Überlieferung - aus welchen Gründen auch immer - nicht an Innsbruck oder Günzburg, um sich das Bracchium saeculare des Landesherrn zu leihen. Ja mehr noch: Die einzige Erwähnung der burgauischen Amtleute in diesem Zusammenhang verzeichnet ihr offensichtliches Desinteresse an einem Auftreten gegen Johann Friedrich Schertlin: In seinem Schreiben an den Dekan des Landkapitels Wertingen hatte Generalvikar Furtenbach von den Vorwürfen gegen Schertlin berichtet, die ihm zu Ohren gekommen waren. Unter anderem habe er seine Untertanen zu Laugna und Bocksberg im Dezember 1608 am Sonntagvormittag Steine zu seinem Schloßbau in Emersacker fahren lassen.207 Dabei sei solches füehren den Landtvogt knechten zue Buttenwisßen vnd Bißwangen, alda sie durchgefahren, woll wisßend gewesen. Dennoch hätten diese es vngeachtet fürüber gehen lassen,208 Das einzige Indiz für eine, wie auch immer konkret gestaltete, Einbeziehung der österreichischen Seite in den Konflikt ist damit die Überlieferung der von Pfarrer Georg Kaut im Augsburger Generalvikariat zu Protokoll gegebenen Gravamina in der Tiroler Hofregistratur.209
204 205
206 207 208 209
ABA, GVPr 1, 1609 Juli 11, 274; vgl. ebd., ohne Datum, 289. Mittlerweile, seit 1610 und bis 1613, war dies Johann Boxler (M. Wiedemann, GeneralSchematismus, S. 885). ABA, GVPr 1,1611 Juni 20, 293. Vgl. Kap. Β. I. 5. Anm. 185. ABA, GVPr 1, 1609 Januar 18, 297. TLA, Sei. Leop., Lit. Ε 27, 1608 März 23.
Burgwaiden,
5.4.4
Pfersee, Bocksberg, Laugna und
Emersacker
281
Die Rolle der Bevölkerung im konfessionellen Konflikt
Die zuerst von Pfarrer Kaut zu Protokoll gegebenen Gravamina 210 lassen sowohl aufgrund ihres Entstehungszusammenhanges wie auch ihres Inhaltes Rückschlüsse auf die konfessionelle Interessenlage der Bevölkerung im Dorf zu. Schon daß die Vorgänge - insbesondere die inkriminierte Feiertagsarbeit wie auch die Fleischspeisung von katholischen Untertanen an Fasttagen auf dem Schloß überhaupt ruchbar und dem Geistlichen bekannt wurden, läßt sich nur mit entsprechender Information durch die Untertanen erklären. Gerade die überlieferten Einzelheiten zur Feiertagsarbeit zeigen dabei, daß Johann Friedrich Schertlin mit seinem Vorgehen weder für sich noch fur seine Konfession Zuneigung erwarb. An Mariä Geburt 1607 bzw. am Vorabend nach der Ersten Vesper, also am 1. September, hatte Schertlins Untervogt Kaspar Sapper dem Bauern Bremble oder Bremeleinen Besuch abgestattet. Als dieser abends bereits eine halbe Stunde zu Bett war, sei der Untervogt zu ihm ins Haus gekommen, um ihn bei Androhung einer Strafe von 4 fl. oder dem stockh aufzufordern, am nächsten Morgen ein fueder Scheiitter zum Ziegelstadel zuefiieren. Zwölf weiteren Untertanen wurde der Befehl am folgenden Morgen vor der Kirche eröffnet. 212 Daß der Verstoß gegen die Anordnung des Ortsherren von vornherein strafbewehrt war, zeigt, daß Schertlin die Abneigung der Bauern, ihre feiertägliche Ruhe preiszugeben, voraussetzte. Gleichbedeutend mit einem konfessionellen Votum ist solche Abneigung allein freilich noch nicht. Das weitere Verhalten der betroffenen Bauern zeigt jedoch, daß sie Schertlins Anordnung für sich als religiösen Konflikt begriffen: Noch am selben Tag war Bauer Bremel Innamen der andern seiner mitgesellen vor Pfarrer Georg Kaut erschienen, um ihn um dessen Erlaubnis zu ersuchen, da man ihnen angeschafft habe, daß sye am heiligen feyrtag in daß holz fahren sollen,213 Selbst daß Bremel als Sprecher der Bauern in dieser Situation überhaupt Kontakt zu Pfarrer Kaut aufgenommen - Ime angemeldet, daß den vnderthanen geboten worden, in daß holz zufahren - und um geistlichen Dispens - daß er deßhalber vrlaub begert- nachgesucht hatte, wurde von Schertlin einige Zeit später bestraft. Zunächst wollte er Bremel deßhalben in den Stockh legen, dann forderte er 10, schließlich 8 fl. Strafgeld.214 Nichtsdestoweniger wiederholte Bremel seine Vorwürfe noch einmal, über ein Jahr später, als im Auftrag des Generalvikars ein weiteres Verhör angestellt wurde, und gab dabei auch die Namen der übrigen zwölf betroffenen Bauern zu Protokoll.215 2,0 211
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214 215
TLA, Sei. Leop., Lit. Ε 27, 1608 März 23. Zur Funktion des Spitznamens in der dörflichen Welt Schunka, Wissen, S. 86f., mit weiterer Literatur. ABA, GVPr 1, 1609 Juli 11, 274, sowie TLA, Sei. Leop., Lit Ε 27, 1608 März 23. Der Pfarrer hatte darauf geantwortet, Er hab den feyrtag gebotlen, khündte ihn nil mehr aufthuen vnd in daß holz zufahren nit erlauben, wann sv darzue genöttigt werden, miiesß Ers geschehen lassen (TLA, Sei. Leop., Lit Ε 27, 1608 März 23). TLA, Sei. Leop., Lit Ε 27, 1608 März 23. ABA, GVPr 1, 1609 Juli 11, 274.
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Fallstudien
Die Bitte um den Dispens des Pfarrers zielte vorderhand darauf, von Schuld der Sünde feiertäglicher Arbeit - frei und von Strafe - kirchlichen Zensuren verschont zu bleiben. Sie besaß aber auch - ohne daß sich diese Motive gegenseitig ausschlössen - eine offensive Stoßrichtung, denn in ihrer Ablehnung der feiertäglichen Arbeit waren sich die Bauern und Pfarrer Kaut, man darf gleichsetzen: waren sich Gemeinde und katholische Kirche einig, und zwar einig gegen den evangelischen Ortsherren. Die Untertanen lieferten der Kirche die Argumente zur Begründung eines kanonischen Prozesses, der Schertlin das Patronatsrecht streitig machen sollte; daß Schertlin dies erkannte, mochte mit ein Grund für die Bestrafung Bremeis gewesen sein. Umgekehrt konnten die Untertanen auf diese Weise hoffen, daß ihnen weitere Frondienste an Sonn- und Feiertagen erspart blieben. Durch ihre Kooperation mit Ortspfarrer und Generalvikariat wird das Verhalten der Bauern in Emersacker konfessionell interpretierbar: Daß Pfarrer Kaut freiwillig und unverzüglich um seinen Dispens für die Feiertagsarbeit ersucht wurde, spricht für die Autorität des kirchlichen Gebotes - Vermeidung von Sünde und Schuld - bzw. der kirchlichen Gewalt - Vermeidung kirchlicher Strafe - bei den betroffenen Bauern, die einen wesentlichen Teil der Bevölkerung des Dorfes repräsentieren dürften. Dies, aber auch die gewissermaßen politische Dimension der gegen Schertlin gerichteten Kooperation setzt die Akzeptanz der katholischen Kirche, des Ortsgeistlichen wie der bischöflichen Administration, selbstverständlich voraus. Nach Lage der Überlieferung war die Bevölkerung in Emersacker nicht nur von Sympathie für die evangelische Alternative weit entfernt. Die Untertanen scheinen sich vielmehr darüber hinaus mit ihrem katholischen Bekenntnis identifiziert zu haben: inhaltlich (dogmatisch) exemplarisch erkennbar an der Zustimmung zu einem so distinkt katholischen Gebot wie dem der Achtung zahlreicher Feiertage, formal (hierarchisch) in ihrem Rückgriff auf die Institutionen der kirchlichen Gewalt. Gerade die Opposition zu ihrem Ortsherren dürfte für dieses konfessionelle (katholische) Votum eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben.
II. Konfessionelle Politik zwischen Konflikt und Konsens in burgauischen Kameralorten: das Beispiel Günzburg 1. Obrigkeit und Kirche in Günzburg 1.1
Voraussetzungen
Günzburg, im östlichen Mündungswinkel der Günz in die Donau gelegen, befand sich in verkehrstechnisch günstiger Lage an der Handels- und Poststraße, die die Reichsstädte Ulm - etwa 29 Kilometer südwestlich - und Augsburg - etwa 48 Kilometer südöstlich Günzburgs - verband. Von Günzburg aus führte zudem eine Handelsstraße in nordöstlicher Richtung nach dem rund 19 Kilometer entfernten pfalz-neuburgischen Lauingen. 1 Günzburg selbst war österreichische Zollstätte und Sitz einer Poststation. 2 Der Stadt im Westen unmittelbar benachbart lag das ulmische Oberamt Leipheim, 3 zu dem auch nördlich Günzburgs und jenseits der Donau gelegene Gebiete zählten (Riedheim im Moos); 4 ein schmales Gebiet burgauisch-insassischen Adels trennte den Ort nach Nordosten von der pfalzneuburgischen Pflege Gundelfingen. 5 Mit dieser geographischen Beschreibung ist zugleich eine Skizze der konfessionellen Topographie gegeben, denn in Leipheim und Riedheim führte 1531 die Reichsstadt Ulm, 6 in Pfalz-Neuburg 1542 Pfalzgraf Ottheinrich (1542-1559) die Reformation ein. Das Fürstentum war geradezu zu einem Musterbeispiel lutherischer Konfessionalisierung geworden, als 1614 Herzog Wolfgang Wilhelm die Rückkehr zum katholischen Glauben einleitete. 7 Südlich Günzburgs beanspruchte
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Zu den statistischen Daten Keyser/Stoob, Städtebuch, Bd. 5, S. 237-241. Vgl. die Karte zur schwäbischen Wirtschaft im 16. Jahrhundert (bis 1618) von Wolfgang Zorn in: Frei/Fried/Schaffer, Atlas, Karte XI, 3; Auer, Geschichte, S. 49f. Vgl. zu Leipheim den historischen Überblick von Radlkofer, Eberlin, S. 201-206; A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 551-561; Broy, Leipheim. - Allgemein zur Verwaltung des Ulmer Landes Neusser, Territorium; Wüst, Günzburg, S. 160-162. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 561-565; Bosl, Handbuch, S. 624. Der Historische Atlas zum Landkreis Dillingen steht leider noch aus; vgl. nach wie vor Bosl, Handbuch, S. 257f. Radlkofer, Eberlin, S. 490f. In Gundelfingen, dem Sitz des benachbarten Pflegamtes, stieß die Gegenreformation „auf den härtesten Widerstand" (Bosl, Handbuch, S. 258). - Zu Reformation bzw. Rekatholisierung von Pfalz-Neuburg A. Weber/Heider, Pfalz-Neuburg; Nadwornicek, Pfalz-Neuburg. Eine 8-seitige Kopie des Schreibens, in dem Wolfgang Wilhelm dem Vater seine Konversion anzeigt, wurde übrigens - wohl als eine Art Trophäe der Ecclesia militans - im Archiv
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Fallstudien
die Markgrafschaft Burgau über die Vielzahl adliger, patrizischer und vor allem klösterlicher Herrschaften landesfürstliche Rechte. Die reformatorischen Initiativen von Ortsherren - der Ulmer Besserer in Unterrohr8 und der Schertlin in Burtenbach - 9 waren hier vereinzelt und isoliert geblieben. Entscheidend waren jedoch für Günzburg und seine Bevölkerung weniger die Wirtschaftsverbindungen und damit Kommunikationswege nach Süden. Zwar besaß der Ort selbst für sein Umland zentralörtliche Funktion, wirtschaftlich maßgebend aber war die „Unterordnungs- und Zulieferfunktion" Günzburgs gegenüber den benachbarten Großstädten:10 Der Plan Markgraf Karls für eine Revitalisierung der abgegangenen Burgauer Schau für Webwaren (1610/11) beruhte gerade auf dieser Analyse wirtschaftlicher Abhängigkeiten oder Verbindungen und ihrer konfessionell problematischen Implikationen." Speziell zum nahegelegenen Ulm gestalteten sich die Beziehungen auch über rein wirtschaftliche Kontakte hinaus intensiv: Die Stadt orientierte sich an der Rechtsprechung Ulms12 und bezog auch noch nach der Reformation juristische Unterstützung von dort.13 - Der in erster Linie nach Westen und Osten, auch nach Norden gerichtete Blick macht damit die Einschätzung von Bürgermeister und Rat in Günzburg plausibel, die sich 1599 allendthalben mit Sectischen vmbgeben sahen.14
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des Damenstiftes Edelstetten aufbewahrt (StAA, „Damenstift Edelstetten (Depotbestand) Akten", Χ, XIII, 1: Copia Schreibens herrn Wolffgang Wilhelm, Pfalzgraffen am Rhein, an seinen herrn Votier. Düßeldorf, den 22. Aprilis 1614 (Repertorium)). Kap. Β. I. 2.3.3. Kap. Β. I. 4.2. Vorwiegend aus der Perspektive Augsburgs und Ulms beschreibt dieses Verhältnis Kießling, Günzburg, hier S. 36. Die Weber in der Markgrafschaft sollten durch die Schau in Burgau auf den beschwerlichen und für die Treue zum katholischen Glauben als riskant eingeschätzten Besuch der Augsburger und Ulmer Märkte verzichten können; dazu Kap. Β. II. 3.3.3.2. Krebs, Verfassung, S. 149, 157f. Anm. 129. 1584 August 19 [stilo antiquo?] etwa bietet der Ulmer Jurist Johann Edenhäuser nach der Ausfertigung eines nicht näher bezeichneten Gutachtens dem Rat der Stadt Günzburg auch für die Zukunft seine Dienste an (StaAGü, Urk. 5.192). - Konfessionelle Sensibilitäten waren dabei in Günzburg offenbar noch im 17. Jahrhundert nicht entwickelt worden: So trug der Günzburger Rat in einer Auseinandersetzung mit dem Pfarrherrn von St. Martin, Leonhard Braun, keinerlei Bedenken, Vorwürfe im Zusammenhang mit der angeblichen Vergewaltigung einer 16jährigen Magd durch den Geistlichen von dem evangelischen Ulmer Notar Johann Deckinger beurkunden zu lassen (1625 November 4 [stilo antiquo]), was im bischöflichen Ordinariat zu nicht unerheblichen Irritationen fuhren sollte (ABA, BO 3601, 1626 vor Juni 26; ebd., Juni 26); vgl. Kap. Β. II. 3. Anm. 468. - Zu Johann Edenhäuser (auch Jedelhauser/Idelhauser/Edenhauser) Gänßlen, Ratsadvokaten, S. 237; ein Jurist namens Johann Deckinger wird dort nicht aufgeführt. In ihrem Schreiben an Generalvikar Zacharias Furtenbach diente dieser Hinweis auf die konfessionelle Isolierung Günzburgs Bürgermeister und Rat dazu, ihren Wünschen nach verbesserter pastoraler Versorgung größeren Nachdruck zu verleihen (ABA, BO 6791, 1599 Dezember 9).
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285
Die Frage, wann genau Günzburg als Stadt anzusprechen sei - eine Urkunde über die Stadterhebung im Rechtssinne liegt nicht vor - , sollte nicht von der unscharfen Terminologie der Quellen 1 5 abhängig gemacht werden. Den Charakter einer Stadt gewann der Ort jedenfalls, als der neue, habsburgische Herr nach der Übernahme der Markgrafschaft (1301) östlich der später dann als Vorstadt bezeichneten älteren Siedlung auf einer 20 Meter höher gelegenen Schotterterrasse planmäßig eine Neusiedlung anlegen ließ und diese Oberstadt mit Privilegien - A u f n a h me habsburgischer Landsassen als Bürger (1366), Verlegung des Aftermontagsmarktes von der Unter- in die Oberstadt (1397) - zu stärken versuchte. Die Verleihung des Hochgerichtsprivilegs (1418) und der Neubau einer Burg oder Ausbau einer bereits bestehenden Befestigung, die dem Pfandschaftsinhaber Hans vom Stain von Ronsberg 1452 zur Auflage gemacht wurde, bedeuteten weitere Marksteine für die Geschichte Günzburgs, ehe durch den A u f b a u der Renaissanceresidenz mit ihrer Hofkirche (1577-1580) unter Erzherzog Ferdinand II. (1564-1595), besonders aber durch die Residenzhaltung seines Sohnes Karl von Burgau (1609-1618) ein Höhepunkt in der Entwicklung der Stadt erreicht war. In den wenigen Jahren seiner Herrschaft setzte Markgraf Karl besonders in seiner Residenzstadt wichtige wirtschaftliche, kulturelle und religiös-konfessionelle Akzente. 1 6 Als danach die Markgrafschaft unter Leopold V. (1619-1632) erneut von Innsbruck aus verwaltet wurde, sank Günzburg von der Residenzstadt wieder zur Landvogteisteile herab. Allerdings bescherte Karls Gemahlin Sibylla, Tochter des Herzogs Wilhelm von Jülich, Kleve und Berg, die ihren Gatten um neun Jahre überlebte, 1 7 der Günzburger Hofhaltung eine, wenn auch bescheidenere Nachblüte. Für die W e n d e zum 16. Jahrhundert wird die Einwohnerzahl der Stadt auf 2000 geschätzt; 18 das Visitationsprotokoll des Jahres 1626 nennt für die Pfarrei Günzburg - unter Einschluß der Filialen Denzingen, Echlishausen, Leinheim, Nornheim, Reisensburg, vielleicht auch Harthausen, jedoch ohne die nur noch nominellen Filialen Kissendorf-Anhofen, Hochwang-Oxenbronn und Kleinkötz - 1 9 eine Kommunikantenzahl von 2500, in der noch nicht kommunizierende j ü n g e r e Kin15 16 17
18 19
Aufgeführt bei Keyser/Stoob, Städtebuch, Bd. 5, S. 238; vgl. Auer, Geschichte, S. 32f. Kap. Β. II. 3.3.3. Sibylla starb nach Raiser, Carl, S. 21, 1622 (Dezember 16). Eine 1821 angefertigte Grabinschrift in der Pfarrkirche, wohin die Gebeine des Markgrafenpaares aus der abgetragenen Kapuzinerkirche verbracht worden waren, datiert - nach Raiser, Carl, S. 23f., angeblich unrichtig - das Todesjahr der Markgräfin dagegen auf 1627. Kraft, Kunstdenkmäler, S. 177, und R. Seibold, Residenzstadt, S. 41, folgen der Grabinschrift und korrigieren Raiser. 1627 dürfte das korrekte Todesjahr sein, da ein Schreiben Erzherzog Leopolds V. noch 1626 der Markgräfin die Installierung eines Eustachius Meges als Hofkaplan gestattet (StAA, VÖ, Lit. 654, 1626 Mai 25, fol. 3 8 Γ ; vgl. StaAGü, Urk. 5.330, 1626 März 6). - Singular ist auf einem Kupferstich-Porträt der Markgräfin nachträglich das Todesjahr 1628 eingetragen (Abbildung bei Kraft, Kunstdenkmäler, S. 25 Abb. 10). Keyser/Stoob, Städtebuch, Bd. 5, S. 239. Kap. Β. II. 1.3.2.
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Fallstudien
der nicht erfaßt sein dürften. 20 Bis zu den Verlusten des Dreißigjährigen Krieges21 war es offenbar zu einer leichten Zunahme der Bevölkerung gekommen.
1.2
Günzburg als burgauischer Vorort
Wichtiger als diese im wesentlichen gut aufgearbeiteten Daten der städtischen Entwicklungsgeschichte 22 sind für die Methodik der Untersuchung jedoch Fragen der Verfassungsgeschichte und Verfassungswirklichkeit der Stadt: Wodurch unterschied sich die tatsächliche Rechtsstellung des burgauischen Vorortes von der insassischer Herrschaften? Inwiefern brachte dieser Unterschied Konsequenzen fiir die Konfessionspolitik der habsburgischen Herrscher mit sich? Diese Fragen zu beantworten rührt nicht nur an die innere Berechtigung des methodischen Zugriffs der Untersuchung insgesamt, die herrschaftsrechtliche Abstufungen innerhalb der Markgrafschaft Burgau mit als Grundlage ihrer typologischen Kategorienbildung begreift. Die Abgrenzung tatsächlicher Kompetenzen und Entscheidungsbefugnisse zwischen Kommune - Bürgermeister, Rat und Gemeinde auf der einen und Stadtherr - bzw. für ihn Stadtammann, aber auch Landvogt und burgauische Oberbeamte - auf der anderen Seite, ist zudem von entscheidender Bedeutung für die Klärung religions-, kirchen- oder konfessionspolitischer Möglichkeiten und Verantwortlichkeiten innerhalb der Stadt. Mit der Darstellung der schriftlich fixierten ,Stadtverfassung' und der darin verbrieften Rechte und Pflichten der Kommune in Abgrenzung zum Stadtherrn kann es dabei ebensowenig sein Bewenden haben wie mit einer aus der Forschungsliteratur übernommenen Etikettierung der Stadt als „Dominium" oder als „Kameralort", 23 denn die 20 21
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23
ABA, BO 3672, 1626 Oktober 9-14; zur Quelle Kap. Β. II. 3. Anm. 6. Zu den Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges in Günzburg Auer, Geschichte, S. 6267. Vgl. als jüngsten Abriß zur Siedlungs- und Stadtentwicklung Günzburgs die historische Einleitung von Wolfgang Wüst zu Kraft, Kunstdenkmäler, S. 1-49. An älterer vorwiegend monographischer Literatur zur Stadtgeschichte ist vor allem zu konsultieren Raiser, Guntia, S. 85-122; A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 222-300; Edlhard, Chronik; Menges, Vergangenheit; Auer, Geschichte, bzw. zusammengefaßt ders., Günzburg; Kreisbeschreibung Günzburg, S. 6-27. Es ist üblich, den Günzburg eigentümlichen Status innerhalb der Markgrafschaft Burgau im Unterschied zu den Herrschaftsgebieten der Insassen mit den Begriffen „Dominium" (Alfred Schröder) oder aber „Kameralort" (Wolfgang Wüst) zu verdeutlichen. Daß Gemeinde und Rat von Günzburg jedenfalls nicht als Insassen der Markgrafschaft begriffen wurden, zeigt ja bereits, daß die Stadt 1492 nicht zur Erlegung des Feuerstattguldens herangezogen wurde. - A. Schröder, Verhältnisse, S. 162-166, differenziert absteigend nach landeshoheitlicher Herrschaftsintensität zwischen Kameralorten, gemischten Orten, Dominien und insassischen Orten. Unter Kameralorten versteht er dabei „Orte, die ganz österreichisch waren, in denen also die Grundherrschaft [wenigstens zum größten Teil] nebst aller Gerichtsbarkeit und die Landeshoheit Österreich zustanden" (S. 162). Solche Orte sind nach Ausweis der kartographischen Darstellung „um Mitte 1801" etwa Burgau, Hochwang und Scheppach (Schröder/Schröder, Herrschaftsgebiete). „Stadt und Gebiet von Günzburg" dagegen zählt Schröder zu den Dominien, d.h. zu Gebieten und Herrschaften, „die zwar unbestritten der
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287
Verfassungs- und Herrschaftswirklichkeit in der Stadt konnte sich von diesem formalen Rahmen, zumal in ihrer historischen Entwicklung, in nicht unerheblicher Weise unterscheiden.
1.2.1
Die Stadtverfassung im Untersuchungszeitraum
Verträge und Privilegien vermitteln nicht nur zwischen den Polen kommunaler Selbstbestimmung und stadtherrlicher Fremdbestimmung. Darüber hinaus machen die Regelungen einer Stadtverfassung auch das Kräfteverhältnis innerhalb der Kommune zwischen Gemeinde, Bürgermeister und Rat deutlich. In Günzburg legten dafür im Untersuchungszeitraum 24 die Bestimmungen eines 1512 protokollarisch abgefaßten Vertrages die institutionellen Grundlagen.25 Der Vertrag bestimmte das Verhältnis der Kommune zu ihrem Stadtherrn ebenso wie das der Gemeinde zum Rat: Unter Einschluß des Bürgermeisters bildeten zwölf Räte die Regierung der Stadt; ihnen in lediglich beratender und überwachender Funktion beigeordnet waren die gemeinen sechs oder Sixen. Räte und Sixen - sie wurden ihrerseits, wie die Formulierung nahelegt, wohl von der Gemeinde gewählt bestimmten jeweils sechs Personen aus der Gemeinde, die sie jederzeit abzuberufen und zu ersetzen befugt waren, zu einem Kollegium von zwölf Männern, die in jährlicher Zusammenkunft jeweils drei der Räte entsetzen und neu bzw. erneut wählen sollten. Diese Zwölf aus der Gemeinde mußte der Rat ebenso wie den Stadtammann vor der Beschlußfassung in wichtigen Angelegenheiten - aufge-
24
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Landeshoheit Österreichs unterstanden, in denen also Österreich zum mindesten das Steuerund Waffenrecht hatte, die aber mit der Grundherrschaft und ihren Annexen, also vor allem mit der Niedergerichtsbarkeit, einem anderen Herrn zuständig waren" (S. 163). Nach dieser im Grunde fiskalisch orientierten Definition war Günzburg gerade kein Kameralort, weil der Landesherr in Günzburg nur einer von mehreren und nicht der größte Grundherr war (vgl. die Statistik für das Ende des Alten Reiches bei Wüst, Günzburg, S. 204-206). - Im Unterschied dazu weist Wolfgang Wüst die Kategorien Schröders zurück (Wüst, Günzburg, S. 51) und verwendet für Günzburg meist in von den Quellen nahegelegter (z.B. TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt.XV, Lg. 3, Nr. 2, 1607 Oktober 25) gleichzeitiger Nennung mit Burgau, Hochwang und Scheppach (so Wüst, Günzburg, S. 4, 44, 55 Anm. 27, S. 61; in den Quellen gemeinhin Zusammenfassung dieser vier Orte als Österreich aigenthumlich) den Begriff „Kameralort", verzichtet jedoch auf dessen Definition. - Die Begriffe ,Kammergut' und ,Domäne'/,Dominium' werden allerdings in der Forschung häufig synonym gebraucht. Kammergut bezeichnet danach nicht nur die landesherrliche Eigenwirtschaft, sondern auch die landesherrlichen Städte (HRG, Bd. 1, S. 754f.; HRG II, 584-586). Was ihr Vertretungsrecht auf den Landtagen Schwäbisch-Österreichs bzw. ihre Landstandschaft angeht, differenziert auch Sapper, Landstände, S. 129f., nicht zwischen Kameralherrschaften, Städten und Dominien. Zur Rekonstruktion älterer Elemente einer städtischen Verfassung Günzburgs Auer, Geschichte, S. 34f.; Krebs, Verfassung, S. 138. - Im Zusammenhang mit den Verwaltungsreformen unter Maria Theresia kam es spätestens 1739 zu einer erheblichen Stärkung des landesherrlichen Einflusses auf die Zusammensetzung des Günzburger Rates (Kraft, Kunstdenkmäler, S. 17f.). StaAGü, Urk. 5.98a.
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Fallstudien
fuhrt sind bauen, kaufen, verkaufen oder dergleichen Falle - um ihre Meinung anhören.26 Im Verhältnis von Rat und Gemeinde halten sich damit oligarchische und demokratische Elemente die Waage, denn einerseits eröffnete die Bestimmung der Hälfte des zwölfköpfigen Wahlmännerkollegiums den Räten die Chance auf Wiederwahl - zumal dem Rat durch die Absetzung von (eigenen) Wahlmännern ein wirkungsvolles Korrektionsinstrument an die Hand gegeben war - , andererseits übte die Gemeinde über die von den Sixen bestimmten sechs Wahlmänner ihren Einfluß auf die Ratsbesetzung wirkungsvoll aus, wie aus einer Auswertung von Ratslisten unmittelbar vor und nach der Verfassungsänderung von 1512 hervorgeht.27 Seine legislativen, exekutiven und jurisdiktioneilen Kompetenzen übte der Rat unter Vorsitz des Bürgermeisters, dem insbesondere die exekutive Umsetzung der gefaßten Beschlüsse oblag,28 dann allerdings weitgehend selbständig aus. Das Verhältnis der Kommune zum Stadtherrn war nach den Bestimmungen des Vertrages von 1512 von relativer Autonomie gekennzeichnet. Institutionellen Einfluß auf die Besetzung von Bürgermeister- und Ratsstellen besaß die Herrschaft - anders als noch zu Beginn des 16. Jahrhunderts - 9 nicht. Auch die städtischen Bediensteten - z.B. Stadtschreiber, Büttel, Schulmeister, Schaumeister, Ziegler und Holzwart - wurden mit Ausnahme des Eichers30 allein von Bürgermeister und Rat bestimmt. Der Stadtammann fungierte als Vertreter des Stadtbzw. Landesherrn gegenüber der Stadt. Er war an die Weisungen des burgauischen Landvogtes, der ihn - ohne überliefertes Vorschlagsrecht der Stadt - ernannte und absetzte, gebunden, jedoch auch durch einen Eid vor Bürgermeister und Rat verpflichtet, das Recht der Stadt zu achten.31 Wie die Gemeinde, so war auch der Stadtammann von einer Beschlußfassung des Rates in wichtigen Fällen lediglich in Kenntnis zu setzen; alle erlassenen Verordnungen mußten ihm nur mitgeteilt werden, Willen und Wissen der Herrschaft waren fur deren Zustandekommen nicht konstitutiv.32 Neben dem Erlaß von Verordnungen besaßen Bürgermeister und Rat unter anderem das unter konfessionellen Auspizien problematische Recht der Bürgeraufnahme.33 - Auch die Vertretung der Stadt auf den schwäbisch-österreichischen Landtagen34 - deren Funktion sich freilich bis ins 18. Jahrhundert im wesentlichen auf die Steuerbewilligung beschränkte - 35 nahm 26 27 28 29 30
31 32
33 34 35
Krebs, Verfassung, S. 142-145, Zitate S. 142. Krebs, Verfassung, S. 142. Krebs, Verfassung, S. 143. Krebs, Verfassung, S. 139. Der Eicher stellte eine Ausnahme dar, weil er das dem burgauischen Rentmeister zustehende Umgeld einnahm (Krebs, Verfassung, S. 133, 154f.). Krebs, Verfassung, S. 133. Krebs, Verfassung, S. 143. - Einen Stichentscheid des Ammanns bei Stimmengleichheit im Rat (Kraft, Kunstdenkmäler, S. 17) kennt die Stadtverfassung von 1512 noch nicht. Krebs, Verfassung, S. 151f. Sapper, Landstände; Quarthai, Landstände. P. Blickle, Strukturprobleme, S. 258f.
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keineswegs der Stadtammann, sondern der Bürgermeister oder andere Mitglieder des Rates wahr. 36 Der Blick auf weitere herrschaftliche Rechte - Zoll- und Steuerverwaltung bestätigt zunächst den Eindruck ausgeprägter kommunaler Autonomie. Wichtige Einnahmequellen schöpfte die Stadt aus Zoll- 37 und Steuerprivilegien, teilte sich jedoch Steuern und Abgaben mit der Herrschaft: Zwar besaß die Stadt das Recht, fahrende und liegende Habe ihrer Bewohner zu besteuern, mußte davon jedoch ein jährliches Fixum dem Landesherrn abfuhren. 38 Strafgelder standen zur Hälfte der Stadt sowie zu je einem Viertel dem Büttel und dem Ammann zu,39 auch Gerichtsgefälle wie der Fürfang wurden zwischen Herrschaft und Stadt geteilt. 40 Das Umgeld dagegen nahm in vollem Umfang der Rentmeister der Markgrafschaft ein.41 Die angeführten fiskalischen Rechte waren der Stadt zudem nicht als Reichslehen, sondern als Privilegien des Landesherrn verliehen. Ihm kam die Steuer- wie auch die in ihrer Genese damit verbundene Wehrhoheit 42 zu. Städtische Autonomie manifestierte sich wesentlich auch in der Ausübung jurisdiktioneller Kompetenz. Die Niedergerichtsbarkeit über Bürger und Einwohner der Stadt - mit Ausnahme der dem Spitalmeister verantwortlichen Insassen des Günzburger Hl.-Geist-Spitals - stand Bürgermeister und Rat als Richtern zu. War in den Prozeß mit einem Bürger oder Einwohner dagegen ein Beamter oder Bediensteter des Stadt- bzw. Landesherrn verwickelt, so lag es an der Herrschaft, das Verfahren an sich zu ziehen oder nicht. Im Strafprozeß wie auch im vorgängigen Ermittlungsverfahren waren dabei die Rechte des Stadtammanns, der als Ankläger fungierte und über Verhaftung oder Freilassung einer verdächtigen Person entschied, deutlich stärker ausgeprägt. Burgauisches Landgericht und Hofgericht zu Rottweil 43 waren als Revisionsinstanzen des Günzburger Gerichtes ausgeschlossen. 44 In Fällen der Hoch- oder Blutgerichtsbarkeit hatte der Rat durch ein Privileg König Sigismunds (1410-1437) seit 1418 das Recht, todeswürdige Verbrechen in der Urkunde dieses Jahres sind konkret Mord, Raub, Diebstahl, Fälschung,
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38 39 40 41
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P. Blickle. Strukturprobleme, S. 267. Der Zoll an der Landstraße von Augsburg nach Ulm und - bis zum Verkauf an Stift Wettenhausen 1641 - an der Brücke über die Günz stand der Stadt zu (Wüst, Günzburg. S. 68f.); den Donauzoll nahm bis 1581 das Rentamt der Markgrafschaft ein, danach ebenfalls die Stadt (Krebs, Verfassung, S. 153f.). Auer, Geschichte, S. 35. Krebs, Verfassung, S. 143. Krebs, Verfassung, S. 146. Krebs, Verfassung, S. 154f. - Für die dagegen von Wüst, Günzburg, S. 94, behauptete hälftige Aufteilung des Umgeldes zwischen Herrschaft und Kommune fehlt leider eine Jahresangabe, doch ist sie mit Sicherheit nicht für den Untersuchungszeitraum anzunehmen. Krebs, Verfassung, S. 153. Feine, Landgerichte, zu Rottweil S. 150-167. Krebs, Verfassung, S. 146f.
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Fallstudien
Brandstiftung aufgezählt - 4 5 zu ahnden. 46 Die räumliche Abgrenzung gegenüber dem Jurisdiktionsbereich des Landvogtes in der Markgrafschaft wurde nach Kontroversen schließlich 1592 schriftlich fixiert.47 Auch hier konnten keine Rechtsmittel gegen eine Entscheidung des Günzburger Gerichtes eingelegt werden. Das fur den Beginn des 16. Jahrhunderts überlieferte Ritual der Urteilsfindung und -verkündung zeigt gleichzeitig aber die Bemühung, zumindest im Zeremoniell die Bedeutung des Stadtherrn gegenüber der judikativen Autonomie des Rates zum Ausdruck zu bringen, denn zwar oblag die Findung eines Urteils der Mehrheitsmeinung der zwölf Räte, den Gerichtsstab aber als Symbol hochgerichtlicher Privilegierung übergab der Bürgermeister zu Beginn einer jeden peinlichen Gerichtsverhandlung dem Ammann, der das Urteil nach dem Entscheid des Rates sprach und damit formell den Blutbann ausübte. Dennoch lag nach den Bestimmungen faktisch die Hochgerichtsbarkeit bei Bürgermeister und Rat.48 Indiz für eine Bewertung der Stellung Günzburgs zwischen kommunaler Selbstverwaltung und herrschaftlicher Fremdbestimmung ist nicht allein rechtliche bzw. fiskalische Privilegierung und Besitz von Gerichtsrechten, die im übrigen während des gesamten Untersuchungszeitraumes beim Antritt eines neuen Herrschers regelmäßig bestätigt wurden. 49 Auch durch den Erwerb von Territorialbesitz extra muros - in Denzingen, Bubesheim, Leinheim und Oeffingen - 5 0 wuchsen der Kommune zusätzliche Kompetenzen und Einnahmen - niederge45 46
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Der Wortlaut in Auszügen bei Stötter, Hochgericht; vgl. Krebs, Verfassung, S. 149. Die Privilegierung Günzburgs ist zweifellos zu interpretieren als Versuch des Luxemburgers, das Herrschaftsgefuge Habsburgs im Südwesten nach der Ächtung Herzog Friedrichs IV. (1409-1439) - und trotz einer ersten Aussöhnung der beiden Herrscher 1418 weiter zu schwächen. Eine Reihe von habsburgischen Städten im Bodenseegebiet und im Breisgau war bereits einige Jahre früher zu Reichsstädten erklärt worden, um ihre Loslösung aus dem habsburgischen Besitzkomplex zu fördern (Quarthai, Vorderösterreich, S. 624-633). Mit der Verleihung des Blutgerichtsbanns, der für die kommunale Autonomie einer Stadt von entscheidender Bedeutung war, mochte Sigismund Ähnliches im Sinn gehabt haben. Ausführlich Stötter, Hochgericht; vgl. Krebs, Verfassung, S. 148f. Krebs, Verfassung, S. 147, 150. Diametral entgegengesetzt interpretiert Dillinger, Hexenverfolgungen, S. 53, den Vorgang: „Der Blutbann blieb damit offiziell bei der Stadt Günzburg, faktisch administriert wurde er aber vom Amtsträger der Herrschaft", eine Einschätzung die für die Bewertung der fraglichen Hexenprozesse in Günzburg nicht ohne Belang ist. - Der für Günzburg behauptete „herrschaftliche Gerichtsvorsitz" (Quarthai, Verfassung, S. 230) ist also, jedenfalls für den Untersuchungszeitraum, differenziert zu sehen. Daß dem Hochgerichtsprivileg der Stadt „nur noch ein formeller Stellenwert" zukam, gilt erst für das 18. Jahrhundert (ein entsprechender Quellenbeleg bei Wüst, Günzburg, S. 93, stammt aus dem Jahr 1706). So 1529 durch Erzherzog Ferdinand I., 1597 durch Kaiser Rudolf II., 1613 durch Markgraf Karl und 1621 durch Erzherzog Leopold (StaAGü, Urk. 5.113; ebd., Kaiserliche und Erzherzogliche Freiheitsbriefe 4.1, 4.2 und 4.10). Raiser, Guntia, S. 116-118; Kraft, Kunstdenkmäler, S. 29f. - Für die Pfarrkirche in Oeffingen besaßen Bürgermeister und Rat von Günzburg außerdem das Präsentationsrecht (A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 450f.).
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richtliche Rechte als A u s f l u ß ausgedehnter städtischer Grundherrschaft 5 1 und G e n u ß grundherrlicher Abgaben - zu. Ein punktueller Vergleich mit der inneren wie äußeren Verfassungsentwicklung anderer vorländischer Landstädte im Untersuchungszeitraum, soweit sie sich in schriftlich fixierten Satzungen manifestierte, bringt für Günzburg in zweifacher Hinsicht Besonderheiten zutage: Im Unterschied etwa zu den Städten Freiburg, Neuenburg und Breisach, deren Verfassungsentwicklung Franz Quarthai in einem Aufsatz gegenübergestellt hat, ist der Gemeinde in Günzburg signifikant größerer oder überhaupt ein institutionell abgesicherter Einfluß auf die Regierung der Stadt eingeräumt, ist die k o m m u n a l e Selbstverwaltung Günzburgs also wesentlich weniger oligarchisch geprägt. Im Verhältnis zum Stadtherrn sind die Züge der Selbstverwaltung in Günzburg ebenfalls stärker ausgeprägt als etwa in Freiburg, w o seit der Mitte des 16. Jahrhunderts kein Ratsmitglied mehr ohne ausdrückliche G e n e h m i g u n g der Regierung a u f g e n o m m e n werden durfte, oder in Neuenburg, w o seit dem 16. Jahrhundert landesherrliche Beamte die Wahl überwachten und meist die Stadtrechnungen kontrollierten. 5 2 Z u m selben Ergebnis führt ein Vergleich mit den hohenbergischen Landstädten, besonders mit Rottenburg. 5 3
1.2.2
Stadtherrliche Eingriffe in die kommunale Selbstverwaltung im 16. und 17. Jahrhundert
Soweit die Theorie. Betrachtet man nun, wie sich das politische Zusammenspiel zwischen K o m m u n e und Herrschaft im Laufe des knappen Jahrhunderts zwischen 1555/59 und 1648 jenseits formaler Fixierungen gestaltete, nimmt man also die „unmittelbaren herrschaftlichen Einwirkungsmöglichkeiten" bzw. tatsächlichen Eingriffe in den Blick, 54 könnte es nötig werden, das konstruierte Bild relativer städtischer Autonomie stärker zu differenzieren. Der Versuch des Stadtherrn und seiner Beamten, verstärkt Einfluß auf die Politik in Günzburg zu gewinnen, manifestiert sich im 16. und 17. Jahrhundert auf zwei grundsätzlich verschiedene Weisen: institutionell zum einen im Bemühen,
51 52 53
54
A. Schröder, Verhältnisse, S. 163f. Quarthai, Verfassung, S. 226-228. Die Studie von Dillinger, Hexenverfolgungen, S. 58, kommt bei einem Vergleich schwäbisch-österreichischer Herrschaften ebenfalls zu dem Ergebnis, daß in den Städten der Markgrafschaft Burgau, aber auch der Landvogtei Schwaben im Gegensatz zu den Städten der Grafschaft Hohenberg „die herrschaftlichen Amtsträger vielfach auf die Kooperation städtischer Organe verwiesen" waren und sich generell die Interessen von Herrschaft und Stadt eher im „Gleichgewicht" befanden. - Daß es sich allerdings nicht etwa um eine Besonderheit der Markgrafschaft schlechthin handelte, zeigt der Blick auf die Polizeiordnung der Stadt Burgau, die 1597 für die Zusammensetzung des Rates sowohl herrschaftliche Einflußnahme als auch oligarchische Selbstrekrutierung durch Kooptation fixierte (Wüst, Stadtinteressen, S. 45, 54). Quarthai, Verfassung, S. 230.
292
Fallstudien
die Besetzung des Rates vom Willen der Herrschaft abhängig zu machen, also eine faktische Änderung der Stadtverfassung herbeizuführen, zum anderen im Bestreben, wichtige, die Kirche betreffende Rechte der Kommune - städtische Präsentationsrechte und Rechnungslegung der Heiligenpflege und des Spitals - zu kontrollieren (1), sowie gewissermaßen intermittierend in punktuellen Eingriffen beispielsweise gegen Verordnungen des Rates. Dabei nahm der Stadtherr in der Regel die ihm angetragene Rolle als Berufungsinstanz betroffener Bürger wahr
(2)· (1) Ohne daß hierfür ein äußerer Anlaß erkennbar wäre, unternimmt die oberösterreichische Regierang 1572 einen Anlauf zur Revision der bestehenden Stadtverfassung: Obwohl es von Alters gebreuchig sei, das der Rath bey Euch zu Gunzburg durch ainen Lanndtuogt der Marggrafschafft Burgaw ersezt worden angespielt wird damit auf Regelungen zur Ratswahl, wie sie vor 1512 üblich waren - 5 5 geschehe dies nun schon etliche Jar nicht mehr. Sofern Bürgermeister und Rat khain begründte einred darwider vorzubringen hätten, solle daher in Zukunft die Raths besazung durch den Lanndtuogt beruerter Marggrafschafft Burgaw oder mit desselben vorwissen erfolgen. Andernfalls müsse die Stadt ihre Einwände mit Ehistem formulieren und vorbringen.56 Der umgehenden Einrede von Bürgermeister und Rat, die Besetzung des Rates geschehe nit durch ainen Lanndtvogt der Marggrafschafft Burgaw oder mit seinem vorwissen, sonnder durch Sy selbs,57 lassen die burgauischen Beamten ihren Gegenbericht,58 der Rat daraufhin einen neuerlichen Nachbericht59 - deren jeweiliger Inhalt ist nicht bekannt - folgen. Die von Bürgermeister und Rat vorgebrachten Beweismittel scheinen dabei so stichhaltig gewesen zu sein, daß sowohl die Regierung in Innsbruck als auch die Beamten in Günzburg von weiteren Versuchen, die nunmehr eingespielte Stadtverfassung zu verändern, bis ins 18. Jahrhundert hinein Abstand nahmen. Es ist anzunehmen, daß der von Innsbruck aus an den Günzburger Rat herangetragene Vorstoß zur Verfassungsrevision auf Betreiben von Landvogt Karl Welser (1566-1580)60 erfolgte, der zum einen über die zugrundegelegten Informationen verfügen konnte und dessen Verhältnis zur Stadt bzw. ihrem Rat ohnehin
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Zu Beginn des 16. Jahrhunderts konstituierte sich der zwölfköpfige Rat der Stadt beim Antritt des Landvogtes jeweils neu. Dabei besaß der Landvogt das Recht, zwei Ratsherren oder Richter aus den bisher amtierenden zu bestimmen, die ihrerseits nach und nach weitere Bürger kooptierten, bis die Zwölfzahl erreicht war (Krebs, Verfassung, S. 139). Der Herrschaft war damit wesentlich größerer Einfluß auf das Regiment der Stadt gewährt als nach der Reform von 1512. StAA, VÖ, Lit. 649, 1572 Februar 11, fol. 222 v (ein Schreiben gleichen Inhalts ergeht unter demselben Datum an Landvogt und Rentmeister; ebd., fol. 223 v ). StAA, VÖ, Lit. 649, 1572 März 19, fol. 233 v . StAA, VÖ, Lit. 649, 1572 April 29, fol. 236r. StAA, VÖ, Lit. 649, 1572 Juli 24, fol. 243r. Zu ihm Kap. Β. I. 1. Anm. 125.
Obrigkeit und Kirche in
Günzburg
293
von Spannungen geprägt war. 61 Sein persönliches Engagement fur eine Schwächung kommunaler Rechte zugunsten des Stadtherrn ist auch greifbar in dem Bemühen, Einfluß auf die Besetzung von Benefizien zu gewinnen, die vom Rat der Stadt verliehen wurden. 62 Zum Anlaß diente dem Landvogt dabei die seiner Ansicht nach desolate kirchliche und religiöse Situation in Günzburg: angesichts einer konfessionell prekären Situation im Umland der Stadt ein ungeeigneter Pfarrer mit ärgerlichem Lebenswandel, eine nachlässige Gemeinde und vor allem ein Rat, der keine Anstalten mache, korrigierend einzugreifen. 63 Die insgesamt verworrene und auf falschen Informationen beruhende Argumentation - Welser geht z.B. von einem kommunalen Präsentationsrecht für die Pfarrkirche aus - 6 4 operiert dabei mit dem begrifflichen Instrumentarium der konfessionellen Auseinandersetzung und ihren Ängsten, 65 um Erzherzog Ferdinand II. (1564-1595) zu einem Eingriff gegenüber der Stadt zu bewegen. Der Landesherr solle es den Ratsherren verweisen, das sie forthin on mein vnd des Rentmaisters Bewilligung ainichen Pfarher oder Prister auf vnd annemmen.bb Indes weist ein für Ferdinand erstelltes Gutachten der Regierung in Innsbruck das Ansinnen des Landvogtes alsbald zurück: Sofern dem Rat überhaupt das Pfarrpatronat zustehe, könne dennoch der Stadt nit auferlegt werden, das Sy furohin khainen Pfarrer one E.D. Burgawischen Lanndtuogts vnnd Renntmaisters bewilligung annemen sollen. Statt dessen verweist das Gutachten bezeichnenderweise auf die Rechte der geistlichen Jurisdiktionsgewalt bzw. des Bischofs. Denn falls ein präsentierter Priester hierzue vntaugenlich, Steet dem ordinario darinnen geburlichs einsehen zuthuen beuor. Die burgauischen Amtleute hätten lediglich die Möglichkeit, den Bischof zu avisiern und ihm entsprechende Hinweise zu geben. Ihn möge der Erzherzog denn auch für die Zukunft ermahnen, wann Ime hinfüro durch die von Ginntzburg Priester presentiert werden, dieselben der notturfft nach zu Examiniern vnnd khainen zu admittiern oder zu investiern, Er seye dann geschickht vnnd taugenlich, damit der Abfall in vnnserer alten, wahren, Catholischen Religion vnnd annderer Vnrath vmb souil mer verhuet werde.67 Das Scheitern beider Überlegungen - von herrschaftlicher Seite Einfluß zu nehmen auf die Besetzung des Rates sowie auf kommunale Präsentationsrechte ist nicht allein ihren inneren argumentativen Schwächen zuzuschreiben. Das Dominieren legalistischer Bedenken gerade in Innsbruck - nicht bei den Günzburger
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Kap. Β. II. 3.4.3. Um welche Benefizien es sich dabei handelt ist in Kap. Β. II. 1.3.5 aufgeführt. Vgl. jedoch die Gegendarstellung von Bürgermeister und Rat an Generalvikar Michael Domvogel (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 55 (1), 1575 Oktober 12). Dies, obwohl er wenige Jahre zuvor selbst zusammen mit Bürgermeister und Rat bei Kardinal Otto die wiederholte Bitte um Neubesetzung der vakanten Pfarrei geäußert hatte (ABA. BO 3601, 1568 Februar 5). Vgl. Kap. C. 2.3. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 55 (1), 1575 vor Oktober 6. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 55 (1), 1575 Oktober 6.
294
Fallstudien
Oberbeamten - ist vielmehr eine für die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts unter der Regentschaft Ferdinands II. typische Erscheinung, die ihre Parallele im Verhältnis des Landesherrn und seiner Administration zu den burgauischen Insassen besitzt.68 Auch die zu Beginn des 17. Jahrhunderts erstmals vorgetragenen Bestrebungen, die kommunale Stiftungsaufsicht stärker als bisher schon unter herrschaftliche Kontrolle zu bringen, zeitigten, wenn überhaupt, nur geringen Erfolg. Dies betraf zunächst das städtische Hl.-Geist-Spital, schließlich auch die Heiligenpflegschaft an der Martinskirche selbst. Anlaß war zunächst der von der Innsbrucker Regierung erhobene Vorwurf, der Rat in Günzburg gehe mit den Spital vnd andern, zu der Armen, dürfftigen leuthen daselbs vnderhalt gestifften güetern fast vngleich um und gebrauche sie merern thails zu [...] priuat vnd aigennuz.69 In Zukunft (ab 1609) sollte daher nach einer Verordnung Erzherzog Maximilians III. (1602-1609/18) die jährliche Rechnungslegung der Spitalpfleger in beysein vnd Personlichen gegenwürdigkhait des Landvogtes stattfinden. Nach einer Untersuchung über die Versorgungslage der Spitalinsassen sollte der Landvogt sambt vnd neben Bürgermeister und Rat eine neue Spitalordnung ausarbeiten und dem Regenten unterbreiten.70 Die Beteiligung des Landvogtes an der Rechnungslegung scheint indes wieder in Abgang gekommen zu sein, denn im August 1625 sah sich die Regierung in Innsbruck abermals gezwungen, gegen die vorige mängl, ohnordnungen vnd defect einzuschreiten. Die Amtleute werden aufgefordert, sich die Rechnung vorlegen zu lassen und Pfarrer und Stadtammann - die offenbar neben Bürgermeister und Rat als Spitalpfleger fungierten - um ihre Ansicht darüber anzuhören, was voraussetzt, daß weder der Landvogt noch ein anderer Beamter der Landvogtei der Rechnungslegung persönlich beigewohnt hatte.71 1627 waren Bürgermeister und Rat dann soweit diszpliniert, daß sie den Rechnungsabschluß der Innsbrucker Regierung zuschickten und sie von ihrem Wolhausen überzeugen konnten.72 Noch einmal wurde jedoch den burgauischen Beamten eingeschärft, vleissige obacht zu halten ob der neuen Hospitals Ordnung wirckhlich nachgelebt werde, das widerig aber sofort nach Innsbruck zu berichten.73 68 69
70 71 72 73
Vgl. Kap. C. 1.1. StAA, VÖ, Lit. 653, 1608 September 18, fol. 15Γ. Konkreter werden die Vorwürfe einige Monate später formuliert: Burgermaister vnd Rath zu Günzburg hätten bey zway Jam hero nit allain mit verlassung dern zu dem Spital daselbsten gestifften ligenden Güettern, Item beurlaubung etlicher Personen vnd Verkhauffung etliches Viehs vnd in annder weeg allerhanndt verenderung fürgenomen, sonnder auch die darein verpfriendten vnd annder Arme dürfftige Personen mit der speiß vnd Narung nit mer der alten geschribnen Spital Ordnung gemeß versehen vnd erhalten (ebd., 1609 Juni 6, fol. 196v). StAA, VÖ, Lit. 653, 1609 Juni 6, fol. 196v. StAA, VÖ, Lit. 654, 1625 August 14, fol. 308 v . StAA, VÖ, Lit. 654, 1627 März 16, fol. 534 v . StAA, VÖ, Lit. 654, 1627 März 16, fol. 535 r .
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Obrigkeit und Kirche in Günzburg
W o h l nicht v o n ungefähr datieren aus derselben Zeit auch erste Nachrichten einer verstärkten herrschaftlichen B e m ü h u n g u m A u f s i c h t über die R e c h n u n g s l e g u n g der Pfarrkirchenfabrik. D i e landesherrliche R e g i e r u n g scheint hier mit einer g e w i s s e n Systematik d e s Z u g r i f f s v o r g e g a n g e n zu sein - auch der v o n B i s c h o f Heinrich vereitelte V e r s u c h der burgauischen A m t l e u t e , zur H e i l i g e n r e c h n u n g der S t . - A n n a - K a p e l l e in D e n z i n g e n 7 4
1611 und
1612 wider
alt
heerkommen
den
Stadtammann abzuordnen, ist B e i s p i e l für d i e s e Politik. 7 5 Ü b l i c h e r w e i s e erfolgte die R e c h n u n g s l e g u n g an der Pfarrkirche St. Martin unter B e t e i l i g u n g des Stadtammanns als Vertreters der h o h e n Obrigkeit, des Pfarrers für den B i s c h o f als Patronatsherrn s o w i e d e s Rates und der 12 von der
Gemeind.
1 6 2 6 forderten nun die Oberbeamten zusätzlich die T e i l n a h m e des Rentmeisters, w o g e g e n sich der Rat der Stadt verwahrte, weilen
es niemahln
herkhomm.
Da
man sich nicht e i n i g e n konnte, w u r d e die R e c h n u n g s l e g u n g verschoben. 7 6 D i e Innsbrucker und burgauische Administration scheint schließlich v o n ihrem V o r haben A b s t a n d g e n o m m e n zu haben: A l s die 1 6 2 6 entfallene R e c h n u n g s l e g u n g im Februar des f o l g e n d e n Jahres n a c h g e h o l t wurde, war v o n einer B e t e i l i g u n g d e s Rentmeisters nicht mehr die Rede. Bürgermeister und Rat wurde lediglich e i n g e -
schärft, hinfirter noch guete obacht zehalten, auf daß die Kirchen güetter nicht geschmälert werden?1
74 75
76
77
A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 281 f. Bischof Heinrich verfugte auf die Nachricht des Günzburger Pfarrers Leonhard Braun, der Stadtammann maße sich eine Beteiligung bei der Heiligenrechnung an, die Rechnungslegung solle ohne Wissen der burgauischen Beamten vnuermerckhter dingen im Pfarrhof erfolgen (ABA, Altbestand [45], 1611 April 20; dort auch das Zitat im Text), und legte Beschwerde beim Landvogt ein (ebd., 1611 Mai 9). Das vorgeschlagene Vorgehen scheint indes nicht verfangen zu haben, denn Pfarrer Braun berichtet 1612 Juli 13 (ebd.), die Rechnung könne nun schon im zweiten Jahr nicht gehalten werden. Bischof Heinrich hatte nun vor, den Streitt in die mit deß Herren Marggrauen zue Burgaw Z,[a]«c/[vogt] verannlasste güetliche hanndlungen zu ziehen und einer Lösung zuzuführen. In der Zwischenzeit solle mit den Gefallen und Überschüssen auch ohne Rechnungslegung wie gewohnt verfahren werden (ebd., 1612 Juli 24; 1613). Welche Lösung in diesem Konflikt zwischen Pfarrer bzw. Bischof und Markgrafschaft gefunden wurde, ist unbekannt. - Rechte der Stadt und ihres Rates waren in Denzingen wohl nicht tangiert, doch mag die Auseinandersetzung um das kleine Heiligengut einer Kapelle möglicherweise als Testfall für Konflikte um bedeutendere Heiligenstiftungen begriffen worden sein. ABA, BO 4142, 1626 März 28 (Bericht von Pfarrer Leonhard Braun an Bischof Heinrich von Knöringen). - Anlaß für die Forderung der Oberbeamten war die enge Verwandtschaft des amtierenden Stadtammanns zu einem Ratsmitglied und ehemaligen Heiligenpfleger. Der Ammann war der Sohn dieses Rates (ebd.). - Das Ansinnen des burgauischen Rentmeisters um seine erstmalige Beteiligung an der Rechnungslegung erfuhr unverzüglich auch die kritische Aufmerksamkeit der kirchlichen Seite (vgl. die Nachricht Pfarrer Leonhard Brauns und die Antwort Bischof Heinrrichs, der um nähere Informationen ersucht; ebd., 1626 Februar 12 und 1626 Februar 19). StAA, VÖ, Lit. 654, 1627 Februar 27, fol. 525r.
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Fallstudien
Sieht man von der ungeklärten Frage ab, ob die Anwesenheit des Landvogtes bei der Spitalrechnung nach 1609 wieder in Abgang kam oder nicht, wird man für den Untersuchungszeitraum zusammenfassend feststellen, daß die Anläufe des Stadtherrn und seiner Administrationen in Innsbruck und Günzburg, verstärkte und institutionell abgesicherte Kontrolle der kommunalen Selbstverwaltung zu erlangen, insgesamt wenig zahlreich, wenig nachdrücklich und praktisch erfolglos waren. (2) Nichtsdestoweniger war es dem Stadtherrn grundsätzlich nicht versagt, in die Politik des Stadtrates wirkungsvoll einzugreifen und auf diese Weise seinen herrschaftlichen Anspruch erfolgreich zu manifestieren. Solche punktuellen Eingriffe - oft als Folge einer Appellation betroffener Bürger oder Einwohner an den Landesherrn - 7 8 lassen sich im Untersuchungszeitraum immer wieder feststellen, ohne daß hier versucht werden soll und kann, eine Systematik dieser intermittierenden Politik nach chronologischen, inhaltlichen und methodischen Kategorien zu entwickeln.79 Aufschlußreich ist drei Jahre nach Auslösung der hochstiftischen Pfandschaft die Markgrafschaft steht unter der Regentschaft Kaiser Ferdinands I. (1531/561564) - die in einen konfessionellen Kontext gesetzte Anordnung der oberösterreichischen Regierung, für die Instandsetzung der Jakobs- und Hl.-Geist-Kapelle Sorge zu tragen. Den Stadträten wurde dabei auferlegt, bey Euch ob der alten, Catholischen Religion vest vnnd steiff [zu] halten vnnd obangezaigte, Ewre zwo Kirchen mit der Tachung, fenster vnnd anndrer notturfft, Innhalt ermelts Lanndtuogts beuelch, bessern, versorgen vnnd verwaren [zu] lassen.*0 Dem Einwand der Räte, die sich der sazungen, ordnunngen vnnd geboten, so ain Lanndtuogt der Marggrafschafft Burgau ans tat der Kay. Mt., dessen person Er representiert, fürnimbt, Exempt vnnd denselben zugehorsamen nit schuldig zu sein wähnten, wurde
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Z.B. zugunsten einer Gruppe von Bürgern, etwa der Vorstadt-Metzger, die in ihrer Tätigkeit vom Rat beschränkt werden sollten (StAA, VÖ, Lit. 655, 1630 April 16, fol. 280 r ; 1630 Mai 22, fol. 287 v ; 1631 Juni 6, fol. 40Γ) oder auch zugunsten eines einzelnen, wie etwa für den Stadtammann Ernst Seifried, den die Stadt mindestens sieben Jahre lang auf seinen Organistensold warten ließ (StAA, VÖ, Lit. 656, 1648 Dezember 4, fol. 11 Γ; 1649 März 12, fol. III"). Gegenstände und Stil herrschaftlicher Eingriffe in das alltägliche politische Geschehen einer landsässigen vorländischen Stadt in historischer Entwicklung umfassend und gewissermaßen typologisch zu untersuchen, wurde meines Wissens bisher noch nicht unternommen, obwohl auf diese Weise eine Reihe wichtiger Erkenntnisse über habsburgische Herrschaftsstruktur ebenso wie über kommunale Selbstverwaltung zu gewinnen wäre. Bei meinen archivalischen Recherchen habe ich lediglich korrigierende Eingriffe des Stadtherrn in kirchlichem oder religiösem bzw. konfessionellem Kontext erhoben. Sie sind erstaunlich gering, beweisen jedoch - trotz der mangelnden Systematik der Erhebung - Möglichkeit und Wirksamkeit herrschaftlicher Eingriffe. StAA, VÖ, Lit. 647, 1562 April 21, fol. 544r.
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von Innsbruck aus widersprochen. Um die angeführten Freiheiten und Privilegien wisse man nichts. 81 Der Fall macht in exemplarischer Weise deutlich, wie konkret und wie wirkungsvoll - die Angelegenheit taucht danach jedenfalls nicht mehr in den Quellen auf - 8 : ein herrschaftlicher Eingriff in die städtische Tagespolitik' sein konnte. Darüber hinaus von Bedeutung ist die Auseinandersetzung, weil in ihrem Verlauf das Verhältnis der Stadt und ihres Rates zu den Amtleuten der Markgrafschaft Burgau, speziell zum Landvogt, grundsätzlich als Verhältnis des Gehorsams formuliert wurde. Die Eingriffe des Stadt- bzw. Landesherrn in Bereiche kommunaler Autonomie beschränkten sich nicht auf das Gebiet der städtischen Verwaltung und tangierten nicht allein, wie im vorliegenden Fall, das administrativ-fiskalische Handeln der Stadt. Von zentraler Bedeutung für die weitreichende Autonomie Günzburgs waren seine jurisdiktionellen Rechte und Privilegien der Nieder-, vor allem aber der Hochgerichtsbarkeit. Die Vorgänge um einen herrschaftlichen Eingriff in die Jurisdiktionsgewalt des Rates zu betrachten, ist daher außerordentlich instruktiv für eine grundsätzliche Bewertung des Verhältnisses von Kommune und Herrschaft, zumal wenn dieser Eingriff vom Stadtherrn und residierenden Regenten persönlich vorgenommen wurde: Zumindest für die Stadt mußte dies eine Nagelprobe auf ihre kommunale Freiheit bedeuten. 1613 September 12 griff Markgraf Karl ein Gerücht und allgemeines Gerede in der Stadt auf (ex communi fama et voce publica), das die Einwohnerin Margareta Götz der Hexerei bezichtigte. Seit 1582/85 war keine Anklage mehr vor dem Gericht der Stadt wegen Hexerei erhoben worden. 83 Markgraf Karl forderte den bislang untätig gebliebenen Rat der Stadt auf, daß Ir alsbald berierte Gözin zue
wolverwahrlicher Verhafftung fänklichen einziehen, sie über beigefügte Interrogatoria in Beisein unseres Stadtammans, Hans Gansers, den wir hiezu sonderbar verordnet, gütlichen examinieren, dann uns gehorsamste relation thuen und unse81 82
83
StAA, VÖ, Lit. 647, 1562 Juni 17, fol. 570 r . Auch der sonst sehr ausführliche Bericht Pfarrer Kilian Blankensteins über die Martinspfarrei an das Ordinariat enthält keine Hinweise auf bauliche Mängel (ABA, BO 3672, [1568 April 8]). Da sich der Günzburger Rat 1582 weigerte, einen Hexereivorwurf, den der Angeschuldigte einfach seinerseits durch den Gegenvorwurf der Hexerei beantwortet hatte, weiterzuverfolgen, hatten sich die Gegner an die Regierung gewandt und sich bereit erklärt, nach Innsbruck zu reisen, um ihren Fall dort verhandeln zu lassen. Dem Urteil Johannes Dillingers die „Jurisdiktionsbefugnisse des Günzburger Stadtrats wurden somit von Bürgern der Stadt Günzburg selbst unterlaufen: Die Hexereianklagen [...] drohten, sich fur die städtische Autonomie negativ auszuwirken" (Dillinger, Hexenverfolgungen, S. 269f., Zitat 270) - ist zwar prinzipiell zuzustimmen, doch wurde die Innsbrucker Behörde im Falle des Prozesses von 1582 weder von sich aus tätig, noch griff sie in den Verlauf eines städtischen Verfahrens ein. Allerdings wurde der Stadtrat verpflichtet, die Einhaltung der Innsbrucker Entscheidung zu gewährleisten. Der Fall der Margareta Götz von 1613 stellt demgegenüber eine deutliche Intensivierung herrschaftlicher Einflußnahme dar.
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Fallstudien
res Befehls darüber erwarten [sollt].84 Markgraf Karl versuchte damit, wenn auch in einem konkreten, so doch präjudiziellen Einzelfall in die bisherige Ordnung des Strafprozesses verändernd einzugreifen,85 obwohl er der Stadt erst wenige Monate zuvor (1613 April 22) deren sämtliche Privilegien bestätigt hatte.86 Bei der Anordnung der Untersuchungshaft ergriff die Herrschaft die Initiative, den Verlauf des Verhörs regelte sie bis ins Detail und kontrollierte die städtischen Richter durch die Beteiligung des herrschaftlichen Stadtammanns und die Anforderung eines abschließenden Rechenschaftsberichtes. Bürgermeister und Rat der Stadt waren in dieser Konzeption wenig mehr als Instrumente des Stadtherrn. Entsprechend verwahrten sie sich, daß ihnen wider der Statt Privilegien und alt Herkommen, hoher und malefizischer Obrigkeit beschwerliche Neuerungen angemutet und befohlen würden.87 Auf den Rat des pfalz-neuburgischen Juristen Christoph Mumprecht (1560-1620)88 wurde ein juristisches Gutachten der Universität Ingolstadt eingeholt, das für eine Fortsetzung des Verfahrens, jedoch ohne Beteiligung des Stadtammanns plädierte. Ein daraufhin im Beisein des Dillinger Notars Alexander Lindenmayer durchgeführtes Verhör mußten Bürgermeister und Rat jedoch auf Druck Markgraf Karls aufgrund starken Befehls und Androhungen, aus Forcht, Schrecken und Bedrängnis - 8 9 in Gegenwart des Stadtammanns wiederholen. Eine ganze Reihe peinlicher Verhöre schloß sich bis in den Dezember hinein an, doch hielt die der Hexerei Angeklagte der Tortur stand und wurde auf ein entsprechendes juristisches Gutachten hin schließlich freigesprochen. Der Stadtherr hatte sich mit seinen Vorstellungen von einer starken herrschaftlichen Lenkung des hochgerichtlichen Prozeßverfahrens zum größten Teil durchgesetzt, ohne sich auf konkrete Rechte berufen zu können: Eine Beteiligung des Stadtammannes im Untersuchungsverfahren stand dem Hochgerichtsprivileg von 1418 zweifellos entgegen. Seine eingesetzten Druckmittel waren informeller, 84
85
86 87 88
89
Zit. nach Volk, Hexenprozeß, Nr. 8 (dort auch die Fragstücke); vgl. R. Seibold, Residenzstadt, S. 89. - Von Dillinger, Hexenverfolgungen, S. 53, wurden bei der Analyse der Günzburger Stadtverfassung die tiefgreifenden Veränderungen des Vertrages von 1512 übersehen und die Verhältnisse vom Beginn des 16. Jahrhunderts auf den weiteren Verlauf des 16. und das 17. Jahrhundert ausgedehnt. Nur so kann er das städtische Hochgericht als faktisch habsburgisches Gericht überhaupt in seine Untersuchung einbeziehen (S. 52). Dillinger, Hexenverfolgungen, S. 272, begründet das Vorgehen Karls weniger mit dem politischen Motiv stärkerer herrschaftlicher Kontrolle der städtischen Selbstverwaltung als vielmehr mit populistischen Beweggründen, sich „als engagierter Gegner der Hexen zu profilieren". Hauser, Karl, S. 183. Zit. nach Volk, Hexenprozeß, Nr. 8. Zu ihm Henker, Prosopographie, S. 231 f. An der lutherischen Konfession des Juristen - er sollte Lauingen schließlich wohl aufgrund der gegenreformatorischen Maßnahmen verlassen und starb in Nördlingen (S. 232) - stieß sich der Rat offenbar ebensowenig wie Markgraf Karl. - Mumprechts grundsätzlich kritische Einstellung gegenüber Hexenprozessen war bekannt (Behringer, Hexenverfolgung, S. 226). Zit. nach Volk, Hexenprozeß, Nr. 8.
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nichtsdestoweniger wirksamer Natur. Auf der anderen Seite hatte der Stadtrat mit administrativen und finanziellen Mitteln versucht, die eigenen Kompetenzen zu wahren: Er konnte die Teilnahme aller Ratsmitglieder sowie die Anwesenheit zweier Juristen aus Dillingen und Augsburg 90 bei jedem Verhör durchsetzen. Auch eine Hausdurchsuchung unter Aufsicht des Bürgermeisters wurde vorgenommen und brachte nur entlastendes Material - geweihte Gegenstände persönlicher Frömmigkeit - zu Tage. An der Abfassung des abschließenden juristischen Gutachtens, auf das die Richter ihren Freispruch gründeten, waren dann noch zwei weitere Advokaten, aus Lauingen und Ulm, 91 beteiligt. Auswahl und Finanzierung der Gutachter hatte die Stadt selbst übernommen und damit auf den Inhalt des Gutachtens von vornherein Einfluß genommen. 9 2 Am Urteilsspruch von Bürgermeister und Rat - Freispruch vom Hauptvorwurf der Hexerei - wirkte die Herrschaft dann offenbar nicht mit. 93 Der Aufwand der Untersuchung, der künftig als juristischer ,Standard' leicht auch als für die Herrschaft verbindlich betrachtet werden konnte, und der Ausgang des Verfahrens, der im übrigen die Zurückhaltung des Rates nachträglich bestätigte, wirkten einer Intensivierung der Hexenverfolgung und Zunahme der Prozesse möglicherweise erfolgreich entgegen, so daß auch die Veränderungen zu Lasten der städtischen Jurisdiktion nicht fortgeschrieben und institutionalisiert wurden. Erst 1627 und 1628 - Markgraf Karl war längst gestorben, der Regent der Markgrafschaft und Stadtherr Günzburgs residierte wieder in Innsbruck - kam es wieder zu Hexenprozessen, die alle mit einem Freispruch der Angeklagten, aber einer Bestrafung der Bezichtiger - also ihrer Verurteilung wegen Beleidigung bzw. Verleumdung - endeten. Mit Blick auf die Gesamtheit der Günzburger Fälle sieht Johannes Dillinger dabei den Versuch wirksam, durch die Behandlung von Hexereigerüchten als niedergerichtlich zu ahndende Injurienangelegenheiten der Herrschaft zu verwehren, „Kriminaljustiz als Ausdruck und Mittel ihrer Macht zu nutzen". 94 Eine Beteiligung der Herrschaft, etwa des Stadtammannes,
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94
Alexander Lindenmayer, Notar der Universität Dillingen, und Sebastian Hallmayer, „augsburgischer Rat und Advokat" (Volk, Hexenprozeß, Nr. 9). Es waren Christoph Mumprecht und Hieronymus Schleicher (1568-1631; zu ihm Gänßlen, Ratsadvokaten, S. 266f.). Deren notwenigerweise lutherische Konfession scheint weder den Rat noch Markgraf Karl gestört zu haben. - Besonders die Reichsstadt Ulm war als betont skeptisch gegenüber Hexereiprozessen ausgewiesen (Schlaier, Ulm, S. 408-410). Dillinger, Hexenverfolgungen, S. 295f. Volk, Hexenprozeß, Nr. 9. - Zum Hintergrund des Falles und seiner Auswertung Dillinger, Hexenverfolgungen, S. 186f„ 196f., 271 f. Dillinger, Hexenverfolgungen, S. 274. - Die von Dillinger (274f.) ebenfalls behauptete Tendenz eines Aufgreifens von Verfolgungswünschen aus der Bevölkerung durch die habsburgischen Amtsträger, also eines Zusammengehens von Herrschaft und Gemeinde zu Lasten der Stadträte greift dagegen m.E. für Günzburg nicht, da der Rat hier nicht oligarchisch abgeschlossen war und der Gemeinde regelmäßig und wirkungsvoll die Möglichkeit politischer Partizipation gegeben war (dagegen S. 276; die Fehleinschätzung beruht darauf, daß Dillinger die Verfassungsreform von 1512 nicht rezipiert; S. 52f.; vgl. Kap. Β. II. 1.2.1).
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Fallstudien
am Verfahren oder auch nur ein Einfluß auf den Verlauf des Prozesses kann denn auch in keinem der Fälle festgestellt werden. 95 Dieser zumindest kursorische Blick auf Quantität und Qualität herrschaftlicher Eingriffe kann nicht verkennen, daß - ungeachtet der grundsätzlich gegebenen und jederzeit aktualisierbaren Möglichkeiten - stadtherrliche Interventionen im 16. und 17. Jahrhundert in Günzburg erstaunlich selten waren - ein Eindruck, der gerade auch im vergleichenden Blick auf andere vorländische Städte96 auffallig ist und einer sytematischen, an dieser Stelle jedoch nicht zu leistenden Überprüfung bedürfte.
1.3 1.3.1
Kirchliche und pastorale Organisation in Günzburg Sakrale Topographie
1648, am Ende des Untersuchungszeitraumes, befanden sich innerhalb Günzburgs selbst - also ohne Berücksichtigung der Filiationen - je nach Zählung insgesamt rund ein Dutzend sakraler Bauten: Der frühgotische Bau der Pfarrkirche St. Martin im äußersten Nordwesten des Siedlungsgebietes, nahe der Mündung der Günz in die Donau;97 die vor 1380 erbaute Liebfrauenkirche (Beatae Mariae Virginis) kirchenrechtlich als Kapelle anzusprechen - in der nach 1301 angelegten Oberstadt;98 die 1579/80 unter Erzherzog Ferdinand II. erbaute Hofkirche SS. Trinitatis;99 die mittlerweile abgegangene, dem heiligen Michael geweihte Kapelle am Weg nach Reisensburg' 00 sowie die Kapellenbauten, die Teil der sozialen Stiftungen in der Stadt waren: das Hl.-Geist-Kirchlein des vor 1452 gegründeten Spitals,101 die abgegangene Kapelle St. Jakob102 nahe der Günzbrücke am rechten Diese Strategie des Rates war außerordentlich erfolgreich (vgl. die in Anhang 1 abgedruckte chronologische Prozeßliste bei Behringer, Hexenverfolgung). 95 Volk, Hexenprozeß, Nr. 9; Dillinger, Hexenverfolgungen, S. 135, 142, 168. 96 Vgl. etwa die massiven Eingriffe Erzherzog Maximilians und seiner Kommissare in das innenpolitische Gefuge der hohenbergischen Stadt Rottenburg zwischen 1602 und 1609. Unter anderem wurden damals die Positionen der Ratsherren und Bürgermeister durch den Landesherrn zum größten Teil neubesetzt (Kempf, Chronik, S. 315-353). 97 Kraft, Kunstdenkmäler, S. 51 -81. 98 Kraft, Kunstdenkmäler, S. 84-87, zum Neubau des 18. Jahrhunderts durch Dominikus Zimmermann S. 87-139. 99 Hirn, Ferdinand II., Bd. 1, S. 377; Edlhard, Chronik, S. 143f.; A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 240f.; Dehio, Kunstdenkmäler, S. 396; Kraft, Kunstdenkmäler, S. 226-239. 100 Edlhard, Chronik, S. 148; A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 242; Kraft, Kunstdenkmäler, S. 182f. 10 ' Die Hl.-Geist-Kapelle wurde um 1470 erbaut (Dehio, Kunstdenkmäler, S. 395; Kraft, Kunstdenkmäler, S. 279-287). - Zum Spital selbst Edlhard, Chronik, S. 77-79; A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 267f.; Auer, Geschichte, S. 38. Das Datum 1452 bei Kraft, Kunstdenkmäler, S. 280. 102 Nach Kraft, Kunstdenkmäler, S. 287f., St. Jakob und Veit.
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Günzburg
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Ufer des Flüßchens, die ursprünglich zu einem Pilgerhospiz gehörte, 103 und die ebenfalls abgegangene Nikolauskapelle des aus dem 14. Jahrhundert stammenden Leprosenhauses vor den Mauern der Stadt.104 Hinzuzuzählen sind die klösterlichen Gebäude der aus einer Beginengemeinschaft hervorgegangenen Franziskanerinnen, die nicht über eine eigene Klosterkirche verfugten, sondern die gegenüberliegende Frauenkirche zum Besuch der Gottesdienste nutzten, 105 sowie die 1618 konsekrierte Kapuzinerkirche St. Maria, die zusammen mit den Klostergebäuden 1806 abgetragen wurde. 106 Der Friedhof der Stadt befand sich rings um die Pfarrkirche St. Martin im Nordwesten der Stadt,107 das Visitationsprotokoll von 1626 erwähnt dort eine capella in caemiterio suburbano, deren Patron unbekannt war. 108
1.3.2
Die Pfarrei und ihre Filialen
Pfarrliche Rechte waren in Günzburg ausschließlich mit der dem Landkapitel Ichenhausen 109 zugehörigen Martinskirche verbunden. Die an den Kapellen der Stadt - auch der Frauenkirche - fundierten Benefizien beeinträchtigten diese parochiale Struktur im Prinzip nicht. Hofkirche - nicht unumstritten auch deren Kapläne - 1 1 0 und Kapuzinerkirche dagegen waren exempt. Im Verlauf des 16. Jahrhunderts befanden sich eine Reihe ursprünglich Günzburger Filialkirchen der Umgebung in einer letzten Phase der Ablösung von der Mutterkirche auf dem Weg zum eigenen Pfarrsitz. Nur für wenige dieser Orte läßt sich allerdings ein urkundlich fixiertes Datum der Pfarrerrichtung angeben: Rieden wurde 1540 Oktober 20 und Großkötz nach 1541 März 8 unabhängig von der Martinskirche und ihrem Pfarrer. 1 " In allen übrigen Orten - in Bubesheim," 2 Kleinkötz" 3 und den faktischen Wechselpfarreien Kissendorf-Anhofen" 4 und Hochwang-Oxenbronn" 5 - verlief der Ablösungsprozeß eher schleichend und galten die betroffenen Kir103 104
105
106 107 108 109 110 111
112 113 114 115
Auer, Geschichte, S. 38. Edlhard, Chronik, S. 79f.; A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 268f.; Auer, Geschichte, S. 38; Kraft, Kunstdenkmäler, S. 288f. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 291-295; Bavaria Franciscana, Bd. 1, S. 445-448; Kraft, Kunstdenkmäler, S. 139-147. - Z u den Franziskanerinnen in Günzburg Kap. Β. II. 1.3.6. Kraft, Kunstdenkmäler, S. 175-182. - Z u den Kapuzinern in Günzburg Kap. Β. II. 1.3.6. Kraft, Kunstdenkmäler, S. 81 f. ABA, BO 3672, 1626 Oktober 9-14. Zur kirchlichen Geschichte des Landkapitels A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 63-93. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 241. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 428, 199f. Beschleunigung des Ablösungsprozesses und urkundliche Fixierung erklärt sich bei beiden Pfarreien aus dem - auch finanziellen - Engagement der Ortsherren Dietrich von Roth zu Rieden bzw. Ulrich Ehinger für die Errichtung einer eigenen Pfarrei. - Zu Großkötz Kreuzer, Pfarrgeschichte, S. 290. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 106f. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 328; Kreuzer, Pfarrgeschichte, S. 291. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 209. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 306f.
302
Fallstudien
chen noch lange nominell als Günzburger Filialkapellen, obwohl sie tatsächlich bereits von der Mutterkirche unabhängig waren.116 Noch weit über den Untersuchungszeitraum hinaus verblieben dagegen als Filialen bei Günzburg die Kapellen" 7 St. Anna in Denzingen, 118 St. Leonhard in Echlishausen, 119 St. Blasius in Leinheim, 120 St. Erhard in Nornheim, 121 St. Sixtus in Reisensburg 122 und das „seit unvordenklichen Zeiten" von Rettenbach aus pastorisierte Kirchlein in Harthausen.123
1.3.3
Pfarrei und Niederpfründen
Die Pfarrkirche in Günzburg „war vom Anfange an freie bischöfliche Collatur und blieb es durch alle Zeiten",124 Präsentations- und Patronatsrecht lagen hier also ohne Einschränkung beim Ortsbischof. 125 Die Dotierung der Pfründe schien attraktiv zu sein und lud bis ins erste Drittel des 16. Jahrhunderts zur nur nominellen Bekleidung des Pfarramtes bzw. zur Kumulation mit weiteren Pfründen ein. Daher befand sich im Besitz der Pfründe und ihrer Erträgnisse etwa eine Reihe Augsburger Domherren, die die Pfarrei nicht in eigener Person versahen, sondern durch einen Lohnpriester vikarieren ließen.126 116
117 118 119 120 121 122 123 124 125
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Die Designatio omnium ecclesiarum parochialium maiorum, mediocrium et minorum, item ecclesiarum filialium, primissariarum, capellaniarum et earundem ius patronatus pro tempore habentium et sacerdotum ruralis capitulis Ichenhusensis, nec non quo tempore quisque dominus capitularis ad suum beneficium per investituram seu commissionem institutus, facta ex mandato reverendissimi et illustrissimi praesulis principis ac domini D. Henrici episcopi Augustani 30. Ianuarij anno 1603 (ABA, BO 3672) zählt Kleinkötz, Anhofen und Kissendorf, Oxenbronn und Hochwang sowie Bubesheim noch zu den ecclesiae filiates Ginzburgenses. - Die ehemalige Filiale St. Ulrich in Oeffingen wird dagegen bereits in der Pfarrbeschreibung von 1594/95 (ABA, BO 3672) explizit als parochialis ecclesia bezeichnet. Vgl. die Aufzählung im Visitationsprotokoll von 1626 Oktober 9-14 (ABA, BO 3672). Α. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 281 f. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 136f. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 360-362. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 281. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 276-280. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 284. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 282, vgl. S. 232. Faktisch konnte die Besetzung der Pfarrei mit einem neuen Priester durchaus in Absprache mit der burgauischen Administration erfolgen, die ihre Vorstellungen gegenüber dem Bischof auch gemeinsam mit Bürgermeister und Rat der Stadt vorbringen konnte, so bei den Vakanzen 1567/68 nach der Resignation Kilian Blankensteins und 1576/77 nach der des Deusdedit Haintzius. Die beiden Fälle sind wohl nicht zufällig auf die Zeit nach der Mitte des 16. Jahrhunderts beschränkt, denn aufgrund des Priestermangels dürfte das Ordinariat für jeden halbwegs akzeptablen Vorschlag dankbar gewesen sein (vgl. ABA, BO 3601). Vgl. die Auflistung in M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 282f. (nach A. Schröder, Bistum, Bd. 5); zu den dort als Pfarrer von Günzburg genannten Domherren Dr. Georg von Gottsfeld, Dr. Johann Gwerlich, Friedrich von Ellerbach , Georg von Schauenberg/Schaumberg und Dr. Bernhard von Waldkirch Haemmerle, Canoniker, Nr. 254, 285,
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A n der Pfarrkirche bestanden im U n t e r s u c h u n g s z e i t r a u m zwei Benefizien:127 d a s 1 3 9 7 g e s t i f t e t e F r ü h m e ß b e n e f i z i u m 1 2 8 u n d d a s n a c h s e i n e m S t i f t e r so g e n a n n te, 1 4 8 2 a u f g e r i c h t e t e „ W a l i s c h e " B e n e f i z i u m , 1 2 9 d e m - seit 1 6 0 0 - d a s B e n e f i z i u m a u f d e m D r e i k ö n i g s a l t a r in d e r F r a u e n k i r c h e i n k o r p o r i e r t w a r : P f l i c h t d e s F r ü h m e ß b e n e f i z i a t e n w a r es, t ä g l i c h u m S o n n e n a u f g a n g in d e r P f a r r k i r c h e d i e M e s s e z u lesen s o w i e an allen S o n n t a g e n u n d a n 3 6 f e s t g e l e g ten F e s t t a g e n bei d e r M e s s e b z w . bei b e s t i m m t e n H ö r e n d e m P f a r r e r A s s i s t e n z d i e n s t e z u leisten. 1 3 0 D a s Ius p r a e s e n t a n d i ü b t e d e r P f a r r e r v o n St. M a r t i n , d e r seit d e r M i t t e d e s 16. J a h r h u n d e r t s u n d b i s 1 7 3 4 d i e Stelle s e l b s t i n n e h a t te; l e d i g l i c h z w i s c h e n 1 6 3 2 u n d 1 6 4 3 w u r d e d a s B e n e f i z i u m d u r c h d e n P r e d i g e r an d e r F r a u e n k i r c h e ( B e a t a e M a r i a e V i r g i n i s , B . M . V . ) b e k l e i d e t . E i n e n e i g e n e n B e n e f i z i a t e n t r u g d i e F r ü h m e ß s t i f t u n g in d i e s e r Z e i t n i c h t mehr. 1 3 1 An das Wallsche Benefizium war neben der üblichen Assistenz für den Pfarrer d i e V e r p f l i c h t u n g g e k n ü p f t , w ö c h e n t l i c h f ü n f M e s s e n a u f d e m M a r i e n a l tar d e r P f a r r k i r c h e , s o n n - u n d f e i e r t a g s u n t e r d e m H o c h a m t a b e r e i n e M e s s e
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344, 742, 900. - Erster residierender Pfarrherr in neuerer Zeit dürfte ab 1533 Adam Gassenmair gewesen sein (M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 283). Seit ihm wurde die Pfarrei Günzburg offenbar nicht mehr nur als Pfründe nominell bekleidet. Sein Vorgänger. Dr. Johannes Eck, der theologische Gegenspieler Luthers, war wohl der letzte Geistliche, der die Pfarrei als Versorgungspfründe nutzte, ohne selbst pastoral tätig werden zu können, da er zur selben Zeit als Pfarrer an der Ingolstädter Liebfrauenkirche wirkte. - Zu Johannes Eck Iserloh, Eck, S. 71-74; Ziegelbauer, Eck; Iserloh, Symposion. Die bei Edlhard, Chronik, wiedergegebenen Informationen über die Benefizien in der Pfarr(S. 144-148) und in der Frauenkirche (S. 151) stimmen bis in die Formulierungen mit A. Schröder, Bistum, Bd. 5, überein und beruhen auf diesem umfangreicheren und quellengestützten Text. Die ersten drei Hefte dieses fünften Bandes wurden nämlich bereits vor 1895 noch von Anton Steichele herausgegeben (S. XIX). Neben primissaria Martini (ABA, BO 3672, [1568 April 8], Anlage) auch bezeichnet als „alte Frühmesse", „untere Frühmesse", „capellania Martini", „Beneficium Beatae Mariae Virginis" - nicht zu verwechseln mit den Benefizien an der Frauenkirche - und „Beneficium Sancti Chiliani" (A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 245; vgl. M. Wiedemann. GeneralSchematismus, S. 284). Die Bezeichnung als Kilians-Pfründe rührt von einem der Inhaber des Benefiziums, Kilian Blankenstein (A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 244), Pfarrer an St. Martin zwischen 1564 und 1567 (M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 283). - Das Frühmeßbenefizium an der Pfarrkirche war 1397 vom Inhaber der Pfarrpfründe, dem Domherrn Friedrich von Ellerbach , und dem Heiligenpfleger sammt der Gemeinde von Günzburg gestiftet und von Bischof Burkhart bestätigt worden (A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 243). Mit einem eigenen Benefiziatenhaus gestiftet 1482 von dem aus Günzburg gebürtigen Wiesensteiger Chorherren Paulus Wall, 1518 bischöflich konfirmiert (A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 248). Vgl. den Wortlaut der Bestätigungsurkunde, wiedergegeben bei A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 243-245 Anm. 33. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 244f.
