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Spätmittelalter, Humanismus, Reformation Studies in the Late Middle Ages, Humanism and the Reformation herausgegeben von Volker Leppin (Tübingen) in Verbindung mit Amy Nelson Burnett (Lincoln, NE), Berndt Hamm (Erlangen) Johannes Helmrath (Berlin), Matthias Pohlig (Münster) Eva Schlotheuber (Düsseldorf)
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Andreas Odenthal
Liturgie vom Frühen Mittelalter zum Zeitalter der Konfessionalisierung Studien zur Geschichte des Gottesdienstes
Mohr Siebeck
Andreas Odenthal, geboren 1963; 1996 Priesterweihe; 2002 Habilitation; Inhaber des Lehrstuhls für Liturgiewissenschaft an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Tübingen.
ISBN 978-3-16-150941-4 / eISBN 978-3-16-158599-9 unveränderte eBook-Ausgabe 2019 ISSN 1865-2840 (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http:// dnb.d-nb.de abrufbar. © 2011 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Großbuchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.
Vorwort Vorwort
Gut zehn Jahre der Lehrtätigkeit im Fach Liturgiewissenschaft und gut zwanzig Jahre eigener Forschungstätigkeit hinterlassen ihre Spuren. So entstand das Vorhaben, verstreut publizierte Arbeiten zu sammeln und zu einem geordneten Ganzen zusammenzufassen. Das geschieht im vorliegenden Band, der sich der Liturgiegeschichte des Mittelalters wie des Zeitalters der Konfessionalisierung widmet. Aufsätze, die zwar separat erschienen sind, aber unter den beiden Schwerpunkten mittelalterlicher Liturgie und der Stundenliturgie der Kirchen der lutherischen Reformation aufeinander bezogen sind, werden in überarbeiteter Form erneut abgedruckt. Offensichtliche Fehler wurden korrigiert, die wichtigste Sekundärliteratur nachgetragen, sodann ein einheitliches Zitationssystem mit ausführlichem Literaturverzeichnis erstellt und allzu offensichtliche Wiederholungen eliminiert. An dieser Stelle sei vielfältiger Dank gesagt, zuerst meinem Mitarbeiter Nicki Schaepen M.A., der umsichtig die redaktionelle Bearbeitung betreute. Sodann gebührt Dank dem Bistum Rottenburg-Stuttgart für einen namhaften Druckkostenzuschuss und dem Tübinger Verlag Mohr-Siebeck, der mit seinem Lektor Dr. Henning Ziebritzki die Publikation fachmännisch betreute. Den Herausgebern der Reihe „Spätmittelalter, Humanismus, Reformation“ Prof. Dr. Berndt Hamm, Erlangen, Prof. Dr. Amy Nelson Burnett, Lincoln, Prof. Dr. Johannes Helmrath, Berlin, Prof. Dr. Volker Leppin, Tübingen und Prof. Dr. Heinz Schilling, Berlin, gebührt Dank für die Aufnahme der Publikation in ihre angesehene Reihe. Die Verlage der bisherigen Publikationsorte genehmigten unkompliziert den Wiederabdruck: Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen; Aschendorff, Münster; Academic Press, Fribourg; Mohr-Siebeck, Tübingen; Kohlhammer, Stuttgart; nova & vetera, Bonn; Franz Schmitt, Siegburg, sowie der Schwabenverlag, Ostfildern. Die Veröffentlichung möge dazu beitragen, den Blick für die Rolle des Gottesdienstes im Glauben und Leben einer Epoche zu schärfen. Tübingen, am Hochfest der Apostel Petrus und Paulus 2011 Andreas Odenthal
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichni Inhaltsverzeichnis
Vorwort ...........................................................................................................VI Abkürzungsverzeichnis ................................................................................XIII A. Einführung....................................................................................................1 I. Die rituelle Erfahrungstradition der Christenheit. Eine Einführung in die „Studien zur Geschichte des Gottesdienstes“....................................................2 1. Einführung: Geschichte und ihre Interpretation .................................2 2. „Rituelle Erfahrung:“ Ein Verstehensmodell für das historisch Gewordene – Ein Versuch ................................................................4 3. Zur Liturgie des Mittelalters..............................................................8 4. Zur Liturgie im Zeitalter der Konfessionalisierung.......................... 11 5. Ausblick auf weitere Forschungsperspektiven ................................. 12 B. Liturgie im Mittelalter ................................................................................15 II. „Ante conspectum diuinae maiestatis tuae reus assisto.” Liturgie- und frömmigkeitsgeschichtliche Untersuchungen zum „Rheinischen Messordo“ und dessen Beziehungen zur Fuldaer Sakramentartradition.........16 1. Die Ausgangssituation: Der Ordo Missae der gregorianischen Sakramentare im Kontext der „Ordines Romani“ ............................ 17 2. Zu Forschungsgeschichte und Forschungsstand der mittelalterlichen Messe: Von der „Missa Illyrica“ zum „Rheinischen Messordo“ ................................................................ 19 3. Der Kontext der Veränderungen: Die „bonifatianischkarolingische Liturgiereform“......................................................... 25 4. Der theologie- und frömmigkeitsgeschichtliche Hintergrund: Frühmittelalterliches Bußwesen, Gebetsverbrüderungen, die „Missa specialis“ und das „offerre pro“ .......................................... 28 4.1. Buße als Thema des frühen Mittelalters ................................... 28 4.2. Gebetsverbrüderungen: Vom „orare pro“ zum „offerre pro“..... 31 4.3. „pro vivis et defunctis.“ Eucharistiefeier als Stellvertretung..... 33
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4.4. Beispiele liturgischen Betens im mittelalterlichen Messordo ................................................................................... 34 5. Die Abtei Fulda als ein Umschlagplatz des neuen Ordo Missae....... 38 6. Der Rheinische Messordo als prägende Größe: Die Ordines Missae der Diözesanliturgien .......................................................... 46 7. Ergebnis.......................................................................................... 48 III. „…hoc sacrificium Deo acceptabile.“ Der Gottesdienst des Bischofs Meinwerk von Paderborn (1009–1036) nach dem Zeugnis seiner Vita..........50 1. Einleitung und Fragestellung........................................................... 50 2. Heilige Handlung: Das Verständnis der Messe seit dem frühen Mittelalter als Bußleistung und Opferhandeln in bestimmten Anliegen ......................................................................................... 52 3. Heiliger Mann: Die Rolle des Bischofs als Kultdiener mit reinen Händen ........................................................................................... 62 4. Heiliger Ort: Stationsliturgie als das typisch Römische mittelalterlichen Gottesdienstes einer Bischofsstadt ........................ 68 5. Zusammenfassung: Meinwerk als typischer bischöflicher Liturge des 11. Jahrhunderts ....................................................................... 73 IV. Die Liturgie des Gründonnerstags, Karfreitags und Karsamstags im Halberstädter Dom. Textzeugnisse des ältesten Ordinarius (um 1300) ..........74 1. Zur liturgischen Tradition Halberstadts und ihrer Erforschung........ 74 2. Das „Breviarium divini officii“ (um 1300)...................................... 79 2.1. Zum Problem der Datierung ..................................................... 79 2.2. Edition des „Breviarium divini officii“ .................................... 81 Breviarium divini officii die cene domini, parasceves et sabbati sancti pasche .................................................................................. 81 [I. Die Feier des Gründonnerstags] ................................................. 81 [II. Die Feier des Karfreitags] ......................................................... 83 [III. Die Feier des Karsamstags] ..................................................... 86 3. Kommentar..................................................................................... 87 3.1. Die Liturgie des Gründonnerstags ............................................ 88 3.2. Die Liturgie des Karfreitags ..................................................... 95 3.3. Die Liturgie des Karsamstags................................................... 98 4. Ergebnis ....................................................................................... 101 V. Vom Stephanusfest zum Palmsonntag. Die theologische Bedeutung der Gereonskirche für die mittelalterliche Kölner Stationsliturgie ...............103 1. Ausgangspunkt und Fragestellung ................................................ 103 2. Das Stationskirchensystem als typisch römische Liturgie ............. 104 3. Die Quellenlage: der Ordinarius aus St. Gereon, das Prozessionale und Zeremoniale des Domes ................................... 106
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4. Die dritte Weihnachtsmesse im Dom und die Statio am Stephanustag in St. Gereon ........................................................... 109 5. St. Gereon als Collecta-Kirche am Palmsonntag ........................... 111 6. Weitere Stationstage der Osterzeit in St. Gereon ........................... 116 6.1. Ostermontag und Pfingstmontag ............................................ 116 6.2. Der Bittmittwoch als Vigil von Christi Himmelfahrt .............. 118 7. Stationen des Proprium de Sanctis ................................................ 120 7.1. Die Feiern zu Ehren Johannes’ des Täufers ............................ 120 7.2. Die Stationen um das Märtyrergrab........................................ 121 8. Das Ergebnis und eine offene Frage.............................................. 121 VI. „Surrexit dominus vere.“ Osterfeiern um das Heilige Grab als Ausdruck eines veränderten religiösen Empfindens im Mittelalter ..............125 1. Osterfeiern und Osterspiele – ein erster Zugang zum Phänomen ... 126 2. Ein Beispiel: Die Osterfeier des Bonner Cassiusstiftes.................. 129 2.1 Die Depositio Crucis............................................................... 129 2.2 Die Elevatio Crucis ................................................................. 131 2.3 Die Visitatio Sepulchri............................................................ 131 3. Liturgietheologische Aspekte zum Phänomen der Osterfeiern....... 132 3.1 Die „Krise der sakramentalen Idee“ ........................................ 135 3.2 Von der Mysterienfeier zur Messallegorese – Liturgie als „Officium“ ............................................................................... 136 3.3 Die Bedeutung des Klerikers im Kontext einer komplexen Feierstruktur............................................................................. 137 3.4 Die Idee des „selbstwirksamen Ritus“ und mystische Erfahrung ................................................................................. 138 3.5 Die „Verortung“ der Liturgie: Gottesdienst in Stationen ......... 138 4. Ein Blitzlicht: Osterfeiern im Kontext lutherischer Reformation ... 139 5. Zusammenfassung ........................................................................ 141 VII. Segnung und Auflegung der Asche „in capite ieiunii” im Kölner Augustinerinnenkloster St. Caecilien. Textzeugnisse eines Liber Ordinarius des 15. Jahrhunderts ....................................................................143 1. Einleitung und Fragestellung ........................................................ 143 2. Die Libri Ordinarii als liturgische Quelle: Forschungsstand und Desiderate .................................................................................... 144 3. Der Aschermittwoch im Spiegel liturgischer Quellen seit dem Frühmittelalter.............................................................................. 146 4. Vom Stift zum Kloster. Zu den äußeren Bedingungen des Gottesdienstes an St. Caecilien ..................................................... 147 5. Der Gottesdienst der Augustinerinnen in St. Caecilien nach dem Zeugnis des Liber Ordinarius von 1488 ........................................ 148
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6. Die Aschermittwochsfeier in St. Caecilien im Vergleich anderer liturgischer Quellen der Kölner Gegend – Befund und Deutungsversuch .......................................................................... 152 7. Ergebnis ....................................................................................... 158 VIII. Pfarrlicher Gottesdienst vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit. Eine Problemskizze aus liturgiewissenschaftlicher Perspektive ...........................159 1. Einleitung: Zur Methodik, Fragestellung und Stand der Forschung..................................................................................... 159 2. Veränderungen des Gottesdienstes: Von der „bonifatianischkarolingischen“ Liturgiereform bis zum Zeitalter der Konfessionalisierung .................................................................... 164 3. Messfeier, Gläubigenkommunion und Predigt .............................. 172 4. Stundengebet und Prozessionswesen............................................. 185 4.1 Stundengebet .......................................................................... 185 4.2 Prozessionen als Adaptation römischer und römischfränkischer Stationsliturgie....................................................... 191 5. Kasualien...................................................................................... 193 5.1 Taufe ...................................................................................... 196 5.2 Buße und Beichte.................................................................... 201 6. Zusammenfassung und Ausblick................................................... 204 C. Liturgie im Zeitalter der Konfessionalisierung.........................................207 IX. „…totum psalterium in usu maneat.“ Martin Luther und das Stundengebet .................................................................................................208 1. Vorbemerkungen zu Fragestellung und Methodik ......................... 208 1.1. Die interesseleitende Fragestellung ........................................ 208 1.2. Methodische Vergewisserung ................................................ 210 2. Zur Forschungssituation ............................................................... 212 2.1. Das Stundengebet des Luthertums als Thema kirchen- wie liturgiegeschichtlicher Forschung ............................................. 212 2.2. Gebet, Gottesdienst und Musik: Die Grundlagen lutherischen Denkens ............................................................... 214 3. Luther und das Stundengebet: Der biographische Kontext ............ 218 3.1. Grundsätzliches zum Verständnis (spät-)mittelalterlicher Liturgie .................................................................................... 218 3.2. Luthers eigene Erfahrungen mit dem Offizium im Kontext spätmittelalterlicher Liturgie .................................................... 222 3.3. Das entscheidende Jahr: „Unser Herr Gott hatt mich mit gewald ab horis canonicis gerissen anno 1520“ ........................ 228
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3.4. Die Prospektive: Stundengebet als „Lernzeiten der Gemeinde“ ............................................................................... 238 4. Systematisierung: Stundengebet im Geiste Martin Luthers ........... 247 X. „…matutinae, horae, vesperae, completorium maneant…“ Zur Umgestaltung der Offiziumsliturgie in den Kirchen des frühen Luthertums anhand ausgewählter liturgischer Quellen .................................251 1. Einleitung, Fragestellung und bisherige Forschungen ................... 251 2. Textzeugnisse liturgischer Bücher für den Gebrauch der Pfarreien 254 3. Textzeugnisse liturgischer Bücher im Gebrauch der Stifte und Klöster.......................................................................................... 262 3.1. Stellungnahmen Martin Luthers zur Offiziumsliturgie der Stifte und Klöster ..................................................................... 263 3.2. Die „Psalmodia Ecclesiastica“ des Klosters Berge bei Magdeburg (1573).................................................................... 264 3.3. Das „Vesperale et Matutinale“ des Matthaeus Ludecus aus Havelberg (1589) ..................................................................... 267 3.4. Die „Ordinatio Cultus Divini“ des gemischtkonfessionellen Halberstädter Domkapitels (1591) ............................................ 272 3.5. Die liturgischen Bücher des Magdeburger Domkapitels von 1612 und 1613.......................................................................... 273 3.6. Die Chorordnung des Brandenburger Domstiftes von 1645 .... 279 4. Zusammenfassende Überlegungen................................................. 280 XI. Die alten Gewohnheiten und Bräuche fortsetzen. Zur reformationszeitlichen Liturgiereform des Havelberger Domstiftes unter Matthäus Lüdtke............................................................................................283 1. Fragestellung und Forschungsstand .............................................. 284 2. Das Domstift Havelberg vom späten Mittelalter bis zur Einführung der Reformation ......................................................... 286 3. Das Wirken des Stiftsdechanten Matthäus Lüdtke (1517–1606).... 290 4. Die Stiftsstatuten von 1581 ........................................................... 292 5. Programm und Aufbau des „Vesperale et Matutinale“ von 1589: Die Vorworte des David Chytraeus und des Ludecus .................... 298 6. Das Vesperale im Kontext evangelischer Offizienbücher des 16. und 17. Jahrhunderts..................................................................... 304 7. Zwei Beispiele: Die Ostervesper und die „Marianischen Antiphonen“ ................................................................................. 305 8. Zur Geschichte der Liturgie des Domstiftes Havelberg bis zur Auflösung des Domstiftes 1819: Die Veränderungen des Jahres 1663 und die Instruktion des Kapitels von 1731............................ 308 9. Ergebnis: Zur Beurteilung der Liturgiereform ............................... 311
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XII. Gefeierte Ökumene. Zum nachreformatorischen Stundengebet des gemischt konfessionellen Domkapitels in Halberstadt .................................313 1. Die Fragestellung im ökumenischen Kontext ................................ 313 2. Zum Stundengebet in den Kirchen des Luthertums ....................... 314 3. Die Einführung der Reformation im Halberstädter Dom unter Bischof Heinrich Julius 1591 ........................................................ 316 4. Die Reformierung des Stundengebetes in Halberstadt: Vom Brevier von 1515 zur Ordinatio von 1591 ..................................... 321 4.1 Das Breviarium „secundum usum insignis Ecclesiae Halberstadensis“ von 1515 ....................................................... 322 4.2 Die „Ordinatio cultus divini“ von 1591 ................................... 324 5. Zum weiteren Schicksal des Stundengebetes bis zum Breviarium von 1792....................................................................................... 325 5.1 Das „Breviarium Ecclesiae Cathedralis Halberstadiensis” von 1792 .................................................................................. 327 6. Einzelne Aspekte der liturgischen Veränderungen des Offiziums . 328 6.1 Das Kalendar .......................................................................... 329 6.2 Psalmenverteilung und Gebetspensum .................................... 331 6.3 Liturgische Sprache und Beteiligung des Volkes..................... 332 6.4 Die rituelle Gestalt des Stundengebetes................................... 333 7. Ergebnis: Leistung und Grenzen des Halberstädter Modells des Stundengebetes ............................................................................. 336 XIII. Die lutherische Umgestaltung der Offiziumsliturgie im Naumburger Dom. Zum „Psalterium Davidis“ von 1720 und dem „Officium Divinum“ des Antonius Sutorius von 1751....................................................................338 1. Das Naumburger Domstift und die Einführung der Reformation ... 339 2. Zur lutherischen Liturgiereform im Naumburger Domstift ............ 343 3. Die beiden Liturgica des 18. Jahrhunderts: Aufbau und Inhalt des Psalterium Davidis von 1720 und des Officium divinum von 1751 ............................................................................................. 348 3.1 Das Psalterium Davidis von 1720 ........................................... 349 3.2 Das Officium divinum von 1751 ............................................. 352 4. Detailuntersuchung: Zum Offizium des Gründonnerstages und am Fest Peter und Paul ................................................................. 355 4.1 Die Offiziumsliturgie am Gründonnerstag............................... 355 4.2 Die Offiziumsliturgie am Fest Peter und Paul ......................... 358 5. Zur Veränderung und Kontinuität des Officium divinum Naumburgs durch die lutherische Praxis ....................................... 362 6. Ergebnis und Zusammenfassung ................................................... 363 Literaturverzeichnis.......................................................................................365 Register..........................................................................................................413
Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis
ADipl AEH AFMF AHMA AHVN AKG ALw AMRhKG AnLit AnPraem AntS AQDGMA ARG ASKG AWA AzTh BAKG BBKG BEL.S BGAM BGBR BGQMA BGRK BHTh BHVB BoBKW BRHE BThZ.ThViat BWKG BZK BZThS CAO Cass. CChr.CM CCMon CerCol
Abkürzungsverzeichnis
Archiv für Diplomatik Anglican and episcopal history Arbeiten zur Frühmittelalterforschung Analecta Hymnica Medii Aevi, siehe unter Dreves, Blume, AHMA Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein Arbeiten zur Kirchengeschichte Archiv für Liturgiewissenschaft Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte Analecta Liturgica Analecta Praemonstratensia Antiphonale Missarum Sexduplex, siehe unter Hesbert, AntS Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters Archiv für Reformationsgeschichte Archiv für schlesische Kirchengeschichte Archiv zur Weimarer Ausgabe der Werke Martin Luthers Arbeiten zur Theologie Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte Beiträge zur bayerischen Kirchengeschichte Bibliotheca Ephemerides liturgicae. Subsidia Beiträge zur Geschichte des alten Mönchtums und des Benediktinerordens Beiträger zur Geschichte des Bistums Regensburg Beiträge zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters Beiträge zur Geschichte der Reichskirche in der Neuzeit Beiträge zur Historischen Theologie Bericht des Historischen Vereins für die Pflege der Geschichte des ehemaligen Fürstbistums Bamberg Bonner Beiträge zur Kunstwissenschaft Bibliothèque de la Revue d'histoire ecclésiastique Berliner Theologische Zeitschrift. Theologia Viatorum Blätter für württembergische Kirchengeschichte Beiträge zur Kunstwissenschaft Bonner Zeitschrift für Theologie und Seelsorge Corpus Antiphonalium Officii, siehe unter Hesbert, CAO Cassiciacum. Eine Sammlung wissenschaftlicher Forschungen über den heiligen Augustinus und den Augustinerorden, sowie wissenschaftlicher Arbeiten von Augustinern aus anderen Wissensgebieten Corpus christianorum. Continuatio mediaevalis Corpus consuetudinum monasticarum Ceremoniale Coloniense, siehe unter Amberg, Ceremoniale
XIV CR CSMLT CStS Did(L) Diss.T DÖAW.PH DtPfrBl EHS.DS EKGB EKK EL EO FBPG FC FFKT FGIL FHSS FKDG FKTh FMSt FS FuSt GdK GermSac GrH GRLH GrS GS HBS HerKorr HistSoc HS HUTh HZ HZ.B IThS JAC.E JBrKG JGNKG JKGV JLH JLw KDB KKTS KLK KMJ
Abkürzungsverzeichnis Colonia Romanica Cambridge studies in medieval life and thought Collected Studies Series Didaskalia. Revista da Faculdade de Teologia de Lisbŏa Dissertationen. Theologische Reihe Denkschriften. Österreichische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse Deutsches Pfarrerblatt Europäische Hoschulschriften. Reihe 1, Deutsche Sprache und Literatur Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns Evangelisch-katholischer Kommentar zum Neuen Testament Ephemerides liturgicae Ecclesia Orans Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte Formula Concordiae Forschungen zur Fränkischen Theologie- und Kirchengeschichte Forschungen zur Geschichte des innerkirchlichen Lebens Fuldaer Hochschulschriften Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte Forum Katholische Theologie Frühmittelalterliche Studien Festschrift Fuldaer Studien Gottesdienst der Kirche. Handbuch der Liturgiewissenschaft Germania sacra Sacramentarium Gregorianum Hadrianum, siehe unter Deshusses, Le Sacramentaire Garland reference library of the humanities Sacramentarium Gregorianum Hadrianum. Supplement, siehe unter Deshusses, Le Sacramentaire Germanische Studien Henry Bradshaw Society Herder-Korrespondenz Histoire et société Handschrift Hermeneutische Untersuchungen zur Theologie Historische Zeitschrift Historische Zeitschrift. Beiheft Innsbrucker Theologische Studien Jahrbuch für Antike und Christentum. Ergänzungsband Jahrbuch für brandenburgische Kirchengeschichte Jahrbuch der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie Jahrbuch für Liturgiewissenschaft Kölner Domblatt Konfessionskundliche und kontroverstheologische Studien Katholisches Leben und Kämpfen. Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung Kirchenmusikalisches Jahrbuch
Abkürzungsverzeichnis KRA KuD LJ LO LQF LRWS LStRLO LThK LuM LuthBei MFSt MGG MGH MGH.H MGH.SS MGKK MGMA MHW MLCT MLEP MMAS MS MSIL MThA MThS.H MTUDL MZKG NF NTOA NZSTh OR OrChrA ÖTh PaThSt PGRGK PiLi PL PRG PTh PTHe QAGAF QD QFGBW QFRG
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Kirchenrechtliche Abhandlungen Kerygma und Dogma. Zeitschrift für theologische Forschung und kirchliche Lehre Liturgisches Jahrbuch Liber Ordinarius, Libri Ordinarii Liturgiegeschichtliche Quellen und Forschungen Leipziger rechtswissenschaftliche Studien Leucorea-Studien zur Geschichte der Reformation und der Lutherischen Orthodoxie Lexikon für Theologie und Kirche Liturgie und Mönchtum. Laacher Hefte Lutherische Beiträge Mainfränkische Studien Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik Monumenta Germaniae Historica Monumenta Germaniae Historica. Hilfsmittel Monumenta Germaniae Historica. Scriptores Monatsschrift für Gottesdienst und kirchliche Kunst Monographien zur Geschichte des Mittelalters Monumenta historiae Warmiensis Monumenta Liturgica Concilii Tridentini Monumenta Liturgica Ecclesiarum Particularium Münstersche Mittelalter-Schriften Missarum Sollemnia, siehe unter Jungmann, Missarum Sollemnia Monumenta Studia Instrumenta Liturgica Münsteraner Theologische Abhandlungen Münchener Theologische Studien. Historische Abteilung Münchener Texte und Untersuchungen zur Deutschen Literatur des Mittelalters Beiträge zur Mainzer Kirchengeschichte Neue Folge Novum testamentum et orbis antiquus Neue Zeitschrift für systematische Theologie Ordo Romanus, Ordines Romani, siehe unter Andrieu, Les ordines Orientalia Christiana (Analecta) Ökumenische Theologie Paderborner Theologische Studien Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde Pietas Liturgica Patrologia Latina, siehe unter Migne, PL Pontificale Romano Germanicum, siehe unter Vogel, Elze, Le pontificel Pastoraltheologie. Wissenschaft und Praxis Praktische Theologie Heute Quellen und Abhandlungen zur Geschichte der Abtei und der Diözese Fulda Quaestiones disputatae Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte
XVI QFRMA QSBE QuS RBen RBS.S RDK RED.F RGST RHEF RHPhR RJ RJVK RoJKG RQ RSCI RSTh SAC SC SFB SFS SHCT SKGNS SKKG SLAG SMHR SMRT SpicFri SQWFG SRG SSL StAns StGS StH SThE STL StMed StML StPLi StT StZ SuR SuRNR SVRG TBT THG ThLZ ThPh ThPQ
Abkürzungsverzeichnis Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter Quellen und Studien. Veröffentlichungen des Instituts für Kirchengeschichtliche Forschung des Bistums Essen Quellen und Studien Revue bénédictine de critique, d’histoire et de littérature religieuses Regula Benedicti studia. Supplementa Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte Rerum ecclesiasticarum documenta. Series major, Fontes Reformationsgeschichtliche Studien und Texte, begründet von J. Greving Revue d’histoire de l’Église de France Revue d'histoire et de philosophie religieuses Römisches Jahrbuch für Kunstgeschichte Rheinisches Jahrbuch für Volkskunde Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte Römische Quartalsschrift Rivista di storia della Chiesa in Italia Regensburger Studien zur Theologie Studie di antichità cristiane Sources chrétiennes Sonderforschungsbereich Spicilegii Friburgensis subsidia Studies in the history of christian traditions / Studies in the history of christian thought Studien zur Kirchengeschichte Niedersachsens Studien zur Kölner Kirchengeschichte Schriften der Luther-Agricola-Gesellschaft Spätmittelalter, Humanismus, Reformation Studies in medieval and reformation traditions Spicilegium Friburgense Studien und Quellen zur westfälischen Geschichte Schriften zur Rechtsgeschichte Spicilegium sacrum Lovaniense Studia Anselmiana.s Studien zur Germania sacra Studia humaniora Studien zur Theologischen Ethik Studia Theologica Lundensia Studi medievali Stimmen aus Maria Laach Studien zur Pastoralliturgie Studi e Testi Stimmen der Zeit Spätmittelalter und Reformation Spätmittelalter und Reformation. Neue Reihe Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte Theologische Bibliothek Töpelmann Texte zur Heiligen Geschichte Theologische Literaturzeitung Theologie und Philosophie Theologisch-praktische Quartalschrift
Abkürzungsverzeichnis ThQ ThSe ThStKr TRE TStR TThSt TThZ UPTh VBAT VerLex VHVNR VIEG VKAMAG VLH VMPIG VMStA VVPfKG WARF WBTh WuA WVLG NF ZBKG ZHVG ZKG ZKTh ZSRG.K ZVKGS
XVII
Theologische Quartalschrift Theologie und Seelsorge Theologische Studien und Kritiken Theologische Realenzyklopädie Toronto Studies in Religion Trierer Theologische Studien Trierer Theologische Zeitschrift Untersuchungen zur Praktischen Theologie Veröffentlichungen des Bistumsarchivs Trier Deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon Veröffentlichungen des Historischen Vereins für den Niederrhein Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz Vorträge und Forschungen. Konstanzer Arbeitskreis für Mittelalterliche Geschichte Veröffentlichungen zur Liturgik, Hymnologie und theologischen Kirchenmusikforschung Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte Veröffentlichungen des Missionspriesterseminars St. Augustin bei Bonn Veröffentlichungen des Vereins für Pfälzische Kirchengeschichte Speyer Wolfenbütteler Abhandlungen zur Renaissanceforschung Wiener Beiträge zur Theologie Wort und Antwort Württembergische Vierteljahreshefte für Landesgeschichte. Neue Folge Zeitschrift für bayerische Kirchengeschichte Zeitschrift des Harz-Vereins für Geschichte und Altertumskunde Zeitschrift für Kirchengeschichte Zeitschrift für katholische Theologie Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Kanonistische Abteilung Zeitschrift des Vereins für Kirchengeschichte der Provinz Sachsen
A. Einführung
I. Die rituelle Erfahrungstradition der Christenheit. Eine Einführung in die „Studien zur Geschichte des Gottesdienstes“ I. Die rituelle Erfahrungstradition der Christenheit
Es gibt genau deshalb eine Geschichte, weil sie kein Geständnis ablegt. Sie bewahrt ihr Geheimnis.1
1. Einführung: Geschichte und ihre Interpretation 1. Geschichte und ihre Interpretation
Ohne Tradition können die Menschen nicht leben. Im Wesentlichen in drei Weisen haben sich hier Erfahrungen niedergeschlagen: in Wort (Text), Bild und Ritual. Sie machen den Schatz aus, aus dem die Menschen schöpfen und an den sie anknüpfen können. Die Tradition ist dabei der Rahmen, innerhalb dessen neue Widerfahrnisse und Erlebnisse gedeutet werden können. Umgekehrt bedarf sie selbst immer wieder neuer Interpretation auf die Gegenwart hin. Wir stehen auf der Seite der Vergangenheit, wenn es darum geht, auszumachen, was heute unser Geist sein muss, und auf der Seite unserer Zeitgenossen, wenn es sich darum handelt, jene Ursprünge zu beurteilen (…). Diese Anfangsfrage wird uns nicht nur von den anderen gestellt; sie gehört innerlich zu uns.2
Der Ausspruch des französischen Jesuiten Michel de Certeau benennt das Dilemma eines hermeneutischen Zirkels: Nur kontextuell, geprägt durch die soziokulturellen Rahmenbedingungen einer Epoche, kann der Blick auf Phänomene der Vergangenheit gelenkt werden. Die Fragestellungen, die an historische Phänomene herangetragen werden, sind notwendig zeitbedingt. Andererseits begegnen die Phänomene der Vergangenheit als „fremde“ Erfahrungen, die gleichwohl Geisteshaltung und Fragestellungen der Gegenwart prägen. Dies gilt etwa für die rituelle Tradition der Christenheit, was an einem Beispiel deutlich gemacht werden kann: Das II. Vatikanische 1 2
DE DE
CERTEAU, GlaubensSchwachheit 108. CERTEAU, GlaubensSchwachheit 61.
1. Geschichte und ihre Interpretation
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Konzil hat eine grundlegende Neuordnung des Gottesdienstes eingeleitet, indem es – im Gegensatz zum Konzil von Trient – eine eigene, in sich theologisch konsistente Konstitution über Sinn und Wesen der Liturgie verabschiedete.3 Mit der projektierten Liturgiereform stellte sich für die Konzilsväter das Problem einer Kriteriologie, mittels derer man den komplexen Bestand an Traditionen auszuwerten und daraus auszuwählen imstande wäre. Man entschied sich damals, die „tätige Teilnahme aller Gläubigen“ (Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium [SC] 11 u.ö.) als das die Liturgie bestimmende Kriterium zu benennen. Doch fügte man als ein weiteres Kriterium die „altehrwürdige Norm der Väter“ (SC 50).4 Damit stellte man sich in eine Traditionslinie, die bereits im Gefolge des Trienter Konzils bei der Bulle zur Promulgation des Missale von 1570 formuliert worden war.5 Man war sich indes im Klaren darüber, dass es nicht einfach gelingen konnte, die „altehrwürdige Norm der Väter“ dadurch einzuholen, dass man letztlich unhistorisch in die Antike oder Spätantike zurückkehrte.6 Dennoch sah man – wie bereits Trient – die Möglichkeit, dass die Entwicklungen seit Ausgang der Spätantike und dem Frühen Mittelalter auch eine Abweichung vom Ursprung in sich bergen. Wenn in der aktuellen Diskussion innerhalb der katholischen Kirche die Frage nach der „alten“ oder „neuen“ Liturgie oft sehr emotional geführt wird, ist damit immer auch die Frage nach der Tradition, ihrer Normativität wie der hierzu notwendigen Kriteriologie verbunden. Es geht bei den Auseinandersetzungen auch um die Bedeutung, die das Mittelalter für die kirchliche Praxis der Gegenwart noch hat oder überhaupt haben darf. Damit wird die Liturgiegeschichtsforschung für die derzeitige Situation der Kirche aktuell, weil es immer wieder um eine Sichtung wie Bewertung der Tradition geht, nicht zuletzt im Hinblick auf die von Zeit zu Zeit anstehenden notwendigen Liturgiereformen. Vor diesem Hintergrund möchte der vorliegende Sammelband Studien zur Geschichte des Gottesdienstes bereitstellen, die die Erfahrungstradition des Christentums in ihrer rituellen Dimension ausloten. Dabei geht es auch um ihren Kontext, die geistes- wie frömmigkeitsgeschichtliche Umwelt. Die Untersuchungen sind durchaus interessegeleitet: Ziel ist, zu einer lebendigen Weitergabe der gottesdienstlichen Tradition der Kirche beizutragen, damit die Liturgie auch heute Menschen als Quelle vielfältiger Glaubenserfahrungen dienen und somit zur „rituellen Erfahrung“ werden kann. Mit diesem Stichwort gerät die Erforschung der Liturgiegeschichte unver3
Vgl. hierzu insgesamt KACZYNSKI, Kommentar. Vgl. KACZYNSKI, Kommentar 123–126. 5 „ad pristinam Missale ipsum sanctorum patrum normam ac ritum restituerunt,“ vgl. KLÖCKENER, Bulle 44–45 (Nr. 4.). 6 Vgl. JUNGMANN, Konstitution 53–54. 4
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I. Die rituelle Erfahrungstradition der Christenheit
sehens in die Nähe der Praktischen Theologie und begibt sich auf das weite Feld der „ritual studies.“7 Dies gibt den Anlass, das praktisch-theologische Modell „ritueller Erfahrung“ auch einmal als ein Verstehensmodell für das historisch Gewordene zu beschreiben und so mit den Fragen liturgiegeschichtlicher Forschung zu verbinden.
2. „Rituelle Erfahrung:“ Ein Verstehensmodell für das historisch Gewordene – Ein Versuch 2. Rituelle Erfahrung
Das Konzept „ritueller Erfahrung“ ist ein praktisch-theologisches Derivat des Modells „symbolischer Erfahrung“ des Trierer Pastoraltheologen Heribert Wahl.8 Dieses Modell beruht auf der Unterscheidung einer objektiven Vorgabe des Glaubens und seiner rituellen Gestalt einerseits und seiner subjektiven Zueignung andererseits, die immer wieder neu ansteht. Es geht um das zueinander „Passen“ von Glauben und Leben, das dann „symbolische Erfahrung“ genannt werden kann: Die objektive Seite, der Glaubensgehalt, wird für einen Augenblick mit der subjektiven Seite, der individuellen Lebenswirklichkeit „zusammengeworfen,“ symbolisiert. Dabei geschieht in symbolischer Erfahrung eine wechselseitige Interpretation von (bereits vorhandenem und somit vorgegebenem) Glauben und (gegenwärtig-konkretem) Leben. Das Entscheidende ist nun, dass damit die Differenz zwischen Glaube und Leben nicht aufgehoben, sondern als notwendig verankert wird: Das Symbolische lebt von der Differenz. Die Glaubenstradition ist von hierher differenziert zu werten: Es gibt den Anteil, der zu den konkreten Bedingungen einer Lebensgeschichte „passt,“ genauso aber den Anteil, der „fremd“ bleibt. Und beides gehört notwendig zu „symbolischer Erfahrung.“ Das Moment an Fremdheit einer religiösen Tradition sichert deren Eigenständigkeit: Sie geht nicht in den Wünschen und Bedürfnissen der jeweiligen Rezipienten auf. Zugleich bleibt der Bereich menschlicher Lebenswirklichkeit als eigenständig gewahrt. Eine Verbindung von Glauben und Leben ist immer wieder neu herzustellen, oft durch viele Spannungen und Brüche hindurch. Das Konzept „ritueller Erfahrung“ adaptiert dieses Modell nun auf die Liturgie der Kirche: Es geht um „symbolische Erfahrung“ im Medium der rituellen Tradition der Kirche, dem Gottesdienst. Die Liturgie kann dabei 7 In eine ähnliche Richtung geht VAN T ONGEREN, Zielrichtung. Van Tongeren beschreibt die faktische Praxis als Erleben (ebd. 124) und unterscheidet zwischen einer Liturgie von oben und von unten (ebd. 128). – Als einen verwandten Versuch vgl. VON GEMÜNDEN, Affekt 13–51. 8 Vgl. W AHL, Glaube.
2. Rituelle Erfahrung
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als „ritualisierte Erfahrung“ verstanden werden, die sich mannigfachen Interpretationsprozessen zwischen Leben und Glauben verdankt: Der „Ritus,“ die im Glauben und Leben der Kirche gereifte Gestalt des Betens und Feierns, ist kondensierte Gestalt der lebendigen Überlieferung, in der ein Ritenraum das Ganze seines Glaubens und Betens ausdrückt und so zugleich die Gemeinschaft der Generationen erlebbar wird, die Gemeinschaft mit den Betern vor uns und nach uns. So ist der Ritus eine Vor-Gabe an die Kirche, lebendige Gestalt von Paradosis.9
Das Ritual birgt somit „verobjektivierte Erfahrung,“ die als Deutehorizont subjektiven Erlebens verwendet werden kann. Die Differenz zwischen objektiver Vorgabe und subjektiver Aneignung ist für „rituelle Erfahrung“ konstitutiv: Das Vorgefundene muss je neu erfunden werden können, ohne jedoch in den Wünschen und Vorstellungen der konkreten Feiernden aufzugehen.10 Damit bleibt auch hier eine „symbolische Differenz:“ Menschliche Lebenswirklichkeit und gottesdienstliche Feier stehen mitunter in Spannung zueinander. Diese jedoch kann als produktiv gewertet werden: Die immer neue Generierung und Veränderung des rituellen Symbolsystems etwa ist als Frucht solcher Aushandlungsprozesse zu werten. Für jedwede liturgische Szene kann der objektive Gehalt mittels eines beschreibbaren Vollzuges festgemacht werden. Dies ist das klassische Feld liturgiehistorischer Forschung, wenn sie rituelle Szenen aufgrund liturgischer Quellen rekonstruiert. Von dieser objektiven Ebene ist aber das subjektive Erleben des Rituals noch einmal zu unterscheiden. Dies birgt die Schwierigkeit, die subjektive Ebene wissenschaftlich einzuholen, vor allem dann, wenn es um subjektive Erfahrungen vergangener Generationen geht. Wendet man dieses praktisch-theologische Modell auf die Liturgiegeschichte an, zeigen sich zwei Facetten einer möglichen Adaptation. In einem eher diachronen Sinne ist hier die Gewordenheit der Liturgie im Laufe der Jahrhunderte zu nennen. Als „geronnene Erfahrung“ wird das kirchliche Ritual von den Menschen immer schon als vorgegeben betrachtet, was eine Adaptation und Veränderung indes keineswegs ausschließt, wie die großen und kleinen Liturgiereformen der Kirchengeschichte zeigen. Im Sinne einer Kontextualisierung 11 geht es also um die für die Menschen vergangener Zeiten vorfindliche Liturgie, die immer neu auf die jeweilige Lebenswirklichkeit bezogen werden musste und sich so weiter veränderte. 9
RATZINGER , Entwicklung 37. Vgl. in konkreter Anwendung auf die Sakramentenpastoral plädiert W AHL, LebensZeichen 292, für eine Befreiung der Liturgie aus „religionssoziologischer Geiselhaft,“ wenn sie sich nur mehr von den Bedürfnissen der Menschen her versteht. Es geht hier um die Wahrnehmung der liturgischen Tradition als eines kulturellen Gedächtnisses im Sinne von Jan ASSMAN. Vgl. dazu BRÜSKE, Liturgie. 11 Vgl. HOLZEM , Praktische Theologie 389. 10
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I. Die rituelle Erfahrungstradition der Christenheit
Das Modell „ritueller Erfahrung:“12 Liturgie als gewordene Form objektiver Gehalt Rituelle Erfahrung Rituale in Raum und Zeit
Menschen/ Gemeinde
Rituale an Knotenpunkten menschlicher Existenz: subjektive Bedeutung
Dies führt zu einer weiteren Facette der Anwendung des Modells auf die Liturgiegeschichte. In einem eher synchronen Sinne wird die Spannung zwischen objektiv und subjektiv bereits als Problem in der Vergangenheit vorausgesetzt, so etwa im Mittelalter oder Zeitalter der Konfessionalisierung.13 Es geht dann darum aufzuspüren, wie die Menschen an einem bestimmten Punkt der Geschichte mit der Spannung zwischen objektiver Vorgabe und subjektiver Aneignung (synchron) umgingen und beide Größen vermittelten. Die zwei Facetten gehören zum selben Grundthema: Es geht um die Annahme, der lebendige Tradierungsvorgang religiöser Erfahrung zwischen objektiver Vorgabe und notwendiger subjektiver Aneignung sei immer schon Thema von Theologie und Kirche gewesen.14 Die aktuelle praktisch-theologische Frage nach Bedingungen und Möglichkeiten von symbolischer Erfahrung mit den alten rituellen Formen erweist sich somit
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ODENTHAL, Erfahrung 40. Die subjektive Dimension einzuholen heißt, die Menschen vergangener Zeiten als Subjekte ihrer Lebens- und Zeitgeschichte wahr- und ernst zu nehmen und nicht nur von der uns bereits bekannten „objektiven“ Geschichte her zu interpretieren. Diese Sicht schafft zugleich die Möglichkeit, das Unabgegoltene an Hoffnung (und Schuld) vergangener Epochen einzuholen. Vgl. hierzu im Kontakt von Praktischer Theologie, Philosophie und Kirchengeschichte FUCHS, Schuldbewusstsein. Aus kirchengeschichtlicher Sicht vgl. HOLZEM , Praktische Theologie, der eine Hermeneutik der Historisierung als Entmoralisierung und Kontextualisierung (389) entwirft: Ein moralisches Urteil kann nur den subjektiven Seiten geschichtlich handelnder Personen, ihren Motiven, inneren Kämpfen und Handlungsurteilen gelten (insofern Entmoralisierung). Die objektive Dimension historischer Taten indes kann in einer Wirkungsgeschichte durchaus aufgefunden und beurteilt werden. 14 Ein Beispiel für die Anpassung biblischer Textvorlagen an konkrete liturgische Bedürfnisse ist etwa der Introitus der Gründonnerstagsmesse. Vgl. hierzu ODENTHAL, Feier. 13
2. Rituelle Erfahrung
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als eine Kernfrage des Christentums, da es „Kommunikation mit der Geschichte“ übt.15 Die tatsächlich gefeierte Liturgie vergangener Zeiten kann mittels eher objektiver liturgischer Texte (etwa die liturgischen Bücher) und eher subjektiver Wahrnehmung der Liturgie (etwa durch Ego-Quellen) erhoben werden. Es ist vor allem der Ansatz „erlebter Liturgie“ von Friedrich Lurz,16 der paradigmatisch anhand solcher Ego-Quellen die subjektive Dimension der Liturgie in der Geschichte aufgespürt hat. Das in den geschichtlichen Dokumenten verobjektivierte Erfahrungsmaterial kann so auf zugrunde liegendes subjektives Erleben durchlässig werden, so schwierig dies im Einzelnen auszumachen ist. Dieses Problem hat Andreas Holzem wie folgt benannt: „Die Innenseite der Christentumsgeschichte, die Sicht auf das subjektive Erleben unmittelbaren Gottesbezuges ist durch die Quellen für die allermeisten Kirchenchristen verstellt.“17 Somit besteht die Aufgabe darin, oft zwischen den Zeilen diese subjektive Dimension wieder freizulegen. Mit Hilfe des Modells ritueller Erfahrung geht es dann um die Differenz zwischen objektiver Gestalt und subjektivem Erleben, Tradition und Innovation, gedrucktem Buchstaben versus verlautetes Wort.18 Die zur Rekonstruktion des Subjektiven vorgebrachten Argumente bleiben in einem dem Objektiven verpflichteten Wissenschaftssystem zugegebenermaßen gelegentlich „schwach.“ Und doch soll anhand der folgenden Beispiele und ihrer Interpretation eine Rekonstruktion von Subjektivität versucht werden, so etwa in den Ausführungen über das Verhältnis Luthers zum Stundengebet (9. Kapitel). Eine solchermaßen subjektive Dimension einzuholen heißt zugleich, die Frage nach gegenläufigen Tendenzen zu stellen: Nicht mehr die „glatte,“ „organische“ Entwicklung wird festgeschrieben, sondern ebenso deren Widerpart untersucht.19
15 Zu einem solchen Kommunizieren mit der Vergangenheit vgl. DE CERTEAU, GlaubensSchwachheit 98–99. – Dass es um eine „Erinnerungskultur“ geht, der sich bereits das Mittelalter verpflichtet, zeigt jetzt W OLLASCH, Wege. 16 LURZ, Erlebte Liturgie; LURZ, Liturgie verstehen; LURZ, Schriften. 17 HOLZEM , Bedingungen 321. – Infrage zu stellen wäre hier lediglich der von Holzem behauptete unmittelbare Gottesbezug, den es m. E. nicht geben kann. Denn in jedem Falle ist bereits die Rede vom persönlichen Gottesbezug etwa im Gebet bereits historisch und institutionell, durch die Erfahrungstradition des Christentums geprägt, somit vermittelt. – Zum Problem biographisch orientierter Forschung vgl. auch die grundsätzlichen Überlegungen bei KORSCH, Einleitung; LEPPIN, Biographie. 18 Vgl. zur Unterscheidung von Buchstabe und Wort HÄUSSLING, Luther 233, der auf die normierende Funktion liturgischer Bücher hinweist, die nicht in allen Fällen tatsäc hliche liturgische Praxis zeigen. 19 Vgl. hier die grundlegende Fragestellung bei ANGENENDT, Liturgik und Historik.
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I. Die rituelle Erfahrungstradition der Christenheit
Mit diesen Überlegungen ist der Horizont umschrieben, vor dem nun die einzelnen Beiträge zum Mittelalter wie zum Zeitalter der Konfessionalisierung näher dargestellt werden.
3. Zur Liturgie des Mittelalters 3. Zur Liturgie des Mittelalters
Die hier vorgelegten Facetten zur Liturgie des Mittelalters setzen andere umfassende Darstellungen voraus und führen sie weiter. Neben dem grundlegenden Wegweiser zu den mittelalterlichen liturgischen Quellen durch Cyrille Vogel20 ist immer noch die Studie von Angelus Häussling21 zu nennen, die die Gottesdienstauffassung des Mittelalters vom Horizont des abendländischen Mönchtum her interpretiert hat. Keine Darstellung zur Liturgiegeschichte kommt ohne einen Rekurs auf die vielschichtige Forschungsleistung von Arnold Angenendt aus.22 Es ist vor allem die noch weiter auszulotende Frage nach einem Bruch (oder den Brüchen) in der Liturgiegeschichte, die seine Studien unverzichtbar macht.23 Bei aller Fraglichkeit von Epocheneinteilungen und unbeschadet der Frage, ob und wie man von einem Bruch reden kann oder nicht: Die vorliegende Darstellung geht von einer Zäsur zwischen Spätantike und Frühmittelalter aus, deren Prägungen für die Liturgie Thema des ersten großen Teiles des Buches sind. Seit dem Frühmittelalter bildet sich eine Form von Liturgie aus, deren Paradigma dann im Zeitalter der Konfessionalisierung nach Trient festgeschrieben worden ist. Das Frühmittelalter mit den Veränderungen seit Bonifatius und den Karolingern wird somit als prägende Größe der Entwicklung des Gottesdienstes vorgestellt.24 Es ging damals um die Verwirklichung einer Romorientierung: Dass die Liturgie für Bonifatius wie für Karl den Großen sich an Rom zu orientieren hatte, bedeutete zugleich, ihr eine politische Dimension zuzuerkennen. Denn es ging um die Anbindung einer bis zu Bonifatius weitgehend autarken gallisch-fränkischen Kirche, die sich eigener gottesdienstlicher Traditionen erfreute. Mit der „bonifatianisch-karolingischen Liturgiereform“ (Arnold Angenendt)25 wird dies anders. Doch der mit diesem Begriff eingefasste Zeitraum ist bereits 20
Vgl. VOGEL, Medieval Liturgy. Vgl. HÄUSSLING, Mönchskonvent. 22 Vgl. ANGENENDT, Liturgie. 23 Neben den grundsätzlichen Überlegungen bei ANGENENDT, Liturgik und Historik, vgl. auch ANGENENDT, Romanisierung; ANGENENDT, Lobpreis. Die Gegenthese bietet REID, Organic Development 21–34, wo indes viele Problemkonstellationen des Mittelalters noch nicht einmal wahrgenommen sind. 24 Vgl. ANGENENDT, Liturgik und Historik 95–98. 25 Vgl. ANGENENDT, Bonifatius 53. 21
3. Zur Liturgie des Mittelalters
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Indiz für vielschichtige Prozesse, die keineswegs linear verlaufen sind.26 Die Einlösung der Orientierung an Rom wie das zugrunde liegende Rombild werden in Zukunft noch einmal auf übermalende Züge hin hinterfragt werden müssen. Das Ergebnis der damaligen Veränderungen ist deshalb so komplex, weil sich immer auch gegenläufige Tendenzen finden, die sich – so die hier vertretene These – subjektiver Adaptation vorgegebener Traditionen verdanken. Gerade liturgische Handschriften sind hierfür Zeuginnen: Sie überliefern neben offiziellen Lesarten einer „Romanisierung“ gelegentlich vielfältige Brüche und Modifikationen ebendieser Tradierung. Bedenkt man, dass noch lange nicht alle Manuskripte zur Genüge erforscht sind, stellt man die große Zahl der etwa in der Säkularisation verlorenen Manuskripte in Rechnung, ergibt sich ein facettenreiches Bild des frühen Mittelalters, dem man unterstellen kann, es konstruiere allererst die Fiktion einer reinen, klassisch römischen Liturgie, die zu kopieren man sich verpflichtet wusste.27 Doch damit ist bereits das heikle Feld einer Deutung historischer Befunde betreten. Die nachstehenden Ausführungen sind insofern vorsichtiger, als es primär um eine Präsentation liturgiehistorischer Sachverhalte geht, wie sie entlang liturgischer Handschriften begegnen. So nimmt der zweite Beitrag („Ante conspectum diuinae maiestatis tuae reus assisto.“ Liturgie- und frömmigkeitsgeschichtliche Untersuchungen zum „Rheinischen Messordo“ und dessen Beziehungen zur Fuldaer Sakramentartradition) die Feier der Messe in den Blick, und zwar im Hinblick auf seine gleich bleibenden Teile, den Messordo. Die Entwicklung des Ordo Missae kann deshalb als Musterbeispiel einer gegenläufig ausgerichteten Romorientierung dienen, als das um die Jahrtausendwende existierende vorläufige Endprodukt der Entwicklung gerade eine stark überformte Version der römischen Messe bietet. Ergänzt hatte man gerade solche Gebete, die vom Priester still zu beten sind und damit genau auf der Schwelle von Subjektivität und Objektivität liegen. Denn sie erlauben dem Priester, sich in die für die Eucharistie nötige Rolle durch private Bußgebete einzufügen. Ob es sich hierbei in allen Fällen um die Wiederkehr von in der Karolingerzeit verdrängten Traditionen handelt, bedarf weiterer Forschung. Beim dritten Beitrag („…hoc sacrificium Deo acceptabile.“ Der Gottesdienst des Bischofs Meinwerk von Paderborn (1009–1036) nach dem Zeugnis seiner Vita) geht es um eine Geschichtskonstruktion des hohen Mittelalters, nämlich die Überformung der Vita des Bischofs hin zu jenem Ideal, das im 12 Jahrhundert für 26 Die Sackgasse der Sakramentarforschung könnte hier als ein Paradebeispiel dafür dienen, dass die zur Rede stehenden geschichtlichen Prozesse keineswegs vom Einfachen zum Komplexen hin verlaufen. Dazu vgl. KLÖCKENER, Sakramentarstudien. 27 In diese Richtung gingen bereits die Ausführungen von KLAUSER , Austauschbeziehungen.
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I. Die rituelle Erfahrungstradition der Christenheit
einen Bischof galt und das auf seine liturgische Seite hin untersucht wird. Wie im zweiten Beitrag gelingt es, zu den Grundparadigmen mittelalterlicher Liturgie wie Buße und Gebetsleistung vorzudringen. Der vierte Beitrag (Die Liturgie des Gründonnerstags, Karfreitags und Karsamstags im Halberstädter Dom. Textzeugnisse des ältesten Ordinarius [um 1300]) fokussiert mittelalterlichen Gottesdienst an einem konkreten Ort, nämlich dem Halberstädter Dom. Damit rückt ein entscheidendes Merkmal des Mittelalters in den Blick, nämlich die „Verortung“ des Gottesdienstes in einer theologisch konzipierten Sakraltopographie, wie sie Angelus Häussling in der bereits genannten Studie in den Blick nehmen konnte. Dies wird auch im fünften Beitrag (Vom Stephanusfest zum Palmsonntag. Die theologische Bedeutung der Gereonskirche für die mittelalterliche Kölner Stationsliturgie) thematisiert. Im Rahmen der karolingischen Romorientierung avanciert eine Liturgieform zu besonderer Bedeutung, nämlich die römische Stationsliturgie, die in den Städten nördlich der Alpen kopiert und adaptiert wird. Gerade sie kann als Musterbeispiel für „kreatives“ Umsetzen überkommener Vorlagen dienen: „Die Berufung auf ein normierendes Vorbild ist für das Mittelalter schon durch die Übernahme eines Teilaspektes hinreichend (…). Das ‚Zitat’ eines Teiles rechtfertigt, das Ganze des Vorbildes und seiner Wirklichkeit anwesend zu sehen.“28 Die Ambivalenz der bonifatianisch-karolingischen Liturgiereform zeigt sich in den Veränderungen der Auffassung von Liturgie überhaupt: Auf der einen Seite der artifizielle Gottesdienst der Kleriker, auf der anderen Seite die Ausbildung bisher als „Paraliturgie“ unterschätzter Formen eher volksfrommen Tuns. Dieses Verhältnis wird im sechsten Beitrag („Surrexit dominus vere“. Osterfeiern um das Heilige Grab als Ausdruck eines veränderten religiösen Empfindens im Mittelalter) ausgelotet. Dem Strang, die Liturgie geistlicher Kommunitäten zu untersuchen, folgt der siebten Beitrag (Weihe und Auflegung der Asche in capite ieiunii im Kölner Augustinerinnenkloster St. Caecilien Textzeugnisse eines Liber Ordinarius des 15. Jahrhunderts). Das Kölner Augustinerinnenkloster St. Caecilien ist ein markantes Beispiel für die kirchliche Rolle der Frauen im Späten Mittelalter. Hier geht es um die Frage nach der Leitung der Liturgie durch Frauen, die im Kontext damaliger Klausurbestimmungen anhand des Aschenritus beschrieben wird. Den Gottesdienst der Pfarreien in den Blick zu nehmen, ist Aufgabe des achten Beitrages (Pfarrlicher Gottesdienst vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit. Eine Skizze aus liturgiewissenschaftlicher Perspektive). Hier geht es um eine zusammenfassende Skizze bisheriger Forschungen sowie eine Beschreibung der Problemsituation, die sich für die Liturgiegeschichte angesichts der komplexen Quellenlage stellt. Im Späten Mittelalter häufen sich Exemplare einer neuen Quellengattung neben den bekannten Liturgica, 28
So etwa HÄUSSLING, Mönchskonvent 106–107.
4. Liturgie in der Zeit der Konfessionalisierung
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nämlich die Pfarr- oder Gotteshausbücher, denen Memorien- oder Mesnerbücher an die Seite gestellt werden können. Im Hinblick auf bestimmte Berufsgruppen oder Dienste verfasst, bieten sich nicht mehr nur „objektive“ Anweisungen und Beschreibungen des Gottesdienstes, sondern sind eine reiche Fundstätte für die Adaptation normierter Liturgie an konkrete Bedingungen. Mit diesen Beiträgen sind die großen liturgischen Themen des Mittelalters benannt: die Messliturgie, die Adaptation römischer Stationsliturgie im Hinblick auf den konkreten liturgischen Ort einer Kirche wie einer Stadt, Feiern des Kirchenjahres als ranghohe Liturgie ebenso wie ihre Derivatformen in den Bräuchen um das Heilige Grab, immer wieder Formen der Stundenliturgie, schließlich die Umformung kathedraler und stiftischer Liturgieformen hin zum Kontext einer Pfarrgemeinde.
4. Zur Liturgie im Zeitalter der Konfessionalisierung 4. Liturgie in der Zeit der Konfessionalisierung
Es schien angezeigt, nicht beim Mittelalter und seiner Form des Gottesdienstes stehen zu bleiben, sondern den Blick auf das Zeitalter der Konfessionalisierung zu weiten und damit auch die Konfessionalisierungsdebatte einzuholen.29 Die in der bisherigen Tradition bleibende „katholische“ Kirche antwortet in der Epoche nach Trient auf vielfältige Weise auf die Herausforderungen der Reformation. Dabei kommt es auch zu einer Neudefinition mittelalterlicher Traditionen, die zunehmend als konfessionelles Merkmal interpretiert werden. Die Reformulierung konfessioneller Kennzeichnung innerhalb der römischen Kirche dürfte sich mehr oder weniger stark dem Umfeld der Kirchen lutherischer Reformation verdanken. Aber auch in den aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen geht es um eine Abarbeitung an mittelalterlicher Tradition, eine verändernde Interpretation bisheriger Praxis wie neue theologische Einsichten, die diese Praxis prägen. Im zweiten Teil des Buches sollen solche Prozesse anhand des Stundengebetes der Kirchen lutherischer Reformation dargestellt werden. Dieser Bereich ist insofern von Interesse, als er oft jenseits der großen konfessionellen Auseinandersetzungen – man denke etwa an den die konfessionellen Linien gänzlich verändernden Abendmahlsstreit 30 – viel weniger im Rampenlicht stand, was als Spätfolge seine bis heute eher spärliche Erforschung nach sich zieht. Und doch finden sich hier entscheidende Prozesse: Das Verbleiben in der mittelalterlichen Tradition, die zugleich neu 29
Zur Konfessionalisierungsdebatte insgesamt vgl. den Überblick bei HOLZEM , Konfessionsgesellschaft, vor allem 55–61; 80–85; vgl. auch POHLIG, Gelehrsamkeit, über die spezifisch Lutherische Kirchengeschichtsschreibung. 30 Vgl. hier WENDEBOURG, Essen.
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I. Die rituelle Erfahrungstradition der Christenheit
theologisch legitimiert werden muss. Es tauchen entscheidende Argumente des Luthertums für eine Theologie des Gottesdienstes auf, so die Schriftgemäßheit gottesdienstlichen Betens, das eventuell nur – humanistisch geprägt – durch Kirchenvätertexte ergänzt werden durfte. Der neunte Beitrag („…totum psalterium in usu maneat.“ Martin Luther und das Stundengebet) geht den Veränderungen im Verhältnis zum Stundengebet in der Biographie Martin Luthers nach. Die Aufmerksamkeit gilt hier besonders der subjektiven Seite, nämlich der autobiographischen Übermalungen Luthers, mittels deren er sich mit der als Mönch übernommenen Verpflichtung zu den „horas canonicas“ auseinandersetzt. Das Ergebnis differenziert zwischen Stundenliturgie als privater Pflicht, die Luther ablehnt, als Gemeindegottesdienst, den er fördert, sowie als Chorgebet der verbleibenden Stifte, gegen das Luther nicht vorgeht, wenn es im Geiste evangelischer Freiheit begründet ist. Hier liegt die Ursache für den Facettenreichtum der Praxis im Luthertum des 16. bis 18. Jahrhunderts, den der zehnte Beitrag („…matutinae, horae, vesperae, completorium maneant…“ Zur Umgestaltung der Offiziumsliturgie in den Kirchen des frühen Luthertums anhand ausgewählter liturgischer Quellen) im Überblick zeigt. Die folgenden Beiträge widmen sich dann einzelnen bedeutenden Orten und ihrer Stundengebetstradition. So ist der elfte Beitrag (Die alten Gewohnheiten und Bräuche fortsetzen. Zur reformationszeitlichen Liturgiereform des Havelberger Domstiftes unter Matthäus Lüdtke) dem Havelberger Domstift unter seiner prägenden Figur des Matthaeus Ludecus gewidmet, der zwölfte Beitrag (Gefeierte Ökumene. Zum nachreformatorischen Stundengebet des gemischt konfessionellen Domkapitels in Halberstadt) dem Halberstädter Domstift und der bewegten Geschichte seiner Reformation mit dem Ergebnis eines gemischt konfessionell besetzten Kapitels. Der dreizehnte Beitrag schließlich (Die lutherische Umgestaltung der Offiziumsliturgie im Naumburger Dom. Zum „Psalterium Davidis“ von 1720 und dem „Officium Divinum“ des Antonius Sutorius von 1751) holt bis ins 18. Jahrhundert aus und zeigt weitere Liturgiereformen eben jener Stundenliturgie im lutherischen Kontext.
5. Ausblick auf weitere Forschungsperspektiven 5. Ausblick
Die Beiträge geben einen Überblick über die liturgiehistorische Forschung, die noch lange nicht in ausreichendem Maße das Mittelalter, geschweige denn das Zeitalter der Konfessionalisierung in den Blick genommen hat. Viele Quellen bezüglich der Stundenliturgie im Luthertum etwa wären erst
5. Ausblick
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zu heben.31 Dass es einer weiteren Bestimmung des Phänomens der Liturgiereform bedarf, wurde bereits erwähnt. Doch auch die hier umrissene Perspektive, die Liturgiegeschichte unter dem Fokus ritueller Erfahrung zu sehen, bedarf der weiteren Ausarbeitung und Präzisierung. War vor allem das Spannungsverhältnis zwischen subjektivem Erleben und objektiver Erfahrungstradition benannt worden, so muss nochmals darauf hingewiesen werden, dass nicht nur der Pol subjektiven Bedürfnisses, sondern auch der Pol der Tradition ständig neu zu hinterfragen ist. Weder ist der Glaube nur individuellem, subjektivem Bedürfnis anzupassen, noch auch das kirchliche Leben nur nach der Vorgabe der Tradition auszurichten. Dass es schwierig ist, „in der Vielfalt untergegangener und bestehender traditiones ein Kriterium gültiger Tradition zu schaffen,“ zeigt Joseph Ratzinger. In seinem Kommentar zur Offenbarungskonstitution „Dei Verbum“ griff er 1967 aus der Konzilsdiskussion zum Thema Tradition einen Einwand auf: „…nicht jede Tradition, die sich in der Kirche bildet, ist wirklich Vollzug und Gegenwärtighaltung des Christusgeheimnisses, sondern neben der legitimen gibt es auch eine entstellende Tradition.“ Das Dilemma, wie Ratzinger es damals sah, war, dass das II. Vatikanische Konzil „das traditionskritische Moment so gut wie völlig übergangen“ und sich „damit einer wichtigen Chance des ökumenischen Gesprächs begeben“ habe.32 Und an diesem Punkt ist nach wie vor die Theologie gefragt, die nicht nur den normativen Ursprung des Christentums mit dem heute Notwendigen kontrastiert, sondern ebenso nach dem spezifisch Christlichen in allgemein religiösen menschlichen Bedürfnissen fragt. Damit steht an, auch das rituelle Tun der Kirche in der Spannung von Religiosität und Christianität zu verorten.33 Meint Religiosität ein eher allgemein menschliches Bedürfnis, das Leben im Blick auf eine Transzendenz zu deuten, setzt Christianität die dezidierte Lebensentscheidung für die Person Jesu als des Christus voraus. Der Religiosität entspräche eine grundlegende Ritualfähigkeit des Menschen, die eigene Existenz in Ritualen und Symbolen darzustellen. Der Christianität entspräche seine „Liturgiefähigkeit,“34 in den Ritualen, wie sie die kirchliche Tradition darbietet, den eigenen Glauben an Jesus Christus auszudrücken. Diese Größen aber begegnen in der Regel gemischt. So notwendig die Verhältnisbestimmung beider Größen für die gegenwärtige Praxis der Kirche immer ist, so ist auch Aufgabe einer historisch arbeitenden Theologie, Lösungen dieses Spannungsverhältnisses im Mittelalter und im Zeitalter der Konfessionalisierung aufzusuchen. Dabei geht es auch um die Frage, inwieweit gegenwärtige Praxis durch mittelalterliche Prägungen 31
Eine Sammlung weiterer Quellen zur lutherischen Stundenliturgie ist in Arbeit. RATZINGER , Konstitution 519–520. 33 Vgl. B ITTER , Religiosität. 34 Vgl. hierzu den Sammelband von KRANEMANN, NAGEL, NÜBOLD, Heute. 32
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I. Die rituelle Erfahrungstradition der Christenheit
bestimmt ist, die eventuell gar nicht zum Kern des Christentums zählen. Solche Prozesse in der Geschichte auszumachen und anhand ihrer immer wieder neu auf der Suche nach einem Kriterium des Christlichen zu sein, ist konstruktiver Schritt in einem anstehenden Dialog der Weltreligionen. Dass die rituelle Tradition der Christenheit mit ihren vielen Gefahren, Reichtümern, den Auseinandersetzungen darum und den Reformen keine Nebensache in diesem Prozess darstellt, möchte das vorliegende Buch zeigen.
B. Liturgie im Mittelalter
II. „Ante conspectum diuinae maiestatis tuae reus assisto.” Liturgie- und frömmigkeitsgeschichtliche Untersuchungen zum „Rheinischen Messordo“ und dessen Beziehungen zur Fuldaer Sakramentartradition* II. „Ante conspectum diuinae maiestatis tuae“
Erneuerung ist ein notwendiger und bleibender „Grundzug des christlichen Gottesdienstes.“1 Dies bedeutet für die Liturgiewissenschaft, Liturgiereformen als eines ihrer bevorzugten Themen wahrzunehmen.2 Der folgende Beitrag möchte die Erneuerung des Ordo Missae beleuchten, die sich der „bonifatianisch-karolingischen Liturgiereform“ und ihren frömmigkeitsgeschichtlichen Strömungen und Bedingungen verdankt. 3 Wie haben sich diese Veränderungen vor dem Jahre 1000 auf die gleichbleibenden Teile der Messe im hohen und späten Mittelalter ausgewirkt? Die Überlegungen beginnen mit der römischen Messe, wie sie die dem Namen nach auf Papst Gregor den Großen zurückgeführten Sakramentare überliefern. Der dort beschriebene Ablauf wird in Teilen mit den Angaben ausgewählter Ordines Romani kontrastiert (1.). Sodann werden die mittelalterlichen Veränderungen bis hin zum „Rheinischen Messordo“ anhand einzelner Stationen der Forschungsgeschichte dargestellt und problematisiert (2.). In einem weiteren Schritt werden die Rahmenbedingungen der Wandlungen des Messordo im Kontext der sogenannten bonifatianischkarolingischen Liturgiereform aufgezeigt (3.). Dies führt zu theologie- und frömmigkeitsgeschichtlichen Implikationen, die unter anderem in Bezug auf die besonders im Fuldaer Skriptorium beheimateten Bußformulare dargestellt werden (4.). Sodann geht es um die Rolle der Abtei Fulda und ih* Zuerst erschienen in: ALw 49 (2007), 1–35. 1 Vgl. hierzu KLÖCKENER , KRANEMANN, Liturgiereformen; B ÄRSCH, Reform; B ÄRSCH, Wozu Liturgiereform? 2 Vgl. HÄUSSLING, Liturgiereform. 3 Den Begriff „bonifatianisch-karolingische Liturgiereform“ übernehme ich von ANGENENDT, Bonifatius 53 u.ö.; vgl. auch ANGENENDT, Libelli 227–228; 235–243. Der Terminus scheint mir in diesem Kontext aufgrund seiner Valenz gerechtfertigt, einen mehrere Jahrhunderte beanspruchenden Prozess allein zeitlich zu umfassen. Dennoch bleibt eine „leichte Skepsis,“ wie sie formuliert ist bei Angelus A. H ÄUSSLING, Rez. zu ODENTHAL, Tradition, in: ALw 47. 2005, 273–274, hier 274.
1. Die Ausgangssituation
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res Skriptoriums – neben den bereits bekannten Zentren wie St. Gallen oder Mainz – als Umschlagplatz liturgischer Neuerungen im Entwicklungsprozess des Ordo Missae (5.). Schließlich werden die weiteren Auswirkungen des Rheinischen Messordo auf die Diözesanliturgien bedacht (6.), bevor die Ergebnisse zusammengefasst werden (7.).
1. Die Ausgangssituation: Der Ordo Missae der gregorianischen Sakramentare im Kontext der „Ordines Romani“ 1. Die Ausgangssituation
Im Vergleich zum rubrizistisch ausgefeilten Ordo Missae des Missale Romanum von 15704 fällt die äußerst sparsame Schilderung des Ablaufes der Messe in den römischen Sakramentaren gregorianischer Prägung auf. Dort werden, um die Eingangsriten als Beispiel zu nehmen, Introitus, Kyrie und Gloria etc. lediglich kurz erwähnt. Der in vielen Sakramentaren mit einigen Varianten überlieferte Text lautet: QUALITER MISSA ROMANA CAELEBRATUR. Hoc est inprimis introitum qualis fuerit statutis temporibus siue diebus festis seu cottidianis, deinde kyriae eleison. Item dicitur gloria in excelsis deo, si episcopus fuerit, tantummodo die dominico, siue diebus festis; a praesbyteris autem minime dicitur nisi solo in pascha. Quando uero laetani a agitur neque gloria in excelsis deo neque alleluia canitur. Postmodum dicitur oratio, deinde sequitur apostolum. Item gradalem seu alleluia. Postmodum legitur euangelium, deinde offerturium et orationem super oblatam. Per omnia saecula saeculorum... 5
Ein wie im nachtridentinischen Missale entfaltetes Stufengebet gibt es noch nicht. Lediglich in den zum Sakramentar komplementären, das Zeremoniell regelnden Ordines Romani (OR) sind Anhaltspunkte auszu4 MISSALE ROMANUM 1570, 293–352. „Was die Meßordnung betraf, hielt man sich faktisch an den Ordo Missae des päpstlichen Zeremonienmeisters Johannes Burckard von Straßburg (um 1450–1506),“ urteilt HAUNERLAND, Einheitlichkeit, 447, über den Ordo Missae des Trienter Missale. 5 DESHUSSES, Le sacramentaire 1, 85–86 (Nr. 1–3): „WIE DIE RÖMISCHE MESSE GEFEIERT WIRD. Da gibt es zuerst den Introitus, wie er zu festgesetzten Zeiten, seien es Festtage oder Werktage, sein soll, dann das Kyrie eleison. Ebenso wird das Gloria in excelsis gesprochen, wenn der Bischof da ist, nur am Sonntag oder am Festtag; von Priestern wird es auf keinen Fall gesprochen, nur an Ostern. Wenn ein Litaneitag gehalten wird, wird weder das Gloria in excelsis noch das Alleluia gesungen. Danach wird die Oration gesprochen, darauf folgt die Apostellesung, ebenso das Graduale oder das Alleluja. Danach wird das Evangelium verlesen, dann folgen das Offertorium und das Darbringungsgebet über die Gabe. Wenn das beendet ist, spricht der Priester mit erhobener Stimme: Per omnia saecula saeculorum;“ ebenso (mit Abweichungen) im in Fulda geschriebenen Göttinger Sakramentar (fol. 2r–2v), in: Sacramentarium Fuldense 1. Zu diesem Sakramentar vgl. W INTERER, Sakramentar.
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II. „Ante conspectum diuinae maiestatis tuae“
machen, die Jahrhunderte später einen Ansatz zur Entwicklung des Stufengebets boten. Der OR 1 schildert die feierliche Messe des römischen Pontifex.6 Im 7. Jahrhundert entstanden, verlässt zwischen 700 und 750 eine Fassung dieses Ordo die Stadt Rom.7 Darin finden sich erste Hinweise auf Stillgebete des Papstes, die allerdings nicht schriftlich fixiert oder – falls es feststehende Texte gegeben haben sollte – nicht auf uns gekommen sind. Der Papst verehrt die „Sancta,“ wohl die in einer „capsa“ mitgeführte Eucharistie der letzten Feier, zu Beginn der Einzugsprozession.8 Vor allem aber betet der Papst vor dem Altar still, bis das „Gloria Patri“ des Introitusgesangs beendet ist.9 Dann folgen die Verehrung des Altares wie des Evangelienbuches und der Gesang des Kyrie. Doch OR 17, eine vereinfachte und „gallikanisierte“ Fassung des Messablaufs aus dem späten 8. Jahrhundert, qualifiziert das Gebet des Priesters beim Einzug bereits als „für seine und des Volkes Sünden,“ ohne eine bestimmten Text anzugeben.10 Man darf Josef Andreas Jungmanns Urteil über die Anfänge des Stufengebetes folgen, wonach es „in vorfränkischer Zeit zwar nicht ein bestimmtes Gebet, wohl aber, entsprechend den beiden Teilen des heutigen Stufengebets, den in bestimmte Formen gefassten Gang zum Altar und dann das stumme Sichniederwerfen des Zelebranten vor dem Altare“ 11 gegeben hat. Diese Einschätzung trifft folglich auch noch für die Überarbeitungen des Messordo zu, wie sie etwa in OR 17 greifbar werden. Auch die Gabenbereitung, im Sacramentarium Gregorianum mit wenigen Worten abgehandelt, schildert der OR 1 wesentlich ausführlicher, indem er über die aufwendigen rituellen Begleitumstände der Zurüstung des Altares be-
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Vgl. OR 1 (ANDRIEU, Ordines 2, 65–108). Eine Fassung dieses Ordo Romanus Primus findet sich etwa auch in Cod. 138 (9. Jh.) der Kölner Dombibliothek; zu Cod. 138 vgl. ANDRIEU, Ordines 1, 101–108. 7 Vgl. VOGEL, Medieval Liturgy, 159; NEBEL, Entwicklung, 14. 8 Vgl. OR 1, 48 (ANDRIEU, Ordines 2, 82–83). Zum letztlich nicht geklärten Brauch des „Fermentum,“ vgl. MEYER, Fermentum. 9 OR 1, 50 (ANDRIEU, Ordines 2, 83): „…ponat oratorium ante altare; et accedens pontifex orat super ipsum usque ad repetitionem versus.“ Zum stillen Gebet vgl. NEBEL, Entwicklung, 96–97; 264–265; zu den „Sancta“ vgl. ebd. 139–140. 10 OR 17, 25: „pro se vel pro peccata (sic!) populi“ (ANDRIEU, Ordines 3, 179). Zum OR 17 vgl. VOGEL, Medieval Liturgy, 168–169; ebd. 169 der Hinweis: „Its most interesting part is a description of the Mass (nos. 17–63) in its simplified and Gallicanized form;“ vgl. auch NEBEL, Entwicklung, 158. Auch OR 15 weitet die Eröffnungsriten aus, vgl. OR 15, 12–18 (ANDRIEU, Ordines 3, 97–99); dazu VOGEL, Medieval Liturgy, 168. 11 JUNGMANN, MS 1, 377.
2. Zu Forschungsgeschichte und Forschungsstand
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richtet.12 Doch kennt auch der OR 1 nur ein Gebet, nämlich das stille Gabengebet des Papstes.13 Damit lässt sich schon festhalten: Das Faktum, dass der Ordo Missae des Sacramentarium Gregorianum sich ausdrücklich auf die Autorität des Papstes Gregor beruft,14 bot kein Hindernis, den Messordo als Ausgangsbasis mit viel Spielraum für weitere Anpassungen und Veränderungen anzusehen, mittels derer man ein „reines“ Musterexemplar erst herstellte. 15 Wenn man Anpassungen vornahm oder notwendige Ergänzungen neben die sanktionierte Ordnung stellte, letztere quasi durch erstere interpretierte, tat dies der liturgischen Korrektheit und der römischen Prägung keinen Abbruch.16 Im Folgenden soll nun gezeigt werden, wie jener Spielraum für weitere Entwicklungen genutzt wurde.
2. Zu Forschungsgeschichte und Forschungsstand der mittelalterlichen Messe: Von der „Missa Illyrica“ zum „Rheinischen Messordo“ 2. Zu Forschungsgeschichte und Forschungsstand
Die Argumentation, welche die Tradition als Beleg und Autorität für eine bestimmte liturgische Praxis anführt – im Laufe der Liturgiegeschichte des Öfteren anzutreffen –, wurde auch im Kontext reformationszeitlicher Auseinandersetzungen um die Messe bemüht:17 Hier bot sich einer der ersten Anlässe, die Geschichte des Ordo Missae zu erforschen. So fanden ver12
542.
Vgl. OR 1, 67–86 (ANDRIEU, Ordines 1, 90–95); NEBEL, Entwicklung, 40–47; 539–
13 Vgl. OR 1, 87 (ANDRIEU, Ordines 2, 95); vgl. auch NEBEL, Entwicklung, 114–115, der allerdings einen möglichen Augenblick des persönlichen Gebetes des Papstes über die Gaben annimmt. Erst im OR 10 (10. Jh.) findet sich die Oration „Veni sanctificator,“ vgl. OR 10, 46 (ANDRIEU, Ordines 2, 359–360); vgl. NEBEL, Entwicklung, 541 (Tabelle). Eigentliche Bußgebete an dieser Stelle kennt also der OR 1 noch nicht, wohl aber eine (mehrmalige) Händewaschung. Erst der OR 10 lässt den Bischof, zum Volk gewendet, sprechen: „Orate pro me;“ vgl. OR 10, 48 (ANDRIEU, Ordines 2, 360). Zur Entstehung der Gabengebete vgl. auch J UNGMANN, MS 2, 51–88; T IROT, Histoire. 14 Zur Rolle Gregors des Großen in Bezug auf die Liturgie des Sacramentars vgl. HEINZ, Papst Gregor 63–65. Zu den rechten, päpstlich bestätigten Liturgiebräuchen als Ziel im irisch-angelsächsischen Ritenstreit im Frühmittelalter vgl. ANGENENDT, Libelli, 232–235. Dass gerade Gregor der Große eine gewisse Toleranz in Ritenfragen zeigte, wenn nur der eine Glaube gewahrt würde, zeigt ANGENENDT ebd. 236. 15 ANGENENDT, Libelli, 239, verweist auf Alcuin als die „treibende Kraft dieses ‚Korrekturprogrammes;’“ siehe dazu unten in Abschn. 5. 16 Vgl. ANGENENDT, Libelli, 235. 17 Die Diskussion um die Messe in der Reformationszeit ist umfassend dargestellt bei S IMON, Messopfertheologie.
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II. „Ante conspectum diuinae maiestatis tuae“
schiedene, in alten Codices überlieferte Formen der Messe Beachtung, die man allerdings fälschlicherweise in die altkirchliche Zeit datierte und so zu ranghohen Zeugen der Tradition machte. 18 Als Musterbeispiel darf die nach ihrem ersten Herausgeber, Mathias Flacius Illyricus (1520–1575),19 benannte „Missa Illyrica“ gelten. 1557 in Straßburg veröffentlicht, wurde sie damals ins 7. Jahrhundert datiert, also vor die Epoche der Einführung der römischen Liturgie im Frankenreich.20 Damit konnte sie dem Reformator als Argument gegen die römische Überformung autochthoner Liturgie dienen. Aber bereits nach einem Jahrhundert wurde deutlich, dass sowohl die Datierung als auch die Indienstnahme der „Missa Illyrica“ für die Anliegen der Reformation nicht tragfähig waren.21 Doch blieben ihre tatsächlichen Ursprünge lange im Dunkeln; versuchte noch Fernand Cabrol (1855–1937), Alcuin als Urheber auszumachen,22 so gelang es erst Joseph Braun (1857–1947), Herkunft und Alter zu bestimmen. Er konnte Cod. Helmstadiensis 1151 aus Wolfenbüttel, dem die „Missa Illyrica“ entnommen ist, Berliner Handschriften zuordnen und ikonographische Details entsprechend auswerten. Demnach handelt es sich unzweifelhaft um ein Produkt des 11. Jahrhunderts und eine Arbeit für den Mindener Bischof Sigebert (1022–1036). Damit riss die Beschäftigung mit der „Missa Illyrica“ nicht ab,23 wie in jüngster Zeit vor allem die Edition mit Kommentar durch Joanne Pierce belegt, 24 nun freilich unter der korrekteren Bezeichnung als „Ordo Missae“ des Sigebert von Minden. Neuere Forschungsper18 Vgl. MARTENE , De antiquis Ecclesiae ritibus 1, 345–442: Articulus I–X; 461–679: Articulus XII (Ordines I–XXXVII); vgl. hierzu MARTIMORT, La documentation, 286– 308. Die Initien der einzelnen Gebetstexte der Messordines sind verzeichnet bei DARRAGON, Répertoire, 34–73. Die Messordines XXXI und XXXII (M ARTÈNE , De antiquis Ecclesiae ritibus 4, 649–658) werden dort in die Zeit um 300 datiert; vgl. MARTIMORT, Documentation 309–322; DARRAGON, Répertoire 67–69. 19 Zu Flacius Illyricus neben den in den folgenden Anmerkungen genannten Titeln HARTMANN, Humanismus, zur „Missa Illyrica“ 129–130. – Nebenbei sei bemerkt, dass Flacius Illyricus wohl in den Besitz des Fuldaer Sakramentars gelangte. Vgl. dazu W INTERER , Sakramentar 174. 20 Missa Latina, qvae olim ante Romanam circa 700 Domini annum in usu fuit, bona fide ex uetusto authenticoque Codice descripta. Straßburg 1557; vgl. VD 16: M 5497; nochmals wurde der Messordo ediert in: PL 138, 1305–1336. Vgl. auch VOGEL, Medieval Liturgy, 162–163; BRAUN, Alter; B UTZMANN, Missa Illyrica. 21 Es waren unter anderem die in der „Missa Illyrica“ noch vorgesehene Kommunion des Volkes sowie die auf Gemeinschaft hin angelegte Feier, die das Formular in reformatorischen Augen als bedeutsam erscheinen ließen; vgl. BRAUN, Alter, 145–146. 22 Vgl. CABROL, La messe. 23 Vgl. OLSON, The „Missa Illyrica;” OLSON, Flacius Illyricus, zur „Missa Illyrica“ 52–64; OLSON, Matthias Flacius, bes. 79–83. 24 Vgl. P IERCE, Sacerdotal spirituality 83–123, dort ein Bericht über die Geschichte der Druckversionen und der wissenschaftlichen Untersuchungen der „Missa Illyrica;“ vgl. auch P IERCE, Early medieval prayers; MILDE, Handschriften, 12–13.
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spektiven schätzen den Mindener Ordo als Musterexemplar mittelalterlicher Liturgieentwicklung. Schon vor diesen Neubewertungen der „Missa Illyrica“ hatten die Publikationen des Prämonstratensers Bonifaas Luykx zum mittelalterlichen Messordo eine Wende ausgelöst. Joseph Andreas Jungmann – mit Luykx im Gedankenaustausch – rezipierte dessen Studien und machte sie in kurzer Zeit bekannt. Noch in der ersten Auflage von Missarum Sollemnia hatte Jungmann den Messordo von Séez in der Normandie als zentral ausgewiesen und dementsprechend von der „Séezgruppe“ gesprochen, wobei er freilich eine Entstehung im fränkisch-deutschen Raum vermutete. 25 In den späteren Auflagen wurden diese Angaben durch Aufnahme der Forschungsergebnisse von Luykx verändert.26 Dieser hat die Arbeitshypothese aufgestellt, die im Frühmittelalter beginnende Ausprägung des Messordo führe über zwei Vorstufen, den Apologientyp und den fränkischen Typ, hin zum sogenannten Rheinischen Messordo.27 Der Terminus macht deutlich, dass also nicht mehr nur Nordfrankreich, sondern vor allem die Rheinschiene mit ihren Abteien Reichenau und St. Alban in Mainz, aber auch das Kloster St. Gallen als Entstehungsort dieser Veränderungen angesehen werden müssen. Die Unterscheidung in drei Entwicklungsstufen meint Folgendes. Im Apologientyp, der sich noch den Nachwirkungen der verdrängten altgallischen Liturgie zu verdanken scheint,28 werden beim Akzess zum Altar und bei den Offertoriums- und Kommunionriten Apologien eingeschaltet. Hatte 25 JUNGMANN, MS, hier 1. Auflage Wien 1948, 1,118–119. Der Text des Messordo findet sich unter dem Namen „Alia Missa Vetus ex Codice Tiliano“ in: PL 78, 245–251. Am Rande sei auf ältere, in der „Patrologia Latina“ zu findende Ordineseditionen au fmerksam gemacht, etwa aus Corbie, in: PL 78, 239–245 und PL 138, 1335–1346; aus Fonte Avellana, in: PL 151, 931–937; wir nennen weitere, neben den in den folgenden Anmerkungen angeführten Editionen: CAMBRIA, L’ordinario (Palermo, 11./12. Jh.); CORADINI, Un sacramentario (Toscana, 11. Jh.); FIALA, Ordo Missae; D UVAL-ARNOULD , Un missel (St. Vinzenz am Volturno/Monte Cassino, 11. Jh.); KNIEWALD, Ordo; LEMARIE, Le pontifical (Besançon, 11. Jh.); vgl. auch LEMARIE, Ordo Missae; ODERMATT, Rituale 221–236; 346–354; SALMON, Libellus, hier 270–277 (Ordo Missae aus Rom, 11. Jh.). 26 In der vierten Auflage räumte Jungmann noch ein, die Veränderungen im Ordo Missae wiesen ins normannische Séez, „weshalb man versucht sein kann, von der Séezgruppe zu sprechen;“ J UNGMANN, MS, hier 4. Auflage Wien 1958, 1, 123. Dann aber fügte er die an Luykx orientierten Ausführungen über den Rheinischen Messordo an. In der 5. Auflage formulierte er im Imperfekt: „weshalb man versucht sein konnte, von der Séezgruppe zu sprechen;“ J UNGMANN, MS 1, 123. 27 Vgl. LUYKX, Essai; LUYKX, Oorsprong. 28 Vgl. NOCENT, Les Apologies, 180–183, mit dem Hinweis auf das Missale Gothicum; ebd. 185–186 ein Verzeichnis der Apologien in französischen Handschriften. Zur altgallischen Liturgie vgl. auch MEYER, Eucharistie, 154–157; SMYTH, La liturgie oubliée 205, ein Verweis auf das Missale Gothicum und eine die Anaphora vorbereitende Apologie; vgl. auch B ORELLA, Le „Apologia Sacerdotis.”
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II. „Ante conspectum diuinae maiestatis tuae“
die bisherige Sakramentarforschung eher die einzelnen Gebete isoliert wahrgenommen,29 so bestand der Erkenntnisgewinn nun darin, sie als Teil eines Gesamtgefüges, eines (zunächst noch bruchstückhaften) Messordo identifiziert zu haben. Luykx charakterisierte von den bereits durch Edmond Martène und Victor Leroquais edierten Ordines etwa die aus Reims, Chartres und Echternach als Apologientypen. 30 Ein weiteres Formular findet sich in einem Sakramentar Fuldaer Provenienz in der Kölner Dombibliothek.31 Die beim Apologientyp eher unvermittelt in den Messverlauf eingefügten Gebetsgruppen ergänzt der sogenannte Fränkische Typus um Gebete zur Begleitung einzelner liturgischer Gesten und Riten, etwa beim Anlegen der liturgischen Gewänder.32 Ferner vermehrte er die Gebete während des Sanctus und während der „commixtio“ und fügte weitere nach dem Ende der Messe an.33 Ziel dieser fränkischen Überarbeitung war es, im Rahmen der mit dem Apologientyp beginnenden Überformung des Messordo durch Privatgebete des Priesters diese noch besser dem tatsächlichen Messverlauf anzupassen. Als Vertreter des Fränkischen Typus ist nach Luykx etwa der Messordo aus Amiens anzusehen.34 Die Entwicklung findet schließlich im Rheinischen Messordo ihren Höhepunkt. Diese Form wird zwar weiter variiert, bleibt aber in der Grundstruktur unverändert und wird in der Anzahl der Gebete nicht mehr überboten. Die Formulare des Rheinischen Messordo haben größtenteils den Charakter eines Repertoriums: Es gibt ganze Sammlungen von Gebeten in zahlreichen Varianten, die alternativ zu wählen sind. Die Charakteristika dieses Typus sind folgende. Die Anzahl der begleitenden Gebete wird erhöht, die Gebete des Kommunionteils werden erweitert und an vier Stellen Psalmenrezitati-
29 Vgl. die Überschrift „Orationes ad diversa“ bei DESHUSSES, Le sacramentaire 3, 262–270; Deshusses hat dort einige Gebete der „Suscipe“-Gruppe abgedruckt, die im eigentlichen Sinne keine Apologien sind (Nr. 4393–4395). Zu den Apologien vgl. grundsätzlich NOCENT, Les Apologies; STRITTMATTER , An unknown „Apology.“ 30 Vgl. LUYKX, Oorsprong 84. Es sind dies die Ordines IX und X bei MARTÈNE, De antiquis Ecclesiae ritibus 1, 541–562; vgl. dazu MARTIMORT, La documentation 240 (Nr. 354–355); 312–313 (Nr. 553–554); vgl. auch P IERCE, Evolution 10–13. 31 Der Messordo ist ediert bei ODENTHAL, Formulare. 32 Zu diesen Gebeten, nun allerdings in einem Formular des Rheinischen Messordo, vgl. vor allem P IERCE, Early Medieval Vesting Prayers. Die allegorische Deutung der Paramente dürfte zuerst zu finden sein bei HRABANUS MAURUS, De institutione clericorum 1, 168–183 (cap. 14–23), und Amalar von Metz, Liber Officialis 1, II., c. 15–26, in: AMALARI Episcopi Opera 2, 236–254. – Zu Amalar vgl. STECK, Amalarius. 33 Eine Auflistung der Gebete dieses Typs bei B AROFFIO, DELL’ORO, Ordo Missae 803. 34 Vgl. LUYKX, Oorsprong 87; ebd. 89 Anm. 26 weitere Nennungen von Ordines in der Nachfolge von Amiens (Lyon, Limoges, Tours, Soissons, Moissac, Laon, Beauvais, St-Mélaine und St-Méen). Zum Ordo aus Amiens vgl. LEROQUAIS, L’Ordo Missae.
2. Zu Forschungsgeschichte und Forschungsstand
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onen eingeführt.35 Luykx hat als Zentren der Verbreitung des Rheinischen Messordo St. Gallen, Reichenau und Mainz benannt.36 Inzwischen ist auch der bereits unter dem Stichwort „Missa Illyrica“ erwähnte Mindener Ordo als ein Vertreter dieses Rheinischen Messordo ausgewiesen.37 Weitere Beobachtungen und Textzeugen konnten beigebracht werden. 38 Anhand eines Formulars aus St. Aposteln in Köln sowie weiterer Handschriften des Kölner Domes konnte der Einfluss dieses Typus auch auf die Kölner Diözesanliturgie nachgewiesen werden.39 Das folgende Schema soll die Entwicklungsstufen des Messordo skizzieren. Apologientyp
Fränkischer Typ
Rheinischer Messordo Psalmgebete (Ps 83, 84, 85)
Gebete zum Ankleiden und zur Gebete zum Ankleiden Händewaschung (mit Psalmen) und zur Händewaschung („Largire sensibus,“ „Lavabo“) Gebete vor dem Altar
Gebete vor dem Altar
Gebete zum Introitus Ps 42 Apologien während des Gloria
„Suscipe“-Gebete
Gebet zur Inzens (beim Evangelium)
Gebet zur Inzens (beim Evangelium)
„Suscipe“-Gebete
Gebete zur Gabenbereitung
„Orate fratres“-Dialog
„Orate fratres“-Dialog
(Apologie zum Sanctus)
Apologie während des Sanctus Psalmgebete während (und Te igitur) Sanctus und Kanon (Ps 19, 24, 50, 89, 90)
Gebete zur Commixtio
Gebete zur Commixtio
Gebete zur Commixtio
35 Vgl. die Auflistung bei B AROFFIO, DELL’ORO, Ordo Missae 804–805. Zum Rheinischen Messordo vgl. vor allem P IERCE, Sacerdotal spirituality 394–395. Zum Thema der damalig neuen Messform insgesamt vgl. P IERCE, New Research, und P IERCE, Evolution. 36 Für St. Gallen sind hier vor allem die Codices Ms. 338, 339 und 340 der Stiftsbibliothek zu nennen. Zu diesen Ordines vgl. die leider unpublizierte Untersuchung von MUFF, Ordo Missae. 37 Vgl. LUYKX, Oorsprong 97; 103–104. 38 Ein unvollständiger Überblick über die Forschung bei P IERCE, Evolution 12. 39 Vgl. ODENTHAL, Meßordo.
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II. „Ante conspectum diuinae maiestatis tuae“ Gebete zum Friedensgruß („Habete vinculum pacis,“ „Pax Christi et Ecclesiae“)
Gebete zur Kommunion „Placeat“-Gebet
Gebete zur Kommunion
Gebete zur Kommunion „Placeat“-Gebet nach der Messe Psalmgebete (Ps 150, Dan 3)
Da die Genese des Messordo sich als hochdifferenzierter Prozess erweist, stellt sich die Frage, inwieweit das Luykx’sche Schema geeignet ist, die tatsächlichen Verläufe nachzuzeichnen. Da wäre zunächst die Nomenklatur selbst zu betrachten: Bestimmen inhaltliche Kriterien – die Apologien – den Namen des ersten Typus, geben Regionen den beiden anderen Typen den Namen. Doch der Versuch, die Abgrenzung fränkisch-rheinisch näher auszuloten, ergibt, dass sich manche der Thesen von Luykx nicht verifizieren lassen, da die von ihm angekündigte umfassende Studie nie erschienen ist.40 Weiter ist zu prüfen, inwieweit das als Arbeitshypothese entworfene Modell wirklich geeignet ist, Entwicklungsstufen voneinander abzugrenzen. Dass z.B. mit den Gebeten beim Anlegen der Paramente jeweils ein neuer Standard erreicht ist, steht außer Frage. Doch nicht in jedem Fall dürfte geübte Praxis sogleich kodifiziert worden sein. So ist etwa damit zu rechnen, dass der Priester nach seiner Gewohnheit Gebete zum Anlegen der Gewänder gesprochen hat, ohne dass sie im verwendeten Sakramentar schriftlich fixiert sind. Es ist also denkbar, dass die Entwicklung anders verlaufen ist, als dies in sicher abzugrenzenden Stufen anhand der überlieferten Quellen nachzuweisen ist. Als weitere Schwierigkeit ist zu vermerken, dass Luykx noch nicht alle bislang publizierten Ordines zur Verfügung standen. Die Funde der letzten Jahre geben vielmehr zur Annahme Anlass, dass noch manche Ordines zu entdecken und zu publizieren sind. 41 Dies liegt nicht zuletzt daran, dass sich diese Ordines nicht immer als solche präsentieren, sondern sich in den Sakramentaren hier und dort oder nur in Teilen oder lediglich in einzelnen Gebeten auffinden lassen. Erst der 40
So kündigte J UNGMANN, MS, 4. Auflage Wien 1958, 1,124 Anm. 9, eine weitere, umfassende Studie von Luykx an. In der 5. Auflage 1962 änderte Jungmann diese Anmerkung. 41 Vgl. z.B. das Sakramentar des Halberstädter Domschatzes, Inv.-Nr. 469 (alt: 153), das auf fol. 3 r die Ankleidegebete des Priesters und andere Nachträge bringt. Es wird von H. Hoffmann und R. Pokorny in die Zeit zwischen 974 und 980 datiert; vgl. HOFFMANN, P OKORNY, Dekret 153–154; vgl. auch SCHMIDT, Handschriften II, 12–13, datiert das „Breviarium“ (unter der alten Inventarnummer 153) ins 12. Jh. Nach FLEMMING, LEHMANN, SCHUBERT, Dom 251, ist die schon 975 in Halberstadt nachweisbare Handschrift im nordfranzösisch-belgischen Raum entstanden.
3. Der Kontext der Veränderungen
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Blick auf das Gesamt eines Sakramentars schafft die Gewissheit, einen Ordo Missae oder Teile davon vor sich zu haben. In diesem Sinne liefert das Schema von Bonifaas Luykx wohl eher Annäherungswerte. Ein letztes Argument ist die von Arnold Angenendt formulierte Skepsis gegenüber Vorstellungen „organischer Liturgieentwicklung.“ 42 Die Prägung der Diözesanliturgien durch den Rheinischen Messordo zeigt, dass keine Entwicklung von schlichten Ursprüngen zu einem reichen Endergebnis vorliegt. Vielmehr wird der einmal erreichte Standard hin zu den Ordines missae der Diözesanliturgien wieder reduziert, und zwar um einige der Apologien, die doch den Auftakt des Prozesses markierten. Die Gründe hierfür werden noch angezeigt. Damit ist die Geschichte des Ordo Missae auch unter den Kategorien des Zugewinns wie des Verlustes anzusehen. Bisher wurde deutlich, in welchem Maße die schlichte Grundform der Messe in den gregorianischen Sakramentaren durch viele Gebete und Riten des Priesters oder seiner Assistenz ausgebaut worden ist, so dass von einem neuen Typ der Eucharistiefeier gesprochen werden kann. Die Frage ist, wie es zu einer solch tiefgreifenden Veränderung eines für die Kirche zentralen Ritus kommen konnte. Die folgenden Kapitel möchten dem nachgehen, indem zum einen die (kirchen-)politischen Bedingungen der als „bonifatianisch-karolingisch“ zu apostrophierenden Liturgiereform des frühen Mittelalters, zum anderen damit verbundene frömmigkeitsgeschichtliche Veränderungen thematisiert werden. Dabei wird das Kloster Fulda und seine Schreibschule eingehend in den Blick genommen, die einen eigenen Typ des Sakramentars hervorbrachten – mit und ohne jene benannten Veränderungen des Ordo Missae.
3. Der Kontext der Veränderungen: Die „bonifatianischkarolingische Liturgiereform“ 3. Der Kontext der Veränderungen
Die Inkulturation des Christentums römischer Prägung in die Gebiete nördlich der Alpen führte zu einer Liturgiereform, die Arnold Angenendt als „bonifatianisch-karolingisch“ apostrophiert hat. 43 Nicht erst mit dem Zusammentreffen Papst Stephans II. mit Pippin dem Jüngeren im Jahre 754 (Krönung in St. Denis) sei eine offizielle Unterstützung der kirchlichen Romanisierung erfolgt; der Prozess der Verbindung staatlicher und kirchlicher Autorität habe vielmehr schon mit dem Kapitular des wohl 742 gehaltenen Concilium Germanicum eingesetzt, für das auch Bonifatius verant42 43
243.