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Fallstudien
auf dem Kreuzaltar, ebenfalls in der Pfarrkirche, zu lesen.132 Das Besetzungsrecht übten Bürgermeister und Rat von Günzburg. Da das Wallsche Benefizium aber schließlich einen eigenen Geistlichen ebensowenig wie das Frühmeßbenefizium trug, wurde ihm 1600 Dezember 23 die Messe auf dem Dreikönigs- bzw. Anna-Altar in der Frauenkirche133 inkorporiert, nachdem bereits seit der Mitte des 16. Jahrhunderts dem mit dieser Messe betrauten Benefiziaten an B.M.V., Sylvester Negelin, gleichzeitig das Wallsche Benefizium übertragen worden war. Seither war diese kumulierte Pfründe auch als Sylvesters Pfriendt bezeichnet worden.134 Die Aufgaben des Benefiziaten waren seit der Inkorporation genau festgelegt: Er hatte wöchentlich zweimal auf dem Altar Trium Regum bzw. S. Annae in der Frauenkirche zu zelebrieren sowie nach wie vor - neben der Assistenz für den Pfarrer - sonn- und feiertags während des Hochamtes eine Messe auf dem Kreuzaltar in der Pfarrkirche zu lesen. Daraus erklären sich die unterschiedlichen Bezeichnungen des Benefiziums, das nicht nur - nach dem Ort der Zelebration in der Pfarrkirche - Beneficium S. Crucis, sondern auch unierte pfraidt genannt wurde.135 Auch auf die unierte Pfründe präsentierten Bürgermeister und Rat von Günzburg die Geistlichen. An der Frauenkirche - wegen ihrer Abhängigkeit von der Pfarrkirche St. Martin handelt es sich bei ihr nach kanonischem Verständnis nicht um eine Kirche, sondern um eine Kapelle - 136 waren im Untersuchungszeitraum ebenfalls zwei Benefizien gestiftet:
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A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 248f. Nach dem Zeitpunkt des Gottesdienstes oder der Gottesdienste wurde dieses Benefizium vulgo die ,Mittelmeß' genannt (ABA, BO 3672, 1626 Oktober 9-14), weil die Messe nach der Frühmesse gelesen wurde und noch vor Abschluß des Hochamtes in der Pfarrkirche beendet gewesen sein dürfte. - Wie der Benefiziat allerdings sonn- und feiertags dem Pfarrer mit Singen und Lesen beistehen konnte, wenn er zumindest teilweise gleichzeitig eine eigene Messe zelebrierte, bleibt unklar. Hintergrund dieser Verpflichtung dürfte es gewesen sein, an der prinzipiellen hierarchischen und disziplinarischen Unterordnung des Benefiziaten unter den Pfarrherrn keinen Zweifel zu lassen. Das Benefizium hieß zunächst „Trium regum", später „S. Annae", weil entweder der Dreikönigsaltar seinen Namen änderte oder das Benefizium auf den Anna-Altar übertragen wurde (A. Schröder, Bistum Bd. 5, S. 250; vgl. Kraft, Kunstdenkmäler, S. 85). ABA, SAPr 1, 1600 Dezember 23; M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 284, verzeichnet Negelin zwischen 1541 und 1559 als Frühmesser. Im Visitationsprotokoll von 1626 Oktober 9-14 (ABA, BO 3672) heißt es, der capellanus der unierdten pfraindt in capella B. Virginis habet beneficium et in parochiali ecclesia vulgo die , Mittelmeß' et hue vocatur ,die unierte pfraidt'. Als capella B.M. V. wird sie denn auch regelmäßig in den Visitationsprotokollen angesprochen (vgl. ABA, BO 3672). - Kirchenrechtlich ist die Kapelle der (Pfarr- oder Haupt-)Kirche untergeordnet: „Die öffentlichen Kapellen gelten als zur Hauptkirche gehörig, und der daran angestellte Geistliche ist von dem Pfarrer abhängig. Er darf in der Kapelle gewisse Pfarrverrichtungen, z.B. die Taufe, nicht vornehmen; nur wenn sie die Stelle einer Filialkirche vertritt, darf der Pfarrer selbst oder dessen Hilfspriester solche Verrichtungen
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Die 1382 von der Bürgerschaft und, je nach Lesart, zwei Bürgermeistern oder einem Bürgermeister und dem Ammann 137 gestiftete, Juni 8'38 bischöflich konfirmierte Frühmesse ist das älteste der Günzburger Benefizien. Pflicht des Inhabers war es neben der Assistenz für den Pfarrer, in der Frühe so zeitig die Messe in der Frauenkirche zu zelebrieren, daß den Pfarrkindern der anschließende Besuch des Gottesdienstes in St. Martin noch möglich war oder möglich gewesen wäre. Auch eine Residenzpflicht des Geistlichen - ihn präsentierten Bürgermeister und Rat von Günzburg - im eigens gestifteten, der Kirche benachbarten Benefiziatenhaus hielt der Stiftungsbrief fest.139 „Wenigstens schon seit dem Jahre 1640" war das Frühmeßbenefizium dann dem Prädikaturbenefizium „beigegeben". 140 Dieses Prädikaturbenefizium war 1469 Februar 4 von Petrus Arnold, Priester und Bürger zu Ulm, mit Gunst und Willen von Bürgermeister und Rath der Stadt Günzburg gestiftet und wenige Tage später bischöflich konfirmiert worden.141 Der Prädikant sollte, neben seiner Verpflichtung, wöchentlich mindestens fünf Messen zu lesen, und unbeschadet der Predigt des Pfarrers in der Martinskirche, an allen - näher spezifizierten - Feiertagen nach dem Imbiß und man gewöhnlich allenthalben gegessen hat, in der Kapelle das Gottswort thun und predigen und lehren,142 Die Assistenzpflicht gegenüber dem Pfarrer war für den Benefiziaten großzügig geregelt:143 Nur fur den Fall,
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darin vornehmen. Auch darf der Gottesdienst an bestimmten Tagen hier nicht zur Zeit des Pfarrgottesdienstes abgehalten werden" (WWKL, Bd. VII, S. 115). Im Stiftungsbrief ist die Rede von Leonardus et Jacobus dicti Aman magister civium [•••] et communitas oppidi (zitiert nach Krebs, Verfassung, S. 138). A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 255, hält „Aman" für den gemeinsamen Familiennamen der Bürgermeister [Plural!] Jakob und Leonhard. Krebs, Verfassung, S. 138, dagegen sieht in Jakob den Bürgermeister, in Leonhard den Ammann der Stadt. Anno M. CCC. LXXXII., feria quarta post festum corporis Cristi (zit. nach A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 255 Anm. 38) ist, rechnet man den Fronleichnamstag mit, der 8., nicht wie von Alfred Schröder errechnet - der 11. Juni. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 255, vgl. den Wortlaut des Stiftungsbriefes, zitiert S. 255 Anm. 38. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 256. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 256f., Zitat S. 256; vgl. Kraft, Kunstdenkmäler, S. 86f. - Zur Person des Stifters Gaiser, Arnolt. Die Weißenhorner Historie des Nicolaus Thoman nennt Petrus Arnold auch als Stifter von spital, kyrch, mefi und bredikatur in Weißenhorn (Baumann, Quellen, S. 9). A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 256. Das Benefizium war von Petrus Arnold betont als Memorialstiftung konzipiert worden. Eine Reihe von Verpflichtungen sollte das Gedächtnis an den Stifter und dessen Familie bewahren: eine wöchentliche Seelmesse (wohl eine der fünf Messen an den Wochentagen) für ihn, seine Eltern und Vorfahren, derer zudem in jeder weiteren Messe, an einem eigenen Jahrtag und öffentlich bei jeder Predigt gedacht werden sollte. Im Prinzip diente die Feststellung einer Assistenzpflicht des Benefiziaten in den Stiftungsbriefen als Sicherung des Pfarrherrn vor einer Schmälerung parochialer Rechte und konnte
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Fallstudien
daß er zu den Gottesdiensten eigens gerufen würde und auch dann nur, si commode esse poterit, et studio suo praepeditus non fuerit, solle er dem Pfarrer mit Singen und Lesen Assistenz leisten.144 Explizit dem zur Predigtvorbereitung unerläßlichen Studium war damit gegenüber der Assistenzpflicht im Einzelfall höhere Priorität eingeräumt. Darin, wie schon allein in Umfang und Qualität seiner Pflichten, kommt die besondere Bedeutung des Nachmittagspredigers an der Frauenkirche unter den Benefiziaten der Stadt zum Ausdruck, die sich auch im stiftungsgemäß geregelten Patronatsrecht deutlich zeigt, weil bei der Besetzung Bürgermeister und Rat auf der einen und Pfarrherr auf der anderen Seite zusammenwirken sollten: Nur cum praescitu et consensu des Pfarrers sollte ein entsprechender Kandidat von Bürgermeister und Rat präsentiert werden.145 Gleichzeitig war der Prädikator seit 1540 regelmäßig auch Inhaber eines ursprünglich mit einem eigenen Geistlichen versehenen Benefiziums in der Jakobskapelle beim Hospiz nahe der Günzbrücke, das bei seiner Stiftung 1518 Oktober 16 durch Rat und Bürgermeister von Günzburg auch mit einer eigenen Behausung ausgestattet worden war. Der Benefiziat sollte wöchentlich fünf Messen in der bezeichneten Kapelle zelebrieren und darüber hinaus sonn- und feiertags die üblichen Assistenzpflichten leisten. Das Präsentationsrecht sollte zwischen dem Pfarrherrn der Martinskirche - in geraden Monaten - und Bürgermeister und Rat - in ungeraden Monaten - alternieren. Die geringe Dotation der Pfründe zwang den Rat schließlich zur Erhöhung des Reichnisses und Unierung mit dem Prädikaturbenefizium. 146 Auch das mit Sicherheit vor 1523 gestiftete Leonhardsbenefizium in der Kapelle des Hl.-Geist-Spitals - eine Urkunde liegt nicht vor - war häufig dem Prädikanten an der Frauenkirche beigegeben, da es niemals einen eigenen Geistlichen trug. Die Erträge des Benefiziums flössen zeitweise aber auch in andere Stiftungen. Sein Inhaber mußte wöchentlich eine Messe in der Hospitalkapelle lesen.147 Ebenfalls auf eine Stiftung des Ulmer Priesters und Bürgers Peter Arnold geht eine ewige Messe auf dem Kreuzaltar der Kapelle beim Leprosenhaus zurück (1471; 1473 konfirmiert). 1558 wurde sie als „Kaplanei zu St. Nikolaus bei den
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als „Gegenleistung für die Zustimmung des Pfarrers zur Stiftung der Pfründe" verstanden werden (Fuhrmann, Kirche im Dorf, S. 159f., Zitat S. 160). Vgl. den Wortlaut der Stiftungsurkunde auszugsweise zitiert bei A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 257 Anm. 39. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 257. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 241f. mit Anm. 32; zu Jakobskapelle und Hospiz auch Edlhard, Chronik, S. 78f. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 268; Kraft, Kunstdenkmäler, S. 282.
Obrigkeit und Kirche in Günzburg
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armen Leuten" bezeichnet. Der Benefiziat war verpflichtet, wöchentlich mindestens fünf Messen neben der Frühmesse in der Pfarrkirche zu lesen.148 Im 16. und 17. Jahrhundert, jedenfalls nach 1523,149 kamen keine neuen Pfründstiftungen hinzu. Erst im 18. Jahrhundert errichtet wurde das Graveneggische Benefizium für die Günzburger Franziskanerinnen (1744/53) und das des hl. Johann Nepomuk (1761), beide auf Altären in der Frauenkirche. 150 Die Zahl der Benefizien ist im Untersuchungszeitraum keineswegs identisch mit der Zahl der Benefiziaten bzw. Kleriker. Da die geringe finanzielle Ausstattung vieler Pfründen einen eigenen Priester gar nicht ernährte, blieben einige Benefizien überhaupt vakant oder bekleidete mancher Geistliche in der Stadt selbst oder in einer der Filialen außerhalb Günzburgs mehrere Benefizien gleichzeitig, obwohl dabei die Erfüllung aller damit verbundenen Pflichten aufgrund zeitlicher Überschneidungen mitunter gar nicht mehr möglich war. Die Zahl der Pfründen ist also zwar ein Indiz für die geistliche, näherhin liturgische Versorgung der Bevölkerung, nicht aber ein Parameter.151
1.3.4
Stadtentwicklung und Stiftungswesen
Sakrale Topographie und pastorale Versorgung in Günzburg sind mit das Ergebnis einer eingangs skizzierten Besonderheit der Stadtentwicklung. Die Entwicklung des kirchlichen Stiftungswesens in Günzburg ist auch eine Form der Anpassung an siedlungsgeographisch bzw. demographisch veränderte Rahmenbedingungen der Seelsorge. Als nach dem Erwerb des Ortes durch Habsburg (1301) und der bald darauf erfolgten Stadterhebung das Siedlungszentrum von der Günzniederung auf das östliche Hochplateau verlagert wurde, blieb dies ohne Konse-
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A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 2 6 8 f „ Zitat S. 269. Zu diesem Zeitpunkt spätestens war das Leonhardsbenefizium in die Hospitalkapelle gestiftet worden (A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 268). A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 259-266. Die personelle Situation - welcher Priester welche Pfründe wann, wie lange oder wie oft innehatte - stellt sich im einzelnen außerordentlich kompliziert, j a verworren dar, weil die Kombinationsmöglichkeiten der Benefizien sehr flexibel gehandhabt wurden, Benefizien und ihre Pfründen geteilt und häufig in immer neuen Konstellationen ausgegeben wurden. Aus diesem Grund ist es schwierig, die Angaben etwa der Visitationsprotokolle, der bischöflichen Korrespondenzen und des von Moritz Wiedemann aus den Siegelamtsrechnungen erstellten Schematismus in Einklang zu bringen. Wiedemann schränkt selbst die Aussagekraft der von ihm auf der Grundlage der Siegelamtsprotokolle gewonnenen Daten für die Amtszeit von Geistlichen ein, wenn er etwa darauf hinweist, daß die beiden Frühmessen der Pfarr- und Frauenkirche in den Siegelamtsrechnungen „nicht immer genau gekennzeichnet" seien, so daß es „dahingestellt" bleiben müsse, „ob denselben immer die richtigen Inhaber zugewiesen wurden" (M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 284 A n m . 1). Einen detaillierten Schematismus des Jahrhunderts von der Mitte des 16. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts für Günzburg zu rekonstruieren ist allerdings für die Frage nach der k l e r i k a l e n Dichte' in der Stadt auch zweitrangig und hier zu leisten nicht notwendig.
308
Fallstudien
quenzen für die Lage des Pfarrsitzes, der sich - unbeschadet der pfarrlichen Rechte - mit der Martinskirche nun „am äußersten Ende" der Siedlung, eine viertel oder halbe Stunde entfernt vom „Haupttheil der Stadt mit dem angesehenem Theile der Bürgerschaft" befand.152 Die Gründung der Oberstadt stellte Gemeinde und Kirche jedoch nicht nur vor neue pastorale Aufgaben, denn die Verlagerung des Siedlungszentrums und der zunehmende Funktionsverlust für die Unterstadt hatte auch Konsequenzen für die Kohärenz der Bürgerschaft: Nur wenige der in der Altstadt eingesessenen Familien ließen sich im neuen Zentrum ansiedeln, dessen Bewohner daher vorwiegend Neubürger waren. Die zahlreichen, 1397 in der Auseinandersetzung um die Verlegung des Aftermontagsmarktes' 53 eskalierenden Spannungen zwischen Unterund Oberstadt lösten sich endgültig offenbar erst, als die Unterstadt 1450 im Städtekrieg niedergebrannt wurde154 und ihre Bewohner in der oberen Stadt „Nothilfe" erfahren hatten.155 Mit der Stiftung des ältesten Günzburger Benefiziums, dem Frühmeßbenefizium an der wohl kurz zuvor fertiggestellten Frauenkirche, versuchten Bürgermeister und „communitas oppidi" - freilich „unter Zustimmung" des Pfarrherrn - 156 aus eigener, kommunaler Initiative den veränderten pastoralen Erfordernissen Rechnung zu tragen, möglicherweise157 in Kooperation mit dem Ammann als Vertreter des habsburgischen Stadtherrn, dem an einer funktionalen Aufwertung der jungen Siedlung der Oberstadt ebenfalls gelegen war. Ein eigenes Benefiziatenhaus wertete die Stiftung zusätzlich auf, förderte die Eigenständigkeit des Frühmessers und stärkte so auch seine Position gegenüber dem ihm übergeordneten Pfarrer von St. Martin. Nicht selten sollten aus derartigen Frühmeßstiftungen eigene Parochien erwachsen.158 Das Selbstbewußtsein der Bürger der Oberstadt, ihr Antagonismus zu den Mitbürgern der Altstadt, nicht zuletzt seelsorgliche Bedürfnisse konnten solch weitreichende Intentionen im Blick haben. Den Mängeln im System der Pfarrpfründenverleihungen begegnete die kommunale Stiftung ganz im Trend der korporativen Initiativen des späten Mittelalters - 159 mit der geradezu pleonastisch eingeschärften Vorschrift, quod beneficiatus debet inhabitare domum suam et personalem residentiam facere et in propria persona reside-
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A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 230. - Erst 1967 August 31 wurde durch bischöfliches Dekret ein neuer Pfarrsprengel gebildet. Dabei wurde jedoch nicht die Liebfrauenkirche, sondern die neu zu erbauende Hl.-Geist-Kirche in einem Neubaugebiet im Südosten der Stadt zur zweiten Pfarrkirche erhoben (Kraft, Kunstdenkmäler, S. 174f.). Stötter, Marktort. Brunner, Beiträge 1865, S. 60. Krebs, Verfassung, S. 129. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 255. Kap. Β. II. 1. Anm. 137. Mit Bezug auf Separationsbestrebungen dörflicher Filialkirchen Fuhrmann, Kirche im Dorf, S. 153, 169-182, 185f. Fuhrmann, Kirche im Dorf, S. 151 f.
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re,]b0 um die kontinuierliche Besetzung, und zwar nur mit dem auch gewünschten und ausgewählten Seelsorger sicherzustellen, denn die K o m m u n e hatte sich das Besetzungsrecht fur das Benefizium gesichert. Wenn nur 15 Jahre später der Pfarrherr 161 als rector ecclesie beati Martini in Günczburg zusammen mit dem Heiligenpfleger und ebenfalls der communitas seu vniuersitas oppidanorum oppidi eine weitere Frühmesse, nunmehr an der Pfarrkirche stiftet, läßt sich dies auch als Reaktion auf eine Gefährdung pfarrlicher Rechte deuten, wenigstens aber als ein Versuch, den erlittenen Prestigeverlust für die Martinskirche einigermaßen zu kompensieren. Daß der Pfarrer bei der Stiftung eindeutig voranging, belegt die Regelung seines künftigen Ius praesentandi für den Frühmesser an St. Martin. Aber auch die Bürger und Bewohner der in ihrer Bedeutung zurückgesetzten Unterstadt, deren Beteiligung an der Stiftung möglicherweise besonders durch den Heiligenpfleger von St. Martin zum Ausdruck kommt, besaßen ein Interesse an der A u f w e r t u n g der alten Pfarrkirche und der Verbesserung ihrer gottesdienstlichen Versorgung. Es mag kein Zufall gewesen sein, daß die Stiftung des Frühmeßbenefiziums an St. Martin im selben Jahr erfolgte, als die Auseinandersetzungen zwischen Ober- und Unterstadt um die Verlegung des Aftermontagsmarktes in die Oberstadt zu o f f e n e m Streit eskalierten. Nichtsdestoweniger entwickelte sich die obere Stadt immer stärker demographisch und militärisch bzw. administrativ - etwa durch einen Neubau des Schlosses 1452 - 1 6 2 zum dominierenden Zentrum der Stadt. Dem trugen die Initiativen der kommunalen und geistlichen Stifter Rechnung: 1423 stifteten Bürgermeister und Rat eine zweite Frühmesse in der Frauenkirche und 1469 stiftete Petrus Arnold schließlich das Prädikaturbenefizium in der Frauenkirche, dessen Inhaber, rechtlich dem Pfarrer von St. Martin als Rector ecclesiae untergeordnet, tatsächlich eine weitgehend selbständige Stellung genoß. Trotz des geistlichen Standes wollte Petrus Arnold seine Stiftung offenbar kommunal verankert sehen, da er Bürgermeister und Rat von Günzburg das Besetzungsrecht eingeräumt hatte, den Konsens mit dem Pfarrherrn allerdings gewahrt wissen wollte. Die Verbindung Petrus Arnolds mit Ulm macht deutlich, daß mit der Errichtung eines Prädikaturbenefiziums in Günzburg eine bereits einige Jahrzehnte ältere Entwicklung in den Reichsstädten aufgegriffen wurde, 163 die Ausdruck eines gewachsenen Bedürfnisses nach religiöser Unterweisung, mithin zusätzlichen liturgischen Formen gewesen sein mag. Die Prediger konnten dabei ein ,Publikum' ansprechen, das theolo160
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A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 255 Anm. 38. - Zur Residenzpflicht als wesentlichem Teil der kommunalen Pfründstiftungen Fuhrmann, Kirche im Dorf, S. 158f. Es war derselbe Friedrich von Ellerbach , Domherr und Bruder des Bischofs Burkhart von Ellerbach, der seine Zustimmung auch 1382 bei der Stiftung der Frühmesse an der Frauenkirche nicht verweigert hatte (A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 255 und 243; Haemmerle, Canoniker, Nr. 74). Brunner, Beiträge 1865, S. 62; Krebs, Verfassung, S. 129f. Vgl. Appenzeller, Münsterprediger.
310
Fallstudien
gischen Überlegungen intellektuell grundsätzlich zugänglich war. Die Stiftung des Günzburger Prädikaturbenefiziums spricht also auch für eine entwickelte ,Urbanität' der Stadt. Nicht selten, offenbar auch in Günzburg, 164 erwuchsen später gerade aus den Prädikaturen Ansätze der Frühreformation. Nicht lange nach Errichtung der Prädikatur stiftete ein anderer Geistlicher, der aus Günzburg gebürtige Wiesensteiger Chorherr Paulus Wall, dann wieder eine Messe in die Pfarrkirche, auf den Kreuzaltar. Patronatsherr sollte auch hier Bürgermeister und Rat der Stadt sein. Bezeichnend für den zunehmenden Bedeutungsverlust der Martinskirche ist aber, daß dieses Benefizium schon seit der Mitte des 16. Jahrhunderts nicht mehr durch einen eigenen Benefiziaten versehen wurde, sondern faktisch seit längerem mit dem vormaligen Dreikönigs-, jetzt Annabenefizium in der Frauenkirche uniert war. Die reduzierten Gottesdienstverpflichtungen dieser unierten Pfründe mußten entsprechend der bischöflichen Konfirmationsurkunde (1600 Dezember 23)165 teils in der Pfarrkirche, teils in der Frauenkirche abgeleistet werden, obwohl der Günzburger Pfarrherr Leonhard Braun166 und dessen Vorgänger Dr. Ulrich Schaller167 gegenüber Generalvikar Zacharias Furtenbach dringend für eine ausschließliche Abhaltung der Gottesdienste in der Martinskirche votiert hatten.168
1.3.5
Verteilung der Präsentationsrechte
Die Beobachtungen bei den Pfründstiftungen zeigen, wie die kirchliche Organisation in Günzburg Ergebnis religiöser Bedürfnisse einer angemessenen geistlichen Versorgung der Bevölkerung, zumal in der neugegründeten Oberstadt, war, dabei aber zwangsläufig mindestens bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts auch mit Kontroversen innerhalb der Gemeinde verbunden war. Die Argumente, die Pfarrer Braun und sein Vorgänger gegenüber dem Generalvikar für eine Abhaltung aller Gottesdienste der unierten Pfründe ausschließlich in der Pfarrkirche vorbrachten, lenken nun die Aufmerksamkeit auf die politische Dimension der Religion, auf einen Bezugsrahmen, der im gesamten Untersuchungszeitraum - auch unter katholischem Vorzeichen - gewissermaßen als übergreifender ,Fundamentalkonflikt' die kirchliche und religiöse Lage in Günzburg entscheidend mitbestimmte: der Konflikt zwischen Rat und Klerus um die Kirche in der Stadt.169 Die beiden Geistlichen hatten nämlich argumentiert, der Ordinarius würde sich durch eine Fixierung der Gottesdienstpflichten für den Benefiziaten der unierten Pfründe auf
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Vgl. Kap. Β. II. 2. Im Wortlaut abgedruckt bei A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 250f. Anm. 36. Pfarrer an St. Martin zwischen 1600 und 1626 (M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 283). Erstmals 1567, dann nochmals zwischen 1585 und 1600 Pfarrer in Günzburg (M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 283). ABA, BO 4215, 1601 Januar 24. Vgl. Kap. Β. II. 3.4.2.
Obrigkeit und Kirche in Günzburg
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die Martinskirche dero habende Bischöffliche Iurisdiction vnnd auctoritet gegen ainen Rath zu Günzburg de facto erhaltten, welcher Rath ratione sui iuris praesentandi so wohl inn corrigierung der Priester alls ahnordnung deß Gottsdiensts, was solche Ihre Caplän inn der Pfarr-, Obern- oder andern Kirchen verrichten sollen oder nitt, mass vnnd Ordnung wollen geben.™ Schon daß Bischof Heinrich diesen Vorstellungen nicht folgte, zeigt allerdings, daß Klerus oder kirchliche Hierarchie keineswegs als homogener Faktor der Kommune bzw. Bürgermeister und Rat gegenüberstanden. Eine zentrale Rolle spielte in diesem Fundamentalkonflikt die Frage, wem das Präsentationsrecht fur eine Pfründe bzw. ein Benefizium zukomme, da es für die inhaltliche Gestaltung des kirchlichen Lebens (mass vnnd Ordnung) - zumindest nach Einschätzung der beiden Priester - einen wichtigen Hebel darstellte. Im Untersuchungszeitraum war dieses Recht in Günzburg auf folgende Inhaber verteilt, die hier noch einmal zusammenfassend aufgeführt seien: Der Bischof von Augsburg präsentierte auf die Pfarrkirche St. Martin und das Leonhardsbenefizium in der Kapelle des Hl.-Geist-Spitals. Der Pfarrer von St. Martin seinerseits hatte theoretisch das Besetzungsrecht fur die Frühmesse an der Pfarrkirche, bekleidete das Benefizium aber mit Ausnahme der Jahre 1632 bis 1643 seit der Mitte des 16. Jahrhunderts selbst.171 Bürgermeister und Rat von Günzburg übten das Ius praesentandi für Prädikatur und Frühmeßbenefizium an der Frauenkirche, für das Wallsche Benefizium an der Pfarrkirche bzw. nach dessen Unierung für die unierte Pfründe sowie für die Kapelle beim Leprosenhaus 172 1.3.6
Die Ordensniederlassungen der Franziskanerinnen und Kapuziner
Das 1782 infolge der Josephinischen Klosterreduktionen 173 aufgehobene Kloster der Franziskanerinnen' 74 in Günzburg war hervorgegangen aus einer Beginen-
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ABA, BO 4215, 1601 Januar 24. Daneben präsentierte er den Kaplan auf die Kapelle in Leinheim (A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 360). Außerhalb der Stadt selbst präsentierten Bürgermeister und Rat auf die Pfarrei Oeffingen (A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 450f.). Bereits Maria Theresia verbot 1776 dem Dritten Orden die Aufnahme von Novizen (B. Mayer, Kapuzinerklöster, S. 152). Eine wichtige Quelle fur die Geschichte der Günzburger Franziskanerinnen ist das StijftBuch und Prothocol. Von A° 1433 als Anfang des FrauenClosters ord. Fran, in Ginzburg. Neu eingetragen anno 1659. Renovirt anno 1752 (StaAGü). Der Text bei Edlhard, Chronik, S. 153-156, und in der Bavaria Franciscana, Bd. 1, S. 445-448, beruht im wesentlichen bzw. ausschließlich auf A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 291-295; darüber hinaus Reiter, Franzis-
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Gemeinschaft, die - vermutlich noch 1433 - im Haus einer Bürgerstochter in unmittelbarer Nähe der Frauenkirche zusammengefunden hatte.175 Die Gemeinschaft verfügte nicht über eine eigene Klosterkirche, sondern nutzte die benachbarte Frauenkirche, wo ihnen ein eigener Chor eingeräumt war, zu dem sie von ihrem Gebäude aus separaten Zugang besaßen. 1613 wurde dieser Chor neu gebaut und mit einem Altar ausgestattet, die Ausgaben im wesentlichen durch Markgraf Karl und dessen Gemahlin bestritten.176 Im Untersuchungszeitraum dürfte - abgesehen von den 1640er und frühen 1650er Jahren - 177 die Stärke des Konventes „nie unter z w ö l f Schwestern gesunken sein.178 Hinsichtlich der geistlichen Jurisdiktion stand die Gemeinschaft seit 1487 unter der Observanz zunächst der Straßburger dann der Tiroler MinoritenProvinziale,179 ehe sie 1636 auf Beschluß des Generalkapitels des Ordens zusammen mit den Franziskanerinnen in Weiden180 der „Jurisdiktion, Correktion und Visitation" des Bischofs von Augsburg übergeben wurde, da die Leitung von Innsbruck aus „zu lästig und zu ungenügend" war.181 Strengere Aufsicht, wie man
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kanerinnen. - Allgemein zu den franziskanischen Schwesterngemeinschaften in Bayern Börner, Franziskaner, S. 765-768. 1433 befreiten Bürgermeister und Rat von Günzburg das Haus der Gemeinschaft und dessen Zugehör von allen Steuern und nahmen die Schwestern unter Schutz und Schirm der Stadt. 1449 bestätigte Kardinal Peter, Bischof von Augsburg, die Stiftung, unterstellte die Gemeinschaft der bischöflichen Jurisdiktion und nahm sie in seinen Schutz und Schirm. Gleichzeitig auferlegte er ihnen ein Leben nach der Dritten Regel des hl. Franziskus. Von diesem Zeitpunkt an können die Günzburger Schwestern als Franziskanerinnen (Terziarinnen) angesprochen werden. 1492 nahm sie König Maximilian I. (1486-1508) in seinen „besonderen Schutz", gestattete ihnen als Landesherr den Bau eines Ganges in die Frauenkirche und bestätigte die städtischen Privilegien des Jahres 1433. Ebenfalls als Markgraf von Burgau bewilligte 1559 Kaiser Ferdinand I. den Franziskanerinnen, vier Kühe auf die städtische Weide zu treiben und in ihrem Haus drei Webstühle zu halten. (A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 291-293, Zitat 292). Reiter, Franziskanerinnen; Auer, Geschichte, S. 58. Reiter, Franziskanerinnen. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 292. Zur Differenzierung der verschiedenen Observanzen des Franziskanerordens WWKL, Bd. IV, S. 1650-1683. Von Wüst, Reichs- und Diözesankirche, S. 387, irrtümlich als Niederlassung der Unbeschuhten Karmelitinnen bezeichnet. Die Ansiedlung von Karmelitinnen erfolgte jedoch erst in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts in Weiden (so jedoch auch Wolfgang Wüst in: A. Schneider, Ordensgemeinschaften, S. 314f.). A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 293. - Die bischöfliche Jurisdiktion machte sich etwa bei der Wahl der Sr. Klara Mayer aus Burgau 1639 bemerkbar: Vor der Wahl hörten die Schwestern eine Gaistliche Exhortation durch den Günzburger Prädikator an B.M.V., Johann Egolf Helm (nach M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 286, zwischen 1630 und 1642 Prediger an der Frauenkirche). Die bischöfliche Konfirmation erfuhr die Gewählte dann, weil neben deme vnnß die Persohn der erwöhlten Schwöster Ciarae von ihrer Frombkhait, guetem Geruch vnnd Tugendten, auch andern qualitäten, so zue dem Ambt einer Muetter vnnd Vorsteherin erfordert werden, sonderbahr berüembt worden. Es ergeht der Befehl an den Konvent, der neuen Mutter zu gehorchen (ABA, SAPr 4, 1639 Dezember 24, fol. 168r).
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sie sich von diesem Schritt versprach, schien vermutlich auch deshalb geboten, weil wenige Jahre zuvor, 1629, durch den Innsbrucker Provinzial P. Heinrich Seifried für das Kloster die Einführung der strengen Observanz verfügt worden war, zu deren Bestimmungen das Verbot privaten Eigentums, die Wahrung einfacher Lebensführung und nun auch strenge Klausur zählten, nachdem den Schwestern bis dahin Ausgang aus dem Kloster, besonders zur Pflege von Kranken, gestattet war. Gleichzeitig erhielten die Schwestern das Römische Brevier zur Feier der Hören. 182 Während die geistliche Disziplinierung und innere Reform des Konventslebens, soweit erkennbar, ausschließlich von seiten der Kirche - des Ordens bzw. des Bischofs und seiner Geistlichen vor Ort - angestoßen und begleitet wurde, erfreuten sich die Franziskanerinnen quoad temporalia besonderer Unterstützung und deutlicher Förderung der habsburgischen Landesherrn. Nicht selten bedeutete dabei die Wirksamkeit des landesherrlichen, weltlichen Arms jedoch einen Rippenstoß für die landsässige Stadt und die Interessen des Rates. 183 Seit 1615 hatte sich eine weitere franziskanische Ordensgemeinschaft in der Stadt niedergelassen. 184 Auf Initiative und Betreiben Markgraf Karls von Burgau siedelten sich erst zwei, 185 1615 dann probeweise weitere vier Kapuziner zunächst im leerstehenden Haus des Frühmeßbenefiziaten gegenüber der Martinskirche an.186 - 1773, am Vorabend der Eingriffe, die zur Auflösung des Klosters fuhren sollten, befanden sich 15 Patres in der Günzburger Niederlassung. 187 1616 Mai 29 legte Bischof Heinrich von Knöringen den Grundstein 188 für das Günzburger Kapuzinerkloster, das eine eigene, neben der Gottesmutter den Heiligen Karl Borromäus und Franz von Assisi geweihte Klosterkirche erhielt. 18 '' Die Klosterkirche
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A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 293; Reiter, Franziskanerinnen. - Vgl. das Mandat Bischof Heinrichs von Knöringen von 1629 Januar 2, in dem die strenge Durchführung der Klausur in allen weiblichen Konventen des Bistums angeordnet wurde (Spindler, Heinrich V. Reformarbeit, S. 56 mit Anm. 1). Vgl. Kap. Β. II. 3. Anm. 265. Vgl. die einschlägigen Handbücher von Eberl, Geschichte, S. 53f.; Hohenegger/Zierler. Kapuziner, passim; Sprinkart, Kapuziner. - Edlhard, Chronik, S. 156-159, beruht im wesentlichen auf A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 295-299; Auer, Geschichte, S. 58; R. Seibold. Residenzstadt, S. 21-77. Darunter der Beichtvater Markgraf Karls, P. Damian von Venedig (Hohenegger/Zierler. Kapuziner, Bd. 1, S. 70). A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 295; Hohenegger/Zierler, Kapuziner, Bd. 1, S. 70: Kraft, Kunstdenkmäler, S. 177. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 297. Kraft, Grundstein. Die Bauleitung lag bei P. Mauritius Korn aus Innsbruck (Hohenegger/Zierler, Kapuziner, Bd. 1, S. 72). Zur Architektur von Kloster und Kirche Kraft, Kunstdenkmäler, S. 175-182, sowie allgemein Frank, Kapuzinerarchitektur. - Die Weihe der Kirche (Patrozinium „Mariae Himmelfahrt"), des Hochaltars und der „Kapelle" St. Franziskus (gemeint ist wohl der
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Fallstudien
St. Maria war, wie die Ordensgemeinschaft insgesamt, von der bischöflichen Jurisdiktion exempt. Im Untersuchungszeitraum unterstand das Günzburger Kloster dem Provinzial der tirolisch-bayerischen Kapuzinerprovinz mit Sitz in Innsbruck.190 Die Gründung des Günzburger Kapuzinerklosters wirft ein deutliches Licht auf das religiöse Selbstverständnis Karls von Burgau und nimmt in der Politik des Markgrafen eine zentrale Bedeutung ein, die an anderer Stelle ausführlich zu würdigen ist.191
1.3.7
Bruderschaften192
Bis zum Ende des Untersuchungszeitraumes waren in Günzburg insgesamt wohl fünf Bruderschaften errichtet worden. Gerade die Zahl der bereits im Spätmittelalter existierenden Fraternitäten - drei Vereinigungen, darunter eine Priesterbruderschaft - ist auch für Günzburg als ein weiterer „Indikator für stadtbürgerliche Mentalität und städtische Sozialstruktur" zu werten.193 (1) Vier der Bruderschaften bestanden an der Pfarrkirche St. Martin:' 94 In der 1441 begründeten Priesterbruderschaft 195 schloß sich der Säkularklerus des Landkapitels Ichenhausen 196 zusammen. 197 Die Aufnahme von Laien in die Bruderschaft - Frauen wie Männern -,' 9 8 darunter zahlreiche Adlige, scheint, jedenfalls
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Franz von Assisi geweihte Seitenaltar; so Eberl, Geschichte, S. 54) erfolgte 1618 November 30 durch Weihbischof Peter Wall (Hohenegger/Zierler, Kapuziner, Bd. 1., 72). Kap. Β. II. 3. Anm. 66. Kap. Β. II. 3.3.3.3. Vgl. zur Einfuhrung besonders den Problemaufriß von Remling, Forschungsgegenstand, sowie den prägnant zusammenfassenden historischen Abriß von Hardtwig, Genossenschaft. Darin zur katholischen Laiengemeinschaft der Bruderschaft in Spätmittelalter und Früher Neuzeit S. 70-97. Weiterfuhrende Literatur zu den Bruderschaften im Gebiet des heutigen Bayern ist bis einschließlich 1990 zusammengestellt bei Pötzl, Volksfrömmigkeit, S. 928f. Anm. 218. So die grundsätzliche Beurteilung von Remling, Aspekte, S. 169. Knapp bei Edlhard, Chronik, S. 141, 151, nach A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 239f. und 254. Speziell zu den Priesterbruderschaften Remling, Bruderschaften, S. 67-86; Prietzel, Kalande. Allgemein zum Landkapitel Ichenhausen A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 1-3, 63-66. Stötter, Neuerwerbung, berichtet zudem von einer „Bruderschaft der ewigen Anbetung", die 1618 mit der Priesterbruderschaft verbunden worden sei. Menges, Vergangenheit, S. 48, erwähnt die Gründung dieser Bruderschaft für das Ende des Jahres 1617; „sofort" sei ihr daraufhin „die Fürstliche Familie" beigetreten. Näheres ist über diese Fraternität jedoch nicht bekannt; ihre Existenz konnte ich bislang archivalisch nicht nachweisen, auch bei A. Schröder, Bistum, Bd. 5 findet sie keine Erwähnung. Die geschlechterübergreifende Zusammensetzung der meisten vor- wie nachreformatorischen Bruderschaften hebt Hardtwig, Genossenschaft, S. 81, besonders hervor.
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im Untersuchungszeitraum und wie bei den meisten Priesterbruderschaften,'99 üblich gewesen zu sein. 200 Die Mitglieder der Bruderschaft versammelten sich, um ihrer verstorbenen Brüder zu gedenken, jährlich einmal an der Martinskirche in Günzburg als dem Hauptort des Landkapitels, wo häufig auch dessen Dekane als Pfarrherren amteten.201 Neben der zentralen Totenmemoria nahm die Günzburger Priesterbruderschaft auch nachweislich fiskalische Funktionen wahr und vergab Kredite aus dem Vermögen, das sich etwa durch die Aufnahmegelder der Mitglieder angesammelt hatte.202
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Hardtwig, Genossenschaft, S. 80. Vgl. den Abschnitt De fralribus laycis der erneuerten und vermehrten Kapitelsstatuten von 1589 Juli 12 denen ein Verzeichnis lebender und verstorbener Priester und Laien des Landkapitels von 1610 beigegeben ist, für die ein jährliches Gedächtnis gehalten wird, darunter Ordensleute von Edelstetten, Wettenhausen, Ursberg und Roggenburg, Dekane, Kammerer und Priester des Landkapitels, aber auch Laien, besonders vom Adel. Auch den Kapitelsstatuten von 1594 ist ein Confraternitatis capituli ruralis in Ichenhausen sacerdotum et laicorum vivorum atque defunctorum index sive registrum anno ab orbe redempto 1600 beigegeben, aus dem unter anderem die Mitgliedschaft des burgauischen Landvogtes Karl Welser (1560-1580) und seiner Frau Eva hervorgeht (ABA, DA Ichenhausen). Ob der Verzicht auf klerikale Exklusivität bzw. die Aufnahme von Laien in die Günzburger Priesterbruderschaft bereits von Anfang an üblich war, läßt sich nach der Überlieferung nicht entscheiden, ist jedoch aufgrund der Gepflogenheiten einer Vielzahl von Priesterbruderschaften anzunehmen (Hardtwig, Genossenschaft, S. 80). - In der Forschung werden immer wieder die egalisierenden Tendenzen hervorgehoben, die sich aus der ständisch übergreifenden Mitgliederstruktur von Bruderschaften ergeben hätten (so Katzinger, Bruderschaften, S. 109; B.Schneider, Bruderschaften, S. 71-73; besonders deutlich Hardtwig, Genossenschaft, S. 79). Eine Egalisierung scheint jedoch etwa im Blick auf die Günzburger Priesterbruderschaft zweifelhaft, denn hier waren zwar neben Priestern und nichtadligen Laien auch Mitglieder des Adels inskribiert, ob sie aber die Verpflichtungen der Bruderschaft erfüllten bzw. angesichts mehrerer Mitgliedschaften und räumlicher Entfernung vom Sitz der Fraternität überhaupt erfüllen konnten, ist eher skeptisch zu beurteilen. Traf der Adel nur bei der Feier des Bruderschaftsfestes im Gottesdienst - vermutlich auch noch räumlich separiert mit dem gemeinen Mann zusammen, dann war der Egalisierungseffekt der Bruderschaften nicht größer als der jeder anderen heiligen Messe auch. Die Kapitelsstatuten von 1589 regeln die Frage der Ortswahl in einem eigenen Abschnitt De electione loci capituli sive fraternitatis (ABA, DA Ichenhausen). Rechnungen von Jahrtagen der Priesterbruderschaft sind für die Zeit zwischen 1644 und 1743 (mit Lücken) im Pfarrarchiv Günzburg erhalten. In den Ratsprotokollen (StaAGü, RPr 1.6, 1646 Mai 17) findet sich dafür allerdings nur ein Beleg, und zwar für die Jahre 1649 bis 1655 [!]. Eine entsprechende und breitere Überlieferung des fiskalischen Aufgabenbereiches der Priesterbruderschaft im an sich einschlägigen Dekanatsarchiv fehlt dagegen. - Die Aufgaben von Bruderschaften als genossenschaftliche Kreditkassen sind bislang nicht systematisch untersucht worden. Allerdings bieten die Arbeiten von E.E. Weber, Heiligenpflegen, S. 152-158, zu den Kirchenfabriken als Darlehenskassen und Spies, Feuerversicherung, zu den Versicherungen und Kreditkassen geistlicher Herrschaften einige Ansatzpunkte für die Frage nach der Organisation eines bruderschaftlichen Kreditwesens.
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Fallstudien
(2) Neben der Priesterbruderschaft, die nicht eigentlich eine ,städtische' Bruderschaft war, sondern deren Mitglieder sich primär aus den über das gesamte Landkapitel verstreuten Weltgeistlichen zusammensetzten, die nur zu den Kapiteltagen zumeist in Günzburg zusammenkamen, existierten in Günzburg im Untersuchungszeitraum drei weitere, weltliche Bruderschaften an der Pfarrkirche sowie eine Fraternität an der Frauenkirche. Ihre Entstehung und ihr soziales Gefüge ist ganz im kommunalen Kontext zu sehen, auch wenn die Bruderschaften auswärtige, geistliche und adlige Mitglieder aufnahmen. Sollte das Stiftungsjahr 1209 zutreffen, 203 wäre die 1668 erneut bischöflich konfirmierte Otmarsbruderschaft nicht nur die älteste Günzburger Fraternität, sondern die älteste bekannte geistliche Stiftung des Ortes überhaupt. Vermutlich von 1298 datiert, allerdings ohne Bezug auf eine entsprechende Bruderschaft zu nehmen, eine Urkunde über die Stiftung eines Jahrtags am Fest des hl. Otmar. Vielleicht aus der Mitte des 14. Jahrhunderts stammt dann eine Urkunde, die in ihrer Präambel an Gründung und Ordnung einer Bruderschaft sanct Marteyns [!] der pfarrkirchen ze Günzburg [...] vor vil jaren erinnert: ain weiser säliger vnd tugendhafter mensch, der von Diemiitigkait sich selber nit genamet noch genennt haut, habe für diese Bruderschaft einen Jahrtag an st. Otmarstag gestiftet. Die Urkunde hält zeremoniale und finanzielle Einzelheiten für die Feier dieser Jahrzeit fest, wie sie seit jeher üblich gewesen seien. Aus den Bestimmungen wird deutlich, daß dem zechmaister, dem Heiligenpfleger von St. Martin, hierbei eine zentrale Funktion zukommt. Die Organisations- bzw. Leitungsstruktur der Bruderschaft bestand demnach in enger Anlehnung an die Zechpflegschaft, was für ihr hohes Alter spricht. Für das Totengedenken am Jahrtag von 1590 hat sich eine Liste verstorbener Bruderschaftsmitglieder erhalten, die Aufschluß über die Zusammensetzung der Fraternität im Untersuchungszeitraum gibt. Unter ihren Mitgliedern sind neben zahlreichen Bewohnern der Stadt auch viele Adelsfamilien der Umgebung zu finden.204 (3) Für die Sebastiansbruderschaft205 hat sich, wenngleich erst aus den Jahren 1661-1711, eine breitere Überlieferung im Pfarrarchiv Günzburg erhalten. Darunter befindet sich ein Anfang des 18. Jahrhunderts erstellter Extract aus dem Lateinischen Fundations Brieff der andechtigen St. Sebastianj Bruderschafft zu Günzburg de Anno 1474, der es erlaubt, das Gründungsjahr der Bruderschaft zu datieren und die Verpflichtungen ihrer Mitglieder zu rekonstruieren: Knapp heißt es, die Sebastiansbruderschaft sei 1474 durch etliche andechtige Mann und Weibs Ρersöhnen, also offenbar auf Initiative von Günzburger Bürgern gegründet und von Kardinal Peter bischöflich approbiert worden. Von der Beteiligung etwa ei203 204 205
A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 239 mit Anm. 28. Stötter, Stiftung. Speziell zu den Sebastiansbruderschaften das Beispiel Franken bei Remling, Bruderschaften, S. 238-257.
Obrigkeit und Kirche in Giinzburg nes Günzburger Geistlichen oder überhaupt der hervorgehobenen
317 Mitwirkung
e i n e s e i n z e l n e n bei d e r G r ü n d u n g ist n i c h t d i e R e d e . B r ü d e r u n d S c h w e s t e r n d e r S e b a s t i a n s b r u d e r s c h a f t sind v e r p f l i c h t e t , d i e E r s t e V e s p e r a m V o r a b e n d des Festes ihres Heiligen und den Gottesdienst a m T a g s e l b s t u n v e r k ü r z t zu b e s u c h e n , d a b e i ihr f l i r b i t t e n d e s G e b e t l e b e n d e n u n d v e r s t o r b e n e n M i t b r ü d e r n z u z u w e n d e n u n d z u d e m (sc. v o n G o t t ) d i e V e r s c h o n u n g v o r S e u c h e n zu erflehen.206 V o r d e m Fest solle gebeichtet, wenigstens aber R e u e und V o r s a t z z u r B e s s e r u n g g e f a ß t w e r d e n . D a f ü r , w i e a u c h f ü r e i n e n - in s e i n e r H ö h e unbestimmten - finanziellen Beitrag z u m Erhalt des Bruderschaftsaltares oder für a n d e r e Z u w e n d u n g e n a n d i e F r a t e r n i t ä t ist d e n B r ü d e r n u n d S c h w e s t e r n e i n A b l a ß von hundert Tagen gewährt.207 Z u s a m m e n mit der Priesterbruderschaft scheinen damit die B r u d e r s c h a f t e n der H e i l i g e n O t m a r u n d S e b a s t i a n in ( s p ä t - ) m i t t e l a l t e r l i c h e r T r a d i t i o n zu s t e h e n . O b a l l e r d i n g s d i e b e i d e n H e i l i g e n b r u d e r s c h a f t e n d e s h a l b , w e i l v o n i h n e n a u c h i m 16. u n d 17. J a h r h u n d e r t d i e R e d e ist, k o n t i n u i e r l i c h B e s t a n d h a t t e n o d e r a b e r n a c h d e r R e f o r m a t i o n w i e d e r b e l e b t w u r d e n , läßt s i c h n i c h t m i t S i c h e r h e i t e n t s c h e i d e n . 2 0 8 ( 4 ) W e s e n t l i c h s p ä t e r a l s d i e B r u d e r s c h a f t d e s hl. S e b a s t i a n - j e d e n f a l l s erst n a c h d e r B e a t i f i k a t i o n b z w . K a n o n i s a t i o n I s i d o r s 1 6 1 9 b z w . 1622 - 2 0 9 u n d d a m i t a l s
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Der hl. Sebastian wird besonders als Patron gegen die Pest um seine Fürsprache bei Gott angegangen. Zusammenfassend zu den Funktionen des hl. Sebastian als Bruderschaftspatron Remling, Aspekte, S. 155-157; Hölzle, Tod, S. 160-164. Brüder und Schwestern sollen bey der Vesper und so dann am tag Sebastianj ber ganzem Gottsdienst verbleiben. Und dieweilen das gebett derjenigen, so in Sünden Fiirsezlich verharret [!], nichts fruchtbarlichs außrichten, auch gott nit gefallen kan, dahero auf solche zeit Ein jeder Bruder oder Schwester seyn gewissen mit reiniger [!] Beicht reinigen oder zum wenigsten mit Innerlicher rechter wahrer Reu über die Begangene Sünden von Einem guten steifen fürsalz vom Bösen Leben sich zu endthalten, solchem gotts dienst und ämpteren bey wohnen solle, Gott dem Allmächtigen umb das heil der lebendigen und abgestorbenen Brüdern und Schwesteren, auch umb verhüetung aller handt Beser, Pestitenzischer Seuchten demuthiglich anruefen, den H. Sebastianum aber flehentlich bitten, daß Er hierinnen und allem disem der Jenigen, so in seiner Ehr also jährlich beystanden oder in seiner Bruderschafft ein verleibt seindt, Ein getreuer fürbitter bey dem Allmächtigen Gott sein wolle. Für solche geistliche gottgefällige [...] Übung (insonderheit auch, da zu erhaltung des altars Sebastianj, der Kerzen und anderer notwendiger der bruderschafft Geistliche gehör etwas allmosen oder opfer zugeben wurde) Ist jedem bruder und schwester an der zeitlichen Straf die Ihr umb seiner Sünden halber hie im leben oder dorten im fegfeür zu leiden schuldig wäre, 100 tag nachlaß und indulgenz in krafft des theuren verdiensts Christj und aller heyligen Gottes Vergündt und zu gelassen worden. (PfAGü, St. Sebastians- und Rosenkranzbruderschaft). B. Schneider, Bruderschaften, S. 65-67. Der spanische „Landmann" Isidor - eigentlich soll er Gutsverwalter gewesen sein - war 1622 März 12 zusammen mit den Jesuiten Ignatius von Loyola und Franz Xaver sowie mit Theresia ä Jesu und Philipp Neri von Papst Gregor XV. heiliggesprochen worden, drei Jahre zuvor hatte ihn Paul V. seliggesprochen. In Spanien war er bereits seit Jahrhunderten als
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nachreformatorische und -tridentinische Gründung muß die des hl. Isidor als berufsspezifische Fraternität in Günzburg entstanden sein, für die kein Gründungsdatum bekannt ist. Von der Isidorbruderschaft ist in den Ratsprotokollen von 1644 April 11 und September 1 eine Nachricht über die Bestimmung oder Wahl der beiden offenbar weltlichen Bruderschaftspfleger - keiner von ihnen ist als Geistlicher in Günzburg bekannt - 210 überliefert. 2 " Im jüngeren Eintrag wird die Fraternität dabei als der baurn bruederschafft bezeichnet.212 Für die Jahre 16601768 sind im Pfarrarchiv Günzburg die Rechnungsbücher der Bruderschaft überliefert,213 eine Satzung scheint sich dagegen nicht erhalten zu haben. (5) Ebenfalls in nachreformatorischer Zeit entstand die Fraternitas Beatae Mariae Virginis an der Frauenkirche.214 Obwohl exakte Vergleiche unter den genannten Bruderschaften nach ihrer Mitgliederzahl und -entwicklung aus Mangel an Quellen nicht möglich sind, scheint die Liebfrauenbruderschaft wenigstens im 17. Jahrhundert den größten Zuspruch erfahren zu haben, da ihre Satzungen auch im Druck erschienen.215 Die Überlieferungslage für die Liebfrauenbruderschaft ist verhältnismäßig günstig, so daß sich ihre Entstehung, Verfassung und innere Struktur sowie punktuell auch Konflikte um die Bruderschaft rekonstruieren lassen.
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vorbildlicher Christ verehrt worden, dem die Heiligung seiner harten und fleißig verrichteten Arbeit in intensiver Verbindung mit Gottesdienst und Gebet gelungen war (WWKL, Bd. VI, S. 963f.). Pötzl, Volksfrömmigkeit, verlegt die Kanonisation dagegen irrtümlich ins Jahr 1628 (S. 911), nennt aber als Beispiel einer frühen Isidorbruderschaft die 1623 in Antdorf (Landkreis Weilheim-Schongau) errichtete Fraternität (S. 915). - Als Fraternität für die Bauersleute, Männer wie Frauen, in der ganzen Diözese wollte sie Bischof Heinrich verstanden wissen, der 1630 die päpstliche Bestätigung und Vermittlung von Indulgenzen (vollkommener Ablaß beim Eintritt in die Bruderschaft, am Fest des hl. Isidor und in der Todesstunde) erwirkte (Spindler, Heinrich V. Reformarbeit, S. 57 mit Anm.). M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 282-288. Es sind Stachaß Nusser Alt vnd Martin Meges (StaAGü, RPr 1.6, 1644 April l l ) . - S t a c h a ß Nusser scheint sich für dieses Amt aufgrund seiner frommen Gesinnung empfohlen zu haben: 1649 gestattete ihm der Rat, Iedoch auf daß seinig, neben dem Ziegelstadel ein bildtsaulen zur Er Gottes aufzurichten zuelassen (StaAGü, RPr 1.6, 1649 April 13). Ein Eustachius Meges, vielleicht ein Verwandter des Martin Meges, erhielt 1626 eine Stelle als Hofkaplan der Markgräfm Sibylla (StAA, VÖ, Lit. 654, 1626 Mai 25, fol. 38Γ). StaAGü, RPr 1.6. PfAGü, St. Isidor-Bruderschaft, Rechnungen. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 254. So spätestens 1685 (PfAGü, vormals Abt. V, Fach Nr. 7: Bruderschaft Unserer Lieben Frau).
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Der Vorsatz der 1606 April 28 bischöflich konfirmierten 216 Satzungen 217 hält Zeitpunkt, Anlaß, nähere Umstände, Initiatoren und Intention für die Gründung der Liebfrauenbruderschaft fest: Danach hatte das geistliche und soziale Erleben einer gemeinsamen Wallfahrt in der Kreuzwoche des Jahres 1604 nach Kloster 216
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ABA, BO 3925, 1606 April 28 (Copia Conflrmationis Fraternitatis B.M. Virginis in oppido Günzburg nuper 1604 errecta) sowie PfAGü, vormals Abt. V, Fach Nr. 7, 1606 April 28. Im Schreiben von 1606 April 11 (ABA, BO 3925) hatte Bischof Heinrich seinen Generalvikar Zacharias Furtenbach ersucht, er solle die Statuten der Liebfrauenbruderschaft prüfen vnnd, so Ir darinnen khain bedennckhen, darüber gebiirende Confirmation verferttigen vnd vnnß oder den Pfarrer vfs bäldist, weil Sie die vor wider anstöüendem Creiitzganng gern haben wollen, vff gemainer Bruederschafft vncossten zuekhommen lassen. Text der Satzungen nach ABA, BO 3925 [ohne Datum]: Zuewissen, das im Iahr, da mann zalt von der gepurt Cristj ain daussent sechshundert vnd viere, alß der erste Creiigang mit einem sonderbaren Newen, darzue gemachten Cösstlichen Fahnen von Gunzburg aus nach dem heiligen berg Andächs Inn OberBayrn in der Creizwochen angestelt vnd verrichtet worden, haben etliche Gottliebende Gaistlich vnd weltlich Mahnn vnd Weibs Persohnen (mit vorwissen vnd gnedigem Consens des Hochwürdigen Fürsten vnd herren, herren Heinrichen von Gottes genaden Bischoffen zue Augspurg etc., alß dis orths ordinaiy) Gott dem Allmechtigen zue Lob, der heiligen vnbeßeckhten Iunckhfrawen vnd Muetter Gottes Maria vnd ganzem himlischem Höer zue Ehren, auch den Lebendigen vnd Abgestorbnen Cristglaubigen zue nuz vnnd Trost, wie auch sonderbarer auferbawung des Nebenmenschen, ein Bruederschafft anzuestellen, vngefährlich nachfolgendermassen sich entschlossen: Erstlich, das leder brueder vnd Schwesster vermög der Statuten, Jedoch ohne gefahr einer todtsindt, verbunden soll sein, täglich fur Lebendige vnd abgestorbne Brueder vnnd Schwestern zuepetten 3 Pater vnd Aue. Im fahl aber ein den andern oder mehrtäg Iemandt an solchem gepett verhindert wurde, solle sollches herrnach wol widerumb herein gebracht werden khönden. - Zum andern sollen auch alte Brüeder vnd Schwesstern, iedoch außer verbindtnuß einer todtsündt, schuldig sein, zum wenigsten dreymahl im Iahr vsser des ossterlichen Fessts, das ist zue Pfingsten, an vnßer lieben frawen Himelfahrt tag vnd Wevhennechten, Ir sündt beichten vnd das Hochwürdig Sacrament des Zarten Fronleichnambs IESV Christ] zuempfahen oder, da vf solche Zeiten verhindernußen ein fielen, bald/ daruor oder darnach oder vf der Walfarth nach Andechs das aine mahl zuuerrihten. - Zum Driten, da ein Brueder oder Schwester mit todt abgienge, sollen alle der Bruederschafft einuerleibte vnd zue Günzburg oder in der Gehendt gesessene schuldig sein, die Leicht zuebeglaiten vnd der lieben Seelen zue Trost in der Ehr der Hailigen Fünff Wunden Cristi funff Pater vnd Aue zue betten, nicht weniger sollen alle brüeder vnd Schwestern schuldig sein, die Bilgrame, so nacher obgesagtem Andechs vmb die Creiz wochen Ziehen wellen, von Hauß vnd zue Hauß, vngefährlich der Stell vnsers lieben herren Rhue zue Günzburg zuebeglaiten. - Fürs vierte, so solle durch diser Bruederschafft Pßeger anordnung gethann, das alle Iahr vnd Jedes Iahr besonder den verstorbnen brüeder vnd Schwestern ein Iahrtag gehalten werde, Morgens mit einer Vigill zway Ämpter, souil Messen, alß Prister vorhanden, so der Bruederschafft einuerleibt sein vnd lezttlich Armen leuthen ein Spend gegeben werde. - Fünfftens, so soll ein yeder, so sich diser Bruederschafft will einuerleiben, Mahnn oder Weibs Persohn fürs einschreibgelt erlegen 40 kr. - Leztelichen, damit das einkhomen diser Bruederschafft sicher vnd recht verwendet werde, sollen auß den bruedern alß baldt zue Anfangs der Bruederschafft erwählt werden zwen Pfleger, ein Priester vnd ein Lay, die für tauglich zue sein erkhent werden. Dise zwen, so lang sie der bruederschafft nuzlich, sollen sie vnuerändert verbleiben, da aber bey einem oder anderm mangel erscheine, sollen die Brueder macht haben, den nachlessigen abzuesezen vnd einen andern seines standes ordnen, vnd dis so o f f t die notturfft erfordert, aber niemahls ohne erhebliche Vrsachen.
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Fallstudien
Andechs - einem Bittgang in den Tagen vor Christi Himmelfahrt - 218 Geistliche wie Weltliche, Frauen wie Männer zur Institutionalisierung ihrer Wallfahrtsgemeinschaft veranlaßt.219 In seinem Bittschreiben um Konfirmation der Bruderschaft hatte Pfarrer Leonhard Braun220 sich selbst vnnd anndere vorn der Burgerschafft als Initiatoren genannt.221 Genauer bezeichnet diese Gruppe Bischof Heinrich in einer Verordnung zur Modifikation der Bruderschaftsstatuten als etliche eyferige Catholische burger vnnd Innwohner zue Günzburg.222 Während die Präambel selbst von Gottliebende[n] Männern und Frauen spricht, betont Bischof Heinrich, daß es sich um eyferige Catholische Gläubige gehandelt habe, betrachtet die Gründung also aus seiner Perspektive unter einem konfessionellen Aspekt. Die integrierende, in diesem Falle rechtliche Unterschiede nivellierende Zusammensetzung der Bruderschaft deutet sich darin an, daß ihr nicht allein Bewohner der Stadt mit, sondern auch ohne Bürgerrecht (.Innwohner) angehörten. Unter diese wären auch die Priester zu subsumieren. Eine für den Kreuzgang eigens gefertigte Fahne kann als Identifikationssymbol der Wallfahrergruppe, später auch der Bruderschaft gedeutet werden. Als Bruderschaftsfahne fand sie künftig bei Wallfahrten und Prozessionen Verwendung. 223 Zweck der Verbrüderung ist nach der Präambel die Verherrlichung Gottes, die Verehrung Mariens und aller Heiligen, Fürbitte (nuz vnnd Trost) für lebende und verstorbene Angehörige der Bruderschaft, schließlich die auferbawung des Nebenmenschen, also die religiössittliche Hebung des Nächsten. Neben der Verherrlichung Gottes referiert Bischof Heinrich außerdem die mehrung deß Gottsdiensts zue Günzburg als Intention der Gründung. 224 Diesen Zielen versuchte die Bruderschaft durch die Bestimmungen ihrer Statuten zu täglichem Fürbittgebet für lebende und verstorbene Brüder und Schwestern, häufigerem Empfang von Beichte und Kommunion, Begleitung und Gebet für verstorbene Bruderschaftsangehörige, Begleitung der Wallfahrer nach Andechs innerhalb Günzburgs und Abhaltung eines Jahrtages mit Vigil und zahlrei-
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Woche nach dem 23. Mai 1604; meist nur bis Donnerstag (Himmelfahrt), seltener bis Samstag (Grotefend, Zeitrechnung, S. 72, 178). Die Wallfahrt (unter anderem) zu den Drei Heiligen Hostien nach Andechs entwickelte sich bereits im 12. Jahrhundert und ist damit die älteste bekannte Wallfahrt im süddeutschen Raum. Sie nahm ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erneut, vermutlich durch die Initiative Kardinal Ottos von Augsburg, Aufschwung (Brackmann, Entstehung; Möhler, Wallfahrten; Pötzl, Volksfrömmigkeit, S. 890). - Grundsätzlich zum Zusammenhang von Bruderschafts- und Wallfahrtswesen B. Schneider, Bruderschaften, S. 79-82. Nach M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 283, zwischen 1600 und 1626 Pfarrer an St. Martin. Zitiert in ABA, BO 3925, 1606 April 11. ABA, BO 3925, 1607 Dezember 29. ABA, BO 6791, 1622 Juni 22 (Kap. Β. II. 1. Anm. 236). - Zur Deutung solcher ,Insignien' von Bruderschaften als Identifikations- bzw. Integrationssymbol B. Schneider, Bruderschaften, S. 81. ABA, BO 3925, 1606 April 11; vgl. Artikel 4 der Statuten.
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chen M e s s e n für die Verstorbenen näherzukommen. D i e Erfüllung dieser spirituellen und caritativen Werke war z u m Zeitpunkt der bischöflichen Konfirmation noch gar nicht oder jedenfalls nicht im wünschenswerten M a ß mit den üblichen Indulgenzen verbunden, die den Eintritt in eine Bruderschaft attraktiver mach-
ten.225 Darum ersuchten Pfarrer, Beede Pfleger vnnd gemeine Bruederschafft vnser Lieben Frawen zu Günzburg ahn der Tonaw wohl im Juli 1609, also mehr als drei Jahre nach der Konfirmation, B i s c h o f Heinrich um die Vermittlung entsprechender Ablässe, 2 2 6 die der Fraternität laut altem archivalischem Vermerk 1612, also wiederum drei Jahre später, gewährt wurden. 2 2 7 Ausdrücklich auf die Glaubensspaltung B e z u g nimmt dabei die Bestimmung, Brüder und Schwestern sollten, um einen v o l l k o m m e n e n Ablaß zu erhalten, beim B e s u c h der Pfarrkirche [!] an Mariae Himmelfahrt - neben der Verpflichtung zu Beichte, K o m m u n i o n und Mitfeier des Festes v o n der Ersten V e s p e r an -
vmb
Christlicher Potentaten vnnd Fürsten ainigkhait, vmb außreittung der Kezereyen vnnd erhechung der H. Catholischen Kirchen bzw., in der entsprechenden Formulierung des lateinischen Ablaßbriefes, pro conservatione Romanae ecclesiae, pro haeresum
extirpatione
beten. Da die Vermittlung v o n Indulgenzen wesentlich zur
Attraktivität einer Bruderschaft beitrug, kann man v o n einer breiten Rezeption auch dieser B e s t i m m u n g innerhalb der Bruderschaft bzw. der Gläubigen ausgehen. Selbst dort, w o - w i e etwa in Günzburg - Katholiken nicht direkt mit Protestanten zusammenlebten, wurde über die v o r g e g e b e n e Gebetsintention ein B e -
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In seiner Verleihung der Indulgenzen gibt Bischof Heinrich der Hoffnung Ausdruck, die Fraternität augeretur haud dubio magis, si proventus spiriluales augerentur (ABA, BO 3925, [1612]). Aus der Formulierung augerentur könnte auch geschlossen werden, daß die Bruderschaft bereits Ablässe besaß, die nun vermehrt wurden. - Zur Ablaßgew ährung in den Bruderschaften Hölzle, Tod, S. 52-57, 154-156. ABA, BO 3925, 1609 vor Juli 15. Erhalten hat sich ein durch alten archivalischen Vermerk datiertes lateinisches Dokument Bischof Heinrichs (ABA, BO 3925, [1612]) sowie eine undatierte deutsche Auflistung der durch Papst Paul V. verliehenen Ablässe der Bruderschaft (PfAGü, vormals Abt. V, Fach Nr. 7, undatiert). Inhaltlich unterscheiden sich die Möglichkeiten zum Erwerb eines Ablasses zwischen beiden Briefen in einigen Bestimmungen. Der deutsche Ablaßbrief fuhrt im Gegensatz zum lateinischen die zeitliche Länge des jeweils erworbenen Ablasses an. Sie differiert zwischen einem vollkommenen Ablaß (für den Empfang des Bußsakramentes und der Kommunion am Tag der Aufnahme in die Bruderschaft, an Mariae Himmelfahrt und auf dem Sterbebett), sieben Jahren (für den Besuch der Ersten Vespern an fünf Marienfesten und für den Besuch des Jahrtagsgottesdienstes; für jeden Empfang von Bußsakrament und Kommunion; fur die Begleitung der Krankenkommunion bzw. für das ersatzweise Sprechen von Gebeten), 100 Tagen (für die Begleitung von Verstorbenen zur Beerdigung; für das tägliche Gebet von drei Vater Unser und drei Ave Maria gemäß der Satzung) und schließlich 60 Tagen (für den Besuch der Pfarrkirche und andern der Bruederschafft geistlichen zusamenkhunfften; für das Schlichten von Streit, das Belehren von Unwissenden und allgemein für gute Werke). - Speziell zum Sterbeablaß und zu Maria als Sterbepatronin Hölzle, Tod, S. 154-156, 172-176.
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Fallstudien
w u ß t s e i n v o n der Kirchenspaltung 2 2 8 b z w . der katholischen Identität 2 2 9 u n d v o m Papst, der im Prinzip allein das Recht zur Erteilung v o n Ablässen b e s a ß (und besitzt), 2 3 0 bis hinunter z u m einzelnen G l ä u b i g e n getragen. Jedes B r u d e r s c h a f t s mitglied k o n n t e auf diese W e i s e konfessionell sensibilisiert u n d , a u f g e l a d e n ' w e r d e n . - In all diesen B e s t i m m u n g e n der Statuten u n d Indulgenzen, j a bis hinein in die skizzierten E n t s t e h u n g s z u s a m m e n h ä n g e aus einer W a l l f a h r t in der K r e u z w o c h e n a c h Kloster A n d e c h s ist im übrigen die V o r b i l d f u n k t i o n der G ü n z b u r g e r L i e b f r a u e n b r u d e r s c h a f t f ü r die B u r g a u e r L i e b f r a u e n - u n d L e o n h a r d s b r u d e r s c h a f t greifbar. 2 3 1 U m Mitglied der L i e b f r a u e n b r u d e r s c h a f t zu w e r d e n , m u ß t e m a n , u n a b h ä n g i g v o n d e n j e persönlichen finanziellen Möglichkeiten, ein - geringes einschreibgelt v o n 40 K r e u z e r n entrichten. 2 3 2 Zur V e r w a l t u n g des V e r m ö g e n s der B r u d e r s c h a f t es setzte sich aus diesen einmaligen Beiträgen sowie aus S p e n d e n u n d Stiftungen z u s a m m e n - sollten die m ä n n l i c h e n Mitglieder der Bruderschaft 2 3 3 auß den bruedern - nicht also den Schwestern - zwei P f l e g e r geistlichen und weltlichen Stan-
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Vgl. z.B. ebenso 1625 die päpstlichen Indulgenzen für die Dreifaltigkeitsbruderschaft in Edelstetten (StAA, Damenstift Edelstetten, Depotbestand V, I, 2 [jetzt verzeichnet als Urkunde 492]). Besonders deutlich werden die katholischen Propria (eucharistische Frömmigkeit, Heiligen-, besonders Marienverehrung, Purgatorium) etwa in der Satzung der Corpus-ChristiBruderschaft Illereichen betont, die sich eng an die Statuten der Augsburger Erzbruderschaft anschließt (ABA, SAPr 2, 1619 Dezember 21 [bischöfliche Konfirmation]). WWKL, Bd. I, S. 105f. - Auch der Gnadenbrief fur die Günzburger Liebfrauenbruderschaft war von Papst Paul V. verliehen worden (PfAGü, vormals Abt. V, Fach Nr. 7, undatiert). Das 1627 in Dillingen bei Erhard Lochner (er nannte sich „Fürstbischöflich-Augsburger Hofbuchdrucker"; zu ihm Benzing, Buchdrucker, S. 84) gedruckte Andachtsbüchlein der Burgauer Bruderschaft enthält einen vergleichbaren Vorsatz: Zuwissen daß im Jahr da man zalt/ von der geburt CHristi/ Ein Tausendt/ Sechshundert vnd Aylffe/ Als der vierdte Creutzgang mit einem sonderbaren/ darzugemachten kostlichen Creutz/ von Burgaw auß/ nach dem heiligen Berg Andechs/ inn Obern Bayern/ in der Creutzwochen angestellt/ vnnd verrichtet worden/ haben etliche Gottliebende Geistlich- vnnd Weltliche/ Mann- vnnd Weibs Personen/ zu bemeldtem Burgaw/ (doch auff gnädigen Consens vnnd Ratification/ deß Hochwürdigen Fürsten/ vnd Herrn/ Herrn Heinrichen Bischoffen zu Augspurg etc. Als diß ortes ordinari)/ GOtt dem Allmächtigen zu Lob der heiligen vnbefleckten Junckfrawen/ vnnd Mutter Gottes Maria/ auch Sanct Leonhardi deß heyligen Abts/ vnd gantzem Himmlischen Heer zu ehren/ auch den Lebendigen/ vnnd Abgestorbnen Christglaubigen zu Nutz vnnd Trost/ wie auch sonderbarer Aufferbawung deß neben Menschen/ ein Bruderschafft anzustellen/ vngefährlich nachuolgendermassen sich entschlossen [...] (ABA, BO 4198); vgl. die Erwähnung der Bruderschaft bei A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 123. ABA, BO 3925 [ohne Datum], Das Recht, einen ungeeigneten Pfleger zu ersetzen, besitzen explizit nur die Brueder. Da sonst konsequent von Brüdern und Schwestern der Bruderschaft die Rede ist, kann man davon ausgehen, daß die Bezeichnung als brueder exklusiv zu verstehen ist und nur die männlichen Mitglieder der Bruderschaft damit bezeichnet sind. Was für Abwahl und Neuwahl gilt, muß auch für die Wahl an sich gelten.
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des (ein Priester vnd ein Lay), wählen, die sie nur aus triftigen Gründen abwählen und ersetzen konnten. Eine turnusgemäße Wahl gab es demnach nicht. Ein Schreiben Bischof Heinrichs an Pfarrer Leonhard Braun von 1607 Dezember 29 modifiziert diesen Wahlartikel dahingehend, daß der jeweilige Pfarrherr von St. Martin, um seine pfarrlichen Pflichten nicht zu vernachlässigen, nicht selbst als geistlicher Pfleger bestimmt werden, dennoch aber als Supremus inspector vnnd Director der Bruderschaft fungieren solle. Es dürfe sowohl Inn erwählung der Pfleger alß sonnsten mit ahnrichtung gueter Ordnung ausser- vnd Innerhalb der kirchen vnd Gottsdienstß dise bruederschafft bedreffende ohne sonderbar vorwissen, guetachten, beysein oder zuethuen eineß Pfarrerß nichtß fiirgenommen, statuiert, noch angeordnet werden.™ Damit erhielt der Pfarrer von St. Martin kraft bischöflicher Kompetenz umfassend Recht und Pflicht zur Kontrolle der Fraternität und ihrer Leitung, nicht zuletzt auch ihres geistlichen Pflegers. Sein Vetorecht beschnitt zwar prinzipiell die eigenverantwortlichen Gestaltungsmöglichkeiten der beiden Bruderschaftspfleger bzw. ihrer Wähler insgesamt, doch richtete sich die Bestimmung des Bischofs kaum gegen die Laien der Bruderschaft, war ihnen doch ohnehin ein Abweichen von den Prämissen der Kirche bereits durch den zweiten, geistlichen Pfleger verwehrt.235 Eher ist die Einfuhrung einer pfarrherrlichen Suprematie als Versuch zu deuten, angesichts eines nicht unerheblichen Konfliktpotentials zwischen Pfarrer und Benefiziaten die klerikale Hierarchie innerhalb Günzburgs zu stützen, um künftigen Kontroversen aufgrund unklarer Kompetenzen vorzubeugen. 236
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ABA, BO 3925, 1607 Dezember 29; ebenso PfAGü, vormals Abt. V, Fach Nr. 7, 1607 Dezember 29. B. Schneider, Bruderschaften, S. 73, bezeichnet die Mehrzahl der nachtridentinischen Bruderschaften aufgrund derartiger Konstruktionen als „Orte [...] obrigkeitlicher Bevormundung" - ein Urteil, das im Blick auf die tatsächlichen Gestaltungsspielräume von Laien überprüft werden müßte. Freilich muß man begreifen, daß die dogmatischen Grundlagen des religiösen Lebens im allgemeinen und der Bruderschaften im besonderen nicht zur Disposition der Laien - und im übrigen auch nicht des einzelnen Priesters - stehen konnten. Ähnliche Absichten stellten den Hintergrund entsprechender Regelungen fur die Burgauer Liebfrauen- und Leonhardsbruderschaft dar: Hier war für den Pfarrer von Unterknöringen, dessen Filiale das viel bedeutendere Burgau war, die Gefahr abzuwehren, daß der Burgauer Frühmesser bzw. Kaplan über die Leitung der Bruderschaft immer weitergehende Befugnisse erhielt, die letztlich den pfarrlichen Rechten der Matrix ecclesia abträglich hätten sein können (vgl. ABA, BO 4012 [1610 nach März 1]; ebd. [undatiert, zwischen 1629 und 1636]; ebd., 1639 Oktober 27); vgl. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 113-116. - Trotz dieser eindeutigen Regelung kam es in Günzburg zu Auseinandersetzungen zwischen dem Kaplan Christian Zanenbenz als Bruderschaftspfleger und dem Pfarrherm Leonhard Braun, weil der Pfarrer, so die Klage des Kaplans vor dem Ordinariat, seine zuvor zugesagte Unterstützung einer Prozession der Liebfrauenbruderschaft zurückgezogen und die Prozession weder verkündigt, noch daran teilgenommen hatte und letstlichen so gar der Bruoderschafft Jahnen nit volgen lassen wollte (vgl. z.B. ABA, BO 6791, 1622 Juni 22).
2. Reformatorisches Potential in Günzburg: Bauernkrieg und Schmalkaldischer Krieg „Von der Glaubensbewegung des 16. Jahrhunderts scheint Günzburg nicht unberührt geblieben zu sein."1 Mit dieser vorsichtigen Formulierung charakterisiert Alfred Schröder die ambivalente Haltung Günzburgs zur Reformation im zeitlichen Umkreis des Bauernkrieges, doch hat sein Urteil auch noch für die Zeit des Schmalkaldischen Krieges Berechtigung 2 und läßt sich so ausdehnen auf die erste Hälfte des Jahrhunderts. Wenngleich die Neigung eines Teils der Bevölkerung zur neuen Lehre nicht quantifiziert und selten mit konkreten Namen verknüpft werden kann, ist doch die Einwirkung reformatorischen Gedankengutes an sich unstrittig - freilich ebenso das Gegensteuern besonders von Bürgermeister und Rat, das auf das Gewicht der altkirchlichen Position in der Stadt verweist. Ein Schlaglicht auf die Verhältnisse noch vor dem Bauernkrieg werfen die publizistischen Bemühungen Johann Eberlins von Günzburg (um 1465-1533) um die Bürger der Stadt, der er durch seine Herkunft aus dem nahen Kleinkötz 3 damals noch Filiale der Günzburger Martinskirche - verbunden war.4 Seine Flugschrift ,Der Glockenturm' 5 nimmt Bezug auf die Bestrafung von Günzburgern, die trotz eines vom Pfarrvikar erwirkten Ratsverbotes - es sollte eine Bestimmung des Nürnberger Reichstags von 1523 umsetzen - 6 zur reformatorischen Predigt des Leipheimer Pfarrers Hans Jakob Wehe in die Nachbarstadt ausgelaufen waren und nun - ebenfalls auf Veranlassung des Pfarrverwesers - im Turm 1 2 3 4
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A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 230. Auer, Geschichte, S. 48. Auer, Geschichte, S. 42; Baldini, Adlige, S. 75 mit Anm. 15f.; Ehmer, Eberlin. Mit einem umfassenden Überblick über Forschung und ältere Literatur zuletzt die wichtige Monographie von Peters, Eberlin, S. 9-15. Abdruck der Schrift bei Enders, Flugschriften, Bd. 3, S. I I I ; vgl. die Nacherzählung und Besprechung der Schrift bei Radlkofer, Eberlin, S. 137-144. - Die Schrift ist anonym und weist formale wie stilistische Abweichungen von der üblichen Gestaltung der Flugschriften Eberlins auf. Von Peters, Eberlin, S. 372-374, wird sie daher unter die „Dubiosa" gerechnet. Dennoch hält Enders, Flugschriften, Bd. 3, S. XXIVf., die Verfasserschaft Eberlins aufgrund inhaltlicher Bezugnahme auf ihn selbst wie auf den ihm verwandten Leipheimer Pfarrer Hans Jakob Wehe für eine „nicht zu bezweifelnde" (S. XXV). Enders, Flugschriften, Bd. 3, S. 113f. - Im Reichstagsabschied von 1523 März 6 war bestimmt worden, das Evangelium dürfe nur entsprechend der Exegese der Kirchenväter gepredigt werden (S. 347). Der Pfarrer von Günzburg und der Rat der Stadt nahmen kaum zu Unrecht an, daß dies in Leipheim nicht der Fall war. Enders, Flugschriften, Bd. 3, S. 112. - Inhaber der Pfarrpründe (Pfarrer) an der Günzburger Martinskirche war zwischen 1509 und 1523 Dr. Bernhard von Waldkirch. Als Vikare in dieser Zeit verzeichnet M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 238, Blasius Winkler (1513-1515), Christian Reslin (1515-1521) sowie einen Magister Sebastianus (1521-1524); zu Dr. Bernhard von Waldkirch Haemmerle, Canoniker, Nr. 900, der ihn jedoch erst ab 1518 als Pfarrherrn von Günzburg nennt.
Reformatorisches
Potential in
Günzburg
325
der Martinskirche in Haft lagen. Eberlin läßt in den kurzen Vorsatzversen den personifizierten Clocker thurn Klage erheben, zu deren Bestrafung mißbraucht zu werden, und endet mit einem Ausfall gegen den Günzburger Rat: wo fischer Schnitzer bierwirt regiert/ die pollici wird leicht zerstört,8 Im Text selbst fuhrt er aus, der Rat mache sich durch sein vnchrisüich verbutt, die Predigt in Leipheim zu besuchen, zum Spott fur die gantze teiitsche nation und belaste das nachbarschaftliche Verhältnis zur Reichsstadt Ulm. Er wirft ihm zudem vor, nicht gegen den Pfarrer - gemeint ist wohl der Pfarrvikar - eingeschritten zu sein, als der den frommen geleerten Johann Eberlin vff offner cantzel so vnredlich mit lugen antast? Die Vorgänge selbst sind nur aus der polemischen Schrift zu rekonstruieren, eine Verifizierung durch andere Quellen ist nicht möglich. 10 Man wird daher die Mitteilungen mit aller Vorsicht aufnehmen, denn Eberlin mag einerseits die Resonanz reformatorischen Gedankengutes übertrieben, andererseits sowohl die Geschlossenheit des Rates selbst als auch den Gleichklang von Rat und Klerus zu harmonisch vermittelt haben, um die Fronten - hier die wahrheitsdurstige arme gemeind,u dort der verderbte Priester im Verein mit einem ebenso tumben' : wie gottlosen Rat niedriger Handwerker - desto deutlicher und publizistisch wirkungsvoller hervortreten zu lassen. Dennoch können aus dem Pamphlet verschiedene Befunde abgeleitet werden: Bei einem Teil der Günzburger Bevölkerung die genaue Zahl bleibt unbekannt - stieß zu Beginn der 1520er Jahre die Reformation auf offene Ohren, sie besuchten die evangelische Predigt in der Ulmer Landstadt Leipheim. Bei einigen von ihnen - wieder ist eine Zahl nicht bekannt scheint die Identifikation mit der neuen Lehre so stark, daß sie sich über ein entsprechendes Ratsverbot hinwegsetzten und Bestrafung in Kauf nahmen. Auf der anderen Seite stand diesem reformatorischen Potential in der Stadt eine restriktive Politik des Rates zugunsten der alten Kirche gegenüber: Der Rat erließ nicht nur Verbote, sondern war gewillt ihre Befolgung sicherzustellen und vermochte sich durchzusetzen. In Verbot wie Strafe stellte er sich dabei als weltlicher Arm der kirchlichen Hierarchie zur Verfügung. Ähnlich differenziert ist das Bild der Günzburger Verhältnisse wenige Monate später auf dem Höhepunkt des Bauernkrieges im nordöstlichen Oberschwaben. Dabei erscheint die Beteiligung von Günzburger Bürgern an der Seite der Bauern als unzweifelhaft. Die Unterstützung durch einen Geistlichen aus der Stadt belegt die reformatorische Komponente und Dimension der Bewegung auch in Günz-
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Enders, Flugschriften, Bd. 3, S. 112. Enders, Flugschriften, Bd. 3, S. 120. - Eberlin seinerseits scheut sich nicht, den Priester als Konkubinarier und Simonisten zu bezeichnen (S. 118f.). Auer, Geschichte, S. 43f. Enders, Flugschriften, Bd. 3, S. 119. Vgl. die Invektive des Vorsatzverse (Enders, Flugschriften, Bd. 3, S. 111).
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Fallstudien
burg. Bürgermeister und Rat dagegen versuchten lange Zeit, sich von den Aufständischen abzusetzen. Die ,Weißenhorner Historie' des Nicolaus Thoman erwähnt vil beser buben aus der gmain, die pewrisch gewesen seien.13 Da diese den Günzburger Rat, der noch 1525 März 28 den Räten des Leipheimer Haufens den ungehinderten Besuch der Stadt untersagt hatte,14 nicht zum „Abfall" bewegen konnten, griffen sie, so Thoman, zu einer List und brachten die Stadt noch am selben Tag in ihre Gewalt.15 Nach der vernichtenden Niederlage der Bauern in der Schlacht bei Leipheim' 6 wurde auch Günzburg von den Truppen des Schwäbischen Bundes besetzt und der Stadt ebenso wie Leipheim die Zahlung von zunächst 900 fl. auferlegt, eine Summe, die Jörg Truchseß den Bürgern wenig später reduzierte, dan die pauren heften sy betrogen und ubereyltNäherhin scheint sich - nach der Schilderung des lateinischen Chronisten Jakob Holzwart - diese Einschätzung des Schwäbischen Bundes auf die Position des Günzburger Rates zu beziehen, dessen Mitglieder nicht nur gegen ihren Willen abtrünnig geworden waren (inviti defecerant), sondern zuletzt auch die Auslieferung der Stadt an den Truchsessen bereitwillig vollzogen hatten. Sie selbst und die Anhänger des Rates (quicuncque illi adhaeserant) blieben aus diesem Grund von persönlicher Strafe verschont.18 Noch einmal bestätigt wird so, daß es um 1525 innerhalb Günzburgs unterschiedliche politische, und das heißt im Falle des Bauernkrieges auch: unterschiedliche religiöse Vorstellungen und Lager gab.19 Daß der Günzburger Rat, jedenfalls in seiner Mehrheit, dabei als Exponent der altgläubigen Seite betrachtet werden kann, entspricht freilich ganz dem allgemeinen Befund in den oberschwäbischen Reichsstädten, wo „in den wenigsten Fällen der städtische Rat bei der Einführung der Reformation die treibende Kraft war", sondern vielfach gegenzusteuern versuchte.20 Bei der Besetzung der Stadt nahmen die Soldaten etlich daselbst gefangen, insunder den prediger,21 der jedoch nicht das Schicksal des (1524 vom Ulmer Rat 13 14 15 16 17 18
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Baumann, Quellen, S. 79f. Anm. Radlkofer, Eberlin, S. 378f. Radlkofer, Eberlin, S. 380. Zur Leipheimer Schlacht (1525 April 3) Diemer, Baltringer, S. 85f.; Trauchburg, Gefechte. Baumann, Quellen, S. 86. Baumann, Quellen, S. 669. - Nicht zuletzt aufgrund seiner zuverlässig habsburgischen Haltung scheint etwa Christa Wall, der unter anderem nach den Unruhen 1525 als Bürgermeister amtete, 1536 durch König Ferdinand I. (1531/56-1564) einen Wappenbrief erhalten zu haben (das Wappen ist abgebildet bei Auer, Geschichte, Tafel IX). Seine altkirchliche Gesinnung bezeugt ein nach der Überlieferung um 1530 von ihm in Günzburg aufgestelltes Flurkreuz, das sogenannte „Christa-Wall-Kreuz" (Kraft, Kunstdenkmäler, S. 520 mit Anm. 1; vgl. Stötter, Frühzeit; Auer, Geschichte, S. 47). Die Hintergründe eines Hexerei verdachtes, der zu einer Verurteilung wegen Verleumdung führen sollte, lassen auch noch für 1530 das Fortbestehen unterschiedlicher politischer Lager in Günzburg erkennen (vgl. Dillinger, Hexenverfolgungen, S. 213f.). Greyerz, Gesellschaft, S. 16. Baumann, Quellen, S. 83.
Reformatorisches
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Potential in Günzburg
abgesetzten) 2 2 L e i p h e i m e r Pfarrers H a n s Jakob W e h e teilen mußte und der Enthauptung entging. 2 3 Er w u r d e v i e l m e h r g e g e n eine h o h e G e l d b u ß e und die Z u s a g e , sich der Predigt in v e r s c h i e d e n e n Bistümern zu enthalten, freigelassen. 2 4 D e u t lich wird aus der aktiven B e t e i l i g u n g d e s Predigers an den Unruhen - sein N a m e wird nirgends genannt - , 2 5 daß e b e n f a l l s nicht anders als in den m e i s t e n obers c h w ä b i s c h e n Reichsstädten auch in der Landstadt Günzburg die Prädikatur das Einfallstor reformatorischen G e d a n k e n g u t e s war. 2 6 D i e N i e d e r l a g e der Baltringer in der L e i p h e i m e r Schlacht führte nicht zur v o l l k o m m e n e n Lethargie d e s G e m e i n e n M a n n e s . N o c h immer bestand im B e r e i c h des H a u f e n s ein revolutionäres Potential, m a n c h e r dachte daran, den b e w a f f n e t e n K a m p f w i e d e r a u f z u n e h m e n . V o r d i e s e m Hintergrund ist Johann Eberlins warnung
an die Christen,
vor aufrur,
vnnd
in der Burgawischen
vor falschen
predigern,
marck,
sich auch furo
Getrewe
hin zu
hüten
zu verstehen. 2 7 D i e mit 1 8 . B l a t t recht
u m f a n g r e i c h e Schrift entstand A n f a n g 1 5 2 6 und kam im s e l b e n Jahr erstmals in Druck. A n l a ß waren für Eberlin Gerüchte, es gähnd
vil vnrwiger
vmb,
des vorigen
welche
abschrecken, 22 23 24
25
26
27
rätten,
man sol sich [durch] den vertust
man solle
widerumb
sich samlen
vnnd fechten
wider
lewt
im
land
iars nit
lössen
Gottis
feindt
Radlkofer, Eberlin, S. 223-226. Falsch bei Trauchburg, Gefechte, S. 187 mit Anm. 34. Die Informationen über die Bestrafung des Priesters sind widersprüchlich. Nicolaus Thoman widmet ihr den eigenen Abschnitt Mörck weyter des predigers von Giintzburg halben!. Man habe den Prediger eine Zeit lang gefangen im Heer mitgefuhrt, ihm die Zahlung von 70 fl. auferlegt und ihm Zeit seines Lebens die Predigt in den Bistümern Augsburg, Konstanz und Speyer untersagt. Seine beiden Pfründen, die Pfarrei Wagenhofen - lugt bey Diemingen, ist lechen von aynem von Hirnhaim - und die Günzburger Prädikatur mußte er aufgeben. Bis auf den Verlust der Pfründen entspricht dem die lateinische Schilderung des Jakob Holzwart (Baumann, Quellen, S. 84, 669). Milder fiel seine Bestrafung nach den Aufzeichnungen im Tagebuch des Herolds Hans Lutz aus: Zwar habe d e r p f a r e r [!] von Gintzburg 80 fl. und sein Pferd geben müssen, das Verbot zu predigen war jedoch auf die Bistümer Augsburg und Eichstätt und auf sechs Jahre beschränkt (S. 621). Im Generalschematismus des Bistums Augsburg sind Inhaber der Günzburger Prädikatur an der Liebfrauenkirche erst ab dem Jahr 1559 verzeichnet (M. Wiedemann, GeneralSchematismus, S. 286). Auch für die andere Pfründe, die der Prediger nach Nicolaus Thoman zusätzlich innehatte, fehlen für die fragliche Zeit die Angaben. Eine Pfarrei Wagenhofen gibt es allerdings nicht; Wagenhofen ist vielmehr umgekehrt Filiale der Pfarrei Demmingen [!], vormals Bistum Augsburg, heute Rottenburg-Stuttgart. Weder für den einen, noch den anderen Ort nennt Krießmann, Series, S. 8, im 16. Jahrhundert einen Priester. Die Spekulation „in einem schwäbischen Unterhaltungsblatt", das den Prediger mit einem gewissen Johann Winkler identifiziert, weist Radlkofer, Eberlin, S. 440 Anm. 29, zurück. In Memmingen etwa war Christoph Schappeler 1513 auf die Predigtstelle berufen worden und hatte „religiöse Unruhe" in die Stadt gebracht; in Kaufbeuren stand mit Jakob Lutzenberger ebenfalls ein reformatorisch gesinnter Prediger dem altgläubigen Pfarrer gegenüber (P. Blickle, Aufbruch, S. 5, 7). - W. Enderle, Konfessionsbildung, S. 39, spricht von der reformatorischen Predigt als „conditio sine qua non einer gelungenen städtischen Reformation". Enders, Flugschriften, Bd. 3, S. XXXIIf., S. 253-287; vgl. Radlkofer, Eberlin, S. 528-542; Peters, Eberlin, S. 283-291, 371 f.; Baldini, Adlige, S. 81 f.