Vgl. ANGENENDT, Liturgik und Historik. Vgl. ANGENENDT, Bonifatius 53 u.ö.; vgl. auch ANGENENDT, Libelli 227–228; 235–
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II. „Ante conspectum diuinae maiestatis tuae“
wortlich zeichnete.44 Es ging damals unter anderem um liturgische Vorschriften: Klerus und Volk aller Pfarreien sollten einmal im Jahr mit dem Bischof zur Firmung zusammentreffen sowie jährlich am Gründonnerstag das neue Öl erbitten, also am typisch römischen Termin der Ölweihe.45 Et quandocumque iure canonico episcopus circumeat parrochiam populos ad confirmandos, presbiter semper paratus sit ad suscipiendum episcopum cum collectione et adiutorio populi, qui ibi confirmari debet. Et in cena Domini semper novum crisma ab episcopo querat, ut episcopum testis adsistat castitatis et vitae et fidei et doctrine illius. 46
Hiermit erhielt die Liturgiereform des Bonifatius, deren Ziel es war, die römische Initiationsform mit dem Bischof als Spender der postbaptismalen Salbung nördlich der Alpen einzuführen, überregionale Unterstützung. 47 Sie konnte deshalb zum Erfolg führen, da Karlmann, der Sohn Karl Martells, die Leitung und Verantwortung des Konzils übernahm.48 In diesem Kapitular wurde per Reichsgesetz liturgisches Handeln dekretiert; die Liturgie war damit zur Sache der Politik geworden. Dies traf sich mit dem Ansinnen Roms, denn Papst Gregor II. (715–731) sandte bereits im Jahre 716 einen Brief an die Kirche Bayerns, in dem er die römische Liturgie als Norm hinstellte,49 also drei Jahre, bevor er Bonifatius mit der Heidenmission betraute. In diesen Zusammenhang kann man die Nachricht einordnen, Bonifatius habe Sturmius nach Rom zum Studium geschickt50 – sicher 44
Vgl. etwa J ARNUT, Bonifatius. Zur Entwicklung von der Provinz- zur Reichssynode vgl. auch ANGENENDT, Karl der Große 319. Der Text des Capitulare in MGH.Conc 2,1,2–4; eine weitere Edition in MGH.Ep.sel. 1,98 25 – 102 23 (Nr. 56). 45 Vgl. ANGENENDT, Bonifatius 43–44; 54–55. Zu den jährlichen Firmreisen der Bischöfe zwischen Ideal und Wirklichkeit auch HEINZ, Feier 74–76. 46 „Und wann immer gemäß dem Kanonischen Recht der Bischof die Pfarreien besucht, um das Volk zu firmen, sei der Priester immer bereit, den Bischof mit einer Sammlung und Hilfe des Volkes, das dort gefirmt werden soll, aufzunehmen. Und am Gründonnerstag soll er immer das neue Chrisamöl vom Bischof erbitten, dass er dem Bischof als Zeuge der Keuschheit, des Lebens, des Glaubens und der Lehre zur Seite stehe:“ Concilium Germanicum a. 742 c. 3 (MGH.Conc 2,1,3 19–23). 47 Schon 719 war Bonifatius von Papst Gregor II. beauftragt worden, mit der römischen Taufformel zu taufen; vgl. ANGENENDT, Libelli 235–236; ANGENENDT, Bonifatius; ODENTHAL, Tradition. 48 Vgl. ANGENENDT, Bonifatius 80–83. 49 Capitulare a Gregorio papa II datum Martiniano episcopo, Georgio presbytero, etc. in Bavariam ablegatis: „Ut loco singularum ecclesiarum praevidentes, quomodo unusquisque sacerdos, seu minister, erga ecclesiam debeat conservare, vel qualiter sacra missarum solemnia, sive caetera diurnarum atque nocturnarum horarum officia, sive etiam lectionem sacrorum Novi atque Veteris Testamenti, ordinabilia praedicamenta studeat observare secundum traditum apostolicae sedis antiquitatis ordinem, disponetis,“ in: PL 89,531–534, hier 532A; vgl. dazu auch MEYER, Eucharistie 199 (die dort angegebene Fundstelle ist leider nicht verifizierbar). 50 Vgl. PRALLE , Missale 17.
3. Der Kontext der Veränderungen
27
auch zum Studium liturgischer Gewohnheiten. Die von den fränkischen Herrschern wie vom Papst forcierte Verbindung besaß jedenfalls auch eine liturgische Komponente: Die gewünschte Einheit sollte über die Liturgie Roms hergestellt werden.51 Winfried-Bonifatius erschien als der Mann, mit dessen Hilfe man die römische Liturgie würde durchsetzen können, und er scheint bei der Romanisierung der Liturgie eine Schlüsselrolle eingenommen zu haben, die gleichwohl oft nur in Andeutungen anklingt. „Bonifatianisch-karolingische Liturgiereform“ bezeichnet somit den Prozess einer „Romanisierung“ im Sinne einer Veränderung mit Spätfolgen. Es geht nicht um eine mit einem Mal durchgeführte Reform, sondern um eine lange andauernde Übernahme römischer Traditionen in die Gebiete nördlich der Alpen. Theodor Klauser hat hierfür den Begriff der Austauschbeziehungen geprägt. 52 Die Entwicklung verläuft nicht linear, schon gar nicht durch bloßes Kopieren römischer Vorlagen, sondern ist ein komplexer Verschmelzungsvorgang, der durch Nachahmen Neues entstehen lässt, wie etwa den Gregorianischen Choral.53 Besteht das typisch Römische zuallererst in der Stationsliturgie, also das prozessional konzipierte Gottesdienstgefüge einer Ortskirche an den verschiedenen Heiligtümern einer Stadt oder einer Basilika,54 so sammelte man Ordnungen, die solche römische Liturgie schilderten, besonders im Mainzer Kloster St. Alban. Diese „Ordines Romani“ wurden aber zugleich so adaptiert, dass sie unter den nördlich der Alpen geltenden Bedingungen, etwa topographischer Art, benutzt werden konnten. Es entstand eine Liturgie, die das gesamte Mittelalter prägte und von Papst Pius V. im Gefolge des Trienter Konzils in weiten Teilen sanktioniert wurde. Die frühmittelalterlichen Veränderungsprozesse umfassen nicht nur die Initiationsliturgie, sondern den gesamten Bereich der Pontifikalriten, die im Pontificale Romano-Germanicum (PRG)55 kodifiziert werden. Es kam überdies zu einschneidenden Umgestaltungen des Sakramentars, das ebenfalls veränderten Ansprüchen genügen musste.56 Karl der Große bat, wie bereits um 760 Pippin,57 den Papst um authentische römische Liturgiebücher. So gelangte zwischen 784 und 791 das Hadrianum nach Aachen, ein nach Papst Hadrian (772–795) benanntes
51
Vgl. etwa SCHIEFFER , Rom; auch ANGENENDT, Libelli. Vgl. KLAUSER, Austauschbeziehungen. 53 Vgl. z.B. die Studie von CARDINE, Der Gregorianische Choral. 54 Vgl. HÄUSSLING, Mönchskonvent 186–202; HÄUSSLING, Liturgie. Für die Frühzeit Roms im Vergleich mit Konstantinopel und Jerusalem ist zu konsultieren B ALDOVIN, The Urban Character; vgl. die gute Übersicht bei DE B LAAUW, Contrasts. 55 Vgl. VOGEL, ELZE, PRG. 56 Vgl. etwa den Überblick bei KLÖCKENER , HÄUSSLING, Bücher 345–351. 57 Vgl. KLAUSER, Austauschbeziehungen 142. 52
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II. „Ante conspectum diuinae maiestatis tuae“
Exemplar der gregorianischen Sakramentarfamilie. 58 Um 810 wiederholte sich der Vorgang, als Papst Leo III. ein Sakramentar an den Kaiserhof sandte.59 Die römischen Vorlagen wurden indes nicht einfach übernommen, sondern mit Zusätzen versehen und um Anhänge erweitert. 60 Innerhalb dieser Entwicklung erhöhte man die Frequenz der Messen mit spezifischen Anliegen: „Messen zu feiern, um damit Sünden abzubüßen, ist aber erst eine Neuerung der Karolingerzeit.“61 Um diese neue Sicht auf die „Eucharistia“ soll es im nächsten Abschnitt gehen.
4. Der theologie- und frömmigkeitsgeschichtliche Hintergrund: Frühmittelalterliches Bußwesen, Gebetsverbrüderungen, die „Missa specialis“ und das „offerre pro“ 4. Der theologie- und frömmigkeitsgeschichtliche Hintergrund
4.1. Buße als Thema des frühen Mittelalters
Die bonifatianisch-karolingische Liturgiereform samt den damals vorgenommenen Weichenstellungen führt auf vielen Wegen zur Abtei Fulda mit ihrem Skriptorium und der dortigen Ausbildung eines neuen Sakramentartyps.62 Dazu soll zunächst die besondere Betonung der Buße und ihre Ritualisierung beleuchtet werden. In den Fuldaer Sakramentartypus dringen – frühe Zeugnisse althochdeutscher Sprache – volkssprachliche Beichtformeln ein.63 Nicht zuletzt deshalb hat Hartmut Hoffmann einen deutschen Auftraggeber hinter diesen Sakramentaren vermutet.64 Eine solche „Beichte“ findet sich in zwei Fuldaer Sakramentaren, einmal dem heute in Göttingen aufbewahrten Exemplar des 10. Jahrhunderts, 65 sodann in Codex 58 Vgl. den Überblick bei MEYER, Eucharistie 191, und näherhin K LAUSER, Austauschbeziehungen 146–149; vgl. auch KOTTJE, Einheit 328–329. 59 Vgl. MEYER , Eucharistie 192; er bezieht sich auf neuere Studien von DECREAUX, Le sacramentaire 1, 4. 60 Vgl. etwa das Supplementum des Benedikt von Aniane; zur Verfasserfrage DESHUSSES, Supplément; KLÖCKENER, Vorrede; MORARD, Sacramentarium immixtum; Zu Morard vgl. jetzt auch den Einspruch von ANGENENDT, Romanisierung. 61 ANGENENDT, Missa specialis, 112. 62 Vgl. P ALAZZO, Les sacramentaires. 63 Vgl. P FEIFFER , Beichten; HAUTKAPPE , Beichten, zu Fulda: 55f; vgl. 133 die Zusammenfassung, mit Hinweis auf die Nutzung als Allgemeinbekenntnis auch ohne sakramentale Beichte; J UNGMANN, Bußriten, zu Fulda und den beiden Bußformularen 177– 186; OPFERMANN, Bußordines; HONEMANN, Verständnis. 64 Vgl. HOFFMANN, Buchkunst 172 (zu Codex Vat. lat. 3548). 65 Vgl. SACRAMENTARIUM FULDENSE 281–284 (Nr. 437). J UNGMANN, Bußriten 177– 185, vergleicht diesen Ordo mit dem zweiten im Göttinger Sakramentar enthaltenen Bußordo (SACRAMENTARIUM FULDENSE 42–46 [Nr. 55]), der keinen muttersprachlichen Text aufweist.
4. Der theologie- und frömmigkeitsgeschichtliche Hintergrund
29
Vat. lat. 3548, einem weiteren Sakramentar des Fuldaer Skriptoriums (11. Jahrhundert).66 Eine dritte Fassung scheint verloren. 67 Interessant ist nun die von Eric Palazzo vertretene These, das Göttinger Sakramentar sei als Gegenstück zum Mainzer Pontificale Romano-Germanicum konzipiert worden und habe eine ähnliche Funktion wie dieses gehabt: Über eine einheitliche Liturgie im Rahmen des ottonischen Reichskirchensystems sollte es zur Einheit des Reiches beitragen, was nicht zuletzt aufgrund der engen Verbindungen der Abtei Fulda zum Mainzer Bischofsstuhl etwa unter Hatto II. (Abt von Fulda 956–968, danach bis 970 Erzbischof in Mainz) naheliegt.68 Dann hätten die beiden lateinischen und deutschen Bekenntnisformulare im Sinne einer „standardisierten Reichsbeichte“ 69 gedient. So käme dem Fuldaer Sakramentar als Folgeprodukt der karolingischen Liturgiereform nochmals eine besondere Rolle zu. 70 Auch wenn die Beichte des Göttinger Sakramentars viel Beachtung gefunden hat, etwa bezüglich ihrer Verortung in der Liturgie und im Zusammenspiel mit den Miniaturen des Sakramentars, wurde eine Verbindung zur Messe und ihren Bußgebeten im Ordo Missae, wie sie im Folgenden untersucht wird, bislang nicht gesehen. Welche frömmigkeitsgeschichtlichen Motive könnten – neben möglichen reichspolitischen Erwägungen – bei den Veränderungen im Bußwesen eine Rolle gespielt haben? Die frühmittelalterlichen Beichtformulare bildeten sich in den Abwandlungen altkirchlicher Bußpraxis aus:71 Neben die „paenitentia prima,“ die Taufe, trat die „paenitentia secunda,“ die zweite oder mehrmalige Buße nach Bruch des Taufbundes, und zwar als ein öffentliches Bußinstitut der frühen Kirche, das bis ins Mittelalter fortbestand.72 Dieses Bußinstitut 66
Vgl. P ALAZZO, Le sacramentaires 199–203. P FEIFFER , Beichten, hat zwei Bußordines herausgegeben, den des Göttinger Sakramentars (von J UNGMANN, Bußriten, als „Fulda I“ bezeichnet) sowie den aus Vat. lat. 3548. 67 Sie findet sich, textlich deutlich abweichend von der Fassung des Göttinger Sakramentars, in: FULDENSIUM ANTIQUITATUM 4, 158–159; vgl. hierzu auch HONEMANN, Verständnis 115, Anm. 14. 68 Vgl. P ALAZZO, Le sacramentaires 179–182; vgl. auch HONEMANN, Verständnis 124. Zum Prinzip des more romano in Fulda vgl. auch W INTERER, Sakramentar 24–25. 69 So etwa das auf Georg Baeseke zurückgehende Diktum, diskutiert bei HONEMANN, Verständnis 111; vgl. dazu auch BRANDIS, Beichtformeln 168, über die Lorscher Beichte. 70 Nach Häussling handelt es sich um das umfangreichste Sakramentar der westlichen Liturgie überhaupt; vgl. HÄUSSLING, Rez. Brosinski, Heyne, Handschriften 420. – Zur in der Forschung kontrovers diskutierten Frage, ob es einen eigenen Fuldaer Sakramentartyp überhaupt gebe, vgl. den instruktiven Überblick mit den weiterhin offenen Fragen bei W INTERER , Sakramentar 286–296. Winterer plädiert indes dafü, dass Fuldaer Sakramentar gerade nicht als „Leithandschrift“ zu verstehen (296). 71 Vgl. MESSNER, Feiern der Umkehr. 72 Vgl. MESSNER, Feiern der Umkehr 84–134; ANGENENDT, Missa specialis 112–116; auch VOGEL, En rémission.
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II. „Ante conspectum diuinae maiestatis tuae“
wurde seit dem Ausgang der Antike mehr und mehr durch die „paenitentia cottidiana,“ die tägliche Buße, ergänzt. 73 Vor allem das Mönchtum übernahm die tägliche Buße und Umkehr, und zwar als nichtsakramentale Beichte privater Art vor dem geistlichen Seelenführer. 74 Diese aszetische Bußform mischte sich seit dem Ausgang der Antike mit der öffentlichen Buße. Als drittes Phänomen kommt die die mittelalterliche Frömmigkeit und Liturgiepraxis beeinflussende iro-schottische Tarifbuße monastischer Provenienz hinzu, womit das ursprünglich aus der frühen Kirche stammende öffentliche Bußverfahren nochmals überformt wird. Diese verwobene Geschichte des mittelalterlichen Bußsystems prägte die mittelalterliche Frömmigkeit, auch die der Messliturgie. Die Abtei Fulda blieb von diesen Vorgängen nicht unberührt. Dass öffentliche und private Buße in Konkurrenz getreten waren, zeigt das Bestreben des Hrabanus Maurus, die Schärfe des Bußverfahrens aus pastoralen Überlegungen zu mildern, indem er bei freiwillig bekannten verborgenen Sünden auf die öffentliche Buße verzichtete und das private Bußverfahren als ausreichend erachtete. 75 Man war also in Fulda bemüht, wie die muttersprachlichen Beichtformulare zeigen, die private Buße zu institutionalisieren, doch sollte dies unter pastoralen Gesichtspunkten geschehen. Die Buße des Christen als ein im frühen Mittelalter besonders virulentes Thema fand verständlicherweise auch in den offiziellen Liturgiebüchern ihren Niederschlag.76 Das ausgeprägte Bewusstsein des frühmittelalterlichen Menschen von seiner eigenen Sündhaftigkeit förderte das stellvertretende Gebet. Mit dem fuldensischen Sakramentartypus war „offenbar ein Buchtyp geschaffen worden, der in den folgenden Jahren mit wechselndem Ausstattungsaufwand für auswärtige Besteller mehrfach wiederholt wurde: ein ungefähr gleichzeitig entstandenes Sakramentar (heute in Udine, Archivio Capitolare, Ms. 2) für einen Empfänger im Erzbistum HamburgBremen, die Handschrift Bamberg, Staatsbibliothek, Msc. lit. 1, die mit dem Namen des Fuldaer Abtes und späteren Mainzer Erzbischofs Erkanbald (996–1011 und 1011–1021) verbunden ist, ein Sakramentar für Bischof Heinrich von Würzburg (995–1018, heute in Vercelli, Biblioteca 73 Vgl. auch die oben erwähnten Veränderungen der Initiationspraxis samt dem Problem einer (verordneten) Bekehrung; dazu ODENTHAL, Tradition 14–21. In diesen Forschungszusammenhang wären übrigens die Merseburger Zaubersprüche Fuldensischer Herkunft zu stellen; sie können als Zeugnisse eines sozusagen „unbekehrten Restbesta ndes“ gewertet werden; vgl. W INTERER , Sakramentar 256–257; BECK, Zaubersprüche 225–226; zur Lebendigkeit des alten Glaubens ebd. 296–298; BECK, Fulda; HEISE, KUNDE , W ITTMANN , Kathedrale 328–330 (von Wolfgang Beck). Gegen eine Fuldaer Herkunft der Merseburger Zaubersprüche spricht sich aus HOFFMANN, Schrift 295. 74 Vgl. MESSNER, Feiern der Umkehr 120–172. 75 Vgl. P ICKER, Pastor doctus 189–190. 76 Vgl. zum Ganzen auch ANGENENDT, Geschichte 626–644.
4. Der theologie- und frömmigkeitsgeschichtliche Hintergrund
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Capitolare, cod. CLXXX), freilich ohne Bilder ebenso wie das bilderlose Sakramentar, das anscheinend von Anfang an für den Kölner Dom bestimmt war… und weitere mehr.“ 77 4.2. Gebetsverbrüderungen: Vom „orare pro“ zum „offerre pro“78 Mit der Bußthematik ist ein weiteres Moment monastischer Gebetspraxis des Frühmittelalters verbunden: das Institut der Gebetsbünde.79 Es gibt einen engen Konnex zwischen der frühmittelalterlichen Tarifbuße und den geistlichen Gebetsbünden. 80 Mit deren Hilfe kann sich eine Einzelperson genauso wie eine Kommunität des fürbittenden und stellvertretenden Gebetes anderer Menschen oder Kommunitäten vergewissern. 81 Das fürbittende Gebet zielt vor allem auf die Vergebung der Sünden. Die Einrichtung von Gebetsbünden ist bereits eine altchristliche Gepflogenheit, die Bonifatius über den Kontakt zu Montecassino kennengelernt haben mag. 82 Deren Verbreitung auf dem Festland war sein Werk. Er war einerseits um „familiaritas“ und „amicitia“ mit Rom bemüht, andererseits hielt er Gebetskontakte zur Heimat aufrecht: Seine „peregrinatio,“ die Mission auf dem Festland selbst, kann durchaus im Sinne einer freiwilligen Buße interpretiert werden.83 Im Hinblick auf die Verbindung von Buße und Eucharistiefeier besteht der entscheidende Entwicklungsschritt darin, die Messe selbst als Bußleistung zu werten. Eine der Wurzeln der „Missa specialis“ ist die von Priestern übernommene Bußleistung im Rahmen der Gebetsbünde. Hinzu kommt das zur Bestimmung der Bußleistung verwendete Tarifsystem, das die Liturgie des Frühmittelalters folgenschwer beeinflusst.84 Wurde die Bußleistung zunächst im Rahmen des Stundengebetes 77
241.
Zur Fuldaer Schreibschule vgl. KAHSNITZ, Buchmalerei, zu Fulda 240–241, Zitat
78 Vgl. B ERGER , Wendung; diese grundlegende Studie ist durch die im Folgenden zitierten Untersuchungen von Arnold Angenendt bestätigt und weitergeführt worden. 79 Vgl. für Fulda etwa OEXLE, Memorialüberlieferung. 80 Vgl. ANGENENDT, Missa specialis 122–137 u. 169–175. 81 Ein Zeugnis liefert z.B. der Supplex libellus von 812 der Fuldaer Mönche gegen Ratgar an Karl den Großen. Man möchte das Gebetsgedenken, unter anderem für verstorbene Mitglieder, wiederaufnehmen; vgl. SUPPLEX LIBELLUS; vgl. ANGENENDT, Missa specialis 173. 82 Vgl. GERCHOW, Gedenküberlieferung 11. 83 Vgl. die Diskussion GERCHOW, Gedenküberlieferung 8–17; 24; 40; HÄUSSLING, Mönchskonvent 273. 84 Vgl. ANGENENDT, Missa specialis 153–160. Dass die Messe zunehmend als Bußund Gebetsleistung verstanden wurde, zeigt etwa der Appendix von 863 zu den Annales Necrologici Fuldenses. A 1049–1057, in: MGH.SS 13, 161–218, hier 215 45–46: „ut unusquisque illorum singulis annis generaliter pro omnibus vivis 10 psalteria vel 10 missas cantet vel perficiat.“
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II. „Ante conspectum diuinae maiestatis tuae“
mit Zusatzoffizien abgegolten,85 verlagerte sich der Schwerpunkt: 86 „Der letzte Schritt, der in diesem Bußaustausch vollzogen wurde, bestand darin, dass man in die geistlichen Bußwerke auch die Messfeier miteinbezog.“ 87 Das „orare pro“ wird zum „offerre pro.“88 Damit ist nicht mehr die anamnetisch-mimetische „Repraesentatio“ des einen Opfers Jesu Christi gemeint, die sich in der Gestalt des eucharistischen Mahles vollzieht; 89 vielmehr geht es um den Vorgang des Offertoriums, der Gabenbereitung, die als Handeln der Kirche nun durch den Verlust des altkirchlichen Mysterienbegriffs neu in den Blick gerät. Die Veränderungen im Verständnis der Messe waren dabei beträchtlich: Sie wurde als eine Bußleistung begriffen, die auch stellvertretend übernommen werden konnte. Die erhaltenen Briefe des Bonifatius geben über die zugrunde liegende Mentalität beredt Auskunft.90 Häufig wiederkehrende Themen sind Sündenvergebung, Gebet und Messopfer. So spricht Bonifatius von den „orationes et missarum sollemnia,“91 oder er äußert den Wunsch an die Adressaten seiner Briefe, die Hilfsmittel in Form der Gebete und Messfeiern zu gewähren („orationum adiuvamina et missarum sollemnia celebrare faciatis“). 92 Es handelte sich bei den Gebetsverbrüderungen und den stellvertretenden Gebetsleistungen – wie auch bei den Apologien der Messe – „um einen komplexen liturgieund mentalitätsgeschichtlichen Vorgang, der eine Veränderung des Verhältnisses des mittelalterlichen Menschen zum Tod und zur Seele (bzw. zum Seelenheil) widerspiegelt.“93 Wenn, wie angedeutet, die „paenitentia secunda“ und die „paenitentia cottidiana,“ nicht zuletzt in ihrer Form der Tarifbuße, eine zentrale die Menschen bedrängende Heilsfrage des Frühmittelalters sind, so verwundert es nicht, dass sich für Fulda Messen zur Tilgung der Sünden schon bei Hrabanus Maurus belegen lassen.94 Schließlich hatte Alcuin ja die entsprechenden Formulare dorthin gesandt.95 In diesen Kontext gehören auch die Orationen in der „Missa vivorum et 85 Vgl. das Reformanliegen des Benedikt von Aniane, Zusatzpsalmen wohl beizubehalten, jedoch den Brauch, ganze oder halbe Psalter ins Offizium einzufügen, abzuschaffen; vgl. MEYER, Benedikt 252–255. 86 Vgl. ANGENENDT, Missa specialis 169–175; ANGENENDT, MUSCHIOL, Texte 55. 87 Angenendt, Muschiol, Texte 38. 88 Vgl. ANGENENDT, Missa specialis 117 u. 137–142. 89 Vgl. den Überblick bei SIMON, Messopfertheologie 41–164. 90 Zur Briefsammlung, ihrer Geschichte und Bedeutung vgl. auch die Hinweise bei GERCHOW, Gedenküberlieferung 27–40. 91 Bonifatius, ep. 106, in: B ONIFATII EPISTULAE 334–336, hier 334 26. 92 Bonifatius, ep. 38, in: B ONIFATII EPISTULAE 116–119, hier 11817. 93 GERCHOW, Gedenküberlieferung 12. 94 Vgl. etwa Hrabanus Maurus, De Universo 5,11, in: PL 111,134C: „Nam creduntur animae solvi a peccatorum vinculis per confessionem et per poenitentiam veram cum lacrymarum compunctione.“ 95 Vgl. DESHUSSES, Les messes 8.
4. Der theologie- und frömmigkeitsgeschichtliche Hintergrund
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mortuorum“ des Alcuin, die „die von den Iren propagierte Bußform der häufigen Beichte“ voraussetzen.96 4.3. „pro vivis et defunctis.“ Eucharistiefeier als Stellvertretung Ein weiterer, das Frühmittelalter prägender Strang ist zu benennen: die Messfeier für Verstorbene, die wiederum im Sinne einer Gebetsleistung an genau festgelegten Tagen zu verstehen ist. Diese Betonung der Messfeier für Verstorbene spiegelt sich in den Sakramentaren: Das Diptychengedächtnis „pro vivis et defunctis,“ in der altgallischen Liturgie vor dem Kanon, wird seit der karolingischen Liturgiereform in den Canon Romanus selbst aufgenommen.97 Denn Anlass zur Messfeier ist nun allzu oft das Totengedächtnis.98 Eine „Missa pro uiuos et defunctis“ (sic!) des BobbioMissale, um 700 entstanden und altgallische Bräuche voraussetzend, steht am Anfang dieser neuen Gebetstradition im Kontext der Eucharistiefeier.99 Es geht hierbei um das stellvertretende Gedächtnis der Verstorbenen einerseits wie derer, „qui se in nostris oracionibus commendauerunt“ 100 andererseits. Die Messe, verstanden als stellvertretend vom Priester übernommene Bußleistung für Lebende und Verstorbene, verändert die Rolle und die persönliche Frömmigkeit des Priesters.101 Sind Bußbücher – und, um wieder eine Brücke nach Fulda zu schlagen, etwa das des Hrabanus Maurus 102 – genereller Ausdruck der Frömmigkeit, so verschärft sich die Bußthematik für den Priester: Feier und Empfang des Sakramentes der Eucharistie vermischen sich mit dem subjektiven Empfinden eigener Unwürdigkeit. 103 Vor diesem Hintergrund gewinnen die Apologien eine neue Bedeutung. Aus ihnen wird, wie etwa an Codex 88 der Kölner Dombibliothek gut ablesbar ist,104 langsam ein eigener Messordo, der „Apologientyp,“ und sie weisen die typischen Merkmale frühmittelalterlichen Liturgieverständnisses auf: Der Priester ist Mittler zwischen Gott und den Menschen, er opfert für die ihm etwa in Gebetsbünden Anvertrauten und bedarf ob seiner Mitt96 ANGENENDT, MUSCHIOL, Texte 36. Die „Missa pro salute uiuorum et mortuorum“ findet sich bei DESHUSSES, Les messes 27–28 (Nr. 14). 97 Vgl. dazu GERCHOW, Gedenküberlieferung 13; ANGENENDT, Missa specialis 153– 169; ebd. 153 erwähnt er, dass längst noch nicht alle karolingischen Sakramentare das Totengedächtnis kennen. Zum Gedächtnis der Lebenden und Verstorbenen in der gallischen Liturgie vgl. MEYER, Eucharistie 156–157; SMYTH, Liturgie oubliée 94–96. 98 Vgl. HÄUSSLING, Mönchskonvent 256–259. 99 Vgl. ANGENENDT, Pro vivis. 100 The B OBBIO MISSAL 2, 130 (Nr. 438); vgl. auch HEN, MEENS, The Bobbio Missal. 101 Vgl. MEENS, Reforming. 102 Vgl. KOTTJE, Bußbücher. 103 Vgl. zu diesen Prozessen LUTTERBACH, The Mass. 104 Vgl. ODENTHAL, Formulare. Zu diesem Sakramentar neuerdings auch vgl. W INTERER, Sakramentar 90–100.
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II. „Ante conspectum diuinae maiestatis tuae“
lerstellung als Opfernder angesichts seiner eigenen menschlichen Schwachheit besonders des göttlichen Erbarmens und deshalb des fürbittenden Gebetes. Hier findet die besonders für den Priester notwendige „paenitentia cottidiana“ ihren Ausdruck. Dass die meisten der nun entstehenden Apologien nur vom Priester zu sprechen sind, zeigt dessen zunehmende Bedeutung als „sacerdos:“105 Er wird zum Mittler zwischen Gott und den Menschen, und deshalb bedarf er umso dringlicher der Sorge um seine eigene Würdigkeit, die sich in diesen Gebeten ausdrückt. 106 Man verortete sie an den rituell aufwendigen Passagen der Messe, die der Ordo Missae der Sakramentare – wie oben angedeutet – bis dato nur summarisch genannt hatte: den Beginn der Messe, die Gabenbereitung und den „Eintritt“ in den Canon Romanus. 4.4. Beispiele liturgischen Betens im mittelalterlichen Messordo Der Messverlauf wurde sozusagen neu durchkomponiert und um Stücke zur privaten Rezitation ergänzt, die der „offizielle“ Ordo vermissen ließ. Dafür seien drei Beispiele angeführt, beginnend mit einer Apologie vor Beginn der Messe, die der Legende nach auf Ambrosius von Mailand zurückgeführt wurde: Hanc beatus ambrosius orationem composuit, et eam antequam missam celebraret ueniam pro se postulando pro peccatis cantare solebat hoc modo dicens. Ante conspectum diuinae maiestatis tuae reus assisto, qui inuocare nomen sanctum tuum praesumo. Miserere mihi domine homini peccatori. Ignosce indigno sacerdoti, per cuius manus haec oblatio uidetur offerri. Parce peccatorum labe prae ceteris capitalium polluto. Et non intres in iudicium cum seruo tuo, quia non iustificabitur in conspectu tuo omnis homo uiuens, scilicet uitiis ac uoluptatibus carnis adgrauatus sum. Recordare d omine quod caro sum. In tuo conspectu etiam caeli non sunt mundi, quanto magis ego homo terrenus et immundus sicut pannus menstruatae. Indignus sum iesu christe ut uiuam. Sed tu qui non uis mortem peccatoris, da mihi ueniam in carne constituto, ut per paenitentiae labores uita aeterna perfrui mereamur in caelis. Per te iesu christe qui cum patre et spiritu sancto uiuis et regnas in saecula saeculorum. Amen. 107 105
Vgl. etwa PREDEL, Presbyter. Vgl. ANGENENDT, Geschichte 444–446 u. 453–462. 107 „Diese Oration verfasste der selige Ambrosius und pflegte sie zu singen, bevor er die Messe feierte, um für sich Verzeihung der Sünden zu erbitten, indem er so sprach: Vor das Angesicht deiner göttlichen Majestät trete ich reumütig hin, der ich es wage, deinen heiligen Namen anzurufen. Erbarme dich, Herr, über mich sündigen Menschen. Verzeihe deinem unwürdigen Diener, durch dessen Hände diese Opfergabe dargebracht werden will. Bewahre den lasterhaften Fall der Sünder vor den übrigen der todbringe nden Verbrechen. Und tritt nicht ins Gericht mit deinem Knecht, denn vor deinem Angesicht wird kein lebendiger Mensch gerechtfertigt, da ich nämlich durch Laster und B egierden des Fleisches beschwert bin. Gedenke, Herr, dass ich Fleisch bin. Vor deinem Angesicht sind auch die Himmel nicht rein, wie viel mehr bin ich irdischer und unreiner Mensch wie ein blutverschmierter Lappen. Ich bin unwürdig, Jesus Christus, dass ich 106
4. Der theologie- und frömmigkeitsgeschichtliche Hintergrund
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Diese Oration erfreute sich großer Beliebtheit.108 Die Wendung „sicut pannus menstruatae,“ ein Zitat aus Jesaja (Jes 64,6), bringt die seit dem Frühmittelalter virulente Vorstellung von der kultischen Reinheit zum Ausdruck:109 Der Priester in seiner Mittlerstellung zwischen Gott und den Menschen bedarf dieser Reinheit, damit sein stellvertretendes Gebet und Opfer bei Gott wohlgefällig werde. 110 Man kann hier mit Gregor Predel von einer „Sacerdotalisierung des Presbyterates“ sprechen, die ihre Wurzeln bereits im spätantiken Gallien hat. 111 War es „eine der großen religionsgeschichtlichen Leistungen des Neuen Testaments und der Alten Kirche gewesen, daß man sich von all dem frei gewußt hatte,“ 112 drang seit dem Frühmittelalter der Gedanke der kultischen Reinheit wieder ins Christentum ein und veränderte das Priesterbild wie die Liturgie. 113 Das nächste Beispiel, der sogenannten „Suscipe“-Gruppe entnommen,114 ist eines von vielen Gebeten mit der Bitte um Annahme des Opfers, gemäß frühmittelalterlicher Auffassung nicht als Teil des Eucharistiegebetes, sondern des Offertoriums:
lebe. Aber du, der du nicht den Tod des Sünders willst, gib mir Verzeihung, der ich im Fleisch geschaffen bin, dass wir durch die Mühen der Buße das ewige Leben in den Himmeln zu genießen verdienen. Durch dich Jesus Christus, der du mit dem Vater und dem Heiligen Geist lebst und herrschst in die Ewigkeiten der Ewigkeiten. Amen:“ DESHUSSES , Le sacramentaire grégorien 3, 262 (Nr. 4373). Diese Oration findet sich auch im Mindener Ordo (P IERCE, Sacerdotal spirituality 210–211 [Nr. 107]) und im Kölner Sakramentar (ODENTHAL, Formulare 34 [Nr. 4]) u.ö. 108 Zur Oration vgl. P IERCE, Sacerdotal spirituality 363–366. Sie findet sich bereits, wenngleich in kürzerer Fassung, im Stowe Missal (zwischen 792–812), interessanterweise in den Text des Canon Romanus eingeschoben; vgl. The STOWE MISSAL 1, 14–15. Eine Apologie mit gleichem Incipit, indes völlig anderer Textfassung findet sich im Missale Gothicum, und zwar in der Messe des Ostertages als „Apologia sacerdotes“ (sic!); vgl. MISSALE GOTHICUM (Mohlberg) 70–71 (Nr. 275); vgl. jetzt auch MISSALE G OTHICUM (Rose) 1111–1120 / 1949; dazu SMYTH, Liturgie oubliée 205. 109 Vgl. ANGENENDT, Missa specialis 148–151; ANGENENDT, Sühne durch Blut; ANGENENDT, Pollutio; LUTTERBACH , Sexualität 233–239. 110 Vgl. auch die bezeichnende, fälschlich Alcuin zugeschriebene Postulatio im Werk über das Psalmenbeten. Sie nennt die entsprechenden Ziele des (stellvertretenden) Geb etes: „Praesta mihi, Domine, spiritum, ut te tota cordis intentione exquiram; deinde ut digna petam; postremo ut petitionum mearum effectum consequar;“ Alcuini opusculum secundum „De psalmorum usu liber cum variis formulis ad res quotidianas accommod atis,“ in: PL 101,465–508, hier 472D. Nur derjenige, der in rechter und würdiger Weise betet, kann auf Erfolg hoffen. 111 Vgl. PREDEL, Presbyter. 112 ANGENENDT, Liturgik 109; vgl. zum Ganzen auch ANGENENDT, Mit reinen Händen. 113 Vgl. ANGENENDT, Liturgik 107–110. 114 Vgl. JUNGMANN, MS 2, 57–72.
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II. „Ante conspectum diuinae maiestatis tuae“
Memoria domini nostri iesu christi et sanctorum Suscipe sancta trinitas hanc oblationem quam tibi offero in memoriam incarnationis, natiuitatis, passionis, resurrectionis, ascensionis domini nostri iesu christi, et in honorem omnium sanctorum tuorum, qui tibi placuerunt ab initio mundi, et eorum quorum hodie festiuitas celebratur, et quorum hic nomina et reliquiae habentur, ut illis proficiat ad h onorem, nobis autem ad salutem, ut illi omnes pro nobis intercedere dignentur in caelis, quorum memoriam facimus in terris. 115
Interesse verdient die Bedeutung der Reliquien, die aufgrund des im Westen lange existierenden Bildervorbehaltes favorisiert wurden. 116 Im Ikonoklasmusstreit hatte Gregor III. mit den Beschlüssen einer im Jahre 732 in Rom abgehaltenen Synode gegen die Bildervernichtung protestiert und zugunsten der Reliquien besondere liturgische Dienste angeordnet. 117 Die Entscheide dieser Synode gelangten wohl schnell zu Bonifatius und dürften so auch im Kloster Fulda bekannt gewesen sein.118 Es entspricht den genannten Beschlüssen, dass das Gebet die Namen der Heiligen neben den Reliquien erwähnt. Des Weiteren fällt auf, dass Anlass der Feier die Memoria der Menschwerdung, der Passion, des Todes, der Auferstehung sowie der Himmelfahrt Christi ist. Nicht mehr die „eucharistia“ als ganze ist Gedächtnis, sondern die Stationen des Lebens Jesu werden einzeln kommemoriert, in einem späteren Entwicklungsschritt sogar bestimmten Abläufen der Messliturgie allegorisch zugeordnet. 119 Sodann wird – seit der alten Kirche ein geläufiger Topos – die irdische Liturgie als parallel zur himmlischen Liturgie, näherhin der Fürsprache der Heiligen, gedeutet. 120 Das letzte Beispiel, vor dem Sanctus und dem Beginn des Canon Romanus 115 „Gedächtnis unseres Herrn Jesus Christus und der Heiligen. Nimm an, heilige Dreifaltigkeit, diese Opfergabe, die ich dir darbringe zum Gedächtnis der Menschwe rdung, der Geburt, des Leidens, der Auferstehung und der Himmelfahrt unseres Herrn Jesus Christus, und zur Ehre aller deiner Heiligen, die dir von Beginn der Welt an gefa llen haben, und derjenigen, deren Fest heute gefeiert wird, und derjenigen, deren Namen und Reliquien hier bewahrt werden, damit es ihnen zur Ehre, uns aber zum Heil gereiche, damit sie alle, deren Gedächtnis wir begehen auf Erden, für uns eintreten mögen in den Himmeln:“ DESHUSSES, Le sacramentaire 3, 269 (Nr. 4393). Diese Oration findet sich u.a. im Mindener Ordo (P IERCE, Sacerdotal spirituality 218 [Nr. 122]) und im Kölner Sakramentar (ODENTHAL, Formulare 34 [Nr. 7]) u.ö. 116 Vgl. ANGENENDT, Anti-Ikonoklasmus. 117 Es handelt sich um die sog. Messedekrete, die HÄUSSLING, Mönchskonvent 280– 297, als Schlüsseltexte eines sich verändernden Liturgieverständnisses wertet, denn sie dokumentieren als Anlaß zur Liturgie die Verehrung der Heiligen und ihrer Reliquien. Vgl. dazu auch MORDEK, Rom. 118 Vgl. ANGENENDT, Anti-Ikonoklasmus 370. 119 Vgl. SIMON, Messopfertheologie 85–87; MESSNER, Hermeneutik. 120 Einen Überblick über die vielschichtige Bedeutung liturgischen Tuns und der Bildwerke im Mittelalter im Kontext mittelalterlicher Verstehenslehre gibt FAUPELDREVS, Gebrauch.
4. Der theologie- und frömmigkeitsgeschichtliche Hintergrund
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platziert, findet sich im Sakramentar aus Köln: Oratio quando hymnus canitur angelicus Deus, qui non mortem sed paenitentiam desideras peccatorum, me miserum fragilemque peccatorem a tua non repelles pietate, neque aspicias ad peccata et scelera mea et immundas turpesque cogitationes meas, quibus flebiliter a tua disiungor voluntate, sed ad misericordias tuas et ad fidem devotionemque eorum, qui per me peccatorem tuam exp etunt misericordiam. Et quia me indignum medium inter te et populum tuum fieri voluisti, fac me talem, ut digne possim tuam misericordiam exorare pro me et pro eodem populo tuo, et adiunge voces nostras vocibus sanctorum Angelorum tuorum, ut, sicut illi te la udant incessanter et infatigabiliter in aeterna beatitudine, ita nos quoque eorum interventu te mereamur laudare inculpabiliter in hac peregritudine. Per.121
Die Oration, die das Incipit einer Oration aus dem Sacramentarium Hadrianum aufgreift,122 hat weite Verbreitung gefunden. 123 Mit ihrem Vollzug wird für den Priester sozusagen eine zweite Ebene des Betens eingeführt. Nicht mehr der Gesang des Sanctus verlangt seine ganze Aufmerksamkeit – dieser ist zur Sache der Schola geworden –, sondern ein Gebet, das, etwa mit der Erwähnung der Stimmen der Engel, Gedanken des Sanctus aufgreift. An der Schwelle zum Canon Romanus, dessen Einsetzungsbericht als „oratio periculosa“ gilt,124 scheint es angebracht, dass der Priester sich noch einmal seiner Unwürdigkeit erinnert und Gott um sein Erbarmen anfleht – eine typisch frühmittelalterliche Mentalität bezeugend. 125 Deshalb trägt die Oration deutlich Bußcharakter. 126 Ebenso kennzeichnend ist die beschriebene Rolle des Priesters. Trotz aller Unwürdigkeit ist er der Mittler zwischen Gott und den Menschen („weil du mich Unwürdigen als Mittler zwischen dich und deinem Volk haben wolltest“), hat also eine Funkti121 „Gebet, während der Englische Hymnus gesungen wird. Gott, der du nicht den Tod, sondern die Buße der Sünder wünschst, mich elenden und zerbrechlichen Sünder mögest du nicht von deiner Güte verstoßen, und du mögest nicht auf meine Sünden und Frevel und meine unreinen und schändlichen Gedanken schauen, mit denen ich mich jammervoll von deinem Willen getrennt habe, sondern auf deine Barmherzigkeiten und den Glauben und die Hingabe derer, die durch mich Sünder deine Barmherzigkeit erbitten. Und weil du mich Unwürdigen als Mittler zwischen dich und deinem Volk haben wolltest, mache mich so, dass ich würdig deine Barmherzigkeit anrufen kann für mich und für ebendieses dein Volk, und verbinde unsere Stimmen mit den Stimmen deiner heiligen Engel, damit, so wie jene dich ohne Unterlass und ohne Erschöpfung in der ewigen Seligkeit loben, so auch wir auf ihre Fürbitte dich untadelig zu loben verdienen in dieser Fremde:“ Köln, Dombibl., Cod. 88, fol. 13 v–14 r (ODENTHAL, Formulare 35 [Nr. 12]). 122 „Oratio de mortalitate;“ DESHUSSES, Le sacramentaire 1, 345 (Nr. 1007). 123 Vgl. zu dieser Oration P IERCE, Sacerdotal spirituality 394–395. 124 Vgl. KOTTJE, Oratio periculosa. Der OR 1 vermerkt in einer Lesart an dieser Stelle den Übergang mit den Worten: „et intrat in canonem;“ vgl. OR 1,88 (ANDRIEU, Ordines 2, 95). Vgl. dazu HÄUSSLING, Dokumente. 125 Vgl. ANGENENDT, Missa specialis 147–153. ANGENENDT, Geschichte 453–462 u.ö. 126 Vgl. hierzu etwa NOCENT, Les apologies 179–196.
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II. „Ante conspectum diuinae maiestatis tuae“
on inne, die die neutestamentliche Überlieferung Christus selbst vorbehalten hat (etwa 1 Tim 2,5; Hebr 8,6 und 9,15). 127 Sodann wird die Bitte um ein würdiges Anrufen des göttlichen Erbarmens verständlich vor dem Hintergrund der Bedeutung des recht vollzogenen Kultes („dass ich würdig dein Erbarmen anrufen kann für mich und dein Volk“). Nur der Priester ermöglicht, dass Gott auf die Menschen hört. 128 Schließlich steht er stellvertretend vor Gott, es geht um den „Glauben und die Hingabe derer, die durch mich Sünder deine Barmherzigkeit erflehen.“ Anscheinend hat der Priester Gebetsverpflichtungen übernommen, die einen wichtigen Grund für die zahlreichen Messfeiern des Frühmittelalters darstellen. 129 Mit diesem hier nur skizzenhaft gezeichneten Bild sind die prägenden Größen erfasst: das frühmittelalterliche Bußinstitut mit seinem Tarifwesen, die Umwandlung in stellvertretendes Gebet und Messe, auch im Rahmen von Gebetsbünden, die besondere Bedeutung des Priesters als dem „heiligen Mann,“ der durch den Vollzug der Liturgie „rite et recte“ die Bedingung schafft, dass Gott auf die Bitten seines Volkes hört.
5. Die Abtei Fulda als ein Umschlagplatz des neuen Ordo Missae 5. Die Abtei Fulda
Die Bedeutung des Bonifatius für die frühmittelalterliche Liturgiereform wurde bereits herausgestellt und rückte das Kloster Fulda näher in den Blick. Die Traditionsgeschichte des dort im Laufe des ausgehenden ersten Jahrtausends entwickelten neuen Sakramentartyps wird ebenso kontrovers diskutiert wie die Frage nach dem von Bonifatius selbst benutzten Sakramentar.130 So ist umstritten, ob Bonifatius das Altgelasianum in Fulda eingeführt hat oder ob ein gelasianisches Sakramentar saeculi VIII aus der Abtei Saint-Amand im 9. Jahrhundert nach Fulda gelangte und dort durch mögliche, bis auf Bonifatius zurückgehende Quellen in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts bereichert worden ist.131 Gereon Becht-Jördens hat einen verlorenen Prototyp des Fuldaer Sakramentars aus der Zeit des Abtes Eigil (818–822), also vor Entstehung des heute in Göttingen aufbewahrten 127
Vgl. ANGENENDT, Geschichte 444–446. Belege bei ANGENENDT, Libelli 228 und 238; ANGENENDT, Geschichte 451–453. 129 Vgl. ANGENENDT, Missa specialis 127–137. 130 Vgl. FRANK, Briefe, der das Altgelasianum annimmt; anders HOHLER , The type, der das Gregorianum vorschlägt. 131 Vgl. FRANK, Briefe 83; vgl. die Konklusion bei P ALAZZO, Le sacramentaires 157. Bereits VOGEL, Medieval Liturgy 76, bringt die Junggelasiana des 8. Jh. mit den Reformbewegungen unter Bonifatius in Verbindung. 128
5. Die Abtei Fulda
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Exemplars des 10. Jahrhunderts, angenommen. 132 Darüber hinaus untersuchte er die Ikonographie des Sakramentarfrontispiz des genannten Göttinger Sakramentars. Seine daraus gewonnene These lautet: Die Gregorianische Sakramentartradition und die des Gelasianum saeculi VIII, die etwa im Göttinger Exemplar greifbar sind, sind in Fulda erst mit Hrabanus Maurus († 856) begründet worden, der als Schüler Alcuins die Rolle des Vermittlers innehatte – eine These, die im Hinblick auf die Frage nach der Bedeutung Fuldas für den Ordo Missae nicht unerheblich ist. 133 Eric Palazzo hat zudem, wie schon erwähnt, auf die mögliche Rolle des heute in Göttingen aufbewahrten Sakramentars aus Fulda als Gegenstück zum römischdeutschen Pontifikale aus Mainz hingewiesen, was nicht zuletzt aufgrund der engen Verbindungen der Abtei zum Mainzer Bischofsstuhl etwa unter Hatto II. (Abt von Fulda 956–968, danach bis 970 Erzbischof in Mainz) naheliegt. Dann hätte das Sakramentar dieselbe Funktion gehabt wie das römisch-deutsche Pontifikale des Mainzer Albansklosters, nämlich im Rahmen des ottonischen Reichskirchensystems der liturgischen Einigung des Reiches zu dienen.134 Die Unterschiedlichkeit der hier nur kurz referierten Thesen darf indes nicht den Blick dafür verstellen, dass man sich in einem Punkte einig weiß, nämlich in der Einsicht in die Bedeutung der Fuldaer Sakramentartradition. Untersuchungen an drei Sakramentaren des Fuldaer Skriptoriums, den heute in Göttingen, Bamberg und Köln aufbewahrten Exemplaren,135 die alle dem 10. Jahrhundert entstammen, haben den Ordo Missae näher beleuchtet. Dabei ergab sich, dass gegen Ende des ersten nachchristlichen Jahrtausends in Fulda und seiner Schreibschule noch keine Standardisierung des sich entwickelnden Messordo existiert, unbeschadet der Tradition des feststehenden Ordo im eigentlichen Sakramentarteil. 136 Das Göttinger Exemplar belässt den Ordo Missae in überkommener Schlichtheit, bringt 132 Mit den Thesen von Eric Palazzo setzt sich auseinander B ECHT-J ÖRDENS, Litterae illuminatae 355–359; SAUER, Allerheiligenbilder 401. Zur Nennung Eigils vgl. den CATALOGUS ABBATUM FULDENSIUM 272–273. 133 Vgl. BECHT-J ÖRDENS, Litterae illumintae 357, Anm. 105. Zur Nennung Hrabans vgl. den CATALOGUS ABBATUM FULDENSIUM 273. 134 Vgl. P ALAZZO, Le sacramentaires 179–182; SAUER , Allerheiligenbilder 367, Anm. 12. 135 Göttingen: vgl. SACRAMENTARIUM FULDENSE ; Bamberg: vgl. ODENTHAL, Ordo Missae; Köln: vgl. ODENTHAL, Formulare; B ÖHNE, Erzbischof Egbert 97–98. Auch W INTERER , Sakramentar, zum Bamberger Exemplar 235–241. 136 Ein weiteres Sakramentar (11. Jh), München, Bayer. Staatsbibl., Clm. 10077, dürfte indes wohl nicht in Fulda geschrieben worden sein, so SAUER , Allerheiligenbilder 366. Vgl. zum Codex auch P ALAZZO, Le sacramentaires 195–199; ebd. 197 verzeichnete Apologien und der Ordo Missae wären bei einer breiter angelegten Untersuchung zu prüfen. Das in der vorliegenden Untersuchung erreichte Ergebnis einer mangelnden Standardisi erung des Messordo wäre vom Ausgang dieser Prüfung in jedem Falle unberührt.
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II. „Ante conspectum diuinae maiestatis tuae“
aber viele Formulare der „Missa specialis“ mit Bußgebeten (siehe unten). Das Kölner Exemplar erweist sich – aufgrund eines zweiten Ordo noch des 10. Jahrhunderts neben dem eigentlichen Sakramentarteil – als Zeuge des Apologientypus. Erst im späten Mittelalter (wohl 14. Jahrhundert) wird der Ordo Missae dieses Exemplars mittels eines neu eingebundenen Pergamentblattes zu einem Formular rheinischen Typs umgeformt, aber nicht mehr in Fulda, sondern an seinem Bestimmungsort Köln. Lediglich der Bamberger Vertreter der Fuldaer Sakramentare enthält von Anfang an ein Formular des Rheinischen Messordo. Damit spiegeln die Sakramentare des Fuldaer Skriptoriums den Prozess wider, anhand dessen sich die Änderungen des Ordo Missae in den Sakramentaren vollzieht. Aber augenscheinlich waren die Neuerungen dieses Messordo noch nicht so etabliert, dass man sie in das heute in Göttingen aufbewahrte Mustersakramentar einfügte. Dennoch kann ein weiteres Ergebnis festgehalten werden: Zu den von Luykx genannten Entstehungs- oder Verbreitungszentren des Rheinischen Messordo in Mainz,137 St. Gallen138 und der Reichenau139 wird man noch die Abtei Fulda hinzufügen müssen. Nicht nur die Entstehung eines eigenen Sakramentartyps verweist auf Fulda, auch neue Formen des Messordo wurden hier zumindest rezipiert und verbreitet, wenn nicht gar entwickelt. Dies ist vor allem im Blick auf den Bußcharakter der Messe bedeutsam, der durch die Apologien betont wird. Solche Messordines mit Apologien sind in Manuskripten mannigfacher Schreibschulen des Mittelalters zu finden. Man wird sie insofern kaum sicher als Fuldaer Eigengut ausweisen können. Dennoch war, so jedenfalls das Zeugnis der untersuchten Sakramentare, das Skriptorium von Fulda ein wichtiger Umschlagplatz für diese Neuerungen der Eucharistieauffassung, die im Übrigen gut zu geistigen Strömungen in der Abtei Fulda passen. Dafür sprechen die bereits erwähnten, unter anderem im Göttinger Sakramentar befindlichen Bußformulare. Außerdem finden sich dort zehn Formulare einer „Missa sacerdotis propria“ (Nr. 388–398) mit apologieähnlichen Gebeten („paenitentia cottidiana“), die oft mit den Apologien des Messordo inhaltlich übereinstimmen.140 Die „Missa sacerdotis propria“ kennt, um ein Beispiel anzuführen, sogar einen eigenen Einschub in den Canon Romanus, in dem der Priester um seine Würdigkeit bittet: 137
Vgl. LUYKX, Oorsprong 103–104, 106–109. Zur Prägung der Mainzer Missalien und ihres Messordo vgl. REIFENBERG, Messe 96–97. 138 Vgl. neben der bereits genannten unveröffentlichten Arbeit von MUFF, Ordo Missae, die Publikation von W ITCZAK, St. Gall Mass Orders (I); W ITCZAK, MERZ, St. Gall Mass Orders (II); W ITCZAK, MERZ, St. Gall Mass Orders (III). 139 Vgl. etwa B RAGANÇA, O „Ordo Missae,“ mit Textedition eines Ordo aus dem 11. Jh. (Paris, BNF, lat. 18005). 140 Vgl. ANGENENDT, Missa specialis 152.
5. Die Abtei Fulda
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Hanc igitur oblationem, quam tibi offero ego famulus tuus, clementissime pater obsecro, ut libenter excipias orationesque meas dignanter intendas, tribulationes cordis mei mise ricorditer auferas, placabilis uota suscipias, libens desideria compleas, clemens peccata dimittas, crimina benignus abstergas, flagella propitius coerceas, languores miseratus excludas, serenissimo uultu petitionibus meis aurem accomodes, gratiam tuam mult ipliciter augeas et misericordiam tuam incessabiliter largiaris. 141
Thematisch geht es bei den Apologien des Ordo Missae um dieselbe geistliche Haltung, die in der Messe des Priesters für sich selbst zu finden ist: die Bitte um Sündenvergebung zugunsten eines tadellos „reinen“ Vollzugs des Ritus. Die neuen Messformulare für die priesterliche Frömmigkeit stehen in einem besonderen Kontext, schließlich sandte Alcuin, der Lehrer des Hrabanus Maurus, an die Mönche von Fulda Formulare für Messen mit besonderem Anliegen: 142 zu Ehren der Trinität, um Liebe zur Weisheit, um Tränen der Buße, um vollendete Nächstenliebe, um Unterstützung durch die Engel, zu allen Heiligen, für die eigenen Sünden, für einen lebenden Freund, zum Gedenken Mariens und schließlich zu Ehren des Bonifatius: Misi cartulam missalem vobis, o sanctissimi presbiteri, ut habeatis singulis diebus, qu ibus preces Deo dirigere cuilibet placeat: quando in honorem sanctae Trinitatis, quando de amore sapientiae, quando de penitentiae lacrimis, quando de caritate perfecta, vel quando de suffragio angelico postulando …, vel omnium sanctorum cuilibet postulare placet; vel etiam si quis pro peccatis suis, vel pro quolibet amico vivente, vel etiam pro amicis plurimis, vel etiam fratribus de hoc saeculo recedentibus facere velit orationes; vel quando specialiter beatae Mariae genetricis Dei virginis perpetuae deprecari... velit intercessiones; vel etiam sanctissimi patris vestri Bonefacii cantare quis velit, et praesentiam illius piissimam advocare precibus. 143 141 „So bitte ich, gütigster Vater, dass du diese Gabe, die ich, dein Diener, dir darbri nge, gerne empfangen und auf meine Gebete gnädig achten, die Mühsale meines Herzens erbarmend wegnehmen, die Bitten versöhnlich annehmen, die Wünsche gerne erfüllen, die Sünden milde nachlassen, die Verbrechen gütig beseitigen, die Geißeln gnädig z ügeln, die Lauheiten erbarmungsvoll ausschließen, dein Ohr meinen Bitten mit heiterem Angesicht zuneigen, deine Gnade vielfältig vermehren und dein Erbarmen ohne Zögern schenken mögest:“ Sakramentar aus Göttingen, fol. 165 (SACRAMENTARIUM FULDENSE 248). Mit wenigen Veränderungen auch bei DESHUSSES, Le sacramentaire 2, 98 (Nr. 2160). Zu den Messen „pro seipso sacerdote“ vgl. auch HÄUSSLING, Mönchskonvent 262–265. 142 Vgl. OEXLE, Memorialüberlieferung 148; ANGENENDT, MUSCHIOL, Texte 34; ANGENENDT, Missa specialis 176–177. Zu Alcuins Votivmessen vgl. D RISCOLL, Alcuin 130–133; DESHUSSES, Les messes 7–41; ORCHARD, Some notes 3–4; zu besonderen, aus Norditalien oder der Schweiz stammenden missae speciales ebd. 7–20. Zur Frömmigkeit Alcuins und seinem Christusbild vgl. MEYER, Alkuin. 143 „Ich sandte euch, o heiligster Priester, eine Schrift für die Messe, damit ihr an den einzelnen Tagen etwas zur Verfügung habt, womit ihr die Bitten an Gott richten könnt, wie es einem jeden gefällt: einmal zu Ehren der heiligen Dreifaltigkeit, einmal um die Liebe zur Weisheit, um die Tränen der Buße, um die vollkommene Liebe oder um den Beistand der Engel … oder wem es gefällt, alle Heiligen anzurufen; oder auch wenn einer
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II. „Ante conspectum diuinae maiestatis tuae“
Wenn Alcuin derart auf die Messliturgie des Klosters Fulda Einfluss nahm, ist auch das von ihm entworfene Gebetbuch für Karl den Großen beizuziehen. Stephan Waldhoff hat in diesem Zusammenhang gezeigt, dass Apologien, so sehr sie zur Rolle des Priesters in der Eucharistie passen mögen, im Frühmittelalter gleichfalls als ein Teil privater Gebetsverpflichtung begegnen.144 Er beschreibt dies anhand einer Handschrift vom Ende des 9. Jahrhunderts aus der Schule von Saint-Amand.145 Damit gerät nochmals jene Stätte in den Blick, die, wie bereits erwähnt, die Sakramentartradition Fuldas beeinflusst haben könnte. 146 Waldhoff bringt Hinweise auf Apologien und Privatgebete des Priesters bei der Messe, die etwa in Verbindung mit der Terz zu beten waren.147 Im Rahmen des rekonstruierten Gebetbuchs Karls des Großen zeigt er den betenden Mitvollzug des Laien bei der Messe: Die „Confessio peccatorum breuissima inter missarum sollemnia“148 und eine „Oratio ad Eucharistiae perceptionem“ 149 – ein übrigens bald im Messordo selbst auftauchender Text – sind dafür beredte Zeugen. Das Werk des Alcuin ist auch durch eine andere Facette geprägt: die Rolle der Buße, die das Gebetsleben beeinflusst. 150 Die lange Zeit unter der Autorschaft Alcuins kursierende Schrift über den Gebrauch der Psalmen nennt als ersten Zweck des Psalmenbetens die Buße („Si vis pro peccatis tuis poenitentiam agere …“), 151 fügt viele Apologien an und gibt so für die damalige Frömmigkeitshaltung beredtes Beispiel. Anhand dieses Befundes wird Folgendes sichtbar: Apologetische Gebete waren nicht notwendigerweise dem Klerus vorbehalten, sondern gehörten zum Standard des Betens im Frühmittelalter. Es ist fast logische Konsequenz, dass sie auch im Rahfür seine Sünden oder einen lebenden Freund oder auch mehrere Freunde oder auch für aus diesem Zeitalter geschiedene Brüder Gebete halten wollte; oder wenn einer in beso nderer Weise Fürbitten der seligen Gottesmutter und ewigen Jungfrau Maria erbitten möchte; oder auch wenn einer (zu Ehren) eures heiligsten Vaters Bonifatius singen und dessen gnädigste Gegenwart mit Bitten anrufen möchte:“ Alcuin, ep. 250 (MGH.Epp. 4, Karolini aevi 2,404–406, hier 405 37–406 2. Zur Verbindung Alcuins mit Benedikt von Aniane und dessen Reformwerk bezüglich des Supplements im Gregorianischen Sakramentartyp vgl. auch die Übersicht bei MEYER , Benedikt 255–260. 144 Vgl. W ALDHOFF, Gebetbuch 178–179. 145 Paris, Bibl. Mazarine, ms. 512; vgl. W ALDHOFF, Gebetbuch 310–317. 146 Vgl. P ALAZZO, Le sacramentaires, bes. die Zusammenfassung 157. 147 Vgl. W ALDHOFF, Gebetbuch 314; MOLIN, Les manuscrits 140. 148 W ALDHOFF, Gebetbuch 262, Text 387 (Nr. 45a). 149 W ALDHOFF, Gebetbuch 263, Text 387–388 (Nr. 46a); Text wie Köln, Dombibl. Cod. 88, fol. 14 v (ODENTHAL, Formulare 35 [Nr. 15]). 150 Vgl. DRISCOLL, Alcuin; vgl. auch DRISCOLL, Penance. 151 Alcuini opusculum secundum „De psalmorum usu liber cum variis formulis ad res quotidianas accommodatis,“ in: PL 101,465–508, hier 466b. Vgl. zur Autorenschaft bereits W ILMART, Le manuel; HEIL, Alkuin 272. Auch wenn also keine Urheberschaft Alcuins vorliegt, handelt es sich doch um ein „zeittypisches“ Dokument.
5. Die Abtei Fulda
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men der Eucharistiefeier ihren Platz eroberten, dies nicht nur in den neu entstehenden Messformularen, sondern ebenso – in einem zweiten Schritt – im Ordo Missae. Das, was dem frommen Christen geziemte, kam umso mehr dem Priester bei jeder Feier der „missarum sollemnia“ zu. 152 Der Grat zwischen privater Frömmigkeit und Liturgie ist dabei sehr schmal, meist geht erstere in letztere über. So heißt es in der durch seinen Nachfolger Rimbert verfassten Vita des hl. Ansgar († 865), zeitweilig Lehrer an der Klosterschule von Corvey, er habe das häufige Psalmenbeten wertgeschätzt, auch als Vorbereitung der Messfeier: „De ipsis vero psalmis dispositum habuit, quos in nocte, quos in die cantaret, quos dum se ad missam cantandam parabat, quos dum iterum discalciatus ad lectum ire volebat.” 153 Es wird deutlich, wie sehr die Privatfrömmigkeit des Laien und des Klerikers die Liturgie in ihrer Vor- und Nachbereitung, in einem zweiten Schritt sodann auch in ihrem Vollzug selbst verändert: Sie wird überlagert von Gebeten der Privatfrömmigkeit des Priesters. Damit wäre nochmals Kritik an zu eng abgegrenzten Entwicklungsstufen formuliert, wie sie im Anschluss an die Thesen von Bonifaas Luykx gedacht werden könnten. Die Übergänge scheinen doch fließender zu sein.154 Zusammenfassend ergibt sich folgendes Bild: Die apologetische Überformung des knappen römischen Ordo Missae mit Stillgebeten des Priesters scheint sich mehreren Wurzeln zu verdanken. Die „paenitentia secunda“ zieht das Thema der Buße und Beichte, im Rahmen iro-schottischer Tarifbuße mit ihren Bußbüchern die Frage nach der Bußleistung nach sich. Diese kann stellvertretend von Klerikern übernommen werden, teils im Rahmen des Stundengebetes etwa durch Zusatzpsalterien, teils im Rahmen einer für den Sünder gefeierten Eucharistie selbst. Die Gebetsverbrüderungen monastischer Provenienz sind Vorbild für solch stellvertretende Leistungen im Rahmen der Buße. 155 Die vom Klerus übernommenen Ersatzleistungen gehen Hand in Hand mit einer Veränderung des Klerikerbildes, wie es etwa auch bei Hrabanus Maurus ersichtlich wird: Der Priester ist nun Mittler, durch dessen korrekten Vollzug der Liturgie Gottes gnädiges Hören gewährleistet wird: „Indem der Messpriester diese Oration betete, 152
Vgl. W ALDHOFF, Gebetbuch 310–317, hier 312, der auf die Hs. Paris, Bibl. Mazarine, 512 (Ende 9. Jh.) verweist. Diese Handschrift wäre ein früher Zeuge der später im Rheinischen Messordo fest installierten Ankleidegebete. 153 „Bezüglich der Psalmen hatte er geordnet, welche er in der Nacht, welche er am Tage, welche er, wähend er sich zum Gang der Messe vorbereitete, welche er, während er sich wiederum nach Ablegen der Schuhe zu Bett begeben wollte, singe:“ Vita Anskarii auctore Rimberto c. 35 (MGH.SRG 55,68). 154 Vgl. auch P IERCE, Evolution 9. 155 Vgl. dazu ANGENENDT, Missa specialis 155–157, 169–175, Verweis auf Fulda 173–174.
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II. „Ante conspectum diuinae maiestatis tuae“
erfüllte er aufs genaueste den Vertrag.“ 156 Kehrseite dieser Entwicklung ist das Gefühl der Unwürdigkeit des Klerikers. Sie wird kompensiert durch eben jene apologetisch gefärbten Gebete, die nicht nur dem Klerus, sondern auch dem frommen Laien als Teil privater Frömmigkeit bereits bekannt sind.157 All dies führt zu einer grundlegenden Veränderung des einstmals aus Rom übernommenen Ordo Missae, der auf den privaten Vollzug der Messe durch den Priester hin ausgestaltet wird. Genau diese Form ist die später nach Trient von Papst Pius V. sanktionierte Grundgestalt der Messe. Was nun die Rolle der Abtei Fulda als Umschlagplatz solcher Strömungen angeht, so kann als möglicher Zeitraum dieser Prozesse der Abbatiat des Eigil (818–822) angesehen werden. Eigil fand bereits im Zusammenhang mit der These des neuen Prototyps eines Sakramentars Beachtung; er hat sich nachweislich um liturgische Fragen bemüht. 158 Sein Biograph, Brun Candidus, wird zudem nicht müde, Eigils Sorge um den Kirchenbau in Fulda herauszustellen.159 Man kann bezüglich liturgischer Innovationen aber auch an seinen Nachfolger, Hrabanus Maurus, denken. Als Schüler Alcuins hatte er Kontakt zu den Theologen des Hofes und somit zu einem wichtigen Zentrum liturgischer Erneuerung. Auf Hrabans Initiative geht die Einführung der Palmprozession in Fulda zurück.160 Damit findet übrigens die These von Angelus A. Häußling, Alcuin könne ein Urheber der Adaptation römischer Stationsliturgie im Frankenland sein, einen indirekten Beleg. Wenn sein Schüler die Stationsliturgie, zumindest Elemente derselben, in Fulda installiert, könnte dies tatsächlich einen Rückschluss auf die Rolle des Alcuin als Vermittler zulassen. 161 Dann wäre die Funktion Hrabans die gewesen, an den Bemühungen seines Lehrers um die Litur156
Angenendt , Muschiol, Texte 39. Dass sich die Privatfrömmigkeit des Laien wiederum an Gebetsverbrüderungen anzuschließen sucht, zeigt B ÄRSCH, Allerseelen 41–46. 158 Vgl. B ECHT-JÖRDENS, Litterae illuminatae 348, Anm. 72; zur Rolle Eigils vgl. auch SEMMLER, Instituta 102. 159 Vgl. im Kontext der Karolingischen Renaissance wie der Anianischen Reform B ECHT-JÖRDENS, Vita 13–18. Die Fertigstellung der unter Ratgar begonnenen Salvatorbasilika mit dem Westchor „Romano more“ durch Eigil verdient besondere Beachtung; vgl. J ACOBSEN, Abteikirche 122–125; er erwähnt eine Neuerung Eigils, der entgegen den Plänen Ratgars Krypten (deren westliche mit dem Bonifatiusgrab) einbauen ließ, um des Pilgerstromes Herr zu werden und gleichzeitig den Chordienst zu schützen: „Und das war das eigentliche Ziel des Krypteneinbaues: Eine nun strenge Trennung von Konvent und Laien, die ganz dem Geist der anianischen Reform entsprach, welche 817 in Fulda eingezogen war;“ ebd. 125. Vgl. auch die Hinweise in der VITA AEGIL c. 19,2 (17 10 BechtJördens). 160 So im CATALOGUS ABBATUM FULDENSIUM 273 7: „Hic constituit processionem iocundissimam in palmis fieri.“ 161 Vgl. HÄUSSLING, Mönchskonvent 333–338. 157
5. Die Abtei Fulda
45
gie teilzuhaben. Nicht unerwähnt bleiben darf die Tatsache, dass Hrabanus als Magister die Reduktion der Liturgie unter Ratgar zugunsten der damaligen Bautätigkeit miterlebt hatte.162 Die Fuldaer Mönche hatten 814 ein Bittschreiben gegen Ratgar an Karl den Großen gerichtet mit dem Inhalt, man möge den Priestern eine öftere Zelebration gewähren.163 Dieses Anliegen wird erst verständlich, wenn man die seit dem Frühmittelalter bestehende Möglichkeit ins Auge fasst, Buße in Form der Messfeiern im Kontext der Gebetsverbrüderungen abzuleisten, was die Mönche gegen den Abt einklagten.164 Es ist bezeichnend für diese Epoche, dass sich der Empfang der Eucharistie mit dem subjektiven Empfinden eigener Unwürdigkeit verbindet, wie in den Gebeten deutlich wird, die in den Ordo Missae eingefügt wurden.165 Aber diese Veränderungen geschahen langsam, wie für Fulda aufgrund eines Berichtes des Diakons Theotrochus an den Priester Ootbertus gezeigt werden kann. 166 Er schildert die Feier der Konventmesse in der Fuldaer Abteikirche im 9. Jahrhundert, aber besonders hervorgehoben wird die gänzlich römische Prägung der Fuldaer Liturgie.167 Apologien oder ähnliche zusätzliche Gebete werden dabei nicht erwähnt. Dies zeigt, dass man nicht davon ausgehen kann, zu Beginn des 9. Jahrhunderts wären Apologien und andere zusätzliche Gebete tatsächlich bei der Messfeier in Fulda benutzt worden. Aber das geistig-geistliche Klima in Fulda war solchen Tendenzen gegenüber aufgeschlossen. Es liegt somit nahe, Fulda als einen wichtigen Umschlagplatz der Neuerungen anzusehen, wie sie sich in den vielen Formularen des Rheinischen Messordo zeigen.
162 163
(2).
164
Vgl. SEMMLER, Instituta 100; FRIED, Fulda 16. SUPPLEX LIBELLUS 1, 322: „Quod presbyteris concedatur missas saepius celebrare“
Vgl. GERCHOW, Gedenküberlieferung 44–45. Zur Bedeutung des Alcuin für die private Frömmigkeit im Kontext der irischen Bußpraxis: „Caritas suscipere heißt … für Alkuin, in die communio orationum des Freundes aufgenommen zu werden“ (ebd. 45), wobei „oratio“ die Messe meint. 165 Vgl. zu diesen Prozessen LUTTERBACH, The Mass 61–81. 166 Vgl. SCHÖNFELDER, Bruchstück. Vgl. P ALAZZO, Le sacramentaires 228–229 zur Quelle, Hs. Biblioteca Apostolica Vaticana, Palat. lat. 1341; vgl. auch die Auswertung dazu bei P ICKER , Pastor doctus 154–159. 167 Die römische Prägung wird etwa deutlich, wenn einer der Diakone als „regionarius“ bezeichnet wird, gemäß der im OR 1 beschriebenen Einteilung der Kirche Roms in sieben Regionen mit den „diacones regionarii;“ vgl. OR 1,1 (ANDRIEU, Ordines 2, 67) und SCHÖNFELDER , Bruchstück 102; ebd. 98–101 ein Vergleich mit den Ordines Romani (nach alter Zählung).
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II. „Ante conspectum diuinae maiestatis tuae“
6. Der Rheinische Messordo als prägende Größe: Die Ordines Missae der Diözesanliturgien 6. Der Rheinische Messordo
Verfolgt man die weitere Entwicklung der liturgischen Neuerungen im Ordo Missae vor dem Jahre 1000, so kann auf seine Prägekraft für die vielen Diözesanliturgien hingewiesen werden, die am einmal erreichten Standard Maß nehmen. Vom Rheinischen Messordo beeinflusst sind Köln,168 Trier,169 Hamburg,170 Mainz,171 die süddeutschen Diözesen 172 und ebenso viele außerdeutschen Bistümer. 173 Bereits im Mittelalter wurde an dieser neuen Form Kritik geübt, die sich hauptsächlich an den oft allzu langen Apologien entzündete.174 So moniert etwa der Chronist Bernold von Konstanz (um 1050–1100)175 im Micrologus de ecclesiasticis observationibus: Sunt et aliae multae orationes quas quidem ad pacem et communionem privatam fr equentant: sed diligentiores antiquiorum traditionum observatores nos in hujusmodi privatis orationibus brevitati studere docuerunt, potiusque publicis precibus in officio mi ssae occupari voluerunt. Nam beatus Innocentius papa, scribens sancto Augustino et Aure168 Vgl. zur Prägung des Messordo in Köln B INTERIM , Denkwürdigkeiten 3, 222–227 (Kölner Ordo des 14. Jh.); RÖDEL, Liturgiegeschichte; PETERS, Oblationsritus 399–401, unterscheidet drei Kölnische Ordines: den Ordo Coloniensis I, das ist der Oblationsritus des Cod. 149 der Kölner Dombibliothek, der Ordo Missae des Domdechanten Konrad von Rennenberg († 1357); den Ordo Coloniensis II, dies ist der Oblationsritus des „Mi ssale ad usum diocesis Coloniensis“ von 1520; schließlich den Ordo Coloniensis III, der bereits von Binterim mitgeteilte „Ordo Coloniensis celebrandi Missam“ aus dem 14. Jh. Weitere Belege bei P ETERS, Beiträge 74–98; ODENTHAL, Formular; ODENTHAL, Meßordo. 169 Vgl. HEINZ, Ordo Missae. 170 Hier existiert ein Zeuge des 11. Jh.; vgl. RASMUSSEN, Ordo Missae. 171 Vgl. REIFENBERG, Messe 14–17.64–68.120f. 172 Vgl. DASCHNER , Messbücher 37–142. Für ostdeutsche Diözesen fehlen Untersuchungen. Die Studie von LECHELER , Bistum Brandenburg, erwähnt keine Besonderheiten des Ordo Missae. 173 Weitere Publikationen zu Messordines, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, P IERCE, Evolution 6–8 (Liste von Editionen); B AROFFIO, D ELL’O RO, Ordo Missae 819–821 (Liste weiterer Editionen); B AROFFIO, L’Ordo Missae (Textedition eines Ordo aus dem Rituale-Missale Rom, Vallicellana E 62, Zentralitalien, 11./12. Jh.), ebd. 54–55 eine Liste weiterer Editionen; NOCENT, Un Missel (Textedition eine Ordo, Umbrien, 12. Jh.). SALMON, L’Ordo missae (Textedition mehrerer Ordines: Nonantola, 10. Jh.; Monte Cassino, 10. und 11. Jh.; Deutschland, 12. Jh.; Verona, 12.–13. Jh.; Lateran, 12.–13. Jh.; ein weiterer Ordo des 13. Jh.; Capella papale, 13.–14. Jh.; Missale Clemens’ V. 14. Jh.; Bamberg, 15. Jh.). Eine Liste von Ordines auch bei DELL’ORO, Recenti edizioni. Für Basel vgl. HÄNGGI, LADNER Missale 319–328; vgl. auch Anm. 36. 174 Vgl. dazu auch ANGENENDT, Missa specialis 82–184. 175 Zu Bernold von Konstanz vgl. LAUDAGE , Bernold, zum Micrologus 286; vgl. W ALDHOFF, Gebetbuch 14. Vgl. zur Epoche des 11. Jh. mit den Forschungsdesideraten in liturgiegeschichtlicher Hinsicht P ALAZZO, Rom.
6. Der Rheinische Messordo
47
lio episcopis, asserit quod nos plus communibus et publicis quam singularibus et privatis orationibus proficere poterimus. 176
Bernold rekurriert auf folgenden Passus des erwähnten Schreibens des Papstes Innozenz I. (402–417): „…quia, ut bene nostis, communibus et alternis plus agimus orationibus, quam singularibus aut privatis.“177 Kritisiert wird also weniger der apologetische Charakter der Gebete als vielmehr die Tatsache, dass sie privat geschehen, wo doch das gemeinsame Gebet mehr empfohlen werden muss. Waren Klöster benediktinischer Prägung ebenfalls Umschlagplätze der neuen Form des Messordo, so gab es auch Ordensgemeinschaften, die die vermehrte Anzahl von Apologien ablehnten und sich an der Schlichtheit des Ursprungs orientierten, allen voran Cluny. 178 Aber nicht nur die Apologien, auch die überhandnehmenden Namensnennungen im stellvertretenden Gebet gerieten in die Kritik. Es waren die Zisterzienser, die „zum Verschwinden bzw. zur Anfechtung dieses Kontraktsystems“ beitrugen und die Gruppe der Kommemorierten deutlich einschränkten. 179 Die im Gefolge des Trienter Konzils erfolgte Liturgiereform nahm an der im Laufe des Mittelalters gewachsenen Gestalt des Ordo Missae Maß.180 Dass eine solche Überformung des Ordo Missae mit Buß- und Reuegebeten die Messform geschaffen hat, die mehr oder weniger in der tridentinischen Liturgiereform 181 festgeschrieben wurde, bleibt eine kleine Ironie der Geschichte: Es wurde nicht der Ordo Missae der alten, vor dem Jahre 1000 im Frankenland übernommenen römischen Sakramentare, sondern weite Teile von dessen fränkischer Überformung
176
„Da sind viele andere Orationen, die sie zwar zum Friedensgruß und zur Kommunion für sich gebrauchen: aber die fleißigen Beobachter der älteren Überlieferungen unterrichteten uns, sich in solchen privaten Gebeten um Kürze zu sorgen, und sie wollten lieber, dass im Offizium der Messe öffentliche Gebete Raum nähmen. Denn als der selige Papst Innocentius den Bischöfen St. Augustinus und Aurelius schrieb, fügte er hinzu, dass wir mehr mit gemeinschaftlichen und öffentlichen als mit einzelnen und pr ivaten Gebeten etwas werden ausrichten können:“ Bernold von Konstanz, Micrologus de ecclesiasticis observationibus, in: PL 151,973–1022, hier c. 18, 989BC. 177 „…weil, wie ihr sehr wohl wisst, wir mehr mit gemeinschaftlichen und abwechselnden Gebeten erreichen, als mit einzelnen und privaten:“ Innozens I., ep. 10, in: PL 20,511–513, hier 513. 178 Vgl. T IROT, Ordo missae 113–116; ebd. 115 spricht er von „l’esprit de sobriété et de simplicité;“ ANGENENDT, Missa specialis 182–183. Zur Rolle Clunys in Bezug auf die „Missa specialis“ für die Totenmemoria vgl. B ÄRSCH, Allerseelen 53–59; 71–72; 122– 126. 179 ANGENENDT, Pro vivis 395. 180 Der Ordo Missae findet sich in M ISSALE ROMANUM 1570, 293–352; vgl. zum Ordo Missae der Trienter Liturgiereform HAUNERLAND, Einheitlichkeit 446–448. 181 Vgl. zur Trienter Liturgiereform MEYER , Eucharistie 255–264.
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II. „Ante conspectum diuinae maiestatis tuae“
zugrunde gelegt. Damit wurde das Modell der Stillmesse zum Paradigma des Ordo Missae, das die weitere Geschichte prägen sollte. 182
7. Ergebnis 7. Ergebnis
Die Überlegungen haben den Forschungsstand zum Rheinischen Messordo referiert und die seit Bonifaas Luykx geltende Arbeitshypothese der dreistufigen Entwicklung vom Apologientyp über den Fränkischen Typ hin zum Rheinischen Messordo dargestellt und problematisiert. Die in den Sakramentaren und Ordines vorgegebene Grundform wurde seit dem frühen Mittelalter nach und nach um neue Gebete und rituelle Ausgestaltungen ergänzt. Der so entstehende Ordo Missae zeigt einen deutlichen „Paradigmenwechsel:“183 von der gemeinschaftlichen Feier hin zu einer Form, die immer mehr auf die Person des Priesters zugeschnitten ist. Den entscheidenden Schlüssel zum Verständnis dieser Veränderungen lieferten die frömmigkeits- und theologiegeschichtlichen Hintergründe: vor allem die Buße im frühen Mittelalter und deren Umwandlung in eine Gebetsleistung, deren Erfüllung durch die Gebetsverbrüderungen gewährleistet war. Zur vornehmsten dieser Gebetsleistungen avancierte schließlich die Messe, die der Priester stellvertretend feiert. Mannigfache Bezüge konnten zur Abtei Fulda hergestellt werden. Diese und nicht zuletzt der Befund der hier entstandenen eigenen Sacramentartradition zeigen, dass das Kloster Fulda eines der Verbreitungszentren des neuen Ordo Missae war. Über die Diözesanliturgien konnte zudem der Einfluss des Rheinischen Messordo auf das Trienter Missale dokumentiert werden. Der Maßstab für die Eucharistiefeier war damit durch die hoch- und spätmittelalterlichen Überformungen des Ordo Missae vorgegeben. An diesem Punkt setzte die Liturgiereform im Gefolge des Zweiten Vatikanischen Konzils an. Es war ihr Anliegen, das ältere Paradigma wieder zur Grundform eucharistischer Liturgie zu erheben, nämlich die liturgischen Verhältnisse, wie sie in den Sakramentaren festgeschrieben sind: Die Konzilskommission nahm zur Grundlage für die Verbesserung des Textes den Zusatz, den Kardinal Bea in seiner Kritik vorgelegt hatte: es soll größere Einfachheit e rstrebt werden, ‚indem weggelassen wird, was im Lauf der Geschichte verdoppelt oder eingefügt worden ist, oder was heute nicht mehr verstanden wird,’ und fügte das positive 182
Dass viele diözesane Riten in ihre Missalien den im Trienter Missale festgeschriebenen Messordo übernahmen, zeigt etwa für Münster KRANEMANN, Liturgiereform 484; zum Übergang der Diözese Münster von den Eigenmissalien zum Missale Romanum vgl. LENGELING, Missale 601–609; für Köln ODENTHAL, Gottesdienst 41. 183 Zur Problematik des Paradigmenwechsels (ein auf Thomas S. Kuhn zurückgehender Begriff) für die Liturgie vgl. etwa HÄUSSLING, Liturgiereform 37–38.
7. Ergebnis
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Element der Wiederherstellung verloren gegangenen Gutes hinzu, und zwar dies in Ber ufung auf das von Pius V. für seine damalige Reform in Anspruch genommene Ideal: ad pristinam sanctorum patrum normam ac ritum. Dieses Ideal hatte damals mangels histor ischer Vorarbeiten unmöglich erreicht werden können. Es konnte auch heute nicht schlechthin, mit einfacher Überspringung der dazwischen liegenden Jahrhunderte, als Ziel verkündet werden. Gedacht war mit dieser doppelten Norm im wesentlichen an die Freilegung jener Gestalt der Messe, die sie in den römischen Sakramentarien und (ältesten) Ordines aufwies, in der sie noch, vor ihrer Klerikalisierung im Raum der nördlichen Länder, ein echter Gemeinschaftsgottesdienst gewesen war.184
184
JUNGMANN, Konstitution 53–54.
III. „…hoc sacrificium Deo acceptabile.“ Der Gottesdienst des Bischofs Meinwerk von Paderborn (1009–1036) nach dem Zeugnis seiner Vita * III. „…hoc sacrificium Deo acceptabile”
1. Einleitung und Fragestellung 1. Einleitung und Fragestellung
Das II. Vatikanische Konzil hat in der Konstitution „Lumen gentium“ das Zueinander der Gesamtkirche mit ihren Teilkirchen zwischen den Polen der Einheit und der Vielfalt beschrieben. 1 Damit wird eine Denkfigur bemüht, die sich bereits seit dem frühen Mittelalter findet und die gesamte karolingische Epoche vor allem im Hinblick auf die Kirche prägt. 2 Dass sich eine solche Auffassung auch in der Liturgie und ihrer Geschichte ausdrückt, haben die Forschungen der letzten Jahre im Blick auf die Ortskirchen und ihre gemeinsamen wie ureigenen gottesdienstlichen Traditionen zeigen können.3 Für das frühe und hohe Mittelalter sind hier zum einen die Auswirkungen der bonifatianisch-karolingischen Liturgiereform zu nennen, die eine Orientierung an Rom und seiner Liturgie forcierte. 4 Zum anderen aber bilden sich lokale Eigenheiten aus, „eindeutig Römisches wird unbefangen mit überkommenem Eigenem vermischt. Übertreibend könnte man sagen: das Liturgiezeremoniell Roms fungiert als bloß namensgeben* Zuerst erschienen in: ZKG 59 (2010), 11–33. 1 Vgl. LG 23: „In ihnen (den Teilkirchen, A.O.) und aus ihnen besteht die eine und einzige katholische Kirche.“ 2 Vgl. hierzu SCHIEFFER , Einheit. 3 Hier ist etwa die Erforschung der teilkirchlichen Libri Ordinarii zu nennen, der Regiebücher des Gottesdienstes. Vgl. dazu B ÄRSCH, Liber Ordinarius, mit einer Liste der publizierten Libri Ordinarii 37–40. Inzwischen sei verwiesen auf die Studien zu Köln und Bonn ODENTHAL, GERHARDS, St. Gereon, mit einer Edition des Liber Ordinarius von 1424 ebd. 265–282; ODENTHAL, GERHARDS, Cassiusstift, mit der Edition eines Ordinarius des 13. Jahrhunderts (ebd. 163–180) und des Ordinarius von 1613 (ebd. 181–303); zu Mainz WEINERT, Domliturgie. Die Valenz der Libri Ordinarii beruht darauf, dass hier älteste Bräuche selbst dann überliefert werden können, wenn sie nicht mehr geübt we rden. 4 Den Begriff „bonifatianisch-karolingische Liturgiereform“ übernehme ich von ANGENENDT, Bonifatius 53 u.ö.
1. Einleitung und Fragestellung
51
des Zitat.“5 Damit ist die Komplexität der Liturgieentwicklung des frühen und hohen Mittelalters benannt, die die Aufarbeitung diözesaner Überlieferungsprozesse einfordert. Das Erzbistum Paderborn ehrt in diesem Jahr mit einer Ausstellung einen seiner großen Bischöfe des 11. Jahrhunderts, nämlich Bischof Meinwerk (1009–1036) aus Anlass der Tausendjahrfeier seines Amtsbeginns.6 Seine Bautätigkeiten in Paderborn machen ihn ebenso bedeutend wie seine Nähe zum Herrscherhaus. 7 Die folgenden Überlegungen möchten vor dem beschriebenen Problemhorizont diesen Bischof im Kontext der Liturgie seiner Zeit in den Blick nehmen und dabei versuchen, jene romanisierenden Tendenzen damaligen Gottesdienstes samt seiner topographischen Struktur aufzuspüren und ihre konkrete Umsetzung in den Gegebenheiten der Kirche Paderborns auszumachen. Damit bilden sie einen Beitrag zur Liturgiegeschichte dieser so bedeutenden Ortskirche.8 Die Fokussierung auf das 11. und 12. Jahrhunderts muss offen lassen, inwieweit bereits der Aufenthalt des Papstes Leo III. 799 in Paderborn liturgische Spuren im Sinne einer Anbindung an Rom hinterlassen hat. 9 Um ein Bild der Liturgie des hohen Mittelalters zur Zeit Meinwerks zu gewinnen, wird im Folgenden die Lebensbeschreibung des Meinwerk, die Vita Meinwerci, befragt und in die liturgiegeschichtliche Situation des 11. und 12. Jahrhunderts eingeordnet.10 Die Vita wird zwischen 1155 und 1165 von Abt Konrad von Abdinghof niedergeschrieben worden sein. 11 Damit ergibt sich eine methodische Schwierigkeit. Denn nicht alle Facetten der Lebensbeschreibung Meinwerks entsprechen historischen Gegebenheiten. Vielmehr begegnen Übermalungen aus der Abfassungszeit, also dem 12. Jahrhundert.12 Die Überzeichnungen dürften zum Teil einem Bischofs-, Priester- und Mönchsideal des 12. Jahrhunderts geschuldet sein, wie es sich etwa in der Kanonikerreform ausbildete und bei der das Klerikerbild unter den beiden Begriffen einer vita apostolica und einer vita communis reformiert wurde.13 Nur mit Vorsicht wird man vom damaligen Bischofs- und 5
So die Wertung bei HÄUSSLING, Mönchskonvent 179. Vgl. aus der Fülle der Literatur zu Meinwerk hier die Überblicksdarstellung bei B ALZER , Paderborn 67–109. Zu Paderborn grundsätzlich W ILSCHEWSKI, Bischofssitze 221–237. 7 Vgl. MIETKE, Bautätigkeit. 8 Vgl. KOHLSCHEIN, Liber Ordinarius, der Forschungsüberblick 1–11; auch KRANEMANN, Geschichte, zu Paderborn 251–252. 9 Vgl. die Vermutung bei KOHLSCHEIN, Liber Ordinarius 4. 10 Die lateinische Fassung wird zitiert nach VITA MEINWERCI. Die deutsche Fassung wird zitiert nach TERSTESSE, Leben. 11 Zur Vita Meinwerci, ihrer teils problematischen Historizität und Verfasserschaft vgl. REUTER, Property transactions, bes. 166 (mit Literatur). 12 Vgl. B ANNASCH, Fälscher. 13 Vgl. hierzu, mit Referierung der Forschungsliteratur, BEUCKERS, Chor 73–80; auch SCHILLING, Reform. 6
52
III. „…hoc sacrificium Deo acceptabile”
Priesterideal auf tatsächliche Züge Meinwerks rückschließen können. Und doch wurde des Öfteren darauf hingewiesen, dass die kirchlichen (und somit auch liturgischen) Reformen des 12. Jahrhunderts ohne die vorbereitenden Prozesse des 11. Jahrhunderts undenkbar gewesen seien. 14 Damit wäre für die Paderborner Bischofsgeschichte mit ähnlichen Prozessen zu rechnen, wie sie Klaus Gereon Beuckers für Köln und seine Erzbischöfe Hermann II. (1036–1056) und Erzbischof Anno II. (1056–1075) festgestellt hat, indem er auf Motivübertragungen von Bischof Hermann zu Bischof Anno hingewiesen hat: Erst Anno erntet die Früchte vieler Aktivitäten seines Vorgängers.15 Ähnliches kann für Paderborn vermutet werden: Dass Abt Konrad Bischof Meinwerk nach dem Ideal des 12. Jahrhunderts zeichnen konnte, wird Anlass in der konkreten historischen Gestalt gehabt haben, so schwer dies auch im Einzelnen zu rekonstruieren sein mag. Vor diesem Hintergrund gelten die im Folgenden dargestellten Beobachtungen sicher für das liturgische Leben des 12. Jahrhunderts, das aber mit großer Wahrscheinlichkeit bereits unter Meinwerk auf den Weg gebracht wurde. Auf alle Fälle kann die Epoche des 11. und 12. Jahrhunderts als eine liturgisch für die Paderborner Ortskirche höchst bedeutende ausgemacht werden.16
2. Heilige Handlung: Das Verständnis der Messe seit dem frühen Mittelalter als Bußleistung und Opferhandeln in bestimmten Anliegen 2. Heilige Handlung
Die Vita des Bischofs Meinwerk berichtet ausführlich über das Weihnachtsfest des Jahres 1022, als Kaiser Heinrich II. in Paderborn weilte. Strukturiert wird der Aufenthalt des Kaisers durch die Feier des Gottesdienstes, die Vesper am Vorabend von Weihnachten, die Vigilien und die Feier der Messe in der Heiligen Nacht. In diesen liturgischen Handlungs-
14 Zur liturgischen Seite der Reformen des 11. Jahrhunderts vgl. P ALAZZO, Rom, der darauf hinweist, das 11. Jahrhundert sei liturgiehistorisch weiterhin eine Forschungsl ücke. Dies betrifft indes wohl mehr eine Gesamtwertung des Gottesdienstes dieser Ep oche, denn in den letzten Jahren wurde den liturgischen Quellen mehr und mehr Aufmer ksamkeit geschenkt. Vgl. hier als ein Beispiel KELLY, The ordinal. – Vgl. zu dieser Epoche auch REYNOLDS, Liturgy; REYNOLDS, Law 109–124 (Liturgical Scholarship at the time of the Investiture Controversy: Past Research and Future Opportunities); THIBODEAU, Influence; GY, La Papauté. 15 Vgl. BEUCKERS, Ezzonen, zu Hermann 27–30, zu seiner Stiftungstätigkeit 176–222. 16 B ANNASCH, Bistum 1, weist darauf hin, es habe bereits Motivübertragungen von Meinwerks Vorgänger Rehar auf Meinwerk selbst gegeben.
2. Heilige Handlung
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kontext fügt die Vita Meinwerci folgende Begebenheit ein: 17 Nach der Vesper sendet der Kaiser einen kunstvollen Becher zu Meinwerk, angefüllt mit Obstwein. Der Bischof aber lässt noch in derselben Nacht diesen Prunkbecher in einen Messkelch umwandeln, den er während des Evangeliums der auf die Vigilien folgenden Messe in der Heiligen Nacht konsekriert, um ihn sogleich als Messkelch zu benutzen. Der Kaplan des Kaisers hat in dieser weihnachtlichen Mitternachtsmesse den Dienst des Subdiakons zu vollziehen, ist also auch für die Opfergaben und ihre Gefäße verantwortlich. Er klärt den Kaiser über den entwendeten und zum Kelch umgestalteten Becher auf, woraufhin der Kaiser den Bischof des Diebstahls bezichtigt. Meinwerk aber erklärt: „Ego,” inquam episcopus, „non rapinam, sed avariciam tuę vanitatis cultui mancipavi divinitatis. Tu ad augmentum tuę perditionis aufer Deo, si audes, oblationem meę devotionis.“18
Kaiser Heinrich erwidert: „Ego,” inquid imperator, „Deo mancipata non auferam, sed quę mea sunt, ei suppliciter offeram. Tu de tuis iustis laboribus honora Dominum dignatum in hac nocte pro salute nasci omnium.“ 19
Und der Kaiser lässt es sich nicht nehmen, den Kelch selber beim Offertorium feierlich zum Altare zu bringen und sich des Bischofs Gebet für Seele und Leib zu vergewissern. Wie immer es um den Wahrheitsgehalt dieses Berichtes rund 150 Jahre nach Meinwerks Lebenszeit steht, auf alle Fälle illustriert er die liturgische Praxis und Frömmigkeit eines Bischofs, wie sie für das 11. und 12. Jahrhundert charakteristisch ist. Der zitierte Dialog samt dem Opfergang durch den Kaiser ist bezeichnend für die liturgische Rolle und Aufgabe des Bischofs und mittelalterliche Messfrömmigkeit insgesamt. Denn der entscheidende liturgische Akt, auf den die Vita Meinwerci sich hier bezieht, ist der Opfergang zur Bereitung der eucharistischen Gaben, ausgestaltet nun durch den Kaiser selbst. 20 Und bemerkens17
Über die Historizität der Anekdoten urteilt B ANNASCH, Bistum 189: „Vielleicht haben die zahlreichen Anekdoten, die der Meinwerkbiograph im Zusammenhang mit jenem langen Weihnachtsaufenthalt überliefert, ein wenig von dem Fluidum bewahrt, das d amals das Verhältnis zwischen dem Herrscher und dem Bischof bestimmte.“ 18 V ITA MEINWERCI 182 (104 16–19 Tenckhoff). „Ich habe keinen Raub, sondern deinen nichtigen Besitz in Gottes Dienst gestellt. Nimm du zur Vermehrung deiner Sünde nschuld, falls du es wagst, Gott meine fromme Opfergabe:“ V ITA MEINWERCI 182 (TERSTESSE, Leben, 147). 19 V ITA MEINWERCI 182 (10419–23 Tenckhoff). „Ich werde das Gott Dargebrachte nicht wegnehmen, sondern, was mein ist, ihm demütig opfern. Du ehre mit deinen gerechten Werken Gott, der in dieser Nacht für das Heil aller geboren werden wollte:“ VITA MEINWERCI 182 (T ERSTESSE , Leben, 147). 20 Vgl. zu ähnlichen Vorgängen des Frühmittelalters ANGENENDT, Mensa.