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Fallstudien
vnd landschaben,28 Inhalt und Stil dieser in indirekter Rede wiedergegebenen Formulierungen lassen es wenig plausibel erscheinen, die Sorge um eine bevorstehende Erhebung in der Markgrafschaft sei nur literarische Fiktion Eberlins, um seine Position zum Bauernkrieg noch im nachhinein darstellen zu können.29 Zwar erwähnt die Schrift nur allgemein Gerüchte, ohne auf deren Herkunft einzugehen, doch sprechen die Beziehungen Eberlins zu Günzburg, die bereits im Clocker thurn greifbar wurden, zum einen dafür, daß der Theologe gerade auch aus Günzburg seine Informationen bezog, zum anderen, daß er an die Bewohner der Stadt als Rezipienten seines Mahnschreibens dachte. Günzburg wird also auch noch 1526 hinsichtlich des revolutionären Potentials in der Markgrafschaft keine Ausnahme dargestellt haben. Zu neuerlichen blutigen Konflikten kam es gleichwohl nach 1525 in der Markgrafschaft nicht. Nichtsdestoweniger aber blieb reformatorisches Gedankengut auch über den Bauernkrieg hinaus für Teile der Günzburger Bevölkerung attraktiv und war durch die Frontstellung der Wittenberger Reformatoren, deren Linie Eberlin, wenngleich im Ton milder, teilte, keineswegs vollständig diskreditiert. Das Auslaufen zur evangelischen Predigt, vermutlich ins benachbarte Leipheim, wo 1531 - wenngleich nicht ohne Widerstand in Teilen der Bevölkerung - durch Ulm die Reformation eingeführt worden war,30 kann auch später wieder festgestellt werden: Im selben Jahr 1531 bekundete der Günzburger Rat seine Absicht, denjenigen, man undfrauen, welcher an die bredig gieng, wollt man strafen nach erkantnuß aynes raulz?] Die Verordnung des Rates zeigt freilich nicht nur, daß offenbar eine Notwendigkeit zu ihrer Formulierung bestand, sie ist auch Beleg für die zumindest offiziell weiterhin altkirchliche Position von Bürgermeister und Rat in Günzburg. Weitere Hinweise für ein Fortbestehen reformatorischer Sympathien in der Stadt finden sich in den folgenden Jahren: Auch 16 Jahre später, auf dem Höhepunkt des Schmalkaldischen Krieges, verfolgten Bürgermeister und Rat eine Politik zugunsten Habsburgs und damit im Sinne der Alten Kirche, die symbolisch in ihrer Übergabe der Stadtschlüssel an Kaiser Karl im Feldlager von Sontheim a.d. Brenz (Oktober 1547) zum Ausdruck kam.32 Gleichzeitig aber hatte um diese Zeit 28 29 30
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Enders, Flugschriften, Bd. 3, S. 256. Peters, Eberlin, S. 284 Anm. 35, wendet sich dezidiert gegen eine solche Annahme. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 560; Endriß, Reformationsjahr, S. 20, 23; Trostel, Kirchengut, S. 98; Broy, Leipheim, S. 110-113. Baumann, Quellen, S. 175. Stötter behauptet, die Schlüssel seien an „Erzherzog Sigmund" übergeben worden. Einen habsburgischen Erzherzog dieses Namens gab es jedoch zur Zeit des Schmalkaldischen Krieges nicht; vielmehr handelt es sich dabei um eine offensichtliche Verlesung Stötters: Im Urfehdebrief ist nämlich von der Kay. Mt. Sig vnnd Glickh die Rede. Stötter hielt dabei einen Erzherzog Sigmund vermutlich immer noch für wahrscheinlicher als einen Kaiser dieses Namens. Tatsächlich aber war Kaiser Karl V. persönlich im Heerlager von Sontheim
Reformatorisches Potential in Günzburg
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umgekehrt eine Reihe von Bürgern der Stadt öffentlich gegen Kaiser und Landesherr agitiert und operiert, hatte unter anderem den Wunsch geäußert, all fursten
von Österreich Irer landt vnd leudt entsetzt vnd ganz vnd gar verjagt vnd vertrieben zu sehen. 33 Darüber hinaus hatten sie die Feinde des Kaisers auch praktisch unterstützt und Proviant ins Lager der Schmalkaldener gefuhrt, w o f ü r sie vom Rat mit Gefängnishaft bestraft worden waren. Die drei Urfehdebriefe, 3 4 die die Verfehlungen der insgesamt zehn Männer auflisten und die Bedingungen ihrer Entlassung festlegen, erwähnen zwar nur deren Feindschaft gegen Kaiser und habsburgischen Landesherren, damit gegen den Stadtherren von Günzburg, doch dürfte sich mit dieser politischen Frontstellung auch eine konfessionelle oder religiöse Option verbunden haben. Darauf deutet jedenfalls, daß sich zumindest einer der M ä n n e r in das protestantische Ulm begeben, sich alda ain zeitt lang erhaltten und von dort aus mit werten vnd werkhen gegen den Kaiser agitiert hatte.3"' Die Beteiligung unter anderem eines Mitglieds des Günzburger Stadtrates, des Ratsherrn Peter Frecht, an den antihabsburgischen Aktionen ist dabei auch Indiz dafür, daß die politisch-konfessionelle Opposition in der Stadt nicht nur marginalen Charakter besaß, sondern bis in das kommunale Regiment hinein vertreten war, dessen mehrheitliche oder offizielle politische Linie davon gleichwohl nicht beeinträchtigt war. Mit der Niederlage der Schmalkaldener und dem Schwinden j e d e r noch so vagen Aussicht auf Veränderung der politischen und kirchlich-religiösen Verhältnisse in Günzburg gewinnen Nachrichten über reformatorische Sympathien in der Stadt eine neue Qualität. Bemerkungen finden sich zwar gelegentlich auch noch einige Zeit nach 1548, zuletzt in den 1580er Jahren. Im Unterschied zu den Verhältnissen vor 1548 aber sind sie weder auf konkrete Personen bezogen noch lassen sie sich verifizieren. Für die 1575 und 1582 erhobenen Behauptungen der Landvögte Karl Welser und Sebastian Schenk von Stauffenberg, in Günzburg lebten vil, die
Lieber heut alß morgen Lu tierisch wern vnnd [...] in Ihren heitssern Predigen haben sollend bzw. ettliche Adels vnd andere Personen [...], die nit der Catoli-
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anwesend, ihm wurden auch die Schlüssel der Stadt überreicht. - Zum Aufenthalt des kaiserlichen Heeres bei Sontheim a.d. Brenz Zoepfl, Bischöfe, S. 214. Urfehde des Michael Schmid (StaAGü, Urk. 5.130, 1548 Februar 12); vgl. die inhaltsgleiche Formulierung im Urfehdebrief von Peter Frecht und Hans Wall (StaAGü, Urk. 5.130, 1548 August 18). Zwei der drei Urfehdebriefe - von 1548 Februar 12 und 1548 August 18 - sind besprochen bei Stötter, Zeit; vgl. Auer, Geschichte, S. 48. Nicht ausgewertet ist dort die Urfehde von Laux Riederer, Peter Elchinger , Daniel Glaser, Hans Spies, Peter Wech, Sebastian Straub und Kaspar Labar (StaAGü, Urk. 5.130, 1548 Januar 9). Urfehde des Günzburger Bürgers Michael Schmid (StaAGü, Urk. 5.130, 1548 Februar 12). TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (1), 1575 November 28 (Landvogt Karl Welser an einen unbenannten Empfänger), vgl. ähnliche Klagen Karl Welsers, etwa TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (1), 1575 vor Oktober 6 (Landvogt Karl Welser an Erzherzog Ferdinand IL).
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Fallstudien
sehen, Christenlichen Religion seyen oder sich derselben gemeß verhalten,37 interessierte man sich in Innsbruck selbst offenbar nicht weiter; erkennbare Konsequenzen zog man jedenfalls nicht daraus. In beiden Fällen ist kaum zu entscheiden, ob und in welchem Maße die Behauptungen den Tatsachen entsprachen oder sich ausschließlich denunziatorischen Absichten verdankten - eine im übrigen auffällige Parallele zu den Verhältnissen in der ebenfalls habsburgischen Landstadt Rottenburg.38 Allemal bei den Vorwürfen Karl Welsers, dessen Verhältnis zur Stadt in mehrfacher Hinsicht belastet war, liegt der Verdacht nahe, seine Äußerungen hätten aus politischen Intentionen heraus eher die Diskreditierung der städtischen Obrigkeit zum Ziel gehabt.39
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TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (1), 1582 Juni 27 (Landvogt Sebastian Schenck von Staufenberg an Geheimen Rat und Hofkanzler Dr. Justinian Moser). Auch bei den Nachrichten über Lutheraner anfangs des 17. Jahrhunderts in hohenbergischen Orten, besonders in Rottenburg, ist die Grenze zwischen Deskription und Denunziation nur selten exakt zu bestimmen (Kempf, Chronik, S. 332-335). Welser war allgemein bestrebt, eigene Kompetenzen auf Kosten der städtischen Obrigkeit auszubauen (Kap. Β. II. 3.3).
3. Akteure kirchlicher und konfessioneller Politik in Günzburg - Objekte und Inhalte 3.1 3.1.1
Kirchliche Hierarchie und Klerus vor Ort Klerus und Volk als Adressaten bischöflicher Reformpolitik
Die Reform der Kirche in membris et capite ist, ihrer Substanz nach, keine durch die Reformation bedingte Erscheinung, mag sie auch inhaltliche Akzentuierung und praktische Intensivierung durch den ,Konkurrenzdruck' der Glaubensspaltung erfahren haben. 1 Dem bischöflichen Hirtenamt kommt, gewissermaßen von Amts wegen, die Aufgabe der Korrektur von Fehlerscheinungen und Mißbräuchen zu. 2 Als dessen Instrument der Information fungiert die Visitation, vor allem des Klerus, bzw. als Mittel seiner Korrektur die bischöfliche Jurisdiktionsgewalt. Dabei erfahrt die Autorität des Bischofs bzw. des von ihm beauftragten Generalvikars durch die Einrichtung von Landkapiteln 3 unter der Leitung eines Dekanes ihre Übersetzung idealiter bis auf die Ebene des einfachen Klerus hinab. 4 Die Anstrengungen der Augsburger Bischöfe des 16. und 17. Jahrhunderts sowohl um sittliche Hebung und verbesserte theologische Qualifikation des Diözesanklerus als auch um intensivere Christianisierung der Gläubigen sind, was ihre normative Seite - die Abhaltung von Bistumssynoden, die Anordnung von Visita-
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Vgl. etwa die Traditionslinien der „untridentinischen Reform", die für das Bistum Trier Molitor, Reformversuche, herausgearbeitet hat; zusammenfassend auch ders., Reform. - Zur katalysatorischen Wirkung der Reformation Repgen, Bischof, S. 245. Bistumssynoden dienten seit jeher, vor allem zu Beginn der Regierungszeit eines neuen Bischofs, zur normativen Festlegung von Zielen besonders der Klerusreform (vgl. Rummel, Diözesansynoden). Das Tridentinum betonte den auf pastorale Reform zielenden Aspekt und schuf den „neuen T y p des Seelsorgsbischofs" (Repgen, Bischof, S. 248-250, Zitat S. 249). Zur Geschichte des Landkapitels Ichenhausen, dem Günzburg bis zur Einrichtung eines eigenen Dekanates im Jahre 1921, zugehörte, A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 63-93. Im Auftrag des Generalvikars oblag es zumeist dem Dekan und dem f ü r die Finanzen des Landkapitels zuständigen Kammerer, Kirchen und Geistlichkeit eines Landkapitels zu visitieren; vgl. etwa das gedruckte Rundschreiben des Generalvikars Bischof Johann Eglofs von Knöringen, der den Säkularklerus im Bistum auf eine in seinem Auftrag durchgeführte Visitation durch den jeweiligen Dekan und Kammerer eines Landkapitels vorbereitete (PfAGü, Hirtenbriefe, 1574 N o v e m b e r 12). - Im Landkapitel Ichenhausen etwa wurden mit Sicherheit die Visitationsprotokolle bzw. Mängelverzeichnisse von 1606, 1611 und 1615 sowie der Bericht vom Kapiteltag 1603, mit großer Wahrscheinlichkeit auch die Pfarrbeschreibungen von 1594/95 und 1603 und die Relatio vom Kapiteltag 1616 vom jeweils amtierenden Dekan verfaßt (ABA, B O 3672).
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Fallstudien
tionen und den Erlaß von Mandaten - angeht, gut dokumentiert. 5 Offen blieb dagegen weithin, wie es um die Rezeption dieser Reformbemühungen vor Ort bestellt war. Für die Klerusreform - in geringerem Maße für die Frage nach der Christianisierung der Gläubigen - lassen sich aus der Erschließung neuen Quellenmaterials Anhaltspunkte zur Beurteilung von Wirkung und Effizienz der bischöflichen Politik gewinnen: Neben den Korrespondenzen des Günzburger Klerus, des bischöflichen Ordinariates und der Behörden in Innsbruck und Günzburg sowie den Ratsprotokollen der Stadt wirft die erstmalige Auswertung eines von der Forschung, auch den älteren Bistumshistorikern, bislang unbeachteten Bestandes an Visitationsakten und -dokumenten des Landkapitels Ichenhausen 6 einige Schlag5
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Siebert, Kardinal; Spindler, Heinrich V. Reformarbeit; Zoepfl, Heinrich; ders., Bischöfe; May, Bischöfe, zum Bistum Augsburg S. 249-261; Rummel, Sigmund Franz. - Vgl. die Edition der Synodaldekrete Kardinal Ottos (1567) und Bischof Heinrichs (1610) bei Schannat/Hartzheim, Concilia, Tomus 7, S. 148-215, sowie dies., Concilia, Tomus 9, S. 22-91; speziell zu den die Katechese betreffenden Mandaten der Augsburger Bischöfe Thalhofer, Katechese). ABA, BO 3672. - Es handelt sich um einen Faszikel mit insgesamt 23 Produktionen im Umfang zwischen nur einer beschriebenen Seite (mehrere Relationes von Kapiteltagen) und 30 beschriebenen Seiten (Visitationsprotokoll von 1626). Bis auf vier offensichtlich falsch zugeordnete Schreiben - 1608 Juli 1: Dekan von Wattenweiler und Pfarrer von Neuburg und Behlingen an Generalvikar Zacharias Furtenbach (Entfernung von Altären aus ästhetischen Gründen; 4 Seiten); undatierter Brief (um 1612): Dekan Johann Wolf und Kammerer Leonhard Aichelin an Generalvikar Zacharias Furtenbach (Bitte um Intervention bei Dietrich von Roth zu Rieden wegen einer unbezahlten Rechnung; 1 Seite); 1615 November 13: Johann Adam von Vöhlin zu Neuburg an Dietrich von Roth zu Rieden (Interzession für Pfarrer Johann Wolf von Wattenweiler, ehem. Dekan, wegen unbezahlter Auslagen; 2 Seiten); 1629 Mai 31, Dillingen: Eingangsbestätigung fur unbekanntes Schreiben (1 Seite) birgt es verschiedene Lypen von Visitationsakten aus den Jahren zwischen 1568 und 1642. Grob unterscheiden lassen sich Pfarrbeschreibungen (descriptiones, designationes) mit im wesentlichen statistischen Daten von Visitationsprotokollen im eigentlichen Sinne, die über eine bloße Bestandserhebung weit hinausgehen und aus denen, möglicherweise im Zuge einer Nachbereitung, Verzeichnisse von Mängeln extrahiert sein können. Die Informationen konnten dabei entweder auf einer Visitationsreise durch Augenschein des Visitators und Befragung vor Ort oder bei Versammlungen des Ruralkapitels an einem Ort, sogenannten „Mittelpunktsvisitationen", durch Befragung der anwesenden Kleriker gewonnen werden (zur formalen Differenzierung P.Lh. Lang, Kirchenvisitationsakten, S. 134f.). Das älteste Dokument des Bestandes ist ein aufgrund des beiliegenden Schreibens auf 1568 April 8 zu datierender Bericht des Günzburger Pfarrers, Kilian Blankenstein, vor allem über den Klerus seiner Pfarrei, das jüngste ein Bericht vom Kapiteltag 1642 Mai 19. Eine dichtere Überlieferung setzt mit der Pfarrbeschreibung von 1594/95 ein und endet mit einem Bericht vom Kapiteltag 1629 Juli 16. Aus diesen etwa 35 Jahren sind 16 Visitationsdokumente überliefert. - Die Verhältnisse in Günzburg werden dabei in insgesamt acht Dokumenten teils nur gestreift, teils ausfuhrlicher thematisiert. Abgesehen von rein statistischen Daten - so in der Designatio von 1603 Januar 30 - vermitteln neben dem bereits erwähnten, ausführlichen und für die Situation zu Beginn des Untersuchungszeitraumes besonders wertvollen Bericht Kilian Blankensteins (1568) die Mängelverzeichnisse bzw. Visitationsprotokolle von 1606, 1611, 1615 und 1626 bzw. die Relationes von 1622 und 1629 einen Eindruck vom Zustand
Akteure kirchlicher und konfessioneller
Politik
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lichter auf den Zustand besonders des Klerus in Günzburg 7 und die Fortschritte bei seiner Reform - allerdings mit z w e i wesentlichen Einschränkungen. D e n n die insgesamt acht, in ihrem Informationsgehalt sehr verschiedenen D o k u m e n t e aus e i n e m Zeitraum v o n 35 Jahren stellen keine serielle Überlieferung dar, auch liegt es in der Natur der Gattung ,Visitationsprotokoll' begründet, w e n n in der Regel nur N o r m a b w e i c h u n g e n verzeichnet wurden, w e n i g e r j e d o c h Erscheinungen, die nicht korrekturbedürftig waren, mithin der Normvorstellung entsprachen. D i e Defizite, die in den Visitationsdokumenten stichprobenartig beim Günzburger Klerus deutlich werden, lassen sich unter z w e i Überschriften rubrizieren: Mängel im Bereich der Amtsführung und Verfehlungen g e g e n die priesterliche Lebensführung. W a s die Amtsführung betraf, so gab des öfteren der U m g a n g mit d e m Allerheiligsten Anlaß zur Kritik, dabei besonders die V e r f ü g u n g s g e w a l t v o n Laien - hier des Mesners - über die Schlüssel zum Tabernakel ( 1 6 0 6 und 1611), 8 Mängel in der Liturgie (1611 und 1615) 9 s o w i e - allerdings nur im Fall des D e f -
7
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der Günzburger Kirche, besonders ihres Säkularklerus. - Ein Verfasser der statistischen Pfarrbeschreibung von 1603 ist nicht bekannt. Die für die Verhältnisse in Günzburg aufschlußreichen Visitationsdokumente von 1606 und sehr wahrscheinlich auch 1611 wurden zusammen mit dem Kammerer von Dekan Johann Wolf, Pfarrer von Wattenweiler, die Visitation von 1626 - das läßt sich erschließen - vom bischöflichen Pönitentiar durchgeführt, offenbar da Dekan Braun kurz vor der Räumung seiner Pfarrei stand. Das Protokoll des Kapiteltages von 1622 fertigte ein unbekannter bischöflicher Beamter - vielleicht der Pönitentiar - an, das des Kapiteltages 1615 dagegen zusammen mit Kammerer Johann Spreng von Behlingen Dekan Leonhard Braun, Pfarrer in Günzburg. Auch die Schilderung der kirchlichen Lage in der Stadt von 1568 stammt vom Günzburger Pfarrer Kilian Blankenstein. Die Dokumente von 1615 und 1568 enthalten daher keine Informationen über den Pfarrer von St. Martin, sondern lediglich über Inhaber von Niederpfründen in Günzburg. Abgesehen von ihrer quantitativen Erfassung (Angabe von Kommunikantenzahlen) und indirekten Erwähnung (als Rezipienten des Katechismusunterrichtes) im Visitationsprotokoll von 1626, ist die Bevölkerung in keinem der Visitationsdokumente Objekt einer systematischen Erfassung. Vielmehr konzentrieren sich die Visitatoren auf den Zustand des Sakralraumes im weitesten Sinne und die Reform des Klerus. Diese Beschränkung oder Fokussierung ist im Gegensatz zu den meisten evangelischen Visitationen der Zeit charakteristisch für die katholische Praxis (P.Th. Lang, Visitationsinterrogatorien, S. 138-141). 1606 und 1611 traf diese Kritik die Frauenkirche. - Das Visitationsprotokoll von 1606 hatte bei insgesamt sieben von 28 Kirchen im Landkapitel den Zugang von Laien zum Allerheiligsten beklagt. 1611 wurden deswegen nur noch zwei Kirchen kritisiert, darunter nach wie vor die Günzburger Frauenkirche. - Als 1626 Pfarrer Ulrich Berchtold von Deffingen in seiner Kirche die nämliche Inkorrektheit zuließ, wurde er deswegen mit einer Geldbuße in unbekannter Höhe belegt. Berchtold hatte darüber hinaus kein Corporate substratum für das Allerheiligste verwendet (ABA, BO 3672). Beklagt wurde 1611 für Günzburg pauschal, daß die - wohl ungetauft - verstorbenen Kinder ohne Priester beigesetzt würden (Mirabile ibi est, quod in tanta copia sacerdotum mortui infantes omnes sine sacerdote sepeliantur). - 1615 stellte Dekan Leonhard Braun fest, Kaplan Michael Bogner beginne audiendis confessionibus [...] inhabilis zu werden (ABA, BO 3672).
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Fallstudien
finger Pfarrers - eine ungenügende Erfüllung von Verwaltungsaufgaben, nämlich der Matrikelführung (1626).10 Im Widerspruch zu den Vorstellungen einer dem Priesteramt gemäßen Lebensführung stand das Konkubinat bzw. Verfehlungen gegen die priesterliche Keuschheit sowie eine mangelnde, meist mit Alkoholabusus verbundene Distinktion der Geistlichen von den Laien. Ein regelrechtes konkubinarisches Verhältnis unterhielten zu Beginn der Überlieferung (1568) und noch bis in die 1580er Jahre hinein zwei Geistliche, die jedoch als Pfarrherrn der städtischen Patronatspfarrei Deffmgen nicht eigentlich dem Günzburger Klerus angehörten," während ein Günzburger Kaplan (1622)12 und der Pfarrer von St. Martin selbst wiederholt die priesterliche Keuschheit verletzt zu haben scheinen (1626).13 - Allgemein üblich scheint 1568 noch eine conpotatio von Bürgern, Rat und Geistlichen an Hochfesten gewesen zu sein. Beklagt wurde, die Priester vergäßen darüber nicht selten die Vespergottesdienste oder würden sie in trunkenem Zustand und daher cum magno scandalo populi abhalten.14 Wie auch im Falle der Benefiziaten Christian Zanenbenz und Georg Frey,15 der seine Mahlzeiten in einer wirtzburg einnahm (1629), wandte sich dabei die Kritik nicht allein oder auch nicht einmal primär gegen die Übermäßigkeit im Alkoholgenuß an sich, sondern gegen die mangelnde Separation des Priesters von den Laien, mit denen er sich durch seinen Aufenthalt im Wirtshaus oder beim Trunk gemein machte. 10
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Dieser Vorwurf traf 1626 den Pfarrer von Deffmgen, Ulrich Berchtold (ABA, BO 3672). Für die Martinspfarrei selbst hatte Ulrich Schaller mit der Führung fortlaufender Pfarrmatrikeln begonnen (Stötter, Denkmal). Kilian Blankenstein berichtet vom Deffinger Pfarrer, penes se habet mulierem, quae virum in Gundelfingen superstitem habet, cui quotannis precium solvere dicitur, ut eam ipsi relinquat (ABA, BO 3672, 1568 [April 8]). Auch Heinrich Schmid (nach M. Wiedemann, General-Scbematismus, S. 279, seit 1571 Pfarrer in Deffmgen; wann er die Pfarrei resignierte oder starb, ist nicht bekannt) unterhielt durch sieben Jahre hindurch (wohl zwischen 1578 und 1585) ein konkubinarisches Verhältnis. Zwar schweigen über ihn die kirchlichen Quellen, doch geht das Fehlverhalten des Geistlichen aus der in den Ratsprotokollen vermerkten Bestrafung seiner Günzburger Konkubine durch die städtische Obrigkeit hervor (Kap. Β. II. 3. Anm. 398). Bei Kaplan Johannes Lang hatte die Haftstrafe, mit der seine Besuche bei einer verheirateten Frau vom Generalvikar abgestraft worden waren, keine Besserung des Verhaltens zur Folge. Nach wie vor besuchte er sie in alienis aedibus (ABA, BO 3672). Als letzte Maßnahme sollte daher, so vermutlich der Pönitentiar in seinem Memoriale vom Kapiteltag 1622, die Entfernung des Benefiziaten aus Günzburg erfolgen. Dennoch läßt sich Johannes Lang nach M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 284, noch bis 1632 als Benefiziat in Günzburg feststellen. Das Visitationsprotokoll von 1626 formuliert zu Pfarrer Leonhard Braun: [...] olim et nunc semper estpudicitia suspectus (ABA, BO 3672). Eine entsprechende Kritik im Schreiben Pfarrer Kilian Blankensteins (1568) hatte die Praxis der convivia im Anschluß an die Heiligenrechnung in Leinheim zum Gegenstand (ABA, BO 3672). Μ. Wiedemann, General-Schematismus, S. 286, nennt ihn zwischen 1622 und 1638 als Frühmesser an B.M.V.
Akteure kirchlicher und konfessioneller Politik
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Die wenigen f ü r Günzburg überlieferten Informationen lassen wenigstens zwei Tendenzen erkennen, die sich im übrigen mit den Beobachtungen f ü r das gesamte Landkapitel Ichenhausen decken: Die noch 1606, 1611 und 1615 konstatierten Mängel im Bereich der liturgischen A m t s f ü h r u n g wurden bei der ausfuhrlichen Visitation des Jahres 1626 nicht mehr beklagt. Man kann davon ausgehen, daß sie mittlerweile abgestellt worden waren. Das in der katholischen Reform als zentrales Problem priesterlicher Lebensführung erkannte Konkubinat bestand nur noch zu Beginn des letzten Drittels des 16. Jahrhunderts, dabei jedoch nicht in Günzburg selbst. Allerdings darf nicht übersehen werden, daß Priester unterhalb der Schwelle konkubinarischer, quasi-monogamer Verhältnisse - nach wie vor oder vielleicht sogar vermehrt - sexuelle Beziehungen unterhielten, die jedoch schwerer als konkubinarische Lebensgemeinschaften zu beweisen waren. Dies traf auch für Günzburg selbst und noch bis hinein in die 1620er Jahre zu. Der Blick auf das Gesamtbild von Zustand und Entwicklung des Klerus im Landkapitel Ichenhausen, wie es sich aus Analyse und Vergleich der überlieferten Visitationsdokumente ergibt, bestätigt zum einen die fur Günzburg erkannten Tendenzen einer Verbesserung in Amts- und Lebensführung der Kleriker, jedenfalls bis hinein in die erste Dekade des Dreißigjährigen Krieges. Darüber hinaus zeigt der Vergleich mit den für das gesamte Landkapitel abgefaßten Mängelverzeichnissen der Jahre 1606, 1611 und 1615, 16 dem Visitationsprotokoll von 1626 und den neun bzw. zehn zwischen 1596 und 1642 abgefaßten Berichten von Kapiteltagen bzw. Mittelpunktsvisitationen, 1 7 daß sich ein Erfolg der Reform in Günzburg bei insgesamt besserer Ausgangssituation generell sehr viel deutlicher und früher abzeichnete, als dies in vielen anderen Gemeinden der Fall war: Baulicher Zustand und liturgische Ausstattung sakraler Gebäude, Verwaltung der Liturgie sowie Amts- und Lebensführung des Klerus in Günzburg lagen insgesamt über dem Durchschnitt der visitierten Gemeinden des Landkapitels. 1 8 16
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Verfasser der Adnotatio von 1615, einer Art Mängelverzeichnis, war allerdings der Pfarrer von Günzburg, weshalb sich zwar Bemerkungen zu den Benefiziaten in der Stadt, nicht jedoch zum Pfarrherrn selbst finden. Relationes von den einzelnen Tagen gingen dem Ordinariat aus den Jahren 1597, 1603, 1609, 1614, 1620, 1622, 1626, 1629 und 1642 zu. Verfasser der Relatio von 1616 war der Pfarrer von St. Martin selbst; Bemerkungen zu Günzburg finden sich vermutlich schon aus diesem Grund darin nicht (ABA, BO 3672). Die Nichterwähnung eines im selben Visitationsdokument für einen anderen Ort erfaßten Mangels kann grundsätzlich als Indiz für das Fehlen des entsprechenden Defizites gewertet werden. Voraussetzung für diese Annahme ist allerdings, daß sich das Fehlen von Bemerkungen zu Kirchen oder Geistlichen in Günzburg nicht etwa daraus erklärt, daß die Visitation durch den Pfarrer von St. Martin erfolgte, wenn dieser gerade mit dem Amt des Dekans im Landkapitel betraut war. In diesen seltenen Fällen - Pfarrer Braun war zweimal Verfas-
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Fallstudien
Die kirchliche Obrigkeit selbst verfugte mit der Handhabung jurisdiktioneller Kompetenzen über ein wichtiges Instrument der Korrektur, um der angestrebten Reform des Klerus, nicht zuletzt über deren Stand zu unterrichten, Aufgabe der Visitationen war, Schritt für Schritt näherzukommen. Zu untersuchen bleibt, welcher Anteil an der tendenziellen Amelioration des Priesterstandes in der Stadt tatsächlich dem Einsatz disziplinarischer Mittel zukam. Kirchliche Zensuren und Strafen - vom Bußgeld bis zur Amtsenthebung - 1 9 wurden zwar auch im Landkapitel Ichenhausen immer wieder gegen undisziplinierte oder untragbar gewordene Geistliche verhängt: 20 In Günzburg wurden im Untersuchungszeitraum zwei Pfarrherrn faktisch ihres Amtes enthoben21 und
19 20
21
ser eines Visitationsdokumentes: der Adnotatio, einer Art Mängelverzeichnis, von 1615 und der Relatio vom Kapiteltag 1616 - hatte sich der Günzburger Geistliche freilich nicht selbst, wohl aber (1615) die Inhaber von Niederpfründen in der Stadt visitiert. Das Fehlen von Bemerkungen zur Pfarrstelle kann hier nicht als Indiz fur das Fehlen von Defiziten gewertet werden. - Anderswo beklagte Defizite im baulichen Zustand des Gotteshauses - die fehlende Separation des Friedhofes als Sakralbezirk, die Mängel in der Ausstattung mit Altären, liturgischen Gegenständen, Gewändern und Büchern, vor allem auch das Fehlen eines Ewigen Lichtes - , Mängel im Zustand der Liturgie bzw. der ihr zugrundeliegenden Sakramente - die Aufbewahrung des Allerheiligsten, des Taufwassers und der Heiligen Öle - wie auch häufige Defizite in der Amtsführung - in der Abhaltung von Katechismusunterricht ebenso wie bei der Führung von Matrikeln - wurden für Günzburg überhaupt nicht thematisiert, auch wenn die Kirchen und Geistlichen der Stadt von einer Visitation grundsätzlich erfaßt worden waren. - In anderen Bereichen ergibt sich trotz der konstatierten Mängel im Vergleich zumindest ein positiveres Bild für Günzburg: Eine Zusammenstellung der in concubinatu deprehensi des gesamten Landkapitels Ichenhausen von 1596 etwa zeigt dies konkret für ein zentrales Feld der kirchlichen Reformbemühungen. Als Konkubinarier genannt wurden in der Relatio vom Herbstkapitel 1596 die Pfarrer von Bubesheim, Kissendorf, Kleinkötz, Knöringen, Leinheim, Offingen, Oxenbronn und Rettenbach, und auch noch das Mängelverzeichnis von 1606 fand immerhin in einem Fünftel der visitierten Gemeinden des Landkapitels Konkubinarier. Das in dieser Hinsicht informative Visitationsprotokoll von 1626 beklagt bei bis zu einem Drittel der visitierten Geistlichen eine Verletzung des Zölibates oder, nun allgemeiner, des Keuschheitsgebotes. Quantitativ folgten diesen Klagen im selben Visitationsprotokoll Beschwerden über Alkoholismus und dessen Folgeerscheinungen. - Verglichen mit der Zahl und Qualität dieser Mängel dürfte der Zustand des Günzburger Säkularklerus insgesamt deutlich über dem Durchschnitt des Landkapitels gelegen haben (ABA, BO 3672). Zu den kirchlichen Zensuren und ihrer Problematik WWKL, Bd. II, S. 2107-2110. Der Bericht vom Herbstkapitel 1614 etwa listet insgesamt vier Geistliche des Landkapitels auf, gegen die aus nicht zweifelsfrei zu formulierenden Gründen vermutlich vom Pönitentiar, der wahrscheinlich die Versammlung leitete, Geldstrafen zwischen Ά und 8 fl. verhängt worden waren, die sie dem Dekan entrichten sollten (ABA, BO 3672, 1614 September 8/9). Pfarrer Deusdedit Haintzius (M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 283, nennt ihn zwischen 1573 und 1576 als Pfarrer von St. Martin) hatte bei der Heiligenrechnung in Oxenbronn (1576 Dezember 4) mit seiner Flinte zwei Personen leicht, eine lebensgefährlich verletzt, war daraufhin aus Günzburg geflohen, später in Augsburg inhaftiert und seines Amtes enthoben worden (ABA, BO 6141, 1576 Dezember 9 und 11; ABA, BO 3601, 1577 Januar 16). - Pfarrer Leonhard Braun mußte nach öfterem Fehlverhalten schließlich auf-
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Politik
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mußte mindestens ein Benefiziat fortgesetztes Fehlverhalten mit einer Geldstrafe büßen. 22 Dabei standen jedoch zumindest die gegen die Günzburger Kleriker verhängten Strafen nicht in direktem Zusammenhang mit den Ergebnissen einer Visitation und fungierten im Falle der Ultima ratio der Amtsenthebung nicht primär als ein auf Verhaltenskorrektur zielendes Instrument, während die flexibler zu handhabenden Geldbußen schon aufgrund ihrer Zahl - ein einziger nachweisbarer Fall - nicht ins Gewicht fallen. Insgesamt wurden im Landkapitel die bei Visitationen registrierten Defizite im Klerus, soweit erkennbar, erstaunlich selten mit Sanktionen belegt. Eine konsequentere und flexiblere Handhabung des Instrumentariums würde hier möglicherweise raschere Disziplinierungserfolge gezeitigt haben. 23 Gleichwohl war die bischöfliche Jurisdiktion im Ergebnis keine völlig stumpfe Waffe. Denn daß es dennoch zu positiven Veränderungen im Klerus kommen konnte, läßt sich teils gerade aus der Furcht vor Bestrafung, 24 teils aber auch aus dem bloßen Bewußtsein der Überwachung erklären. Beides verlieh bereits dem reinen Informations- und Kontrollinstrument der Visitation sublime Effizienz. Allein schon die Intensität der Kommunikation - die zeitliche Dichte der unterschiedlichen Visitationsformen - hatte hier Anpassungsreaktionen zur Folge. Jedenfalls legt eine Auswertung von Visitationsdokumenten des Landkapitels Ichenhausen, die auf eine zunehmende sittliche Hebung des Klerus auch ohne konsequente Sanktionierung von Fehlverhalten deuten, diese Schlußfolgerung ebenso nahe wie die für Günzburg selbst getroffenen Beobachtungen. 25
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grund der tatsächlichen oder angeblichen Vergewaltigung und Schwängerung seiner 16jährigen Magd unter Androhung eines kanonischen Prozesses seine Pfarrstelle räumen. Der Kaplan Christian Zanenbenz wurde wegen übler Nachrede und Insubordination gegenüber seinem Pfarrherrn belangt (Kap. Β. II. 3.1.2). Im Falle des Benefiziaten Johannes Lang etwa, der wegen eines Verhältnisses zu einer verheirateten Frau einige Tage in Augsburg in kirchlicher Haft gesessen hatte und nach seiner Freilassung nachweislich (negare non potuit) nicht abließ, die Frau nunmehr in alienis aedibus zu besuchen, riet ein bischöflicher Gesandter, der den als Mittelpunktsvisitation fungierenden Kapiteltag 1622 Juni 7 leitete (ABA, BO 3672), zur Entfernung des Priesters aus seinem Benefizium (Tempus est, ut ad praeßnitum ipsi festum lacobi amoveatur, cum timendum plus quam probabiliter, licet serio et cum comminatione maturioris privationis accessus prohibitus sil, eum occasionem hanc non vitaturum), offenbar jedoch vergeblich, jedenfalls hält sich der Geistliche nach M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 284, noch bis 1632 als Benefiziat in Günzburg auf. Vgl. etwa die von Pfarrer Braun geschilderte Reaktion des Günzburger Kaplans Christian Zanenbenz, der nach seiner - angeblichen - Verleumdung der Kapuziner einer Anklage vor dem Ordinariat durch allerlei Bemühungen und Gesten der Demut zu entgehen suchte (Nach dem es die herrn Cappuciner innen worden, haben sie sich gebiirender ortten beclagen wollen. Ist Zanenbencz gerennt vnnd geloffen, herrn Praelaten zu Wettenhausen etc. herab genöttigtt pro intercessore vnnd in gegenwärttigkhait ihrer gnaden, den PP. Capuccinis mit gebognen knien vnnd her fliessenden Zehren die iniurias abgebetten; ABA, BO 3601, 1625 Dezember 19). Nur zum Teil ist die konstatierte Verbesserung auch auf das Heranwachsen eines mittlerweile strenger erzogenen Klerus zurückzuführen.
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Fallstudien
Indes läßt sich der konstatierte Ameliorationsprozeß innerhalb des Klerus nicht allein aus der Wirksamkeit erklären, die das bischöfliche Instrumentarium von Visitation und Jurisdiktion bei aller Unzulänglichkeit dennoch entfaltete. Er stellt sich vielmehr dar als ein mulitkausaler Vorgang, zu dessen Gelingen darüber hinaus unter anderem die betroffenen Kleriker selbst beitrugen (vgl. Kap. 3.1.2). Die bischöflichen Visitationen - nicht nur im Landkapitel Ichenhausen - richteten ihre Aufmerksamkeit in besonderer Weise auf die Reform des Klerus, zumal nachdem das in den ersten Jahrzehnten intensiv verfolgte Ziel der Sakralisierung des Raumes und der Riten als erreicht gelten konnte. Abgesehen von der rein statistischen Erfassung von Kommunikantenzahlen, 26 bestand dagegen offenbar von seiten der Bistumsleitung kein Interesse daran, systematisch Erkenntnisse über das religiöse und sittliche Leben der Gläubigen zu sammeln. Lediglich indirekt, als Objekt priesterlicher Pastoral, deren Tätigkeitsfelder freilich intensiv visitiert wurden, war die Gemeinde Gegenstand der Visitation, insofern etwa die korrekte Feier bzw. Verwaltung der sakramentalen Liturgien durch den Priester ebenso wie die katechetische Vermittlung des rechten Glaubens heilsverbürgenden oder heilsvermittelnden Charakter für den Getauften besaß. Außerhalb der Visitationspraxis und neben dem Versuch, über die Etablierung eines pflichtbewußten Klerus auf das Volk einzuwirken, waren die Gläubigen jedoch auch unmittelbar Adressaten der seelsorglichen Bemühungen des Bischofs, wenn dieser den Geistlichen seines Bistums Mandate, vergleichbar den heutigen Hirtenbriefen, zukommen ließ, über deren Inhalt die Gläubigen aufzuklären waren. Im Pfarrarchiv Günzburg hat sich eine Reihe solcher gedruckter Reformmandate unter anderem Bischof Marquards vom Berg (1575-1591 )27 erhalten,28 die wohl auch auf dem vorgesehenen Weg - im Gottesdienst von der Kanzel herab - den Günzburgern nahegebracht wurden: Eltern sollten auf diese Weise etwa dazu angehalten werden, ihre Kinder und Ehehalten zum Katechismusunterricht zu schicken,29 die Gläubigen sollten zum Empfang der Ostersakramente - Säumige sollten die Geistlichen verzeichnen und die Aufstellung dem Ordinariat mitteilen - 3 0 und zum Verzicht auf das Fluchen31 aufgefordert werden. Es gibt keinen Grund zu bezweifeln, daß all dies Inhalt von Predigten in Günzburg gewesen wäre. Der Klerus vor Ort besaß damit zweifellos auch eine 26 27 28
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So im Visitationsprotokoll von 1626 (ABA, BO 3672). Zu ihm Kap. Β. II. 3. Anm. 295. Neben den Mandaten Marquards befindet sich in diesem Bestand (PfAGü, Hirtenbriefe) eine Verordnung Kardinal Ottos zu einer Andacht im Türkenkrieg (1571 Dezember 8) sowie von Bischof Johann Eglof von Knöringen die Anordnung zu einer Visitation (1574 November 12). Außerdem sind innerhalb der Sammlung im weiteren Sinne einschlägig die von Johann Otto von Gemmingen (1592 März 11), Papst Clemens VIII. (1592 März 15), Bischof Heinrich von Knöringen (1602 Juli 27 und 1606 Juli 27) und Sigismund Franz (1648 März 26 und 1649 Dezember 2) promulgierten Ablaßbriefe. PfAGü, Hirtenbriefe, 1587 Mai 13; vgl. Thalhofer, Katechese, S. 75f. PfAGü, Hirtenbriefe, 1590 April 1. PfAGü, Hirtenbriefe, 1590 Juni 15.
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Politik
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direkte und verbale Transmissionsfunktion auch für die j e konkreten Reformvorstellungen der kirchlichen Obrigkeit. Ein Nachweis darüber, etwa über den tatsächlichen Vortrag einer bestimmten Predigt, ist zwar ebensowenig wie über den intellektuellen oder disziplinarischen Erfolg oder Mißerfolg der Rezeption durch die Gläubigen zu erbringen: Weder Beichtregister noch die geforderten Aufstellungen widersetzlicher Gläubiger sind archivalisch zu verifizieren, weder Veränderungen etwa im Besuch des Katechismusunterrichtes noch beim Fluchen lassen sich dokumentieren. Dennoch steht die prinzipielle Bedeutung der kirchlichen Hierarchie, des Ordinarius wie des Klerus vor Ort, für die Vermittlung dogmatischer und sittlich-moralischer Inhalte in Predigt und Katechese außer Frage. Die Etablierung als genuin katholisch verstandener Maßstäbe in den Köpfen der Gläubigen war dabei aber nicht allein Ergebnis verbaler, kognitivintellektueller Vermittlung; nicht weniger trug dazu auf exemplarische Weise auch die Formierung eines neuen, an den Vorstellungen der Klerusreform orientierten Priesterstandes bei, dessen geistliche Lebensweise zur Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche beitragen und dessen korrekte liturgische Amtswaltung der Sakralität des Geschehens und damit zentralen dogmatischen Inhalten im Vollzug Ausdruck verleihen konnte. Ein weiteres Mal soll daher der Blick - aus anderer Perspektive - auf das Problem der Klerusreform gerichtet werden.
3.1.2
Selbstdisziplinierung des Klerus: Ertrag des Konflikts
Unter den Geistlichen in Günzburg kam es immer wieder zu Streitigkeiten. Allein oder mit ursächlich für diese Kontroversen mochten persönliche Antipathien und zwischenmenschliche Dissonanzen gewesen sein, die sich einer historischen Überprüfung entziehen. Sachlich begründbar wird eine Reihe von Konflikten aus der mehr oder weniger ausgeprägten hierarchischen Unterordnung der Benefiziaten unter den Pfarrherrn, zu dessen Assistenz sie in der Regel verpflichtet waren. 32 Die Mißachtung dieser liturgischen Hilfsverpflichtungen und darüber hinaus insgesamt eine mangelhafte Erfüllung stiftungsgemäßer Aufgaben durch einen Benefiziaten war nicht selten Anlaß für eine Klage des Pfarrers vor dem Generalvikar in Augsburg. Im Hin und Her von Verteidigung und erneuter Klage wurden dann jedoch sehr rasch Fragen der priesterlichen Lebensführung zum Gegenstand der Auseinandersetzung erhoben, die aber für den Konflikt selbst keineswegs kausal waren - wiewohl es freilich auch Fälle gab, in denen ein rein disziplinarischer Aspekt im Vordergrund stand. 33 Dennoch konnte selbst eine gewissermaßen rhe-
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Kap. B.II. l.Anm. 143. So etwa in einem Schreiben Pfarrer Ulrich Schallers, der vor Generalvikar Hieronymus Stor von Ostrach das ganz allgemein unpriesterliche Benehmen des Kaplans Christian Zanenbenz beklagte. Konkreter Anlaß war das Verhalten des Benefiziaten am Aschermittwoch 1598, als er sich im Wirtshaus von dem (evangelischen) Junker Güssen von Brenz nit allein wie ein gmainen spilman, sonder auch wie ainen rechten kurtzweiler hatte brauchen und sich vfs gröbest dautzen [= duzen] vnd mit vilen vnbescheidenlichen schimpfßichen wortten
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Fallstudien
torische Instrumentalisierung zu einer auch inhaltlichen Internalisierung der Klerusreform beitragen und mußte zu einer intensivierten Disziplinierung der Geistlichen fuhren, die sich nun in verstärktem Maße der Kontrolle ausgesetzt und gegenüber ihrer kirchlichen Obrigkeit zur Legitimation ihrer Lebensführung genötigt sahen. Zeigen läßt sich dies deutlich anhand der Auseinandersetzungen zwischen Pfarrer Leonhard Braun34 und Kaplan Christian Zanenbenz 35 . Ursächlich waren hier - ungeachtet der bekannten Konfliktfreudigkeit des Benefiziaten, die zu einer Belastung des Verhätnisses der beiden Männer ihren Teil beigetragen haben mag die mangelnde Bereitschaft des Kaplans zur Unterordnung unter den Pfarr-
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antasten lassen. Zanenbenz hatte mithin gegen die Vorstellung vom distinkten Kleriker verstoßen, hatte sich gmain gemacht (ABA, BO 6791, 1598 Februar 11), was offenbar nit ohne klaine ergernuß deß gemainen volckhs alhie, nämlich in Günzburg, geschehen war (ebd., nicht zuzuordnendes, undatiertes [1598 Februar 9] Postskriptum eines unbekannten Verfassers). Erst päter beschwerte sich Schaller auch über den grossen vhnfleiß vnnd Ergernuß, so herr Christianus Zanenbentz in Verrichtung des schuldigen Gottsdienst trutzenlich vnnd ohn alle Hoffnung der besserung iebet (ebd., 1599 Juni 27). Der Benefiziat war deshalb auch o f f termal für einen gantzen Rath gefordert worden (ebd., 1599 Dezember 8), der seinerseits schließlich vor dem Generalvikar gegen ihn klagte (ebd., 1599 Dezember 9). Leonhard Braun, Pfarrer von Günzburg zwischen 1600 und 1626, 1615 Dekan (M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 283), stammte laut Visitationsprotokoll von 1626 (ABA, BO 3672) aus Scheer in der Diözese Konstanz, 1590 ordiniert, Tischtitel: Kanonikat der Stiftskirche Wiesensteig. Zu seiner Ausbildung vermerkte der visitierende Pönitentiar: Dilingae, Coloniae et Moguntiae philosophiam et theologiam absolvit, zur Führung seines Haushaltes: Quaedam avicula ipsi vidua praeest. Die sittliche Lebensführung des Geistlichen bot dagegen Anlaß zu Kritik: Homo quoad naturalia insignis; bonus olim concionator, sed olim; et nunc semper est pudicitia suspectus et in fine ad infamiam prope ab aliqua puella delatus [...] Nota 2: Quod nunc querela sit magna in Ginzburg tarn contra parochum. M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 285f., 288, erwähnt ihn erstmals 1596-1600, dann 1620-1622 als Frühmesser an B.M.V. sowie 1598-1622 als Kaplan in Reisensburg. Er wurde 1594 in Eichstätt ordiniert und besaß einen Tischtitel des Benefiziums St. Andreas in Basel. Die Ausbildung des Geistlichen ließ nach den Vorstellungen des bischöflichen Pönitentiars bei der Visitation im Oktober 1626 (ABA, BO 3672) zu wünschen übrig (Parum studuit, syntax in maiorem absolvit), seine Haushalts- und Lebensführung dagegen schien ihm nicht tadelnswert (nulla [familia]; victum apud quendam civem sumit; vir bonus, nihil mali unquam audivi). - Zum Visitationsprotokoll des Landkapitels Ichenhausen von 1626 Kap. Β. II. 3. Anm. 6. In einem nicht zuzuordnenden, undatierten [1598 Februar] Postskriptum eines unbekannten Verfassers (ABA, BO 6791) heißt es über den damals noch jungen Christian Zanenbenz: Es bedurff sich wol, daß man gegen Ime, Zanenbentz, mit Ernst verfaren, dieweil er, gleichwol Ringer erudition, aber zimblich capitosus, indiscretus, inobediens parocho suo vnd viler vnbeschaidenlicher Ehrnrierischer vnwarhaffter geschwetz ist, damit er allß ain lunger, anghender priester ettwaß mortificiert [!] werde. Daß main ich ad honorem dei, ad avertendum scandalum et ipsius salutarem emendationem et sui ipsius cognitionem. - Wegen übler Nachrede und Beleidigung beschwerten sich bei Generalvikar Peter Wall neben Pfarrer Leonhard Braun (ebd., 1622 Mai 31; 1623 November 14) auch Andreas Klingler, Prädikator an B.M.V., (clamando, rixando et tergiversando würde den Benefiziaten keiner so bald ü-
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Politik
herrn b z w . die unterschiedlichen A u f f a s s u n g e n der beiden Geistlichen über die hierarchische Ordnung innerhalb des Günzburger Klerus sowie der wiederholte Bruch stiftungsgemäß auferlegter Verpflichtungen durch Christian
Zanenbenz.
Bereits 1599 u n d 1600 hatte der damalige Pfarrer Ulrich Schaller w i e auch Bürgermeister und Rat der Stadt deswegen Anlaß zur Beschwerde.37 Später (1620) klagte auch Pfarrer Braun gegenüber Generalvikar Peter Wall, daß Z a n e n b e n z s e i n e n l i t u r g i s c h e n V e r p f l i c h t u n g e n n i c h t n a c h k o m m e , u n d b a t vmb f ü r d e n G e i s t l i c h e n . 3 8 D a n e b e n s o l l t e i h m d e s s e n trucz
vnnd hochmuett
ein
verweis
- der Be-
nefiziat zeigte sich mit seiner U n t e r o r d n u n g unter den G ü n z b u r g e r Pfarrherrn nicht einverstanden - verwiesen werden.39 I n d e s ä n d e r t e C h r i s t i a n Z a n e n b e n z sein V e r h a l t e n n i c h t . E r s t d a r a u f h i n ließ Pfarrer B r a u n schließlich einer weiteren weitläufigen K l a g e über die Insubordin a n t i o n u n d d e n vnvleiß
d e s K a p l a n s , d e r u n t e r a n d e r e m s e i n e n A m t s p f l i c h t e n in
der Pfarrkirche nicht nachkomme,40 erstmals eine ebenso ausfuhrliche Schilder u n g s e i n e r leichtfärtigkhaitt
im selben Brief folgen. Z u s a m m e n f a s s e n d gesagt,
vertreibe Zanenbenz maisten thails sein Zeitt mit spilen, keglen, essen, trinckhen vnnd wider raisen, spazieren, gelitt wechseln vnnd anderer kurzweil gleich dem Reichen
Mann,
h ä n g e sich - z u s a m m e n mit e i n e m weiteren Geistlichen -
ahn
ettliche welltliche und sei mehr ein wellttlicher Schaffner alls ein Priester, wofür P f a r r e r B r a u n a u c h e i n i g e d r a s t i s c h e B e i s p i e l e zu n e n n e n w u ß t e . 4 1 14 T a g e n a c h
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bertreffen, ebd., 1622 Mai 31 [!]) und Hofkaplan Johannes Stumpp (der Benefiziat sei ein menigelich wolbekandt läster maul, ebd., 1622 Juni 18) über Christian Zanenbenz. ABA, BO 6791, 1599 Juni 27; ebd., 1599 Dezember 9. Der Rat beklagte die widersesßigkaii, die Zanenbenz bei der Versehung der Messe auf dem Kreuzaltar an den Tag lege (ABA, GVPr 1, 1600 Januar 16, 336). ABA, BO 3970, 1620 Oktober 3. ABA, BO 6791, 1622 Mai 8. Vgl. bereits die Bemerkung in der 1603 von einem ungenannten Autor, wohl dem Dekan, verfaßten Designatio der Kirchen im Landkapitel Ichenhausen, Zanenbenz wolle nec capellanus nec filialis pastor sein (ABA, BO 3672, 1603 Januar 30). Auch in seinem Bericht vom Kapiteltag im Herbst 1615 klagte Pfarrer Braun als Dekan des Landkapitels, Zanenbenz [non] vult esse subiectus decano (ABA, BO 3672. 1615; vgl. ABA, DA Ichenhausen, 1615 August 25-28). Der Pfarrer warf Zanenbenz vor, daß er wider sein schuldigkhaitt seinen fundationibus nit genueg thuett, die geistliche proventus vnuerdient ieczt vil lar hero imbursirt, daß er wenig zu haus ist ohne erlaubnus, an andere Priester seine Sachen lasst vnd dieselbige, die der Pfarr vnnd sunsten solltten assistenz thuen, verhindern. Von der üblichen, vom Pfarrer angeleiteten Prozession an Christi Himmelfahrt sei er demonstrativ ferngeblieben, damit mänigklich sehe, das er sui iuris seye. Ähnlich widersetzlich sei auch sein Verhalten gegenüber Pfarrer Braun in dessen Funktion als Dekan (ABA, BO 6791, 1622 Mai 31). Nach einem vormittäglichen Kreuzgang am Markustag etwa habe Zanenbenz mit seinem gesellen, daß morgenmahl hernach bey dem gülden Hanen, einem öffentlichen Wiirttshaus, gehalltten, darzu Spilleüt khommen, vnnd sie beede auch getanczt sollen haben. Zur nacht, alls woll im heimgehn merckhliches geschray vff der gassen angefangen, daß menigkhlich ahn die Fenster gelauffen, sonderlich meiner vnnd herrn Predigers mit betrowung ingedenkh gewesen (ABA, BO 6791, 1622 Mai 31). Nach der ebenfalls Generalvikar Wall zugegangenen Schilderung des Prädikators an B.M.V., Andreas Klingler, nahm dieses Treiben
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Fallstudien
diesem Schreiben - in der Zwischenzeit war ein Aussöhnungsversuch auf der Frühlingstagung des Landkapitels gescheitert - 4 2 wurde der Benefiziat vom Generalvikar wegen übler Nachrede, Beleidigung und Insubordination zunächst zu einer geistlichen Zensur von 10 fl. verurteilt43 und eine Woche später auch nach Augsburg zitiert, wo er in Gegenwart des Pönitentiars Michael Schmidtner dieser vertrat Generalvikar Wall - 4 4 und des Pfarrers von St. Moritz in Augsburg sowie der Kläger - Pfarrer Leonhard Braun, Prädikator Andreas Klingler, vermutlich auch Hofkaplan Johannes Stumpp - verhört wurde. Gegenstand des Verhörs war dabei ausdrücklich auch und gerade der unpriesterliche Lebenswandel des Benefiziaten, 45 der schließlich wiederum zu Geldbußen verurteilt und mit drastischen Strafandrohungen fur den Wiederholungsfall entlassen wurde.46 Die thematische Erweiterung der Klagen gegen Christian Zanenbenz - dies sei nochmals deutlich hervorgehoben - um Verstöße, die sich der Benefiziat gegen die Normvorstellung priesterlicher Lebensführung hatte zuschulden kommen lassen, war erst die Folge seiner fortgesetzten disziplinarischen Widersetzlichkeit. Diese Erweiterung dürfte die kirchlichen Oberen in ihrem Eindruck entscheidend bestärkt haben, nun sei das Maß voll, und mag damit wesentlich zur erst daraufhin erfolgten Bestrafung beigetragen haben. Nun jedoch erhob seinerseits Christian Zanenbenz in einer mit 16 beschriebenen Seiten sehr umfangreichen, offenbar bereits vorbereiteten und noch am Tag des Verhörs eingereichten Verteidigungsschrift' Vorwürfe gegen Leonhard Braun, unter denen die Behauptung, der Pfarrer habe mehrfach das Gebot priesterlicher
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des Benefiziaten sogar einen tragischen Ausgang, denn bei seiner Heimkehr aus dem Wirtshaus habe er sein negsten Armen Nachpauren sambt seinem weib vberloffen, denselbigen zum andern mahl erschröckht, daß er sich zue beth legen müessen, auch ohne allen seinen Nachpärlichen Priesterlichen trost oder einige Versöhnung zu wenig tagen todts entschiden (ebd., 1622 Mai 31 [!]). ABA, BO 3672, 1622 Juni 7. ABA, BO 6791, 1622 Juni 13. Die Exekution der Anordnung bestätigte für den 17. Juni der Günzburger Kooperator Georg Frey (M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 285, 288, nennt ihn zwischen 1622 und 1638 als Frühmesser an B.M.V. und Benefiziaten von Reisensburg). Vgl. die Anweisungen des Generalvikars für seinen Vertreter (ABA, BO 6791, 1622 Juni 21). Den detailliert formulierten Vorwürfen der drei klagenden Priester sind dabei zumeist die Stellungnahmen des beklagten Benefiziaten beigegeben, die eine summarische Bemerkung am Ende des Protokolls mit den Worten zusammenfaßt: multa negat, caetera excusat multa vehementia verborum (ABA, BO 6791, 1622 Juni 22). Wegen seiner Verfehlungen gegen Prädikator Andreas Klingler mußte Zanenbenz eine Buße von 6 fl. zahlen; eine wegen seiner Verfehlungen gegen den Dekan verhängte Kerkerstrafe wurde nach demütiger Bitte des Verurteilten (supplex veniam petiit) bei Androhung völliger privatio im Wiederholungsfalle in eine Geldbuße in unbekannter Höhe umgewandelt (ABA, BO 6791, 1622 Juni 22).
Akteure kirchlicher und konfessioneller Politik
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Keuschheit verletzt, besonders prominenten Raum einnimmt. 4 7 Den Inhalt dieser Schrift versuchte Generalvikar Wall zwar vor Pfarrer Leonhard Braun geheimzuhalten, um den eben aufgerichteten Frieden zwischen den beiden Geistlichen nicht sofort wieder zu gefährden, 4 8 doch scheint das Schreiben im Ordinariat durchaus rezipiert worden zu sein. Als nämlich 1625 aufgrund der angeblichen oder tatsächlichen Vergewaltigung seiner Magd Pfarrer Braun ein kirchliches Verhör über sich ergehen zu lassen hatte, tauchten just die von Christian Zanenbenz formulierten V o r w ü r f e im Fragenkatalog des Protokolls erneut auf: 49 Leonhard Braun schien in der Vergangenheit geradezu notorisch die vom Priester geforderte sexuelle Enthaltsamkeit mißachtet zu haben. Wenig später mußte er die Pfarrei räumen. 5 0 Die Einlassungen des Benefiziaten Christian Zanenbenz, die dieser als Gegenschlag gegen die von Pfarrer Braun vor dem Generalvikar erhobenen Klagen konzipiert hatte, besaßen daran ihren nicht geringen Anteil, weil erst durch sie der angebliche Übergriff Pfarrer Brauns auf seine Magd in einen so belastenden Kontext gestellt wurde, daß der Vorwurf der Vergewaltigung glaubwürdig erscheinen und das Vergehen als unentschuldbar bewertet werden mußte. Die Auseinandersetzung zwischen den beiden Günzburger Geistlichen Leonhard Braun und Christian Zanenbenz konnte zeigen, wie in einem vorgegebenen Konflikt inhaltliche Vorstellungen der Klerusreform sekundär Eingang in die Argumentationskonzepte der Kontrahenten fanden. Der Ausgangskonflikt war Grundlage bzw. Anlaß für eine Rezeption der Reformvorstellungen in praxi, die sich als konkret angelegter Maßstab der Korrektur erwiesen. Die erste Folge war ein ausfuhrlicher Informationsstand der kirchlichen Obrigkeit, die nunmehr tieferen Einblick in die Lebensführung des Klerus vor Ort erhielt. - Die Klagen der beiden Priester vor dem Ordinariat hatten regelmäßig dann Erfolg, führten also zu einer Bestrafung des jeweiligen Gegners oder trugen doch dazu bei, nachdem eine Erweiterung ihrer Gravamina um V o r w ü r f e erfolgt war, die auf zentrale Felder der Klerusreform - priesterlich distinkter und sexuell enthaltsamer Lebenswandel Bezug nahmen. Die kirchliche Obrigkeit setzte nun ihr disziplinarisches Instrumentarium ein und erwies hierin ihre jurisdiktionelle Wirksamkeit. Selbst wenn es sich dabei gar nicht u m einen kausalen Z u s a m m e n h a n g gehandelt hätte, mußte es wenigstens den Klägern so erscheinen: Sie konnten lernen, daß der Bezug auf Fragen der Klerusreform eine effiziente Methode des Konfliktaustrages innerhalb
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Außerdem wird Braun vorgeworfen, er habe die Abhaltung einer Prozession der Liebfrauenbruderschaft, als deren geistlicher Pfleger Zanenbenz amtete, verhindert (ABA, BO 6791, 1622 Juni 22). Ein halbes Jahr später hatte Leonhard Braun dennoch Kenntnis von der Schrift erhalten und erbat sie sich zu einer Stellungnahme ( A B A , BO 6791, 1622 Dezember 10). Generalvikar Wall hielt ihn daraufhin jedoch dringend an, die Vorwürfe des Benefiziaten auf sich beruhen zu lassen (ebd., 1623 Januar 1). ABA, BO 3601, 1625 November 24. Kap. B.II. 3. Anm. 21.
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Fallstudien
der Priesterschaft war. Einhergehen mußte damit tendenziell eine Intensivierung gegenseitiger Kontrolle bzw. umgekehrt der Versuch, in Fragen der sittlichen Lebensführung unauffällig zu bleiben oder zu werden. Selbstdisziplinierung und Selbstkonfessionalisierung des Klerus waren - neben und zusammen mit einer Aufwertung der kirchlichen Disziplinargewalt - mithin Ertrag des Konflikts.
3.1.3
Franziskanerinnen und Kapuziner als Träger der Reform in Günzburg
Von geistlichem Stand waren in Günzburg nicht allein die Inhaber von Pfarrpfründe und Benefizien. Neben dem Säkularklerus widmete sich eine seit 1449 als „Franziskanerinnen" anzusprechende Schwesterngemeinschaft 51 und seit 1615 der Männerorden der Kapuziner mit unterschiedlicher Akzentuierung der karitativen und seelsorglichen Arbeit. Je mehr deren Wirken dabei von den Gläubigen als schlüssiger Ausdruck einer in Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam spezifisch katholischen Lebensform erfahren werden konnte, desto stärker und unmittelbarer mußte ihre Tätigkeit zur inneren Festigung des katholischen Bekenntnisses in der Bevölkerung Günzburgs beitragen, desto größere Bedeutung kam den beiden Orden als Träger der katholischen Reform in der Stadt zu. Gleichzeitig unterlagen dabei die Ordensgemeinschaften ihrerseits den Reformbemühungen ihrer kirchlichen Oberen, während - anders als beim Günzburger Säkularklerus - entsprechende Initiativen der weltlichen Obrigkeiten zu ihrer Reform nicht festgestellt werden können. Über das karitative Wirken der Franziskanerinnen in Günzburg ist - bis zur Einführung der strengen Observanz und der Klausurierung der Schwestern 1629 nicht mehr bekannt als ihre Tätigkeit im Dienste der Krankenpflege. 52 Neben der Arbeit, vor allem der Weberei, die zusammen mit zunehmenden Grundrenten ihren Unterhalt zu sichern half,53 war es damit in erster Linie das Gebet, das sie privat, besonders aber im Konvent - ebenfalls seit 1629 in der im Breviarium Romanum vorgegebenen Form - 5 4 als ihr Charisma begriffen. Obwohl formal erst seit 1636 der bischöflichen „Jurisdiktion, Correktion und Visitation" unterstellt,55 entgingen die Schwestern schon vor dieser Zeit nicht der Aufmerksamkeit des Günzburger Pfarrers: So übermittelte 1568 Kilian Blankenstein,56 der als Beichtvater der Schwestern auch direkt, aber offenbar erfolglos
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Kap. B.II. 1.3.6. Kap. Β. II. 1.3.6. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 292f. Kap. Β. II. 1. Anm. 182. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 293. In M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 283, zwischen 1564 und 1567 als Pfarrer von Günzburg genannt; zu ihm A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 244f.
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Einfluß auf die Schwestern zu nehmen versuchte, 57 seine besorgten Beobachtungen dem Ordinariat. Die Aufsicht des zuständigen Tiroler Minoritenprovinzials war deswegen keineswegs ausgeschaltet, denn der habe, so die resignative Bemerkung Blankensteins, das beklagte Fehlverhalten der Schwestern zwar seinerseits schon oft untersagt - sed parum efficit. Aus diesem Grund sei die entschlossene Kooperation zwischen Ordinarius und Provinzial - cum consilio et auxilio provincialis tempestive prospiciendum foret - vonnöten. Gegenstand der Kritik des Günzburger Pfarrers waren zusammengefaßt zwei Bereiche: Zum einen und vor allem ein Verhalten der Schwestern, das ihrer geistlichen und zur Keuschheit verpflichteten Lebensform nicht entsprach oder doch diese Lebensform gefährdete, 58 zum anderen aber auch ihr mangelnder Sinn für die Notwendigkeit konfessioneller Abgrenzung, weil sie intra dotmttn omne genus hominum - catholicos et Lutheranos - hospitio suscipiant.39 - Ob oder in welcher Weise und mit welchem Erfolg Bischof oder Provinzial den beklagten Mißständen bei den Franziskanerinnen daraufhin begegneten, läßt sich aus den Quellen allerdings nicht ersehen. Auch nimmt keine der künftigen bischöflichen Visitationen der Pfarrei mehr Bezug auf die Situation bei den Günzburger Schwestern. Mehr ist über die Tätigkeit der Kapuziner in Günzburg bekannt. Deren Niederlassung in der Stadt gehörte ursprünglich zur tirolisch-bayerischen Ordensprovinz, 60 seit deren Teilung 1668 zur Tiroler, seit 1783 - im Zuge der von Kaiser Joseph II. betriebenen Angleichung an die politischen Verwaltungsgrenzen - zur vorderösterreichischen Provinz. 61 Der Erwerb der Markgrafschaft Burgau durch Bayern
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Admonui in confessionibus saepe et ad lachrimas compuli, sed nihil effeci, quia consuetudo inveterata est. (ABA, BO 3672, 1568 [April 8]). - Die Funktion eines Beichtvaters der Schwestern scheint grundsätzlich vom Pfarrer von St. Martin wahrgenommen worden zu sein. Auch Pfarrer Leonhard Braun (nach M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 283, zwischen 1600 und 1626 Pfarrer in Günzburg), nahm diese Aufgabe wahr (ABA. BO 3601, 1625 Dezember 19). Beklagt wurde im Schreiben Blankensteins von 1568 der häufige und mehrwöchige Aufenthalt von Schwestern - ihre Klausurierung wurde erst gut 60 Jahre später eingeführt (Kap. B. II. 3.1.3) - in coenobijs virorum, etwa bei den Wiblinger Benediktinern, aber auch umgekehrt die Einkehr von Ordensmännern der umliegenden Klöster und Stifte - die Äbte von Elchingen und Wiblingen und der Propst von Wettenhausen werden genannt - bei den Günzburger Franziskanerinnen, deren Kloster für die Beherbergung von Gästen gar nicht geeignet sei, weil alle - Gäste wie Schwestern - simitl in imo cubiculo schlafen müßten. Pietas, obedientia et caeterae virtutes würden dadurch nicht wenig gefährdet. Täglich w ürde es schlimmer mit den Schwestern, die auch vor einer Unterhaltung über unschickliche Dinge (de rebus non optimis) nicht zurückschreckten. Sie seien, so das Fazit Pfarrer Blankensteins, sicuti homines seculares, ridendo et iocando, si parva Ulis occasio detur, ita ut dubitaripossit, an Deo vel mundo serviant (ABA, BO 3672, 1568 [April 8]). ABA, BO 3672, 1568 [April 8], Sprinkart, Kapuziner, S. 809, 816. B. Mayer, Kapuzinerklöster, S. 154.
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im Frieden von Preßburg besiegelte das durch die Reformen Josephs II.62 bereits seit 1781 eingeleitete 63 Ende der Ordens auch in Günzburg. Den verbliebenen fünf Patres war nun auch das Aussterben im Kloster nicht mehr vergönnt. Kirche und Kloster wurden unverzüglich an den Meistbietenden auf Abbruch versteigert.64 Nicht zuletzt dieser skizzierte Wechsel der Zugehörigkeit des Günzburger Klosters zu verschiedenen Ordensprovinzen - zur tirolisch-bayerischen, zur Tiroler, vorderösterreichischen und zuletzt wohl noch zur bayerischen 65 - sowie seine überstürzte Auflösung sind für das Fehlen einer entsprechenden archivalischen Überlieferung kirchlicher Provenienz mitverantwortlich. 66 Aus diesem Grund muß eine Reihe wichtiger Fragen nach Reformtätigkeit und Seelsorge des Ordens in Günzburg selbst und der Markgrafschaft unbeantwortet bleiben, weil eine quantitative Analyse der ,Effizienz' der Günzburger Kapuziner - zu ermitteln etwa über die Anzahl der Predigten, Beichten, Kommunionen und Konversionen, worüber die Kapuziner im allgemeinen genau Buch führten, 67 aber auch über die Zahl und Herkunft der Männer, die dem Orden in Günzburg beitraten - nicht möglich ist. Auch auf das Verhältnis zwischen dem Kloster auf der einen und Stadt, burgauischer bzw. Innsbrucker Administration und Landesherr auf der anderen Seite fallen, da gleichermaßen eine geschlossene Überlieferung weltli-
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Zur Diskussion um Begriff und Inhalt des „Josephinismus" Klein, Protojosephinismus, S. 439-441. Folgende einschneidende Dekrete wurden erlassen: 1772 März 20 (noch zur Regierungszeit Maria Theresias): nur gebürtige oder naturalisierte Österreicher dürfen das Amt eines Ordensoberen bekleiden; 1781 März 24: Verbot für die Kapuzinerklöster und ihre Vorsteher, mit Ordensniederlassungen in Verbindung zu stehen, die nicht auf österreichischem Hoheitsgebiet liegen; 1781 Juni 8: Verbot der Aufnahme von Novizen; 1782: Verbot, in Klosterkirchen zu predigen; Sperre über das Almosesammeln; Abbruch der Exemption; Erschwerung des Eintritts; Unterdrückung des Dritten Ordens sowie eine lange Reihe weiterer Eingriffe in die innere Organisation des Ordens (vgl. die Zusammenstellung bei B. Mayer, Kapuzinerklöster, S. 152-155). A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 297f. Sprinkart, Kapuziner, S. 816. Trotz intensiver Recherche sind die Seelsorge und Politik betreffenden Archivalien des Günzburger Klosters bis heute verschollen: Der im ABA angelegte Bestand zu den Klöstern im Bistum - unter anderem aus ihm schöpft Hohenegger/Zierler, Kapuziner - wurde im Zweiten Weltkrieg vernichtet; im Archiv der heute Nordtirolischen Provinz des Ordens in Innsbruck findet sich kein Günzburg betreffender Bestand (persönliches Gespräch im Februar 2000 mit Herrn P. Provinzial in Innsbruck, der auch das Archiv betreut), die möglichen Nachfolgearchive des vorderösterreichischen Provinzialates, das Archiv der RheinischWestfälischen und der Bayerischen Provinz in Koblenz bzw. München, weisen ebenfalls keinen einschlägigen Bestand auf (schriftliche Auskunft der betreuenden Patres). Vgl. die bei Hohenegger/Zierler, Kapuziner, Bd. 1, S. 650f., Bd. 2, S. 9, genannten Zahlen für Beichten ab 1673 und Kommunionen ab 1669. Für das Jahr 1706 ist auch die Zahl der Konversionen verzeichnet (ebd., 648); vgl. für die bayerischen Klöster die Zahlen bei Sprinkart, Kapuziner, S. 818 Anm. 81.
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eher Provenienz fehlt, 68 nur wenige Schlaglichter. Trotz dieser erheblichen Einschränkung lassen sich immerhin aus der Literatur, die ihrerseits noch aus heute verschollenen oder vernichteten Archivbeständen schöpfen konnte, einige Anhaltspunkte für die Wirksamkeit der Kapuziner in Günzburg gewinnen. Hauptsächliches Tätigkeitsfeld des Kapuzinerordens war die Seelsorge, mithin die Spendung der Sakramente, besonders des Bußsakraments und der Kommunion, vor allem aber auch die Verkündigung. 69 Gerade die franziskanischen Männerorden können als „Spezialisten für Bußpredigten und folglich auch für die Beichtpraxis" gelten. 70 Abgesehen von deren kompetenterer homiletischer Hinführung zum Bußsakrament mochten die Gläubigen es nicht zuletzt deshalb vorziehen, bei den Patres und nicht beim ortsansässigen Säkularklerus die Beichte abzulegen, weil den Kapuzinern durch die Ordensstatuten aufgegeben war, in bestimmten Zeitabständen ihr Kloster zu wechseln. 71 Auch der Bevölkerung Günzburgs und ihres Umlandes kam die dadurch erreichte Anonymisierung der Beichte zweifellos entgegen, auch wenn sich die Beicht- und Kommunionfrequenz der Ordensniederlassung in der Stadt aufgrund des skizzierten Quellenproblems für den Untersuchungszeitraum nicht quantifizieren läßt. Konkretere Nachrichten haben sich dagegen für die Predigttätigkeit des Ordens erhalten. Bereits 1615 erweckte P. Augustin Edlmann aus dem benachbarten Ichenhausen mit seinen Fastenansprachen Aufsehen. Den großen Zulauf zu seinen Predigten und seine Beliebtheit bei den Gläubigen verdankte er dabei jedoch wohl zu einem nicht unwesentlichen Teil der Hetze gegen die Juden in Günzburg. Ihre Ausschaffung aus der Stadt im Jahre 161772 dürfte mit ein Werk seines Eiferns und seines Einflusses auf Karl von Burgau gewesen sein. 73 Der Markgraf erwirkte 68
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Ein eigener Bestand hat sich weder im TLA Innsbruck, noch im Bayerischen Hauptstaatsarchiv München - dorthin wurden nach der ebenfalls überstürzten Auflösung des Münchener Provinzialklosters wenige Archivalien verbracht - oder im StAA erhalten. Allerdings verzeichnet das nach 1790 erstellte Altrepertorium über die Registratur der Markgrafschaft Burgau im Oberamt Günzburg (StAA, VÖ und Burgau, Lit. 99) drei Faszikel, betreffend die Verpflegung dem P.P. Capuciner, ex quo titulo diese herrüren, auf Erbauung dern Hospitij. 1615, 18. Das StaAGü besitzt keine eigene Überlieferung zum Kapuzinerkloster. Zu den Aufgabenschwerpunkten des Ordens Egger, Orden, S. 172-172; Sprinkart, Kapuziner, S. 817; Bireley, Orden, S. 146f. - Allgemein zu den theologischen Spezifika in der Konzeption des Kapuzinerordens MacVicar, Spirituals. Prosperi, Beichtväter, S. 126. Das Bedürfnis der Gläubigen in Günzburg, die Beichte bei fremden Priestern abzulegen, erwähnt auch Pfarrer Kilian Blankenstein in seiner Visitationsschrift über die Verhältnisse in der Stadt, wenn er seinem Nachfolger den Rat erteilt, ut [...] videat, neperegrines sacerdotes nisi probates admittat, nam hoc subinde populus expetit (ABA, BO 3672, [1568 April Β])· Auer, Geschichte, S. 60f. „Nach dem Zeugnisse der Annalisten war P. Augustin ein wirklich ausgezeichneter und weithin berühmter Prediger, der überall, wo er auftrat, in München, Rosenheim, Straubing und Landshut, nicht bloß den allgemeinen Beifall des Volkes fand, das sich zahlreich um
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1615 ein päpstliches Breve, das P. Augustin als Hofprediger bestätigte und eine Versetzung durch den Provinzial erschwerte; Markgräfin Sibylla erwählte den Kapuziner zu ihrem Beichtvater. 74 Prediger des Ordens versahen seit der personellen Konsolidierung und Erweiterung des Konventes auf sechs Patres im selben Jahr regulär die Hofkanzel 75 und scheuten sich dabei auch nicht, das Verhalten der burgauischen Oberbeamten öffentlich zu tadeln.76 Daneben scheinen die Kapuziner wie an fast allen Orten, an denen sie Niederlassungen unterhielten, 77 auch in Günzburg an der Pfarrkirche - die Frauenkirche besaß ein eigenes Prädikaturbenefizium - 7 8 nicht nur gelegentlich gepredigt, sondern nach Überlieferung der Historiographen des Ordens seit 1615 die „Pfarrkanzel" verwaltet zu haben. Sie predigten demnach regelmäßig in St. Martin, im 18. Jahrhundert explizit zu allen Sonn- und Festtagsgottesdiensten. 79 Während der Zeit der schwedischen Besatzung Günzburgs versah P. Bonaventura Schmid von Bregenz die Aufgabe des Pfarrpredigers. 80 Nach einem Verzeichnis der Kanzeln, die 1667 von den Patres des Ordens versehen wurden, hielten die Kapuziner darüber hinaus auch die „Bruderschaftspredigten" in Günzburg. 81 Ob sich diese Praxis bereits in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts eingebürgert hatte und in welchen der Günzburger Bruderschaften die Prediger wirkten, ist allerdings nicht bekannt. Für das 18. Jahrhundert jedenfalls ist ihre Tätigkeit konkret und ausschließlich für die - wohl 1660 gegründete ~82 Rosenkranzbruderschaft genannt.83
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seine Kanzel scharte, sondern auch reichliche Seelenfrucht erzielte. Von seiner Tätigkeit in Günzburg wird berichtet, daß zu seinen Kanzelvorträgen das Volk aus der ganzen Gegend zusammengeströmt sei. Mit apostolischem Freimut sei er gegen die öffentlichen Ärgernisse aufgetreten, insbesonders aber habe er sich als energischen [!] Gegner der Juden gezeigt"; er habe „nicht eher" geruht, „als bis sämtliche Juden aus Günzburg vertrieben waren" (Hohenegger/Zierler, Kapuziner, Bd. 1, S. 138f.). Hohenegger/Zierler, Kapuziner, Bd. 1, S. 72. Hohenegger/Zierler, Kapuziner, Bd. 1, S. 138. Z.B. griff der Guardian die Absonderung der Oberbeamten und der Hofmusik vom gemeinsamen öffentlichen Gebet und die Ausgliederung der Hofkirche aus dem Turnus der vier Kirchen, in denen das Gebet abgehalten wurde, priuatim vnd publice an, denn Markgraf Karl sei seinerzeit bei diesen Gebeten persönlich erschienen (ABA, BO 4142, 1645 November 4). Sprinkart, Kapuziner, S. 818. Kap. B. II. 1.3.3. Hohenegger/Zierler, Kapuziner, Bd. 1, S. 138, 646. - Erstaunlich ist, daß fur das 17. Jahrhundert eine solche Regelung zuungunsten des Pfarrers an St. Martin nicht verifiziert werden konnte, obwohl man vermuten würde, daß sich aus der pastoralen Konkurrenzsituation Konflikte mit dem Säkularklerus ergeben und dann auch archivalisch niedergeschlagen hätten (vgl. Bireley, Orden, S. 155). Freilich ist deswegen die Tätigkeit der Patres als Prediger in der Pfarrkirche nicht auszuschließen. Hohenegger/Zierler, Kapuziner, Bd. 1, S. 209. Hohenegger/Zierler, Kapuziner, Bd. 1, S. 352f. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 254. Hohenegger/Zierler, Kapuziner, Bd. 1, S. 646.
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Großen Wert legten die Kapuziner auf die Pflege neuer Frömmigkeitsformen. Nicht zuletzt wollten sie die Meditation des Leidens und Sterbens Christi bei den Gläubigen fördern. 84 Die besondere Verehrung des Ordens für die Passio Christi wurde ikonographisch ja auch in Günzburg bereits an der Gestaltung der Kirchenfassade deutlich, an deren Portalseite weithin sichtbar die Leidenswerkzeuge Christi angebracht waren. 85 So ging auch die erstmalige Karfreitagsprozession 1615 in Günzburg wie andernorts - etwa 1604 in Augsburg - 8 6 auf die Initiative der Kapuziner zurück. In Günzburg führte die volkstümliche und in ihrer Programmatik dezidiert gegen die protestantische Theologie gerichtete Prozessionsform 87 P. Augustin Edlmann ein.88 Wenigstens 1617 waren die Kapuziner darüber hinaus durch Markgraf Karl mit der Organisation einer Art Sternwallfahrt betraut. Dabei sollten am Fest des hl. Ulrich (4. Juli) - dem ersten Patron des Bistums Augsburg - allhie zu Günzburg vsser vilen Fleckhen processiones in die hoff Capell Ahngestellt werden. Da man vermuten mußte, daß hierzu die Hofkirche zu klein sei, holte man bischöfliche Erlaubnis ein, die Messe im Schloßvorhof über einem Betstein - einer Form des Altare portatile - 8 9 feiern zu dürfen. 90 Den Kapuzinern kam im Vorfeld offenbar die Aufgabe zu, für die Teilnahme an der Wallfahrt in verschiedenen Gemeinden zu werben. Bekannt, auch durch Alessandro Manzoni zu literarischer Berühmtheit gelangt, ist der Einsatz der Kapuziner für Pestkranke. 91 Auch vier Günzburger Konventualen fielen ihrem Engagement zum Opfer, als die Epidemie 1635 in der Stadt wütete.92 Der soziale Dienst praktischer Nächstenliebe hatte Folgen für die Akzeptanz und Glaubwürdigkeit der Kapuziner in der Bevölkerung der Stadt. Seine Rückwirkungen auf die konfessionelle Treue der Gläubigen sind nicht meßbar, dürften aber kaum zu überschätzen sein. Dasselbe gilt für das Ausharren der Patres und Brüder in der Stadt, als 1632 während des Dreißigjährigen Krieges 93 eine schwe-
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Sprinkart, Kapuziner, S. 820. Kraft, Kunstdenkmäler, S. 179. Vgl. kunsthistorisch zu den Arma Christi Olbrich, Lexikon, Bd. 4, S. 273-275. Pötzl, Volksfrömmigkeit, S. 955f. Vgl. die detaillierte Schilderung der 1610 von P. Serafin Kofier in Meran eingeführten Karfreitagsprozession bei Eberl, Geschichte, S. 58-61. Hohenegger/Zierler, Kapuziner, Bd. 1, S. 146; R. Seibold, Residenzstadt, S. 50. Dazu Braun, Altar, Bd. 1, S. 419-517. ABA, BO 4142, 1617 Juni 24. Sprinkart, Kapuziner, S. 821. Hohenegger/Zierler, Kapuziner, Bd. 1, S. 248. - Zur Pestzeit in Günzburg Auer, Geschichte, S. 65 Zum Dreißigjährigen Krieg in Günzburg Auer, Geschichte, S. 62-67; einige Ratsprotokolle der Jahre 1632 und 1633 sind wiedergegeben bei J. Müller, Schwedenzeit.
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dische Besatzung einzog und die Säkularkleriker wenigstens für kurze Zeit geflohen waren.94 Festzuhalten ist schließlich ein bemerkenswerter negativer Befund: Die Überlieferung in den Akten des bischöflichen Ordinariates ebenso wie in den Innsbrucker Archivprovenienzen legen ausführlich Zeugnis ab von der Vielzahl und Intensität der Konflikte Günzburger Weltgeistlicher mit Bürgermeister und Rat nicht weniger als untereinander. Zu Kontroversen ähnlichen Ausmaßes um die Kapuziner scheint es hingegen nicht gekommen zu sein. Daß Reibungspunkte, die für Auseinandersetzungen zwischen Säkularklerus und Kommune typisch und ursächlich waren - beispielsweise die Erfüllung von Verpflichtungen aus Benefizien im Falle der Kapuziner wegfielen, erklärt den Eindruck harmonischen Zusammenlebens sicher zu einem wesentlichen Teil. Da ihre Konventsgebäude mit der eigenen Klosterkirche anders als bei den Franziskanerinnen zudem außerhalb der Stadtmauern lagen, kam es auch nicht zu Irritationen um bauliche Erweiterungen im Stadtkern oder die Mitnutzung eines kommunalen' Kirchengebäudes. Im Untersuchungszeitraum hat sich lediglich aus dem Jahr 1644 der Hinweis auf einen Konflikt erhalten: Der Günzburger Ulrich Berchtold hatte vor anderen Mitbürgern nach dem Abzug des Guardians P. Anaklet auf daß Capitel nacher Salzburg [...] spottlich geredt. Inhalt und Ausmaß der Auseinandersetzung ist unbekannt, doch handelte es sich offenbar um eine persönliche, nicht um eine kommunale Angelegenheit, da der Rat gegen Berchtold strafend eingriff und ihn in den bachthurm setzen ließ.95 Umgekehrt mag man die Errichtung einer Bildsäule, die der Rat dem Michael Wiedenmann vor seinem garten bey der herrn Capuciner thor im selben Jahr gestattete, nicht nur allgemein als einen Beweis von Frömmigkeit, sondern darüber hinaus als Zeichen besonderer Verehrung für die benachbarten Kapuziner werten. Die Sakralität des Klosters griff auf diese Weise auch topographisch in den bürgerlichen Bereich hinein aus.96 Bürgermeister und Rat sanktionierten jedoch nicht nur, wie im Fall des Ulrich Berchtold, Angriffe auf die Kapuziner; ein Wort der Patres konnte bisweilen auch die Entscheidungen des Rates beeinflussen, etwa wenn vff fürbitten herrn Capuciner ein Bewerber für das Hl.-Geist-Spital aufgenommen wurde.97 Auf der ande94
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In der Karwoche 1632 besetzten schwedische Truppen unter Befehlshaber Taubadel Günzburg. Die Kapuziner verließen ihr Kloster und suchten im Schloß sichere Unterkunft, erhielten aber eine Schutzwache und kehrten darum zunächst in das Kloster zurück. Wegen zunehmender Gefährdung mußten sie alsbald wieder im Schloß Wohnung nehmen. Die meisten Patres verließen daraufhin für kurze Zeit die Stadt und gingen in andere Klöster, da ihre Versorgung nicht sichergestellt war. P. Bonaventura Schmid von Bregenz - er versah auch die Pfarrkanzel - blieb jedoch mit einem Mitbruder in Günzburg (Hohenegger/Zierler, Kapuziner, Bd. 1, S. 209). StaAGü, RPr 1.6, 1644 Juli 14, 517. StaAGü, RPr 1.6, 1644 Juli 21, 513. StaAGü, RPr 1.4, 1630 April 11, 110; 1630 August 29, 125.
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ren Seite konnten die Kapuziner auch dabei helfen, die Wünsche der Stadt gegenüber dem Ordinariat wirkungsvoller zu vertreten, wie dies 1635 - wenngleich ohne Erfolg - geschah, als Guardian P. Ambrosius von Rosenheim gemeinsam mit Landvogt, Rentmeister, Bürgermeister, Rat und Gemeinde bei Bischof Heinrich zugunsten einer Neubesetzung der Pfarrei mit dem bisherigen Kaplan M. Johann Egolf Helm intervenierte. 98 Ebenso bemerkenswert wie das unproblematische, ja kooperative Verhältnis zwischen Kapuzinern und Bürgermeister und Rat der Stadt ist das fast vollständige Fehlen archivalisch dokumentierter Konflikte zwischen den Ordensgeistlichen und dem Säkularklerus in Günzburg, obwohl doch gerade die „neue Wendung der Orden zur pastoralen Tätigkeit" - und der Kapuzinerorden ist dafür prominentes Beispiel - grundsätzlich dazu angetan war, die „Rivalität zwischen Welt- und Ordensklerus" zu verschärfen, denn die Trennung zwischen ordentlicher und außerordentlicher Seelsorge war ja nicht eindeutig vorzunehmen." Eine aufschlußreiche Ausnahme von diesem harmonischen Bild und eine Bestätigung der grundsätzlichen Probleme der Rivalität stellen dabei die schrillen Invektiven des Günzburger Benefiziaten Christian Zanenbenz gegen die Geistlichen des Ordens dar. Zanenbenz scheint insgesamt eine konfliktfreudige Persönlichkeit gewesen zu sein. Pfarrer Leonhard Braun, dem er ebenfalls in herzlicher Feindschaft zugetan war, 100 berichtet von einem Besuch des Benefiziaten 1625 beim Maienbad. 101 Vor den etwa 80 anwesenden Männern und Frauen - also in aller Öffentlichkeit hatte Zanenbenz die Predigt der Kapuziner in Inhalt und Stil mit starken Worten angegriffen und sich wohl auch gegen deren Praxis des Almosensammelns gewandt bzw. die Wohltäter der Patres geschmäht. 102 Die Form der Vorwürfe mag
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ABA, BO 3601, 1635 August 11. Bischof Heinrich als Patronatsherr lehnte den Protegierten dennoch auß gewißenn vrsachen ab und zog dessen Bruder Kaspar Helm d.J.. den vormaligen Kooperator des Pfarrers von Lauingen, vor (ABA, BO 3601, 1635 August 26). Bireley, Orden, S. 155. Da es die Glaubwürdigkeit der von Pfarrer Braun wiedergegebenen Formulierungen einschränken könnte, darf es nicht verschwiegen werden, daß Leonhard Braun starkes persönliches Interesse daran hatte, den Benefiziaten Christian Zanenbenz im Ordinariat in schlechtem Licht erscheinen zu lassen, denn Zanenbenz war durch die Anklagen, die er gegen den Pfarrherrn vor dem Ordinariat hartnäckig erhoben hatte - vor allem den Vorwurf der Unzucht äußerte er immer wieder - , wesentlich und seit kurzem auch in Zusammenwirken mit dem Rat der Stadt an der Demontage des Pfarrers beteiligt: Leonhard Braun urde zur selben Zeit die mutmaßliche Vergewaltigung seiner 16jährigen Magd im Herbst 1625 zum Verhängnis, er mußte die Pfarrei Günzburg verlassen (Kap. Β. II. 3.1.2). Nach DWB, Bd. VI, S. 1476, „ein im mai mit duftenden frühlingskräutern bereitetes bad; als lustbarkeit im 15. 16. Jahrhundert beliebt". Im einzelnen lautet der Bericht Pfarrer Brauns an Bischof Heinrich: [...] alls man zu Günzburg Mayengebadt vnnd in dem Badhaus bey 80 ziber [! ] von Mann vnnd Weibs Persohnen gewesen, hatt er [Christian Zanenbenz] (alls vff ertlicher Rathsherrn seilten) die herren Capucciner, so allhie gepredigtt, verglichen: Erstlich mit Zanbrechern oder tyriaks Cremern, die selbige, wan sie Ihre Salben gnuegsam gelobdt vnnd den leiitten die ohren voll eingeschyen, ziehen sie dann dauon vnnd reissen auss. Item mit einem Schuester, so einem ein
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Fallstudien
zu einem gewissen Teil dem Naturell des Benefiziaten geschuldet gewesen sein, für ihren Inhalt mag er sich entschuldigt haben; dennoch sind die Reden des Geistlichen Ausdruck eines latenten Konfliktverhältnisses zwischen Weltklerus und Kapuzinern vor Ort, das sich aus dem skizzierten grundsätzlichen Konkurrenzverhältnis, hier speziell hinsichtlich der homiletischen Verkündigung, ergab: Der große Zulauf zu den Predigten der Patres - von Zanenbenz denunziert als die Attraktivität marktschreierisch agierender Quacksalber - und das Wohlwollen, das die Kapuziner bei Obrigkhaitt und Edelleutten fanden, erweckte die Mißgunst des einfachen Geistlichen, der mit gleicher Reverenz niemals rechnen konnte. Insgesamt jedoch - das zeigt ja auch die Intervention eines weiteren Geistlichen, der ebenfalls beim Maienbad anwesend war und Zanenbenz seine Reden verwiesen hatte - 103 genossen die Kapuziner den Respekt ihrer weltlichen Mitbrüder. Immer wieder dient, besonders in den Schreiben der Günzburger Weltgeistlichen an Bischof oder Generalvikar, die Berufung auf ihr Zeugnis als Beweis, auf der richtigen Seite zu stehen.104 Die Günzburger Kapuziner waren nicht nur selbst Träger der katholischen Reform in Seelsorge, Katechese und asketischem Vorbild. Sie erfuhren ihrerseits durch kanonische Visitationen der Ordensoberen gleich in den ersten Jahren ihrer Niederlassung in der Stadt Aufsicht und Korrektion. 1621 besuchte sie der General der Kapuziner, P. Clemens, und trat dabei in seinen Ansprachen nachdrücklich für einen strengen Lebenswandel der Patres ein, 1630 April 19 wurde das Kloster durch P. Johann Maria von Noto visitiert.105 Der häufige Wechsel der Konventualen von Kloster zu Kloster mochte dem Einspielen von Bequemlichkeiten, die nicht im Sinne der Ordensregel waren, zudem korrigierend und disziplinierend entgegenwirken.
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geschmiertt Par Schuech für ein [.. ,]sch gibdt. Drittens wan ein gemainer Priester dergleichen predigtte, würd man in bald vff einem Karren der Obrigkhaitt zufüeren. Lettstlich hatt er auch ettlichen Edelleutten zugeredt, so den Patribus Ihre gaben vnnd Eleemosynas mitthailen, dannenhero er (ihrer Constitutionen nach) excommunicationem incurirt. [...] Alls Ihme solche Reden von einem Geistlichen widersprochen worden, hatt er demselbigen mitt spottlichen ehrrhürigen wortten abgeferttigtt in offenem Bad. Nach dem es die herrn Cappuciner innen worden, haben sie sich gebürender ortten beclagen wollen. Ist Zanenbencz gerennt vnnd geloffen, herrn Praelaten zu Wettenhausen etc. herab genöttigtt pro intercessore vnnd in gegenwärttigkhait ihrer gnaden, den PP. Capuccinis mit gebognen knien vnnd her fliessenden Zehren die iniurias abgebetten (ABA, BO 3601, 1625 Dezember 19). ABA, BO 3601, 1625 Dezember 19. Vgl. etwa die Formulierungen des Hofkaplans M. Kaspar Helm d.Ä. , der sich bei Generalvikar Kaspar Zeiller gegen eine anonyme Günzburger Schmähschrift wandte: Seine, wie er behauptet, richtige Sicht der Dinge könne mit Ehrlichen vnd glaubwürdigen, Geistlichen vnd Weltlichen personen, auch mit den herrn Capucinern vberflissig erwisen werden (ABA, BO 4142, 1638 Juni 8), die Patres dienen ihm als warhaffte vnd glaubwürdige zeugen (ΑΒΑ, BO 6141, 1638 Juni 15). Hohenegger/Zierler, Kapuziner, Bd. 1, S. 124f.
Akteure kirchlicher und konfessioneller Politik
3.2
353
Herrschaft und Verwaltung
Die für die Gestalt der habsburgischen Vorlande konstitutive Herrscherferne bedeutete für die Effizienz des landesherrlichen Regiments grundlegende Probleme. In einzelnen Fragen mehr oder minder großer Wichtigkeit waren Landvögte, Vögte oder Vogtamtsverwalter auf die zeitraubende Rücksprache mit den Innsbrucker Regierungsbehörden verwiesen. Einer aus diesem Grund stark ausgeprägten strukturell bedingten Reaktivität der österreichischen Politik vor Ort stand auf der anderen Seite das Bemühen der habsburgischen Landesherrn gegenüber, durch Formulierung, Erlaß und Publikation einer Fülle von Ordnungen und Mandaten über intermittierende Eingriffe hinaus zu politischer Gestaltung vorzudringen. Verwaltungen und ihre Untertanen sollten so auf recht exakt umschriebene Rahmenbedingungen des Handelns festgelegt werden. Der Versuch, über den Erlaß von Ordnungen in Wirtschaft und Alltag der Untertanen einzugreifen, hatte seinen Ursprung bereits in vorreformatorischer Zeit 106 - wenigstens begünstigt wurde er durch die Möglichkeit rascher und normierter Verbreitung mithilfe des Buchdrucks -, 1 0 7 sollte nun aber besondere Bedeutung für die konfessionelle Formierung gewinnen. 1 0 8
3.2.1
Religionsmandate als Instrumente von Reform und Konfessionalisierung in der Markgrafschaft Burgau
Insbesondere Erzherzog Ferdinand II. (1564-1595) hatte in Fortsetzung der Politik seines Vaters' 0 9 eine Fülle von Mandaten und Verordnungen erlassen, die das religiöse Leben der Untertanen reglementieren sollten: allgemeine Religionsmandate und Fastenmandate, Verordnungen, die den Besuch der Gottesdienste, die Feier kirchlicher Jubiläen, die Heiligung der Feiertage, den E m p f a n g des Bußund Altarsakraments, die öffentliche Verehrung des venerabile sacramentum sowie den Verkauf und Erwerb ketzerischer Lektüre betrafen, und schließlich eine Landes- und Polizeiordnung (1573), die unter anderem ebenfalls Fragen des religiösen und kirchlichen Lebens ordnete." 0 Bereits in den späteren Regierungsjahren Ferdinands läßt sich jedoch, speziell für den Erlaß von Fastenmandaten,
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Willoweit, Konfessionalismus, S. 229f. Alle Mandate Erzherzog Ferdinands II. etwa wurden, „soweit sie etwas allgemeinerer Natur waren und nicht allein Individuen oder ganz kleine Kreise und beschränkte Verhältnisse betrafen", gedruckt ausgegeben (Hirn, Ferdinand II., Bd. 1, S. 166). Willoweit, Konfessionalismus, S. 233. Hirn, Ferdinand II., Bd. 1, S. 161. Mit zahlreichen Nachweisen - die Mandate sind in der Regel im Bestand ,Causa Domini' des T L A überliefert - Hirn, Ferdinand IL, Bd. 1, S. 166-182, zur Landes- und zur Polizeiordnung S. 175,218-220.
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Fallstudien
eine abnehmende Frequenz feststellen.111 Als Nachfolger Ferdinands - nach der zwischenzeitlichen Regierung Tirols und der Vorlande durch Kaiser Rudolf II. von Prag aus - veröffentlichte dann Erzherzog Maximilian III. (1602-1618) von Anfang an signifikant weniger Religionsmandate 112 - ein Befund, der sich im Blick auf die Markgrafschaft Burgau bestätigen und auf die nachfolgenden Regenten des Untersuchungszeitraumes ausdehnen läßt. Die Zahl der erlassenen Ordnungen ist dabei kein Gradmesser für die Effizienz katholischer Reform und Konfessionalisierung, denn Mandate und Verordnungen sind vorderhand normative Texte - mit allen interpretatorischen Problemen dieser Quellengattung: Ob sie ihre intendierte Wirkung auch erreichten, ist jeweils zu prüfen, doch sind grundsätzliche Bedenken von vornherein berechtigt. Die Vebreitung eines Mandats war unter den geographischen Voraussetzungen - das gilt in besonderem Maß für das gebirgige Tirol mit seiner Siedlungsstruktur - 113 und verkehrstechnischen Bedingungen ein logistisches Problem." 4 Der effizienten Veröffentlichung von Religionsmandaten von den Kanzeln der Kirchen herab stellte sich nicht selten der Klerus unter Verweis auf die Wahrung kirchlicher Rechte entgegen,115 obwohl gerade die Geistlichen vor Ort auch bei der Kontrolle der Bestimmungen mangels einer entsprechenden Infrastruktur der herrschaftlichen Verwaltung eine wichtige Funktion hätten übernehmen müssen.116 Einer Sanktionierung von Verstößen, so sie denn also der herrschaftlichen Verwaltung überhaupt bekannt wurden," 7 standen dann weitere Schwierigkeiten entgegen:
' " Hirn, Ferdinand II., Bd. 1, S. 170, vermutet als Ursache, daß die Erinnerung an den Inhalt der stets mehr oder minder im selben Wortlaut erlassenen Fastenmandate zu einem Automatismus der Geistlichen geworden sei. 112 Hirn, Maximilian, Bd. 1, S. 251-153, 256. 113 Das tirolische Seefeld etwa war vom zuständigen Pfleger von Hörtenberg nur in einem mehrstündigen Ritt erreichbar (Hirn, Maximilian, Bd. 1, S. 171). 114 K. Müller, Gesandtschaftswesen; Press, Erblande; ders., Vorderösterreich, S. 5; allgemein für Vorderösterreich E. Reinhard, Wege. 115 Vgl. etwa für Tirol den Widerstand des Bischofs von Brixen (Hirn, Maximilian, Bd. 1, S. 178). Selbst Kardinal Andreas bestritt als Bischof von Konstanz für die Vorlande seinem Vater, Erzherzog Ferdinand II., die landesfürstliche Kompetenz, religiöse Mandate im Bereich seines Bistums zu erlassen und machte sich in diesem Punkt „zum energischen Anwalt kirchlicher und bischöflicher Rechte" (Stievermann, Vorlande, S. 270). - In Günzburg etwa weigerte sich 1566 der Pfarrer, den landesfürstlichen Anordnungen zu Gebet und Gottesdienst wegen der Türkengefahr zu entsprechen (StAA, VÖ, Lit. 648, 1566 Dezember 4, fol. 352r). 116 Das gilt besonders für den Versuch, die Erfüllung der Beicht- und Kommunionpflicht durch Beichtzettel und -register, die von den Geistlichen ausgestellt bzw. gefuhrt werden sollten, zu kontrollieren (Hirn, Maximilian, Bd. 1, S. 178f.). 117 Ein Mandat Erzherzog Ferdinands von 1581 Januar 28 (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 9) etwa klagt darüber, daß trotz des wiederholten Befehls, die Beicht Register von den Pfarrer vnd Seelsorgern [zu] erfordern/ vnd vns dieselben neben aigentlicher anzaigung/ welche die schuldige gehorsame gelaist/ oder nit, zukommen zu lassen, der Großteil der nachgesetzten Obrigkeiten der Aufforderung nicht nachgekommen sei. - Beichtregister sind im TLA nur
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Politik
Z u m T e i l s a h e n sich B e a m t e b i s w e i l e n s e l b s t in K o n f l i k t m i t d e n e r h o b e n e n k o n fessionellen Forderungen oder waren für Korruption nicht unempfänglich,"8 aber a u c h so g a b e s v i e l f ä l t i g e M ö g l i c h k e i t e n , e t w a d u r c h d i e E i n g a b e v o n P e t i t i o n e n , e i n e r b e r e i t s v e h ä n g t e n S t r a f e f u r l ä n g e r e Z e i t o d e r a u c h v o l l s t ä n d i g zu e n t g e hen. 1 1 9 Mit
desto
größerer
Skepsis
ist d i e
Bedeutung
von
Religionsmandaten
und
-Verordnungen für die konfessionelle K o n s o l i d i e r u n g der M a r k g r a f s c h a f t Burgau z u b e w e r t e n : Z u n ä c h s t ist a l s q u a n t i t a t i v e r B e f u n d f e s t z u h a l t e n , d a ß - n a c h A u s w e i s d e r e i n s c h l ä g i g e n r e g i o n a l e n B u c h s e r i e - 1 2 0 g e m e s s e n an d e r F ü l l e d e r v o m L a n d e s h e r r n für die vorder- und oberösterreichischen L a n d e erlassenen Verordnungen nur eine verschwindend geringe Zahl von Mandaten mit religiöser Thematik das b u r g a u i s c h e O b e r a m t als Adressat ü b e r h a u p t erreichte oder erreichen sollte. A u s e i n e m U n t e r s u c h u n g s z e i t r a u m v o n n a h e z u e i n e m J a h r h u n d e r t ist m i t S i c h e r h e i t n u r f ü r g a n z e drei M a n d a t e - a u s d e n J a h r e n 1563, 1566, 1 6 0 9 - ihre Veröffentlichung nachweisbar, w e n n auch eine Reihe indirekter E r w ä h n u n g e n auf e i n e t a t s ä c h l i c h g r ö ß e r e A n z a h l p u b l i z i e r t e r M a n d a t e s c h l i e ß e n läßt. 1 2 '
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von tirolischen Herrschaften überliefert und wohl auch nur in Tirol angelegt worden (vgl. Hirn, Maximilian, Bd. 1, S. 178). Vgl. etwa den bei Hirn, Maximilian, Bd. 1, S. 179, geschilderten Fall. Him, Maximilian, Bd. 1, stellt beim Vergleich des Wortlautes der Mandate mit dem „wirklichen Verfahren" lapidar fest, „daß der Text der Praxis weit vorausgeeilt" sei (S. 199-201, Zitat S. 199). - Am ehesten noch war die „Durchdringung des Beamtenapparats" (Schlögl, Differenzierung, S. 256) ein Erfolg landesherrlicher Mandatierungspraxis. Eine Gesamtbewertung ihrer Leistungen ist jedoch unabhängig von der Frage der Wirksamkeit nicht sinnvoll, zumal wenn das Mandat als Medium „politischefr] Integration, die nicht nur mediate Herrschaftsträger, sondern ,Untertanen' zu erfassen suchte", begriffen wird. Das „Buch Burgau" (TLA, VÖ, Lit. 647-656) erfaßte idealiter den Briefauslauf der Innsbrucker Behörden nach Günzburg. Die Ausfertigung zweier weiterer Religionsmandate 1586 und 1596 für die Günzburger Beamten wurde zwar von der Regierung in Innsbruck behauptet, doch waren 1607 trotz entsprechender archivalischer Recherche der burgauischen Amtleute weder die Mandate selbst noch eine Nachricht über sie auffindbar: 1607 Juli 30 (StAA, VÖ, Lit. 653, fol. 68 r ) wandte sich die Innsbrucker Regierung an die burgauischen Amtleute wegen Einreissung Sectischer Religion in den fleckhen Pferschen, Burckhwalden vnd Poxsperg in der Marggrafschafft Burgaw und forderte die Beamten unter anderem auf, daß Ir [...] bey den Ambtsschrifften mit fleuß nachsuechet, Ob vnd waßgstalt die Anno 86 so wol 96 den vorigen vnd Jungstgewesnen Beambten vberschickhte Religions Mandaten durch Sy den Insessen vnd begüetteten der Marggrafschafft Burgaw insinuiert. Ob Sy auch von Inen allen angenomen vnd in lr Jedes fleckhen vnd Innhabungen öffentlichen publiciert oder auch von etlichen aus Inen vnd welchen berüerte Religions Mandaten anzunemen verwidert vnd was gegen denselben darüber fürgenomen worden [...]. Die Amtleute sahen sich jedoch zur Erteilung der gewünschten Auskunft außerstande, da auch vber vilfeltigs nachsuechen bej den Ambtsschrifften [...] vberal khein bericht oder gewäxelte schreiben zuebefmden waren. Lediglich war ein den 13. Aprilis Anno 1587 gethruckhts Mandat sambt einer, den 16. Decembris Anno 1586 gethruckhten Instruction vnd Ordnung, die Khinderzucht betreffendt, bej Doctor Plöbsten schrifften gefunden worden, jedoch vf waß weiß aber solliche insinuiert oder in Effectum
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Fallstudien
Selbst wenn man jedoch indirekte Hinweise auf weitere Mandate und grundsätzliche Erwägungen zum Verhältnis von Auflagenstärke und Überlieferungswahrscheinlichkeit' 22 in Rechnung stellt und die tatsächliche Zahl veröffentlichter Religionsmandate höher veranschlagt, bleibt die geringe Publikationsdichte frappant und verlangt nach Klärung. Die wesentliche Ursache dafür dürfte im rechtlich problematischen Verhältnis der habsburgischen Regenten zu den Insassen der Markgrafschaft zu erkennen sein - hierin deckt sich der Befund mit den Bedingungen für die Handhabung der Religionsgesetze in den Vorlanden überhaupt:123 Die burgauischen Amtleute, die 1607 um ihr Gutachten wegen einer geplanten Verordnung zum Aufenthalt österreichischer - katholischer - Untertanen an evangelischen oder bikonfessionellen Orten gebeten wurden, sahen für eine erfolgreiche Verwirklichung des Vorhabens von vornherein wenig Chancen, da im Unterschied zum Herzogtum Bayern oder zur Fürstlichen Grafschaft Tirol, alda alles ein Aigenthumb, [...] in der ganzen Marggrafschajft wir mehrer nit aigenthumblich haben alß beede Stött Günzburg vnd Burgaw vnd dann die zwen Fleckhen Scheppach vnd Hochenwang. Dann vorige Stött, Marckht, Fleckhen vnd Dorff er samentlich den Ingesesßnen vnd Begieteten zugehören vnd wir denselben wenig zueschaffen haben. Würde nun Erzherzog Maximilian dergleichen vorhaben an Sye, Innsässen, alß Landtsfürst begeren, würden die Insassen alßbalden darwider Excipiern vndIr F.D. fir khein Landtsfürsten erkhennen. Die von den Beamten bündig formulierte rechtliche Konstellation in der Markgrafschaft ließ also bereits die Insinuation österreichischer Mandate in insassischen Herrschaften problematisch erscheinen, weil sie als Anerkennung landeshoheitlicher Ansprüche hätte interpretiert werden können. Ein Scheitern der Mandatierung in diesen Gebieten wäre demnach kontraproduktiv, weil es der landesfürstlichen Authoritet [...] abbrichig sein müßte und daraufhin die Insassen, alß
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gezogen, darbej nit befanden (TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt.XV, Lg. 3, Nr. 2, 1607 Oktober 25). Die Instruktion zur Handhabung des Mandates von 1609 September 7 wegen des Aufenthaltes österreichischer Untertanen an Orten mit evangelischem oder gemischtem Bekenntnis (die Instruktion in TLA, Causa Domini, 1609 September 7) nennt dann zwei Mandate von 1586 Januar 3 und 1596 Oktober 21 als inhaltliche Vorläufer des Mandats von 1609. Wegen derselben Thematik könnte es sich dabei möglicherweise um die fraglichen Mandate aus den genannten Jahren handeln. - Eine Veröffentlichung von burgauischen Mandaten unbekannten Inhalts in Roggenburg, Ursberg und Wettenhausen wird darüber hinaus in einem Streit mit Wettenhausen erwähnt (StAA, VÖ, Lit. 647, 1562 August 6, fol. 592v). - Für 1630 oder 1631 ist ohne Angabe des Datums im Burgauer Kopialbuch (StAA, VÖ, Lit. 655, fol. 383v) auf ein Mandat wegen schweren, fluchen vnd schelten lediglich verwiesen, das im 20ten Buech Tyrol fol. 29, 30 zu finden sei, ebenso für 1636 mit dem Verweis auf lib. 20 Tyrol, fol. 628 (StAA, VÖ, Lit. 655, fol. 603v). Man geht von einem auf den ersten Blick paradoxen indirekten Verhältnis aus: Je größer die Auflagenstärke einer Flugschrift oder Massenpublikation ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit ihrer Überlieferung. Hirn, Ferdinand II., Bd. 1, S. 203f.
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die ohne das der Marggrafschafft starckh zuesezen, sich erst muetiger vnd widersezlicher erzaigen möchten}24 Die Befürchtungen der Beamten in Günzburg waren dabei nicht aus der Luft gegriffen, sondern beruhten auf entsprechenden Erfahrungen. Gleichgerichtete konfessionelle Interessen hatten sich bereits in der Vergangenheit gegenüber den verfassungsrechtlichen bzw. politischen Sensibilitäten als nachrangig erwiesen. So weigerte sich 1563/64 der Propst des Chorherrenstiftes Wettenhausen, in seiner Herrschaft ein österreichisches Religionsmandat zu veröffentlichen, das sich gegen das Auslaufen zur evangelischen Predigt und den Besitz ketzerischer Bücher wandte. Das an Landvogt, Rentmeister, Landammann, Schultheissen, Bürgermeister, Richter, Räte, Gemeinden und alle habsburgischen Untertanen in der Markgrafschaft Burgau gerichtete Mandat besaß einen aktuellen Anlaß in der Reformation bzw. Rekatholisierung des Dorfes Unterrohr, einer Herrschaft der Ulmer Besserer. Es war nach Vertreibung des dortigen Prädikanten 1563 Juli 19 von der burgauischen Administration angeregt worden, um das Auslaufen der Untertanen aus Unterrohr zu unterbinden, die vormals die Predigt im Heimatdorf besucht hatten. Die dringende Berechtigung dieser Verordnung hätte gerade dem Wettenhauser Propst einsichtig sein müssen, denn das Wirken des evangelischen Prädikanten im benachbarten Dorf Unterrohr hatte j a die Attraktivität protestantischen Gedankengutes erst jüngst in unmittelbarer Nähe des Stiftes erwiesen.' 2 * Dennoch lehnte der Propst die Veröffentlichung der Verordnung ab und begründete seine Weigerung damit, daß das Mandat nit auf Ine oder auch auf die vom
Adl, welchen vnd der freien Ritterschafft vnd Adl im Lannd zu Schwaben sein Gotshaus Ie vnd Allwegen eingeleibt vnd zuegethan gewesen sein solle, laute,126 daß es vielmehr so tituliert sei, als wäre der Herrschaftsbereich des Stiftes Teil des Amtsbezirkes des burgauischen Landvogtes, mithin landsässiger Teil der Markgrafschaft Burgau. Die Veröffentlichung von Mandaten war im übrigen bereits vor dieser Auseinandersetzung zum Politikum zwischen der Markgrafschaft und dem Augustinerstift geworden: Schon 1562 hatte sich der Propst geweigert, ihm von Günzburg überschickte Mandate unbekannten Inhalts in seinen Dörfern zu veröffentlichen. 127 Damals wie auch im Fall des Religionsmandates von 1563/64 wurden die
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TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt.XV, Lg. 3, Nr. 2, 1607 Oktober 25. Kap. Β. II. 2. - Das Mandat war letztlich auf Anregung des Landvogtes (StAA, VÖ, Lit. 648, 1563 September 30, fol. 82 v ; vgl. TLA, KKW, Α/Ε XIII/2, 1563 September 30) von Kaiser Ferdinand I. 1563 November 13 erlassen worden (eine Abschrift des gedruckten Mandates in StAA, VÖ, Lit. 648, 1563 November 13, fol. 90*). Die burgauischen Beamten erhielten 31 Exemplare mit dem Befehl zugesandt, daß Ir [...] an orten vnd Enden, da Ir [es] von nöten zesein vermaint vnd von alters herkhomen vnd gebreuchig gewesen, [sie] Publiciern vnd anschlagen lasset vnnd ob denselben alles Ernnsts haltet (StAA. VÖ, Lit. 648, 1563 November 23, fol. 89r). StAA, VÖ, Lit. 648, 1564 Februar 24, fol. 115\ StAA, VÖ, Lit. 647, 1562 August 6, fol. 592 v .
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Fallstudien
burgauischen Beamten daraufhin von der Innsbrucker Regierung gehalten, die Mandate selbst anzuschlagen und den, der sie entfernen würde, beim Betreten des burgauischen Obrigkeitsbereiches - gemeint sind Orte, in denen der Markgrafschaft auch die niedergerichtliche Obrigkeit zustand - zu bestrafen.128 Über den Vollzug dieser praktisch kaum zu sanktionierenden Bestimmung finden sich allerdings keine Nachrichten.
3.2.2
Die Praxis der Mandatierung in Günzburg und ihre konfessionalisierende Wirkung
Von der grundlegenden Problematik her, die sich aus der strittigen Frage der Landeshoheit in der Markgrafschaft Burgau ergab, wird es begreiflich, wenn sich Handhabung und nachprüfbarer Erfolg der Mandatierung mit Günzburg im wesentlichen auf einen Ort beschränkten, dessen Zugehörigkeit zur Markgrafschaft unstrittig war und der durch die Präsenz der Amtleute ohnehin einer wirkungsvolleren Kontrolle unterlag. Den Erlaß von Mandaten und Verordnungen durch die habsburgischen Landesherrn nicht als Beitrag zu einer die ganze Markgrafschaft umfassenden Religionspolitik, sondern lediglich in seiner Wirksamkeit für das religiöse und politische Leben Günzburgs zu würdigen bezieht von diesem Befund her seine innere Berechtigung. In zwei Fällen lassen sich Mandate als Grundlage effizienter religionspolitischer Maßnahmen in Günzburg ausmachen, wobei im einen Fall die Ahndung eines (angeblichen) Verstoßes gegen den Inhalt einer Verordnung, im anderen Fall die Institutionalisierung eines Überwachungssystems für Günzburger Untertanen in unkatholischen Städten aufgrund eines Mandates jeweils die Wirkung oder Wirksamkeit der Mandatierung belegt: (1) Im Oktober 1566 erfuhren Bürgermeister und Rat die Kritik der oberösterreichischen Regierung, da den Bestimmungen einer Verordnung wohl desselben Jahres in Günzburg nicht nachgekommen werde.129 Das im gesamten Herrschaftsgebiet Erzherzog Ferdinands II. erlassene Mandat, das auch dem Günzburger Rat zuegebracht vnnd vberanntwurt worden war, hatte zur Abwendung der Türkengefahr die Anordnung täglicher gemainer Gebett vnnd Zaichen leutten, Auch haltung vnnd besuechung wochenlicher Kirchgenng, processionen vnnd Gottsdiennst getroffen.130 Den Vorwurf, daß solchen Manndat vnnd beuelchen bey Euch zu Günnzburg wenig gehorsame gelaist, wies die Stadt jedoch umgehend zurück: Nicht sie seien für die Unterlassung der angeordneten Gebetsübungen und Gottesdienste verantwortlich, vielmehr habe sich ihr Pfarrer hierinnen auf sein Gaystliche Obrigkhait 128 129 130
StAA, VÖ, Lit. 648, 1564 Februar 24, fol. 115v. StAA, VÖ, Lit. 648, 1566 Oktober 31, fol. 343 v . Allgemein zu dieser Art Mandate Hirn, Ferdinand II., Bd. 1, S. 173f.
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gewaigert. Die burgauischen Beamten werden daraufhin ersucht, den Geistlichen zur Befolgung des Mandates anzuhalten, 131 doch scheint das Problem einige Monate später noch immer bestanden zu haben; auch war man weiterhin, trotz gegenteiliger Versicherungen, von der Mitverantwortlichkeit des Stadtrates überzeugt: Ein Gutachten der Regierung für Erzherzog Ferdinand vom Frühjahr 1567 setzt sich erneut damit auseinander, daß in der Stadt die Gottsdienst vnnd Creutzgeng schlechtlichen vnnd nit mit solchem fleis vnd andacht besuecht werden, wie es pillichen sein solte. Darüber hinaus werde der Sonntag und speziell die Zeit des Gottesdienstes nicht in der geforderten Weise geheiligt, sondern vnder dem Gottsdienst Inn den Wiertsheusern an Sontägen alle vnzucht getriben vnd gleich selbiger zeit die wein [!] von der Thonaw Inn die Statt hinein gefiiert. Schuld daran seien der pfarrherr vnnd die Obrigkhait, das Sy solches also zuesehen vnd die vnnderthanen nit dahin halten. Städtische Obrigkeit und Stadtammann sollen daher unter Androhung von Strafe zur Abstellung der beklagten Vorgänge aufgefordert werden. 132 Das Mahnschreiben der Innsbrucker Regierung an Bürgermeister und Rat in Günzburg und ihr späteres Gutachten an Erzherzog Ferdinand II. geben Aufschluß über die Funktionsweise der Mandatierungspolitik: Verstöße gegen die Bestimmungen von Mandaten und Verordnungen zu verfolgen oblag Bürgermeister und Rat der Stadt; sie wurden aufgefordert, die vbertretter ohne Ansehen der Person one alle Verschonung mit Ernnst zu strafen. Ihrerseits drohte die Regierung damit, andernfalls solcher farlässigkhait vnnd vngehorsam halben gegen den städtischen Magistrat mit straff zuuerfaren.m (2) Über lange Jahre, jedenfalls bis 1626, läßt sich - bis in Einzelheiten vor allem für Günzburg, aber punktuell auch für andere Orte der Markgrafschaft - die Wirkung eines Mandates von 1609 September 7 beobachten. 134 Das Mandat suchte den Problemen zu begegnen, die sich aus dem Aufenthalt österreichischer, mithin katholischer Untertanen an Orten fremder Landeshoheit für deren Glaubenstreue ergeben konnten und gehört zu den bereits im 16. Jahrhundert „bei den meisten Fürsten" üblichen Versuchen, ein „Abschließungssystem" gegen fremden konfessionellen Einfluß zu errichten. 135 Die Intention der Verordnung lag, wie grundsätzlich bei allen Religionsmandaten, 136 in der Verantwortung der Obrigkeit umschrieben mit Landtsfiirstlicher, Ja Väterlicher fursorg - 1 3 7 für das Seelenheil
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StAA, VÖ, Lit. 648, 1566 Dezember 4, fol. 352 r . TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (1), 1567 April 16. - Hirn, Ferdinand II., Bd. 1, S. 173f., erwähnt den Fall als Beispiel fur das Durchgreifen des Landesfursten. StAA, VÖ, Lit. 648, 1566 Oktober 31, fol. 343 v . TLA, Causa Domini, 1609 September 7. Hirn, Ferdinand II., Bd. 1, S. 203. Willoweit, Konfessionalismus, S. 240. StAA, VÖ, Lit. 653, 1615 Dezember 12, fol. 4 1 Γ .
360
Fallstudien
ihrer Untertanen - umschrieben mit nutz vnd gewihn viler lieben seelen -138 begründet. Die zugehörige Instruktion für die mit der Veröffentlichung betrauten Beamten nennt als Vorläufer Mandate von Erzherzog Ferdinand II. (1586 Januar 3) und Kaiser Rudolf II. (1586 Oktober 21), die es den Untertanen untersagt hatten, ihre Kinder/ Freundt/ Verwohnten vnd anbeuolhnen an vncatholische ort zum studiern/ lehmen oder anderm thuen zu schicken. Das Mandat Maximilians III. von 1609 war jedoch keine schlichte Neuauflage, weil man nur die vorangegangenen Verordnungen an etlichen orten schlechtlich in acht genommen hätte.139 Vielmehr griff es als Anregung und Vorbild ähnliche, aber hinsichtlich der praktischen Umsetzung wohl elaboriertere Regelungen Bayerns140 und des Hochstifts Augsburg141 auf, deren Praktikabilität im Vorfeld des Erlasses in einer regelrechten Diskussion österreichischer Stellen kontrovers beurteilt worden war.142 138 139 140
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TLA, GR, A/E, 1608 März 2. TLA, Causa Domini, 1609 September 7. Ein 37seitiger Druck (TLA, GR, A/E, 1608 März 2; Anlage), der in aller Ausführlichkeit regelt, Welcher massen der Catholischen Herrschafften vnnd Obrigkheiten Vnterthanen/ so lernens- dienern- Handwercktreibensoder anderer Vrsachen halber sich ausser jhrer Herrschafften Land vnd Gebiet in Augspurg befinden/ bey Catholischer Religion zuerhalten. Item/ was eben zu disem Gottseligen End/ mit denen Vnterthanen diser Zeit fürzunemmen/ die sich nicht zu Augspurg/sondern an andern Orthen auß obgemelter Vrsachen auffhalten, dient als Grundlage für die Diskussion über Aufrichtung und Inhalt des österreichischen Mandates und ist ziemlich sicher bayerischer Provenienz. Unter den Sex mittel[n] zu vorstehendem Werck hoch dienstlich wird darin auch die Notwendige Bestellung eines Agenten geregelt, dem die Kontrolle der Landeskinder in der bikonfessionellen Stadt obliegt (Kap. Β. II. 3. Anm. 147). - In Bayern sind seit 1597 Beichtzettel bezeugt, deren Eingang zu kontrollieren dem Geistlichen Rat in München oblag (Stiewe, Polizeiregiment, S. 54; Huber, Beichtzettel, S. 190). Bischof Heinrich hatte 1600 das Verbot des Besuches evangelischer Schulen durch seine Vorgänger auf Handwerkslehrlinge ausgedehnt. Die Bestimmungen waren den bayerischen und den nachmals österreichischen ganz vergleichbar (Schmidlin, Zustände, S. 48). Religionsagenten wurden mit dem bekannten Aufgabenfeld 1608 in Augsburg mit Bernhard Durst und 1611 in Kaufbeuren mit Andreas Retter gefunden. Darüber hinaus waren Agenten auch in Memmingen, Dillingen, Füssen und verschiedenen Pflegämtern verpflichtet worden (Spindler, Heinrich V. Reformarbeit, S. 58f., vgl. S. 114-117, den Abdruck der Instruktion für die Religionsagenten, allerdings aus dem Jahr 1625). 1607 Juni 27 übersandte Erzherzog Maximilian III. der Regierung in Innsbruck einen gedruckten (als Anlage zu seinem Schreiben nicht überlieferten) bericht über die Förderung der katholischen Religion bei Untertanen, die sich in Augsburg aufhielten und aus umliegenden bayerischen Orten stammten. Diese Verordnung werde, so Maximilian, von Bayern bereits mit Erfolg praktiziert. Er ersuchte die Regierung um ein Gutachten, zu dem auch Dr. Georg Wagners, alß der diser Sachen bössere wissenschafft hat, Meinung eingeholt werden sollte, ob vnd wellicher gestalt wir nun solliches werckh besonders mit den Burgawischen vnderthanen, dern zu bemeltem Augspurg ein grosse anzal sich befunden sollen, gleichermassen anzustellen begern (TLA, GR, K/A, 1607 Juni 27). Der fragliche bericht könnte mit einem undatierten 37seitigen Druck identisch sein, von dem ein Exemplar als Anlage einem Schriftwechsel zwischen Marx Fugger und Erzherzog Maximilian beigegeben ist (TLA, GR, A/E, 1608 März 2). Die oberösterreichische Regierung ersuchte daraufhin die burgaui-
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sehen Amtleute (StAA, VÖ, Lit. 653, 1607 Juli 30, fol. 68 r ; Mahnung, das geforderte Gutachten zu übersenden ebd., 1607 September 26, fol. 8 Γ ; zweite Mahnung ebd., 1607 Oktober 13, fol. 86 r ) und Dr. Georg Wagner (ebd., 1607 Juli 2 [richtig wohl: August 2], fol. 93') um ihre Gutachten über die Verordnung des bayerischen Herzogs, Ob nit auch dergleichen Ordnungen mit den vnnderthanen, so wol der Innsessen vnd begüetteten, alls annderer orten der Marggrafschafft Burgaw, auch mit was gelegenhait vnd auf was mitl vnd weeg fiirzunemen vnd anzurichten sein möchle (ebd., 1607 Juli 30, fol. 68r). Ein Schreiben der Innsbrucker Regierung an den Geheimen Rat (TLA, GR, A/E, 1607 August 14) meldete das von Dr. Wagner geforderte Gutachten mittlerweile als eingegangen, für ein eigenes Gutachten müsse man jedoch die Meinung der burgauischen Beamten noch abwarten. In ihrer Stellungnahme (TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1607 Oktober 25) beurteilten die burgauischen Amtleute (Landvogt Ulrich von Stotzingen, Rentmeister Isaak Han und Dr. Cyriak Renz) die Möglichkeiten einer Adaption der bayerischen Verordnung aus mehreren Gründen skeptisch: Einem gemeinsamen Vorgehen aller Insassen stünden von vornherein verfassungsrechtliche Bedenken der Insassen entgegen, weil sie befürchteten, mit der Insinuation eines habsburgischen Mandates die Ansprüche des Erzherzogs auf Landeshoheit über ihre Gebiete anzuerkennen. Dieses grundsätzliche Problem einmal hintangestellt, ergäbe sich eine Reihe von Schwierigkeiten der praktischen Umsetzung, die in der konfessionellen Struktur bzw. der wirtschaftlichen Verflechtung der Markgrafschaft mit ihrem Umland begründet lägen: Rein evangelische Städte und Territorien - genannt werden Ulm, Löningen, Gundelfingen, Pfalz vnd Wirtemberg - lägen für die Untertanen teils näher als das gemischtkonfessionelle Augsburg, auf das sich die Regelungen des Mandates ja konzentrieren sollten. Wirtschaftliche Zwänge - die Armut der Eltern und Vormünder - ließen es oft nicht zu, an die Wahl eines Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes auch noch konfessionelle Maßstäbe anzulegen, man sei vielmehr froh, die Kinder überhaupt ab dem Halß vnd Brott zu haben. Die Vorschrift des Mandates, wenn schon keinen evangelischen Ort, so doch wenigstens das bikonfessionelle Augsburg aufzusuchen, könne den armen Untertanen nicht zugemutet werden. Im übrigen wiesen die Amtleute auf die mit der Bestellung eines Religionsagenten in Augsburg verbundenen Kosten hin. Vor dem Hintergrund dieser Probleme formulierten die Beamten im Grunde drei unterschiedliche Handlungsoptionen, die jedoch nur das grundlegende verfassungsrechtliche Problem zu vermeiden oder zu überspielen suchten: Den Erlaß des Mandates könne man auf die Orte Günzburg, Burgau, Scheppach und Hochwang beschränken und damit einem Streit um landeshoheitliche Rechte aus dem Weg gehen; man könne wenigstens auf die Kooperation der katholischen Insassen Bischof, Prälaten, Fugger werden genannt - hoffen, also versuchen, rechtliche bzw. politische Hindernisse durch konfessionellen Konsens zu überspielen; und man könne schließlich versuchen, vorderhand den österreichischen Landesherrn nicht als Initiator und Koordinator in Erscheinung treten zu lassen, sondern durch mittel personen bei den Insassen eine Ordnung aufrichten zu lassen, die der Erzherzog dann nur ratifizieren solle. Das Gutachten der burgauischen Administration fand dann Eingang in das - nur durch das Regest des Einlaufjournals ausgewiesene - Guetbedunckhen der oberösterreichischen Regierung für den Geheimen Rat Erzherzog Maximilians (TLA, GR, A/E, 1607 Dezember 24). - Die Bedenken der Günzburger Beamten führten indes nicht zu einer Abkehr von dem Vorhaben, das Mandat wurde wenigstens teilweise auch den Insassen insinuiert. Eine Liste devianter Untertanen von 1626 (StaAGü, Urk. 5.237, 1626 Juni 1) führt jedenfalls neben Personen aus Günzburg, Burgau und Scheppach auch zwei aus Aretsried und Ziemetshausen auf. Beide Orte gehörten zur Herrschaft Seifriedsberg, die sich zu diesem Zeitpunkt im Besitz Hans Ernst und Ottheinrich Fuggers befanden; in Aretsried hatte der Markgraf übrigens das Ius praesentandi inne (vgl. TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 7, Nr. 1). - Mit den ersten konkreten Schritten zur Durchführung der Verordnung wurde dann 1608 Februar 8 Marx
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Fallstudien
Adressaten der Instruktion zur Handhabung der Verordnung waren zwar die Beamten der Ober: vnd Vorder= Osterreichischen Landen, doch hatte man von Anfang an in erster Linie die Situation in der Markgrafschaft Burgau, vielleicht noch in der Landvogtei Schwaben143 im Blick, denn die Bestimmungen nehmen dezidiert und detailliert Bezug auf den Aufenthalt österrreichischer Untertanen im diesen Landesteilen nahegelegenen Augsburg. Was fordert nun das Mandat von den österreichischen Untertanen im einzelnen und mit welchen Mitteln versucht es, den Erfolg der Vorschriften zu sichern? Daß Kinder zu Ausbildung in Schule und Beruf Orte aufsuchen, an denen das freye vnnd offendtliche exercitium der Catholischen Religion nicht zugelassen ist, bleibt nach wie vor untersagt; wer sich an solchen Orten befindet, hat binnen zweier Monate seinen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz zu wechseln. Während der Aufenthalt an Orten österreichischer Landeshoheit ohne bürokratische Konsequenzen bleibt, ist ein für ein halbes Jahr oder länger geplanter Wechsel an einen Ort fremder Landeshoheit bei der heimischen Obrigkeit vmbständigklich vnd vnnachläßlich anzuzaigen. Wo am Ausbildungs- oder Arbeitsort einem eigenen österreichischen Religionsagenten - wie in Augsburg - oder einem vom Bischof beauftragten Geistlichen die Verwaltung und Obsorge der fremden Landeskinder übertragen ist, haben sich die österreichischen Untertanen bei diesem registrieren zu lassen. Da das Mandat - nach kirchlicher Tradition - im mindestens jährlichen Empfang des Büß- und Altarsakramentes einen Beweis - nunmehr konfessioneller Rechtgläubigkeit sieht,'44 werden die Untertanen aufgefordert, von den Beichtvätern als Nachweis auszustellende Zettl oder Vrkundt entweder in Augsburg dem Religionsagenten, anderswo dem damit beauftragten Geistlichen oder aber, wo weder Agenten noch Priester beteilt sind, selbst direkt der heimischen Obrigkeit einzureichen.145
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Fugger von Erzherzog Maximilian beauftragt. Mit dem Augsburger Notar Bernhard Durst (zu ihm Hirn, Maximilian, Bd. 1, S. 253) bestellte, instruierte und vereidigte er einen Religionsagenten und ersuchte die Günzburger Beamten 1608 Februar 15, die burgauischen Untertanen in Augsburg erst einmal zu erfassen (TLA, GR, Α/Ε, 1608 März 2). Das Mandat an die Untertanen dem von Haimat abwesende Kinder oder Anbeuolhne betreffendt wurde dann samt einer Instruktion an die Beamten jedoch erst 1609 September 7 ausgegeben (TLA, Causa Domini, 1609 September 7). Vgl. die Anregung Marx Fuggers, auch die österreichischen Untertanen in der Landvogtei beim Religionsagenten in Augsburg anzumelden, da nil weniger dero vndterthonen auß der Landtuogtey in Schwaben als auß ermellter Marggrafschafft Burgaw alhie verhannden sein (TLA, GR, A/E, 1608 März 2). Das kirchliche Gebot, wenigstens einmal im Jahr die Beichte abzulegen und wenigstens zu Ostern die Kommunion zu empfangen, wurde bereits vom 4. Laterankonzil (1215) schriftlich fixiert und zu allgemeiner kirchenrechtlicher Gültigkeit erhoben (Denzinger, Kompendium, S. 364). Das Kontrollinstrument des Beichtzettels ist dabei keineswegs eine nachreformatorische bzw. nachtridentinische Erfindung, sondern war bereits Jahrhunderte zuvor von kirchlicher
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Aufgabe des Agenten in Augsburg und der in gleicher Funktion an anderen Orten tätigen Geistlichen war es, neben der gesammelten Übersendung der Beichtzettel an die entsprechende Obrigkeit den Untertanen vor konfessionellem Zwang seiner Arbeitgeber oder Lehrer und Meister in Schutz zu nehmen und ihm jährlich zweimal eine unentgeltliche Bestätigung über die freie katholische Religionsübung auszufertigen, die vom Untertanen jeweils der Obrigkeit in der heimatlichen Herrschaft zuzustellen war. Die dem Mandat beigegebene Instruktion fur die Beamten regelt in ihrem vierten, fünften und sechsten Abschnitt die Sanktionierung, falls ein Untertan der Forderung nach Registrierung oder Beibringung von Beichtzetteln nicht nachkommt: Zunächst sollen in diesem Fall Eltern oder Vormünder zur Einflußnahme auf ihre Kinder oder Mündel veranlaßt werden; im Wiederholungsfall müsse Meldung an den Landesherrn ergehen, dem betroffenen Untertanen aber einstweilen die Ausstellung von Geburtsbriefen, Erbscheinen und Leibsquitturtgen oder Leibzetteln, die die Freiheit von Leibeigenschaft bestätigten, verweigert werden, Dokumente bzw. Urkunden also vorenthalten werden, die etwa für den Erwerb des Bürgerrechtes, eine Heirat oder den Antritt einer Erbschaft vorzuweisen waren. - Analoge Maßnahmen wurden, auch nachweislich, ergriffen, wenn sich ein österreichischer Untertan in einem evangelischen Ort niederließ, an dem die katholische Religionsübung praktisch nicht möglich war.146
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Seite als Möglichkeit entwickelt worden, die Ableistung der Osterbeichte nachzuweisen, wenn diese bei einem anderen Geistlichen als dem grundsätzlich zuständigen Pfarrer abgelegt worden war. Im Unterschied dazu fungierte jedoch der Beichtzettel in nachreformatorischer Zeit als Instrument der weltlichen Obrigkeit (Huber, Beichtzettel, S. 185f.). Leibeigene, die sich an solchen Orten aufhielten, oder deren Kinder, die dort geboren wurden, sollten nicht aus der Leibeigenschaft entlassen werden. Die Innsbrucker Regierung übermittelte den Amtleuten in Schwaben den Befehl Erzherzog Maximilians III., das Ir Jeztgehörter dero gnedigisten Resolution steiff glebet vnd nachkhumet vnd ainichen Osterreichischen, an Sectischen orten wonennden vnderthanen der Leibaigenschafft nit erlasset (StAA, VÖ, Lit. 653, 1610 November 19, fol. 316V). - 1631 soll ein Untertan von Eberstall nach Burtenbach, alß ain Luterisch orth sich begeben haben, wo er sambt weib vnd Khiindern ohne allen Zweifl sich zu der Lutherischen religion oder Kezerei bekhennen müessen. Da die außgangne religions mandata aber in sich halten, das dergleichen Personen von Iren vermügen nichzit solle verabuolgt oder hinaußgelassen werden forderte die Innsbrucker Regierung die Beamten in Günzburg auf, zuberichten, ob ernannter Georg N. mit eurem vorwissen vnd bewilligen nacher Burttenbach gezogen, ob Ime sein vermügen hinaus passiert worden seye vnd was es sonsten mit der Sachen für ain aigentliche beschaffenhait habe (StAA, VÖ, Lit. 655, 1631 November 6, fol. 438'). Die weitere Entwicklung des Falles ist nicht bekannt. - Die Konversion der Eltern konnte sogar für die (katholischen) Nachkommen negative Konsequenzen haben. So schlug der Abt des Prämonstratenserstiftes Ursberg den Söhnen des Sebastian Roth von Billenhausen die Erteilung eines Geburtsbriefes ihres Vaters ab, weil dieser vor vngefahr 19 Jahren auß der Herrschafft sich begeben, seinem Weberhandtwerckh nachgezogen vnd gewandert, auch vnder dessen von dem Wahren, allein seelig machendten, vnserem Catholischen, alten Römischen vnd Apostolischen glauben abgefallen vnd ein andere verdambte lutterischen [!] angenommen (StAA, Kl. Ursberg
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Fallstudien
Entscheidend ist nun die Frage, inwieweit das Mandat von 1609 tatsächlich positive Effekte für die Stabilisierung des katholischen Bekenntnisses in der Markgrafschaft Burgau insgesamt bzw. in Günzburg im besonderen zeitigte und ob es darüber hinaus Bedeutung im Sinne der Konfessionalisierung besaß: Zu würdigen sind dabei zunächst die Tendenzen zur Institutionalisierung und Verstetigung, die sich aus den Ausfuhrungsbestimmungen des Mandats - der Einrichtung einer österreichischen Religionsagentur in Augsburg - 147 und seiner mehr oder minder nachdrücklichen Handhabung durch Innsbruck ergaben.148 Auf der anderen Seite hätten, konsequent befolgt, die Bestimmungen des Mandates für Städte, in denen die katholische Religionsübung, wenn überhaupt, nur sehr eingeschränkt möglich war, zu einer weitgehenden Abschließung des Ausbildungs- und Arbeitsmarktes von den österreichischen Untertanen des Umlandes führen müs-
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Lit. 38, Protokolle des Stiftsamtes, 1618 Septemer 18, 123). - Zum Fall des Schusters Hans Mötz unten ausfuhrlich Kap. Β. II. 3.4.2. 1608 wird als Religionsagent der Augsburger Bürger und Notar Bernhard Durst verpflichtet (TLA, GR, A/E, 1608 März 2), der für seine fleißige Vigilanz Lob und Belohnung von Erzherzog Maximilian erhält (Hirn, Maximilian, Bd. 1, S. 253). Nachdem Durst, der gleichzeitig seit 1608 als Augspurgisch Bischofflicher Agent tätig war, seiner dienst erlassen worden war (ein Grund wird nicht genannt), bewarb sich als Nachfolger der Notar Thomas Walbach, der 1619 angestellt wurde. Das Durst bezahlte Gehalt von jährlich 40 fl. - zum Vergleich: der Augsburger Bischof bezahlte ihm fur seine Tätigkeit 150 fl. (Spindler, Heinrich V. Reformarbeit, S. 58) - wurde auf Anregung des Rektors der Augsburger Jesuitenschule St. Salvator auf 50 fl. erhöht, weilen es allain vmb zehen gulden mer zuthuen (TLA, GR, A/E, 1619 Januar 7). Walbach war mindestens bis 1626 als österreichischer Religionsagent tätig (StaAGü, Urk. 5.237, 1626 August 18). Mit der Instruktion und Vereidigung des Religionsagenten waren als erzherzogliche Kommissare 1608 Marx Fugger (TLA, GR, A/E, 1608 März 2), 1619 dessen Vetter Hans Ernst Fugger (TLA, GR, K/A, 1619 Juni 26) betraut worden. Ob die Religionsagentur während des Dreißigjährigen Krieges weiterhin bestand, ist nicht bekannt, in den Jahrzehnten danach und bis ins 18. Jahrhundert hinein wurde die Stelle des Agenten dagegen wieder besetzt (vgl. den Eintrag im Hauptrepertorium des Oberamtes Günzburg, StAA, VÖ und Burgau, Literalien 100, das für 1779 noch zwei - heute verschollene - Faszikel über Den neu aufgenommenen Religions-Agenten, dessen Besoldung und Instruktion. 1652 bies 95, 1730 bies 33, verzeichnet). 1615 wurde Markgraf Karl von Erzherzog Maximilian auf die nach wie vor bestehenden Gefahren fur das Seelenheil der katholischen österreichischen Untertanen in Augsburg hingewiesen und dem Cristlichen, Catholischen eifer Karls nachdrücklich anempfohlen, die wol angesehne, Got liebende Verordnung in dero Landen, allermassen es anderwerts in Osterreichischen gebiet beschicht, widerumben zu repetiern vnd mit ernst darob halten zlassen (StAA, VÖ, Lit. 653, 1615 Dezember 12, fol. 41 l v ), nachdem wenige Tage zuvor der Geheime Rat Maximilians gegenüber der Regierung angeregt hatte, das Religionsmandat mit erneuerte [!] authoritet zu releuiren (TLA, GR, K/A, 1615 Dezember 9). 1619 (StAA, VÖ, Lit. 653, 1619 August 3, fol. 37Γ), 1620 (StAA, VÖ, Lit. 653, 1620 Februar 17, fol. 499 r ) und 1623 (StAA, VÖ, Lit. 653, 1623 März 29, fol. 103v) erhielten die burgauischen Beamten die nämliche Erinnerung und wurden zur Übermittlung einer Auflistung österreichischer Untertanen ermahnt, die sich an Orten fremder Landeshoheit, besonders aber in Augsburg aufhielten.
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sen.' 4 '' Obwohl bislang detaillierte Untersuchungen über den Zustrom katholischer Schüler, Lehrlinge, Dienstboten und Handwerker etwa in die der Markgrafschaft im Nordwesten unmittelbar benachbarte Reichsstadt Ulm wie auch in die pfalzneuburgischen Städte für die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts fehlen, wird man jedoch angesichts der wirtschaftlichen Vernetzungen grundsätzlich Skepsis anmelden dürfen. Auf die juristischen Vorbehalte, die seitens der Insassen der Markgrafschaft gegen eine Veröffentlichung österreichischer Mandate in ihren Herrschaften bestanden, wurde bereits hingewiesen. 150 Daß außer Untertanen in den habsburgischen Orten Günzburg, Burgau und Scheppach auch Untertanen insassischer Obrigkeiten in Augsburg erfaßt wurden, scheint denn auch eine Ausnahme gewesen zu sein. 1620 ist zwar die Rede von etliche[n] Designationes, Listen von vielleicht unterschiedlichen Herrschaften, die von der Innsbrucker Regierung allerdings als etwas vnlauter kritisiert und den Beamten in Burgau zurückgeschickt wurden. 151 Konkret überliefert sind jedoch lediglich für 1626 zwei deviante Personen aus den Orten Aretsried und Ziemetshausen in der zu diesem Zeitpunkt fuggerischen Herrschaft Seifriedsberg - Nennungen, die sich aufgrund der besonderen Funktion des Ortsherrn Hans Ernst Fugger als österreichischer „Religionskommissar" in Augsburg als Ausnahmen interpretieren lassen. 132 Selbst wenn man eine größere Dunkelziffer anzunehmen gewillt ist, wird man deshalb nicht umhin können, angesichts des weitgehenden Ausfalls von Quellen auf die Verweigerung der Insassen gegenüber dem Mandat zu schließen. Damit dürfte die Effizienz der Verordnung - sieht man von der genannten Fuggerherr-
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Umgekehrt hätte das Mandat eine wirtschaftliche Förderung der Reichsstadt Augsburg bedeuten müssen, in der die katholische Religionsübung uneingeschränkt möglich war. Durch die Verordnung erhöhte sich für die österreichischen Untertanen, die nach Ausbildung und Arbeit suchten, die Attraktivität der Stadt. Die Folgen für das Wirtschaftsleben Augsburgs, aber auch der betroffenen evangelischen Städte wären noch zu untersuchen. Der Befund Rolf Kießlings, der für die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts die Reformation nicht als Ursache eines entscheidenen Verlagerungsprozesses des ostschwäbischen Stadt-LandGefüges ausmachen kann (Kießling, Stadt, S. 793), dürfte für die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts dann möglicherweise zu modifizieren sein. Kap. Β. II. 3.2.1. StAA, VÖ, Lit. 653, 1620 Februar 17, fol. 499 r . Mitinhaber der Herrschaft Seifriedsberg (Hahn, Krumbach, S. 78-90), war Ottheinrich Fugger. - Als 1619 Thomas Walbach als neuer Religionsagent bestellt wurde (Kap. Β. II. 3. Anm. 147), betraute der Geheime Rat Hans Emst Fugger wie bereits 1608 dessen Vetter Marx (TLA, GR, A/E, 1608 März 2) damit, Walbach einzubestellen, ihm die schriftlichen Instruktionen für seine Aufgabe auszuhändigen und zu erläutern und ihn zu vereidigen (gegen gewohnlicher Gliibd- vndpflicht erstattung; TLA, GR, K/A, 1619 Juni 26), was ausgeführt zu haben er dem Geheimen Rat ein halbes Jahr später, 1620 Februar 5, mitteilte (TLA. GR, K/A, 1620 Februar 10). Marx Fugger hatte sich 11 Jahre zuvor, damit das Vorhaben des Religionsmandates dessto bestandlhaffter In das werckh gericht würde, selbst als ainen qualißcierten commissarium empfohlen (TLA, GR, A/E, 1608 März 2). - Zu Hans Emst Fugger (1590-1639) Schwarz, Council, S. 233f.
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Fallstudien
schaft Seifriedsberg ab - im wesentlichen auf Orte beschränkt gewesen sein, in denen der Markgraf von Burgau unwidersprochen als Landesherr betrachtet wurde. Die insassischen Obrigkeiten insgesamt konnten offenbar nicht dazu gebracht werden, im Sinne des Mandates als Zuträger und quasi subordinierte Instanzen den Zielen des Landesherrn zu Willen zu sein. Konfessionalisierung als zumindest tendenziell erfolgreiche Transformation von Insassen zu Landsassen mit dem Mittel der Mandatierung gelang nicht. Trotz dieser Widrigkeiten konstatierte die österreichische Seite einige Jahre nach dessen Erlaß pauschal den Erfolg des Religionsmandates, das zu erhaltt- vnd darzue gewinn- vnnd bekherung viller lieben Seelen starckh gefruchtet habe.153 Konkret zu belegen ist die Wirkung des Mandates von 1609 noch 17 Jahre später tatsächlich flir die Orte Burgau und Scheppach, vor allem aber für Günzburg durch einen Briefwechsel zwischen dem österreichischen Religionsagenten Thomas Walbach und Bürgermeister und Rat aus dem Jahr 1626. Weil Walbach eine genaue Auflistung von Burgers Kündern von Günzburg, die sich im laufenden Jahr in Augsburg aufhielten, bislang vermißt hatte, ersuchte er den Günzburger Rat um detaillierte Auskunft, damit er die Fehlenden in seiner Järlichen Summarischen Relation vermerken könne. Als Anlage übermittelte der Agent einen Extract derjenigen Burgers Künder vss der Statt Günzburg vnnd Margrajfschafft Burgaw, So diß obstehende Jars von verschinen Osstern biß anhero dem bestehen O.O. [!] Religions Agenten die gebürende beichtzetl gehorsamblich eingelifert vnd entgegen teütsche vrkhunden an Ire Anhaimbisch Obrigkaithen von Ime genomen haben. Es handelte sich um fünf Bürgerstöchter aus Günzburg, ein Mädchen aus Burgau und zwei (junge?) Männer aus Scheppach:154 insgesamt nach Einschätzung Walbachs der weniger thail derer aus der Markgrafschaft oder aus Günzburg - das ist unklar formuliert - , die sich in Augsburg aufhielten.155 Unter 153
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Allerdings diente die Darstellung des Erfolges dem Geheimen Rat Erzherzog Maximilians III. dazu, der Innsbrucker Regierung anzuempfehlen, sie solle allen Beamten und Untertanen die entsprechenden Befehle de nouo repetiren und ein Verzeichnis der in Augsburg befindlichen Landeskinder anfordern, das dem österreichischen Religionsagenten in der Reichsstadt mit notwendiger erinderung seines anbeuolhnen Ambts zugeleitet werden solle. Anschließend solle naher hof berichtet werden. Offenbar hatte man die Dinge doch mittlerweile wieder etwas schleifen lassen (TLA, GR, K/A, 1615 Dezember 9). Im einzelnen: Anna, Jacob Konen tochter von Günzburg - Apolonia, Jacob Mayres [!] tochter von Günzburg - Maria, Hannsen Sallwürtts se. tochter von Günzburg - Anna, Georgen Gerings tochter von Günzburg - Barbara, Hannsen Keederichs tochter von Burgaw - Jacob Stirn, Weber von Schöppach - Bartlome, Hannsen Paurn Sohn, ein Weber von Schöppach (StaAGü, Urk. 5.237, 1626 Juni 1). Abschließend bekundet Walbach darüber hinaus seine Überzeugung, daß sich eine Reihe von Kindern, die er in ermanglung vnüberschickhter [!] designation oder künder beschreibungen nit erkhennen noch wissen könne, alhie in Augspurg befinden vnd gueth, eyferig Catholisch verhalten. Weil sich jedoch etliche bey den herrn patribus in studijs, - gemeint ist die Jesuitenschule St. Salvator - thails Sonssten bey vnderschidlichen Catholischen herrvnd Maisterschafften vfjhalten, wären sie wohl der irrigen Ansicht, sie sein exempt vnd darf-
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den nachfolgend aufgeführten vngehorsamen, so sich mit Irrt beicht Zetln noch nit eingestelt vnd durch Ire eitern mit ernst zue gehorsame angehalten werden sollen, befand sich eine Günzburgerin, ein Mann aus Burgau, zwei aus Scheppach und jeweils einer aus Aretsried und Ziemetshausen. 156 In den kurzen Listen Walbachs sind insgesamt 14 Personen erfaßt. Eine Auswertung der Listen geht davon aus, daß für die neben Günzburg genannten Orte die Angaben ebenfalls vollständig oder in gleicher Weise unvollständig wie für Günzburg sind: Unabhängig vom Herkunftsort ist die größere Disziplin, vielleicht auch die ausgeprägtere kirchliche Religiosität der weiblichen gegenüber der männlichen Jugend signifikant. Sechs der genannten burgauischen Untertanen stammten aus Günzburg, vier aus Scheppach, zwei aus Burgau und zwei aus den Orten Aretsried und Ziemetshausen. Gegenüber den beiden Nennungen aus der Herrschaft Seifriedsberg, die als Ausnahmen aufzufassen sind, 157 dominieren damit mit zwölf Erwähnungen Kinder aus den burgauischen Kameralorten, die Hälfte von ihnen wiederum stammte aus Günzburg. Das Überwiegen der Günzburger Nennungen muß dabei nicht in erster Linie auf die überdurchschnittliche Disziplin des Stadtrates bzw. der Eltern in Günzburg und ihrer Kinder in Augsburg zurückzuführen sein, sondern mag zunächst einmal nur Ausdruck der tatsächlichen quantitativen Verteilung unter den burgauischen Untertanen in Augsburg sein. Während jedoch die Bürgerskinder aus Günzburg in der Liste Walbachs über die Hälfte der Gehorsamen stellen, fällt in der Liste der Säumigen lediglich eine Günzburgerin negativ auf. Das Verhältnis von Gehorsamen zu Ungehorsamen stellt sich damit für die Günzburger Kinder überdurchschnittlich positiv dar. Aus dem überlieferten Antwortschreiben des Günzburger Rates 158 läßt sich nun erkennen, daß und wie die städtische Obrigkeit auf das Mahnschreiben des Religionsagenten reagierte: Der Stadtrat hatte zunächst Ins gemain außrueffen lasßen, daß sich all die Jenigen, so Kinder zu Augspurg oder anderer vncatholischer orthen haben, sich bej vnnserer Stattschreiberej anmelden vnnd dieselbe beschreiben lasßen sollen. Die daraufhin zusammengetragen Namen - eine dem Brief beigelegte Liste ist nicht überliefert - wurden dann dem Agenten übermittelt. Gleichzeitig lehnten die Stadträte jedoch dezidiert, um nicht zu sagen brüsk, eine Zuständigkeit für andere Orte ab: Sie hätten das Schreiben Walbachs zwar den burgauischen Beamten zue ihrer Nachrichtung alls balden communicirt, im übrigen aber sich, was die Marggr. anlangt, weiters nit zuebeladen.1'9 fen desswegen dem Agenten kaine beichtzetl lifern, noch bey Ime Anmelden (StaAGü, Urk. 5.237, 1626 Juni 1). - Zu St. Salvator Baer, Jesuiten. 156 Im einzelnen: Eua Scheraußen von Günzburg - Melchior Schön, Weber von Burgaw Hannß Mayer von Schöppach - Michael Lederer von Schöppach - Jacob Stegman von Aratsriedt - Hannß Merckh von Zimatshausen (StaAGü, Urk. 5.237, 1626 Juni 1). 157 Kap. Β. II. 3. Anm. 152. 158 StaAGü, Urk. 5.237, 1626 August 18. 159 StaAGü, Urk. 5.237, 1626 August 18.
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Eine weitere Notitz aus dem Jahr 1625 beweist darüber hinaus auch die Bereitschaft der Stadt, den Aufenthalt von Bürgerskindern an Orten ohne gesichertes katholisches Religionsexerzitium mit Strafen zu belegen, wie sie die Verordnung von 1609 vorsieht. So verweigerte der Günzburger Rat dem Schuster Johannes Matthäus (Mötz), der sich im schlesischen Liegnitz160 verheiratet und niedergelassen hatte, die Ausfertigung eines Geburtsbriefes in der - irrigen - Ansicht, eine ungehinderte Ausübung des katholischen Bekenntnisses sei in dieser Stadt nicht möglich. Ohne das Dokument war der Schuster nicht berechtigt, sein mütterliches Erbe und die aufgrund seiner Verheiratung erhoffte väterliche Beisteuer zu beziehen und hatte damit den weiten Weg in seine Vaterstadt umsonst auf sich genommen.161 Er kehrte nach Liegnitz zurück und erwirkte dort ein geistliches Zeugnis der Äbtissin von Hl. Kreuz, die ihm Treue zum katholischen Bekenntnis bescheinigte,162 und eine Bestätigung von Bürgermeister und Rat der schlesischen Stadt, die gegenüber den Günzburger Stadträten beteuerten, das alhier [in Liegnitz] die Römischen Catholischen in Ihrer Religion gantz vnd gar vngeirret verbleiben vndt das in dieser Stadt ein Jungfreuliches Closter verbanden, in welchem die Römischen Catholischen teglichen Ihr freyes Exercitium Religionis vor Menniglichen vngehindert vben vndt verrichten können. Der Rat in Günzburg solle daher dem Ersuchen des Johannes Mötz nach Ausfertigung eines Geburtsbriefes entsprechen. - Er sollte dem Schuster aber auch bey Seinem Vater numehr gunstig beföderlichen sein.]a Diesen hielten seinerseits konfessionelle Erwägungen von der Auszahlung des Sohnes ab, denn er trug beysorge, sein Sohn würde in Liegnitz in vbung Catholischer Religion [...] gehindert vndt gehemmet.XM Für den Vater des Johannes Mötz war es damit wichtiger, indem er finanziellen Druck ausübte, für das - konfessionell bestimmte - ewige Heil des Sohnes zu wirken, als zu seinem zeitlichen Wohlergehen beizutragen, auch wichtiger, als Gerechtigkeit unter den Geschwistern und Erben walten zu lassen. Er betrachtete die Motive und Absichten des landesherrlichen Mandates offenkundig als die seinen und hatte damit die der Verordnung zugrundeliegenden konfessionellen Vorstellungen internalisiert. Sein Verhalten kann als Indiz fiir die Bereitschaft zur Selbstkonfessionalisierung innerhalb der Günzburger Bevölkerung aufgefaßt werden.165
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Köbler, Lexikon, S. 348f. Vgl. seine Schilderung gegenüber der städtischen Obrigkeit in Liegnitz (StaAGü, Urk. 5.237, 1625 Januar 20). Äbtissin Marina Jachingen bezeugte Johannes Mötz, daß er sich der Römischen Apostolischen profession iederzeitt gemäs eifrig vndt fleissig erwisen vndt der hochheiligen sacramenten der beicht vndt Communion zuegebrauchen nitt vntterlassen (StaAGü, Urk. 5.237, 1624 Oktober 4). StaAGü, Urk. 5.237, 1625 Januar 24. StaAGü, Urk. 5.237, 1625 Januar 20. Kap. Β. II. 3.4.2.
Akteure kirchlicher und konfessioneller
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Die Schreiben der Jahre 1625 und 1626 sind zusammengenommen ein Beleg für das grundsätzliche Funktionieren des Mandates von 1609 und seiner Kontrollund Sanktionsmechanismen, von Ausnahmen abgesehen jedoch beschränkt auf burgauische Kameralorte und insbesondere auf Günzburg, dessen Rat sogar dafür herhalten sollte, im Rahmen des Mandates die obrigkeitlichen Funktionen für die anderen genannten Orte mitzuübernehmen. In Günzburg jedenfalls scheint der im Mandat bestimmte Austausch zwischen der heimischen Obrigkeit - Übermittlung der Namen von Bürgerskindern in Augsburg - und dem Augsburger Agenten Benachrichtigung über deren konfessionelle Disziplin - regelmäßig erfolgt zu sein: Walbach spricht von seiner Järlichen Summarischen Relation, und sein Schreiben an den Günzburger Rat beklagt ja gerade die Unterbrechung der gewohnten Regelmäßigkeit. Als Ergebnis läßt sich ein ambivalenter Befund festhalten: Die vom landesherrlichen Mandat intendierte konfessionelle Stabilisierung von Untertanen, die sich außerhalb österreichischer Herrschaften aufhielten, kann für Günzburger Bürgerskinder als gesichert gelten. Unbestreitbar ging damit auch eine gewisse Disziplinierungswirkung für den Rat wie auch für die betroffenen Eltern und ihre Kinder einher. Die Erträge solcher Disziplinierung können dabei zum einen Teil a conto des habsburgischen Landesherrn verbucht werden: Er trat zwar sowohl gegenüber Bürgermeister und Rat als auch gegenüber den Günzburger Untertanen in Augsburg lediglich indirekt durch seinen Religionsagenten in Erscheinung, zur Kooperationsbereitschaft, die der Rat dem Agenten entgegenbrachte, gab es jedoch aufgrund der zu befürchtenden Sanktionen des Landesherrn und seiner Verwaltung keine grundsätzliche Alternative. Insofern ist die konfessionalisierende Wirkung des Religionsmandates von 1609 nicht zu leugnen. Zum anderen Teil boten auch für Bürgermeister und Rat die Aufgaben, die ihnen bei der Handhabung des Religionsmandates übertragen waren, eine Chance auf verstärkte Disziplinierung der Bürger und Einwohner und damit Gelegenheit zum Ausbau der eigenen Autorität als städtische Obrigkeit. Eine vorhandene Bereitschaft der Eltern in Günzburg und ihrer auswärtigen Kinder zur Kooperation läßt sich in diesem Zusammenhang auch als Beitrag der Gemeinde zu ihrer Selbstkonfessionalisierung interpretieren. 166
3.3
Der Regent vor Ort: Markgraf Karl in Günzburg (16101618)
Innerhalb eines Untersuchungszeitraumes von fast einhundert Jahren der Regentschaft eines einzigen Habsburgers über die Markgrafschaft Burgau ein eigenes Kapitel einzuräumen findet seine Berechtigung in einer Besonderheit jenes knappen Jahrzehnts von 1610 bis 1618: Seit dem Anfall der Markgrafschaft an das 166
K a p . Β. II. 3.4.2.
370
Fallstudien
Haus Habsburg im Herbst 1301167 und bis zu ihrem im Frieden von Preßburg (1805 Dezember 26) bestimmten Übergang an Bayern168 war es nur Karl von Burgau, der seine Residenz im Günzburger Schloß nahm und bei häufiger Präsenz von hier aus die Markgrafschaft und ihren Vorort Günzburg regierte. Diese kurzen Jahre sind reich an Impulsen für Ausbau und Intensivierung der habsburgischen Herrschaft im Gebiet der Markgrafschaft insgesamt, besonders aber in Günzburg selbst, und mancher dieser Impulse sollte für lange Zeit nachwirken. Die Regentschaft Karls mutet wie eine Probe aufs Exempel an, welche Bedeutung unter den kommunikativen Bedingungen der Frühen Neuzeit der persönlichen Präsenz des Herrschers zukam und welche Alternativen für die Entwicklung der Markgrafschaft Burgau wie auch Günzburgs bei stärkerer Herrschernähe denkbar gewesen sein mochten. 169
3.3.1
Zur Person Karls von Burgau
Als der zweite Sohn Erzherzog Ferdinands II. (1529-1595) 170 und der Patrizierstochter Philippine Welser (1527-1580)171 kam Karl 1560 November 22 im böhmischen Schloß Bürglitz zur Welt.172 Da die beiden überlebenden Kinder aus dieser morganatischen Ehe von der habsburgischen Erbfolge ausgeschlossen waren, sah sich Ferdinand gezwungen, auf andere Weise für ihren standesgemäßen Unterhalt zu sorgen. Der ältere Bruder Andreas (1558-1600) war daher für die geistliche Laufbahn eines Kirchenfürsten vorgesehen, 173 während man bei Karls Erziehung besonderen Wert auf die Heranführung zu ritterlichen und militärischen Aufgaben legte.174 1587 zu einem spanischen Offizier ernannt, diente er ohne Erfolg in den Niederlanden, erhielt jedoch 1593 ein kaiserliches Kommando
167
168
Raiser, Guntia, S. 85-87; Brunner, Beiträge 1865, S. 7-15; A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 33f.; Auer, Geschichte, S. 30f.; Wüst, Günzburg, S. 37. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 61; Auer, Geschichte, S. 99f.; Quarthai, Geschichte, S. SS-
SS. 169 170 171 172
173
174
Press, Vorderösterreich, S. 5. Vgl. nach wie vor die materialreiche Biographie von Him, Ferdinand II. Raiser, Carl, S. 7-10; Him, Ferdinand II., Bd. 2, S. 313-369; Baer, Welser, S. 300-306. Zum Folgenden die Biographien bei Raiser, Carl; Hirn, Ferdinand II., Bd. 2, S. 369-420; ders., Maximilian, Bd. 2, S. 275-308; Radlkofer, Karl; Widmoser, Karl; Hauser, Karl, S. 166-200 Raiser, Carl, S. 10-12; Him, Ferdinand II., Bd. 2, S. 369-420; Widmoser, Andreas. - Andreas, der nie die Priesterweihe erhalten hatte, wurde 1576 zum Kardinal ernannt, erhielt 1588 nach fünfjähriger Mitgliedschaft im Domkapitel den Konstanzer und 1591 nach einer Zeit als Koadjutor den Brixener Bischofssitz. Sein Vater übertrug ihm die lebenslängliche Statthalterschaft in den ober- und vorderösterreichischen Landen. Die Reiterstatuette Karls aus der Zeit um 1582 ist Ausdruck dieses biographischen Entwurfes (Wien, Kunsthistorisches Museum, Sammlungen für Plastik und Kunstgewerbe, Inv. Nr. 6853; abgebildet in: Himmelein, Kunst, S. 269, 270 Abb. 15).
Akteure kirchlicher
und konfessioneller
Politik
371
gegen die Türken in Ungarn,' 75 das er - bis 1597 - erfolgreich führte. 1601 gelang es nach anderen vergeblichen Versuchen, in Sibylla, Tochter des Herzogs Wilhelm von Jülich, Kleve und Berg und der Witwe des Markgrafen von Baden, eine Gemahlin für Karl von Burgau zu gewinnen. Die Ehe blieb kinderlos, doch gingen illegitime Nachkommen - zwei Söhne und eine Tochter - aus einer Verbindung Karls mit Elisa Ferari hervor.176 Die Bedeutung, die Markgraf Karl für die konfessionelle Prägung seiner Residenzstadt Günzburg gewinnen sollte, erklärt sich, argumentiert man biographisch, aus dem zentralen Stellenwert, den für ihn selbst ein nach den Maßstäben der Kirche gottgefälliges Leben besaß. Grundgelegt war diese persönliche Frömmigkeit Karls durch eine Erziehung, auf deren religiöse, näherhin spezifisch konfessionelle Ausrichtung Karls Vater besonderen Wert legte. Erzherzog Ferdinand selbst entwarf die Instruktion fur Obersthofmeister Darius Castelleti von Nomi,177 worin er in diesem Sinne eine Reihe von Forderungen formulierte, die bei der Erziehung des 21jährigen zu beachten seien. So solle der Hofmeisterßeissig achtung geben, damit vnnser Son zu der Eher vnnd forcht Gottes vnnd in vnnserer alten, waren, Catholischen Religion vnnd glauben [...] angewisen [...] werde, das auch vnnser Son alle Tag den Gottsdiennst oder Meß fleissig besueche vnd deme mit Christenlichem gepet andechtigelich mit allen gebürennden geberden vnnd Reuerenz fleissig beiwone, auch albegen zwaymal im Jar Peicht vnnd Communicier. Darüber hinaus sei dafür Sorge zu tragen, daß auch das Umfeld Karls die Prinzipien dieser Erziehung nicht konterkariere und denselben Geboten besonnder zu den össterlichen Zeiten die Peicht vnnd das hochwürdig Sacrament des Altars, wie der alten Catholischen Kirchen vnnd Religion gemeß gezimbt vnnd gebürt, [zu] gebrauchen, Sich auch des Fleischessens zu den verbotnen Zeiten vnnd tagen [zu] enthalten - ebenfalls Folge leiste. Wenn nicht bereits aus diesen Bestimmungen ein spezifisch konfessioneller Impetus spricht, so jedenfalls aus der ausdrücklichen Forderung, das durchaus khainer, so bemelter alten Catholischen Religion nit zuegethon, in vnnsers Sohns diennsten nit erhalten noch gestattet, vil weniger zu diennsten angenomen werde.178 Karl scheint die Befolgung der kirchlichen Gebote des Gottesdienstbesuches und Sakramentenempfangs nicht als Einschränkung empfunden, sondern als Maßstab akzeptiert und internalisiert zu haben. Die Kommunion etwa empfing er weit häufiger - ,jede oder doch jede zweite Woche" - als die geforderten zwei 175
176
177 178
Ein Reiterregiment hatte er 1592 „in Tirol und Burgau", wohl in der Markgrafschaft Burgau, geworben (Hauser, Karl, S. 168). Karl von Hohenberg, Rat und Pfleger der Herrschaft Erbach, Ferdinand von Hohenberg, Rat und Hauptmann der Grafschaft Hohenberg, und Anna Elisabeth von Hohenberg (Hirn, Maximilian, Bd. 2, S. 306f.). Zur Erziehung Karls Hirn, Ferdinand II., Bd. 2, S. 369-371. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 55 (1), 1581 Februar 4; vergleichbar auch der Inhalt der Instruktionen für Franz Freiherr zu Spaur und Vallär, später ebenfalls Obersthofmeister Karls (ebd., 1588 Mai 4).
372
Fallstudien
Male im Jahr.179 Als Karl Ende Oktober 1618 in Überlingen an einer Infektion tödlich erkrankte,180 verfügte er testamentarisch nicht nur sein Begräbnis in der Kapuzinerkirche,181 sondern formulierte im Wunsch, alles solle im Gotts dienst, als Besüngnus, Sibenden, dreyßigsten und Jahr Tag [...] nach altem lobl. Catholischen gebrauch geordnet werden,182 noch einmal, gewissermaßen mit letzter Endgültigkeit, seine persönliche, katholisch geprägte Glaubensüberzeugung.
3.3.2
Das Erbe Karls und seine Stellung im habsburgischen Herrschafts- und Verwaltungsgefüge
Nachdem Erzherzog Ferdinand II. 1595 Januar 24/25 gestorben war, kam es zu langwierigen und komplizierten Auseinandersetzungen um die Zukunft seines Erbes,183 die sich in einer ersten Etappe über sieben Jahre bis zum ,Prager Rezeß' (1602 Februar 5) hinzogen. Zunächst hatte Kaiser Rudolf II. (1576-1612) die ober- und vorderösterreichischen Lande als heimgefallene Reichslehen eingezogen,184 ehe sie 1602 zunächst unter Vorbehalt gewisser kaiserlicher Rechte Erzherzog Maximilian III., dem Deutschmeister,185 als Gubernator übertragen wurden, der sie nach dem Tode des Kaisers dann uneingeschränkt als Landesfürst regierte. Ohne Berücksichtigung blieben im Prager Rezeß jedoch die Forderungen der Söhne Andreas und Karl, die sich auf den 1578 Mai 20 zwischen Erzherzog Ferdinand II. und Kaiser Rudolf II. als Haupt des Hauses geschlossenen ,Hauptvergleich' beriefen. Dieser Vergleich hatte unter Einbeziehung bestimmter, bereits 1561 geregelter finanzieller Ansprüche die gemeinsame Nachfolge der Söhne in den Herrschaften Nellenburg, Hohenberg, Burgau, Feldkirch, Bregenz und Hohenegg festgesetzt, deren Titel Andreas und Karl schon von diesem Zeitpunkt an zu fuhren berechtigt waren.186 Nach dem Tode des älteren Bruders 1600 November 12 sah sich Karl von Burgau gezwungen, seine Forderungen gegenüber Erzherzog Maximilian III. allein durchzusetzen. Das 1605 in seinen Grundzügen ausgehandelte und 1608 Januar 21 vom Markgrafen schließlich unterzeichnete ,Ratifikations-Libell' beendete nach Jahren die Kontroversen. Darin erhielt Karl die Markgrafschaft Burgau, die Landgrafschaft Nellenburg mit beiden Vogteien Ach und Tengen sowie die Grafschaft Hohenberg als Manns- und Afterlehen mit ihren sämtlichen Herrschaftsrechten zugesprochen - das 1561 von seinem Vater 179 180 181 182
183
184
185 186
Hohenegger/Zierler, Kapuziner, Bd. 1, S. 70. Zum Tode Karls von Burgau Radlkofer, Karl, S. 46f.; R. Seibold, Residenzstadt, S. 37. Kap. Β. II. 3.3.3.3. TLA, Sei. Leop. (allg. Leop.), Kasten C 41, 1618 Oktober 30 (abgefaßt am Tag vor seinem Tod). Zu den Kontroversen und Regelungen Hirn, Maximilian, Bd. 1, S. 16-20; ders., Maximilian, Bd. 2, S. 281-285; Hauser, Karl, S. 170-175. Für die Verwaltung bedeutete dies die Abhängigkeit der Innsbrucker Regierung von den kaiserlichen Behörden in Prag - mit allen archivtechnischen Konsequenzen. Zu ihm Hirn, Maximilian; Noflatscher, Maximilian; ders., Deutschmeister. Hauser, Karl, S. 166, 172f.
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und konfessioneller
Politik
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auf 30000 fl. festgesetzte jährliche Deputat sollte dabei in Abschlag genommen werden verzichtete im Gegenzug jedoch auf sämtliche vorarlbergische Herrschaften, deren Titel und Wappen er aber weiterhin führen durfte. Von einer eigenen Sukzession in den Erblanden blieb Karl ausgeschlossen, auch sollten seine Länder an das Erzhaus zurückfallen, wenn er ohne männlichen Erben bliebe. Es dauerte weitere eineinhalb Jahre bis eine Reihe lehensrechtlicher und fiskalischer Probleme gelöst war (1609 August 22) und Markgraf Karl mit seinen Herrschaften belehnt (1609 September 17) und in sie immitiert werden konnte. Die Immission in die Markgrafschaft Burgau erfolgte 1609 September 25 in Günzburg, 187 wohin Karl jedoch erst im Oktober des Folgejahres übersiedelte. 188 Karl von Burgau galt nun offiziell als Landesherr der Markgrafschaft. Völlig unabhängig von Erzherzog Maximilian III. und dessen Behörden konnte er allerdings nicht regieren. Ungelöste finanzielle Probleme zwangen ihn immer wieder, in der Regel vergeblich, die Kooperationsbereitschaft der Innsbrucker Kammer zu suchen. 189 Ohnehin war das Verhältnis Karls zur Kammer von Anfang an stark belastet. 190 Nicht zuletzt in seiner Politik gegenüber den Insassen der Markgrafschaft war Karl auf Gutachten und Informationen der Regierung und ihres Archivs angewiesen, die er nicht selten unvollständig und verzögert erhielt. 19 ' Abgesehen von den dadurch bedingten Kontakten, dominiert in der Korrespondenz zwischen Innsbruck und Günzburg die Ebene der Kommunikation zwischen Erzherzog und Markgraf, 192 dagegen waren seit der Immission Karls die burgauischen Amtleute in Günzburg in der Regel nicht mehr Adressaten des Erzherzogs und seiner Regierung in Innsbruck. 193 Erzherzog Maximilian versuchte gleichwohl auf die Politik Karls in konkreten Fällen Einfluß zu nehmen. Ansatzpunkt waren vor allem die Beschwerden, die von den Insassen in den sich verschärfenden Auseinandersetzungen mit dem Markgrafen und seiner burgauischen Administration an Innsbruck - eigentlich unter Mißachtung der Zuständigkeit Günzburgs - herangetragen, dort auch gehört
187 188 189
190
191 192 193
Hauser, Karl, S. 174f. Hauser, Karl, S. 177. Im Mai 1611 etwa begab er sich persönlich nach Innsbruck, um seinen Forderungen gegenüber der Kammer Nachdruck zu verleihen. Erfolg hatte er dennoch nicht (Radlkofer, Karl, S. 29; Hauser, Karl, S. 181). Die Kammer hatte aufgrund der schlechten Finanzlage von vornherein gegen eine Immission Karls in seine Herrschaften votiert, also gegen die Erfüllung der testamentarischen Verfügungen Erzherzog Ferdinands II. (Hirn, Maximilian, Bd. 2, S. 285). Kap. C. 3.2. Vgl. TLA, GR, K/A; TLA, GR, A/E. Vgl. StAA, VÖ, Lit. 653. Für den „Beginn des zweiten Jahrzehnts des 17. Jahrhunderts" stellt auch Dillinger, Hexenverfolgungen, S. 271 Anm. 204, eine deutliche Abnahme der Korrespondenz „zwischen Günzburg und der Innsbrucker Regierung" fest. - Zur personellen Zusammensetzung der Günzburger Administration Hauser, Karl, S. 181.
374
Fallstudien
und mit Nachfragen oder Mahnungen an Karl beantwortet wurden.194 Grundsätzlich ging es Maximilian dabei um die Verhütung allerhandt schädtlicher erbitterund Weiterung, während Karl - neben seiner Sorge um die katholische Religion gewillt war, dem endtlichen vertust der Landtsfurstlichen vnd hohen Obrigkeit entgegenzuwirken. 195 Daß dabei kaum Unterschiede in der Persönlichkeit der beiden Herrscher entscheidend waren, sondern politisch-strukturelle Gründe, konnte die Analyse der Rekatholisierung Holzheims zeigen.196 Daß die Bedenken Maximilians substantiell eine Änderung der Politik Karls bewirkten, ist eher unwahrscheinlich, zu ihrer Modifikation, wenigstens ihrer Retardierung konnten Einwände oder auch nur ständige Nachfragen aus Innsbruck durchaus fuhren. Auf der anderen Seite war Maximilian nicht befugt, ohne Mitwirkung Markgraf Karls Mandate für die Markgrafschaft zu erlassen oder zu erneuern. Seine Verordnung für österreichische Untertanen in Augsburg (1609) widerumben zu repetiern, mußte er ins Belieben des Markgrafen stellen und konnte ihn nur zu dem ende dienstlichs fleiß erinnern,197 Der Einfluß Innsbrucks auf die Regentschaft Karls von Burgau gründete sich damit, zusammengefaßt, nicht auf eine regelrechte administrative Abhängigkeit. Eine völlige Unabhängigkeit des Markgrafen verhinderten indes die komplexen innerhabsburgischen Kommunikationsstrukturen, deren Vielschichtigkeit durch die Auseinandersetzungen um insassische und burgauische Ansprüche noch verstärkt wurden. Dennoch oder besser: Um so mehr sind die - auch kirchlichen und religiösen oder konfessionellen - Maßnahmen und Impulse, die Karl in Günzburg setzte, als originäre Leistung des Markgrafen zu interpretieren.
3.3.3
Innerer Ausbau der Residenzstadt und herrschaftliche Intensivierung: konfessionelle Politik im Kontext
Die hartnäckigen Auseinandersetzungen Karls um den Antritt seines vorländischen Erbes ebenso wie die zähen, aber erfolglosen Versuche, im jülichklevischen Erbfolgestreit die Ansprüche seiner Gemahlin Sibylla durchzusetzen,198 zeigen, daß es dem Sohn Ferdinands nicht allein um die finanzielle Absicherung eines standesgemäßen Lebens zu tun war, sondern auch darum, persönlich Herrschaft auszuüben und politisch eigenständig zu agieren. Ein Movens für die Suche nach Feldern politischer Bestätigung mag hierbei im Streben zu sehen sein, den Makel seiner Abstammung aus morganatischer Ehe zu überwinden. 194
195 196 197 198
Vgl. etwa das Schreiben der Reichsritterschaft in Schwaben, Kanton Donau, das für Sebastian Schertlin und gegen Markgraf Karl bei Maximilian Einfluß zu nehmen sucht (TLA, GR, A/E, 1614 Februar 5); Kap. Β. I. 4.5.2. So etwa TLA, GR, A/E, 1614 Mai 12; vgl. Radlkofer, Karl, S. 35; Hauser, Karl, S. 181. Kap. Β. I. 3.3. StAA, VÖ, Lit. 653, 1615 Dezember 12, fol. 41 l v . Hauser, Karl, S. 175-177.
Akteure kirchlicher
und konfessioneller
Politik
375
Karls initiatives, ja in gewissen Bereichen geradezu kreatives und planmäßiges Vorgehen in Günzburg gleich nach seiner Immission in die Markgrafschaft beweist diese Absichten. Dabei folgte Karl auch den Vorstellungen seines Vaters, der nicht nur im Hauptvergleich von 1578 die teilweise und eingeschränkte Sukzession seiner beiden Söhne geregelt, sondern in Günzburg bereits die Grundlagen für eine künftige Residenz seines jüngeren Sohnes gelegt hatte. 199 An diese Vorarbeiten konnte Karl von Burgau anknüpfen, um habsburgische Herrschaft über die Markgrafschaft und ihren Vorort zu intensivieren. 200 Eine Reihe von Maßnahmen sind auf ganz unterschiedlichen Gebieten auf dieses Ziel hin ausgerichtet.
3.3.3.1
Herrschaftliche Repräsentation
Die Präsenz des Regenten in seinem Herrschaftsgebiet besaß unter den kommunikativen Bedingungen der Frühen Neuzeit entscheidende Vorteile für die Effizienz etwa des Verwaltungs- und Beamtenapparates. Über diese logistischen Aspekte der Kommunikation hinaus kam der persönlichen und sichtbaren Gegenwart des Herrschers auch Funktion für die Akzeptanz von Herrschaft in den Augen der Untertanen zu.201 „Macht und Pracht" - Herrschaft und Selbstdarstellung - bedingten einander von daher gegenseitig. 202 - Banal wird man diese Festellung fur die gesamten habsburgischen Vorlande nicht nennen, denn deren Herrschaftsferne ist ein strukturelles Konstitutivum, das ihre Geschichte in allen Bereichen prägte. - Beide Funktionen - administrative Effizienz und herrschaftliche Repräsentation - finden im Bau von Schlössern und Residenzen zusammen. Umbau, Ausbau und Einrichtung des Günzburger Schlosses ist daher auch, aber mehr als nur ökonomischer oder kultureller Impuls. Bereits Erzherzog Ferdinand II. hatte seinen Hofbaumeister Alberto Lucchese mit der kostspieligen Erweiterung und Verschönerung des Günzburger Schlosses beauftragt (1577-1579), 203 dessen Ausstattung auf die „Absicht einer dauerhaften Residenzhaltung" hindeutete. 204 In die Schloßanlage fugte sich die 1580 fertiggestellte Hofkirche mit ihren zwei imposanten Türmen repräsentativ ein. Die Hofkirche ist dabei nicht allein kunsthistorisch als seltenes Beispiel des Manierismus
199 200 201
202
203
204
Hirn, Ferdinand II., Bd. 2, S. 40; vgl. Stötter, Ferdinand II. Wüst, Günzburg, S. 48. Auf die Bedeutung der Visualisierung von Herrschaft fur ihre Wahrnehmung (und Anerkennung) durch die Untertanen weist Alexander Schunka in seiner Analyse von Verhörprotokollen des RKG hin (ders., Wissen, S. 64; speziell zur Präsenz Österreichs in den Vorlanden Quarthai, Verankerung, S. 23). Vgl. den Titel der Monographie von Greipl, Macht, allgemein zur Funktion der Residenz S. 9-14. Layer, Künstler; Auer, Geschichte, S. 50-55; Layer, Residenz, S. 277-279; Greipl, Macht, S. 168; Kraft, Kunstdenkmäler, S. 213-226; Himmelein, Kunst, S. 269. Kraft, Kunstdenkmäler, S. 23.
376
Fallstudien
in Süddeutschland bedeutsam, 205 sondern in einer Zeit weitgehender, durch religiöse Verunsicherung bedingter Abstinenz im Kirchenbau 206 sichtbare Demonstration des katholischen Behauptungswillens. An künstlerischer Ausstattung und liturgischem Gerät fehlte es der Kirche ebenfalls nicht,207 auch eine „größere" Orgel war 1578 bei dem aus Lüttich stammenden Innsbrucker Orgelbauer Servatius Rorif (gest. 1593) in Auftrag gegeben worden. 208 Wie Schloß und Kirche, so dienten auch die von Markgraf Karl wenn nicht erbaute, so doch ausgebaute Reitschule mit ihrer Pferderennbahn 209 und der Hofgarten 210 der fürstlichen Repräsentation mit architektonischen Mitteln. Herrschaftlichen Anspruch signalisierte dem Besucher der Residenz auch die außerordentlich reiche und kunsthistorisch wertvolle Innenausstattung des Schlosses, die Karl auf fünf Flößen oder Schiffen von Ambras aus über Inn und Donau nach Günzburg hatte verbringen lassen. 2 " Noch vor seiner Ankunft in Günzburg 1610 hatte Markgraf Karl im vergrößerten Festsaal der Residenz 16 nicht erhaltene - Porträts seiner habsburgischen Vorgänger als Markgrafen von Burgau - von Leopold I. (gest. 1326) bis zu seinem Vater Ferdinand II. - anbringen lassen.212 Er gab damit zum einen seiner Auffassung von einer kontinuierlichen habsburgischen Herrschaft über die Markgrafschaft Ausdruck - in diesem Sinne ist auch die Aufstellung einer repräsentativen Wandkarte des Gebietes der Markgrafschaft Burgau zu verstehen, die Karl 1613 in Auftrag gegeben hatte - 213 und erhob zum anderen gleichzeitig den Anspruch, selbst in der Kontinuität dieser Herrschaft gesehen zu werden. Die Herrschergalerie der Günzburger Residenz versuchte damit beides zugleich zu überspielen: herrschaftsrechtliche Defizienz des burgauischen Territoriums und genealogisches Defizit seines jüngsten Regenten.