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III. „…hoc sacrificium Deo acceptabile”
wert ist jenes Anliegen, der Bischof möge gerade hier, beim Offertorium, für Seele und Leib des Kaisers beten. Der Verfasser der Vita hat hier den typischen Ablauf der Messe vor Augen, wie er sich um die erste nachchristliche Jahrtausendwende ausgebildet hat. Denn man gestaltete unter anderem den Akt des Offertoriums mittels Gebetssammlungen aus, die bei der Gabenbereitung viele verschiedene Anliegen thematisieren. Solche Gebete, die auch für den Herrscher und seine Familie gesprochen werden konnten, sind eines der Kennzeichen jener Veränderungen der Messliturgie, die sich seit dem Frühmittelalter zeitigen. 21 Die alten Sakramentare gregorianischer oder gelasianischer Prägung als Vorläufer der Messbücher überliefern nur einen schlichten, knappen Verlauf der gleichbleibenden Teile der Messe, des Messordo. Nur kursorisch werden dort die entscheidenden Teile der Feier erwähnt: Der Eingangsgesang (Introitus), der Gesang des Kyrie sowie (an bestimmten Tagen) des Gloria, das Tagesgebet (Collecta) und so fort.22 Dies ändert sich seit dem Frühmittelalter und führt etwa um das Jahr 1000 zu einem neuen Paradigma eucharistischer Liturgie. Es ist der sogenannte „Rheinische Messordo,“ der fortan die Messliturgie prägt, eine neue Größe eucharistischer Liturgie, die den Messverlauf durch viele Privatgebete und -zeremonien des Priesters oder Bischofs ergänzt. Es geht dabei um priesterliche Frömmigkeit, die nun eine zweite Schicht des Betens formt, die für die versammelte Gemeinde indes unhörbar bleibt. 23 Benannt wird diese neue Größe nach den Zentren mittelalterlicher Kultur, an denen sich einige der Hauptzeugen jenes Messordo finden. Das sind – grob gesagt – die Klöster und Bischofsstädte der Rheinschiene. 24 Aufgrund der Hinweise der Vita Meinwerci in Bezug auf den Opfergang und das Gebetsanliegen des Kaisers kann man annehmen, auch die Messliturgie des Bischofs Meinwerk sei diesem neuen Grundtyp der Messe, dem Rheinischen Messordo, gefolgt. Nun hat sich leider kein Sakramentar des Paderborner Domes aus dieser Epoche erhalten. 25 Doch im benachbarten Minden wird man fündig: Der mit Meinwerk etwa zeitgleiche Bischof Sigebert (1022–1036) gab zahlreiche liturgische Bücher in Auftrag, die unter anderem einen solchen reich mit Privatgebeten des Bischofs angefüllten Mess21
Vgl. hier den Überblick bei ODENTHAL, Ante conspectum, in diesem Band 16–49. Vgl. hier NEBEL, Entwicklung. 23 Es ist dies der Versuch, den „objektiven“ Messverlauf auf die priesterliche Frömmigkeit zuzuschneiden. Dies soll dem Priester ermöglichen, die ihm zugedachte Rolle übernehmen zu können. Die im Folgenden beschriebene Ankleidung des Priesters mit den Begleitgebeten helfen also, den Personenkörper des Priesters in den Amtskörper des Kultdieners zu überführen. 24 Vgl. hier immer noch die Forschungen von LUYKX, Oorsprong. 25 So die Hinweise zu den liturgischen Quellen Paderborns bei KOHLSCHEIN, Liber Ordinarius 5–7. – Zu den liturgischen Handschriften aus Paderborn und dem Umkreis und ihren wechselvollen Geschichten vgl. immer noch J ANSEN, Domdechant. 22
2. Heilige Handlung
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verlauf belegen.26 Es ist bei den vielen Nennungen des Mindener Bischofs Sigebert in der Vita Meinwerci undenkbar, man habe in Paderborn jene Entwicklungen nicht gekannt. 27 Zeitgleiche Messordines haben sich auch aus dem Skriptorium des Klosters Fulda erhalten und werden heute in Köln28 und Bamberg29 aufbewahrt. Diese Beobachtungen und die Tatsache, dass der Rheinische Messordo zur Grundlage der mittelalterlichen Messe allgemein bis hin zu Formularen der päpstlichen Kapelle geworden ist, lassen es zu, ihn auch als prägende Größe für die Paderborner Liturgie anzusehen.30 Das Kennzeichen dieses neuen Grundtyps der Messe ist, dass folgende rituellen Akte der Messe besonders ausgestaltet werden: die Vorbereitungsriten des Bischofs oder Priesters in der Sakristei, die bereits geschilderte Gabenbereitung, der Beginn des Eucharistiegebetes, des Canon Romanus, sowie die Kommunionriten. Schließlich findet sich ein eigenes Gebetspensum für die Danksagung nach Beendigung der Messe. Folgender Überblick zeigt das reiche Gebetspensum, das zusätzlich zu den in den alten Sakramentaren aufgeführten eigentlichen Messtexten vom Priester zu verrichten ist: Die Vorbereitung der Messe beginnt bereits in der Sakristei mit Psalmgebeten (in der Regel die Psalmen 83, 84, 85). Nun folgen Gebete zum Ankleiden mit den Messgewändern, die jedes einzelne Gewandstück allegorisch und tropologisch im Hinblick auf das übernommene Priesteramt und die gebotene Reinheit des priesterlichen Dienstes hin ausdeuten. Dieser Akt wird mit einer Händewaschung abgeschlossen. Während die Schola zum Einzug der Kleriker in die Kirche den Introitus singt, betet der Priester oder Bischof wiederum still, und zwar Bußgebete um Nachlass der Sünden, sogenannte Apologien, gefolgt von Psalm 42. Erneut sind solche Apologien während des Gesanges des Gloria in excelsis zu beten, die deutlich machen, wie sehr die offizielle Liturgie mit ihren Texten und Gesängen durch diese zweite Ebene ergänzt wird, eben jene stillen Gebete des Priesters, die auf die priesterliche Frömmigkeit und seine besondere kultische Funktion ausgerichtet sind. Der Rheinische Messordo kennt ferner Gebete zum Weihrauchritus bei der Verlesung des Evangeli26
Vgl. hierzu P IERCE, Sacerdotal spirituality; P IERCE, Evolution. Nennungen Sigeberts finden sich: V ITA MEINWERCI 94 (542 Tenckhoff); 175 (97 12 Tenckhoff); 192 (110 16 Tenckhoff); 210 (122 19 Tenckhoff). Ferner muss betont werden, dass „die Bischöfe von Paderborn und Minden in gutem Einvernehmen lebten,“ so BANNASCH, Bistum 197. Ebd. 236 auch der Hinweis, dass beide Bischöfe das Allerheiligenfest 1031 wie die am folgenden Tage vollzogene Weihe der Abdinghofkirche gemeinsam gefeiert hätten. 28 Vgl. ODENTHAL, Formulare. 29 Vgl. ODENTHAL, Ordo Missae. 30 Zur Prägung der Messliturgie der päpstlichen Kapelle vgl. den Order of the mass according to the use of the Roman Church (Court) before 1227, in: VAN DIJK, The ordinal 493–526. 27
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III. „…hoc sacrificium Deo acceptabile”
ums. Reich ausgestaltet sind vor allem die Riten und Gebete zur Gabenbereitung. In den erhaltenen Formularen fallen die vielen Gebete auf, die mit Suscipe sancta Trinitas („Nimm an, heilige Dreifaltigkeit“) beginnen. Ihre Fülle erklärt sich, wie bereits anhand der kaiserlichen Oblation deutlich wurde, aus der Vielzahl der Gebetsanliegen, die vom Priester für die Messzelebration übernommen worden sind und nun in das Opfer eingebracht werden sollen. Private Psalmgebete während des Gesanges des Sanctus fügen sich an, zudem Psalmgebete während des Eucharistiegebetes, des Canon Romanus (etwa die Psalmen 19, 24, 50, 89, 90), die aber nun nicht vom zelebrierenden Priester selbst, sondern von den Umstehenden, Diakon und Subdiakon, für den Priester gesprochen werden. Die Gebetsgruppen um die Brotbrechung mit dem Ritus, ein Partikel der konsekrierten Hostie in den Kelch mit dem Blut Christi zu geben (Commixtio), werden ebenso ausgestaltet wie Gebete zum Friedensgruß. Es folgen Gebete zur Kommunion um einen würdigen und fruchtvollen Sakramentenempfang, schließlich das Placeat-Gebet nach der Messe, eine Bitte darum, dass die erfolgte Messzelebration Gott wohlgefällig sei. Beschlossen wird die Feier der Messe wiederum mit privat vollzogenen Psalmgebeten (Psalm 150 und das Canticum aus Daniel 3). Ein Schlussevangelium, das eines der Kennzeichen der tridentinischen Messe geworden ist, kennt der Messordo des 11. Jahrhunderts noch nicht. Ziel des komplexen Gebetspensums ist es, neben der objektiv „richtigen“ Feier der Messe eine würdige und reine innere Haltung des Priesters oder Bischofs zu garantieren, die seiner besonderen Rolle entspricht. Erst wenn so Gottesdienst gefeiert wird, können die vielen in den Suscipe-Gebeten gesammelten Anliegen so vor Gott gebracht werden, dass Gott die Gebete seiner Kirche wirklich erhört. Das in der Vita Meinwerci erwähnte Gabengebet des Bischofs für den Kaiser samt dessen Opfergestus passt somit gut ins Bild der Zeit. Im Messordo des Sigebert von Minden findet sich denn auch ein solches Gebet für Herrscher und Reich, das während des Offertoriums zu beten ist: Pro rege et pro populo christiano. Suscipe sancta Trinitas hanc oblationem quam tibi offerimus pro rege nostro et sua uenerabili prole. et statu regni sui. et pro omni populo Christiano. et pro elemosinariis nostris. et pro his qui nostri memoriam in suis continuis orationibus habent. ut hic ueniam recipiant peccatorum et in futuro consequi premia aeterna mereantur. Per.31
31
„Für den Herrscher und für das christliche Volk. Nimm an, heilige Dreifaltigkeit, diese Gaben, die wir dir darbringen für unseren Herrscher und seine verehrungswürdige Familie, für den Zustand seines Reiches und für das ganze christliche Volk, für unsere Wohltäter und die, die ein Gedenken an uns in ihren ununterbrochenen Gebeten haben, dass sie hier Nachlass ihrer Sünden finden und in der Zukunft den ewigen Lohn:“ P IER1–10 CE, Sacerdotal spirituality 222 .
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Die Liturgie hat hier eminent politische Bedeutung. Der Bischof als geistliches Oberhaupt ist in seiner Diözese letztverantwortlich für die Liturgie, die seit dem Frühmittelalter immer mehr in den Dienst des Reiches gestellt wird. Ein Blick zurück: Spätestens mit dem Concilium Germanicum (wohl 742/743) wird der Gottesdienst Reichsangelegenheit. Das Konzil unter der Hoheit Karlmanns legte damals fest, jeder Bischof solle in seinem Bezirk unter Mitwirkung des Grafen, der der Beschützer der Kirche ist, dafür sorgen, dass das Volk Gottes nichts Heidnisches treibe, sondern allen Unflat des Heidentums ablege. Zugleich kodifizierte das Konzil liturgisches Recht, so etwa die Erneuerung des Öls am Gründonnerstag.32 Unter Karl dem Großen setzt sich die hier greifbare Tendenz fort: Es geht um das Reich, dessen Bestand durch die Kirche gesichert werden soll. Und diesem Zweck wird die als authentisch römisch anzusehende einheitliche Liturgie dienstbar gemacht. Nicht zuletzt die karolingische Schriftkultur führt zu einer gründlichen Erneuerung des Gottesdienstes. Diese Erneuerungsprozesse des Gottesdienstes dauern über Jahrhunderte an und können mit Arnold Angenendt als „bonifatianisch-karolingische Liturgiereform“ apostrophiert werden. Es wird eine klar abgegrenzte Aufgabenteilung vollzogen, wie ein Brief Karls des Großen aus dem Jahre 796 an Papst Leo III. deutlich macht: Nostrum est: secundum auxilium divinae pietatis sanctam undique Christi ecclesiam ab incursu paganorum et ab infidelium devastatione armis defendere foris, et intus catholicae fidei agnitione munire. Vestrum est, sanctissime pater: elevatis ad Deum cum Moyse manibus nostram adiuvare militiam, quatenus vobis intercedentibus Deo ductore et datore populus christianus super inimicos sui sancti nominis ubique semper habeat victorium, et nomen domini nostri Iesu Christi toto clarificetur in orbe. 33
Die Gebete beim Offertorium, wie sie Meinwerk an Weihnachten 1022 gesprochen haben mag, lösen diese seit Karl dem Großen dem Bischof übertragenen Verpflichtungen ein: Es ist der Bischof, der für die Christenheit und das Reich betet. Und er betet um Vergebung der Sünden, also auch um einen „rite et recte,“ rein gehaltenen Gottesdienst, in dem der Kaiser selber sich als Opfernder beteiligt, und zwar durch den Messkelch, 32
Vgl. ANGENENDT, Bonifatius 80–81. „Unsere Pflicht ist es, gemäß der göttlichen Hilfe die heilige Kirche Christi überall nach außen gegen den Einfall der Heiden und die Zerstörung durch die Ungläubigen zu schützen und nach innen durch die Erkenntnis des katholischen Glaubens zu festigen. Eure Aufgabe, heiligster Vater, besteht darin, zusammen mit Mose die Hände zu Gott zu erheben und somit unserem Kampf zu helfen, damit auf Eure Bitten hin das christliche Volk unter der Führung Gottes über die Feinde seines heiligen Namens überall den Sieg erringt und der Name unseres Herrn Jesu Christi im ganzen Erdkreis verherrlicht werde :“ Epistolae Karolini Aevi II, MGH.Ep IV,II, 136–138, hier 137 31–138 2. – Die hier bemühte Aufgabenteilung schließt indes die Sakralisierung politischer Herrschaft ein und nicht aus. Vgl. ANGENENDT, Karl der Große. 33
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den er bei der Gabenbereitung zum Altar bringt. Denn es ist die sachhafte Gabe, die seit dem Frühmittelalter beim Offertorium an Bedeutung gewinnt und nun als Opfer qualifiziert wird.34 Wenn die Gabenbereitung selbst zunehmend als eigenständiger Opferakt der Kirche wahrgenommen wird, ist dies bedingt durch die mannigfachen Veränderungen in der Auffassung von Mysterium und Sakrament seit dem Ausgang der Spätantike. Es wurde zunehmend schwierig, kraft eines platonisch gefärbten UrbildAbbild-Verhältnisses das eine und einzige Kreuzesopfer Jesu Christi und dessen stetige rituelle Wiederholung als eines zu denken. 35 Vielmehr konstruierte man ein zum Kreuzestod Christi zusätzliches, im Grunde sekundäres Opferhandeln der Kirche, das sich nunmehr etwa in der Gabendarbringung der Messe kultisch realisiert. In dieses Opferhandeln fließen Sachgaben ebenso ein wie die vielen Anliegen und Bitten, die der Klerus stellvertretend mit den einzelnen Gebeten zur Gabenbereitung verbindet und so vor Gott trägt. Die Stiftungen Meinwerks an sein Kloster Abdinghof formuliert die Vita Meinwerci bezeichnenderweise in kultischen Kategorien, und zwar mit den Formulierungen aus dem Gedächtnis für die Lebenden des damalig einzigen Eucharistiegebetes, des Canon Romanus: „pro spe suę salutis et incolumitatis.“ 36 Das materielle Opfer des Meinwerk fließt so mit dem Gedächtnis des einmaligen Kreuzesopfers Christi zusammen. Arnold Angenendt fasst die Spannung mittelalterlicher Opfervorstellungen so zusammen: „Man zitiert weiter die Spitzensätze des geistiggeistlichen Opfers und kehrt dennoch zurück zu ‚früheren‘ Opferformen.“37 Und diese frühen Opferformen sind Natural- oder Sachgaben. Wenn der durch den Priester vollzogene Opferakt das Entscheidende der Messe ist, wird verständlich, dass die Messe selbst dann noch von unverzichtbarer Bedeutung ist, wenn sie – losgelöst aus dem Kontext einer Feiergemeinde – von nur einem Priester an einem der vielen Altäre einer mittelalterlichen Kirche „gelesen“ wird. Es ist dies der Typus der „Missa specialis,“ die im Laufe des Mittelalters zunehmend im Sinne einer von den Priestern stellvertretend übernommenen Bußleistung verstanden und als einzelne Messfeier des einen Priesters am Altar vollzogen wird. 38 Die Klöster übernehmen Gebetsverpflichtungen und gründen Gebetsverbünde füreinander, um Buße abzuleisten, was mittels eines Tarifsystems geregelt ist. Von hierher ist übrigens der Hinweis der Vita Meinwerci zu verstehen, 34
Vgl. dazu ANGENENDT, Offertorium. Zu den durchaus komplexen Veränderungen im Sakramentenverständnis vgl. etwa PRATZNER , Messe; umfassend SIMON, Messopfertheologie 41–164. 36 „für die Hoffnung auf sein Heil und Unversehrtheit:“ VITA MEINWERCI 210 (12214– 15 Tenckhoff). Im Canon Romanus lautet die entsprechende Formulierung: „pro spe salutis et incolomitatis suae,“ bei DESHUSSES, Le sacramentaire 1, 87 (Nr. 6). 37 ANGENENDT, Offertorium 77. 38 Vgl. ANGENENDT, Missa specialis 153–160. 35
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Heinrich II. habe bei einem (zumindest für das angegebene Jahr 1015 nicht anzunehmenden) Aufenthalt in Cluny die Bruderschaft der dortigen Mönche demütig erbeten und erhalten, sowie sich zerknirschten Herzens ihrem Gebet anempfohlen („et fraternitate monachorum humiliter petita et accepta cum maxima contricione cordis omnium se orationibus commendavit“).39 Gemeint ist seine Aufnahme in die Gebetsverbrüderung Clunys, die, wenn auch nicht real zu diesem Datum so geschehen, 40 doch gut in die Aussageabsicht der Vita und ihres Idealbildes eines Kaisers passt: Er bedarf als Herrscher des fürbittenden Gebetes der Kirche und ihres Klerus. Der Hinweis zeigt einmal den Einfluss des berühmten Klosters, zugleich aber auch, in welchem Maße man sich liturgisch an ihm ausrichtete, war Cluny doch etwa für die Ausbildung der „Missa specialis,“ für die Installierung des Allerseelenfestes sowie für die Ausbildung und Vermehrung der Messfeiern für die Verstorbenen von höchster Bedeutung. 41 Dass Meinwerk von dort Mönche nach Paderborn holt und zugleich Antiphonar und Hymnar mitbringt, passt gut in dieses Bild vom Einfluss Clunys, ebenso die Tatsache, dass Meinwerk am von Cluny aus verbreiteten Allerseelenfest 1031 seine Klostergründung Abdinghof einweiht.42 Ein weiteres Beispiel, nun aus der Abtei Fulda, mag verdeutlichen, wie die Messe zunehmend als Buß- und Gebetsleistung verstanden werden konnte. Im Jahre 863 legt sich das Kloster Fulda auf bestimmte Gebetsleistungen in Stundengebet und Messe fest: Jeder der Priestermönche betet für alle Lebenden, also die Menschen aus den Gebetsverbrüderungen, zusätzlich zum sonstigen Stundengebet zehn ganze Psalter und zehn Messen. 43 Es sind dies Bußleistungen, die zunächst im Rahmen des Stundengebetes mit Hilfe der Zusatzoffizien, etwa ein zehnmaliges Beten aller 150 Psalmen, abgegolten werden. Diese ursprünglich nur auf das Gebet bezogene ideelle Verbindung von Büßer und Betendem wird in einem zweiten Entwicklungsschritt auf die Messe ausgedehnt: „Der letzte Schritt, der in diesem 39
VITA MEINWERCI 28 (32 18–20 Tenckhoff). Vgl. das Itinerar bei B ALZER , Meinwerk 28–39. Zur Problematik der Zeitangaben, die Conrad von Abdinghof im 12. Jahrhundert kaum mehr hat wissen können, vgl. REUTER, Property transactions 194–199. Zu einem möglichen Clunyaufenthalt Meinwerks 1022 vgl. B ANNASCH, Bistum 187; vgl. zur Problematik der Terminangaben ebd. 230– 231; 232, Anm. 111. 41 Vgl. B ÄRSCH, Allerseelen 80–135. 42 Vgl. V ITA MEINWERCI 210 (122–123 Tenckhoff); vgl. B ALZER , Meinwerk 19; B ANNASCH, Bistum 206; 241–243. 43 „ut unusquisque illorum singulis annis generaliter pro omnibus vivis 10 psalteria vel 10 missas cantet vel perficiat,“ Appendix von 863 zu den Annales Necrologici Fuldenses. A 1049–1057, in: MGH.SS 13. Hannoverae 1881, 161–218, hier 215 45–46. – Vgl. zu den durch Bonifatius forcierten Gebetsbünden etwa G ERCHOW, Gedenküberlieferung, 8–17. 40
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III. „…hoc sacrificium Deo acceptabile”
Bußaustausch vollzogen wurde, bestand darin, daß man in die geistlichen Bußwerke auch die Messfeier miteinbezog.“44 Das Beten für jemanden („orare pro“) wird zum Opfern in einem bestimmten Anliegen („offerre pro“).45 Dies drückt sich vor allem im Vorgang des Offertoriums, der Gabenbereitung aus, die als Handeln der Kirche nun als Teil einer stellvertretend übernommenen Bußleistung interpretiert werden kann. Von hierher verstehen sich übrigens die in der Vita Meinwerci dokumentierten Beschlüsse der Provinzialsynode zu Seligenstadt vom 13. August 1023, wenn etwa im 16., 17. und 18. Artikel Bußleistungen geregelt werden. 46 Sie zeigen eines der entscheidenden Themen der Frömmigkeit seit dem Frühmittelalter an, nämlich die Buße als Grundkategorie des Christseins. Und die Feier der Messe wurde ganz und gar als eine solche Bußleistung, vollzogen durch die reinen Hände des Priesters, angesehen. So erklärt sich ferner die Anweisung jener Synode, Laien sollten, falls sie eine Messe in Auftrag geben, die Messe des Tages oder die Messe für das Heil der Lebenden und Verstorbenen hören.47 Das erhoffte Heil nun mittels des Gottesdienstes zu bewirken, ist Paradigma mittelalterlicher Frömmigkeit. 48 Von diesen Überlegungen her erschließt sich die eingangs erwähnte Begebenheit des Weihnachtstages 1022 nochmals in einem anderen Licht. Mag die Aktion des Bischofs Meinwerk vordergründig zum Ziel gehabt haben, in den Besitz eines wertvollen Kelches zu gelangen, so kann sie tiefergründig als Wahrnehmung der geistlichen Hirtenfürsorge Meinwerks dem Kaiser gegenüber interpretiert werden: Der Bischof leitet den Kaiser zum Opfer und somit zu einer stets nötigen Bußleistung an, die mittels des Messopfers sich in Segen und Heil für Kaiser und Reich auszahlt. 49 Doch geht der Bericht der Vita Meinwerci für das Weihnachtsfest des Jahres 1022 noch weiter. Bei der dritten Weihnachtsmesse am Tage gelingt es dem Bischof endlich, den Kaiser zur Stiftung des Hofes Erwitte zu bewegen, die wiederum während der Gabenbereitung geschieht. Meinwerk kommentiert diesen Oblationsakt des Kaisers mit bemerkenswerten Worten: „Beatus es“ ait, „Heinrice, et bene tibi erit, cui pro hac oblatione celum patebit, cuius anima cum sanctis sempiterna possidebit gaudia.“ „Videte,“ ait, „omnes populi, conside44
Angenendt, Muschiol, Texte 38. Vgl. dazu insgesamt BERGER , Wendung. 46 Vgl. VITA MEINWERCI 178, Nr. 16–18 (10042–10118 Tenckhoff). Zur Synode vgl. B ANNASCH, Bistum, 191. 47 „vel pro salute vivorum aut pro defunctis,“ in: VITA MEINWERCI 178 (100 16 Tenckhoff). 48 Vgl. ANGENENDT, Pro vivis. 49 Damit wäre ein neues Argument in die Debatte eingeführt, in welchem Maße der Autor der Meinwerksvita das Bild des Bischofs in der Absicht überformt, auch widerrechtliches Handeln und Denken zugunsten eines höheren Zweckes zu rechtfertigen. Und dieser höhere Zweck ist die pietas, so B ANNASCH, Fälscher 241. 45
2. Heilige Handlung
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rate, fideles universi; talis oblatio peccatorum fit abolitio, hoc sacrificium Deo accept abile animabus fit propiciabile.“50
Der liturgische Dialog zwischen Priester und den Ministri vor Beginn der Präfation, der vor dem Jahre 1000 zum Messverlauf hinzugekommen ist, bittet in ähnlicher Formulierung darum, dass das Opfer annehmbar sei bei Gott: „Orate pro me peccatore fratres et sorores. ut meum et uestrum sacrificium acceptum fiat Domine Deo omnipotenti ante conspectum suum.” 51 Und ist es annehmbar, tilgt es viele Sünden und führt zur ewigen Freude mit den Heiligen – auch dies eine typische Wendung liturgischen Betens im Messordo um das Jahr 1000.52 Die Ausführungen haben gezeigt, in welch starkem Maße die Liturgieauffassung des 11. und 12. Jahrhunderts die Lebensbeschreibung des Meinwerk geprägt haben. Bemerkenswert hierbei ist die im Kontext des kirchlichen Rituals betonte Vorrangstellung Meinwerks vor dem Kaiser, die man durchaus als ein Anliegen des Abtes Konrad von Abdinghof im 12. Jahrhundert ansehen kann. 53
50
VITA MEINWERCI 182 (105 26–31 Tenckhoff). „Ob dieser Opfergabe wird dir der Himmel offenstehen und deine Seele mit den Heiligen die ewigen Freuden besitzen. Seht es, alle Völker, beachtet es wohl, alle Gläubigen: Solche Opfergabe schafft Vergebung der Sünden, dies gottgefällige Opfer bringt den Seelen Versöhnung:“ V ITA MEINWERCI 182 (TERSTESSE, Leben 149). – Heinrich II. hatte übrigens mit ähnlichen Argumenten Meinwerk bewogen, das Bischofsamt in Paderborn zu übernehmen. Vgl. B ANNASCH, Bistum, 156. – Vgl. hier auch grundsätzlich REUDENBACH, Stiften. 51 „Betet für mich Sünder, Brüder und Schwestern, damit mein und euer Opfer annehmbar sein möge für den Herrn, den allmächtigen Gott, vor seinem Angesicht:“ P IERCE, Sacerdotal spirituality 229 (Nr. 150). 52 Vgl. zum Gesamtzusammenhang auch LUTTERBACH, The Mass. 53 Es wäre hier eine eigene noch zu leistende Untersuchung, die rituelle Austarierung des Verhältnisses von Herrscher und Bischof, Reich und Kirche im 12. Jahrhundert darzustellen. Dazu aber wäre eine neue liturgiegeschichtliche Sichtung der Epoche des 12. Jahrhunderts vonnöten. Hier wäre in Rechnung zu stellen, dass sich in der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts der Gottesdienst der päpstlichen Kapelle allmählich von den ansonsten in Rom geübten Bräuchen ablöst (vgl. dazu P ALAZZO, Rom 280), was im Laufe des 12. und frühen 13. Jahrhunderts zur eigenen, dann aber normbildenden Liturgie der päpstlichen Kapelle führt. Vgl. hier: Ordinal of the court of the Roman Church, compiled during the reign of Innocent III (1213–6), in: VAN D IJK, The ordinal 87–478; vgl. auch GY, Influence.
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III. „…hoc sacrificium Deo acceptabile”
3. Heiliger Mann: Die Rolle des Bischofs als Kultdiener mit reinen Händen 3. Heiliger Mann
Ein zweiter Gedankenkreis tritt hinzu. Im Kontext der frömmigkeitsgeschichtlichen Veränderungen seit dem Frühmittelalter erhält die Person des Bischofs oder Priesters besondere Aufmerksamkeit. Das Bußwerk der Messe hat desto größeren Wert, je reiner und heiliger der Bischof oder Priester ist, der hier als „Kultbeamter“ die Zelebration übernimmt. Es ist das religionsgeschichtlich sehr alte Motiv der reinen Hände.54 Um diese Reinheit zu gewährleisten, wird dem Akt der Vorbereitung der Messe höchste Aufmerksamkeit geschenkt. Das rituelle Bekleiden mit den Gewändern, die Händewaschung und das Psalmgebet der Geistlichen vor Beginn der Messe wurden bereits erwähnt. Diese Riten ermöglichen einen Übergang vom Profanen ins Heilige und machen zugleich die unverzichtbare Bedeutung des Priesters oder Bischofs als „heiliger Mann“ deutlich. Deshalb ist der Akt der Bekleidung mit den liturgischen Gewändern hoch ritualisiert. Der als Stiftung des Bischofs Heinrich II. von Werl (1084– 1127) bis heute im Paderborner Domschatz befindliche Tragaltar zeigt, welche Paramente man sich vorzustellen hat. Auf der Christusseite des Altares finden sich Darstellungen der beiden heiligen Bischöfe Kilian und Liborius. Noch fehlen zwar die wenig zuvor in Übung gekommenen Mitren, doch es zeigt sich die Fülle der Gewänder: das Grundgewand der Albe, darüber die Stola, darüber als Zeichen der bischöflichen Weihevollmacht die Dalmatik als das Gewand des Diakons, darüber die Kasel als Gewand des Priesters, über dem Arm das Manipel.55 Alle diese Gewandstücke werden im Mittelalter allegorisch gedeutet, wie wiederum der Messordo des Bischofs Sigebert von Minden zeigt.56 Nach einer Händewaschung des Bischofs vor Beginn der Messe findet sich folgendes Gebet: Largire sensibus nostris omnipotens Deus. ut sicut hic exterius abluuntur inquinamenta manuum. sic a te mundentur interius pollutiones mentium et crescat in nobis augmentum sanctarum uirtutum. Per. 57
54
Vgl. ANGENENDT, Mit reinen Händen. Vgl. STIEGEMANN, WESTERMANN-ANGERHAUSEN, Schatzkunst 211; P ETER, DomTragaltar. 56 Vgl. dazu P IERCE, Early Medieval Vesting Prayers; HEINZ, Messfrömmigkeit 99– 104. – Die im Folgenden aufgeführten Gebete sind lediglich eine Auswahl aus dem reichen Bestand, den der Mindener Ordo als Repertorium bietet. 57 „Gewähre unseren Sinnen, allmächtiger Gott, dass, wie hier die Unreinheiten der Hände abgewaschen werden, so von dir die Befleckungen des Geistes gereinigt werden und in uns die Vermehrung der heiligen Tugenden blühen mögen:“ P IERCE, Sacerdotal spirituality 156 (Nr. 12). 55
3. Heiliger Mann
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Der äußere Ritus wird als Ausdruck eines inneren Reinigungsprozesses erfahren und gedeutet, der dem Bischof dazu verhilft, den heiligen Dienst recht zu vollziehen. Während er nun seine Alltagskleider ablegt, beten die umstehenden Kleriker erneut Psalmen. Es ist die Gebetsgemeinschaft der Stadtkirche mit den Geistlichen für ihren Bischof, die hier erfahrbar wird. Zum Anlegen des Schultertuches betet der Bischof dann: „Humeros meos sancti spiritus gratia tege Domine. renesque meos uiciis omnibus expulsis precinge ad sacrificandum tibi uiuenti et regnanti in saecula saeculorum.” 58 Zum Bekleiden mit dem liturgischen Grundgewand, der Albe, spricht der Bischof: „Circumda me Domine fidei armis. ut ab iniquitatum sagittis erutus. ualeam aequitatem et iustitiam custodire.” 59 Der Dienst des Bischofs wird hier mit dem Waffendienst des Soldaten verglichen, denn schließlich feiert er das Messopfer für das Wohlergehen des Reiches und seiner Herrscher, steht wie der Soldat in deren Dienst. 60 Sodann umgürtet sich der Bischof mit dem Zingulum, das ebenfalls mahnt, sich vor Schuld zu bewahren: „Circumcinge lumbos meos Domine zona iustitiae. et circumcide uicia cordis et corporis mei.“61 Ähnlich lautet das Gebet bei der Bekleidung mit der Stola: „Stola iustitiae circumda Domine ceruicem meam. et ab omni corruptione peccati purifica mentem meam.”62 Der Bischof legt sodann die Obergewänder der einzelnen Weihestufen an: die Tunicella als Gewand des Subdiakons, die Dalmatik als Gewand des Diakons und die Kasel als priesterliches Gewand. Eine solche Kasel in der alten Glockenform aus dem Besitz Bischofs Meinwerk hat sich in Resten erhalten.63 Bischofsring, Pontifikalhandschuhe sowie das auf hohe58
„Meine Schultern decke mit der Gnade des Heiligen Geistes, Herr, und umgürte meine Nieren, nachdem alle Makel beseitigt worden sind, um zu opfern dir, dem Lebe nden und Herrschenden in alle Ewigkeit:“ P IERCE, Sacerdotal spirituality 157 (Nr. 15). 59 „Umgib mich, Herr, mit den Waffen des Glaubens, dass, von den Pfeilen der Sünde aufgewühlt, ich Gleichmut und Gerechtigkeit zu beachten vermag:“ P IERCE, Sacerdotal spirituality 158 (Nr. 16). 60 Dies trifft für Meinwerk ja insofern doppelt zu, als er bereits als königlicher Kapellan und Kardinal der Aachener Pfalzkapelle unmittelbar in den Dienst des von Kaiser Otto III. repräsentierten Kaisertums getreten war und sich noch als Bischof öfter an Feldzügen der Kaiser beteiligte. Vgl. B ANNASCH, Bistum 153, 161 u.ö. – In diesem Kontext sei nur kurz auf den „Ordo ad armandum ecclesiae defensorem vel alium militem“ des 11. Jahrhunderts aus der Kölner Dombibliothek (Cod. 141, fol. 171v–174) hingewiesen, der die Nähe des liturgischen Betens zum Soldatentum des hohen Mittelalters zeigt. Vgl. hierzu FLORI, A propos de l’adoubement. 61 „Umgürte meine Lenden, Herr, mit dem Gürtel der Gerechtigkeit und schneide die Laster meines Herzens und Leibes ab:“ P IERCE, Sacerdotal spirituality 158 (Nr. 18). 62 „Mit der Stola der Gerechtigkeit umgib, Herr, meinen Nacken, und von aller Verderbnis der Sünde reinige meinen Geist:“ P IERCE, Sacerdotal spirituality 159 (Nr. 20). 63 Vgl. dazu SCHORTA, Seidengewebe 89–91; 122; 135; 142.
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III. „…hoc sacrificium Deo acceptabile”
priesterliche Vorbilder zurückgehende Rationale, ein kurzes rechteckiges Gewandstück über der Kasel, bilden die bischöflichen Insignien. Der Messordo des Sigebert von Minden spricht zwar davon, der Bischof werde auch mit einer Mitra bekleidet („infuliert“), doch fehlt in Minden ein eigenes Gebet. Vielleicht ist dies Ausdruck der Tatsache, dass die Mitra erst kurz nach der Jahrtausendwende überhaupt in Übung kommt und sich noch nicht vollkommen etabliert hat. 64 Stellvertretend für die Vielzahl der Gebete, die der Messordo aus Minden anbietet, sei hier nur noch das Gebet beim Bekleiden mit der Kasel zitiert: Indue me Domine ornamento humilitatis et caritatis. et concede mihi protectionem contra hostem insidiatorem ut ualeam puro corde. et casto corpore laudare nomen tuum sanctum in saecula saeculorum amen. 65
Denn das Handeln des Bischofs ist desto wirksamer, je heiliger sein Lebenswandel ist. Der Überblick über die Riten zur Ankleidung vor der Messe macht Folgendes deutlich: Die Gewandstücke werden auf die Würde und kultische Reinheit des Bischofs hin ausgelegt, damit er gewinnbringend die Messe feiern kann. Hier ist vor allen Dingen auf das Eucharistiegebet hinzuweisen, den Canon Romanus, der – als Herzstück der Messe – zum „Allerheiligsten“ wird. Angelus Häussling hat auf eine Formulierung des Ordo Romanus Primus aufmerksam gemacht, also jener Form der Beschreibung der päpstlichen Messe aus dem 8. Jahrhundert, die im Zuge der karolingischen Reform für das gesamte Reich Vorbildcharakter erhielt. 66 Dort heißt es nämlich, der Pontifex trete in den Canon, das Hochgebet, ein: „et intrat in canonem.“67 Das Eucharistiegebet der Messe wird ganz wörtlich als Raum des Allerheiligsten gedeutet, den es würdig zu betreten gilt. Die Topographie des Jerusalemer Tempels mit dem nur vom Hohenpriester zu betretenden Allerheiligsten steht hier Pate. Gerade an diese Stelle, den Beginn des Eucharistiegebetes, setzt der Messordo von Minden nun einige Gebete, die der Bischof um einen würdigen Vollzug des Canon zu sprechen hat, während die Schola das Sanctus singt. Eines dieser Gebete sei hier noch zitiert: Domine Deus qui non mortem sed paenitentiam desideras peccatorum me miserum fra gilemque peccatorem a tua non repellas pietate. neque aspicias ad peccata et scelera mea et inmunditias turpesque cogitationes quibus flebiliter a tua disiungor uoluntate. sed ad 64
Vgl. zum Problem der Mitra die Beobachtungen bei SPORBECK, STRACKE , Gewänder 193. 65 „Bekleide mich, Herr, mit der Zierde der Demut und Barmherzigkeit und gewähre mir Schutz gegen den nachstellenden Feind, dass ich mit reinem Herzen und keuschem Leib deinen heiligen Namen in Ewigkeit zu preisen vermag:“ P IERCE, Sacerdotal spirituality 160 (Nr. 25). 66 Vgl. HÄUSSLING, Dokumente. 67 OR I, 88 (ANDRIEU, Ordines 2, 95).
3. Heiliger Mann
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misericordias tuas. et ad fidem deuotionemque eorum qui per me peccatorem tuam deprecantur misericordiam. et quia me indignum inter te et populum tuum medium fieri uoluisti fac me talem ut digne possim tuam exorare misericordiam pro me et pro eodem populo tuo. Domine adiunge uoces nostras uocibus sanctorum angelorum tuorum. ut sicut illi te laudant incessabiliter et infatigabiliter in aeterna beatitudine. ita nos quoque eorum interuentu te mereamur laudare inculpabiliter in hac peregrinatione. Per.68
Nicht mehr der Gesang des Sanctus verlangt die ganze Aufmerksamkeit des Bischofs, sondern das zitierte Gebet, das, etwa mit der Erwähnung der Stimmen der Engel, Gedanken des Sanctus aufgreift. Danach heißt es: „Dein cum summa reuerentia incipiat Te igitur,“ also das Eucharistiegebet.69 An der Schwelle zum Canon Romanus, dessen Abendmahlsbericht mit den Herrenworten als gefährliches Gebet gilt („oratio periculosa“),70 scheint es angebracht, dass der Priester sich noch einmal seiner Unwürdigkeit erinnert. Dies ist deshalb vonnöten, weil der Priester oder Bischof in seiner Funktion beim Vollzug des Canon Romanus Mittler zwischen Gott und den Menschen ist, also eine Funktion innehat, die die neutestamentliche Überlieferung noch Christus selbst vorbehalten hatte (etwa 1 Tim 2,5; Hebr 8,6 und 9,15). Die Bitte um ein würdiges Anrufen des göttlichen Erbarmens, die das Gebet ausdrückt, wird vor dem Hintergrund der Bedeutung des recht vollzogenen Kultes verstehbar. Er ist Voraussetzung dafür, dass Gott auf die Menschen hört. Der Priester in seiner Mittlerstellung zwischen Gott und den Menschen bedarf hierfür jener kultischen Reinheit, die seit dem Frühmittelalter immer mehr für das liturgische Tun bemüht wird.71 Erst so kann das stellvertretende Gebet und Opfer bei Gott wohlgefällig werden. Solche Vorstellungen prägen aber das liturgische Leben nicht nur seit dem Frühmittelalter, sondern dürften ebenfalls im Kontext der Kanonikerreform des 12. Jahrhunderts einige Bedeutung erlangt haben, weshalb Abt Konrad von Abdinghof das Bild Meinwerks in diesen Katego68 „Herr, Gott, der du nicht den Tod, sondern die Buße der Sünder wünschst, mich elenden und zerbrechlichen Sünder mögest du nicht von deiner Güte verstoßen, und du mögest nicht zu meinen Sünden und Freveln und meinen unreinen und schändlichen Gedanken hinschauen, mit denen ich mich jammervoll von deinem Willen getrennt habe, sondern zu deinen Barmherzigkeiten und zum Glauben und zur Hingabe derer, die durch mich Sünder deine Barmherzigkeit erbitten. Und weil du mich Unwürdigen als Mittler zwischen dich und deinem Volk haben wolltest, mache mich so, dass ich würdig deine Barmherzigkeit anrufen kann für mich und für ebendieses dein Volk. Herr, verbinde unsere Stimmen mit den Stimmen deiner heiligen Engel, damit, so wie jene dich ohne Unterlass und ohne Erschöpfung in ewiger Seligkeit loben, wir auf ihre Fürbitte dich unt adelig loben können in dieser Pilgerschaft:“ P IERCE, Sacerdotal spirituality 231–232 (Nr. 153). 69 „Nun beginnt er mit höchster Verehrung Te igitur…:“ P IERCE, Sacerdotal spirituality 233 (Nr. 155). 70 Vgl. KOTTJE, Oratio periculosa. 71 Vgl. zu diesem Kontext LUTTERBACH, Sexualität.
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III. „…hoc sacrificium Deo acceptabile”
rien zeichnet. Der bereits erwähnte Tragaltar des Domschatzes (um 1120) zeigt übrigens Bischof Meinwerk in den beschriebenen pontifikalen Gewändern, wie er gerade den Kelch erhebt.72 Flankiert wird die Darstellung durch das Zitat aus Psalm 115,13 (Vulgata): „Calicem salutaris accipiam et nomen domini invocabo.“ 73 Das Formular des Messordo aus Minden lässt diesen Vers den Bischof beten, bevor er aus dem Kelch kommuniziert.74 Damit bilden der Tragaltar und seine Ikonographie ein weiteres Indiz für die These, die Messliturgie Bischof Meinwerks, zumindest zur Abfassungszeit seiner Vita, sei jenem Messordo Rheinischen Typs gefolgt, wie er für Meinwerks Zeitgenossen Sigebert von Minden sicher dokumentiert ist. Eine andere Dimension der Messliturgie klang bereits an. Es ist die seit dem Frühmittelalter forcierte Indienstnahme der Messe für die Lebenden und Verstorbenen. Eine liturgiegeschichtlich recht späte Entwicklung fügte in das Eucharistiegebet, den Canon Romanus, die Bitte für die Verstorbenen ein. Und auch hierzu geben die Erzählungen der Vita Meinwerci über das Kräftemessen zwischen Bischof und Kaiser wieder interessante Hinweise. Denn der Kaiser versuchte, den Bischof zu necken, indem er im vom Bischof genutzten Missale in einer Oration für die Verstorbenen die Silben fa von famulis und famulabus ausradieren ließ – in Pergamentcodices durch Rasur nicht unschwer zu bewerkstelligen. Der Witz des kaiserlichen Auftrages liegt nun darin, dass durch die Streichung aus den Dienern und Dienerinnen Maulesel und Mauleselinnen (mulis, mulabus) werden, was den Kaiser – so der Bericht – herzlich erfreute.75 Doch dann enthält die Vita Meinwerci einen liturgiehistorisch bedeutenden Hinweis, denn der Bischof erkennt seinen Fehler und verbessert sich sogleich durch Wiederholung der Worte („sed errorem recognoscens repetitis verbis, quod male dixerat, correxit“).76 Auch dies entspricht ganz und gar mittelalterlicher Messfrömmigkeit. Es ist die durch das Frühmittelalter geprägte Liturgieauffassung eines rite et recte vollzogenen Kultes, der nur dann seine Wirkung nicht verfehlt, wenn er korrekt ausgeführt ist. 77 Einige Jahrhunderte vorher, am 1. Juli 746, konnte Papst Zacharias die Frage des Bonifatius, ob eine in falschem Latein gespendete Taufe dennoch gültig sei, noch positiv bescheiden, denn schließlich käme es auf den Sinn und nicht auf das La-
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Vgl. dazu B ALZER , Meinwerk 23. „Ich will den Kelch des Heils empfangen und anrufen den Namen des Herrn.“ 74 Vgl. P IERCE, Sacerdotal spirituality 247. 75 Vgl. B ALZER , Meinwerk 25. 76 V ITA MEINWERCI 186 (107 5–6 Tenckhoff). Vgl. zur Erzählung auch B ANNASCH, Bistum 151. 77 Vgl. zum Ganzen ANGENENDT, Libelli. 73
3. Heiliger Mann
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tein an.78 Dies ändert sich zunehmend, einhergehend mit den in der karolingischen Reform korrigierten liturgischen Büchern. Es ist die korrekt gesprochene Formel, die für das liturgische Leben der Kirche unverzichtbar ist, wenn der Kult dem Wohle des Reiches dienen soll. Nun überliefert die Vita Meinwerci leider nicht den gesamten Text der vom Kaiser abgeänderten Oration. Doch sucht man in der gregorianischen Sakramentartradition nach einem zu den Angaben der Vita passenden Beispiel, wird man bei der Oratio collecta aus dem Messformular für das Heil der Lebenden oder zum Gedächtnis der Toten („Missa pro salute uiuorum uel in agenda mortuorum“) fündig. Ihr Text lautet: Sanctorum tuorum intercessionibus quesumus domine et nos protege et famulis et famulabus tuis quorum commemorationem agimus, uel quorum elemosinas recepimus, seu etiam his qui nobis familiaritate iuncti sunt, misericordiam tuam ubique praetende, ut ab omnibus inpugnattionibus defensi, tua opitulante saluentur, et animas famulorum famularumque tuarum, omnium uidelicet fidelium catholicorum orthodoxorum quorum commemorationem agimus, et quorum corpora in hoc monasterio requiescunt, uel quorum nomina ante sanctum altare tuum scripta adesse uidentur, electorum tuorum iungere digneris consortio. Per. 79
Auch wenn Meinwerks Biograph ein anderes Gebet vor Augen gestanden haben mag, so zeigt die zitierte Oration zentrale Gedankengänge mittelalterlicher Messfrömmigkeit auf, wie sie in jedem Falle dem liturgischen Tun zur Zeit Meinwerks zugrunde lagen. Der Priester tritt stellvertretend für die ihm Verbundenen in vielen Gebetsanliegen an den Altar. Er gedenkt derer, die ihn mit Gaben unterstützen, derer, die im Monasterium begraben sind oder deren Namen vor dem Altar niedergeschrieben sind. 78
„Retulerunt quippe, quod fuerit in eadem provincia sacerdos, qui Latinam linguam penitus ignorabat et, dum baptizaret, nesciens Latini eloquii infringens linguam diceret: Baptizo te in nomine patria et filia et spiritus sancti. Ac per hoc tua reverenda fraternitas consideravit baptizare. Sed, sanctissime frater, si ille, qui baptizavit, non errorem intr oducens aut heresim, sed pro sola ignorantia Romae locutionis infringendo linguam, ut supra fati sumus, baptizans dixisset, non possumus consentire, ut denuo baptizentur; quia, quod tua bene compertum habet sancta fraternitas, quicumque baptizatus fuerit ab hereticis in nomine patris et filii et spiritus sancti, nullo modo rebaptizari debeatur, sed per sola manus impositione purgari debeatur:“ Brief des Papstes Zacharias vom 1.7.746, Nr. 68, in: BONIFATII EPISTULAE 210–213, hier 210. 79 „Wir bitten dich, Herr, auf die Fürsprache deiner Heiligen, dass du uns schützen mögest, dass du deinen Dienern und Dienerinnen, deren Gedächtnis wir begehen oder deren Wohltaten wir empfangen haben oder auch denen, die uns durch Freundschaft verbunden sind, deine Barmherzigkeit überall vorhalten mögest, dass sie, vor allen Anfei ndungen geschützt, durch deine Hilfe geheilt werden mögen, dass du die Seelen deiner Diener und Dienerinnen, ja aller katholischen Rechtgläubigen, deren Gedächtnis wir feiern und deren Leiber in dieser Kirche ruhen oder deren Namen – vor dem heiligen Altar aufgeschrieben – gegenwärtig sind, das Los deiner Erwählten zuteil werden lassen mögest:“ DESHUSSES, Le sacramentaire 1, 471–472 (Nr. 1448).
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III. „…hoc sacrificium Deo acceptabile”
Auch dies ist geradezu wörtlich zu nehmen, denn es geht hier um das Gedächtnis der Lebenden und der Verstorbenen, das der Canon Romanus vor beziehungsweise nach dem Einsetzungsbericht kennt. Dieses Gedächtnis bediente sich in der Frühzeit sogenannter Diptychen, also kleiner Tafeln, auf denen die zu verlesenden Namen verzeichnet waren. 80 Mittels der Nennung und der Tafeln selbst sind die Wohltäter wie die Verstorbenen bei der Liturgie präsent. Mit solch räumlicher Präsenz am Altar aber klingt eine weitere Facette mittelalterlicher Frömmigkeit an, nämlich die Bedeutung des heiligen Ortes.
4. Heiliger Ort: Stationsliturgie als das typisch Römische mittelalterlichen Gottesdienstes einer Bischofsstadt 4. Heiliger Ort
Wurde soeben auf die Bedeutung der heiligen Formel für mittelalterliche Messfrömmigkeit hingewiesen, so müssen diese Überlegungen um solche zur Bedeutung des heiligen Ortes ergänzt werden. Es bildet sich im Gefüge einer Stadt oder eines Klosters eine Fülle sakraler Orte aus. Diese verschiedenen „heiligen Orte“ einer Stadtkirche oder eines Monasteriums verlangen indes nach einem integrierenden theologischen System. Die Ortskirchen organisieren sich seit dem Frühmittelalter immer mehr unter der Leitung des Bischofs in Form einer Kirchenfamilie.81 Die eine Liturgie zeitigt sich an verschiedenen Orten und bindet verschiedene Kirchenbauten in ein Liturgiesystem ein, das Stationskirchensystem. Es ist die Form der Stationsliturgie, die man seit dem Frühmittelalter als das typische Kennzeichen der Liturgie Roms ansah. Der Papst feiert den Gottesdienst nach einem bestimmten System in den einzelnen Stationskirchen und stellt so – an unterschiedlichen Orten und zu verschiedenen Zeiten – die eine Liturgie Roms her. Angelus Albert Häussling hat in seiner Studie über die Klosterliturgie diese für das Frühmittelalter und seine Liturgie typische Tendenz beschrieben: Man bemühte sich, die römische Liturgie in den nun entstehenden Klosterstädten oder Basilika-Klöstern zu kopieren, und als das typisch Römische kopierte man die Stationsliturgie.82 Dies galt auf der Ebene einer Stadt: Die vielen Kirchenbauten wurden durch die an bestimmten Tagen vom gesamten Stadtklerus in ihnen vollzogene Liturgie in eine ideelle Einheit gebracht. Man legte dieses Prinzip aber auch für den einzelnen 80
Vgl. dazu immer noch JUNGMANN, MS 2, 199–213; 295–308. Vgl. hier immer noch HÄUSSLING, Mönchskonvent 202–207. – Die Forschungen zur Stationsliturgie etwa Kölns haben in den letzten Jahren auch die Epoche des 11. und 12. Jahrhunderts neu in den Blick genommen. Vgl. etwa ODENTHAL, Stephanusfest, in diesem Band 103–124. 82 Vgl. HÄUSSLING, Mönchskonvent 181–198. 81
4. Heiliger Ort
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Kirchenraum zugrunde, der unter einem Dach nun verschiedene Heiligtümer, nämlich eine Vielzahl von Altären beherbergte, gemäß eines zugrundeliegenden theologischen Konzeptes.83 Dies trug mit zu einer Häufung von einzelnen Messfeiern an den vielen Altären bei. Denn der Altar als heiliger Ort sollte durch die tägliche Messzelebration geehrt werden. Das Entscheidende ist, dass man die einzelne Feier in ein das Gesamte durchdringendes Liturgiesystem zu integrieren vermochte. Häussling wehrt zu Recht der neuzeitlich geprägten Vorstellung, als seien die einzelnen Messfeiern der Priester in einem Kirchenraum rein subjektiv begründet gewesen und nur auf die Frömmigkeit des einzelnen Priesters hin ausgerichtet. Diese Tendenz trifft vielleicht erst das Hoch-, sicher das Spätmittelalter: Der integrierende Gesamtkontext eines liturgischen Systems ist hier verloren gegangen. Der ursprüngliche Sinn aber war ein anderer: Die vielen Einzelmessen sind theologisch von den einzelnen Altären, ihren Reliquiengräbern und ihren Patrozinien her begründet. Diese Vielzahl an heiligen Orten ist auf der Makroebene der Stadt und auf der Mikroebene einer Konventoder Kapitelskirche unbedingt notwendig. Wenn Häussling als geistige Geburtsstätte solcher Adaptation römischer Stationsliturgie die Pfalzkapelle in Aachen mit ihrem Gottesdienst annimmt, so darf man vermuten, dass man auch in Paderborn bemüht war, in Bau und Ausstattung des Domes und der anderen Kirchen samt der darin gefeierten Liturgie dem Rang anderer Orte nicht nachzustehen, zumal dem Bischof Meinwerk ja die Aachener Kapelle von seiner Zeit als königlicher Kapellan her vertraut war. Franz Kohlschein hat in diesem Kontext darauf hingewiesen, dass die Gründung des Klosters Abdinghof wie des Busdorfstiftes nicht zuletzt liturgischen Zwecken diente, nämlich die romtopographisch forcierte Stationsliturgie umsetzen zu können. 84 Die eine Liturgie, die sich an verschiedenen Orten ausdifferenziert, bedarf der einzelnen Heiligtümer samt ihrer Reliquiengräber, wie es in Rom mit den Märtyrerbasiliken möglich und üblich ist. Von hierher wird es verständlich, wenn Bischof Meinwerk sich wie viele Bischöfe des 11. Jahrhunderts um den Ausbau der Sakraltopographie der Stadt bemüht.85 Nach Aussage seiner Vita bittet er anlässlich der Romreise mit Kaiser Heinrich II. im Jahre 1014 Papst Benedikt VIII. (1012–1024) um Reliquien.86 Denn sie erst ermöglichen die „Herstellung” heiliger Orte in Paderborn, die wiederum Voraussetzung der Stationslitur83
Vgl. hier immer noch B ANDMANN, Altaranordnung; neben anderen neueren Darstellungen auch HÄUSSLING, Liturgie. 84 Vgl. KOHLSCHEIN, Liber Ordinarius 5, Anm. 19. – Vgl. hierfür Paderborn den Überblick bei GAI, DOBRINSKI, KOSCH, SPIONG, KROKER, Siedlungsentwicklung. 85 Vgl. insgesamt HAVERKAMP, Heilige Städte; HIRSCHMANN, Stadtplanung, indes ohne eigenen Abschnitt zu Paderborn. 86 Vgl. B ANNASCH, Bistum 174. Zu Reliquienerwerbungen im Jahre 1027 in Aquileia vgl. ebd. 200; 235.
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III. „…hoc sacrificium Deo acceptabile”
gie sind. Die Vita Meinwerci berichtet wie folgt über die Reaktion des Papstes auf Meinwerks Bitte: Denique desiderium eius de reliquiis sanctorum ad constructionem monasteriorum aud iens tercium dimidium corpus septem fratrum, filiorum sanctę Felicitatis, qui sub Antonino imperatore passi sunt, Philippi videlicet, Iuvenalis et Felicis, et craneum sancti Blasii, qui sub Licinio anno dominicae incarnationis CCCXXII. gloriosa passione migravit ad celos, brachium quoque sancti Miniatis, qui sub Diocletiano VIII. kal. Nov. passus est, cum aliorum plurimorum sanctorum reliquiis ei tribuit et privilegium de bonis ecclesię suę concessis vel concedendis apostolica auctoritate contulit. 87
Die Formulierung „ad constructionem monasteriorum,“ für die Gründung von Klöstern, ist wörtlich zu nehmen: Der Besitz von Reliquien ist die Ursache, einen Ort des Gottesdienstes zu schaffen. Angelus Häussling hat anhand der Messedekrete Gregors III. bereits für das Jahr 732 nachweisen können, dass der Reliquienbesitz von Alt-St. Peter den Grund für neue Kapellen und dort gefeierte Offiziums- und Messliturgie bot: Nicht mehr die Notwendigkeiten der christlichen Ortsgemeinde bildeten den Anlass für die Eucharistiefeier, sondern der qua Reliquienbesitz heilige Ort verlangte es, durch die womöglich tägliche Messfeier geehrt zu werden.88 Es passt in die Zeit: Auch für Köln und seine sakrale Stadttopographie ist das 11. Jahrhundert eine prägende Epoche. Der ebenfalls in der Vita Meinwerci öfters genannte Kölner Erzbischof Pilgrim (1021–1036)89 sorgte sich um einen romtopographisch orientierten Ausbau bereits bestehender heiliger Orte Kölns.90 Die Vita Meinwerci berichtet in Kapitel 216 und 217 zudem darüber, der Bischof habe Mönche nach Jerusalem geschickt, um die architektonischen Maße und Besonderheiten des Heiligen Grabes zu erforschen. Diese sollten als topographischer Orientierungspunkt für den Ausbau der Busdorfkirche dienen, die dem Heiligen Grab in Jerusalem nachempfunden werden sollte.91 Ähnliche Bauten gibt es in Fulda (Michaelskirche) und 87 VITA MEINWERCI 24 (2936–30 6 Tenckhoff). „Als der Papst nun gar Meinwerks Wunsch nach Heiligenreliquien für die Gründung von Klöstern vernahm, schenkte er ihm mit Reliquien sehr vieler anderer Heiliger drei Körperhälften der Sieben Brüder, der Söhne der hl. Felizitas, die unter Kaiser Antoninus gelitten haben, nämlich die des Ph ilippus, des Juvenal und des Felix; dann den Schädel des hl. Blasius, der unter Licinius im Jahre 322 der Menschwerdung des Herrn durch sein ruhmvolles Leiden in den Himmel übergegangen ist; ferner einen Arm des hl. Minias, der unter Diokletian an einem 25. Oktober gelitten hat. Mit apostolischer Vollmacht verlieh der Papst Meinwerk einen Schutzbrief über die seiner Kirche überlassenen oder noch zu überlassenden Güter“ (TERSTESSE, Leben 47). 88 Vgl. dazu HÄUSSLING, Mönchskonvent 288–297. 89 So in der VITA MEINWERCI 167 (92 10 Tenckhoff); 172 (96 1 Tenckhoff); 192 (110 11 Tenckhoff); 201 (116 22 Tenckhoff). – Zur engen Verbindung von Meinwerk und Pilgrim vgl. etwa B ANNASCH, Bistum 184, 189 u.ö. 90 Vgl. hier ODENTHAL, STRACKE , Stationsliturgie. 91 Vgl. B ANNASCH, Bistum 210.
4. Heiliger Ort
71
anderswo. Es ist das seit der Spätantike anwachsende Bedürfnis nach authentischer Liturgie am authentischen Ort. Deshalb besorgte man für die Ratgarbasilika in Fulda die Maße von Alt-St. Peter in Rom.92 Bereits die erwähnten Reliquientranslationen von Rom nach Paderborn schufen „authentische“ Märtyrergräber. Neben diese Romzitate tritt mit der Busdorfkirche jetzt das Zitat Jerusalems.93 Dies wird umso mehr deutlich, wenn die Vita Meinwerci in Kapitel 218 erläutert, Meinwerk habe noch Kirchenanlagen im Süden und Norden der Stadt geplant, um mit der Abdinghofabtei und dem Busdorfstift die Form eines Kreuzes zu erhalten. 94 Das Kreuz nun sollte die Stadt vor allem Unheil schützen. Ob man einen solchen Plan bereits Meinwerk selbst unterstellen darf, bleibt fraglich. Aber wie auch immer: Die Vita interpretiert solches Vorgehen als Liebesbeweise Meinwerks an seine Stadt Paderborn.95 Es sind dies typische Bestrebungen des 11. und 12. Jahrhunderts, eine Sakraltopographie auf der Makroebene einer Stadt ebenso aufzubauen wie auf der Mikroebene eines einzelnen Kirchenraumes. 96 Ist es im Kirchenraum der Kreuzaltar, der als einer der zentralen Altäre etwa in der Heiligen Woche von großer Bedeutung ist, so auf der Makroebene einer Stadt die vielen Kirchenbauten in Form eines Kirchenkreuzes oder (wie in Köln) Kirchenkranzes. Sie werden an besonderen Tagen liturgisch besucht und somit samt den dortigen Reliquien oder Altarpatrozinien geehrt. Und deshalb ist es auch nicht nebensächlich, das Datum der Kirchweihe der Busdorfkirche zu erwähnen: Es ist der 25. Mai 1036.97 Das Besondere an diesem Datum aber ist, dass dies, wie die Vita zwei Kapitel später und beinahe beiläufig erwähnt, zwei Tage vor Christi Himmelfahrt ist, also am Dienstag der Bittwoche, liturgisch wie der vorausgehende Montag und nachfolgende Mittwoch ausgezeichnet durch eine der drei kleinen Bittprozessionen (letaniae minores). Der Liber Ordinarius des Paderborner Domes von 1324 bezeugt zwar die Stationsliturgie auch an den Bitttagen vor Christi Himmelfahrt.98 Doch leider nennt er nicht die einzelnen Stationskirchen. Es wäre nun weiter zu prüfen, ob die Busdorfkirche am Bittdienstag Stationskirche in Paderborn gewesen ist. Eine noch ausstehende Rekonstruktion des Paderborner Stationskirchensystems hätte hierzu einmal den Ordinarius der Busdorfkirche selbst 92
Vgl. J ACOBSEN, Abteikirche. Vgl. für die Frühzeit Roms im Vergleich mit Konstantinopel und Jerusalem B ALDOVIN, The Urban Character. 94 Vgl. MIETKE, Bautätigkeit 217–222; B ANNASCH, Bistum 245; auch MEKKING, Een kruis 36–40. 95 „dilectionis indicia,“ VITA MEINWERCI 218 (131 27 Tenckhoff). 96 Vgl. hier insgesamt DE B LAAUW, Contrasts. 97 Vgl. VITA MEINWERCI 217 (129–131 Tenckhoff). 98 Vgl. KOHLSCHEIN, Liber Ordinarius 202. 93
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III. „…hoc sacrificium Deo acceptabile”
von 1480,99 sodann den Processionarius ecclesiae Paderbornensis100 mit einzubeziehen. Es ist durchaus denkbar, Meinwerk habe bewusst Zusammenhänge der Stationsliturgie mit den entsprechenden von ihm begründeten Kirchenbauten eingerichtet. Die Beiläufigkeit der Nennung in der Vita allerdings kann den Verdacht nahelegen, bereits gut ein Jahrhundert später habe man um jene Zusammenhänge nicht mehr gewusst. Wenn dem aber so ist, so liegt ein Beispiel vor, in welch minutiöser Planung Meinwerk oder seine Nachfolger eine Sakraltopographie für Paderborn errichten wollten, die Hand in Hand geht mit den liturgischen Handlungen wie den Bittprozessionen. Man wird nicht fehlgehen, Meinwerk als einen der Architekten der Paderborner Stationsliturgie anzusehen, und hierzu passt dann auch die Erhebung seiner Gebeine am 25. April 1376. 101 Denn dies ist der Markustag, also jener Tag, der in der liturgischen Tradition durch die letania maior, also die große Bittprozession als Teil der Stationsliturgie, ausgezeichnet ist. Am Rande sei noch erwähnt, dass Meinwerk, hier ebenfalls auf der Höhe seiner Zeit, die benediktinische Gründung zu Abdinghof mit einem Kanonikerstift, dem Busdorfstift, ergänzt, also jenes Modells kommunitären Zusammenlebens von Weltklerikern wählt, das sich seit dem Frühmittelalter als Alternative zum benediktinischen Mönchtum ausbildet. Solche Monastisierung des Klerus prägt auch die Domkapitel, so das von Paderborn, dessen vornehmste Aufgabe im Gottesdienst besteht. 102 Die Vita Meinwerci lässt nun Meinwerk als den großen Architekten des Kirchensystems Paderborn erscheinen. Bezüglich des Stationskirchenwesens wird es wohl ähnlich sein wie in Köln: Wer der genaue Architekt war, bleibt letztlich offen. Man hat dort von vielen Händen auszugehen, die ein komplexes System von Stadtliturgie schufen. Ähnliches wird man von Paderborn vermuten dürfen. Sicherlich hat ebenfalls Meinwerks Neffe Imad (1051–1076) hohen Anteil an der Ausprägung Paderborns.103 Doch tut eine solche Annahme dem Ansehen und der Bedeutung Meinwerks keinen Abbruch.
99
Trier, Bistumsarchiv Abt. 95, Nr. 587. Dazu KOHLSCHEIN, Liber Ordinarius XIII. Paderborn, Archiv des Generalvikariats, Band rot XIX fol. 69–87. Dazu KOHLSCHEIN, Liber Ordinarius 12. 101 Vgl. B ALZER , Meinwerk 27. 102 Vgl. KOHLSCHEIN, Liber Ordinarius 2. 103 Vgl. KOSCH, Paderborns mittelalterliche Kirchen 15–16. 100
5. Zusammenfassung
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5. Zusammenfassung: Meinwerk als typischer bischöflicher Liturge des 11. Jahrhunderts 5. Zusammenfassung
Die Ausführungen gaben einen Einblick in das liturgische Leben des Mittelalters, wenngleich im Hinblick auf Bischof Meinwerk und die Paderborner Ortskirche viele Fragen ungelöst sind. So muss zum einen offen bleiben, inwieweit die Zeugnisse der Vita Meinwerci die Situation zu Lebzeiten Meinwerks authentisch widerspiegeln. Zum andern fehlen Codices für die Paderborner Liturgie dieser Epoche. Doch konnten gute Gründe gesammelt werden, den Grundtenor der liturgischen Schilderungen der Vita Meinwerci aus dem 12. Jahrhundert aufgrund der Vergleiche etwa mit Minden auch bereits für die bischöfliche Liturgie des 11. Jahrhunderts gelten zu lassen und zugleich fehlende Paderborner Zeugnisse durch andernorts vorhandene Quellen zu ersetzen. Denn die vielen Einflüsse und die Verwobenheit in die umliegenden Diözesen lassen kaum einen anderen Schluss zu als den, die Liturgie Paderborns habe sich kaum von der anderer Bistümer derselben Epoche unterschieden. So gesehen entpuppt sich Meinwerk in liturgischen Fragen als ein Bischof auf der Höhe der Zeit, vergleichbar seinem Kölner Amtskollegen Pilgrim.104 Meinwerk ist eingebunden in die Verstehenskontexte gottesdienstlichen Tuns, wie sie sich seit dem Frühmittelalter finden. Die Messe als Bußwerk, das Opferhandeln der Priester für Lebende und Verstorbene, die Gebetsverbrüderungen der Klöster, die Stationsliturgie mit einer städtischen Sakraltopographie als Kennzeichen typisch römischer Liturgie, all dies sind die sich seit dem Frühmittelalter ausbildenden Akzentsetzungen mittelalterlicher Liturgie. Zugleich zeigt sich, in welch starkem Maße die Lebensgeschichte des Meinwerk in der Aussageabsicht des Autors des 12. Jahrhunderts liturgisch eingebunden ist. Die bischöfliche Liturgie wird als der Dienst verstanden, der dem Reich zugutekommt und deshalb stets in der Nähe zum Herrscherhaus gesehen werden muss. Bei den Überlegungen wurde indes ebenso deutlich, in welchem Maße die Liturgie gerade des 11. Jahrhunderts weiter zu erforschen wäre, um die sakraltopographische, theologische wie frömmigkeitsgeschichtliche Bedeutung dieser Epoche adäquat würdigen zu können.105
104
REUTER, Property transactions 183, spricht von Meinwerk „as an up-to-date and economically aware prelate.“ 105 Vgl. dazu P ALAZZO, Rom.
IV. Die Liturgie des Gründonnerstags, Karfreitags und Karsamstags im Halberstädter Dom. Textzeugnisse des ältesten Ordinarius (um 1300) * IV. Die Liturgie des Gründonnerstags
1. Zur liturgischen Tradition Halberstadts und ihrer Erforschung 1. Zur liturgischen Tradition Halberstadts
Die liturgische Tradition der Halberstädter Ortskirche fand bisher nur selten das Interesse der Liturgiewissenschaft. Viele Quellen, die über das liturgische Leben des Mittelalters in und um den Dom berichten, sind bisher noch nicht bearbeitet. 1 Dabei verdienten sie insofern Beachtung, als im interdisziplinären Dialog mit der Kunstgeschichte wertvolle Bezüge zur in seltener Geschlossenheit erhaltenen mittelalterlichen Ausstattung und Schatzkunst des Domstiftes hergestellt werden könnten. Als Gründung der Liudgeriden mit dem ersten Bischof Hildigrim († 827), einem Bruder Liudgers, bestand in der Frühzeit eine enge Beziehung zur Benediktinerabtei Essen-Werden, wo die ersten Bischöfe von Halberstadt auch beigesetzt sind.2 Inwieweit die Benediktiner Werdens Halberstadt in der Frühzeit liturgisch beeinflussten, wäre zu prüfen, sofern dies
* Zuerst erschienen in: ALw 43/44 (2001/2002), 22–46. 1 Das Interesse galt hauptsächlich den Osterfeiern um das Heilige Grab anhand von Antiphonarien des Domschatzes aus dem 15. Jahrhundert; vgl. LIPPHARDT, Osterfeiern 3,950–957. Vgl. ferner LIPPHARDT, Marienklage 198, den Verweis auf Halberstadt. Bezüglich des Karls-Offiziums sind Halberstädter Quellen ausgewertet bei FOLZ, Étude 25– 26. Ferner erwähnt Halberstädter Bräuche um das liturgische Totengedenken KROOS, Grabbräuche 294, 298, 317, 324 und 341. Ein Rekurs auf die Liturgie erfolgt auch bei F ITZ, Farbverglasung. Vgl. jüngst auch CARMASSI, Spur. 2 Vgl. hierzu RÖCKELEIN, Halberstadt. Vgl. auch LEOPOLD, Halberstädter Dom; Leopold weist für diesen Gründungsbau eine große Taufanlage in der Mitte der Kirche nach, die der Aufgabe der Heidenmission angemessen erschien. Das ursprüngliche Patrozinium des Domes, St. Stephanus und Salvator (RÖCKELEIN, Halberstadt 67) wandelt sich über den Ausbau des Westwerks nach Werdener Vorbild mit einem Altar des hl. Sixtus (LEOPOLD, Halberstädter Dom 302) in das Doppelpatrozinium St. Stephanus und Sixtus. Zur Herkunft des Stephanustitels aus Châlons-sur-Marne vgl. RÖCKELEIN, Halberstadt 66. Vgl. auch AVERKORN, Bischöfe 2–4.
1. Zur liturgischen Tradition Halberstadts
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die Quellen noch zulassen. 3 Es wäre auch zu fragen, inwieweit Halberstadt im Lauf des Mittelalters eigenständige liturgische Traditionen ausbildete. Hier wären gedruckte liturgische Bücher, so ein „Missale Halberstadense“ von 1511 im Domarchiv 4 und ein mehrfach erhaltenes Brevier von 1515, auszuwerten.5 Die hier zugänglich gemachte Quelle eines Ordinarius für das Triduum Sacrum kann in diesem Zusammenhang nur einen ersten Beitrag zur Liturgiegeschichte Halberstadts leisten. Die gottesdienstliche Tradition des Halberstädter Domes hält – nach dem Mittelalter – ein zweites interessantes Kapitel bereit. Denn mit der Einführung der Reformation im späten 16. Jahrhundert erfuhr die Liturgie der Halberstädter Domkirche manche Umgestaltung. Die Reformation des Domstifts und des Domkapitels im späten 16. Jahrhundert vollzog sich in einem hochkomplexen Prozess, der hier nur durch wenige Eckdaten kurz umrissen werden kann.6 Sigismund von Brandenburg, Erzbischof von Magdeburg, führte als Bischof von Halberstadt (1553–1566) offiziell die Reformation durch eine 1561 beschlossene Visitation ein, die 1564 beginnt. 7 Durch seinen Tod gerät dieser Prozess jedoch ins Stocken. So konnte erst sein Nachfolger Heinrich Julius von Braunschweig (Bischof von 1566–1613) die Gedanken 3
Immerhin zeigt die Verehrung Liudgers in Halberstadt einen gewissen Einfluss; vgl. dazu RÖCKELEIN, Halberstadt 68. Mögliche Abhängigkeiten ließen sich zunächst durch eine eingehende Untersuchung der Liturgie Werdens klären, insbesondere des „Modus de Cursibus Horarum in Choro Monasterii Werdinensis“ aus dem 14. Jahrhundert, heute aufbewahrt im Stadt- und Kreisarchiv Düren, Hs. 6. Ob hier noch ältere Bräuche auszumachen sind, die die Liturgie in Halberstadt beeinflussten, scheint aber fraglich. Zum „Modus de Cursibus“ vgl. den Katalogtext in: GERCHOW, Jahrtausend 320. 4 Inv.-Nr. BK, R VI, Nr. 488. Vgl. zu diesem Missale WEALE, B OHATTA, Bibliographia Liturgica 74, Nr. 419; AMIET, Missels 32 Nr. 419. Die bei WEALE, B OHATTA, Bibliographia Liturgica unter Nr. 417 und 418 aufgeführten Missalien (1490 und ca. 1500) sowie das gemeinsam mit Magdeburg edierte Missale von 1486 (ebd. 100 Nr. 570) wären in diesem Zusammenhang noch genauer zu untersuchen. 5 Im Domarchiv Inv.-Nr. BK, T VIII, Nr. 515b. Vgl. LIPPHARDT, Osterfeiern 3,956– 957. Vgl. zu diesem Brevierdruck B OHATTA, Bibliographie 204–205 Nr. 2259, Exemplar in Berlin, Staatsbibliothek, PK VD 16: B 8148. Das von Bohatta erwähnte Exemplar Nr. 2260 ist damit identisch. Es wäre zu prüfen, ob auch die Nr. 2257 und 2258 tatsächlich einen eigenen Druck darstellen. Ich danke Angelus A. Häussling für klärende Hinweise auf die Halberstädter Breviere. 6 Vgl. zur Einführung der Reformation in Halberstadt NEBE, Kirchenvisitationen; dieses Werk beschreibt hauptsächlich die Situation der Landgemeinden. Vgl. LANGENBECK, Geschichte. Vgl. SEHLING, Kirchenordnungen II, 2, 463–472. Zu den die Reformation überdauernden klösterlichen Einrichtungen vgl. SCHRADER , Reformation. Vgl. SCHRADER , Ringen. Vgl. AVERKORN , Bischöfe 72–79. Vgl. auch LOGEMANN , Grundzüge 128– 138. 7 Vgl. zu dieser Visitation etwa LANGENBECK, Geschichte 38–42. Zur Epoche unter Bischof Sigismund vgl. SCHRADER , Ringen 33–37.
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IV. Die Liturgie des Gründonnerstags
der Reformation auch im Domstift durchsetzen. Vor allem durch seine Rede vom 23. Februar 1591 versuchte er, das Domkapitel für die Gedanken der Reformation zu gewinnen. 8 Dies gelang ihm jedoch nur zum Teil. Zwar fand die erste evangelische Predigt im Dom am 21. September 1591 statt,9 doch blieben einige Domherren katholisch. Das Domkapitel insgesamt war damit gemischt konfessionell. Für das Jahr 1593 können sieben lutherische, ein calvinistischer und vier katholische Canonici cathedralis ausgemacht werden, dazu fünf katholische Canonici iuniores nondum capitulares, sieben Vicarii maiores und siebzehn katholische Vicarii minores. 10 Die Konfessionsverhältnisse wechselten allerdings noch mehrfach. Im Zuge der Gegenreformation wurde der Dom sogar vorübergehend rekatholisiert.11 Am 21. Dezember 1629 weihte der Bischof von Osnabrück den Dom neu. Dabei überließ man es in Erinnerung an die ersten Bischöfe Halberstadts dem Abt von Werden, am Hochaltar das Pontifikalamt zu zelebrieren.12 Im Westfälischen Frieden 1648 wurde das Jahr 1624 als Normaljahr festgesetzt, das über die Verteilung der konfessionellen Besitzstände entscheiden sollte. 13 Diese Verteilung der Konfessionen im Halberstädter Domkapitel galt bis zur Auflösung des Kapitels 1810: Neben zwölf lutherischen Kapitularen standen vier katholische, hinzu kamen 36 Vikarien, davon wiederum vier katholischen Bekenntnisses. 14 Das gemischt konfessionelle Kapitel war Träger des Domstiftes und seines Gottesdienstes. Viele liturgische Bräuche aus vorreformatorischer Zeit blieben weiterhin in Geltung. 15 Einige Seitenkapellen dienten den ka8 In dieser Rede prangert er vor allem einige liturgische Bräuche als Missstände an, so etwa das Adamsspiel (s. unten Abschnitt 3.1.1.). Eine Inhaltsangabe dieser Rede findet sich bei LANGENBECK, Geschichte 74–75. Zur Epoche unter Heinrich Julius vgl. SCHRADER , Ringen 46–54. 9 Vgl. SEHLING, Kirchenordnungen II, 2, 466. Vgl. STREITHORST, Kurze Geschichte. Ein Exemplar ist im Besitz der Bibliothek des Gleimhauses, Halberstadt. 10 Vgl. LANGENBECK, Geschichte 121 Anm. 3. 11 Zu den Vorgängen während der Gegenreformation und ihrem Ende vgl. SCHRADER, Ringen 56–73. Vgl. hierzu auch ELIS, Dom 38–41. 12 Vgl. RÖCKELEIN, Halberstadt 68. 13 Vgl. NOTTARP, Communicatio 108; zu Halberstadt ebd. 114.120–123, mit einigen Hinweisen zur Liturgie. 14 Vgl. FRANTZ, Geschichte 277. 15 Es verwundert die Existenz barocker Kaseln und Messzubehör samt Weihrauchgefäßen aus dem 18. Jahrhundert im Domschatz. Es kann davon ausgegangen werden, dass sie einmal dem Gottesdienst der verbliebenen katholischen Domkapitulare dienten, sodann aber auch dem evangelischen Gottesdienst. Vgl. zum Phänomen der Beibehaltung katholischer Bräuche ZEEDEN, Überlieferungen. Speziell zur Beibehaltung der Messgewänder vgl. P IEPKORN, Gewänder. Vgl. auch KRANEMANN, Vestments. Grundlegend immer noch GRAFF, Geschichte 30.107 u.ö. Verweise auf Halberstadt. Aus Magdeburg wird ebenfalls über die Beibehaltung vorreformatorischer liturgischer Bräuche bis ins 18. Jahrhundert berichtet. Vgl. FISCHER , Ordnung.
1. Zur liturgischen Tradition Halberstadts
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tholischen Domherren sogar für die Feier der Messe, wodurch sich die Präsenz eines nachtridentinischen Missale Romanum (1625) im Domarchiv erklären lässt.16 Von besonderer Bedeutung ist, dass man die gemeinsame Stundenliturgie beibehält, die nun so umgestaltet werden musste, dass alle Konfessionen an ihr teilnehmen konnten. Den nachreformatorischen Gottesdienst haben bisher schon einzelne Untersuchungen in den Blick genommen. Es lassen sich drei Gottesdienstformen unterscheiden: Zunächst findet im Langhaus des Domes evangelischer Predigtgottesdienst statt. Die Geschichte seiner Einführung ist bereits untersucht worden.17 Zugleich bleibt die Stundenliturgie des Kapitels im Hohen Chor erhalten, wie eine „Ordinatio cultus divini“ von 1591 belegt. 18 Sie dürfte ein Dokument dafür sein, dass das Brevier auf der Grundlage der Confessio Augustana überarbeitet und an die Bedingungen des nunmehr gemischt konfessionellen Domkapitels angepasst wurde. 19 Eine nähere liturgiewissenschaftliche Untersuchung steht noch aus. Eine Sonderrolle kommt dem Abendmahls- und Predigtgottesdienst für das Domkapitel im Hohen Chor zu, der wohl die Funktion der Kapitelsmesse übernahm. Ein Formular hiervon hat sich in den Akten des Klosters „Unserer Lieben Frau“ erhalten und ist bereits ediert, wenngleich liturgiewissenschaftlich noch nicht genügend gewürdigt worden. 20 Mit diesen wenigen Hinweisen wird deutlich, wie sehr auch die Liturgiegeschichte des Domes seit Einführung der Reformation ein Forschungsdesiderat ist. Da die Reformation nicht mit einem Mal in das Domstift Einzug hielt und nicht von allen Domgeistlichen mitgetragen wurde, blieb in Halberstadt der Bildersturm aus, so dass sich Domarchiv, Domausstattung und Domeinrichtung fast lückenlos bis in unser Jahrhundert erhalten haben. Erst mit der Auflösung des Domkapitels 1810 erfolgte ein wesentlicher Einbruch in der kulturellen und gottesdienstlichen Tradition des Halber16
Inv.-Nr.des Missale: BK, T II, Nr. 490. Ein Hinweis auf die Nutzung etwa der Stephanuskapelle für die Messe der katholischen Domherren findet sich bei ELIS, Dom 105. 17 Vgl. hierzu STREITHORST, Kurze Geschichte. 18 Staatsarchiv Magdeburg, Signatur Rep. U 5 XII, Nr. 72a. Eine zweite Fassung findet sich ebd. Rep. A 14, Nr. 63. Eine dritte, von den ersten beiden abweichende Teilfa ssung ebd. Rep. A 14, Nr. 1054. Vgl. auch den XI. Beitrag in diesem Band 283–312. 19 Vgl. hierzu insgesamt ODENTHAL, Ordinatio. Die „Ordinatio cultus divini“ von 1591, die die Stundenliturgie regelt, fußt auf der Brevierausgabe von 1515. Sie bildet auch die Grundlage des letzten Brevierdrucks des gemischt konfessionellen Domkapitels von 1792. Vgl. zu diesem Druck B OHATTA, Bibliographie 205 Nr. 2261/2262 (nur eine Ausgabe, 1792). Ich danke Angelus A. Häussling für die freundlichen Hinweise auf diese Brevierausgabe. 20 „Verzeichnis wegen des Ghottesdienstes im Domstifft, sicher anno 1591“ (Landeshauptarchiv Magdeburg, Rep. A 12 Spezialia Halberstadt Nr. 176, sog. „Kultusarchiv“) ediert bei ARNDT, Entwickelung 241–242.
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IV. Die Liturgie des Gründonnerstags
städter Domes: der Chordienst des Kapitels entfiel, ebenso die Gottesdienste der katholischen Domgeistlichen. Die liturgischen Handschriften überführte man damals in die Bibliothek des Königlichen Domgymnasiums. 21 Nach deren Auflösung im Zuge des Zweiten Weltkriegs gelangte ein Teil der Handschriften wieder in den Dom, ein Teil in das Stadtarchiv Halberstadt. Die Nachkriegswirren brachten indes einige Einbußen, die die Liturgiegeschichtsforschung empfindlich treffen. Fünf Exemplare der Libri Ordinarii, den Regiebüchern des Gottesdienstes, sind seit 1945 verschollen. Es handelt sich um zwei Ordinarien aus dem Dom (14. und 15. Jahrhundert) und drei aus der den Domplatz nach Westen abschließenden romanischen Kirche des AugustinerChorherrenstiftes „Unserer Lieben Frau“ (15. und 16. Jahrhundert).22 Sie könnten bemerkenswerte Aufschlüsse etwa über die Nutzung der liturgischen Textilien geben, die in reichem Maß im Halberstädter Domschatz bis heute vorhanden sind. Im Regest von Gustav Schmidt ist lediglich der Anfang des Domordinarius Nr. 164 aus dem 14. Jahrhundert festgehalten: In adventu Domini sabbato primo ad vesperas: sabbato primo in adventu Domini ad vesperas domini habebunt cappas nigras: chorus ornetur palliis apostolorum super altare et dunna pulsabitur.23
Hier wird einmal die große Marienglocke erwähnt. Mit den „pallia apostolorum“ kann im Grunde nur der bedeutende Bildteppich mit der Darstellung der Apostel gemeint sein. 24 Der Ordinarius belegt somit zumindest temporär seine Nutzung „super altare.“ Karl Lange, Oberlehrer an der Realschule erster Ordnung in Halberstadt, hat 1881 sozusagen als Vorarbeit zu seinem umfassenden Werk über die Osterfeiern eine aus einem Missale des 14. Jahrhunderts im Halberstädter Domschatz ediert.25 In seinem nachfolgenden Buch fügte er eine weitere aus dem jüngeren Ordinarius des 21 Vgl. hierzu SCHMIDT, Gymnasial-Bibliothek I, 1–7: Zur Geschichte der Bibliothek; 8–38: Die Handschriften der Bibliothek. SCHMIDT, Gymnasial-Bibliothek II, 1–32. 22 Die verschollenen Ordinarien sind noch verzeichnet bei SCHMIDT, GymnasialBibliothek I, 37 Nr. 92: Liber de divino ordine ecclesiae Halberstadensis, 15. Jh.; SCHMIDT, Gymnasial-Bibliothek II, 15–16 Nr. 164: Liber de divino ordine servando in ecclesia Halberstadensi, 14. Jh.; 16, Nr. 165: Liber de divino ordine servando in ecclesia b. Mariae virginis, 16. Jh.; 16–17, Nr. 166: Ordinarius sive liber de divino ordine in ecclesia Halberstadense, 15. Jh.; 17, Nr. 167: Registrum (= liber de divino ordine) ecclesiae Halb. b. Mariae virginis, 16. Jh. 23 SCHMIDT, Gymnasial-Bibliothek II, 15. 24 Vgl. dazu FLEMMING, LEHMANN, SCHUBERT, Dom 231–232. 25 Vgl. LANGE, Lateinische Osterfeiern 21–22. Lange gibt keine Signatur des Missale an. Aufgrund der Datierung (14. Jahrhundert) kann es sich jedoch nur um das Missale Inv.-Nr. BK, R VI, Nr. 486 handeln.
2. Das „Breviarium divini officii“
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Domes hinzu;26 sie ist, mit dem oben zitierten Textanfang, einzige Zeugin der verschollenen Ordinarien. Die durch den Verlust entstandene Lücke kann wenigstens zu einem kleinen Teil geschlossen werden, denn es fand sich im Domarchiv ein „Breviarium divini officii“ des Triduum Sacrum, das nun vorgestellt, ediert und kommentiert wird.
2. Das „Breviarium divini officii“ (um 1300) 2. Das „Breviarium divini officii“
2.1. Zum Problem der Datierung
Unter dem Titel „Breviarium divini officii“ verbirgt sich ein Ordinarius des Triduum Sacrum, der auf ursprünglich leeren Seiten des im Domarchiv befindlichen sogenannten Semeca-Missale notiert wurde. Dieses Missale von 1240 ist eine Stiftung des Domdechanten Johannes Teutonicus Zemeke.27 Etwa eine Generation später werden die liturgischen Anweisungen für das Triduum Sacrum ergänzt. Gerade an jenen Tagen kann man sich die Nutzung dieses prachtvollen Missale gut vorstellen. Die Angaben des Breviariums, die vielleicht ein Auszug eines nicht erhaltenen umfassenderen Liber Ordinarius sind, hätten dann dem Liturgen die Handhabung des Missale in der Liturgie erleichtert.28 Die vorliegende Handschrift stellt wohl eine Abschrift dar. Denn eine falsche Anordnung zweier Textblöcke wird von einem späteren Leser kenntlich gemacht (fol. 422, 2. Spalte) und kann als ein Abschreibeversehen gedeutet werden. Das Breviarium ist ein Nachtrag um 1300, wie sich aus der Schrift, einer Form Gotischer Textura, ablesen lässt. 29 Die Niederschrift fällt so zeitlich mit dem gerade beginnenden Domneubau zusammen. Die drei neuen westlichen Joche des Langhauses im gotischen Stil werden um 1320 provi26
Vgl. LANGE, Lateinische Osterfeiern 98. Die Osterfeier ist nochmals abgedruckt bei LIPPHARDT, Osterfeiern 3,954–955. Lange publiziert noch eine Osterfeier eines Halberstädter Antiphonars (Domschatz Nr. XVIII. 2 o), LANGE, Lateinische Osterfeiern 85 und die eines Breviers von 1515 (Wien, Österreichische Nationalbibliothek, 52.C.16), ebd. 91–92. 27 Vgl. zur Handschrift FLEMMING, LEHMANN, SCHUBERT, Dom 251–252; SCHMIDT, Gymnasial-Bibliothek II, 3 Nr. 114. Die alte Signatur der Handschrift ist: Bibliothek des Domgymnasium, Nr. 114, die heutige Signatur ist: Domarchiv, Inv.-Nr. BK, T IV, Nr. 474. Zum Stifter der Handschrift, dem Domdechanten und Propst Johannes Teutonicus (Zemeken, Semeco, Semeca) vgl. KALDE, Zemeke. Vgl. auch AVERKORN, Bischöfe 55. 28 Hierzu passt, dass das Breviarium fol. 423‘ auf eine Oration des Semeca-Missale verweist (s. unten Abschnitt 3.2.). 29 Vgl. hierzu B ISCHOFF, Paläographie 179–180. In Codex 107 des Stadtarchivs Halberstadt, einem Missale des 14.–15. Jahrhunderts, findet sich eine zweite Fassung dieses Breviarium, und zwar als Anhang (ohne Paginierung).
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IV. Die Liturgie des Gründonnerstags
sorisch mit dem alten ottonischen Schiff und Chor verbunden, so dass die gesamte Anlage gottesdienstlich nutzbar ist, bevor man mit dem Neubau der Ostanlage beginnt.30 Dieser Bauzustand ist wohl der, den die liturgischen Hinweise des Breviariums voraussetzen. Dass die neue gotische Choranlage noch nicht gemeint sein kann, ergibt sich aus folgenden Überlegungen: Der gotische Chor des neuen Domes wird erst 1401 geweiht, 31 die romanische Kreuzigungsgruppe erst zur Weihe des gesamten Domes 1491 wieder installiert, der Lettner sogar erst 1510 vollendet.32 Die Beschreibung der Karfreitagsliturgie setzt nun eine intakte Vierungsanlage mit Chorabschrankungen, Kreuzaltar und Lettnerbühne voraus.33 Dies ist entweder noch im ottonischen Dom vor dem Baubeginn des gotischen Chores (gegen 1340) oder erst nach 1510 mit der Fertigstellung der heutigen gotischen Anlage der Fall. Der Schrifttypus der Gotischen Textura lässt aber auf keinen Fall eine Datierung nach 1500 zu, so dass nur der Bauzustand des Domes vor 1340 gemeint sein kann. Die Erwähnung der Elevation der Hostie nach der Konsekration, die um 1200 langsam üblich wird, fügt sich passend in den Datierungsversuch um 1300. 34 Beachtlich ist das Breviarium unter anderem, weil ein früher Hinweis auf das noch zu behandelnde Adamsspiel vorliegt und die Büßerrekonziliation am Gründonnerstag beschrieben wird. Mit der hier vorgeschlagenen Datierung wäre das Breviarium älter als die beiden verschollenen Ordinarien, deren älterer aus dem 14. Jahrhundert abermals die Situation des romanischen Domes widerspiegelt, deren jüngerer aus dem 15. Jahrhundert dann schon dem gotischen Dom gelten würde, aber vielleicht noch Übergangslösungen beschreibt. Das Breviarium als der älteste erhaltene Ordinarius des Domes würde somit noch die Bräuche innerhalb des ottonischen Domes schildern. Leider gibt es in der Handschrift keinen Hinweis, der eine genauere Datierung zuließe. Das Breviarium enthält liturgische Anweisungen für die Feier des Gründonnerstags, Karfreitags und Karsamstags und könnte ein erster Ver-
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Eine Übersicht über die Baugeschichte des Domes bietet FLEMMING, LEHMANN, SCHUBERT, Dom 9–32.Vgl. zu diesem Bauabschnitt ebd. 20–21. 31 Das Weihedatum ebd. 25. 32 Vgl. ELIS, Dom 83. 33 Das Breviarium unterscheidet fol. 423‘ zwischen dem „pulpitum maius,“ wohl einem großen Lesepult, und dem Ambo („passio legetur in ambone“) womit eine Lettneranlage gemeint sein könnte. Auf alle Fälle scheidet die Annahme provisorischer Anlagen hier aus. 34 Vgl. hierzu J UNGMANN, MS 2,257–264. Vgl. zu ihrer langsamen Verbreitung im 12. und 13. Jahrhundert NUSSBAUM , Aufbewahrung 125–139. Zur Elevation nach der Konsekration, die das Breviarium kennt und die sich indes erst langsam um 1200 durchsetzt, vgl. ebd. 128–130.
Breviarium divini officii
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such sein, noch vor dem gotischen Ausbau des Domes die Liturgie des Domstiftes zu ordnen. 2.2. Edition des „Breviarium divini officii“ Domarchiv zu Halberstadt, Inv.-Nr. BK, T IV, Nr. 474: Semeca-Missale, um 1240. Nachtrag um 1300, fol. 422–424.‘ Im Folgenden wird der Text des Breviariums ediert, zugunsten der Übersichtlichkeit durch deutsche Überschriften in Kursiv und durch eine Abschnittszählung ergänzt, auf die im Kommentar jeweils verwiesen wird. Die fortlaufende neuere Seitenzählung der Handschrift wird übernommen, somit nicht zwischen verso und recto unterschieden. Die Handschrift führt den Text in zwei Kolumnen pro Seite auf; handelt es sich um die linke Spalte, wird der Seitenzahl nichts beigefügt, die rechte Spalte jedoch durch ‘ kenntlich gemacht. In Orthographie und Zeichensetzung werden Eigentümlichkeiten beibehalten (z.B. ymnus statt hymnus; e statt ae), zugunsten der besseren Lesbarkeit aber zwischen u und v, sowie t und c (tertia statt tercia) unterschieden. Insgesamt wurde die Orthographie modernisiert (etwa aperiet statt apperiet), ohne dies jeweils kenntlich zu machen. Bei der Auflösung der Kürzel wurde diejenige Schreibweise gewählt, die die Handschrift an anderer Stelle für das ausgeschriebene Wort wählt (z.B. penitentes). Für manche Worte wählt die Handschrift verschiedene Schreibweisen (dyaconus, diaconus etc.). In diesem Falle wurde durchgängig die moderne Form verwendet. Nicht mehr lesbare Stellen werden durch eckige Klammern [..] kenntlich gemacht. Der Apparat führt zum einen die Belegstellen der meisten Initien an und enthält zum anderen textkritische Bemerkungen. Die aufgeführten Zusätze sind durchgängig von erster Hand. Anscheinend hat der Schreiber selbst das Breviarium nochmals korrigiert. Die drei Hymnen, mit denen das Breviarium schließt, werden in der Edition nur mit dem Initium wiedergegeben. Die im Folgenden verwendeten Abkürzungen sind im Anhang erklärt.
Breviarium divini officii die cene domini, parasceves et sabbati sancti pasche Breviarium divini officii
[I. Die Feier des Gründonnerstags]
1. Qualiter die cene domini diurnum officium sit observandum. Presens scriptum memoriter erit intuendum. Signata sexta hora a media nocte, prima pulsabitur bina vice, et legetur submissa voce in cappis nigris, et chorus exibit. Et tunc dominus noster
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IV. Die Liturgie des Gründonnerstags
episcopus vel eius suffraganeus preparabit se cum suis coadiutoriis in choro vel in sacrario. 2. Et intronizabit ut est moris, donec penitentes deficiant. Et vadet ad ecclesiam et leget letaniam et orationes consuetas, et postea tanget quemquam, ut signat, et in ultimo penitentem, id est Adam, lectis parvis quibusdam orationibus. Hoc facto transibit ad ambitum, et, si sunt plures penitentes, hos intronizet, et sic faciet tertio, si est necesse. Et circa horam nonam pulsabitur tertia bina vice, et legentur simul tertia, scilicet 35 sexta et nona. 3. Interim dominus episcopus cum ministris preparabit se, et rector chori incipiet introitum Nos autema etc. Si dominus noster episcopus ipse celebrat, intrabit per ianuam suam in chorum, si non tunc 36 eius suffraganeus intret per ianuam chori, 37 et inclinat se ante gradus sanctuarii ad altare, post hoc vertet se ad chorum iterum inclinando et ibit ad altare dando confessionem. Gloria in excelsis dicetur propter chrismatis consecrationem. 4. Et in [..]38 offertorium domini offerunt et etiam laici, si qui volunt, et vicarius sancte crucis vel plebanus portabit argenteam scutellam cum oblatis numero quinquaginta vel circa, ut possint communicari altera die devotionem habentes, et diaconus vel astans episcopi locabit eas super corporale circa calicem, et consecrantur. 5. Facta elevatione subcustos portabit ampullam cum oleo, et stabit ad dexteram altaris usque ad conclusionem istius orationis canonis Nobis quoque peccatoribusb. Et tunc astans sumet ampullam et locet eam circa calicem ad dexteram suam supponendo mappam propter corporale, et aperiet ampullam et benedicetur, et quando dicit Per quem haec omniac etc., faciet tractum super ampullam cum hostia, sicut facit super calicem. Dominica vero oratione dicta astans porriget ampullam subcustodi et osculetur a ministris diacono et subdiacono dicentibus Salve sanctum oleum. Post hoc portabitur ad locum deputatum. 6. Dominus episcopus faciet benedictionem infulatus, et post hoc iterum in- /fol. 422‘/ fula deponitur usque ad consecrationem chrismatis. Et dicitur ter miserere nobis. Pax non datur, sed ultima oratio ante sumptionem corporis Christi legatur. Sanguine Christi sumpto dominus episcopus levabit unam hostiam et dabit penitenti, communicabunt etiam reliqui, si qui sint volentes communicare. Hoc facto sumet ablutionem et dabitur etiam aliis.
35
scilicet: Nachtrag am Rand. tunc: Nachtrag über der Zeile. 37 chori: Nachtrag über der Zeile. 38 Unleserlicher Nachtrag über der Zeile. 36
Breviarium divini officii
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7. Hostie consecrate debent involvi corporali et poni in scutellam argenteam supposito mappa corporali et etiam superposito, et manebunt super altare usque dum cantabitur Magnificat in choro, et tunc locentur ad capsam per episcopum et diaconum precedentibus luminibus et thuribulis. 8. Infra hoc silentium dominus thesaurarius cum balsamo et subcustos et alius sacerdos cum duabus ampullis oleo impletis transibit ad latera ipsius thesaurarii precedentibus domino scholastico, cantore et duobus puerulis cantantibus ymnum Audi iudex mortuorumd.39 9. Quando vero pueri intrant chori 40 ianuam, dominus episcopus debet esse infulatus, habens baculum suum in manu vertendo faciem ad populum, et pueri incipient istum versum Stans ad aram imo supplex, et chorus O redemptor, et ibunt ad medium chori, tunc thesaurarius et subcustos ascendunt sanctuarium et portabunt balsamum et oleum episcopo, et dominus episcopus recipit atum et extrahit balsamum, quantum atus valet capere, et mittet totum in oleum consecrandum. Et quando incipit benedicere, pueri cantent Consecrare tu dignare. Thesaurarius ibit ad chorum expectante subcustode. Chrismate consecrato astans porriget ampullam subcustodi, qui portabit dominis, primo diacono, subdiaconis, abbatibus, presentis penitentibus, qui omnes salutent sanctum chrisma osculando et 41 dicendo Salve sanctum chrisma, et subcustos ibit cum eo ad thesaurizarium, tunc alter cum ampullam vadet ad altare, ut consecretur. Et pueri iterum incipient istum versum Consecrare tu dignare. Oleo sancto consecrato fiet, ut prius factum est cum chrismate osculando et salutando, dicendo Salve sanctum oleum, et transiet cum eo ad feretrum. Pueri cantent versum42 Sit dies haec festa et ibunt ad locum destinatum. 10. Rector chori Agnus dei43 incipiet. Dominus episcopus et sui communionem legant et vesperas. Quando vero cantabitur Magnificat, facient ut supra scriptum est. a
AntS 77a. b GrH 14 (Canon Romanus). c GrH 15 (Canon Romanus). d AHMA 51, 77.
[II. Die Feier des Karfreitags] 11. Sequitur de die passionis domini. Die parasceves prima pulsetur cum ligno 44 post septimam horam et legatur. Chorus exibit ad horas singulas preter post horam nonam. Tertia 39 Nr. 7 und Nr. 8 sind in der Hs. vertauscht, aber (vom selben Schreiber?) durch eine Markierung mit a und b in die richtige, hier wiedergegebene Reihenfolge gebracht. 40 chori: Nachtrag über der Zeile. 41 osculando et: Nachtrag am Rand. 42 versum: Nachtrag über der Zeile. 43 dei: Nachtrag über der Zeile. 44 cum ligno: Nachtrag über der Zeile.
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IV. Die Liturgie des Gründonnerstags
pulsetur post horam octavam. Sexta pulsetur post /fol. 423/ dimidiam. Nona pulsetur post nonam horam, chorus tunc non exibit. 12. Sacerdos vero vel dominus episcopus, diaconus, subdiaconus et alter subdiaconus et unus vicarius canturus tractum induent se in sacrario et ibunt ad chorum, tali modo: lecturus prophetiam precedet, vicarius sequitur, et ibunt per chorum ad ianuam episcopi. Sequuntur vero subdiaconus, diaconus et sacerdos, nihil portantes sed manus sub casulis habentes, et ascendent ad altare maior, et prophetia legetur et tractus cantabitur, primus versus reincipitur. Post tractum collecta Deus a quoa, epistola, tractus, et passio legetur in ambone, et ibit solus non petendo benedictionem et rediet et induet casulam, et legentur orationes pro statu ecclesie. 13. Hoc facto chorus exibit et ministri altaris, qui omnes discalcient se preter dominum episcopum,45 si ipse est celebrans, et statim revertentur tali modo: duo vicarii in albis precedent, duo domini in nigris tunicis sive superpelliciis, duo diaconi cum rufis casulis precincti, qui ewangelium lecturi, post hos vero dominus episcopus cum suo astante vel sacerdos, et ibunt ad sanctuarium chori. 14. Predicti vicarii stabunt ante inferiorem gradum sanctuarii et incipient Agiosb, domini, qui canituri sunt Popule meus, in superiori gradu sanctuarii. Diaconi habentes crucem inter se per brachia stabunt ad tres passus retro et post illos dominus episcopus vel sacerdos ad unum passum habens manus sub casula, omnes vertentes se ad populum. Sed qui cantant Agios, vergent se ad crucem, et quando chorus cantat Sanctus, omnes flectant genua vertendo se ad 46 orientem, et quando dicitur Miserere nobis, signant et ibunt ultimi, qui Agios, ad pulpitum maius et, qui Popule meus, ante chorales et, qui crucem, ante inferiorem gradum et episcopus retro illos. Et quando iterum dicitur Miserere nobis, totus chorus exiet circa locum sepulchri, postea, qui Agios, sequntur ad infimum vel primum scolarem in linea. Et qui Popule meus usque ad inferiorem gradus altaris crucis, diaconi cum cruce ante ianuam decani extra chorum, sacerdos in choro ante ianuam. 15. Et quando cantabitur Miserere nobis, episcopus vel sacerdos ascendet gradum altaris crucis accipiendo sanctam crucem in manibus et levando et cantando Ecce lignum crucisc. Rector chori Beati immaculatid et iterum Ecce lignum crucis. Episcopus vel sacerdos post hoc vadet ad locum sepulchri et prosternet se cum astante suo totum ad terram dicendo psalmum Deus misereatur nostrie et secundum versum Ut cognoscamus in terra etc. Hoc dicto surget pregrediendo ad tres passus et iterum prosternet 45 46
Hs. irrtümlich: Dominus episcopus. Hs. irrtümlich: ad ad.
Breviarium divini officii
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/fol. 423‘/ se dicendo Confiteantur tibi populi deus. Letentur et exultent etc. 16. Iterum surget et ibit ante crucem se prosternendo et dicendo ultimos duos versus Confiteantur tibi populi deus. Benedicat nos deus. Christus factus est pro nobis obediens primum usque ad mortem, mortem autem crucisf, et tunc legat antiphonam Dum fabricatorg cum versu et postea orationem hoc in libro scriptam et pluraliter pro omnibus, deinde surgat ad genua offerendo duo denarios cum osculis 47 ad pedes crucis, unum ad latus, duo denarios ad vulnera manuum, offerat etiam alios quinque denarios ad reliquias ibi positas, tunc surget et se asperget aqua et vadet ad altare et legat ymnum Crux fidelish. Diaconus, subdiaconus et domini offerunt ad crucem et reliquias. 17. Interim duo iuvenes preparent altare mappa et reliquis pertinentibus ibi locatis. Hoc facto duo diaconi cum rufis casulis precincti sument scutellam argenteam cum corpore domini, precedentibus duobus parvis cum luminibus et duobus cum thuribulis, et ibunt per ianuam chori et intrant ambitum per ianuam monasterii, et reintroibunt ecclesiam per ianuam mortuorum sive penitentis et vadent ante chorales per chorum episcopi, et ibunt ad altare, ponendo corpus Christi super illud. 18. Et quando omnes obtulerunt, domini et vicarii ibunt ad altare, et portantur eis stole, et dominus episcopus vel sacerdos dicet generalem confessionem, et ceteri dicant Misereatur et etiam Confiteor. Episcopus ascendit ad altare osculando et vadet ad dexteram altaris, et subdiaconus 48 portabit calicem cum vino. Sacerdos infundat aquam, ut est moris. Diaconus accipit calicem locando eum ad corporale circa hostias. Episcopus sumat aquam lavando digitos, ibit ad medium altaris dicendo submissa voce, sic tamen, ut circumstantes possint audire Oremus. Preceptis salutaribus etc. omnibus dicentibus Sed libera nos a malo. Sacerdos dicit Amen cum oratione sequente Libera nos. 19. Patenam accipiendo et locando ad pedem calicis tunc levet unam hostiam frangendo et ponendo duas partes ad patenam, terciam ad calicem, nihil dicendo, vel si placet, dicat: Sanctificetur hec commixtio per corpus sanctificatum. Et legat ultimam orationem Domine Iesui et communicet, sumat etiam ablutionem, deinde tergat patenam et locabit super eam sex vel circa hostias et porrigat communicaturis. Subdiaconus ministrabit ablutionem omnibus communicatis, patena et digiti episcopi laventur, et ablutio sumatur. Reliqui partes cum corporali lo- /fol. 424/ centur ad scutellam argenteam. Et legantur vespere in choro et episcopus cum49 suis circa altare. 47
cum osculis: Nachtrag am Rand. sub: Nachtrag über der Zeile. 49 cum: Nachtrag über der Zeile. 48
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IV. Die Liturgie des Gründonnerstags
20. Vesperis dictis circa altare ponant corpus Christi ad rubeam capsam cum luminibus et thuribulis, post hoc ibunt ad sacrarium et exuent se preparamentis et induent se superpeliciis et nigris cappis, et precedent duo domini sine cappis et duo cum thuribulis et transibunt per chorum et ianuam decani, antequam exeant chorum. Episcopus vel sacerdos ponat thymiama ad thuribula, et vadent ad crucem. Dominus episcopus et tres seniores dominorum levabunt crucem portantes in sepulchrum cum cantu, sed potius cum luctu, Responsorio Ecce quomodo moritur iustus k, post hoc Sicut ovis l. Cruce locata incipient ymnum Sepulto domino m. Hic est finis. a GrH 328. b OR 50, 27, Nr. 35–37. c OR 50, 27, Nr. 39. d Ps 118,1. e Ps 66. f AntS 77a. g OR 50, 27, Nr. 46. h OR 50, 27, Nr. 48–49. i Pierce, Spirituality 183. k CAO 4, 6605. l CAO 4, 7661. m CAO 4, 7640.
[III. Die Feier des Karsamstags] 21.Vigilia Pasche Sabbato sancto prima signatur cum ligno post horam sextam, et legetur, et chorus exiet et ornetur altare cum choro et pavimento. In medio octave hore signatur tertia, et legetur cum sexta et nona. 22. Post hoc50 preparent se sacerdos et subdiaconus et ibunt ad chorum, et statim ad benedicendum ignem precedent processionem, et legant septem psalmos sine Gloria, et quando venient ad ignem, sacerdos circumiet nonies cum subdiacono 51 et crucibus. Postea stabunt ad occidentalem plagam dicendo letaniam et benedictiones. Asperso igne incipietur septena, et itur ad chorum, sacerdos ante processionem, sequuntur cruces usque ad altare,et legat septenam cum suis. 23. Interim diaconus infulatus et thesaurarius et 52 cantor, subcustos cum lumine, duo pueri canituri Inventor rutilia precedentibus duobus pueris cruces portantibus, ibunt quasi ad baptisterium, et incipient Inventor rutili et intrabunt chorum per ianuam episcopi et stabunt ante gradus sanctuarii. Sacerdos possit dicere hunc ymnum subscriptum cum suis Inventor rutili.53 Finito hoc versu Inventor, diaconus incipiet Exultet iam angelicab.54
50
hoc: Nachtrag am Rand. sub: Nachtrag über der Zeile. 52 et: Nachtrag über der Zeile. 53 Die Handschrift führt den gesamten Text auf, bis fol. 424‘. 54 Finito – angelica: Nachtrag am Seitenende. 51
3. Kommentar
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/fol. 424‘/ Cereus benedicetur, deinde collecte et lectiones legentur. Post hoc itur ad fontem. Ymnus Rex sanctorumc.55 Ymnus ad chrisma: Audi iudex mortuorumd.56 a
AHMA 50, 31. b GrS 1021–1022c. c AHMA 50, 183. d AHMA 51,77.
3. Kommentar 3. Kommentar
Bei der Erforschung der bischöflichen Liturgie des Triduum Sacrum im mittelalterlichen Bamberg konnte das Pontificale Romano-Germanicum (PRG) und einer seiner Teile, der Ordo Romanus 50, als das maßgebliche Liturgiebuch des 11. und 12. Jahrhunderts ausgemacht werden, das neben vielen anderen Ortskirchen auch die Liturgie Bambergs prägte. 57 Aus Bamberg haben sich mehrere liturgische Handschriften erhalten, die – etwa als Pontifikale – die Angaben des Pontificale Romano-Germanicum überliefern.58 Ähnliches lässt sich für andere Bischofsstädte feststellen. Auch in Köln kann man die liturgische Tradition weit zurückverfolgen, wie Textzeugen einzelner Ordines Romani (OR) belegen, die die Dombibliothek bis heute bewahrt.59 Für Halberstadt ist die Sachlage schwieriger, da sich keine Handschriften für die Pontifikalliturgie aus dem Mittelalter erhalten haben.60 Auch ist nicht bekannt, ob es etwa Sammlungen der OR in der Dombibliothek gegeben hat. Deshalb kann es bei den folgenden Verweisen auf das römisch-deutsche Pontifikale nicht um eine sichere Ableitung der Bräuche gehen, so als seien in der Bibliothek vorhandene Sammlungen der Ordines Romani oder des Pontificale Romano-Germanicum als Vorbild für die Liturgie genutzt worden. Ein Vergleich der im Breviarium beschriebenen Riten mit den Angaben des Pontificale Romano-Germanicum macht jedoch deutlich, dass die Halberstädter Liturgie des Mittelalters im wesentlich nach derselben Ordnung ablief, die auch dem Pontifikale zugrunde liegt. 55
Die Handschrift führt den gesamten Text auf. Die Handschrift führt den gesamten Text auf. 57 Vgl. W ÜNSCHE , Kathedralliturgie 4–5. Zur Verbreitung und Rolle des PRG und des OR 50 vgl. VOGEL, Medieval Liturgy 225–247, hier auch 242 Anm. 225. 58 Vgl. W ÜNSCHE, Kathedralliturgie 4–5. 59 Vgl. etwa ODENTHAL, Palmsonntagsfeier. Exemplarisch wird hier die Liturgie des Palmsonntags vom OR 28 über das PRG bis zu den spätmittelalterlichen Ordinarien anhand liturgischer Quellen Kölns dargestellt und auf mögliche Abhängigkeiten geprüft. 60 Ein „Liber de divino ordine“ aus dem 13. bis 14. Jahrhundert scheint, nach den Angaben bei SCHMIDT, Gymnasial-Bibliothek II, 12 Nr. 150, Pontifikalriten zu beschreiben. Schmidt erwähnt die Ölung und anderes. Diese Handschrift ist aber ebenso wie die Ordinarien nach 1945 verschollen. 56
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IV. Die Liturgie des Gründonnerstags
3.1. Die Liturgie des Gründonnerstags Die Liturgie des Gründonnerstags hat im Lauf der Geschichte mehrere Themen auf sich gezogen: das Gedenken an die Einsetzung der Eucharistie, die Weihe der Heiligen Öle und die Rekonziliation der Büßer.61 In Halberstadt kennt man wie im Pontificale Romano-Germanicum die eine Eucharistiefeier, die die Weihe der Öle einschließt und der die Büßerrekonziliation vorangestellt wird.62 3.1.1. Die Rekonziliation der öffentlichen Büßer am Gründonnerstag: Das Halberstädter Adamsspiel In Halberstadt wurden die Büßeraussonderung und Rekonziliation bis in die Neuzeit hinein geübt, 63 und zwar in Form des sogenannten Adamsspiels. Es umfasst Riten und Gebräuche der Vertreibung des Adam, also der Aussonderung der öffentlichen Büßer zu Beginn der Quadragesima und deren Wiedereingliederung in die Kirche am Gründonnerstag. Jüngst widmete sich die Studie von Andreas Kotte dem Halberstädter Adamsspiel und ordnete die Bräuche in einen kulturhistorischen Zusammenhang ein. 64 Das Breviarium enthält nun einige Hinweise auf die Büßerversöhnung am Gründonnerstag, die dieser Untersuchung an die Seite gestellt seien. Bereits um 6 Uhr morgens beginnt das Offizium im Halberstädter Dom, das „submissa voce“ und in schwarzer Chorkleidung, also rituell schlicht, persolviert wird (Nr. 1). Danach vollzieht der Bischof die Rekonziliation der öffentlichen Büßer. Leider erfahren wir aufgrund des Verlustes der Libri Ordinarii und der Beschränkung des Breviariums auf das Triduum Sacrum nichts Genaues über die sonstige Bußpraxis der Quadragesima in 61 Vgl. MAIER , Feier, der diese Themen schon in der Tradition der gelasianischen Sakramentare festmacht, 36 u.ö. AUF DER MAUR , Feiern 105, nimmt als Grund für die Ölweihen am Gründonnerstag praktische Gründe an; es sei die letzte Eucharistiefeier vor der Initiation der Osternacht gewesen. Dass sich in der Tradition auch gelegentlich die Zahl der Messfeiern mehrt, zeigt MAIER , Feier 97–98. 62 Vgl. PRG 99, Nr. 224–251 (VOGEL, ELZE, PRG 2,59–67). 63 Die öffentliche Buße der Sünder in den lateinischen Riten und ihre geschichtliche Entwicklung hat Josef Andreas Jungmann in seiner Studie dargestellt und besonders das langsame Zusammenwachsen der öffentlichen Buße mit der Quadragesima deutlich gemacht. Auf diese Studie werden sich folgende Überlegungen im Wesentlichen beziehen und die Besonderheiten hervorheben, die in Halberstadt lange beibehalten worden sind. Vgl. J UNGMANN, Bußriten; ein Rekurs auf Halberstadt ebd. 68. Vgl. auch AUF DER MAUR , Feiern 105. Vgl. zur mittelalterlichen Ordnung der öffentlichen Buße auch MESSNER , Feiern der Umkehr 122–134. Zum theologie- und liturgiegeschichtlichen Hintergrund vgl. auch DRISCOLL, Alcuin bes. 47–54.88–98. 64 Vgl. KOTTE, Theatralität. Kotte bezieht keine liturgischen Quellen ein, sondern rekonstruiert die Bräuche aus Augenzeugenberichten und Urkundenhinweisen. Vgl. auch AVERKORN, Bischöfe 61–62.
3. Kommentar
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Halberstadt. Es darf aber angenommen werden, dass die Büßer zu Beginn der Quadragesima am Aschermittwoch ausgeschlossen wurden. Für das Jahr 1383 etwa ist belegt, dass ein öffentlicher Büßer für die Zeit der Quadragesima ausgesucht wurde, und eine Bulle des Papstes Bonifatius IX. von 1401 berichtet darüber, dass seit langem der Brauch üblich sei, symbolisch mit einem Stecken am Aschermittwoch einen Büßer als Adam vom Bischof aus dem Dom auszutreiben. 65 Ein solcher Akt der Ausschließung des Büßers ist als eigener Ritus wohl seit dem 8. Jahrhundert üblich geworden und wird im Pontificale Romano-Germanicum beschrieben.66 Nach den Bußriten und der Messe des Aschermittwochs wird dort vermerkt: Post hanc eiciendus est ab ecclesia et tali modo increpandus: Ecce eiceris hodie a sinu matris tuae sanctae ecclesiae propter peccatum tuum sicut Adam primus homo eiectus est a paradiso propter transgressionem suam. 67
Der öffentliche Büßer wird damit in Parallele zum aus dem Paradies vertriebenen Adam gesetzt. 68 Genau dieser Parallele verdankt das Adamsspiel in Halberstadt seinen Namen. Die Büßerrekonziliation bot eine gesellschaftlich akzeptierte Möglichkeit, für begangenes öffentliches Unrecht Buße zu tun und sozial wieder eingegliedert zu werden. 69 In Halberstadt hat sich diese Einrichtung der öffentlichen Buße mit ihrem begleitenden Ritual bis in die Reformationszeit erhalten. Allerdings scheint der Ernst des Bußetuns bald einen komödiantischen Einschlag erhalten zu haben, so dass Stimmen laut wurden, die forderten, den alten Bußcharakter in seinem ganzen Ernst wiederzubeleben. Im Zuge der Einführung der Reformation unter Bischof Heinrich Julius 1591 wird das Adamsspiel jedoch abgeschafft.70 In manchen Bischofsstädten ist dieser Brauch schon im hohen Mittelalter nicht mehr belegt. 71 65 Belege bei KOTTE, Theatralität 46. Text der Bulle ebd. 15–16 und bei ELIS, Dom 92–94. 66 Vgl. dazu J UNGMANN, Bußriten 44–74. Vgl. auch kurz AUF DER MAUR , Feiern 150. 67 PRG 99, Nr. 73 (VOGEL, ELZE, PRG 2,21). 68 Vgl. zu dieser Parallele auch J UNGMANN, Bußriten 63. 69 Es urteilt hierüber KOTTE, Theatralität 94: „Die Wiederaufnahme in die Gemeinschaft (...) wurde für ADAM eine zentrale konstituierende Komponente. In der Rekonziliation der Büßer triumphierte die christliche Lehre als komplexe, seelisch-körperlich gemeinschaftsbildende Kraft über die vor- oder nichtchristlichen Reinigungsriten.“ 70 Belege bei KOTTE, Theatralität 46–47. In der oben schon erwähnten Rede vor dem Domkapitel am 23. Februar 1591 vermerkt Heinrich Julius als zehnten Punkt das Ausstoßen des Adam, das abgeschafft werden müsste. Vgl. dazu LANGENBECK, Geschichte 75. Vgl. auch STREITHORST, Kurze Geschichte 124. 71 Vgl. J UNGMANN, Bußriten 68. Bei AMBERG, Ceremoniale finden sich keine Belege, ebenso wenig für Trier bei KURZEJA, Liber Ordinarius. Für Bamberg sind zwar die Angaben der Pontifikalien zur Büßerversöhnung am Gründonnerstag vorhanden, lassen
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IV. Die Liturgie des Gründonnerstags
Die eigentliche Rekonziliation, die wie im Pontificale RomanoGermanicum vorgenommen worden sein dürfte, 72 ist aus dem Breviarium nur schwer zu erschließen (Nr. 2): Der Bischof oder sein „suffraganeus“ bereitete sich im Chor oder im Sakrarium vor. Dann inthronisierte er die Büßer („hos intronizet“). Mit dieser Inthronisation wurden die Büßer aus dem Büßerstatus wieder „emporgehoben“: 73 begleitet von Litaneien, Gebeten und einem Weihwasserritus durch den Bischof, wie ihn auch das Pontificale Romano-Germanicum schildert. Vielleicht kann man aus dem Inthronisieren der Büßer schließen, dass sie sich während der Litanei in Prostratio auf dem Boden ausstreckten. 74 Unklar bleibt die Topographie, die das Breviarium zu schildern versucht. Zuerst legen der Bischof und seine Assistenz im Sakrarium oder im Chor die Gewänder an, darauf folgt die Inthronisation der Büßer, jedoch ohne dass ein Ort hierfür benannt würde. Litaneien, Gebete und der Segen für die Büßer schließen sich an, dann folgt die Prozession zur Kirche, schließlich das Durchschreiten des Kreuzgangs. Welche Funktion das Nordportal, seit alter Zeit (auch schon im ottonischen Dom?) das Adamsportal genannt, dabei spielte, dessen Innenseite die Bildwerke Adams, Evas und der Schlange trägt, bleibt unklar. An drei Orten also scheint der Bischof Büßer rekonziliiert zu haben, auf dem Weg vom Sakrarium in die Kirche, in der Kirche selbst und im Kreuzgang. Die hier vorgeschlagene Datierung des Breviariums um 1300, also vor der Fertigstellung und Weihe des gesamten Domes im Jahre 1491, verbietet es, Rückschlüsse auf die Topographie des gotischen Domes zu ziehen. An der mittleren Säule der Südempore des Domes befindet sich bis heute etwa ein kleiner steinerner Sitzplatz, der „Adamssitz“ genannt wird. Hier musste jener Büßer, der Adam verkörperte, zur Absolution Platz nehmen.75 Vielleicht hat es einen Vorläufer dieses Sitzes im ottonischen Dom gegeben. Die Tatsache, dass der gotische Dom in der westlichen Sakristei an der Südseite des Langhauses, also in unmittelbarer Nähe des Kreuzgangs einen zweiten Adamssitz bewahrt, unterstreicht die These mehrerer Orte zur Büßerrekonziliation.76 jedoch keinen Rückschluss auf einen tatsächlich geübten Brauch mehr zu. Vgl. WÜNSCHE , Kathedralliturgie 11, Anm. 6. In Rom fand schon im 12. Jahrhundert keine Büßeraustreibung mehr statt. Allerdings fehlen im 16. Jahrhundert nicht Stimmen, die ö ffentliche Buße nach altem Muster wieder einzuführen; Hinweise bei KOTTE, Theatralität 219, leider ohne genaue Belege. 72 Vgl. PRG 99, Nr. 224–251, (VOGEL, ELZE, PRG 2,59–67). Zur Geschichte der Rekonziliation am Gründonnerstag vgl. J UNGMANN, Bußriten 74–109. 73 Und dies ist dann durchaus wörtlich zu verstehen. Beispiele bei J UNGMANN, Bußriten 91–92. 74 Beispiele ebd. 76 u.ö. 75 Belege bei KOTTE, Theatralität 39–40. 76 Vgl. dazu ELIS, Dom 90.
3. Kommentar
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Beachtung verdient die ikonographische Kommentierung dieses Geschehens durch die Triumphkreuzgruppe (1210–1215), die um 1300 noch den ottonischen Dom schmückt und vor 1491 auch im neuen Dom wieder aufgestellt wird.77 Am Fuße des Trägerkreuzes findet sich nämlich die Darstellung des erwachenden Adam, der den eigentlichen Balken des Kreuzes Jesu berührt, seinerseits gestützt durch zwei Engel.78 Damit dürfte diese Ikonographie auf das Geschehen des Rekonziliation Bezug nehmen: Der bei der Feier des Triduum Sacrum wieder aufgenommene und versöhnte Mensch gleicht jenem durch den Kreuzestod Jesu „erweckten“ Adam.79 Die Domherren beten nun hintereinander Terz, Sext und Non. Dann erst folgt die Messe des Gründonnerstages mit der Ölweihe, in der die Rekonziliierten wieder zur Kommunion zugelassen sind: „dominus episcopus levabit unam hostiam et dabit penitenti.“80 3.1.2. Die Messe des Gründonnerstags mit den Ölweihen Besonders die den Gründonnerstag betreffende Passage macht den Charakter des Breviariums deutlich: Er beschreibt die rituelle Struktur der Feier. Über die biblischen Lesungstexte oder die Weihegebete für das heilige Öl wird nichts berichtet, wohl aber der liturgische Ort der Ölweihe benannt.81 Die Messe beginnt nach der Büßerversöhnung mit dem gewohnten Introitus „Nos autem“82 (Nr. 3). Im Unterschied zum Pontificale RomanoGermanicum ist – wohl gemäß fränkischem Brauch – ein Schuldbekenntnis des Zelebranten vor dem Gloria eingeschoben.83 Die Schriftlesungen vermerkt das Breviarium nicht, jedoch zeigen die Angaben des SemecaMissale, dass es sich um die üblichen Lesungen 1 Kor 11 und Joh 13 han-
77
Vgl. zu dieser Triumphkreuzgruppe und ihrer Ikonographie W ALTER , Triumphkreuzgruppe. 78 Abbildung ebd. 156. 79 Damit wird das Kreuz und die vor ihm gefeierte Liturgie zur Illustration von 1 Kor 15,22. 80 Von der ursprünglich dreifachen Messfeier des Tages ist also nur eine übrig geblieben, die die Inhalte der Ölweihe und des Abendmahlgedenkens vereint. Zu der Tendenz seit dem Ordo Romanus antiquus, die Büßerrekonziliation der Messe vorausgehen zu lassen, vgl. J UNGMANN, Bußriten 88. Zur Kommunion der Büßer vgl. ebd. 82. 81 Vgl. zur Systematisierung der Fragen an die Liturgie des Gründonnerstags MAIER , Feier 97–99. 82 Vgl. ebd. 76.87 u.ö. Belege zu diesem Introitus. Eine theologische Deutung des Introitus als Ouvertüre für das Triduum Sacrum findet sich bei WOHLMUTH, Jesu Weg 108. 83 Vgl. PRG 99, Nr. 253 (VOGEL, E LZE, PRG 2,67). Zur Tendenz, Bußgebete und Apologien in die Liturgie einzufügen, vgl. etwa ODENTHAL, Formulare.
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IV. Die Liturgie des Gründonnerstags
delt.84 Es geht im Text weiter mit der Gabenprozession der Domherren (Nr. 4), die für die Laien freiwillig ist.85 Im Hinblick auf die Kommunion des Karfreitags wird hier schon darauf hingewiesen, dass genügend Hostien zur Konsekration bereitzustellen sind. Als Gefäße für die Aufnahme der eucharistischen Gaben ab der Gabenprozession am Gründonnerstag bis hin zur Kommunionfeier am Karfreitag wird neben einer Patene die „argentea scutella“ erwähnt. Es stellt sich die Frage, ob damit eine im Domschatz erhaltene sogenannte Weihbrotschale bezeichnet wird.86 Dieser liturgische Diskos byzantinischer Herkunft wurde wahrscheinlich von Bischof Konrad 1205 vom 4. Kreuzzug mit nach Halberstadt gebracht und seitdem äußerst wertgeschätzt. 87 Gegen eine liturgische Verwendung im 14. Jahrhundert spricht, dass sie schon im 13. Jahrhundert zum Stephanusreliquiar umgearbeitet wurde. Zu diesem Zweck wurden auf der Schale Figuren angebracht, die als Träger für das aufzusetzende, heute verlorene Stephanusreliquiar dienten. Nun wird in der Schenkungsurkunde vom 16. August 1208 ausdrücklich eine „scutellam argenteam non modice quantitatis ad calicem deportandum“ genannt, und zwar neben einem „cyborium ubi sacrificium preparatur.“ 88 Flemming und andere schließen daraus, dass nur letztere Nennung die Weihbrotschale meinen kann. Das Breviarium widerspricht diesen Angaben dadurch, dass sie eine liturgische Nutzung jener „scutella argentea“ bei der Feier der Eucharistie erwähnt, also eine Verwendung als Ziborium. Insofern könnte dies tatsächlich die Weihbrotschale sein. Eine solche vielleicht im Kirchenjahr singuläre Nutzung am Gründonnerstag, dem Tag der Einsetzung der Eucharistie, wäre insofern sinnvoll, als diese Schale ja die griechische Version der eucharistischen Einsetzungsworte als Inschrift trägt. 89 Dann allerdings hätte man die Umwandlung der Schale in ein Reliquiar zumin84 Das Semeca-Missale vermerkt auf fol. 216–217 die Initien dieser Schriftlesungen. Vgl. PRG 99, Nr. 255 (VOGEL, ELZE, PRG 2,67). 85 Vgl. J UNGMANN, MS 2,3–34, der neben den vorgeschriebenen Opfergängen an den großen Festen auch freiwillige kennt (ebd. 30). Der Opfergang der Gläubigen in der Gründonnerstagsmesse wird wohl deshalb erwähnt, weil die rekonziliierten Büßer ja an Opfergang und Kommunion nun wieder teilnehmen sollten. Vgl. dazu J UNGMANN, Bußriten 82. 86 Zu dieser Weihbrotschale, Inv. Nr. 36, vgl. FLEMMING, LEHMANN, SCHUBERT, Dom 241–242. ELBERN, Diskos 113–125 (mit Literatur). 87 Vgl. ebd. 159. 88 Beleg der heute in der UB Göttingen liegenden Schenkungsurkunde ebd. 240. Text ediert bei SCHMIDT, Urkundenbuch 402 und 401. Vgl. auch ELBERN, Diskos 122–123. Der Hinweis, „daß die Schale in der westlichen Kultpraxis bzw. als Patene nicht gebraucht werden konnte“ (ebd. 122), müsste von den Aussagen des Breviariums her neu diskutiert werden. 89 Text in Umschrift bei FLEMMING, LEHMANN, SCHUBERT, Dom 241.
3. Kommentar
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dest an diesem Tag durch die Entfernung der Trägerfiguren und des Stephanusreliquiars rückgängig machen müssen. Im Rahmen der Messe werden drei Öle geweiht, das Krankenöl während des Canons, das Chrisamöl und das Katechumenenöl bei der Kommunion. Die Weihe des Krankenöls im Rahmen des Canon Missae ist in den Quellen durchgängig belegt, so dass die Ordnung in Halberstadt hier keine Besonderheit darstellt.90 Nach der Elevation bringt der Subkustos das Gefäß mit dem Krankenöl herbei und bleibt an der rechten Altarseite stehen (Nr. 5). Die Weihe ist zwischen das Gebet „Nobis quoque peccatoribus“ und das abschließende „per quem haec omnia“ eingeschoben, wie dies auch das Pontificale Romano-Germanicum vorsieht.91 Leider fehlt ein Vermerk auf das Weihegebet.92 Dafür aber wird ein im Pontifikale nicht notierter Segensgestus des Bischofs über die Ampulle mit dem Öl erwähnt („tractus“). Aus dem Hinweis der Handschrift „sicut facit super calicem“ lässt sich schließen, hier handele es sich um ein Kreuzzeichen. Beachtenswert ist, dass dieser Segen mit der Hostie vollzogen wird, so wie es auch beim „Per ipsum“ des Canons üblich war, mit der Hostie dreimal ein Kreuzzeichen über den Kelch zu ziehen.93 Nach dem Pater Noster wird das Heilige Öl verehrt und an seinen Platz gebracht, der allerdings nicht näher angezeigt wird. Die Verehrung des Öls durch den Ruf „Salve sanctum oleum“ verdient insofern Beachtung, als das Pontificale Romano-Germanicum eine solche Akklamation nicht kennt. Wohl aber vermerkt ein Gründonnerstagsordo des römischen Pontifikale des 12. Jahrhunderts einen solchen Gruß, allerdings erst für das Chrisamöl. 94 Unbeschadet der Tatsache, dass das Breviarium weitgehend der liturgischen Tradition folgt, die auch das 90
MAIER , Feier 40.61 u.ö., liefert Belegstellen hierfür. Vgl. PRG 99, Nr. 259–262 (VOGEL, ELZE, PRG 2,70). 92 Weder das Semeca-Missale selbst noch das im Domarchiv enthaltene Sakramentar des 10. Jahrhunderts vermerken Gebete oder Riten zur Ölweihe. Das Semeca-Missale enthält lediglich fol. 216 einen Zusatz von jüngerer Hand: „Si episcopus celebrat, dicetur Gloria in excelsis deo, aliter non.“ Zum Sakramentar vgl. SCHMIDT, GymnasialBibliothek II 12–13 Nr. 153 (fälschlich als Breviarium geführt). Dieses Sakramentar verdiente eine genaue liturgiewissenschaftliche Untersuchung. 93 Damit wäre dieser Brauch eine Fortführung der Segenszeichen beim „Per ipsum,“ die nun aus Gründen der Rangordnung bei den Heiligen Ölen zahlenmäßig verringert werden. Zu den Kreuzzeichen mit der Hostie über den Kelch vgl. J UNGMANN, MS 2,332– 336. Die Angaben aus Halberstadt unterscheiden sich übrigens von denen des PRG 99, Nr. 259–262 (VOGEL, ELZE, PRG 2,70). Letztere sehen eine Oration vor, kennen aber den Segensritus mit der Hostie nicht. 94 „Ave sanctum chrisma,“ in: Pontificale Romanum des 12. Jahrhunderts. ANDRIEU, Pontifical 1, 30c, Nr. 17 (ANDRIEU 1,232). Zur Einführung und Verbreitung dieses Rufes zur Chrisamverehrung vgl. W ÜNSCHE , Kathedralliturgie 148–149. Zum römischen Pontifikale des 12. Jahrhunderts vgl. VOGEL, Medieval Liturgy 249–251. Zu diesem Gründonnerstagsordo vgl. MAIER , Feier 138–140. 91
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IV. Die Liturgie des Gründonnerstags
Pontificale schildert, stellt sich hier die Frage nach den Vorbildern der Halberstädter Liturgie. Schwierig zu erschließen sind die Bräuche der Kommunionriten. Zunächst folgt dem Pater Noster der Segen des Bischofs, der dazu mit der Infula bekleidet wird (Nr. 6). Das Breviarium bietet keinen Hinweis auf den Text des Segens. Doch hat sich das entsprechende Rollenbuch im Halberstädter Stadtarchiv erhalten, das die bischöflichen Segensgebete notiert. Es führt für den Gründonnerstag das im Pontificale Romano-Germancium an dieser Stelle übliche Gebet „Benedicat vos deus“ an.95 An zwei Stellen wird das Agnus Dei vermerkt, nämlich einmal an der gewohnten Stelle vor der Kommunion, sodann nochmals nach der Weihe der beiden Tauföle (10). Heißt dies tatsächlich, dass das Agnus Dei zweimal gesungen oder gebetet wurde, oder handelt es sich um unsystematisierte Aussagen über dasselbe Gebet, die einmal den liturgischen Ort (nämlich nach der Kommunion), einmal die Art der Ausführung (dass nämlich dreimal das „Miserere“ zu beten ist) angeben? Auch einige Bamberger Handschriften erwähnen das Agnus Dei doppelt, was ebenfalls letztlich unerklärt bleibt. 96 Die im Pontificale Romano-Germanicum aufgeführte Kommunion des Bischofs vor der Ölweihe, die Kommunion der übrigen nach der Ölweihe lässt sich im Breviarium nicht verifizieren.97 Im Gegenteil: Ausdrücklich wird erwähnt, dass der Bischof nach seiner Kommunion den soeben rekonziliierten Büßern, dann den übrigen die Kommunion reicht. Dies könnte seinen Grund darin haben, dass dem Eucharistieempfang der Büßer nach ihrer Versöhnung besondere Bedeutung zukommt und sie so direkt nach dem Bischof kommunizieren. Nun folgt die Konsekration des Chrisams und des Katechumenenöls (Nr. 8f). Sie wird eröffnet durch die Prozession mit den zu weihenden Taufölen, die von den auch im Pontificale Romano-Germanicum üblichen Gesängen begleitet wird. 98 Orationen oder eine Weihepräfation überliefert das Breviarium nicht, jedoch wird man wahrscheinlich von den Gebeten ausgehen können, die das Pontificale nennt.99 Beide Male erwähnt das Breviarium einen Gruß des geweihten Öls, der, wie schon erwähnt, erst im 12. Jahrhundert in die Riten des Gründonnerstags Eingang fand.100 95 Text im PRG 99, Nr. 266 (VOGEL, E LZE, PRG 2,71). Die Halberstädter Handschrift trägt den Titel „Benedictiones pontificales per circulum anni,“ 15. Jahrhundert. Signatur Stadtarchiv Halberstadt M 155. Vgl. hierzu SCHMIDT, Gymnasial-Bibliothek II 13 Nr. 155. Auf fol. IIIIv führt die Handschrift das Segensgebet „In cena domini“ auf. 96 Vgl. die Übersicht bei W ÜNSCHE , Kathedralliturgie 366–367. 97 Vgl. dazu MAIER , Feier 128 u. 134. 98 Vgl. ebd. 129–130. 99 Vgl. PRG 99, Nr. 268–280 (VOGEL, ELZE, PRG 2,71–76). 100 Vgl. dazu MAIER , Feier 139 u. 143.
3. Kommentar
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Der Gottesdienst schließt mit der Vesper (Nr. 10), von der das Breviarium nur das Magnifikat erwähnt.101 Ein anschließendes rituelles Mahl mit Fußwaschung, wie anderswo üblich, 102 notiert das Breviarium nicht. 3.2. Die Liturgie des Karfreitags Die Struktur des Karfreitagsgottesdienst entspricht in den wesentlichen Zügen der durch das Pontificale Romano-Germanicum vorgegebenen Grundordnung, wie sie im Verlauf des Mittelalters gewachsen ist: Die Feier besteht aus Wortgottesdienst, Kreuzverehrung und Kommunionteil.103 Ergänzt wird lediglich die in spätmittelalterlicher Zeit üblich gewordene „Depositio crucis.“104 Die Geistlichkeit kleidet sich im Sakrarium, der Sakristei, an und geht in den Chor, „manibus sub casulis habentes,“ also in Glockenkaseln (Nr. 12). Die liturgische Kleidung ergibt in Halberstadt ein buntes Bild, wie es wenig später im Breviarium beschrieben wird (Nr. 13): Zwei Vikare tragen weiße Alben, zwei Domherren schwarze Tuniken, zwei Diakone sind mit geschürzten roten Kaseln angetan („rufis casulis precincti“). Damit folgt man dem im Mittelalter durchaus üblichen Farbenkanon für diesen Tag. 105 Es beginnt der Wortgottesdienst des Karfreitags, der dem üblichen Schema folgt, wie aus der erwähnten Oration „Deus, a quo et Iudas“ zu ersehen ist und wie ein Vergleich mit den Texten des Semeca-Missale deutlich macht.106 Er wird vom Ambo aus vollzogen, womit wahrschein-
101
Vgl. PRG 99, Nr. 284–286 (VOGEL, ELZE, PRG 2,77). Vgl. dazu ODENTHAL, Liber Ordinarius 123–124.227. Auch PRG 99, Nr. 287 (VOGEL, E LZE , PRG 2,77–78). 103 Vgl. das Modell IV bei AUF DER MAUR, Feiern 108. Zur Geschichte der Karfreitagsliturgie vgl. W ÜNSCHE, Kathedralliturgie 183–194. Vgl. auch die Darstellung und Problematisierung bei KLÖCKENER, Feier vom Leiden. Vgl. RÖMER, Liturgie. 104 Vgl. zur Entstehung und Herkunft der Grablegung AUF DER MAUR, Feiern 112– 113; WÜNSCHE , Kathedralliturgie 249–255. 105 Das PRG 99, Nr. 304 (VOGEL, ELZE, PRG 2,86) erwähnt für den Karfreitag ausdrücklich: „vestibus quadragesimalibus induti, scilicet planetis fuscis,“ also Glockenka seln. Einige solcher Kaseln haben sich im Halberstädter Domschatz erhalten. Einzig die liturgische Farbe divergiert: im PRG grau oder dunkel, in Halberstadt rot. Zur Problematik des liturgischen Farbenkanons des Mittelalters vgl. KROOS, KOBLER, Farbe; zu Karfreitag etwa 60 u. 78–79, mit dem Ergebnis, für Karfreitag fänden sich mehr Nachweise für Rot als für Schwarz. Auch in Bamberg wurden rote Kaseln verwendet, vgl. WÜNSCHE , Kathedralliturgie etwa 226. Falls mit den erwähnten Tuniken die Tunicella, die Dalmatica minor gemeint ist und nicht bloß ein Talar, würde zusätzlich als Farbe eines Paraments auch Schwarz verwendet werden. Zur begrifflichen Schwierigkeit vgl. P ESCH, Gewandung, etwa 214. 106 Die Ordnung des PRG 99, Nr. 305–307 (VOGEL, ELZE, PRG 2,87) sieht Hos 6, Ex 12 und Joh 18 vor. Im Verlauf der Liturgiegeschichte hatte sich die Lesung Ex 12 gegen 102
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IV. Die Liturgie des Gründonnerstags
lich die Lettneranlage des ottonischen Domes gemeint ist. Auf den Segen für den Diakon wird bei der Passion verzichtet. Damit hat sich zumindest an dieser Stelle der Brauch erhalten, die Zeremonien am Karfreitag möglichst schlicht zu feiern.107 Nach den Fürbitten, die wiederum der Ordnung des Pontificale Romano-Germanicum entsprechen dürften,108 folgt die Kreuzfeier (Nr. 13–16). Die Kleriker betreten den Altarraum des Chores und verehren das Kreuz, das von zwei Diakonen in roten Gewändern gehalten wird. Es folgt eine detaillierte Beschreibung der Kreuzverehrung und der Prozession zum Kreuzaltar. Dort wird das Kreuz vom Bischof mit dem Gesang des „Ecce lignum“ erhöht,109 um nach der Vesper im Heiligen Grab niedergelegt zu werden. Vor allem die Darbringung der Denare, dreimal zu Ehren der Kreuzeswunden und einmal an die Reliquien, ist beachtenswert (Nr. 16). Es ist dies eine Form der verbreiteten Karfreitagsoblation, die wohl im Gebiet der französischen Eigenkirchen ihren Ursprung hat. 110 In Halberstadt sind – wie andernorts auch – alle in den Opfergang eingebunden, der Bischof, die übrige Geistlichkeit und schließlich die ganze Gemeinde (Nr. 18).111 Eine Besonderheit ist die Opferung an die Wundmale und Reliquien, über deren nähere Ausgestaltung man leider nichts erfährt. Vielleicht handelt es sich um eine Weiterentwicklung und Ausgestaltung der drei Orationen zu den drei Kniebeugen vor dem Kreuz, die das Pontificale Romano-Germanicum kennt.112 Die Darbringung der Denare schließt sich an eine vom Bischof gesprochene Oration an: „et tunc legat... postea orationem hoc in libro scriptam.“ Dies ist der einzige Verweis, den das Breviarium auf das Semeca-Missale gibt, dessen Ergänzung es ja darstellt. Die gemeinte Oration findet sich im Semeca-Missale fol. 234–236: Oratio ad adorandam crucem. Domine Jesu Christe, gloriosissime conditor mundi, qui crucis splendor gloriae et coeternus equalisque patri et sancto spiritui, ideoque dignatus es carnem ex immaculata virgine sumere et gloriosissimas palmas crucis patibulo permisisti configi, ut claustra dissipares inferni et humanum genus liberares a morte, miserere Dtn 16 durchgesetzt. Vgl. dazu KLÖCKENER, Feier vom Leiden 227. Das Semeca-Missale führt fol. 219–222 die Initien dieser im PRG genannten Schriftlesungen auf. 107 Vgl. hierzu RÖMER, Liturgie 62–63. 108 Die im Semeca-Missale (fol. 222–229) aufgeführten Fürbitten entsprechen denen des PRG 99, Nr. 309C–327C (VOGEL, ELZE, PRG 2,87–90). 109 Vgl. PRG 99, Nr. 334 (VOGEL, ELZE, PRG 2,92). 110 Vgl. hierzu LECHNER , Karfreitagsoblation 57. Vgl. auch RÖMER, Liturgie 72. Auch in Essen existierte dieser Brauch. Vgl. hierzu B ÄRSCH, Feier 131 (mit weiteren Belegen). 111 Belege für den Klerus als Opfernde bei LECHNER , Karfreitagsoblation 63–64. Zum Geld als Opfermaterie vgl. ebd. 59, auch 74–75. 112 Vgl. PRG 99, Nr. 331–333 (VOGEL, ELZE, PRG 2,91–92). Zur Ausbildung des „dreistufigen Gebetsgangs“ vgl. RÖMER , Liturgie 76–78.
3. Kommentar
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/fol. 235/ mihi, servo tuo, oppresso facinorum pondere sordidato nequitiarum labe, non me digneris derelinquere, gloriosissime domine, sed dignare mihi indulgere, quia impie egi. Exaudi me prostratum coram adoranda cruce tua, ut his sacris sollempniis merear assistere mundus, et placere tuo conspectui, ut, liberatus a malis omnibus, tuo semper sim adiutorio consolatus. Signum sancte crucis domini nostri Jesu Christi filii Dei vivi, mis erere in famulo tuo. Apud me sis, ut defendas a maligno animam meam. Intra me sis, ut purifices cor famuli tui. Circa me sis, ut conserves me /fol. 236/ ab omni malo. Ante me sis, ut deducas me in vitam aeternam. Per.
Die Oration bildet die Variante eines Gebetes karolingischen Ursprungs. Bei Sigebert von Minden findet sie sich – im Anschluss an den Messordo – zur Kreuzverehrung am Karfreitag.113 Damit zeigt sich die Tendenz, den Ritus auf priesterliche Privatfrömmigkeit hin auszugestalten, wie dies auch im Rheinischen Messordo der Fall ist. Nun schließt sich die Kommunionfeier an (Nr. 17–19), zu der erneut die „scutella argentea“ gebraucht wird. Wie im Mittelalter üblich, ist die Kommunionfeier mit dem Ritus eines mit Wein gefüllten Kelches verbunden, in den ein Partikel der Eucharistie getan wird.114 Das für den Priester und die übrigen vor der Kommunion vorgesehene Schuldbekenntnis zeigt die in spätmittelalterlicher Frömmigkeit oft begegnende Tendenz, die Sündigkeit des Menschen in Apologien auszudrücken.115 Nach der Vesper um den Altar folgt die Grablegung des Kreuzes (Nr. 20), begleitet von den üblichen Responsorien. 116 Das Heilige Grab scheint wohl unweit des Kreuzaltares errichtet worden zu sein, wenn das Breviarium als ersten Ort der Prostratio des Bischofs vorher bei der Kreuzverehrung den „locum sepulchri“ angibt. Die sehr schwer zu deutenden Hinweise des Breviariums bedürften dringend der weiteren Diskussion mit der Architekturgeschichte, um eventuelle Orte sicher belegen zu können und die Frage der Datierung des Breviariums abschließend sichern zu können. Denn gerade die Nennung des Kreuzaltares setzt eine intakte Domanlage mit einer Lettnerbühne im Vierungsbereich voraus, die die eingangs vertretene These untermauert, das Breviarium beschreibe noch die Bräuche des ottonischen Domes. Tendenzen, die für die Veränderung der Karfreitagsriten im Verlauf des 113
Vgl. zu dieser Oration P IERCE, Sacerdotal spirituality 260, Nr. 207. Zu Herkunft und Alter der Oration vgl. ebd. 432–433. 114 Zum Mischungsritus mit dem unkonsekrierten Wein vgl. ANDRIEU, Immixtio. Vgl. auch mit Literaturhinweisen ODENTHAL, Liber Ordinarius 129–131. Vgl. auch KLÖCKENER , Feier vom Leiden 228–229, zur heutigen Problematik der Kommunionfeier 244– 247. Zur sog. Missa praesanctificatorum am Karfreitag allgemein vgl. RÖMER , Liturgie 86–93. 115 Vgl. zu dieser Tendenz etwa ODENTHAL, Formulare. Das Confiteor war auch in Essen und anderswo üblich. Vgl. hierzu die Belege bei BÄRSCH, Feier 134–135. 116 Vgl. hierzu ebd. 141–146, zu den Gesängen 146.
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IV. Die Liturgie des Gründonnerstags
Mittelalters festgestellt wurden, sind auch in der Halberstädter Ordnung auszumachen.117 Zunächst ist eine Verfeierlichung der Karfreitagsriten gegenüber der ursprünglichen Schlichtheit festzustellen, die mit der Dramatisierung der Liturgie einhergeht. Hierzu zählen die rituell aufwendig gestalteten Riten um die Kreuzverehrung mit den Opfergaben für die Wundmale und Reliquien sowie alle Bräuche um das Heilige Grab, die visuell-symbolisch das Karfreitagsgeschehen ausdeuten. Ein weiteres Kriterium ist die Betonung der individuellen Frömmigkeit. Hier sind etwa die Privatgebete des Bischofs bei der Kreuzverehrung oder das Confiteor vor dem Kommunionteil des Karfreitagsgottesdienstes zu nennen. 118 Ebenso zeigt sich die Tendenz, den Kommunionteil an den Messritus anzugleichen durch den am Karfreitag üblich gewordenen Mischungsritus des nicht konsekrierten Weines mit einem Partikel der Hostie. Die Ordnung des Karfreitagsgottesdienstes in Halberstadt folgt somit den gängigen Ausprägungen spätmittelalterlicher Liturgie. 3.3. Die Liturgie des Karsamstags Die Vorverlegung der Ostervigil auf den Vormittag des Karsamstags im Lauf des Mittelalters zeigt sicherlich den Bedeutungsverlust dieser Feier an; dies tat jedoch der Festlichkeit des Zeremoniells kaum Abbruch. 119 Andere Formen gleichen diesen Verlust aus, so die oft dramatisch ausgestaltete Elevatio crucis oder Visitatio sepulchri, also die Bräuche am Heiligen Grab, die nun in der eigentlichen Osternacht stattfinden.120 Die Angaben des Breviariums, die nur den Anfang der Ostervigil berichten, machen deutlich, dass das Empfinden für die Osternachtfeier als Höhepunkt des Triduum Sacrum auch in Halberstadt verlorengegangen ist.121 Für die Rekonstruktion der Ordnung ergeben sich zwei Schwierigkeiten. 117
Vgl. zum Ganzen W ÜNSCHE, Kathedralliturgie 260–265. Die Tendenz findet im „Pontificale secundum consuetudinem et usum romanae curiae“ ihren Abschluss. Hier ist ein eigener Offertoriumsritus mit Händewaschung etc. ausgebildet. Vgl. Pontificale secundum consuetudinem et usum romanae curiae des 13. Jahrhunderts. ANDRIEU, Pontifical 2, 43 Nr. 15γ–17γ (ANDRIEU 2,467–468). Zum Confiteor in Bamberg vgl. W ÜNSCHE , Kathedralliturgie 244 u. 263. Vgl. zum ganzen AUF DER MAUR , Feiern 112. 119 Vgl. W ÜNSCHE, Kathedralliturgie 266. Zur Geschichte der Feier vgl. ebd. 268–274. Die oft einseitig negative Bewertung der Veränderungen um die Ostervigil wäre damit ein gutes Beispiel für die Problematik einer „Verfallshypothese,“ wie sie vor kurzem Arnold Angenendt aufgezeigt hat. Vgl. ANGENENDT, Liturgik und Historik, hier etwa das Kapitel zur spätmittelalterlichen Frömmigkeit, 149–168. 120 Siehe hier etwa die reich ausgestalteten Bräuche in Essen. Vgl. B ÄRSCH, Feier 194–240. 121 Zur Erneuerung der Osternacht im 20. Jahrhundert vgl. die Übersicht bei AUF DER MAUR , Feiern 130–138. Vgl. auch KLÖCKENER, Feier vom Leiden 229–249. 118
3. Kommentar
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Erstens endet die Beschreibung der Ostervigil mit dem Hinweis, man gehe zum Taufort. Es folgen dann nur noch die Texte der in der Karliturgie zu verwendenden Hymnen. Zweitens ist das Exsultet nicht in den fortlaufenden Text integriert, sondern am unteren Seitenrand nachgetragen. War etwa hier mit der Feier der Ostervigil ein Punkt erreicht, an dem man die liturgische Ordnung getrost aus anderen Rollenbüchern ablesen konnte und eines Ordinarius nicht mehr bedurfte? Oder zeigt sich hier die Umbruchssituation, die durch den beginnenden Ausbau des gotischen Domes gegeben war und einfach nur Provisorien der Gestaltung zuließ? Durch den Verlust der Ordinarien kann keine Antwort gegeben werden. Der Karsamstag beginnt mit dem gesprochenen Chorgebet am frühen Morgen (Nr. 21). Danach werden, wie im Pontificale RomanoGermanicum Altar, Chor und Fußboden geschmückt.122 Zu denken ist hier zum einen wohl an Teppiche, die den Boden bedecken, zum anderen an die Apostelteppiche, die nach Auskunft des jüngeren Ordinarius auch in der Adventszeit aufgehängt werden. Um 8 Uhr werden die kleinen Horen gebetet. Der Verlauf der Ostervigil (NR: 22–23) entspricht wiederum in groben Zügen den Angaben des Pontificale Romano-Germanicum, indem eine Feuerweihe am Anfang der Feier steht und von der „Benedictio cerei“ zu unterscheiden ist. Die Prozession zum Ort der Feuerweihe, der nicht näher benannt ist, wird begleitet von den sieben Bußpsalmen.123 Der Segnung des Feuers folgt die Prozession in den Chor, wobei eine Litanei gebetet wird.124 Bemerkenswert und schwer zu deuten ist die Formulierung „ibunt quasi ad baptisterium,“ die anlässlich dieser Prozession in den Chor gewählt ist. Für den ältesten Halberstädter Kirchenbau (begonnen wohl um 802) an der Stelle des heutigen Domes konnte eine Taufstelle nachgewiesen werden. Deren Funktion scheint jedoch bald auf einen westlich des Domes gelegenen, ursprünglich eigenständigen, im Lauf des 9. Jahrhunderts als Westwerk in den Dom integrierten Bau übergegangen zu sein.125 Wird mit dem „quasi ad baptisterium“ die Erinnerung an eine eigene Taufkapelle aufrechterhalten? Dient dieser Hinweis schlicht als Richtungsangabe für die Prozession, die dann den Chor durch die Bischofspforte betritt? 122
Vgl. PRG 99, Nr. 337 (VOGEL, ELZE, PRG 2,93). Das PRG 99, Nr. 336 (VOGEL, ELZE, PRG 2,93) stellt die sieben Bußpsalmen an den Anfang des gesamten Offiziums des Karsamstags. Das Breviarium jedoch entspricht hier den Angaben des OR 50. Er ordnet die Bußpsalmen vor die Feuerweihe ein: OR 50, 29, Nr. 13 (ANDRIEU 5,265). Vgl. auch besonders zur Kölner Tradition B ÄRSCH, Feier 161. 124 Der Name „septena“ weist auf die siebenmalige Wiederholung der Anrufungen hin. Vgl. hierzu ebd. 181. 125 Vgl. zur Problematik der Taufstätte und der Vorgängerbauten LEOPOLD, Halberstädter Dom. 123
100
IV. Die Liturgie des Gründonnerstags
Oder ist nur das romanische Taufbecken gemeint, das im Dom Aufstellung fand und einen Ersatz für das Baptisterium bieten muss? Die Fragen bleiben aufgrund der knappen Angaben offen. Nach dem Gesang „Inventor rutili“ 126 wird die Osterkerze mit einer Kerze, die vom Osterfeuer aus mit der Prozession in den Chor getragen wurde („cum lumine“),127 angezündet. Im Chor findet die eigentliche Segnung und Bereitung der Osterkerze statt.128 Nach dem Gesang des Exsultet und dem (wohl alttestamentlichen) Wortgottesdienst müsste nun die Weihe des Taufwassers folgen. Das Breviarium erwähnt aber nur noch die Prozession zum Taufort, der aber nicht wie oben als „baptisterium,“ sondern nun als „fons“ bezeichnet wird („itur ad fontem“). Der übliche Begleitgesang für diese Prozession ist der Hymnus „Rex sanctorum.“129 Über den Wortgottesdienst gibt es keine näheren Angaben mehr, denn es heißt schlicht: „deinde collecte et lectiones legentur,“ womit wohl zunächst der alttestamentliche Wortgottesdienst gemeint ist, der wie üblich durch Orationen ausgestaltet ist.130 Das Breviarium führt nun den gesamten Text des schon erwähnten Hymnus „Rex sanctorum angelorum“ an. 131 Hier brechen die Angaben zur Liturgie der Ostervigil ab, die Tauffeier, den neutestamentlichen Wortgottesdienst sowie die Eucharistiefeier erwähnt das Breviarium nicht mehr, ebenso wenig die Stundenliturgie des folgenden Tages mit ihrer Osterfeier. Stattdessen wird ziemlich unvermittelt der Text des Hymnus zur Chrisamweihe „Audi iudex mortuorum“ angefügt.132 Wie die weitere Feier der Ostervigil gestaltet war, muss daher offenbleiben. Trotz der wenigen Angaben kann festgehalten werden, dass das Breviarium ein typischer Zeuge für die Veränderungen ist, die der Ostervigilgottesdienst im Mittelalter erfahren hat. Besonders durch die Vorverlegung der Feuer- und Kerzenweihe blieb von der ursprünglichen Symbolkraft wenig erhalten. Dafür wurde Ersatz geschaffen, etwa in den dramatisch ausgestalteten Osterfeiern um das Heilige Grab, die auch in Halberstadt üblich waren, wie aus anderen Quellen belegt werden kann. 133
126
Text in AHMA 50,30–32 Nr. 31. Vgl. zu diesem Hymnus B ÄRSCH, Feier 165–166. Vgl. PRG 99, Nr. 345C (VOGEL, E LZE, PRG 2,96–97). Vgl. hier auch die Bamberger Ordnung der Lichtfeier bei W ÜNSCHE , Kathedralliturgie 290–305. 128 Es liegt dem Breviarium die von AUF DER MAUR , Feiern 88, beschriebene Variante D der Lichtfeier zugrunde. Modifikationen gegenüber den Angaben des PRG 99, Nr. 346 (VOGEL, E LZE, PRG 2,97) sind etwa, dass die sieben Kerzen, die von der Osterkerze aus vor dem Altar entzündet werden, vom Breviarium nicht erwähnt werden. 129 Belege bei B ÄRSCH, Feier 181, Anm. 222. 130 Vgl. hierzu B ÄRSCH, Feier 169. 131 Text in AHMA 50,242–243 Nr. 183. 132 Text in AHMA 51,80–82 Nr. 77. 133 Siehe oben Anm. 25 und 26. 127
4. Ergebnis
101
4. Ergebnis 4. Ergebnis
Es war Ziel dieser Studie, auf die Bedeutung der Liturgie der Halberstädter Ortskirche hinzuweisen. Zu diesem Zweck wurde ein kurzer geschichtlicher Überblick gegeben, der besonders die Reformationszeit fokussierte und die Einzigartigkeit des gemischt konfessionellen Domkapitels und seiner Liturgie benannte. Zugleich wurde auf die erhaltenen liturgischen Quellen des Mittelalters und der Reformationszeit aufmerksam gemacht, die der weiteren Erforschung bedürfen. Erstmals publiziert wurde ein Auszug eines Ordinarius, der die Pontifikalliturgie des Gründonnerstags, Karfreitags und Karsamstags berichtet. Dieses sogenannte Breviarium konnte in die Zeit um 1300 datiert werden. Es gibt einen Einblick in die Kathedralliturgie eines Teils der Feiern des Triduum Sacrum. Bei der näheren Untersuchung zeigte sich, dass die Liturgie im Wesentlichen dem Ablauf folgt, der auch im römisch-deutschen Pontifikale beschrieben ist. Dennoch konnten lokale Besonderheiten festgemacht werden. So finden sich im Breviarium frühe Zeugnisse zum Halberstädter Adamsspiel. Diese Form eines öffentlichen Bußinstituts war hier noch lange geübter Brauch. Das Breviarium beschreibt die Versöhnung der Büßer am Gründonnerstag vor der Messe, bei der sie wieder zum Eucharistieempfang zugelassen wurden. Die Hinweise zur Ölweihe in der Gründonnerstagsmesse enthalten als Besonderheit einen Segensgestus des Priesters mit der Hostie über die Öle, stimmen aber ansonsten wiederum mit dem Ritus des römisch-deutschen Pontifikale überein. Gleiches lässt sich für die Liturgie des Karfreitags feststellen. Hier fiel die Darbringung der Denare durch den Priester an die Wundmale während der Kreuzverehrung besonders auf. Dieser Ritus, verbunden mit einem Privatgebet, konnte als ein beredtes Beispiel für die im Mittelalter üblich gewordene Orientierung auf die Person des Priesters und seine private Frömmigkeit beschrieben werden. Die Schilderung des Karsamstags mit der Feuer- und Kerzenweihe zeigte deutlich die verlorene Einheit des Triduum Sacrum, denn nicht einmal die gesamte auf den Karsamstag vorverlegte Ostervigil wird berichtet. Aus welchen Gründen das Breviarium nach dem allgemeinen Hinweis auf den Wortteil der Ostervigil abbricht, bleibt letztlich offen. Eine genaue Ableitung der liturgischen Tradition Halberstadts ist mit dem zum Vergleich herangezogenen römisch-deutschen Pontifikale noch nicht festgemacht. Sie bleibt weiterhin ein Forschungsdesiderat. Mittels noch zu leistender Quellenstudien, etwa der Auswertung eines im Domschatz befindlichen ottonischen Sakramentars,134 könnte hier vielleicht 134 Vgl. zu diesem Sakramentar SCHMIDT, Gymnasial-Bibliothek II 12–13 Nr. 153 (irrtümlich als Brevier geführt und ins 12. Jahrhundert datiert. Im Inventarverzeichnis des
102
IV. Die Liturgie des Gründonnerstags
nähere Klärung erzielt werden. Im Rahmen der Untersuchung wurde auch der interdisziplinäre Dialog mit der Kunst- und Architekturgeschichte angedacht. Durchaus hypothetisch wurden Verbindungslinien zu einzelnen Stücken des fast gänzlich erhaltenen Interieurs und Kirchenschatzes gezogen, um eine eventuelle liturgische Nutzung vorzustellen. Gleichermaßen wurde versucht, die Angaben bezüglich der dramatischen Ausgestaltung der Liturgie in die Topographie des Dombezirks einzubinden.
Denkmalamtes Halle wird es als Lektionar bezeichnet). FLEMMING, LEHMANN, SCHUBERT, Dom 251, weisen darauf hin, dass es nicht in Halberstadt entstanden sein kann, aber seit 975 dort aufbewahrt wird. Eine erste Durchsicht ergab, dass es sich um ein Mischsakramentar handelt. Interesse verdienen die vielen Nachträge, die diese Handschrift in Halberstadt erfuhr und die sich vor allem auf den Ordo Missae beziehen.
V. Vom Stephanusfest zum Palmsonntag. Die theologische Bedeutung der Gereonskirche für die mittelalterliche Kölner Stationsliturgie * V. Vom Stephanusfest zum Palmsonntag
1. Ausgangspunkt und Fragestellung Ausgangspunkt und Fragestellung
Die Liturgie in den Dom- und Stiftskirchen wurde im Laufe des Mittelalters derart aufwendig, dass sie eines eigenen Regiebuches bedurfte, des so genannten Liber Ordinarius. Ein solches Regelbuch des Gottesdienstes, eventuell für die Hand des Zeremonienmeisters bestimmt, konnte als Regiebuch sowohl für die feierliche Messe wie für die Stundenliturgie dienen. Die Bedeutung solcher Ordinarien für die Liturgiewissenschaft wie für die Kunstgeschichte besteht darin, dass man genaue Informationen über den Gottesdienst des Herkunftsortes mit seinen jeweiligen (zum Beispiel architektonischen) Bedingungen erhält. 1 Die Ordinarien der alten Stiftskirchen Kölns sind noch nicht alle erforscht.2 Eine umfassende Untersuchung liegt lediglich über den Gottesdienst des Apostelnstiftes mit Edition des ältesten Liber Ordinarius (13. Jahrhundert) 3 sowie für das Domstift vor.4 Eine weitere Lücke soll wenigstens in Ansätzen geschlossen werden, und zwar durch die erstmalige Edition eines spätmittelalterlichen Liber Ordinarius aus St. Gereon in diesem Band. Der dortige Gottesdienst wurde bis* Zuerst erschienen in: ODENTHAL, GERHARDS, St. Gereon 223–243. 1 Vgl. hierzu KOHLSCHEIN, WÜNSCHE, Heiliger Raum. 2 So existieren noch ein Liber Ordinarius in den Akten des Severinstiftes, der sich kürzlich als Ordinarius des Bonner Münsterstiftes entpuppte (Archiv des Erzbistums Köln, Pfarr-Archiv S. Severin, A II 3., fol. 284 ff., 14. Jahrhundert, vgl. hierzu ODENTHAL, G ERHARDS, Cassiusstift), ein Liber Ordinarius der Kreuzbrüder (Köln, Historisches Archiv der Stadt Köln, Geistliche Abteilung 140, 15. Jahrhundert; ein 2. Exemplar ebd. Gymnasialbibliothek 2 73, 1527), der Klosterkirche St. Caecilien (Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek, 94 in scrin., 1488), schließlich der Klosterkirche St. Maria Magdalena der Weißen Frauen (Bonn, Universitäts- und Landesbibliothek, S 1253, 1464). Sie alle sind bisher nicht umfassend erforscht. Der Ordinarius der Abtei St. Pantaleon (ehemals Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek, theol. 1565, 13. Jh.) ist seit dem 2. Weltkrieg verschollen. 3 Vgl. ODENTHAL, Liber Ordinarius. 4 Vgl. AMBERG, Ceremoniale.
104
V. Vom Stephanusfest zum Palmsonntag
lang zumeist im Zusammenhang mit anderen Kirchen zur Sprache gebracht5 oder mit Hilfe von Urkundentexten und anderen nicht genuin liturgischen Quellen dargestellt. 6 Der glückliche Fund eines Liber Ordinarius in einem Antiphonale des Stiftes von 1424 schafft nun willkommene Gelegenheit, diesen das gottesdienstliche Leben des Stiftes darstellenden Text zugänglich zu machen.7 Die folgenden Ausführungen widmen sich hingegen nur einem Teil der im Ordinarius dargestellten Feiern, nämlich den Stationsgottesdiensten Kölns, so sie in St. Gereon gehalten werden. Da der Ordinarius aber nur die Statio am Palmsonntag und am Vigiltag von Christi Himmelfahrt berichtet, werden auch andere liturgische Quellen hinzugezogen. Es soll der theologischen Bedeutung nachgegangen werden, die St. Gereon im Gesamt des Kölner Kirchenkranzes hatte, so sie sich noch rekonstruieren lässt. Die Stationsliturgie ist insofern ein zentrales Kapitel mittelalterlicher Liturgie und Theologie, als sich in ihr die typisch römische Prägung zeigt, um die man in Köln sehr bemüht war.
2. Das Stationskirchensystem als typisch römische Liturgie 2. Das Stationskirchensystem
Angelus Albert Häussling hat in seiner Studie über die Klosterliturgie folgende, für das Frühmittelalter und seine Liturgie typische Tendenz beschrieben: Man bemühte sich, die römische Liturgie in den nun entstehenden Klosterstädten oder Basilikaklöstern zu kopieren, und das typisch Römische war die Stationsliturgie, also eine Liturgie der Stadt, die sich im Laufe des Kirchenjahres an verschiedenen Orten zeitigte. Sie führte zu einer Häufung von Einzelfeiern, näherhin der Messe, die zur Ehre heiliger Orte, sprich der Altäre, gefeiert wurde. Das Entscheidende ist, dass man die einzelne Feier in ein das Gesamt durchdringende Liturgiesystem zu
5
Vgl. ODENTHAL, Palmsonntagsfeier. Vgl. NATTERMANN, Heilige, 210–220 (Mittelalter) und 519–531 (Neuzeit). 7 Von den noch im Inventarband von C LEMEN, Denkmäler II, 5 erwähnten 22 Nummern von Psalterien, Missalien etc. des 15. bis 18. Jahrhunderts sind nurmehr auffindbar drei Missalien des 17./18. Jahrhunderts im Reliquienschrank bzw. in der Sakristei der Kirche. Das im folgenden vorgestellte Antiphonar Bu 9 mit dem Liber Ordinarius, ein zweites Antiphonar des 16. Jahrhunderts (Bu 5) befinden sich heute im Besitz des Diöz esanmuseums in Köln. Ein weiteres Antiphonar und Graduale von 1541 ist im Besitz der Kölner Diözesanbibliothek und befindet sich als Dauerleihgabe in der Sakristei von St. Gereon. Es ist wohl identisch mit dem unter Signatur 451 noch im Pfarrarchiv verzeichneten Exemplar bei KRÄMER, Bibliothekskataloge 420. Ebd. auch ein Verzeichnis weiterer von St. Gereon erhaltenen Liturgica. 6
2. Das Stationskirchensystem
105
integrieren vermochte. 8 Dies galt auf der Ebene einer Stadt: die vielen Kirchenbauten wurden durch die an bestimmten Tagen vom gesamten Stadtklerus in ihnen vollzogene Liturgie in eine ideelle Einheit gebracht. Man legte dieses Prinzip aber auch für den einzelnen Kirchenraum zugrunde, der unter einem Dach nun verschiedene Heiligtümer, nämlich eine Vielzahl von Altären beherbergte. Häussling wehrt zu Recht der neuzeitlich geprägten Vorstellung, als sei die Liturgie durch und durch subjektiv gewesen, nur auf den einzelnen Priester hin ausgerichtet.9 Diese Tendenz trifft erst das Hoch-, sicher das Spätmittelalter: der integrierende Gesamtkontext eines liturgischen Systems geht nun verloren. Wenn Häussling als geistige Geburtsstätte solcher Umwälzungen die Pfalzkapelle in Aachen mit ihrem Gottesdienst annimmt, 10 so darf man vermuten, dass ein so bedeutendes Stift wie St. Gereon in Köln, nach dem Domstift dasjenige zweiten Ranges, bemüht war, in Bau und Ausstattung und der darin gefeierten Liturgie dem Rang anderer Orte nicht nachzustehen.11 Wurde Erzbischof Heribert (999–1021) mit dem Ausbau des Stadtgefüges in besondere Verbindung gebracht 12, so hat Gottfried Stracke hat für St. Aposteln mit einer Fülle von Romzitaten die theologische Grundidee der Ursprungsbasilika rekonstruieren können, die hauptsächlich mit dem Nachfolger Heriberts, Erzbischof Pilgrim (1021–1036) verbunden ist, also ins 11. Jahrhundert datiert – zweihundert Jahre nach den bei Häussling beschriebenen Prozessen13. Die Romorientierung Pilgrims erklärt sich – ähnlich wie bei seinem Vorgänger Heribert 14 – durch das Erzkanzleramt für Italien, das ab 1031 mit dem Kölner Bischofsstuhl verbunden war. Im Rahmen des Kölner Stationskirchenwesens kann, so das Ergebnis von Stracke, für St. Aposteln die Rolle angenommen werden, die in Rom St. Paul vor den Mauern zukam. Liturgische Belege hierfür liefert nicht zuletzt der Ordinarius des 13. Jahrhunderts. 15 Für St. Gereon stehen vergleichbare Untersuchungen noch aus. Dabei ist die Quellenlage schwierig,
8
Vgl. HÄUSSLING, Mönchskonvent. Vgl. auch HÄUSSLING, Liturgie. Vgl. für die Frühzeit Roms im Vergleich mit Konstantinopel und Jerusalem B ALDOVIN, The Urban Character. Vgl. ebenso die gute Übersicht bei DE B LAAUW, Contrasts. 9 Dies ist die Kritik an NUSSBAUM , Kloster, bei HÄUSSLING, Mönchskonvent 246–251 u.ö. 10 Vgl. HÄUSSLING, Mönchskonvent 332–338. 11 Davon zeugt etwa das heute in der Bibliothèque nationale in Paris aufbewahrte Sakramentar, Ms. Latin 817. Vgl. dazu JOERRES, Urkunden-Buch, 686–691, Anhang Nr. 6. 12 Vgl. B INDING, Städtebau. 13 Vgl. STRACKE , St. Aposteln 99–100, 119–123. – Zur Sakraltopographie Kölns insgesamt vgl. W OLFF, Kirchenfamilie. 14 Vgl. B INDING, Städtebau 16. 15 Vgl. ODENTHAL, Der älteste Liber Ordinarius 51–75.
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V. Vom Stephanusfest zum Palmsonntag
denn ein Ordinarius des Hochmittelalters fehlt. 16 Schließlich scheint es aufgrund der überaus komplexen Baugeschichte kaum möglich, für St. Gereon ein einziges Gründungskonzept anzunehmen. Verschiedene Bauphasen, jeweils neue liturgische Notwendigkeiten und vielleicht auch neue theologische Ideen treffen zusammen: der spätantike Zentralbau, später legendär mit der Hl. Helena verbunden; die Errichtung des Langchores nach Osten unter Anno II. (Weihe 1069); die Erweiterung des Chores und der Krypta unter Arnold II. (1151–56), schließlich die Neufassung des Zentralbaus im 13. Jahrhundert. 17 Die Spurensuche zum Verständnis dieses komplexen Gebildes ist mühselig. Hier soll ein erster Versuch unternommen werden, mittels der erhaltenen Quellen die liturgische Funktion der Gereonskirche im Kölner Stationskirchenwesen näher zu verstehen.
3. Die Quellenlage: der Ordinarius aus St. Gereon, das Prozessionale und Zeremoniale des Domes 3. Die Quellenlage
Der glückliche Fund eines Liber Ordinarius aus St. Gereon in einem Antiphonar des Stiftes von 1424 schafft willkommene Gelegenheit, diesen das gottesdienstliche Leben des Stiftes darstellenden Text zugänglich zu machen. Die Heftung der einzelnen Lagen des Antiphonars legt die Möglichkeit nahe, der Liber Ordinarius (fol. 1v–8r) könne ursprünglich aus einem anderen Zusammenhang stammen und später bei der Bindung des Buches mit eingeheftet worden sein. Seine Entstehungszeit dürfte dennoch in Verbindung mit dem Antiphonar stehen (nämlich 15. Jahrhundert), wie die Gotische Textura zeigt. Das Antiphonar, in dem sich der Ordinarius findet, ist im Fraterherrenkloster Weidenbach in Köln um das Jahr 1424 geschrie16 Die in der Kölner Dombibliothek als Dom-Hs. 241 geführte Sammelhandschrift des 12. und 13. Jahrhunderts läuft zwar unter dem Namen „Liber Ordinarius,“ ist jedoch kein liturgischer Ordinarius im eigentlichen Sinne und kann somit nicht herangezogen werden. Zu seinem Inhalt, etwa den vielen Angaben als Memorienbuch vgl. OEPEN, Katalogtext. Vgl. dazu auch HEUSGEN, Memorienbuch. 17 Bei alledem stellt sich die Frage, ab wann denn mit der Verehrung der Legionäre in St. Gereon allererst gerechnet werden kann. Johannes Deckers hat vor einiger Zeit die These formuliert, diese Verehrung gebe es erst seit dem 6. Jahrhundert. Dann aber, so folgert er, müsse es sich beim antiken Zentralbau ursprünglich eher um ein Mausoleum handeln, nicht um eine christliche Märtyrerkirche. Vgl. DECKERS, Kult. Interessanterweise ist Gereon über den Confessioaltar liturgisch ständig präsent, aber die Stationen aus Anlass seines Festes scheinen eher unbedeutend gewesen zu sein (s.u. 7.2.). Auch die Helenaverehrung ist deutlich sekundär. Die These von Deckers wird aufgegriffen und diskutiert von CRUSIUS, Basilicae 17. Angesichts der These von Deckers rechnet sie mit der Fähigkeit, „diesen architektonisch außergewöhnlichen Bau auf einem römischen Gräberfeld umzufunktionieren in eine Märtyrermemoria“ (ebd. 17).
3. Die Quellenlage
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ben worden und eine Stiftung des Kanonikers Peter von Adenouwe. 18 Auf fol. 1r findet sich folgender Stiftervermerk, der sich auf das Antiphonale als Ganzes bezieht: Liber iste scriptus et completus est ad utilitatem ecclesie sancti Gereon is de testamenti venerabilis domini Petri de Adennauue ecclesie huius canonici. Similiter de testamento eiusdem domini Petri procurata sunt duo collectaria necnon duo psalteria maiora una cum graduali in opposito iacens, scripta et perfecta in domo presbyterorum zo Weydenbach apud sanctum Panthaleonem per presbyteros et clericos prenotatam domum inhabitantes. Anno domini 1424. In augmentum divini honoris et laudis ac requiem proscripti testatoris.
Peter von Adenouwe ist als Kanoniker von St. Gereon durch seine Erwähnung in mehreren Beurkundungen bekannt. 19 Mittels einer Urkunde vom 8. Juli 1384 wird die in Vergessenheit geratene Gewohnheit erneuert, die Geistlichen sollten sonntags nur dann ihre Präsenzgelder erhalten, so sie an der Aspersion und eventuellen Stationes vor der „summa missa“ teilnähmen.20 Peter von Adenouwe war an dieser Maßnahme beteiligt. Dem Stifter des Antiphonars scheint also an einer würdigen Form der Liturgie gelegen zu haben, was auch die Einfügung des Liber Ordinarius in das Antiphonar erklären könnte. Vielleicht ist wie beim ältesten Liber Ordinarius des Apostelnstiftes an eine ältere Vorlage zu denken, die vielleicht im Kloster Weidenbach kopiert worden ist.21 Dass es einen mittelalterlichen Ordinarius gegeben hat, beweist ein Inventar der Gereonskirche von 1370, das ein „ordinarium anni“ aufzählt.22 Nach Fertigstellung des Dekagons und gotischem Umbau des Langchores im 14. Jahrhundert hat die Gereonskirche ihre heutige bauliche Gestalt erhalten. In dieser Epoche kann man sich die Abfassung eines Liber Ordinarius für den Gottesdienst in der nun vollendeten Kirche gut vorstellen. Vielleicht basiert hierauf dann jene Fassung, die im Antiphonar aus dem Kloster Weidenbach überliefert worden ist. Ein Liber Ordinarius ist von seinem Sinn und Zweck her traditionsbetont. Er möchte bislang geübte Bräuche schildern, um sie für die Zukunft zu sichern. Gottfried Amberg konnte für das neuzeitliche Domzeremoniale feststellen, dass noch liturgische Traditionen des doppelchörigen 18 Vgl. zu Stiftungen liturgischer Bücher die exemplarische Untersuchung von GUMMLICH, Liturgische Bücher. Solche Forschungen im Hinblick auf St. Gereon stehen noch aus. 19 So in einer Urkunde vom 12. Juli 1392 (vgl. J OERRES, Urkunden-Buch, 483, Nr. 483), vom 26. Juni 1393 (vgl. ebd. 512–513, Nr. 523), vom 18. März 1409 (vgl. ebd. 531, Nr. 551), schließlich in einer Urkunde vom 30. Juli 1411 (vgl. ebd. 533–534, Nr. 554). 20 Vgl. JOERRES, Urkunden-Buch, 495–496, Nr. 494. 21 Einzelne Wortwiederholungen könnten darauf schließen lassen, etwa die Korrektur fol. 3v'': ad altare Marie in sancte Marie virginis. Zu den Ordinarien aus St. Aposteln vgl. ODENTHAL, Der älteste Liber Ordinarius 32–33. 22 Vgl. Vgl. JOERRES, Urkunden-Buch, 445–454, hier 446 (Nr. 450, 25).
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alten Kölner Domes aufzuspüren sind.23 Auch für die Ordinarien aus St. Aposteln konnte eine große Beständigkeit der Liturgie nachgewiesen werden. Insofern ist es methodisch durchaus vertretbar, im spätmittelalterlichen Ordinarius aus St. Gereon nach Hinweisen zu suchen, die die Stellung von St. Gereon im Rahmen der Kölner Stationsliturgie deutlich machen und vielleicht noch auf ein früh- oder hochmittelalterliches theologisches Konzept hinweisen. Der Liber Ordinarius beschreibt nicht die Liturgie eines jeden Tages, sondern berichtet lediglich über die großen Festkreise des Kirchenjahres. Möglicherweise handelt es sich auch nur um einen Auszug aus einem nicht erhaltenen umfassenderen Liber Ordinarius. Am Beginn steht die Beschreibung des Weihnachtsfestes und des Tages der Purificatio Mariens. Überraschend ist, dass der Stephanustag nicht erwähnt wird, an dem doch nach Aussage der Libri Ordinarii des Apostelnstiftes St. Gereon Stationskirche ist.24 Auch der Zeitraum bis zum Palmsonntag wird nun völlig ausgespart. Erst mit dem nächtlichen Gottesdienst des Palmsonntag setzt der Bericht wieder ein. Da St. Gereon am Palmsonntag Stationskirche für die Palmweihe vor Beginn der großen Palmprozession der kölnischen Stifte war, sind die hier vermerkten Angaben von besonderer Bedeutung. Es schließt sich eine genaue Beschreibung der Karwoche, der Drei Österlichen Tage (Triduum paschale) sowie der Zeit bis zum Oktavtag von Pfingsten an. Besonders bedeutsam ist hier die Beschreibung der Bitttage vor Christi Himmelfahrt mit ihren Prozessionen. Mit dem Oktavtag von Pfingsten bricht der eigentliche Ordinarius ab. Es folgen unterschiedliche Angaben über die Wahl der Altäre zur Messfeier, über die Kleidung der Stiftsherren sowie über Prozessionen in der Stiftsimmunität. Abschließend werden die über das Kirchenjahr zu lesenden biblischen Bücher vermerkt. Um eventuelle theologische Konzepte erschließen zu können, werden Informationen liturgischer Quellen anderer Kirchen im Folgenden ergänzt. Hierzu wird vor allem auf das von Gottfried Amberg edierte Ceremoniale Coloniense (CerCol) des Kölner Domes zurückgegriffen, das sich heute im Historischen Archiv der Stadt Köln befindet.25 Amberg hat gezeigt, dass die Handschrift selbst spät entstand, nämlich im 18.Jahrhundert, dass aber Bräuche zum Teil noch aus hochmittelalterlicher Zeit überliefert werden. Weiter wird das heute ebenfalls im Historischen Archiv der Stadt Köln aufbewahrte Prozessionale des Domes vom Anfang des 14. Jahrhunderts
23
Vgl. AMBERG, Ceremoniale 14ff. Vgl. ODENTHAL, Der älteste Liber Ordinarius 59. 25 Signatur Domstift, Akten 1p, vgl. auch AMBERG, Ceremoniale. 24
4. Die dritte Weihnachtsmesse
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zu Rate gezogen, das in einzelnen Teilen bereits ediert worden ist. 26 Des Öfteren wird auch auf den Liber Ordinarius des Apostelnstiftes vom Ende des 13. Jahrhunderts verwiesen, der die Kölner Stationsliturgie sozusagen aus dem Blickwinkel des Nachbarstiftes berichtet und dabei einige Stationen in St. Gereon beschreibt, die nur von den Stiftsherren aus St. Aposteln eingehalten wurden, aber dennoch im Gesamt der Kölner Stationsliturgie Interesse verdienen.27
4. Die dritte Weihnachtsmesse im Dom und die Statio am Stephanustag in St. Gereon 4. Die dritte Weihnachtsmesse
Eine besondere Rolle hat St. Gereon in der Liturgie des Weihnachtsfestes, worüber der Ordinarius allerdings schweigt. Zum einen ist sie Stationskirche am Stephanustag, zum andern hat ein Kanoniker aus St. Gereon im Weihnachtshochamt des Domes eine besondere Bedeutung. Das Domzeremoniale berichtet vom Brauch, ein Edelherr aus St. Gereon oder ein Kanoniker des Domes singe die Prophetie der dritten Weihnachtsmesse im Dom: „Post collectam sequitur prophetia, quam cantabit unus dominorum ecclesiae sancti Gereonis de nobilibus, aut unus ecclesiae nostrae.”28 Da alle Stiftskollegien Kölns zur dritten Weihnachtsmesse im Dom zugegen sind,29 ist der liturgische Dienst des Kanonikers aus St. Gereon an hervorgehobener Stelle. Die Bedeutung dieses Brauches ergibt sich aus seiner Funktion im Gesamt der Feiern des Kirchenjahres, bei denen St. Gereon eine Rolle spielt. Hierzu ist es aufschlussreich, sich die Prophetie, die der Edelherr aus St. Gereon singt, näher anzusehen. Es ist die im Rahmen der Weihnachtsliturgie übliche Prophetie aus Jesaja (Jes 52,5–10).30 Die Lesung spricht vom Namen Gottes: „Darum soll mein Volk an jenem Tag meinen Namen erkennen und wissen, dass ich es bin, der sagt: Ich bin da“ (Jes 52,6), von den „Schritte[n] des Freudenboten, der Frieden ankündigt“ 26
Signatur Geistliche Abteilung 89b. Ediert sind die Bittprozessionen bei T ORSY, Bittprozessionen sowie der „Ordo in die palmarum“ bei ODENTHAL, Palmsonntagsfeier, 283–288. 27 Vgl. dazu ODENTHAL, Der älteste Liber Ordinarius 74–75. Zum Stationswesen Kölns allgemein vgl. ebd. 51–91 (mit weiterer Literatur). Vgl. grundlegend auch WOLFF, Kirchenfamilie. 28 CerCol 2v (AMBERG, Ceremoniale 76). 29 Vgl. zur Domstatio an Weihnachten ODENTHAL, Der älteste Liber Ordinarius 59. 30 Vgl. zum in Köln beibehaltenen dreigliedrigen Lesegottesdienst an Weihnachten ODENTHAL, Der älteste Liber Ordinarius 175–177. Die dortige Tabelle (292–299) zeigt, dass im Mittelalter diese und die Perikope am Stephanustag (s.u.) üblich waren. Vgl. dazu auch PETERS, Beiträge 122.
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V. Vom Stephanusfest zum Palmsonntag
(Jes 52,7), schließlich von Jerusalem, das durch den Herrn erlöst wird (Jes 52,9–10: „Alle Enden der Erde sehen das Heil unseres Gottes“). Nun ist diese Perikope nicht im Hinblick auf Köln oder gar St. Gereon hin ausgesucht, sondern, als Prophetie der Geburt Jesu gedeutet, allgemein üblich gewesen.31 Bei näherem Hinsehen ergibt sich auf anderer Ebene jedoch ein Bezug zu St. Gereon, und zwar über den Hinweis auf den Namen des Herrn, der Heil für Jerusalem bringt. Diese Botschaft, die der Kanoniker von St. Gereon verkündet, erschließt sich in ihrer Bedeutung für das Kölner Stationssystem unter dem Motto aus Psalm 118,26, der bei Mt 23,39 im Rahmen des Palmsonntagsgeschehens zitiert wird: „Benedictus, qui venit in nomine Domini – Hochgelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn.“ Dies scheint im Blick auf die Feier des Stephanustages mit seinem Evangelium und die Feier des Palmsonntags ein Schlüssel zur Stationsliturgie in St. Gereon zu sein, wie nun gezeigt wird. Am Weihnachtstag also verkündet der Kanoniker aus St. Gereon im Dom die Jesajaprophetie vom heilbringenden Namen Gottes. Am folgenden Stephanustag sind alle Stifte in der Stationskirche St. Gereon versammelt, während in Rom Santo Stefano Rotondo Stationskirche ist.32 Denn der Hochaltar der Gereonskirche, also der Altar des Stiftes in der Apsis des Hochchores, ist dem hl. Stephanus geweiht. Die Titel und Altarreliquien der Kirche sind beredt. Anlässlich der Weihe des Neubaus durch Anno 1069 sind die Titel der Kirche überliefert: Jesus Christus und sein lebendiges Kreuz, Maria, Johannes Baptist, Petrus und Paulus, Johannes Apostel, Stephanus – dann erst die Märtyrer Gereon und Gefährten. „In novo altari“ also wohl im neuen Annonischen Hochchor errichteten Altar befinden sich die Reliquien des hl. Kreuzes, des Grabestuches und Grabes Jesu, Weihrauch aus dem Grab Jesu, von Kleid und Grab Mariens, Kleid und Haar Johannes des Täufers, vom Haar des Stephanus, vom Stein, mit dem Stephanus getötet wurde, schließlich findet sich der Stein, über dem Gereon enthauptet wurde.33 Somit wird anhand der Reliquien des Kreuzes oder des Heiligen Grabes auf die Passion und die Auferstehung Jesu verwiesen und zugleich ein Bezug zu Jerusalem als dem Ort des Geschehens hergestellt. 34 31 Vgl. hierzu die Deutung bei Rupert von Deutz. RVPERTI T VITIENSIS, Liber 95–97, Nr. 22. Rupert zieht Ps. 75,2 zur Deutung dieser Prophetie heran. Dieser Vers betont wiederum den Namen: „magnum erat nomen eius“ (ebd. 95). 32 Vgl. hierzu KIRSCH, Stationskirchen 239–240. Vgl. auch die Tabelle bei DE B LAAUW, Contrasts 391. 33 Vgl. die „Notae S. Gereonis“ in einem Evangelienbuch des 11. Jahrhunderts, abgedruckt bei J OERRES, Urkunden-Buch, 690–691, ebenfalls bei GECHTER , Quellen, 541– 542. Vgl. zur Weihe auch OEDIGER , Regesten 285, Nr. 983. 34 Ein solcher Jerusalembezug ist durch das Fest selbst gegeben, dessen Ereignisse schließlich in Jerusalem stattfanden. Bezeichnenderweise ist das Fest seinerseits aus Jerusalem übernommen worden, wie die durch ein armenisches Lektionar des frühen 5.
5. St. Gereon als Collecta-Kirche
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Es fällt auf, dass der Gereonstitel und die Gereonsreliquien dem Stephanustitel nachgeordnet sind. Gereon ist schließlich der Confessioaltar an der Schwelle zum Hochchor geweiht, der Altar des Hochchors selbst trägt diesen Titel nur nachgeordnet. Diese Systematik und Auswahl der Patrozinien macht insofern Sinn, als dem ersten Kölner Märtyrer Gereon (Titel des Confessioaltares) der erste Märtyrer der Jerusalemer Urgemeinde und der ganzen Kirche entspricht (Stephanusaltar in der Ostapsis). Das Evangelium des Stephanusfestes steht in einem ganz besonderen Zusammenhang mit der Prophetie des Weihnachtstages und der Palmsonntagsstatio in St. Gereon, allerdings wiederum nicht so, als sei die Perikope eigens für die Stationsfeier in St. Gereon ausgesucht worden. Es geht um die bewusst in Kauf genommenen, aufgegriffenen oder inszenierten liturgischen Bezüge, die es sinnvoll machten, im Laufe des Mittelalters St. Gereon als Stationskirche an den erwähnten Tagen zu bestimmen. Der Text des Evangeliums am Stephanustag Mt 23, 34–39 beschreibt die Sendung von Weisen und Propheten, die aber abgelehnt und getötet werden. In Vers 37 klagt Jesus über Jerusalem, das seine Propheten tötet und weissagt selbst: „Darum wird euer Haus verlassen. Und ich sage euch: Von jetzt an werdet ihr mich nicht mehr sehen, bis ihr ruft: Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn“ (Mt 23, 38–39).“ Neben dem Jerusalemverweis interessiert vor allem der letzte Vers dieser Evangeliumsperikope, nämlich das Zitat aus Ps. 118,26: „Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn.“ Das Entscheidende ist, dass dieser Satz in der Liturgie des Kirchenjahres am Palmsonntag bedeutend wird, also dem Tag, an dem man wiederum St. Gereon als Stationskirche besucht. Von hierher erschließt sich einer der Gründe, St. Gereon als Collecta-Kirche des Palmsonntags zu wählen. Dies sei anhand der Statio in St. Gereon und der anschließenden Palmprozession näher erläutert.
5. St. Gereon als Collecta-Kirche am Palmsonntag 5. St. Gereon als Collecta-Kirche
Liturgiegeschichtlich vereint die Liturgie des Palmsonntags im Wesentlichen zwei Traditionen. Römischen Ursprungs ist die Passionsmesse, die den Beginn der Heiligen Woche markiert. Damit verschmilzt die Palmenweihe und Prozession zum Einzug Jesu in die heilige Stadt Jerusalem, die nach Jerusalemer Vorbild im gallisch-fränkischen Gebiet entstanden ist.35 Jahrhundert überlieferte Jerusalemer (Stations-)Ordnung zeigt. Vgl. hierzu AUF DER MAUR , Feste 65–357, hier 118 und 132–134. 35 Vgl. AUF DER MAUR, Feste 100. Er verweist hier auf den OR 50 und das Pontificale Romano-Germanicum.
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V. Vom Stephanusfest zum Palmsonntag
Ist für Rom St. Johannes im Lateran als alleinige Stationskirche, nämlich für die Passionsmesse, festgeschrieben, so ist die Kölner Topographie differenzierter. Als Sammelkirche dient St. Gereon, die damit der Ort der Palmenweihe ist. Von hier zieht die Prozession zum Dom St. Petrus für die Feier der Messe.36 St. Gereon ist zwar nicht im eigentlichen Sinne Stationskirche, hat aber als Sammelkirche Teil an der Liturgie, die in Rom mit St. Johannes im Lateran verbunden ist. Der Ordinarius aus St. Gereon berichtet über diese Statio (fol. 2r‘–2r‘‘): Tercia vero ad benediccionem palmarum cantatur. Si venerit episcopus eodem die ad ecclesiam sancti Gereonis, occurret ei conuentus eiusdem ecclesie cum gemina cruce ante porticum, quas {tenebunt} duo subdyaconi et thuribulo et aqua benedicta, et stabunt ibi ex utraque parte decenter sicut in choro. Prepositus vero et decanus induti cappis solempnibus thurificabunt eos. Quo facto porrigetur aqua benedicta episcopo et ipse asperget clerum circumstantem et populum, quod, si prepositus absens fuerit, faciet decanus et maior de capitulo cum eo. Si ambo absentes fuerint, facient maiores de capitulo. Post aspersionem aque benedicte reuertentur omnes precedentes episcopum bini et bini simul usque ad ostium templi. Et cum intrauerint, stabunt omnes in dextro scampno in inferiori monasterio, unusquisque in loco suo. Hoc intellecto quod decanus sit proximus ostio. Episcopus autem stabit cum prioribus maiore preposito. Decano maiore sancti Gereonis preposito ante ostium monasterii donec {...} percantetur responsorium Audi Israel cum uersu suo et repeticione absque Gloria patri. Quando eciam apportatur eodem die baculus sancti Petri, occurrent ei predicto modo ante porticum. Cum tunc intrauerunt, stabunt priores sancti Petri cum baculo ante ostium monasterii, donec cantata sit antiphona Ait Petrus. Quo peracto ascendent chorum, et cantabitur tercia. Super psalmos ad terciam {...}. Responsorium Ingrediente domino sine Gloria patri. Puer uersum Intende anime mee. Sequitur collecta. Benedicamus Domino. Statim is, qui benedicturus est ramos plamarum dicet collectam. Post collectam legetur epistola Venerunt filij Israel [Ex 15,27], quia ramorum benedictio fieri debet post epistolam. Responsorium Collegerunt, et antequam cantetur Ne forte veniant cantabitur versus Unus autem. Postea Ne forte veniant. Sequitur euangelium, postea benedictio palmarum.
Im Rahmen dieser Liturgie begegnet der für die inhaltliche Klammer so bedeutsame Text „Benedictus, qui venit in nomine Domini,“ und zwar gleich mehrfach. Das in St. Gereon verlesene Evangelium zur Palmenweihe Mt 21,1–9 bringt ihn ebenso zu Gehör wie die das Evangelium vertonende Antiphon „Cum appropinquasset,“ die beim Auszug aus St. Gereon gesungen wird und von der das Domzeremoniale und Domprozessionale berichten:37 Cum appropinquasset Dominus Jerosolymam, misit duos ex discipulis suis, dicens: Ite in castellum quod est contra vos, et invenietis pullum asinae alligatum, super quem nullus 36 Vgl. zum Brauch der Collecta HÄUSSLING, Mönchskonvent 195–198. In Rom ist S. Giovanni in Laterano Stationskirche, also wie in Köln die Bischofskirche. Vgl. dazu K IRSCH, Stationskirchen 205. Vgl. auch die Tabelle bei DE B LAAUW, Contrasts 392. 37 CerCol 16r (AMBERG, Ceremoniale 102) und 18r (ebd. 108); Prozessionale 19r (ODENTHAL, Palmsonntagsfeier, 84).
5. St. Gereon als Collecta-Kirche
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hominum sedit; solvite, et adducite mihi. Si quis vos interrogaverit, dicite: Opus Domino est. Solventes adduxerunt ad Jesum, et imposuerunt illi vestimenta, et sedit super eum. Alii expandebant vestimenta sua in via, alii ramos de arboribus prosternebant, et qui sequebantur clamabant: Hosanna, benedictus qui venit in nomine Domini, benedictum regnum Patris nostri David, hosanna in excelsis; miserere nobis, Fili David. 38
Schloss das Evangelium am Stephanustag mit den Worten „Von jetzt an werdet ihr mich nicht mehr sehen, bis ihr ruft: Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn,“ so ist dies nun in der liturgischen Feier der Fall. Die gesamte versammelte Gemeinde tätigt diesen Ruf, und zwar wiederum in St. Gereon. Die Ankündigung des Stephanustages mit Mt 23,39 findet nun ihre Einlösung mit Mt 21,9 im Evangelium zur Palmenweihe. Für den theologischen Bogen des Kirchenjahres heißt dies, dass die Verkündigung am Stephanustag, die von Jesus geweissagte Wiederaufnahme des Rufes „Benedictus,“ am Palmsonntag wieder aufgegriffen wird. Die Palmsonntagsliturgie wird zur Erfüllung der Zeitansage des Evangeliums vom Stephanusfest: „bis ihr ruft.“ Die Liturgie vertauscht übrigens hierbei die im Matthäusevangelium vorgegebene Reihenfolge. Der Vers des 23. Kapitels, den Matthäus nach dem Einzug Jesu in Jerusalem situiert und als Weissagung Jesu vor seinem Tod eschatologisch ausrichtet, wird in der Liturgie des Kirchenjahres vor dem Vers des 21. Kapitels aus der Perikope vom Einzug Jesu in Jerusalem verlesen. Beide werden liturgisch aufeinander bezogen und als Weissagung und Erfüllung einander zugeordnet. Dabei ist nun entscheidend, dass dies über ein und denselben Ort geschieht, St. Gereon. Die Verbindung von Stephanusfest und Palmsonntagsfeier wird in Köln anhand der einen Kirche für beide Feiern illustriert. Hier wird der Vers „Benedictus“ verkündet. Hier ist auch der Ort der Palmenweihe mit der Verkündigung und der Prozession, während der die Antiphon gesungen wird.39 Andere Bezüge mögen ferner die Wahl von St. Gereon als Stationskirche des Palmsonntags begünstigt haben. Statio und Prozession entstehen im gallisch-fränkischen Gebiet nach Jerusalemer Vorbild. Was lag näher, als Statio in dem für das Reich so bedeutenden Stift zu feiern, das der Legende nach von Kaiserin Helena gegründet war. Helena gilt ja als die große Wallfahrerin nach Jerusalem, die dort das heilige Kreuz auffindet. Ihre liturgische Tradition findet sich, ausgehend von Trier, neben Köln in Xanten und Bonn, und zwar forciert seit dem 13. Jahrhundert. 40 Im Jahre 1236 38
Der Text findet sich bei HESBERT, CAO 118, Nr. 1976. Der Bogen könnte sogar noch bis zur Prophetie des ersten Weihnachtstages gespannt werden. Die Friedensankündigung Jes 52,7 findet zumindest im liturgischen Ute nsil der Ölzweige eine Entsprechung, denn sie sind bei Rupert von Deutz Zeichen des Friedens: „...cum ramis olivarum, quae sunt pacis insignia“ (RVPERTI T VITIENSIS, Liber V, 7, 158 Haacke). 40 Vgl. HEID, Helena. In Xanten setzt sich das Fest im 13. Jahrhundert durch. Vgl. OEDIGER , Ordinarius 5; 1463 wird sie mit Viktor Patronin der Kirche genannt, ebd. N 12. 39
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V. Vom Stephanusfest zum Palmsonntag
sind die Kapitel der Stifte in Bonn, Xanten und Köln überzeugt, die Kaiserin Helena als Gründerin zu haben.41 Immerhin zählt das Gereonsstift die Krone der hl. Helena zu ihrem Reliquienschatz; der Ordinarius erwähnt sie am Tag Christi Himmelfahrt. Ein weiterer Bezugspunkt mag über das liturgische Utensil, die Palme, gegeben sein. Sie zeichnet die Märtyrer Stephanus (Patrozinium des Hochaltars im Langchor) und Gereon (Patrozinium des Confessioaltars über seinem Grab am Beginn des Chores) ebenso aus wie den Palmsonntag. Und schließlich vollzieht sich die Feier des königlichen Einzugs Jesu in Jerusalem (Christus als rex und Sohn David) für Köln in der „Soldatenkirche“ der Märtyrer der Thebäischen Legion. Die liturgischen Quellen halten eine weitere Besonderheit bereit, nämlich die Ausgestaltung der Palmenweihe und -prozession durch Antiphonen, die auf den mitgeführten Petrusstab des Domschatzes Bezug nehmen. Der Ordinarius berichtet, dass vor der Palmweihe die Kleriker des Domes bei ihrem Eintreffen mit dem Petrusstab durch eine besondere Antiphon begrüßt werden. Der Text der Antiphon lautet: Ait Petrus principibus sacerdotum: Jesum, quem vos interemistis suspendentes in ligno, hunc Deus suscitavit, ad principem ac salvatorem exaltavit, ad dandam poenitentiam in remissionem peccatorum. 42
Diese Antiphon ist in der römischen Liturgie eigentlich an Petrusfesten üblich.43 Neu ist also die Komposition im Rahmen der Palmliturgie, passend zur liturgischen Utensilie, denn immerhin wird der Petrusstab mitgetragen, eine der bedeutendsten Reliquien des Domes. Auf einer theologischen Bezugsebene macht diese Antiphon dann auch über die Verbindung zur Petrusreliquie hinaus Sinn. Erstens erscheint Petrus in der Antiphon als Verkünder des Pascha Jesu, seines Kreuzes und seiner Auferstehung, also der Ereignisse, die in der kommenden Woche des Triduum Sacrum gefeiert werden. Zweitens geschieht die Vergebung der Sünden, die die Antiphon erwähnt, bei der anschließenden Prozession: Der Bischof rekonziliiert die öffentlichen Sünder bei der Kirche St. Maria Ablass, die am Prozessionsweg zum Dom liegt. Drittens ergibt sich wiederum ein wichtiger Bezug zu Stephanus und dem ihm geweihten Hochaltar in St. Gereon. Denn nach der Antiphon, so der Ordinarius, begeben sich die Kleriker in den Hochchor zur Feier der Terz („ascendent chorum“). Das Domzeremoniale führt aus: „Finita tertia dicit archiepiscopus vel suffraganeus stans ante summum altare sancti Gereonis...“ und beschreibt so deutlich, dass man vor dem Hochaltar der Gereonskirche ist, also dem Stephanusaltar. 44 Nun ist die 41
Vgl. JOERRES, Urkunden-Buch, 108–111, Nr. 106. Vgl. OEDIGER , Köln 31. Act 5, 30–31. 43 Der Text mit Belegen bei HESBERT, CAO III, 36, Nr. 1317. 44 CerCol 15v (AMBERG, Ceremoniale 102). 42
5. St. Gereon als Collecta-Kirche
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erwähnte Antiphon dem 5. Kapitel der Apostelgeschichte entnommen. Im dann folgenden 6. und 7. Kapitel wird, im Anschluss an die Predigt des Petrus, die Stephanusgeschichte erzählt. Die in der Apostelgeschichte hergestellte Nähe von Petrus und Stephanus wird also mit Hilfe des Reliquienschatzes des Domes vor dem Stephanusaltar in St. Gereon augenfällig demonstriert. Der erste Papst und der erste Diakon der Kirche sind Exponenten einer typisch römischen Liturgie. 45 In diese Liturgie wird dann der typisch kölnische Heilige eingeführt, St. Gereon, der erste Märtyrer der Kölner Lokalkirche. Rituell wird die Grabeskirche St. Gereon mit dem Altar des ersten Märtyrers Kölns über den Hochaltartitulus St. Stephanus mit dem ersten Märtyrer der römischen Kirche verbunden, der als Diakon dem ersten Bischof von Rom, Petrus, begegnet. Die Reliquie des Petrusstabes und die Antiphon stellen eine solche Beziehung her. Das alles wird über die Antiphon in die Feier des Paschamysteriums eingebunden: Petrus als der erste Verkünder von Tod und Auferstehung Jesu gehört an den Anfang der Heiligen Woche und ist über die Reliquie des Petrusstabes präsent. Damit wird die sich bildende Kirche dargestellt: Petrus und Stephanus für die Urkirche – Gereon für Köln. Die Vielschichtigkeit der Bezüge dürfte damit deutlich werden: Das liturgische Geschehen des Stationsgottesdienstes passt sich ein in die Binnentopographie von St. Gereon und macht sich deren Altartituli zunutze. Nochmals zurück zum Anfang, der von einem Kanoniker aus St. Gereon gesungenen Prophetie der dritten Weihnachtsmesse im Dom und zur Stephanusstatio. Die biblischen Perikopen scheinen hier eine theologische Funktion über dem konkreten Gottesdienst, in dem sie verlesen werden, hinaus zu haben. Sie kündigen nämlich die Collecta am Palmsonntag in St. Gereon an und öffnen den theologischen Bogen der gesamten Paschafeier. Inhaltlich und personal, anhand dezenter theologischer Verweise und deren Rollenträger, wird auf die zentrale Feier des Kirchenjahres, die Heilige Woche, hingewiesen, die mit der Collecta in St. Gereon beginnt.46 Hier feiert die Kölner Kirche den Einzug des Herrn und Retters in Jerusalem, der die alte Prophetie erfüllt, dem man das „Hochgelobt sei, der da kommt 45 Nebenbei sei erwähnt, dass am Vorabend des Tages Christi Himmelfahrt, wenn erneut die Statio in St. Gereon stattfindet, der Ordinarius ausdrücklich erwähnt, der Stab würde auf den Stephanusaltar gelegt (s.u.). 46 Der römische Ordo I der feierlichen Papstmesse (7.–8. Jahrhundert) kennt die Ankündigung der nächsten Statio beim Kommunionempfang. Vgl. OR I, 108 (ANDRIEU, Ordines 102). Vgl. dazu HÄUSSLING, Mönchskonvent, 193. Dass diese Ankündigung in Rom noch im 12. Jahrhundert üblich war, zeigt DE B LAAUW, Contrasts 375. Ein solcher Brauch ist von der kölnischen Stationsliturgie ansonsten nur in Bezug auf die Statio am 21.10. in St. Ursula bekannt, die bei der vorausgehenden am 10.10. in St. Gereon angefragt und angekündigt wird (vgl. dazu ODENTHAL, Liber Ordinarius 73). Vielleicht haben die theologischen Andeutungen hier diese Funktion.