205 206
207 208 209
210 211
2,2 213
Zum Manierismus Schindler, Kunst, S. 1002-1008. Auer, Geschichte, S. 54, nennt nur die evangelische Kirche von Haunsheim als weiteres Stilbeispiel in der Region (zur Haunsheimer Dreifaltigkeitskirche Dehio, Kunstdenkmäler, S. 420-422; vgl. die Wertung als „hochbedeutender Ableger Augsburger Baukunst des frühen 17. Jhs. und als protestantischer Kultbau auf dem Lande einzigartig in BayerischSchwaben", S. 421). Auer, Geschichte, S. 53f.; Layer, Künstler, S. 173; Kraft, Kunstdenkmäler, S. 226-239. Mancal, Orgeln, S. 453f.; vgl. R. Seibold, Residenzstadt, S. 105. Auer, Geschichte, S. 53; Layer, Künstler, S. 167; R. Seibold, Residenzstadt, S. 109. - Daß Reitschule und Rennbahn erst von Markgraf Karl erbaut worden wären (so Wüst, Günzburg, S. 48, und nochmals bei Kraft, Kunstdenkmäler, S. 24), trifft nicht zu. R. Seibold, Residenzstadt, S. 108f. Vgl. die Auflistung nach dem beim Tode des Markgrafen angefertigten Inventar bei Layer, Künstler, S. 171f. Ausführlich dazu Layer, Künstler, S. 167-169; ders., Residenz, S. 281. Layer, Künstler, S. 170f. - Die Karte befindet sich heute im Maximiliansmuseum in Augsburg (Kreisbeschreibung Günzburg, S. 15).
Akteure kirchlicher und konfessioneller Politik
3.3.3.2
377
Wirtschaftspolitische Maßnahmen 214
Signifikant für die Politik Markgraf Karls ist die Bedeutung, die er Fragen der ökonomischen Ordnung beimaß. Die Intention fur eine Reihe administrativer M a ß n a h m e n nach den Vorstellungen der zeitgenössischen Kameralistik - Steigerung der Zölle, Formulierung einer Vagantenordnung, Neuordnung des Günzburger Z u n f t w e s e n s - 2 1 5 lag dabei zweifellos im Bestreben, günstigere Rahmenbedingungen fur eine Verbesserung der schmalen fiskalischen Grundlagen seiner Herrschaft in der Markgrafschaft zu schaffen: Zu Jahresbeginn 1612 wurde mit den burgauischen Zöllen gleichzeitig eine der wichtigsten Einnahmequellen des Rentamtes erhöht, 216 auch die M a ß n a h m e n gegen „das herrenlose Gesind und Gartenknecht" 2 1 7 - Bettler und Vaganten sollten ausgewiesen werden - dienten unter anderem der B e k ä m p f u n g des Bettels und der Hebung des Wohlstandes in der Markgrafschaft. 2 ' 8 Auf eine Straffung der gewerblichen - Ausbildung, N e u aufnahme, Qualitätskontrolle - und sozialen Organisation - Versammlungen, Hochzeiten, Jahrtage - des Handwerks zielte die von Markgraf Karl eingeleitete Reorganisation des Günzburger Zunftwesens. 2 1 9 Der gemeinsame Kultus einer Zunft, dessen Ordnung auch in Günzburg in den Händen eines Kerzenmeisters lag, bot dabei Ansatzpunkte für eine vertiefte religiöse Prägung der Zunftmitglieder. 220 Neben diesen administrativen M a ß n a h m e n erfüllten freilich auch die herrschaftliche Baupolitik 221 ebenso wie die primär unter konfessionellem Gesichtspunkt interpretierte Klostergründung der Kapuziner, die Einrichtung einer Hofdruckerei oder der Plan einer Webwaren-Beschau innerhalb der Markgrafschaft ökonomische Funktionen für die Stadt. 222
214
~15 216
2.7
2.8 219 220
222
Die bei Hektor A m m a n n vorgelegte Diplomarbeit von Kimmel, Wirtschaftsleben, legt ihr Hauptaugenmerk auf die unterschiedlichen Günzburger Handwerke und ist für den vorliegenden Z u s a m m e n h a n g nicht einschlägig. Allgemein zu diesen Maßnahmen Wüst, Günzburg, S. 48; Kießling, Günzburg. S. 36f. Allerdings suchte Karl gegen die scharfen Proteste der Insassen die Rückendeckung Erzherzog Maximilians. Die daraufhin eingesetzte erzherzogliche Kommission riet dann, die Zollerhöhungen als wirtschaftsschädigend zwar nicht fur Fremde, jedoch f ü r die Insassen zurückzunehmen (Hauser, Karl, S. 182-184). - Zur burgauischen Zollhoheit und ihrer Bedeutung als „wichtige österreichische Finanzquelle" Wüst, Günzburg, S. 68f., Zitat S. 99, dessen Aufstellung über die Einnahmen der Vogteien Burgau, Ellzee und Holzheim im Jahre 1760 (S. 91) jedoch leider die für den Vergleich interessanten Zolleinnahmen ausspart. Radlkofer, Karl, S. 31 f., spricht von einem „Mandat", nicht von einer „Polizei- und Vagantenordnung" (so Hauser, Karl, S. 183). Hauser, Karl, S. 183. Auer, Geschichte, S. 59; Kraft, Kunstdenkmäler, S. 24f. Zur Organisation der Zünfte P. Blickle/R. Blickle, Schwaben, S. 140-142; zu den sozialen Funktionen religiöser Übungen im Leben der Zünfte S. 124 mit Anm. 60. Zu den Kosten des Residenzbaus 1577 Layer, Residenz, S. 278. Ausbau und Ausstattung der Residenz bedeuteten ebenso ökonomische Impulse für Günzburg. Kap. Β. II. 3.3.3.3.
378
Fallstudien
Im Gegensatz dazu war jedoch die Austreibung der Juden aus Günzburg, die Markgraf Karl durch Mandat von 1617 März 4 verfügte, nicht von ökonomischer Vernunft motiviert, im Gegenteil: Burgauisches Rentamt und städtischer Fiskus beraubten sich dadurch selbst der Judensteuer und des Judenzolls, dem privaten Kreditmark fehlte sein wichtigster Kapitalgeber und die sonst wegen ihrer positiven Effekte fur das Wirtschaftsleben einer Stadt angestrebte Peuplierung wurde konterkariert.223 Vermutlich waren hierfür religiöse Beweggründe maßgeblich. Auf den Einfluß des Kapuzinerpaters Augustin Edlmann und seiner Predigten auf den Markgrafen wurde bereits hingewiesen. 224
3.3.3.3
Religiöse und kirchenpolitische Impulse
Die Impulse, die Karl von Burgau im religiösen und kirchlichen Leben setzte, betrafen eine Reihe sehr unterschiedlicher Einzelmaßnahmen, die sich zur Darstellung grob in die Bereiche Pflege und Verbesserung von Liturgie (1) und Seelsorge (2), Förderung geistlicher Gemeinschaften (3) und konfessionelle Absicherung mit politischen (4) und wirtschaftlichen (5) Mitteln gliedern lassen. (1) Bereits nach dem Tod seines Vaters und noch in Innsbruck begann Karl von Burgau, einen Kreis von Musikern fur eine eigene Kapelle zu sammeln, deren Mitglieder dann teilweise zusammen mit dem Markgrafen nach Günzburg übersiedelten. Im Todesjahr Karls übertraf die Günzburger Hofkapelle mit 19 Sängern und Instrumentalisten - neben dem Kapellmeister und Organisten Johann Sagittarius je drei Kastraten und Altisten, ein Tenorist, zwei Bassisten, vier Singknaben, je zwei Zinkenisten und Trompeter sowie ein Fagottist - eine Reihe fürstlicher Hofkapellen an Größe und wohl auch musikalischer Qualität.225 Neben ihren ,profanen' Funktionen für fürstliche Repräsentation und höfisches Leben besaßen Kompositionen und Darbietungen als Musica sacra ähnlich wie die Sakralarchitektur Bedeutung als Demonstration des Glaubens innerhalb der Liturgie. Liturgische Musik war dabei zwangsläufig konfessionell akzentuiert.226 Die Günzburger Hofkapelle Karls war von Anfang an auch für die Übernahme musikalischer Aufgaben im Gottesdienst vorgesehen. Diese kirchlichen Funktio223 224 225
226
Auer, Geschichte, S. 59-61; Kraft, Kunstdenkmäler, S. 25f. Kap. Β. II. 3. Anm. 73. Vgl. die Biographien der Günzburger Hofmusiker bei Senn, Hofkapelle, S. 201-204; zur Hofkapelle außerdem Layer, Residenz, S. 280; R. Seibold, Residenzstadt, S. 104f. - Dagegen verfugte beispielsweise der Augsburger Fürstbischof Johann Christoph von Freyberg (1665-1690) 1686 nur über eine Hofkapelle mit 11 Musikern (Layer, Musikpflege, S. 127), Clemens Wenzeslaus von Sachsen hatte 1796/97 immerhin 15 Musiker verpflichtet (Kraft, Kunstdenkmäler, S. 23). - Zu den Sängern in Günzburg zählten mit Thomas Prinsthofer und Elias Racholdinger die ersten Kastraten deutscher Abstammung (Senn, Hofkapelle, S. 202f.). Zu den Konstituenten und Grenzen des Konfessionellen in der Musik des 16. und 17. Jahrhunderts Danckwardt, Musik.
Akteure kirchlicher und konfessioneller
Politik
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nen bedingten nach dem Tod des Markgrafen (1618) und seiner Gemahlin Sibylla (1627) den Erhalt der Kapelle, denn trotz der finanziellen Belastungen wollte die Innsbrucker Regierung 1636 doch selbige zur Ehr Gottes noch zur Zeit nit gar cassieren.221 Die Tätigkeit der Hofkapelle war dabei nicht auf die Schloßkirche und die Angehörigen des Hofes beschränkt, sondern kam wenigstens an höheren Feiertagen auch der Günzburger Bevölkerung zugute. Pfarrer Kaspar Helm" 8 mahnte 1644 die burgauischen Oberbeamten, dem Beispiel Markgraf Karls zu folgen, der in gebrauch gehabt habe, die Pfarrkirch an den fürnemmeren vnd hohen festen, als nemblichen zu Weihennachten, Osstern vnd Pfingsten etc. zu besuchen vnd dem Gotts dienst daselbst sambt dero Musica alle Zeit beyzuwohnen.229 Eine musikalische Gestaltung der Gottesdienste in der Martinskirche durch die Hofkapelle dürfte darüber hinaus auch für die Feste Fronleichnam, Kirchweihe und St. Martin anzunehmen sein. Mit der Zunahme neuer gottesdienstlicher Formen, etwa der Einfuhrung des gemeinsamen Gebetes 1641 durch Bischof Heinrich von Knöringen, 230 weitete sich das Engagement der Musiker in der Pfarrgemeinde nach dem Tod Markgraf Karls sogar noch aus: So bestätigten 1644 die Oberbeamten gegenüber Pfarrer Helm, daß die hoff Musicanten förohin nit allein bey dem öffentlichen Gebett ledes mahl fleissig erscheinen, sondern auch so wo! bey dem heiligen Ambt als auch bey der Vesper figuraliter musicieren sollen.231 Unter anderem zur Pflege der Kirchenmusik Günzburg eine Notenbibliothek angelegt worden schen Werken - zwei Drucke und ein Codex mit die Vesper - wurden nach dem Tod Karls mit
227
228
229 230
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scheint unter Markgraf Karl in zu sein. Drei Bände mit liturgiMessen und Kompositionen fur großer Wahrscheinlichkeit von
Zahlungen für die Hofkapelle finden sich noch bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts in den Rechnungsbüchern der Innsbrucker Kammer, obwohl das Günzburger Schloß seit über einem Jahrhundert seine Funktion als Residenz des Markgrafen von Burgau verloren hatte (Senn, Hofkapelle, S. 204). - Finanziell wurde der Aufwand dadurch gemindert, daß die meisten Musiker zusätzlich Aufgaben in der burgauischen Verwaltung wahrnahmen. Prominentestes Beispiel ist der erste Kapellmeister der Hofkapelle, Johann Sagittarius (vor 1603-1636), der in seiner Stellung bis zum Rentmeister der Markgrafschaft avancierte (Senn, Hofkapelle, S. 202). Zwei Musiker besaßen offenbar gleichzeitig geistliche Würden (ABA, BO 4142, 1611 Dezember 22: zween Italianer vnnd Hoff Musicj, der aine [...] quatuor minores haben solle, der ander aber presbyter; bei dem Priester handelte es sich um den Hofkaplan Kaspar Saccazzi; zu ihm Kap. Β. II. 3.3.3.4). Nach M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 283, zwischen 1637 und 1662 Pfarrer an St. Martin. ABA, BO 4142, 1644 Februar 25. Die „Instruktion Bischof Heinrichs an Klerus und Volk über das Verhalten beim öffentlichen allgemeinen Gebete" von 1641 April 3 fordert beispielsweise das Singen der Benediktionen an Orten, wo cantores vorhanden (Spindler, Heinrich V. Reformarbeit, Anhang 4, S. 117-120, 118). Dabei sollte die hoff Musica von vnserm Capellmeister oder in abwesenheit dessen, von einem anderen hoff Musicanten regiert werden (ABA, BO 4142, 1644 Februar 25).
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Propst Jakob Flexle (1605-1628)232 für das Augustinerchorherrenstift Wettenhausen erworben.233 Der Schwierigkeitsgrad der Kompositionen234 gibt nicht nur Aufschluß über das hohe Niveau der Günzburger Musiker und der Kirchenmusikpflege in Günzburg, so das überlieferte Notenmaterial tatsächlich Grundlage für Aufführungen war.235 Der Überlieferungsweg der Kompositionen nach dem Tod Karls beweist darüber hinaus gewissermaßen posthum die Strahlkraft des burgauischen Hofes in die Markgrafschaft hinein.236 Daß diese Strahlkraft auch eine konfessionelle Dimension besaß, wird dabei sehr deutlich: Die liturgisch gut praktikablen Vesperantiphonen Girolamo Lambardis für alle Festtage des Kirchenjahres etwa sind hixta ritum Romani Breviarii iussu Pii V. reformati vertont, haben also den von Pius V. (1566-1572) geordneten Text des Breviergebetes von 1568 zur Grundlage.237 Stilistisch betrachtet, handelt es sich zudem bei den überlieferten Komponisten238 durchweg um zeitgenössische Meister, die dem Stil Palestrinas und so den Vorstellungen des Trienter Konzils gerecht zu werden versuchten.239 Bedenkt man allgemein den Stellenwert der Liturgie in der tridenti232 233
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Zu ihm F. Mayer, Wettenhausen, S. 56-62. Brusniak, Cantionale; ders., Parodiemagnificat, S. 203f.; sowie mit einer ausführlichen historischen Einordnung das leider bislang unveröffentlichte Manuskript von Brenner, Musikbücher. Darunter 8stimmige Meßvertonungen Orlando di Lassos (Brenner, Musikbücher, S. 4). Brenner, Musikbücher, S. 11, weist auf „Radierungen und Überschreibungen und auch die nicht unerheblichen Anschaffungskosten" hin, die „Fehleinkäufe" nicht aufführbarer Kompositionen verhindert hätten. Die bei R. Seibold, Residenzstadt, S. 105, angeblich aus Senn, Hofkapelle, ohne Angabe der Seitenzahl, zitierte Überlieferung, der Wettenhauser Propst Flexle sei von dem „regen Musikleben der benachbarten markgräflich-burgauischen Residenz" so beeindruckt gewesen, daß er sich um eine intensivere Musikpflege bemüht habe, konnte ich dort leider nicht belegt finden. WWKL, Bd. X, S. 54. - Eine Rezeption des Breviarum Romanum kurz nach 1610 kann immer noch als rasch gelten. Zwar hatte Bischof Johann Otto von Gemmingen zum Ersten Adventssonntag 1597 das römische Brevier eingeführt, seine Verbindlichkeit brachte jedoch erst die Diözesansynode Bischof Heinrichs von 1610 (Zoepfl, Bischöfe, S. 725). Daß Markgraf Karl um eine möglichst schnelle Aufnahme des römischen Breviers bemüht war, zeigt auch seine Veranlassung, Kanzler Dr. Georg Wagner möge für Beichtvater P. Damian die zweiteilige, bebilderte Ausgabe des Breviarium direkt von der Frankfurter Buchmesse im Oktober 1609 besorgen (Hauser, Karl, S. 186). Dagegen beteten die Günzburger Franziskanerinnen das neue Brevier erst seit 1629 (Kap. Β. II. 1. Anm. 182). Allerdings war auch eine schnellere Übernahme des neuen Gebetbuches möglich: Eine Auswertung der Visitationsprotokolle für das Landkapitel Weißenhorn ergibt 1612 bei den acht daraufhin befragten Geistlichen nur für zwei noch die Benutzung des Augsburger Breviers. Bereits 1618 besaßen und benutzten dann alle 19 daraufhin befragten Priester das Breviarium Romanum (ABA, DA 15). Die Visitationen des Landkapitels Ichenhausen (ABA, BO 3672), zu dem Günzburg zählte, erfragten leider nicht die Verwendung des Breviers. Ausführlich zu den Komponisten Brenner, Musikbücher, 2-9. Die Bestimmungen der 22. Sessio von 1562 September 17 - Ab ecclesiis vero musicas eas, ubi sive organo sive cantu lascivum aut impurum aliquid miscetur, [...] arceant [...] (Conciliorum Oecumenicorum Decreta 1973, 737) - waren zwar sehr weitgefaßt, die von Pius
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nisch geprägten katholischen Reform, 240 so wird man auch die Bedeutung der Musica sacra für die Reform und konfessionelle Profilierung der katholischen Kirche nicht geringschätzen. Damit aber gilt es, die Funktion des Günzburger Hofes als Schrittmacher oder Multiplikator katholischer Liturgie auf der Höhe kirchlicher Forderungen zu würdigen. Daß dabei ein weltlicher Hof für ein Chorherrenstift der Augustiner Impulse zur Nachahmung setzte und sie schließlich durch die Veräußerung der Musikalien materiell ermöglichte - ob dabei politische Motive konkurrierender Repräsentation auf dieser oder jener Seite vorrangig waren, ist nicht entscheidend demonstriert nichts weniger als die Bedeutung des Günzburger Hofes unter Karl von Burgau für die konfessionelle Reform der Liturgie in der Markgrafschaft Burgau. Die von den Kapuzinern propagierte und organisierte Sternwallfahrt zur Günzburger Hofkirche am Fest des hl. Ulrich (4. Juli) im Jahr 1617 wurde bereits erwähnt. 241 Hinter der Einrichtung der Wallfahrt - hier verstanden als eine besondere Form des Gottesdienstes, der Liturgie - steht ein absichtsvolles und planmäßiges Konzept, denn auf eine ausgeprägte lokale Tradition der Ulrichsverehrung konnte in Günzburg, wo weder die Hofkirche noch irgendeine andere Kirche oder Kapelle dem Bistumspatron geweiht war, nicht zurückgegriffen werden. Ob allerdings die Kapuziner die Idee der Ulrichswallfahrt nach Günzburg entwickelten, ist nicht bekannt; eher ist dabei an Markgraf Karl zu denken. Auch Alfred Schröder erwähnt - ohne Bezug auf ein bestimmtes Jahr und leider ohne Nachweis einer Quelle - den großen „Volkszufluß" zur Hofkirche am Ulrichsfest, den Markgraf Karl „sehr begünstigte". 242 - Nach dieser Formulierung hätte es sich im übrigen nicht nur um ein einmaliges Ereignis des Jahres 1617 gehandelt. Tatsächlich vereinigt die Form der Wallfahrt von 1617 deutlich religiöse mit politischen Intentionen: Die Förderung der Ulrichsverehrung konnte zum einen
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IV. zur Durchführung des Konzilsbeschlusses eingesetzte Kommission hob jedoch die Vorbildlichkeit der Kompositionsweise Palestrinas hervor, die sich durch enge Bindung an den liturgischen Text, Vorrang des Gesangs im mehrstimmigen A-cappella-Satz, Ernst und Würde und Verzicht auf Solistenauftritte auszeichnete (WWKL, Bd. VIII, S. 2048; Müsch, Kultmusik, S. 38-43, 74). Beispiel hierfür ist schon die Anordnung der Dekrete der Augsburger Diözesansynode von 1610: Auf einen allgemeinen Teil De unius Fidei, Veritatisque Catholicae professione folgt der zweite große Abschnitt über die kirchliche Sakramentenlehre, eingeleitet mit einem Kapitel De cultu Divino. Erst danach werden Fragen der sittlichen Lebensführung des Klerus abgehandelt (Schannat/Hartzheim, Concilia, Tomus 9, S. 22-91). - Die eigentümliche Schwerpunktsetzung der katholischen Reform läßt es im übrigen auch problematisch erscheinen, ihren Erfolg primär und ohne historische Differenzierung nach ihren Ergebnissen für die Sittenzucht im Vergleich mit der lutherischen oder reformierten Konfessionalisierung zu bewerten. Kap. Β. II. 3.1.3. A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 240.
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die Identifikation der Gläubigen mit dem eigenen Bistum fördern; gemeinsame, religiös motivierte Bewegung und Begegnung konnte deren Treue zur katholischen Kirche allgemein festigen. Zum anderen aber war es möglich, durch die Form der Sternwallfahrt dem burgauischen Vorort Günzburg, näherhin der Habsburgerresidenz mit ihrer Hofkirche, eine neue zentralörtliche Funktion zuzuweisen.243 - Wenn die sich allerdings nur auf Indizien stützenden Vermutungen Hermann Hörgers zutreffen und Bischof Heinrich selbst, vor allem aufgrund politischer Konflikte mit dem Augsburger Kloster St. Ulrich,244 einer Förderung der Ulrichsverehrung eher reserviert gegenüberstand, 245 wäre die Konzeption der Ulrichswallfahrt nach Günzburg auch als originäre kirchenpolitische Leistung des Markgrafen zu begreifen. Pastorale und apologetische Potenz des Heiligen - Integrationskraft für die Gläubigen des Bistums und in seiner Vita angelegtes gegenreformatorisches Interpretationspotential als Bezwinger der Ungläubigen 246 entdeckt und in das liturgische Konzept der Wallfahrt umgesetzt zu haben, wäre dann das Verdienst Karls von Burgau. Möglicherweise geht auch die Einfuhrung der Karfreitagsprozession in Günzburg durch P. Augustin 247 auf Anregungen Markgraf Karls zurück. Allerdings lassen sich entsprechende Vermutungen nicht beweisen. 248 243
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Denselben Versuch einer Aufwertung des eigenen Residenzortes, hier eines reichsritterschaftlichen Herrschaftssitzes, stellt die Gründung der Corpus-Christi-Bruderschaft 1619 durch Marquard von Freiberg dar. Die Bruderschaft war fur drei Pfarreien gleichzeitig - für Krumbach, das den Freiberg jedoch nicht gehörte, fur (Nieder- und Hohen-?)Raunau und Aletshausen - begründet worden, die haubt procession aber, also das Bruderschaftsfest am Sonntag nach Fronleichnam, sollte Iärlich Im Marckht [Nieder-]Äaw«aw gehalten werden, nach Möglichkeit sollte dort auch Beichte und Kommunion beim Eintritt in die Bruderschaft erfolgen (ABA, SAPr 2, 1619 Mai 10, 115-122). Niederraunau befand sich nicht nur geographisch zwischen den beiden anderen weiter nördlich und weiter südlich im Kammeltal gelegenen Orten, es war auch Herrschaftssitz der Freiherren von Freiberg, die auf diese Weise versuchten, die Bedeutung Niederraunaus in der engeren Region zu stärken. - Zu Niederraunau Hahn, Krumbach, S. 91-98; Münchenbach, Verhältnisse. Hochstift Augsburg und Benediktinerabtei St. Ulrich lagen im Streit um die Frage der Reichsunmittelbarkeit des Klosters (Endrös, Reichsunmittelbarkeit, S. 141-155; P. Blickle/R. Blickle, Schwaben, S. 51, 60). Hörger, Ulrichsjubiläen, S. 313f., 316. Dagegen behauptet Pötzl, Volksfrömmigkeit, Bischof Heinrich habe die Bemühungen des Benediktinerabtes Johannes Merk (1600-1632) um eine Erneuerung der ulrikanischen Heiligenverehrung unterstützt. Er fugt jedoch hinzu, daß dem Bischof besonders an einer Ausbreitung des Simpertkultes gelegen war (S. 907). Vielleicht war Heinrich von Knöringen bestrebt, im hl. Simpert einen von politischen Konflikten unbelasteten Bistumsheiligen stärker zu etablieren. - Gegen die Günzburger Wallfahrt scheint Bischof Heinrich jedoch keinerlei Vorbehalte gehabt zu haben: Der von Pfarrer Leonhard Braun an ihn herangetragenen Bitte (ABA, BO 4142, 1617 Juni 24), wegen des großen Andrangs der Gläubigen wolle man den Gottesdienst - wer ihn zelebrieren sollte, ist nicht genannt - auf einem Betstein im Schloßvorhof feiern, gab er postwendend statt (ebd., 1617 Juni 30). Hörger, Ulrichsjubiläen, S. 315, vermutet, Ulrich hätte aus diesem Grund zu einer „Schlüsselfigur der Augsburger Gegenreformation" werden können. Kap. Β. II. 3. Anm. 73.
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(2) Der pastorale Schwerpunkt im Wirken auch der Günzburger Kapuziner Predigt, Beichte, karitative Dienste - trug in breiten Schichten der Bevölkerung wesentlich zur Festigung des Glaubenslebens und zur Internalisierung seiner katholischen Züge bei. 249 In diesem Sinne kann die Gründung des Klosters durch Markgraf Karl als Beitrag zur konfessionellen Konsolidierung in Günzburg und darüber hinaus in der Markgrafschaft Burgau k a u m hoch genug veranschlagt werden. In Intensität und Dauer ist die Gründung als wirksamster religiöser Impuls und bedeutsamste kirchenpolitische M a ß n a h m e Karls zu werten. Sie verbesserte speziell die seelsorgliche Situation in der Stadt in entscheidender Weise. (3) Karl hatte die Patres des Kapuzinerordens näher wohl zuerst auf seinen Feldzügen im Dienste Spaniens und des Kaisers als Feldprediger kennengelernt, : M ) vielleicht auch in Innsbruck, wo seit 1593 die erste Niederlassung des Ordens im Reich bestand. 251 Karl konnte den Fortgang des Innsbrucker Klosterbaus, dessen Grundstein 1594 von Erzherzog Ferdinand II. gelegt worden war, persönlich verfolgen 2 - 2 und vertraute sich der geistlichen Führung der Kapuziner an: Seinen Innsbrucker Beichtvater P. Damian von Venedig schätzte er so sehr, daß er ihn bei der Übersiedlung nach Günzburg mit sich nahm. 253 Mit dem Projekt einer eigenen Niederlassung für seinen Residenzort Günzburg folgte Markgraf Karl 1615/16 dem Vorbild seines Vaters. Die Bindung Karls an seine Gründung war von A n f a n g an stark und von erheblichem persönlichen und eigenem finanziellen Einsatz gekennzeichnet: Die A n w e r b u n g der Patres machte sein Engagement bei Ordensprovinz, Bischof und Papst notwendig; die Finanzierung des Kloster- und Kirchenbaus 2 5 4 hatte Markgraf Karl bestritten, 2 : 0 auch den Unterhalt der Patres ließ er durch die jährliche Darreichung von Almosen aus der Kasse des Günzburger Rentamtes sicherstellen - eine Regelung, die nach seinem Tod von den Tiroler Landesfürsten bestätigt wurde. 256 Welchen Stellenwert als ,Lebenswerk' f ü r Karl selbst die Günzburger Gründung und die Förderung des Ordens besaß, wird aus seinem testamentarisch verfugten Wunsch deutlich, in der
Capuciner Kirchen in den Grab, so wir mitßeiß darzue richten vnd machen lassen, gelegt 248 249 250 251 252 253 254 255
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zu werden. 257 Umgekehrt zeigt die Gewährung dieses seltenen Privi-
So bei R. Seibold, Residenzstadt, S. 88. Vgl. Kap. Β. II. 1.3.6 und 3.1.3. Auer, Geschichte, S. 58. Kraft, Grundstein, S. 51. Eberl, Geschichte, S. 1 - 6 , 4 . Hohenegger/Zierler, Kapuziner, Bd. 1, S. 70. Kap. Β. II. 1.3.6. Die bauliche Umsetzung der franziskanischen Armutsforderung im Normbau der Kapuziner bewahrte allerdings vor unangenehmen Überraschungen bei den Kosten (Frank, Kapuzinerarchitektur, S. 60f.). Hohenegger/Zierler, Kapuziner, Bd. 1, S. 72. TLA, Sei. Leop. (allg. Leop.), Kasten C 41, 1618 Oktober 30 (abgefaßt am Tag vor seinem Tod). - Da die Kapuzinerkirche zum Zeitpunkt seines Todes noch nicht fertiggestellt war,
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legs durch den dafür allein zuständigen Ordensgeneral258 auch die Anerkennung der Verdienste Karls, später auch der seiner Gemahlin Sibylla.259 Allerdings darf auch nicht der Anteil Bischof Heinrichs von Knöringen an Gründung und Fortbestand des Klosters in Günzburg verkannt werden. Einer Niederlassung des doch von der bischöflichen Jurisdiktion exempten Ordens stand er aufgeschlossen gegenüber und begünstigte sie von Anfang an;260 den zu vollkommener Armut verpflichteten Konvent unterstützte er mehrfach etwa durch die Spende von Naturalien.261 Seine Förderung geistlichen Lebens in der Stadt beschränkte Karl indes nicht auf die Gründung des Kapuzinerklosters. Auch die Günzburger Franziskanerinnen erfuhren, wie schon durch Erzherzog Ferdinand II., so auch durch Markgraf Karl und seine Gemahlin Sibylla materielle Zuwendung, aber auch politische Unterstützung gegen Rat und Bürgermeister der Stadt. Die Franziskanerinnen verfügten nicht über eine eigene Klosterkirche, sondern nutzten einen von ihrem Konventsgebäude aus separat zugänglichen Chorraum in der benachbarten Frauenkirche.262 Eine von den Schwestern 1612 geplante erweitterung [...] Ires oratorij bis in mitte der borkürchen hatte der Stadtrat zunächst mit Verweis auf die Rechte der betroffenen Kirchenstuhlinhaber sowie aufgrund des mangelnden Platzes in der Frauenkirche abgelehnt. Markgraf Karl, an den sich die Franziskanerinnen daraufhin wandten, griff das Anliegen der Schwestern auf und brachte den Rat zum Nachgeben. In gottes namen willigte dieser unter bestimmten Bedingungen in eine Erweiterung des Chores ein.263 Die Kosten der mußte Karl zunächst in der Martinskirche bestattet werden. Nach einem feierlichen Kondukt wurde der Leichnam dann 1619 April 15 in einer Gruft unter dem Chor der Kapuzinerkirche beigesetzt (Teilnehmer und Reihenfolge des Trauerzuges bei Raiser, Carl, S. 16-20, sowie mit einem Bericht des Freiherrn Adam von Herberstorff bei Hauser, Karl, S. 193-198; zur Geschichte der Gruft und der Leichname nach der Abtragung der Klosterkirche 1806 Raiser, Carl, S. 21-24; Kraft, Kunstdenkmäler, S. 74f., 177; zur letzten Umbettung im Jahre 1990 R. Seibold, Residenzstadt, S. 43). 258 Hohenegger/Zierler, Kapuziner, Bd. 1, S. 134. 259 Ordensgeneral Clemens von Noto gewährte Markgräfin Sibylla 1620 Dezember 18, ebenfalls in der Kapuzinerkirche und neben ihrem Gemahl beigesetzt zu werden (Hohenegger/Zierler, Kapuziner, Bd. 1, S. 72). 260 Landvogt Don Rodrigo de Barragan wandte sich 1615 August 31 im Auftrag Karls an Bischof Heinrich, ohne dessen Einverständnis er nicht an die Gründung eines Kapuzinerklosters gehen wollte. Schon die Schnelligkeit, mit der Heinrich von Knöringen die Anfrage beantwortete, belegt seine vorbehaltlos positive Haltung: 1615 September 7 gab der Bischof seine Zustimmung und sagte (1613 Oktober 24) seine Unterstützung für den Bau des Klosters zu (Hauser, Karl, S. 185). 261 1628 und 1629 ließ er den Patres durch seinen Pfleger in Autenried Wein, Braunbier und Brot reichen (A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 296; Edlhard, Chronik, S. 158; Hohenegger/Zierler, Kapuziner, Bd. 1, S. 72). 262 Kap. Β. II. 1.3.6. 263 Bedingung war, man solle die Jenigen, so der orthen ständt vnd Kürchenstiel haben, daran wir gehörter masßen niemandten nichts zuuergeben, gleichwol (da Sie khönden) selbs abfinden vnd vergleichen, auch in allweg, Irem erbietten gemeß, den Baw auff Iren Costen vnd
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Baumaßnahme und eines (neuen) Altars fur den Chorraum trug das Markgrafenpaar dann 1613 im wesentlichen aus eigenen Mitteln. 264 - Auch Karls Nachfolger, Erzherzog Leopold V. (1619-1632) und - als Regentin für den minderjährigen Sohn - Erzherzogin Claudia (1632-1646), blieben den Schwestern gewogen und unterstützten sie beim Erwerb weiterer Gebäude, teilweise gegen Ansprüche und Rechte der Stadt und deren hinhaltenden Widerstand. 265 Testamentarisch verfügte Karl 1618 für die Klosterfrauen zu ihrer besseren Hinnbring- und Unterhaltung ein Legat in Höhe von 2000 fl. in der Überzeugung,
sie würden Ihrer andacht nach für das Hayl unserer Seel Gott dem Allmächtigen zu bitten wisen.266 Auch Markgräfin Sibylla vermachte in ihrem Testament insgesamt 1100 fl. für kirchliche und religiöse Zwecke, darunter 500 fl. für die Günzburger Franziskanerinnen. 267 (4) Um seinen konfessionellen Kurs in der Markgrafschaft politisch-militärisch abzusichern und zu festigen, vermutlich aber auch um offensiv zu einer R e o p e ration protestantischer Gebiete beitragen zu können, suchte Markgraf Karl seit 1610 die Mitgliedschaft in der von Herzog Maximilian I. von Bayern (1598-1651) gegründeten und militärisch geführten Liga. Der tatsächliche Beitritt Karls verzögerte sich jedoch aufgrund des habsburgischen Familienstreites bzw. des wittelsbachisch-habsburgischen Gegensatzes, bis 1613 Erzherzog Maximilian III. den Vorsitz eines neu eingerichteten österreichischen Direktoriums übernehmen konnte. 268 Aus dem Bestreben um Aufnahme in das Bündnis, das Karl gleich nach Beziehen der Residenz in Günzburg verfolgte, spricht neben konfessionellen Beweggründen auch der Wunsch des Markgrafen nach außenpolitischer Anerkennung fur sich persönlich als benachteiligtem Sproß einer morganatischen Verbindung, für sein (burgauisches) Herrschaftsgebiet als eines landeshoheitlich defizitären
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der Kürchen oder dem hailigen ohne nachtheil, darzue auch ain merere helle vf die alte borkürchen, so sonst gar fünster sein würde, dirigiern vnd richten lassen (StaAGü, Urk. 5.272, 1612 Oktober 29). Reiter, Franziskanerinnen; Auer, Geschichte, S. 58. - Bereits im Oktober 1609 hatte Karl den Schwestern zur Reparation ihres Klosters 100 fl. gespendet (Radlkofer, Karl, S. 40). So beim Kauf eines dem Kloster gegenüberliegenden Hauses (StaAGü, Urk. 5.272, 1623 April 8; StAA, VÖ, Lit. 654, 1624 Februar 28; ebd., 1624 Mai 22 = StaAGü, Urk., 5.345, 1624 Mai 22), eines angrenzenden Stadels (StaAGü, Urk. 5.272, 1631 Juni) und eines Hofes in Reisensburg (StAA, VÖ, Lit. 655, 1642 Februar 12). TLA, Sei. Leop. (allg. Leop.), Kasten C 41, 1618 Oktober 30 (abgefaßt am Tag vor seinem Tod). Daneben erhielten je 200 fl. St. Jacobi Haus (wohl das Pilgerhospiz), Siechenhaus (Leprosenhaus?) und Armelentehaus (Spital?); zum Vergleich: Kanzler Dr. Ferdinand Seida erhielt an Geld 3000 fl., insgesamt wurden 26 400 fl. an Geld vermacht (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 211). - Zu Ferdinand Seida Hauser, Karl, S. 181 mit Anm. 73; Zorn, Karrieresprungbrett, S. 46, 51. Radlkofer, Karl, S. 43; Kreisbeschreibung Günzburg, S. 14; Albrecht, Zeitalter, S. 414-422. - Zur Liga allgemein Neuer-Landfried, Liga.
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Territorium non clausuni. Insofern Karl mit seiner Mitgliedschaft in der Liga konfessionelle mit politischen Zielsetzungen einer Herrschaftsintensivierung - im Horizont der Außenbeziehungen - verband und beide Intentionen zugleich verfolgte, kann man sein Engagement im Bündnis in weiterem Sinne als Beitrag Karls von Burgau zur Konfessionalisierung der Markgrafschaft interpretieren. (5) Mit einer Reihe administrativer Maßnahmen - Zollsteigerungen, Vagantenund Zunftordnung - hatte Markgraf Karl versucht, die ökonomischen Bedingungen in Günzburg selbst wie in der Markgrafschaft insgesamt zu verbessern. Die Gründung einer Hofdruckerei oder der Plan einer Schau für Webwaren in Burgau sind hier ebenfalls zu subsumieren. Allerdings besitzen diese Impulse auch durchaus intendierte - religiöse, ja konfessionelle Aspekte. Von der Hofdruckerei ist wenig mehr bekannt als ihre Einrichtung im Jahr 1616.269 Wo sich die Presse damals befand, wie der Druckereibetrieb organisiert war und was im einzelnen dort in den ersten Jahren publiziert wurde, ist aus der Forschungsliteratur 270 nicht ersichtlich. Eine entsprechende archivalische Überlieferung für den Untersuchungszeitraum konnte bislang ebenfalls nicht gefunden werden. Nach den Aufzeichnungen der Chronik von Franz Xaver Edlhard, die auf eine Angabe von Quellenbelegen verzichtet, arbeitete die Druckerei anfangs rein xylographisch, also mit Holzbuchstaben (und einer Holzschraubenpresse), und war „nach den Verhältnissen der damaligen Zeit nicht unbedeutend". 27 ' Einige Jahre nach ihrer Gründung, „während des Schwedenkrieges", stellte die Presse ihren Betrieb ein. Der nächste Günzburger Druck datiert dann erst wieder für das Jahr 1680.272 Die Günzburger Druckerei barg als qualifiziertes Gewerbe Chancen für den Arbeitsmarkt der Residenzstadt und ließ auf fiskalische Vorteile für das burgauische Rentamt hoffen. Daneben erfüllte eine „Markgräflich Burgauische Hofdruckerei" Bedürfnisse nach höfischer Repräsentation, stand administrativ zur Veröffentlichung der von Karl erlassenen Mandate und Verordnungen sowie politisch als Instrument publizistischer Auseinandersetzung um strittige Rechte in der Markgrafschaft zur Verfugung, zumal die hochstiftische Druckerei in Dillingen wegen der Auseinandersetzungen um landeshoheitliche Rechte einen antihabsburgischen Kurs verfolgte. 273 Hervorzuheben ist in diesem Kontext jedoch ihre Funktion im Dienst der Intensivierung des Glaubenslebens, denn zu den wichtigsten bzw. häufigsten Publikationen der Druckerei gehörten Gebetbücher für den allgemeinen Gebrauch: 274 Insofern dabei spezifisch katholische Inhalte in Ab-
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Singular das Gründungsjahr 1610 bei Kraft, Kunstdenkmäler, S. 25. Edlhard, Chronik, S. 95; Auer, Geschichte, S. 59; Hauser, Karl, S. 188. Edlhard, Chronik, S. 95. Auer, Geschichte, S. 59. Kraft, Kunstdenkmäler, S. 25. Auer, Geschichte, S. 59.
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grenzung zu protestantischen Vorstellungen zum Tragen kamen, besaßen Gründung und Betrieb der Hofdruckerei eine dezidiert konfessionelle Dimension. In exemplarischer Weise greifbar ist die Verbindung ökonomischer und konfessioneller Funktionen und Intentionen für den Plan, eine angeblich abgegangene Schau für Webwaren, allerdings in Burgau wiederzuerrichten.275 Zu diesem Zweck schrieb Markgraf Karl wenigstens zwischen 1610 und 1615 Insassen der Markgrafschaft in einem gleichlautenden Brief an, um zur Planung der Beschau Anhaltspunkte für die Produktivität der Landweber zu gewinnen. Die Fugger in Mickhausen,276 Glött,277 Kirchberg und Weißenhorn,278 der Augsburger Rat und seine Spitalpfleger,279 die Äbtissin des Damenstiftes Edelstetten280 und vermutlich noch weitere Insassen wurden gebeten mitzuteilen, wieuil weber Ir vnter euch habt vnd wieuil stuckh oder goiter ein ieder Ime traue, Järlichen zuwürckhen. Die Adressaten sollten dessen ein verzaichnus vnd vberschlag anhero guetwilligelich communiciern und ihre Weber sambt vnd sonders dahin anhalten, daß sie obberierte vnsere vorhabende beschaw zu Burgaw [...] mit Iren tuechern ohnfehlbar besuechen.m Das Schreiben des Markgrafen wirbt um die Kooperation der Insassen zunächst mit ökonomischen Argumenten: größere Marktnähe Burgaus - die Stadt sei, anders als die nicht genannten, aber gemeinten Reichsstädte Augsburg und Ulm, in der nache gelegen - , Nachfrage bzw. Bedarf - die Weber selbst würden darumb anhalten - sowie allgemein positive Folgen für Wirtschaft und Prosperität - der gemeine nutz282 würde dadurch befördert, die Gründung trage bei zu gemeinem, fruchtbarlichen gedeyen vnd aufnemen der Untertanen. Dabei verschweigt Markgraf Karl auch nicht die eigene ökonomische bzw. soziale Motiva-
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Eine umfassende Monographie zur Stadtgeschichte Burgaus bleibt weiterhin ein Desiderat. Einstweilen immer noch A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 111-130; Keyser/Stoob, Städtebuch, Bd. 5, S. 115f.; Kreisbeschreibung Günzburg, S. 38f.; Schulz, Burgau. Der Aufsatz von Wüst, Stadtinteressen, ist bequem zugänglich, da er gleichlautend, jedoch ohne die Textedition, noch zweimal an anderer Stelle veröffentlicht ist: ders., Burgau, bzw. in: Quarthai, Faix, Habsburger, S. 137-152. Anfrage an Christoph Fugger von 1610 Dezember 20, Antwort des Amtmannes von Mickhausen von 1611 Januar 25 (Kießling, Günzburg, S. 36 mit Anm. 58). 161 1 Januar 19 Anfrage in Glött mit Antwort von 1611 Januar 22 (Kießling, Günzburg, S. 46 Anm. 58). Anfrage an Marx Fugger von 1611 Dezember 20 [!] (Hauser, Karl, S. 182 mit Anm. 76). StaAA, Markgrafschaft Burgau, Akten 11, 1610 Dezember 20. Das an Pfleger und Rat von Augsburg adressierte Schreiben sollte laut Vermerk auf der Rückseite zur Vorlage an die Spitalpfleger und andere (sc. reichsstädtische) Insassen der Markgrafschaft weitergeleitet werden. StAA, „Damenstift Edelstetten (Depotbestand) Akten", XV, V, 21, 1615 September 20. StAA, „Damenstift Edelstetten (Depotbestand) Akten", XV, V, 21, 1615 September 20. Zum - auch ökonomischen - Bedeutungsgehalt des sehr weit gebrauchten Begriffes W. Schulze, Geschichte, S. 222-226.
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tion fur das Projekt, denn durch den abgang einer vormaligen Beschau in Burgau, gebe es dort vill armer Leith vnd mießig genger. An diese wirtschaftliche Argumentation schließen sich nun nahtlos explizit konfessionelle Überlegungen an: Die Abhaltung einer allgemein besuchten Webwaren-Schau in Burgau diene nämlich zu desto sicherer erhaltung vnd vortpflanztung [!] der Catholischen Religion, seitemahln bishero, wie euch bewist, ahn vncatolischen ortten nit ohne gefahr vnheilsamer verfierung die beschawen besuecht werden mießen.2m Der Gang nach dem katholischen Burgau bewahre also mit anderen Worten vor dem für die Glaubenstreue der katholischen Weber riskanten Kontakt mit Protestanten und ihrer Lehre, freilich in den Reichsstädten Ulm und Augsburg. Ja, umgekehrt könnte die Attraktivität der Burgauer Schau auf protestantische Weber sogar eine konfessionell offensive Wirkung entfalten und so - durch deren Kontakt mit einer dominanten katholischen Umwelt - zur vortpflanztung der katholischen Religion beitragen. Das Projekt Markgraf Karls traf, soweit es sich aus den überlieferten Antwortschreiben erkennen läßt, zum Teil durchaus auf Interesse bei den Webern der insassischen Herrschaften: wegen der räumlichen Nähe Burgaus und etwa wegen der Restriktionen des Augsburger Marktes für die Landweber. 284 Andere Weber scheinen dem Vorhaben dagegen eher reserviert begegnet zu sein.285 Aus welchen Gründen der Plan schließlich nicht in die Tat umgesetzt wurde, ist zwar nicht bekannt, doch mag sich letztlich die „Dominanz der großstädtischen Zentren" bereits ausgeprägte (wirtschaftliche) Kontakte, günstige Handelsbedingungen, attraktivere Preise; kurz: die Standortvorteile der Etablierten - als stärker erwiesen haben,286 stärker auch als die Bereitschaft zur Konfessionalisierung des Wirtschaftslebens.
3.3.3.4 Exkurs: Prädominante Antagonismen im konfessionellen Konsens: die Reform der Hofkapläne Wesentliches Element der katholischen Reform war die Disziplinierung des Klerus, der nicht allein den rechten Glauben zu vertreten und zu verkünden, sondern auch den Anforderungen an eine sittliche Lebensführung zu genügen hatte. Die Erziehung eines neuen Priesterstandes oblag - wenigstens in der Markgrafschaft Burgau - im wesentlichen der bischöflichen Visitation und Korrektion bzw. Jurisdiktion.287 Daß auch Herrschaft und Bevölkerung auf die Reform des Klerus einwirken konnten, soll damit nicht in Abrede gestellt werden und kann für Günz283 284 285
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StAA, „Damenstift Edelstetten (Depotbestand) Akten", XV, V, 21, 1615 September 20. Kießling, Günzburg, S. 36f. So bekundeten in den Ortsherrschaften des Augsburger Hl.-Geist-Spitals trotz fleissige[r] nachfrag der Spitalpfleger lediglich zwei Weber in Mittelneufnach Bereitschaft, nach Burgau zu liefern (StaAA, Markgrafschaft Burgau, Akten, 1611 Februar 1). Kießling, Günzburg, S. 37. Kap. B.II. 3.1.1.
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Politik
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bürg deutlich gemacht werden. 288 Die Vorstellungen von Kirche, Herrschaft und Bevölkerung über das wünschenswerte Erscheinungsbild des Klerikers war dabei grundsätzlich keineswegs kontrovers. Wie sich aber trotz dieser Verständigung über gemeinsame Inhalte der Reform, also trotz der Basis konfessionellen Konsenses, Konflikte, im vorliegenden Fall zwischen Kirche und Herrschaft, ergeben konnten und wie vor ihrem Hintergrund das Konfessionalisierungskonzept zu bewerten ist, zeigen exemplarisch die Probleme, die sich aus der Disziplinierung der Günzburger Hofkapläne ergaben. Für die Gottesdienste in der Hofkirche standen unter Markgraf Karl mehrere 1618 drei - Hofkapläne zur Verfugung. 2 8 9 Als Mitglieder des Hofstaats konnten sie der Beobachtung durch die Oberbeamten bzw. Markgraf Karl selbst sicher sein, die sich zwar als Vorgesetzte der Kapläne empfanden, denen aber die Verhängung von Sanktionen kirchenrechtlich verwehrt war. 290 - Wenn also in der Überlieferung die Defizite der Hofkapläne besonders ausgeprägt erscheinen, bedeutet dies noch nicht, daß sie sittlichen Ansprüchen tatsächlich weniger als der übrige Säkularklerus genügten oder daß bei ihrer Anstellung die Aufmerksamkeit des Präsentationsherren - des Markgrafen von Burgau bzw. Erzherzogs von Tirol - zu wenig auf ihren Lebenswandel gerichtet gewesen wäre. 291 Der Befund weist vielmehr vorderhand nur darauf hin, daß Wandel und Wirken der Hofkapläne in hohem Maße der Kontrolle unterlagen, näherhin einer Kontrolle durch Laien, die, um Wirkung entfalten zu können, der Kooperation mit der kirchlichen Disziplinargewalt bedurfte. Dies mußte sich in einer regen Korrespondenz zwischen burgauischen oder Innsbrucker Behörden und kirchlichen Stellen bzw. entsprechend günstiger Überlieferungslage niederschlagen. 292 Den üblichen Verlauf 9 3 illustriert die Disziplinierung des Hofkaplans Michael Greßmundt, den der burgauische Landvogt - es war Sebastian Schenk von Stauf-
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Kap. Β. II. 3.3.3.4 und 3.4.3. Der Hofstaat umfaßte 1618 insgesamt 124 Personen (Hirn, Maximilian, Bd. 2, S. 299), deren teils fremde Herkunft es immer wieder nötig machte, für die Hofkapläne eine bischöfliche Erlaubnis zur Abnahme der Beichte in italienischer und französischer Sprache zu erwirken (z.B. ABA, BO 4142, 1612 März 14, 1613 April 2, 1614 März 21). Vgl. die einschlägigen und gleichlautenden Bestimmungen De Immimitate Ecdesiastica der Augsburger Diözesansynoden von 1567, Teil 3, Kapitel XX, bzw. von 1610, Teil 3. Kapitel XXIV (Schannat/Hartzheim, Concilia, Tomus 7, S. 200, bzw. dies., Concilia, Tomus 9, S. 80f.) Vgl. die zahlreichen Schreiben zu Präsentationen von Hofkaplänen, aus denen sämtlich das Bemühen um eine gründliche Recherche ihrer auch sittlichen Eignung als Voraussetzung für eine Anstellung spricht (StaAGü, Urk. 5.330). Vgl. den Bestand ,Schloßkaplanei' (ABA, BO 4142). Vgl. Teil 3, Kapitel XX, De Immunitate Ecdesiastica, der Augsburger Diözesansynode von 1567: Si quem Clericum in aliquo delinquere contingat, eum ad Nos, vel Vicarium nostrum deferri volumus, ut pro delicti qualitate eum aut simpliciter citari, aut personalster apprehendi, invocato ad hoc, si opus fuerit, auxilio brachii saecularis, curemus (Schannat/Hartzheim, Concilia, Tomus 7, S. 200).
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Fallstudien
fenberg (1582-1587) - 294 1585 wegen deß ergerlichen lebens bei Bischof Marquard vom Berg (1575-1591)295 anzeigte. Generalvikar Michael Dornvogel (um 1577-1589)296 erhielt daraufhin Weisung, er solle den Kaplan vor sich, also ins Augsburger Generalvikariat erfordern vnd gegen Ime mit geburender straff verfaren bzw., im Falle dieser die gegen ihn erhobenen Vorwürfe abstreiten sollte, durch desselbigen Capitis Decanum, Camerarium oder andere hierin vnd darzu taugenlichen personen erkundigung einziehen lassen?91 Der Landvogt hatte damit die Verfehlungen des Priesters seinen kirchlichen Oberen angezeigt. Ihnen oblag im weiteren Verlauf die Korrektion des problematischen Geistlichen. Es liegt auf der Hand, daß dieses Verfahren in seiner Effizienz eingeschränkt war: Zunächst mußten die Verfehlungen eines Priesters ein Maß erreicht haben, das die Anklage vor dem Bischof bzw. dessen Generalvikar stichhaltig begründen konnte. Bis dieser reagierte und konkrete Schritte zunächst der Untersuchung einleitete, verging unter Umständen einige Zeit. War der angeklagte Geistliche dann nicht sofort oder überhaupt nicht geständig, kam es nochmals zur Verzögerung möglicher Sanktionen. Nicht selten verliefen auf diese Weise Disziplinarverfahren schließlich im Sand und eine wirkungsvolle Bestrafung unterblieb. Diesen Problemen suchte später Markgraf Karl zu begegnen, indem er sich die Korrektur seiner Hofkapläne selbst angelegen sein ließ. Es sollte ihn in Konflikt mit der bischöflichen Jurisdiktionsgewalt bringen. Zunächst geschah dies in einem Fall, bei dem keine erkennbaren konkreten Verstöße gegen die priesterliche Lebensführung zugrunde lagen: 1611 Dezember 12 war ein Hofkaplan Markgraf Karls, der Italiener Kaspar Saccazzi, mit einem weiteren Bediensteten aus Günzburg in das pfalz-neuburgische evangelische Lauingen geflohen. Ein konfessioneller Hintergrund der Flucht ist dabei nicht erkennbar, Kaplan Saccazzi dürfte vielmehr aufgrund einer drückenden Schuldenlast vor seinen Gläubigern geflohen sein.298 Ahn einem Lutterischen ort?" hatten die Entlaufenen vermutlich gehofft, nicht gefunden und gefangengenommen zu werden. Trotzdem wurden sie dort - im Gasthaus beim Weissen Ross - von burgauischen Beamten aufgegriffen, zunächst an Ort und Stelle vff ahnrueffung der Obrigkhaitt arrestiert, dann nach Günzburg verbracht und dort in vnderschidliche Stüblin gelegtt und Examinirt. Während der eine der beiden schließlich seinen Abschied
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Zu ihm Zorn, Karrieresprungbrett, S. 46. Zu ihm Zoepfl, Bischöfe, S. 561-695. Zoepfl, Bischöfe, S. 660. ABA, BO 4142, 1585 Oktober 12. Das wird aus der späteren Verfügung deutlich, der Kaplan solle seine Gläubiger zufriedenstellen (ABA, BO 4142, 1612 Oktober 26). ABA, BO 4142, 1613 Dezember 8 (Bischof Heinrich von Knöringen berichtet dem Erzbischof von Salzburg über die erste Flucht Saccazzis 1611).
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Politik
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vom Hof nahm, verrichtete Hofkaplan Saccazzi bald darauf wieder seinen Dienst am Altar.300 Bischof Heinrich hatte von dem Vorgang erfahren und ersuchte nun den Günzburger Pfarrer Leonhard Braun um seinen Bericht,301 der dem Bischof unverzüglich zuging.302 In einem daraufhin beim Generalvikar eingeholten Gutachten trägt Zacharias Furtenbach dem Bischof die Rechtslage vor, die es einem Laien nicht gestatte, in clericum manus violentas anzulegen', ein Verstoß gegen diesen Kanon bringe die unwillkürliche Exkommunikation mit sich.303 Ein Beschwerdebrief Bischof Heinrichs fordert Markgraf Karl daraufhin auf, die Absolution zu suchen und künftig auf das beanstandete Verhalten zu verzichten.304 Die dagegen erhobenen Einwände des Markgrafen 303 werden vom Bischof in einer bemerkenswerten und für Karl offenbar überzeugenden Argumentation zurückgewiesen, und Karl wird um so dringlicher aufgefordert, sich an gehörigen, gebührenden ortten vmb die absolution zu bemühen. Dies geschehe nämlich nicht nur dem lieben gott zue gefallen, sondern - und auf diesen Gedanken eines konfessionellen Bedeutungsgehaltes der Kirchendisziplin läuft das Schreiben des Bischofs argumentativ zu - dadurch würde Karls gegen der hayligen Christlichen Kirchen vnd Catholischen [= eingefügt!] religion vorhin bekhandter, lobruhmlicher euffer nur vmb so vil mehr zue noch gröserm ihrem lob erscheinen/06 Der Verweis auf konfessionelle Glaubwürdigkeit - die nachträglich eingefugte Spezifikation der religion als katholisch belegt diesen konfessionellen Sinn - und damit der Bezug auf den Konsens, der in diesen Fragen zwischen Bischof und Markgraf herrscht, diente Bischof Heinrich offenbar erfolgreich zur Durchsetzung seiner Politik gegenüber Markgraf Karl, denn die Mahnungen des Bischofs zeigten Wirkung: Als einige Monate später die erneute Fluchtabsicht des Kaplans am Hof bekannt wurde, beeilte sich Markgraf Karl, die Inhaftierung des Kaplans in vnnsers Ober: Cammerers Zimmer zue hoff nach Augsburg zu melden und ersuchte den Bischof, qualificierte Persohnen allhero abzuordnen, seine vrsachen vnnd Ciagen auch gegen andtworth anzuhören vnnd zue abhellfung derselben weitere verord-
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ABA, BO 4142, 1611 Dezember 22. ABA, BO 4142, 1611 Dezember 21. ABA, BO 4142, 1611 Dezember 22. ABA, BO 4142, 1612 Januar 9. Die entsprechenden Vorschriften der 23. Sessio des Tridentinums, auf die der Generalvikar Bezug nimmt, werden auch von der Augsburger Diözesansynode 1610 in Teil 3, Kapitel XXIV, De Immunitate Ecclesiastica, aufgegriffen: Nemo cuiuscunque gradus, ordinis, vel conditionis contra nostram voluntatem, & Canonicas Sanctiones Clericos captivare, vel in vinculo conjicere praesumat. Qui secus fecerit, ipso facto in sententiam excommunicationis se incurrere sciat (Schannat/Hartzheim, Concilia, Tomus 9, S. 80). ABA, BO 4142, 1612 Februar 9. ABA, BO 4142, 1612 Februar 13. ABA, BO 4142, 1612 März 23.
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Fallstudien
nung zuegeben.307 Bereits tags darauf sagte der Ordinarius die Abordnung zweier bischöflicher Beamter sowie des Pfarrers Leonhard Braun zur Untersuchung nach Günzburg zu. Kaplan Saccazzi sollte solange in der custodia gehalten werden.308 Nach der Berichterstattung der Kommissare verfugte Bischof Heinrich nun selbst die Inhaftierung des Hofkaplans bis Allerheiligenabend - also etwa sechs Tage lang - bei Wasser und Brot; bei seiner Entlassung solle er streng ermahnt werden, seinen Pflichten nachzukommen und seine Gläubiger zu bezahlen. Mit der Ausführung dieser Sanktionen wurde Markgraf Karl betraut.309 Auch als Kaspar Saccazzi ein Jahr später nun tatsächlich wieder ausgerissen war und sich mittlerweile in die Dienste des Erzbischofs von Salzburg - Marx Sittich von Hohenems (1612-1619) - begeben hatte, ging Markgraf Karl nicht mehr eigenmächtig vor, sondern ersuchte Bischof Heinrich um Einflußnahme auf den Erzbischof. Marx Sittich solle dabei versichert sein, daß ohne wissen, consens vnnd Ordnung des Ordinarius mit dem Flüchtigen nichts fürgenhomen werden solle,310 An diese Zusage hielt sich Markgraf Karl. 3 " Die Causa Saccazzi liest sich wie die Geschichte der Disziplinierung Markgraf Karls durch Bischof Heinrich: Gleich zu Beginn der Herrschaft des Markgrafen kommt dem Fall mit seinen 17 überlieferten Schreiben, schon erkennbar an der Quantität der Überlieferung, grundsätzliche Bedeutung für die Bestimmung des Verhältnisses zwischen weltlicher und kirchlicher Gewalt zu: Markgraf Karl akzeptierte fortan die Ansprüche des Ordinarius auf geistliche Immunität des Klerus und achtete den Bereich bischöflicher Jurisdiktion. Konfessioneller Konsens diente dem Bischof dabei argumentativ zur Durchsetzung seiner Position; man ist versucht, geradezu von der Konfessionalisierung der weltlichen Gewalt durch die kirchliche Hierarchie zu sprechen. Auch wenn es bei der Disziplinierung des Hofkaplans Saccazzi nicht um Verfehlungen des Priesters gegen konkrete Forderungen der katholischen Reform ging, gab der Verlauf des Falles doch für die Zukunft auch die Spielregeln der Kooperation in Fällen von konfessioneller Tragweite vor:
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ABA, BO 4142, 1612 Oktober 20. ABA, BO 4142, 1612 Oktober 21. Schreiben an den bischöflichen Siegler Michael Schmidtner und an den Günzburger Pfarrer Leonhard Braun vom selben Datum ebd. - Die bischöflichen Kommissare trafen 1612 Oktober 14 am Hof ein und begannen mit der Vernehmung des Kaplans (ABA, BO 4142, 1612 Oktober 24). ABA, BO 4142, 1612 Oktober 26. Der Inhalt der Strafbestimmungen wurde dem unter anderem mit dem Verhör betrauten Siegler Michael Schmidtner und Pfarrer Leonhard Braun von Günzburg mitgeteilt. Ein Brief Heinrichs vom selben Datum an Markgraf Karl teilte diesem lediglich mit, er könne die Strafmodalitäten von Pfarrer Braun erfahren. ABA, BO 4142, 1613 November 30. Vgl. die zwischen Markgraf Karl und Bischof Heinrich gewechselten Schreiben (ABA, BO 4142, 1613 Dezember 7 und 8). Der Ausgang des Falles ist allerdings nicht überliefert.
Akteure kirchlicher und konfessioneller
Politik
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1617 hatte Markgraf Karl gegenüber Bischof Heinrich Grund zur Klage über zwei Hofkapläne, die sich nit allein in Iren diensten saumselig, sonndern auch zue Zeiten ärgerlichen verhalten vnd sonderlich dem trinckhen ergeben, auch gar der heilligen Weynecht feyrtagen nit verschont?12 Damit wandte sich der Markgraf zunächst gegen Defizite des Klerus - mangelnde Erfüllung pastoraler Pflichten und unpriesterlicher Lebenswandel die gleichzeitig Arbeitsfelder der bischöflichen Reform in Synoden 3 ' 3 und Visitationen 314 waren. Gewissermaßen rezipientenorientiert erhalten die Vorwürfe darüber hinaus eine konfessionelle Dimension im Hinweis, durch ihr Verhalten - vor allem durch die der Öffentlichkeit nicht verborgene Trunksucht - würden die Priester nun bey dem gemainen Mann nit geringes scandalum verursachen: Aus der Referenz auf das Urteil der Öffentlichkeit spricht die Furcht vor den Konsequenzen mangelnder Glaubwürdigkeit des kirchlichen Erscheinungsbildes. Vor dem Hintergrund konfessioneller Konkurrenz, wie sie durch das Umfeld Günzburgs gegeben war oder - das zeigen manche konfessionell motivierten Maßnahmen des Markgrafen - doch gefurchtet wurde, war diese Sorge umso berechtigter. S y s t e m i m m a n e n t e ' Kritik an Mißständen drohte unter dem Eindruck des konfessionellen Gegenentwurfs stets in Kritik am ,System' selbst umzuschlagen. Rasche und durchgreifende Reform empfahl sich hier desto dringlicher. Markgraf Karl erkannte die Notwendigkeit rascher und effizienter Disziplinierung und betrachtete sie als seine Aufgabe: Er hielt es für vnkhömlich - u n t a u g lich' 31 · - dergleichen vnordnung iedes mals annderer örtter zueberichten vnd darüber erst beschaid zuerholen, das heißt, den im Falle Michael Greßmundts und schließlich auch Kaspar Saccazzis beschrittenen Weg ständiger Rückfragen und Rückversicherungen beim Ordinarius zu gehen. Nach den Erfahrungen des Falles Saccazzi sah sich Karl jedoch gezwungen, sein Vorgehen mit den kirchenrechtlichen Vorgaben und der restriktiven Haltung Bischof Heinrichs in Einklang zu bringen. Er ersuchte ihn daher um Erlaubnis, daß wiir obgedachte vnnsere hoff Caplän, wan einer oder der annder durch vnßeiß, vberflissigen trunckh, ärgerliches verhaltten oder in ander weeg hinfuro mehr excediern wurde, den selben etwan mit wasser vnd brott in einem ehrlichen Zimmer oder in anndere leidenliche weeg coerciern vnd abstraffen mechten. Sollte der Bischof damit nicht übereinstimmen, solle er selbst auf mittel vnd weeg gedenckhen, wie dises vnhail zue wenden,316
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ABA, BO 4142, 1617 Januar 3. Vgl. die Bestimmungen der Augsburger Bistumssynode von 1610 in Teil 3, Kapitel I, De vita & honestate Clericorum, und Kapitel X, De officio Sacerdotum in genere, (Schannat/Hartzheim, Concilia, Tomus 9, S. 55f., 63). Vgl. etwa die überlieferten Visitationsinterrogatorien im Bestand .Dekanatsarchiv I k e n hausen' (ABA). DWB, Bd. XXIV, S. 1096. ABA, BO 4142, 1617 Januar 3.
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Fallstudien
Bischof Heinrich ging auf den weitreichenden Vorschlag Markgraf Karls sowohl die Art der strafbaren Verfehlungen als auch die Mittel ihrer Bestrafung hatte der Markgraf letztlich offengelassen - nicht ein. Er hätte damit die bischöfliche Disziplinargewalt faktisch ganz aus der Hand gegeben. Andererseits zeigte der Bischof Einsicht für das Anliegen Karls; über die sachliche Notwendigkeit einer effektiveren Korrektur der Hofkapläne bestand durchaus Konsens: Nach Rücksprache mit Generalvikar Zacharias Furtenbach317 signalisierte Bischof Heinrich seine Bereitschaft, den Wünschen des Markgrafen entgegenzukommen, jedoch mit der grundsätzlichen Einschränkung, soweit es der immunitet der gaistlichen iurisdiction vnuerlezt bescheen khann. Als Lösung bot er eine kommissionsweise Übertragung der bischöflichen Jurisdiktionsgewalt Inn geringem vbertrettungen'18 an den Günzburger Pfarrer Leonhard Braun an. Auf des Markgrafen iedeßmahl eruolgendeß andeuten Ihrer gnädigen gemüetß mainung, wie lang einer oder der ander auß disen Caplänen in pane et aqua abzuebiessen sein möchte, solle der Pfarrer im Namen des Ordinarius den Caplänen solche straff vorhallten vnnd aufferlägen, die beschwärlichere noch grössere verbrechen aber ahn vnnß alß Ordinarium vmb vnnsere mehrere vndfernere resolution schrifftlich gelangen lassen.119 Damit war ein Kompromiß gefunden, der einerseits aufgrund der größeren räumlichen Nähe des Pfarrers zum Günzburger Hof eine raschere Disziplinierung der Hofkapläne gestattete und andererseits die kirchliche Jurisdiktion nicht aushebelte.320 Faktisch jedoch hatte Markgraf Karl bei grundsätzlicher Achtung der bischöflichen Rechte seine disziplinarischen Kompetenzen auf Kosten der bischöflichen Gewalt ausweiten können, denn Karl erhob sowohl die jeweilige Anklage und schlug auch das Strafmaß vor, an das der Pfarrer dann mehr oder minder gebunden war. Bischof Heinrich hatte sich dazu auf der Grundlage des konfessionellen Konsenses, der Einsicht in die Notwendigkeit der Klerusreform, bereitgefunden. Für eine Analyse habsburgischer Kirchen- und Religionspolitik sind aus den geschilderten Fällen zwei Beobachtungen festzuhalten: Gegenstand der Konflikte zwischen weltlicher und kirchlicher Gewalt war in beiden betrachteten Fällen die Frage der Reichweite geistlicher Immunität 317
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ABA, BO 4142, 1617 Januar 14; die zustimmende Antwort des Generalvikars auf den Vorschlag des Bischofs ABA, BO 4142, 1617 Januar 16. Als solche werden genannt, wann berüerte Caplän hinfüro Inn ihren diensten saumbsälig, zue Zeiten ärgerlich, auch dem weintrinkhen ergeben, oder etwaß dergleichen delinquieren wurdten (ABA, BO 4142, 1617 Januar 23). ABA, BO 4142, 1617 Januar 23 (Bischof Heinrich an Markgraf Karl). Markgraf Karl drängte 1617 Januar 31 nochmals zur Ausfertigung der zugesagten Kommission fur Pfarrer Braun (ABA, BO 4142, 1617 Januar 31), die dieser Februar 14 erhielt (ebd.), worüber Markgraf Karl am selben Tag informiert wurde (ebd.).
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Politik
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bzw. bischöflicher Jurisdiktion. Der Versuch Markgraf Karls, jurisdiktionelle Kompetenzen auf Kosten des Ordinarius auszubauen, scheiterte dabei im ersten Fall nach einem offenen Bruch der kanonischen Vorschriften und war erfolgreich im zweiten Fall nach einer grundsätzlichen Anerkennung der bischöflichen Rechte. In beiden Fällen fand die konfessionelle Dimension Eingang in die Auseinandersetzungen: Im Fall Saccazzi stützte die Mahnung zur Treue gegenüber der katholischen Religion die Argumentation des Ordinarius und trug bei zur Disziplinierung des Bracchium saeculare. Im zweiten Fall förderte der Rekurs auf eine Öffentlichkeit, deren konfessionelle Sensibilisierung mitgedacht wurde, die Bereitschaft des Bischofs zum Kompromiß und zur Kompetenzerweiterung der weltlichen Gewalt. Welche Schlüsse läßt der skizzierte Befund damit zunächst für die Frage nach dem Stellenwert des Konfessionellen zu? Das Denken in konfessionellen Bezügen mochte graduell zu einer Extensivierung von Konflikten zwischen weltlicher und geistlicher Gewalt führen, seitdem die weltliche Herrschaft verstärkt ihre Aufgabe in der Reform des Klerus sah. Eine veränderte Qualität der Auseinandersetzungen zwischen weltlicher und kirchlicher Gewalt brachte dies gleichwohl nicht mit sich. Nach wie vor ging es um dieselben Probleme gegenseitiger Kompetenzabgrenzungen wie in vorreformatorischer Zeit. 321 Über die sachliche Notwendigkeit von Disziplinierung und Reform bestand grundsätzlicher, konfessionell geprägter Konsens. Der Rekurs auf diesen Konsens erhielt formal die Funktion einer Argumentationsstrategie. Das Konfessionelle blieb damit trotzdem nur Akzidenz, nicht Substanz des Konfliktes: Die überkommenen Konflikte erwiesen sich als prädominant. 322 Für die Effizienz der kirchlichen Reform, speziell der Klerusreform, war die Prädominanz des überkommenen Grundkonfliktes ein ambivalenter Vorgang: Sie konnte einerseits einer raschen und durchdringenden Disziplinierung des Klerus entgegenwirken, weil die weltliche durch die kirchliche Gewalt aus Sorge um Erhalt ihrer Jurisdiktionsrechte restringiert wurde; andererseits konnte die Reform 321 322
M. Schulze, Fürsten, S. 16f.; Willoweit, Konfessionalismus, S. 230f. Vgl. Kap. C. 5. - Diese Einschätzung konvergiert in der Bewertung des Stellenwertes des Konfessionellen mit der Ansicht von Schlögl, Differenzierung, S. 243f., der das „zentrale Problem" der Konfessionalisierungsforschung - die „Abgrenzung staatlicher und kirchlicher Entwicklungsprozesse" und die Frage ihres gegenseitigen Wirkungsverhältnisses - in einem „tiefergreifenden Umstrukturierungsprozeß" aufgehoben sieht, der „das Verhältnis von Politik und Religion, von Staatlichkeit und Kirchenorganisation zur hierarchisch-feudalen Grundordnung der Gesellschaft" betroffen habe. Ohne dieser strukturgeschichtlichen Prämisse folgen zu wollen, wird auch in vorliegender Arbeit das Konfessionelle als ein Akzidenz des Konfliktes betrachtet, allerdings mit einem Akzent auf die Kontinuität zu vorreformatorischen bzw. vorkonfessionellen Erscheinungen als „prädominanter Antagonismus" zwischen weltlicher und kirchlicher Obrigkeit bezeichnet. „Antagonismus" verweist dabei auf den typischen Grundzug des Konflikts.
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Fallstudien
aber auch der gesuchte oder wenigstens willkommene Anlaß der weltlichen Seite sein, um Kompetenzen circa sacra extensiver wahrnehmen zu können und im eigenen Sinne für eine Positionsverbesserung im Verhältnis zur kirchlichen Gewalt zu wirken. Dann geriet aber - wie im letzten der beiden geschilderten Fälle auch die kirchliche Seite unter Zugzwang, und die Disziplinierung des Klerus wurde vorangetrieben.
3.3.4
Wertung und Ausblick
Repräsentation, wirtschaftliche Maßnahmen und religiöse Impulse ließen sich darstellen als Instrumente einer Politik, die insgesamt auf Intensivierung von Herrschaft zielte. Ob der jeweilige Akzent der Maßnahmen eher im kulturellen, wirtschaftlichen oder auch konfessionellen Bereich lag, ist dabei mehr eine Frage der Perspektive. Ob beispielsweise bei der Einrichtung der Günzburger Hofdruckerei eher repräsentative, eher ökonomische oder eher konfessionelle Motive vorherrschten, läßt sich nicht entscheiden, muß aber auch nicht entschieden werden, denn gerade die Amalgamierung politischer und religiöser Intentionen und Methoden stellt das Eigentümliche der Konfessionalisierung dar. Die Regierungszeit Markgraf Karls wird man mit Blick auf Günzburg daher insgesamt als Phase der Konfessionalisierung bezeichnen können. Die Frage nach Intensität der Wirkung und zeitlichem Bestand der vom Markgrafen in wenigen Jahren angestoßenen Maßnahmen und Projekte ist damit jedoch noch nicht beantwortet. Überblickt man die Reihe religiöser und kirchenpolitischer Impulse, so bedeutet spätestens der Tod Karls von Burgau für die Abhaltung der Ulrichswallfahrt, für die Tätigkeit der Hofdruckerei und den Plan einer Webwarenschau in Burgau ein - was die Günzburger Druckerei betrifft, zumindest vorläufiges - Ende. Auch die Aufsicht über die Hofkapläne erfolgte nicht mehr mit der vormaligen Strenge. Bestehen blieb dagegen die Hofkapelle, die nach wie vor zum Glanz der Gottesdienste auch der Pfarrgemeinde beitrug. Bestehen blieb aber vor allem auch die Klostergründung Markgraf Karls: Die Kapuziner waren in ihrem seelsorglichen Wirken fortan Träger und Multiplikatoren der Reform und trugen wesentlich zur Festigung des katholischen Bekenntnisses in der Bevölkerung Günzburgs und darüber hinaus in der Markgrafschaft bei. Markgraf Karl hatte mit der Gründung des Klosters die Rahmenbedingungen für die pastorale Tätigkeit der Patres geschaffen, im folgenden auch konfessionelle Wirksamkeit zu entfalten blieb freilich den Geistlichen selbst überlassen.
Akteure kirchlicher
3.4 3.4.1
lind konfessioneller
Politik
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Rat und Gemeinde Kirchenzucht und Sittenzucht als Aufgabe der städtischen Obrigkeit
„Katholisch" und „Kirchenzucht" oder „Sittenzucht" gehen in der Historiographie so gut wie keine Verbindung zu Begriffspaaren ein - 3 2 3 auch trotz einer bisweilen vorgegebenen interkonfessionell vergleichenden Perspektive. 324 Tatsächlich fehlen im katholischen Bereich grundsätzlich Verfahren und Institutionen - damit aber auch abgegrenzte und leichter zugängliche Quellenbestände - , wie sie die presbyteriale Gemeindezucht des Calvinismus kennt. Aber auch den Sittengerichten immerhin vergleichbare Einrichtungen, wie sie etwa das lutherische Württemberg in Gestalt der Kirchenkonvente oder das katholische Bayern in Form des Geistlichen Rates besaß, 325 existierten in der Markgrafschaft Burgau nicht. Auch die diözesane Organisationsform des Sendgerichtes bestand im Gebiet des Bistums Augsburg in der Frühen Neuzeit nicht mehr. 326 Auf der Suche nach funktionalen Äquivalenten zur reformierten Gemeindezucht 327 wird man für Günzburg dagegen als deren Trägergruppe die städtische Obrigkeit von Bürgermeister und Rat benennen können. Als Inhaberin der niedergerichtlichen Rechte nahm sie die Aufgaben der Sitten- und Kirchenzucht wahr, religiösen und im engeren Sinne kirchlichen, mithin konfessionellen Normen im Alltag der Menschen zum Durchbruch zu verhelfen. Ihre Tätigkeit erstreckte sich auf die Durchsetzung der kirchlich geprägten Forderungen nach Heiligung der Sonn- und Feiertage (1) und Beachtung der Fastenzeiten und -tage (2) wie auch der überkonfessionellen Verbote 328 von Fluchen (3), übermäßigem
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In dem 1994 erstellten Literaturverzeichnis von Schilling/Scherneck, Auswahlbibliographie, stellt der Aufsatz von Heiß, Konfessionsbildung, nur scheinbar eine Ausnahme dar, da er im Text selbst nicht mehr auf das Phänomen einer katholischen Kirchenzucht zu sprechen kommt. Der Artikel ,Kirchenzucht', in: TRE, Bd. 19, S. 173-191, kennt Kirchenzucht überhaupt nur als protestantisches Phänomen. - Vgl. dagegen, allerdings unter dem Aspekt der kirchlichen Institutionen von Send und archidiakonaler Gerichtsbarkeit besonders für das Bistum Münster, Holzem, Konfession. - Insgesamt gilt weiterhin die Beobachtung Helga Schnabel-Schüles, Konfessionalisierungsforschung, S. 38, Kirchenzucht sei „für den katholischen Bereich so gut wie überhaupt nicht erforscht". Schilling, Zwischenbilanz. H.R. Schmidt, Konfessionalisierung, S. 121; Schilling, Zwischenbilanz, S. 35. Koeniger, Sendgerichte. - Send und archidiakonale Gerichtsbarkeit waren in der Frühen Neuzeit auf die mittel- und niederrheinischen Bistümer beschränkt (zu Form und Trägern des Sendgerichts Holzem, Konfession, S. 301-306). So die Forderung von Schilling, Zwischenbilanz, S. 27, 29. Winkelbauer, Sozialdisziplinierung, S. 326, weist für sein Untersuchungsgebiet darauf hin, daß die Herrschaftsordnungen evangelischer Adliger von allfälligen katholischen Nachfolgern in weiten Teilen ohne inhaltliche Änderungen übernommen und nur um einige konfessionsspezifische Bestimmungen ergänzt wurden.
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Fallstudien
Trinken und Tabaktrinken (4) oder der Reglementierungen von Ehe und Sexualität (5). Die Aufnahme von Neubürgern (6) ist zwar kein Gegenstand der Sozialdisziplinierung, zählt jedoch nach der Glaubensspaltung zu den Rechten des Rates, an denen sich die grundsätzliche Bereitschaft der Stadt zur Selbstkonfessionalisierung erweisen mußte. Allerdings müssen die in der Konfessionalisierungsforschung verbreiteten Hoffnungen, durch Auswertung und Beiziehung von Niedergerichtsakten zu quantifizierbaren und allgemein verläßlicheren Aussagen über Wesen und Erfolg der Sittenzucht zu gelangen,329 für Günzburg kritisch gesehen werden: Das späte Einsetzen einer schriftlichen Überlieferung in den Ratsprotokollen (ab 1584)330 und der Eindruck einer geringen, vor allem aber diskontinuierlichen Belegdichte - die Ratsprotokolle können somit nicht als serielle Quelle eingestuft werden verunmöglichen ihre statistische Auswertung und lassen eine zeitliche Differenzierung der Befunde nicht als sinnvoll erscheinen. Hinter dem rein quantitativ bestimmten Überlieferungsbefund verbirgt sich jedoch ein inhaltlich zu interpretierendes konfessionsspezifisches Phänomen, wie besonders im vergleichenden Blick auf Quellen kirchlicher Provenienz deutlich wird. Katholische Visitationsinterrogatorien und -protokolle etwa zeigen - zumindest fur die Zeit bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges - ein nachgerade typisches Desinteresse an Fragen der moralischen Lebensführung in der Gemeinde.33' Der Mangel an entsprechenden und auch kontinuierlichen Quellenbelegen in den Protokollen des Günzburger Rats ist damit wohl nicht allein aus widrigen äußeren Umständen der Überlieferung zu deuten, sondern kommt einem inhaltlichen Befund gleich: Die städtische Obrigkeit ging zwar durchaus den Verfehlungen nach, die der Verwirklichung eines Gott und der Kirche im Alltag der Stadt wohlgefälligen Lebens entgegenstanden, und ergriff durchaus Maßnahmen der Sozialdisziplinierung, sie tat dies aber offenbar weder in derselben Intensität noch mit ebensolcher Konsequenz, wie dies im protestantischen Bereich üblich war.332 (1) Anders etwa als ihre protestantischen Nachbarn in Leipheim waren die Einwohner Günzburgs gehalten, neben den Sonntagen auch eine Vielzahl unter329 330
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H.R. Schmidt, Konfessionalisierung, S. 121. Die älteren, ab 1519 überlieferten Protokolle von Ratssitzungen stellen im wesentlichen Beglaubigungen von Verträgen dar; vgl StaAGü, Kontraktenprotokolle 1.2 (1519-1627). P.Th. Lang, Visitationsinterrogatorien, S. 131, 141. Pointiert formuliert es das rigorose Urteil Richard van Dülmens mit Blick auf das Einwirken von Klerus und Kirche auf die Gläubigen: „Kirchenzucht gab es nicht" (Dülmen, Entstehung, S. 151). Im selben Sinne das Fazit von H.R. Schmidt, Konfessionalisierung, S. 76f., und ebenso die nämlichen Einschränkungen von Schilling, Zwischenbilanz, S. 36. - Auch für Günzburg trifft damit die von W. Enderle, Konfessionsbildung, S. 348, 397, für Überlingen getroffene und von Schlögl, Differenzierung, auf die katholischen Reichsstädte im Südwesten ausgeweitete Feststellung zu, daß die Religionspolitik der Ratsgremien bis zu Beginn des 17. Jahrhunderts „ihren rechtlichen und politischen Zielen nach spätmittelalterlich" blieb (S. 278).
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schiedlicher Feiertage, zumeist Gedenktage Heiliger, 333 zu beachten, also den Gottesdienst zu besuchen und Feiertagsruhe zu halten. Während sich Bauern und Ackerbürger durch die Dringlichkeit sommerlicher Erntegeschäfte bisweilen zu einem Verstoß gegen das Arbeitsverbot verleiten ließen, ahndete der Rat in Günzburg vor allem Verstöße von Handwerkern, die - auß wucher, also um sich wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen, 334 oder welchen Gründen auch immer ihrem Gewerbe verbotenerweise auch sonn- oder feiertags nachgegangen waren. Vor allem Metzger wurden dabei auffällig, so mußten 1631 fünf, 1644 zwei von ihnen ihre sonntägliche Arbeit in vermutlich beiden Fällen mit Geldstrafen büßen, 333 während 1628 drei Bürger eine Haftstrafe verbüßten, weil sie am Tag des Martinspatroziniums gearbeitet hatten. 336 Die Ursachen fur das Variieren von Strafart und -maß sind nicht bekannt, doch dürfte die Bedeutung des jeweiligen Festtages dabei eine Rolle gespielt haben. Besondere und unaufschiebbare Dringlichkeit konnte eine sonn- oder feiertägliche Tätigkeit zwar entschuldigen, doch scheinen auch diese Fälle vom Rat durchaus restriktiv geprüft worden zu sein. 33, Gemessen an der geringen Zahl überlieferter Verstöße gegen das Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit, kann man das Reglement des Rates als insgesamt effizient beschreiben. Dabei hätten Konsequenz und strenge Handhabung von Verfolgung und Bestrafung allein ohne aufmerksame nachbarschaftliche Sozialkontrolle noch keinen Erfolg verbürgen können, auch wenn sich in den Quellen keine Hinweise auf Denunziationen finden. Von der städtischen Obrigkeit wurde darüber hinaus auch bestraft, wer die Zeiten des Gottesdienstes nicht achtete und etwa den Aufenthalt im Gasthaus vor33j
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Welche Feiertage im Bistum Augsburg zu beachten waren, legten die Diözesansynoden von 1567 und 1609 fest. Außer den beweglichen Festen waren das 30 Feiertage. Die Statuten beider Synoden nahmen fur die Haltung der Feiertage dezidiert auch die Obrigkeiten in die Pflicht: Et graviter Uli non solum a Concionatore arguendi, verum etiam a Magistratibus castigandi sunt, quos nihil pudet, diebus festis & solemnibus Sacra negligere, rebus mechanicis & negotationibus operam dare (Schannat/Hartzheim, Concilia, Tomus 7, S. 156f.; dies., Concilia, Tomus 9, S. 35f.). Die Landesordnung Erzherzog Ferdinands II. (15641595) von 1572 zählt 28 Festtage im Jahr auf, für weitere ortsübliche Feiertage fordert sie nur den Besuch des Frühgottesdienstes, danach an die Arbeit zu gehen war gestattet (Hirn. Ferdinand II., Bd. 1, S. 175). So die Vermutung des Hofkaplans Kaspar Helm d.Ä. (ABA, BO 4142, 1638 Juni 8). Bei der in ihrem Maß unbekannten Bestrafung der fünf Metzger, die 1631 an einem Sonntag ohne Erlaubnuß gemezget hatten, wurde möglicherweise differenziert, ob sie nacher der vesper oder vor vnd vnder vespers zeit gearbeitet hatten (StaAGü, RPr 1.4., 1631 November 13. 221). 1644 wurden ebenfalls wegen sonntäglicher Arbeit erneut zwei Metzger, um jeweils ein Pfund Heller, gestraft (StaAGü, RPr 1.6, 1644 Mai 18, 502). Die drei Bürger wurden bestraft, vmb willen sy an St. Martins tag ihr khraut einschneiden lassen (StaAGü, RPr 1.4, 1628 November 13, 47). 1 62 7 wurde der Hofschmid Konrad Übel vor den Rat gefordert, weil er am Nikolaustag gearbeitet hatte. Da er eine rasch anzutretende Reise des Hofmeisters nach Innsbruck zur Entschuldigung seiner feiertäglichen Arbeit vorbringen konnte, wurde er wieder entlassen, jedoch vorsorglich von vnnöttiger Arbeit an der gleichen fessten abgemahnt (StaAGü, RPr 1.3, 1627 Dezember 8, 151).
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zog338 oder als Wirt begünstigte. Die häufige Wiederholung entsprechender Ratsverordnungen könnte dabei jedoch ein Indiz für die Schwierigkeit ihrer Durchsetzung, zumal in den letzten Jahren des Krieges, sein.339 (2) Die kirchlichen Gebote nach Achtung der Fastenzeiten und -tage durch Verzicht auf Fleischspeisen und Laktizinien 340 wurden von der weltlichen Gewalt in immer erneuerten Fastenmandaten unterstützt.341 Die Einhaltung von Fastenverpflichtungen war dabei durch die ablehnende Haltung der Reformatoren gegenüber kirchlichen Vorschriften geradezu zu einem konfessionellen Schibboleth geworden. 342 Der städtischen Obrigkeit kam die Aufgabe zu, Verstöße gegen die Bestimmungen - den Kauf und Verzehr von Fleisch, aber auch seinen Verkauf an dafür nicht Dispensierte - zu ahnden. Neben der Bestrafung von Fastenbrechern tangierte das Reglement des Rates auch die Arbeit der Metzger oder Händler und Wirte. Wer nicht aufgrund von Krankheit, Schwangerschaft, Rekonvaleszenz, Kriegsdienst 343 oder aus anderen Gründen344 erfolgreich um kirchlichen Dispens nachgesucht hatte bzw. darüber ein schriftliches Zeugnis, dessen Ausstellung dem Günzburger Pfarrer oblag,345 nicht vorweisen konnte, war nicht berechtigt, verbotene Speisen zu sich zu nehmen. Ohne Vorlage dieser Bestätigung war es auch den Metzgern der Stadt verboten, Fleisch oder Wurst an einen Kunden weiterzugeben.
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Vgl. etwa die Reaktionen auf das erzherzogliche Mandat von 1567 (Kap. Β. II. 3.2.2). 1 644 wurden Bierbrauer und Branntweinsieder gehalten,fürderhin vor oder vnderem Gottsdienst niemandten nit mehr zuesezen ausser der durchreisendten leiten (StaAGü, RPr 1.6, 1644 Mai 18, 502), obwohl eine Ratsverordnung bereits ein halbes Jahr zuvor eine Mindeststrafe von 1 fl. für den Wirt wie auch den Gast festgesetzt hatte, falls jemand vnder dem Gottsdienst [...] beim bier oder Prandtwein erdapt würde (ebd., 1643 Dezember 7, 484). Eine Erinnerung der Anordnung erfolgte 1645 erneut (ebd., 1645 März 20, 587). - Möglicherweise waren auch Martin Kurz und Eva Wiedemann Wirte, die 1647 um jeweils 45 Kreuzer gestraft wurden, weil sie wider gebott vnder dem Gottesdienst vnd gebet aufspihlen ließen (ebd., 1647 Mai 10, 710). Zu den allgemeinen Vorschriften kirchlichen Fastens mit Verweis auf die Bestimmungen des Tridentinums WWKL, Bd. IV, S. 1245-1248, zu den Fastenspeisen S. 1252-1255. Kap. Β. II. 3.2.2. Die Confessio Augustana lehnt das Fasten keineswegs ab, verwirft aber die Vorstellung, die Bindung an kirchlich terminierte Fastenverpflichtungen sei notwendig, „um Gott zu dienen" (Grane, Confessio Augustana, S. 179). Beispielsweise hatte Generalvikar Kaspar Zeiller auf Anfrage des Günzburger Pfarrers, Dekan Kaspar Helm, Soldaten, aber auch Bürgern und Einwohnern, die in ihren Häusern Soldaten zu verpflegen hatten, den Fleischgenuß in der Fastenzeit unter Ausschluß der Karwoche gestattet. Bürger und Einwohner sollten dispensiert werden, da andernfalls die Soldaten müstrawen hegten und nit essen wellen, es seye dan, daß Ihr hausvatter oder hausmutter mitessen (ABA, BO 4280, 1644 Februar 2). Zu den Gründen, die zu einem Dispens berechtigten, WWKL, Bd. IV, S. 1249-1251. StaAGü, RPr 1.5, 1637 Februar 26, 267; ebd., 1638 Februar 20, 700.