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V. Vom Stephanusfest zum Palmsonntag
im Namen des Herrn“ zuruft und dessen Heil man durch den aktuellen Reliquienbesitz und die gefeierte römische Liturgie auch für Köln erhofft. Damit ergibt sich für die Feierstruktur der Kölner Stationsliturgie in Bezug auf St. Gereon bisher folgender Gedankenduktus: a) Die Prophetie des Weihnachstages Jes 52 dient als Ansage des Heils für Jerusalem durch den, der als Freudenbote kommt, dessen Name erkannt wird. Der Bezug zu St. Gereon wird über den Rollenträger hergestellt, einen Kanoniker des Gereonstiftes.47 b) Das Evangelium des Stephanustages in der Stationskirche St. Gereon endet mit der Weissagung Jesu, man werde ihn nicht mehr sehen, bis man ruft: „Benedictus, qui venit in nomine Domini“ (Mt 23,39). c) Dieser Vers findet sich auch in Mt 21,9 (Einzug Jesu in Jerusalem) und wird in der Liturgie des Palmsonntags in St. Gereon im Evangelium zur Palmenweihe und als Antiphon zur Palmprozession wieder aufgenommen. Mt 21 wird somit der Perikope Mt 23 zeitlich nachgeordnet; damit werden beide Schriftstellen, wenngleich vertauscht, in das Schema Verheißung – Erfüllung gebracht. d) Die beiden Heiligen der Urkirche, Petrus als der erste Papst, Stephanus als der erste Märtyrer der Kirche, werden über die Altartituli, die Reliquien und die Antiphon Ait Petrus am Palmsonntag in das Geschehen in St. Gereon hereingeholt. Der Blick auf die Feier des Paschas in der Heiligen Woche wird aufgetan und zugleich die Liturgie als römische Liturgie qualifiziert.
6. Weitere Stationstage der Osterzeit in St. Gereon 6. Weitere Stationstage
6.1. Ostermontag und Pfingstmontag
Nicht nur der Stephanustag, auch der Ostermontag und der Pfingstmontag als die beiden anderen den großen Festen direkt nachgeordneten Feiertage werden in St. Gereon begangen. Beide Stationen erwähnt der Ordinarius aus St. Gereon nicht. Sie werden aber durch die Quellen aus St. Aposteln 47
Man könnte einwenden, es ließe sich aus vielen biblischen Texten ein solcher B ezug herstellen. Dies trifft aber für die Prophetien der beiden anderen Weihnachtsmessen (Jes 9 und Jes 61; vgl. dazu ODENTHAL, Liber Ordinarius 176) jedoch nicht zu: sie verweisen zwar auf das Weihnachtsgeschehen, stehen aber nicht in einem solchen Verwei szusammenhang, etwa über ihren Rollenträger. Der Bezug ergibt sich natürlich zunächst dadurch, dass alle Stifte im Dom versammelt sind und der Kanoniker aus St. Gereon die liturgische Rolle innehat – im Domzeremoniale, wenn ich recht sehe, singulär. Die hier vertretene These ist, dass man solch feine Anspielungen, die sich sicherlich zunächst zufällig ergaben, genutzt hat, um die Stationsliturgie Kölns in ein großes Ganzes zu fügen.
6. Weitere Stationstage
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und durch das Domzeremoniale belegt. 48 Mit diesen Stationen werden nochmals die unterschiedlichen Bezugsebenen deutlich: Das nach dem Domstift ranghöchste Stift wird an den Festen nach dem eigentlichen Feiertag, der im Dom begangen wird, besucht. Auf einer anderen Ebene geht es aber um mehr als um den Rang der jeweils besuchten Kirche, nämlich um die theologische Bedeutung im Konzept der Kölner Kirchenfamilie. Die Statio am Ostermontag in St. Gereon verwundert zunächst, denn die römische Stationsordnung sieht St. Peter in Vaticano als Stationskirche vor. Hätte man da in Köln nicht entsprechend den Dom mit seinem Petruspatrozinium wählen können? Rupert von Deutz begründet die römische Statio unter anderem mit dem Vers aus dem Evangelium des Ostermontags, der Emmausperikope (Lk 24,13–35), der Herr sei dem Simon erschienen. Zudem verweist er auf die Lesung des Ostermontags, die Predigt des Petrus (Apg 10,37–43). Von daher passe die Statio in St. Peter gut („valde congruit“).49 Der Hinweis auf die Lesung birgt den Schlüssel für die Kölner Ordnung. Denn zum einen war anlässlich des Palmsonntags auf die Nähe von Gereon, Stephanus und Petrus aufmerksam gemacht worden, nicht zuletzt unter Rekurs auf die Apostelgeschichte. Nun wird durch die Lesung des Ostermontags in St. Gereon erneut die Nähe zu Petrus betont. Zum andern ist die Predigt des Petrus im 10. Kapitel der Apostelgeschichte Teil der Begegnung Petri mit Kornelius, dem „Hauptmann in der so genannten Italischen Kohorte“ (Apg 10,1). Kornelius ist also wie Gereon ein Soldat. Im Anschluss an die Predigt Apg 10,37–43, beginnend mit Vers 44, wird Petrus Zeuge der Geistsendung auf Kornelius und seine Familie. Die Lesungsperikope des Pfingstmontags, also des nächsten Stationstages in St. Gereon, hat denn auch diesen Teil der Erzählung zum Inhalt (Apg 10,34 und 42–48). Es scheint, als würden diese beiden Lesungen, die die Begegnung des Petrus mit Kornelius schildern, in Köln wieder ganz bewusst an einen Ort gebunden, nämlich St. Gereon. Am Pfingstmontag nimmt St. Gereon damit den Platz ein, den in Rom an diesem Tag St. Peter
48
Vgl. ODENTHAL, Liber Ordinarius 66 und 68. Im jüngeren Ordinarius aus St. Aposteln ist die Statio des Ostermontags bereits abgeschafft, weshalb sie nicht mehr im Ordinarius aus St. Gereon Erwähnung findet. Vgl. auch das CerCol 45r (AMBERG, Ceremoniale 168 und CerCol 67v (ebd. 206). 49 RVPERTI T VITIENSIS, Liber VIII,7, 279 Haacke. Entsprechend hält die liturgische Ordnung für den Osterdienstag eine Pauluspredigt bereit (Apg 13,16;26–33) und wählt als Stationskirche St. Paul vor den Mauern. Hier kopiert Köln direkt, indem man nach St. Aposteln geht. Vgl. zum Rombezug von St. Aposteln STRACKE , St. Aposteln 119–129 u.ö.. Vgl. zu St. Paul vor den Mauern KIRSCH, Stationskirchen 216. Vgl. auch die Tabelle bei DE B LAAUW, Contrasts 392.
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V. Vom Stephanusfest zum Palmsonntag
in Vinculis innehat.50 Der am Pfingstmontag zu verlesende Abschnitt berichtet nun im Duktus der Apostelgeschichte das erste Mal, dass der Heilige Geist auf Heiden und nicht auf gläubige Juden herabkommt. Wenn nun die Kölner Kirche dem ersten Märtyrer Stephanus ihren ersten Märtyrer Gereon gegenüberstellt (s.o.), sich am Tage nach Ostern und nach Pfingsten in St. Gereon, an der Grabesstätte des zum Christen bekehrten heidnischen Soldaten versammelt, tut sie dies im Bewusstsein, zur Gruppe derer zu gehören, die wie zuerst Kornelius aus den Heiden in die Kirche berufen worden sind. Denn Gott sieht nicht auf die Person (Apg 10,34). 6.2. Der Bittmittwoch als Vigil von Christi Himmelfahrt Schon angedeutet wurde die Statio am Bittmittwoch in St. Gereon, während in Rom St. Peter in Vaticano Stationskirche ist.51 Der Ordinarius berichtet mit folgenden Worten hierüber (fol. 6r‘): In vigilia ascensionis cantabunt domini summo mane primam et terciam et sextam. Postea balneabuntur, post balneum expectabunt congregaciones et baculum sancti Petri cum reliquijs sancti petri, stantes in una parte omnes secundum ordinem in dextro inferiori scampno monasterij. Et antequam ingrediantur ecclesiam cum baculo et reliquijs sancti Petri, cantabit choriepiscopus et cantor letaniam Exaudi stantes infra ianuam monasterij iuxta limen in sinistra parte ostij. Et cum dicitur Sancte Petre ora pro nobis intrabunt templum cum baculo sancti Petri et cantando letaniam ascendent chorum. Et predicti duo cantores percantabunt letaniam stantes iuxta ostium sinistre turris magne in supremo choro. Finita letania ponet baculum sancti Petri super altare sancti Stephani et accipi et custos baculum beati Petri et transibit dormitorium et intrabit refectorium. Celerarius vero cum illis, qui dicuntur Husghenus, seruiet ministris baculi et prepositus dabit eis tria fercula piscium. Sequitur introitus ad missam Vocem iocunditatis. Post missam eundum est ad sanctas Virgines, deinde ad sanctos Machabeos, postea ad sanctum Cunibertum, quo peracto unusquisque ad sua remeabit.
An allen Bitttagen zieht man in die verschiedenen Stadtteile Kölns, montags ist die Bittmesse in St. Maria im Kapitol, dienstags in St. Caecilien.52 Mittwochs ist die Messe in St. Gereon, jedoch, da Vigiltag von Christi 50
Vgl. KIRSCH, Stationskirchen 226. Vgl. auch die Tabelle bei DE B LAAUW, Contrasts 393. Hätte man die römische Ordnung sklavisch kopieren wollen, hätte wiederum der Dom als Stationskirche nahe gelegen, denn immerhin birgt er eine Kettenreliquie des Petrus, die Erzbischof Bruno besorgte. Vgl. hierzu SCHULTEN, Domschatz 19. 51 Vgl. KIRSCH, Stationskirchen 224–225. Die Tabelle bei DE B LAAUW, Contrasts 393, die Bräuche des 12. Jahrhunderts schildert, vermerkt für diesen Tag allerdings St. Laurentius extra muros. In der Tat erwähnt De B LAAUW (ebd. 383–384) Änderungen im Stationssystem, ohne auf den konkreten Fall der recht jungen Stationstage der Bittwoche einzugehen. Bei St. Laurentius als Stationskirche wäre eine Parallele über den Stephanusaltar in St. Gereon gegeben, und zwar bezüglich des Diakonenstandes beider Heiligen Laurentius und Stephanus – Die entsprechenden Texte bei CerCol 61r (AMBERG, Ceremoniale 194) und Prozessionale GA 89b, 87r (TORSY, Bittprozessionen 94). 52 Vgl. ODENTHAL, Liber Ordinarius 84–89.
6. Weitere Stationstage
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Himmelfahrt, nicht die an den anderen beiden Tagen angegebene Bittmesse Exaudivit.53 Vielmehr singt man die Vigilmesse des Himmelfahrtstages, und zwar am Hochaltar des hl. Stephanus. Erwähnt der Ordinarius aus St. Gereon den Introitus des 5. Ostersonntages Vocem iucunditatis,54 so der Ordinarius aus St. Aposteln den Introitus Omnes gentes, der ansonsten auch am 4. Sonntag nach Epiphanie gesungen wird.55 Das Domprozessionale erwähnt beide Introiten, die wohl wahlweise zu singen sind. Thema ist die Herrschaft Gottes über die Völker und sein befreiendes Handeln. Vielleicht darf man hier wiederum Anspielungen an die mit St. Gereon zusammenhängenden liturgischen Feiern sehen, die bereits beschrieben wurden. Die Jesajaprophetie der Weihnachtsmesse im Dom („Alle Enden der Erde sehen das Heil unseres Gottes“), gelesen von einem Kanoniker aus St. Gereon, findet nun ihre Erfüllung im Himmelfahrtsgeschehen, das die Kölner Kirchenfamilie in St. Gereon beginnt. Das Evangelium der Vigilmesse (Joh 17) beschreibt, dass Jesus seine Augen zum Himmel erhebt mit den Bitten „Vater verherrliche deinen Sohn.“ 56 Man fühlt sich an die Lesung des Stephanustages erinnert: Stephanus sieht den Menschensohn zur Rechten Gottes – als Verherrlichten. Die Lesung der Vigilmesse ist in der Kölner Tradition nicht wie im Missale Romanum Eph 4,7–13, sondern Apg 4,32–35,57 die Beschreibung der Gütergemeinschaft der Urgemeinde. Am Ursprung des Christentums für Köln, nämlich in St. Gereon, wird so an den Ursprung der Jerusalemer Gemeinde erinnert: Nach dem Verhör des Petrus und des Johannes ist die Gemeinde ein Herz und eine Seele, die Apostel legen Zeugnis ab von der Auferstehung des Herrn (Apg 4,32–33). Es scheint, als würde diese Einheit und wiederum die Nähe von Petrus, Stephanus und Gereon deutlich gemacht, wenn man vor der Messe den Stab des Petrus auf den Stephanusaltar legt und ihn von da in die Konventgebäude trägt („Finita letania ponet baculum sancti Petri super altare sancti Stephani et accipiet custos baculum beati Petri et transibit dormitorium et
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Vgl. HESBERT AntS 112–113, Nr. 94a, wo diese Antiphon zur Letania maior zählt. Also sekundär ist das Messformular auf die Bitttage (Letaniae minores) übertragen worden. 54 Vgl. HESBERT, AntS 110–111, Nr. 91. 55 Vgl. HESBERT, AntS 34, Nr.26 bis und 121, Nr. 101. 56 Rupert von Deutz bringt im Zusammenhang mit dieser Textstelle Joh 17,1 interessanterweise ein leicht verändertes Zitat aus dem Hohelied (cf. Cant. 7,8): „ascendit in palmam et resurgens apprehendit fructum eius“ (RVPERTI T VITIENSIS, Liber IX,6, 313 Haacke). Damit wird die Vollendung des Heilsgeschehens beschrieben, die in der Vigilfeier in St. Gereon begangen wird, zugleich wird an die liturgische Utensilie der Palme angeknüpft, die den Beginn der Osterfeiern am Palmsonntag kennzeichnete. 57 Dies belegt schon Rupert von Deutz (RVPERTI T VITIENSIS, Liber, De divinis officiis IX,6, 317 Haacke). Vgl. auch PETERS, Beiträge 126.
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V. Vom Stephanusfest zum Palmsonntag
intrabit refectorium“), bevor die Messe am Stephanusaltar gefeiert wird. 58 Mit anderen Worten: Die Statio am Vigiltag von Christi Himmelfahrt inszeniert die schon festgestellte Nähe der Jerusalemer Urkirche zur Kölner Kirche wiederum über die Verwendung der Reliquien und Nutzung des Stephanusaltares in St. Gereon.
7. Stationen des Proprium de Sanctis 7. Stationen des Proprium
Nachdem nun der Festkreis des Herrenjahres im Hinblick auf die Bedeutung von St. Gereon dargelegt worden ist, sei der Blick auf die Heiligenfeiern gelenkt, bei denen St. Gereon eine besondere Rolle spielt. Dabei scheinen diese Traditionen insgesamt von geringerer Bedeutung zu sein. Denn zum einen schweigt sich der Ordinarius hierüber aus, zum anderen betreffen manche Stationen nur das benachbarte Apostelnstift. 7.1. Die Feiern zu Ehren Johannes’ des Täufers Teilt St. Gereon am Palmsonntag mit dem Dom die Rolle, die in Rom an diesem Tag alleine St. Johannes im Lateran zukommt, so wird dieser Bezug zum Täufer durch zwei Stationen in St. Gereon unterstrichen. Dies fällt umso mehr ins Gewicht, als die prätentiöse Ausgestaltung der Taufkapelle von St. Gereon im Duktus der Stiftsbauten dem Täuferpatrozinium besonderes Gewicht verleiht. Beide Stationen müssen aus den liturgischen Quellen des Domstiftes und des Apostelnstiftes erschlossen werden, denn der Ordinarius aus St. Gereon erwähnt sie nicht. Die eine Statio ist anlässlich der Vigil des Festes Johannes’ des Täufers (23. Juni) in St. Gereon, aber nur für die Stiftsherren aus St. Aposteln vorgesehen, die in St. Gereon die Missa pro Defunctis feiern. Gründe hierfür liegen im Dunkeln. 59 Die andere Statio ist am Fest der Decollatio des Johannes (29. August). Sie wird im Domzeremoniale und in den Quellen aus St. Aposteln nur kurz benannt und findet ihren Grund im Gedenktag der Kirchweihe durch Erzbischof Anno im Jahre 1069, die unter anderem durch ein wohl zu diesem
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Im Domzeremoniale heißt es „in summo altari“ (CerCol 61r, AMBERG, Ceremoniale 194). Dies ist im Ordinarius aus St. Gereon der Stephanusaltar. 59 Das Domzeremoniale erwähnt diese Statio nicht, ebenso wenig das Fest des Tä ufers. Die Quellen aus St. Aposteln sind ausgewertet bei ODENTHAL, Liber Ordinarius 74– 75. Das 1. Kalendar des Memorienbuches erwähnt unter dem 23. Juni den Todestag des Erzbischofs Bruno II. (1131–1137), von 1127 bis 1131 Propst zu St. Gereon. Vgl. HEUSGEN, Memorienbuch, 11. Ob die Totenmemorie auf ihn Bezug nimmt, muss offen bleiben. Vgl. zur Person Brunos OEDIGER , Köln 140–142.
8. Das Ergebnis
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Anlass geschenktes Evangeliar bezeugt ist. 60 Der Bezug zu Johannes dem Täufer rundet nun das Bild der Rolle, die St. Gereon im Kölner Stationskirchenwesen einnimmt und die im Blick auf die Topographie Roms erneut Bedeutung erlangt. Denn St. Gereon übernimmt die Funktion von San Stefano Rotondo (2. Weihnachtstag) und St. Peter in Vinculis (Pfingstmontag), und mit den beiden Stationen an den Festen Johannes’ des Täufers rückt die Lateranbasilika mit ihrem sekundären Patrozinium Johannes’ des Täufers in den Blick.61 7.2. Die Stationen um das Märtyrergrab Wiederum ohne Beleg im Ordinarius aus St. Gereon sind zwei wohl eher unbedeutende Stationen zu Ehren des hl. Gereon und der Thebäer, die sich durch das Märtyrergrab erklären. Die erste Statio ist am Gereonstag (10.10.) und wird mit einer gemeinsamen ersten Vesper des Aposteln- und des Gereonstiftes begonnen. Die Statio am Tag selbst, die Feier des Hochamtes, ist für die ganze Kölner Kirchenfamilie vorgesehen.62 Die zweite Statio am Fest der Translatio Thebeorum (24.11.) besteht wiederum aus der Feier der Messe in St. Gereon, an der aber nur das Apostelnstift teilnimmt.
8. Das Ergebnis und eine offene Frage 8. Das Ergebnis
Die Überlegungen gingen von der These aus, man habe durch die römische Liturgie und ihre Texte vorgegebene Strukturen und Gedanken genutzt und in einen Verweiszusammenhang eingetragen, der St. Gereon als Grabstätte des ersten Märtyrer Kölns im Hinblick auf die Entstehung des Christentums in Köln profiliert und zugleich an die römische Liturgie und ihre Topographie anbindet. Der Ort bekommt theologische Qualität: Petrus, der erste römische Bischof, Stephanus, der erste Märtyrer der Kirche und Gereon rücken einander nahe und werden an einen Ort gebunden, die Kirche St. Gereon.63 Zufälligkeiten, die sich aus einer vorgefundenen Liturgie 60
Vgl. Evangeliar aus St. Gereon, Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod.Bibl. 2 21, 2r, hier zitiert nach: EUW, SPORBECK, Vor dem Jahr 1000, 49, Nr.7. Zur Statio vgl. ODENTHAL, Liber Ordinarius 72. Vgl. CerCol 74v (AMBERG, Ceremoniale 218–219). 61 Immerhin ist am Johannestag im Rom des 12. Jahrhunderts St. Johannes im Lateran Stationskirche. Vgl. die Tabelle bei DE B LAAUW, Contrasts 393. 62 Vgl. zu dieser Statio ODENTHAL, Liber Ordinarius 73. Vgl. CerCol 75v (AMBERG, Ceremoniale), 220–221. 63 Damit würde sich nochmals ein Bezug zu St. Aposteln ergeben. Denn dort liegen Stephanusaltar (Westkrypta) und Paulusaltar (Westchor) quasi übereinander und sind so
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V. Vom Stephanusfest zum Palmsonntag
(nämlich der Roms) ergeben, ordnet man in ein komplexes System der Feiern der Kölner Kirchenfamilie ein: Das Kirchenjahr als Feier des Paschamysteriums wird so demonstriert und anhand der Reliquien, der Altarund Kirchenpatrozinien und der liturgischen Texte ausgestaltet. Die These ist also, dass die aufgezeigten Bezüge nicht bloßer Zufall sind, sondern gelebte Theologie spiegeln, was angesichts des Nuancenreichtums mittelalterlicher Liturgie nahe liegt. Damit bleibt eine Frage offen, nämlich, zu welcher Zeit und durch welche Persönlichkeit St. Gereon die beschriebene Bedeutung im Kölner Stationswesen erhalten haben könnte. Der eingangs erfolgte Verweis auf die vielschichtige Baugeschichte legt es nahe, dass auch die Rolle von St. Gereon in der Stationsliturgie nicht mit einem Mal entstand, sondern sich langsam entwickelte. Das Kölner Stationssystem selbst ist als eine langsam gewachsene Größe zu verstehen. Deshalb wird von vielen Händen auszugehen sein, die an dieser umfassenden Liturgie bauten.64 Mit einiger Sicherheit kann man sagen, dass die Stationsliturgie unter den Erzbischöfen Bruno (953–965) und Heribert (999–1021), also im 10. und 11. Jahrhundert, in Blüte stand.65 Sicherlich hat Pilgrim (1021– 1036) in das Liturgiesystem eingegriffen, als er die Rolle von St. Aposteln im Rahmen der Kölner Kirchenfamilie festschrieb und ihr die Funktionen zuwies, die in Rom St. Paul vor den Mauern innehat.66 Es ist kaum vorstellbar, dass man nicht auch für St. Gereon ein solches Konzept geplant habe. Welche ordnende Hand könnte also Vorgefundenes aufgegriffen und in einen theologisch so nuancenreichen Zusammenhang gebracht haben? Möchte man nicht wiederum den so sehr an St. Aposteln gebundenen Erzbischof Pilgrim bemühen, kämen für St. Gereon die beiden Nachfolger Pilgrims, Erzbischof Hermann II. (1036–1056) und Erzbischof Anno II. (1056–1075), in Betracht.67 Klaus Gereon Beuckers hat auf die Stiftungen in eine große Nähe gebracht. Vgl. STRACKE , St. Aposteln 173–174. Stellt also St. Aposteln die Verbindung von Stephanus und Paulus dar, so St. Gereon Stephanus und Petrus – über die gefeierte Liturgie. 64 W OLFF, Kirchenfamilie 36, verweist auf eine Notiz des Gregor von Tours 590, Bischof Severin habe am Sonntag nach der Matutin die Heiligen Stätten Kölns besucht. 65 Vgl. W OLFF, Kirchenfamilie 36 und 40; B INDING, Städtebau. Die genannte Epoche als Blütezeit anzunehmen, liegt durch einige Hinweise aus dem Ordinarius von St. Apo steln nahe, der im 14. Jahrhundert einige Stationen schon für abgeschafft erklärt. Damit war die Blütezeit allerspätestens vorbei. Vgl. dazu ODENTHAL, Liber Ordinarius, etwa 66 über eine Domstatio an Ostersonntag u.ö. – Aus der Zeit Erzbischofs Bruno I. ist die Weihnachtsstatio am 25.12.962 in St. Caecilien anlässlich einer Schenkung „cum ibi agitur statio“ überliefert. Vgl. OEDIGER , Regesten 138, Nr. 449. Zur Rolle Brunos und Annos bei der Ausprägung der Kirchenstadt Köln vgl. auch LEGNER , Kölner Heilige, bes. 24–34. 66 Vgl. ODENTHAL, STRACKE , Stationsliturgie. 67 Zu Hermann vgl. OEDIGER , Köln 111–114. Vgl. zu Anno ebd. 114–128, auch LEGNER , Monumenta.
8. Das Ergebnis
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der Ezzonen aufmerksam gemacht und von hieraus die Periode unter Hermann besonders hervorgehoben. 68 Dabei weist er auf die methodische Schwierigkeit hin, dass Hermanns Nachfolger Anno Bauten und Stiftungen zugeschrieben wurden, „deren Entstehung zumindest nicht alleine auf ihn zurückgeht, sondern mit seinem Vorgänger in Verbindung gebracht werden muß.“69 Spricht einiges dafür, dass Hermann (und nicht erst Anno) in Köln auch städtebaulich wirkte, 70 ließe sich ebenfalls an seinen Einfluss auf das Stationswesen denken. Ein Einfluss auf die theologische Rolle der Gereonskirche ist hier allerdings weniger wahrscheinlich, da, im Gegensatz zu anderen Kölner Kirchen, keine nennenswerten Verbindungen von Hermann zu St. Gereon bekannt sind. Damit rückt eher die Person Annos in den Blick, der den Anbau des Langchores von St. Gereon samt Krypta veranlasste.71 Die Weihe der Kirche und des Hochaltars (unter anderen auf den Stephanustitel) nahm Anno selbst vor, und zwar am 29. August 1069, dem Tag der Enthauptung Johannes’ des Täufers, also einem der (zumindest späteren) Stationstage. 72 Die „Vita Annonis“ von ca. 1105 beschreibt die große Frömmigkeit Annos, die sich etwa in der Liturgie äußerte. 73 Die Person Annos legt sich ferner deshalb nahe, weil er durch die Gründung der Stifte St. Georg und St. Maria ad Gradus (wenn auch bei letzterem als Verwirklichung einer Idee Hermanns) zwei Orte des Stationssystems Kölns allererst ins Leben rief.74 Er galt als „structor monasteriorum, eccle-
68 Vgl. BEUCKERS, Ezzonen. Zu Hermann ebd. 27–30, zu seiner Stiftungstätigkeit 176–222. 69 BEUCKERS, Ezzonen 177. Prominentes Beispiel hierfür ist die Kirche St. Maria ad Gradus, die, obgleich von Hermann angedacht, doch Anno als Gründer aufweist (vgl. ebd. 192–198). 70 Vgl. BEUCKERS, Ezzonen 204–206. 71 Vgl. VITA ANNONIS, Liber II, 17, 491. 72 Vgl. hierzu nochmals die „Notae S. Gereonis“ bei J OERRES, Urkunden-Buch, 691; bei GECHTER , Quellen, 541. 73 Über seine Besuche bei den Vigilien der Mönche von Groß St. Martin berichtet die V ITA ANNONIS, Liber I, 18, 475. Zur Vita Annonis insgesamt vgl. EUW, M ITTLER , Vita Annonis; GECHTER , Quellen, 542–543. Dass Anno die Stationsliturgie kannte und pflegte, lässt sich aus der Tatsache ersehen, dass er dem Abt von St. Pantaleon bei einer Auseinandersetzung um Privilegien das Recht beließ, ihn bei den Stationes zu vertreten. Vgl. dazu die Gesta Abbatum Trudonensium, Liber XI, 16, 304 (Z. 18–21): „Aecclesia autem sancti Pantaleonis ex privilegio Romano antiquitus hoc habuisse dicebatur, ut abbas loci illius sandaliis et dalmatica uteretur, vicesque ageret archyepiscopi per civitatem in suis stationibus; sed Anno archyepiscopus sandalia et dalmaticam prohibuit, vices vero suas agere per stationes concessit.“ 74 Vgl. hier auch die Reliquiendotationen an Kölner Kirchen, dargestellt bei TORSY, Anno. Wenn bei St. Maria ad Gradus Anno einen Plan Hermanns aufgriff, zeigt dies, wie er an Bestehendes anknüpfte und dies weiterführte.
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V. Vom Stephanusfest zum Palmsonntag
siarum reparator et pauperum servus.“ 75 Schließlich verdient Beachtung, auf welche Weise Annos Leichenzug begangen worden ist. Man trug ihn nämlich wie die toten Kaiser Otto III. im Jahre 1002 und Konrad II. im Jahre 1039 von Kirche zu Kirche, vollzog also eine Form der Stationsliturgie.76 Alle bedeutenden Kölner Stiftskirchen wurden aufgesucht, ja im Dom, in St. Georg, in St. Gereon und in St. Maria ad Gradus blieb der Leichnam des Erzbischofs eine Nacht lang aufgebahrt, bevor er wiederum in den Dom überführt wurde. An anderen Tag ging es nach St. Heribert in Deutz, wieder blieb der Leichnam hier eine Nacht, um schließlich nach Siegburg gebracht und dort begraben zu werden. 77 Die durch die Aufbahrung zur Nacht ausgezeichneten Kirchen sind also der Dom, dann die beiden Gründungen Annos St. Maria ad Gradus und St. Georg, und schließlich St. Gereon. Hier scheinen sich die Stationsliturgie und die Bedeutung der genannten Kirchen für die Person Annos zu verbinden. Könnte man ihn und seine Benediktinertheologen von Siegburg hinter manchem Bezug vermuten?78 Wenn Rupert von Deutz kurze Zeit nach Anno, nämlich im Jahre 1111, seine Liturgieerklärung schreibt, deckt er vielfältige Hinweise, Anspielungen und Verweise im Gottesdienst der Kirche auf. Nicht, dass Rupert dies alles erfunden hätte. Aber er sammelte und ordnete das, was theologisch gedacht wurde, in den großen Rahmen einer Liturgieerklärung ein. Hat man sich Ähnliches für Anno und seine Geistlichen in Bezug auf das theologische Konzept der Kölner Stationsliturgie vorzustellen? Es bleibt zukünftiger Forschung vorbehalten, hier noch manches zu entdecken und solche Fragen zu beantworten.
75 So die Charakterisierung Annos in der Vita Bennonis II. episcopi Osnabrugensis auctore Norberto Abbate Iburgensi, hg. von Henricus Bresslau (MGH.SRG NS Hannoverae et Lipsiae 1956), Nr. 10, 11 (Z. 21–22). 76 Vgl. OEDIGER , Köln 128. 77 Vgl. hierzu anhand einer Übersetzung des 18. Jahrhunderts aus der Vita Annonis M ITTLER , Itinerarium. Der Text selbst in der VITA ANNONIS, Liber III, 16, 503–508. 78 ARDUINI, Probleme, macht auf die Mahnungen Gregors VII. an Anno II. aufmerksam, für eine gute Lebensführung des Klerus nicht nur in seiner Diözese zu sorgen (ebd. 143). Diese Mahnung ist vor dem Hintergrund der von Anno angestrengten Klosterreform von Siegburg zu sehen, die in den Augen Gregors „um echt zu sein, nicht eine Insel bleiben dürfe“ (ebd. 148). Arduini bringt nun den ersten Siegburger Abt ins Spiel, Erpho, der ein Professmönch des lothringischen Klosters Gorze war, eventuell zu den Kanonikern von St. Gereon gezählt habe (ebd. 147). HEUSGEN, Memorienbuch, erwähnt Erpho mehrfach (S. 3, in den Kalendaren des Memorienbuchs am 3. Juni, ebd. 10 und 21) und verweist auf die Verbindung der Brüder von St. Gereon zu denen von St. Pantaleon (ebd. 3). Wenn sich eine Nähe von St. Gereon zur Reformbewegung von Siegburg ergäbe, könnte dies durchaus auch Konsequenzen im Hinblick auf eine typisch römische Gesta ltung der Liturgie gehabt haben. Und römische Liturgie heißt Stationsliturgie.
VI. „Surrexit dominus vere.“ Osterfeiern um das Heilige Grab als Ausdruck eines veränderten religiösen Empfindens im Mittelalter * VI. „Surrexit dominus vere“
Unter dem Titel „Dynamics of Changing Rituals” wurden die Ergebnisse eines Heidelberger Graduiertenkollegs veröffentlicht, das als Vorstufe des Sonderforschungsbereich 619 sich den Fragestellungen von soziokulturellen Veränderungen und ihren Wechselwirkungen mit den die Gesellschaft prägenden Ritualen widmete. 1 Solche Prozesse in Bezug auf kirchliche Rituale zu untersuchen, ist Aufgabe der Liturgiewissenschaft, die die Veränderungen der rituellen Praxis gemeinhin unter dem Stichwort der „Liturgiereformen” fasst.2 Eine Epoche großer Veränderungen mit mannigfachen Folgen für die Liturgie stellt das frühe Mittelalter dar.3 Es bringt zahlreiche Phänomene hervor, von denen eines im Folgenden näher untersucht werden soll, nämlich die Osterfeiern und Osterspiele um das Heilige Grab am Karfreitag, Karsamstag und Ostersonntag. Mittels eines Beispiels aus der Bonner Münsterkirche soll dabei das hier zutage tretende Phänomen einer Erweiterung der kodifizierten Liturgie durch „paraliturgische“ Feierformen dargestellt und auf seine frömmigkeits- wie liturgiegeschichtlichen Bedingungen und Auswirkungen hin befragt werden. Eine solche klassisch liturgiehistorische Vorgehensweise verortet sich gleichzeitig interdisziplinär, und dies in mehrfacher Hinsicht. Mentalitätsgeschichtliche Implikationen auch profanhistorischen Interesses werden ebenso tangiert wie Fragestellungen der Germanistik, teilt man etwa die These, mit den Osterspielen rühre man an die Entstehung des Deutschen Dramas. 4 Eine Untersuchung * Zuerst erschienen in: ThQ 189 (2009), 46–65. 1 Vgl. KREINATH, HARTUNG, DESCHNER , Dynamics. Vgl. auch HARTH, J ASPER SCHENK, Ritualdynamik. Jetzt auch: CHANIOTIS, LEOPOLD U.A., Body. 2 Als einer der ersten hat Angelus Häussling die Rahmenbedingungen des Themas „Liturgiereform“ bedacht. Vgl. HÄUSSLING, Liturgiereform 11–45. Jetzt auch KLÖCKENER , KRANEMANN , Liturgiereformen. 3 Vgl. für die Messe im Mittelalter etwa ODENTHAL, Ante conspectum, in diesem Band 16–49. 4 Vgl. als erste Information LINKE, MEHLER, Osterfeiern 99–100. Vgl. vor allem die Standardwerke von LANGE, Lateinische Osterfeiern. YOUNG, Drama. DE B OOR, Textgeschichte. An weiteren Beiträgen wären neben den in den folgenden Anmerkungen ge-
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VI. „Surrexit dominus vere“
der Heilig-Grab-Tradition Kölns durch Franz Niehoff oder die grundlegenden Untersuchungen durch Johannes Tripps zeigen zugleich die Bedeutung solch liturgiegeschichtlicher Forschung für kunstgeschichtliche Untersuchungen, und zwar in Bezug auf ein Verstehen ikonographischer und räumlicher Bezüge.5 Einzelne Darstellungen galten der liturgischen Gewandung6 oder der Gebärde dieser Feiern. 7 Eine grundlegende Untersuchung durch Christoph Petersen hat vor allem den geistesgeschichtlichen Kontext der Osterfeiern eingeholt und ihre spezifische Funktion im Kontext der Liturgie gewürdigt.8 Die hier getätigten Überlegungen vollziehen sich in folgenden Schritten. Zunächst wird ein erster Zugang zum Phänomen der Osterfeiern gegeben (1. Abschnitt), die sodann anhand der liturgischen Tradition der Bonner Münsterkirche näher vorgestellt werden (2. Abschnitt). Im 3. Abschnitt werden liturgietheologische Bedingungen vorgestellt, deren Bedeutung bei der Entstehung der Osterspiele diskutiert wird. Der 4. Abschnitt wirft einen Blick auf das Schicksal der Osterfeiern um das Heilige Grab in den Kirchen der Reformation. Schließlich werden die Ergebnisse der Untersuchung gesammelt.
1. Osterfeiern und Osterspiele – ein erster Zugang zum Phänomen 1. Osterfeiern und Osterspiele
Im Verlauf des 10. Jahrhunderts finden in die Liturgie des Karfreitags, Karsamstags und des Ostertags Riten Eingang, die das in der Liturgie gefeierte Heilsgeschehen veranschaulichen wollen, vor allem in einer „Osterfeier“ am Ostermorgen, die den Besuch der Marien am leeren Grab, die Visitatio sepulchri des Markusevangeliums (Mk 16) inszeniert. 9 Die Osterfeier bleibt dabei noch ganz im liturgischen Kontext des kirchlichen Stundengebetes, näherhin der Matutin, während spätere Entwicklungen zu Verselbständigungen aus dem liturgischen Kontext führen, die dann als soge-
nannten noch zu nennen: O DENTHAL, Non est hic. MEHLER , Osterfeiern. CLAUßNITZER, Sub specie. 5 Vgl. NIEHOFF, Ostergrab. TRIPPS, Bildwerk. 6 Vgl. PESCH, Gewandung. 7 Vgl. ROEDER , Gebärde. 8 Vgl. PETERSEN, Ritual. 9 Vor einiger Zeit hat Jürgen B ÄRSCH in einer umfassenden Untersuchung Probleme der Entwicklung der Osterfeiern aufgezeigt und auf die Vielschichtigkeit der Entstehungsbedingungen hingewiesen. Vgl. B ÄRSCH, Das Dramatische; B ÄRSCH, Ist Liturgie Spiel 12–16.
1. Osterfeiern und Osterspiele
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nannte Osterspiele die Keimzelle des Deutschen Dramas bilden. 10 Die Liturgie des Karfreitags wird um die Grablegung des Kreuzes, die Depositio crucis, ergänzt.11 Sie ist erstmals im 10. Jahrhundert greifbar und findet teils in Verbindung mit der Vesper, teils in Verbindung mit der Karfreitags„messe“ statt.12 Die Matutin des Ostermorgens wird durch die Kreuzerhebung aus dem Grab, die Elevatio crucis, ausgestaltet. Besonders der Visitatio sepulchri galt das Forschungsinteresse. Es ist das Verdienst von Walther Lipphardt, neben einer umfassenden Sammlung und Sichtung des Materials ein Repertorium sämtlicher Texte um die Osterfeiern erstellt zu haben.13 In Bezug auf die Textgestaltung des den Grabbesuch begleitenden Dialogs werden hier drei Stufen verschieden komplexer Ausgestaltung unterschieden, ohne dass man das Schema einer organischen Entwicklung von einfachen zu differenzierten Strukturen ausmachen könnte. 14 Im Kontext der folgenden Überlegungen genügt es, die erste Stufe des Osterdialogs vorzustellen, von der das vorgestellte Beispiel ein Vertreter ist: 15 Ia (Et dicebant ad invicem:) Quis revolvet nobis lapidem ab ostio monumenti? Alleluia, alleluia. Ib Quem queritis in sepulchro, o christicole? Ic Jesum Nazarenum crucifixum, o celicole. Id Non est hic, surrexit, sicut predixerat; ite, nuntiate, quia surrexit de sepulchro. Ie Alleluia. Resurrexit Dominus.16
10 PETERSEN, Ritual 230–231 bringt als Unterscheidung das Kriterium der Präsenz bzw. der Absenz des Gekreuzigt-Auferstandenen. Illustrieren die in den liturgischen Kontext eingebundenen Osterfeiern etwa mit der Verwendung des Schweißtuches (sudarium) die Absenz des Gekreuzigt-Auferstandenen, so stellen die Osterspiele, vor allem wenn hier Figuren des Auferstandenen einbezogen werden, den gegenwärtigen Christus dar. 11 Vgl. dazu AUF DER MAUR , Feiern; J UNGMANN, Vierzig Stunden 300–301. CORBIN, La déposition erwähnt (etwa 49, 77 und 94) Bräuche des 16. und (19.) 20. Jahrhunderts, bei denen neben dem Kreuz auch die Hostie ins Hl. Grab gegeben wird. Eine Begriffsbestimmung und Forschungsübersicht auch bei GSCHWEND, Depositio 5–13. 12 Grundlegende Informationen zu Struktur und Geschichte der Karfreitagsliturgie finden sich bei AUF DER MAUR, Feiern 108. 13 LIPPHARDT, Osterfeiern, hier IX. Zur Würdigung des wissenschaftlichen Werks von LIPPHARDT vgl. K IEDL, Liturgisches Spiel. Eine Wertung speziell der ersten Bände seines Werks zu den Osterfeiern findet sich bei HECKENBACH, Lateinische Osterfeiern. Vgl. ebenso HARNONCOURT, In memoriam. Eine kritische Würdigung bei LINKE, MEHLER , Osterfeiern 96. 14 Zu diesem Denkschema vgl. ANGENENDT, Liturgik und Historik, bes. 11–15. 15 Die zweite Stufe formt die Sätze der ersten Stufe in rhythmische Prosa um und fügt gelegentlich die Darstellung des Jüngerlaufs zum Grab hinzu, vgl. LIPPHARDT, Osterfeiern 952–957. 16 Vgl. LIPPHARDT, Osterfeiern 945–946.
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VI. „Surrexit dominus vere“
Zum Vergleich seien die entsprechenden Passagen aus dem Matthäus- und Markusevangelium nach der Vulgata vorgestellt: Mt 28, 1–8: Vespere autem sabbati, quae lucescit in prima sabbati, venit Maria Magdalene et altera Maria videre sepulchrum. Et ecce terraemotus factus est magnus. Angelus enim Domini descendit de caelo et accedens revolvit lapidem et sedebat super eum. Erat autem adspe ctus eius sicut fulgur, et vestimentum eius sicut nix. Prae timore autem eius exterriti sunt custodes et facti sunt velut mortui. Respondens autem angelus dixit mulieribus: Nolite timere vos; scio enim quod Iesum, qui crucifixus est, quaeritis. Non est hic; surrexit enim sicut dixit. Venite et videte locum ubi positus erat Dominus, et cito euntes dicite discipulis eius, quia surrexit et ecce praecedet vos in Galilaeam: ibi eum videbitis: ecce praedixi vobis. Et exierunt cito de monumento cum timore et gaudio magno currentes nuntiare discipulis eius. Mc 16, 1–8: Et, cum transisset sabbatum, Maria Magdalene et Maria Iacobi et Salome emerunt aromata, ut venientes ungerent Iesum. Et valde mane una sabbatorum veniunt ad monumentum, orto iam sole. Et dicebant ad invicem: Quis revolvet nobis lapidem ab ostio monumenti? Et respicientes viderunt revolutum lapidem; erat quippe magnus valde. Et introeuntes in monumentum, viderunt iuvenem sedentem in dextris coopertum stola candida et obstupuerunt. Qui dicit illis: Nolite expavescere. Iesum quaeritis Nazarenum crucifixum: surrexit, non est hic. Ecce locus ubi posuerunt eum. Sed ite, dicite discipulis eius et Petro quia praecedit vos in Galilaeam; ibi eum videbitis, sicut dixit vobis. At illae exeuntes fugerunt de monumento (invaserunt enim eas tremor et pavor) et nemini quidq uam dixerunt; timebant enim.
Die Osterfeier entpuppt sich als eine durch kleinere dichterische Zusätze erweiterte Fassung des Evangeliums, die zudem szenisch am Heiligen Grab im Kirchenraum umgesetzt wird. Diese damals neu entstehende Verbildlichung des Evangeliums verwundert deshalb, da ja nicht nur durch die Verkündigung des Evangeliums im Kontext der Messe das Ostergeschehen liturgisch präsent war. Auch die Offiziumsliturgie des Ostersonntages bietet in ihren, die einzelnen Horen prägenden Antiphonenreihen den evangelischen Bericht nach Matthäus bzw. Markus. Die Antiphonenordnung für Laudes und Vesper, die sogenannte „Historia,“17 lautet nach den Textzeugen der römischen Ordnung der Stundenliturgie des Ostertages, des Cursus Romanus, wie folgt: 1. Angelus autem Domini descendit de celo, et accedens revolvit lapidem, et sedebat super eum, alleluia, alleluia. (Mt 28,2b) 2. Et ecce terraemotus factus est magnus: Angelus enim Domini descendit de caelo, all eluia (Mt 28,1–2ab) 3. Erat enim aspectus ejus sicut fulgur: vestimenta eius sicut nix, alleluia, alleluia (Mt 28,3)
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Vgl. hierzu KNAPE, Zur Benennung.
2. Ein Beispiel
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4. Pre timore autem ejus exterriti sunt custodes, et facti sunt velut mortui, alleluia (Mt 28,4) 5. Respondens autem angelus dixit mulieribus: Nolite timere: scio enim quod Jesum quaeritis, alleluia (Mt 28,5) (Zum Benedictus): Et valde mane una sabbatorum, veniunt ad monumentum, orto jam sole, alleluia (Mc 16,2) (Zum Magnificat): Et respicientes viderunt revolutum lapidem, erat quippe magnus valde, alleluia (Mc 16,4).18
Augenscheinlich reichten diese Formen liturgischer Memoria nicht mehr aus, wenn sich seit dem 10. Jahrhundert zunehmend die Tendenz durchsetzt, das liturgisch begangene Ostergeschehen zusätzlich zur kodifizierten Liturgie, wie sie sich in Messe und Offiziumsliturgie zeitigt, szenischdramatisch umzusetzen, freilich ohne zunächst den Kontext der Liturgie aufzugeben. Ein Beispiel unter unzähligen anderen soll dies verdeutlichen und zudem die beständige Tradition dieser neuen Tendenz aufzeigen.
2. Ein Beispiel: Die Osterfeier des Bonner Cassiusstiftes 2. Ein Beispiel
Im Pfarrarchiv des Bonner Münsters hat sich ein bislang unveröffentlichter Liber Ordinarius von 1613 erhalten, der einige Jahre nach der Plünderung des Cassiusstiftes und dem dadurch bedingten Verlust des mittelalterlichen Stiftsarchivs geschrieben wurde.19 Dieser Ordinarius berichtet nun auch eine Osterfeier am Heiligen Grab, die schon Franz Joseph Peters beschrieb.20 Der Fund des ältesten Liber Ordinarius aus dem 13. Jahrhundert hat nun gezeigt, dass die 1613 beschriebenen Bräuche zumeist älteren Datums sind und noch in die hochmittelalterliche Epoche zurückreichen. 21 Über die Plünderung und Zerstörung des Stiftsarchivs und weite Teile der Ausstattung hinweg wurde in Bonn die mittelalterliche Liturgie mit ihren Zusätzen beibehalten. Damit sind die im Folgenden synoptisch dargestellten Quellen Beleg für einen über Jahrhunderte währenden Überlieferungsprozess. 2.1 Die Depositio Crucis Zusätzlich zur eigentlichen Karfreitagsliturgie, bestehend aus Wortteil, den Fürbitten, der Kreuzverehrung wie der Kommunionfeier schildern die liturgischen Quellen über die Grablegung des Kreuzes nach vollzogener 18 Die Texte finden sich bei HESBERT, CAO, hier 1, 75b–c (178–181), nach dem Codex Bamberg (12. Jahrhundert). 19 Münsterarchiv Bonn Nr. 254. Vgl. auch HÖROLDT, Stift St. Cassius 28–35. 20 Vgl. PETERS, Liturgische Feiern 70–75. 21 Vgl. ODENTHAL, GERHARDS, Cassiusstift, mit Textedition beider Ordinarien.
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VI. „Surrexit dominus vere“
Vesper. Der älteste Liber Ordinarius des Bonner Cassiusstiftes aus dem 13. Jahrhundert berichtet über die Grablegung des Kreuzes so: „(…) post communionem murmurantur vespere. Postea defertur crux ad sepulchrum cum Responsorio Ecce quomodo, post sepulturam Responsorium Sepulto domino (fol. 287r’).” Im Vergleich dazu seien die Hinweise des jüngeren Ordinarius von 1613 aufgeführt: (...) vesperis finitis Dominus Decanus exuit se casula, et domini vadunt ad crucem. Et Dominus Decanus cum duobus senioribus sumunt crucem et portant eam in capellam sancti Michaelis cum thuribulo, et ianua magna est clausa. Interea Dominus Decanus legit psalmum Miserere mei flexis genibus, tunc Christus Dominus factus, sequitur collecta Respice. Et domini cantant Responsoria ista Sicut ouis ad occisionem, Ecce quomodo moritur, Sepulto domino cum versibus eorum. Et tunc exeunt de sepulchro, et ibi stabunt quattuor candelae ardentes, donec deportatur Crux (…) (fol. 42r–v).
Beide Ordinarien berichten über die Grablegung des Kreuzes am Karfreitag, die sich an die schlicht vollzogene, „gemurmelte“ Vesper anschließt. Der jüngere Ordinarius indes ist wesentlich ausführlicher und gibt neben der Benennung der verwendeten Responsorien, Psalmen und Orationen auch – dies ist der Wert dieser Buchgattung – topographische Angaben zur Bonner Münsterkirche. Der Ort der Michaelskapelle konnte bis heute nicht sicher ausgemacht werden, womit auch der Standort des Heiligen Grabes unsicher bleibt. Man wird durchaus mit mobilen Aufbauten zu rechnen haben, die den Kirchenraum an den Ostertagen in besonderer Weise prägen. Der dargestellte rituelle Bogen verläuft von der Karfreitagsliturgie selbst über die Vesper bis hin zur Grablegung und weiteren Verehrung, die sich in den Responsorien wie den vier brennenden Kerzen ausdrückt. Die theologische Besonderheit dieser Grablegung des Kreuzes außerhalb der eigentlichen Karfreitagsliturgie liegt nun darin, dass hier der Ritus der Kreuzenthüllung, -aufrichtung und Verehrung, den die Karfreitagsliturgie kennt, sozusagen ergänzt wird. Doch der Ritus der Kreuzerhebung in der Karfreitagsliturgie ist im Grunde neben dem Gedächtnis der Passion Christi ein österlicher Ritus, denn das Kreuz, an dem das Heil der Welt gehangen hat, lädt zur Anbetung des Gekreuzigten ein. 22 Der vor dem Jahre 1000 verfasste Ordo Romanus, der die Karfreitagsliturgie beschreibt, berichtet so: „Nam, salutante pontifice vel populo crucem, canitur semper antiphona: Ecce lignum crucis, in quo salus mundi pependit. Venite adoremus.”23 Doch dieser österliche Gedanke wird in dem Moment wieder rückgängig gemacht, in dem – nun historisierend – das Kreuz in das Heilige Grab gelegt wird. Von daher wird verständlich, warum es einer neuerlichen 22
Vgl. hier VAN TONGEREN, Exaltation, etwa 118–121. So der vor dem Jahre 1000 verfassten Ordo Romanus (OR) 24, Nr. 35. Text bei ANDRIEU, Ordines, hier 3, 294. Eine Datierung des OR bei VOGEL, Medieval Liturgy 170–171. – Vgl. insgesamt auch KLÖCKENER, Feier vom Leiden 222–224. 23
2. Ein Beispiel
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Kreuzaufrichtung bedarf, die die mittelalterliche Liturgie in die eigentliche Osternacht situiert, die Elevatio crucis. 2.2 Die Elevatio Crucis In der eigentlichen Osternacht ist das Heilige Grab wiederum Ort der Handlung, und zwar der Erhebung des Kreuzes, welche nun als österlicher Ritus verstanden wird. Nur der jüngere Ordinarius des Bonner Münsterstiftes berichtet hierüber. (...) In nocte Paschae itur in albis infra secundam et terciam horam ad matutinum. Decanus cum duobus senioribus venit cum magnis tortisiis ad sepulchrum et flexis genibus dicit vel legit alta voce versiculum Dicite in nationibus alleluja, collecta Gregem tuum quaesumus domine, et sumit crucem cum isto Responsorio Cum rex gloriae, portant in Criptam ad locum suum, et Responsorio finito cantatur ymnus submissa voce Jhesu nostra redemptio, ymno finito cantat Decanus Omnis terra adoret te et Deus, Oremus. Deus, qui crucem sanctam ascendisti et tunc mouetur processio ad chorum (fol. 43v– 44r).
Es handelt sich hier um Riten, die vor das nächtliche Offizium, die Matutin, geschoben sind und mit dem österlichen Akzent der Kreuzerhebung diese quasi einleiten. Nicht mehr die Erhebung und Verehrung des Kreuzes im Kontext der eigentlichen Karfreitagsliturgie wird als österlicher Ritus wahrgenommen, sondern erst diese Kreuzerhebung aus dem Grab, wie das Canticum Cum rex gloriae anzeigt. Damit ist sie Zeichen eines historisierenden Liturgieverständnisses: es geht um das Nacheinander der tatsächlichen Ereignisse, nicht mehr um eine Feier, die im Mysterium stets das Ganze begeht, wenngleich an den Tagen des Triduum immer wieder neu unter verschiedenen Aspekten. Die Situierung dieses Ritus der Elevatio Crucis in die Osternacht ist insofern möglich, als durch die Vorverlegung der eigentlichen Osternachtliturgie auf den Karsamstagmorgen die Osternacht sozusagen frei geworden war. 24 Die entstandene Lücke wurde einerseits durch die Kreuzerhebung, andererseits durch das zusätzliche Offizium der Ostermatutin mit der vor dem Te deum eingefügten Visitatio Sepulchri gefüllt. 2.3 Die Visitatio Sepulchri Den Besuch des Grabes schildert der älteste Liber Ordinarius so: Ad matutinam cantent bini et bini Versiculum Quem quaeris mulier. Finito tertio Responsorio descendit processio in medium templi et uenientes Marie per mediam processionem murmurantes dicunt antiphonam Quis revolvet usque ad sepulchrum. Ibi eis resistentibus interrogent angeli intrinsecus Quem quaeritis. Respondent Iesum Nazarenum et illi Non est hic et subiungunt Venite et uidete. Tunc angelis egressis 24
Zur sukzessiven Vorverlegung der Osternacht vgl. AUF DER MAUR , Feiern 83–84.
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VI. „Surrexit dominus vere“
ingrediuntur et referentes linteum cantent similiter antiphonam Surrexit. Qua finita incipit cantor Te deum et redit processio et perficiens laudes continuans Benedictus, post primam collectam non sequitur antiphona de resurrectione, quia prius representata est (fol. 287r’–287r’’).
Wiederum seien die Ausführungen des neuzeitlichen Ordinarius hinzugefügt: Responsorio finito Dominus Decanus et duo presbiteri seniores habentes thuribulum in manu euntes ad medium ecclesiae cantant antiphonam Quis reuolvet nobis. Tunc duo Vicarii de istis octo deseruentibus refectorium sedentes in sepulchro respondent Quem quaeritis, et tunc illi tres domini respondent Jhesum nazarenum, tunc illi in sepulchro respondent Non est hic surrexit et cum hoc etiam Venite et videte locum. Tunc illi tres vadunt ad sepulchrum et sumunt lintheum et portant secum cantando Surrexit dominus de sepulchro, antiphona finita Cantor incipit Te deum laudamus, et processio mouetur ad chorum, et Cantor indicit antiphonam primam de laudibus sine Deus in adiutorium, et sic omnes antiphonae de laudibus, sequitur antiphona ad Benedictus sine capitulo Et valde mane, et itur cum thuribulo, collecta Deus qui hodierna die, nullum suffragium (fol. 44r– 44v).
Die Elevatio Crucis in der Osternacht findet wie üblich vor der Matutin des Ostertages statt, an deren Ende nach dem letzten Responsorium und vor dem Te Deum die Visitatio Sepulchri ihren Ort hat. Hier wird nun das Osterereignis um das leere Grab szenisch umgesetzt, indem die Kanoniker bzw. die Stiftsschüler den Besuch der Marien am leeren Grabe und die Begegnung mit den Engeln darstellen. Andere Zeugnisse berichten über die Verwendung liturgischer Kleidung sowie das Mittragen von Weihrauchfässern durch die Frauen statt etwa Salbgefäßen. 25 Dies sind Hinweise auf die starke Einbindung der Feiern in den gottesdienstlichen Kontext, ihre liturgische Kodierung. Dem „Grabtuch“ kommt besondere Bedeutung zu, nämlich Hinweis auf den abwesenden Herrn zu sein. Das Material der Antiphonen und Responsorien ist der ansonsten üblichen Liturgie entnommen. So kann der älteste Ordinarius auf das Suffragium mittels der Antiphon Surrexit26 verzichten, da sie bereits Teil der Osterfeier ist („quia prius representata est“).
3. Liturgietheologische Aspekte zum Phänomen der Osterfeiern 3. Liturgietheologische Aspekte
Die Konkretisierung der Osterfeiern am Beispiel des Bonner Cassiusstiftes stellt erneut die Frage nach Funktion und Entstehungsbedingungen dieser eigenen Gattung. Die Schwierigkeit des Phänomens liegt im kulturellen 25
Zur Verwendung von Weihrauchfässern statt Salbgefäßen als Hinweis auf die liturgische Überformung der biblischen Szene vgl. ODENTHAL, Non est hic 35–37. 26 Hesbert, CAO, Nr. 5079.
3. Liturgietheologische Aspekte
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Gesamtzusammenhang. Es geht um die Liturgieentwicklung seit dem Frühmittelalter, die mannigfache Auswirkungen und Folgen nach sich zog. Dabei wird ein noch bei weitem nicht ausgelotetes Forschungsgebiet sichtbar, das unterschiedliche Facetten einzubeziehen hat. Die Komplexität der liturgischen Veränderungsprozesse der damaligen Zeit hat Theodor Klauser mit dem Modell der Austauschbeziehungen zwischen der römischen und der fränkisch-deutschen Kirche beschrieben. 27 Dabei situiert die liturgiegeschichtliche Forschung seit Josef Andreas Jungmann den entscheidenden Umbruch nicht mehr an die Nahtstelle von „romanischer“ Ordnung und deren „gotischer“ Auflösung, sondern in die Epoche des Frühmittelalters.28 Arnold Angenendt hat in die Diskussion das Diktum der „bonifatianisch-karolingischen Liturgiereform“ eingebracht.29 Der bewusst umfassend gewählte Begriff zeigt an, dass es um einen Jahrhunderte währenden Prozess der Inkulturation des Christentums in die Gebiete nördlich der Alpen geht, zu denen neben dem Missionsgebiet des Bonifatius und anderer ebenso die bereits christianisierten Gebiete der Kirche Galliens zählen. Diese wird nun immer mehr zu einer Rom verbundenen Landeskirche umgestaltet und hat damit auch römische Liturgie zu übernehmen. Das ist zum einen die bereits durch Bonifatius forcierte typisch römische Form der Initiationsliturgie.30 Die karolingische Reform verstand es zum andern, römische Liturgie nicht sklavisch zu kopieren, sondern ihr entscheidendes Kennzeichen zu übernehmen und zu adaptieren. Angelus Albert Häussling hat in seiner Studie über die Klosterliturgie die für das Frühmittelalter und seine Liturgie typische Tendenz beschrieben, in den nun entstehenden Klosterstädten oder Basilikaklöstern als das typisch Römische die Stationsliturgie zu installieren, also eine Liturgie, die sich im Laufe des Kirchenjahres an verschiedenen Orten zeitigte. 31 Sie führt zu einer Häufung von Einzelfeiern, näherhin der Messe, die zur Ehre heiliger Orte, sprich der Altäre gefeiert wurde. Das Entscheidende ist, dass man die einzelnen räumlich wie zeitlich verschiedenen Feiern in ein das Gesamt durchdrin-
27
KLAUSER, Austauschbeziehungen, mit kurzer Ergänzung auf 154. Vgl. J UNGMANN, Abwehr. Vgl. zur Forschungsgeschichte ANGENENDT, Liturgik und Historik 60–65; 95–98 u.ö. 29 Vgl. ANGENENDT, Bonifatius 53 u.ö.; vgl. auch ANGENENDT, Libelli 227–228, 235– 243. 30 Vgl. hier ODENTHAL, Tradition. 31 Für die Osterfeiern wäre hier der neuentstandene Ort des Heiligen Grabes von großer Bedeutung, das meist in Form einer Rotunde im Kircheninneren errichtet wird. Solche Rotundenbauten sind sowohl ein Hinweis auf die heiligen Orte Jerusalems wie – im Duktus mittelalterlicher Stationsliturgie – Romzitat. Vgl. hier etwa DE B LAAUW, Following the crosses. 28
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VI. „Surrexit dominus vere“
gendes Liturgiesystem zu integrieren vermochte. 32 Dies galt auf der Ebene einer Stadt: die vielen Kirchenbauten wurden durch die an bestimmten Tagen vom gesamten Stadtklerus in ihnen vollzogene Liturgie in eine ideelle zeitliche und räumliche Verbindung gebracht. Man legte dieses Prinzip aber auch für den einzelnen Kirchenraum zugrunde, der unter einem Dach nun verschiedene Heiligtümer, nämlich eine Vielzahl von Altären beherbergte. Mittels der Stationsliturgie entsteht eine ganz neue Wertung des Räumlich-Szenischen, die das Phänomen der Osterfeiern und -spiele erst möglich macht. Zugleich geht es um die „Wieder-holung“ des Ursprungsereignisses, das mittels des passenden Ortes repräsentiert wird. Die das Zeitlich-Räumliche integrierende Stationsliturgie hat eine synchrone wie diachrone Ebene: Die vielen Feiern an verschiedenen Orten im Laufe eines Kirchenjahres werden ebenso systematisiert, wie ihre Nähe zum Ursprung etwa durch das Zitat heiliger Orte Roms oder Jerusalems rituell hergestellt wird. Eine mit diesen Facetten angedeutete Umwälzung des Liturgischen samt kirchlicher Struktur von einer römisch geprägten Stadtkultur in die Gebiete nördlich der Alpen vollzog sich über lange Etappen und mit nachhaltigen Folgen, die bis zur ersten Jahrtausendwende keineswegs abgeschlossen ist.33 Exemplarisch sei hier nur eine in jüngerer Zeit aufgedeckte Spur benannt, nämlich die Veränderungen in Kunst und Kult nach der Plünderung Konstantinopels. 34 Es geht hier um die Neuerung, Reliquien gemäß östlicher Praxis sichtbar aufzubewahren, was im Kontext mittelalterlichen Schauverlangens nicht geringe Auswirkungen auf die Liturgie gehabt haben dürfte. Damit sind die beiden großen Problemkreise benannt, die ein Verständnis des Liturgischen immer bestimmen, die Frage nach Raum und Zeit.35 Wolfgang Simon hat in seiner luziden Studie über die Messopfertheologie Martin Luthers die sich verändernde Tradition von der Spätantike zum Mittelalter zwischen den Begriffen repraesentatio (Bild, Raum) und Gedächtnis (Zeit) platziert.36 Dies sind die Koordinaten, in die das Phänomen der Osterfeiern einzuordnen ist und die zugleich die Veränderungen gottesdienstlicher Praxis anzeigen.
32
Vgl. HÄUSSLING, Mönchskonvent. Vgl. auch HÄUSSLING, Liturgie. Vgl. für die Frühzeit Roms im Vergleich mit Konstantinopel und Jerusalem B ALDOVIN, The Urban Character. Vgl. ebenso die gute Übersicht bei DE B LAAUW, Contrasts. 33 Vgl. etwa die Epoche des 11. und 12. Jahrhunderts, deren Bedeutung für die Liturgie als ausstehendes Forschungsprogramm kurz umrissen ist bei P ALAZZO, Rom. 34 Vgl. TOUSSAINT, Sichtbarkeit. TOUSSAINT, Staurothek 304–313. 35 Vgl. hier MESSNER, Systematische Liturgiewissenschaft 272: „Die Frage aller Fragen der systematischen Liturgiewissenschaft ist die Frage nach der Zeit.“ – Die Raumdimension wäre freilich zu ergänzen. 36 Vgl. SIMON, Messopfertheologie 27–40.
3. Liturgietheologische Aspekte
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3.1 Die „Krise der sakramentalen Idee“ 37 Seit dem frühen Mittelalter bricht sich eine veränderte Einstellung des Sakramentsverständnisses Bahn, die sich vor allem auf die Eucharistie erstreckt. Es wäre ein weites und eigenes Unterfangen, die Streitigkeiten der Eucharistielehre seit dem frühen Mittelalter im Einzelnen darzustellen.38 In diesem Kontext mögen folgende Hinweise genügen. Hans Jorissen hat in seinen Ausführungen über die Abendmahlsstreitigkeiten des frühen Mittelalters die Bedeutung des jedweder religiösen Äußerung zugrunde liegenden philosophischen Denksystems aufmerksam gemacht.39 Konnte etwa aufgrund eines platonisch geprägten Urbild-Abbild-Verhältnisses Ambrosius von Mailand von den Eucharistischen Gaben noch als „figura“ des Leibes und Blutes Jesu Christi sprechen, 40 so zieht ein an aristotelische Kategorien von Materie und Form angelehntes Denkmodell nach sich, die strenge Identität des eucharistischen Leibes mit dem historischen Herrenleib zu postulieren, um das Spezifische katholischer Eucharistieauffassung auszusagen. Die frühmittelalterlichen Abendmahlsstreitigkeiten drehen sich also um das Begriffspaar „figura“ – „veritas,“ das es immer neu zu bestimmen gilt und das für den Gottesdienst der Kirche mannigfache Konsequenzen hat.41 In welchem Verhältnis steht die „figura,“ modern gesprochen: das symbolisch-rituelle Tun der Kirche, zur „veritas,“ der religiösen Ursprungshandlung, in Bezug auf die Messe: das Kreuzesopfer Jesu Christi selbst? Doch welches Denkmodell auch immer: die Fokussierung auf die Frage nach der Art und Weise der Gegenwart Jesu in den eucharistischen Gestalten, wie sie das Mittelalter im Interesse an „sachhafter Frömmigkeit“ übte, barg die Gefahr, den liturgischen Handlungskontext als Feier des Pascha-Mysteriums mit den dramatisch-rituell verfassten Bewegungen außer Acht zu lassen. Dieser Gefahr ist das Mittelalter durchaus erlegen: „Der Übergang von der Antike zum Mittelalter brachte (…) einen neuen Realismus mit sich, der die subtilen Möglichkeiten metaphorischer Rede 37
So der Titel bei PRATZNER, Messe. – Dass die im Folgenden beschriebenen Veränderungen mannigfache Auswirkungen auf den Umgang mit dem Bild im Rahmen des Kultes zeitigen, zeigen folgende Sammelbände: GANZ, LENTES, Ästhetik; GANZ, HENKEL, Rahmen-Diskurse; G ORMANS , LENTES, Bild. 38 Vgl. neben der bereits zitierten Studie von SIMON, Messopfertheologie, W INTER , Gegenwart. 39 JORISSEN, Abendmahlsstreit. Vgl. auch SIMON, Messopfertheologie 66–67. 40 Vgl. das in Ambrosius’ Schriften vorfindliche Zitat des Canon Romanus: „…quod est figura corporis et sanguinis domini nostri Iesu Christi,“ in: AMBROSIUS, De sacramentis 148–149, Z. 8–9. Vgl. auch J UNGMANN, MS 2,235. 41 Vgl. zur Kontroverse zwischen Florus von Lyon und Amalar von Metz mit weiterer Literatur P ATZOLD, Amalar; ZECHIEL-ECKES, Florus von Lyon; STECK, Amalarius; auch MARIAUX, Faire Dieu.
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VI. „Surrexit dominus vere“
nicht mehr zu bewahren vermochte.“ 42 Als Konsequenzen zeitigen sich neben einer neuen Betonung der Buße die Reduzierung der Gläubigenkommunion.43 Kommunionempfang und Eucharistiefeier werden voneinander abgekoppelt. Deshalb müssen Ersatzformen her, wie etwa die Elevation der Hostie als Ausdruck mittelalterlichen Schauverlangens. 44 Nicht mehr die Teilnahme am eucharistischen Mahl, sondern die Verehrung der konsekrierten Hostie ist Zielpunkt mittelalterlicher Frömmigkeit, was etwa zur Entwicklung eucharistischer Monstranzen führt.45 All dies ist Auswirkung der erwähnten Grundsatzfrage, die sich seit dem frühen Mittelalter in neuer Radikalität stellt. Die damit einhergehenden großen künstlerischen Leistungen etwa des Spätmittelalters dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie auch Symptom einer Krise sind: die eigentliche Liturgiefeier als Mysterium wurde immer weniger verstanden. Damit verbunden sind weitere Phänomene. 3.2 Von der Mysterienfeier zur Messallegorese – Liturgie als „Officium“ Die strenge Historisierung der Liturgie bedeutet im Grunde eine Abkehr vom Mysteriencharakter gottesdienstlichen Feierns mit der ureigenen Zeitdynamik, die nicht in einem Schema des Vorher – Nachher aufgeht, vielmehr das sakramentliche „Heute“ postuliert. Dies wird seit dem frühen Mittelalter anders, wenn man ein völlig neues Denkschema über den Ablauf der Messe legt. Man übernimmt von den Kirchenvätern die Methode der Allegorese und wendet sie auf die Liturgie an und zwar so, dass die einzelnen Teile des Messablaufs mit einzelnen Stationen des Lebens Jesu identifiziert und so reformuliert werden. 46 Die Messe wird so „Abbild“ des Lebens Jesu und ist nicht mehr Mysterienfeier seines Todes und seiner Auferstehung.47 An diesem Phänomen wird deutlich, wie wenig man die rituellen Vollzüge der Messe theologisch und spirituell noch zu füllen vermochte. Das heißt aber nichts anderes, als dass „die heilsgeschichtliche Perspektive also abgeschwächt und die historische Erzählung verselbstän42
S IMON, Messopfertheologie 66–67. Zum Problem vgl. jetzt umfassend KRAUSE, Mysterium. 43 Zur Buße als Thema der Eucharistie vgl. ODENTHAL, Ante conspectum 13–15 und in diesem Band 16–49. Zum Ganzen auch MESSNER , Feiern der Umkehr; ANGENENDT, Missa specialis. 44 Vgl. zu diesem seit dem frühen 13. Jahrhundert üblichen Brauch J UNGMANN, MS 2, 256–260. 45 Vgl. T OUSSAINT, Sichtbarkeit. Zur Geschichte der Monstranz vgl. etwa PERPEETFRECH, Monstranzen; CASPERS, Western Church. 46 Vgl. insgesamt MESSNER, Hermeneutik; auch, wenngleich in anderem Kontext, FAUPEL-DREVS, Gebrauch. 47 Vgl. hier immer noch das mit einem äußerst signifikanten Untertitel versehene Werk von FRANZ, Messe.
3. Liturgietheologische Aspekte
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digt ist.“48 Das allegoretisch unterfütterte historische „Nachspielen“ des Lebens Jesu statt der Feier des Mysteriums paart sich mit einer anderen Akzentsetzung, nämlich der Wertung von Stundengebet und Messe als „Officium,“ als pflichtgemäße Erfüllung der übernommenen Aufgabe seitens des Kultpersonals. Es ist dies eine nicht zuletzt durch die Benediktsregel forcierte Vorstellung. Daran hängen mannigfache Folgen, etwa das Diktum vom „richtigen Kult“49 wie dem „selbstwirksamen Ritus.“ 50 Begleitumstände ritueller Art, die über den korrekten Vollzug hinausgehen, werden sekundär. Das beste Beispiel hierfür ist die sukzessive auf den Karsamstag vorverlegte Osternachtliturgie, die somit ihrer zentralen Symbolik des Lichtes im Dunkel der Nacht entkleidet wird. 51 Vom Offiziumsgedanken her ist erstens solche Symbolik unnötig, zweitens kann man so die nun freigewordene eigentliche Osternacht mit dem Gebetspensum einer zusätzlichen Matutin füllen.52 Damit aber geht auf symbolisch-ritueller Ebene nicht nur die gesamte Lichtsymbolik, sondern auch die „Dominanz des Osterfestes verloren.“53 Arnold Angenendt spricht in diesem Kontext von der „Unfähigkeit der Scholastik, den Eigenwert von Zeichen und Symbolen, von Fest und Feier zu erkennen.“ 54 3.3 Die Bedeutung des Klerikers im Kontext einer komplexen Feierstruktur Die antagonistische Tendenz der hier zu verhandelnden Phänomene wird deutlich, schaut man auf die mit der benannten Krise einhergehenden Tendenz, das Ritual zu verfeierlichen und eine derart komplexe Struktur zu schaffen, dass es der Fachleute bedarf, um einen korrekten Vollzug zu gewährleisten. Diese seit dem Frühmittelalter greifbare Tendenz kann unter den Stichworten „Monastisierung des Klerus“ wie „Klerikalisierung der Orden“ gekennzeichnet werden. Die Mühen um die Unterscheidung von Kanonikerregel und Benediktsregel sind Zeugen der Angleichung zweier Lebensmodelle des Christentums.55 Ob Stift oder Kloster: Die sich ausbildende Komplexität der Handlungsabläufe fördert auch eine neue liturgische Buchgattung, nämlich die bereits am Beispiel des Bonner Stiftes vor48 So bereits die Wertung bei J UNGMANN, Abwehr 8; dazu ANGENENDT, Liturgik und Historik 96. 49 Vgl. ANGENENDT, Libelli. 50 Vgl. hierzu ANGENENDT, Liturgik und Historik 131–136. ANGENENDT, Geschichte 378–382. 51 Vgl. dazu AUF DER MAUR, Feiern 83–84. 52 Vgl. zum System von Gabe und Gegengabe ANGENENDT, Geschichte 373–378. 53 ANGENENDT, Liturgik und Historik 96. 54 ANGENENDT, Liturgik und Historik 146. 55 Vgl. den Überblick bei ANGENENDT, Geschichte 330–334; HÄUSSLING. Mönchskonvent, etwa 156–159.
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VI. „Surrexit dominus vere“
gestellten Libri Ordinarii als den „Regiebüchern“ 56 des Gottesdienstes. Es geht um das Bedürfnis nach liturgischem Fachpersonal, das nun an den heiligen Stätten Dienst tut, damit diese heiligen Orte durch tägliche Offiziumsliturgie geehrt werden.57 Damit wird zugleich der Kleriker immer mehr zum „sacerdos,“ zum Diener am heiligen Ort. 58 Kehrseite ist die hoch differenzierte Feierstruktur, die zwar zentrale symbolische Gehalte preisgibt, dies aber mit einer Sakralisierung ritueller Abläufe zu kompensieren vermag. 3.4 Die Idee des „selbstwirksamen Ritus“ und mystische Erfahrung Arnold Angenendt hat auf die seit dem Frühmittelalter herrschende Tendenz der Verobjektivierung der Liturgie aufmerksam gemacht, wie sie sich etwa in der Auffassung vom selbstwirksamen Ritus darstellt. Seine Gültigkeit ist – fast magisch – an keine subjektive Zustimmung mehr gebunden: der objektive Vollzug allein genügt. Genau diese Haltung aber zieht als Kehrseite die Tendenz und das Bedürfnis nach sich, nach Räumen subjektiven Erlebens zu suchen, eine Tendenz, die sich etwa in Formen der Mystik äußert. Die Tendenz der Dramatisierung, wie sie sich in den Osterfeiern zeitigt, könnte in diesem Kontext eine neue Bedeutung als Ermöglichung subjektiver Empfindung erhalten. 59 3.5 Die „Verortung“ der Liturgie: Gottesdienst in Stationen Auf die Bedeutung römischer Stationsliturgie als prägendem Merkmal der bonifatianisch-karolingischen Liturgiereform wurde bereits hingewiesen. Es wäre eine eigene Aufgabe, neben den bisher genannten, hauptsächlich auf das Phänomen der Zeit ausgerichteten Kriterien diese räumlichen Dimensionen auf der Ebene einer Stadt wie eines Kirchenraumes weiter auszufalten.60 Denn es stellt sich die Frage nach der räumlichen Vergewisserung des Heilsgeschehens im Gesamtkosmos des Kirchenraumes. In der Spätantike konnte etwa der Taufbrunnen noch bei Ambrosius als „Grab“
56 So die Definition bei FISCHER, Schiffsprozession 6; B ÄRSCH, Liber Ordinarius. – In der monastischen Tradition bilden sich nun die „Consuetudines“ aus. 57 Vgl. dazu HÄUSSLING, Mönchskonvent, etwa im Hinblick auf den Altar 221–225. Dass in diesem Kontext etwa die Kanonikerreformen des 11. Jahrhunderts auch liturgisch ein Rolle spielen, ist angedacht bei P ALAZZO, Rom. Zu den bautypologischen Folgen etwa der Ausprägung der Langchöre für die Kanoniker vgl. demnächst Klaus Gereon B EUCKERS, Chor. 58 Vgl. zur Tendenz P REDEL, Presbyter. 59 Vgl. ANGENENDT, Seuse. 60 Zur Stadttopographie des Mittelalters vgl. grundsätzlich H IRSCHMANN, Stadtplanung.
4. Ein Blitzlicht
139
gedeutet werden.61 Das Mittelalter entwirft eine komplexe Mikrostruktur des Kirchenraumes, innerhalb derer besonders der Kreuzaltar Bedeutung erhält. Als einer der Orte der Osterliturgie steht er für das Kreuzesgeschehen selbst.62 Weiterer Überlegungen bedürfte der im Kontext der Osterfeiern festzustellende Schritt, dem Ort des Kreuzaltares mit den mobilen oder festen Heilig-Grab-Bauten einen weiteren Ort an die Seite zu stellen.63 Dabei ist vor allem der Bautyp der Rotunde als Zitat Jerusalemer Tradition bemerkenswert.64
4. Ein Blitzlicht: Osterfeiern im Kontext lutherischer Reformation 4. Ein Blitzlicht
Ein Seitenblick sei nun auf die lutherische Reformation geworfen, und zwar deshalb, als die bisher vorgetragenen Gedanken sozusagen von ihrer Gegenseite her, der Kritik durch die Reformation, nochmals an Plausibilität gewinnen.65 Die liturgietheologischen Grundlagen lutherischen Gottesdienstes sind von bestechender Klarheit, wenn etwa die Confessio Augustana als Paradigma des Gottesdienstes an die richtige Verwaltung der Sakramente und reine Verkündigung des Evangeliums angibt: „Est autem ecclesia congregatio sanctorum, in qua evangelium pure docetur et recte administrantur sacramenta.“ 66 Es wäre viel dazu zu sagen, inwieweit sich etwa lutherische Gottesdienstpraxis nur aufgrund der mittelalterlichen Entwicklung verdankt, was hier nicht geschehen kann. 67 Doch setzten die Korrekturen Luthers grund61 „Also ist der Taufbrunnen gewissermaßen ein Grab“ „Ideo fons quasi sepultura est,“ in: AMBROSIUS, De sacramentis 2, 19, 110–111, Z. 19. 62 Zur Symbolik des Altares vgl. BRAUN, Altar, zum Kreuzaltar 1,401–406, zur Symbolik allgemein 1,750–755. Vgl. zum Altar auch FAUPEL-DREVS, Gebrauch 231–237. – Eine neue interessante historische Perspektive zur Raumdimension liturgischen Feierns findet sich bei VERSTEGEN, Gemeinschaftserlebnis. 63 Vielleicht spielt hier die Beobachtung von BRAUN, Altar 1,753, eine Rolle, der darauf aufmerksam macht, die Symbolik des Altares als Grab habe sich im Westen nicht durchgesetzt. Folglich würde das Heilige Grab ergänzend zum Kreuzaltar gesehen werden können. Vgl. zu solchen Tendenzen der Veranschaulichung oder Bebilderung KROESEN, Sepulchrum Domini, etwa 45–46. 64 Vgl. dazu TRIPPS, Bildwerk 136–141; KROESEN, Sepulchrum Domini 47–53. 65 Vgl. zur politischen Dimension der Konfessionalisierung etwa STOLLBERGR ILINGER , Knien vor Gott. 66 Augsburgische Konfession 61 3–6, im Kapitel VII. „De ecclesia.“ 67 Vgl. die Diskussion um W ENDEBOURG, Martin Luthers Gottesdienstreform; dazu etwa SCHULZ, Eingrenzung. Die Kontroverse ist insgesamt referiert bei RASCHZOK, Streit.
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VI. „Surrexit dominus vere“
sätzlich bei der mangelnden Wortverkündigung und dem Ausschluss der Gläubigen vom Eucharistieempfang an. Dementsprechend öffnet der Abendmahlsgottesdienst am Karfreitag den Gläubigen die Teilnahme am eigentlichen Geschehen der Drei Österlichen Tage, indem sie aus dem Kelch trinken und das eucharistische Brot empfangen dürfen. 68 Doch gelingt es der lutherischen Reformation kaum, die Weite eines spätantiken Mysterienbegriffs zurück zu gewinnen, was auch nicht erklärtes Ziel ist. Zu prüfen wäre, inwieweit eine allzu einseitige Betonung des Wortes auch von der mangelnden Akzeptanz symbolisch-ritueller Inszenierung zeugt. 69 Doch wenn durch den Laienkelch ein Mittun der Gemeinde wieder ermöglicht ist, bedarf es keiner Ersatzformen mehr. Das trifft nun die Osterfeiern in ganz besonderer Weise, allgemeiner sogar die gesamte rituelle Inszenierung der Heiligen Woche. In seiner Schrift „Deutsche Messe und Ordnung Gottesdiensts“ von 1526 fordert Martin Luther, die Karwoche einfacher zu gestalten, um jedem Leistungsprinzip zu entgehen: Die fasten, palmtag und marterwochen lassen wyr bleyben, nicht das wyr yemand zu fasten zwingen, sondern das die passion und die Euangelia, so auff die selbige zeyt geordenet sind, bleyben sollen; doch nicht also, das man das hunger tuch, palmen schiessen, bilde decken und was des gauckel wercks mehr ist, halten odder vier passion singen o dder acht stunden am karfreytag an der passion zu predigen haben, sonder die marterwoche sol gleych wie ander wochen seyn, on das man die passion predige des tages eyne stunde durch die woche odder wie viel tage es gelustet, und das sacrament neme wer do will. Denn es sol ja alles umb des worts und sacramenten willen unter den Christen g eschehen ym gotts dienst.70
Das Grundprinzip lutherischer Umgestaltung zwischen Kontinuität und Innovation zeigt sich auch hier. 71 Das Moment der Tradition liegt in der Beibehaltung der geprägten Zeiten, das Moment der Innovation in einer Reduktion der rituell-dramatischen Ausgestaltung. Doch bezüglich der Osterfeiern findet sich eine andere Aussage Luthers. In der dritten Osterpredigt 1533 bemerkt er:72 68
Interesse verdient die lutherischen Liturgiereform Hamburgs, bei der ein eigener Abendmahlsgottesdienst am Karfreitag erwähnt ist. Vgl. hierzu die auf der Kirchenordnung des Johannes Aepinus (1499–1553) fußenden CANTICA SACRA, partim ex sacris literis desumta, partim ab orthodoxis patribus, et piis ecclesiae doctoribus composita, et in usum ecclesiae et iuventutis scholasticae Hamburgensis collecta, atque ad duodecim modos ex doctrina Glareani accommodata et edita ab Francisco Elero Ulysseo. Hamburg 1588, p. CXIX. Ausgabe: ELER, Cantica sacra. 69 Zu diesem komplexen Thema in leider zu simplifizierender Form die flüchtig entworfene Studie von LUSCHER , Reliquienverehrung. 70 WA 19, 112 20–1133. 71 Vgl. SCHULZ, Luthers liturgische Reformen. 72 Martin LUTHER, Die Dritte Predigt, auff den Ostertag (1533), in: WA 37. Weimar 1910/Nachdruck Graz 1964, 62–72.
5. Zusammenfassung
141
Wie man auch jnn der Oster nacht ein spiel fuer die kinder getrieben hat. Und gefellet mir wol, das mans also den einfeltigen fuer malet, spielet singet odder sagt, Und sols auch da bey bleiben lassen, das man nicht viel mit hohen, spitzige gedancken sich bekomere, wie es moege zu gangen sein, weil es ja nicht leiblich geschehen ist, sintemal er die drey tage ja im grabe ist blieben. 73
Ohne beide Äußerungen harmonisieren zu wollen, ist letztes Zitat vor einem seelsorgerlichen Hintergrund zu verstehen. Die dramatische Darstellung des Osterereignisses ist um der Einfältigen und Kinder willen nützlich. Aber dies scheint dann suspekt zu werden, wenn es im gottesdienstlichen Kontext in Konkurrenz zu Wort und Sakrament geschieht. Grundsätzlich ist also ein szenisches Umsetzen biblischer Erzählungen möglich, doch der gottesdienstliche Kontext lässt es geboten erscheinen, „des gauckel wercks“ zu entbehren. 74 Dass diese Kritik Luthers an ritueller Ausgestaltung der Heiligen Woche tatsächlich umgesetzt wurde, zeigen etwa die Quellen des Halberstädter Domes, die über die Abschaffung der Bräuche um das Heilige Grab berichten. In der Rede des Bischofs Heinrich Julius, mit der er am 23. Februar 1591 die Domherren zur Annahme der Reformation bewegen wollte, bemerkt er im Abschnitt über die bona opera liturgische Bräuche, die dringend abgeschafft werden müssten, und so auch „…das Fußwaschen und Kreuz ins Grab legen.“75 Ein pastorales Argument wie bei Luther zieht angesichts der gebildeten Domherren nicht mehr, und so können die Bräuche um das Heilige Grab ruhig unterbleiben. Die von Heinrich Julius initiierten liturgischen Maßnahmen führen übrigens zu einem Verlust der gesamten Liturgie des Triduum Paschale, mit Ausnahme der Offiziumsliturgie, die einige der Gebets- und Gesangstraditionen aufnimmt und weiterführt.76
5. Zusammenfassung 5. Zusammenfassung
Die Ausführungen haben in den Osterfeiern ein Phänomen im Kontext, aber doch eigentlich am Rande der Liturgie aufgezeigt: „Das Spätmittelalter scheint an einer Abgrenzung zwischen bloß imaginativer Vergegenwärtigung, Re-Präsentation im Spiel und Realpräsenz im liturgischen Akt
73
WA 37, 638–13. Vgl. zum Problem allgemein W EIMER, Luther, Cranach und die Bilder. 75 Rede des Bischofs Heinrich Julius vor dem Halberstädter Domkapitel vom 23. Februar 1591 (Landeshauptarchiv Magdeburg: Rep Cop Hochstift Halberstadt 632 a), hier fol. 8r, abgedruckt in: ODENTHAL, Ordinatio 229–237, hier 234. 76 Vgl. dazu ODENTHAL, Ordinatio 94–104. 74
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VI. „Surrexit dominus vere“
nicht interessiert gewesen zu sein. Unterscheiden muß man sie trotzdem.“ 77 Entstanden sind die Osterfeiern aus den frömmigkeitsgeschichtlichen Bedingungen des Mittelalters, die eine Ergänzung der hohen Liturgie forderten: „Die Theatralisierung der Liturgie in der Osterfeier dient der Erzeugung eines Absenzeffektes. In diesem Effekt liegt nun auch eine Antwort auf die (…) Frage nach der Funktion begründet, der die Osterfeier ihre Entstehung verdankt. Thema der Feier ist nicht allein die Verkündigung der Auferstehung, die, auch wenn sie effektvoll sein soll, einer theatralen Inszenierung ja nicht bedarf; Thema ist gleichermaßen die Leerstelle, aus der die Auferstehungsbotschaft hier abgeleitet wird. Und dies legt nahe, daß die Feier neben der liturgisch-kerygmatischen eine weitere, von der Osterliturgie differente Funktion besaß, die gebunden war an die inszenierte Absenz Christi.“78 Christoph Petersen deckt damit eine hochinteressante Spur auf, nämlich die Frage nach der repraesentatio vor dem Hintergrund des fehlenden gekreuzigt-auferstandenen Christus. Die Ritualisierung der Absenz wäre deshalb nötig, weil man im liturgischen Kontext aufgrund der Veränderungen des Mysterienbegriffs zu stark präsentisch denkt: „In der Osterfeier wird mittels der theatralen Kodierung liturgischer Zeichen etwas sichtbar und performativ verhandelbar gemacht, das im liturgischen Kontext als dogmatisch und rituell bereits überwunden gewissermaßen negiert wird: die Absenz des Körpers Christi.“79 Indes kann man anfragen, inwieweit eine solche Sicht neuzeitlich geprägt ist, konstruiert doch etwa der französische Jesuit Michel de Certeau eine gesamte Ekklesiologie vom fehlenden Christus des Auferstehungsmorgens her. 80 Aber wie auch immer: „Das geistliche Spiel überschreitet die liturgische commemoratio, indem es das Moment der imitatio, nicht die in der Allegorese mit Bedeutung versehene Symbolhandlung der Liturgie, (…) zu einer basalen Kategorie seines darstellerischen Ansinnens erhebt, es verharrt diesseits theatraler Mimesis, weil es die Illusion einer Einheit von Darstellung und Dargestelltem offenbar systematisch zu unterminieren trachtet.“ 81 Die Osterfeiern sind bei alledem Zeugen der Farbigkeit mittelalterlicher Liturgie, die die Kirchenräume in ihren verschiedenen Raumteilen unterschiedlich ausfüllte. Zugleich zeigt sich das Bestreben, der hohen Liturgie der Messe und des Stundengebetes sinnlich greifbare Formen zur Seite zu Stellen.
77
MÜLLER , Realpräsenz 133. PETERSEN, Ritual 111. 79 PETERSEN, Ritual 230. 80 „Der Beginn des Christentums, so Certeau, ist durch den Verlust eines Körpers gesetzt – der des gekreuzigten und dann sukzessive als auferweckt geglaubten Jesus von Nazareth,“ so B OGNER, Gebrochene Gegenwart 124. 81 QUAST, Vom Kult zur Kunst 109–110. 78
VII. Segnung und Auflegung der Asche „in capite ieiunii“ im Kölner Augustinerinnenkloster St. Caecilien. Textzeugnisse eines Liber Ordinarius des 15. Jahrhunderts* VII. Segnung und Auflegung der Asche in capite ieiunii
1. Einleitung und Fragestellung 1. Einleitung und Fragestellung
In der „Rahmenordnung für die Zusammenarbeit von Priestern, Diakonen und Laien im Bereich der Liturgie“ von 1999 regelt die Deutsche Bischofskonferenz für die Feier des Aschermittwochs, dass im Falle der Abwesenheit eines Priesters oder Diakons auch ein beauftragter Laie am Ende des Wortgottesdienstes die Segnung und Austeilung der Asche vornehmen kann.1 Damit ist dieser Ritus als nicht notwendig dem ordinierten Amt vorbehalten deklariert, unbeschadet der Tatsache, dass selbstverständlich die Feier unter Leitung eines Priesters Priorität hat.2 Es stellt sich nun die Frage, ob die Möglichkeit der Segnung und Auflegung der Asche durch Laien eine Neuerung im Gefolge der Liturgiereform des II. Vatikanischen Konzils ist, oder ob man sich hier auf alte Vorbilder im Kontext westlicher Liturgietradition berufen kann. Zu diesem Zweck soll nun die Liturgie des Kölner Caecilienstiftes befragt werden. 3 Sie verdient deshalb Interesse, als * Zuerst erschienen in: MARSCHLER, OHLY, Spes nostra 45–61. 1 Vgl. DIE DEUTSCHEN B ISCHÖFE, Zum gemeinsamen Dienst berufen, Nr. 38, 33. 2 In den zur Rahmenordnung gehörenden Ausführungsbestimmungen für das Erzbistum Köln hat Joachim Kardinal Meisner folgendes eingeräumt: „Den Ortspfarrern übertrage ich es, falls eine ernste Notwendigkeit dafür besteht, Laien zu beauftragen, die am Aschermittwoch bei der Austeilung des Aschenkreuzes mithelfen. Die Segnung der Asche wird Laien jedoch nicht übertragen,“ in: Amtsblatt des Erzbistums Köln 139. 1999, 221 (Nr. 205, 2.a). Mit dieser Norm ist auch die Austeilung der Asche durch Laien innerhalb der Eucharistiefeier möglich, wenngleich der Tatsache Rechnung getragen wird, dass Aschenweihe und Auflegung nicht notwendig innerhalb der Eucharistiefeier stattfinden müssen, was allerdings in den gleichen Bestimmungen (unter Punkt c) für die Palmensegnung am Palmsonntag und die Kerzensegnung am Fest ‚Darstellung des Herrn’ gilt. 3 Zur Kirche St. Caecilia vgl. immer noch C LEMEN, Denkmäler I, 163–193. Vgl. ferner – besonders zu Fragen der Ausstattung – B OCK, St. Cäcilia; OPITZ, St. Caecilia.
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VII. Segnung und Auflegung der Asche in capite ieiunii
ihre Trägergruppe Klosterfrauen waren, nämlich Augustinerinnen, die aus dem 1474 verlassenen Kloster Weiher vor den Toren der Stadt Köln stammten.4 Damit handelt es sich bei der dortigen Liturgie um eine weitestgehend von Laien getragene Liturgie – im Unterschied zu den meisten anderen Stiftsliturgien Kölns, deren Träger, die Stiftsherrn, zumindest die Niederen Weihen empfangen hatten. Die Frage ist, inwieweit dies sich auch in der Liturgie niederschlägt. Zum Vergleich werden die Zeugnisse anderer Frauenkonvente Kölns und der Umgebung hinzugezogen, so etwa der Liber Ordinarius des Kölner Ursulastiftes5 und des Essener Damenstiftes.6 Voraus gehen einige Bemerkungen zu Geschichte und Gestalt des Aschermittwochs selbst in der römischen Liturgietradition, wie sie sich seit dem Frühmittelalter in den liturgischen Quellen niederschlagen.
2. Die Libri Ordinarii als liturgische Quelle: Forschungsstand und Desiderate 2. Die Libri Ordinarii als liturgische Quelle
Die Liturgie in den Dom- und Stiftskirchen wurde im Laufe des Mittelalters derart aufwendig, dass sie eines eigenen Regiebuches bedurfte, des sogenannten Liber Ordinarius. Ein solches Regelbuch des Gottesdienstes, eventuell für die Hand des Zeremonienmeisters bestimmt, konnte als Regiebuch sowohl für die feierliche Messe wie für die Stundenliturgie die4 Damit fügt sich diese Untersuchung in den Kontext der Frage nach der Beteiligung von Frauen an der Liturgie in der Geschichte der Kirche ein. Vgl. hierzu etwa MUSCHIOL, Psallere et legere. ULRICH, Kanonissen. MUSCHIOL, Famula Dei. Speziell zum Stand der Kanonissen vgl. auch den Sammelband von CRUSIUS, Kanonissenstift, in Bezug auf liturgische Fragen hierin etwa MUSCHIOL, Liturgie und Klausur, eine Erwähnung der Zustände in Köln, St. Ursula, Essen und Gerresheim in ebd. 138–139. Muschiol weist im Wesentlichen zwei Gründe für die Entstehung der Emporen nach, nämlich einerseits kultische Reinheitsvorstellungen, andererseits byzantinisches, wohl durch Theophanu übermitteltes Gedankengut eines exklusiven Gebetsortes für Frauen. Dies verdient hier deshalb Beachtung, als die Caecilienkirche aus stiftischer Zeit bereits eine solche No nnenempore im Westen besaß. – Vgl. im Hinblick auf die Dominikanerinnen auch MUSCHIOL, SCHOMACHER, Perspektivenwechsel. Vgl. etwa zu Nürnberger Dominikanerinnen SEEGERTS, Leben und Sterben, zum Chorgebet ebd. 37–40. 5 Vgl. WEGENER, Ordinarius. 6 Vgl. B ÄRSCH, Feier. Zur liturgischen Rolle der Stiftsdamen in Essen zur Neuzeit vgl. KÜPPERS-BRAUN, Frauen 180–181. – Die Damenstiftskirche zu Gerresheim kann deshalb hier nicht zur Sprache kommen, weil einerseits der Liber Ordinarius wohl des 14. Jahrhunderts Kriegsverlust ist, seine Edition bei KESSEL, Der selige Gerrich 194–210, aber zeigt, dass keine Hinweise zum Aschermittwoch enthalten waren. Zu Gerresheim vgl. auch DRESEN, Feier, auch hier keine Hinweise zum Aschermittwoch. – Zum Neusser Damenstift vgl. KOTTJE, St. Quirin 118–122, ebenfalls ohne Hinweise zum Aschermittwoch.
2. Die Libri Ordinarii als liturgische Quelle
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nen. Inzwischen sind etliche dieser Ordinarien ediert worden.7 Aufgrund ihrer zum Teil detaillierten Ortsbeschreibung ziehen sie mehr und mehr das Interesse kunstgeschichtlicher Forschung auf sich, etwa wenn es um Altarstellen, Chorabschrankungen oder Ähnliches geht.8 Die Bedeutung solcher Ordinarien für die Liturgiewissenschaft wie für die Kunstgeschichte besteht darin, dass man genaue Informationen über den Gottesdienst des Herkunftsortes mit seinen jeweiligen (zum Beispiel architektonischen) Bedingungen erhält.9 Die Ordinarien der alten Stifts- und Klosterkirchen Kölns sind noch nicht alle erforscht. 10 Eine Untersuchung liegt lediglich über den Gottesdienst des Apostelnstiftes mit Edition des ältesten Liber Ordinarius (13. Jahrhundert),11 für das Domstift mit der Edition des Domzeremoniale12 und das Gereonsstift mit der Edition eines spätmittelalterlichen Ordinarius vor.13 Bereits erwähnt wurde der ebenfalls edierte Ordinarius der Damenstiftskirche St. Ursula.14
7
Vgl. hierzu die Liste bisher publizierter LO bei HÄNGGI, Liber XXIV–XXXVI, dazu Ergänzungen bei KURZEJA, Liber Ordinarius 5, Anm. 16. Seither veröffentlichte LO sind verzeichnet bei GAMBER , Codices 147. Eine Übersicht über bisher publizierte LO auch bei MARTIMORT, Les Ordines 54–61. Ergänzungen bei DELL’ORO, Recenti 258–264, und in der Rez. von Martin KLÖCKENER, in: ALw 42. 2000, 116–118. Vgl. auch die Angaben bei KOHLSCHEIN, Liber Ordinarius 7–10 (im gleichen Band auch ein Verzeichnis von Ordinarien X–XIII). – Zur theologischen Bedeutung der Ordinarius-Forschung vgl. B ÄRSCH, Feier 1–3. An kleineren neuern Publikationen zu Ordinarien vgl. etwa V ELLEKOOP , Wendezeit. B ÄRSCH, Liber Ordinarius. 8 Aus der Fülle der Literatur vgl. hier etwa J ACOBSEN, Liturgische Kollisionen. Jacobsen zeigt für Saint-Denis die Wechselwirkungen von liturgischer Nutzung und baulicher Ausgestaltung vom Mittelalter bis zur Revolution auf. 9 Vgl. hierzu insgesamt KOHLSCHEIN, W ÜNSCHE, Heiliger Raum. 10 So existieren ein Liber Ordinarius der Kreuzbrüder (Köln, Historisches Archiv der Stadt Köln, Geistliche Abteilung 140, 15. Jahrhundert; ein 2. Exemplar ebd. Gymnasia lbibliothek 2 o 73, 1527), der Klosterkirche St. Maria Magdalena der Weißen Frauen (Bonn, Universitäts- und Landesbibliothek, S 1253, 1464): Der sog. Ordinarius der Abtei St. Pantaleon (Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek, theol. 1565, 13. Jh.) erwies sich anlässlich einer Autopsie als Sammelhandschrift zur Offiziumsliturgie, nicht als Liber Ordinarius im eigentlichen Sinne. 11 Vgl. ODENTHAL, Liber Ordinarius. 12 Vgl. AMBERG, Ceremoniale. 13 Vgl. Andreas ODENTHAL, Edition des Liber Ordinarius aus St. Gereon von 1424, in: ODENTHAL, GERHARDS, St. Gereon 265–282. Vgl. auch zur dortigen Liturgie ODENTHAL, Stephanusfest, in diesem Band 103–124. 14 Vgl. WEGENER, Ordinarius.