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Zahl und Art der bekanntgewordenen Verstöße sprechen für die Effizienz dieser Regelung: 346 Aktenkundig sind lediglich zwei Fälle aus den Jahren 1642 und 1643. Beide Male hatten Günzburger Bürger signifikanterweise nicht in der Stadt selbst, sondern bei einem Aufenthalt in Ulm - einmal in der mitfasten Fleisch, einmal am Sambstag Prattwürst - gegessen. Verhängt wurde eine Strafe von zwei Reichstalern bzw. Gulden, deren Zahlung im letzten Fall durch eine Gefängnishaft abgebüßt wurde. 347 Nähe bzw. Verbindung zur protestantischen Reichsstadt Ulm erweisen sich hierbei aufs Neue als neuralgischer Schwachpunkt für eine völlige konfessionelle Disziplinierung der Untertanen, die sich mit Blick auf die Situation in Günzburg selbst jedoch als durchaus erfolgreich darstellt. Ansatz für diesen Erfolg war die über die Metzger der Stadt geübte Aufsicht. 348 Für ihr Handwerk bedeutete die Vielzahl der Fasttage eine erhebliche Einschränkung des Verkaufs auf den Kreis der Dispensierten. Der Kerzenmeister der Metzgerzunft ließ aus diesem Grund Altem gebrauch nach darumben spilen, welche Metzger während der Fastenzeit die nun geringere Nachfrage decken sollten. Diese zwei sogenannten Fastenmetzger hielt der Rat streng an, ohne Vorlage des schriftlichen Dispenses kein Fleisch herauszugeben. Alle anderen blieben ver-
pflichtet, khain Messer mehr biß Ostern vnd vff anhalten nit bluetig zumachen,349 Nach dem Ende der Fastenzeit hielten die Metzger dann erneut beim Rat um Erlaubnis an, ihr Handwerk wieder aufnehmen zu dürfen. 350 Wer gegen diese Vorschriften verstieß, wie etwa die Frau des Jakob Winkler, die in der fasten am wochenmarckht öffentlich speckh veilgehabt vnd verkhaufft hatte, wurde vom Rat bestraft. 351 Ähnliches galt für die Wirte der Stadt, falls man sie des Verkaufs von Fleisspeisen an Fasttagen überführte. 332
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Einschränkend ist nochmals auf die Begrenzung des Untersuchungszeitraumes hinzuweisen, da die Überlieferung in den Günzburger Ratsprotokollen erst 1584 (Bd. 1.5) einsetzt. In den Akten schlugen sich freilich auch nur Verstöße nieder, die öffentlich verübt und angezeigt wurden oder dem Rat auf andere Weise bekannt wurden. StaAGü, RPr 1.5, 1642 April 30, 250; ebd., 1643 September 7, 473. Allgemein zu den Folgen des Fastengebotes für das Metzgerhandwerk Hirn, Ferdinand II., Bd. 1,S. 172f. StaAGü, RPr 1.4, 1629 März 1 (Zitate); vgl. die nämlichen Bestimmungen für andere Jahre (ebd., 1630 Februar 14, 99; StaAGü, RPr 1.5, 1637 Februar 26, 267; ebd., 1638 Februar 20, 700). - Ausnahmsweise wurden 1639 und 1649 - weilen dise Fasten daß Flaischessen vergundt worden - vier Fastenmetzger bestimmt (StaAGü, RPr 1.5, 1639 März 10, 536 (Zitat); StaAGü, RPr 1.6, 1649 Februar 18, 790). StaAGü, RPr 1.5, 1640 März 22, 671. Die Frau mußte eine Geldbuße von 45 Kreuzern zahlen (StaAGü, RPr 1.6, 1645 März 9, 578). Dafür hätte sie sich 1639 etwa 11 Pfund Bratwürste oder 9 Pfund Kalbfleisch zu 4 bzw. 5 Kreuzern das Pfund kaufen können (StaAGü, RPr 1.5, 1639 März 10, 536). Der Verdacht, daß Karl Winkler 1638 am doppelten Fastag der quartember ohne erlaubnuß Gayst- vnd weltlicher Obrigkhait Fleisch zu essen gereicht haben sollte, wurde jedoch nicht bestätigt und der Wirt wieder nach Hause geschickt (StaAGü, RPr 1.5, 1638 Dezember 20, 533).
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(3) Auch dem Fluchen353 versuchten weltliche354 wie geistliche Mandate gleichermaßen beizukommen. Ein gedrucktes Mandat Bischof Marquards vom Berg (1575-1591) von 1590 Juni 15355 besitzt dabei als eine mit nicht überlieferten städtischen Verordnungen356 wohl vergleichbare normative Quelle besondere Bedeutung für die Klärung der inhaltlichen Voraussetzungen. Das bischöfliche Mandat richtet sich an die Geistlichen des Bistums, die den Inhalt der Verordnung in Predigt und Katechese dem Volk weitergeben und zu Kontrolle und Strafe die weltlichen Obrigkeiten anrufen sollten. Daß das Mandat auf dem skizzierten Weg bei Gläubigen und städtischer Obrigkeit in Günzburg ankam, ist sehr wahrscheinlich, da sich ein Druckexemplar im Günzburger Pfarrarchiv erhalten hat.357 Mit dem Zorn Gottes, der mit erschröcklichen straffen vnd plagen - aufgezählt werden allerley Theürungen/ Krieg/ widerwertigkeit/ vnd allerley Kranckheiten - auf die Verunehrung/ schendung/ Schmähung vnd scheltung seines Göttlichen Namens™ gerecht reagiere, ist ein für die geistlichen und weltlichen Obrigkeiten aller Konfessionen gleichermaßen zentraler Beweggrund legislativen und exekutiven Handelns angesprochen, die Überzeugung nämlich, Gott strafe individuelle Sünden an der Gemeinschaft der Christen insgesamt.359 Bürgermeister und Rat in Günzburg handelten nicht zuerst als Bracchium saeculare der kirchlichen Gewalt, sondern griffen von sich aus gegen Fluchen und gotteslästerliche Reden ein: Nicht immer sind in den Ratsprotokollen die näheren Umstände des Fluchens und Art und Maß der Bestrafung exakt dokumentiert. In 18 Fällen wurden zwischen 1586 und 1645 insgesamt 17 Personen, darunter drei Frauen, wegen ihres Fluchens bestraft. Die Fälle verteilen sich nicht gleichmäßig, 353
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Zum religionsgeschichtlichen Hintergrund des Fluchens und den ihm zugrundeliegenden Vorstellungen die Artikel ,Segen und Fluch', in: RGG, Bd. 5, S. 1648-1652, sowie ,Fluch', in: HDA, Bd. II, S. 1636-1652; zusammenfassend auch Labouvie, Verwünschen, S. 121125. Für 1630 oder 1631 ist ohne Angabe des Datums im Burgauer Kopialbuch (StAA, VÖ, Lit. 655, fol. 383 v ) auf ein Mandat wegen schweren, fluchen vnd schelten lediglich verwiesen, das im 20ten Buech Tyrol fol. 29, 30 zu finden sei, ebenso für 1636 mit dem Verweis auf lib. 20 Tyrol, fol. 628 (StAA, VÖ, Lit. 655, fol. 603 v ). Ob und wie es in Günzburg durch die burgauischen Amtleute publiziert, dessen Befolgung überprüft und ein Verstoß geahndet wurde, ist nicht bekannt. Über das Mandat ausführlich Zoepfl, Bischöfe, S. 644f. Bei der Bestrafung des Martin Heut heißt es, er sei aufgrund seines Fluchens vermög mandats inhaftiert worden (StaAGü, RPr 1.6, 1642 Februar 10, 218). Um welches Mandat es sich dabei handelt, ist nicht bekannt. PfAGü, Hirtenbriefe. Darunter versteht das Mandat im einzelnen: Fluchen/ schwören/ schelten/ sehenden/ vnd Gottslösterungen/ es sey bey dem Namen der Göttlichen höchsten May: selbst oder seinem verdienst/ leyden/ sterben/ wunden/ heyligen Sacramenten/ Deßgleichen bey oder wider die gebenedeyten Mutter Gottes Jungkfraw Maria/ vnd die lieben Heyligen außerwöhlten. Nicht weniger auch von frembden vnbekandten außländischen hergenommen fluchen/ als die alle gleiche verdambnuß auff sich tragen/ noch entschuldigung haben/ ob sie schon auß vberfallnen zorn/ trunckenheit oder gewonheit geschehen (PfAGü, Hirtenbriefe). Willoweit, Konfessionalismus, S. 240; H.R. Schmidt, Dorf, S. 7f. und Anm. 33.
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sondern sind auf nur sieben Jahre beschränkt, was sich sowohl durch offensichtliche Überlieferungslücken - zwischen 1591 und 1627 ist kein Fall verzeichnet als auch daraus erklärt, daß Flüche im Streit von mehreren Beteiligten oder nach gemeinsam herbeigeführter Trunkenheit ausgestoßen wurden. Im übrigen ist nicht auszuschließen, daß quantitative Konjunkturen' des Fluchens in Wahrheit Zeiten einer etwa durch Erlaß oder Wiederholung einschlägiger Mandate vorübergehend erhöhten Aufmerksamkeit sind. Der Inhalt eines Fluches ist nur ausnahmsweise und verbalhornt im Fall des Michael Schlayer wiedergegeben, der auß vngedult, eben weil man bej vnser Lieben frawen Venerabile elevirt, vil Tausent schlapperment geschworen hatte.360 Die Umstände des Fluchens sind in zehn Fällen ausdrücklich vermerkt: Trunkenheit konnte, so in vier oder fünf Fällen, das Äußern von Flüchen begünstigen, wurde aber offenbar nicht grundsätzlich als Entlastungsgrund begriffen,361 Streit und Zank war in fünf weiteren Fällen Hintergrund der Gotteslästerung.362 In einem Fall erklärte sich der Wutausbruch aus einem unmittelbar zuvor erlittenen Unfall, weshalb der Rat von der woluerschulten gelt- vnd thurmstraff absah und nur einen starken Verweis aussprach,363 den bereits genannten Michael Schlayer machte die vngedult fluchen, mit der er das Ende des Gottesdienstes erwartete.364 Strafen wurden in recht unterschiedlicher Art und verschiedenem Maß erteilt, ohne daß in jedem Fall die Ursachen der Differenzierung erkennbar wären: Sieben Personen kamen mit einem Verweis des Rates davon - darunter drei, die betrunken geflucht hatten -, 365 zwei erhielten unterschiedlich hohe Geldstrafen,366
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StaAGü, RPr 1.3, 1627 August 27, 122. Schuhmacher Hans Farenschon hatte 1586 zum wiederholten Mal (vorangegangene Verstöße sind archivalisch nicht überliefert) vff der gassen geflucht, weil er so voll vnd toll gewest. Ein Grund für seine erneute Inhaftierung, aus der er 1591 Januar 10 gegen Zusage unter anderem der Alkoholabstinenz entlassen wurde, ist zwar nicht ausdrücklich genannt, doch dürfte sie im selben Fehlverhalten - Fluchen im Rausch - zu sehen sein (StaAGü, RPr 1.5, 1586 September 24, 38). Drei Männer aus Reisensburg hatten 1637 ebenfalls, nach dem Sye thrunckhen, in der Öffentlichkeit (auf der gassen) Flüche ausgestoßen. - Auch das bischöfliche Mandat hatte den im Rausch ausgestoßenen Fluch ausdrücklich nicht als weniger verwerflich aufgefaßt (Kap. Β. II. 3. Anm. 358). So 1642 bei einem frembde[n] ferber ausm Tyrol, der sich in schlaghändel gegen den Diener und Kutscher des Landvogtes eingelassen hatte (StaAGü, RPr 1.6, 1642 Juni 30, 266), im Jahr darauf bei drei Frauen, die neben Ihren verüebtem gezanckh also gefluecht vnd Gott gelässtert hatten (StaAGü, RPr 1.6, 1643 August 3, 413), und 1645 bei einem Insassen im Spital der Sondersiechen, w o sie gragella angefangen, einandern geschlagen vnd gefluecht und ein anderem im Aprillen geschickht hatten (ebd., 1645 April 3, 590). Der Verzicht auf eine Geld- oder Haftstrafe geschah wegen eines zueuor empfangenen groben Leibschadenß (StaAGü, RPr 1.5, 1637 Juli 6, 326). StaAGü, RPr 1.3, 1627 August 27, 122. StaAGü, RPr 1.5, 1637 Juli 6, 326; ebd., 1637 Dezember 17, 707; StaAGü, RPr 1.6, 1645 April 3, 590. 1 und 2 fl. (StaAGü, RPr 1.6, 1645 März 23, 588; ebd., 1645 Februar 6, 563).
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drei streitende Frauen wurden zusätzlich noch in die geigen geschlagen367 und fünf Bürger wurden in sechs Fällen zu Haftstrafen verurteilt.368 Rückschlüsse auf Erfolg oder Mißerfolg der Maßnahmen gegen das Fluchen lassen sich aufgrund dieser schmalen statistischen Basis und der gleichzeitigen interpretatorischen Vorbehalte kaum sinnvoll ziehen. Deutlich wird jedoch allemal - auch aus der Zumessung zum Teil nicht unerheblicher Strafen - Bereitschaft und Wille der städtischen Obrigkeit zu disziplinierender Einflußnahme auf die Bewohner der Stadt. (4) Trinken und Tabaktrinken, wie das Pfeiferauchen in den Ratsprotokollen bezeichnet wird,369 sind Verstöße gegen Mäßigkeit und Enthaltsamkeit, deren vorzugsweiser Ort das Wirtshaus war. Sofern ein Wirt - ein Bierbrauer oder Branntweinsieder - den Besuch seiner Schankstube zu Gottesdienstzeiten duldete bzw. Getränke ausschenkte, mußte er auch selbst mit einer Bestrafung rechnen. Inkriminiert wurde hierbei jedoch nicht der übermäßige Trank oder dessen Begünstigung, sondern die Entheiligung der sonn- oder feiertäglichen Gottesdienstzeiten.370 Auch wurde zwar nicht der häufig öffentliches Fluchen begünstigende Rausch geahndet,371 doch konnte Trunksucht durchaus, wie im Fall des Schuhmachers Hans Fahrenschon, als Ursache des Fehlverhaltens erkannt und bei einer gewissermaßen radikalen, nicht nur symptomatischen Art der Bestrafung Berücksichtigung finden.372 Alkoholgenuß selbst war generell nicht Gegenstand der Kritik des Rates, vielmehr lediglich die Auffälligkeiten des Verhaltens, die ein Mißbrauch nach sich ziehen konnte.373 - Auch der Klerus der Stadt war aus die367 368
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Also zu ihrer Schande an den Pranger gestellt (StaAGü, RPr 1.6, 1643 August 3, 413). StaAGü, RPr 1.5, 1586 September 24, 38 (erneute Haftentlassung 1591 Januar 10); StaAGü, RPr 1.3, 1627 August 27, 122; StaAGü, RPr 1.6, 1642 Februar 10, 218; ebd., 1642 Juni 30, 266). Die Bezeichnung des Tabakgenusses als .Rauchen' (Verb mit zweifacher Valenz) setzte sich erst im Lauf des 17. Jahrhunderts durch (DWB, Bd. XXI, S. 5; Schivelbusch, Trunkenheit, S. 216). StaAGü, RPr 1.6, 1643 Dezember 7, 484; ebd., 1644 Mai 18, 502; ebd., 1645 März 20. Kap. Β. II. 3 . A n m . 361. Fahrenschon hatte wiederholt in trunkenem Zustand geflucht. Nachdem er deshalb einige Tage inhaftiert war, wurde er auf Urfehde entlassen. Er sagte zu, daß er hinfuro den wein, die würtsheüßer vnd die wheren meiden und fortan am Tag nit mher dann ain halb maß wein trinken werde. Nach einem Rückfall wurde der Schuhmacher 1591 Januar 10 erneut, nunmehr unter verschärften Bedingungen (Soll Ime auch nit allain die wierts heüser, wheren vnd der wein verpotten, sonder auch daß spill, Schenckhinen vnd alle Redliche gesellschafften abgestrickht sein vnd, da er daß verprechen vnd vberfaren solle, soll er dem nechst zur Statt vsgefiert werden), aus der Haft entlassen (StaAGü, RPr 1.5, 1586 September 24, 38). Etwa im Fall des Spitalinsassen Burlafinger, dem man vorwarf, beym gebet so vnfleisig zu sein vnd allerdings alle nacht so spatt vnnd mehrers trunckhen heimb [zu] khommen. Auch bei ihm kamen also mehrere Vergehen zusammen. Seine Trunkenheit jedoch wurde offenbar erst durch die mit ihr verbundene Spätheimkehr tadelnswert (StaAGü, RPr 1.6, 1645 April 3, 590).
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sem Grund immer wieder der Kritik durch Bürgermeister und Rat ausgesetzt, der das Fehlverhalten der Priester zwar nicht ahnden konnte, jedoch bei deren kirchlicher Obrigkeit auf ihre Bestrafung hinwirken wollte. 374 Dagegen galt der während des Dreißigjährigen Krieges populär gewordene Tabakgenuß schon an sich als verwerflich und war bei Strafe verboten. 373 Nicht zuletzt deshalb, weil der Rat Soldaten, die sich gerade in den letzten Kriegsjahren zahlreich in Günzburg aufhielten, von diesem Verbot ausgenommen hatte, 376 dürften jedoch die gewählten Sanktionen, jedenfalls für bestimmte Jahre, wenig Erfolg gehabt haben. Auch läßt sich eine gewisse Nachlässigkeit bei der tatsächlichen Bestrafung der Täter feststellen: Wer beim ,Tabaktrinken' ertappt würde, sollte um 1 fl. gestraft werden, 37 ^ der Verkauf durch welsche und Craumer an Bürger, Bauern oder Knechte war bei einer Strafe von zwei Reichstalern 378 bzw. Gulden 379 verboten. Mit einer Geldbuße in der gleichen Höhe mußte rechnen, wer das Tabakrauchen als Hausherr seinen Hausgenossen oder als Wirt seinen Gästen nachsah und einen Verstoß gegen das Tabakverbot der städtischen Obrigkeit nicht hinterbrachte. Diese Bestimmungen ließ der Rat ausrufen. 380 - Aus den Jahren 1643 und 1644 sind zehn - meist gemeinschaftlich verübte - Verstöße von neun Personen gegen das Verbot des Tabakrauchens in den Protokollen überliefert. Wirte, die gegen ihre Denunziationspflicht verstoßen hätten, sind jedoch nicht bekannt. In drei Fällen wird dabei keine Angabe gemacht, ob und in welcher Höhe eine Bestrafung erfolgte, 381 in sechs Fällen wurde das Strafmaß bei der Protokollierung freigelassen. 382 In einem Fall wurde die auf 1 Pfund Haller festgesetzte Strafsumme aus Vhrsachen nachgese-
hen.,383 Insgesamt scheint sich das Tabakverbot des Günzburger Rates somit auf wenige Jahre beschränkt zu haben. Eine ernsthafte Verfolgung der Verstöße fand dabei wohl kaum statt, obwohl man von einer Bereitschaft zur Denunziation der Täter in der Bevölkerung ausgehen muß.
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Dazu Kap. Β. II. 3.4.3. Z.B. Dülmen, Kultur, Bd. 2, S. 49. StaAGü, RPr 1.6, 1645 März 20, 587. StaAGü, RPr 1.6, 1643 Dezember 7, 484; ebd., 1646 August 8, 692. StaAGü, RPr 1.6, 1644 September 1, 521. StaAGü, RPr 1.6, 1645 März 20, 587. StaAGü, RPr 1.6, 1644 September 1, 521. StaAGü, RPr 1.6, 1644 Oktober 3, 526. 1646 gab Georg Schuler unter Eid den Jahre zurückliegenden Verstoß eines Martin von Kissendorf zu Protokoll, der bei Hans Weyher, vor 3 Jahren [!] bier getrunckhen, ein dappack Pfeiffen aus der Stuben In der handt gelragen vnd vor der stuben deen [!] Karrenmendlen [!] widerumben in die handt geben habe (ebd., 1646 März 24, 678). StaAGü, RPr 1.6, 1644 November 28, 545. Zwei weitere Männer wurden nachträglich aus dem Protokoll gestrichen. StaAGü, RPr 1.6, 1644 Dezember 1, 548. Michael Neukamm war bereits wenige Tage zuvor wegen Tabakrauchens bestraft worden (ebd., 1644 November 28, 545).
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(5) Zu den quantitativ bedeutendsten Gegenständen obrigkeitlicher Sittenzucht zählten auch in Günzburg Verstöße gegen sexuelle Normvorgaben. Eine in Fragen des ehelichen Zusammenlebens etwa den reformierten Chorgerichten vergleichbare Tätigkeit 384 konnten Bürgermeister und Rat einer katholischen Stadt dagegen schon deshalb nicht entfalten, weil die bischöfliche Ehegerichtsbarkeit im katholischen Bereich in kirchlicher Kompetenz verblieben war.385 Gestraft wurden in erster Linie uneheliche Verbindungen, bei denen eine Eheschließung nicht vorgesehen war und keiner der Partner verheiratet war (a), außereheliche Kontakte, bei denen mindestens ein Partner verheiratet war (Ehebruch) (b), voreheliche Sexualität (Brautschwangerschaften, Coitus anticipatus), zu der auch das voreheliche Zusammenleben zu zählen ist (c), und schließlich konkubinarische Beziehungen, soweit sie der städtischen und nicht der kirchlichen Gerichtsbarkeit unterlagen (d). Dabei läßt wiederum die fehlende zeitliche Streuung der überlieferten Fälle eine streng statistische Auswertung ebensowenig zu wie Rückschlüsse auf die Effizienz der obrigkeitlichen Maßnahmen. (a) Wegen Schwängerung wurden im Zeitraum von 1642 bis 1647 vier Männer, zwei davon ausdrücklich Knechte, gestraft. Das Strafmaß differierte, vermutlich in Abhängigkeit v o m sozialen Status des Delinquenten bzw. seiner finanziellen Möglichkeiten, zwischen Geldstrafen in Höhe von 3, 6 und 20 fl. 386 und einer Haftstrafe von zehn Tagen mit anschließender halbjähriger Stadtverweisung,
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H.R. Schmidt 1995, Dorf, sowie als Zusammenfassung ders., Tätigkeit, S. 279f. Vgl. das vortridentinische gedruckte Mandat Kardinal Ottos von 1561 Februar 8, das sich gegen die angemaßten Befugnisse weltlicher Amtsstellen des Hochsstifts in Eheangelegenheiten wendet (Zoepfl, Bischöfe, S. 430 Anm. 1293). - Das Konzil von Trient - einschlägig ist das Reformdekret Tametsi - hielt an der Auffassung fest, konstitutiv für das Zustandekommen einer sakramentalen Ehe sei nach katholischem Verständnis der Konsens von Mann und Frau. Dem Priester kommt dabei im Grunde lediglich die Aufgabe zu, den Öffentlichkeitscharakter dieser Willensbekundung vor dem Angesicht der kirchlichen Gemeinschaft zu gewährleisten (Denzinger, Kompendium, S. 576f.; vgl. Smolinsky, Ehespiegel, S. 316). Dennoch gelang es der weltlichen Obrigkeit auch im katholischen Bereich, Einfluß auf die Ehe zu gewinnen. Wichtigstes Motiv war dabei das Bemühen, die Zeugung von Kindern - mithin sexuelle Kontakte - von ausreichenden wirtschaftlichen Voraussetzungen abhängig zu machen. Das Einverständnis der Obrigkeit als Bedingung für eine kirchliche Eheschließung ist für Günzburg erst spät und wohl unter dem Eindruck der sich verschlechternden ökonomischen Bedingungen im Dreißigjährigen Krieg schriftlich fixiert: Von 1631 datiert ein Vergleich des Rates mit dem Pfarrer von St. Martin, khein Ehegemächt mehr zuesammen zuegeben vnd Einzuesegnen, es sei denn, der Pfarrer habe zuuor Consens von Einem Ers. Rath, allß Obrigkheit, in schrifften, der Es dann auch allß offenlich verkhünden will (StaAGü, RPr 1.4, 1631 Juli 9, 191). Hans von Neuhausen, Knecht des Georg Günzer (auf so starckhem vorbit Per 3 fl gestrafft), Stoffel Gering (weilen beede ledigs standts gewesen Per 6 fl. abgestrafft) und Christoph Meges d.J. (StaAGü, RPr 1.6, 1646 Februar 5, 660; ebd., 1645 Dezember 1, 655; ebd., 1642 Oktober 20, 340).
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vermutlich alternativ zu einer Geldstrafe, 3 " 7 während für die beteiligten Frauen drei der Mütter waren ausdrücklich M ä g d e - eine Strafe nicht überliefert ist. In z w e i Fällen wurden im selben Zeitraum dagegen nicht die Väter, sondern die unverheirateten Mütter - die eine sicher, die andere sehr wahrscheinlich eine Magd - v o m Rat belangt: Beide mußten die Stadt verlassen, eine davon vermutlich als Wiederholungstäterin nach verbüßter Turmhaft; für die andere bestand nach ihrer widerrechtlichen Rückkehr die Möglichkeit, einer erneuten A u s w e i sung durch Zahlung v o n 3 fl. zu entgehen. 3 8 8 (b) Mindestens einer der beiden Beteiligten war dagegen in vier z w i s c h e n 1629 und 1644 v o m Rat geahndeten Fällen unehelichen Sexualverkehrs verheiratet. Mithin des Ehebruchs überfuhrt wurden z w e i Männer und z w e i Frauen (es handelte sich nicht um z w e i Paare). V o n einer Bestrafung des j e w e i l s zweiten Beteiligten ist in den Protokollen dabei nicht die Rede. Das Strafmaß differierte z w i schen einer Geldstrafe in unbekannter Höhe, 3 8 9 einer Haftstrafe, die nach Zahlung v o n z w ö l f Talern, 390 und e i n e m Stadtverweis, der g e g e n erneute Erlegung des Bürgergeldes aufgehoben wurde. 391 In e i n e m Fall, in dem der Rat zugleich seine 387
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Im Falle des Michael Walchamb von Horb zeigt sich in der differenzierten Strafzumessung deutlich der geistliche Hintergrund der obrigkeitlichen Sittenzucht. Der ehemalige Klosterknecht, war nach Schwängerung einer Magd inhaftiert worden: Aldieweylen er aber sich selbsten zur büß eingestelt, so starckhe rew vnnd Laidt getragen, alß ist er, sonderlich in ansehung so starckher Gayst- vnd weltlicher herren vorbit nach ausgestandtner 10 lägigen thurmstraff derselben entlassen worden, mit fernerem andeiten, bey diser, ohne daß haylligen vnd Ossterlichen zeit, alsobalden seine sinden beichten, rew vnd laidt haben, Gott vmb verzeichung bitten, sein Leben bessern, einen beichtzettel begehrn, E.E. Rath außveisen vnd hernacher der Statt territorium auf ein halb Jahr sich enteüsern vnd sollicheß fiir ein genedige straff halten solle etc. (StaAGü, RPr 1.6, 1645 April 3, 591). StaAGü, RPr 1.6, 1647 Januar 28, 704; ebd., 1644 August 22, 519. Hans Rohrmiller mußte aufgrund der Schwängerung seiner Magd - es ist daher anzunehmen, er hatte einen eigenen Hausstand und war verheiratet - die Straff innerhalb von acht Tagen zahlen, erhielt aber 14 Tage Aufschub zugestanden (StaAGü, RPr 1.6, 1640 November 19, 45). Bei der Bestraften handelte es sich um Anna Hornburger, die elf Wochen lang mit einem Pfarrer im Landts Beyern eine konkubinarische Beziehung unterhalten und mit Ime Leibliche werckh [...] gepflogen hatte. Ihr Mann, Hans Hornburger, ebenfalls Günzburger Bürger, mußte, da er beim Versuch, seine Frau zurückzuholen, von dem Geistlichen mit feisten dermassen tradiert wurde, den Priester bei der geistlichen und weltlichen Obrigkeit verklagen, um seine Frau wiederzubekommen. Daraufhin wurde die Frau drei Wochen in Arrest gelegt, kam nach Hause nach Günzburg und wurde nunmehr hier acht Tage lang von dem Priester besucht. Aus der neuerlichen Haft löste sie ihr Ehemann mit dem Versprechen, ihr zu verzeihen, und durch Zahlung von insgesamt zwölf Talern aus (StaAGü, RPr 1.5 (15811640), 1636 Dezember 19, 224-226 [!]). Wie Hans Hornburger war auch Christian Pegner bereit, seine wegen Ehebruchs der Stadt verwiesene Frau wieder bei sich aufzunehmen: Er wolle mit Ihr wie ein anderer mit Ihr widerumb haußen. Daraufhin beschloß der Rat zuuerhiettung mehrer Sind, Laster vnnd gelegenheit die Wiederaufnahme der Frau gegen Zahlung des Bürgergeldes von 20 fl. 30 kr. (StaAGü, RPr 1.4, 1629 Februar 12, 58).
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jurisdiktioneile Kompetenz gegen die Einflußnahme des burgauischen Rentmeisters erfolgreich verteidigte, ist Art und Maß der Strafe nicht bekannt.392 (c) Kein Unterschied im Strafmaß und damit keine mildere moralische Beurteilung erfuhren die vier 1642, 1643 und 1647 geahndeten Fälle von Brautschwangerschaften, in denen, wie es in den Quellen heißt, die Geburt zue frie erfolgte oder die Hochzeit zue spatt gehalten wurde. Gestraft wurde der Coitus anticipatus ausschließlich an den beteiligten Männern, mit stark differierenden Geldstrafen von 6 und 20 fl.393 und einer Haftstrafe, die nach Zahlung von 5 fl. vorzeitig abgebrochen wurde.394 In einem weiteren Fall beruhte die Anklage auf einer offenkundigen Verleumdung.395 - In den Problemkreis vorehelicher Sexualität gehört auch das unverheiratete Zusammenleben, selbst wenn daraus keine Brautschwangerschaft entstand. Drei Männer wurden deswegen 1636 zu Geldstrafen von 6 fl. bzw. einer Haftstrafe verurteilt.396 (d) Wie für ihre Trunksucht, so erfuhren Angehörige des Günzburger Klerus wiederholt und besonders deutlich im Fall des Pfarrers Leonhard Braun auch Kritik für Verfehlungen gegen ihre Verpflichtung zu zölibatärer Lebensweise, die zu ahnden der städtischen Obrigkeit selbst gleichwohl verwehrt war. Um diesem Mißstand abzuhelfen, mußten Bürgermeister und Rat versuchen, Einfluß auf die geistliche Obrigkeit zu nehmen.397 Die jedoch seiner Jurisdiktionsgewalt unterstehenden Frauen der Stadt, die im Konkubinat mit einem Geistlichen lebten, hatte der Rat das Recht zu strafen, was er im Untersuchungszeitraum in drei Fällen tat, zweimal 1585 durch die Anordnung der Stadtverweisung und in einem Sonderfall
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Im Falle des Christoph Allgäuer, der wegen verübten Schwingerung seiner Schnuern, also seiner Schwiegertochter, verurteilt wurde, hatte sich der Rentmeister schriftlich vmb abschneidimg der straff eingesetzt, doch ließ man dem burgauischen Beamten mitteilen, Er werde gewüslich nicht wüssenschafft haben, wa daß kalb in daß aug geschlagen worden. Vnnd weylen Er ein burger, alß bleibe eß bey der straff (StaAGü, RPr 1.6, 1645 Juli 10, 614). 6 fl. zahlte Georg Hornung (StaAGü, RPr 1.6, 1647 September 2, 719 [Zitat]); bei der Wahl zwischen 20 fl. zu drei Raten oder einer Haftstrafe entschieden sich Ulrich Schmidt und Michael Mayer für die Zahlung der Geldstrafe, die sich bei Ulrich Schmidt über ein Jahr hinzog (ebd., 1642 Oktober 6, 313; 1643 August 31, 433; 1643 November 3, 465). StaAGü, RPr 1.6, 1647 September 2, 719. StaAGü, RPr 1.6, 1642 Oktober 20, 323. Hans Winkler und Jakob Wahl zahlten jeweils 6 fl., wegen daß Sye Ihre hochzeiteren so lange zeit vor gehaltner hochzeit zue sich genomben vnd mit Ihnen gehaust. Augustin Sauttermaister wurde für dasselbe Vergehen, jedoch aufgrund seiner Uneinsichtigkeit härter, nämlich mit dem thurm gestrafft, weylen Er sich also vngehorsamb vnd expostulierlich erzaigt hatte (StaAGü, RPr 1.5 (1581-1640), 1636 Januar 7, 109). - Umgekehrt legte der Rat, wie im Fall des Klaus Scheffler und seiner Frau, die beede beraith 2 Jahr von Einander gezogen vnd mit einander nit hausen, Wert darauf, daß Verheiratete auch tatsächlich einen gemeinsamen Haushalt führten (StaAGü, RPr 1.5, 1637 August 3, 367). Kap. Β. II. 3.4.3.
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1636 durch Inhaftierung bzw. Geldstrafe. A u f die Intensität der konkubinarischen B e z i e h u n g n a h m d i e B e s t r a f u n g d a b e i o f f e n b a r k e i n e R ü c k s i c h t . 3 9 8 - In e i n e m Fall betrachtete der Rat das einer G ü n z b u r g e r i n unterstellte k o n k u b i n a r i s c h e Verh ä l t n i s als B e l e i d i g u n g b z w . V e r l e u m d u n g u n d v e r u r t e i l t e d i e b e t e i l i g t e n F r a u e n zu einer Schand- und Geldstrafe.399 (6) Die G ü n z b u r g e r Ratsprotokolle v e r m e r k e n ab 1584 mit A n g a b e des erhobenen Bürgergeldes die A u f n a h m e von Neubürgern. Soweit dabei auch eine genaue A n g a b e ü b e r d i e H e r k u n f t e i n e s N e u b ü r g e r s g e m a c h t ist, 400 läßt s i c h - w e n n g l e i c h unter Vorbehalt -40' auf dessen Konfessionszugehörigkeit schließen. Die Mehrz a h l d e r z w i s c h e n 1584, d e m J a h r m i t w e l c h e m d i e Ü b e r l i e f e r u n g d e r R a t s p r o t o kolle beginnt, und 1648 a u f g e n o m m e n e n N e u b ü r g e r waren d e m n a c h von vornherein Katholiken.402 j98
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Der Stadt verwiesen wurden 1585 Maria Wund, die sich vor der zeit an ain Priester gehenckht und von ihm ein Kind empfangen hatte - widerrechtlich war sie im Winter mit ihrem kranken Kind zurückgekehrt und erhielt bis vff ains Er. Raths weitter gnad Aufschub bis zu einer neuerlichen Verweisung sowie Agatha Gärlin, die sieben Jahre mit Pfarrer Heinrich von Oeffingen, einer Patronatspfarrei des Günzburger Rates, In vneheren gesessen war (StaAGü, RPr 1.5, 1585 Februar [4], 10; ebd., 1585 Oktober 24, 16). Bei dem Geistlichen handelte es sich vermutlich um Heinrich Schmid, seit 1571 Pfarrer in Oeffingen (wann er die Pfarrei resignierte oder starb, ist nicht bekannt; M. Wiedemann, GeneralSchematismus, S. 279). Schon sein Vorgänger in Oeffingen war erwiesenermaßen Konkubinarier (Kap. Β. II. 3. Anm. 11). - Der Fall der verheirateten Anna Hornburger wurde bereits unter die geahndeten Ehebrüche eingereiht (Kap. Β. II. 3. Anm. 390). Anna Pflanz und die Frau des Hans Baur bezichtigten die Witwe des Obermesners, Appolonia Müller, daß Sye mit dem Pfarherr zue Weissenborn vnd Soldaten inn vnehren gelebt. Der Rat ließ Appolonia Müller zitieren, die jedoch die erhobenen Vorwürfe zurückwies und ihrerseits die beiden anderen Frauen des unterstellten Vergehens bezichtigte. Alle drei wurden daraufhin in die geigen geschlagen und zu zehn Talem Friedensgeld verurteilt (StaAGü, RPr 1.6, 1643 August 1 und 3, 412f.). Von einem wiirttenbergischen weber, so beim Jacob Beckheler, weber, sich als Ein Maister auflialten vnd wiirckhen thuet, ist eine genaue Herkunftsangabe nicht gemacht. Allerdings ist von ihm auch nicht im Zusammenhang mit einer Bürgeraufnahme die Rede (StaAGü, RPr 1.6, 1644 November 7, 544). Es ist grundsätzlich nicht klar, ob die Protokolle den Geburtsort oder den Ort des letzten (längerfristigen) Aufenthalts wiedergeben. 1642 Oktober 6 wird Hannß Jacob Jacobi, Ferber von Cölln, sambt seim weib vnd 1 kindt, 1645 als lateinischer Schulmeister Georg Dill von Schwäbisch Gmünd, Hans Kraus von Beyershofen, Jakob Biechele von Villenbach, Valentin Riedinger von Offenburg. 1646 Hans Georg Jäger von Söfßung (Söflingen?), 1647 Hans Galster von Baltringen (StaAGü, RPr 1.6, 312, 575, 586, 613, 620, 644, 726) zu einem Neubürger aufgenommen. Aus dem mittlerweile längst rekatholisierten Lauingen wird 1636 ein Bürger und 1642 eine Bürgerin aufgenommen (StaAGü, RPr 1.5, 1636 August 21, 179; StaAGü, RPr 1.6, 1642 Juli 14, 272). - Die Kirche und auch die Bewohner Baltringens, eines Dorfes im Besitz des Spitals der Reichsstadt Biberach, waren, zumal am Ende des Dreißigjährigen Krieges, katholisch (Stievermann, Biberach, S. 185). - Dagegen müßte der aus der Reichsstadt Bopfingen stammende Melchior Schazmann, dem 1597 Juli 2 ain Jar lanng, Wey! er ausserthalben dienet, das burgerrecht vfgehallten worden, jedenfalls vor seiner Bürgeraufnahme, deren
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Fallstudien
Datum unbekannt ist, evangelisch gewesen sein (StaAGü, RPr 1.5, 1597 Juli 3, 61). - Keine Ausnahme stellt auch der Fall des Hans Plebst dar: 1599 richtete die Regierung in Innsbruck seinetwegen eine Anfrage an die burgauischen Beamten und ersuchte um nähere Informationen, ob der Mann, den der Herzog von Württemberg vormals habe außer Landes schaffen lassen, jetzt in Günzburg aufgenommen worden sei, vngeacht Er der widerwertigen Religion seye (StAA, VÖ, Lit. 651, 1599 Dezember 16, fol. 544 v ). Eine Notitz über die Bürgeraufnahme des Hans Plebst oder überhaupt ein Niederschlag des Falles findet sich dagegen in den Günzburger Ratsprotokollen nicht. Die oberösterreichische Regierung verfügte daher offenbar nicht über korrekte Informationen. Auch die Kopialbücher für Burgau überliefern keine weiteren Nachrichten über einen Fall, der doch zu Konsequenzen gegenüber Bürgermeister und Rat der Stadt geführt haben müßte. Daß sich Hans Plebst jedoch tatsächlich und bereits seit längerer Zeit in Günzburg aufhielt, kann dagegen als gesichert gelten; nur lag die Verantwortung dafür nicht bei der städtischen Obrigkeit: Hans Plebst, der Bruder des burgauischen Advokaten Dr. Leonhard Plebst (er ist in StaAA, Historischer Verein: Burgau, H i l l , zwischen 1580 und 1596 in seiner Funktion überliefert, war jedoch mit Sicherheit darüber hinaus noch und offiziell als burgauischer Advokat fur die Markgrafschaft tätig, so in der Auseinandersetzung mit Augsburg um das Dorf Lützelburg), war eine schillernde Persönlichkeit: Aus seiner Vaterstadt Ulm geflohen, wandte er sich zunächst an den Herzog von Württemberg, der ihn alsbald des Landes verwies, ging nach Augsburg und wurde auch von dort, wo er sich verheiratet und der Tochter seiner Schwägerin zur Geburt eines Kindes verholfen hatte, ausgewiesen. Zusammen mit einem Georg Stang versuchte er schließlich, Erzherzog Maximilian Erfindungen zur Eisenverhüttung anzutragen, die vermutlich nur für die Erfinder Gewinn eintrugen (zu Stang und seinen Erfindungen Hirn, Maximilian, Bd. 2, S. 85f.). Die Innsbrucker Kammer wurde nicht zuletzt vom burgauischen Rentmeister Hans Christoph Han vor den Machenschaften Plebsts gewarnt. Dabei ließ Han auch keinen Zweifel an der konfessionellen Ausrichtung des Hans Plebst. Er sei Ain solliche Persohn, die Ich glaubens halb nit thauffen khan. Dann Er weder nach Gott oder seinen Heyligen fraget. Man wirdet Ine nit baldt in ainer khirchen gesehen haben, noch vil weniger, daß Er In vil Jahren communiciert hette. Ja, ein solche Gottlose, leichte vnd wolbekhandte Persohn, deren gleichen nit baldt zuefinden (TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. VI, Lg. 3, Nr. 9, 1603 Dezember 24). - Bereits 1582 hatte Landvogt Sebastian Schenk von Stauffenberg Hofkanzler Dr. Justinian Moser vertrewlich mitgeteilt, das alhie zu Günzburg sich ettliche Adels vnd andere Personen befinden, die nit der Catolischen, Christenlichen Religion seyen oder sich derselben gemeß verhalten, wie dann auch deß Herrn Doctor Blöbsten Brueder vnlenngst von Ulm heraus mit weib vnd khindern, Aber, souil Ich bericht, nit mit khleinem vnwillen eines Raths der Statt Ulm alher gezogen, vnd geleich ettliche Personen, so nit vnser Religion seind, alhie versamblenn wellten. Nun wußte der Landvogt zwar um seine Pflicht, sah sich aber außerstande, Hans Plebst selbst auszuschaffen und bat um die Ausfertigung eines entsprechenden Mandates, da bemelter doctor vnd der Rentmaister Isaac Han - der Vater und Vorgänger des Hans Christoph Han als Rentmeister der Markgrafschaft - miteinander dermassen verwandt vnd einander einuerleipt, do Ich die abschaffung diser Personen für mich selbsten vnd ohne sonderbaren beuelch an die handt nemmen wollte, das Ich bei denen baiden nimmer mehr nicht guets zugewarten vnd sich zwischen vnnser leichtlich ein handlung zutragen khindte. Dezidiert geht er dabei auch auf die Haltung der Günzburger Stadträte zum Aufenthalt von Protestanten in Günzburg ein, die, ebenso wie st, für sich selbst ab solchen Personen nit ein gerinnge beschwerdt haben (TLA, Sei. Ferd., Pos. 132 (1), 1582 Juni 27). - Der Aufenthalt des mutmaßlichen Protestanten Hans Plebst in Günzburg ist also nicht Bürgermeister und Rat der Stadt anzulasten, sondern lag an der Begünstigung, die er durch hohe burgauische Amtleute aufgrund verwandtschaftlicher und freundschaftlicher Beziehungen erfuhr, die quer zu den konfessionellen Schranken lagen.
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Politik
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1607 wiesen die burgauischen Oberbeamten jedoch in einem umfangreichen Gutachten zur konfessionellen Situation in der Markgrafschaft beiläufig auch auf eine Konsequenz hin, die sich für Günzburg aus der mangelnden konfessionellen Geschlossenheit der Region ergebe: Zu konvertieren, um ein Konnubium über konfessionelle Grenzen hinweg eingehen zu können, sei in der ganzen Markgrafschaft sehr gemein, so würden in Günzburg selbst deren vil wohnen, die von Sec-
tischen orthen sich alhero verheürathen vnd die Cathollische Religion angenommen hätten. 403 Von der Konversion der in Günzburg aus evangelischen Orten oder Herrschaften Eingebürgerten kann man nach dieser Darstellung jedenfalls seit dem beginnenden 17. Jahrhundert ausgehen. 404 Auch kann als Anlaß zumeist die Heirat mit einem Einwohner oder Bürger der Stadt bestätigt werden. 405 Wann der konfessionelle Wechsel indes erfolgte - ob vor oder nach der Bürgeraufnahme ist nur ausnahmsweise überliefert: Im Falle Hans Bauers (1645), vermutlich eines Einwohners der Stadt, mußte seine auswärtige evangelische Braut zuvor von Ih-
rem beichtvatter dessen ein schein bringen, daß selbige sich zum Catholischen glauben bekehren wille, ehe das Paar zu Bürgern aufgenommen wurde. 406 - Die Konversion eines Neubürgers mußte freilich kein Garant für die konfessionelle Homogenität der Bürgerschaft sein. Der Wechsel im Bekenntnis konnte rein äußerlich vollzogen sein und evangelische Formen der Religionsübung mochten subkutan fortbestehen, wie etwa in Hohenberg, 407 auch wenn für Günzburg solche Fälle nicht bekannt sind. Die Bindung der Bürgeraufnahme an das katholische Bekenntnis bedeutet nun aber nicht, daß sich in der Stadt nicht auch Bewohner - dann als Fremde oder Beisassen - aufhielten, die aus evangelischen Gebieten oder Orten stammten und ihr Bekenntnis nicht aufgegeben hatten. Der zeitlich beschränkte Aufenthalt evangelischer Fremder in Günzburg, wirtschaftlich bedingt durch Handel und Verkehr, war dabei so lange unproblematisch, als durch sie das kirchliche Leben
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TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1607 Oktober 25. Zur Konversion gehörte die Lossprechung von der schwerwiegenden Sünde der Häresie, die ein Priester nicht ohne weiteres vornehmen durfte. Die Licentia absolutionis ab haeresi mußte vielmehr durch den Bischof eigens vom Papst erwirkt werden. Der Bischof seinerseits stattete daraufhin einzelne Geistliche seines Bistums mit der Kompetenz zur Lossprechung aus (Zoepfl, Bischöfe, S. 719). 1607 etwa erhielt der Günzburger Pfarrer Leonhard Braun vom Bischof die Lizenz für die Absolution einer aus Leipheim gebürtigen Braut eines Untertanen des Dietrich von Roth zu Rieden übertragen (ABA, BO 6141, 1607 Juli 6). So etwa 1629 im Falle der Ursula Mayer von Nördlingen, die den Günzburger Georg Mendlin ehelicht (StaAGü, RPr 1.4, 1629 November 19, 87) sowie 1645 bei der ungenannten Braut des Günzburgers Hans Bauer (StaAGü, RPr 1.6, 1645 Oktober 9, 628). Beide Paare sowohl die neu zugezogenen Frauen als auch ihre Männer, die bereits Einwohner (Beisassen?) der Stadt waren - wurden nach ihrer Eheschließung zu Günzburger Bürgern aufgenommen. StaAGü, RPr 1.6, 1645 Oktober 9, 628. Kempf, Chronik, S. 332-335.
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Fallstudien
nicht gestört und die konfessionelle Ordnung der Stadt nicht gefährdet war. Den einzigen überlieferten Verstoß ahndete der Rat streng: Für die mutwillige Störung einer freitäglichen Prozession im Sommer 1631 hatte etwa der Ulmer Bürger und flozman Hans Veser mit vier Tagen Haft im bachthurm und Zahlung einer Geldstrafe von vier Reichstalern zu büßen.408 Dagegen zog 1619 die Aufnahme eines evangelischen Ehepaares zu Günzburger Beisassen - also dauernden Bewohnern der Stadt ohne vollen Anteil am Bürgerrecht - 409 die prompte und heftige, aber gewissermaßen inoffizielle Reaktion des burgauischen Rentmeisters Hans Christoph Han nach sich, aus der allerdings gleichzeitig der Ausnahmecharakter des Vorgangs ersichtlich ist: Dem Rat und Geheimen Sekretär Erzherzog Leopolds V. (1619-1632), Johann Balthasar Schlegel,410 teilte der Rentmeister innerhalb eines längeren Schreibens unter anderem mit, die Statt Ginzburg habe vor kurzem einen außgetrettnen burger zu Ulm, welcher vorher schon ain lange Zeit alhie in der freiung gelegen, zu ainem beisiz aufgenomen vnd sambt seinem weib (waiß nit, ob er khinder hat) ain behausung zubewohnen vergunt. Er beklagte die im Vergleich mit der protestantischen Seite angeblich größere Indulgenz der katholischen Obrigkeiten, da solches in den Lutterischen Stötten nit beschehe, aber wol daß Contrarium sich befindet, daß die Catholischen bei Inen aller orten außgetriben vnd khainen blaz haben, und schließt in einem Postskriptum entrüstet: Daß ist wol, weil Ginzburg gestanden, nie beschehen, daß Sy, alß Erbgehuldigte vnderthonen, Inen souil arregiert, daß Sy one vorwissen Ires Landts fürstens oder dessen Nachgesezten Regiment wissen vnd consens ainen khezer eingenomen he ten.^1 Man wird indes aus verschiedenen Gründen aus dem Schreiben des Rentmeisters Hans Christoph Han keine zu weitreichenden Schlüsse für die konfessionelle Einstellung des Günzburger Rates ziehen dürfen: Die Information über den Vorgang in Günzburg war nicht auf dem offiziellen Weg der Kommunikation, die gewöhnlich zwischen dem Landvogt bzw. den ununterschieden genannten Amtleuten und der oberösterreichischen Regierung ablief, nach Innsbruck gelangt der Rentmeister erwies sich dabei auch als schlecht informiert: Ob der Landvogt Kenntnis von der Aufnahme der Beisassen besaß, wußte er, nach eigenem Bekunden gar nicht - ganz so, als stünde Hans Christoph Han mit seiner Sicht des Vorgangs und seiner restriktiven konfessionellen Einstellung innerhalb der burgauischen Verwaltung alleine da. Zudem sind irgendwelche Konsequenzen seines Schreibens - wenigstens Anfragen der Innsbrucker Regierung an den Rat der 408
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Veser hatte, allß man mit der procession von vnser Lieben frawen Inn St. Martins Pfarrkirchen hinabgegangen, sollich wallfarthen von Hannß Wallen Fenster herab verlacht, verspott vnd zu allem Despect ein Kartten herzen könig herauß geleint etc. (StaAGü, RPr 1.4, 1631 August 4, 198). Sie hatten beispielsweise kein Recht, bei Wahlen der Gemeinde mitzuwirken (Krebs, Verfassung, S. 15If.; HRG, Bd. I, S. 354). Zu ihm Tasser, Beamtenschematismus, S. 60f. TLA, Kanzlei Ehz. Leop., Akten, Pos. 52.
Akteure kirchlicher
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Politik
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Stadt - nicht zu belegen. Ob die Mitteilungen des Rentmeisters also den Tatsachen entsprechen, läßt sich - auch anhand der städtischen Ratsprotokolle - nicht überprüfen. Wenn es jedoch wirklich zu der von Rentmeister Han beklagten Aufnahme eines evangelischen Ehepaares zu Beisassen - ohne herrschaftlichen Konsens - gekommen war, so wird gerade aus seiner Entrüstung über die Singularität des Vorganges deutlich, daß es sich um einen Einzelfall gehandelt haben muß.
3.4.2
Selbstkonfessionalisierung und ihre Grenzen: ein Fazit
Bereits der Blick auf die landesherrliche Mandatierungspolitik 4 i : konnte für Günzburg die Vielschichtigkeit von Disziplinierungsvorgängen im Medium der Konfession aufzeigen: Zum einen waren die österreichischen Untertanen der Stadt zweifellos Adressaten der konfessionell geprägten Verordnungen des Landesherrn, auf deren Inhalte Bürgermeister und Rat, Bürger und Inwohner gleichermaßen verpflichtet werden sollten. Aufgrund ihrer Transmissionsfunktion, die sie für den Landesherrn gegenüber der Bevölkerung in Günzburg wahrnahm, erfuhr dabei die städtische Obrigkeit in besonderer Weise - gewissermaßen prozedural - Einbindung in die landesherrliche Politik: So beinhaltete - zweitens die Wahrnehmung disziplinierender Aufgaben im Dienste des Landesherrn bzw. seiner Verwaltung für Bürgermeister und Rat die Möglichkeit, gegenüber der Gemeinde obrigkeitliche Kompetenzen zu intensivieren und Autorität zu stärken. Dabei handelte es sich jedoch keineswegs um einen einseitigen Vorgang, der die Gemeinde bzw. die Bürger der Stadt zu bloßen Objekten oder ,Opfern' konfessioneller Disziplinierung degradiert hätte. Vielmehr kam - drittens - gerade die spezifische Ausformung der Günzburger Verfassung allgemein einer Selbstdisziplinierung der Untertanen entgegen, denn der Gemeinde in Günzburg standen nicht unerhebliche aktive wie passive Rechte bei der Ratswahl zu. 413 Der einzelne Bürger konnte sowohl auf die Besetzung des Rates mit einwirken als auch grundsätzlich selbst Verantwortung im Rat der Stadt übernehmen. 414 Einerseits mußten sich also Bürgermeister und Rat, wollten sie sich Wahl oder Wiederwahl sichern, auch um eine in der Gemeinde akzeptierte Politik bemühen, andererseits erfuhr der einzelne, einmal in das Ratskollegium gewählt, Grenzen und Spielräume obrigkeitlicher Politik in ihren Abhängigkeiten vom habsburgischen Stadtherrn. Dies trug grundsätzlich zu einer Integration von Ratspolitik und Gemeindewillen bei, die sich auch auf religiöse oder näherhin konfessionelle Inhalte erstreckte. Aus diesem Grund sind pauschal die Bemühungen des Rates, seien es selbstformulierte oder übernommene religiöse und im engeren Sinne konfessionelle Normen durchzusetzen, nicht nur als individuelle Bereitschaft der einzelnen Ratsmitglieder oder der städtischen Obrigkeit als einer von der Gemeinde ge412 413 4,4
Kap. Β. II. 3.2.2. Kap. Β. II. 1.2.1. Dies läßt sich allerdings aufgrund des Fehlens von Ratslisten für die fragliche Zeit prosopographisch nicht konkretisieren.
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Fallstudien
schiedenen Oligarchie zur Selbstkonfessionalisierung zu werten - wenngleich sich freilich die Räte zugleich auch selbst an ihre Bestimmungen banden sondern auch als Beitrag der Gemeinde insgesamt, sich nach religiösen und konfessionellen Maßstäben zu disziplinieren. Die bei allen statistischen Vorbehalten konstatierten Erfolge in der Durchsetzung konfessionell definierter kirchlicher Zucht - die geringe Zahl von Verstößen gegen das Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit und die weitgehende Beachtung von Fastenzeiten und -tagen - sprechen für diese Interpretation ebenso wie das kooperative Verhalten von Eltern, die ihre Kinder zu Ausbildung und Beruf an fremden Orten wußten und deren Namen bei der städtischen Obrigkeit registrieren ließen, damit - im Sinne des Mandates von 1609 - 415 ihre konfessionelle Treue auch fern von Günzburg erhalten bliebe.416 Daß dabei die Bereitschaft der Eltern zur Zusammenarbeit mit der Obrigkeit offenbar nicht oder nicht nur der Furcht vor Strafe geschuldet war, sondern der Inhalt des Mandates, seine konfessionellen Motive und Intentionen, auf Zustimmung in der Bevölkerung stieß, mithin eine Internalisierung der zugrundeliegenden konfessionellen Vorstellungen erfolgt war, konnte exemplarisch der Fall des Schusters Johannes Mötz zeigen. 4 ' 7 Andererseits erwiesen sich wirtschaftliche Überlegungen und juristische Verbindungen als resistent gegenüber ihrer Konfessionalisierung: Weder wurde der Zuzug von Protestanten unterbunden - allerdings war deren Aufnahme zu Neubürgern mit allen Rechten und Pflichten an die Konversion gebunden - , noch wurden die Beziehungen zu juristischen Experten der evangelischen Reichsstadt Ulm abgeschnitten. 418 Damit ist eine Grenze in der Bereitschaft von Rat und Gemeinde markiert, alle Bereiche kommunaler Politik von sich aus konfessionellen Maßstäben zu unterwerfen. Auch im Bereich der Sittenzucht - beim Tabakkonsum, möglicherweise auch beim Fluchen - läßt sich kein durchgreifender Erfolg der obrigkeitlichen Disziplinierungsmaßnahmen bzw. eine als Selbstdisziplinierung zu deutende Bereitschaft der Bevölkerung zur Verhaltensänderung feststellen. Allerdings sind die formulierten Einschränkungen und Grenzen von besonderer Qualität, denn sie betreffen, im Falle der konfessionalisierungsresistenten Züge kommunaler Politik, nicht etwa die persönliche kirchliche Treue des einzelnen Ratsmitgliedes oder Bürgers der Stadt und sie erstrecken sich, im Falle der Sittenzucht, nicht auf spezifisch konfessionelle Gegenstände. Insgesamt wird man daher dem persönlichen Anteil der einzelnen Bürger und Einwohner der Stadt bzw. - in ihrer politischen Verfaßtheit - dem Anteil von Rat und Gemeinde an der eigenen konfessionellen Disziplinierung einen nicht unerheblichen Stellen-
415 416 417 418
Kap. Β. II. 3.2.2. Kap. Β. II. 3.4.2. Kap. Β. II. 3.4.2. Vgl. Kap. Β. II. 3. A n m . 468.
Akteure kirchlicher
und konfessioneller
Politik
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wert beimessen. Einer zeitlichen Differenzierung dieses Befundes steht indes ein Mangel an serieller Überlieferung entgegen.
3.4.3
Einfluß auf Seelsorge und Klerus
Gegenstand im engeren Sinne kirchlicher Politik von Rat und Gemeinde in Günzburg war, um die beiden zentralen Bereiche herauszugreifen, die Bemühung um eine ausreichende pastorale Versorgung, näherhin eine genügende Ausstattung mit Gottesdiensten (1), sowie die Sorge um eine sittliche Hebung und verbesserte Qualifizierung des Günzburger Klerus (2). Vor allem letzteres war für die katholische Stadt grundsätzlich nur zu erreichen, wenn es ihr gelang, in ihrem Sinne Einfluß auf den Ordinarius zu nehmen. In der Argumentation zeigt sich dabei der Rekurs auf wichtige Schlagworte der Klerusreform, ja der konfessionellen Auseinandersetzung: Die Instrumentalisierung konfessioneller Topoi läßt sich deutlich als kommunale Argumentationsstrategie erkennen. (1) Klagen über liturgische Mangelversorgung wurden immer wieder geäußert. Ein Grund dafür war neben dem vor allem zu Beginn des Untersuchungszeitraumes noch spürbaren Priestermangel41'' und der zu geringen Dotation von Pfründen420 nicht selten Krankheit oder altersbedingte Gebrechlichkeit eines Geistlichen, der für eine Vertretung, deren Entlohnung ihm oblegen hätte, nicht in angemessener Weise aufzukommen bereit war. 1599 etwa klagten aus diesem Grund Bürgermeister und Rat der Stadt bei Generalvikar Zacharias Furtenbach, der Pfarrer an St. Martin, Dr. Ulrich Schaller,421 sei nun schon lannge zeit heero krankh vnnd bethiigierig gewesen, allso das Er für sein Persohn der kürchen vnd gestifften gewohnlichen Gottsdiennst gannz vnd gar nicht abwartten vnd dar bev erscheinen khünden. Dennoch halte der Geistliche nicht zwei Kooperatoren, wie
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4-0
421
Im Dezember 1567 und nochmals wenige Monate später beispielsweise wandten sich Landvogt Karl Welser und Bürgermeister und Rat gemeinsam an Kardinal Otto, weil die Pfarrei nach dem Weggang des vormaligen Pfarrers Kilian Blankenstein (zu ihm A. Schröder, Bistum, Bd. 5. S. 244f.) vakant war, und baten um einen glitten pfarrer vnd herren, damit i n » arme schäflein nit also huettenloß vmbgehn (ABA, BO 3601, 1568 Februar 5; Wiederholung eines Schreibens von 1567 Dezember 4). Der von ihnen selbst für die Pfründe in Aussicht g e n o m m e n e Martin Faber, Pfarrer zu Digenfeld und Dekan des Landkapitels Munderkingen (Bistum Konstanz), schien jedoch kein Interesse an einem Wechsel nach Günzburg zu haben, und auch der Bischof tat sich trotz wochenlanger embsige[r] nachfrag schwer, einen geeigneten Nachfolger für Kilian Blankenstein zu finden (ABA, BO 3601, 1568 März 18). Vgl. etwa für die städtischen Pfründen die Beschreibung ihrer jeweiligen finanziellen Ausstattung, die der Rat gegenüber Bischof Heinrich vortrug, um zu erklären, warum es ihm schwerfalle, wirklich alle gestifteten Benefizien zu vergeben (ABA, BO 4132, 1600 Februar 7). Zu ihm Kap. Β. II. l . A n m . 167.
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Fallstudien
es erforderlich sei,422 sondern nur einen, der zudem mit der Betreuung der Filiale Echlishausen ausgelastet sei. Die Vorwürfe der Stadt kulminieren in der Behauptung, daß in ainem schlichten Weyler oder dorff die kürch vnd Gottsdiennst annderst vnd vil besser versehen würdt.m Um nun ihrer Forderung, der Generalvikar solle bei Pfarrer Schaller auf die Anstellung eines weiteren Helfers dringen, Nachdruck zu verleihen, spielen Bürgermeister und Rat in geschickter Argumentationsführung an auf latente Ängste der kirchlichen Hierarchie vor einer konfessionellen Destabilisierung der Stadt: Zunächst stellt der Rat klar, daß die Gemeindt in dem Catholischen Wesen [...] eyferig sei. Damit jedoch solcher eyfer durch Ergernuß nicht gemindert würde, brauche es die fürsehung vil mehrer - gemeint ist eine verbesserte liturgischpastorale Versehung bzw. Versorgung - , dieweil - und dies ist nun das entscheidende Argument - die Stadt sonnsten allendthalben mit Sectischen vmbgeben sei.424 Der Hinweis auf die angebliche konfessionelle Isolierung der Stadt, die jedoch keineswegs in derart drastischer Weise gegeben ist, wie es die Formulierung des Rates glauben macht,425 und die damit verbundene Anspielung auf eine mögliche Gefährdung fur den katholischen Glauben in Günzburg gibt mit anderen Worten die Folie ab, vor deren Hintergrund die Forderungen der Stadt erhöhte Plausibilität und besonderen Nachdruck gewinnen sollten: Um ihre kirchlichen Anliegen zu verwirklichen, instrumentalisierte die städtische Obrigkeit das konfessionelle Denken. - Mit welchem Erfolg dies im vorliegenden Fall letztlich geschah, kann allerdings nicht gesagt werden, weil Pfarrer Ulrich Schaller wenig später, wohl noch zu Beginn des Jahres 1600, seine Pfarrstelle freiwillig resignierte. Mit dem Gedanken dazu hatte er sich offenbar bereits seit längerem getragen.426 Die Sorge der städtischen Obrigkeit richtete sich in besonderer Weise auf die Prädikatur an der Frauenkirche, weil deren Inhaber wichtige pastorale Funktionen für die Bewohner der Oberstadt erfüllte427 und das Benefizium ganz allgemein 422
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Widersprochen von Pfarrer Schaller in einem Brief an Bischof Heinrich (ABA, BO 3601 I, 1600 Januar 21). ABA, BO 6791, 1599 Dezember 9. ABA, BO 6791, 1599 Dezember 9; wenig später nochmals wiederholt (ABA, BO 4132, 1600 Februar 7). Kap. B.II. 1.1. Er hatte gebeten, auf Lichtmeß die Pfarrei resignieren zu dürfen, um die Fastnachtszeit in Günzburg, eine Zeit der Ohnausprechlichert Vnrue, nicht miterleben zu müssen, denn es sei ihm allß ainem kranckhen, Betligertem Priester gar Beschwerlich vnnd geferlich, solliche molestias Bachanaliorum zuübersthen, dann allhie zu sollicher zeit khain verschonung (ABA, BO 3601, 1600 Januar 3). Von gewissermaßen heilsrelevanter Bedeutung konnte die Nähe des Priesters für einen Sterbenden sein, weshalb der Stadt, sonderlich was kranckhen bey nächtlicher weil anlangt, an einer zuverlässigen Besetzung des Prädikaturbenefiziums vil gelegen war (ABA, BO 3970, 1645 September 15).
Akteure kirchlicher und konfessioneller Politik
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nach U m f a n g und Art seiner Verpflichtungen wie auch aufgrund der zentralen Lage der Kirche und der relativen Selbständigkeit des Inhabers quasiparochiale Bedeutung besaß. 428 Krankheit und Alter des Benefiziaten konnten auch hier Probleme verursachen, denen der Rat als Patronatsherr etwa abzuhelfen versuchte, indem er auf die Resignation des Inhabers und eine Neubesetzung der Pfründe drängte. Im Falle des Predigers Clemens Halbhirn (1598) war er dabei auch zur zusätzlichen Zahlung einer Rente bereit, obwohl bereits ein Nachfolger, Ulrich Mayer, 4 2 9 präsentiert war und bezahlt werden mußte. 430 Vor allem j e d o c h die unzureichende Dotation der Prädikatur führte zu häufiger und rascher Fluktuation qualifizierter Prediger mit den entsprechenden Konsequenzen für Katechese und Seelsorge, denn A u f g a b e des Benefiziaten war neben der sonntagnachmittäglichen Predigt auch die A b n a h m e von Beichten und die Unterweisung der Kinder im Glauben. Aus diesem Grund versuchte die Stadt immer wieder, durch Z u s a m m e n l e g u n g mit anderen Pfründen - etwa dem bischöflichen Hospitalbenefizium - eine bessere finanzielle Ausstattung für den Prädikator zu erreichen. Die zahlreiche Korrespondenz mit dem Ordinariat in dieser Angelegenheit belegt deutlich das Engagement der städtischen Obrigkeit. 431 Z u s a m m e n mit Dekan Kaspar Helm, gleichzeitig Günzburger Pfarrer, 432 bemühte sich der Rat der Stadt als Patronatsherr auch, den Bitten der Gemeinde von Oeffingen zu entsprechen, die, unzufrieden mit nur einer wöchentlichen Messe am Freitag, auch an Sonn- und Feiertagen einen Gottesdienst wünschte. 4 3 3 Bürgermeister und Rat der Stadt richteten ihr Augenmerk nicht nur auf eine in quantitativer Hinsicht ausreichende Versorgung mit Gottesdiensten, sondern waren grundsätzlich auch an einer musikalischen Hebung der Liturgie interessiert. 1645 etwa, bei der Neubesetzung des Prädikaturbenefiziums an der Frauenkirche, bemühte sich der k o m m u n a l e Patronatsherr, einen Priester zu finden, der über seine geistlichen Qualifikationen hinaus ausdücklich auch in der Music erfahren
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Kap. Β. II. 1.3.3. M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 286, nennt ihn zwischen 1600 und 1603 als Prädikator. ABA, BO 4132, 1600 Februar 7. - Clemens Halbhirn konnte sein Benefizium bereits seit etwa eineinhalb Jahren krankheitshalber nicht mehr versehen. Das Bemühen des Rates um seine Resignation empfand er jedoch ungeachtet des Angebotes einer Rentenzahlung offenbar als unzulässigen Druck und rief daraufhin den Günzburger Pfarrer bzw. Generalvikar Hieronymus Stor von Ostrach um Beistand an (ABA, BO 3970, 1598 Februar 5). Vgl. A B A , BO 3970, 1618 September 4; 1623 September 5; 1624 Februar 17; 1624 März 18; 1624 Dezember 31; 1625 Januar 30; 1632 September 7; 1644 Januar 10; A B A , BO 4861, 1618 September 4; 1623 Oktober 1; 1624 Oktober 7; 1625 April 21; 1625 August 8; 1630 Juni 16; 1645 November 22. M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 283, nennt ihn zwischen 1635/37 und 1662 als Pfarrer in Günzburg. StaAGü, RPr 1.6, 1641 August 5, 110; 1641 September 2, 125; 1642 Januar 2, 198; 1642 April 30, 248.
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Fallstudien
sein sollte.434 Schwächer ausgeprägt waren die musikalischen bzw. liturgischen Ambitionen des Rates jedoch dort, wo eine feierliche Gestaltung von Gottesdiensten durch Organisten und Kantoren der Stadt selbst Kosten verursacht hätte. Den Schulmeister zu verpflichten, für die Anstellung und Besoldung eines Kantors aus eigenen Mitteln Sorge zu tragen,435 war offenbar ein wenig zuverlässiges Verfahren. So klagte 1638 Hofkaplan Kaspar Helm gegenüber Generalvikar Kaspar Zeiller, der Schulmeister sei zwar ein guetter Musicus, halt aber kein cantorem wie vor alters, und ein Organist würde einfach deswegen nicht angestellt, weil ihn die Stadt selbst besolden müßte. Erst vor kurzem habe ein guett Catholischer Organista mit einer Supplication um den Dienst angehalten, sei aber abgewiesen worden. So komme es, daß lust vndfrewd bey dem Gottsdienst [...] letz manglet vnd abgehet.436 Bürgermeister und Rat scheinen jedoch auf diesen Vorwurf durchaus reagiert zu haben, denn durch die Umwidmung von vakanten Pfründen bzw. Teilen von Pfründen gelang es der Stadt wenig später, den Dienst eines Organisten finanziell abzusichern, wofür allerdings die Zustimmung und Unterstützung der kirchlichen Obrigkeit, die ihrerseits der Musica sacra einen hohen Stellenwert beimaß, von entscheidender Bedeutung war.437 - Auch die Stiftung einer neuen Glocke für die Frauenkirche aus den Mitteln der Stadt (1599) ist ein Bei434 435
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ABA, BO 3970, 1645 September 15. Der Antrag des 1637 als Schulmeister eingestellten Christoph Gruber, der Rat solle einen eigenen Kantor halten und besolden, wird mit der Begründung zurückgewiesen, Gruber sei bereits anuor eine guete besoldung genehmigt worden (StaAGü, RPr 1.5, 1638 August 26, 484). Neben einem wöchentlichen Salär aus städtischen Mitteln von 30 Kreuzern - hinzu kam 1 fl. aus der Martinsstiftung sowie das Schulgeld in Höhe von 45 Kreuzern für ein Kind, weliches Latheynisch alleinig Lehrendt bzw. von 24 Kreuzern, so Ein bueb oder Medien theitsch Lernt - erhielt der Schulmeister freie Wohnung und - erst seit 1636 - Holz nach seinem Bedarf (StaAGü, RPr 1.5, 1636 September 1, 182; 1637 Mai 18, 286; 1637 Mai 25, 291). - Bei der Anstellung des (lateinischen) Schulmeisters, des Günzburger Bürgers Johann Lang, wurde die Besoldung nochmals erhöht und gleichzeitig die Verpflichtung des Schulmeisters fixiert, herentgegen [...] Einen Cantorem zuehalten (StaAGü, RPr 1.5, 1640 Oktober 3, 4). Später wurde Lang abgemahnt, weil er offenbar - zeitweise? - auf die Anstellung eines eigenen Kantors verzichtet hatte (StaAGü, RPr 1.6, 1642 Juni 30, 266). Bei der Anstellung seines Nachfolgers Johann Georg Dill aus Schwäbisch Gmünd zu denselben Konditionen wurde dann auch die Besoldung eines Kantors durch den Schulmeister genau festgehalten: Der Kantor sollte von ihm vierteljährlich 2 fl. 30 kr. (jährlich 10 fl.) und 1 Immi Vesen (jährlich 4) erhalten (ebd., 1645 Februar 17, 575). ABA, BO 3970, 1638 Mai 25. Die Bitte eines Kaplans um Addition des Silvesterbenefiziums, das vom Stadtrat mit Bewilligung des Generalvikars zue erhaltung des Organisten angewendet wird, wurde nach einem Gutachten des Dekans im Ordinariat abgelehnt. Zwar sei es richtig, daß der Kaplan mit seinem Benefizium finanziell kaum ausreichend versorgt sei, auch daß dem eigentlichen Fundationszweck durch die Umwidmung nicht entsprochen werde. Da jedoch die Orgel den Gottsdienst nit wenig zuesatz gibt vnd hoch zue besorgen, daß sunsten die Orgel vacieren mieste vnd niemand zue vnderhaltung des Organisten waß geben wurde, solle das Benefizium auch weiterhin zur Entlohnung des Organisten herangezogen werden (ABA, BO 4132, 1639 August 2; 1639 August 22; 1639 Oktober 9; 1639 Oktober 19; vgl. StaAGü, RPr 1.5, 1638 September 6, 488).
Akteure kirchlicher und konfessioneller
Politik
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spiel für deren Bereitschaft, durch nicht unbeträchtliches f i n a n z i e l l e s E n g a g e m e n t zur H e b u n g der Liturgie im weiteren S i n n e beizutragen. 4 3 8 ( 2 ) B ü n d i g und programmatisch b e k u n d e t e n Bürgermeister und Rat v o n G ü n z burg 1576 in e i n e m S c h r e i b e n an Erzherzog Ferdinand II. nicht nur ihre Ü b e r e i n s t i m m u n g mit den Z i e l e n der Klerusreform - verbesserte Qualifikation und sittlic h e H e b u n g der G e i s t l i c h e n
sondern darüber hinaus auch die Ausrichtung ihrer
Politik an den M a ß s t ä b e n der R e f o r m : D e r städtischen Obrigkeit sei nichts vnd Erwinschters, tern Jederzeitt
als daß die Kirchen versehen
wurde.
Bürgermeister und Rat wie erwünden
mit taugenlichen
D i e s e s , s o v i e l an ihnen läge, zubefürdern,
bishero
auch
hinfuro
liebers
vnd vnergerlichen
an vnserm
vleyß
prieswollten
nichts
[...]
m
laßen.
A n l a ß für d i e s e d e u t l i c h e n Formulierungen war e i n e A u s e i n a n d e r s e t z u n g z w i s c h e n der Stadt und L a n d v o g t Karl W e l s e r um den Klerus in Günzburg: Während sich W e l s e r in h e f t i g e n W o r t e n über den Pfarrer an St. Martin beklagte, 4 4 0 den Rat f ä l s c h l i c h als Patronatsherren 4 4 1 und o f f e n b a r in U n k e n n t n i s der k a n o n i s c h e n
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Die Glocke war außer gemainer Statt Seckhel für beynahendt 180 fl. gestiftet worden, nachdem Günzburg wie auch andere Orte 1599 mit dem vichsterbendt heimgesuecht worden war. Zur abwendung sollicher straff und ausßer sonderm guettherzigem eyffer, auch zue der Ehr vnd lob Gottes wurde daher eine Glocke für die Frauenkirche angeschafft, die man zue Ermahnung der Gemeindt zum gebett in das hailige bitter leiden vnd sterben vnnsers lieben herrn Jesu Christi, sonnderlich als Er an dem hailigen Oelberg für das gannz Menschlich geschlecht bluett geschwizet, zue ewigen Zeiten alle donnerstag nach dem Ave Maria läuten sollte (ABA, BO 4132, 1600 Februar 7). TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132(1), 1576 Januar 9. Der Landvogt nannte den Priester - es muß sich um Deusdedit Haintzius gehandelt haben (M. Wiedemann, General-Schematismus, S. 283, nennt ihn zwischen 1573 und 1576 als Pfarrer von St. Martin) - einen leichtferttigen Pfarher, der mehr den Leuthen Ergerlich dann Nutz; wellicher nicht dermassen Studiert, das er recht wisse, dem gottesdienst mit Metten singen vnnd andern Ceremonien vorzustehen, sondern seinem leichtferttigen leben tag vnd nacht nachhengt vnd seltten am Sontag, wil geschweigen andere tage, so er doch täglichen aigner Person der khirchen beywonen soll, In der khirchen befunden, sondern helffer aldo an Stadt sein, die gottes dienst zuuerrichten, aufsteldt, die nicht recht wissenn, ein fesper zu singen oder Patter noster zu Petten (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (1), 1575 [vor Oktober 6]). An anderer Stelle wirft er demselben Geistlichen Leichtferttigkait mit weibern vnnd sauffen tag vnd nacht vor (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (1), 1575 November 28). - Die Kritik Welsers konnte kaum ganz aus der Luft gegriffen sein, da Haintzius sich wenige Monate später in sehr unpriesterlicher Weise auffällig zeigte, als er bei der Heiligenrechnung in Oxenbronn (1576 Dezember 4) mit seiner Flinte zwei Personen leicht, eine lebensgefährlich verletzte und daraufhin aus Günzburg floh (ABA, BO 6141, 1576 Dezember 9 und 11; ABA, BO 3601, 1577 Januar 16). Das Patronatsrecht besaß in Wahrheit der Bischof (Kap. Β. II. 1.3.2), was Welser an sich hätte wissen müssen, da er wenige Jahre zuvor selbst zusammen mit Bürgermeister und Rat bei Kardinal Otto die wiederholte Bitte um Neubesetzung der vakanten Pfarrei geäußert hatte (ABA, BO 3601, 1568 Februar 5).
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Fallstudien
Vorschriften 4 4 2 f u r die M i s e r e mitverantwortlich machte, 4 4 3 j a ü b e r h a u p t dessen religiösen Eifer 4 4 4 u n d konfessionelle Zuverlässigkeit 4 4 5 in Z w e i f e l z o g u n d stattdessen zwei der G ü n z b u r g e r K a p l ä n e a u s n e h m e n d lobte u n d einen v o n ihnen auf die Pfarrstelle präsentiert sehen wollte, 4 4 6 w a r e n es gerade diese beiden K a p l ä n e , Heinrich K e ß m a n n v o n Dillingen u n d T h o m a s J a k o b S c h m i d von Weißenhorn, 4 4 7 die massive u n d sehr konkret belegte Kritik der städtischen Obrigkeit e r f u h r e n . D a ß W e l s e r dabei etliche khinder des einen K a p l a n s o f f e n b a r nicht als Einschränk u n g f ü r dessen Eignung z u m Pfarrherrn begriff, 4 4 8 läßt neben seiner U n w i s s e n heit u m die kirchenrechtlichen V o r s c h r i f t e n u n d Patronatsverhältnisse an der P f a r r p f r ü n d e St. Martin Z w e i f e l sowohl an seiner Einsicht in die Ziele der Klerusr e f o r m , als a u c h grundsätzlich an der Authentizität seines Einblicks in die religiöse Situation vor Ort a u f k o m m e n . Hatte der L a n d v o g t die Kritik des Rates an den K a p l ä n e n u m g e k e h r t gerade auf den kirchlichen Eifer der K a p l ä n e z u r ü c k g e f ü h r t - der Rat sei denn baiden Caplonen So abhold wegen der warhait, die sie auf der Canzel nit sparen zu reden. Von dem wegen Inen feyr abent zu geben bedacht -, 4 4 9 so k o n n t e n Bürgermeister und Rat in e i n e m Schreiben an W e i h b i s c h o f M i c h a e l D o r n v o g e l ihre V o r w ü r f e an konkreten u n d datierbaren Vorfällen u n d V e r g e h e n , etwa der Belä442
Das Kirchenrecht ließ die Enthebung eines Priesters von seiner Pfarrpfründe - im Gegensatz zum Benefizium - nur in außerordentlichen Fällen und unter Wahrung der bischöflichen Jurisdiktionskompetenz zu (WWKL, Bd. II, S. 360-366). In keinem Fall hätte hier der Rat, auch nicht als Patronatsherr, eigenmächtig handeln können. Davon jedoch scheint Karl Welser auszugehen. 443 Der Rat zeige erstaunliche Geduld gegenüber dem Pfarrer, der ain viehisch vnnd Leichtfertig Leben fiertt, deß denn weichbischoff selbst verwundert, warumb sie Ein solches von Ime Leiden (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (1), 1575 November 28). 444 Welser klagte, das ich gar wenig Lieb vnnd andacht bey dem Rath zu Guntzburg zur Ehr vnnd gottes dienst des allerhöchstem Spür, vnnd befindt auch, daß sie die khirchen seltten vnnd gar wenig aigner Person, sonderlich an den hohen vnnd fronfesten besuchen, vielweniger Ire kinder vnnd gesindtlich darzu ziehen, ob sie wol aigner Person darin saumbseelig. Jedoch an Stadt Ir, wie billich, gehn khirchen zur Predigt, fesper vnd Mettenn schickhen soltten (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (1), 1575 [vor Oktober 6]). 445 Es seien laider alhie zu Ginzburg vil, die Lieber heut alß morgen Lutterisch wern vnnd, wie ich bericht, auch solliche bißher in Ihren heussern Predigen haben sollen (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (1), 1575 November 28). 446 Es seien gar feinne zween Prister verbanden, die in zimlichem altter, der ain gar kheinen anhang, der ander aber etliche khinder hat [!], welche dermassen Studiert haben vndgelert sein, das sie alle Ceremonien vnd gebrauch nach altter Catolischer weiß der kirchen vorzustehen wissen, auch aines feinen Prist[er]lichen, vnuerweißlichen wandels vnnd auß noch lengst erzeltten vrsachen an solchen Pfarer vnd Prister zu Guntzburg mangel erscheindt, Ist an E.F.D. abermahls mein vnderthenigste Pit, sie wollen dann Jetzigen Bischof zu Augspurg vnd den Weybischof daselbsten gnedigst zuschreiben lassen, das der Jetzige Pfarer möchte hindan vnd der Obuermeltten ainer an sein Stadt khommen vnd angenommen werden (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (1), 1575 November 28). 447 Sie sind in M. Wiedemann, General-Schematismus, nicht vermerkt. 448 Kap. Β. II. 3. Anm. 446. 449 TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (1), 1575 November 28.
Akteure kirchlicher und konfessioneller
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Politik
stigung v o n Bürgerstöchtern 4 5 0 und des gewalttätigen Ü b e r g r i f f s a u f Juden 451 im trunkenen Zustand, f e s t m a c h e n . E b e n s o w e n i g w i e Trunkenheit und Gewalttätigkeit entsprach das äußere Erscheinungsbild w e n i g s t e n s e i n e s der Kapläne den V o r s t e l l u n g e n d e s Rates v o m Bild e i n e s Klerikers. 4 5 2 A u c h ihren b e n e f i z i a l e n V e r p f l i c h t u n g e n k a m e n die beiden Priester nur u n z u v e r l ä s s i g nach. 4 5 3 Kurzum da sich die Kapläne verhalten hätten, w i e es keinem noch
zusteht,
ehrlichen
priester
gebiirt,
hatte die städtische Obrigkeit die Unterstützung des geistlichen
Gerichts angerufen 4 5 4 und die beiden nach A u g s b u r g verbringen lassen. 4 ' 5 D i e G e i s t l i c h e n erfuhren dort trotz B e t e u e r u n g der U n s c h u l d ihre Bestrafung. 4:>6
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1 5 7 5 Oktober 11 - offenbar war dies der letzte Anlaß fur die Klage des Rates vor dem Weihbischof - waren die beiden Priester voller weins getruncken, nachmals me nacht vmb neun vhrn mit spieß vnd seittenwehren vf der gassen hin vnd wider geloffen und hatten vnsere burgers töchtern, so ein kertzen darbey zue Spinnen, in das gunckelhaus holen wellen, mit reuerentz zumeiden, in ein lachen ob der schlacht gestossen vnd also erschreckt, daß sie ein geschrav gehaptt, daß man ihnen ein behausung aufgethan, sich darin zuschiitzen vnd zubeschirmen (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (1), 1575 Oktober 12). Der Vorfall wurde dem Generalvikar detailliert geschildert: Ebenfalls 1575 Oktober 11 waren die angetrunkenen Geistlichen dann dem Simon Juden, vnserm beywohner vnd schirmsuerwanten, fur das haus gezogen, mermalen daran gestossen, sie in das hauß zulassen begert. Ist ihnen zur antwurt geben worden: haben sie was bev Simon Juden zuschaffen, sollen sie morgen zue ihrer gelegenhaitt kommen. Ist aber obgedachter Simon Jud willens vnd Vorhabens, diese wochen mit einer seiner töchternn hochzeitt zuhalten vnd etlich frömbde Juden mit sampt ihm vnd seinem tochterman von Franckfurt diesen abent zunacht gessen. Als sie nun nach volendung der malzeitt in eines anderen Judens behausung, Mossin Jud genand, so dan auch alda sampt seinem weib zue gast gewest, geen wellen, haben sich obbestimpte zwen herren vnd priester wo! in derselben gassen sehen lassen. Die Juden in sorgen gestanden, es mögt ihnen was laids widerfahren. Ist aber ain Juden magt mit einem brinnenden liecht in einem Leuchter tragende hernacher gangen. Dieselben magt haben sie mit einem spieß vf die hand geschlagen, daß sie den leuchter mit dem liecht miisen fallen lassen. - Verrer, als sie fur obbestimpts Mossin Judens behausung komen, sie an die haus thurenn gesessen vnd gesprungen, daß das schloss aufgangen, ein Junge magt von Brentz in dem haus thennen gestanden, ein licht in der hand gehalten, der ein priester sie mit plosser wehr (doch flechlingen) vf die hand geschlagen, dass sie den Liechter vnd licht auch fallen miisen lassen vnd, so der straich nit flechlingen gerathen (welchs dan zwefelson ihr wil nit gewest) hettenn ihr die hand abgehawen. - Letzlich so halt obbestimpts Mossin Judens dochter, so dan Simon Judens sone verheurat, in gemelts ihrs vatters behausung ein brinnendts liecht zue dem fenster heraus gereckt, besehen wellen, ob ihr mutter (welche dan noch in Simon Judens behausung gewest) ruiglich vor diesen zweven schönen priestern möge oder künde auch heimkomen. In dem herr Hainrich mit einem starcken halben Ziegel (welcher vns furtragen worden) nach gemelter dochter zue dem fenster hinauf geworffen, ihr damit drev zeen gar abgeworffen vnd zwey zeen wankend gemacht, also dass man sorg tregt, man miise sie auch heraus thun (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132(1), 1575 Oktober 12). So unterstehe sich Heinrich Keßmann wan er sich also voller wins trinckt, bey tag in hosen vnd wammes (reuerenter zuschreiben) auch ein lange wehr an der seythen vnd einen federbusch vff den huet stecken, vf einem gaul in dem Stättlin wie ein anderer, besessner man hin vnd wider zureitten (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (1), 1575 Oktober 12). TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (1), 1575 Oktober 12. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (1), 1575 Oktober 12.
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Fallstudien
Aus dem Fall der beiden Kapläne Keßmann und Schmid lassen sich für die religiöse bzw. kirchliche Politik der städtischen Obrigkeit in Günzburg mehrere Beobachtungen als exemplarisch festhalten: Bürgermeister und Rat in Günzburg machten sich die Vorstellungen der katholischen Reform vom erwünschten Profil des Klerikers in ihrer Argumentation zu eigen. Implementierung bzw. Internalisierung von Maßstäben der Reform stellt sich damit nicht als Einbahnstraße - von ,der Kirche' in ,die Welt' oder von ,oben' nach ,unten' - , sondern als ambivalenter Vorgang dar, der eine Eigendynamik entfalten konnte, die, wenn auch nicht im vorliegenden Fall, auf kirchlicher Seite als durchaus problematische Veränderung registriert werden konnte.457 Daß sich mit dem Eifer des Rates für diese Vorstellungen auch andere Motive - etwa der Wunsch, sich lästiger, öffentlich geäußerter Kritik eines Klerikers zu entledigen - zumindest verbinden konnten, wie die beiden betroffenen Kapläne 458 oder auch der sie protegierende Landvogt Karl Welser459 unterstellten, soll damit nicht geleugnet werden. Bestand und Erfolg konnten die Klagen des Rates vor der bischöflichen Jurisdiktion allemal nur dann haben, wenn sie sich auch belegen ließen. Selbst eine bloße
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Die Kapläne beklagten sich später bei Erzherzog Ferdinand II., nicht etwa bei ihrer geistlichen Obrigkeit, sie seien von des Rats gassen knechten vnnd Schergen Inn vnnserer priesterlichen gefreytten behaussungen, alls wir Inn friden vnnd Ruehe anhaims gewest, one ainiche Audientz vnnserer anerbotne Entschuldigung yber fallen vnnd wie Morder, auch anndere hochsträffliche Personnen, nit allein Ich, M. Hainricus Kheßmanus, Inn den greylichen, Erschrockhlichen Diebs Thum vnnd dann Ich, Thomanus Jacobus, Inn ain anndre harte gefengkhnus zu 22 stundt gefengklich Enthalten worden. Danach habe man sie mit Eyssine Khettine, aim Jedem Innsonders, vff ainen Kharren gefeßlet vnnd allso gantz Leuchtferttig vnnd Spetlich vor Jeder menigklich geen Augspurg fuehrn vnnd Einem Erwurdigen Thumbcapittl gefengklichen yber antworten lassen (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (1), undatiert). - Landvogt Karl Welser hatte offenbar daraufhin Weihbischof Michael Dornvogel die kirchenrechtlich zweifelhafte Form der Verhaftung mitgeteilt (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (1), 1575 November 13; Antwort des Weihbischofs), ohne daß jedoch von kirchlicher Seite aus Schritte gegen die Stadt eingeleitet worden wären. Sie seien Etlich Tag hardt vnnd ganntz Erbarmklich Erhalten, darzu yber all vnnser dargebotne vnschuldt gestrafft worden (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (1), undatiert). Pfarrer Ulrich Schaller etwa unterstellt Bürgermeister und Rat pauschal die Absicht, sich die geistliche Jurisdiktion anmaßen zu wollen, weil sie es für ihre Aufgabe hielten, den priestern In vnd ausser der kirchen maß vnd Ordnung zugeben vnd sie vff Irem Rathhauß mit wortten [zu] corrigiern (ABA, BO 3970, 1598 Februar 5). Dagegen sei, so Schaller, der berueff der Geistlichen etwas, das die städtische Obrigkeit nit betriffet (ABA, bislang unverzeichneter Altbestand 162, ca. 1600; vgl. ebenso ABA, BO 4295, 1601 Januar 24). Bürgermeister und Rat könnten es, so die Kapläne, nicht Erleyden, daß sie, v f f der Cantzel straffen vnnd Sagen, was der Text der heylligen Euangelien wellen vnnd mit pringen (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (1), undatiert). Da die Kapläne die - nicht genannten - vbel der Obrigkeit öffentlich straften, seien Bürgermeister und Rat vnnderm schein [...] Euferiger Liebe zur Ehr Gottes gegen die Kapläne vorgegangen (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (1), 1575 November 28).
Akteure kirchlicher und konfessioneller
Politik
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Rhetorik der Reform hätte dabei noch zu deren vertiefter inhaltlicher Rezeption beitragen können. 460 U m disziplinierend auf die Geistlichen in Günzburg einwirken zu können, war fur die städtische Obrigkeit die Kooperation mit der kirchlichen Jurisdiktionsgewalt unerläßlich. Rat und Bürgermeister suchten die Kommunikation mit den bischöflichen Stellen. - Bischof oder Generalvikar griffen Beschwerden in aller Regel auf, sobald sie in der Öffentlichkeit ruchbar geworden waren. Unter Umständen konnte die endliche Bestrafung eines Priesters jedoch längere Zeit auf sich warten lassen und dann von unverhältnismäßiger Milde sein.461 Das Bemühen von Bürgermeister und Rat in Günzburg um eine Reform des Klerus erscheint nicht nur als dualistische Auseinandersetzung zwischen Gemeinde bzw. städtischer Obrigkeit auf der einen und geistlichen Inhabern von Pfarrpfründe und Benefizien auf der anderen Seite. Vielmehr konnte es zu je unterschiedlich aktualisierten Konstellationen - Koalitionen oder Oppositionen - der zahlreichen geistlichen wie weltlichen Akteure mit Sitz oder Einfluß vor Ort - des Bischofs, des Pfarrers, der Kapläne, der Kapuziner, der Schloßkapläne, der städtischen Obrigkeit von Bürgermeister und Rat, der Gemeinde, der burgauischen Beamten oder ihrer Vorgesetzten in Innsbruck kommen. - Die Kapläne Keßmann und Schmid etwa erfreuten sich der Unterstützung des Landvogtes Karl Welser, der insgesamt bestrebt war, Kompetenzen des Rates zu seinen Gunsten zurückzudrängen. 462 Aus diesem Grund besaß er auch ein Interesse daran, die Möglichkeiten des Rates zu eigenständigem Auftreten gegenüber dem Klerus vor Ort wie gegenüber der kirchlichen Hierarchie zu beschneiden, indem er Zweifel an dessen konfessioneller Zuverlässigkeit säte, also seinerseits die konfessionelle Prägung der Sprache instrumentalisierte. 463 Ganz vergleichbar dem ausfuhrlich geschilderten Fall der beiden Kapläne Heinrich Keßmann und Thomas Jakob Schmid spielten sich die Auseinandersetzungen zwischen Bürgermeister und Rat der Stadt und Pfarrer Leonhard Braun bis zu ihrem Höhepunkt in den Jahren 1625 und 1626 ab:464 Grundlage auch der Kritik an Pfarrer Braun war ein zentrales Anliegen der Reform, gegen das der Geistliche
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Vgl. die parallele Erscheinung innerhalb des Klerus selbst (Kap. Β. II. 3.1.2). Im Fall der beiden Kapläne Keßmann und Schmid hatte die Stadt auf die Privierung der beiden von ihren Benefizien gehofft (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (1), 1575 November 13). Kap. Β. II. 1.2.2. Vgl. Kap. C. 2.3. Bereits 1611 war es zu einer Auseinandersetzung unbekannten Inhalts zwischen dem Geistlichen und dem Rat der Stadt gekommen, in deren Verlauf die Stadt sich bei Generalvikar Zacharias Furtenbach schrifftlich beclagt hatte. Pfarrer Braun bat daraufhin, sich verantworten zu dürfen (ABA, BO 3601, 1611 März 29).