146
VII. Segnung und Auflegung der Asche in capite ieiunii
3. Der Aschermittwoch im Spiegel liturgischer Quellen seit dem Frühmittelalter 3. Der Aschermittwoch im Spiegel liturgischer Quellen
Zwei Stränge prägen die Zeit der Vierzig Tage bis heute, der des Taufkatechumenates, wie er sich etwa in den Perikopenordnungen zeigt, und der Gedanke der Buße, bis ins Mittelalter in der Form öffentlicher Kirchenbuße.15 Die ältesten römischen Quellen geben noch den ersten Sonntag der Quadragesima als Eröffnung der Bußzeit an, wie dies bis heute in der Mailändischen Liturgie üblich ist. 16 Die Entwicklung hin zum Aschermittwoch als Beginn der Bußzeit ist sekundär. 17 Um nämlich nicht nur auf vierzig Vorbereitungstage, sondern auf vierzig volle Fastentage zu kommen – als solche galten die Sonntage nicht – musste man die Bußzeit um die halbe Woche ab Aschermittwoch ausdehnen. 18 Der Aschenritus markiert dabei den Anfang der Büßerliturgie und bezieht sich im Ursprung nur auf die öffentlich Büßenden. Erst gegen Ende des 11. Jahrhunderts ist für Rom eine Austeilung der Asche für alle Gläubigen überliefert. 19 So wird verstehbar, warum etwa der Ordo Romanus (OR) 22, eine wohl vor 800 erfolgte fränkische Niederschrift römischer Bräuche,20 lediglich von der römischen Statio an diesem Tag berichtet. Sie bestand aus einer Sammlung der Gläubigen (collecta) in St. Anastasia und Prozession zur Stationskirche sowie dortiger Messfeier. 21 Hier, in der römischen Stationsliturgie, liegt wohl einer der Ursprünge der seit dem Mittelalter den Aschenritus begleitenden Bußprozessionen.22 Innerhalb der Ordines Romani wird erst mit dem OR 50, einer Vorstufe des römisch-deutschen Pontifikales des 10. Jahrhunderts,23 ein Aschenritus greifbar, indes im Kontext der Aussonderung der Büßer als Teil des öffentlichen Bußinstituts.24 Die Aschenaufle15
Vgl. zur Buße etwa MESSNER , Feiern der Umkehr 80–81. Vgl. hier etwa noch die Spuren im Sacramentarium Gregorianum, dass zwar am Aschermittwoch bereits die Collecta in St. Anastasia und die Messe in St. Sabina kennt (vgl. DESHUSSES, Le Sacramentaire 1, 131–132 [GrH 153–157]), aber am darauffolgenden Sonntag, dem Quadragesimasonntag, in der Super oblata noch betet: „Sacrificium domine quadragesimalis initii sollemniter immolamus…“ (ebd. 134 [GrH 167]), damit also noch Erinnerungen an den ersten Sonntag der Quadragesima als Beginn festhält. 17 Vgl. zur Geschichte kurz BÄRSCH, Feier 24–25. 18 Vgl. AUF DER MAUR, Feiern 147. 19 Vgl. AUF DER MAUR, Feiern 150. Durch die Synode von Benevent 1091, dazu mit Belegen B ÄRSCH, Feier 29. 20 Vgl. dazu VOGEL, Medieval Liturgy 170. 21 Vgl. OR 22, 1–12, in: ANDRIEU, Ordines 259–260. 22 Vgl. B ÄRSCH, Feier 35–37. 23 Vgl. VOGEL, Medieval Liturgy 187 und 225–247. 24 Vgl. OR 50, XVIII, 40, in: ANDRIEU, Ordines 123. Gleiche Bräuche schildert das Pontificale Romano-Germanicum (PRG) XCIX, 71, in: VOGEL, ELZE, PRG 2, 21. 16
3. Vom Stift zum Kloster
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gung geschieht dabei quasi als juridischer Akt durch den Priester nach der Eucharistiefeier, bevor der öffentliche Sünder aus der Kirche ausgeschlossen wird.25 Deshalb ist auch hier noch nicht die gesamte versammelte Gemeinde in diesen Ritus einbezogen. Dies geschieht erst im Laufe des Mittelalters, wenn der Aschenritus auf die gesamte, die Bußzeit begehende Gemeinde ausgeweitet und vor die Eucharistiefeier gestellt wird, wie es sich etwa im Ponitificale Romanum des 12. Jahrhunderts niederschlägt.26 Diesen Entwicklungsstand kodifiziert schließlich, abgesehen von den noch zu berichtenden Diözesantraditionen, das Missale Romanum von 1570.27 Die Bräuche des frühen und hohen Mittelalters zeigen also eine feste kodifizierte Form für den Aschenritus nur im Kontext der öffentlichen Buße. In den liturgischen Quellen eine Generation später zeigt sich ein anderes Bild. Nicht mehr das Ritual des öffentlichen Bußinstituts, sondern das alljährliche Bußetun der gesamten Gemeinde in der Quadragesima wird geschildert, wie denn auch die im Folgenden bemühten liturgischen Quellen des Kölner Caecilienstiftes deutlich machen. Zuvor indes sei ein eigener Abschnitt der besonderen Situation des Caecilienstiftes gewidmet, um die dort überlieferten Bräuche adäquat beurteilen zu können.
4. Vom Stift zum Kloster. Zu den äußeren Bedingungen des Gottesdienstes an St. Caecilien 3. Vom Stift zum Kloster
Aus der wechselvollen Geschichte des Kölner Caecilienstiftes verdient in diesem Kontext besonders das Jahr 1475 Erwähnung, und zwar aufgrund der damals erfolgten Umwandlung des verweltlichten Damenstiftes in ein reguliertes Augustinerinnenkloster. Man besiedelte damals das Caecilienstift mit den Nonnen des aus politischen Gründen abgerissenen Klosters Weiher vor den Toren Kölns.28 Die Jahreszahlen der Umwandlung schwanken indes und künden von einem schwierigen Prozess, der mit der Niederlegung des Klosters Weiher 1474 begann und wohl erst mit der Bestätigung der Umwandlung von St. Caecilien durch Papst Sixtus IV. vom 30. März 1478 ein Ende nahm. 29 Bei einer Visitation durch den päpstlichen 25 OR 50, XVIII, 43: „Post hanc, eiciendus est ab ecclesia…,“ in: ANDRIEU, Ordines V 123. 26 Pontificale Romanum saeculi XII, XXVIII, 5: „Interim ponit romanus pontifex vel sacerdos cineres super capita virorum ac mulierum…“ in: ANDRIEU, Pontifical 1, 210. 27 Vgl. MISSALE ROMANUM 1570, 121–123 (65–67) Nr. 544–577. 28 Vgl. GÜCKEL, Kloster 53–73. 29 Vgl. GÜCKEL, Kloster 65–66. – Zur Vorgeschichte der Augustinerinnen im Kloster Weiher und ihrer Verbindung zum Prämonstratenserorden vgl. HORSTKÖTTER , Zum inneren Leben 510–511.
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VII. Segnung und Auflegung der Asche in capite ieiunii
Legaten Bischof Alexander von Forli im Jahre 1474 wurde konstatiert, dass längere Zeit schon weder Messe noch Chorgebet in der Kirche gehalten worden seien.30 Dies änderte sich, und insofern hatte die Umwandlung auch liturgische Konsequenzen. Mit der Wahl einer neuen Äbtissin 1486 und neuen Statuten im Jahre 1487 waren die Wege für eine Konsolidierung des Konventslebens geebnet. 31 Sie zeitigte sich in liturgischer Hinsicht durch die schriftliche Niederlegung eines Liber Ordinarius im Jahre 1488, der das Chorgebet samt sonstiger Liturgie genauestens regelt. Wie generell an Kirchen von Frauenkonventen, so war auch beim Caecilienstift eine Reihe von Kanonikaten für Priester eingerichtet, ursprünglich zwecks Erfüllung der notwendigen Zelebrationen.32 Dass die mit einem Kanonikat verbundenen Verpflichtungen jedoch im Verlauf des Mittelalters immer weniger eingehalten wurden, zeigen die Auseinandersetzungen um die Kanonikate bei Umwandlung des Caecilienstiftes: Papst Sixtus IV. richtete damals die bestehenden vier Kanonikate neu ein. 33 Dies bedeutet aber nicht, dass deren Inhaber als Priester im Caecilienstift Dienst getan hätten. Man überließ dies weiterhin gerne den Vikaren, wenngleich es den Chorfrauen gelang, immer mehr die Präsenz der Kanoniker einzuklagen.34 Vielleicht liegt in diesen Schwierigkeiten ein Grund dafür, dass die Augustinerinnen die Minoriten zur seelsorglichen Betreuung des Konventes verpflichteten.35
5. Der Gottesdienst der Augustinerinnen in St. Caecilien nach dem Zeugnis des Liber Ordinarius von 1488 5. Der Gottesdienst der Augustinerinnen in St. Caecilien
Von der romanischen Caecilienkirche in Köln hat sich nun ein spätmittelalterlicher Liber Ordinarius erhalten („Ordinarius Ecclesiae seu Monasterii S. Caeciliae Virginis et Martyris, id est Index eorum, quae singulis Dominicis atque festis diebus legi ac decantari sueverunt“ 36). Er wird heute in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg aufbewahrt.37 Er be-
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Vgl. GÜCKEL, Kloster 60. Vgl. GÜCKEL, Kloster, 70, 74–75. 32 Vgl. für Essen etwa SCHILP, Kanonikerkonvent. 33 Vgl. GÜCKEL, Kloster 69 und 164. 34 Zu den Aufgaben und Präsenzpflichten der Kanoniker und Vikare vgl. GÜCKEL, Kloster 163–171. 35 Vgl. GÜCKEL, Kloster 75. 36 So der von späterer Hand nachgetragene Titel auf p. 1. 37 LIBER ORDINARIUS MONASTERII S. CAECILIAE COLONIENSIS. Unveröffentlicht, lediglich die Osterfeier ist ediert bei ODENTHAL, Non est hic 41–43. Eine nähere Beschrei31
5. Der Gottesdienst der Augustinerinnen in St. Caecilien
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schreibt nun nicht mehr die mittelalterlichen Bräuche, sondern die Zustände der Nutzung St. Caeciliens als Klosterkirche der Augustinerinnen.38 Auf p. 216 findet sich das Kolophon: Finitus et completus est presens liber per manus deuote religiose ac venerabilis priorisse monasterii sancte Cecilie ordinis sancti Augustini Goetgine filie honorabilis ac circu nspecti viri Johannis Busschop, ciuis inclite civitatis Coloniensis, castellani porte eiusdem civitatis prefate nuncupate vulgariter Hanepoorts. Anno incarnacionis dominice Milles imo quadringentesimo octuagesimo octauo vicesima, die mensis decembris, que est vigilia natalis sancti Thome apostoli. De quo laudetur deus, qui est benedictus in celis. Amen. 39
Die also aus einer gut situierten Kölner Bürgerfamilie stammende Priorin hat also rund vierzehn Jahre nach der Umwandlung des Caecilienstiftes in das Augustinerinnenkloster selbst diesen Ordinarius niedergeschrieben. 40 Deshalb sucht man viele ältere Bräuche vergeblich, so etwa die Einbindung von St. Caecilien in die Kölner Stationsliturgie, wie sie etwa in den Libri Ordinarii von St. Aposteln noch für das 14./15. Jahrhundert belegt ist,41 sei es, dass sie nicht mehr so geübt worden sind oder dass die Absicht des Ordinarius eine andere ist, nämlich die spezifischen (neuen) Bräuche der Augustinerinnen zu schildern. Die Niederschrift 1488 machte insofern Sinn, als 1487 die neuen Statuten des Klosters verabschiedet worden waren.42 Bislang sind lediglich die Osterfeiern um das Heilige Grab ediert.43 Eine nähere Auswertung des Ordinarius leistet etwa die Zuordnung der Altarpatrozinien im späten Mittelalter. Anlässlich der Altarwaschung am Gründonnerstag wird die genaue Abfolge der Altäre angemerkt. 44 Dabei bung der Handschrift bei BRANDIS, Codices 159f. Dazu GÜCKEL, Kloster 334; erwähnt auch bei STORK, Handschriften 272. 38 Das Augustinerinnenkloster bestand nach CLEMEN, Kunstdenkmäler 176, seit 1479. 39 LIBER ORDINARIUS MONASTERII S. C AECILIAE COLONIENSIS, p. 216. Text auch bei BRANDIS, Codices 159. 40 Vgl. zur Person GÜCKEL, Kloster 161, 354–355 und 363. 41 Vgl. ODENTHAL, Liber Ordinarius 87–88 über die Statio am Bittdienstag, bei der man die Messe in St. Caecilien sang. 42 Vgl. GÜCKEL, Kloster 70. 43 LIBER ORDINARIUS MONASTERII S. CAECILIAE COLONIENSIS. 44 Zum Brauch allgemeine vgl. NUSSBAUM , De altarium ablutione. Vgl. LIBER ORDINARIUS MONASTERII S . C AECILIAE COLONIENSIS p. 54–55: „Postea statim lauantur altaria in ecclesia. Primo in superiori choro virginum de sancto euergislo, antiphona Euergysle. Deinde altare in summo choro de sancta cecilia. Antiphona O beata cecilia. Versiculus Ora pro nobis. Deinde altare sancte crucis, antiphona O crux gloriosa. Versiculus Omnis terra. Deinde altare sancti christofori, antiphona Hic est vere martyr. Versiculus Corona aurea. Deinde altare sancti petri. Responsorium Petre amas me. Versiculus In omnem terram. Deinde altare sancti paulini, antiphona Habentibus. Versiculus Gloria et honore. Deinde altare sancti iohannis apostoli in crypta, antiphona Valde honorandus. Versiculus In omnem. Deinde altare sancte Eugenie virginis in armario. Responsorium Regnum mundi. Versiculus Specie tua. Deinde altare sancti leonardi, antiphona Jste est. Versicu-
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VII. Segnung und Auflegung der Asche in capite ieiunii
fällt auf, dass sich in der Aufzählung von 1488 kaum Parallelen zu den in gegenwärtiger Forschung angenommenen Altartituli finden.45 Vom spätmittelalterlichen Ordinarius, der die Nutzung von St. Caecilien für die Augustinerinnen beschreibt, sei auf sonstige Erwähnungen mittelalterlicher Liturgie an St. Caecilien zurückgeschaut. Die früheste gottesdienstliche Notiz zur Caecilienkirche stammt aus der Zeit Erzbischofs Bruno I., nämlich vom 25.12.962. Hier wird von einer Schenkung anlässlich der Statio des Erzbischofs in St. Caecilien am Weihnachtstag berichtet („cum ibi agitur statio“). 46 Damit hat sich ein Beleg erhalten aus der Frühzeit des Kölner Stationskirchenwesens mit seinen unterschiedlichen liturgischen Ausgestaltungen, so den drei Weihnachtsmessen des Erzbischofs in St. Maria im Kapitol (Nacht), St. Caecilien (Morgen) und Dom (Tag). Nun ist aber lediglich die Statio in St. Caecilien für das frühe Mittelalter sicher belegt, auch wenn sie sich nicht mehr in hoch- bzw. spätmittelalterlichen Quellen findet. 47 Die Statio des Erzbischofs in der Weihnachtsnacht in St. Maria im Kapitol indes verdankt sich einer recht jungen Überlieferung.48 Wenn auch die Libri Ordinarii aus St. Aposteln, die ansonsten ausführlich das Kölner Stationswesen referieren, die erwähnte Weihnachtsstatio in St. Caecilien nicht schildern, so erwähnen sie doch eine dortige Statio, und zwar am Bittdienstag zur Feier der Messe.49 Nun liegt die Entstehung des jüngsten Ordinarius aus St. Aposteln rund 80 Jahre von der des lus Amauit eum. Deinde altare sancti materni. Responsorium Sint lumbi. Versiculus Ora pro nobis. Deinde altare sancte marie virginis. Responsorium Christi virgo sine versu. Versiculus Post partum.“ – Manche der genannten Altäre sind seit dem 14. Jahrhundert belegt, so der des hl. Petrus (1316), Christoph (1333), Maria (1392), natürlich der Caecilienaltar (1393) und der des hl. Kreuzes (1397). Diese Angaben nach CLEMEN, Denkmäler I, 176. 45 Vgl. hier die Rekonstruktionsversuche bei KOSCH, Kölns Romanische Kirchen 59– 64. Ein Problem bildet der Altar in der Krypta, der im Liber Ordinarius als Johannesaltar ausgewiesen ist, bei CLEMEN, Denkmäler I, 174 und 189 jedoch als Maternusaltar ausgewiesen ist. Die Altarpatrozinien wären also nochmals gesondert zu untersuchen. 46 OEDIGER , Regesten 138, Nr. 449. 47 Vgl. das Ceremoniale Coloniense (vgl. AMBERG, Ceremoniale 27–28 und 74–79) und die Libri Ordinarii aus St. Aposteln (vgl. ODENTHAL, STRACKE , Stationsliturgie 145). 48 Vgl. die Stiftsstatuten von St. Maria im Kapitol aus dem 14. Jahrhundert bei SCHÄFER , Inventare 101 (Nr. 32). Just dieser Artikel ist indes nur in der Fassung des 16. Jahrhunderts erhalten. Er berichtet auch über die Statio in St. Caecilien: „…et in mulo predicto dominus archiepiscopus equitabit ad s. Ceciliam et ibi cantabit secundam missam et faciet simili modo ut prius et tunc domina abbatissa illius ecclesie dabit sibi album equum, in quo equitabit ad ecclesiam Maiorem...“ Ob dieser Bericht als historisch für das 10./11. Jahrhundert angenommen werden kann, steht sehr in Frage. Der Ordinarius von 1488 berichtet nun nichts mehr von dieser Statio. 49 Vgl. ODENTHAL, Liber Ordinarius 84–89.
5. Der Gottesdienst der Augustinerinnen in St. Caecilien
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Ordinarius aus St. Caecilien entfernt.50 Vielleicht ist dies der Grund, warum letzterer über die Messe aller Kölner Stifte am Bittdienstag in der Caecilienkirche gänzlich schweigt. 51 Eventuell führte die Umwandlung des Caecilienstiftes in das Augustinerinnenkloster zur Abschaffung der Statio. Schließlich muss noch damit gerechnet werden, dass von der Zielsetzung des Ordinarius aus St. Caecilien her kein Interesse an der Überlieferung Kölner Stationsbräuche bestand, wenn man nur Klosterliturgie schildern wollte. Wenn das so ist, sind vom Liber Ordinarius aus St. Caecilien Rückschlüsse auf die tatsächliche Stationsliturgie Kölns nur unter Vorbehalt zu ziehen. Der Liber Ordinarius aus St. Caecilien kennt eine Vielzahl liturgischer Rollen, die von den Augustinerinnen übernommen werden, so die Kantorin („cantrix“),52 eine Lektorin („lectrix“), 53 natürlich den Priester („sacerdos“).54 Auch ein „Praelatus“ wird erwähnt, womit wohl der Ranghöchste der ansässigen Kleriker, die ein Kanonikat an St. Caecilien innehatten, gemeint ist.55 Daneben erwähnt der Liber Ordinarius eine „Praelata.“ Dieser Terminus ist zur Bezeichnung der Vorsteherin eines Konventes seit dem frühen 9. Jahrhundert bezeugt. 56 In St. Caecilien hat sie auch eine besondere liturgische Rolle inne, und dies im Kontext der Stundenliturgie öfters.57 Der folgende Abschnitt untersucht die besondere liturgische Rolle, die die Liturgie des Aschermittwochs der „Praelata“ zuerkennt. 50
Vgl. ODENTHAL, Liber Ordinarius 40: um 1400. Im LIBER ORDINARIUS MONASTERII S. CAECILIAE COLONIENSIS p. 75, heißt es lediglich: „Hijs tribus diebus ante prandium nonam dicimus, et post missam processionem facimus.“ 52 Vgl. neben dem hier zitierten Abschnitt auch den LIBER ORDINARIUS MONASTERII S. CAECILIAE COLONIENSIS, etwa p. 54, 55 und öfter. 53 Vgl. LIBER ORDINARIUS MONASTERII S. CAECILIAE COLONIENSIS, etwa p. 23. 54 Vgl. LIBER ORDINARIUS MONASTERII S. C AECILIAE COLONIENSIS, etwa p. 42, die im Folgenden ausführlich zitiert wird. 55 Vgl. LIBER ORDINARIUS MONASTERII S. CAECILIAE COLONIENSIS, p. 57: „Tunc prelatus et ministri eius ab altari descendant et usque ad albas exuti in chorum veniant,“ so die Angaben im Kontext der Karfreitagsliturgie. 56 Vgl. die Belege für die Aachener Konzilien von 816 und 838 bei NIERMEYER, VAN DE KIEFT, Mediae 833. Nun wird im LIBER ORDINARIUS MONASTERII S. C AECILIAE COLONIENSIS , etwa p. 213 und 214, auch eine „abbatissa“ genannt, die wahrscheinlich mit der Praelata identisch sein wird. 57 So etwa bei der Weihnachtsvigil, vgl. LIBER ORDINARIUS MONASTERII S. CAECILIAE COLONIENSIS, p. 23; auch in der Karliturgie, vgl. ebd. p. 53, vor allem bezüglich der Fußwaschung (p. 56), die sie vornimmt: „Interim prelata lauat pedes sororum cum duabus sororibus ministrantibus. Quo facto reuertatur prelata cum ministrantibus sororibus sedentibus locis suis.“ In der Nacht vor dem Ostersonntag segnet und beräuchert sie das Kreuz vor der Erhebung des Kreuzes aus dem Grab: „Quo finito prelata aspergit et thurificat crucem“ (p. 63). 51
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VII. Segnung und Auflegung der Asche in capite ieiunii
6. Die Aschermittwochsfeier in St. Caecilien im Vergleich anderer liturgischer Quellen der Kölner Gegend – Befund und Deutungsversuch 6. Die Aschermittwochsfeier in St. Caecilien
Im folgenden Abschnitt sollen die Angaben des Ordinarius zur Aschenauflegung am Beginn der Fastenzeit, „in capite ieiunii,“ zur Sprache kommen und kommentiert werden. Die entsprechenden Hinweise im Liber Ordinarius lauten: Hac die post sextam leguntur septem psalmi in choro flexis genibus sine letania. Qui cum finiti fuerint, preces Kyrieleison, Christeleison, Kyrieleison. Pater noster. Sacerdos dicat Et ne nos. Versiculus Ego dixi domine miserere mei. Saluos fac seruos et ancillas tuas. Versiculus Conuertere domine usquequo. Et deprecabilis esto super seruos tuos. Ne memimeris iniquitatum. Adiuua nos. Domine non secundum. Domine deus virtutum. Domine exaudi cum collectis. Deinde incipiat cantrix Exaudi nos domine cum versu sine Gloria patri et antiphona repetitur. Interim conuentus aspergitur. Postea statim incipitur antiphona Immutemur, et prelata stet versa ad chorum super capita singularum sororum benedictos cineres mittens, et sorores sint accipientes sacros cineres flexis genibus, et quamdiu dantur cineres cantantur antiphona Immutemur, antiphona Iuxta vestibulum, responsorium Emendemus cum versu suo sine Gloria patri. Tunc sacerdos finitis omnibus dicat versiculum Ostende nobis domine. Collecta Concede. Postea sequitur missa. 58
Der Ritus der Aschenauflegung mit den Bußpsalmen geht, wie es damals üblich war, der Feier der Messe voraus und ist nicht eigentlich Teil der Messe, die erst nach der Sext beginnt.59 Implizit scheint vorausgesetzt, dass der Priester die Segnung der Asche vorgenommen hat. Zunächst fällt die inklusive Sprache auf, deren sich die Liturgie nach Aussage des Ordinarius bedient („seruos et ancillas“). Dann aber ist bemerkenswert, dass die „praelata“ des Klosters selbst die Asche auf die Häupter ihrer Mitschwestern streut. Dabei steht sie zum Chor gewendet da („versa ad chorum“). Mit der Wendung „hin zum Chor“ dürfte der Nonnenchor im Westen der Caecilienkirche gemeint sein, der als Nonnenchor abgeschrankt und mit einem eigenen Altar des hl. Evergislus, dessen Reliquien der Caecilienkirche von Erzbischof Bruno geschenkt worden waren, versehen war.60 Gemeint ist wohl folgender Ablauf: Nach der (nicht ausdrücklich 58
LIBER ORDINARIUS MONASTERII S. CAECILIAE COLONIENSIS, p. 42. Der Rückschluss auf eine bestimmte Uhrzeit ist deshalb schwierig, weil die „veritas horarum“ aufgegeben war und besonders die Kleinen Horen nach dem Pensumsgedanken oft hintereinander rezitiert wurden. 60 Vgl. RUOTGERI, Vita Brunonis 266 32–36 (c.31): „De translatione beati Evergisili, tercii eiusdem sedis archiepiscopi, quid factum sit huius pii provisoris dispensatione, plurimis notum est; quem in aecclesia beatae Ceciliae virginis cum hymnis et divinae laudis celebratione repositum, plebs religiosa ita veneratur et colit, ut praesentem cred eres beneficiis largioribis cotidiana obsequia mutuari.“ Vgl. auch De Translatione sancti Evergisli Archiepiscopi, in: ebd. 279–280, hier 280 17–20: „…sicque cum omni celebra59
6. Die Aschermittwochsfeier in St. Caecilien
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erwähnten, aber anzunehmenden) Segnung der Asche durch den Priester wird der Konvent mit Weihwasser besprengt, ob durch den Priester oder die „Praelata,“ bleibt unklar. Dann nimmt die Praelata ihren Platz vor dem Konvent ein, und zwar am Altar der Nonnenempore, und teilt die Asche aus, die von den Mitschwestern kniend empfangen wird. 61 Erwähnt werden ferner die Begleitgesänge Immutemur, Iuxta vestibulum62 und Emendemus.63 Der Ritus wird beendet durch Versikel und Oration durch den Priester, worauf die Feier der Messe beginnt. 64 Vergleicht man diese Schilderung mit den Bräuchen anderer Frauenkonvente des Kölner Raumes, findet man keine direkte Parallele dafür, dass die Priorin oder Prälatin die Asche an ihre Mitschwestern austeilt. Im Liber Ordinarius des späten 15. Jahrhunderts der Kölner Damenstiftskirche St. Ursula wird der entsprechende Ritus wie folgt beschrieben: „...officians revertat ad altare ferendo cineres ibi relictos et dando ipsis puellis ad frontem earum ad modum crucis…“ 65 Hier wird zum einen in der Tat die Auflegung der Asche in Kreuzesform erwähnt, indes durch den Priester. Der Liber Ordinarius der Essener Damenstiftskirche aus der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts schildert folgenden Ablauf: …presbiter benedicet cineres… Interim presbiter cum dyacono portante cineres post eum descendet ad conventum per gradus versus chorum domicellarum liniendo in frontem cuiuslibet earum parum de cineribus in modum crucis a dignioribus et senioribus inc ipiendo et dicendo sic in liniendo submissa voce et ad quamlibet personam Memento homo, quia cinis es et in cinerem reverteris.66
Auch hier ist es der Priester, der die Asche in Kreuzesform an den Konvent austeilt, der sich zu den Stufen des Ambo versammelt hat. Deshalb steigt er zuvor vom Hohen Chor, dem Ostchor, hinab („descendet“), und zwar in die Richtung des Frauenchores im Westen („versus chorum domicellarum“).67 tione divinae laudis quinto Calendas Aprilis honorabiliter repositum est in ecclesia san ctae Ceciliae virginis.“ – Zu den Reliquienschenkungen und der Geschichte des Schreines vgl. CLEMEN, Denkmäler I, 174. 61 Es bleibt unsicher, ob die Auflegung der Asche auf das Haupt in Kreuzesform geschah. 62 Vgl. zu beiden HESBERT, AntS 48–49 (Nr. 37a). 63 Dieses Responsorium ist nicht am Aschermittwoch zuhause, sondern aus der Stundenliturgie des Samstags vor Quinquagesima bzw. des ersten Sonntags der Quadragesima übernommen worden. Vgl. dazu HESBERT, CAO 4, 167 (Nr. 6653). 64 Die Oration Concede dürfte wohl mit GrH 153 identisch sein, die die „Collecta,“ die Versammlung der Gläubigen abschloss. Vgl. DESHUSSES, Le sacramentaire 1, 131. 65 Liber Ordinarius aus St. Ursula, fol. 56r, 30–31 (W EGENER , Ordinarius 121). 66 Liber Ordinarius aus Essen, p. 37–38 (B ÄRSCH, Feier, 326). 67 Vgl. zu den topographischen Angaben B ÄRSCH, Feier 29–30, die indes unsicher bleiben. Weshalb erwähnt der Ordinarius diesen Chor der Stiftsdamen?
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VII. Segnung und Auflegung der Asche in capite ieiunii
Andere Quellen Kölns zeigen ein ähnliches Bild. Ein allgemeiner Meßordo des späten Mittelalters soll mit seiner Schilderung des Aschenritus noch zur Sprache kommen.68 In der folgenden Synopse wird in der linken Spalte die Fassung eines handschriftlichen „Ordinarius missae“ wiedergegeben. Dieser ist Teil einer um 1400 angelegten Ordinariensammlung aus dem Besitz des Kölner Apostelnstiftes, die sich heute im Historischen Archiv der Stadt Köln, Geistliche Abteilung 24, befindet. 69 In der rechten Spalte findet sich die Textversion eines Druckordinarius aus dem Jahre 1515, hier nach dem Exemplar Düsseldorf, Hochschulbibliothek Incun. H.H.W. 181.70 Handschriftlicher Ordinarius Missae um 1400, fol 112v
Druck des Ordinarius Missae durch Hermann Pomerius 1515, C ii
IN DIE CINERUM In die Cinerum dicta tercia fiat Benedictio cinerum tali exordio: Adiutorium nostrum in nomine domini etc. quere in libro.
In capite ieinuii. Benedictio cinerum require supra in parte de tempore loco suo. Adiutorium. Qui fecit celum. Oremus. Oratio Omnipotens sempiterne deus parce metuentibus cum conclusione Per dominum nostrum iesum christum filium tuum etc. Amen. Sequitur Oremus. Oratio Deus qui humiliatione cum conclusione per dominum nostrum iesum christum etc. Sequitur Oremus. Oratio Benedic domine quaesumus creaturam cum sua conclusione.
Cineribus benedictis, aspersis et thurificatis relinquentur in altari et fiat aspersio populi
Deinde cineribus benedictis, aspersis et thurificatis relinquentur in altari. Et fiat aspersio populi cum aqua benedicta, cantando Exaudi nos domine. Psalmus Saluum me. Gloria. Exaudi.
cantando Exaudi nos domine. Versus Peccavimus cum patribus. Collecta Exaudi quesumus domine. Deinde circa templum cum cruce et thuribulo cantando Letaniam, qua finita sequitur Pater noster et versus Peccavimus. Oratio Pretende domine. Si placet potest cantari Media vita ante altare. Et si placet psalmus
Versus Peccauimus cum patribus nostris. Oremus. Collecta Concede nobis.
68 Vgl. zur schwierigen Quellenlage und eventuellen Abhängigkeiten dieser Druckordinarien ODENTHAL, Non est hic 44.46. 69 „Ordinarius missae,“ HAStK, GA 24, fol. 111r–120v. 70 Dieser Druck nicht in VD 16: Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des XVI. Jahrhunderts – VD 16. Hg. von der Bayerischen Staatsbibliothek in München in Verbindung mit der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel. Bd. 1–25. Stuttgart 1983–2000.
6. Die Aschermittwochsfeier in St. Caecilien Deus misereatur nostri etc. iuxta solitum. Oracio Exaudi quesumus domine. Oracio Preces nostras quesumus domine. Deinde predicandum est populo. Confiteor.
Postea det sacerdos cineres benedictos dicendo Memento homo quia etc. Et cantatur interea Immutemur habitu, Iuxta et responsorium Emendemus cum versu Peccavimus.
Oracio Exaudi quesumus domine supplicum. Officium misse Misereris omnium (…).
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Deinde expleta benedictione primo imponitur sacerdoti celebraturo missam ab alio sacerdote, si adest, alioquin ipse flexis genibus coram altari sibiipsi cineres imponit, et sacerdos dando cineres benedictos dicat Memento homo quod cinis es et in cinerem reuerteris. Interim cantantur Antiphonae sequentes scilicet Immutemur. Antiphona Iuxta vestibulum. Deinde completa cinerum datione fit processio precedente cruce ad aliquod altare cum Responsorio Emendemus cum versu et Gloria. Quo finito leguntur septem psalmi paenitentiales cum precibus et collecta ad hoc deputatis cum suis conclusionibus. Quibus finitis canitur Letania vsque ad finem. Interim redit processio ad chorum. Finita Letania canitur Introitus misse vt sequitur (…).
Die beiden Texte dokumentieren in ihrer durchaus ähnlichen Ordnung den Versuch, die Messliturgie Kölns zu standardisieren, was schließlich auch in die Kölner Missalien eingegangen ist, wie etwa der letzte vortridentinische Druck des Missale Coloniense von 1525 zeigt.71 Auch hier ist es der Priester selbst, der nach der Terz und vor der Messe die Asche segnet und austeilt. Dieser Ritus wird selbst in dem Fall, dass nur ein Priester zur Verfügung steht, nicht delegiert. Dann streut er sich selber die Asche aufs Haupt, wie der Druckordinarius von 1515 angibt. Das Trienter Missale bringt hier ebenfalls nur geringe Abweichungen der ansonsten in Köln üblichen Ordnung, wobei auch hier der Priester die Asche austeilt.72
71
Vgl. Missale Diocesis Coloniensis, de nouo recognitum, adauctum quque et in alium ordinem redactum. , fol. xxvi v (Exemplar im Seminar für Liturgiewissenschaft, Universität Bonn). Der dem Missale vorangehende Ordinarius (ohne Foliierung oder Paginierung) bringt im Wesentlichen mit dem Ordinarius von 1515 identische Formulierungen. – Vgl. zu diesem Druck (nicht in VD 16, wie Anm. 70) auch P ETERS, Beiträge 26–27; W EALE, BOHATTA, Bibliographia Liturgica 52, Nr. 295. 72 Vgl. MISSALE ROMANUM 1570, 121–123.
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VII. Segnung und Auflegung der Asche in capite ieiunii
Damit lässt sich bislang der Ritus des Kölner Caecilienklosters, der die Segnung der Asche dem Priester vorbehält, die Austeilung aber der Prälatin zuerkennt, als ein singulärer Brauch ausmachen. Die Frage ist nun die, welche Gründe es für diese Eigentümlichkeit geben könnte. Wenn die Bräuche des Augustinerinnenkonventes zu St. Caecilien von denen der Damenstifte, soweit sie jedenfalls zugänglich und erschlossen sind, abweichen, liegt es nahe, den Grund in der besonderen Situation eines Klosters im Unterschied zu einem Stift zu vermuten. Dementsprechend wäre auch der hier beschriebene Brauch dann zeitlich mit der Umwandlung des Caecilienstiftes in das Augustinerinnenkloster anzusetzen. Es kommen im Wesentlichen zwei Erklärungsmodelle in Betracht, die indes durchaus hypothetisch bleiben, nämlich die Klausurbestimmungen und ihr Einfluss auf die Liturgie einerseits sowie die Jurisdiktion der Konventsoberen im Kontext des mittelalterlichen Bußwesens. Es liegt zunächst nahe, die liturgische Rolle der Praelata im Nonnenchor der Caecilienkirche den besonderen Klausurbestimmungen zuzuschreiben. Die besondere Einhaltung dieser Klausurbestimmungen scheint deshalb von Bedeutung, da gerade in der Epoche der Umsiedlung des WeyerKlosters diesem ein schlechter Ruf anhaftete. 73 Es wäre gut denkbar, vor diesem Hintergrund den Aschenritus gerade in seiner sehr persönlichen und individuellen Dimension in die Hand der Praelata zu geben. Wenn andererseits die Nonnen von St. Caecilien etwa am Palmsonntag zur Statio nach St. Peter durften,74 wäre dies ob des durch und durch öffentlichen Charakters der Feiern im Kontext gemeindlicher Liturgie kein so drängendes Problem. Wie sehr Klausurvorschriften die Feier der Liturgie beeinflussen, zeigen Parallelen aus der zisterzienserischen oder benediktinischen Tradition. Claudia Mohn hat anlässlich der Untersuchung von Zisterzienserinnenklöstern einige Konstruktionen von Winden und Rädern ausmachen können, mittels derer der Kontakt über die Klausurgrenzen in geordneten Bahnen gehalten werden konnte. 75 Für die Unterkirche des Klosters Himmelspforten etwa legte eine zu einem solchen Fenster in der Klausurmauer benachbarte Altarstelle eindeutig nahe, dass das Fenster liturgisch genutzt worden ist, und zwar zunächst als Beichtfenster: „Der direkte körperliche Kontakt zwischen Beichtvater und Nonnen sollte ebenso unterbunden werden wie der Blickkontakt.“ 76 Sodann wurden solche 73
Vgl. GÜCKEL, Kloster 53–54. Vgl. LIBER ORDINARIUS MONASTERII S. CAECILIAE COLONIENSIS, p. 50: „Qua finita fit processio ad sanctum petrum ubi fit benedictio palmarum.“ Da die Palmenweihe der Kölner Stifte in St. Gereon stattfand, kann mit der genannten Peterskirche also nicht die Domkirche, sondern nur die zu St. Caecilien benachbarte Pfarrkirche St. Peter gemeint. Zur Kölner Palmsonntagsfeier vgl. ODENTHAL, Palmsonntagsfeier. 75 Vgl. hier MOHN, Klosteranlagen 54–62. 76 MOHN, Klosteranlagen 56–57. 74
6. Die Aschermittwochsfeier in St. Caecilien
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Öffnungen in der Klausurmauer auch als Kommunionfenster genutzt. Der Priester gab die Pyxis mit der Eucharistie etwa in eine Drehlade, so dass die Äbtissin oder Priorin sie auf der anderen Seite entnehmen und die Eucharistie an ihre Mitschwestern weiterreichen konnte. 77 Susan Marti hat ein weiteres Beispiel solcher Praxis benannt. 78 Das Benediktinerinnenkloster Preetz in der Diözese Lüneburg vollzieht gegen Ende des 15. Jahrhunderts eine deutliche Veränderung der Liturgie im Kontext von Klausurbestimmungen, und dies unter dem Einfluss der Reformen von Bursfelde und Windesheim. Der Raum der Nonnen sollte deutlicher vom Bereich der Laien abgetrennt werden. Ein neuer Klausuraltar sollte dazu dienen, die Kommunion der Schwestern nicht mehr am Hochaltar inmitten von Klerus und Laien stattfinden zu lassen. Eine eigens für den Klausuraltar geschaffene Marienfigur erhielt eine kupferne Hand, die die Küsterin dieser Figur bei der Kommunion aufsteckte. Ihr Zweck war, den Kelch zu tragen, der den Ablutionswein enthielt.79 „Statt des Priesters reicht nun das Marienbild den Nonnen den Kelch,“ so der Kommentar von Susan Marti. 80 Wie immer die Beispiele auch zu bewerten sind, die strengere Einhaltung von Klausurvorschriften als eine Tendenz des 15. und 16. Jahrhunderts könnte ein Grund für die seltene Praxis des Kölner Caecilienklosters am Aschermittwoch sein.81 Eine zweite, hier nur kurz angedeutete Überlegung gesellt sich hinzu, nämlich ausgehend von der Jurisdiktionsgewalt der Praelata. Gisela Muschiol hat auf die Rolle der Äbtissin im Kontext der täglichen Bußdisziplin eines Frauenklosters hingewiesen, die sich analog zur Rolle des Abtes in Männerklöstern gestaltete.82 Es wäre zu prüfen, ob nicht eine Wurzel des hier geschilderten Brauches in der Jurisdiktion der Praelata zu
77 Vgl. MOHN, Klosteranlagen 57; bezüglich priesterloser Gottesdienste mit Eucharistieempfang im Mittelalter LECLERCQ, Eucharistic Celebrations; auch MUSCHIOL, Famula Dei 197. 78 Vgl. MARTI, In der Tasche. 79 Vgl. zur Reichung von Ablutionswein im Kontext der Initiation DANNECKER, Taufe 421–430; 448–449 und 451, hier der Hinweis auf Ablutionswein nach der Kommunion der Eucharistie in Brotsgestalt. Der Kelch mit dem Ablutionswein wurde also genommen, damit alle Partikel der Eucharistie auch genossen würden. Aber zugleich war dies wohl auch als Ersatz für die verlorene Kommunion des Konventes „sub utraque specie“ zu denken (dass es sie in merowingischen Frauenklöstern noch gab, übrigens auch außerhalb der Eucharistiefeier, zeigt MUSCHIOL, Famula Dei 197). Wie verbreitet die Praxis des Ablutionsweins im Mittelalter war, zeigen etwa auch Beispiele aus dem Halberstädter Dom, hier wie so oft im Kontext der Karfreitagsliturgie. Vgl. hierzu ODENTHAL, Die Liturgie des Gründonnerstags 29–30; 40, in diesem Band 74–102. Für Köln vgl. die ältere Publikation von P ETERS, Karfreitagsmesse. 80 MARTI, In der Tasche 356. 81 Vgl. zum Problem auch MUSCHIOL, Liturgie und Klausur, bes. 138–140. 82 Vgl. MUSCHIOL, Famula Dei 222–263.
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VII. Segnung und Auflegung der Asche in capite ieiunii
suchen ist. Als Leiterin des Konventes nähme sie ihre Jurisdiktion wahr, indem sie zu Beginn der Quadragesima den Aschenritus vollzieht.
7. Ergebnis 7. Ergebnis
Der Durchgang durch einige liturgische Quellen des Mittelalters in Bezug auf die Aschenweihe und ihre Auflegung macht deutlich, wie aus einem Zeichen kirchlicher Jurisdiktion im Kontext eines öffentlichen Bußverfahrens mehr und mehr ein Zeichen persönlicher Andacht im Kontext der jährlichen Bußzeit vor Ostern geworden ist. Flexibel wurde der Brauch der Aschenauflegung an neue Herausforderungen angepasst, ohne den Kern, die Betonung von Umkehr und Buße, aufzugeben. Nun ist beim Rückschluss von heutigen Notwendigkeiten auf einstmals da gewesene Bräuche Vorsicht geboten. Die Umstände des 15. Jahrhunderts sind andere als heute. Dennoch zeigt sich ein lebendiger Prozess von Überlieferung. Damals waren es wohl Klausurbestimmungen, die dazu führten, im Kontext eines Nonnenklosters die Austeilung der Asche nicht mehr durch den Priester vollziehen zu lassen, sondern in die Hand der Priorin zu geben. Heute sind es andere Gründe, die die Austeilung der Asche durch Laien geboten erscheinen lassen: der fehlende Priester vor Ort, der einen Wortgottesdienst durch Laien am Aschermittwoch notwendig macht; die Praktikabilität, die es geraten sein lässt, dass in einer gut besuchten Messfeier am Aschermittwoch der Priester bei der Auflegung der Asche durch Laien unterstützt wird. Wie auch immer: Die liturgische Tradition erweist sich als lebendiger Prozess der Überlieferung, der ständig neu nach dem Unverzichtbaren und dem Veränderbaren zu befragen ist (vgl. etwa SC 21). Der „Ritus,“ die im Glauben und Leben der Kirche gereifte Gestalt des Betens und Feierns, ist kondensierte Gestalt der lebendigen Überlieferung, in der ein Ritenraum das Ganze seines Glaubens und Betens ausdrückt und so zugleich die Gemeinschaft der Generationen erlebbar wird, die Gemeinschaft mit den Betern vor uns und nach uns. So ist der Ritus eine Vor-Gabe an die Kirche, lebendige Gestalt von Paradosis. 83
Diese Paradosis aber gilt es, sich immer wieder neu im Hinblick auf die eigene Lebensgeschichte, ihre Ereignisse und Fährnisse anzueignen, um sie lebendig weitergeben zu können.
83
RATZINGER , Organische Entwicklung 37.
VIII. Pfarrlicher Gottesdienst vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit. Eine Problemskizze aus liturgiewissenschaftlicher Perspektive * VIII. Pfarrlicher Gottesdienst
1. Einleitung: Zur Methodik, Fragestellung und Stand der Forschung 1. Einleitung: Zur Methodik
Die liturgiewissenschaftliche Forschung untersucht seit Jahrzehnten verstärkt die so genannten Libri Ordinarii, eine sich seit dem Hohen Mittelalter mehr und mehr entwickelnde Gattung liturgischer Quellen, von denen inzwischen etliche ediert worden sind. 1 Sie sind deshalb von großer Bedeutung, weil sie als „Regiebücher“ 2 des Gottesdienstes eines Dom- oder Stiftskonventes dienten. In dieser Funktion nennen sie nicht nur den zu sprechenden oder zu singenden liturgischen Text, meist durch die Angabe des Textinitiums. Sie ermöglichen vielmehr auch den Blick auf das Gesamtgefüge von gebetetem Text und dem das Gebet inszenierenden Ritual. Gerade ein solchermaßen ermöglichter Fokus der „rituellen Szene“ lässt es zu, dass eine sich dieser Untersuchungen verpflichtete liturgiegeschichtliche Forschung in die multidisziplinär arbeitende Gruppe der ritual studies * Zuerst erschienen in: Enno BÜNZ, Gerhard FOUQUET (Hg.), Die Pfarrei im späten Mittelalter (Vorträge und Forschungen), Ostfildern 2011. 1 Vgl. hierzu die Liste bisher publizierter Ordinarien bei HÄNGGI, Liber XXIV– XXXVI, dazu Ergänzungen bei KURZEJA, Liber Ordinarius 5, Anm. 16. Seither veröffentlichte Libri Ordinarii sind verzeichnet bei GAMBER, Codices 147. Eine Übersicht auch bei MARTIMORT, Les Ordines 54–61. Ergänzungen bei DELL’ORO, Recenti 258– 264, und in der Rez. von Martin KLÖCKENER , in: ALw 42 (2000), 116–118. Vgl. auch die Angaben bei KOHLSCHEIN, Liber Ordinarius 7–10 (im gleichen Band auch ein Verzeichnis von Ordinarien X–XIII). Zur theologischen Bedeutung der Ordinarius-Forschung vgl. B ÄRSCH, Feier 1–3. An neueren Publikationen zu Ordinarien vgl. etwa VELLEKOOP, Wendezeit; LEMAITRE , Les ordinaires; vgl. auch die Edition des Ordinarius von Padua bei CATTIN, V ILDERA, Liber Ordinarius; und des „Registrum chori ecclesie maioris Gandersemensis“ durch P OPP, Schatz 159–199. – Vgl. insgesamt den erhellenden Überblick bei B ÄRSCH, Liber Ordinarius, mit einer die Angaben bei Martimort weiterführenden Liste ebd. 37–40. Vgl. auch die in den folgenden Anmerkungen gemachten Angaben. 2 So die immer noch gültige Definition bei FISCHER , Schiffsprozession 6.
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VIII. Pfarrlicher Gottesdienst
eingeordnet werden kann.3 Hier ist ein Knotenpunkt interdisziplinärer Forschungsarbeit: Nicht nur die Musikwissenschaft, die Kunst- und Baugeschichte, auch die Profangeschichte, die Mediävistik vermag mittels dieser Quellengattung einen Einblick in konkretes gelebtes liturgisches Alltagsund Festtagsgeschehen zu erhalten. 4 Zugleich wird ein „Paradigmenwechsel“ innerhalb der Liturgiewissenschaft deutlich: Es geht nicht mehr nur um die „klassischen“ liturgischen Quellen vor dem Jahre 1000, die bei den Sakramentarstudien,5 der Erforschung der Ordines Romani6 oder des Pontificale Romano-Germanicum (PRG)7 Thema waren, sondern um die „Performance“ liturgischen Handelns als Realisierung und Ritualisierung des Heilshandelns Gottes.8 Der Abschied von einer „Verfallshypothese,“ die etwa mit dem Jahre 1000 oder dem Ende der romanischen Epoche eine Zäsur sah, die die „romanische Ordnung“ von „gotischer Auflösung“ trennte, öffnet den Blick neu für den Reichtum hoch- wie spätmittelalterlicher liturgischer Traditionen. 9 Ein weiterer Perspektivenwechsel kommt hinzu: Es geht um erlebte Liturgie, die nicht mehr nur mittels der offiziell (etwa kirchenamtlich) normierten liturgischen Bücher zu rekonstruieren ist, sondern auch der Ergänzung durch eine wie immer auch zu rekonstruierende subjektive Perspektive bedarf. 10 Es ist der „wissenssoziologisch erweiterte historische Erfahrungsbegriff,“ der auch die Innenseite der Christentumsgeschichte zu beleuchten vermag. 11 Damit ist ein großes, noch weitgehend ausstehendes Forschungsprogramm benannt. Die Libri Ordinarii bieten in diesem Kontext durch ihre Konkretion des Alltags und Festtages ein Bindeglied zwischen den offiziell zu verwendenden liturgi3
Vgl. dazu VAN TONGEREN, Zielrichtung. Vgl. hierzu B ÄRSCH, Anmerkungen; auch ANGENENDT, Mediävistik; NEUHEUSER , Beitrag. 5 Vgl. hier etwa KLÖCKENER , Sakramentarstudien. 6 Vgl. ANDRIEU, Ordines (z.T. Réimpression anastatique). 7 Vgl. VOGEL, ELZE, PRG. 8 Sakramententheologisch ist dies äußerst luzide bedacht bei SCHILLEBEECKX , Wiederentdeckung. 9 Vgl. zur „Verfallshypothese“ etwa ANGENENDT, Liturgik und Historik 64–65 auch eine Auseinandersetzung etwa mit dem Ansatz von Anton L. Mayer und seinem Vorwurf des Subjektivismus für das Spätmittelalter. Vgl. etwa MAYER , Liturgie; MAYER , Liturgie im Spätmittelalter. – Es mag bezeichnend sein, dass die im Folgenden zur Sprache kommenden Aufzeichnungen zur Liturgie der Pfarrkirchen bislang kaum das Interesse der Liturgiewissenschaft hervorriefen, obgleich sie als eine Sonderform der Libri Ordinarii angesehen werden können. 10 Vgl. hier LURZ, Erlebte Liturgie; LURZ, Liturgie verstehen; LURZ, Schriften. 11 Vgl. hierzu HOLZEM , Erfahrung 183–186. Holzem greift hier die Spur auf von KOSELLECK, Erfahrungswandel. – Vgl. ebenso H OLZEM , Bedingungen 321: „Die Innenseite der Christentumsgeschichte, die Sicht auf das subjektive Erleben unmittelbaren Gotte sbezuges ist durch die Quellen für die allermeisten Kirchenchristen verstellt.“ 4
1. Einleitung: Zur Methodik
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schen Büchern und deren tatsächlicher Nutzung. Sie müssen indes durch weitere Ego-Quellen ergänzt werden, wenn es um ein Verstehen auch der benannten Innenseite religiöser Erfahrung geht. 12 Im Hinblick auf das hier zu untersuchende Thema pfarrlicher Liturgie gibt es nun eine Schwierigkeit. Denn vornehmlich entstehen die Libri Ordinarii an Orten ausgefeilter, reicher Liturgie, für die eine Trägergruppe an professionellen Liturgen sowie das zur Verschriftlichung gottesdienstlicher Traditionen nötige Fachpersonal zur Verfügung steht. Das sind in der Regel die großen Dom- und Stiftskirchen.13 Eine eigene Gattung bilden die Klosterkirchen aus mit ihren Consuetudines.14 Schwieriger wird die Quellenlage in der großen Forschungslandschaft zur Pfarrei im Mittelalter.15 Nur wenige liturgiewissenschaftliche Arbeiten haben sich diesem Thema gewidmet.16 Denn regelrecht liturgische Aufzeichnungen zum gottesdienstlichen Leben der Pfarreien sind meist erst seit dem Späten Mittelalter üblich, betreffen aber neben städtischen (Groß-)Pfarreien interessanterweise auch Landpfarreien.17 Es entstehen hier als eine eigene Quellengattung die sogenannten Pfarr- oder Gotteshausbücher, die durchaus als eine Sonderform und Weiterentwicklung der Libri Ordinarii hin auf pfarrliche Gegebenheiten angesehen werden können. 18 Sie stehen in großer Nähe zu anderen Quellengattungen wie Memorien- oder Mesnerbüchern, die Einblicke 12 Zu den Ego-Quellen vgl. SCHULZE , Ego-Dokumente; DEKKER , Egodocuments. – Bei den folgenden Überlegungen soll in diesem Sinne mittels gelegentlicher Rekurse auf Tagebuchnotizen des Kölner Ratsherrn Hermann von Weinsberg (1518–1597) die Erlebnisseite der Liturgie illustriert werden. Eine fundierte liturgiewissenschaftliche Auswe rtung der autobiographischen Schrift Weinsbergs findet sich bei LURZ, Erlebte Liturgie 40–160. 13 Neben den in den folgenden Anmerkungen genannten Arbeiten zur Stiftsliturgie sei auf das Tübinger Stiftskirchenprojekt verwiesen. Vgl. dazu zuletzt LORENZ, KURMANN, AUGE, Funktion. 14 Für die benediktinischen Klostergemeinschaften sei verwiesen auf die Reihe: CORPUS CONSUETUDINUM M ONASTICARUM ; für die Zisterzienser vgl. ECCLESIASTICA O FFICIA. 15 Vgl. grundlegend B ÜNZ, Pfarrei; LORENZ, Genese, resümiert (S. 116), es werde wohl noch geraume Zeit dauern, „bis die Grundlage für eine Geschichte der die tägliche Seelsorge tragenden Kirchen am Oberrhein geschaffen ist.“ 16 Als exemplarische Gesamtuntersuchung sei hier – neben den einzelnen in den folgenden Anmerkungen genannten Beiträgen – verwiesen auf SCHLEMMER , Gottesdienst. 17 Vgl. zu den Libri Ordinarii pfarrlichen Gottesdienstes neben den in den folgenden Anmerkungen genannten Beispielen TRIO, Ordonnance. – Eine genaue Abgrenzung zwischen „Pfarrbüchern“ und „Libri Ordinarii“ scheint beim derzeitigen Forschungsstand weder sinnvoll noch möglich. 18 Vgl. MACHILEK, Gotteshausbücher. Vgl. neben den im Folgenden genannten Editionen von Pfarrbüchern zur Sache B ÜNZ, Kirche 140–141. An älterer Forschung sei erwähnt SCHORNBAUM , KRAFT, Pappenheim; zu diesem Pfarrbuch vgl. auch GÖTZ, Festfeier; MÜLLER , Pfarrkirche.
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VIII. Pfarrlicher Gottesdienst
in konkretes liturgisches Leben gewähren. 19 In diesen Kontext gehören dann auch Dokumente wie Visitationsprotokolle, die auf ihren Aussagewert über tatsächliche gottesdienstliche Praxis befragt werden können.20 Bislang sind etliche der Pfarrbücher oder vergleichbarer pfarrlicher Quellen des späten Mittelalters sowie der (frühen) Neuzeit bearbeitet und zum Teil ediert worden, so (ohne Anspruch auf Vollständigkeit und unter Hinzuziehung der vorangegangenen und folgenden Anmerkungen) Quellen zu St. Christoph in Mainz,21 Unsere Liebe Frau zu Ingolstadt,22 die Pfarre Hilpoltstein,23 die Aufzeichnungen des Pfarrers von Martinsbuch,24 das Pfarrbuch von Rößel (1442–1614),25 ein Rituale des 17. Jahrhunderts aus St. Kolumba zu Köln26 und Quellen der Pfarre (!) St. Kunibert zu Köln,27 ein als „Pfarrordinarius“ anzusprechender Kalender aus Neuerburg,28 ein Kirchenbuch aus St. Magdalena in Gsies,29 eine Gottesdienstordnung der Großpfarre Hof an der Saale von 1479, 30 ein Pfarrbuch des 15. Jahrhunderts aus Westheim bei Windsheim,31 das Pfarrbuch zu Crailsheim von 1480,32 Untersuchungen zur Pfarrei St. Martini in Stolberg,33 ein Gotteshausbuch des frühen 15. Jahrhunderts der Landpfarrei Münster bei Creg19
Als ein Beispiel für die Memorienbücher diene GRAF, Memoria; ferner, anhand eines Exemplars aus Ratingen, B UHLMANN, Quellen; als Beispiel einer Küster- oder Organistenordnung vgl. HABENICHT, Leben (mit weiterer Literatur); GÜMBEL, St. Lorenz; GÜMBEL, St. Sebald; FRÖHLICH, Kirchenpflegerordnung; MEYER, Uraha sacra (zu einem Pfarrbuch des 16. Jahrhunderts). 20 Methodisch für die Liturgiewissenschaft programmatisch ist hier KRANEMANN, Liturgiereform, der etwa aus Bistumsprotokollen auch die Bildungssituation des Klerus mit ihren liturgischen Konsequenzen erhebt; die Einbeziehung von Visitationsprotokollen ebenso bei KRANEMANN, Sakramentliche Liturgie 5–6; 81–86; 143–149; 186–191; 206– 210; 254–257; 298–303. Vgl. hier auch die Institution des „Sendgerichtes,“ dazu HOLZEM , Religion, vor allem 105–121; 237–260; 383–408. Zur Bildungssituation des Klerus im Zeitalter der Konfessionalisierung vgl. auch WALTER , Kritik. 21 FALK, Aufzeichnungen. 22 GREVING, Pfarrbuch. 23 GÖTZ, Pfarrbuch. 24 MARKMILLER , Kirchenordnung. 25 MATERN, B IRCH-H IRSCHFELD, Pfarrbuch. Es handelt sich hier indes um eine allgemeine Sammlung von Aufzeichnungen, die nur gelegentlich die Liturgie berühren. 26 HEGEL, Pfarrgottesdienst; HEGEL, St. Kolumba, zum Gottesdienst etwa S. 216–228. 27 Aufzeichnungen des Küsters wertet aus AMBERG, St. Kunibert. Vgl. hierzu KRANEMANN, Anmerkungen 148–151. 28 Ediert und ausgewertet bei HEINZ, Leben. 29 B AUR, Kirchenbuch. 30 MEYER , Kirchenordnung 1 und MEYER , Kirchenordnung 2 (eine Neuausgabe von Enno Bünz ist in Vorbereitung); W INTER , Gottesdienstordnung. 31 LAUTER , Gottshausbuch. 32 CRECELIUS, Pfarrbuch. 33 P FITZNER , St. Martini, zum Gottesdienst 322–327.
1. Einleitung: Zur Methodik
163
lingen,34 sowie Hinweise der Pfarrkirche zu Zeil von 1580.35 Neben den spätmittelalterlichen Quellen rücken verstärkt auch Gottesdienstordnungen des 18. Jahrhunderts in den Blick, so neben der älteren Publikation einer Gottesdienstordnung von 1769 aus Dinkelsbühl,36 aus Winkel37 oder der dem Kölner Severinsstift inkorporierten Pfarrei Lindlar.38 Sie sind von der Liturgiewissenschaft bislang eher selten beachtet worden und müssen neu in den Blick rücken, obgleich bereits 1967 der Altmeister der Liturgiewissenschaft, Josef Andreas Jungmann, auf diese Quellengattung nachdrücklich aufmerksam gemacht hatte. 39 Die folgenden Überlegungen möchten in diesem Sinne einen im Kontext der Liturgiewissenschaft eher vernachlässigten Blick auf pfarrliche Liturgie wagen. Vorangestellt werden einige Überlegungen zu den Grundlagen mittelalterlicher Liturgie, wie sie seitens der bonifatianischkarolingischen Liturgiereform erstellt worden sind, mit einem Ausblick auf die Kodifizierung der liturgischen Bücher im Gefolge des Trienter Konzils (2. Kapitel). Dabei sind auch die unterschiedlichen liturgischen Buchgattungen zu berücksichtigen, die im Laufe des Mittelalters sich erst ausdifferenzieren.40 Es werden einzelne Sparten der gottesdienstlichen Landschaft durchbuchstabiert, nämlich die Feier der Messe mitsamt der Problematik ihrer Zuordnung zur Predigt und die Gläubigenkommunion (3. Kapitel). Besondere Beachtung verdient sodann die Feier des Stundengebetes, die man in Pfarrkirchen im Gegensatz zu Kirchen eines Konventes zunächst nicht vermuten mag, samt verschiedener Formen von Prozessionen als Abkömmling frühmittelalterlich geprägter Stationsliturgie (4. Kapitel). Exemplarisch werden ferner die Kasualien, also die Feier der Sakramente sowie der Sakramentalien in den Blick genommen (5. Kapitel). Ein letztes 6. Kapitel fasst die Ergebnisse zusammen. Gelegentlich fließen auch einige Formen „paraliturgischen“ Tuns wie dramatisch-rituelle Elemente im Umfeld des Gottesdienstes ebenso ein wie Überlegungen zur Feier des Kirchenjahres samt den Heiligenfesten, ohne dass hierzu ein eigener Abschnitt erstellt wird.41 Bei diesem Inhaltsaufriss versteht es sich, dass die folgenden Überlegungen, die einen Überblick leisten wollen, damit den Rahmen weiterer Forschungsarbeit abstecken, die natürlich erst zu leisten wäre, was hier nicht geschehen kann. 34
B OSSERT, Gotteshausbuch. BENDEL, Pfarherr. 36 Vgl. STIEFENHOFER , Liturgie. 37 WEINERT, Direktorium. Vgl. dazu KRANEMANN, Anmerkungen 140–144. 38 LORRY, Gottesdienstordnung. 39 Vgl. J UNGMANN, Aufgaben 21. Zum Problem vgl. auch B ÄRSCH, Liber Ordinarius 31–32. 40 HUGHES, Manuscripts; HÄUSSLING, Gattungen. 41 Zum Kirchenjahr etwa in Nürnberg vgl. SCHLEMMER , Gottesdienst 172–239. 35
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VIII. Pfarrlicher Gottesdienst
2. Veränderungen des Gottesdienstes: Von der „bonifatianischkarolingischen“ Liturgiereform bis zum Zeitalter der Konfessionalisierung 2. Veränderungen des Gottesdienstes
Im Folgenden werden die beiden Eckpunkte mittelalterlich-frühneuzeitlicher Liturgieveränderung, die durch Arnold Angenendt als „bonifatianisch-karolingisch“ apostrophierte Liturgiereform 42 wie die im Gefolge des Trienter Konzils in den Blick genommen. Damit soll keineswegs geleugnet werden, dass es nicht auch im Verlaufe des Mittelalters vielfältige liturgische Reformen gegeben habe, etwa im Zuge der Kanonikerreform des 11. und 12. Jahrhunderts.43 Doch sind diese Reformen in ihrer das kirchliche Leben prägenden Kraft noch bei weitem nicht ausreichend erforscht.44 Deshalb kann auch ihr Einfluss auf pfarrliche Liturgie derzeit kaum ausgemacht werden, es sei denn in der Fokussierung eines Klerikerbildes im Kontext einer vita apostolica, die dann auch Auswirkungen auf den Seelsorgeklerus hat.45 Wie immer, die gottesdienstlichen Eigenheiten der Orden verdanken sich ebenso wie die im Späten Mittelalter zunehmend greifbare Pfarrliturgie jener Grundlagen, die mittels der bonifatianischkarolingischen Liturgiereform als prägender Größe gelegt wurden. Im Kontext der Inkulturation des Christentums römischer Prägung in die Gebiete nördlich der Alpen, für die Namen wie der des Bonifatius stehen, kam es in allen Sparten gottesdienstlichen Lebens zu einer Romanisierung der Liturgie, die sich des engen Schulterschlusses von kirchlicher und weltlicher Autorität verdankte. 46 Eine offizielle Unterstützung der kirchlichen Romanisierung erfolgt dabei nicht erst mit dem Zusammentreffen Papst Stephans II. mit Pippin dem Jüngeren im Jahre 754 (Krönung in St.Denis). Der Prozess der Verbindung staatlicher mit kirchlicher Autorität 42
Den Begriff „bonifatianisch-karolingische Liturgiereform“ übernehme ich von ANBonifatius 53 u.ö.; vgl. auch ANGENENDT, Libelli 227–228, 235–243. Der Terminus scheint mir in diesem Kontext aufgrund seiner Valenz gerechtfertigt, einen mehrere Jahrhunderte beanspruchenden Prozess allein zeitlich zu umfassen. Dass die Diskussion um die Romanisierung der Liturgie durch die Karolinger weitergeht, zeigt die Kontroverse von Martin Morard und Arnold Angenendt: MORARD, Sacramentarium immixtum; ANGENENDT, Romanisierung. 43 Vgl. hierzu, mit Referierung der Forschungsliteratur, BEUCKERS, Chor 73–80; auch SCHILLING, Reform. Für das 13. Jahrhundert vgl. MAIER , Reform. 44 Vgl. P ALAZZO, Rom (mit Referierung der Forschungsliteratur). 45 In diesem Kontext wären auch die im Hohen Mittelalter neu entstehenden Ordensgemeinschaften wie etwa die Prämonstratenser und ihre Liturgie zu bedenken, die das Anliegen der Seelsorge mit dem des Chordienstes zu verbinden suchen. Vgl. zur Liturgie des Prämonstratenserordens LEFÈVRE , La messe 1; LEFÈVRE , La messe 2. LEFÈVRE, Coutumiers. Zur Liturgiereform der Mendikanten vgl. P ALAZZO, Réforme. 46 Vgl. zur Rolle des Bonifatius ANGENENDT, Bonifatius. GENENDT,
2. Veränderungen des Gottesdienstes
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hat bereits früher eingesetzt, und zwar mit dem Kapitular des wohl 742 gehaltenen Concilium Germanicum, für das auch Bonifatius verantwortlich zeichnet.47 Es ging damals unter anderem um liturgische Vorschriften: Klerus und Volk aller Pfarreien sollen einmal im Jahr mit dem Bischof zur Firmung zusammentreffen sowie jährlich am Gründonnerstag das neue Öl erbitten, also am typisch römischen Termin der Ölweihe:48 Et quandocumque iure canonico episcopus circumeat parrochiam populos ad confirmandos, presbiter semper paratus sit ad suscipiendum episcopum cum collectione et adiutorio populi, qui ibi confirmari debet. Et in cena Domini semper novum crisma ab episcopo querat, ut episcopum testis adsistat castitatis et vitae et fidei et doctrine illius. 49
Die Liturgiereform des Bonifatius betrifft zunächst die Initiationsliturgie, wobei die alte (römische) Ordnung der Initiation in der Osternacht mit postbaptismaler Salbung durch den Bischof in ihrer alten Reihenfolge verändert wird (siehe auch Kapitel 5). Denn will man den Bischof als Spender dieser postbaptismalen Salbung (der späteren Firmung) in den ländlichen Gebieten nördlich der Alpen beibehalten, muss die alte Einheit der Initiation (Taufe, Salbung, Taufeucharistie) aufgelöst werden und ein System gefunden werden, damit jene bischöfliche Salbung beibehalten werden kann. Das Kapitular bringt die Lösung: jährlich wiederkehrende bischöfliche Firmreisen, also ein System, das bis heute pfarrliche Liturgie prägt. Der Preis, den man dafür zahlt, ist das Vorziehen des Eucharistieempfangs vor die Firmung, also der Verlust der alten Taufeucharistie als Abschluss christlicher Initiation. Entscheidend ist, dass die Neuerungen überregionale Unterstützung erfahren.50 Sie können deshalb zum Erfolg führen, da Karlmann, der Sohn Karl Martells, Leitung und Verantwortung übernahm. 51 In diesem Kapitular wurde also per Reichsgesetz liturgisches Tun dekretiert. Die Liturgie ist damit zur Sache der Politik geworden. Dies traf mit dem Anliegen Roms gut zusammen. Denn Papst Gregor II. (715–731) sandte 47
Vgl. etwa J ARNUT, Bonifatius. Zur Entwicklung von der Provinz- zur Reichssynode vgl. auch ANGENENDT, Karl der Große 319. 48 Vgl. ANGENENDT, Bonifatius 43–44; 54–55. Zu den jährlichen Firmreisen der Bischöfe zwischen Ideal und Wirklichkeit auch HEINZ, Feier 74–76. 49 Concilium Germanicum c. 3 (MGH Conc II 3 19–23). Übersetzung: Und wann immer gemäß des kanonischen Rechts der Bischof die Pfarrei visitiert, um die Menschen zu konfirmieren, sei der Priester immer bereit, den Bischof mit einer Sammlung und Hilfe des Volkes, das dort konfirmiert werden soll, zu empfangen. Und am Gründonnerstag erbitte er immer das neue Chrisamöl vom Bischof, dass er dem Bischof als Zeuge der Keuschheit, des Lebens und dessen Rechtgläubigkeit zur Seite stehe. 50 Schon 719 war Bonifatius von Papst Gregor II. beauftragt worden, mit der römischen Taufformel zu taufen. Vgl. ANGENENDT, Libelli 235–236; ANGENENDT, Bonifatius. Vgl. auch ODENTHAL, Tradition. 51 Vgl. ANGENENDT, Bonifatius 80–83. Der Text des Capitulare in: MGH.Conc II 2 14– 4 17; MGH.Ep.sel. I, Nr. 56, 98 25–102 23.
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VIII. Pfarrlicher Gottesdienst
bereits im Jahre 716 einen Brief an die Kirche Bayerns, in der er die römische Liturgie als Norm hinstellte, also drei Jahre bevor er Bonifatius mit der Heidenmission betraute.52 In diesen Zusammenhang fügt sich auch die Nachricht, Bonifatius habe Sturmius nach Rom zum Studium geschickt, sicher auch zum Studium liturgischer Gewohnheiten. 53 Kurz und gut: Die von den fränkischen Herrschern wie vom Papst gewünschte Verbindung hatte eine liturgische Seite. Denn die Liturgie der Kirche war die Liturgie Roms,54 und Bonifatius schien der Mann, mit dessen Hilfe man die römische Liturgie würde durchsetzen können. Es steht außer Frage, dass Bonifatius bei der Romanisierung der Liturgie eine Schlüsselrolle zukommt, wenngleich sie nicht so offensichtlich wie bei anderen Persönlichkeiten ist und historisch oft nur in Andeutungen ausgemacht werden kann. Mit dem Diktum von der bonifatianisch-karolingischen Liturgiereform wird der Prozess einer „Romanisierung“ im Sinne einer Veränderung mit Spätfolgen bezeichnet. Es geht nicht um eine mit einem Mal durchgeführte Reform, sondern um eine lange andauernde Inkulturation römischer Traditionen in die Gebiete nördlich der Alpen, die in Bonifatius eine ihrer ersten Exponenten fand.55 Theodor Klauser hat hierfür den Begriff der Austauschbeziehungen geprägt: 56 Die Entwicklung verläuft nicht linear, schon gar nicht als bloßes Kopieren römischer Vorlagen, sondern als ein hochkomplexer Verschmelzungsvorgang, der durch Nachahmen Neues entstehen lässt, wie etwa den Gregorianischen Choral.57 Neben der durch Bonifatius begleiteten Bewegung spielt selbstredend die Person Karls des Großen eine zentrale Rolle. In seiner „Admonitio generalis“ von 789 etwa hat er mehrfach zur Liturgie Stellung genommen. Es geht hier etwa um den Choral, in dessen Kontext von den „wohl verbesserten“ liturgischen Büchern die Rede ist: 52
„Ut loco singularum ecclesiarum praevidentes, quomodo unusquisque sacerdos, seu minister, erga ecclesiam debeat conservare, vel qualiter sacra missarum solemnia, sive caetera diurnarum atque nocturnarum horarum officia, sive etiam lectionem sacrorum Novi atque Veteris Testamenti, ordinabilia praedicamenta studeat observare secundum traditum apostolicae sedis antiquitatis ordinem, disponetis,“ Capitulare a Gregorio papa II datum Martiniano episcopo, Georgio presbytero, etc. in Bavariam ablegatis, in: PL 89, Sp. 531–534, hier Sp. 532A. Vgl. dazu auch MEYER, Eucharistie 199 (die dort angegebene Fundstelle ist leider nicht verifizierbar). 53 Vgl. PRALLE , Missale 17. 54 Vgl. hierzu etwa SCHIEFFER , Redeamus. Auch ANGENENDT, Libelli 227–243. 55 Dies gilt übrigens auch für die Liturgiereform nach dem II. Vatikanischen Konzil, die nicht von den vorbereitenden Reformen etwa der Pius-Päpste oder auch Prozessen wie der Liturgischen Bewegung abgekoppelt werden darf. Vgl. hierzu etwa das persönliche Zeugnis von W AGNER, Erinnerungen. 56 Vgl. KLAUSER, Austauschbeziehungen. 57 Vgl. etwa – unter vielen Publikationen zum Gregorianischen Choral – die Studie von CARDINE, Der Gregorianische Choral.
2. Veränderungen des Gottesdienstes
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Et ut scolae legentium puerorum fiant. Psalmos, notas, cantus, compotum, grammaticam per singula monasteria vel episcopia et libros catholicos bene emendate; q uia saepe, dum bene aliqui Deum rogare cupiunt, sed per inemendatos libros male rogant. Et pueros vestros non sinite eos vel legendo vel scribendo corrumpere; et si opus est evangelium, psalterium et missale scribere, perfectae aetatis homines scribant cum omni diligentia. 58
Das Institut der Dom-, Kloster- und Stiftsschulen ist es, mit Hilfe dessen das liturgische Leben neu geordnet werden kann. Karl hat aber auch die Qualität pfarrlicher Liturgie im Hinblick auf die Priester im Blick: Ut episcopi diligenter discutiant per suas parrochias presbyteros, eorum fidem, baptisma et missarum celebrationes, ut et fidem rectam teneant et baptisma catholicum observent et missarum preces bene intellegant, et ut psalmi digne secundum divisiones versuum modulentur et dominicam orationem ipsi intellegant et omnibus praedicent intellegendam, ut quisque sciat quid petat a Deo; et ut ‚Gloria Patri’ cum omni honore apud omnes cantetur; et ipse sacerdos cum sanctis angelis et populo Dei communi voce ‚Sanctus, Sanctus, Sanctus’ decantet. 59
Hier wird noch vorausgesetzt, dass die Gemeinde aktiv an Akklamationen wie dem Sanctus teilnimmt.60 Taufe, Messe, Psalmengebet und Glaubensweitergabe sind also die entscheidenden Blickpunkte. Ein besonderes Augenmerk liegt für den gesamten Klerus auf dem täglichen Stundengebet, dem „officium:“ Omni clero. Ut cantum Romanum pleniter discant, et ordinabiliter per nocturnale vel gradale officium peragatur, secundum quod beatae memoriae genitor noster Pippinus rex decertavit ut fieret, quando Gallicanum tulit ob unanimitatem apostolicae sedis et sanctae Dei aecclesiae pacificam concordiam. 61
58 MGH.Cap 1, 602–7 (Nr. 72). Übersetzung: Dass es Schulen geben solle für Knaben, die schon lesen können. Mit Psalmen, Noten, Gesängen, Zeitrechnungen und Grammatik für jedes einzelne Kloster oder Bistum sowie die katholischen Bücher, und zwar gut verbessert, denn oft, während einige Gott gut zu bitten wünschen, beten sie aufgrund der unverbesserten Bücher schlecht. Und lasset eure Knaben nicht im Lesen und Schreib en verderben, und wenn ein Evangelium, Psalterium oder Missale zu schreiben ist, mögen es Erwachsene mit allem Fleiß schreiben. Vgl. hier auch MÜLLER -GEIB , Gebet 62–69. 59 MGH.Cap 1, 59 23–29 (Nr. 70). Übersetzung: Dass die Bischöfe mit Bedacht die Presbyter in ihre Pfarreien entsenden, ihren Glauben, Taufe und Messfeiern, dass sie den rechten Glauben haben und die katholische Taufe beachten und die Bitten der Messe gut erfassen, auch dass sie die Psalmen würdig gemäß der Einteilung in Verse vollziehen und das Herrengebet verstehen und allen zum Verständnis predigen, dass ein jeder weiß, was er von Gott erbittet, auch dass das Gloria Patri mit aller Ehrfurcht bei allen gesungen werde, dass der Priester selbst mit allen heiligen Engeln und dem Volk Gottes in gemeinschaftlicher Stimme das Sanctus, sanctus, sanctus singe. 60 Vgl. MÜLLER -GEIB , Gebet 69–70. – Vgl. auch die ältere Studie von NIKL, Anteil. 61 MGH.Cap. 1, 61 5–8 (Nr. 80). Übersetzung: An den ganzen Klerus. Dass sie den römischen Gesang vollständig lernen mögen, dass das Offizium zur Nacht und am Tage ordnungsgemäß durchgeführt werde, wie es unser Erzeuger König Pippin seligen Angedenkens anordnete, dass es geschehe, als er das Gallikanische (Offizium) wegnahm auf-
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VIII. Pfarrlicher Gottesdienst
Dessen Gesang nach römischer Ordnung dient der Einheit der Kirche. Es ist indes nicht nur der Gesang, der typisch Römisches vermittelt. Angelus A. Häussling hat nun darauf aufmerksam gemacht, dass das typisch Römische zu allererst die Stationsliturgie war, also das prozessional konzipierte Gottesdienstgefüge einer Ortskirche, die sich in Eucharistie und Stundenliturgie an den verschiedenen Heiligtümern einer Stadt oder einer Basilika zeitigt.62 Ordnungen, die solch römische Liturgie schilderten, sammelte man besonders im Mainzer Kloster St. Alban. Diese Ordines Romani wurden aber zugleich so verändert, dass sie unter den nördlich der Alpen geltenden Bedingungen, etwa topographischer Art, auch benutzt werden konnten. Es entsteht so eine Liturgie, die das gesamte Mittelalter prägt, sei es für die Dom-, Stifts- und Klosterkirchen wie für die Pfarrkirchen. Weiterentwicklungen dieser liturgischen Grundformen sind später von Papst Pius V. im Gefolge des Trienter Konzils als normierend deklariert worden. Die frühmittelalterlichen Veränderungsprozesse umfassen dabei nicht nur die Initiationsliturgie, sondern den gesamten Bereich der Pontifikalriten, die im „Pontificale Romano-Germanicum“ kodifiziert wurden.63 Es kam überdies zu einschneidenden Veränderung des Sakramentars, das ebenfalls veränderten Ansprüchen außerhalb Roms genügen musste.64 Es umfasst neben den Texten für die Messe gelegentlich auch pontifikale Liturgie, wird indes mehr und mehr auch um jene sakramentlichen Handlungen bereichert, die außerhalb bischöflicher Liturgie vonnöten sind. Im Zuge des Hohen und Späten Mittelalters jedoch kommt es zu einer Ausdifferenzierung und Auslagerung genau jener Sparten des Gottesdienstes. Doch die äußere Veränderung liturgischer Normbücher ist das eine, das andere ist die damit einhergehende veränderte Auffassung der gefeierten Liturgie. Und immer wieder zeigt sich die grundlegende Tendenz, dass die großen römischen Liturgiebücher in all ihren durch die Inkulturation erreichten Veränderungen Vorlagen aller weiteren Liturgica des Mittelalters sind: Die römisch geprägten Produkte der karolingischen Reform prägen die liturgische Landschaft, bis hinein in den pfarrlichen Kontext. Noch bis ins Späte Mittelalter trug man der Tatsache Rechnung, dass die Pfarrorganisation der Städte in der Regel von der Bischofskirche ihren Ausgang nahm. 65 Der grund der Einmütigkeit mit dem Apostolischen Stuhl und der friedlichen Eintracht der heiligen Kirche Gottes. 62 Vgl. HÄUSSLING, Mönchskonvent 186–202. Vgl. auch HÄUSSLING, Liturgie. Vgl. für die Frühzeit Roms im Vergleich mit Konstantinopel und Jerusalem B ALDOVIN, The Urban Character. Vgl. ebenso die gute Übersicht bei DE B LAAUW, Contrasts. 63 Vgl. VOGEL, ELZE, PRG. 64 Vgl. hierzu etwa den Überblick bei KLÖCKENER, HÄUSSLING, Liturgische Bücher 345–351. 65 Für Köln vgl. die zwar ältere, aber instruktive Darstellung von HEGEL, Entwicklung.
2. Veränderungen des Gottesdienstes
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Bischof (als erster Liturge seines Bistums) und die Liturgie seiner Kathedrale blieben normierend. Mit dieser bischöflichen Funktion erklären sich vielfältige diözesane Ausdifferenzierungen der Liturgie im späten Mittelalter.66 Den Diözesanliturgien sind dabei ordensspezifische Besonderheiten an die Seite zu stellen. Doch alle diese diözesanen oder ordenseigenen Eigenheiten verdanken sich der mit der bonifatianisch-karolingischen Liturgiereform gelegten gemeinsamen Grundlage. Wenn nun noch ein Blick auf die Liturgiereform im Gefolge des Trienter Konzils geworfen werden soll, dann deshalb, weil in den neuen liturgischen Büchern sozusagen ein Endprodukt mittelalterlicher Liturgieentwicklung festgeschrieben wurde. 67 Die liturgischen Bücher sind das Breviarium Romanum (1568), 68 das Missale Romanum (1570),69 das Martyrologium (1584),70 das Pontifikale (1595/1596),71 das Caeremoniale der Bischöfe (1600),72 die Ausgabe der Choralbücher (Graduale Mediceo, 1614– 1615)73 sowie schließlich das für den Kontext der Pfarrei besonders bedeutsame Rituale (1614). 74 Dabei ist die Bulle „Quo primum“ Papst Pius’ V. zur Promulgation des Missale für diese Liturgiereform besonders charakteristisch. Denn zum einen wird die „ursprüngliche Norm (…) der heiligen Väter“ als das die Liturgiereform leitende Prinzip erklärt.75 Zum anderen wird das bereits in der karolingischen Reform begegnende Motiv einer Vereinheitlichung der Liturgie nach dem römischen Ritus als Ziel der Reform angegeben: Ut autem a sacrosancta Romana Ecclesia, ceterarum ecclesiarum matre et magistra, trad ita ubique amplectantur omnes et observent, ne in posterum perpetuis futuris temporibus in omnibus Christiani orbis Provinciarum Patriarchalibus, Cathedralibus, Collegiatis et Parochialibus, saecularibus, et quorumvis Ordinum, monasteriorum, tam virorum, q uam mulierum, etiam militiarum regularibus, ac sine cura Ecclesiis vel Capellis, in quibus Missa Conventualis alta voce cum Choro, aut demissa, celebrari iuxta Romanae Ecclesiae 66 Vgl. hier den profunden Forschungsüberblick bei KRANEMANN, Geschichte; für das Bistum Münster vgl. KRANEMANN, RICHTER , Einheitsliturgie; für Köln: ODENTHAL, Gottesdienst; zu Regensburg B ENZ, Liturgie; zu Brandenburg vgl. LECHELER , Gottesdienstordnung. 67 Vgl. als ältere Darstellung J UNGMANN, Trient. Als neuere Darstellung vgl. HAUNERLAND , Einheitlichkeit. 68 BREVIARIUM ROMANUM 1568. Vgl. dazu HAUNERLAND, Einheitlichkeit 444–446. 69 MISSALE ROMANUM 1570. Vgl. HAUNERLAND, Einheitlichkeit 446–449. 70 MARTYROLOGIUM ROMANUM 1584. Vgl. HAUNERLAND, Einheitlichkeit 450–452. 71 P ONTIFICALE ROMANUM 1595–1596. Vgl. dazu HAUNERLAND, Einheitlichkeit 452– 453. 72 CÆREMONIALE EPISCOPORUM 1600. Vgl. HAUNERLAND, Einheitlichkeit 453–454. 73 Graduale de tempore 1614. Graduale de Sanctis 1614–1615. 74 R ITUALE ROMANUM 1614. Vgl. HAUNERLAND, Einheitlichkeit 454–456. 75 „ad pristinam Missale ipsum sanctorum patrum normam ac ritum restituerunt.“ Vgl. KLÖCKENER, Bulle 44–45 (Nr. 4.).
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VIII. Pfarrlicher Gottesdienst
ritum consuevit vel debet, alias quam iuxta Missalis a Nobis editi formulam decantetur, aut recitetur.76
Doch wenig später führt die Bulle aus, dies gelte nicht für Traditionen, die aufgrund der Gewohnheit 200 Jahre lang bei der Feier der Messe in diesen Kirchen ununterbrochen beobachtet worden sind.77 Das bedeutet im Klartext, dass etwa all jene Diözesen, die bereits um 1370 eine eigene liturgische Tradition ausgebildet hatten – und das waren viele, ja die meisten – sich nicht nach dem Trienter Normbuch richten müssten. Das Prinzip der Vereinheitlichung unter der Ägide römischer Liturgie wurde so im Grunde wieder aufgehoben, die vielen Diözesanliturgien wie Mainz, Köln, Bamberg, um nur einige zu nennen, konnten weiter bestehen.78 Dennoch kam es zu einer schnellen Rezeption der römischen Liturgica. Dort, wo Eigenbräuche bestehen blieben, wurden die liturgischen Bücher oft dennoch revidiert, gelegentlich an den nachtridentinischen Vorlagen orientiert.79 In manchen Diözesen ist deshalb davon auszugehen, dass etwa das diözesane und das römische Missale nebeneinander benutzt wurden. Insgesamt sind die im Gefolge des Trienter Konzils herausgegebenen Bücher in den großen Kontext der nachtridentinischen Erneuerung des kirchlichen Lebens einzuordnen. Dabei ergeben sich Besonderheiten im Grunde weniger durch spezifisch neue liturgische Formen, sondern erst durch ein neues Selbstverständnis und eine neue Qualität der Seelsorge.80 Ähnliches trifft auch für kirchliche Kunst und den Kirchenbau zu. 81 Es kommt zu Veränderungen mittelalterlicher Traditionen, die sich zum Teil der konfessionellen Abgrenzung verdanken, wie etwa die Betonung der 76 „Es sollen aber alle das von der heiligen Römischen Kirche, der Mutter und Lehr erin der übrigen Kirchen, Überlieferte überall annehmen und beachten. Deshalb sollen von nun an und für alle künftigen Zeiten in allen Provinzen des christlichen Erdkreises in den Patriarchalkirchen, Kathedralen, Stifts- und Pfarrkirchen, in den weltlichen und den Klosterkirchen, welcher Orden auch immer, sowohl der Männer- als auch der Frauenorden, ebenfalls in den Ritterordenskirchen, und in den Kirchen ohne Seelsorge oder in Kapellen, in denen die Konventmesse laut mit Chor oder still üblicherweise nach dem Ritus der Römischen Kirche gefeiert wird oder gefeiert werden muß, keine anderen Me ssen als nach jenem Formular des von Uns herausgegebenen Messbuchs gesungen oder gelesen werden,“ in: „Quo primum“ Nr. 6, KLÖCKENER, Bulle 45–46. 77 „Diesen Kirchen entziehen Wir keineswegs das genannte Sonder- oder Gewohnheitsrecht der Messfeier,“ in: „Quo primum“ Nr. 6, KLÖCKENER, Bulle 46. 78 Dennoch kam es zu Anpassungen. So wurde im Kölnischen Missale etwa der Messordo gegen den von Trient ausgetauscht. Vgl. dazu PETERS, Beiträge 29–34. 79 Vgl. HAUNERLAND, Einheitlichkeit 458–461. 80 Vgl. hier etwa KRANEMANN, Liturgiereform. Zur Problematik tridentinischer Prägungen vgl. etwa FREITAG, Tridentinische Pfarrer; sehr instruktiv P FISTER , Tabernakel. 81 Man denke nur an die Reformbemühungen bei BORROMÄUS, Instructionum. Vgl. auch T HÜMMEL, Ornatus 57–228. Vgl. zu den tatsächlichen Vorfindlichkeiten im „Sendgericht“ HOLZEM, Religion 237–260.
2. Veränderungen des Gottesdienstes
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eucharistischen Gegenwart Christi im Tabernakel, der nun ins Zentrum des Hochaltars rückt, wodurch mittelalterliche Sakramentshäuser abgelöst werden.82 Die Abgrenzung des Altarraumes als in der Regel den Klerikern vorbehalten gegen den Laienraum geschieht mittels der Kommunionbank, nachdem vielerorts die Lettner entfernt wurden. 83 Hierfür gab es kein eigentliches kirchenamtliches Mandat, es waren vielmehr seelsorgerliche Überlegungen, den Blick auf den Hochaltar und das Tabernakel als konfessionelles Kriterium zu gewährleisten. Die räumliche Disposition des Laienraumes wurde beibehalten. Bereits seit altchristlicher Zeit trennte man die Männer (auf der Epistelseite im Süden) von den Frauen (auf der Evangelienseite im Norden). Mit der im Späten Mittelalter einsetzenden Einrichtung der Kirchenbänke wurde diese Anordnung nochmals manifestiert.84 Zugleich begünstigte eine solche Bestuhlung die eifrigen nachtridentinischen Bemühungen um die Predigt. Sie zeigen das veränderte Seelsorgsverständnis, wofür der Predigtdienst des Pfarrers Eck für Ingolstadt ein besonders deutliches Beispiel ist. 85 All dies aber hatte wiederum Einfluss auf die liturgischen Bücher und den Umgang mit ihnen. Sie konnten nun, besonders bei den Kasualien, als Norm und Anleitung zur Seelsorge und auch als Erbauungsbuch verstanden werden. 86 Von hieraus wäre es ein spannendes Unterfangen, die Tendenzen der Wittenberger Reformation im Hinblick auf das zugrunde liegende Gemeinde- und Gottesdienstverständnis gegenzulesen. 87 Doch bislang lässt es die Forschungssituation nicht zu, die Wittenberger Liturgiereform als ganze zu greifen und die Frage nach einem möglichen Paradigmenwechsel dieser Reform abschließend zu klären. 88 Für die nachtridentinische Epoche allerdings wird man konstatieren müssen, dass es bei allen Neuerungen und Verbesserungen nicht zu einem Paradigmenwechsel kam. Letztlich wurden das Mittelalter und seine Liturgie in bereinigter Form konserviert, 82 Dies trifft sogar für Ausstattungsfragen zu. Mittelalterlichem Brauch entsprechend war etwa in Ingolstadt noch das Sakramentshaus in Benutzung. Vgl. GREVING, Pfarrbuch 49. Noch bis ins 18. Jahrhundert wurde in St. Kolumba das Sakramentshaus benutzt. Vgl. HEGEL, Pfarrgottesdienst 140. Das Altartabernakel setzt sich also nur langsam durch. Insofern wäre die Idealtypik des Hochaltartabernakels in der nachtridentinischen Epoche bei FREITAG, Tridentinische Pfarrer 102–104, nochmals zu hinterfragen, vor allem im Hinblick auf regionale Besonderheiten. 83 Vgl. SCHMELZER , Lettner 156–158. 84 Vgl. HEINZ, Pfarrmesse im 83–85. 85 Vgl. GREVING, Pfarrbuch 71–77; 87–92 u.ö. 86 Vgl. KRANEMANN, Normbuch. 87 Vgl. hier grundsätzlich BOENDERMAKER , Gottesdienst. 88 Der Umgang mit der Messe hin zur Abendmahlsliturgie ist gut bearbeitet. Vgl. etwa S IMON, Messopfertheologie (mit weiterer Literatur). Doch fehlen etwa mit Ausnahme der weiter unten erwähnten Aufsätze umfassende Studien zum Stundengebet lutherischer Reformation.