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Fallstudien
vermutlich wiederholt verstoßen hatte: das der priesterlichen Keuschheit. Zuletzt führte der Vorwurf des Rates, er habe eine 16jährige Günzburgerin vergewaltigt und dabei geschwängert, zur Suspendierung von seiner Pfarrstelle durch Bischof Heinrich, die der Priester durch seine Beziehungen kurze Zeit hinauszuzögern vermochte. - Bürgermeister und Rat selbst hatten dabei das Fehlverhalten Pfarrer Brauns im Kern wahrgenommen als Glaubwürdigkeitsproblem des katholischen Bekenntnisses, das dem Priester - in deutlicher Abgrenzung zu protestantischen Auffassungen, die den Zölibat verwarfen - völlige sexuelle Enthaltsamkeit auferlegte. Denn bereits 1622 hatten sie dem Geistlichen vorgeworfen, wenn sie nit von Iugent auf so guot Catolisch, wollten sie seinethalben vnnd anderer Priester zue Günzburg ihres Priesterlichen wandelß wegen wol gar lutrisch werden. Das Reformengagement des Rates gegenüber Leonhard Braun besaß damit zweifellos auch seinen spezifisch konfessionellen Aspekt.465 Auch im Falle Brauns wurde dem Rat unterstellt, im Grunde von einem ganz anderen, politischen Motiv geleitet zu sein, nämlich dem Bemühen, sich eines Priesters zu entledigen, der mit Entschiedenheit gegen die Entfremdung von Kirchengut durch die städtische Obrigkeit aufgetreten sei. Und auch im Falle Brauns erhielt der Geistliche die Unterstützung der burgauischen Beamten gegen die Stadt - 466 auch hier jedoch ohne Erfolg, denn die kirchliche Obrigkeit, nicht zuletzt der Bischof selbst, kooperierte mit der städtischen Obrigkeit.467 - Auch eine 465
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Die Äußerung wurde Generalvikar Peter Wall von Benefiziat Christian Zanenbenz übermittelt, der sie im Katalog seiner Vorwürfe gegen Pfarrer Braun zitiert (ABA, BO 6791, 1622 Juni 22). - Während sich jedoch im Fall Leonhard Brauns die Erwähnung des protestantischen Gegners inhaltlich erklären ließ, scheint eine entsprechende, gegen Pfarrer Kaspar Helm d.J. gerichtete Äußerung - wan der pfarer noch ein zeitt lang zu Güntzburg ist, würdt man bald Lutherisch - völlig zur stereotypen Rhetorik erstarrt zu sein: Ohne daß ein Vorwurf gegen den Geistlichen erhoben worden wäre, der die Glaubwürdigkeit des katholischen Bekenntnisses betroffen hätte, sollte die Bemerkung lediglich der allgemeinen Unzufriedenheit mit dem Pfarrer griffigen Ausdruck verleihen (ABA, BO 4142, 1638 Juni 8). Dagegen wurde die Position der Stadt von dem Benefiziaten Christian Zanenbenz geteilt (ABA, BO 3601, 1625 Dezember 19), dessen Verhältnis zu Pfarrer Braun seit langer Zeit zerrüttet war (Kap. Β. II. 3.1.2). Abgesandte des Rates übergaben Bischof Heinrich persönlich ein Schreiben, in dem um abschaffung Pfarrer Brauns ersucht wird, der zuletzt durch die nottzwängung ainer allein 16 lährigen Vatter- vnd Mutterloßen Iunckhfrawen vnd waisen fur eine so ansehnliche Gemeinde mit ihren Filialen - denen in allem vf die fünffzehenhundert communicanten - untragbar geworden sei. Die Vergehen des Geistlichen würde man in ainem schlechten dorff solang nit gestattet vndzuegesehen haben (ABA, BO 3601, 1625 November 15; nochmalige dringende Bitte um Abberufung ebd., 1626 April 21). Der beklagte Pfarrer wurde daraufhin zu einem sofortigen Verhör nach Dillingen geladen (ebd., 1625 November 22), dessen Protokoll sich erhalten hat. Die erhobenen Vorwürfe - Leonhard Braun habe sich vor sechs Jahren mit einer verheirateten Frau vergangen, er sei auch cum alijs coniugatis pluribus suspectus, besonders mit einer gewissen Schneiderin, die stetts im pfarhoff, auch durch herren pfarers schankhung sich bereicht und eine Tochter von dem Pfarrer habe, in trunkenem Zustand stelle er den Mägden oder jungen Mädchen öfter nach, eine von ihnen habe er dabei zwingen wollen, ihm zu Willen zu sein, und habe sich ihr denudato corpore genähert - stritt
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Politik
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bemerkenswerte konfessionelle Inkorrektheit der Stadt konnte daran nichts ändern.468
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der Geistliche sämtlich ebenso ab wie den eigentlichen Anlaß des Verhörs, die Vergewaltigung seiner 16jährigen Magd, mit deren Verlauf in Einzelheiten Pfarrer Braun im Verhör konfrontiert wurde. Dagegen führte er die Aussagen des Mädchens vor dem Rat auf zwei ihm besonders feindlich gesinnte Personen zurück, Bürgermeister Wilhelm Lutzenberger und Ratsmitglied Georg Günzer, die das Mädchen zu einer entsprechenden Aussage überredet hätten (ebd., 1625 November 24). In einem wohl kurz darauf verfaßten Schreiben an Bischof Heinrich wiederholt Leonhard Braun diesen Vorwurf nochmals und relativiert den Wert der von ihm selbst gemachten Aussagen, die er in eil vnnd ohne vorhergangne nottürfftige deliberation zu Protokoll gegebenen habe (ebd., 1625 nach November 24). Später erhob er seinerseits Klage gegen den Rat, der nach der Maxime sie volo, sie iubeo mit Kirchengut nach eigenem Gefallen umgehe (ebd., 1625 Dezember 19; erneut 1626 Juli 8). Fiirnembster ahntreiber der Kampagne gegen ihn, so der Pfarrer nun, sei Kaplan Christian Zanenbenz, gegen den er eine Reihe von Klagen vorbrachte (ebd., 1625 Dezember 19; Kap. B. II. 3.1.2). Den erneuten Vorwurf Leonhard Brauns, die Magd sei zur Aussage gegen ihn gedrungen worden (ebd., 1626 Januar 26 (1)), wiesen Bürgermeister und Rat umgehend zurück (ebd., 1626 Januar 26 (2)). - Unterstützung erhielt Pfarrer Braun durch die burgauischen Oberbeamten, die dem Geistlichen attestierten, seinem Priesterlichen Ambt jederzeit ruhemblich vnd woll vorgestandten zu haben. Die Anklage gegen ihn sei zweifeis ohne vß anderen vrsachen erhoben worden, der Pfarrer habe nämlich den delatoribus etliche eingrif in Gaistlichen Sachen widersprochen. Damit seine Widersacher nit ein freyd vnnd frotokhen daran haben, solle der Bischof ihn in seinem Amt belassen (ebd., 1626 März 23 (1)). Eine undatierte Conclusio adpetitionem de non mutando suam conditionem Pfarrer Brauns fuhrt noch einmal alle Entlastungsgründe auf, untergräbt die Zuverlässigkeit der Zeugen und versucht, den Klägern unehrenhafte Motive nachzuweisen (ebd.). - Dennoch ordnete Bischof Heinrich den Abzug des Priesters von seiner Pfarrei für 1626 Juli 25 (Jacobi) an und drohte ihm im Weigerungsfalle mit einem kanonischen Prozeß (ebd., 1626 März 23 (2)). Trotz der Fürsprache, die Pfarrer Braun durch die burgauischen Beamten, seinen Schwager, burgauischer Landammann (ebd., 1626 April 5; 1626 Mai 28), seinen Bruder, fürstlich Augsburgischen Kammerrat (ebd., 1626 Juni 6), und dann auch durch Generalvikar Peter Wall (ebd., 1626 Juni 13) erhielt, wurde seiner Bitte um eine Verschiebung des Abzugstermins bis Lichtmeß (2. Februar) 1627 so nicht stattgegeben (ebd.; 1626 April 5; 1626 Mai 28), der Termin jedoch nach anfänglicher Weigerung des Bischofs (ebd., 1626 Mai 28) immerhin auf Allerheiligen (1. November) 1626 verschoben (ebd., 1626 Juli 6; 1626 September 16). Noch 1626 Oktober 11 wurde auch Leonhard Braun bei der Visitation des Landkapitels Ichenhausen besucht und zu seinem Lebenswandel bemerkt: Homo quoad naturalia insignis; bonus olim concionator, sed olim, et nunc semper est pudicitia suspectus et in fine ad infamiam prope ab aliqua puella delatus (ABA, BO 3672, 1626 Oktober 9-11). 1 62 5 November 4 [stilo antiquo] gab auf Ansuchen des Günzburger Rates im Beisein zweier Zeugen (Georg Ludtwig Schalers, Stattmalers, vnd Ulrich Heydeckhers, schreiners, beede burger alhie, nämlich zu Ulm) Margareta Fleck von Unterknöringen dem Notar Johann Deckinger von Ulm auf Befragen zu Protokoll, daß die vormalige Köchin Leonhard Brauns (ebenfalls des Namens Margareta) wie auch sie selbst bis zu ihrem Weggang zu Martini 1624 des öfteren die Nachstellungen und Zudringlichkeiten des Pfarrers von Günzburg - er habe Sie mit gewalt zu sich gerissen - erfahren, ihn aber abgewiesen hätten. - Generalvikar Peter Wall hatte auf der Rückseite dieser Schedula Attestationis, die ihm, auf welchem Wege auch immer, zugegangen sein mußte, entrüstet über die Beiziehung eines evangelischen Notars und zweier evangelischer Zeugen vermerkt: Pfui der Schanden! (ABA, BO 3601, 1626 vor Juni 26) und in einem anschließenden Schreiben an Bischof Heinrich ausgeführt.
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Fallstudien
Kleriker im Besitz der P f a r r p f r ü n d e , vor allem aber der Benefizien in der Stadt zu wissen, die den F o r d e r u n g e n n a c h theologischer Qualifikation u n d priesterlicher L e b e n s f ü h r u n g genügten, stellt das eine, inhaltlich definierte Kriterium städtischer Kirchenpolitik dar. Als zweites, auf die personelle Besetzung dieser Ä m t e r gerichtetes Anliegen zeichnet sich deutlich das B e m ü h e n v o n Bürgermeister u n d Rat ab, nach Möglichkeit S ö h n e von Bürgern der Stadt j e d e n f a l l s auf die B e n e f i zien zu präsentieren, deren Patronatsrecht bei der städtischen Obrigkeit lag. 469 D a ß diese Priester nicht z w a n g s l ä u f i g auch gleichzeitig die fachlich u n d sittlich beste E i g n u n g besitzen m u ß t e n , liegt auf der Hand. Kirchliche R e f o r m a b s i c h t e n auf der einen und patriarchalische Fürsorge der Stadtväter f ü r die Söhne der Stadt oder a u c h der W u n s c h n a c h besserer Kontrolle des städtischen Klerus 4 7 0 auf der a n d e r e n Seite w a r e n Motive, die bisweilen zueinander nicht nur theoretisch in W i d e r s p r u c h standen. Für die Politik des Rates konnte dabei im einzelnen eher dieser 471 oder eher jener 4 7 2 B e w e g g r u n d leitend sein. - Als ein Versuch, beide
dadurch sei der Catholischen religion ahn der gleichen Luterischen ort [...] grosser spott zuegefiegt worden. Der Bischof solle dergleichen vncatholisches procedere mehrgedachten denen von Ginzburg mit ernst verweisen und sie darauf hinweisen, künftig ihre Klagen bei Euer Fürstlich Gnaden oder der Vicariat ambt gebirlich anbringen vnd dise vnverantwortlich, ärgerlich, vncatholische processen sub poena censurarum vermeiden (ebd., 1626 Juni 26). - Eine Reaktion Bischof Heinrichs ist allerdings nicht überliefert, auch ließ er sich in seinem disziplinarischen Vorgehen gegen Pfarrer Braun durch das konfessionell inkorrekte juristische Vorgehen der Stadt nicht beirren, nahm vielmehr das Anliegen der Stadt ernst und beurteilte seinerseits die Vergehen des Priesters mit Strenge. 469 Söhne der Stadt sind etwa der 1592 auf die Pfarrei Oeffingen präsentierte Ulrich Berchtold, der 1596 auf das Dreikönigsbenefizium in der Frauenkirche präsentierte Martin Wagner, der 1618 auf die ,Unierte Pfründe' in derselben Kirche präsentierte Christian Zanenbenz, Georg Frey, der 1626 neben seiner Tätigkeit als Kaplan in Reisensburg auch Frühmesser an der Frauenkirche war, (ABA, BO 3672, 1626 Oktober 9-11; vgl. M. Wiedemann, GeneralSchematismus, S. 288) sowie der 1642 ebenfalls auf die Pfarrei Oeffingen präsentierte Adam Mayer (StaAGü, RPr 1.6, 1642 April 30, 248). - Vgl. die zahlreichen Schreiben zu Präsentationen (StaAGü, Urk. 5.330). 470 In seiner Verteidigungsschrift gegen ein anonymes Pasquill aus städtischem Umkreis unterstellt Hofkaplan Kaspar Helm d.Ä. als Motiv, Bürgermeister und Rat hätten am liebsten deswegen Bürgerskinder als Geistliche auf den Pfründen der Stadt, weilen Sie solche beser vnder Ihren gehorsam bringen mögen. Helm belegt allerdings seine Vermutung nicht durch konkrete Hinweise (ABA, BO 4142, 1638 Juni 8). 471 So trugen sich Bürgermeister und Rat 1624 mit dem Gedanken, Christoph Meges, weil er ein Burgers khind allhie, vil Schwäger vnnd Vetter im Rath hatt, auf die Prädikatur an der Frauenkirche zu präsentieren, obwohl der Geistliche von seiner vormaligen Pfründe wegen ettlicher Excess vnnd vnpriesterlichen Verhaltens neulich zu Augsburgpriuirt vnnd vff verflossen weyhenachten zum abczug condemnirt worden und seine delicto der ganczen Statt bekhant vnnd ain ärgernus waren (ABA, BO 3970, 1624 Januar 15). 472 Seine Günzburger Herkunft bewahrte etwa Christian Zanenbenz als Inhaber eines städtischen Benefiziums nicht vor der Kritik des Rates: Wiederholt zitierte er den Kaplan vor sich (ABA, BO 3601, 1599 Dezember 8) oder klagte vor dem Ordinariat, der Geistliche verweigere trotz einer Verpflichtung dazu das Lesen einer sonn- und feiertäglichen Messe auf dem
Akteure kirchlicher und konfessioneller
Politik
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Motive in Einklang zu bringen, ist dabei das vereinzelt festzustellende Bemühen der Stadt zu werten, auch und gerade während der finanziell außerordentlich prekären Situation der letzten Kriegsjahre Bürgerssöhne, die einem Theologiestudium nachgingen, durch Zuschüsse, Stipendien oder Tischtitel zu fördern. 473
3.5
Konfessionspolitische Interaktion statt landesherrlicher Konfessionalisierung - ein Resümee
In den vorangegangenen Kapiteln wurde der Versuch unternommen, politische Aspekte kirchlichen und konfessionellen Lebens in Günzburg innerhalb eines knappen Jahrhunderts zu erfassen, ohne daß dabei ein Panorama von Religion und Religiosität in der Stadt entstehen sollte. Die Beobachtungen beruhten auf Quellenmaterial unterschiedlicher - landesherrlicher, städtischer, bischöflicher - Provenienz, bei deren Auswertung sich rasch zeigte, daß nicht alle der überlieferten Phänomene von konfessioneller Relevanz a conto des habsburgischen Landesherrn verbucht bzw. mit ihm in Verbindung gebracht werden können, ja überhaupt nicht aus einer, dominanten Perspektive beschreibbar sind: Konfessionelles Erscheinungsbild und konfessionelle Entwicklung der Stadt verlangen nach anderen als monokausalen Interpretationsmodellen. Den vielfältig festzustellenden Interdependenzen würde dagegen ein verbindungsloses Nebeneinander bzw. enumeratives Nacheinander unterschiedlicher Akteure und ihrer konfessionell bestimmten Politik ebensowenig gerecht. Als Alternative erweist sich statt dessen die Annahme eines Interaktionsmodells, dessen Akteure nicht allein durch weitgehend kongruente religiöse Zielvorstellungen - konfessionelle Stabilisierung, Reform bzw. Hebung des kirchlichen und sittlichen Lebens - verbunden sind. 474 Mit unterschiedlichen Methoden setzt ihre inhaltlich j e akzentuierte Politik unterschiedliche Schwerpunkte hinsichtlich ihrer Adressaten (Objekte) und bildet dabei bisweilen Konjunkturen bzw. chronologische Besonderheiten aus: Man könnte von einer ausdifferenzierten Aufgabenteilung sprechen, die sich aus den jeweils überkommenen Handlungsfeldern der Kreuzaltar, seitdem er ohne Wissen des Rates die Kaplanei Reisensburg angenommen habe. Von dessen vnfleiß vnd fahrläßigkheiten sah sich die Gemeinde zum höchsten beschwerdt. Außerdem leiste er keine Assistenz in der Pfarrkirche (ABA, BO 6791, 1599 Dezember 9 (Zitate); ABA, BO 4132, 1600 Februar 7; ABA, GVPr. 1, 1600 Januar 16, 336). Gleichzeitig stieß das unpriesterliche Verhalten des Christian Zanenbenz beispielsweise am Aschermittwoch des Jahres 1598 auf allgemeine Mißbilligung der Gläubigen in Günzburg: nit ohne klaine ergernuß deß gemainen volckhs alhie hatte der Geistliche sich mit dem lutherischen Junker Güssen von Brenz im Wirtshaus gemein gemacht und sich als Spillman betätigt (ΑΒΑ, ΒΟ 6791, 1598 Februar 11). 473 Christoph Walter wird 1648 auf seinem vorhabendten Gaystlichen Stanndt, den selben fortzuesezen, 6 fl. zum anlehen bewilliget (StaAGü, RPr 1.6, 1648 August 31, 761). 474 In diese Richtung gehen auch die Forderungen von H.R. Schmidt, Emden, „confessionnalisation comme interaction" zu betrachten und nicht als ein obrigkeitlicher Oktroy, dem „fideles" oder„peuple" lediglich rezeptiv gegenüberstanden (S. 34).
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Fallstudien
Akteure ergab. In allen Fällen sind Formen der Kooperation zwischen den verschiedenen Trägern zu beobachten, deren Synergie zu einer Wirkungsmultiplikation beizutragen vermochte. Abschließend soll daher der Versuch unternommen werden, konfessionelle Politik in Günzburg in der nach Adressaten, Inhalten, Methoden und Konjunkturen interagierenden Verflechtung ihrer Akteure zusammenzufassen. (1) Die kirchliche Gewalt des Bischofs und der von ihm Beauftragten in Ordinariat und Landkapitel zielte zweifellos primär auf den Säkularklerus der Stadt. Über die Befolgung zentraler Vorstellungen der Klerusreform - distinkter, priesterlicher Lebenswandel, sexuelle Enthaltsamkeit - erhielt der Bischof reguläre Kenntnis aus Visitationen. Für das gesamte Landkapitel Ichenhausen entwickelten sie sich, abgesehen von kriegsbedingten Retardationen, unter Bischof Heinrich von Knöringen (1598-1646) zu einem kontinuierlich gehandhabten Instrument. Darüber hinaus konnte der Bischof aber im Falle von Auseinandersetzungen innerhalb des Günzburger Klerus auch durch die denunziatorische Praxis der Geistlichen zusätzliche Informationen gewinnen. Eine konfliktreiche Personenkonstellation begünstigte dabei die Ausbildung von ,Informationskonjunkturen'. Als Mittel der Korrektur dienten kirchliche Zensuren; selbst die Verdrängung von der Pfarrpfründe als Ultima ratio wurde geübt. Abgesehen von der Interaktion mit denunzierenden Priestern vor Ort, deren persönliches Interesse mit dem Reformanliegen des Bischofs konvergieren konnte, ist seine Bereitschaft zur Kooperation mit der städtischen Obrigkeit von Bürgermeister und Rat bemerkenswert, deren Klagen über den Günzburger Klerus von ihm grundsätzlich gehört, ernstgenommen und - im Fall des Pfarrers Leonhard Braun auch gegen eine reserviertere Haltung des Generalvikars - in ihrem Sinne einer Lösung zugeführt wurden. Die in bischöflichen Mandaten an alle Gläubigen gerichteten Forderungen der Kirchen- und Sittenzucht - Sakramentenempfang, Besuch von Katechismusunterricht, Verzicht auf das Fluchen - wurden den Gottesdienstbesuchern durch den Ortsklerus von der Kanzel herab verkündet, ohne daß die Erfüllung dieser normativen Bestimmungen einer systematischen Überprüfung unterlegen hätte: Das religiöse und sittliche Leben der Gläubigen in der Stadt war kein Gegenstand von Visitationen. (2) Die Interaktion des Günzburger Säkularklerus mit dem Bischof ließ sich auch als wirkungsvolle und intensiv betriebene Form seiner Selbstdisziplinierung interpretieren: Der Versuch, durch die Denunziation inkriminierter Verhaltensweisen eines Mitbruders vor dem Ordinariat persönliche Konflikte erfolgreich auszutragen, kam einer Instrumentalisierung von Reformvorstellungen gleich, die tendenziell zu ihrer tieferen Internalisierung im Klerus, mithin zu seiner Disziplinierung, und zwar über die durch konfliktreiche Personenkonstellationen begünstigten Konjunkturen hinaus, beitragen mußte. Bisweilen trafen sich dabei die Absichten eines denunzierenden Geistlichen mit den Interessen der städtischen Ob-
Akteure kirchlicher und konfessioneller Politik
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rigkeit, wenn diese zu demselben Zweck der Maßregelung oder gar Entfernung eines Klerikers versuchte, auf den Bischof als Entscheidungsinstanz einzuwirken. Für ein regelrecht koordiniertes Vorgehen von Klerikern und Rat der Stadt gibt es, etwa in Form gegenseitiger Bezugnahme in ihrer jeweiligen Korrespondenz, allerdings keine Hinweise. Ohne daß sich dies in einer entsprechend breiten archivalischen Überlieferung manifestierte und damit auch ohne daß sich dafür zeitliche Konjunkturen feststellen ließen, waren fur die Priester vor Ort die Gläubigen gewissermaßen das n a türliche' Objekt pastoraler Z u w e n d u n g auf den hergebrachten Wegen von Liturgie, katechetischer und homiletischer Unterweisung und nicht zuletzt durch ihr Vorbild - so oder so. Als Rector spiritualis vor allem in den nachreformatorischen Bruderschaften der Stadt zu wirken, wie sich dies für den Pfarrer von St. Martin und die Liebfrauenbruderschaft nachweisen läßt, erschloß einem Geistlichen darüber hinaus grundsätzlich ein weiteres Wirkungsfeld auch außerhalb des Kirchengebäudes. Die Übermittlung oder inhaltliche Vermittlung von Hirtenbriefen macht die Transmissions- bzw. Multiplikationsfunktion der Geistlichen vor Ort fur die inhaltlichen Vorgaben des Bischofs und seine ,tridentinischen' Reformvorstellungen deutlich sichtbar. Interaktion erscheint hier als funktionale Differenzierung entsprechend der hierarchischen Verfaßtheit der katholischen Kirche: Dem Klerus vor Ort kam es zu, die - hier - durch den Ordinarius formulierten dogmatischen und moraltheologischen Inhalte den Gläubigen näherzubringen. (3) Die nämliche A u f g a b e erkannten - seit 1615/16 - auch die Kapuziner in Günzburg als ihr primäres Tätigkeitsfeld. Über die Hebung der Sitten und die Förderung kirchlicher Disziplin - vor allem mit Hilfe der Beichtseelsorge - hinaus trug der Orden allgemein zur Intensivierung religiösen Lebens und zu einer affektiven und emotionalen Bindung der Menschen an den katholischen Glauben bei, nicht zuletzt durch innovative Formen der Liturgie. Gerade hierin, in der Einführung und Pflege der Ulrichswallfahrt nach Günzburg und der Karfreitagsprozession in der Stadt, ist die enge Zusammenarbeit von Kapuzinern und Markgraf Karl offenkundig, so sehr, daß nicht mehr klar entschieden werden kann, wer dabei als Ideengeber fungiert hatte. Daß das enge Verhältnis des Regenten zur Ordensgemeinschaft, die auch die Beichtväter des Markgrafenpaares stellte, zu einem noch stärkeren Einfluß konfessionell geprägter Vorstellungen auf die Politik Karls von Burgau beitrug, liegt auf der Hand. - Insgesamt besaß die Interaktion zwischen Kapuzinern und Markgraf Karl die Qualität einer Kooperation. Eher am Rande wird aus den Quellen auch die Vorbildhaftigkeit der Patres für den Günzburger Säkularklerus deutlich: Wenn sich die eine oder andere Partei in ihren Konflikten immer wieder auf das Zeugnis der Kapuziner beruft, erscheint der Orden geradezu als Synonym für Integrität. Die rhetorische Absicht, dadurch der eigenen Position in den Augen etwa des Bischofs Glaubwürdigkeit zu verlei-
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Fallstudien
hen, schließt nicht aus, daß die Patres aufgrund der Stimmigkeit religiöser Vorstellungen und Forderungen einerseits und ihrer Lebensführung andererseits auch unter den Weltgeistlichen eine Wertschätzung erfuhren, die ihre didaktische und damit disziplinierende Funktion gegenüber dem Säkularklerus indiziert. (4) Als städtische Obrigkeit nahmen Bürgermeister und Rat von Günzburg durch ihre niedergerichtlichen bzw. polizeylichen Rechte insgesamt in recht selbständiger und - vorbehaltlich der formulierten statistischen Einwände - kontinuierlicher Weise Einfluß auf Sitten- und Kirchenzucht der Bürger und Inwohner der Stadt. Nicht zuletzt aufgrund der verfassungsrechtlichen Struktur in Günzburg kam dieses Engagement einer Selbstdisziplinierung der Bevölkerung gleich. Die Zusammenarbeit mit der landesherrlichen Regierung - etwa bei der Umsetzung der Mandatierungspolitik - bedeutete fur beide Seiten eine Stärkung ihrer politischen Autorität und ihrer Kompetenzen, der wiederum die Bereitschaft der Bevölkerung zur Kooperation und zur Internalisierung konfessioneller Maßstäbe entgegenkam. Die kirchliche Politik von Rat und Gemeinde richtete sich zu einem gewichtigen Teil auch auf die Reform und Disziplinierung des Klerus. Grundzug städtischer Politik war es, auf hinreichende Besetzung von Pfarrpfründe und Benefizien, auf die Residenz der Geistlichen und ihre zuverlässige Pflichterfüllung zu achten. Darüber hinaus aber bezogen sich Bürgermeister und Rat auch auf die vom Tridentinum formulierten Vorstellungen eines priesterlichen Lebenswandels. Festzustellen ist für ihre Argumentation eine Instrumentalisierung konfessioneller Topoi, besonders gegenüber dem Bischof. Seine grundsätzliche Bereitschaft, kooperativ auf die Anliegen der Stadt einzugehen, führte zu einem in seiner Wirkung nicht zu unterschätzenden Legitimationsdruck auf die Geistlichen vor Ort, worüber allein schon ein quantitativer Blick auf deren entsprechende Korrespondenzen mit dem Ordinariat belehrt. (5) Die Aufmerksamkeit der landesherrlichen Konfessionspolitik richtete sich auf die Untertanen bzw. die städtische Obrigkeit in ihrer Funktion, Mandaten und Verordnungen aus Innsbruck vor Ort Geltung zu verschaffen. Die Abschottung von protestantischen Einflüssen stellte den inhaltlichen Schwerpunkt einer Politik dar, die im wesentlichen mit dem Mittel der Mandatierung arbeitete und sich dabei auf die Kooperation mit Bürgermeister und Rat der Stadt, ja auf die grundsätzliche Bereitschaft in der Bevölkerung insgesamt zur Selbstkonfessionalisierung stützen mußte. Das seit 1609 verstetigte und in seinen disziplinierenden und konfessionalisierenden Wirkungen für Günzburg als erfolgreich einzuschätzende Mandat zum Aufenthalt katholischer Untertanen an nicht katholischen Orten illustriert diesen Interaktionszusammenhang deutlich. Die Institutionalisierung des Mandates stellt dabei allerdings für eine im übrigen intermittierend agierende Politik eine Ausnahme dar.
Akteure kirchlicher und konfessioneller
Politik
431
(6) Der kategorial zusammenfassende Blick auf die Regentschaft Markgraf Karls bestätigt noch einmal den Ausnahmecharakter seiner konfessionellen Politik, die sowohl auf die Untertanen insgesamt, ohne den Akzent dabei auf die städtische Obrigkeit zu legen, als auch auf den Hof- und den Ordensklerus zielte und inhaltlich das umfassende Ziel einer konfessionellen Festigung der Untertanen bzw. sittlichen Hebung der priesterlichen Lebensführung verfolgte. Eine Fülle von Impulsen und Maßnahmen, die auf unterschiedlichen Feldern politische mit religiösen Zielen verband und in dieser gleichgerichteten Intentionalität treffend als Methodenbündel bezeichnet werden kann, läßt die wenigen Jahre der Residenz Markgraf Karls in Günzburg (1610-1618) als Phase der Konfessionalisierung für die Stadt erscheinen. Von bleibender Bedeutung über diese Zeit hinaus war vor allem die Gründung des Kapuzinerklosters in der Stadt. Mit den Geistlichen des Ordens pflegte Karl von Burgau ein kooperatives Verhältnis. An sich Teil seiner Konfessionalisierungspolitik, besaßen die Kapuziner, die auch die Beichtväter des Markgrafenpaares stellten, ihrerseits Einfluß auf den Regenten: Die jedenfalls mit dem Tod Karls wieder in Abgang gekommene Ulrichswallfahrt nach Günzburg - eine liturgische Initiative, die pastorale und politische Intentionen verband - ist Beispiel für ein geradezu symbiotisches Verhältnis zwischen Markgraf und Orden. Nicht nur für den Plan der Ansiedlung von Kapuzinern in Günzburg war die Zusammenarbeit zwischen Markgraf Karl und dem Augsburger Ordinarius Heinrich von Knöringen von Bedeutung. Die beiderseitige Bereitschaft zur Kooperation und die Gemeinsamkeit des Konfessionalisierungshandelns illustrieren das Bemühen um die sittliche Disziplinierung der Hofkapläne, wo es Markgraf und Bischof auf dem konfliktreichen Terrain der geistlichen Jurisdiktionsbefugnisse schließlich gelang, im einzelnen definierte Kompetenzbereiche auszuhandeln, in die auch der Pfarrherr vor Ort eingebunden war. Versucht man noch einmal im Blick auf die Adressaten oder Objekte konfessioneller Politik in Günzburg den interaktiven Charakter dieser Politik hervorzuheben, so wird folgendes deutlich: Auf die Bevölkerung insgesamt zielte vor allem, von geistlicher Seite aus, das kontinuierliche Engagement des Säkular- und Ordensklerus der Stadt. Kapuziner und Bruderschaften beschränkten sich dabei nicht - negativ - auf disziplinarische Fragen der Zucht, sondern drangen - positiv - mit attraktiven Methoden zur Vermittlung von Identität mit dem katholischen Bekenntnis vor. Von weltlicher Seite aus richtete sich kontinuierlich das polizeyliche Wirken der städtischen Obrigkeit von Bürgermeister und Rat, die darin auch eine Transmissionsfunktion für die entsprechenden Absichten landesherrlicher (Mandatierungs-) Politik wahrnahm, auf die Untertanen, die Bürger und Inwohner der Stadt, die den Forderungen der Sitten- und Kirchenzucht mit einer grundsätzlichen Bereitschaft zur Selbstkonfessionalisierung entgegenkamen.
432
Fallstudien
Neben dem Ordinarius, dessen Reformbemühen praktisch ausschließlich beim Säkularklerus ansetzte und mit der Visitation ein auf Kontinuität angelegtes Instrument der Kontrolle besaß, war ebenfalls Bürgermeister und Rat an der Disziplinierung des Klerus gelegen. Dank dieser integrativen Politik, die Weltliche wie Geistliche gleichermaßen als Objekt konfessioneller Politik begriff, hebt sich die städtische Obrigkeit von den übrigen konfessionspolitischen Akteuren in der Stadt ab - mit einer Ausnahme: Die neun Jahre der Residenz Markgraf Karls in Günzburg waren gleichfalls von einer integrativen Auffassung von Konfessionalisierung geprägt: Untertanen wie Säkularklerus, wenngleich - soweit erkennbar - nur der Klerus am Hof, waren Objekte der Politik des Markgrafen, die sich qualitativ durch eine gebündelte Vielfalt an Impulsen auszeichnete und die - weit über die Vorstellungen der Sittenzucht und Kirchenzucht hinaus - auf eine positive Verankerung und Verfestigung des katholischen Glaubens in der Bevölkerung zielten. Der Vergleich der Akteure nach der Kategorie des primären Adressaten ihrer jeweiligen Konfessionspolitik bestätigt damit die Dichotomie ,weltlich - geistlich' nur unter mehrfachem Vorbehalt: Zwar konzentrierte sich die bischöfliche Politik auf die Klerusreform, jedoch durchaus aus der Einsicht in deren Transmissions- bzw. Multiplikationsfunktion heraus. Andererseits nahm auch die städtische Obrigkeit Anteil an den Bemühungen um eine Disziplinierung und Reform des Klerus. Grundsätzlich waren dabei die konfessionspolitischen Akteure in der Stadt verflochten durch ihre kongruenten inhaltlichen Zielvorstellungen, die ihr interagierendes, teils kooperatives Handeln allererst ermöglichten und Tiefenund Langzeitwirkung katholischer Konfessionalisierung in Günzburg verbürgten.
C. Systematische Analyse: Phasen, Formen, Bedingungen und Ziele habsburgischer Konfessionspolitik in der Markgrafschaft Burgau
1. Phasen: Periodisierung habsburgischer Konfessionspolitik in der Markgrafschaft Burgau Als Anhaltspunkt für eine Periodisierung der habsburgischen Konfessionspolitik in der Markgrafschaft in traditioneller Weise 1 die Herrschergeschichte heranzuziehen empfiehlt sich aus dem quantitativen und qualitativen Befund der Überlieferungslage. Dieser Befund ist gleichwohl nicht nur biographisch zu deuten, sondern offen zu halten für strukturelle Beobachtungen und Interpretationen. 2 Im Untersuchungszeitraum, den rund 90 Jahren zwischen ARF (1555) bzw. Wiederauslösung der hochstiftischen Pfandschaft durch Österreich (1559) und Abschluß des Friedens von Münster und Osnabrück (1648), herrschten insgesamt sieben habsburgische Regenten über die Markgrafschaft Burgau: 1521/22-1564 Erzherzog Ferdinand I. (seit 1531 König, seit 1558 Kaiser), 1564-1595 Erzherzog Ferdinand II., 1595-1602 Kaiser Rudolf II., 1602-1618 Erzherzog Maximilian (der Deutschmeister) bzw. 1609-1618 Karl von Burgau, 1619-1632 Erzherzog Leopold V. und 1632-1662 Erzherzog Ferdinand Karl, bis 1646 unter der Vormundschaft Claudias von Medici, der Mutter des Erzherzogs. 3 Mit Blick auf die Überlieferungslage zeichnen sich quantitativ die Regentschaften Erzherzog Ferdinands II. auf der einen und Erzherzog Maximilians sowie Markgraf Karls auf der anderen Seite aus. Aufgrund der jeweiligen Bedeutung ihrer unterschiedlich akzentuierten Politik trugen diese Herrscher zur Konstituierung charakteristischer Phasen der habsburgischen Konfessionspolitik bei.
2 3
So etwa bei Stievermann, Vorlande. Vgl. Kap. C. 3.1. Stievermann, Vorlande, S. 257f.; teils abweichend und inkorrekt die Abfolge der Regenten bei Raiser, Guntia, S. 115.
434
1.1
Systematische
Analyse
Bindung an legalistische Konzepte unter Erzherzog Ferdinand II.4
Als Ferdinand II. 1564 die Herrschaft über die Markgrafschaft Burgau antrat und 1567 nach Innsbruck übersiedelte, befanden sich evangelische Geistliche in den Pfarreien Holzheim (seit 1531), Burtenbach (seit 1543) und Lützelburg (seit 1546). Als der Erzherzog 1595 starb, waren diese Gemeinden nach wie vor evangelisch. Gleichwohl war es während seiner Regierungszeit zu Bemühungen um eine Rekatholisierung der genannten Orte gekommen. Dabei bestätigt sich die zeitliche Differenzierung, die in der Forschung generell für Ferdinands Herrschaft in den Vorlanden erkannt wird: Während der Erzherzog hier anfangs „behutsamer aufgetreten" sei, habe der Tod seines konfessionell indifferenten Bruders, Kaiser Maximilians II. (1564-1576), eine Akzeleration der konfessionspolitischen Gangart bzw. eine Intensivierung der Rekatholisierungsbestrebungen zur Folge gehabt.5 Auch die Initiativen Österreichs in Holzheim, Burtenbach und Lützelburg fallen alle in die Jahre nach 1576: die Ausschaffung des Lützelburger Prädikanten (1577), die Einholung eines Gutachtens zur herrschaftsrechtlichen und konfessionellen Lage in Burtenbach (1579) und der auch konfessionell motivierte Kauf des Dorfes Holzheim (1580). 6 - Die zeitlich früher gelagerten Ereignisse in Unterrohr stellen zu diesem Befund nur scheinbar eine Ausnahme dar.7 Trotz dieser Schritte in Richtung auf eine Rekatholisierung der drei evangelischen Orte blieben durchschlagende Erfolge dennoch aus: Im Münchener Vertrag mit der Reichsstadt Augsburg fand sich Ferdinand 1578 bereit, den Lützelburger Untertanen freie Religionsübung und damit eine Fortsetzung des evangelischen Gottesdienstes zuzugestehen; 8 die vermutete konfessionelle Interessenkonvergenz mit den Untertanen Schertlins in Burtenbach führte zwischen 1579 und 1581 nicht zu einer wie auch immer gearteten Unterstützung der Aufständischen 9 und
4 5 6
7
8 9
Hirn, Ferdinand II. Stievermann, Vorlande, S. 269. Freilich lagen in den nämlichen Jahren auch vor Ort entsprechende Anlässe vor: 1577 starb der evangelische Prädikant in Lützelburg, 1579 kam es zu einem Aufstand der Burtenbacher Untertanen und 1580 trug sich Kloster Elchingen mit der Absicht, das Dorf Holzheim zu verkaufen. Daß aber in den gegebenen Situationen konfessionell offensivere Handlungsoptionen wahrgenommen wurden bzw. die Voraussetzungen dazu geschaffen werden sollten, erklärt sich aus den mit dem Tod des Kaisers veränderten politischen Rahmenbedingungen. Noch zwei Jahre zuvor dagegen hatte es Erzherzog Ferdinand etwa gegenüber der Reichsstadt Augsburg bei Aufforderungen und Drohungen, sie solle den evangelischen Prädikanten abberufen, bewenden lassen. Die rasche Ausschaffung des evangelischen Prädikanten in Unterrohr war 1563, noch zur Regierungszeit Kaiser Ferdinands I., und auf Initiative der burgauischen Beamten erfolgt. Die bis 1569 nachweisbaren konfessionell motivierten Eingriffe der Markgrafschaft in das Dorf lagen in der Konsequenz der erfolgreichen Ausschaffung. Kap. Β. I. 1.4.2. Kap. Β. I. 4.6.
435
Phasen
auch in Holzheim erfüllten sich die an einen Erwerb des Ortes geknüpften konfessionellen Erwartungen nicht. 10 Eine gewichtige Ursache für das Scheitern oder jedenfalls den Stillstand der eingeleiteten Rekatholisierungsbemühungen ist nicht zuletzt im Politikverständnis Erzherzog Ferdinands II. bzw. seines Hofrates und seiner Regierung auszumachen. Kennzeichnend und grundlegend ist die hohe Autorität, die man dem ARF allenthalben beimaß." In Verbindung damit führten die Zweifel, die man in Innsbruck selbst hinsichtlich der landes- bzw. kirchenhoheitlichen Rechte Österreichs in der Markgrafschaft hegte, zu einer zurückhaltenden oder zögerlichen Politik: Im Falle der Auseinandersetzung um Lützelburg führte nicht zuletzt die kritische Sicht der bayerischen Vermittler, ein Prozeß am Reichskammergericht könne für Österreich bey diser vorwesenden vnrichtigkhait der landsfürstlichen vnd hohen Obrigkhait halb in der Marggraufschafft Burgaw seer mißlich sein, zur Annahme des Münchener Kompromisses durch Erzherzog Ferdinand. 12 Für die Einwände, die Ulm gegen die Huldigung seiner Untertanen in Holzheim nach dem Erwerb durch Österreich erhob, hatte man in Innsbruck gar Verständnis, hielt die Argumenta der Reichsstadt für nit gering oder schlecht und die Untertanen für Irer verwiderung befuegt.'3 Beurteilte die österreichische Seite schon in Lützelburg und Holzheim, wo die Markgrafschaft hochgerichtliche Rechte beanspruchte, die eigene Legitimationsbasis zur Wahrnehmung des Ius circa sacra als zu schmal, so konnte sie freilich erst recht keinen juristischen Ansatzpunkt für eine Rekatholisierung des reichsritterschaftlichen Burtenbach erkennen, da dort die Hochgerichtsbarkeit dem Ortsherrn zukam.
I.2
Wahrnehmung offensiver Optionen unter Erzherzog Maximilian
Nach dem Tod Erzherzog Ferdinands II. (1595) übernahm bis 1602 Kaiser Rudolf II. - er residierte seit 1583 in Prag - 1 4 die Regierung Tirols und der Vorlande. 15 Während dieser knapp acht Jahre scheint es nach Ausweis der Überlieferung nicht zu neuen Konflikten um die Konfession in der Markgrafschaft gekommen zu sein, in Holzheim, Lützelburg und Burtenbach trat ebensowenig eine neue Entwicklung ein. Um so auffälliger erscheint das gehäufte Aufflammen neuer und alter konfessioneller Konfliktherde nach dem Herrschaftsantritt Erzherzog Maximilians des
10 11
12 13 14 15
Kap. Β. I. 3.3. In d i e s e m Sinne auch die generelle Bewertung Ferdinands bei Hirn, Ferdinand II., Bd. 1, S. 206. T L A , HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1578 Oktober 6. S t A A , V Ö , Lit. 6 5 0 , 1585 Februar 7, fol. 47 r . Lanzinner, Zeitalter, S. 181. Hirn, Maximilian, Bd. 1, S. 16-20.
436
Systematische
Analyse
Deutschmeisters (1602-1618). 16 Die Wiederaufnahme der Auseinandersetzungen um Lützelburg besaß dabei die Funktion einer Initialzündung. Im Frühjahr 1603, also wenige Monate nach Übernahme der Regentschaft, war Maximilian auf den konfessionellen Status des Dorfes aufmerksam geworden und hatte, zunächst in Unkenntnis des Münchener Vertrages, den evangelischen Prädikanten ausschaffen lassen. Zu einer Restitution des Geistlichen war es danach nicht mehr gekommen, die Rekatholisierung des Dorfes nahm ihren Fortgang. 17 Nunmehr sensibilisiert für evangelische Tendenzen in der Markgrafschaft, kam es nachgerade zu ,Informationsoffensiven' der Administrationen Maximilians in Innsbruck und Günzburg: Bekannt wurden jetzt konfessionelle Labilitäten in Burgwaiden (1604), Pfersee (1607), Bocksberg (1607), Emersacker (1608) und Laugna (1609); die Lage in Holzheim (1604) und Burtenbach (1607 und 1608) wurde erneut diskutiert. Zielstrebig und erfolgreich wurden Versuche zur Zurückdrängung der aufgedeckten protestantischen Neigungen unternommen. Verglichen mit der konfessionspolitischen Praxis unter Ferdinand II. erscheint dabei das Vorgehen unter dem Deutschmeister in charakteristischer Weise offensiv geprägt. Konsequent verfochten wurde, wo es - in Bocksberg, Holzheim, Lützelburg und Pfersee - möglich war, der Anspruch, Kirchenhoheit qua Hochgerichtsbarkeit wahrzunehmen. Wo es - in Burgwaiden und Burtenbach - nicht möglich war, weil die hochgerichtlichen Rechte beim Ortsherrn lagen, erprobte man die Wirksamkeit informeller Einflußnahme, setzte den Inhaber Burgwaldens einem beständigen Legitimationsdruck aus und erwog die Möglichkeit, Einfluß auf den Burtenbacher Ortsherrn wegen seiner Konversion zu nehmen. Als aufschlußreich erwies sich der Blick auf Pfersee, weil hier ein Vergleich von Vorgängen zur Regierungszeit Ferdinands II. und Maximilians möglich ist: Während in den Jahren 1582 und 1583 noch die evangelischen Untertanen und ihr Ortsherr Martin Zobel offensiv auftraten und vor dem Reichstag, vor Kaiser und Erzherzog Protest einlegten gegen eine Einschränkung ihrer evangelischen Religionsübung, lagen Initiative und Offensive 1607 auf seiten Österreichs, das zusammen mit dem Augsburger Bischof eine weitere konfessionelle Stabilisierung im katholischen Sinne erreichen konnte.18 1609, als Erzherzog Maximilian die Herrschaft über die Markgrafschaft an Karl von Burgau abtrat, galt Lützelburg als rekatholisiert, waren in Burgwaiden, Pfersee und Bocksberg protestantische Ortsherren in ihre Schranken verwiesen bzw. evangelische Neigungen unter den Untertanen zurückgedrängt worden. Der Deutschmeister hatte damit einen wesentlichen Beitrag zur konfessionellen Homogenisierung der Markgrafschaft geleistet. Der Erfolg Erzherzog Maximilians und seine konfessionspolitische Bedeutung im Vergleich mit Ferdinand II. erklärt sich dabei nicht biographisch aus einer 16 17 18
Hirn, Maximilian. Kap. Β. I. 1.4.3. Kap. Β. I. 5.2.3.
437
Phasen
unterschiedlich tiefen konfessionellen Prägung, 1 9 sondern besitzt komplexere Ursachen: Z u m einen hatte der hohe Stellenwert des A R F , den noch Ferdinand dem Vertragswerk zugebilligt hatte, allgemein seit dem Ende des 16. Jahrhunderts ab- und die konfessionelle Polarisierung im Reich zugenommen, 2 0 zum anderen war mit der L ä h m u n g des R K G am Ausgang des Jahrhunderts die Institution ausgeschaltet, der eine Sanktionierung von Verstößen möglich gewesen wäre. 21 Im Falle Lützelburgs ist die Folge dieser Blockade mit Händen zu greifen, wenn 1607 Österreich die A n n a h m e zweier Pönalmandate des R K G anders als 1576 einfach verweigerte. 2 2 Ein um so größeres Gewicht kam unter solchen Umständen politischen Faktoren zu bzw. der Abwägung, ob und welche nachteiligen Konsequenzen für die österreichische Seite aus offensiven gegenreformatorischen M a ß n a h m e n zu befurchten seien. Dieser Z u s a m m e n h a n g erklärt das abweichende Erscheinungsbild der habsburgischen Konfessionspolitik in Lützelburg, Burgwaiden oder Pfersee auf der einen und Holzheim oder Burtenbach auf der anderen Seite: Konfessionelle Vergeltung f ü r die Rekatholisierung ihres Spitalbesitzes in Lützelburg oder den Besitz ihrer Bürger in Burgwaiden und Pfersee zu üben war ftir das bikonfessionelle Augsburg schlicht unmöglich, während das evangelische Ulm solches mit entsprechendem Vorgehen gegen katholische Orte innerhalb ihres Machtbereiches zu beantworten drohte und damit auch durchdrang. Nicht wie noch unter Ferdinand II. hemmten legalistische Bedenken, ob die Rechtsposition Burgaus gegenüber der Reichsstadt wohl stark genug sei, sondern die Furcht vor der konfessionellen Talion ein weiteres Vorgehen Österreichs in der Ulmer Patronatspfarrei Holzheim. 2 3 Schertlin wiederum konnte sich gerade angesichts der rechtlich starken Position seiner Herrschaft Burtenbach als Reichsritter der überkonfessionellen Solidarität seiner Standesgenossen und damit auch eines entsprechenden Rückhaltes am Kaiser sicher sein. 24
1.3
Differenzierte Konfessionalisierung unter Markgraf Karl
Der Regierungsantritt Karls von Burgau (1609) brachte eine schwerwiegende und folgenreiche Veränderung in der Herrschaftsstruktur der Vorlande bzw. der Markgrafschaft mit sich, denn von nun ab war - zusammen mit den Nebengebieten der Landgrafschaft Nellenburg, der Vogteien Ach und Tengen und der Grafschaft Hohenberg - ein habsburgischer Herrscher gesondert im Besitz der Mark19
20 21 22 23 24
Zur katholischen Prägung Ferdinands II. Hirn, Ferdinand II., Bd. 2, S. 507 ; zu der Maximilians ders., Maximilian, Bd. 1, S. 215-218. Lanzinner, Zeitalter, S. 185-195. M. Heckel, Reformationsprozesse, S. 15f.; Lanzinner, Zeitalter, S. 176f. Kap. Β. 1. 1.7.2. Kap. Β. I. 3.3. Kap. Β. I. 4.5.2.
438
Systematische
Analyse
grafschaft und residierte ab 1610 erstmals und fur ein knappes Jahrzehnt ein habsburgischer Markgraf von Burgau vor Ort in Günzburg. In konfessionspolitischer Hinsicht führte dieser Umstand zu, allerdings in ihrer Effizienz und Nachhaltigkeit zu differenzierenden, substanziellen Veränderungen, die der Politik Markgraf Karls insgesamt ein signifikantes Gepräge gaben. In der Auseinandersetzung mit den verbliebenen evangelischen Insassen der Markgrafschaft - mit Schertlin bezüglich Burtenbachs und Ulm bezüglich Holzheims - kam es unter Karl von Burgau zu einer deutlichen Intensivierung und qualitativen Veränderung der Rekatholisierungsbestrebungen, die allerdings ebensowenig wie unter seinem Vorgänger zum Erfolg führten. Bedingt war die konstatierte Intensivierung durch die Veränderung in der Herrschaftsstruktur der habsburgischen Vorlande, die eigenständigerem konfessionspolitischen Handeln neue Wege jenseits großräumiger Rücksichtnahmen eröffnete. 25 Besonders die Analyse der Vorgänge in Holzheim legte diese Erklärung nahe: Während sowohl zu Zeiten Erzherzog Maximilians als auch Leopolds die Drohungen der Reichsstadt Ulm verfingen, man werde sich gegebenenfalls an den katholischen Dörfern der Klöster Elchingen und Söflingen im Ulmer Landgebiet schadlos halten, mußte Markgraf Karl eine entsprechende Ankündigung ungerührt lassen. Denn anders als seinem Vorgänger wie auch seinem Nachfolger kam ihm keine Verantwortung als Schutzvogt Elchingens zu, und überhaupt begriff der Horizont seines politischen Handelns nicht den deutschen Südwesten in seiner Gesamtheit als habsburgische Sphäre in sich. Tatsächlich wurde eine entsprechende Drohung Karl gegenüber nicht vorgebracht, nachdem er Ulm in entschiedener Form seine Ansprüche auf Kirchenhoheit in Holzheim vorgetragen und die Reichsstadt ultimativ zur Präsentierung eines katholischen Geistlichen aufgefordert hatte (1616). Anders als in der Vergangenheit zeigte sich Ulm jetzt gesprächsbereit. Zu einer Klärung der Auseinandersetzung kam es indes, vermutlich bedingt durch den Tod des Regenten zwei Jahre später, nicht mehr. - Für Burtenbach kann nach dem Regierungsantritt Karls eine signifikante Häufung von Konfliktfällen im Zusammenhang mit Konfession und Hochgerichtsbarkeit festgestellt werden, die zwar auch nicht zu einer Rekatholisierung des Ortes führten, immerhin aber Schertlin in eine defensive Position verwiesen und die konfessionelle Isolation seiner Herrschaft beförderten. 26 In Kontinuität zu seinen Vorgängern, aber unter Ausnutzung der strukturell erweiterten Möglichkeiten bewies Karl damit gegenüber den evangelischen Insassen seine Bereitschaft, offensiv und intensiv auf die Rekatholisierung ihrer Orte hinzuwirken. Im Unterschied zu seinen Vorgängern und Nachfolgern bezog er über eine bloße Mandatierungspolitik hinaus auch die katholischen Insassen in seine konfessionelle Politik mit ein und setzte auf diese Weise Impulse für das gesamte Gebiet der Markgrafschaft, sei es durch die liturgische Innovation einer 25 26
Kap. Β. I. 3.3 und 4.5.2. Kap. Β. I. 4.4.3.
Phasen
439
Ulrichswallfahrt zu seinem Residenzort Günzburg oder durch das wirtschaftspolitische Projekt einer Webwarenschau in Burgau. 2 7 N o c h deutlicher, vor allem aber folgenreicher gelang es ihm, konfessionelle Impulse in den Zonen habsburgischer Herrschaftsverdichtung, den burgauischen Kameralorten, zu setzen, da sich hier seinem Engagement keine herrschaftsrechtlichen Hindernisse in den W e g stellten. Religiöse Intention seiner Politik war es an diesen Orten ebensowenig wie gegenüber den katholischen Insassen, evangelische Untertanen zum katholischen Glauben zurückzufuhren, sondern katholische Untertanen in ihrem Bekenntnis zu festigen und gegenüber protestantischen Einflüssen resistent zu machen. Nachgerade exemplarisch brachte Karl in Günzburg die Fülle zeitgenössischer Instrumente zum Einsatz, vom A u f b a u einer betont katholischen Hofhaltung über wirtschaftliche Impulse bis hin zu liturgischen und genuin pastoralen Innovationen wie auch Beiträgen zur Klerusreform. Vor allem die Gründung eines Kapuzinerklosters zeitigte auch langfristig positive Folgen für die katholische Reform von Volk, aber wohl auch Klerus in Günzburg und darüber hinaus. 28 All diese Projekte, Impulse und M a ß n a h m e n waren auf ein religiöses, näherhin konfessionelles Ziel gerichtet. Sie wirkten aber sowohl gegenüber den Insassen als auch gegenüber einem Kameralort wie Günzburg grundsätzlich zugleich hin auf eine Intensivierung habsburgischer Herrschaft, ohne daß hinsichtlich der primären Intentionalität eine Entscheidung getroffen werden könnte oder auch müßte. Eben diese Amalgamierung ließ die kurze Regierungszeit Karls von Burgau als Phase, und zwar als singulare Phase der Konfessionalisierung in der Markgrafschaft insgesamt erscheinen, die allerdings im Hinblick auf ihre Adressaten vorderhand inhaltlich unterschiedlich weitreichende Ziele verfolgte und schließlich auch mit Rücksicht auf ihre Effizienz und Nachhaltigkeit differenziert zu beurteilen ist. W u r d e nämlich für die evangelischen Orte zunächst nur ihre Rekatholisierung bzw. die Durchsetzung burgauischer Kirchenhoheit angestrebt und ging es gegenüber den katholischen Insassen zugleich mit der konfessionellen Festigung um ihre verstärkte Hinordnung auf die habsburgischen Zentren der Markgrafschaft in Burgau und Günzburg, so wirkte in einem Kameralort wie Günzburg eine gebündelte Fülle konfessionell akzentuierter M a ß n a h m e n und Impulse gleichermaßen im Sinne der katholischen R e f o r m wie der Herrschaftsintensivierung. - Im Ergebnis war es bei aller Verve 1618, als Karl von Burgau starb, in Holzheim wie Burtenbach dennoch beim konfessionellen Status quo geblieben, war das Projekt der burgauischen Webwarenschau nicht realisiert worden und fanden auch in Günzburg die meisten konfessionellen M a ß n a h m e n und Innovationen des Markgrafen ein Ende.
27 28
Kap. Β. I. 3.3.3.3. Kap. Β. I. 3.3.3.3.
440
1.4
Systematische Analyse
Rekatholisierung unter den Bedingungen des Dreißigjährigen Krieges
Die erfolgversprechenden Ansätze für eine Integration der unterschiedlichen Herrschafts- und Rechtsgebilde von insassischen und Kameralorten mit konfessionspolitischen Mitteln in ein ,Landesfürstentum Markgrafschaft Burgau' fanden nach 1618 keine Fortsetzung, weil mit dem Tode Karls von Burgau auch jene beiden Faktoren wegfielen, die diese Chance hervorgebracht hatten: die strukturelle Veränderung im vorländischen Herrschaftsgefüge und die Residenz des Regenten vor Ort. Die Markgrafschaft ging nun wieder in der Gesamtheit der vorder- und oberösterreichischen Lande auf, die zusammengenommen und zentral von Innsbruck aus regiert wurden, zunächst von Erzherzog Leopold V., dann, bis zur Mündigkeit seines Sohnes Ferdinand Karl, von der Erzherzoginwitwe Claudia von Medici. Die im wesentlichen von Bischof Heinrich von Knöringen angestoßene Rekatholisierung Holzheims gelang schließlich unter den Bedingungen des Dreißigjährigen Krieges (1627/35) und blieb darüber hinaus bestehen. Entsprechende Anstöße kamen für Burtenbach nicht mehr zur Ausführung. Der Ort blieb eine die einzige - evangelische Enklave innerhalb der Markgrafschaft Burgau. Darüber hinaus beschränkte sich die Politik der Nachfolger Karls in konfessioneller Hinsicht darauf, an den im wesentlichen nur in den Kameralorten etablierten Mandaten und Regelungen zum Aufenthalt katholischer Untertanen in Augsburg festzuhalten. Hier wie vor allem in den insassischen Herrschaftsbereichen blieben (weitere) Impulse zur katholischen Reform anderen überlassen, allen voran der geistlichen Gewalt des Bischofs und den kirchlichen Vertretern vor Ort, dem - unterschiedlich ausgeprägten - Eifer der Insassen und der Bereitschaft kommunaler Herrschaftsträger zur Selbstkonfessionalisierung und -disziplinierung.
2. Formen: Der Austrag von Konflikten als Kommunikationsvorgang Bei allen Unterschieden lassen sich die verschiedenartigen religiösen bzw. konfessionellen und kirchlichen Konflikte innerhalb der Markgrafschaft Burgau interpretieren als Kommunikationsvorgänge, in deren Verlauf Fragen von Kirche und Glauben einer Antwort in praxi zugeführt wurden. Im Untersuchungszeitraum ergaben sich Auseinandersetzungen in unterschiedlichen rechtlichen und politischen Konstellationen und in unterschiedlicher Qualität: In fundamentalem Dissens über die Frage der konfessionellen Orientierung standen der österreichischen Seite evangelische Insassen gegenüber, die sich als Reichsstände glaubten auf ein Ius reformandi berufen zu können; bei grundsätzlichem konfessionellem Konsens konnten im einzelnen die Vorstellungen der habsburgischen Herrschafts-
441
Formen
inhaber bzw. ihrer Administrationen und die der kommunalen Obrigkeit eines burgauischen Kameralortes oder die der geistlichen Gewalt des Ortsbischofs divergieren. Nach Konstellation und Qualität differenzierte sich die Form des Konfliktaustrages bzw. die Art der Kommunikation, sei es daß eine juristische oder politische Sprache bzw. an ihrer Stelle nonverbale Formen symbolischer Kommunikation die konfessionelle Kontroverse zwischen Markgrafschaft und Insasse artikulierte oder daß eine konfessionell kodierte Sprache bei konfessionellem Gleichklang überkommene kirchliche Konflikte zum Austrag brachte, Konfessionelles also zwar die Sprache, genauer betrachtet nicht aber den Gegenstand der Auseinandersetzung kennzeichnete. In diesem Fall war Konfessionelles Medium, in jenem Gegenstand des Konfliktes.
2.1
Juristische Argumentationskonzepte
Durch die Reformationen der Orte Lützelburg, Holzheim, Unterrohr und Hurtenbach sah sich die österreichische Seite um ihr Ius circa sacra, ihre Kirchenhoheit, gebracht, während die Reichsstädte Augsburg und Ulm, der patrizische Ortsherr Georg Besserer und der Reichsritter Sebastian Schertlin unter Berufung auf den ARF in im einzelnen unterschiedlichem Argumentationsgang für sich das Ius reformandi in ihren Orten und Herrschaften reklamierten. Der ARF hatte das Recht, die konfessionelle Zugehörigkeit eines Herrschaftsgebietes zu bestimmen, zwar an die Reichsstandschaft geknüpft, aber offengelassen, zu wessen Gunsten bzw. aufgrund welcher hoheitlicher Rechte im einzelnen die Frage der Kirchenhoheit zu entscheiden sei, falls gleichermaßen mit Reichsstandschaft begabte Herrschaftsträger miteinander konfessionell in Konkurrenz traten. Für ein Territorium non clausuni, 29 wie es die Markgrafschaft Burgau darstellte, bedeutete diese Unschärfe des ARF den Kern des juristischen Problems: 30 Die konsequente Frage, welchem Reichsstand hinsichtlich eines bestimmten Ortes oder Gebietes das reichsständische Recht des Ius reformandi zukomme, verknüpfte personalrechtliche mit territorialrechtlichen Vorstellungen. 31 Das Kirchenregiment wurde damit als Ausfluß einer landeshoheitlichen Rechts29
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Zur Verwendung des Begriffes in der Rechtsgeschichte Willoweit, Rechtsgrundlagen, S. 286-295; vgl. Kap. A. 2. Weder Bonin, Bedeutung, noch M. Heckel, Staat, gehen auf die Frage ein, was denn die landesfürstliche Obrigkeit ausmache, aus der das Kirchenregiment hervorgeht. Am Beispiel der von Graf Salentin von Isenburg geführten Prozesse demonstriert die landeshistorische Studie von Ruthmann, Religionsprozesse, S. 421-439, 477-483, die Problematik; zur Markgrafschaft Burgau Wüst, Günzburg, S. 67; ders., Schertlin, S. 64-66; Schiersner. Pietas, S. 34. Im Fall Unterrohrs mußte sich der Ortsherr Georg Besserer deshalb zunächst darum bemühen, personalrechtlich den Nachweis seiner Reichsstandschaft zu erbringen, während die Reichsstandschaft in den übrigen Orten für die evangelischen Kontrahenten - für die habsburgischen Markgrafen ohnehin - außer Frage stand.
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Systematische
Analyse
Stellung oder, um es in zeitgenössischer Begrifflichkeit zu formulieren, als Gerechtsame der landesfürstlichen Obrigkeit bzw. der Superioritas territorialis begriffen. 32 Welche Herrschaftsrechte im einzelnen jedoch die Territorialgewalt konstituierten, stellte bis in das 18. Jahrhundert hinein ein zentrales Problem in Diskussionen und Auseinandersetzungen der Rechtswissenschaft und Rechtspraxis dar.33 Zwischen den habsburgischen Herrschaftsträgern der Markgrafschaft Burgau und ihren Insassen blieb dieses Problem nicht allein aufgrund seiner konfessionellen Implikationen bis zum Frieden von Preßburg (1805) kontrovers, doch trugen gerade die Auseinandersetzungen um das Ius reformandi, am ausführlichsten in den Dörfern Unterrohr und Lützelburg, zur Formulierung der österreichischen Argumentationskonzepte und zur Festlegung der juristischen Position bei.34 Als Kernargument für den Besitz der Landes- und mithin der Kirchenhoheit diente auf österreichischer Seite die hohe oberkeit,35 also die Verfugung der Markgrafschaft über das Hochgericht, die sowohl gegenüber Augsburg36 als auch Ulm37 gegen das Ortsherrschaftsprinzip - Niedergerichtszwang als Konstitutivum der Kirchenhoheit bzw. des Ius reformandi - 3 8 in Anschlag gebracht wurde. Ex negativo wiesen interne Gutachten39 die grundsätzliche Bedeutung des Hochgerichtsprinzips gerade aus dem Vergleich mit Burtenbach auf, weil dort das Fehlen hochgerichtlicher Rechte - um deren Nachweis man sich gleichwohl, jedoch vergeblich bemüht hatte - die Rekatholisierung durch die Markgrafschaft verhindert habe.40 - Der lange und bewußte Verzicht auf konkrete Schritte, Holzheim zum 32 33
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Zur Begrifflichkeit Willoweit, Rechtsgrundlagen, S. 170-172. Ausfuhrlich Willoweit, Rechtsgrundlagen, S. 17-108, 185-273; vgl. den Sammelband von Riedenauer, Landeshoheit, speziell zum ostschwäbischen Raum den Literaturbericht von Dotterweich, Herrschaft. - Grundsätzlich skeptisch gegenüber einer Defmierbarkeit des Landeshoheitsbegriffes bleibt mit Blick auf die Verhältnisse im deutschen Südwesten Bader, Territorialbildung, S. 129. Zu unterscheiden ist zwischen der zeitgenössischen Rechtswirklichkeit und post festum, zumal im 19. Jahrhundert konstruierten Definitionen der Landeshoheit. So heben Schröder, Verhältnisse, S. 135-139, 162, Stolz, Beschreibung, S. 55, und noch Sapper, Landstände, S. 40, rechtstheoretisch vor allem ab auf Steuer- und Wehrhoheit als Kriterien der Landeshoheit, während P. Blickle, Memmingen, S. 388-416 (Ergebnisse), und Wüst, Günzburg, S. 152-172, sowie nochmals zusammenfassend ders., Landeshoheit, von den zeitgenössischen Auseinandersetzungen und Entwicklungen ausgehen. - Kritisch auch gegen eine Fixierung auf die reichsständische Hierarchie als Gradmesser für die „staatliche Qualität von Territorialbezirken" P. Blickle/R. Blickle, Schwaben, S. 52. Z.B. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1573 September 10. StaAA, HA, III, 29, Nr. 1, 1574 September 18; vgl. Kap. Β. I. 1.5.2. TLA, KKW, Α/Ε XIII/2, Nr. 1, 1563 September 20; vgl. Kap. Β. I. 2.4. Vgl. die entsprechende Argumentation Ulms (TLA, KKW, A/E XIII/2, Nr. 1, 1563 September 20; vgl. Kap. Β. I. 2.4) und Augsburgs (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1576 Juli 23; vgl. Kap. Β. I. 1.5.1). TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (1), 1576 Oktober 18; ebd., 1576 Dezember 1. Die Hochgerichtsbarkeit als entscheidendes Kriterium für Landes- bzw. Kirchenhoheit zu betrachten bot sich für Habsburg über die Markgrafschaft hinaus generell in den Gebieten
Formen
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katholischen Glauben zurückzuführen, war dagegen nicht einer jurisdiktionellen Defizienz der Markgrafschaft geschuldet, sondern konnte aus politischen bzw. religiösen Ursachen erklärt werden, 4 1 und stellt damit keine A u s n a h m e von der herrschenden österreichischen Rechtsauffassung dar. N a c h seinem U m f a n g war das burgauische Hochgericht zweifellos die bedeutendste habsburgische Gerechtsame in der Markgrafschaft Burgau. 4 2 A u f g r u n d des Stellenwertes, den man der Hochgerichtsbarkeit als herrschaftsbegründendem Recht in der zeitgenössischen Rechtsauffassung grundsätzlich zubilligte, 43 empfahl sich daher für Österreich eine entsprechende Argumentation. Inhalt der burgauischen Hochgerichtsbarkeit war bis zur vertraglichen Regelung der ,InterimsmitteF zwischen Markgrafschaft und Insassen (1587) die Strafverfolgung der vier hohen Fälle von Mord, Totschlag, Brandstiftung und schwerem Diebstahl. 4 4 Über diese vier, mit der Todesstrafe geahndeten Malefizverbrechen hinaus erweiterte sich der Bereich der burgauischen Hochgerichtsbarkeit durch die Interimsmittel auf Fälle von Geleitbruch, Majestätsbeleidigung, Landesverrat, Raub, Fälschung und Betrug sowie Notzucht. 4 5 Die burgauische Hochgerichtsbarkeit war damit auf mehrfache Weise eingeschränkt, denn zur inhaltlichen Beschränkung auf die bloße (fraischliche) Blutgerichtsbarkeit bis 1587 trat eine territoriale, insofern einzelne Insassen für einzelne Orte oder Herrschaften ihrerseits vom Reich mit dem Blutbann belehnt waren, 4 6 und eine formale, insofern die burgauischen
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Schwäbisch-Österreichs an, denn sie war dasjenige Recht, welches als umfassendster Titel überhaupt die rechtliche Klammer für diese Gebiete darstellte. Sollte die konsequente Gültigkeit dieses juristischen Prinzips nicht untergraben werden, mußte Österreich, wollte es sich irgendwo seiner hochgerichtlichen Rechte zwar begeben, dennoch aber ein faktisches Ius reformandi ausüben, entsprechende Vergleichsvereinbarungen eingehen, die als Ausnahme vom Prinzip dessen regelmäßige Gültigkeit bestätigten. Solches geschah beispielsweise 1586, als die Landvogtei Schwaben mit der Reichsstadt Memmingen für die erst 1581 von der Stadt erworbene Herrschaft Eisenberg mit den Dörfern Amendingen und Schwaighausen vereinbarte, daß M e m m i n g e n zwar dort die Hochgerichtsbarkeit zustehe, die katholische Religion der Untertanen aber aufrechterhalten bleiben solle (P. Blickle, Memmingen, S. 270f., und Kießling, Konfession, S. 48). Kap. Β. 1.3.3. Wüst, Rechtsstreit, S. 217f., bzw. ders., Landeshoheit, S. 81. Willoweit, Rechtsgrundlagen, S. 33-47. So hatte es der ,Freiheitsbrief König Maximilians I. für die Insassen der Markgrafschaft von 1492 Februar 3 fixiert (Brunner, Beiträge 1865, S. 100-104; A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 55-58; Wüst, Günzburg, S. 43). Wüst, Günzburg, S. 57. Die Interimsmittel sollten unter Suspendierung der Frage der burgauischen Landeshoheit bis zur endgültigen Klärung durch das R K G eine Reihe strittiger Punkte provisorisch und „unpräjudizierlich" regeln. 1653 wurden sie in modifizierter und erläuterter Form „perpetuiert", das heißt der Prozeß am R K G ausgesetzt (A. Schröder, Bistum, Bd. 5, S. 58 f.). Vgl. den Text der Interimsmittel: T L A , Handschriften, Hs. 5300. In der Form von 1653 sind die Interimsmittel ediert bei P. Blickle/R. Blickle, Schwaben, S. 457-464, Nr. 141; vgl. die Zusammenfassung bei Jahn, Augsburg-Land, S. 410-413. P. Blickle/R. Blickle, Schwaben, S. 33; Wüst, Günzburg, S. 57f., sowie die Karte zur Hochgerichtsbarkeit im Anhang.
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Systematische
Analyse
Beamten bei der Strafverfolgung an die Mitwirkung der Insassen gebunden waren.47 Daß diese inhaltlichen und formalen Beschränkungen dagegen substantiell seien, bestritt die österreichische Seite, da die Limitationen, so die Begründung, lediglich auf der pfandweisen Übertragung von Rechten an Insassen beruhten. 48 Im Horizont der zeitgenössischen Rechtsauffassung und -praxis liegen damit Stärken und Schwächen des juristischen Argumentationskonzeptes der Markgrafschaft offen zutage. Die Verfügung allein über die Blutgerichtsbarkeit - und auf diese beschränkte sich bis 1587 das burgauische Hochgericht - ohne weitere Herrschaftsrechte wurde sowohl in der Jurisprudenz als auch in der Rechtsprechung des Reichskammergerichtes im Verlauf des 16. und 17. Jahrhunderts immer weniger als Konstitutivum der Landeshoheit anerkannt. 49 Auch die österreichische Seite selbst beurteilte in internen Gutachten die Rechtslage skeptischer, als es nach außen hin den Anschein hatte, und willigte im Falle der Auseinandersetzung um Lützelburg in den Münchener Vertrag (1578) ein, nachdem auch der bayerische Vermittler die geringen Aussichten auf einen fur Österreich erfolgreichen Prozeßausgang am RKG zu bedenken gegeben hatte.50 Mit dem RKG ist damit zugleich der wesentliche Faktor genannt, der juristischen Argumenten überhaupt ihren Stellenwert verlieh:51 Als seit dem Ende des 16. Jahrhunderts zunehmend Autorität und Funktionstüchtigkeit des Reichsgerichtes abnahmen, 52 war auf einen wirkmächtigen Rezipienten juristischer Argumente keine Rücksicht mehr zu nehmen: jenseits rechtlicher Beweisführungen wurden nun politische Faktoren entscheidend oder genauer: juristische Argumente verloren an politischer Bedeutung.
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Den Insassen sollte es nämlich vorbehalten sein, Verbrecher in ihren Herrschaften zu inhaftieren und an ein burgauisches Halsgericht ihrer Wahl zu überstellen. Sollte dies binnen dreier Tage nicht erfolgen, hatten die burgauischen Beamten das Recht, in den insassischen Herrschaftsbereich einzudringen (Wüst, Günzburg, S. 57f.; Art. 34 der perpetuierten Interimsmittel von 1653, ediert bei P. Blickle/R. Blickle, Schwaben, S. 460, enthält allerdings keine Fristbestimmung; vgl. TLA, Handschriften, Hs. 5300). Die Verpfändung der Rechte oder Rechtsbestandteile sei im Freiheitsbrief Maximilians im Gegenzug zur Gewährung des Feuerstattguldens (1492) durch die Insassen erfolgt, bedeute aber keinen grundsätzlichen Rechtsverzicht für die Markgrafschaft: Dann obschon den Insessen vnd begueteten das exercitium der Höchen Oberkait, souil die bestrafungen anlangte, vsserhalb etlich gewisser fühlen gegen erlegung des Feurstat guldens pfandtsweiß bis zur wider abloßung vbergeben, so were doch die hoche Oberkait an Ir selbst vnd ipsum ius meri imperii nichts desto weniger bey der Marggrafschafft Burgaw verbliben vnd heten Eur F.D. sich dessen alles, was derselben zu end angehörig (ausgenomen was durch die Feurstat guldins freyhait gehörtermassen vergeben) Irer gelegenhait nach zugebrauchen (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1578 März 4). Willoweit, Rechtsgrundlagen, S. 46f„ 198-202, 211-213. Kap. B.I. 1.4.2 und 1.5.2. Zur Geschichte des Reichskammergerichtes nach wie vor grundlegend Smend, Reichskammergericht; mit einer umfangreichen Bibliographie Rainieri, Recht, S. 19-43. Einen Forschungsüberblick bietet Diestelkamp, Reichskammergericht, und Diestelkamp, Funktion. M. Heckel, Reformationsprozesse, S. 15f.; Lanzinner, Zeitalter, S. 176f.
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Das Erklärungspotential des Hochgerichtsprinzips erscheint damit zusammenfassend als begrenzt: Z w a r läßt sich aus der Defizienz der burgauischen Herrschaftsrechte der Verzicht auf die Rekatholisierung Burtenbachs und das Einlenken Österreichs in Lützelburg bzw. umgekehrt die nachmalige Rekatholisierung des Dorfes - neben anderem - aufgrund des Bedeutungsverlustes des R K G und damit der juristischen Argumentationsfuhrung begründen, doch ist allein durch das Hochgerichtsprinzip weder der Erfolg der Rekatholisierung in Unterrohr noch ihr vorläufiges Scheitern in Holzheim einsichtig. Auch die erfolgreiche Zurückdrängung protestantischer Tendenzen in Burgwaiden, Pfersee und Bocksberg verlangt nach anderen Erklärungen. 5 3
2.2
Symbolische Kommunikation 54
Zwangsläufig richtet sich damit der Blick auf die politischen Kommunikationsformen des Konfliktaustrages, denen besonders, aber keineswegs ausschließlich dort eine wichtige Funktion zukam, w o die Markgrafschaft definitiv keinerlei hochgerichtlichen Rechte besaß - in Burgwaiden und Burtenbach - und juristische Argumente nicht verfangen konnten. Kommunikative Intention war es, dem konfessionellen Gegner die politische Superiorität Habsburgs so überzeugend zu signalisieren, daß er sich in der Konfrontation mit dem Stärkeren, dem Mächtigeren, seiner, gleichgültig ob zu Recht oder zu Unrecht bestehenden Ansprüche begab. Die Inszenierung von Herrschaft, wie sie in den aufsehenerregenden A u s s c h a f f u n g e n der Prädikanten von Unterrohr,' 5 Lützelburg 5 6 und Holzheim 5 7 oder den Strafexpeditionen auf den Feldern u m Burtenbach 5 8 nach stets gleichem Muster vonstatten ging, verfolgte genau diesen Zweck, wobei Untertanen und Ortsherrschaft der betroffenen Orte das
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Dem Patronatsrecht kam in konfessionellen Konflikten zwar keine entscheidende juristische Qualität zu (M. Heckel, Staat, S. 108 mit Anm. 568; zur Vernachlässigung in der Rechtsprechung des RKG Ruthmann, Religionsprozesse, S. 410), wohl aber konnte es im Einzelfall von nicht unerheblicher faktischer Bedeutung sein, weil es allererst die Installation eines protestantischen Geistlichen ermöglichte und damit Tatsachen schuf, die erst einmal revidiert werden mußten. So zögerte in Lützelburg das Patronatsrecht der Reichsstadt Augsburg bzw. ihres Spitals die Rekatholisierung hinaus. Durch das Jus devolutionis des Bischofs mußte nach der Vertreibung des letzten evangelischen Prädikanten für die Besetzung mit einem katholischen Geistlichen gesorgt werden, da sich das Spital zunächst weigerte, einen Kandidaten zu präsentieren. Ähnlich lag die Situation auch in Holzheim, wo die Reichsstadt Ulm noch nach dem Dreißigjährigen Krieg in Vakanzfällen protestantische Geistliche zu präsentieren versuchte. Der Aufsatz von Stollberg-Rillinger, Zeremoniell, ist gleichzeitig ein Forschungs- bzw. Literaturbericht zur „symbolischen Kommunikation". Kap. B. 2.2. Kap. Β. I. 1.4.1. Kap. Β. I. 3.3. Kap. B. 4.4.1.
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Systematische
Analyse
Publikum eines Lehrstücks abgaben, das ihre Einsicht in die obrigkeitliche Funktion der Markgrafschaft Burgau fördern sollte.59 Wesentliche Dimensionen symbolisch-rituellen Handelns sind damit bei all diesen Vorgängen gleichermaßen greifbar: ihr performativer Charakter, also ihre Intention, politischen Ordnungsvorstellungen Ausdruck zu verleihen, ihr Öffentlichkeitsbezug, also die Beachtung theatralischer Wirkung, und die Regelhaftigkeit, mit der die einzelnen Elemente - Zahl der Beteiligten, Bewaffnung, Lautstärke, Gewaltanwendung - wiederkehrten. 60 Herrschaftliche Inszenierung konnte freilich auch subtilere Wege gehen, so etwa im Falle des verweigerten katholischen Begräbnisses in Burgwaiden. 61 Mit dem hochgerichtlichen Argument konnte die Markgrafschaft hier nicht operieren, da Ortsherr Karl Rehlinger seinerseits im Besitz des Blutbannes war. Statt dessen konnte sich die österreichische Seite die Präsenz der burgauischen Verwaltung und das ständische Gefälle zwischen dem habsburgischen Herrschaftsinhaber und dem Ortsherrn für eine intensive und hierarchisch geprägte Kommunikation zunutze zu machen, die letztlich den Stillstand weiterer reformatorischer Entwicklungen in Burgwaiden plausibel macht. Auch für die Kommunikation der österreichischen Stellen mit Karl Rehlinger wird so ihr symbolischer Charakter deutlich, denn in Briefwechseln und Gesprächen ging es ja nicht wirklich um einen Austausch rechtlicher Argumente, vielmehr war die kommunikative Situation selbst - in ihrer hierarchischen Prägung, in ihrer Penetranz, in ihrer Unentrinnbarkeit - das Medium, das politische Hegemonie bedeutete und Willfährigkeit nahelegte.
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Besonders mit Blick auf die Untertanen interpretiert Alexander Schunka vergleichbare Vorgänge, etwa den sogenannten „Kirchweihschutz" in der Schertlin-Herrschaft Hohenburg-Bissingen: Zwischen Sebastian Schertlin und seinem Sohn auf der einen und Graf Ludwig von Oettingen auf der anderen Seite war es strittig, welcher der beiden Herrschaften in Bissingen und Stillnau der Tanzplatz- oder Kirchweihschutz zukam, wer also den Tanz ausrichten, Frevel und Schlägereien bestrafen und den geregelten Ablauf der Veranstaltung sicherstellen durfte. Das Recht zur Wahrnehmung solcher Funktionen war zugleich ein öffentlichkeitswirksames Zeichen für Herrschaft, das Schertlin den Oettingern nicht zugestehen wollte und daher deren Amtleute vom Tanzplatz vertreiben ließ. Im Laufe der nun folgenden Auseinandersetzung schickte Graf Ludwig zunächst 40 Berittene und 300 Fußsoldaten, später gar 200 Bewaffnete mit vier Geschützen und 2000 [!] Mann im Hinterhalt nach Bissingen, um den Kirchweihschutz zu behaupten. Es muß nicht eigens erwähnt werden, daß dieses Aufgebot nicht etwa militärischen Erfordernissen entsprach, sondern dazu diente, den Untertanen eine „konkrete Vorstellung des obrigkeitlichen Zugriffs" zu vermitteln, mithin Herrschaft zu visualisieren (Schunka, Schertlin, S. 255). - Zur mnemotechnischen Funktion solcher Visualisierung für die Tradierung von Wissen der Untertanen an spätere Generationen ders., Zeugenaussagen, S. 347; zur Herrschaftswahrnehmung der Untertanen am Beispiel von Zeugenaussagen zur herrschaftlichen Jagd ders., Wissen. Stollberg-Rillinger, Zeremoniell, S. 390f. Kap. B. 1.5.1.3.
Bedingungen
2.3
Konfessionalisierung der Sprache
447
62
Daß das Ziel von Kommunikationsvorgängen nicht in ihrem Inhalt sondern ihrer Form bestehen konnte, genauer, daß Art und Gestaltung des Kommunikationsvorganges an sich seinen Inhalt begründeten, klang damit bereits an. Vergleichbares konnte auch fur weitere Phänomene konstatiert werden. Wenn etwa für die Auseinandersetzung zwischen Markgraf Karl und Bischof Heinrich u m die Frage der geistlichen Jurisdiktion gegenüber den Kaplänen am Günzburger Hof, 63 wenn im Konflikt zwischen Landvogt Karl Welser und Bürgermeister und Rat von Günzburg u m die Disziplinierung Günzburger Kleriker, 6 4 w e n n im Streit der K o m m u n e um die A b b e r u f u n g Pfarrer Brauns 6 5 oder wenn schließlich in den Querelen innerhalb der Günzburger Geistlichkeit 6 6 konfessionelle Argumente einflossen, so machte doch das Konfessionelle nicht die Substanz des Konfliktes aus, fungierte vielmehr als Medium, andere, teils ü b e r k o m m e n e Auseinandersetzungen auszufechten. Es versteht sich von selbst, daß diese Form konfessioneller Kommunikation gebunden war an den konfessionellen Konsens zwischen den Kommunikationsteilnehmern. Kluges, bisweilen offenes, bisweilen subtiles Rekurrieren auf die dem Konsens zugrundeliegenden konfessionellen Vorstellungen konnte dabei grundsätzlich neue Optionen für eine erfolgreiche Politik um Kirche und Glaube eröffnen. 6 7
3. Bedingungen: Herrschafts struktur und konfessionelle Politik Die konfessionelle Politik der habsburgischen Herrschaftsträger in der Markgrafschaft Burgau zu untersuchen erwies sich besonders im Hinblick auf die Faktoren, die die praktische Ausgestaltung dieser Politik bedingten, als instruktiv über den Bereich der Markgrafschaft hinaus. Z u m einen nämlich brachte es die Polyfunktionalität der Habsburgerdynastie, die gleichermaßen Regenten des Reiches, der Inneren und Vorderen Lande Oberösterreichs 6 8 und der Markgrafschaft Burgau stellte, mit sich, daß Bedingungen und Bedingtheiten der Politik im Reich ebenso auf die Ebene der Markgrafschaft durchschlugen wie Chancen und Probleme 62
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Der Begriff „Konfessionalisierung" ist hier im Sinne von .konfessioneller Prägung' zu verstehen. Kap. Β. II. 3.3.3.4. Kap. Β. II. 3.4.3. Kap. Β. II. 3.4.3. Kap. Β. II. 3.1.2. Vergleichbare „diskurstheoretische Überlegungen" zum Verhältnis von Religion und Politik formuliert Haag, Verhältnis, S. 176-178, für das evangelische Württemberg und Hessen, wenn er feststellt, der theologische Wahrheitsdiskurs habe nur die Argumentationsmöglichkeiten für das politische Handeln vorstrukturiert (vgl. Schlögl, Differenzierung, S. 242). Zur Begrifflichkeit der österreichischen Landesteile Speck-Nagel, Landstände, S. 16-20; Quarthai, Verankerung, S. 15.
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Systematische
Analyse
übergreifender Politik im habsburgisch geprägten Südwesten - mit symptomatischen Folgen für Bedeutung, Funktion und Wechselbeziehungen der Verwaltungen in Prag oder Wien, Innsbruck und Günzburg. Zum anderen stellte auch das prekäre juristische und politische Verhältnis zwischen den habsburgischen Regenten der Markgrafschaft und ihren Insassen69 für den Austrag konfessioneller Konflikte einen Faktor dar, der Bedeutung für die Optionen und Realisierungen österreichischer Konfessionspolitik in der Markgrafschaft besaß.
3.1
Polyfunktionalität Habsburgs als Herrschaftsträger in unterschiedlichen Kontexten
Als strukturelles Grundproblem der habsburgischen Herrschaft im Reich vielfach thematisiert ist jenes „Dilemma zwischen Hausmacht und Reichspolitik", das Mitgliedern des Hauses Österreich einerseits den Ausbau ihrer dynastischen Machtpositionen nahelegte, sie andererseits aber zur Rücksichtnahme auf die Pflichten des Reichsoberhauptes und zur Wahrung der Reichsrechte, auch gegen die Ansprüche der habsburgischen Fürsten, etwa der burgauischen Regenten, zwang. 70 Daß in den Auseinandersetzungen mit der Markgrafschaft um das Ius reformandi evangelische - im Falle Ausgsburgs bikonfessionelle - Insassen, die den konfessionellen und dynastischen Intentionen eines Habsburgerherrschers grundsätzlich entgegenstanden, regelmäßig darauf hofften, Rückhalt am Kaiser zu finden, zeugt einerseits vom Vertrauen in die Neutralität des Reichsoberhauptes. So wandten sich 1563 die Reichsstadt Ulm wegen Unterrohrs an Kaiser Ferdinand I.,71 1582 Martin Zobel wegen Pfersees 72 und 1604 und 1606 die Reichsstadt Augsburg wegen Lützelburgs an Rudolf II.73 und 1613 und 1615 Hans Sebastian Schertlin wegen Burtenbachs an Matthias.74 Die Befürchtungen, die andererseits und ebenso regelmäßig die Regierung der Erzherzöge, mithin der Markgrafen von Burgau, in Innsbruck mit einem Engagement des Reichsoberhauptes verbanden, sind auch von dieser Seite Indiz für eine Eigenständigkeit der kaiserlichen Positi-
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Kap. A. 2. Press, Vorderösterreich, S. 3; vgl. Moraw/Press, Probleme; Press, Reich; prononciert und mit Bezug auf die Konfessionspolitik besonders der Landvogtei Schwaben ders., Schwaben, der in diesem Zusammenhang vom „Rollenkonflikt des Kaisers als Reichsoberhaupt und Herr der Erblande, zwischen reichspolitischer Großzügigkeit und territorialer Unterwerfungspolitik" spricht (S. 34); mit Bezug auf die Markgrafschaft Quarthai, Burgau S. 15f. TLA, KKW, Α/Ε XIII/2, Nr. 1, 1563 September 20; vgl. Kap. Β. II. 2.5. HHStAW, ÖA, VÖ, Fasz. 25, 1582 Dezember 4; vgl. Kap. Β. II. 5.2.3. TLA, GR, A/E (Einlaufjournal), 1604 Dezember 3; StaAA, HA, III, 31, Nr. 205, 1606 Januar 19; vgl. Kap. Β. II. 1.7.2. HHStAW, ÖA, VÖ, K. 10, fol. 406-526, 1613 Oktober 2 [stilo antiquo?]; ebd., 1615 August 21 [stilo antiquo?]; vgl. auch das Interzessionsschreiben der Reichsritterschaft für Schertlin beim Kaiser ebd., 1613 November 29.
Bedingungen
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on, von der man glaubte, wenigstens Komplikationen für die habsburgische Politik in der Markgrafschaft gewärtigen zu müssen. 75 Hoffnungen der einen und Befürchtungen der anderen Seite bewahrheiteten sich in gewissem Umfang und in gewisser Weise. Zu einer Revision der Rekatholisierungsmaßnahmen kam es zwar in keinem Fall infolge kaiserlicher Interventionen, doch führte die Befassung des Kaisers immerhin ein retardierendes Moment in die burgauische Konfessionspolitik ein: Anfragen aus Prag und Wien mußten beantwortet und Stellungnahmen verfaßt werden, in der Zwischenzeit ruhten die gegenreformatorischen Maßnahmen, der Legitimationsdruck und mit ihm die Vorsicht bei der Wahl der Mittel nahm zu. 76 Eine unparteiliche Stellung gegenüber den Anliegen burgauischer Politik einzunehmen, mochte dem Kaiser freilich nicht allein aufgrund einer starken ethischen Bindung an Pflicht und Verantwortung des Reichsoberhauptes als geraten erschienen sein, sondern besaß grundsätzlich einen politischen Hintergrund einerseits in der Sorge, protestantische oder reichsständische Interessen könnten sich gegen die katholische Position oder die habsburgische Stellung im Reich solidarisieren, andererseits in der Notwendigkeit, auch die protestantischen Reichsstände für die kaiserliche bzw. habsburgische Politik zu gewinnen. Diese Zusammenhänge werden etwa 1576 deutlich, als es in Lützelburg mit Rücksicht auf den Regensburger Reichstag, auf dem der Kaiser (noch Maximilian II.) auch von den protestantischen Ständen eine Bewilligung von Türkenhilfe erreichen wollte, zum Stillstand der Rekatholisierungsmaßnahmen kam. 77 Auch die Restitution und Rehabilitation Sebastian Schertlins von Burtenbach noch vor dem Untersuchungszeitraum (1553) konnte mit reichspolitischen Begründungen plausibel gemacht werden. 78 Unbeeindruckt durch die kaiserlichen Mahnungen zur Zurückhaltung zeigte sich dagegen Markgraf Karl von Burgau, nachdem Hans Sebastian Schertlin d.J. und für ihn auch die Kanzlei der Schwäbischen Reichsritterschaft mehrfach Pro-
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Besonders aufschlußreich ist in dieser Hinsicht die Sorge der Innsbrucker Regierung, Kaiser Ferdinand 1. könnte als Reichsoberhaupt zum Nachteil seiner eigenen Position als Inhaber der Markgrafschaft Burgau verfahren (TLA, KKW, Α/Ε XIII/2, Nr. 1, 1563 August 5); vgl. zu Lützelburg TLA, GR, K/A, 1605 Juli 23; Kap. Β. I. 1.8.2. Besonders konsterniert äußerte sich 1605 Erzherzog Maximilian gegenüber den burgauischen Amtleuten, durch das Schreiben Augsburgs an den Kaiser seien gefahrliche Weiterungen entstanden, und befahl deshalb den sofortigen Stillstand der Maßnahmen in Lützelburg (TLA, GR, K/A, 1605 Juli 23). Gegenüber Markgraf Karl konnte er sich mit entsprechenden Aufforderungen, zu denen ihn ein Brief Hans Sebastian Schertlins von Burtenbach an Kaiser Matthias veranlaßt hatte, nicht durchsetzen (vgl. Kap. Β. I. 4.4.3). TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1576 Juli 14. Der Regensburger Reichstag verhalf dem Kaiser zur bis dahin höchsten Türkenhilfe (Rabe, Geschichte, S. 536-538; Lanzinner, Zeitalter, S. 65f.; ausfuhrlich ders., Friedenssicherung, S. 474-509); vgl. Kap. Β. I. 1.7.2. Kap. Β. I. 4.5.2.