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VIII. Pfarrlicher Gottesdienst
was konfessionelle Akzentsetzungen einschließt. Damit sind im Grunde auch die liturgischen Bücher nach Trient wenig spektakulär, da es um eine Fortsetzung des Mittelalters ging, freilich in geläuterter Form.89
3. Messfeier, Gläubigenkommunion und Predigt 3. Messfeier, Gläubigenkommunion und Predigt
„Aus der Eucharistia ist eine Epiphania geworden, ein Kommen Gottes, der unter den Menschen erscheint und seine Gnaden austeilt,“ so beschreibt Joseph Andreas Jungmann die Veränderungen eucharistischer Liturgie im Mittelalter. 90 Damit ist eine entscheidende Weichenstellung benannt, nämlich die Verobjektivierung liturgischen Handelns mittels der Auffassung vom „selbstwirksamen Ritus,“ die mit einer Fokussierung „sachhafter“ Präsenz des Gekreuzigt-Auferstandenen in den eucharistischen Gaben einhergeht.91 Viele frömmigkeitgeschichtliche Facetten finden sich in diesem Kontext und sind unter Umständen als Reaktion auf die Verobjektivierung zu verstehen: Die „Individualisierung“ hin auf die vielen Privatgebete des Priesters,92 die Tendenz zu subjektiver Frömmigkeit in Form der Messandacht,93 die Rolle der Elevation als notwendiges sichtbares Zeichen bei einem seit dem 12. Jahrhundert still vollzogenen Eucharistiegebet, das als „oratio periculosa“ verstanden wurde,94 schließlich die abnehmende Kommunionfrequenz der Gläubigen.95 Im späten Mittelalter kommen Derivatformen hinzu, so die Messe vor ausgesetztem Allerheiligsten.96 Auch der Anlass der Messe ändert sich: Nicht mehr nur die Notwendigkeit sonntäglicher Gemeindeversammlung ist Anlass der Eucharistiefeier (Gemeindeeucharistie). Die Messe kann im Sinne einer Gedächtniseucharistie verstanden werden, die etwa für Lebende und Verstorbene gefeiert werden kann, und dies durchaus im Sinne einer abzuleistenden Bußübung:97 „Messen zu feiern, um damit Sünden abzubüßen, ist aber erst 89
Vgl. JUNGMANN, Trient 329. Vgl. JUNGMANN, MS 1, 155. 91 Vgl. den Abschnitt „Objektive Ritualität und Selbstwirksamkeit“ bei ANGENENDT, Liturgik und Historik 131–136. 92 Die Privatgebete können als Ausdruck subjektiver Frömmigkeit indes gerade darum gedeutet werden, da sie dem Priester ein Hereinfinden in eine objektive Rolle ermöglichen. Vgl. dazu ODENTHAL, Meinwerk, in diesem Band 50–73. 93 WENDEBOURG, Essen 52 u.ö., isoliert diesen Aspekt als typisch mittelalterlich im Kontext der Konfessionalisierung. 94 Vgl. zur Problematik KOTTJE, Oratio; auch FISCHER , Oratio. 95 Vgl. insgesamt hier immer noch BROWE, Verehrung. 96 Vgl. BROWE, Verehrung 141–154. 97 Vgl. ANGENENDT, Pro vivis. 90
3. Messfeier, Gläubigenkommunion und Predigt
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eine Neuerung der Karolingerzeit.“98 Eine solche fundamentale Änderung des Anlasses führt zugleich zu einer Erhöhung der Frequenz der Messen und bringt einen Zuwachs an Messformularen. Dabei aber bleibt man im Prinzip bei der „missa lecta“ durch den Priester als der Grundform des Feierns. Das Mittelalter bringt keine Gemeindemesse im eigentlichen Sinne hervor, wie sie etwa für eine kleine Landgemeinde taugen würde. Es bleibt bei einer Fixierung auf die Kleriker, einhergehend mit dem Verlust der Kommunion sub utraque specie und später der Laienkommunion innerhalb der Messe überhaupt. Das Trienter Konzil muss eigens wie viele kirchliche Richtlinien vorher die häufige Kommunion empfehlen. 99 Einige geschichtliche Stationen sind nachzuzeichnen. Denn die Messe des Hoch- und Spätmittelalters steht am Ende einer langen Entwicklung. Drei Stränge können als normierende Größen ausgemacht werden: erstens der Ordo Romanus I, zweitens die römischen Sakramentare und drittens der Rheinische Messordo. Der erste Strang ist das Zeremoniell des Ordo Romanus I, des feierlichen Papstgottesdienstes des 7. Jahrhunderts.100 Detailliert werden hier die zeremoniellen Ausprägungen beschrieben, die Stillgebete des Papstes, die Verehrung der „Sancta,“ wohl die in einer „capsa“ mitgeführte Eucharistie der letzten Feier, zu Beginn der Einzugsprozession.101 Der Papst betet vor dem Altar still, bis das Gloria Patri des Introitusgesangs beendet ist.102 Dann folgen die Verehrung des Altares wie des Evangelienbuches und der Gesang des Kyrie, um nur einige Beispiele zu nennen. Eine Fassung dieses Ordos verlässt Rom zwischen 700 und 750 und verbreitet sich in die Gebiete nördlich der Alpen. 103 Doch die Beschreibung des Zeremoniells ist das eine, das andere die bei der Messe zu verwendenden liturgischen Texte. Sie finden sich in den Sakramentaren gregorianischer oder gelasianischer Prägung, das ist der zweite die mittelalterliche Messliturgie prägende Strang. Die gregorianischen Sakramentare berichten über den römischen Stationsgottesdienst des Papstes, die gelasianischen überliefern die Texte des römischen Pfarrgottesdienstes. 104 Ihre Überlieferung in den Norden geschieht annähernd zeitgleich zu den Ordines Romani. Karl
98
ANGENENDT, Missa specialis 112. Vgl. HAUNERLAND, Einheitlichkeit 439. 100 Vgl. ANDRIEU, Ordines, 2, 65–108. 101 Vgl. OR 1,48 (ANDRIEU, Ordines, 2, 82–83). Zum Problem dieses nicht letztlich geklärten Brauches des „Fermentum“ vgl. MEYER , Fermentum. 102 OR 1,50 (ANDRIEU, Ordines, 2, 83): „…ponat oratorium ante altare; et accedens pontifex orat super ipsum usque ad repetitionem versus.“ Dieses stille Gebet findet Erwähnung bei NEBEL, Entwicklung 96–97; 264–265. Zur „Sancta“ vgl. NEBEL, Entwicklung 139–140. 103 Vgl. VOGEL, Medieval Liturgy 159. Vgl. auch NEBEL, Entwicklung 14. 104 Vgl. hier insgesamt VOGEL, Medieval Liturgy 61–134. 99
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VIII. Pfarrlicher Gottesdienst
der Große bittet wie bereits um 760 Pippin, 105 den Papst um authentische römische Liturgiebücher. So gelangt zwischen 784 und 791 das „Hadrianum“ nach Aachen, ein nach Papst Hadrian (772–795) benanntes Exemplar der gregorianischen Sakramentarfamilie. 106 Um 810 wiederholt sich der Vorgang, als Papst Leo III. ein Sakramentar an den Kaiserhof sendet.107 Die römischen Vorlagen werden indes nicht unbesehen übernommen, sondern mit Zusätzen versehen und um Anhänge erweitert, also im besten Sinne „inkulturiert.“ 108 Die Sakramentare als ein Grundtypus des liturgischen Buches für die Messe konnten als Rollenbücher gelten: Sie waren auf den Priester hin als Benutzer abgestimmt und mussten durch andere Rollenbücher, etwa die Lektionare, ergänzt werden. Die Erhöhung der Messfrequenz und die Fokussierung auf die Missa lecta des Priesters führten zu einer neuen Gattung des liturgischen Buches für die Messe, nämlich zum Vollmissale (Plenarmissale). Dieses Buch barg alle liturgischen Texte aller Rollen der Messliturgie in sich.109 Diese Vielzahl der Texte wie der Rollen am Altar zu vollziehen, wurde nun zur Sache des Priesters, und diese stille oder gelesene Messe ist der entscheidende Grundtypus mittelalterlicher Messliturgie. Damit ist ein Problem des Hoch- und Spätmittelalters benannt, denn auch in der Pfarrei findet kein eigentlicher „Gemeindegottesdienst“ in seiner Grundform statt, sondern eine Missa lecta oder cantata des Priesters, der je nach Festgrad Schola und (Kleriker)-Akteure hinzugefügt werden. 110 Dabei dürfte die Entstehung des Vollmissale mit der Bedeutung und wachsenden Zahl der Pfarreien zusammenhängen, da „die Vorherrschaft des Vollmissale sich gerade zu der Zeit gefestigt hat, in der die Franziskaner seelsorgliche Aufgaben übernahmen und sich, was die Feier des Gottesdienstes angeht, zunächst auf die Pfarren stützten. Demnach wäre das Vollmissale als das Messbuch der Pfarrkirchen und ihres Klerus anzusehen.“111 Von hieraus führt ein komplex zu beschreibender Weg zu den spätmittelalterlichen Diözesanmissa105
Vgl. KLAUSER, Austauschbeziehungen 142. Vgl. hierzu den Überblick bei MEYER, Eucharistie 191. Vgl. näherhin KLAUSER, Austauschbeziehungen 146–149; KOTTJE, Einheit. 107 Vgl. MEYER, Eucharistie 192. Meyer bezieht sich hier auf neuere Studien von DÉCRÉAUX , Le sacramentaire, 1, 4. 108 Vgl. etwa das Supplement des Benedikt von Aniane, zur Verfasserfrage vgl. DESHUSSES, Supplément. 109 Vgl. zum Prozess etwa B ORELLA, Messale; B ORELLA, Sacramentario; J UNGMANN, MS, 1, 138. 110 Vgl. HEINZ, Pfarrmesse 97, wo für die frühe Neuzeit die Pfarrmesse am Sonntag als gelesene Stillmesse festgestellt wird. Erst langsam setzen sich muttersprachliche Elemente durch, im Trierer Raum erst im 19. Jahrhundert. Vgl. auch MEYER , Eucharistie 213–215: „Der Weg zum Vollmissale und zur Stillmesse als Grundform.“ 111 MEYER , Eucharistie 214. 106
3. Messfeier, Gläubigenkommunion und Predigt
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lien, der über manche handgeschriebene Zwischenstufe ging.112 Wie aber auch immer, das Vollmissale ist Ergebnis vielfältiger liturgischer Entwicklungen des Mittelalters. Und hier ist der dritte prägende Strang zu benennen, der Rheinische Messordo, an dem sich viele diözesane Traditionen in Bezug auf die Messe orientieren. Es ist dies ein vor dem Jahre 1000 entstehender neuer Grundtypus der Messe, der sich der erwähnten bonifatianisch-karolingischen Liturgiereform verdankt.113 Entscheidendes Kennzeichen ist, dass die durch den Ordo Romanus I zur Verfügung gestellte rituelle Form nun durch Gebete alleine für den Priester angereichert wird, die zum großen Teil als Apologien dienen, also Gebete um Vergebung der Schuld sind. Es entsteht neben dem offiziell zu Hörenden eine zweite Schicht des still zu Betenden, die im Laufe des Mittelalters im Hinblick auf die stille Messe an Bedeutung gewinnt. Die hohe Sakralisierung der Messe durch den mittels dieser Gebete eigens dafür vorbereiteten Priester wird etwa deutlich, wenn es um den allerheiligsten Bereich der Messe geht, den Canon Romanus, der als „oratio periculosa,“ als gefährliches Gebet gilt.114 Mannigfache stille Gebete bereiten den Priester auf das Beten des Canon Romanus vor. Diözesan weiterentwickelte Zeugen dieses neuen Grundtyps der Messe sind nachweisbar für Köln,115 Trier,116 Hamburg,117 Mainz,118 die süddeutschen Diözesen,119 ganz zu schweigen von den vielen außerdeutschen Zeugen. 120 Wie prägend dieser Grundtypus auch nach 112
Vgl. für Köln etwa ODENTHAL, Formular; ODENTHAL, Meßordo. Vgl. zum Ganzen ODENTHAL, Ante conspectum, in diesem Band 16–49. 114 So ist es durchaus wörtlich zu verstehen, wenn der Ordo Romanus I über den Priester aussagt: intrat in canonem, er betritt das Allerheiligste des Canon. Dies zeigt die Bedeutung des Herzstückes der Messe. Vgl. HÄUSSLING, Dokumente. 115 Vgl. zur Prägung des Messordo in Köln neben den bereits genannten Arbeiten B INTERIM , Denkwürdigkeiten 222–227 (Kölner Ordo des 14. Jahrhunderts); RÖDEL, Liturgiegeschichte; PETERS, Oblationsritus. Dort (S. 399–401) unterscheidet Peters drei Kölnische Ordines: den Ordo Coloniensis I. Dies ist der Oblationsritus des Codex 149 der Kölner Dombibliothek, der Ordo Missae des Domdechanten Konrad von Rennenberg (+ 1357); den Ordo Coloniensis II, dies ist der Oblationsritus des "Missale ad usum diocesis Coloniensis" von 1520; schließlich den Ordo Coloniensis III, dies ist der bereits von Binterim mitgeteilte "Ordo Coloniensis celebrandi Missam" aus dem 14. Jahrhundert. Weitere Belege bei P ETERS, Beiträge 74–98. 116 Vgl. HEINZ, Der Ordo Missae. 117 Hier existiert ein Zeuge des 11. Jahrhunderts. Vgl. RASMUSSEN, Ordo Missae. 118 Vgl. REIFENBERG, Messe 14–17; 64–68 und 120–121. 119 Vgl. DASCHNER , Messbücher 37–142. Für ostdeutsche Diözesen fehlen Untersuchungen. Die Studie von LECHELER , Bistum Brandenburg, erwähnt keine Besonderheiten des Ordo Missae. 120 Weitere Publikationen zu Messordines, ohne Anspruch auf Vollständigkeit: P IERCE, Evolution 6–8 eine Liste von Editionen; B AROFFIO, D ELL'O RO, L'Ordo Missae 819– 821 eine Liste weiterer Editionen von Ordines. B AROFFIO, L'Ordo Missae (Textedition eines Ordo aus dem Rituale-Messale Vallicellano E 62, Zentralitalien, 11./12. Jahrhun113
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VIII. Pfarrlicher Gottesdienst
Trient bleibt, zeigt neben den vielen Stillgebeten des Trienter Missale Romanum die bereits erwähnte Bulle „Quo primum,“ die eigens Bräuchen mit über zweihundertjähriger Dauer weitere Existenz zusagt. 121 Die einmal erstellte Grundform bleibt: Das Paradigma ist die Privatmesse des Priesters. Hieran haben auch die Reformen nach dem Konzil von Trient nichts geändert.122 Von hieraus aber wurde die Teilnahme und Teilhabe des Volkes an der Messliturgie zum Problem, und zwar im Hinblick auf die (lateinischen) Gesänge ebenso wie auf die Kommunionfrequenz oder das Fürbittgebet der Messe, das ja eigentlich „oratio fidelium,“ „Gläubigengebet“ war.123 War die karolingische Gesetzgebung bemüht, das Vater Unser und das Glaubensbekenntnis innerhalb der Messe unter katechetischem Aspekt zu situieren, so war dies zugleich die Initialzündung zur Entstehung volkssprachlicher Fürbitten, die indes immer mehr Teil des Predigtkomplexes der Messe wurden, in die Hand des Priesters übergingen und sich langsam aus dem Messablauf herauslösten. 124 Schließlich wurden sie Teil eines nicht unbedingt an die Eucharistiefeier gekoppelten Predigtgottesdienstes.125 Die vielen Oblationen und Memorien, die mittelalterliches Messwesen prägen, sind durchaus als Ersatzform solchen fürbittenden Betens zu verstehen, wenngleich sie nun in die Hände des Priesters gegeben wurden, der mittels des Messopfers nun stellvertretend den Gebetsdienst vollzog. 126 Das Tagebuch des Kölner Ratsherren Hermann von Weinsberg gibt an vielen Stellen einen guten Einblick in eine solche Memorienkultur mittels tert), 54–55 eine Liste weiterer Editionen. NOCENT, Un Missel (Textedition eines Ordo aus Umbrien, 12. Jahrhundert). SALMON, L'Ordo Missae (Textedition mehrerer Ordines: aus Nonantola, 10. Jahrhundert; aus Monte Cassino, 10. und 11. Jahrhundert; aus Deutschland, 12. Jahrhundert; aus Verona, 12.–13. Jahrhundert; aus dem Lateran, 12.–13. Jahrhundert; ein weiterer Ordo des 13. Jahrhunderts; aus der Capella papale, 13.–14. Jahrhundert; aus einem Missale Clemens’ V., 14. Jahrhundert; aus Bamberg, 15. Jahrhundert). Vgl. auch für Basel HÄNGGI, LADNER , Missale 319–328. 121 Vgl. KLÖCKENER , Bulle. 122 „Was die Meßordnung betraf, hielt man sich faktisch an den Ordo Missae des päpstlichen Zeremonienmeisters Johannes Burkhard von Straßburg (um 1450–1506),“ so urteilt HAUNERLAND, Einheitlichkeit 447, über den Ordo Missae des Trienter Missale. 123 Vgl. dazu die Studie von MÜLLER -GEIB , Gebet 83–86; 116–124 u.ö., zu (alt)deutschen Gebetsrufen. 124 Vgl. MÜLLER -GEIB , Gebet 309–318. 125 Vgl. MÜLLER -GEIB , Gebet 319–323. 126 Von hierher ist die Wendung des Canon Romanus qui tibi offerunt (GrH 6) zu verstehen. Gemeint sind die umstehenden Gläubigen, die durch die Hand des Priesters opfern. Später wurde sie erweitert, indem der Satz pro quibus tibi offerimus vorgeschaltet wurde, an den ein als Rubrik zu denkendes vel angehängt wurde. Damit konnte der Priester wählen: Sind die Gläubigen anwesend, wählt er die zweite Formulierung (qui tibi offerunt), steht er stellvertretend und alleine am Altar, wählt er die erste Formulierung (pro quibus tibi offerimus). Vgl. dazu JUNGMANN, MS, 2, 209–210.
3. Messfeier, Gläubigenkommunion und Predigt
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Stiftung, Stundengebet und Messe. Ein Eintrag von 1556 sei hier zitiert, der über eine neue Stiftung einer Totenmemorie unterrichtet. Die sol man halten alle jars den montag nach jubilate (…) und mir dri sullen uns lebtag die memorien halten, wie nachfolgt. Nemlich m. Herman Velbart sol ein neu waskerz von 2 ponden mit dem luchter uff das graff bestellen, aller hillegen tag in der vigilien, aller selen tag den vurmittag und uff den memorientag vurmittag; her Heiman sol beden vur die selen nund mess lesen uff der memorien tag und uff datt graff gain weien; ich sol den goltgulden uffheven, keis und broit und ein gut firdel wins uff der memorientag den truhender zu Cronenberch zum besten geven. 127
Dass solches „Messesystem,“ das seinen Anlass bei Gebetsanliegen für Lebende und Verstorbene nimmt, durch die Abtei Cluny mit der Ausbreitung des Allerseelentages einen enormen Aufschwung erfährt, sei hier nur am Rande erwähnt.128 Eingangs wurden die Libri Ordinarii als wichtige liturgische Quelle erwähnt, die in der Regel für Stiftskirchen konzipiert werden. Die Besonderheit der Stadt Köln besteht nun darin, dass in der Regel neben jeder Stiftskirche eine eigene Pfarrkirche stand, wenn nicht ein Teil der Stiftskirche selbst dem Pfarrgottesdienst diente. 129 Die somit gegebene Verbundenheit wie die Selbständigkeit von Pfarr- und Stiftskirche, die sich auch in liturgischer Hinsicht zeigt, führt dennoch zu gelegentlichen Berührungen: Die Libri Ordinarii erwähnen gelegentlich die „parrochiani,“ die Angehörigen der dem Stift benachbarten Pfarrei, die etwa in die Osterliturgie des Kölner Gereonsstiftes eingebunden werden. 130 Von hierher ist die normgebende Kraft der Stiftsliturgie zu verstehen. Denn im Mittelalter ist immer wieder die Tendenz zu beobachten, das liturgische Leben der Pfarreien einer Stadt an diese normgebende Liturgie der Kathedrale anzubinden, somit auch unter die Aufsicht des Bischofs zu stellen. Das späte Mittelalter bringt deshalb eine neue Gattung der Libri Ordinarii hervor, den „Ordinarius Missae.“ Er ist ein Regelwerk für die Feier der Eucharistie, die sich an der Kathedralliturgie orientiert und somit als Bindeglied von kathedraler und pfarrlicher Liturgie angesehen werden kann. 131 Bislang gab es zwar Hinweise zur Messzelebration jenseits des Missale, aber sie waren eingebun127
HÖHLBAUM , Das Buch Weinsberg 82–83. Vgl. B ÄRSCH, Allerseelen 80–135. 129 So etwa in Köln, St. Aposteln, wo zeitweise die nördliche Nebenkonche, zeitweise die sogenannte Pfarrhalle, ein Anbau im Norden des Langhauses der Stiftskirche, zum Pfarrgottesdienst diente. Vgl. zur Pfarrhalle STRACKE , St. Aposteln 417–499. 130 So etwa im Liber Ordinarius aus St. Gereon von 1424: Perlecto libro generationis cantabunt layci de parochia sancti Mauricij vel Christoferi Frist uns genade. Kyrieleison sive Heiligen alle helpen uns. Cantantibus laycis descendent domini ad altare sancti Gereonis O beata infantia cantantes, ediert bei ODENTHAL, GERHARDS, St. Gereon 267. 131 Eine Edition eines entsprechenden Exemplars für Genf liegt bereits vor: HUOTT, Ordinaire. 128
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VIII. Pfarrlicher Gottesdienst
den in den Kontext der gewohnten Libri Ordinarii, die ja das Gesamt stiftischer wie – als Consuetudo – monastischer Liturgie beschreiben. Nun war ein eigenes Regiebuch für die Messe entstanden, für das der Ritus der Domkirche mit all seiner ausgefeilten Ritualität prägend war. Man kann diese Neuschöpfung durchaus vor dem Hintergrund der wachsenden Zahl der Ordensniederlassungen verstehen, die alle ihre eigene Liturgie feiern. Sie fordern eine Einheitlichkeit auf diözesaner Ebene geradezu heraus. Paradoxerweise aber konnte dies deshalb gelingen, weil sowohl in den Dom- und Stiftskirchen wie in den Pfarrkirchen durch die Missalien die stille Messe Grundform eucharistischer Liturgie war. Die Feierlichkeit, die zu entfalten eine Anzahl von Klerikern voraussetzt, war im Grunde nur akzidentell. Es gab somit ein Regelbuch, das sich fast ausschließlich der Feier der Messe widmete, in welchem Feierlichkeitsgrad sie auch immer gehalten werden konnte. Befördert durch den neu entstandenen Buchdruck setzte sich diese Gattung rasch durch. In Köln finden sich jene Ordinarien unter dem Titel „Ordinarius Missarum secundum maiorem ecclesiam Coloniensem.“132 Als man erste Druckmissalien zu erstellen begann, stellte man jenen Ordinarius voran. Zum einen ist das Interessante die Bezeichnung „gemäß des Brauches der Kölner Hauptkirche,“ also des Domes. Der Buchdruck ermöglichte hier wie überall eine Vereinheitlichung der durch disparate Manuskripte nur unzulänglich koordinierten Liturgie eines Bistums, wie es im Spätmittelalter bei sich immer mehr ausdifferenzierenden diözesanen Lokalbräuchen vonnöten war. Zum andern verdient Beachtung, dass die Domkirche Muster und Norm bildet, und das nicht nur für die ähnlich wie das Domkapitel stiftisch organisierten Klerikerverbünde, sondern eben auch für die Pfarreien. Man konnte so darauf hoffen, dass aufgrund der neu entstehenden Druckmissalien und ihrer Anordnung sich zumindest in Bezug auf die Messfeier eine einheitliche diözesane Ordnung durchsetzte. Es bleibe nicht unerwähnt, dass sich in der Kölner Liturgietradition bereits handschriftliche Zeugnisse einer solchen Ordnung der Messe finden. Die Drucke sind – wie in der Frühzeit üblich – sehr disparat. Auf pfarrliche Gegebenheiten wird etwa am Aschermittwoch oder am Allerseelentag Bezug genommen, wenn eigens die Predigt im Rahmen der
132
Vgl. zu diesen Ordinarii missae den Überblick bei ODENTHAL, Non est hic 44–46.
3. Messfeier, Gläubigenkommunion und Predigt
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Bußliturgie oder des Totengedenkens erwähnt wird. 133 Auch die Osterliturgie wird im Hinblick auf pfarrliche Gegebenheiten ausgeschmückt.134 Damit ist ein weiterer Themenbereich berührt, denn zur Feier der Messe wie des Stundengebetes gehört natürlich auch der Jahreszyklus mit den vielen Feiertagen.135 Hier ist die Karwoche zu nennen, beginnend mit dem Palmsonntag und seiner Palmenweihe.136 Die anschließende Prozession war gelegentlich durch das Mitführen eines Palmesels ausgestaltet. 137 Die Drei Österlichen Tage, das Triduum Paschale, waren in ihrer liturgischen Hochform eher Sache des Klerus geworden. Und doch muss die reiche rituelle Ausgestaltung dieser Tage gerade auch im Pfarrkontext zumindest kurz erwähnt werden: die Altarentblößung nach der Gründonnerstagsmesse und die Altarwaschung (so in Mainz),138 die Ölbergandacht mit den Riten um das Heilige Kreuz und das Heilige Grab,139 die Ostervigil mit Osterfeuer.140 Bezüglich der Sakramentendisziplin ist von Bedeutung, dass die jährliche Osterkommunion im Kontext der Liturgie der drei Tage gespendet wurde.141 Dass hier ein reiches liturgisches Brauchtum mit Verhüllungen durch das Hungertuch seit Beginn der Quadragesima 142 sowie der Bräuche 133
So berichtet ein handgeschriebener, bislang unedierter Ordinarius Missae aus den Quellen des Apostelnstiftes (Köln, ehemals Historisches Archiv der Stadt Köln, Geistliche Abteilung 24) zum Aschermittwoch (fol. 112v): „Deinde predicandum est populo. Confiteor. Postea det sacerdos cineres benedictiones dicendo Memento homo quia etc.” Zu Allerseelen (fol. 120r): “Infra missam si placuerit aliquid de animabus sermocionetur, missa completa circa ecclesiam per cymiterium dicendo commendacionem.” 134 So ist etwa die – zumindest noch formale – Erwähnung der Kindertaufe in der Osternachtliturgie zu verstehen: Ordinarius Missae (wie Anm. 133), fol. 115v: „Si autem infans erit baptizandus, baptizetur post crismatis inposicionem. Hiis itaque completis thurificetur fons, compulsentur campane, redeat presbiter ad chorum tacendo et indutus casula dicat Confiteor iuxta solitum.” Für den Ostertag selbst wird die feierliche Osterprozession beschrieben (ebd. fol. 116r): „Ad officium presbiter indutus ad casulam canendo Vidi aquam aspergat populum aqua baptismatis ante crisma exposita et servata et non ultra secundum summam Remundi. Potest tamen fieri aspersio de eadem aqua in octava Pasche. Et qui amplius faciunt in summa Remundi arguuntur et errare dicuntur.” Zur erwähnten Summa Remundi, einem liturgischen Lehrbuch des späten Mittelalters, vgl. FRANZ, Messe 482–485. 135 Vgl. hier etwa für Köln den Beitrag von HERBORN, Feiertage. 136 Vgl. immer noch GRÄF, Palmenweihe. 137 HEINZ, Palmprocessie. 138 Vgl. FALK, Aufzeichnungen 25. 139 Vgl. etwa B ÄRSCH, Bedeutung; VAN T ONGEREN, La croix. – Zu den um das Heilige Grab situierten Osterfeiern und Osterspielen vgl. aus der Fülle der Literatur nur ODENTHAL, Surrexit, in diesem Band 125–142. B ÄRSCH, Quem queritis. 140 Vgl. hier zuletzt etwa B ENZ, Ritus. 141 So in Mainz mit Beichtgelegenheit, vgl. FALK, Aufzeichnungen 25–28. 142 Als ein Beispiel sei Pappenheim erwähnt, wo am Aschermittwoch die Bilder verhüllt und das Hungertuch ausgerollt wurde, vgl. GÖTZ, Festfeier 135.
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VIII. Pfarrlicher Gottesdienst
um das (mobile) Heilige Grab um sich griff, sei nur kurz erwähnt. 143 Dieses Brauchtum ist reichen regionalen Besonderheiten ausgesetzt. 144 Hier ist die Tendenz des Mittelalters greifbar, aus welchen Gründen auch immer die entscheidende Liturgie der Kartage im Hinblick auf die Teilnahme des gläubigen Volkes zu marginalisieren, was dann durch volksfrommes oder auch paraliturgisches Tun ersetzt wurde. Diese Tendenz trifft die Messliturgie als ganze, wenn die Gläubigenkommunion außerhalb der Messe stattfand oder stille Betrachtungen der anwesenden Gemeinde gemäß mittelalterlicher Messerklärungen auf die entsprechende Handlung der Messe abgestimmt werden.145 Die Aufzeichnungen der Pfarrer Diel und Eck zeigen, dass die Kommunionspendung aus der Messe ausgelagert war und somit keinen integralen Bestandteil mehr bildete. 146 Dies galt sogar für die Osterkommunion, wie die Quellen der Kölner Stadtpfarre St. Kolumba überliefern.147 In Ingolstadt wurden in der Karwoche 1200 Hostien für die Osterkommunion konsekriert.148 Die Mahnungen zur Osterkommunion in Mainz zeigen dieselbe Tendenz, nämlich den „Pfarrzwang“ zur Pflichtkommunion in Verbindung mit der jährlichen Beichte.149 In diesem Kontext kam es durchaus zur Konkurrenz der Pfarrkirchen mit den Ordenskirchen oder auch Privatkapellen des Adels. 150 Wie stark das Territorialprinzip verinnerlicht war, zeigt folgender Eintrag des Kölner Ratsherrn Hermann von Weinsberg aus dem Jahre 1551: „A. 1551 den 29. marcii hab ich min parschfest s. Jacob gehalten, da ich zum hilligen sacrament gangen sin, wiewol ich in s. Birgiden kirspel gewont hab.“ 151
143 Zu den „Osterfeiern“ um das Heilige Grab vgl. ODENTHAL, Surrexit, in diesem Band 125–142; zur Problematik auch B IERITZ, Zeitgenossenschaft. 144 Vgl. hier insgesamt die Materialsammlung bei LIPPHARDT, Osterfeiern. 145 Vgl. zur allegorischen Methode MESSNER, Hermeneutik; auch immer noch FRANZ, Messe 333–728. Vgl. HEINZ, Pfarrmesse 337–365. Vgl. auch WEGMANN, Passionsandacht. 146 Dies steht durchaus in Spannung zu den Hinweisen bei Thomas von Aquin, für den die Feier der Eucharistie ohne Eucharistieempfang undenkbar ist. Vgl. dazu T ÜCK, Gabe 172–174; 220 u.ö. 147 Vgl. HEGEL, Pfarrgottesdienst 147. 148 Vgl. GREVING, Pfarrbuch 126–127. 149 Vgl. FALK, Aufzeichnungen 12–15; S. 19 (Vermeldung auf Palmsonntag); 21 (Strafe für das Beichten bei einem fremden Priester. Bereits HEINZ, Pfarrmesse 84), 31– 39, weist, obwohl das Trienter Konzil das Pfarrprinzip beim Sakramentenempfang lediglich als Empfehlung ausgesprochen hatte, auf die größere Strenge beim Pfarrprinzip im Trierischen Raum hin. 150 Dazu HEINZ, Pfarrmesse 45–49. 151 HÖHLBAUM , Das Buch Weinsberg 354.
3. Messfeier, Gläubigenkommunion und Predigt
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Bei allem Pfarrzwang aber war es keineswegs so, dass Familienverbünde dieselbe Kirche, denselben Gottesdienst besuchten. 152 Dies zeigt wiederum eine Notiz des Kölner Ratsherren von 1553: A. 1553 den 23. jul. uff sontag hat min hausfrau zu s. Brigiden zum hilligen sacr ament gangen und daselbst ich auch den 25. jul. uff s. Jacobs tag, dan man hatz uff allen pr edigtstulen verkundigt, ein jeder sult sich in disser gefarlicher zit bereiten, bichten und hoichzit halten vur ein vursorg, das er sich eirst mit got vereinigte. 153
In diesen Kontext gehören ebenfalls Ersatzformen für den tatsächlichen häufigen Kommunionempfang.154 Die Verehrung der Eucharistie außerhalb der Messe kam zu ungeahnten Höhepunkten, die als „Augenkommunion“155 das Verlorene kompensierten: Die Elevation der konsekrierten Hostie wurde auch als ikonographisches Motiv bedeutsam, etwa bei der „Gregorsmesse.“156 Dass sich bei der Betonung der „sachhaften“ Präsenz Jesu in der Eucharistie Folgen einer Veränderung in der Symbol- und Bildauffassung seit der Spätantike zu Wort melden, sei hier nur knapp benannt. 157 Ein weiteres Symptom seit dem Spätmittelalter ist die Messe vor ausgesetztem Allerheiligsten, beendet mit dem eucharistischen Segen.158 All dies illustriert die eingangs zitierte Bemerkung Jungmanns, aus der Eucharistia sei eine Epiphania des Herrn geworden. Das Problem von Predigt und Katechese wurde bereits kurz berührt, bedarf aber noch einer Ergänzung. Neben der Messliturgie entstanden besonders im Südwesten Deutschlands Sonderformen, die den entstandenen Mangel an Einbindung der Gläubigen in die Messliturgie kompensierten, nämlich der Prädikantengottesdienst, der eine volkssprachliche Pfarrpredigt in Kombination mit einer eigenen katechetischen Kanzelliturgie vorsah.159 Diese Form war als Ergänzung der Messe gedacht und ritualisierte die Gemeindekommunion außerhalb der Eucharistiefeier.160 Sie ist deshalb von Bedeutung, als der oberdeutsche Typ des eucharistischen Gottesdienstes der Reformation an diese Tradition anknüpfte, nicht – wie die Witten-
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Vgl. grundsätzlich zur Einstellung bezüglich Kinder und Familie HOLZEM , Kinder. HÖHLBAUM , Das Buch Weinsberg 2, 34. 154 Zur Kommunionfrequenz vgl. HEINZ, Pfarrmesse 371–391. 155 Vgl. CASPERS, Western Church; HEINZ, Liturgical Rules. 156 Vgl. GÄRTNER , Gregorsmesse. 157 Vgl. etwa THÜMMEL, Bilderlehre; T HÜMMEL, Konzilien; TOUSSAINT, Sichtbarkeit. 158 Vgl. HEINZ, Pfarrmesse 432–446. 159 Vgl. hierzu P AHL, Feier, zum spätmittelalterlichen Prädikantengottesdienst: 416– 417. 160 Vgl. HEINZ, Pfarrmesse 298, der für Trier darauf hinweist, die Kommunionausteilung innerhalb oder außerhalb der Messe hätten in der Trierer Agende von 1688 nebeneinander gleichwertig bestanden. 153
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VIII. Pfarrlicher Gottesdienst
berger Reformation – an den Messtyp.161 Im Kontext der Predigt und dem Prädikantengottesdienst war es auch möglich, mit einem anderen Problem mittelalterlicher Liturgie umzugehen, nämlich der lateinischen Liturgiesprache. Zwar gab es bereits früh Versuche einer muttersprachlichen Übersetzung der offiziellen Liturgie.162 Doch ging es dabei mehr um ein privates Mitverfolgen der offiziellen lateinischen Texte. Die Ausgestaltung der Predigt oder, wie im oberdeutschen Kontext, die Ausbildung eines eigenen Predigtgottesdienstes bildete nun die Möglichkeit einer Verlesung des deutschen Evangeliums, wie dies etwa für Trier samt einem deutschen Predigtlied bezeugt ist. Der Priester legte hierfür Kasel und Manipel ab und machte so deutlich, dass das nun Folgende nicht mehr zur eigentlichen Liturgie gehört:163 „Die Messliturgie und der in sie eingefügte Predigtgottesdienst standen innerlich unverbunden nebeneinander.“ 164 Damit ist eine deutliche Ambivalenz festgehalten: Die muttersprachliche Predigt ist und bleibt Teil der Messe, und damit ist sie keineswegs eine Entdeckung oder Erfindung der Reformation. 165 Das zeigt sich etwa darin, dass sie thematisch auf die Perikopenordnung der Messe bezogen blieb, wie dies für die Predigten Meister Eckharts belegt ist.166 Dennoch wird sie als eigenständiger, sogar als nicht integrativer Teil eucharistischer Liturgie empfunden. Wiederum im Gedenkbuch des Kölner Ratsherren Hermann von Weinsberg finden sich viele Hinweise auf den Besuch der sonntäglichen Predigt, so auch folgender von 1566: „Und war den morgen tuschen 7 und 8 uren under der predich.“167 Dieser Eintrag ist paradigmatisch, weil er lediglich die Tatsache der Predigt erwähnt, indes offen lässt, inwieweit sie mit der Messe verbunden war. Dass aber Messe und Predigt nicht identisch sind, zeigt folgende Bemerkung aus dem Jahre 1574, die überdies auch die Teilnahme an pfarrlichem Stundengebet belegt: „A. 1574 den 1. jan. hab ich zu Cronenberch gewont und das neu jar mit gotz gnaden angefangen, predich, mess, vesper s. Jacob gehort.“168 161
Wie sehr etwa Oekolampad seine eigene Predigtpraxis der Baseler Martinspfarrei neben dem offiziellen, Kaplänen übertragenen Messelesen und im Kontrast dazu ausübte, darauf macht W ENDEBOURG, Essen 118, Anm. 131 aufmerksam. Vgl. an älterer Literatur hier auch DANKBAAR , Liturgie, zu einem Manuale curatorum von 1503 für den Predigtdienst, das auf Oekolampad prägend wirkte. 162 Vgl. jüngst SPRINGER , Plenar; grundsätzlich HÄUSSLING, Missale. 163 Vgl. HEINZ, Pfarrmesse 207–217. 164 HEINZ, Pfarrmesse 229. 165 Vgl. hier den Überblick anhand der Ordines Romani und anderer liturgischer Quellen bei MORARD, Quand liturgie. 166 Vgl. THEISEN, Predigt; zur Problematik der Messpredigt T HEISEN, Predigt 19–49. 167 HÖHLBAUM , Das Buch Weinsberg 2, 154. 168 HÖHLBAUM , Das Buch Weinsberg 2, 265–266.
3. Messfeier, Gläubigenkommunion und Predigt
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Wenn Weinsberg dann anlässlich der Beerdigungsmesse des Kölner Bürgermeisters Lisekirchen eigens erwähnt, „der weihbischof dede die miss und prediget vor dem offertorio,“169 dann scheint dieser Eintrag der Tatsache geschuldet, dass die Predigt hier einen eher unkonventionellen Ort gehabt hat. Ein bereits benanntes Problem des Späten Mittelalters sind Anlass und Anzahl der Messen. Ein eigener Predigtgottesdienst, eventuell mit der Aussetzung der Eucharistie verbunden, war die Lösung zur Versorgung der vielen Filialen und ihrer Kirchen von der einen Pfarrkirche aus, gerade in ländlichen Regionen mit den zerstreut liegenden Filialgemeinden. Dies steht in gewissem Gegensatz zur um sich greifenden Messhäufigkeit, die aber an Orte mit vielen Priestern gebunden war. Andreas Heinz macht für Trier darauf aufmerksam, dass im Spätmittelalter keine eigene Sonntagseucharistie von ländlichen Filialdörfern durch Bination des Pfarrers, also die zweimalige Feier der Messe an einem Tag, ermöglicht wurde. Damit blieb einerseits gewährleistet, dass die Messe in der Pfarrkirche ihre zentrale Funktion behielt. Andererseits mussten die Bewohner der Filialdörfer, war kein Vikar oder der Pfarrer selbst zur Stelle, an manchen Sonntagen auf eine eigene Eucharistiefeier verzichten.170 An deren Stelle trat – falls man die Dorfbewohner nicht ganz dispensierte – nun jener Wortgottesdienst mit Predigt und Zeigen der Eucharistie. 171 Diesem Mangel an Messen stand die Vielzahl der Feiern in Städten mit vielen Klerikern gegenüber. Dies schlug sich in der Anzahl der Altäre in den großen städtischen Pfarrkirchen nieder.172 Für die Kirche Unserer Lieben Frau in Ingolstadt etwa sind 17 Altäre bei 15 Messpfründen überliefert.173 Ecks Pfarrbuch für Ingolstadt berichtet von 11 Ämtern und 24 stillen Messen pro Woche gemäß der vielen Stiftungen. 174 Doch die vielen Messstiftungen und ihre Anlässe überwogen bald bei weitem die durch die Kleriker zu gewährleistenden Messen. Solche Verpflichtungen waren oft nur mittels sogenannter Schachtelmessen einzulösen: Mehrere Messen wurden bis zum Offertorium gefeiert, hier jeweils eine neue Messe begonnen, bis man schließlich die letzte dieser Messen erst mittels Canon und Kommunionteil 169
LAU, Das Buch Weinsberg 118. Zur Rolle der Vikare oder der Kooperatoren mag erwähnenswert sein, dass etwa in Hilpoltstein die Seelsorge ganz in den Händen des Kooperators lag. Vgl. GÖTZ, Pfarrbuch 87. 171 Vgl. HEINZ, Pfarrmesse 55–67. 172 Für Nürnberg vgl. SCHLEMMER , Gottesdienst 62–74. Für Nürnberg gilt Ähnliches wie für die mittelalterlichen Kölner Stiftskirchen, dass man neben Lokalheiligen vor allem romtopographische Bezüge suchte (so etwa der Petrusaltar im Westchor von St. Sebald). 173 Vgl. GREVING, Pfarrbuch 20–21. 174 Vgl. GREVING, Pfarrbuch 79. 170
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VIII. Pfarrlicher Gottesdienst
zu Ende führte, womit die Vielzahl der Messintentionen abgeleistet werden konnte. Wenn Inszenierung und Feierlichkeitsgrad als nicht unbedingt notwendig zur Grundform der Privatmesse erst hinzukommen und für die Gültigkeit unwesentlich sind, war es durchaus denkbar, eine bis zum Canon hochfeierlich gesungene Messe nach dem Canon Missae als stille Messe weiterzuführen.175 Der somit ermöglichte rasche Abschluss der Messe war dem nun beginnenden Tagesamt geschuldet, das wiederum feierlich begonnen wurde.176 All dies waren Lösungen des Grundproblems, als Anlass der Messe nun die vielen Totenmemorien, nicht mehr nur pfarrlich-seelsorgerliche Notwendigkeiten der Messzelebration zu haben. Bei alledem aber zeigt sich das Grundparadigma der Eucharistiefeier: Es ist die Stillmesse des Priesters, zu der ausschmückendes feierliches Beiwerk als nicht unbedingt notwendig hinzutritt. Die im Pfarrbuch von Eck für Ingolstadt belegten Formen des Opfergangs, die vielen genannten Kapellen mit ihren Messstiftungen sind in den hier erläuterten Kontexten zu lesen.177 Der die Memorien unterstützende Opfergang der Gläubigen wird zunehmend auf die vier großen Feste Ostern, Pfingsten, Mariä Himmelfahrt und Weihnachten eingeschränkt, wobei immer mehr die Ablösung der Naturalgaben durch Geld zu beobachten ist. 178 Die liturgische Vielfalt beruht auf einem hoch komplexen Finanzierungssystem mittels Opfergaben und Memorienstiftungen, das den Geistlichen ihr Auskommen sichern sollte. Hier setzt Luthers Kritik an den Priestern an, die lediglich Messstiftungen absolvieren, anstatt Seelsorge zu üben. 179 Dies hat seinen Sitz in den beschriebenen, oft durchaus ausufernden Veräußerlichungen kirchlicher Praxis.180
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Vgl. GREVING, Pfarrbuch 82–83. So in Hilpoltstein, Vgl. GÖTZ, Pfarrbuch 65. 177 Vgl. dazu HELING, Nutzung. 178 Vgl. HEINZ, Pfarrmesse 301–337. 179 In seinen Ausführungen über das Sakrament der Priesterweihe „De ordine“ (WA 6, 560 19–567 31) etwa schreibt Martin Luther: „Qua re eos, qui tantum ad horas Canonicas legendas et Missas offerendas ordinantur, esse quidem papisticos, sed non Christianos sacerdotes, quia non modo non praedicant, sed nec vocantur ad praedicandum, immo hoc ipsum agitur, ut sit sacerdotium eiusmodi alius quidem status ab offitio praedicandi. It aque horales et Missales sunt sacerdotes, id est, Idola quaedam viva, nomen sacerdotii habentia, cum sint nihil minus, quales sacerdotes Hierobeam in Bethaven ordinavit de infima fece plebis, non de genere Levitico“ (WA 6, 564 24–31). 180 Zur Umwandlung der Pfarreien im Kontext der Konfessionalisierung vgl. etwa D IXON, Transformation. 176
4. Stundengebet und Prozessionswesen
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4. Stundengebet und Prozessionswesen 4.1 Stundengebet
4. Stundengebet und Prozessionswesen
Auch in den Pfarrkirchen feierte man Stundengebet.181 Diese Tatsache steht in Spannung zu den eher wenigen Hinweisen seit dem Frühen Mittelalter, wie das Stundengebet jenseits der großen Klöster oder Domstifte aussah, bis zumindest die großen spätmittelalterlichen Pfarren auch für diese Liturgie reichlichere Zeugnisse überliefern. Doch hat Arnold Angenendt auf Bücherverzeichnisse von Dorfkirchen des 9. Jahrhunderts hingewiesen, die infolge des karolingischen Korrekturprogrammes auch ein „Antephonarium“ und Psalterien besitzen. 182 Nun ist von der Nomenklatur her eher undeutlich, ob ein solches Antiphonar eines für die Messe oder für das Stundengebet ist. Wenn aber etwa das Schatzverzeichnis der Pfarrkirche von Altenburg in der Diözese Trient, wahrscheinlich aus den Jahren 855–864, terminologisch zwischen einem Graduale und einem „antiphonarium“ unterscheidet, die sich beide im Besitz der Kirche finden, ist die Zuordnung eindeutig: Dem Graduale als „Antiphonar“ der Messe steht mit dem „antiphonarium“ ein Gesangbuch für das Stundengebet zur Seite.183 Ein weiterer Beleg findet sich aus der Pfarrkirche Eppan bei Bozen, deren Verzeichnis von 1241 neben „Misales“ (!) und einem „Antifonarium“ auch „Matutinalia“ aufführt, also jene Bücher, die eindeutig den Morgenhoren der Stundenliturgie dienen.184 Das aber bedeutet, dass auch das Stundengebet als zumindest in Teilen gesungene Liturgie in den Pfarrkirchen gefeiert worden ist.185 Dieser Sachverhalt passt zur Bedeutung des Heiligen Ortes, der die Frömmigkeit und Liturgie seit dem Frühmittelalter prägt. Angelus Häussling hat anhand der Messedekrete Gregors III. (731– 741) aus dem Jahre 732 ausmachen können, dass der Reliquienbesitz einer Kirche als Anlass für den Vollzug feierlicher Liturgie galt, so auch der Stundenliturgie.186 Und die Pfarrkirche mit ihren Altären und den dort rekondierten Reliquien ist als ein solcher „heiliger Ort“ anzusehen, der mit täglichem Stundengebet zu ehren ist. Dabei geht es auch um eine den ein181
Dass das Stundengebet auch für Pfarrkirchen vorgeschrieben war, erwähnt J UNGMS 1, 278. 182 Vgl. ANGENENDT, Libelli 237. 183 Vgl. B ISCHOFF, Schatzverzeichnisse, 13. 184 B ISCHOFF, Schatzverzeichnisse 32. Weitere Antiphonarien und Psalterien begegnen in der Pfarrkirche Maria Wörth bei Klagenfurt (ebd. S. 56), Thannkirchen (ebd. S. 94) etc. 185 Sicher gilt dies für die großen Pfarrkirchen des (Spät-)Mittelalters, so etwa für St. Sebaldus, Nürnberg, wo „Jtem ein altes antiphonarium. Jtem ein alter psalter“ erwähnt werden. Vgl. SCHLEMMER , Gottesdienst 122–123; 127–129; 141. 186 Vgl. HÄUSSLING, Mönchskonvent 280–297. MANN,
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VIII. Pfarrlicher Gottesdienst
zelnen Kleriker bindende Verpflichtung zum Stundengebet, die seit dem Frühen Mittelalter besteht, nämlich wohl seit der Chrodegangschen Kanonikerregel von 762.187 Sie ist ein Versuch, das Leben der Weltkleriker nach monastischem Vorbild zu organisieren. 188 Doch kraft des Kirchenraumes und seines Reliquienbesitzes handelt es sich hier keineswegs um privates Gebet, sondern um öffentliche Liturgie, mittels der sich die Kirche artikuliert: Das Gebet des zum Stundengebet verpflichteten Priesters in der Kirche hat damit öffentlichen Charakter. 189 Hierzu passt, dass die erste universalkirchliche Regelung wohl die Einschärfung der Präsenzpflicht für Kanoniker und ihre Verpflichtung zum Chorgebet im Jahre 1297 war, also zur öffentlichen Liturgie.190 Wie die Feier der Messe kann auch das Stundengebet im Kontext mittelalterlicher Frömmigkeit als Bußleistung dienen.191 Das iro-schottisch geprägte Tarifsystem, wie es sich in vielen Bußbüchern niederschlägt, 192 begünstigt eine stellvertretende Übernahme von Bußleistungen durch die Kleriker, die im Rahmen des Stundengebetes etwa Zusatzpsalterien beten. Gebetsverbrüderungen monastischer Provenienz bilden für solch stellvertretendes Handeln das Vorbild. 193 Da es um stellvertretende Bußleistung für Lebende und Verstorbene geht, erhalten die Vigilien für Verstorbene große Bedeutung. 194 Im kommunitären wie privaten Beten kommt es deshalb zur Erweiterung des täglichen Pensums durch Zusatzoffizien.195 Die Anniversarien bedeutender Verstorbener sind deshalb durchgehend mit dem Stundengebet verbunden.196 Entsprechend unterscheidet man bei den Vigilien für die Verstorbenen das kürzere Gebet der „Vigiliae minores“
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Die Chrodegangsche Regel hatte festgehalten, dass derjenige, der am offiziellen Chorgebet nicht teilzunehmen in der Lage ist, die Horen privat halte: „...si longe ab Ecclesia aliquis fuerit, ut ad opus Dei per horas Canonicas occurrere non possit, agat opus Dei cum tremore Divino, ubi tunc fuerit,“ SCHANNAT, HARTZHEIM , Chrodegangi Metensis Episcopi Regula 104–105 (c. 24). Vgl. zur Bevierpflicht insgesamt MÜLLER , Officium divinum 51–52. 188 Vgl. dazu CLAUSSEN, Reform; B ERTRAM, Rules. 189 Auch das private Beten der Horen dürfte nach mittelalterlichem Selbstverständnis nie als privat zu werten sein. 190 Vgl. MÜLLER , Officum divinum 68, über die Konstitution Papst Bonifatius VIII. „De clericis non residentibus in ecclesia vel praebenda.“ Lediglich für die Unmöglichkeit zur Teilnahme am Chor ist der Ersatz durch privates Beten vorgesehen. 191 Vgl. dazu den Überblick bei ANGENENDT, Buße. 192 Vgl. hierzu etwa KOTTJE, Bußbücher. 193 Vgl. dazu ANGENENDT, Missa specialis 155–157; 169–175 (173–174 Verweis auf Fulda). 194 Zum Totengedächtnis vgl. HEINZ, Pfarrmesse 249–272. 195 In Ingolstadt vgl. GREVING, Pfarrbuch 104. Zum Problem vgl. SCHMIDT, Zusätze. 196 Vgl. GÖTZ, Pfarrbuch 59–60 u.ö.
4. Stundengebet und Prozessionswesen
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von der längeren Form der „Vigiliae maiores.“197 Für die Kirche Unserer Lieben Frau in Ingolstadt etwa sind die Gebete der „Psalteristen“ für den in der Kirche beigesetzten Herzog Ludwig den Bärtigen an dessen Todestag belegt.198 Der für Köln und die Normierung der Messliturgie bereits erwähnte Ordinarius Missae erwähnt nicht von ungefähr die Stundenliturgie im Kontext von Allerseelen.199 Analog zur Messliturgie kommt es im späten Mittelalter zu Vereinheitlichungstendenzen des Stundengebetes, die durch den Buchdruck begünstigt werden. Für Halberstadt etwa hat der durch Kardinal Albrecht von Brandenburg veranlasste Brevierdruck aus dem Jahre 1515 ausdrücklich eine Liturgiereform im Sinn, deren Ziel eine Vereinheitlichung des Betens in der Diözese ist.200 Auch wenn der Kleriker das Stundengebet alleine rezitiert, soll es mit der im Chor gesungenen Liturgie identisch sein. Von den Sonderformen wie einem „Halbstift“ 201 einmal abgesehen, wundert es im Ganzen also nicht, auch in Pfarrkirchen des späten Mittelalters Breviere anzutreffen, sei es für das alleine vollzogene Persolvieren der Geistlichen, sei es für das gemeinsame Stundengebet.202 Die Beteiligung des Volkes an der Stundenliturgie ist differenziert zu werten. Frühe Bemühungen um die Verwendung der deutschen Sprache künden von einem Verlangen der Laien nach Teilnahme.203 Die wohlhabenden und gebildeten Bevölkerungsschichten des Spätmittelalters vermochten im Kontext der Laienfrömmigkeit, ein meist marianisches Offizium in lateinischer Sprache zu vollziehen, wie die vielen erhaltenen Stundenbücher demonstrieren.204 Diese beliebten „Marientiden“ legen für eine Verwurzelung in der Volksfrömmigkeit Zeugnis ab. Dabei ging es, wiederum analog zur Messe, um eine subjektive Aneignung der Passion Christi, deren biblisch fundierte Zeitstruktur auf die einzelnen Horen übertragen wurde. 205 Erwähnung verdient ferner die altrömische Ostervesper in der Osterwoche, die mit einer Prozession zum Taufbrunnen verbunden war und damit eine liturgische 197 Vgl. hier etwa ENGELHART , Vigiliae; zur Geschichte des Totenoffiziums ebd. S. 227–230. Zum Totenoffizium in Goslar vgl. GRAF, Memoria 96–99. 198 Vgl. GREVING, Pfarrbuch 104. 199 Ordinarius Missae (Köln, ehemals Historisches Archiv der Stadt Köln, Geistliche Abteilung 24), fol. 120r: „Dictis secundis vesperis canantur vigilie sollempniter cum novem lectionibus. Laudes vigiliarum dicantur in circuiendo ecclesiam per cimiterium cum cruce, thuribulo et aqua benedicta.” 200 Vgl. dazu ODENTHAL, Ordinatio 33–40. 201 Vgl. hierzu GREVING, Pfarrbuch 93. 202 Vgl. etwa HORST, Inkunabel-Brevier. 203 Vgl. etwa STEPHAN, Teutsch Antiphonal. 204 Vgl. dazu etwa DESPLENTER , Salterio; OCHSENBEIN, Privatgebetbücher. Zur Situation der Laien im Spätmittelalter vgl. auch B URGER , Zuwendung. 205 Vgl. HÄUSSLING, Tagzeitenliturgie.
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„Rolle“ des Taufsteins auch jenseits konkreter Taufen belegt. 206 Wie prägend das Stundengebet war, zeigt das Beispiel der Landpfarrei Hilpoltstein. Dort war eine Stiftskommunität ansässig, und dennoch wurde die Matutin sonntags und an Feiertagen vom Pfarrer und den Schülern gesungen, nicht von den Stiftsherren. Das Reformdekret des zuständigen Eichstätter Bischofs Johann III. von 1446 sah das Läuten zur Hore vor, um die Gläubigen zur Teilnahme einzuladen. 207 Wie überall gab es dort Chorpersonal.208 Auch in den Filialkirchen von Hilpoltstein wurde an bestimmten Tagen Chordienst vollzogen, und zwar durch den Schulmeister der Pfarrkirche mit seinen Schülern.209 In Ingolstadt begegnet ebenso der Schulmeister als Chordirigent. 210 In Mainz hing der Vollzug der Matutin etwa an Christi Himmelfahrt davon ab, ob Cantores bereit stehen. 211 Insgesamt kann man unterscheiden: Matutin und Vesper werden häufig vollzogen, eher selten die kleinen Horen Prim, Terz, Sext und Non, womöglich kumuliert hintereinander. 212 Bei allen hier nicht nachzuverfolgenden diözesanen Ausprägungen der Stundenliturgie213 ist auf die seit dem 13. Jahrhundert normierende Ausgabe des „Breviarium secundum usum romanae curiae“ hinzuweisen. Diese Bräuche der römischen Kurie verbreiteten sich durch den Franziskanerorden und andere rasch. Innozenz IV. etwa gewährte 1244 den Augustiner Eremiten das Privileg, jenes „Brevier gemäß der Bräuche der römischen Kurie“ zu nutzen.214 Bereits der Name „Brevier“ der römischen Kurie verrät, dass hier eine gekürzte (brevis!) Form der Stundenliturgie begegnet. 215 Vielfältige Veränderungsprozesse der Liturgie der römischen Kurie im 13. 206
Für Ingolstadt vgl. GREVING, Pfarrbuch 99–100. Vgl. GÖTZ, Pfarrbuch 24–25. 208 Vgl. GÖTZ, Pfarrbuch 26. 209 Vgl. GÖTZ, Pfarrbuch 36. 210 Vgl. GREVING, Pfarrbuch 49. 211 Vgl. FALK, Aufzeichnungen 32. Ebd. S. 36 eine Tabelle für die Einkommen bei der Verrichtung des Stundengebetes. 212 In Ingolstadt wurden sie nur in der Fronleichnamsoktav im Chor gesungen. Vgl. GREVING, Pfarrbuch 96. 213 Allein die Bibliographie bei B OHATTA, Bibliographie 2, zeigt die Vielzahl diözesaner und ordenseigener Traditionen. 214 „Cum igitur perennis obtentu praemii sub Beati Augustini Regula Conditori omnium humiliter famulari et divinum officium secundum Ecclesiae Romanae consuetudinem elegeritis celebrare, Nos vestris precibus favorabiliter annuentes dictam Regulam auctoritate Apostolica devotioni vestrae duximus concedendam. Statuentes, ut vos et succe ssores vestri perpetuis futuris temporibus observetis eandem et officium ipsum secundum praefatam consuetudinem celebretis,” so das Privileg Innozenz’ IV. vom 31. März 1244 (Nr. 39), in: VAN LUIJK, Bullarium 36. 215 Vgl. hier die Textedition: Ordinal of the court of the Roman Church, compiled during the reign of Innocent III (1213–6), in: VAN DIJK, The ordinal 87–478. 207
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und 14. Jahrhundert, die hier nicht im Einzelnen nachvollzogen werden können, führten zu Kürzungen und Veränderungen der reichen Stadtliturgie Roms. Suitbert Bäumer resümiert bei allen bislang ungeklärten Forschungsfragen: „Wenigstens ist das Resultat sicher, daß das Officium der päpstlichen Kapelle in den ersten Jahren des 13. Jahrhunderts kürzer war als jenes Officium, welches in den übrigen Kirchen Roms gehalten wurde, es war ein Officium Romanum abbreviatum.“ 216 Entscheidend ist, dass die Verkürzung der reichen stadtrömischen Stundenliturgie vor allem die vielen rituellen Elemente betraf, die die Liturgie als Feier charakterisierten. 217 Doch hielt sich etwa die bereits erwähnte altrömische Ostervesper mit Prozession zum Taufbrunnen gerade in Pfarrkirchen.218 Seinen Siegeszug trat dieses neue Brevier dadurch an, dass es der Praktikabilität wegen bald von den Mendikantenorden rezipiert und nochmals kürzend verändert wurde. Nach dem Konzil von Trient wurde dann 1568 im Grunde diese seit dem Mittelalter übliche Form des Breviers kodifiziert, als dessen Paradigma analog zur Messe die stille Rezitation durch den Klerus fungiert.219 Damit gibt die Stundenliturgie ein differenziertes Bild ab: von der Privatrezitation über die Privatfrömmigkeit des gebildeten Laien bis zum feierlichen Chorgebet der Kleriker einer großen Pfarrkirche, bei der man sich an monastischen oder stiftischen Vorbildern orientierte. 220 Die Kölner Pfarrei St. Kolumba ist für ein solches Maßnehmen der Großpfarreien an der Stiftsliturgie ein gutes Beispiel. Sie ist mit 6000–8000 Seelen im Jahre 1425 die größte Pfarrei Kölns.221 Seit dem späten Mittelalter hatten ihre Pfarrer auch Kanonikate an Kölner Stiftskirchen oder Universitätspfründen inne.222 Dass hier die Haupthoren des Stundengebetes gefeiert wurden, liegt auf der Hand.223 Dies ist auch im städtischen Kontext von Bedeutung, und zwar im Hinblick auf die Ansiedlung vieler Orden in der Kolumbapfarrei. Eduard Hegel spricht hier von einer „Monachisierung des kirchlichen Lebens.“224 Ähnliches lässt sich für Ingolstadt konstatieren: Auch 216
B ÄUMER, Geschichte 319. Es ist hier anzumerken, dass gerade die lutherische Offiziumsreform in der Bese itigung ritueller Feierelemente weiter voranschritt, so jedenfalls greifbar für die Liturgie des Halberstädter Domes. Vgl. dazu ODENTHAL, Ordinatio 61 u.ö. 218 Vgl. den Hinweis auf die altrömische Ostervesper bei B ÄUMER , Geschichte 323. Zur Ostervesper in Nürnberg vgl. GÜMBEL, St. Lorenz 22: „und zu der vesper sten alle vicari im kor, und get der pfarrer und all vicari um di tauf, so müß mon die aufton.“ 219 Vgl. HAUNERLAND, Einheitlichkeit 446. 220 Neben dem im Folgenden erwähnten Beispiel aus Köln gibt es mannigfach andere, etwa St. Lorenz und St. Sebald in Nürnberg. Vgl. hier GÜMBEL, St. Lorenz 21 (Metten des Karfreitags). 221 Vgl. J ANSEN, Erzbistum Köln 378. 222 Vgl. dazu HEGEL, Rechtsstellung 125–128. Vgl. auch HEGEL, Pfarrsystem. 223 Vgl. HEGEL, Pfarrgottesdienst 147. 224 Vgl. HEGEL, St. Kolumba 64–81. 217
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hier war die Pfarrkirche in die Hochschule integriert, so dass sie auch als Universitätskirche genutzt wurde – mit allen Auswirkungen auf den Gottesdienst.225 Dabei kam es bei großen Pfarrkirchen oft auch zu baulichen Angleichungen des Presbyteriums der Pfarrkirchen an Stifts- und Klosterkirchen.226 Für die Kleriker der Pfarrkirchen und ihre Scholaren wurde eine entsprechende Chorsituation mit Chorgestühl geschaffen, die wie in den Kloster- und Stiftskirchen gegen den Laienraum abgegrenzt wurde. Monika Schmelzer hat vor einiger Zeit nochmals darauf hingewiesen, dass der Lettner keine bauliche Ausnahme in Pfarrkirchen darstellt, sondern unter anderem diesem Chordienst des Pfarrers mit seinen Kaplänen und den Scholaren geschuldet war. 227 Doch darf nicht übersehen werden, dass die Beziehungen zwischen Pfarrei und Stift oft Anlass für Konkurrenz und Auseinandersetzung waren. Für die Stadt Köln ist im späten 16. Jahrhundert das Gesuch um ein päpstliches Indult belegt, mittels dessen Kanonikate der Stiftskirchen zur besseren Finanzierung der städtischen Pfarrer umgewandelt werden konnten. 228 Wie selbstverständlich das Stundengebet als Gemeindeliturgie in Pfarrkirchen war, wird an der Tatsache deutlich, dass die Wittenberger Reformation weitestgehend die Stundenliturgie beibehielt, oft sogar in lateinischer Sprache.229 Eduard Hegel weist darauf hin, dass erst auf dem Emser Kongress der deutschen Erzbischöfe 1786 ein Reformdekret beschlossen worden ist, dass für die Gemeindevespern die deutsche Sprache vorsieht, das Chorgebet an Pfarrkirchen aber überhaupt unterbleiben sollte und stattdessen durch homiletische und katechetische Bemühungen abzulösen sei – ganz im Geist kirchlicher Aufklärung. 230 Hiermit war ein erster Schritt getan, eine der drei Hauptsäulen der Liturgie, das Stundengebet, aus dem Gemeindekontext zu entfernen – mit desaströsen Auswirkungen bis heute.231
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Vgl. GREVING, Pfarrbuch 12–17; 116–119 u.ö. Vgl. PHILIPP, Pfarrkirchen 30–43. 227 Vgl. SCHMELZER , Lettner 153–155. Vgl. auch Matthias UNTERMANN, Chorschranken, zur Situation etwa des Freiburger Münsters S. 80–81; UNTERMANN, Bauformen. 228 Vgl. hier die vielen Einträge dieser Auseinandersetzung beim mehrfach zitierten Chronisten Hermann von Weinsberg. Vgl. LAU, Das Buch Weinsberg Bd. 3, 80, 84, 86, 90, 111, 122. Von Weinsberg kommentiert: „Miror, quod minuant numerum personarum cleri“ (ebd. S. 80). 229 Neben ODENTHAL, Ordinatio, vgl. Teil B dieses Bandes. 230 Vgl. HEGEL, Pfarrgottesdienst 155. 231 Vgl. hier die immer noch gültige Studie von SCHNITKER , Feier. 226
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4.2 Prozessionen als Adaptation römischer und römisch-fränkischer Stationsliturgie Messe und Stundengebet sind nicht loszulösen von einer anderen Gattung des Gottesdienstes, den Prozessionen. Sie fanden bereits etwa anlässlich des Palmsonntages mit Palmenweihe und Prozession zur Kirche oder der Ostervesper mit Prozession zum Taufbrunnen Erwähnung. Sie sind Abkömmlinge der eingangs beschriebenen, im Frühmittelalter einsetzenden Romorientierung. Angelus Albert Häussling hat die für das Frühmittelalter und seine Liturgie typische Tendenz ausführlich beschrieben, die römische Liturgie in den nun entstehenden Klosterstädten oder Basilikaklöstern zu kopieren. Und das typisch Römische war nach damaliger Auffassung die Stationsliturgie, also eine Liturgie der Stadt, die sich im Laufe des Kirchenjahres an verschiedenen Orten zeitigte. Sie führte zu einer Häufung von Einzelfeiern, näherhin der Messe, die zur Ehre heiliger Orte, also der Altäre, gefeiert wurde. Das Entscheidende ist, dass man die einzelnen Feiern in ein das Gesamt durchdringendes Liturgiesystem zu integrieren vermochte. Dies galt auf der Ebene einer Stadt: Die vielen Kirchenbauten wurden durch die an bestimmten Tagen vom gesamten Stadtklerus in ihnen vollzogene Liturgie in eine ideelle Einheit gebracht. So wurden die vielen Kirchenbauten und die zugehörigen Gemeinschaften als Kirchenfamilie erfahrbar.232 Man legte dieses Prinzip aber auch für den einzelnen Kirchenraum zugrunde, der unter einem Dach nun verschiedene Heiligtümer, nämlich eine Vielzahl von Altären beherbergte. Das Entscheidende ist dabei das theologische Gesamtsystem eines Kirchenraumes, das die einzelnen Altäre wie die daran gehaltenen Feiern verbindet. 233 Erst im Hoch-, sicher im Spätmittelalter geht dieser integrierende Gesamtkontext eines liturgischen Systems verloren. Was bleibt, sind die vielen Altäre und sich immer mehr verselbständigende prozessionale Elemente. Häussling nimmt als geistige Geburtsstätte der Umformung römischer Stationsliturgie für die Gebiete nördlich der Alpen die Pfalzkapelle in Aachen mit ihrem Gottesdienst an.234 In vielen Bischofsstädten ist ein solches Stationssystem bisher nachgewiesen worden, so in Köln,235 in Paderborn,236 Trier,237 um nur einige zu nennen.
232
So für Köln W OLFF, Kirchenfamilie. Häussling wehrt zu Recht der neuzeitlich geprägten Vorstellung, als sei die Liturgie durch und durch subjektiv gewesen, nur auf den einzelnen Priester hin ausgerichtet. Dies ist die Kritik an NUSSBAUM , Kloster, bei HÄUSSLING, Mönchskonvent 246–251 u.ö. 234 Vgl. HÄUSSLING, Mönchskonvent 332–338. 235 Für Köln vgl. ODENTHAL, Stephanusfest, in diesem Band 103–124. 236 Vgl. hier ODENTHAL, Meinwerk, in diesem Band 50–73. 237 Vgl. KURZEJA, Liber Ordinarius 220–349. 233
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Auf der Makroebene einer Stadt hält sich das aus dem Frühmittelalter überkommene Stationssystem etwa bei den Prozessionen der Bitttage.238 Dass man in Anlehnung an diese Traditionen neue Bittgänge bei aktuellen Gefahren schuf, konnte für Straßburg gezeigt werden.239 Bedeutsam sind die Veränderungen hin zum Prozessionswesen des Späten Mittelalters in Form der großen Stadtprozessionen, bei denen auch die Pfarrkirchen eine Rolle spielten. In Köln etwa wurden auch die am Prozessionsweg liegenden Pfarrkirchen besucht und ihr Titelheiliger durch eine Antiphon geehrt.240 Die eucharistische Dimension tritt immer mehr hinzu und führt zur neuen Gattung explizit theophorischer Prozessionen.241 Wie das überkommene Stationswesen einer alten Bischofsstadt sich mittels pfarrlicher Bräuche erweitert und fortentwickelt, zeigt wiederum ein Eintrag des Kölner Ratsherren Hermann von Weinsberg über die Silvesterpozession, eine am Freitag der dritten Osterwoche gehaltene Amburbalie um die römische Stadt,242 aus dem Jahre 1566: A. 1566 den 5. mai war es geweiden jar kirmiss zu Klein-s. Mertin in satt des hilgen crutz dach, do man s. Silvestri heubt umb die alde stat uis dem doim zu s. Apostolen droich und ein clerisei und ein rat mitgingen, und hat mich der pastoir s. Mertin gebeden, das ich in hulf liden, das er das hillich sacrament Boven-Muren und uber den Heumart troge, und hab es getain. 243
Auf der Mikroebene des einzelnen pfarrlichen Kirchenbaus findet sich auch im Spätmittelalter die Verbindung von Stundengebet und Statio, einer Altarbesuchung etwa am jeweiligen Titularfest wie in den Stiftskirchen.244 So etwa überliefert die Windsheimer Küsterordnung ein Verzeichnis der Stationen an den einzelnen Altären zu den jeweiligen Patrozinien. 245 Im Kontext mit der Eucharistiefeier findet sich vor allem die Sonntagsprozession mit dem Weihwasserritus (Asperges) bzw. die Osterprozession vor der sonntäglichen Pfarrmesse.246 Im Späten Mittelalter bleiben somit auch im Pfarrkontext viele Relikte der einst reichen Stationsliturgie übrig, auch wenn sie nun theologisch an238
Zu Ingolstadt vgl. GREVING, Pfarrbuch 100–101; zu Mainz vgl. FALK, Aufzeichnungen 31–32. 239 Vgl. SIGNORI, Ritual. 240 Vgl. ODENTHAL, Liber Ordinarius 82–83. Zu Frankfurt vgl. GEDEON, Prozessionen. 241 Vgl. hier SNOEK, Piety 260–274, zu Köln S. 273; SNOEK, Reliekverering. Zur Typologie von Prozessionen vgl. grundsätzlich FELBECKER , Prozession. CASPERS, Sacrament. 242 Vgl. dazu ODENTHAL, Liber Ordinarius 78–80. 243 HÖHLBAUM , Das Buch Weinsberg 148. 244 In Ingolstadt vgl. GREVING, Pfarrbuch 98. 245 Vgl. etwa HABENICHT, Leben 18–20. 246 Für Trier vgl. HEINZ, Pfarrmesse 129–144.
5. Kasualien
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ders motiviert sind: Eucharistische Prozessionen und Bittgänge, dazu „Stationen“ wie die Palmprozession oder die altrömische Ostervesper.247 Diese reiche Prozessionsliturgie wird indes seit dem Späten Mittelalter nicht mehr in dem Gedanken gefeiert, Stationsliturgie zu sein, die als einende Liturgie der Kirchenfamilie zutage tritt. 248
5. Kasualien 5. Kasualien
Wurde die „Admonitio Generalis“ Karls des Großen bereits erwähnt, so sei noch auf die Aachener Synode von 836 hingewiesen, die in can. 29 die Seelsorge des Niederklerus mit den zugehörigen liturgischen Funktionen näher beschreibt und damit den Rahmen pfarrlicher liturgischer Funktionen des Mittelalters neben Messe, Stundengebet und den damit verbundenen Prozessionen absteckt: Presbiterorum vero, qui praesunt ecclesiae Christi et in confectione divini corporis et sanguinis consortes cum episcopis sunt, ministerium esse videtur, ut in doctrina praesint populis et in officio predicandi nec in aliquo desides inventi appareant. Item ut de omnibus hominibus, qui ad eorum ecclesiam pertinent, per omnia curam gerant, scientes se pro certo reddituros rationem pro ipsis in die iudicii, quia cooperatores oneris nostri esse procul dubio noscuntur. Quapropter ab ortu nativitatis cuiusque ad se pertinentis predictam curam habeat, ne aliquis eorum absque renatione sacri baptismatis moriatur. Post acceptum autem sacrum baptisma sine manus inpositione episcopi non remaneat ac deinde inbuatur orationem scire dominicam atque symbolum. Postea vero, qualiter vivere debeat, doceatur. Si forte vitiosus vel criminosus apparuerit, qualiter corrigatur, provideatur. Si autem infirmitate depressus fuerit, ne confessione atque oratione sacerdotali necnon unctione sacrificati olei per eius neglegentiam careat. Denique si finem urgentem perspexerit, commendet animam Christianam domino Deo suo more sacerdotali cum acceptione sacrae communionis, corpus sepulturae, non ut mos est gentilium, sed sicut Christianorum. 249 247 Für die Landpfarre Lindlar etwa können um 1705 insgesamt 15 Prozessionen im Laufe des Kirchenjahres ausgemacht werden. Vgl. LORRY, Gottesdienstordnung 258. 248 Für Nürnberg etwa vgl. SCHLEMMER , Gottesdienst 260–280. 249 MGH.Conc 2, 71139–712 12. Übersetzung: „Dienst der Priester, die der Kirche Christi vorstehen und in der Bereitung (confectio) des göttlichen Leibes und Blutes Gefährten mit den Bischöfen sind, ist, daß sie in der Lehre und im Predigtamte den Laien (populis) vorstehen, und in keinem nachlässig erfunden werden; ferner daß sie für alle Menschen, die zu ihren Kirchen gehören, in allem Sorge tragen, das sicher wissend, daß sie am Tage des Gerichts für sie Rechenschaft ablegen sollen, weil sie unzweifelhaft als die Mitarbeiter unserer Last erkannt werden. Deshalb sollen sie von der Geburtsstunde eines jeden an, der zu ihnen gehört, Sorge haben, daß nicht einer von ihnen ohne die Wiedergeburt der hl. Taufe stirbt. Nach dem Empfang der hl. Taufe soll er nicht ohne die Handauflegung des Bischofs bleiben und er soll unterwiesen werden, das Gebet des Herrn und das Glaubensbekenntnis zu wissen. Später aber soll er belehrt werden, wie er
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VIII. Pfarrlicher Gottesdienst
Beachtenswert ist die Erwähnung des Gebetes des Herrn (Pater noster) sowie des Glaubensbekenntnisses (Credo) als Gegenstand der Glaubensunterweisung, denn hier melden sich die alten Katechumenatsriten der Quadragesima, die die Übergabe beider Texte an den erwachsenen Taufbewerber ritualisierten, um das Auswendiglernen zu ermöglichen. 250 Als Mittel der Seelsorge stehen sie in einem anderen Kontext. Der Aufgabe des Pfarrklerus entsprach auf Seiten der Gläubigen die Pflicht, mindestens einmal im Jahr vor der bereits problematisierten Osterkommunion beim Ortspfarrer zu beichten (Pfarrzwang). Dies wird etwa vom IV. Laterankonzil 1215 festgelegt: Omnis utriusque sexus fidelis, postquam ad annos discretionis pervenerit, omnia sua solus peccata saltem semel in anno fideliter confiteatur proprio sacerdoti, et iniunctam sibi paenitentiam pro viribus studeat adimplere, suscipiens reverenter ad minus in Pascha Eucharistiae sacramentum, nisi forte de consilio proprii sacerdotis ob aliquam rationabilem causam ad tempus ab eius perceptione duxerit adstinendum: alioquin et vivens ab ingressu ecclesiae arceatur et moriens christiana careat sepultura. Unde hoc salutare statutum frequenter in ecclesiis publicetur, ne quisquam ignorantiae caecitate velamen excusationis assumat. Si quis autem alieno sacerdoti voluerit iusta de causa sua confiteri peccata, licentiam prius postulet et obtineat a proprio sacerdote, cum aliter ille ipsum non possit absolvere vel ligare. 251
leben soll. Sollte er etwa lasterhaft oder verbrecherisch sein, ist dafür zu sorgen, wie er gebessert wird. Wenn er aber durch Krankheit niedergedrückt wird, soll er nicht des Bekenntnisses noch der Salbung mit dem geweihten Öl durch seine Nachlässigkeit entbe hren. Endlich, wenn er das drohende Ende erblickt, möge er die christliche Seele dem Herrn Gott nach seiner priesterlichen Weise mit dem Empfang der hl. Kommunion empfehlen, den Leib aber dem Grabe, aber nicht, wie es Sitte der Heiden, sondern der Chri sten ist,“ in: OEDIGER , Köln 251–252. – In diesem Kontext ist ein Libellus des frühen 9. Jahrhunderts bemerkenswert, der eine „Examinatio presbyteri de missa et baptismate“ enthält. Er bildet ein wunderbares Zeugnis aus der Praxis um die Bemühungen zur H ebung des liturgisch-theologischen Wissens der Priester, vgl. hierzu HAUBRICHS, Cod. Weiss. 91. Diesen Hinweis verdanke ich Steffen Patzold, Tübingen. 250 Vgl. etwa den OR XI, eine Quelle im Kontext der gelasianischen Sakramentartradition, in: ANDRIEU, Les Ordines 2, 417–447. Vgl. zu diesem Ordo VOGEL, Medieval Liturgy 164–166. Zu den Katechumenatsriten insgesamt vgl. MAX, Weitergabe. 251 „Jeder Gläubige beiderlei Geschlechts soll, nachdem er in die Jahre der Unterscheidung gelangt ist, wenigstens einmal im Jahr all seine Sünden allein dem eigenen Priester getreu beichten, die ihm auferlegte Buße nach Kräften zu erfüllen suchen und zumindest an Ostern ehrfürchtig das Sakrament der Eucharistie empfangen, sofern er nicht etwa auf Anraten des eigenen Priesters aus irgendeinem vernünftigen Grunde meint, auf eine bestimmte Zeit von seinem Empfang absehen zu sollen: andernfalls soll er sowohl lebend am Betreten der Kirche gehindert werden als auch sterbend des christl ichen Begräbnisses entbehren. Daher soll diese heilsame Bestimmung oftmals in den Kirchen veröffentlicht werden, damit keiner aufgrund der Blindheit der Unwissenheit für sich den Deckmantel einer Entschuldigung beanspruche. Wer aber seine Sünden aus triftigem Grund einem fremden Priester beichten will, der soll zuerst vom eigenen Pries-
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Im Hinblick auf die Ausdifferenzierung der liturgischen Buchtypen seit dem Frühen Mittelalter ist Folgendes bemerkenswert. Das Sakramentar als Buch für die Hand des Priesters zieht zunehmend Ordines an sich, die der sakramentlichen Liturgie gelten. Für die Buße sei hier etwa an das Fuldaer Sakramentar des 10. Jahrhunderts erinnert, das nicht nur althochdeutsche Sprachdenkmäler in Form der „Beichte“ enthält,252 sondern auch die Ordnung der Rekonziliation am Gründonnerstag hat. Der springende Punkt dabei ist, dass neben die im Kontext bischöflicher Liturgie situierten Ordnungen der Buße oder Taufe in der Heiligen Woche nun eigene, aus dieser reichhaltigen pontifikalen Liturgie herausgelöste Formulare treten, die pfarrlichen Gegebenheiten und Notwendigkeiten geschuldet zu sein scheinen.253 Es findet sich im Fuldaer Sakramentar zudem an Ostern ein eigenes Messformular für Pfarreien,254 Formulare für die Krankensalbung,255 den Ehesegen256 oder die Kindertaufe,257 letztere also parallel zur in den Pontifikalien beibehaltenen hochoffiziellen, indes wohl seltener bis gar nicht mehr geübten Form der Initiation in der Osternachtfeier.258 Es scheint hier die Tendenz spürbar zu sein, sakramentliche Handlungen im Kontext der Pfarreien besser handhabbar zu machen. Das bedeutet zugleich, Teile der sakramentlichen Liturgie aus der Bindung an den Bischof zu lösen. Die Sakramentare mit der Schilderung des an pontifikaler Liturgie orientierten Gottesdienstes hielten ja die Erinnerung daran fest, dass der Bischof erster Liturge seiner Ortskirche ist. Was in einem städtischen Kontext ohne Schwierigkeiten rituell inszeniert werden konnte, musste in Bezug auf die im pfarrlichen Leben zu feiernden Sakramente nun in andere Bahnen geter die Erlaubnis erbitten und erhalten, da andernfalls jener ihn nicht lossprechen oder binden kann,“ in: DENZINGER , Enchiridion 364 (Nr. 812). 252 Vgl. SACRAMENTARIUM FULDENSE 1977, 281–284 (Nr. 437: „Incipit ordo ad dandum penitentiam more solito feria IIII. infra quinquagesimam“). Vgl. zu diesem Sakramentar jetzt W INTERER, Sakramentar. Siehe auch weiter unten. 253 Vgl. SACRAMENTARIUM FULDENSE 1977, 42–46 (Nr. 55: „Ordo priuatae seu annualis poenitentiae ita prosequendus est;“ Nr. 56: „Incipit ordo agentis publicam paenitentiam“). 254 Vgl. SACRAMENTARIUM FULDENSE 1977, 98–99 (Nr. 118: „Orationes et preces in parochia“). 255 Vgl. SACRAMENTARIUM FULDENSE 1977, 284–300 (Nr. 438: „Ordo ad uisitandum et unguendum infirmum“). 256 Vgl. SACRAMENTARIUM FULDENSE 1977, 323–327 (Nr. 467: „Incipit actio nuptialis“). 257 Vgl. SACRAMENTARIUM FULDENSE 1977, 343–353 (Nr. 475: „Incipit ordo baptisterii“). 258 Vgl. hier etwa das Pontificale Romano-Germanicum 99, 337–397, in: VOGEL, ELZE , PRG, vol. 2, 93–112. Neben dieser Osternacht mit integriertem Taufordo enthält das Pontifikale schon einen eigenständigen „Ordo ad baptizandum infirmum,“ vgl. PRG 109, in: VOGEL, ELZE, PRG, vol. 2, 165–166.
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lenkt werden. Bei der Messe und ihrem liturgischen Buch, dem Sakramentar, konnte die wohl von pfarrlichen Gegebenheiten beeinflusste Tendenz beobachtet werden, das Sakramentar zu einem Vollmissale zu ergänzen, das alle nötigen Texte birgt. Eine ähnliche Tendenz ist auch im Hinblick auf die anderen sakramentlichen Liturgien festzustellen. Sie gliedern sich langsam aus den Sakamentaren bzw. Vollmissalien aus und bilden in einem nächsten Schritt eine eigene neue liturgische Buchgattung, die Ritualien. Hier kommt es seit dem späten Mittelalter zu einer hochdifferenzierten Ausbildung diözesaner Traditionen bei mehr oder minder gleichem Kernbestand.259 Im 13. und 14. Jahrhundert lässt sich zunehmend die Tendenz solch eigener diözesaner Ritualien ausmachen, auf die der Bischof seine Kleriker verpflichtet.260 An den Beispielen von Taufe und Buße soll dies näher aufgezeigt werden. 5.1 Taufe Die Geschichte der christlichen Initiation ist mannigfachem Wandel unterworfen.261 Sie ist zuerst als rituelle Prägung einer Lebenswende des Erwachsenen zu verstehen, wie dies in der Spätantike noch als gängige Praxis vorauszusetzen ist. Wollte man zu Zeiten des Ambrosius von Mailand (339–397) Christ werden, bedurfte es eines intensiven Kontaktes mit der Kirche in Form des gestuften Katechumenates.262 Nach der offiziellen Anmeldung des Initianden begann die sogenannte Kompetentenzeit.263 Sie schloss mit der Übergabe des Glaubensbekenntnisses, das der Initiand auswendig lernen und dann zurückgeben musste, sowie der Übergabe des Vater Unser ab.264 Ein individueller Bekehrungsprozess wurde initiiert, der seine liturgische Ausprägung und Begleitung fand und in der Taufliturgie der Osternacht mündete. Der große Bischof Ambrosius von Mailand berichtet in seiner Schrift „De mysteriis,“ er habe den Initianden vor der Osternacht noch lange nicht alle entsprechenden Riten erklärt. Dies geschehe 259 Vgl. neben den in den vorausgehenden wie folgenden Fußnoten genannten Arbeiten DANNECKER , Taufe; KOBIENIA, Elemente. 260 Vgl. KRANEMANN, Sakramentliche Liturgie 2. Ein Forschungsüberblick über die Studien zu diözesanen Ritualien KRANEMANN, Sakramentliche Liturgie 7–8. 261 Vgl. hierzu KLEINHEYER , Feiern. 262 Vgl. SCHMITZ, Gottesdienst, hier etwa zur ausgedehnten Vorbereitungszeit S. 35– 69. 263 Vgl. hierzu umfassend SCHMITZ, Gottesdienst, bes. S. 35–69. Vgl. auch KLEINHEYER, Sakramentliche Feiern 64–70. – Vgl. auch den Überblick – vor allem bezüglich der Katechesen des hl. Johannes Chrysostomus – bei KACZYNSKI, Mystagogie. 264 Vgl. dazu SCHMITZ, Gottesdienst 69–76. Vgl. dazu den bereits erwähnten OR XI, bei ANDRIEU, Les Ordines 2, 415–447. Der OR XI fügt noch die Übergabe der vier Evangelien bzw. die rituelle Verlesung der Evangelieninitien hinzu (ANDRIEU, Les Ordines 2, 428–433).
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vielmehr in den Katechesen nach vollzogener Taufe in der Osterwoche. Er sagt nämlich, das Licht der Mysterien gieße sich in Nichtwissende besser ein, als wenn ihnen diese Mysterien vor der Initiation erklärt worden wären.265 In seiner Schrift „De sacramentis“ erklärt Ambrosius die Taufe folgendermaßen: Nunc disputemus, quid sit, quod dicitur baptisma! Venisti ad fontem, descendisti in eum, adtendisti summum sacerdotem; levitas, presbyterum in fonte vidisti. Quid est baptismum? 266
Ambrosius knüpft also an das Erleben in der Osternachtliturgie an, indem er das vollzogene Ritual einholt und dann in der Katechese über die Heilsgeschichte, das Sterben und Auferstehen des Menschen ausdeutet: „Ideo fons quasi sepultura est.“ 267 Diese von Ambrosius vorgenommene allegorische Deutung des Taufbrunnens verdankt sich der Deutekategorien von Röm 6,268 die auf den eigentlichen Taufakt angewendet worden sind und die Ambrosius nun sekundär auf den Taufort bezieht: Die Taufe als rituelles Mit-Sterben und Mit-Auferstehen mit Christus. Der ausführliche Rekurs auf die spätantike Form soll zeigen, in welchem Maße das Taufritual an die Feier der Osternacht gebunden war und im Kontext der großen bischöflichen Osterliturgie gesehen werden muss. Und solche pontifikale Liturgie bildet weiterhin die Grundordnung der Ordines Romani oder der klassischen Pontifikalien, ohne dass sie in jedem Falle so noch geübt wurde. Faktisch geschah zunehmend eine Isolierung der Taufliturgie aus dem Kontext bischöflicher Großliturgie, was eines der liturgischen Hauptprobleme im Zuge der Veränderungen des Mittelalters darstellt. 269 Diese Veränderungen beginnen im Grunde mit der Gestalt des Bonifatius.270 Als dieser im Jahre 719 von Papst Gregor II. mit der Heidenmission beauftragt wird, verpflichtet ihn der Papst zugleich auf die römische indikative Taufformel: 265
„deinde quod inopinantibus melius se ipsa lux mysteriorum infuderit, quam si ea sermo aliqui praecucurisset,“ in: AMBROSIUS von Mailand, De mysteriis 1,2, in: CSEL 73, 87–116, hier 89. Vgl. zum Ganzen auch J ILEK, Symbol. 266 „Nun wollen wir erläutern, was das ist, das man Taufe nennt. Du bist zum Taufbrunnen gekommen, du bist in ihn hinabgestiegen, du hast den Bischof bemerkt, du hast die Leviten und den Presbyter im Taufbrunnen gesehen. Was ist die Taufe?,“ in: AMBROSIUS, De sacramentis 2.16, S. 108–109. 267 „Also ist der Taufbrunnen gewissermaßen ein Grab,“ in: AMBROSIUS, De sacramentis 2, 19, 110–111. 268 Vgl. zur Stelle W ILCKENS, Der Brief an die Römer 2, S. 6–33, vgl. auch den traditions- und religionsgeschichtlichen Exkurs W ILCKENS, Der Brief an die Römer 2, S. 42– 62. 269 Zur Taufe im Frühmittelalter, die sich – zumindest in den offiziellen Liturgica – noch an der antiken Praxis orientiert, vgl. KLEINHEYER, Feiern 96–121. 270 Vgl. hier umfassend ANGENENDT, Bonifatius.
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Disciplinam denique sacramenti, quam ad initiandos Deo praevio credituros tenere studeas, ex formula officiorum sanctae nostrae apostolicae sedis instructionis tuae gratia praelibata volumus ut intendas.271
Die heute gültige Formel „Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ kam erst an der Wende vom 7. zum 8. Jahrhundert in Gebrauch. Bis dahin war die Taufe ein Akt der dreimaligen Befragung nach dem Glauben („Credis…“), der Antwort „Credo“ und dem damit verbundenen Untertauchen des Täuflings. Diesen Akt von Befragung und Untertauchen nannte man „Symbolon,“ ein Name, der später vom liturgischen Glaubensakt auf das Glaubensbekenntnis überging.272 Nun, an der Wende von 7. zum 8. Jahrhundert, kam die indikativische Aussage als Spendeformel der Taufe hinzu und relativiert zugleich den Akt des Bekenntnisses. Hieronymus Frank hat durch Zitate aus der Liturgie in seinen Briefen nachzuweisen versucht, dass Bonifatius in Bezug auf das Sakramentar das Altgelasianum nutzte.273 Dies ist ein in weiten Teilen im 7. Jahrhundert in Rom entstandenes Buch, das sich legendär auf Papst Gelasius I. (492–496) zurückführt, für die Presbyter der römischen Titelkirchen verfasst worden sein dürfte und im 7. Jahrhundert ins Frankenreich gelangte.274 Das Altgelasianum nun birgt die alte Taufformel mittels der Befragung nach den zentralen Glaubensartikeln. Wenn Bonifatius dieses Sakramentar genutzt hat, muss zumindest dessen Taufformel durch die neue indikative ersetzt bzw. erweitert worden sein. 275 Die neue Taufformel ist im Supplement des Benedikt von Aniane zum „Sacramentarium Gregorianum“ überliefert,276 ferner in einer Stellungnahme des Papstes. Man hatte Bonifatius in Rom bezichtigt, er habe aus Anlass einer falschen Taufformel den Auftrag zur zweiten Taufe gegeben. Papst Zacharias nahm dazu Stellung in seinem Brief an Bonifatius vom 1.7.746: 271 Brief Gregors II. vom 15.5.719, Brief 12: „Was die Lehre vom Sakrament (der Taufe) anbetrifft, an die Du Dich zu halten bemüht sein sollst bei der Aufnahme derer, die unter Gottes Führung gläubig werden sollen, so wünschen wir, daß Du auf die Amtsvorschriften unseres heiligen apostolischen Stuhles, die Dir zu Deiner Unterrichtung bereits ausgehändigt worden sind, achtest,“ in: B ONIFATII EPISTULAE 44–47. 272 Vgl. SCHMITZ, Gottesdienst 131–138. – Zu Ethymologie und Gebrauch des „Symbols“ vgl. die instruktive Studie von MERKT, Symbolum. 273 Vgl. FRANK, Briefe 83. Anders HOHLER , The type, der das Gregorianum vorschlägt. 274 Zu den Sakramentartypen vgl. MEYER , Eucharistie 189–192. – Zur Rolle Gregors des Großen für die Liturgie, ihre Bücher und Gesänge vgl. die ernüchternde Studie vo n HEINZ, Papst Gregor. 275 So ANGENENDT, Bonifatius 39–40. – Vgl. auch LIBER SACRAMENTORUM . Die alte Taufliturgie, noch ohne indikative Formel, LIBER SACRAMENTORUM 74. 276 Vgl. Supplement des Benedikt von Aniane zum Sacramentarium Gregorianum (GrH) 1085, in: DESHUSSES , Le sacramentaire, 1, S. 378.
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Retulerunt quippe, quod fuerit in eadem provincia sacerdos, qui Latinam linguam penitus ignorabat et, dum baptizaret, nesciens Latini eloquii infringens linguam diceret: Baptizo te in nomine patria et filia et spiritus sancti. Ac per hoc tua reverenda fraternitas consideravit baptizare. Sed, sanctissime frater, si ille, qui baptizavit, non errorem introducens aut heresim, sed pro sola ignorantia Romae locutionis infringendo linguam, ut supra fati sumus, baptizans dixisset, non possumus consentire, ut denuo baptizentur; quia, quod tua bene compertum habet sancta fraternitas, quicumque baptizatus fuerit ab hereticis in nomine patris et filii et spiritus sancti, nullo modo rebaptizari debeatur, sed per sola manus impositione purgari debeatur. 277
Die Isolierung der Taufe aus dem liturgischen Kontext bischöflicher Liturgie schafft nun das Problem der zweiten postbaptismalen Salbung, der Firmung. 742 legte das Concilium Germanicum unter der Hoheit Karlmanns die Regelungen zur Firmung (confirmatio) fest, wie bereits erwähnt worden ist.278 Dabei wird der Bischof als Spender der Firmung festgeschrieben, die er auf seinen Visitationsreisen vornimmt. Ist aber für diese postbaptismale Salbung ein Bischof vonnöten, muss sie immer mehr aus dem Kontext der Initiation herausgetrennt werden. Die alte Einheit und Reihenfolge Taufe, Firmung und Taufeucharistie ist damit zerfallen – das ist das Ergebnis frühmittelalterlicher Veränderungen. Die liturgischen Bücher indes schildern lange noch den Idealfall. 279 Auch die Synode zu Tribur im Jahre 895 sieht die Taufe noch an Ostern oder Pfingsten vor.280 Indes ist die Praxis im pfarrlichen Kontext zunehmend anders, weil die Taufe in Form der Kindertaufe zeitnah an die Geburt herangeschoben wird. 281 Das „Pontificale Romano-Germanicum“ führt neben der Taufe in der Os277
Brief des Papstes Zacharias vom 1.7.746, Nr. 68: „Sie haben nämlich berichtet, es habe in dieser Provinz einen Priester gegeben, der des Lateinischen völlig unkundig war und wenn er taufte, in Unkenntnis des lateinischen Wortlauts die Sprache misshandelnd sprach: Ich taufe dich im Namen Vaterland und Tochter und des heiligen Geistes. Und deswegen erwog Deine verehrungswürdige Brüderlichkeit die Wiederholung der Taufe . Aber, heiligster Bruder, wenn der Taufende, ohne eine Irrlehre oder Ketzerei einzuschi eben, sondern bloß wegen seiner Unkenntnis des römischen Ausdrucks die Sprache misshandelnd bei der Taufe, so wie wir gesagt haben, gesprochen hat, dann können wir Dir nicht zustimmen daß deshalb die Taufe wiederholt werde. Denn, was Deiner heiligen Brüderlichkeit wohlbekannt ist, wer getauft worden ist von Ketzern auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes, darf auf keinen Fall nochmals getauft, sondern allein durch Handauflegung gereinigt werden,“ in: B ONIFATII EPISTULAE 210. 278 Vgl. Concilium Germanicum c. 3 (MGH Conc II 319–23). 279 Es ist fraglich, wenn OEDIGER, Köln 254, dieses Pontifikale als Vorlage seiner Beschreibung tatsächlicher Zustände nutzt, ohne seinen Charakter als Musterbuch zu b erücksichtigen. 280 „Ut praeter pascha et pentecosten baptisma non celebretur excepta necessitate periclitantum,“ in: MG Cap. 2, S. 196–249, hier S. 219–220 (c. 12). – Vgl. zur Taufe in der Pfingstvigil das Pontificale Romano-Germanicum 99, 447, in: VOGEL, E LZE, PRG, 2, S. 134: „His expletis, baptizandum est sicut in vigilia paschae.“ 281 Vgl. KLEINHEYER , Feiern 123.
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ternachtliturgie noch einen selbständigen Taufordo auf, der ein Signal dafür ist, dass „der altkirchliche Tauftermin und sein Ersatztermin, also Ostern und Pfingsten, immer weniger eine Rolle spielen.“ 282 Von der reichen Taufliturgie der Osternacht blieb dann bei solch isolierter Taufpraxis mancherorts lediglich die Segnung des Taufwassers übrig.283 Doch gibt es gegenläufige Tendenzen, eine Erinnerung an die alte Ordnung der Taufe im Kontext der Osternacht zu erhalten. Der Pfarrer von Klein St. Martin in Köln etwa hat um 1300 wenigstens am Karsamstag und in der Pfingstvigil einen Täufling in die Damenstiftskirche St. Maria im Kapitol zu schicken, damit wenigstens die dortige Stiftsliturgie in der Vollgestalt der Osterliturgie gefeiert werden kann.284 Bei alledem dürfte die Wertung von Benedikt Kranemann zu verallgemeinern sein, der im Späten Mittelalter angesichts der Kindertaufpraxis für das Bistum Münster einen Tiefstand der Taufpastoral diagnostiziert.285 Die Taufliturgie entbehrt zunehmend ihres ekklesial-gemeindlichen Kontextes, ist aus der Gemeindeliturgie herausgelöst und individualisiert worden. Die pfarrliche Taufliturgie wird im späten Mittelalter wie die Liturgie grundsätzlich immer mehr durch diözesane Agenden geregelt, was zu regionalen Besonderheiten führt, wie dies für Köln, 286 Konstanz287 und andere Orte288 belegt ist. Ein Spiegel dieser Entwicklung der Taufliturgie ist der Umgang mit dem Taufort: Die Baptisterien der frühen Bischofsstädte im Kontext der Kathedrale werden zunehmend durch die einzelnen Taufkapellen bei den Stiftskirchen oder den Taufstein der Pfarrkirchen mit Taufrecht abgelöst. Wie man im späten Mittelalter die Taufe empfunden hat, wird am Tagebucheintrag des Kölner Ratsherrn Hermann von Weinsberg über seine eigene Taufe deutlich: A. 1518 den 6. tag januarii, war godestag und der hilliger drei konink tag, do bin ich widdergeboren durchs sacrament der hilliger tauf, war mine geistliche geburt und ist also zugangen. Man hat mich uis der vurs. miner moder wonung den Nachmittag umb 2 uren offentlich mit der frauwen -procession zu s. Jacobs kirspelskirchen mit dem vurgetragenem silber und wasskerzen (wie in Coln bei den ehekindern gebruchlich) gebracht, dan Lenhart Maes von Bracht hat mir gesagt, wie er mir personlich das silber vurgetragen hab, und her Peter Fuisgin, pastoir s. Jacob, hat mich gesegnet und geteuft und uis einem heiden zum christen gemacht. Johann Keppel, mines fatters ohem, und Herman Windeck, sin swager, waren mine beide patten und Margreit Baichman, sin swegerfrau, ware min gode; haben mich uff der taufen gehaben, mir einen christlichen 282 So die Wertung bei KLEINHEYER, Feiern 125–126. Er weist ferner darauf hin, dass Teile der vorbereitenden Katechumenatsriten nun an das Kirchenportal verlegt worden sind, also zeitlich nicht mehr vom eigentlichen Taufakt getrennt sind. 283 Vgl. etwa zu Ingolstadt vgl. GREVING, Pfarrbuch 122. 284 Vgl. OEDIGER , Köln 214. 285 Vgl. KRANEMANN, Sakramentliche Liturgie 131. 286 Vgl. VOLLMER , Agenda 191–257. 287 Vgl. DANNECKER, Taufe 96–320. 288 Vgl. für Breslau etwa W ALTER, Taufritus 263–264.
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namen gegteben und Herman genant, nach Herman Windeck, und geschach auch uis beger miner freuwen, miner goden, minem hergin Herman Korth zu ehren. Min patten und goden haben mir ein silberne schail und ander erliche schenkung uff der tauf getan, bin darnach uis der kirchen in das haus Weinsberch mit derselbicher pompen getragen worden.289
Ritualisiert ist hier zuerst die eheliche Geburt als Ausdruck des Standes innerhalb der gesellschaftlichen Ordnung. Die Liturgie ist im Grunde Privatsache der Familie am „Dreikönigstag“ geworden. Das theologisch mit dem 6. Januar als „Epiphanietag“ (!) verbundene Motiv der Taufe Christi scheint verloren gegangen. Dennoch bildet das Christentum den allgemeinen Rahmen der Lebensdeutung: die Wiedergeburt durch die Taufe, die aus einem Heiden einen Christen gemacht hat mittels des aus sich selbst heraus wirksamen Ritus, 290 der subjektiv als Säugling noch nicht einzuholen ist, aber dessen prägende Kraft durch das gesellschaftliche System gewährleistet wird. Das Herauslösen aus der Osternacht bringt nicht mehr ein Erlebnis des gesamten rituellen Kontextes. Der lange Entwicklungsweg von der Taufe als Teil bischöflicher Liturgie der Ortskirche unter Ambrosius bis hin zur privat geprägten Feier im Familien- und Freundeskreis dürfte deutlich geworden sein. Nur kurz sei noch auf die Reinigungsriten für die Frau nach der Geburt hingewiesen. 291 Hier meldet sich das religionsgeschichtlich sehr alte Motiv kultischer Unreinheit, die mittels der vorgesehenen Bußriten behoben wird. 292 5.2 Buße und Beichte Ähnlich komplex wie die Entwicklung der Taufliturgie ist die Geschichte der kirchlichen Buße. Man kann drei Entwicklungsstränge der Buße im Mittelalter unterscheiden: die aus der Spätantike übernommene öffentliche kanonische Kirchenbuße unter Leitung des Bischofs, die dem iroschottischen Kontext entstammende private Tarifbuße im Hinblick auf den Einzelnen sowie das Institut der geistlichen Führung im Mönchtum.293 Vor diesem Hintergrund ist ein Befund beachtlich, nämlich die bereits erwähnte „Althochdeutsche Beicht“ in der Fuldaer Sakramentartradition des 10. und 11. Jahrhunderts. Eine solche „Beichte“ findet sich in dem heute in Göttingen aufbewahrten Exemplar des 10. Jahrhunderts, 294 sodann im Co289
HÖHLBAUM , Das Buch Weinsberg 24–25. Vgl. dazu neben ANGENENDT, Liturgik und Historik, auch ANGENENDT, Geschichte 1, S. 378–382. 291 Vgl. dazu VAN SLYKE, Churching. 292 Vgl. hier etwa Vgl. LUTTERBACH, Sexualität 233–239. 293 Vgl. insgesamt zur komplexen Geschichte der Buße MESSNER , Feiern der Umkehr. 294 Vgl. SACRAMENTARIUM FULDENSE 281–284 (Nr. 437: „Incipit ordo ad dandum penitentiam more solito feria III. infra quinquagesimam“). Jungmann vergleicht diesen 290
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dex Vat. lat. 3548, einem weiteren Sakramentar des Fuldaer Scriptoriums (11. Jahrhundert).295 Eine dritte Fassung scheint indes verloren. 296 Diese frühen Zeugnisse althochdeutscher Sprache sind als volkssprachliche Beichtformeln für den Fuldaer Sakramentartypus charakteristisch.297 Nicht zuletzt deshalb hat Hartmut Hoffmann einen deutschen Auftraggeber hinter diesen Sakramentaren vermutet.298 Interessant ist nun die von Eric Palazzo vertretene These, das Göttinger Sakramentar sei als Gegenstück zum Mainzer „Pontificale Romano-Germanicum“ konzipiert worden und habe eine ähnliche Funktion wie dieses gehabt: Über eine einheitliche Liturgie im Rahmen des ottonischen Reichskirchensystems sollte es zur Einheit des Reiches beitragen, was nicht zuletzt aufgrund der engen Verbindungen der Abtei Fulda zum Mainzer Bischofsstuhl etwa unter Hatto II. (Abt von Fulda 956–968, danach bis 970 Erzbischof in Mainz) naheliegt.299 Dann hätten die Allgemeinbekenntnisse im Sinne einer „standardisierten Reichsbeichte“ gedient.300 Diese ist wohl als Versuch der karolingischen Reform zu werten, gegen das für geheime Sünden inzwischen aufgekommene privatisierte Tarifbußsystem für öffentliche Sünden auch das öffentliche Bußinstitut wiederzubeleben.301 Es bestand in einem um die Zeit der Quadragesima ritualisierten öffentlichen Ausschließen und Wiederaufnehmen des reuigen Sünders im Kontext der Kathedralliturgie des Bischofs. Die mittelalterlichen liturgischen Quellen bieten alle hierfür nötigen Formulare, auch wenn diese öffentliche Buße kaum mehr praktiziert worden ist. 302 Die Fuldaer Beichtformulare bieten in diesem Kontext eine Art Kompromiss: Ordo mit dem zweiten im Göttinger Sakramentar enthaltenen Bußordo (ebd. S. 42–46, Nr. 55), der nun keinen muttersprachlichen Text aufweist. Vgl. JUNGMANN, Bußriten 177–185. 295 Vgl. P ALAZZO, Les sacramentaires 199–203. P FEIFFER, Beichten, hat zwei Bußordines herausgegeben, den des Göttinger Sakramentars (bei Jungmann: Fulda I), und den anderen aus Vat. lat. 3548. 296 Sie findet sich, textlich deutlich abweichend von der Fassung des Göttinger Sakramentars, in: FULDENSIUM ANTIQUITATUM , 4, S. 158–159. Vgl. hierzu auch HONEMANN, Verständnis 115, Anm. 14. 297 Vgl. neben der bereits zitierten Literatur HAUTKAPPE , Beichten, zu Fulda S. 55–56; dort (etwa in der Konklusion S. 133) ein Hinweis auf ihre Nutzung als Allgemeinbekenntnis auch ohne sakramentale Beichte; J UNGMANN, Bußriten 177–186 zu Fulda und den beiden Bußformularen; OPFERMANN, Bußordines. 298 Vgl. HOFFMANN, Buchkunst 172 (zu Codex Vat. lat. 3548). 299 Vgl. P ALAZZO, Les sacramentaires 179–182. Vgl. auch HONEMANN, Verständnis 124. 300 So etwa das auf Georg Baeseke zurückgehende Diktum, diskutiert bei HONEMANN, Verständnis 111. Vgl. dazu auch differenzierend B RANDIS, Beichtformeln 168 über die Lorscher Beichte. 301 Vgl. MESSNER, Feiern der Umkehr 121. 302 Vgl. hier etwa das Pontificale Romano-Germanicum 224–251, in: VOGEL, E LZE, PRG, 2, S. 59–67.