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Systematische
Analyse
test vor Kaiser Matthias eingelegt hatten.79 Daß sich dagegen gleichzeitig Erzherzog Maximilian in Innsbruck besorgt über die Involvierung des Kaisers zeigte und seinerseits, vom Kaiser wie von Schertlin selbst angegangen, Karl von Burgau - vergeblich - um einen Stillstand der Strafaktionen gegen die Feiertagsarbeit auf den Feldern um Burtenbach ersuchte,80 belegt zunächst, daß die unnachgiebige Haltung des Markgrafen nicht einfachhin einer allgemeinen und tendenziellen Zunahme konfessioneller Konfliktbereitschaft innerhalb des Reiches im Vorfeld des Dreißigjährigen Krieges geschuldet war, die im Verhältnis der habsburgischen Dynasten zur Verschiebung der Gewichte zugunsten der Hausmachtpolitik gefuhrt hätte. Vielmehr kann für diesen Umstand die kurzzeitige Neuformierung der habsburgischen Herrschaftsstruktur plausibel gemacht werden, die den auf das Gebiet der Markgrafschaft beschränkten Regenten Karl von Burgau freier machte von politischen Rücksichtnahmen, von der Sorge um die vielbeklagten Weiterungen im Horizont übergreifender Herrschaftsverantwortung in Südwestdeutschland.81 Die nämliche Veränderung der strukturellen Bedingungsfaktoren habsburgischer Herrschaft in der Markgrafschaft vermochte auch das abweichende Bild der Politik Karls gegenüber Ulm in der Auseinandersetzung um Holzheim bzw. die veränderte Reaktion der Reichsstadt darauf zu erhellen.82 Die Begründung jedoch, mit der Erzherzog Maximilian Markgraf Karl zur Zurückhaltung bei seinem Vorgehen gegen Burtenbach mahnte - Maximilian war an der Verhütung allerhandt schädtlicher erbitter- und Weiterung gelegen - , illustriert andererseits, daß sich aus der habsburgischen Doppelfunktion zwischen Innsbruck - Erzherzog Maximilian als Regent der Vorlande - und Günzburg Markgraf Karl als Regent eines Teilgebietes, besonders der Markgrafschaft Burgau — ein Rollenkonflikt ergab, der jenem Konflikt vergleichbare Züge entwickeln konnte, wie er zwischen habsburgischem Reichsoberhaupt und habsburgischen Territorialfursten konstatiert wurde: Hier wie dort wurde konfessionelle und politische Verantwortung in Abhängigkeit vom Herrschaftsraum begriffen. Indes brachten die beschriebenen Rollenkonflikte innerhalb der Dynastie nicht allein Nachteile oder Probleme für die habsburgische Hausmachtstellung in den unterschiedlichen vorderösterreichischen Landesteilen und speziell in der Markgrafschaft mit sich. Vielmehr gestattete die Position Habsburgs im Reich wie auch im deutschen Südwesten insgesamt allererst, innerhalb eines herrschaftsrechtlich derart defizitären Gebildes, wie es die Markgrafschaft Burgau darstellte, 79
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HHStAW, ÖA, VÖ, K. 10, fol. 406-526, 1614 Oktober 1; ebd., 1616 Juni 25; vgl. Kap. Β. I. 4.4.3. TLA, GR, A/E, 1614 Mai 12. Vgl. Kap. C. 1. sowie Kap. Β. II. 3.3.2 - Noflatscher, Deutschmeister, S. 120, versucht dagegen das Bestreben Maximilians, letztlich nicht mehr kontrollierbare Weiterungen in Konfessionsfragen zu vermeiden, aus der Persönlichkeitsgenese des Erzherzogs zu begründen. Darin würde man „einerseits die Schule des Vaters, andererseits aber ebenso die Tradition des Ordens, nämlich hochgradige Flexibilität, erkennen" (vgl. S. 123). Kap. Β. 1.3.3.
Bedingungen
451
gegenüber den großenteils reichsständischen Insassen überhaupt Ansätze landeshoheitlicher Politik zu verfolgen. 83 Nicht zuletzt ein Blick auf die Rekatholisierungspolitik in der Markgrafschaft kann diese These stützen. Denn gerade die Autorität, die dem Kaiser in den Reichsstädten zukam, veranlaßte Ulm bzw. seinen Ratsälteren in Unterrohr zu einer zurückhaltenderen Gangart gegenüber den habsburgisehen Markgrafen: Um vnglimpff und vngnad von seiten des Reichsoberhauptes für die Stadt zu vermeiden, riet der Ulmer Rat Georg Besserer erfolgreich zum Verzicht auf eine Befassung des Reichskreises mit seiner Angelegenheit.84 Während des Dreißigjährigen Krieges war dann die kaiserliche Autorität auf eine so handgreifliche, militärische Art im Gebiet der Markgrafschaft präsent, daß es gegen den Widerstand Ulms im Zusammenwirken mit den burgauischen Amtleuten zur Vertreibung und zur letztlich dauerhaften Rekatholisierung Holzheims kommen konnte.85
3.2
Rolle der Verwaltung in Günzburg und Innsbruck
Die Doppelfunktion Habsburgs wurde zum Dilemma, wenn die Territorialpolitik eines habsburgischen Landesflirsten in Konflikt geriet mit Rechten des Reiches bzw. der Reichsstände. In diesem Fall sah sich der Kaiser gezwungen, Stellung zu nehmen gegen die territorialen Interessen seines Hauses, wollte er nicht zugleich mit seiner Autorität die Prädisposition der Dynastie zur Bekleidung der Königsbzw. Kaiserwürde gefährden und damit letztlich auch den territorialen Positionen Habsburgs unabsehbaren Schaden zufügen. 86 Geradezu schizophrene Züge konnte unter dieser Voraussetzung die Politik annehmen, wenn derselbe Habsburger zugleich Reichsoberhaupt und Landesfurst war. Im Untersuchungszeitraum war dies zweimal der Fall, so bis 1564, als Kaiser Ferdinand I., und zwischen 1595 und 1602, als Rudolf II. zugleich Markgraf von Burgau war. Während der Regentschaft Ferdinands I. kam es in Unterrohr zu einem konfessionellen Konflikt mit Ulm bzw. Georg Besserer, an dem sich die Folgen des habsburgischen Funktionskonfliktes in ihrer Bedeutung fur die Rolle der Verwaltung studieren ließen: Die Anweisung der Regierung in Innsbruck an die burgauischen Beamten, gegen den Prädikanten in Unterrohr für Euch selbs vnd vnuer-
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85 86
Ebenfalls insgesamt positiv beurteilt Press, Vorderösterreich, S. 5, die Synergien der habsburgischen Polyfunktionalität für den vorderösterreichischen Herrschaftsbereich. StaAU, RPr, Nr. 28, 1563 November 17, fol. 659a v ; vgl. StaAU, Ratsdekrete, A 1826, Bl. 10; vgl. Kap. Β. I. 2.5. Kap. Β. I. 3.3. Die Politik Habsburgs hatte seit Rudolf I. planmäßig die unentwirrbare Verquickung landesherrlicher mit königlichen Rechten erstrebt. Besonders die Reichslandvogtei in Oberschwaben diente diesem Zweck (Hofacker, Reichslandvogteien, S. 105-155; ders., Herzogswürde; ders., Landvogtei). In der Königslandschaft des deutschen Südwestens würde der Verlust der Königswürde für Habsburg klägliche Reste der Landesherrschaft zurückgelassen haben (Quarthai, Verankerung, S. 11).
452
Systematische
Analyse
melt diß vnnsers schreibens vorzugehen,87 zielte darauf, Verantwortlichkeiten für eine Handlung zu verschleiern, deren reichspolitische Konsequenzen gerade wenige Jahre nach Abschluß des ARF nicht von vornherein abzusehen waren. Der politischen Öffentlichkeit des Reiches sollte kein Anlaß gegeben werden, Ferdinand I. als konfessionelle Partei wahrzunehmen, die keine Rücksicht auf den mühsam errungenen Frieden nahm, vielmehr sollte der Konflikt möglichst eingehegt und im lokalen Bereich ausgetragen werden.88 Gegenreformatorische Maßnahmen als eigenmächtige Handlungen der nachgeordneten Instanzen erscheinen zu lassen, barg dagegen die Möglichkeit, gewissermaßen unter Laborbedingungen, innerhalb eines geschlossenen Systems, ihre Wirkung beim konfessionellen Opponenten - dessen Reaktion - zu testen, ohne weiterreichende Konsequenzen befürchten zu müssen, und sich die Option auf einen rechtlich und politisch unpräjudizierlichen Rückzug ohne Gesichtsverlust offenzuhalten. 89 Ironischerweise unternahmen die burgauischen Beamten dann die Ausschaffung des Prädikanten aus Unterrohr tatsächlich eigenmächtig, indem sie auf eine von Innsbruck vorgesehene zweite Abmahnung des Prädikanten verzichteten.90 Hatten sie für ihr forsches Vorgehen damit 1563 noch das Lob des Kaisers und seiner erzherzoglichen Regierung ernten können,91 wurde ihnen 1619 und 1624 die eigenmächtige Fortsetzung der unter Markgraf Karl eingeführten Strafexpeditionen gegen Burtenbacher Untertanen nachdrücklich verwiesen.92 Darin äußerte sich auch ein verändertes Verhältnis der Administrationen in Günzburg und Innsbruck zueinander, dessen charakteristische Züge und Entwicklungstendenzen dank günstiger Überlieferungslage am Beispiel der Auseinandersetzung um Lützelburg exemplarisch freigelegt werden konnten.93 Aus der Aufgabenstellung der oberösterreichischen Regierung, in Gutachten für den Regenten bzw. dessen Hofrat oder Geheimen Rat die juristische wie politische Tragweite möglicher Handlungsoptionen abzuschätzen und dialektisch 87 88 89
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93
StAA, VÖ, Lit. 648, f. 5Γ, 1563 Juli 14. Kap. Β. 1.2.2. Möglicherweise wurden diese Zusammenhänge von den jeweiligen Kontrahenten nicht nur durchschaut, sondern die Chancen der Fiktion für die eigene kommunikative Strategie wahrgenommen. - Grundsätzlich war die Strategie der Verschleierung von Verantwortlichkeiten nicht auf Zeiten der persönlichen Identität von Reichsoberhaupt und Markgraf beschränkt (vgl. die Anordnung der Innsbrucker Regierung Erzherzog Ferdinands II., die Beamten in Günzburg sollten nach Klärung der burgauischen Hochgerichtsrechte dem evangelischen Prädikanten des Ulmer Spitals in Steinheim das Verlassen des Ortes ebenfalls für sich selbst vnd vnuermelt diß vnnsers schreibens nahelegen; StAA, VÖ, Lit. 649, 1568 Oktober 23, fol. 50 r ; nochmals wiederholt ebd., 1569 Januar 15, fol. 63 v ), äußerte sich dann aber besonders deutlich. Kap. Β. 1.2.6. StAA, VÖ, Lit. 648, 1563 September 27, fol. 81v. StAA, VÖ, Lit. 653, 1619 August 29, fol. 473 r ; ebd., 654, 1624 Juli 27, fol. 205; vgl. Kap. Β. 1.4.5.2. Kap. Β. I. 1.8.4.
Bedingungen
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abzuwägen, ergab sich ihre Neigung zu Vorbehalt und Defensive zwangsläufig,' 4 während auf der anderen Seite die Beamten der Markgrafschaft in Günzburg, durch insassische Positionen in ihrem Aktionsradius gehemmt, doch im Besitz nicht unerheblicher Exekutivgewalt, 9 5 im allgemeinen sowohl in ihren Gutachten zu optimistischeren Einschätzungen und Prognosen 9 6 als auch in ihren Maßnahmen zu offensiverem Vorgehen tendierten. 9 7 Im Verlauf des Untersuchungszeitraumes ließen sich, wobei die Administrationen ihre unterschiedlichen Positionen grundsätzlich wahrten, Wandlungen im Verhältnis zwischen der Innsbrucker Regierung und der Landvogteistelle in Günzburg ausmachen, die auf eine Zurückdrängung von eigeninitiativem Handeln vor Ort bzw. eine verstärkte Engftihrung durch die übergeordnete Verwaltungsinstanz hinausliefen. 9 8 - Selbst als die Innsbrucker Regierung während der Regentschaft Karls von Burgau für einige Zeit nicht mehr die hergebrachte, Günzburg übergeordnete Funktion innehatte, sind die Versuche unverkennbar, mit den bürokratischen Mitteln der Verwaltung Einfluß auf die Politik des Markgrafen zu nehmen, letztlich um dessen territorialpolitisches Engagement zu dämpfen. 9 9 Diese zunehmende Engfuhrung oder Instrumentalisierung der nachgeordneten Landvogteistelle resultierte aus einer Politik der Regierung in Innsbruck, die sowohl über alle Schritte der nachgeordneten Beamten ständig Rechenschaft forderte (freilich mit ausgelöst durch rege Nachfragen der insassischen Opponenten), als auch selbst restriktiv auszulegende Anordnungen erteilte. Die Bereitschaft zu eigenständiger Analyse und eigeninitiativem und möglicherweise den Umständen eher angepaßtem, rascherem und wirkungsvollerem Handeln vor Ort konnte das nicht gestärkt haben und sollte es auch gar nicht. Der Wunsch nach Einheitlichkeit und Kontrolle der Politik und die notwendige Rücksichtnahme auf reichspoli94
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Vgl. die Einschätzungen und Ratschläge zum Vorgehen in Lützelburg, Holzheim oder Burtenbach. Vgl. das Aufgebot an Landvogtknechten und Berittenen bei den Ausschaffungen der Prädikanten in Unterrohr und Lützelburg oder bei den Strafaktionen auf den Feldern um Burtenbach. Vgl. ihre Beurteilung, in Lützelburg einen katholischen Pfarrer einzusetzen, werde nicht auf den Widerstand des doch katholisch dominierten Augsburger Rates stoßen (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1577 März 30), ihre optimistische Ansicht, die Orte Burtenbach, Burgwaiden, Bocksberg, Holzheim und Pfersee rekatholisieren bzw. von protestantischen Strömungen befreien zu können (TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2. 1607 Oktober 25), wie auch ihre Überlegung, die Feuerstattguldenfreiheit Burtenbachs gegen die Hochgerichtsrechte des Ortsherren auszuspielen (StAA, VÖ, Lit. 649. 1579 Juli 14. fol. 397f.). Vgl. das eigenmächtige Vorgehen in Unterrohr, das weitere Eingreifen in Lützelburg und die eigenständige Fortsetzung der Aktionen gegen die Untertanen Schertlins von Burtenbach. Ein direkter Vergleich ihres Verhältnisses in historischer Differenzierung war möglich am Beispiel Lützelburgs, weil hier die beiden Phasen der Auseinandersetzung rund 30 Jahre auseinander liegen. Vgl. zu Burtenbach Kap. Β. 1. 4.5.2 und zu Günzburg Kap. Β. II. 3.3.2.
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Systematische
Analyse
tische Konstellationen und Interessen des habsburgischen Gesamthauses legten einerseits eine Zentralisierung von Verwaltungs- und Regierungsfunktionen, mithin eine zunehmende Bürokratisierung nahe.100 Größe und Zersplitterung bzw. Entfernung zur Zentrale bedingten damit aber grundsätzlich die Verspätung reaktiver Einzelmaßnahmen. Eine Aufhebung dieses Dilemmas war unter den kommunikativen Bedingungen der frühen Neuzeit schwer und wohl nur durch die Anwesenheit des Landesherrn vor Ort möglich.101 Während der über 500 Jahre österreichischer Herrschaft über die Markgrafschaft Burgau waren das allein die acht Jahre zwischen 1610 und 1618, in welchen Markgraf Karl in Günzburg residierte.102 - Grundsätzlich war Gestalt und Effizienz konfessioneller Politik Habsburgs in der Markgrafschaft Burgau stark an die Leistungen und die Leistungsfähigkeit der Administrationen in Innsbruck und Günzburg gebunden. In Einzelfällen konnte aus dieser Verknüpfung Verlauf und Ergebnis gegenreformatorischer Maßnahmen erklärt werden.103
3.3
Burgauische Insassen und Struktur der Markgrafschaft
Die juristische Argumentation, die 1563 zuerst die Reichsstadt Ulm bzw. Georg Besserer,104 in ähnlicher Weise dann in den 1570er Jahren die Reichsstadt Augsburg105 für ihr Ius reformandi in Unterrohr bzw. Lützelburg formuliert hatte, stützte sich mit dem Verweis auf Grundherrschaft und Niedergericht in beiden Fällen auf den Besitz der Ortsherrschaft. Dagegen seien, so die reichsstädtische Position, die hochgerichtlichen Rechte der Markgrafschaft, die sich ohnedies auf die Blutgerichtsbarkeit beschränkten, nicht hinreichend, ein landeshoheitliches Ius circa sacra der habsburgischen Markgrafen zu begründen. Die reichsstädtischen Insassen hatten damit für die beiden Dörfer eine Verteilung von Herrschaftsrechten thematisiert, die zugleich für die gesamte Markgrafschaft charakteristisch war und auch jenseits konfessioneller Kontroversen den Grund für eine Vielzahl von Konflikten zwischen Insassen und habsburgischen Markgrafen abgab.106 Mithin eröff100
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Zur Bedeutung Maximilians für die Modernisierung der Verwaltung Hirn, Maximilian, Bd. 2, S. 11-16; Noflatscher, Deutschmeister, S. 112f. Zur Problematik von Information und Kommunikation unter den Bedingungen der Frühen Neuzeit K. Müller, Gesandtschaftswesen; Press, Erblande; ders., Vorderösterreich, S. 5; E. Reinhard, Wege. Zur Bedeutung der persönlichen Residenz und Präsenz des Herrschers mit Bezug auf Vorderösterreich Press, Vorderösterreich, S. 5; vgl. Kap. Β. II. 3.3.3.1. Vgl. die fur den Fortgang der Rekatholisierung retardierenden Wirkungen kommunikativer Störungen zwischen Innsbruck und Günzburg im Falle Lützelburgs oder umgekehrt die Bedeutung eigeninitiativen Vorgehens der burgauischen Amtleute in Unterrohr. TLA, KKW, Α/Ε XIII/2, 1563 August 5. Z.B. TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1576 Juli 23. Vgl. bereits die Verhandlungen zu Donauwörth und die entsprechende Argumentation (TLA, HR, Sei. Ferd., Pos. 132 (2), 1574 April 2 und 1574 Mai 11) sowie die nach den strittigen Rechtsbereichen geordnete Zusammenstellung von Kontroversen bis zum Anfall der Markgrafschaft an Bayern (1805) bei Wüst, Landeshoheit, speziell zu den Auseinanderset-
Bedingungen
455
nete die herrschaftsrechtliche Struktur der Markgrafschaft grundsätzlich die Perspektive f ü r eine auch überkonfessionelle Solidarität der Insassen. Aus diesem Grund hatte die Reichsstadt Ulm Georg Besserer geraten, den Schulterschluß mit den Insassen zu suchen, 107 und hatte Augsburg sich mehrfach um Rückhalt am Insassenausschuß bemüht. 1 0 8 Die österreichische Seite war sich dieser Z u s a m m e n h ä n g e und ihrer möglichen Konsequenzen von A n f a n g an nicht minder bewußt. 1 0 9 Aus ihrer Analyse und Beachtung mußten sich zwangsläufig j e n e Entwicklungsoptionen ergeben, wie sie sich empirisch auch verifizieren ließen. A u f g r u n d des B e f u n d e s stellte sich der habsburgischen Konfessionspolitik eine doppelte Aufgabe: A u f der einen Seite mußte sie mit Entschiedenheit dem Entstehen eines juristisch präjudizierlichen Präzedenzfalles entgegentreten, um der befürchteten Expansion reformatorischer Initiativen unter den Insassen zu steuern. Im Falle der Auseinandersetzungen um Unterrohr und Lützelburg begegnete diese Einschätzung auf allen Ebenen der habsburgischen Administration" 0 und bestimmte das gegenreformatorische Vorgehen in beiden Dörfern. - Die mithin gegebene Konsequenz, auf diese Weise sei auch einer grundsätzlichen Schwächung der habsburgischen Herrschaftsposition in der Markgrafschaft entgegenzuwirken, wurde so j e d o c h nicht formuliert. 1 " Auf der anderen Seite aber galt es zu vermeiden, durch entsprechende M a ß n a h m e n die auch überkonfessionelle Solidarität der burgauischen Insassen allererst zu provozieren und mit dem konfessionellen Status quo zugleich die ohnedies fragile herrschaftsrechtliche Position Habsburgs in der Markgrafschaft zu gefährden. Neben anderen, gewichtigeren Gründen dürfte auch diese Erwägung die Bereitschaft zum Abschluß des Münchener Vertrages über ein Simultaneum in Lützelburg (1578) gefördert haben," 2 und nicht zuletzt der befürchtete Widerstand der Insassen ließ die H o f f n u n g auf das alternative Projekt einer Konversion des Burtenbacher Ortsherren reifen (1607). 113 M e h r noch: Z u s a m m e n f a s s e n d erklärt sich aus dem skizzierten Dilemma der durchgängig konstatierte Verzicht auf eine Politik, die gegenüber den evangelischen Insassen über die bloße Rekatholisierung hinaus konfessionelles Engagement als Instrument inneren Herrschaftsausbaus nutzbar zu machen versucht hätte." 4 Daß die meisten und die bedeutendsten Insassen der Markgrafschaft - allen voran der Bischof von Augsburg, der f ü r das Hochstift als größtem Insassen den
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zungen um die Forsthoheit Färber, Burgau; zum Judenschutz Ulimann, Nachbarschaft, S. 66-93. Kap. Β. 1. 2.5. Kap. Β. I. 1.7.2. Vgl. Β. I. 1.8.2. Kap. Β. I. 1.8.4. Kap. C. 4. Kap. Β. I. 1.8.2. TLA, Sammelakten, Reihe B, Abt. XV, Lg. 3, Nr. 2, 1607 Oktober 25; vgl. Kap. Β. I. 4.4.2. Vgl. Kap. C. 4.
456
Systematische
Analyse
Vorsitz im Engeren Ausschuß innehatte - katholisch waren, stellte umgekehrt einerseits die konfessionelle Interessenkonvergenz mit den habsburgischen Regenten grundsätzlich sicher und restringierte andererseits die Bereitschaft zu weitergehender überkonfessioneller Solidarisierung. Nach dem Herrschaftsantritt Heinrichs von Knöringen (1598), der sich als Bischof von Augsburg die R e o p e ration mittlerweile protestantischer Gebiete seines Bistums in besonderer Weise angelegen sein ließ," 5 mußte dieser Aspekt zusätzliches Gewicht gewinnen. So konnte es der Reichsstadt Augsburg 1605 und 1607 nicht gelingen, gegen eine burgauische Politik, die sich in Lützelburg auf die Rekatholisierung beschränkte und dies in enger Kooperation mit dem Bischof tat, entschiedenen, geschweige denn wirkungsvollen Rückhalt am Insassenausschuß zu finden." 6
4. Ziele: Landeshoheit und Konfession Landeshoheit und Konfession waren durch das Reichsrecht und die rechtliche und politische Praxis aufs engste miteinander verknüpft. Theoretisch mußte dies besonders dort Probleme aufwerfen, wo sich innerhalb eines Territorium non clausuni mit strittiger Landeshoheit konfessioneller Dissens auftat, weil hier die konfessionelle Orientierung zum Prüfstein der Landeshoheit wurde. Als juristische Gelenkstelle zwischen Landeshoheit und Konfession figurierte dabei die Frage nach den hochgerichtlichen Rechten. Nämliches war in der Markgrafschaft Burgau zu beobachten. 117 Die Maßnahmen, die von den habsburgischen Herrschaftsträgern und ihren Administrationen in Innsbruck und Günzburg ergriffen wurden, um die katholische Orientierung der Untertanen innerhalb der Markgrafschaft herzustellen oder sicherzustellen, können hinsichtlich ihrer Intensität und Intention räumlich und zeitlich (1) differenziert und hinsichtlich ihrer Leistungen für die Integration von Landeshoheit und Konfession auf ihre konfessionalisierende Wirkung" 8 hin befragt werden (2). (1) Im Gebiet der Markgrafschaft waren burgauische Herrschaftsrechte und war habsburgischer Einfluß auf unterschiedlich starke Weise präsent. Der Unterschied zwischen Insassen und Begüterten mit ausgeprägten eigenen Herrschaftsrechten auf der einen und Kameralherrschaften mit stark verdichteten habsburgischen Rechten und Einflußmöglichkeiten auf der anderen Seite stellte eine typenbildende Determinante der konfessionellen Politik Habsburgs dar: Gegenüber den Insassen, soweit sie evangelisch waren, verfolgte die österreichische Seite das Ziel, Prädikanten durch Priester zu ersetzen (in Unterrohr, Lützelburg, Holzheim und Burtenbach), evangelische Tendenzen in der Bevölkerung, 115 116 117 1,8
Spindler, Heinrich V. kirchenpolitische Tätigkeit. Kap. Β. I. 1.7.2. Kap. Β. I. 1.5,2.4,4.4.1,4.5.1. Zur Begrifflichkeit Kap. Α. 1.
Ziele
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zumal unter der Protektion protestantischer Ortsherren (in Pfersee und Bocksberg), bzw. die Behinderung katholischer Glaubensübung durch evangelische Ortsherrschaften (in Burgwaiden und Laugna) zu unterbinden. Das eingesetzte Instrumentarium beschränkte sich dabei in j e d e m der erwähnten Orte in signifikanter Weise auf gegenreformatorische Maßnahmen. In keinem der Fälle konnten Impulse der Markgrafschaft festgestellt werden, über die konfessionelle A b w e h r hinaus mit eigenen Mitteln zu einer Reform oder Intensivierung religiösen Lebens im Sinne der katholischen R e f o r m beizutragen. In keinem der Fälle sind Versuche auszumachen, eine faktisch erwiesene Kirchenhoheit als Ansatzpunkt weitergehender landeshoheitlicher Einflußnahme vor Ort zu nutzen. Burgauische Amtleute und Landvogtknechte und mit ihnen A u f m e r k s a m k e i t und Interesse Habsburgs verschwanden nach Einleitung der konfessionellen Korrektur allenthalben: Die Konfessionalisierung fiel aus. Damit bestätigt sich vom Ergebnis her ein B e f u n d , den bereits die Analyse des Verlaufs konfessioneller Auseinandersetzungen nahelegte: die Prävalenz religiöser Motive und Intentionen vor territorialpolitischen Beweggründen und Zielsetzungen: So begriff die österreichische Seite den Konflikt um Unterrohr oder Lützelburg als Präzedenzfall und argumentierte ausschließlich mit den befürchteten konfessionellen Folgen, die sich aus einem Erfolg der Reformation dort ebenso für weite Teile der Markgrafschaft ergeben könnten; herrschaftsrechtliche bzw. territorialpolitische Konsequenzen wurden dagegen auch intern nicht expliziert;"' ) so wurde das Projekt einer Konversion des Ortsherren von Burtenbach, wenngleich erfolglos, so nicht weniger mit Ernsthaftigkeit verfolgt, obwohl sich daraus keinerlei Ameliorationen des burgauischen Rechtsstatus im Verhältnis zu Burtenbach ergeben konnten; 1 2 0 und so verzichtete man in Holzheim aus religiösen Motiven auf die Rekatholisierung eines einzelnen Dorfes und damit auf die Chance einer auch konfessionellen Integration des Ortes in die Markgrafschaft, um die katholische Glaubensübung an anderen Orten nicht in Gefahr zu bringen. 121 Versuche, über die konkreten Konfliktfalle und über punktuelles, gegenreformatorisches Vorgehen hinaus M a ß n a h m e n zu setzen, die räumlich quer zur herrschaftsrechtlichen Determination des burgauischen Gebietes auf eine übergreifende konfessionelle Politik zielten und inhaltlich weitergehende Impulse setzten, blieben selten und ineffizient. Dem normativen Instrument der landesherrlichen Mandatierung, ohnedies in seinem Erfolg von Kontrolle und Sanktionierung abhängig, widersetzten sich die Insassen vermutlich weitgehend. 1 2 2 Im Falle der institutionalisierten Verordnung zum Aufenthalt katholischer Untertanen der Markgrafschaft speziell in Augsburg fand sich die österreichische Seite offensichtlich mit der Beschränkung der Wirksamkeit im wesentlichen auf die burgau-
1,9 120 121 122
Kap. Kap. Kap. Kap.
Β. Β. Β. Β.
I. 1.5.3 I. 4.4.2. I. 3.3. II. 3.2.1
458
Systematische
Analyse
ischen Kameralorte ab.123 Mit ökonomischen und liturgischen Mitteln - durch eine Webwarenschau in Burgau und die Sternwallfahrt nach Günzburg - eine verstärkte Orientierung aller Insassen auf die burgauischen Vororte zu erreichen, scheiterte ebenso.124 Dagegen steht der Erfolg der Mandatierungspraxis für die Kameralorte, besonders für Günzburg, außer Frage. Für den Aufenthalt Günzburger Untertanen in Augsburg konnte die Funktionstüchtigkeit der Religionsagentur in ihren Einzelheiten ebenso wie die disziplinierenden Wirkungen, die davon ausgingen, nachgewiesen werden.125 Die Politik, die hier speziell Markgraf Karl in den Jahren seiner Residenz verfolgte, besaß darüber hinaus besondere Qualität, weil sie zum einen mit einer Fülle, nämlich baulichen, ökonomischen, pastoralen und liturgischen Instrumenten über die Abgrenzung gegenüber dem konfessionellen Gegner und die Sicherung vor protestantischem Gedankengut hinaus auf eine Intensivierung des katholischen Glaubenslebens gerichtet war; zum anderen aber, weil im Falle Markgraf Karls herrschaftliche Intensivierung und konfessionelle Festigung in eins gingen, mit anderen Worten: weil in seinem Falle für Günzburg von Konfessionalisierung gesprochen werden kann.126 - Mit der Regierungszeit Markgraf Karls in Günzburg ist damit zugleich jenes knappe Jahrzehnt bezeichnet, das für die gesamte Markgrafschaft als singulare Phase differenzierter Konfessionalisierung bewertet werden konnte.127 (2) Muß Karl von Burgau damit als rasch verglommener Hoffnungsschimmer für ein „mißratenes Staatsobjekt"' 28 bewertet werden? Wer intensivierte Staatlichkeit, die Verfügung über die Fülle von Recht und Gewalt in der Hand eines einzelnen Herrschaftsträgers, als Telos der Geschichte begreift, wird nicht umhinkommen, so zu urteilen. Denn mochten sich am Ende des Untersuchungszeitraumes auch überall dort die Ansprüche der habsburgischen Regenten auf Landeshoheit durchgesetzt haben, wo ein insassisches Ius reformandi mit Erfolg bestritten und an seiner Stelle die burgauische Kirchenhoheit unter Beweis gestellt worden war: Die konfessionalisierende Wirkung, die von solcherart gegenreformatorischer Politik ausging, blieb doch in ihren Folgen für die , Staatsbildung' gering. Auf der anderen Seite stellt sich die Markgrafschaft Burgau am Ende des Dreißigjährigen Krieges als konfessionell homogenes Gebiet dar. Nur die Reichsritterschaft Burtenbach hatte sich als protestantische Enklave halten können, während in den einst evangelischen Orten Unterrohr, Lützelburg und Holzheim die katholische Religionsübung wieder allein etabliert und von protestantischen Tendenzen in vormals kritisch beobachteten Orten keine Rede mehr war. Habsburg hatte seine 123 124 125 126 127 128
Kap. Β. II. 3.2.2. Kap. Β. II. 3.3.3.2, 3.4. Kap. Β. II. 3.2.2. Kap. Β. II., 3.3.4. Kap. C. 1.3. Wüst, Rechtsstreit, S. 228.
Konfessionspolitische Interaktion
459
konfessionellen Ziele erreicht: Ohne Konfessionalisierung war es zu konfessioneller Homogenität g e k o m m e n . Es läßt sich schwer absehen, wohin die Politik Karls von Burgau gefuhrt hätte, wäre dem Markgrafen ein längeres Leben und vor allem ein legitimer Nachfolger beschieden gewesen. Zweifellos wären von einer kontinuierlichen Präsenz des Herrschers vor Ort weitere Impulse sowohl für die konfessionelle Prägung wie fur eine verdichtete Staatlichkeit ausgegangen. Andererseits wären durch eine zielgerichtete Politik der Herrschaftsintensivierung auch weitere Konfliktpotentiale eröffnet worden. Daß sich dagegen bald auch überkonfessioneller Widerstand der Insassen formiert hätte, 129 ist für ebenso gewiß zu nehmen, wie die zunehmende Nervosität, mit der man in Innsbruck und Wien die Politik Karls verfolgte, die äußeren Grenzen für ein eigenständiges Agieren des Markgrafen bereits spürbar werden ließ. Die Chancen für die S c h a f f u n g eines ,Landesfürstentums Markgrafschaft B u r g a u ' , ob mit konfessionellen oder welchen Mitteln auch immer, dürfen mithin angesichts der externen wie internen Bedingungsfaktoren habsburgischer Politik 130 nicht überschätzt werden. Vieles spricht daher dafür, daß die, jedenfalls gegenüber den Insassen praktizierte weitgehende Selbstbeschränkung der konfessionellen Politik Habsburgs in der Markgrafschaft Burgau auf das religiöse Ziel konfessioneller Rekuperation k a u m Ursache für die Formierung politisch motivierten Widerstandes gab. Dann aber könnte es heißen: N u r ohne Konfessionalisierung gelang die konfessionelle Konsolidierung der Markgrafschaft.
5. Konfessionspolitische Interaktion und verdichtete Kommunikation - ein Fazit131 Damit steht am Ende dieser Untersuchung eine Frage und eine Perspektive: Wenn also Konfessionalisierung in der Markgrafschaft Burgau weithin ausfiel, weil zunächst legalistisches Politikverständnis und konfessioneller Impetus, späterhin religiöse Intentionen und territorialpolitische Ziele nicht integriert werden konnten; wenn die mit der Konfessionalisierung einhergehende Zentralisierung von Verwaltungs- und Regierungsfunktionen grundsätzlich ein M o m e n t besaß, das effiziente konfessionspolitische M a ß n a h m e n zu h e m m e n vermochte; 1 3 2 wenn sich zudem die Prävalenz hergebrachter ökonomischer Strukturen - etwa im Scheitern des Plans einer Webwarenschau, in den konfessionell problematischen Kontakten 129
130 131
132
Aufschluß könnte hier eine politische Biographie Karls geben, die Art und Entwicklung insassisch-burgauischer Konflikte zur Zeit des Markgrafen systematisch erforscht. Kap. C. 3 . 1 , 3 . 3 . Der Kommunikationsbegriff wird in zunehmendem Maße in der historischen Forschung rezipiert und sein Deutungspotential vor allem fur die Regionalgeschichte erkannt; vgl. die Forschungsberichte und methodischen Klärungen von W.E.J. Weber, Regionen, und Hoffmann, Öffentlichkeit, im Sammelband von Hoffmann/Kießling, Kommunikation, zu einer Tagung des Memminger Forums im November 1999. Vgl. Kap. Β. I. 1.8.4.
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Systematische
Analyse
Günzburgs zur Reichsstadt Ulm oder in der Aufnahme evangelischer Beisassen in Günzburg - m und die Konservierung juristischer und personeller Verbindungen etwa in der Tätigkeit Ulmer Juristen für Günzburg oder in der Protektion des Protestanten Plebst durch den burgauischen Rentmeister - n4 als zu den konfessionellen Fronten querliegend erwies und auf der anderen Seite konfessionelle Rhetorik persistente Konflikte zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt lediglich verbrämte 135 - was taugen dann Begriff und Paradigma der ,Konfessionalisierung' zur Erklärung jener in der Markgrafschaft Burgau zwischen ARF und Westfälischem Frieden beobachteten Vorgänge? Oder welches Modell könnte statt dessen die Entwicklung der Markgrafschaft hin zu konfessioneller, katholischer Homogenität aus ihren komplexen politischen Strukturen heraus und umgekehrt die Konsequenzen des konfessionellen Diskurses für die politische Gestalt der Markgrafschaft erhellen? Ein solches Modell müßte allererst einer Beobachtung Rechnung tragen: Ob in Dissens oder Konsens - die konfessionelle Entwicklung in der Markgrafschaft Burgau konnte an keinem Punkt monokausal erklärt bzw. monoperspektivisch beschrieben werden, sie ließ stets, wenn auch mit je verschiedenem Anteil, die Beteiligung und das Einwirken einer Vielzahl von Akteuren erkennen, der weltlichen wie geistlichen Herrschaftsträger und ihrer Administrationen, der habsburgischen Markgrafen, Erzherzöge, Kaiser und ihrer Regierungen und Verwaltungen in Wien oder Prag, Innsbruck und Günzburg, der Ortsherrschaften bzw. Insassen mit ihren Gremien und Fürsprechern, des Bischofs und der Welt- und Ordensgeistlichen vor Ort, der kommunalen Obrigkeit, der Gemeinde und der Bevölkerung. Im Falle konfessionellen Konsenses war das Zusammenwirken unterschiedlicher Akteure teils explizit koordiniert und wies eine typische Rollenverteilung auf: Besonders augenfällig ist die kooperative Qualität des Verhältnisses zwischen österreichischer Seite und Ortsbischof, insbesondere zur Zeit Erzherzog Maximilians und Markgraf Karls auf der einen und Bischof Heinrichs von Knöringen auf der anderen Seite. Ihre Funktionen waren dabei grundsätzlich in der Weise differenziert, daß der weltlichen Gewalt die Konstituierung der Rahmenbedingungen - der Rekatholisierung bzw. der konfessionellen Abschließung nach außen der geistlichen Gewalt die Stabilisierung des Bekenntnisses im Innern eines Ortes oblag. Idealtypisch ausgeprägt war diese Rollenverteilung im Verhältnis zu insassischen Herrschaften, 136 in den Kameralorten lagen die Verhältnisse etwas komplexer. Besonders für Lützelburg, aber auch für Emersacker oder Burgwaiden war es möglich, Anteil und Bedeutung der Gemeinde bzw. der Be133 134 135 136
Kap. Β. II. 3.4.1 und 3.4.2. Kap. Β. II. 3. Anm. 402. Kap. Β. II. 3.3.3.4, C. 2.3. So in Lützelburg (Kap. Β. I. 1.8.3) und Holzheim (Kap. Β. I. 3.4), Pfersee (Kap. Β. I. 5.2.3) und Bocksberg (Kap. Β. I. 5.3.3); in Laugna (Kap. Β. I. 5.3.4) und Emersacker (Kap. Β. I. 5.4.3) mit deutlichem Übergewicht der kirchlichen Initiative.
Konfessionspolitische
Interaktion
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völkerung am Prozeß der konfessionellen Gestaltung zu studieren. 137 Für andere Orte wurde versucht, deren Position wenigstens zu rekonstruieren und in ihrem Einfluß auf die konfessionelle Entwicklung zu berücksichtigen. 138 Aus der Konzeption der Untersuchung, ihrer Konzentration einerseits auf Orte evangelischer bzw. bikonfessioneller Insassen, andererseits auf einen österreichischen Kameralort, ist dagegen verständlich, wenn die Bedeutung der burgauischen Insassen zur Herausbildung einer katholischen Konfessionalität nicht hinreichend Berücksichtigung finden konnte; eine systematische Untersuchung bleibt hier noch zu leisten. Immerhin belegte das Beispiel Lützelburg, wie eine bikonfessionelle Ortsherrschaft nach der Rekatholisierung ihre obrigkeitlichen Funktionen einfach im katholischen Sinne wahrnahm. 139 Wenigstens Schlaglichter fielen beiläufig auf die Rolle katholischer Insassen und ihre konfessionellen Impulse. 140 Am Beispiel Günzburgs konnte schließlich, dank entsprechender Überlieferungslage, die Vielzahl konfessioneller Akteure aufgewiesen werden, die sich in funktionaler Differenzierung am konfessionellen Diskurs beteiligten. 141 Das konfessionelle Erscheinungsbild der Markgrafschaft Burgau am Ende des Untersuchungszeitraumes war nicht Ergebnis des prädominanten Agierens eines einzelnen Herrschaftsträgers, sondern wird verständlich aus der konfessionellen Interaktion, die einer Vielzahl von Akteuren Freiheit und Raum ließ für die Gestaltung religiösen und kirchlichen Lebens. 142 Die Analyse von Miteinander und Ineinander konfessionell motivierter bzw. geprägter Politik unterschiedlicher Akteure vermochte Synergieeffekte offenzulegen, die die konfessionelle Homogenität innerhalb der Markgrafschaft am Ende des Untersuchungszeitraumes eher plausibel machen als ein mono- oder stereokausales Erklärungsmodell einer Konfessionalisierung, sei es durch Landesherr oder Bischof, sei es „von oben" oder ,νοη unten'. 143 137 138 139 140
141 142 143
Kap. Β. I. 1.6., vgl. 1.7.1, 5.1.2, 5.4.4. Kap. B. 1.2.7,3.5, 4.6. Kap. Β. I. 1.8.1. Kap. Β. II. 3.2.2 (Beteiligung der Fugger am Mandat zum Aufenthalt burgauischer Unertanen in Augsburg), Kap. Β. II. 3. Anm. 243 (Bruderschaftsgründung der Freiberg). Kap. Β. II. 3.5. Vgl. H.R. Schmidt, Emden, S. 24. Vgl. Kap. Α. 1. - Schlögl, Differenzierung, plädiert zwar ebenso im hier vorgeschlagenen Sinne dafür, „Konfessionalisierung als offenes Geschehen zu behandeln, das multizentrisch ablief und auf unterschiedlichen Ebenen der sozialen Ordnung auch unterschiedliche Erfahrungswirklichkeiten produzierte" (S. 281). Er untersucht dabei die Verhältnisse in den „habsburgischen Vorlanden", unter die er die gesamten habsburgischen Besitzungen im deutschen Südwesten mit ihrer im einzelnen sehr disparaten herrschaftsrechtlichen Ausgangslage subsumiert (S. 246), läßt die Gebiete östlich der Iiier, also jene im Bereich des Bistums Augsburg, im Verlauf der Untersuchung jedoch unberücksichtigt. Daß aber dort die kirchenrechtliche Situation anders gestaltet war als im Bereich des Bistums Konstanz und die Prälatenklöster bzw. -stifte von der Jurisdiktion des Augsburger Ordinarius exemt waren, würde seine faktische Gleichsetzung kirchlicher mit bischöflicher Reformpolitik (vgl. S. 260f.) in Frage gestellt haben. Während sich Schlögl damit nicht multizentrisch, sondern
462
Systematische
Analyse
Welchen Gewinn verspricht nun alternativ das konfessionelle Interaktionsmodell für eine vertiefte Erkenntnis jener zweiten, gewissermaßen staatlichen' Seite der Medaille ,Konfessionalisierung'? Zum einen eröffnet es neue Zugänge zum Verständnis der landesherrlichen Politik und Position Habsburgs in der Markgrafschaft Burgau - und wohl darüber hinaus. Denn indem das Modell auf die kommunikative Dimension politischen Handelns abstellt, erfaßt es einen Grundzug habsburgischer Politik in der Markgrafschaft Burgau, begegneten doch kommunikative Strategien zur Ausübung von Herrschaft und Einfluß auf vielfaltige Weise: als juristische Argumentationskonzepte und symbolische Kommunikationsformen, 144 in Gestalt jener Maßnahmen, die auf eine kommunikative Option setzten - das Projekt zur Konversion Schertlins ebenso wie die Impulse, die Markgraf Karl mit Wallfahrt, Klosteransiedlung oder liturgisch vorbildlicher Sakralmusik setzte - 145 und schließlich als ,Zwang zur Kommunikation', wie ihn eine Korrespondenz - in führender Weise von Innsbruck aus - hervorbrachte, der jenseits verwaltungstechnischer Erfordernisse die Funktion zukam, mangelnde herrschaftliche Präsenz kommunikativ zu kompensieren. Zum anderen aber können Intensi-
144 145
bipolar auf die beiden Perspektiven von „Herrschaft" - bei ihm: Landesherrschaft - und „Kirche und Konfession" (S. 245, 259) beschränkt, versucht die vorliegende Studie hier weiter zu differenzieren, jedoch nicht in rein additivem Sinne: Ausgangspunkt ist die Beobachtung, daß das landesherrliche Kirchenregiment in der Markgrafschaft Burgau (ebenso wie in den meisten westlichen habsburgischen Gebieten; vgl. S. 248) - abgesehen von den Kameralherrschaften - kein Herrschaftsrecht a priori auf der Seite Habsburgs war, sondern Kirchenhoheit und Landesherrschaft gleichermaßen zwischen dem habsburgischen und anderen Herrschaftsträgern prinzipiell strittig waren, und zwar gleichgültig, welcher Konfession sie zuneigten. Das Erkenntnisinteresse der Studie richtet sich damit auch auf die Frage, welche Bedeutung die Auseinandersetzung um die Konfession in einer herrschaftsrechtlich zerklüfteten Landschaft gewann. Die Vermutung Schlögls, daß wegen der fehlenden territorialen Geschlossenheit der Vorlande „für eine spektakuläre Konfessionalität der Landesherrschaft [...] eigentlich kein Bedarf' bestanden habe (S. 279), ließ sich jedenfalls für die Markgrafschaft Burgau auf diese Weise konkretisieren bzw. zeitlich differenzieren und korrigieren (vgl. C. 4.). - Der Versuch, dabei nach der Wirkung der zweifellos in großer Zahl erlassenen Mandate mit konfessionell getönter Thematik zu fragen, läßt fur die Markgrafschaft Burgau die Beurteilung des habsburgischen Erfolges im übrigen skeptischer ausfallen (vgl. B. IL 3.2.1.), als es bei Schlögl der Fall ist (S. 256-259, bes. S. 259). - Vor allem aber wird nicht additiv, sondern integrativ versucht, das Miteinander, Ineinander, bisweilen auch Nebeneinander und Gegeneinander der auf einen gemeinsamen - religiösen - Bereich zielenden Politik der unterschiedlichsten Herrschaftsträger zu beleuchten, also ihr Handeln auf demselben Feld zueinander in Bezug zu setzen (was bei gleichgerichteter Intention mit dem Begriff der Interaktion umschrieben wird). Im Gegensatz zu Schlögl geht es vorliegender Studie also nicht um die Frage, wie sich hier unterschiedliche soziale Handlungsbereiche mit eigener Handlungsrationalität, z.B. „Kirche" und „Herrschaft" (vgl. S. 244), ausbildeten; es geht nicht strukturell um die Differenzierung von Handlungsbereichen, sondern aktuell um die Vernetzung von Handlungsträgern, was freilich im Rahmen einer spezifischen Kommunikationsstruktur innerhalb des Untersuchungsraumes vonstatten geht und andererseits zu Festigung oder Veränderung dieser Struktur beiträgt. Kap. C. 2.1. Kap. Β. II. 3.3.3, 3.3.4.
Konfessionspolitische
Interaktion
463
tat und Permanenz, mit der die Kommunikation - hier im Medium konfessioneller Politik - innerhalb der Markgrafschaft Burgau zwischen den verschiedenen Herrschaftsträgern unter Einschluß der Bevölkerung betrieben wurde, dabei helfen, Stabilität und politische Gestalt eines Gebildes zu erklären, dem unter territorialstaatlichen Prämissen nie beizukommen war. 146 Auch darin eröffnet sich eine Perspektive - für die Erforschung der Markgrafschaft Burgau und mit ihr für alle staatsrechtlichen ,monstra'.
146
Aus der Konzentration auf geschlossene territoriale Gebilde erklärt sich wohl nicht nur die Betonung der Konfessionalisierung, sondern auch die Vernachlässigung kommunikativer Prozesse in ihrer Bedeutung für die Staatsbildung bei W. Reinhard, Wachstum, bzw. ders., Staatsgewalt. Dagegen hofft Christ, Konflikte, bes. S. 153, aus der Analyse der Kommunikationsprozesse heraus Entstehung und Zusammenhalt der Eidgenossenschaft erklären zu können. Dieses Modell könnte sich auch für die Markgrafschaft Burgau als tragfahig erweisen.
Abkürzungen* ARF ARG BWKG DWB
FS HAB HDA
HRG
HZ JAB JHVD JVK KLK LThK MS ND NDB
NF RGG RKG RJK TRE U&O VSWG WF
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Archivsiglen: vgl. Quellenverzeichnis.
466
WWKL
ZBLG ZHVD ZHVS ZHVSN ZWLG
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Index der Personennamen A Aichelin, Leonhard 332 Alba, Fernando Alvarez de Toledo, Hz. von 236 Albrecht Alkibiades, Mgf. von Brandenburg-Kulmbach 43 Albrecht V., Hz. von Bayern 49-52, 65-66, 72-73, 88, 93-94, 96, 105, 113,239-44, 241 Allgäuer, Christoph 408 Ammann, Jakob 305 Ammann, Leonhard 305 Arnold, Petrus 305-306, 309 Arzt, Ulrich 36 Arzt, Wendel 216 Augsburg - Bischof 2 1 , 2 6 7 , 3 1 2 , 3 3 1 , 3 9 1 , 436,455 - Domdekan 33-34 - Domkapitel 2 1 , 3 1 , 2 0 5 - Generalvikar 274, 279-82, 339, 342, 390 Β Bacher, Kaspar 124, 162-63 Baden, Mgf. von 148 Barragan, Don Rodrigo de 384 Bauer, Hans 411 Baumgarten (Augsburger Patrizier) 234 Baur, Anton 123-24, 137, 155, 159162 Baur, Hans 409 Bayern, Hz. von 2 1 , 3 7 - 3 8 , 4 9 - 5 2 , 65-66, 72-74, 88, 93, 94, 96, 105, 113,206, 2 2 2 , 2 3 9 - 4 4 , 2 8 0 , 3 8 5
Beckheler, Jacob 409 Bemelberg, Konrad von 131 Berchtold, Ulrich 333-34, 350, 426 Berg, Marquard vom 1 0 7 , 2 2 2 , 3 3 8 , 390, 402 Besserer (Augsburger Patrizier) 69, 118-22, 134, 142, 145, 172,206, 209, 2 8 4 , 3 5 7 - Bernhard 127-33 - Georg 118-27, 132-62,231, 441,451,454-55 - Klaus 121 - Matthäus 121 Biechele, Jakob 409 Bindnagel, Barbara 82 Blankenstein, Kilian 297, 302-03, 332,334, 344-45,347,415 Blarer, Ambrosius 132 Blarer, Gerwig (Abt von Ochsenhausen) 121 Böck, Johann Ludwig 190,198 Bogner, Michael 333 Botzenhart, Peter 193 Braun, Leonhard 2 8 4 , 2 9 5 , 3 1 0 , 320, 3 2 3 , 3 3 3 , 3 3 5 - 3 7 , 340-43, 3 4 5 , 3 5 1 , 3 8 2 , 3 9 1 - 9 2 , 3 9 4 , 408, 411,423-28, 447 Breitschwert, Veit 89, 110 Bremble/Bremel 281 Breuning, Sebastian 206 Brixen, Bf. von 3 5 4 , 3 7 0 Bullinger, Heinrich 44 Burgau, Mgft. - Engerer Ausschuß der Insassen 21,96-97, 104, 108, 116, 152, 456
508
Index
- Großer Ausschuß der Insassen 21, 104 - Landvogt 24, 39, 43-44, 46-48, 54, 56, 58, 60, 76, 79-80, 83, 87, 94, 100, 103, 112, 114, 123124, 138, 143, 145, 149-53, 155-59, 171-72, 180, 199, 22729, 240-41,253,273,286,288, 290, 292-97,351,357,389, 412,419-20, 422-23,447 Burggraf - Stoffel 202 - Ulrich II. 33 - Ulrich III. 203,216 - Ulrich IV. 202-03,211 Burlafinger 404 C Christoph, Hz. von Württemberg 69,125,138, 143, 150, 152, 234 Claudia von Medici, Ehzin von Österreich 433, 440 Clemens VIII., Papst 185,338 Clemens Wenzeslaus, Kf. von Sachsen 378 D Deckinger, Johann 284, 425 Deutscher Orden 52, 122, 130, 140 Dill, Georg 409,418 Dornvogel, Michael 293, 390, 422 Durst, Bernhard 360, 362, 364 Ε Eberlin, Johann 188,324-25,327328 Eberstein, Gfen von 148 Eck, Johannes 303 Edenhäuser, Johann 284 Edlmann, P. Augustin 347, 349, 378
Ehinger 130, 141-42 - Hans Christoph 196 - Johann Walter 121 - Ulrich 301 Ehinger von Balzheim, Ulrich 196 Elchinger, Peter 329 Ellerbach - Burkhart von (Bf. von Augsburg) 309 - Friedrich von 302-03, 309 Ems, Wilhelm von 165 F Faber, Martin 415 Farenschon, Hans 403 Ferari, Elisa 371 Ferdinand I., Ehz., Kg./Ks. 23, 39, 45, 47-52, 60, 62, 65-68, 72, 78, 88, 92-96, 105-06, 109, 111, 113, 116, 122, 125, 136-37, 143, 146, 149, 151, 153, 156-59, 164, 16972, 174, 189, 200, 203, 206, 214, 215-216,218, 234, 240, 241-43, 269, 290, 296,312,326, 354, 357,433-34, 448-49, 451 Ferdinand II., Ehz. 47, 122, 165, 168-69, 181, 186, 188, 199,215, 218, 222, 224, 244, 258, 262, 268, 285,293-94, 300, 329,35354, 358-59, 370-76, 383-84, 399, 419, 422,433-37, 452 Ferdinand Karl, Ehz. 178, 183-84, 274,433, 440 Fetzer, P. Jakob 188 Fichart, Kaspar 163 Fleck, Margareta 425 Flexle, Jakob (Probst von Wettenhausen) 380 Flinner, Johann 208 Franck, Sebastian 128-29 Frank, Ludwig (Probst von Wettenhausen) 121
509
Personennamen
Frecht, Martin 208 Frecht, Peter 329 Freiberg (Herren von) 20, 131, 382 - Eberhard von 218,235 - Marquard von 382 Frey, Georg 334,342,426 Frey, Johannes 188-90 Freyberg, Johannes Christoph von (Bf. von Augsburg) 378 Friedrich II., Pfalzgf. bei Rhein, Kf. 234 Friedrich III., Ks. 203 Friedrich IV., Ehz. 290 Fröhlich, Georg 38-39 Fugger 4 1 , 4 4 , 7 1 , 131,245,247, 249,254, 265,276, 361,365, 387,461 - Christoph 387 - Hans 222 - Hans Ernst 361,364-65 - Hieronymus 245,248 - Jakob 15 - Lukas 202 - Marquard 272, 275-76, 280 - Marx 360,362,364,-65 - Marx Philipp 266, 272, 27576,280 - Ottheinrich 361,365 Fugger-Babenhausen 246 Fugger-Kirchberg 164, 171 Fugger-Kirchheim 247 Fugger-Wellenburg 246 Furtenbach, Zacharias 273, 279-80, 284,310,319,332,391,394, 415,423
Gassenmair, Adam 303 Gedarth, Michael 92 Geiger, Lienhard 190,198 Geizkofler, Zacharias 246, 254 Gemmingen, Johann Otto von (Bf. von Augsburg) 338, 380 Georg der Reiche, Hz. von BayernLandshut 21 Georg Friedrich, Mgf. von Brandenburg 70 Gering - Anna 366 - Georg 366 Gering, Stoffel 406 Gessel, Christoph 214 Gienger (Ulmer Patrizier) 121 - Laux 142, 196 - Marx 142, 196 Glaser, Daniel 329 Goppold, Leonhard 192 Gossembrot, Wilhelm 257 Gottsfeld, Georg von 302 Götz, Margareta 297 Grafenegg, Friedrich von 39, 43 Gregor XIII., Papst 267 Gregor XV., Papst 317 Greßmundt, Michael 389, 393 Grießbeutel, Jakob 193-95 Grim, Bonacurs von 203,214,233 Gruber, Christoph 418 Gumppenberg, Georg von 265 Günzer, Georg 406, 425 Güß von Brenz 339,427 Gustav II. Adolf, Kg. von Schweden 177,257 Gwerlich, Johann 302
G Gaggenmayer, Paulus 189 Galster, Hans 409 Ganser, Hans 297 Gärlin, Agatha 409 Gässel, Christoph 42-43
Η Habsburger 19-21, 87, 95, 104, 130, 143, 146, 176, 201,224, 242, 244, 307, 328, 369-70, 382, 445,
510 447-48, 450-51, 454-56, 458-59, 462 Haderdey, Simon 45, 53, 74-75, 77, 99, 100, 103, 107, 116 Hager, Gall 50-51,68, 171 Haid, Christian 43 Haintzius, Deusdedit 302,336,419 Haintzlin, Johann Baptist 51 Halbhirn, Clemens 417 Haller, Jakob 250 Hallmayer, Sebastian 299 Han - Hans Christoph 57, 72, 79, 172, 227,410,412 - Isaak 46, 50, 68, 170, 361 Hans von Neuhausen 406 Hartmut, Hans 58, 74, 80, 82 Heichele, Sebastian 48 Heilbrunner, Johannes Philipp 271 Heinrich II., Kg. von Frankreich 213,234 Heinrich, Nikolaus 59 Held, Hans (Hans Heinrich) 40-41, 134, 209 Helfenstein, Schweikhart von 242 Helm - Johann Egolf 312, 351 - Kaspar d.Ä. 352,399,418,426 - Kaspar d.J. 351,379,400,417, 424 Herberstorff, Adam 384 Herwart (Bgm. von Augsburg) 3940 Heß, Hans 39 Heut, Martin 402 Heydeckher, Ulrich 425 Hieber, Leonhard 38 Hieber, Ulrich I. (Probst von Wettenhausen) 121, 123 Hilpert, Johann 204 Hoechstetter, Ambrosius 245-49 Hoechstetter, Johann Chrysostomos 51
Index
Hohenberg - Anna Elisabeth von 371 - Ferdinand von 165,371 - Karl von 165,371 Hohenems, Marx Sittich von (Erzbf. von Salzburg) 392 Hohenreichen, Mang von 266 Holzbock, Hans 260-61 Holzwart, Jakob 326-27 Höpp, Elias 189 Hornburger - Anna 407, 409 - Hans 407 Hornung, Georg 408 Huber, Kaspar 36 Hueber, Kaspar 193 Hundt, Vigileus 73 Huriinger, Matthäus 274 Hürnheim, von 327 I Ilsung, Christoph 49, 93 Ilsung, Georg 88 J Jachingen, Maria (Äbtissin) 368 Jacobi, Hannß Jacob 409 Jäger, Hans Georg 409 Johann Friedrich, Kf./Hz. von Sachsen 213 Joseph II., Ks. 345 Jülich-Kleve-Berg - Sibylla von 285,371,374 - Wilhelm von, Hz. 285 - Wilhelm von, Hz. 371 Κ Karl II., Ehz. von Innerösterreich 48 Karl V., Ks. 43, 127, 135, 146, 20607,217,234,328
Personennamen Karl von Burgau, Mgf. 19, 76, 165, 169, 171, 174-76, 1 7 9 , 2 1 5 , 2 1 8 22, 224-25, 229-30, 232, 235, 238, 263-64, 284-85, 297-99, 312-14, 347, 3 4 9 , 3 6 9 - 9 6 , 429, 4 3 1 - 3 3 , 4 3 6 , 437-40, 4 4 7 , 4 4 9 50, 452-54, 458-62 Kaut, Georg 276-82 Kay, Peter 200 Kaysersberger, Georg 57 Kazböck von Thürnstein, Michael 257 Keederich - Barbara 366 - Hanns 366 Keller von Zinnendorf, Christoph 218 Keßmann, Heinrich 420-23 Kircher, Konrad 214 Kleber, Hans 2 5 0 - 5 1 , 2 5 3 Kleinlin, Johann 2 6 9 , 2 7 1 , 2 7 3 , 2 7 5 Kling, Balthus 191 Klingler, Andreas 340-42 Knöringen - Hans W o l f von 203 - Heinrich von (Bf. von Augsburg) 53, 56, 97, 103, 107-08, 179-81, 186, 2 0 1 , 2 2 6 , 230, 2 5 3 , 2 6 3 - 6 4 , 2 7 1 , 2 9 5 , 311,313,320-21,323,338, 3 5 1 , 3 7 9 , 3 8 2 , 3 8 4 , 390-94, 424, 4 2 8 , 4 3 1 , 4 4 0 , 447, 456, 460 - Johann Eglof von (Bf. von Augsburg) 1 0 7 , 3 3 1 , 3 3 8 - Stefan von 2 7 5 , 2 7 9 - Ulrich von 276 Kofler, P. Serafin 349 Koler, Ulrich 86, 191 Konen - Anna 366 - Jacob 366
511 Konstanz, Bf. von 15, 100, 147, 354 Korn, P. Mauritius 313 Krafft, Hans 136 Kratzer, Hans 4 6 - 4 7 , 4 9 , 5 1 Kraus, Hans 409 Kuenberg, Michael (Erzbf. von Salzburg) 93 Kurz, Martin 400 L Labar, Kaspar 329 Lambardi, Girolamo 380 Lang, Johann 418 L a n g , J o h a n n e s 334, 337 Langenmantel (Augsburger Patrizier) 41 Lasso, Orlando di 380 Lauinger, Hans zu Mittelstetten 89, 110
Lederer, Michael 367 Lederlin, Ulrich 42, 43 Leopold I., Ehz. 376 Leopold V., Ehz. 25, 147, 165, 16869, 172-77, 179-81, 186, 188, 218,220, 226,230, 274,285, 290,385,412, 433,438,440 Liechtenauer, Johann 73 Lierheim, Hartwig von (Bf. von Augsburg) 246 Lindenmayer, Alexander 298-99 Lochner, Erhard 322 Lucchese, Alberto 375 Ludwig X., Hz. von Bayern 206 Lusterer, Hanns 245 Luther, Martin 3 6 , 4 4 , 1 9 7 , 2 6 7 , 303 Lutzenberger, Jakob 327 Lutzenberger, Wilhelm (Bgm. von Günzburg) 425
512
Index
Μ Magister Sebastianus 324 Mair, Johannes 182-84 Mair, Nicolaus 209 Malterrock, Balthasar 189 Manlich, Matthias (Augsburger Kaufmann) 121 Manne, Johann Jakob 271 Maria Theresia, Ks. 19, 46, 109, 287,311,346 Martin von Kissendorf 405 Matthäus, Hans 364,368,414 Matthias, Ks. 219,235-36,448-50 Maul, Peter 83 Maximilian I., Ehz., Ks. 21,245 Maximilian I., Hz. von Bayern 280, 385 Maximilian II., Ks. 105-06,136, 146, 266, 434, 449 Maximilian III., Ehz. und Deutschordensmeister 51-57,76, 78-79,81,83,90, 95,98-99, 10103, 106-09, 111-114, 116, 157, 169, 172, 174, 176, 179,215216, 218, 220, 224, 227-30, 235236, 252-54, 256, 262-63, 269, 271-72, 294, 354, 356, 360, 37274, 385, 433, 435-36, 438, 450, 460 May, Bartholomäus 57, 59 Mayer, Adam 426 Mayer, Hanns 367 Mayer, Michael 408 Mayer, Sr. Klara 312 Mayer, Ulrich 417 Mayer, Ursula 411 Mayr - Apolonia 366 - Jacob 366 Mayr, Georg 42-45, 47-48, 73, 85, 87, 92-93, 106
Mayr, Hans 58-59, 74, 80, 82-83, 97-98, 100-101, 108, 110, 114 Mayr, Johann 177 Mayr, Michael 177 Meges - Christoph d.Ä. 426 - Christoph d.J. 406 Meges, Eustachius 285,318 Meges, Martin 318 Memberger, Kaspar 185 Mendlin, Georg 411 Menhofer, Georg (Probst von Wettenhausen) 122 Merckh, Hanns 367 Merk, Johannes (Abt von St. Ulrich und Afra) 382 Meyer, Wilhelm 177 Meyländer, Ottmar 166 Miller, Kleophas 45, 84-85, 103 Moppolt, Lienhart 192 Moritz, Hz./Kf. von Sachsen 127, 213 Moser, Justinian 330, 410 Mossin (Jude zu Günzburg) 421 Mößler, Ursula 82 Mötz, Hans Siehe Matthäus, Hans Müller, Appolonia 409 Müller, Sebastian 206 Müller, Veit 124,162-163 Mumprecht, Christoph 298, 299 Musculus, Wolfgang 40-41,44, 134, 204, 209 Mylius, Georg 268 Ν Nadler, Hieronymus 51,73 Negelin, Sylvester 304 Neukamm, Michael 405 Nieß, Martin 183-184 Nomi, Darius Castelleti von 371 Nusser, Stachaß 318
513
Personennamen Ο Oekolampad, Johannes 132 Oettingen, Gfen von 270 (Dettingen, Gfen von 266 - Ludwig XVI., Gf. von 212, 266 Oettingen, Gfen von 274 Oettingen, Gfen von - Ludwig XVI., Gf. von 446 Österreich, Andreas von (Kardinal) 185 Ottheinrich, Pfalzgf. in Neuburg, Kf. 3 8 , 6 9 , 2 3 4 , 2 8 3 Otto (Kardinal, Bf. von Augsburg) 2 3 , 6 9 , 124, 130, 144, 1 4 8 , 2 7 0 , 293, 320, 332, 338, 406, 415, 4 1 9 Ρ P. Ambrosius von Rosenheim 351 P. Anaklet 350 P. Damian von Venedig 313, 383 P. Johann Maria von N o t o 352 Palestrina, Giovanni P. 380 Pappenheim, Gf. Gottfried Heinrich zu 175 Papst 128, 185-187, 267, 317, 321322, 3 3 8 , 3 8 0 - 8 1 , 3 8 3 , 4 1 1 Paul V., Papst 3 1 7 , 3 2 1 - 3 2 2 Paur, Bartholomäus 366 Paur, Hanns 366 Paur, Michel 193 Pegner, Christian 407 Penlein, Johann 166 Peutinger, Konrad 49, 93 Pflanz, Anna 409 Philipp, Lgf. von Hessen 128 Pichler, Gabriel 99 Pimmel (Augsburger Patrizier) 71 Pius IV., Papst 381 Pius V., Papst 380 Plebst - Hans 4 1 0 , 4 6 0
- Leonhard 54, 56, 114, 169, 171,410 Pranger, W o l f g a n g 43 Prinsthofer, T h o m a s 378
R Rabus, Ludwig 1 3 6 , 1 6 7 , 1 9 4 Racholdinger, Elias 378 Raitnau, Hans Werner von 46, 123, 143, 155-56, 159, 162 Raittenau, Wolf Dietrich von (Erzbf. von Salzburg) 390 Rauner, Kaspar 38 Rechberg, Jakob von 43 Rechberg, Johann Rudolf von (bfl. Administrator) 183 Rehlinger (Augsburger Patrizier) 246 - Hans Sebastian 57-59 - Karl 2 4 5 - 5 6 , 2 5 9 - 6 0 , 4 4 6 - Maria 246 - Ulrich 36 Rehm, Felix 49, 93 Rehm, Gilg 266 Reifsteck, Christoph 92 Reischach, Laux von 234 Reiser, Georg 190 Renz, Cyriak 72, 1 7 2 , 2 2 7 , 2 5 3 , 361 Renz, Margarete 165 Renz, Thomas 51 Reslin, Christian 324 Retter, Andreas 360 Riederer, Laux 329 Riedheim - Egolf von 242 - Euphrosina von 265 - Konrad von 2 7 , 2 1 8 , 2 6 5 - Margaretha von 218 Riedinger, Valentin 409 Riedler (Augsburger Patrizier) 121 Rieger, Leonhard 43
514
Index
Rieter (Nürnberger Patrizier) 265 Rieter von Bocksberg - Georg 266 - Gilg 266 - Hannibal 165 - Jakob 165 - Ursula 265 Rimmele, Hans 59, 83, 249, 256 Rohrmiller, Hans 407 Rorif, Servatius 376 Rößle, Leonhard 269 Rot, Konrad von 202 Roth (Ulmer Patrizier) 182 - Konrad 142, 167 Roth, Dietrich von 301,332,411 Roth, Hieronymus (Probst von Wettenhausen) 222 Roth, Sebastian 363 Rudolf I., Ks. 451 Rudolf II., Ks. 52,99,185,189, 242, 258, 266, 290, 354, 360, 372, 433,435,448, 451 Rueff, Michael 57, 107, 108 Rumelin, Cristan 249 S Saccazzi, Kaspar 379, 390-93, 395 Sagittarius, Johann 180,378-79 Sailer, Gereon 38 Sailer, Hieronymus 257 Sallwürtt - Hanns 366 - Maria 366 Sapper, Kaspar 281 Schaler, Ludwig 425 Schaller, Ulrich 310,334,339,341, 415-416, 422 Schappeler, Christoph 327 Schauenberg/Schaumberg, Georg von 302 Schaumberg, Kardinal Peter von (Bf. von Augsburg) 312,316
Schaumberg, Martin von (Bf. von Eichstätt) 70 Schazmann, Melchior 409 Scheffler, Klaus 408 Schefler, Lienhart 48 Schenk von Stauffenberg, Sebastian 329,330,390,410 Schenk, Augustin 177 Scherauß, Eva 367 Scherlin, Hans 166 Schertlin 20, 284, 446 - Heinrich (Weihbf. in Speyer) 206 - P. Heinrich 204 Schertlin von Binswangen - Hans Ludwig 242 - Ludwig 242-43 Schertlin von Burtenbach - Hans Friedrich 265 - Hans Sebastian d.Ä. 203,212, 239-44, 434, 446 - Hans Sebastian d.J. 216,21830, 231-32, 235-38, 437-38, 448-49, 462 - Johann Friedrich 265,271, 273-82 - Johann Georg 265 - Sebastian 40, 126, 133-34, 202-18, 226, 233-35,239,374, 441,446, 449 Schertlin von BurtenbachStammheim - Johann (Hans) Friedrich 204, 230 - Johann Franz Marquard Eusebius 230 Schilbock, Heinrich 143 Schlayer, Michael 403 Schlegel, Johann Balthasar 412 Schleicher, Daniel 128,132 Schleicher, Hieronymus 299 Schilder, Kaspar (Prior von Buxheim) 200
515
Personennamen
Schlump, David 45, 48, 93, 162 Schmid, Bartholomäus 204 Schmid, Heinrich 334, 409 Schmid, Michael 329 Schmid, Michael (Probst von Wettenhausen) 122, 144 Schmid, P. Bonaventura 348, 350 Schmid, Thomas Jakob 420, 422, 423 Schmidt, Ulrich 408 Schmidtner, Michael 57,107-08, 2 7 6 , 2 7 9 , 3 4 2 , 392 Schmucker, Ulrich 202 Schmutterer, Georg 167 Schnitzler, Anton 176-79,181-87, 190-91, 197 Schöffel, Georg 34, 57-58, 77, 79, 8 1 , 8 6 , 97, 108, 110 Schön, Melchior 367 Schulenburg, Jakob von der 214 Schuler, Georg 405 Schwenckfeld, Kaspar von 128-29 Seida, Ferdinand 385 Seifried, Ernst 296 Seifried, P. Heinrich 313 Send - Barbara 206 - Ulrich 206 Seuter, Werner 51, 63, 71, 87 Sigismund Franz, Ehz. (Bf. von Augsburg) 2 7 4 , 3 3 8 Sigismund, Kg./Ks. 289-90 Simon (Jude zu Günzburg) 421 Spaur und Vallär, Franz zu 371 Spies, Hans 329 Sponsus, Michael 194 Spreng, Johann 333 Stain von Ronsberg, Hans vom 285 Stang, Georg 410 Stegherr, Balthasar 278 Stegman, Jacob 367 Stein zu Jettingen, Adam vom 212
Stetten (Augsburger Patrizier) 26566,276 - Albrecht von 265-68,273-275 - Georg I. von 265-66 - Georg II. von 245-47, 249, 266 Stirn, Jacob 366 Stölzlin - Bonifaz 177, 197-98 - Johann 197 Stor von Ostrach, Hieronymus 57, 108,339,361,417 Stotzingen, Ulrich von 54, 56-58, 72, 76, 79, 82-83, 103, 112, 114, 169, 1 7 2 , 2 2 7 - 2 9 , 2 5 3 , 2 7 3 Straub, Sebastian 329 Stueler, Hans 260-261 Stuelerin, Sara 260-261 Stumpp, Johannes 341-342 Syrer, Wolfgang 166 Τ Taubadel (schwedischer Befehlshaber) 350 Teintzer, Jobst 45 Thoman, Nicolaus 1 6 6 , 3 0 5 , 3 2 6 Tradel, Georg 242 Tübinger, Jakob 2 1 4 , 2 3 3 U Übel, Konrad 399 Ulrich, Hz. von Württemberg 131 Urban VIII., Papst 185-186 V Vahrenbühler, Konstantin 176, 180, 198 Veichinger, Hans 73 Veser, Hans 412 Vetter, Georg 36 Vintler, Christoph 51 Vischer, Sixtus 59
516
Index
Vöhlin 212 - Johann Adam von 332 Volmar, Isaak 178 W Wagner, Georg 229, 237, 246, 252, 259-262,269, 360-61,380 Wagner, Marcellinus 41 Wagner, Martin 426 Wahl, Jakob 408 Walbach, Thomas 364-69 Walchamb, Michael 407 Waldburg - Gebhard Truchseß von 95 - Georg Truchseß von 326 - Otto Truchseß von (Bf. und Kardinal) 39, 107, 264 Waldkirch, Bernhard von 302, 324 Wall, Christa 326 Wall, Hans 329 Wall, Paulus 303,310 Wall, Peter 206, 314, 340-43, 42425 Walter, Christoph 427 Walter, Jakob 188 Wech, Peter 329 Weinmaier, Michael 36 Welser - Bartholomäus 257 - Karl 47,240,292,315,329-30, 415,419-20, 422-23,447 - Paul (Bgm. von Augsburg) 83 - Philippine 47, 370 - Regina 268
Weyenmair, Christoph 253, 256 Weyher, Hans 405 Wiedemann, Eva 400 Wiedenmann, Michael 350 Wieland, Georg 58, 81, 108-09 Wilhelm IV., Hz. von Bayern 206 Winkler, Blasius 324 Winkler, Hans 408 Winkler, Jakob 401 Winkler, Johann 327 Winkler, Karl 401 Wittelsbacher 21,44,95, 115,214, 242, 385 Wolf, Johann 332-33 Wolfgang Wilhelm, Hz. von PfalzNeuburg 283 Wund, Maria 409 Württemberg, Hz. von 69, 100, 125, 131, 138, 143, 147-48, 150-52, 234, 237,410 Ζ Zanenbenz, Christian 323, 334, 337,339-43,351-52,424-27 Zech, Adam 63, 87 Zeiller, Kaspar 183-84,206,352, 400,418 Zimmermann, Dominikus 300 Zobel (Augsburger Patrizier) 257 - Martin 257-59, 262, 436, 448 - Melchior 264 Zoller, Johann 43 Zwingli, Huldrych 44
Index der Ortsnamen A Ach (Vogtei) 19,174,372,437 Agawang 35 Albersbach 172 Aletshausen 382 Altenbaindt 38,42 Ambras 376 Andechs 319-20,322 Angelberg 27 Anhausen 222 Anhofen 119,189,285,301-02 Aretsried 361,365,367 Attenhofen Siehe Burgwaiden Auerbach 32, 35 Augsburg 20-21, 24-26, 31-117, 118-21, 126, 134-35, 152-53, 157-58, 166,202-14,235, 242, 245, 254-55, 257-68, 276, 283, 299, 302, 342, 349, 362-69, 374, 387-88, 391, 421, 434, 437, 44042, 448, 454-58 - Augustinerchorherrenstift Hl. Kreuz 208-09,252,266 - Augustinerchorherrenstift St. Georg 245-47,266 - Benediktinerkloster St. Ulrich und Afra 37, 245-47, 266, 382 - Bistum 186,207,222,226, 264,327, 349, 397, 399 - Dominikanerinnenkloster St. Katharina 266 - Dominikanerkloster St. Magdalena 266 - Gymnasium bei St. Anna 260, 261
- Hl.-Geist-Spital 29,31-117, 134, 245,388 - Hochstift 2 1 - 2 5 , 4 0 , 4 4 , 4 6 , 6 4 , 97, 107, 131,200, 207-08,211, 217,233,235,257,270,296, 360,382,386, 433,455 - Kollegiatsstift St. Moritz 342 - Reichstag 125, 128, 146, 14952 Β Balmertshofen 119 Baltringen 409 Bannacker 32, 35 Basel 44, 132, 134,213,340 Bayern (Herzogtum) 21, 35, 51, 67, 73,88, 94-96, 101, 115,202, 214,233,242,275,345,356, 360,370,397, 435, 444, 454 Behlingen 332-33 Berg 131 Bergheim 35, 264 Bermaringen 172 Beyershofen 409 Biberach 121,213,409 Biburg 259 Billenhausen 363 Binswangen 242,280 Bobingen 41,246-47,249 Bocksberg 28, 227, 252-53, 255256, 259, 262-76, 280, 436, 445, 453,457 Bopfingen 409 Böttingen 172 Bregenz 234,372 Breisach 291
518
Index
Bubesheim 164-65,175,189,290, 301-02,336 Buch 32,35 Buchhof 32, 34 Burgau (Stadt) 20, 44, 48, 50, 55, 81-82, 94, 96, 122, 124-25, 150, 155, 162-63,218,221,236, 262, 284, 286, 291, 322-23, 365, 38688, 396, 439, 458 Bürglitz 370 Burgwaiden 28, 72, 227, 245-57, 259-60, 262-63, 267, 269, 43637,445-46, 457, 460 Burlafingen 167, 173, 195 Burtenbach 23, 25, 27, 72, 118, 126, 134, 161,201-44,252-53, 255-56, 259, 262-63, 269, 284, 363, 434-40, 442, 445, 448, 450, 452-53,455-56, 458 Buxheim 192,194-95,199,200, 266
C Christertshofen 19 Christgarten 266, 267
Donauwörth 22, 31, 40, 67, 70-71, 104, 243,258,454 Döpshofen 247,252 Dornstadt 172 Dürrlauingen 222 Düsseldorf 284 Ε Ebershausen 119 Echlishausen 285,302,416 Edelstetten 40-42, 118, 133-34, 203,208-11,284,315, 322 Ehingen 131 Ehrenberger Klause 207 Eichstätt 340 - Bistum 327 Elchingen 40, 118, 164-65, 169-70, 172-74, 177, 188,208, 345,434, 438 Ellzee 119,377 Emersacker 28, 255, 265, 271, 27582, 436, 460 Ensisheim 51, 178 Ettenhofen Siehe Burgwaiden
F D Oeffingen 290, 302,311,333-34, 409,417,426 Deisenhausen 119 Demmingen 327 Denzingen 285, 290, 295, 302 Diedorf 38 Digenfeld 415 Dillingen 31, 97, 108, 208, 270, 299,340, 386, 420, 424 Dinkelscherben 118, 202 Donau 19,25, 131, 164, 167,208, 283,289,300, 376 Donau (Ritterkanton) 21, 131, 147, 220, 235, 374 Donaualtheim 69
Fahlheim 167, 172, 182, 192 Feldkirch 372 Finningen 167, 190, 192, 194-96, 199, 200 Frankfurt 380,421 Freiburg 46, 178,291 Frickenhausen 32 Fultenbach (Benediktinerkloster) 266 Füssen 205,207-08,360
G Gabelbach 31,32,34,42-44 Geislingen 193 Gerstetten 172
519
Ortsnamen
Glashütte 172 Gessenhart 164, 192 Glött 387 Gottmannshofen 265 Grimoldsried 32,34,42-44,134 Großkis^endorf 165, 177, 189 Großkctz 118, 141, 188, 196,301 Gundelfingen 39, 283, 334, 361 Günz 211,283,289,300 Günzburg 19-20, 24, 26, 28-29, 31, 4 5 , 6 4 , 6 7 , 82,98, 100, 104, 10914, 123, 157, 160-61, 168, 17172, 175, 180, 194, 208,215,219, 221, 231, 233-35, 237-38, 241242, 253-56, 262, 280, 283-432, 436, 438-39, 447, 451-54, 456, 458,460-61 Η Hagenried 209,211 Haldenwang 56, 106 Harthausen 285,302 Haubersbrunn 172 Haunsheim 376 Hausen (b. Holzschwang) 191, 226 Hegnenbach 265 Herolzberg 119 Hirblingen 32, 35 Hochstätt 271-72 Hochwang 20, 123, 155,285-87, 301-02, 361 Hohenberg (Grafschaft) 19,174, 291,300,330, 371-72,411,437 Hohenburg-Bissingen (Herrschaft) 212,446 Hohenegg 372 Hohenraunau 382 Holzheim (b. Ulm) 23-25, 27, 142, 164-201,227, 255,374, 377, 434-42, 445, 450-51, 453, 45658,460
Holzschwang 142, 167, 180, 182, 191 Horb am Neckar 407 Horgau 35 Hörtenberg 354 Höselhurst 118-19,121 I Ichenhausen 29, 118, 123, 127, 137, 140, 160, 177, 188-89, 202,301, 314-15, 331-32,335-38,340, 347,380, 425,428 Iiier 25,461 Ingolstadt 298 Inn 376 Innsbruck 19, 24, 27, 44-46, 48, 60, 62, 64-65, 89, 105, 109-14, 122, 126, 145, 150-51, 154, 156-59, 161-63, 168, 171-73, 176, 17880, 183, 192, 194, 199-200, 214215,217-18,220-22,224, 227228,232-34, 236-37, 238, 24143, 246, 253-55, 262-63, 268, 270, 285, 292-95, 297, 299, 31214,330,332,346,350,355,35861, 363-66, 372-74, 376, 378-79, 383,389, 399,410,412,423, 430, 434-36, 440, 448-54, 454, 456, 459-60, 462 Irmatshofen auf dem Wald (Herrschaft) 189 Isenburg 74 Isny 166,213 J Jettingen 118,202,203 Κ Kaisheim (Zisterzienserkloster) 177,266,270 Kammel 118-20,209-10,382
520
Index
Kaufbeuren 327, 360 Kemnat 118, 121,209,211,222 Kempten 213 Ricklingen 270-72 Kierstadt 270-71 Kirchberg 131,387 Kirchheim 247, 252 Kissendorf (Siehe auch Großkissendorf) 118,177,188189, 285, 301-02,336 Kleinkötz 119, 285, 301-02, 324, 336 Kleinried 32, 35 Knöringen 323,336,425 Köln 115,194,340,409 - Hochstift 95 Konstanz 44, 132, 149, 185,206, 213,327, 340,370,415,461 Kötz (Siehe auch Großkötz, Kleinkötz) 130, 142 Kutzenhausen 35 L Landsberg 32, 93 Landshut 347 Langenau 175,260 Langenneufnach 44 Laugna 28, 265-76, 280, 436, 457, 460 Lauingen 121, 135, 142, 268, 271, 283,298-99, 351, 361, 390, 409 Lauterbrunn 265 Lech 19,242 Leibi 172 Leibi (Fluß) 19, 164, 196 Leinheim 285,290,302,311,334, 336 Leipheim 166, 175, 193, 283, 32428, 398,411 Leonberg 206 Liegnitz 368 Lindau 213
Lüttich 376 Lützelburg 23-25,27,29,31-117, 126, 134, 152-53, 162, 164, 172, 177, 186, 190-191,216, 227, 231-32, 238, 252, 255, 262, 266, 410, 434-37,441-42,444-45, 448-49, 452-58, 460-61 Luzern 186 Μ Magdeburg 116 Mainz 340 Markt Wald Siehe Irmatshofen auf dem Wald Memmingen 26, 32, 121, 142, 213, 327,360, 443 Metz 213-14 Mickhausen 44, 387 Mindel 120,202,209-10,222 Mindelaltheim 24, 38-39, 42, 44, 235 Mindelheim 121 Mittelneufnach 31-32,34,42-44, 134,388 Modelshausen 266, 274 Mühlberg 213 München 46, 49-55, 59, 63, 68, 7376,91,94-95, 102, 105, 111, 115-16, 172, 240, 280, 347, 360, 434-36, 444, 455 Munderkingen 415 Münster 22, 397, 433 Münsterhausen 202 Ν Naichen 119 Nellenburg (Landgrafschaft) 19, 69, 174,372,437 Nersingen 19, 167, 172 Neuburg a.d. Kammel 332 Neuenburg 291 Neuhaus 69
521
Ortsnamen
Neuhausen 142, 180, 190, 195-96, 197 Neusäß 32,35 Niederlande 236, 370 Niederraunau 382 Nordendorf 71 Nördlingen 121,142,177,298,411 Nornheim 285, 302 Nürnberg 38, 40, 93, 95, 105, 115, 207,265, 324 Ο Oberbleichen 122 Oberegg 119 Oberelchingen Siehe Elchingen Oberhausen 35 Oberkirchberg 131 Oberrohr 118 Oberschönenfeld (Zisterzienserinnenkloster) 40, 42, 133,202,208-10 Ochsenhausen (Benediktinerkloster) 68,121,134,170 Offenburg 409 Offingen 336 Ortenau 74 Osnabrück 22,433 Ottmarshausen 41 Oxenbronn 118-19,121,172,285, 301-02, 336,419
Prag 99, 234, 244, 354, 372, 435, 448-49, 460 Preßburg 20, 26, 346, 370, 442 R Raunau Siehe Niederraunau, Hohenraunau Ravensburg 213 Regensburg 69, 105, 110,229,449 Reichertshofen 32, 35 Reinhartshausen 247, 250-54, 269 Reisensburg 285, 300, 302, 340, 342,385,403,426-27 Reistingen 69 Rettenbach 302,336 Reutti 141, 142, 167, 180, 191 Rieblingen 265 Ried 119 Rieden 301 Riedheim im Moos 283 Roggenburg (Prämonstratenserkloster) 20, 40, 131, 133-35, 142, 170, 208, 210,221,315,356 Rohr Siehe Unterrohr Rommelsried 82 Rosenheim 347 Rottenburg 291,300,330 Röttingen 203 Rottweil (Hofgericht) 163, 289
Ρ Passau 47,61,65, 135 Pfaffenhofen 131 Pfalz-Neuburg (Herzogtum) 26, 38, 100, 237,270-71,283,365 Pfersee 28, 227, 252-53, 255-66, 269-71, 436-37, 445, 448, 453, 457 Pfuhl 167, 191, 193, 195 Plüderhausen 172
S Salem 177 Salmannshofen 265 Salzburg (Erzbistum) 350 Schelklingen 131 Scheppach 20, 67, 286-87, 356, 361, 365-66 Scherstetten 31-32,34-35 Schneckenhofen 119 Schnürpflingen 141 Schönenberg 209,211
522
Index
Schorndorf 172,206 Schretzheim 69 Schwabegg 37,44 Schwaben (Landvogtei) 88, 149, 174, 232,362 Schwäbisch Gmünd 409,418 Schweden 177, 190 Seefeld (Tirol) 354 Seifriedsberg 35,361,365-67 Siegertshofen 31-32,35 Söflingen 177, 195,409,438 Sontheim (b. Wertingen) 265 Sontheim a.d. Brenz 328 Speyer 128, 132, 206,327 Steinheim (b. Ulm) 177, 185, 190201,452 Steyr (Oberösterreich) 259, 260 Stoffenried 172 Straß 118,164,167-68,172,182 Straßburg 36,44, 132,312 Straßvogtei 41,207 Straubing 347 Τ Täfertingen 32, 35 Temmenhausen 172 Tengen (Vogtei) 19, 174, 372, 437 Thalfingen 141, 172 Thannhausen 202, 241 Tomerdingen 172 Trier 105,331 Türkheim 19 Tussenhausen Siehe Angelberg U Überlingen 372,398 Ulm 20-21,25-26,31,38-40,4344, 66, 68,91, 100, 117-62, 16485, 187-202, 206-11,213-14, 231,259-60, 268,283-84,289, 299, 305-06, 309, 325-26, 328329, 361,365,387, 401,410,
412, 414, 425, 435, 437-38, 441442, 445, 448, 450-52, 454-55, 460 - Augustinerchorherrenstift St. Michael zu den Wengen 177 - Hl.-Geist-Spital 164-85, 187201,452 Ummendorf 121 Ungarn 371 Unterbleichen 121-22 Unterknöringen Siehe Knöringen Unteraefsried 32, 35 Unterrohr 23, 25, 27, 65, 69-70, 117-62, 125, 157, 162, 164, 177, 206, 209, 231-32, 357, 434, 44142, 445,448,451-58 Urbach 172 Ursberg (Prämonstratenserkloster) 20, 40, 122, 131, 133-35, 142, 170, 208,210, 221,315,356,363 V Villenbach 409 W Wagenhofen 327 Wain 68, 121 Waldstetten 122, 172, 18384 Wattenweiler 118-21,332,333 Weiltingen 203 Weißenau (Prämonstratenserkloster) 121
Weißenburg 95 Weißenhorn 131,165-66,183-84, 188-91, 194, 196, 305,326,380, 387,420 Wellenburg 246 Wertingen 265-66, 274, 277, 280 Westendorf 46 Westerstetten 172 Wettenhausen (Augustinerchorherrenstift) 40-
Ortsnamen 42, 118-19, 121, 123, 126-27, 133-34, 137, 140, 144, 147, 158, 208-10, 2 2 1 , 2 8 9 , 3 1 5 , 3 3 7 , 345, 3 5 2 , 3 5 6 - 5 7 , 380 Wiblingen (Benediktinerkloster) 131,345 Wied 74 Wien 220, 234, 448-49, 459-60 Wiesensteig (Chorherrenstift) 303, 310,340 Willishausen 32, 35 Windsheim 95
Wittislingen 69 Wörishofen 42 Worms 105,209-10 Wullenstetten 1 3 1 , 1 8 1 Würzburg 105 Ζ Ziemetshausen 3 6 1 , 3 6 5 , 3 6 7 Zürich 44, 134 Z u s a m 259 Zusmarshausen 35, 44