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Das Tarifbußsystem wird ritualisiert, zugleich damit einem privaten Beichtsystem eine rituelle Öffentlichkeit beschert. Auf lange Sicht setzt sich denn auch diese Form der Buße als Einzelbeichte durch und prägt auch die pfarrliche Liturgie des Späten Mittelalters.303 Im Kontext des wenige Male jährlich erfolgenden Kommunionempfanges wurde die Beichte verpflichtend und ebenso wie der Eucharistieempfang an das Pfarrprinzip gebunden.304 Mit der Veränderung des öffentlichen an den Bischof gebundenen Bußinstituts hin zur beim Priester der jeweiligen Pfarrei abgelegten Einzelbeichte kann eine bereits mehrfach festgestellte Tendenz beobachtet werden, nämlich die Umwandlung ursprünglich an den Bischof und seine Kathedrale gebundenen Liturgie hin zu einem auf die Bedürfnisse der Pfarrseelsorge abgestimmten Gottesdienst mit den zuständigen Priestern, die die Beichtbefugnis besitzen. 305 Einige Details seien noch hinzugefügt: Die liturgischen Aufzeichnungen des Pfarrers Diel in Mainz etwa geben Aufschluss über die Situierung der Beichte im Kirchenjahr, nämlich der Zeit der Vierzig Tage. 306 In Trier gab es im Falle einer Exkommunikation sogar noch lange Restformen jener öffentlichen Kirchenbuße, und zwar im Kontext der Pfarrmesse, wenn die Büßenden etwa symbolisch Steine tragen oder sich offizielle Vermahnungen anhören mussten. 307 Die Auswirkungen der Bußpraxis auf das Kirchenmobiliar zeitigten sich in der spätmittelalterlich-nachtridentinischen Ausbildung des Beichtstuhls, der der Privatheit des Beichtvorganges ebenso Rechnung trägt wie der Tatsache, dass die Beichte öffentliche Liturgie der Kirche ist. 308 Doch ist er zugleich Ausweis der – um des privaten Vollzuges willen geschehenen – rituellen Reduktion des Beichtvorganges auf Bekenntnis, Vermahnung, Bußauflage und Absolution, das in den nachtridentinischen Ritualien im Wesentlichen festgeschrieben wird.309 Als ein Beispiel für das subjektive Erleben solcher Beichtpraxis kann ein Bericht des Kölner Ratsherren Hermann von Weinsberg über seine eigene erste Beichte in der Kölner Pfarrkirche St. Jakob 1525 dienen: 303
Zur Geschichte vgl. MESSNER, Feiern der Umkehr 134–183. Vgl. MESSNER, Feiern der Umkehr 174–175; vgl. auch OHST, Pflichtbeichte. 305 Vgl. LERG, Beichtbefugnis. In diesem Zusammenhang soll nur kurz hingewiesen werden auf die nicht genug zu beachtenden Veränderungen in spätmittelalterlicher Bußgesinnung: Das Erkennen des eigenen Unvermögens führte zu einer nachhaltigen Bet onung der Barmherzigkeit Gottes, die dann reformatorisch zu einem völligen Nicht Können des Menschen angesichts der soteriologischen Allein-Wirksamkeit Gottes radikalisiert wurde. Vgl. dazu HAMM, Wollen 144–145. 306 Vgl. FALK, Aufzeichnungen 9–10, er beschreibt die Beichte im Kontext des Sonntags Reminiscere. 307 Vgl. HEINZ, Pfarrmesse 278–299. 308 Vgl. immer noch SCHLOMBS, Entwicklung. 309 Vgl. MESSNER, Feiern der Umkehr 182–183. 304
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A. 1525 hab ich das allereirst in der fastenzit in s. Jacobs kirch vur her Johan Weber, calellain daselbst, min bicht gesprochen. Dan obgenanter magister Antonius, min scholmeister, plach die scholer jarlichs zu underrichten zu der gotzforcht und dem bichten und dan moisten alle scholer uff ir knehe vur dem herrn sitzen, der eine fur, der ander nach, und moisten ir gebett sprechen und ire sunden bekennen, ire penitenz, bois untfangen und sich absolveren laissen nach christlichen gebrauch der hilligen kirchen. Und mich gedenkt, das ich gar noede zu bichten plach; ich wolt lieber dur ein fur sin gangen, dan gebicht haben. Aber wie ich jar vur jar damit in einen brauch quam, do gaff es mir nit zu schicken, und bedunkt mich, das es ein loblich dink ist. Die busse und penitenz hat ich gut zu tragen, dan es waren nit mehe dan etliche paternoster und gebetter.310
Wie der bereits erwähnte Eintrag von Weinsbergs über seine eigene Taufe zeigt auch der Bericht über die Beichte, dass kaum mehr ein rituellliturgischer Kontext mitgedacht wird, sondern vielmehr ein personalisiertes subjektives Verständnis zugrunde liegt. Das aber steht im Kontext einer Entwicklung, die das sakramentliche Leben der Kirche einer Stadt immer mehr aus der pontifikalen Kathedralliturgie aussondert und in die Hände der Pfarrei und ihrem Pfarrzwang bringt.311 Wie sehr indes Kloster- und Pfarrkirchen konkurrierten, zeigt folgender Eintrag des Hermann von Weinsberg über die Beichte bei einem Mönch (gemeint war ein Augustiner), der zudem darüber Auskunft gibt, dass die Sprache des Bekenntnisaktes innerhalb der Beichte lateinisch oder deutsch sein konnte: „Ich plach vormail zu latin zu bichten, aber es straifte mich eins ein monich, wolt haben, ich sult uff deutzsch bichten, do gewan ich mich ins deutzsche.“ 312 „Taufe und Begräbnis werden 1073 als die beiden Handlungen genannt, die den Gläubigen an die Pfarrkirche binden; die späteren Urkunden nennen auch die Predigt, Buße und Krankenbesuch…,“ so urteilt Friedrich Wilhelm Oediger über die Entwicklung im Erzbistum Köln.313 Der Hinweis zeigt den Versuch einer deutlichen funktionalen Abgrenzung der Pfarrkirchen und ihres Gottesdienstes, die sich schrittweise zu vollziehen scheint: zuerst Taufe und Begräbnis, dann andere Sakramente, Sakramentalien oder sonstige liturgische Handlungen.
6. Zusammenfassung und Ausblick 6. Zusammenfassung und Ausblick
Die Überlegungen haben versucht, das reiche Spektrum mittelalterlicher Pfarrliturgie mit den vielen methodischen wie inhaltlichen Problemen in 310
HÖHLBAUM , Das Buch Weinsberg 40–41. Für Köln vgl. J ANSEN, Erzbistum Köln 374. 312 LAU, Das Buch Weinsberg 235. 313 OEDIGER , Köln 250. 311
6. Zusammenfassung und Ausblick
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den Blick zu nehmen. Dabei konnten viele Bereiche indes nur angerissen werden: Formen der Privatfrömmigkeit wie Wallfahrten, das Bruderschaftswesen und viele andere Bereiche mehr konnten nicht ausgeführt werden, obgleich sie aufgrund der vielen fließenden Übergänge von Liturgie zur Frömmigkeit von großer Bedeutung sind.314 Doch können folgende Ergebnisse der holzschnittartigen Betrachtung festgehalten werden: a) Als besonderes methodisches Problem hat sich die Quellensituation für die Pfarreien wie die Bestimmung des Aussagewertes liturgischer Quellen erwiesen. Auf pfarrlicher Ebene finden sich beschreibende Aufzeichnungen liturgischer Praxis im Grund erst im Spätmittelalter. Bis dahin sind die liturgischen Normbücher wie Sakramentar und Pontifikale auch für die pfarrliche Liturgie leitend, was eine Anpassung ihrer normierten und normierenden Texte an konkrete Bedingungen voraussetzt. Erst zur Verfügung stehendes Fachpersonal und eine Liturgie, die des Aufschreibens lohnt, lassen den Libri Ordinarii der Stifts- und Domkirchen verwandte Gottesdienstbeschreibungen der Pfarreien entstehen, wie sie etwa in der Gattung der oft erwähnten Pfarrbücher vorliegt. Sie können wohl als eine Weiterentwicklung der Libri Ordinarii angesprochen werden. b) Die liturgischen Bücher wie das Pontifikale oder das Sakramentar prägen zunächst auch pfarrliche Liturgie. Damit aber gerät die normierende Größe mittelalterlicher Liturgie in den Blick, die „bonifatianischkarolingische Liturgiereform.“ Diese sich über einige Generationen hinziehende Reformbewegung schafft einen gottesdienstlichen Standard auf Reichsebene, der fortan als Paradigma mittelalterlicher Liturgie gilt. Können bereits die offiziellen liturgischen Bücher als hiervon geprägt angesehen werden, sind die mittelalterlichen Libri Ordinarii der Stifts- und Domkirchen nun ihrerseits als Adaptation dieser allgemein geltenden Grundlage an die besonderen Bedingungen vor Ort zu verstehen. c) Was für die Ebene der Stifts- und Domkirchen gilt, gilt auch für die Ebene einer Pfarrei. Die den Gottesdienst der Pfarrei beschreibenden Quellen des Späten Mittelalters sind Scharnierstücke von den objektiven Vorgaben diözesaner oder überdiözesaner Liturgie hin zu konkreter Adaptation für eine bestimmte Pfarrei mit ihren personellen und topographischen Bedingungen. d) Die Orientierung an der „bonifatianisch-karolingischen Liturgiereform“ und ihren Liturgica stößt in Bezug auf pfarrliche Liturgie indes an Grenzen. Grundlegende Adaptationen der Liturgie, vor allem im Bereich der Kasualien, sind vonnöten. Vor diesem Hintergrund versteht sich die Ausdifferenzierung der liturgischen Bücher: Birgt das Sakramentar noch möglichst umfassend alle für die liturgischen Funktionen des Priesters nötigen Texte, begünstigt die Differenzierung in Ritualien und Missalien 314
Vgl. SCHLEMMER, Gottesdienst 330–359.
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nicht zuletzt die diözesane Prägung des Gottesdienstes, wie sie auch im Gefolge des Trienter Konzils kaum reduziert wird. Dennoch bleibt die pontifikale Liturgie – zumeist ideell – prägend. Doch die konkrete Praxis der Pfarreien ist oft eine andere. e) Die Ausführungen zeigen – nicht zuletzt aufgrund der Disparatheit der verwendeten Quellen – die Notwendigkeit interdisziplinärer Forschung.315 Die Liturgiewissenschaft ist auf das Bereitstellen von Quellen seitens der Geschichtswissenschaften angewiesen, die die klassischen liturgischen Quellen ergänzen, gerade in Bezug auf eine subjektive Rezeption objektiver liturgischer Vorgegebenheiten. Ebenso bedürfen die Geschichtswissenschaften des Kontaktes zur Liturgiewissenschaft im Hinblick auf eine gründliche Reflexion des Aussagewertes liturgischer Quellengattungen. Eine Relecture bisheriger Liturgiegeschichte von den bislang nicht genuin liturgischen Quellen her stellt sich zunehmend als zu leistende Aufgabe. Die interdisziplinäre Forschungsrichtung der ritual studies kann Pate stehen für die Behandlung vieler noch offener Fragen. Doch auch die klassische Liturgiegeschichte hat noch vieles zu tun, um die nötigen liturgischen Quellen zu entdecken, zu sichten und auszuwerten.
315
Zur Methodendiskussion vgl. etwa ODENTHAL, Raum und Ritual.
C. Liturgie im Zeitalter der Konfessionalisierung
IX. „…totum psalterium in usu maneat.“ 1 Martin Luther und das Stundengebet* IX. „…totum psalterium in usu maneat“
1. Vorbemerkungen zu Fragestellung und Methodik 1. Vorbemerkungen zu Fragestellung und Methodik
1.1. Die interesseleitende Fragestellung
Fragt man nach den Auseinandersetzungen Luthers mit seiner eigenen monastischen Herkunft und Lebensform, 2 darf ein Thema nicht fehlen, nämlich sein Verhältnis zu einer der wichtigsten täglichen Verrichtungen des Mönchs, dem kirchlichen Stundengebet. Doch fällt bei näherem Zusehen auf, dass es sich dabei um ein weitgehend vernachlässigtes Thema sowohl kirchen- wie liturgiegeschichtlicher Forschung handelt.3 Gerade im Kontext des Abschiedes Luthers vom Mönchtum wurde die Frage nach dieser intensiven monastischen Praxis des täglichen Betens nur selten gestellt. 4 Dies verwundert insofern, als es um eine Form täglicher Liturgie geht, die allein zeitlich einen großen Teil spätmittelalterlicher religiöser Praxis ausmachte und auch im Zeitalter der Konfessionalisierung keineswegs aufge* Zuerst erschienen in: KORSCH, LEPPIN, Martin Luther 69–117. 1 Martin LUTHER, Formula Missae et Communionis (1523), in: WA 12, 197–220, hier 219 19–20. 2 Neben den in den folgenden Fußnoten erwähnten Arbeiten zu Luther und Mönchtum vgl. KÖPF, Traditionen 20. Köpf geht von einer Kontinuität des monastischen Erbes bei Luther aus, wenn er darauf hinweist, Luther habe nur zögerlich das Mönchsgewand abgelegt und bis zu seinem Lebensende weiter im Wittenberger Augustinereremitenkloster gelebt. Vgl. KÖPF, Wurzeln 32–33. 3 Als Ausnahme sei verwiesen etwa auf SCHULZ, Ordnung, vor allem 18–20; HÄUSSLING, Luther. 4 Es findet sich kein einziger Hinweis auf das Stundengebet bei B ARTH, Theologie, ebenso wenig im Sammelband von B ULTMANN, LEPPIN, LINDNER , Luther. Auch bei J ASPERT, Mönchtum, finden sich nur wenige Einträge, bezeichnenderweise zum Thema „Brevier.“ Es fällt auf, dass bereits bei LOHSE, Mönchtum, zwar die Mönchsgelübde zur Sprache kommen (etwa 249–254), jedoch kein eigener Abschnitt der Verpflichtung zum Breviergebet gewidmet ist. Die kirchlichen Zeremonien als Werke finden nur gelegentlich Erwähnung (etwa 313, 320–321, 326, 331). Eine Ausnahme bildet B LOCK, Verstehen, der (etwa 88–104) das gesungene Wort des Psalters in den monastischen Kontext einbindet und für ein Verstehen Luthers fruchtbar macht.
1. Vorbemerkungen zu Fragestellung und Methodik
209
geben wurde.5 Widmet man sich diesem Thema, tun sich zunächst terminologische Schwierigkeiten auf, denn Begriff und Sache des „Stundengebetes“ umfassen folgende Größen: a) Zuerst ist die Offiziumsliturgie der Kloster- oder Stiftskirchen zu nennen, also jene grundsätzlich gesungene, im Chor vollzogene Liturgie, die als reglementiertes Gebetspensum täglich zu verschiedenen Zeiten in ritueller Form vollzogen wird und deren Trägergruppe der einzelne Kloster- oder Stiftskonvent ist. Dieses Beten ist Liturgie, also Feier, zugleich aber Offizium. Damit ist die Dimension der auferlegten und vom Mönch oder Kanoniker übernommenen Pflicht zum täglich mehrmaligen Beten festgehalten. b) Vom Stundengebet als feierlicher Liturgie ist das Breviergebet des einzelnen Klerikers zu unterscheiden, das er aufgrund seiner Gelübde oder Weihe als Verpflichtung übernommen hat. Es ist für Ordensleute gerade dann geboten, wenn sie, aus welchen Gründen auch immer, nicht am gemeinsamen Chorgebet teilzunehmen vermögen. c) Schließlich gibt es das Stundengebet als Gemeindeliturgie, nämlich immer dann, wenn – etwa am Sonntag – sich eine konkrete Pfarrgemeinde zur Vesper oder sonstigen Gebetszeiten versammelt. 6 Welcher dieser Gruppen man das tägliche Beten zuordnet, wird Konsequenzen für die rituelle Gestalt haben: Feierlich, etwa im Gregorianischen Choral gesungen als Offiziumsliturgie, halblaut privat rezitiert im Breviergebet, eine Mischform zwischen beidem in konkreter Gemeindepraxis. Eine der folgenden Fragerichtungen wird nun die sein, welche der angegebenen Formen Martin Luther selber bis zum Jahre 1520 gekannt und praktiziert hat, und ferner, welche Form des Stundengebetes er nach dem entscheidenden Jahr 1520 selber projektierte, die dann später oft als „Nebengottesdienste“ charakterisiert und behandelt wurden. 7 Es geht zugleich um die Auslotung des Begriffes der „horae canonicae,“ dessen Luther sich über weite Strecken bedient. Damit wird das Stundengebet in das Span5
Es wäre eine eigene Untersuchung, die Stellung anderer Reformatoren, etwa Müntzer oder Bugenhagen, zum Offizium zu beleuchten. Vgl. hier etwa die Bemerkungen bei HEIDRICH, Volkssprache 10–12; zu Müntzer im Verhältnis zu Luther vgl. JØRGENSEN, Liturgiereform; zu Melanchthon vgl. GOLTZEN, Gottesdienst 198–199, zu Bugenhagen ebd. 199–207; zu Zwingli und seinem Vorschlag zur Änderung des Horengottesdienstes für das Kloster Rüti 1525 vgl. BRECHT, Reform 60–61; BOENDERMAKER , Gottesdienst. 6 Hier wäre zu fragen, inwieweit Luther durch die Bibelübersetzung und sein Wirken im Hinblick auf die Gebetbücher dazu beitrug, das Stundengebet als Gemeindeliturgie zu etablieren. Dass sich das Stundengebet, etwa in Form von (auch deutschen) Kurzoffizien, vor der Reformation großer Beliebtheit erfreute, zeigen etwa die Stundenbücher im Kontext spätmittelalterlicher Privatfrömmigkeit. Vgl. hierzu den instruktiven Überblick von P ALMER, Tagzeitengedichte. Vgl. auch STEPHAN, Teutsch Antiphonal. 7 GRAFF, Geschichte I, 206–221.
210
IX. „…totum psalterium in usu maneat“
nungsfeld von Tradition und Innovation gestellt. Die Untersuchung geht von der Prämisse aus, Luther sei durch seine monastische Praxis wesentlich geprägt worden. Wenn dem so ist, gilt es aufzuzeigen, in welchem Maße und wie Luther zu einer innovativen Veränderung oder aber Ablehnung bisheriger Praxis gefunden hat. Dabei ist von Interesse, welche theologischen Gründe für solche Veränderungen aufzuspüren sind. Es geht mit diesem Beitrag um die weitere liturgiewissenschaftliche Auslotung des Themas „Liturgiereform“8 im ökumenischen Kontext: „Letztlich wird sich die Polarität von Einheit und Verschiedenheit nur als Spannungsverhältnis beschreiben, nicht aber auflösen lassen. Dieses Spannungsverhältnis gilt es auszuhalten und ständig neu zu aktualisieren,“ so resümiert Friedrich Lurz seine Überlegungen zu einer Ökumenischen Liturgiewissenschaft. 9 Ein solches Spannungsverhältnis kann nicht nur synchron für die verschiedenartigen Liturgieformen des Christentums diagnostiziert werden, sondern auch diachron im Blick auf die Umgestaltungen liturgischer Traditionen in den jeweiligen Liturgiereformen der Kirchengeschichte.10 Dies gilt nun auch für die Liturgiereformen im Kontext der lutherischen Reformation, wie sie hier für das Stundengebet beleuchtet werden sollen. 11 Die Untersuchung geht folgende Schritte: Nach einer methodischen Vergewisserung (1.2.) wird die Forschungssituation eingeholt (2.), und zwar im Hinblick auf das Stundengebet bei Luther und in den evangelischen Kirchen (2.1.), worauf grundlegende Positionen Luthers zu Gebet, Gottesdienst und Musik aus der Forschungsliteratur referiert werden (2.2.). Das 3. Kapitel lässt nun Luther selber zur Sprache kommen. Zuerst wird der Bezugshorizont, die spätmittelalterliche Liturgie dargestellt (3.1.), worauf dann die schwierige Frage nach Luthers eigenen Erfahrungen mit dem Stundengebet erörtert wird (3.2.). Ein eigener Abschnitt gilt dem entscheidenden Jahr 1520, in dem Luther seine Gebetspraxis der „horae canonicae“ nach eigenem Bekunden aufgibt (3.3.). Sodann wird ein weiterer Schritt hin zu Luthers Innovationen des Stundengebetes als Gemeindeliturgie getan (3.4.). Ein letzter Abschnitt versucht eine Systematisierung der vorgelegten Gedankengänge (4.). 1.2. Methodische Vergewisserung Der Blickpunkt, aus dem die folgenden Gedanken erwachsen, ist der eines katholischen Liturgiehistorikers. Das Interesse an dieser Fragestellung entsteht aus der Wirkungsgeschichte der lutherischen Reformation im Hin8
Vgl. HÄUSSLING, Liturgiereform. LURZ, Feier 46. Zur Wissenschaftstheorie einer ökumenischen Liturgiewissenschaft vgl. ebd. 17–47; LURZ, Liturgiewissenschaft. 10 Vgl. die Sammelbände KLÖCKENER, KRANEMANN, Liturgiereformen. 11 Vgl. etwa SCHULZ, Luthers liturgische Reformen. MESSNER, Reformen. 9
1. Vorbemerkungen zu Fragestellung und Methodik
211
blick auf die Liturgie. Denn obwohl Luther selber die „horas canonicas“ im Jahre 1520 aufgab, blieb das Stundengebet in Form der konventualen Offiziumsliturgie wie der Gemeindeliturgie in den Kirchen lutherischer Reformation beibehalten. 12 Dafür mag es mannigfache Gründe geben, die zunächst im institutionsgeschichtlichen Kontext zu suchen sind. Will die weitere Existenz einer Stiftskommunität gewährleistet sein, gehört aufgrund mittelalterlicher Tradition das gemeinsame Beten einfach dazu. Im Kontext der Pfarreien sind es frühe pädagogische Überlegungen: Der tägliche Gottesdienst bietet sich dort an, wo schulische Institutionen mit Pfarreien verbunden sind. Doch bedarf es zugleich der Rückfrage, welchen Sitz in der Theologie Luthers solche (in Bezug auf die Stifte bis weit ins 19. Jahrhundert vorfindliche) Praxis denn habe. Zugleich ist die Frage nach Luthers eigener Erfahrung gestellt. Hier geht es methodisch um den Versuch, Luthers Schriften als Ego-Quelle zu verwenden, um Aufschluss darüber zu erhalten, welche konkrete Praxis er denn selber im Jahre 1520 aufgegeben hat. Damit wird eine Fragestellung kirchen- wie profangeschichtlicher Forschung eingeschlagen, die sich um Auslotung der Innenseite von Erfahrung bemüht.13 In der Liturgiewissenschaft ist diese Forschungsrichtung mit dem Stichwort „Erlebte Liturgie“ zu versehen. 14 Damit ist eine die Liturgie grundlegend kennzeichnende Spannung bemüht. Es gibt die Liturgie in ihrer offziell normierten Form, wie sie sich etwa in den liturgischen Büchern (in diesem Falle: den Chorbüchern oder dem Brevier) manifestiert. Davon ist indes die Erlebnisseite als Form individueller Rezeption (oder ihrer Verweigerung) abzuheben. Dass aufgrund ihrer individuellen Prägung diese Erlebnisseite stets schwierig einzuholen ist, liegt auf der Hand. Luthers Selbstaussagen über die Erfahrung der „horae canonicae“ werden immer auf ihre konkrete Aussageabsicht hin zu befragen sein, wo12
Vgl. den Forschungsüberblick bei ODENTHAL, Matutinae, zu Luther hier etwa 94– 95, 102–103. – Der Wertung von SCHULZ, Ordnung 18, es habe sich „noch eine Zeitlang das gereinigte monastische Offizium“ in den evangelisch gewordenen Stiften und Klöstern gehalten, ist doch zu schwach angesichts der Fülle von Zeugnissen für eine tatsächliche Kontinuität der Offiziumsliturgie. Es muss deutlicher unterschieden werden: Die monastische Tradition konnte sich nur kurz, kaum generell in den lutherischen Kirchen beheimaten. Anders ist die Sachlage bei den Stiften: Hier bildete die Stundenliturgie eine der Tragpfeiler der institutionellen Verankerung und somit der weiteren Existenz. Dem enstpricht, dass an liturgischen Quellen Belege für die Umgestaltung stiftischen Offiziums sehr zahlreich, monastischen Offiziums eher selten sind. Als das einzige mir bisher bekannt gewordene Beispiel des letzteren kann die Offiziumsordnung des Benediktinerklosters Berge bei Magdeburg dienen. Vgl. dazu ODENTHAL, Matutinae 103–106. 13 Vgl. hier etwa HOLZEM , Bedingungen 321: „Die Innenseite der Christentumsgeschichte, die Sicht auf das subjektive Erleben unmittelbaren Gottesbezuges ist durch die Quellen für die allermeisten Kirchenchristen verstellt.“ Einen wissenssoziologisch erwe iterten historischen Erfahrungsbegriff denkt an HOLZEM , Erfahrung 183–186. 14 Vgl. LURZ, Erlebte Liturgie.
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IX. „…totum psalterium in usu maneat“
bei durchaus das literarische Genus berücksichtigt werden muss. 15 Hier geht es um die Frage nach einer Absage an bisherige normierte Praxis der Kirche im Kontext übernommener Gelübde, die Luther durchaus zur Selbststilisierung dienen konnte. Eine andere Perspektive ist die auf Luthers normierende Absicht im Hinblick auf eine Reform des Gottesdienstes. Beide Perspektiven werden die unterschiedlich gewichteten Deutungserfordernisse Luthers in Rechnung stellen. Volker Leppin hat in seiner Biographie über den großen Reformator folgende Blickrichtung vorgeschlagen: „Luther soll auf den folgenden Seiten so lange wie irgend möglich so gelesen werden, als wüsste man nicht, dass sich mit ihm ein Neuaufbruch in Kirche und Gesellschaft, für manche, wohl allzu hoch gegriffen, sogar eine neue Epoche der Weltgeschichte verbindet. Er soll so lange wie möglich als Mensch des späten Mittelalters verstanden werden, der entdeckt, der gelegentlich sogar auch zögerlich entdeckt, der mit seiner Herkunft nicht brechen will – und am Ende wohl auch nicht ganz mit dieser Herkunft bricht.“16 Diese Blickrichtung soll am Thema Stundengebet insofern erprobt werden, als es darum geht, Luthers eigene Praxis so gut wie möglich zu rekonstruieren, seine Selbststilisierungen aufzuspüren und den kreativen Impuls freizulegen, der zu einer innovativen Praxis führte. Im Hinblick auf das Stundengebet wird also zu prüfen sein, ob es Luther nach zögerlichem Entdecken des Neuen um einen Verzicht auf einen gänzlichen Bruch mit der Tradition ging oder nicht. Das Stundengebet wird so zum Paradigma, unter dem die Biographie Luthers noch einmal angesehen wird, ohne dass diese dadurch ganz beschrieben werden könnte. Zugleich aber geht es dann – über die Biographie hinaus – um systematischtheologische Grundlagen des Gottesdienstes der lutherischen Reformation.
2. Zur Forschungssituation 2. Zur Forschungssituation
2.1. Das Stundengebet des Luthertums als Thema kirchen- wie liturgiegeschichtlicher Forschung Die grundlegende Schwierigkeit der Forschungssituation wurde bereits benannt. Angelus A. Häussling, den man ohne Frage als den besten Kenner der Geschichte des Stundengebetes ansehen darf, warnt im Hinblick auf die lutherische Liturgiereform des Stundengebetes zu Recht: „Eine Gesamtdarstellung, wie die Reformation im ganzen mit dieser Liturgie um15
LEPPIN, Luther 39, verwendet in diesem Kontext den für Luther diskussionswürdigen Begriff der „Konvertitenliteratur.“ 16 LEPPIN, Luther 12. Vgl. auch den Abschnitt „Abschied vom Forschungskonstrukt ‚reformatorische Wende‘ Luthers“ bei HAMM, Luther 26–31.
2. Zur Forschungssituation
213
ging, ist noch nicht geschrieben und wohl auch noch nicht möglich (dieser müsste nach Meinung des Rezensenten erst noch eine Klärung der zutreffenden Fragestellung und der jeweiligen Kontexte vorausgehen).“ 17 Dieses Urteil ist sowohl auf biographische Aspekte Luthers selbst, seinen Umgang mit der überkommenen Normiertheit des Betens wie auf die weiteren Normierungen in den Kirchen der Reformation zu beziehen. Themen der Forschung waren bislang vor allem Luthers Theologie des Gottesdienstes allgemein,18 die Umgestaltung der mittelalterlichen Messe hin zur lutherischen Abendmahlsliturgie 19 oder die Formen der Ordination. 20 Die schwierige Frage nach den theologischen Grundlagen und Wertungen der Offiziumsliturgie bei Luther wurde nur selten und oft nebenbei aufgegriffen. 21 Eine umfassende Untersuchung seiner Stellungnahmen wie auch nur eine vollständige Erfassung fehlen bisher, wenngleich einzelnen Orten und deren liturgischer Praxis sowie manchen lutherischen Liturgica Interesse entgegengebracht wurde und wird. 22 So ist die Beibehaltung des Stundengebetes als feierliches Chorgebet bezeugt für Halberstadt,23 Havelberg,24 Magdeburg (Dom und Kloster Berge),25 Naumburg,26 Brandenburg,27 Berlin,28 die Damenstifte um Hannover 29 und viele Orte mehr.30 Von dieser Praxis aus gewinnt die Rückfrage nach Luthers eigener Haltung nochmals an Ge17
118.
18
HÄUSSLING, Rez. zu Odenthal, Offiziumsliturgie, in: ALw 49. 2007, 118–119, hier
Vgl. hier grundsätzlich immer noch VAJTA, Theologie. An neueren Darstellungen unter vielen anderen B IERITZ, Gottesdienst. W IGGERMANN, Gottesdienst. B IERITZ, Liturgik 447–474. ARNOLD, Theologie 231–317. Vgl. auch den Überblick bei SCHMIDTLAUBER, Lutheran Tradition 396–405. 19 Vgl. MEYER, Luther. GRÖTZINGER , Luther. MESSNER, Meßreform. P AHL, Feier. Grundlegend zu Luthers Theologie SIMON, Messopfertheologie. 20 SANDER , Ordinatio; KRARUP, Ordination. 21 Vgl. neben bereits genannten Arbeiten ARMKNECHT, Vesper-Ordnung; GOLTZEN, Gottesdienst 187–198; SCHULZ, Ordnung 18–19; ZEEDEN, Überlieferungen 14–20; ALEXANDER, Luther’s Reform; M EYER, Vesperarum; V OGEL, Stundengebet 281–282; ZIEGLER , Tagzeitengebet; H EIDRICH, Volkssprache; B IERITZ, Liturgik 618–624; K OCH, Fürbitte; GRIMMINGER , Lutherans. 22 Vgl. etwa T IGGEMANN, Psalterium. 23 Vgl. ODENTHAL, Ordinatio. 24 Vgl. ODENTHAL, Vesperale. Dieses Buch war für den Gebrauch von Pfarreien konzipiert worden, wurde aber im Havelberger Dom in leicht adaptierter Form genutzt. 25 Vgl. ODENTHAL, Matutinae 103–106; 113–117; FISCHER , Ordnung. 26 ODENTHAL, Umgestaltung. 27 Vgl. ODENTHAL, Matutinae 117–119 28 Vgl. T ACKE, Quellenfunde; MÜLLER , Geschichte 357–438, der die Ordnung mit der des Stiftes Halle in Beziehung setzt. 29 T ALKNER , Horas. 30 Vgl. hier die Forschungen von HEUTGER , Nachleben. Zu Heutger vgl. J ASPERT, Mönchtum, 3, 272–336.
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IX. „…totum psalterium in usu maneat“
wicht. Hier setzen die folgenden Überlegungen an, wobei es nicht möglich ist, die benannte Forschungslücke zu schließen. Es geht eher um die Konturierung weiterer Forschungen, bei denen Luthers eigene disparate Äußerungen zum Offizium systematisch gesammelt und gewertet werden müssten. Im Folgenden werden unterschiedliche Facetten der Haltung Luthers zu den kanonischen Horen aufgezeigt. Dabei steht das entscheidende Jahr 1520, in dem Luther seine eigene Offiziumspraxis aufgibt, mit seinen unterschiedlichen Deutekategorien im Zentrum. Die Disparatheit der Stellungnahmen Luthers soll zum einen aus seinen eigenen biographischen Notwendigkeiten heraus erklärt werden, zum andern aber im Kontext unterschiedlicher Anlässe gesehen werden, so wie die gottesdienstliche Landschaft in den Kirchen der Reformation auch uneinheitlich in Bezug auf Abschaffung, Beibehaltung und Reform des Stundengebetes war.31 Damit ist Ziel der folgenden Ausführungen, die Vieldimensionalität des Themas anhand Luthers ambivalenter Haltung auszuleuchten, wenn er einerseits die „horas canonicas“ skeptisch bis ablehnend beurteilt, 32 andererseits aber etwa die Sonntagsvesper für Pfarrkirchen wie selbstverständlich projektiert. 2.2. Gebet, Gottesdienst und Musik: Die Grundlagen lutherischen Denkens Die Frage nach den Grundlagen lutherischen Gottesdienstes ist bislang in der Forschung hauptsächlich ex eventu, aus der Perspektive des späten Luthers beantwortet worden. Dabei kamen Aspekte zur Sprache, die hier deshalb eigens genannt werden sollen, um sie dann im nächsten Absatz in einen biographischen Kontext einzuordnen. Das Thema des Stundengebetes bei Luther gewinnt zunächst an Komplexität, weil es mit seinem Verständnis des Gebetes überhaupt zusammenhängt. 33 Traugott Koch hat in seiner Detailanalyse der Schriften Luthers folgende Prinzipien des Betens herausgestellt: Das rechte unterscheidet sich vom falschen Gebet dadurch, dass der Beter vor Gott seine Sündhaftigkeit bekennt und sich glaubend auf Gottes Zusage und Verheißung verlässt. Bei alledem geht es nicht um viele äußere Worte, sondern um das Beten mit dem Herzen. Ist Anlass des Gebetes ein besonderes Anliegen, eine konkrete Not, ist darüber hinaus das Gebet Äußerung des Gottesverhältnisses des Menschen und zugleich des-
31
Vgl. hierzu auch die methodischen Bemerkungen bei MESSNER, Meßreform 18–23. Vgl. GOLTZEN, Gottesdienst 187–190. Goltzen macht darauf aufmerksam, dass Luthers innige Auslegung des Magnificat wie seine Betonung des Festes Mariä Heimsuchung ohne eine Gebetspraxis des Magnificat kaum zu erklären wäre (ebd. 189–190). Vgl. hier ZUR MÜHLEN, Frömmigkeit. 33 Vgl. hier WERTELIUS, Oratio, mit Bezug auf die horas canonicas etwa 313; BEINTKER , Bedeutung. 32
2. Zur Forschungssituation
215
sen Vollzug, und zwar im Namen Jesu. 34 „Nach Luther ist das Gebet eine Übung und Stärkung des Glaubens. Aber gerade indem er es so versteht und so als rechtes Gebet bestimmt, versteht er das Gebet immer auch als Einübung einer bestimmten Theologie: eben der seinen, die ihm zufolge rein nur durch die der Hl. Schrift und deren Mitte ist.“ 35 Von hierher lässt sich erst adäquat der Reichtum an Gebetsliteratur verstehen, den die Kirchen der Reformation hervorgebracht haben.36 Denn Luther verwarf die Gebetbücher traditioneller Art dann, wenn sie zu einem nicht vom Vaterunser oder der Bibel ausgehenden Beten verführten. 37 Diese Prinzipien kann man nun auch auf die Offiziumsliturgie anwenden. „An der zu seiner Zeit vorfindlichen Gebetspraxis hat Luther nicht nur, wie Andere vor ihm, das ‚Herunterleiern,’ das Plappern und Murmeln ohne selbstbeteiligtes Mitbedenken, ohne Mitvollziehen im Herzen kritisiert. Sondern seine Kritik richtet sich insbesondere gegen den ‚Verdienst’-charakter des Betens, als wirke das Beten als solches oder gar schon durch das bloße Sprechen vorformulierter Gebete etwas Verdienstliches bei Gott oder einen Ablaß, sei es für den Betenden selbst oder stellvertretend für einen Anderen, der das Gebet ‚bestellt’ hat. Doch darüber hinaus noch verwirft Luther die Anrufung von Heiligen, weil ihr die Vorstellung zugrunde liegt, Gott sei uns als strenger Richter zornig und müsse erst durch das stellvertretende Eintreten der Heiligen, besonders Marias, zum Gnädigsein umgestimmt werden.“38 Damit ist Luthers Kritik im besten Sinne als radikal einzustufen, denn sie trifft nicht zuerst diese oder jene Ausprägung des Betens, sondern fragt nach der zugrunde liegenden Haltung des betenden Menschen. Reinhard Messner hat auf den großen theologischen Hintergrund der Wittenberger Liturgiereform aufmerksam gemacht, der jene Radikalisierung der Fragestellung verdeutlicht. Luther warnt nämlich vor übereilter Ritenänderung, da das gottesdienstliche Leben der Kirche Teil des endzeitlichen Kampfes sei. Seine Mittel sind Evangelium und Gebet.39 Der rechte Glau34 Vgl. hierzu ausführlich KOCH, Betbüchlein 17–132. – Zum Moment der oratio in der Theologie Luthers vgl. auch LUIBL, Sprachgestalt 3–40; vgl. auch M IKOTEIT, Theologie, hier den Forschungsüberblick 48–57 (nur sporadische Nennung des Offiziums); B AYER , Theologie 30–31. 35 KOCH, Betbüchlein 62. 36 Vgl. hierzu den ausführlichen Überblick bei SCHULZ, Gebetbücher III; SCHULZ, Forschungen; W ALLMANN, Herzensgebet. Vgl. auch im Kontext einer wie auch immer zu beurteilenden Gesamtdarstellung HÖLSCHER, Geschichte, hier etwa 49–67. 37 Vgl. KOCH, Betbüchlein 131. 38 KOCH, Betbüchlein 124. 39 Dies zeigt sich etwa in der Bedeutung der Predigt beim täglichen Gottesdienst anstelle der täglichen Messe in der Wittenberger Kirchenordnung von 1533. Vgl. die Wittenberger Kirchenordnung von 1533, in: RICHTER, Kirchenordnungen, hier 1, etwa 221. Vgl. hierzu MESSNER, Reformen 384–391; auch VAJTA, Theologie 141–149.
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IX. „…totum psalterium in usu maneat“
be muss allererst als Voraussetzung einer rechten Änderung der gottesdienstlichen Formen gewährleistet sein. 40 Die eschatologische Freiheit führt dann zur Beibehaltung mancher Traditionen der alten Kirche, und zwar unter der Relation von Verheißung und Glaube. 41 Hier ist allerdings auf die Ambivalenz der Auffassung Luthers hinzuweisen, bei der der „höchste Gottesdienst (…) keineswegs mit den ‚äusseren Dingen’ des Kultus“ unvereinbar ist. „Meint man mit Kultus einen menschlichen Versuch, sich gegenüber Gott zu behaupten, so bedeutet Luthers Werk natürlich eine ‚Entkultung’ eines so verstandenen falschen Gottesdienstes.“42 Entscheidend ist dabei die Einsicht, „dass die Kritik Luthers an den äusseren Zeremonien nicht in einer Gleichgültigkeit gegenüber den liturgischen Formen gründete, sondern in der Grundeinstellung, dass die Zeremonialgesetze die Gewissen immer durch Werke gefährdeten.“ 43 Manfred Josuttis hat die Haltung Luthers zur Liturgie mit folgenden Schlagworten charakterisiert: Der Gottesdienst bei Luther ist antimeritorisch (gegen eine verdienstliche Frömmigkeit gerichtet), antisakramentalistisch (also gegen eine Überbetonung des Sakramentlichen, jedoch nicht antisakramental), antihierarchisch (also sich von einer reinen „Klerusliturgie“ des Mittelalters unterscheidend), antireformistisch (da er die Freiheit des Glaubens wahrt), antispiritualistisch (gegen eine Schwärmerei und ausschließliche Betonung des Wortes), schließlich antisubjektivistisch (es bedarf etwa einer ordentlichen öffentlichen Berufung zum Predigtdienst). 44 Schon jetzt kann vor allem die Ambivalenz benannt werden, dass die lutherische Reformation zwar aufgrund der gleichen Würde aller Getauften eine Klerusliturgie kritisierte, wie sie sich auch in der Form des Offiziums zeitigte, aber kaum Adäquates an ihre Stelle zu setzen vermochte. Nicht nur in den Stiften, auch im gemeindlichen Kontext bleibt das beibehaltene Offizium weitgehend auf musikalische wie theologische Fachleute angewiesen, wie die enge Verflechtung etwa mit dem schulischen System der damaligen Zeit zeigt. 45 Ein weiterer für das Stundengebet relevanter Themenbereich darf nicht unerwähnt bleiben, nämlich die Rolle der Musik, vor allem im Kontext der
40
Vgl. MESSNER, Reformen 391–398. Vgl. MESSNER, Reformen 399–416. 42 VAJTA, Theologie 26. Dass hier aus neuer religionsphilosophischer Sicht gerade ein falscher Kultbegriff vorliegt, sei nur am Rande erwähnt. Vgl. hierzu ODENTHAL, Kultus. – Zur differenzierten Position in Bezug auf die Verwendung der Bilder vgl. W EIMER, Luther, Cranach und die Bilder. 43 VAJTA, Theologie 46. – Zum Problem der Adiaphora vgl. MARTENS, Adiaphora; LENTES, Adiaphora. 44 Vgl. JOSUTTIS, Theologie 30–36. 45 Vgl. die differenzierte Wertung bei HÄUSSLING, Brevierreformen 221. 41
2. Zur Forschungssituation
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Psalmenfrömmigkeit Luthers.46 Hier ist die prägende Funktion des Stundengebetes, das Luther selber vollzogen hat, anzufragen. Denn „… es ist nicht einmal ganz ausgeschlossen, daß Luther, der vom klösterlichen Stundengebet und vom Brevierbeten her mit der Psalmenfrömmigkeit tief vertraut war, zunächst zu diesem Stoff griff,“ so Markus Jenny über das neu entstehende Genus der Psalmenlieder. 47 Dass der Psalter als „Wurzelboden des Liedschaffens“ angesprochen werden kann, macht den Zusammenhang zwischen Musikauffassung, Psalmenfrömmigkeit und Stundengebet deutlich.48 Musik dient der Verkündigung, und die Kritik Luthers greift erst dann, wenn Musik und Gebet diese Funktion nicht mehr erfüllen können. Es ist das Verdienst von Johannes Block, das gesungene Wort des Psalters in seiner Bedeutung für Luther ausgelotet und in den monastischen Kontext gestellt zu haben. 49 Dabei weist er auf, dass Luther sich trotz aller Kritik an der Pflicht der kanonischen Horen zeitlebens mit dem Gregorianischen Choral verbunden fühlte.50 Sein Lieblingswort aus dem Psalter Non moriar sed vivam (Ps 118,17), zumindest in der Osterliturgie von entscheidender Bedeutung, hat Luther nach Auskunft des Matthaeus Ratzeberger auf der Feste Coburg 1530 an die Wand geschrieben und die gregorianische Intonation im achten Psalmton darüber notiert. 51 Block verweist grundsätzlich auf die in den Dictata super psalterium „mitschwingende liturgische und psalmodische Atmosphäre.“ 52 Denn Psalmenbeten im Kontext des mittelalterlichen Chordienstes heißt Singen. In diesen Kontext gehört auch die Beobachtung, dass Luther seine Schrift „De captivitate Babylonica“ mit der ersten Strophe des Vesperhymnus von Epiphanie abschließt, also mit einem Zitat des Stundengebetes:53 Hostis Herodes impie, Christum venire quid times? Non arripit mortalia, Qui regna dat coelestia. 54
Diesen Epiphaniehymnus hat Luther am 12. Dezember 1541 verdeutscht: 55
46 Vgl. LEAVER , Music, bes. 173–190; GUICHARROUSSE , Les musiques 243–259 (zum Kontext schulischer Bildung); KRUMMACHER, Musik 11–40. 47 JENNY, Luther 17. – Vgl. auch FUCHS, Psalmdeutung. 48 B LOCK, Verstehen 83–84. 49 Vgl. B LOCK, Verstehen. 50 Vgl. hier auch HÖCKER, Gregorianik 35–51. 51 Vgl. WA Briefwechsel 5, 638, Anm. 4. Vgl. B LOCK, Verstehen 35, Anm. 61. 52 B LOCK, Verstehen 35. – Vgl. zu den Dictata super Psalterium im Kontext sonstiger Psalmenauslegung (auch des Mittelalters) BRUSH, Gotteserkenntnis 84–112. 53 Zu den lateinischen Gesängen vgl. auch VEIT, Kirchenlied 52–54. 54 WA 6, 57319–22. Beleg des Hymnus bei DREVES, B LUME, AHMA Nr. 12403.
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IX. „…totum psalterium in usu maneat“
Was fürchtest du, Feind Herodes, sehr, daß uns geborn kommt Christ der Herr? Er sucht kein sterblich Königreich, der zu uns bringt sein Himmelreich. 56
Es ist kaum anders denkbar, als dass der musikalische Luther hier auch die Melodie des aus der Offiziumsliturgie vertrauten Hymnus mitgedacht habe. Inhaltlich ist das Epiphaniemotiv im Kontext seiner Kirchenkritik entscheidend. Es verweist nochmals auf das von Reinhard Messner betonte Motiv des endzeitlichen Kampfes: Das eschatologisch erwartete, an Epiphanie jeweils neu rememorierte Kommen des Herrn ist das entscheidende Kriterium des Christseins und hinterfragt alle auch kirchlichen Machtstrukturen. Bedeutsam ist, dass das Stundengebet hier bei Luther zum theologischen Argument, zum „locus theologicus“ wird. 57 Die eingeholten Wertungen sind, um es nochmals zu betonen, aus der Retrospektive des reformatorischen Schaffens Luthers benannt und geben einen Gesamtblick vom Ende der inneren Prozesse Luthers. Der nun folgende Zugang ist vorsichtiger, es ist der Versuch, dem Prozess der Veränderungen selbst auf die Spur zu kommen und den jeweiligen Interpretationsbedarf Luthers aufzuspüren, soweit dies aus den Quellen überhaupt noch zu ermitteln ist.
3. Luther und das Stundengebet: Der biographische Kontext 3. Luther und das Stundengebet
3.1. Grundsätzliches zum Verständnis (spät-)mittelalterlicher Liturgie Betrachtet man die Stundenliturgie des späten Mittelalters, so ist aufgrund der eingangs bemühten Unterscheidung von Stifts- und Klosterkonventen einerseits und der Ebene der Pfarreien andererseits Vorsicht geboten. Dabei ist die Pfarrei – ein großes und wichtiges Thema der Historiker 58 – in Bezug auf den pfarrlichen Gottesdienst liturgiewissenschaftlich deshalb schwer greifbar, da schriftliche Quellen hauptsächlich aus den großen Institutionen wie Klöstern und Domstiften zur Verfügung stehen. Dort nur gab es das gebildete Fachpersonal, das an einer Weitergabe liturgischer 55 So J ENNY, Lieder 117: „Dies ist das einzige Lied Luthers, von dem man das Entstehungsdatum auf den Tag genau kennt.“ – Zu analogen Prozessen vgl. WENNEMUTH, Hymnus. 56 Zitiert nach J ENNY, Luther 55, zum ganzen ebd. 55–56; J ENNY, Lieder 302–303 (Nr. 37); vgl. auch ebd. 117–118. 57 Zu den loci theologici vgl. etwa SECKLER , Communio-Ekklesiologie. Seckler weist darauf hin, dass die Liturgie „heute oft als ein von Cano vergessener locus theologicus angesehen wird,“ im Grunde aber in allen loci theologici proprii enthalten sei (ebd. 12). 58 Vgl. hier den Überblick bei B ÜNZ, Pfarrei 27–66.
3. Luther und das Stundengebet
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Bräuche Interesse hatte und über die Möglichkeiten schriftlicher Traditionsnormierung verfügte. Und doch prägt das Pfarrleben des späten Mittelalters eine Tendenz, nämlich der Versuch bedeutender Pfarreien, ihren Gottesdienst mit Hilfe von Musikern und angegliederten Schulen dem Reichtum mittelalterlicher Stiftsliturgie anzugleichen. 59 Damit scheint gerade die Liturgie der Stifts- und Klosterkonvente als normgebend auf. Es handelt sich bei der dort vollzogenen Offiziumsliturgie um ein komplexes Gottesdienstsystem, das vom anderen zentralen Bereich der Liturgie, der Messe, nicht getrennt werden kann. 60 Und hier ist ein frömmigkeitsgeschichtliches Moment von besonderer Bedeutung, das seit dem frühen Mittelalter eine eigene Motivation für die Feier der Liturgie zur Verfügung stellt, nämlich das Bewusstsein der eigenen Sündhaftigkeit, das einen besonderen Stellenwert der Buße und der Bußleistung nach sich zieht. 61 Von hierher ist das Stundengebet der Stifts- und Klosterkommunitäten unter dem Blickwinkel der Stellvertretung zu betrachten: Die Mönche und Kanoniker übernehmen kraft ihres Gebetes die Ableistung auferlegter Buße, auch im Kontext der Gebetsverbrüderungen, die einzelne Klöster untereinander eingehen. Das Stundengebet erfährt dabei eine Erweiterung des Pensums in Gestalt von Zusatzoffizien, die die Kommunitäten nun zusätzlich für besondere Anliegen übernehmen. 62 Es geht hier um eine ideelle 59
Diese Tendenz ist für Köln, St. Kolumba, greifbar bei HEGEL, St. Kolumba 216– 228. – Dass auch große lutherische Stadtpfarreien ihr Stundengebet in feierlicher Form pflegten, findet sich für Nürnberg etwa bei SCHREMS, Geschichte 113–116; SCHATZ, Historische 66–69; KOCH, Fürbitte 88. 60 Zum folgenden Rekurs auf das mittelalterliche Messesystem vgl. ausführlich ODENTHAL, Ante conspectum. – Vgl. in Bezug auf die spätmittelalterliche Messe und ihre Auswirkungen auf die Reformation die Studie von THAYER, Learning (leider ohne einschlägige neuere liturgiewissenschaftliche Literatur). 61 Vgl. im Hinblick auf die Messe etwa ANGENENDT, Missa specialis. Vgl. auch HAMM, Luther 1–24. 62 Dass die Messe zunehmend als Buß- und Gebetsleistung verstanden wurde, zeigt – um nur ein Beispiel zu nennen – der Appendix von 863 zu den Annales Necrologici Fuldenses. A 1049–1057, in: MGH.SS 13. Hannoverae 1881, 161–218, hier 215 45–46: „ut unusquisque illorum singulis annis generaliter pro omnibus vivis 10 psalteria vel 10 missas cantet vel perficiat.“ – Vgl. grundsätzlich SCHMIDT, Zusätze. Dass solche Zusatzoffizien auch bei den Augustinereremiten üblich waren, geht aus den 1504 gedruckten Konstitutionen hervor, hier etwa die Angaben zur Zelebration des Triennalkapitels in Cap. 32 mit Nennung etwa des Psalmes 129. Vgl. GÜNTER, Constitutiones 249 193. Noch deutlicher wird die Nähe zu den zitierten frühmittelalterlichen Anweisungen, wenn es im 6. Kapitel der Constitutiones heißt: „Statuimus etiam, quod quilibet sacerdos pro fratribus, sororibus, familiaribus et benefactoribus defunctis tres missas quolibet anno legat, incipiens circa festum sancti Michaelis, frater vero clericus unum psalterium, concludens quemlibet psalmum cum ‘Requiem aeternam,’ frater autem laicus quingenta ‘Pater no ster’ et in fine cuiuslibet dicat: ‘Requiem aeternam’ (ebd. 168 14–19).” Diese auch in Erfurt
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Verbindung von Büßer und Betendem, die ursprünglich auf das Gebet, näherhin das Stundengebet bezogen ist und später auf die Messe ausgedehnt wird.63 Arnold Angenendt resümiert: „Der letzte Schritt, der in diesem Bußaustausch vollzogen wurde, bestand darin, daß man in die geistlichen Bußwerke auch die Messfeier miteinbezog.“ 64 Der ursprüngliche Gedanke des stellvertretenden Betens mutiert indes immer mehr zu einem gezählten System von Bußkommutationen, auch in Form des Stundengebetes, was Luther etwa in einer Predigt vom 1. November 1545 kritisiert: „Ego et alii sic cogitabant: Si horas 7 dixissem, fecissem opus, quod possem vendere aliis. Non fuit oratio, sed murmur und gesprech. Nesciunt orare.“65 Damit wird deutlich, wie sehr die gottesdienstliche Praxis, die Luther erlebte, (früh-) mittelalterlich geprägt war. Manches liturgische Erbe im Spätmittelalter konnte nur noch unter dem Stichwort einer „gezählten Frömmigkeit,“ kaum mehr in einem liturgietheologisch angemessenen Sinne verstanden werden. Und diese Tendenz betraf auch das Chorgebet. Der Zeitplan liturgischen Betens kann zwar in einem idealen Sinne erstellt werden, so dass die großen Horen (Vigilien/Laudes am Morgen, die Vesper am Abend) die Angelpunkte des liturgischen Tages bilden, die „kleinen Horen“ Prim, Terz, Sext und Non den Tag strukturieren, immer wieder unterbrechen und so zur Heiligung der Zeit beitragen. 66 Doch trat seit dem Hochmittelalter zunehmend die „veritas horarum,“ der zeitgerechte Ansatz der Horen in den Hintergrund und wich einer mancherorts dauerhaft betriebenen Kumulation von Horen zu einem Termin.67 Dies betraf vor allem die kleinen Horen, wobei fast grundsätzlich die Vigilien bereits mit den Laudes verschmolzen waren und nicht mehr als eigenständige Horen erlebt werden konnten. Luther selbst karikiert solche Praxis 1521, in der Schrift „Vom mißbrauch der Messe:“ Szo ist es auch gewißlich des teuffels spil mit S. Severin, der nach seym tode gesagt hatt, das er untreglich peyn leyden mueste: nicht das er wider gotts gebot odder menschen gesetz gesundiget, sundern darumb, das er umb verhinderung mancherley gescheffte die sieben getzeytten am morgen alle auff eynmal nacheynnander, und eyn itzliche nicht tzu zu Luthers Zeiten vorauszusetzende Praxis war also durch und durch mittelalterlich geprägt. 63 Vgl. hier immer noch HÄUSSLING, Mönchskonvent 202–207. 64 Angenendt, Muschiol, Texte 38. 65 WA 51, 799–11. Eine andere Lesart derselben Predigt überliefert: „So doch der gottlos hauff nicht beten konth, ob sie schon den psalter schnatterten wie die gense das h aberstro“ (WA 51, 79 31–32). 66 Ein solcher idealer Zeitplan für den Tagesablauf samt der Horenstruktur der Zisterzienser ist rekonstruiert in: HERZOG, MÜLLER , Ecclesiastica Officia 20–27. 67 Insofern findet sich bei B RECHT, Luther 71, eine idealisierte Darstellung des zeitgerechten Ansatzes der Horen, ebenso bei HOTZEL, Luther 19–21.
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gebuerlicher eyngesatzter tzeyt gesprochen hatte. Es ist schande, das der teuffel mit solchen nerrischen kinderwerck die kirche Christi betriegen und verfuren soll… 68
Luther verurteilt diese Praxis, weil es ja auch eine Zeit lang seine eigene war. Denn das private Gebet des einzelnen Klerikers war ja im Sinne einer Brevierpflicht zu verstehen, die seit dem frühen Mittelalter, nämlich seit der Chrodegangschen Kanonikerregel von 762 besteht. Es geht hier um den Versucht, auch das Leben der Weltkleriker nach monastischem Vorbild zu organisieren.69 Doch die im späten Mittelalter aus dem Boden sprießenden Druckbreviere machen ex eventu deutlich, dass es mit dieser Brevierpflicht im Sinne eines einheitlichen Betens des Klerus nicht gut bestellt gewesen war: Nun erst, durch das Druckverfahren, bietet sich die gute Möglichkeit einer zumindest diözesanen Vereinheitlichung der Breviere mit erneuter Betonung der Brevierpflicht, auch für den niederen Klerus.70 Wie anfällig das liturgische System des Spätmittelalters war, wie sehr es innerkirchlich bereits in der Kritik stand, machen unter anderem die Bestimmungen des Konzils von Basel 1435 deutlich. Als Beispiel diene das Havelberger Domkapitel. Dort übernahm man etliche Beschlüsse zur Liturgie der Sessio XXI vom 9. Juni 1435 in die Stiftsstatuten von 1538.71 Das Konzil verabschiedete Kapitel wie „Quomodo divinum officium in ecclesia celebrandum sit,“ „Quo tempore quisque debet esse in choro,“ „Qualiter horae canonicae extra chorum dicendae sint,“ „De his qui tempore divinorum vagantur per ecclesiam,“ „De his qui in missa non complent Credo, vel cantant cantilenas, vel nimis basse missam legunt, aut sine ministro“ und „De tenentibus capitula tempore missae maioris.“ 72 Hinzuweisen wäre auf die Mahnung des Konzils, die „laudes divinae per singulas horas non cursim ac festinanter, sed asiatim ac tractim“ zu verrichten.73 Es geht hier um die auch bei Luther wiederzufindende Kritik an einem veräußerlichten Beten im Sinne des Pensumsgedankens, die es natürlich viele Male gegeben hat. 74 Wenn Luther die konkrete Gebetspraxis 1535 in seiner Schrift „Eine einfältige Weise zu beten für einen guten Freund“ karikiert, dürfte er tatsächlichen Missbrauch beschreiben, der sich aus dem Pensumsgedanken im Sinne der Einlösung einer Verpflichtung ergibt, wenn er gegen das wahre innere Beten ausgespielt wird: 68
WA 8, 53321–27. Vgl. MÜLLER , Officium divinum 51–52. 70 So ist etwa für Halberstadt das Reformbrevier des Kardinals Albrecht von Brandenburg aus dem Jahre 1515 zu nennen. Vgl. dazu ODENTHAL, Ordinatio 33–40. 71 Vgl. KUGLER -S IMMERL, Bischof 54. 72 Text in: Conciliorum Oecumenicorum Decreta 489–492. 73 Quomodo divinum officium in ecclesia celebrandum sit, in: CONCILIORUM OECU32–33 MENICORUM DECRETA 489 . 74 Vgl. etwa Johannes von Wesel bei FRANZ, Messe 311. 69
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Was ists anders denn Gott versuchen, wenn das maul plappert und das hertz anders wo zerstrewet ist? wie jener pfaff betet auff die weise: Deus, in adiutorium meum intende, knecht, hastu angespannen, Domine, ad adiuvandum me festina, Magd, gehe, milcke die kue, Gloria patri et filio et spiritui sancto, lauff, bube, das dich der ritt schuette etc. Welcher gebete ich mein tag im Bapstum viel gehoeret und erfaren habe, und si nd fast alle ir gebet der art, damit wird Gottes nur gespottet, und were besser, sie spieleten dafur, wenn sie ia nicht bessers thun kuenden oder wollten, Denn ich hab selbs solcher horas Canonicas mein tage viel gebet leider, das der Psalm oder gezeit aus war, ehe ich gewar ward, ob ich angefangen oder im mittel were. 75
Dass das Stundengebet – auch als „Offiziumsliturgie“ – dennoch im Spätmittelalter hoch spirituell, ja mystisch erfahren werden konnte, hat Arnold Angenendt in seinen Ausführungen über Heinrich Seuse gezeigt. 76 Seuses mystische Erfahrungen sind eng an das gefeierte Offizium angelehnt. Kann man Luthers Psalmenfrömmigkeit als eine solche subjektive Aneignung objektiver Stundenliturgie werten, die er indes nie eingestehen konnte 3.2. Luthers eigene Erfahrungen mit dem Offizium im Kontext spätmittelalterlicher Liturgie Von diesen kurz umrissenen Grundlagen ist nun Martin Luther selbst in den Blick zu nehmen, und zwar im Hinblick auf seine eigenen Erfahrungen mit dem Stundengebet während seiner Klosterjahre. Bezüglich des klösterlichen Hintergrundes ist zunächst auf die gewissenhafte Plichterfüllung Luthers hinzuweisen.77 „Im Verhältnis Luthers zum Stundengebet, mit dem die Tageszeiten in der Woche geheiligt werden, bestand eine schwer auszugleichende Spannung: Einerseits war er geprägt durch die Psalmenfrömmigkeit, in die er als Mönch durch die regelmäßigen Gebetsstunden eingeübt war. Andererseits widersetzte er sich dem gesetzlichen Pensumsgedanken, der Werkfrömmigkeit und der Scheidung der Gläubigen in Priester und Laien.“78 Diese von Frieder Schulz benannte Spannung trifft für den späten Luther sicherlich zu. Doch wie war das Erleben des Chorgebetes für den jungen Luther während seiner Klosterzeit? Gab es wirklich die bemühte Psalmenfrömmigkeit, und wie sah sie aus? 79 Die entscheiden75
WA 38, 363 19–29. Vgl. ANGENENDT, Seuse. 77 Vgl. WENDEBOURG, Mönch 305. 78 So SCHULZ, Ordnung 18. Zur Psalmenfrömmigkeit Luthers als Grundlage seines Liedschaffens vgl. auch VEIT, Kirchenlied 46–52. Zur Auseinandersetzung mit dem Mönchtum vgl. die von J ASPERT, Mönchtum, edierte Reihe, hier etwa Band I, 49–67. Nur in Band 2 findet sich bezeichnenderweise ein seltener Hinweis auf das „Brevier.“ 79 Es wäre spannend, Luthers Ausführungen zu den Psalmen in die Überlegungen einzubeziehen, gerade im Hinblick auf seine Auseinandersetzung mit dem Mönchsideal. Zur 1. Psalmenvorlesung im Zusammenhang mit seiner Auseinandersetzung mit dem Mönchsideal vgl. LOHSE, Mönchtum 227–278. 76
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de Frage stellt Ulrich Köpf: „Wie haben der klösterliche Gottesdienst, das regelmäßige Stundengebet und die vorgeschriebenen Andachtsübungen seine persönliche Gebetspraxis, sein Verständnis von Gottesdienst im allgemeinen und von Liturgie im besonderen, aber auch seine Auffassung von worthafter und sakramentaler Existenz und sein Verhältnis zur Bibel geprägt?“80 Otto Scheel hat in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung von Luthers Schulaufenthalt in Magdeburg (1497–1498) hingewiesen. Luther begegnet hier wohl erstmals einem für die spätmittelalterliche Stadt so typischen prunkvollen kirchlichen Leben, besonders in der Liturgie der Domkirche.81 Dass Luther im Nachhinein keine guten Erinnerungen an den schlechten Chorgesang hat, macht folgendes Zitat deutlich: Man neme die Chorschueler zu Halberstad und Magdeburg, wenn sie das Quicunque singen, und lasse dafur schreien, Concilium, Concilium. das die Kirche und gewelbe beben. Die koend man ja hoeren, auch weit uber die Elbe, wenn wir gleich alle blind weren, alsdenn were die Kirche wol regirt, Und flugs aus solchen Chorschuelern eitel Bepste, Cardinel und Bisschove gemacht, als die so leichtlich die Kirchen regirn koennen, welchs sonst den Heiligen Vetern zu Rom unmueglich worden ist. 82
Der Kontext des Zitates ist der Ruf nach einem Konzil, der in der Kirche des Öfteren laut wurde und immer Hand in Hand mit dem Ruf nach Verbesserungen der Liturgie geht. Die Nennung Magdeburgs ist insofern bedeutsam, als die nachreformatorische liturgische Tradition des Magdeburger Domes eine große Traditionsstärke beweist. 83 Wie immer auch es um die Qualität des Gesanges bestellt gewesen sein mag, es wird deutlich, dass Luther in Magdeburg erste Erfahrungen auch mit der Offiziumsliturgie erhielt und sie durchaus mit ästhetischen Kategorien einordnete. Mit Luthers Eintritt ins Erfurter Augustinerkloster 1505 wird solcher Chordienst zur eigenen täglichen Gebetspraxis. Angelus A. Häussling hat darauf hingewiesen, dass bislang nicht abschließend geklärt ist, welche Form des Offiziums tatsächlich im Erfurter Augustinerkloster geübt wurde.84 Zu80
KÖPF, Lebensgang 199. Vgl. SCHEEL, Luther 1, 66–67; 82–89. 82 Martin LUTHER, Von den Konziliis und Kirchen 1539, in: WA 50, 488–653, hier 531 9–15. Das Quicumque vult ist das Symbolum Athanasianum der sonntäglichen Prim. Bereits in der 1. Psamenvorlesung 1513/15 geht es Luther um ein andächtiges Beten „non sicut Chorales halberstadenses,“ in: WA 55 I, 294 17. Vgl. B LOCK, Verstehen 106–107. 83 Zwei Druckwerke sind hier im Kontext des Stundengebetes zu nennen, zum einen das „Enchiridion Geistliker Leder vnde Psalmen“ von 1536 für deutschsprachige Vespern etc., zum andern, nach der Reformation auch des Domstiftes, die „Cantica sacra“ von 1613 für eine traditionsstarke lateinische Liturgie. Vgl. dazu ODENTHAL, Matutinae 113– 117. 84 B OHATTA, Bibliographie 2 (Nr. 1489–1513, ohne Verweis auf Inkunabeln). Ob also Erfurter Breviere (B OHATTA, Bibliographie 2, 200, Nr. 2223 und 2224) oder gar, wie HÄUSSLING (Luther 232) in Erwägung zieht, Mainzer Breviere genutzt wurden, bleibt 81
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nächst ist auf die bereits 1930 von Otto Scheel vorgetragene These hinzuweisen, man habe das Offizium nach dem Brauch der römischen Kurie zelebriert.85 Denn Innozenz IV. gewährte 1244 den Augustiner Eremiten das Privileg, jenes „Breviarium secundum usum romanae curiae“ zu nutzen: …Cum igitur perennis obtentu praemii sub Beati Augustini Regula Conditori omnium humiliter famulari et divinum officium secundum Ecclesiae Romanae consuetudinem elegeritis celebrare, Nos vestris precibus favorabiliter annuentes dictam Regulam auctoritate Apostolica devotioni vestrae duximus concedendam. Statuentes, ut vos et successores vestri perpetuis futuris temporibus observetis eandem et officium ipsum secundum praefatam consuetudinem celebretis. 86
Bereits der Name „Brevier“ der römischen Kurie verrät, dass hier eine gekürzte (brevis!) Form der Stundenliturgie begegnet.87 Vielfältige Veränderungsprozesse der Liturgie der römischen Kurie im 13. und 14. Jahrhundert, die hier nicht im Einzelnen nachvollzogen werden können, führten zu Kürzungen und Veränderungen der reichen Stadtliturgie Roms. Suitbert Bäumer resümiert: „Wenigstens ist das Resultat sicher, daß das Officium der päpstlichen Kapelle in den ersten Jahren des 13. Jahrhunderts kürzer war als jenes Officium, welches in den übrigen Kirchen Roms gehalten wurde, es war ein Officium Romanum abbreviatum.“ 88 Entscheidend ist, dass die Verkürzung der reichen stadtrömischen Stundenliturgie vor allem die vielen rituellen Elemente betraf, die die Liturgie als Feier charakterisierten.89 Seinen Siegeszug trat dieses neue Brevier dadurch an, dass es der Praktikabilität wegen bald von den Mendikantenorden rezipiert und nochmals kürzend verändert wurde. Was übrig blieb, war dann weniger Liturgie im Sinne einer Feier als vielmehr gerade jener Gedanke des Pensums, der spätmittelalterliche Gottesdienstauffassung prägt. Zurück zum Erfurter Augustinerkloster: Bildete das Breviarium der römischen Kurie, vermittelt unklar. – Insofern ist auch Otto Hermann Pesch nur mit Vorbehalt zuzustimmen, wenn er davon ausgeht, Luther sei Wort und Sachgehalt von iudicium „täglich im Chorgebet“ begegnet (PESCH, Luther 1131). – Zur Grundfrage nach einer eigenen Prägung der Erfurter Augustinereremiten vgl. KÖPF, Wurzeln, etwa 31–32. – Zur Erfurter Klosterzeit Luthers vgl. auch LINDNER , Luther. 85 Vgl. SCHEEL, Luther 2, 30–31, zum Stundengebet im Erfurter Kloster insgesamt 27–48. Scheel bezieht hier die Ordensstatuten des 16. Jahrhunderts mit ein. 86 So das Privileg Innozenz’ IV. vom 31. März 1244 (Nr. 39):, in: VAN LUIJK, Bullarium 36. 87 Vgl. hier die Textedition: Ordinal of the court of the Roman Church, compiled during the reign of Innocent III (1213–6), in: VAN DIJK, The ordinal 87–478. 88 B ÄUMER, Geschichte 319. 89 Vgl. den Hinweis auf die altrömische Ostervesper bei BÄUMER , Geschichte 323. – Es ist hier anzumerken, dass gerade die lutherische Offiziumsreform in der Beseitigung ritueller Feierelemente weiter voranschritt, so jedenfalls greifbar für die Liturgie des Halberstädter Domes. Vgl. dazu ODENTHAL, Ordinatio 61 u.ö.
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durch die Mendikanten, nun die Grundnorm täglichen Betens, bleibt indes unklar, welches Kalendar man dieser Brevierordnung regelnd zugrundelegte, ob man die Ordnung durch Festtage Erfurter oder gar Mainzer Provenienz abgewandelt habe.90 Daran hängt nun eine für Luther und seine auch aus der Brevierpraxis resultierenden Psalmenfrömmigkeit entscheidende Frage. Zwar regelt das Brevier grundsätzlich die Verteilung aller 150 Psalmen auf die Horen einer Woche. Doch wurde diese Wochenordnung auch wirklich gebetet, die für die „de-ea-Tage“ vorgenommene Verteilung aller 150 Psalmen pro Woche auch wirklich zum erklingenden Gebet? 91 Oder wählte man die vielen Heiligentage, was zu einer Verdrängung der Grundordnung der Psalmenverteilung geführt hätte? Dann hätte man nämlich den Communetexten mit ihrer Psalmauswahl den Vorrang vor dem Wochenpsalter gegeben mit der Konsequenz, dass nur ein bestimmter Prozentsatz an Psalmen zu beten gewesen wäre, dieser aber in gewisser, oftmals bis zum Überdruss führender Regelmäßigkeit. Damit wird der von Angelus Häussling zu Recht bemühte Unterschied zwischen gedrucktem Buch und verlautetem Buchstaben in die Überlegungen über Luthers eigene Brevierpraxis eingeführt. 92 Auch wenn die von Luther verwendeten Liturgica alle 150 Psalmen aufführen, heißt dies noch lange nicht, er habe alle Psalmen aus der Offiziumsliturgie gekannt, gar meditiert. 93 Dann muss die Frage, ob Luther durch Psalmenfrömmigkeit aufgrund des Stundengebetes geprägt war, vorsichtiger angegangen werden. 94 Denn gerade in franziskanischer Veränderung des Breviers der römischen Kurie wird man sagen müssen, „daß, abgesehen von den Lesungen der Matutin, die Verschiedenheit des Neuen und Alten nicht sowohl im Inhalt des Buches (Breviers) lag als vielmehr in dem Mechanismus, um diesen Ausdruck zu gebrauchen, in der verschiedenen Art und Weise seines Gebrauchs oder, wenn wir so sagen dürfen, des praktischen Nichtgebrauchs eines beträcht90 Es scheint sich lediglich ein liturgisches Buch aus dem Erfurter Augustinerkloster erhalten zu haben, nämlich ein Missale Romanum von 1598, vgl. MATSUURA, Restbestände 321. Vgl. auch die ehemals vorhandenen „Statuta provincialia Moguntina,“ die eine Anbindung an Mainz nahe legen könnten (ebd. 324). – Zur Bibliothek des Augustiner-Eremitenklosters in Erfurt vgl. auch P AASCH, Bibliothek. 91 Dies ist problematisiert bei HÄUSSLING, Luther 232. 92 Vgl. HÄUSSLING, Luther 233. – Diese Feststellung ist nicht unbedeutend im Hinblick auf das von Luther forcierte Prinzip der Mündlichkeit im Hinblick auf deren affektiver Kraft. Vgl. B LOCK, Verstehen 80–81. 93 Die eher populärwissenschaftliche Darstellung bei MANNS, Luther, räumt (28–30, 50) dem Stundengebet breiten Raum ein und hinterfragt einerseits zu Recht manche polemisch gefärbten Äußerungen Luthers. Doch andererseits wird (allein in Bezug auf den zeitlichen Ansatz der Horen) ein Idealbild des Chorgebetes gezeichnet, das zu Luthers Zeiten eher fiktiv ist. 94 Die Prägung von Luthers Psalmenfrömmigkeit durch Stundengebet auch bei MIKOTEIT, Theologie 1.
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lichen Theils.“95 Und ein solcher Nichtgebrauch könnte auch für Teile des Psalters zutreffen. Ein anderes Moment in Bezug auf Luthers eigene Stundengebetspraxis in der Klosterzeit muss benannt werden. Volker Leppin weist hin auf das Privileg für Lektoren des Ordens, das es ermöglichte, „das Stundengebet auch für sich außerhalb des Chores zu sprechen.“96 Indes sind die 1504 gedruckten Konstitutionen des Ordens hier differenzierter: Ad studium particulare conventus unus ultra duos fratres non mittat, sive clerici sint sive sacerdotes. Et illi tentatis lectionibus etiam chorum die noctuque visitent. Concedimus tamen, ut ex laudibus matutinarum exeant sextasque extra chorum dicant. Lectoribus autem et cursoribus concedimus, quod matutinas et completorium una cum sextis extra chorum dicere valeant, ad alias autem horas sine discretione singuli vadant. In festis vero, quando a lectione vacant, omnia ista privilegia cessant. 97
Also wird grundsätzlich die Chorpflicht beibehalten, indes für bestimmte Gruppen nur einzelne Horen freigegeben: Matutin, Komplet und Sext. Es verbleiben als Pflicht die Vigilien, Prim, Terz und Non sowie die Vesper. Ist Luther also diesen Konstitutionen gefolgt, modifizieren sich seine Angaben, er hätte die Brevierpflicht eines halben Jahres aufgespart. Es kann sich dabei immer nur um Teile des Stundengebetes gehandelt haben. Von hierher würde sich noch einmal anders einer seiner Aussprüche bei den Tischreden erschließen, der weiter unten noch zur Sprache kommt, indes hier bereits zitiert sei: „Als ich“ sprach D. Martin Luther, „noch im Kloster ein Mönch war, hatte ich so viel zu schaffen mit Lesen, Schreiben, Predigen und Singen in der Kirche, daß ich dafür meine horas canonicas nicht beten konnte. Darüm wenn ich sie die sechs Tage uber in der Woche nicht beten konnte, so nahm ich den Sonnabend für mich und bliebe ungessen den Mittag und auf den Abend, und betete den ganzen Tag uber. Also waren wir arme geplagte Leute mit den Decretis und Satzungen des Papsts. Davon wissen jzt die jungen Leute nichts.“98
Was meint Luther hier mit „Singen in der Kirche?“ Es könnten die Teile des Stundengebetes gemeint sein, die Luther im Rahmen des gemeinsamen Chorgebetes zu persolvieren hatte, die aber eben viel Zeit in Anspruch nahmen, Zeit, die ihm anderswo fehlte, sei es bei der Privatrezitation der übrigen Horen, sei es bei seiner wissenschaftlichen Arbeit. Mit den „horas canonicas“ aber wären, so diese Interpretation zutrifft, nur die privat zu vollziehende Matutin, Sext und Komplet gemeint. Dass solche Praxis Mü95
So die Wertung bei B ÄUMER , Geschichte 327. LEPPIN, Luther 42. 97 GÜNTER, Constitutiones, cap. 36, 263 15–22. Im Apparat zum Zitat werden übrigens andere abweichende Regelungen der Quellen angegeben. – Diese Quelle müsste auf die konkrete Gottesdiensterfahrung Luthers systematisch ausgewertet werden. 98 WA Tischreden 4, 654 17–23 (Nr. 5094). 96
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he machte, zeigt folgender Ausschnitt eines Briefes, den Luther am 26. Oktober 1516 aus Wittenberg an den Erfurter Prior Johannes Lang sendet: „Raro mihi integrum tempus est horas persolvendi et celebrandi praeter proprias tentationes cum carne, mundo et Diabolo.“ 99 Wie auch immer: Sicher ist, dass Luther neben dem gesungenen Chordienst das Stundengebet als Breviergebet kannte, das seiner privaten Rezitation auferlegt blieb. 100 Vielleicht ist folgende eher zaudernde Äußerung Luthers ein guter Spiegel authentischer Erfahrung der Offiziumsliturgie des Erfurter Klosters im Spätmittelalter. Unter den Sermonen aus den Jahren 1514 bis 1520 findet sich die Schrift „Theologiae fundamentum“ mit folgender Äußerung: Sed tamen non reiicio, quae ordinavit ius canonicum, ut horae canonicae cantentur et coenobia ordinentur. Aber es sall nit schlisßen, ut id sit solum opus Dei. Sed omne opus Christiani hominis sall sein ein Dinst Gottes. 101
Hier bestreitet Luther den Sinn der Stundenliturgie nicht völlig, stellt sie aber in den entscheidenden theologischen Kontext, die gesamte christliche Existenz solle ein Dienst Gottes sein. Auch in den „Dictata super Psalterium“ der Jahre 1513–1516 konnte Luther noch eine regelrechte „Kultätiologie“ der „horae canonicae“ vorlegen.102 Für Psalm 118,164 (Vg.) „Septies in die laudem dixi tibi super iudicia iustitiae tuae“ gibt er folgende Deutung: „‚Septies’ inquit. Cur hoc? Sine dubio, quia prophetavit ritum istum horarum, qui nunc in Ecclesia celebratur septenarius.” 103 Diese Kultätiologie könnte sich unter der oben benannten Vorsicht vor allem dann nahelegen, wenn Luther den 118. Psalm aus den kleinen Horen gekannt hat, was die oben erwähnte Notation seiner Lieblingsstelle Non moriar sed vivam inklusive ihrer Vertonung nahelegt. Dass Luther aber eine sinnentleerte Praxis der Horenkumulation seiner Zeit geißelt, zeigt sich in einem Brief Luthers an Spalatin vom 20. August 1519: Nihil enim ęque metuendum est in cerimonijs statuendis quam ne (ut Apostolus monet) spiritus extinguatur, Meliusque erit, ut interpolatis horis pauca singulis agant, quam si uno tenore omnia absolvent. 104
Denn der entscheidende hermeneutische Schlüssel für Luthers Psalmenund Gerbetsverständnis ist das Pauluszitat aus 1 Kor 14,15b: „Psallam spi99
WA.B 1, 72 11–13 (Nr. 28). Mit „celebrare“ ist in diesem Kontext der Feier der Messe gemeint. 101 WA 4, 65240–653 1. 102 In der Neuausgabe von Luthers 1. Psalmenvorlesung findet sich noch der Hinweis: „…et in eadem Ecclesia laudabunt benedicent Psalmis, vt nunc fit et horis Canonicis dominum qui requirent eum“ (WA 55 I, 200 8–10). 103 WA 4, 38527–28. 104 WA.B 1, 504 19–505 21. 100
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IX. „…totum psalterium in usu maneat“
ritu, psallam et mente.“105 Erneut kritisiert Luther in einem Brief an Spalatin vom 18. Dezember 1519 die Last, die die römische Kurie mit dem Stundengebet den Priestern auflege: proinde officium tuum a communibus laicorum officiis nihil differt, exceptis oneribus, Quę Ro[mana] Curia sine delectu omnibus sacerdotibus imposuit. (…) Sed imcomparabiliter praestantius omnibus tuis sive horis canonicis sive quibuscunque, quę tibi ullus praescribere possit, officiis. 106
Hier macht sich jene Tendenz der Auseinandersetzung mit den kirchlichen Gelübden bemerkbar, die zum entscheidenden Wandel im Jahre 1520 führte. Bei Angelus A. Häussling findet sich die Wertung, dass Luther „zeitlebens nie ein einziges gutes Wort für das Chorgebet über die Lippen brachte.“107 Angesichts der Schwierigkeit, Luthers tatsächliches Beten im Chor und als private Rezitation zu rekonstruieren, wäre folgende von Volker Leppin benannte methodische Vorsicht geboten. Manche der autobiographischen Notizen Luthers müssen im Kontext einer „Literatur, die einen Bruch im Leben, den Klosteraustritt, legitimieren will,“ 108 gedeutet werden. Dann aber lägen in den oft polemischen Äußerungen kaum mehr authentische Erfahrungen seiner Klosterzeit vor, sondern Ergebnisse seiner Auseinandersetzungen mit der monastischen Lebensform. 109 Denn es zeigt sich, dass „das geschmähte Chorgebet mit seinen Psalmen, Hymnen und Sequenzen sehr kräftig nachklingt in den Liedern und den liturgischen Texten des Reformators.“ 110 3.3. Das entscheidende Jahr: „Unser Herr Gott hatt mich mit gewald ab horis canonicis gerissen anno 1520“ Mit dem Jahre 1520 haben sich maßgebliche Positionen in Luthers Theologie entwickelt, etwa im Hinblick auf seine Auffassung des Mönchtums.111 Dasselbe Jahr ist für das Thema des Stundengebetes insofern bedeutsam, als Luther damals nach seinem Selbstzeugnis in den Tischreden das Horenbeten aufgab, also ein Jahr, bevor er in „De votis monasticis“ das 105
Vgl. B LOCK, Verstehen 57. WA.B 1, 595 35–37;41–42. 107 HÄUSSLING, Rez. Benediktinisches Antiphonale 104. 108 LEPPIN, Luther 39. – Zur prägenden Klosterzeit Luthers vgl. auch KÖPF, Lebensgang. 109 Vgl. P ABST, Analyse. 110 MANNS, Luther 50. – Zur Bedeutung des Psalters für Luthers Hymnenschaffen vgl. auch AURELIUS, Hymns 21–28. 111 Vgl. MESSNER, Meßreform 21. Vgl. dazu STAMM , Stellung 19–23. Zur Freiwilligkeit der Gelübde ebd. 23. Zur bleibenden Rolle des Mönchtums für die Reformation in dem Sinne, dass „dem Ernst der monastischen Existenzweise (…) keine Absage erteilt“ wurde, sondern man ihn in sich aufnahm, vgl. MOELLER , Reformation 155. 106
3. Luther und das Stundengebet
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Mönchsleben generell thematisierte. Mehrere Stellungnahmen Luthers zum Beenden des Horengebetes sind in den Tischreden überliefert, die im Folgenden zur Sprache kommen, weil sie verschiedene Gründe und Selbstdeutungen für das Aufgeben der Stundengebetspraxis überliefern, die durchaus in Spannung zueinander stehen. Gerade so werden aber Luthers Versuche der Selbstdeutung und -stilisierung greifbar, die im Kontext seiner Auseinandersetzung mit der monastischen Lebensform zu sehen sind. Eine vor dem 14. Dezember 1531 zu datierende Äußerung aus Johannes Schlaginhaufens Nachrichten überliefert auch das Jahr, in den Luther das Horenbeten beendete: Unser Herr Gott hatt mich mit gewald ab horis canonicis gerissen anno 1520, do ich schon uil schreib, und spart oft acht tag mein horas zusamen; auf einen sonabent zalt ich nach einander ab, das ich per totum diem weder aß noch tranck, und schwecht mich also hart, das ich nimmer schlafen kunde, also das man mir Doctor Esch haustum soporiferum must geben, welches ich noch füle in meinem kopf. 112
Melanchthon hatte bereits früher als Luther dieses „monastische Erbe“ kritisiert, und zwar gemeinsam mit dem damaligen Theologieprofessor und späteren Bischof von Naumburg Nikolaus von Amsdorf.113 Martin Jung berichtet nun von der Kritik Melanchthons an Luthers Haltung, nicht wegen der Mühe, sondern wegen der Beharrlichkeit, die Luther an den Tag gelegt habe. Dies aber empfand Luther eher als Lob.114 Im Frühjahr 1533 findet sich eine ähnliche Bemerkung: Cum essem monachus, nihil volebam obmittere de precibus. Cum autem urgerer legendo publice et scribendo, sammlet ich mein horas offt ein gantze woch bis auff den sonnabend, je zwo wochen oder drey, das ich mich je drey gantz tag ein sperret vnd nichts ass vnd tranck, bis ich ausgebettet hett. Da war mir der kopff so toll dauon, das ich in funff nachten kein aug zu thett et decumbebam bis auff den todtt vnd kam von sinnen. Cum autem cito convaluissem, wenn ich wolt lesen, so gieng mir der kopff vmb. Also zoch mich vnser Herr Got vi quadam ab illa carnificina orandi. Adeo eram captus. Quare facile ignosco eis, qui non statim huic doctrinae assentiri possunt. Von dem ieyden wysst
112
WA Tischreden 2, 115–11. Vgl. JUNG, Frömmigkeit 52. Zu Nikolaus von Amsdorf vgl. BRUNNER, Nikolaus von Amsdorf 67–69 (zur Amtseinsetzung durch Luther und zur verwendeten Gottesdienstordnung); D INGEL, Nikolaus von Amsdorf; KOLB, Nikolaus von Amsdorf; vgl. auch die ältere Untersuchung von DELIUS, Briefwechsel. Auf Amsdorf geht die Schrift zurück „Horas canonicas Jn Kloestern uñ Stifften singen / Vnd gebotene Adiaphora halten / ist eben so wol Abgoetterey / Als die schentlichste Opffermesse,“ gedruckt zu Jena 1562. VD 16: A 2374. Exemplar in der Universitätsbibliothek Tübingen, Signatur Gf 18 a. Zu dieser Schrift vgl. auch SCHÄUFELE , Kirche, hier etwa 70, 76 und 85. Zu Amsdorf als Magdeburger Superintendent vgl. KAUFMANN, Ende 19–30 u.ö. 114 Vgl. J UNG, Frömmigkeit 52–53. Dort eine Diskussion der verschiedenen Quellenüberlieferungen der oben zitierten Begebenheit. 113
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IX. „…totum psalterium in usu maneat“
yhr jungen gesellen nichts; es geht mit euch zu, sicut cribitur: Alii laboraverunt, alii intraverunt labores eorum. 115
Es ist dasselbe Motiv wie in der ersten zitierten Äußerung: Gott selbst zog mit Gewalt („vi quadam“) von solchem Beten weg. Aus Anton Lauterbachs und Hieronymus Wellers Nachschriften hat sich eine weitere Äußerung von Dezember 1537 erhalten. Hier geht es um die verschiedenen Weisen des Betens, etwa rein „material“ das Brevier zu persolvieren „wie die nonn den psalter gebetet haben“ 116 – das heißt ohne tieferes Nachdenken und Verstehen. Die Berichterstatter fügen an das Aufzählen der vielen Tagestätigkeiten Luthers an: Deinde recitavit Martinus Lutherus, quomodo initio euangelii illis horis canonicis se macerasset. Cum negotiis occupatus intermisisset, sabbato inclusus septies oravit; tandem negotiis et valetudine impeditus non potuit implere, cumque alii ut Amsdorffius irriderent ipsius precationes, se quoque dimisisse, et maxime ex desperatione: Ingens erat carnificina, unde per euangelium liberati sumus, et si solum hoc beneficium conscien tiis contigisset ex libertate christiana, gratiarum actione dignum esset. Nemo enim credit, quantae molestiae in papatu fuerint, nec potest aliter fieri, quin sine spiritu infinitae leges et opera tradantur, sicut liber Rationale divinorum infinita monstra tradit. 117
Beachtenwert ist das Motiv der Verzweiflung, das Luther hier benennt: Bei der Auswegslosigkeit seiner Überlastungen vermag das Stundengebet nicht zu entlasten, im Gegenteil: es vergrößert die Last und Not. Nur kurz hingewiesen sei hier auf das als Überlieferungsquelle benannte „Rationale divinorum officiorum“ des Durandus von Mende (1230/1–1296), eine der am weitesten verbreiteten Liturgieerklärungen des Mittelalters, die zugleich ein Beispiel mittelalterlicher Verstehenslehre der Liturgie ist. 118 Hier geht es um die Ausbildung und Rezeption allegorischer Liturgieerklärung, die das gesamte Mittelalter prägt. 119 Für Luther rückt solches Denken in dem Maße ferne, wie er sich um das wahre Beten im Geist müht, das nun auf die Worte des gebeteten Psalters zu achten hat, wie sich aus einer 115
WA Tischreden 1, 220 9–20 (Nr. 495). WA Tischreden 3, 485 25–26. 117 WA Tischreden 3, 485 34–486 9 (Nr. 3651). „Darnach fing er, Doctor Martin Luther, an und sagte, ‚wie er sich in der Erste, da das Euangelium angangen wäre, zumartert hätte mit den horis canonicis, die er unterlassen und nicht gesprochen hätte fur vielen Geschäften. Am Sonnabend hätte er sich versperret und in seine Zelle verschlossen, und was er dieselbe Woche uber versäumet, das hätte er erfüllet. Endlich aber wäre er durch Geschäfte und Schwachheit seines Leibes so beschweret und verhindert worden, daß er sie nicht hätte können compliren und erfüllen. Und da die Andern, als Amsdorf, solch Betens lachten und verachten, hätte ers auch lassen fallen, denn es wäre ihm doch nicht möglich gewest zu thun, hätte es also aus Verzweiflung unterlassen“ (WA Tischreden 3, 486 32–39). 118 Vgl. hierzu FAUPEL-DREVS, Gebrauch. 119 Vgl. hierzu MESSNER , Hermeneutik. 116
3. Luther und das Stundengebet
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in den Nachschriften des Johannes Mathesius vom Juni 1540 erhaltenen Darstellung desselben Sachverhaltes ergibt: Ego cum essem monachus, eram impeditus multis negotiis legendo, scribendo, cantando etc. ita, ut non possem propter negotia orare horas canonicas. Quare si per sex dies intermisi, sabbatho incoenatus mansi et impransus et oravi totum diem, sed tamen non curavi verba. So waren wir arme leut geplagtt cum decretis pontificum. Dauon wissen die junge leut nichts. 120
1542 berichtet Luther davon, er habe einem des Latein nicht sonderlich kundigen Geistlichen abgeraten, die „horas canonicas“ zu beten. Aus seiner eigenen Erfahrung fügt er an: Ich pflegte auch so hart uber den horis canonicis zu halten (...) Ja, ich pflegte wo l 14 tage oder vier wochen auff zcu sammeln horas canonicas, wan ich zcu thun hatte, und schutte einen gantzen boden voll; darnach nam ich eine gantze wochen fur mich ader einen tag ader drey und sperret mich in eine kammer, das ich wider tranck noch aeß, bis ich den bodem wol abgebettet hatte. Und balt schutte ich wider einen hauffen auff, das ich ßo lange bette, bis ich todt kranck druber war. Und zcu letzt samlet ich bey eim gantzen virtel jar auff; da wart mirs zcu viel, und ließ gar fallen. (..) Was thedt ein Doctor zcu Erffurd in meinem kloster? Der war ein virtel jar wegk, vnd als er wider kam vnd die horae canonicae gar sehre gewachsen warn, das er sie nicht kundt erreichen, nam er zwene zcu sich, den schenckt er etzliche gulden, das sie im hulffen betten, auff das er deste ehe dauon kam. (…) Mein prior thets hie auch. Wan er gleich im chor die horas gesungen hatte, gedachte er, wan er mocht etwas außgelassen haben; ßo er in sein zcel kam, hub er an die horas widderumb zu betten. Vnd war also ein molestissimus labor, ein recht carcer vnd purgatorium, da wir innen sein gemartert worden. Da wist ir nichts von.121
Die verschiedenen Aussagen beschreiben jedes Mal dasselbe Phänomen und Luthers Konsequenzen. Luther hat keine Zeit, seine außerhalb des Chordienstes einzuhaltenden Brevierverpflichtung einzulösen und häuft das Gebetspensum als Leistung auf, die er versucht abzuzahlen, bis er schließlich dieses Beten aufgibt. Doch die Deutung des Geschehens in den Selbstaussagen ist unterschiedlich und verändert sich, wobei natürlich in Rechnung gestellt werden muss, dass die Äußerungen durch verschiedene Hörerinterpretationen in den einzelnen Nachschriften gefiltert sind. Ist es zum einen der Gewissenskonflikt, nicht mehr den Anforderungen zu genügen, in Verzweiflung überfordert zu sein, so – durchaus in Selbstinszenie120
WA Tischreden 4, 654 1–6 (Nr. 5094). WA Tischreden 5, 1371–10;15–18;22–27 (Nr. 5428). Derselbe Sachverhalt findet sich auch in der Sammlung B von Anton Lauterbach, leider ohne Datierung, weshalb eine Einordnung in den hier vorgeschlagenen Interpretationsduktus kaum gelingen mag. Luther schildert die gegen die Freiheit des Evangeliums gerichteten päpstlichen Zeremonien. Aber man sei es von Jugend auf gewohnt: „…nisi Deus me vi abstraxisset verbo, quod tum praedicabam, nunquam id potuissem“ (WA Tischreden 5, 474–475, hier 475 1–2; Nr. 6077). Nun fügt er die Geschichte seines Aufsparens der Horen an. 121
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IX. „…totum psalterium in usu maneat“
rung – zum anderen Gottes Eingreifen selbst, das diesen Konflikt löst. Aus theologischen Gründen formt sich diese Wertung jedoch um, und es kommt zu einer Ablehnung der Papstkirche mit ihren menschlichen Satzungen angesichts der Freiheit des Evangeliums; aber dieses Verstehensmodell „konstruiert“ Luther erst im Laufe seiner Entwicklung.122 In der Fassung von vor Dezember 1531 ist es Gott selbst, der Luther mit Gewalt aus seiner gewohnten Praxis herausgerissen hat, was als Topos ebenfalls 1533 zu finden ist: „vi quadam“ zog Gott Luther von jener „Folterkammer“ (carnificina) des Betens. Das heißt, Luther habe eigentlich so weitermachen, seine Brevierverpflichtung treu einlösen wollen, hätte nicht Gott selbst eingegriffen, weshalb er legitimerweise nun das Horenbeten beendet habe. Der Bericht von 1542 nun stellt den ganz praktischen und subjektiven, nicht mehr den theologischen Grund ins Zentrum: Das Pensum ist Luther zu viel geworden, die Last des normierten täglichen Betens zu groß. Die unterschiedliche Akzentsetzung durch praktisch-konkrete oder theologische Motive könnte sich aus dem Kontext der Äußerungen erschließen. Der ältere Bericht von vor 1531 könnte noch im Zusammenhang mit der damals zehn Jahre früher erschienenen Schrift „De votis monasticis“ von 1521 stehen. 123 Dort nimmt Luther in der Vorrede an seinen Vater zu den Mönchsgelübden als Menschenwerk Stellung, die in seinem Fall vor dem Gehorsamsversprechen den Eltern gegenüber standen. 124 Eigentlich hätte sein Vater ihn vor dem Mönchtum bewahren müssen. Doch es kam anders, und damit der Vater sich nicht rühmen kann, hat Gott selbst ihn nun herausgerissen aus einer falschen Gewissensverpflichtung: „At ne tu glorieris, praevenit te dominus et ipse me extraxit.“ 125 Luther gebraucht hier die seine Handlung legitimierende theologische Formel: „ipse me extraxit,“ die er in den Äußerungen der Tischreden über das Breviergebet nun zitiert und ins Deutsche übersetzte: „Unser Herr Gott hatt mich mit gewald ab horis canonicis gerissen anno 1520.“ Im Kontext der Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit gibt nur ein Eingreifen Gottes selber die Gewissensfreiheit, eine einmal übernommene Verpflichtung abzulegen. Damit schließt sich der Bogen: Die gewaltsame Aktion Gottes korrespondiert dem „von Schrecken und der Furcht vor ei-
122 Vgl. LEPPIN, Luther 45, der auf die Werkgerechtigkeit als eine späte Deutekategorie Luthers hinweist. 123 Vgl. zum folgenden Zusammenhang SCHÄUFELE , „…iam sum monachus et non monachus.“ 124 Zur Besonderheit dieser Widmung an den Vater vgl. WERBECK, Widmungsvorrede. 125 WA 8, 575 24. Ebenso auch Z. 35: „Caeterum is, qui me extraxit….“
3. Luther und das Stundengebet
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nem plötzlichen Tode umwallt“ 126 gezwungen abgelegten Mönchsgelübde, wozu auch die Brevierverpflichtung zählt. Beide, die Praxis des gewissenhaften Rezitierens eines auferlegten Gebetspensums wie das bemühte „Eingreifen“ Gottes selbst, zeugen von der Bedeutung der Materie: Die Praxis des täglichen geregelten Betens ist in den zwanziger und dreißiger Jahren ein wichtiges Thema für Luther – auch in seiner Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensform. 127 Wiederum elf Jahre später, 1542, kann Luther die Beendigung des Brevierbetens mit mehr Distanz betrachten: Es ging um eine Plage, die einfach, menschlich betrachtet, für ihn zuviel geworden war und nicht seiner Art des Betens entsprach. Luther kann hier deutlicher, ungeschminkter sagen, was Sache ist. Doch bleibt die theologische Begründung seiner neuen und anderen Weise des Betens nicht außen vor. In den Nachschriften seiner Tischreden durch Johannes Mathesius 1540 findet sich die Frage, warum die lutherische Gebetspraxis so „frigide et raro“ sei. Darauf antwortet Luther: „Diabolus tam ursit nos: Perge, perge! Ille est fortis in suis. At Spiritus Sanctus vocat iam nos et admovet sensum et est frigidior in nobis malis.“ 128
126 WA 8, 573 31–574 1: „et ego de coelo terroribus me vocatum assererem, neque enim libens et cupiens fiebam monachus, multo minus vero ventris gratia, sed terrore et agone mortis subitae circumvallatus vovi coactum et necessarium votum.“ 127 Dass Luther das Stundengebet als Teil seiner Vergangenheit im Jahre 1531 besonders beschäftigte, zeigt der 1535 gesammelte Kommentar zur im Jahre 1531 gehaltenen Vorlesung über den Galaterbrief. Theologischer Kontext ist die Auseinandersetzung des Paulus im Galaterbrief mit Gesetz und Beschneidung. Beide haben nach Aussage des Galaterbriefes jedwede Heilsbedeutung verloren. Entscheidend ist der Glaube des freien Gewissens. Dies überträgt Luther auf die monastische Praxis: „Sic ego neminem cogo, ut exuat cucullum, cantet 7 horas et halten platten; quid ad nos? Sed sic permitto, modo dicat non necessaria ad iustificationem” (WA 40 I, 160 1–3). Denn es gilt der gnadentheologische Grundsatz: „Igitur neque Monachus per ordinem, neque Sacerdos per missam et horas Canonicas, neque Philosophus per sapientiam, neque Theologus per Theologiam, neque Turca per Alcoranum neque Iudaeus per Mosen iustificatur” (WA 40 I, 244 23–26). Und dann fügt Luther an anderer Stelle der Vorlesung die autobiographische Notiz ein: „Ego 40 iar in monachatu vixi, – et mihi servus similis qui saccos etc.? Et ego orassem canonicas horas? – das macht oculos schel“ (WA 40 I, 474 2–4). Eine andere Lesart der Vorlesung lautet so: „Sic hodie Papistae nostri murmurant, dicentes: Quid profuit nos vixisse viginti, triginta, quadraginta annos in Monachatu, vovisse castitatem, paupe rtatem, obedientiam, legisse horas Canonicas, Missasse, afflixisse corpus ieiuniis, orationibus, castigationibus etc., si maritus, uxor, princeps, consul, praeceptor, discipulus, si mercenarius aut servus portans saccos, si ancilla verrens domum non solum nobis pares, sed etiam meliores ac digniores sunt?“ (WA 40 I, 474 14–20). Hier formuliert Luther also die Konsequenz der Gnadentheologie, die das gesamte Gebäude der Werkgerechtigkeit ins Wanken bringe. Von der mit dem Galaterbrief gewonnenen Freiheit kann Luther das viele Lesen des Breviers nur noch spöttisch bewerten: es schade den Augen. 128 WA Tischreden 4, 580 12–14 (Nr. 4918).
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IX. „…totum psalterium in usu maneat“
Geistgewirktes Beten steht hier der bloßen Erfüllung einer Pflicht gegenüber. Eine dritte Äußerung aus dieser Spätzeit sei noch angefügt. Aus den 40er Jahren des 16. Jahrhunderts datiert folgender, bereits zitierter Ausspruch: „Als ich“ sprach D. Martin Luther, „noch im Kloster ein Mönch war, hatte ich so viel zu schaffen mit Lesen, Schreiben, Predigen und Singen in der Kirche, daß ich dafür meine horas canonicas nicht beten konnte. Darüm wenn ich sie die sechs Tage uber in der Woche nicht beten konnte, so nahm ich den Sonnabend für mich und bliebe ungessen den Mittag und auf den Abend, und betete den ganzen Tag uber. Also waren wir arme geplagte Leute mit den Decretis und Satzungen des Papsts. Davon wissen jzt die jungen Leute nichts.“129
Es ist durch die Einfügung „sprach D. Martin Luther“ als ein Zitat aus zweiter Hand deutlich gemacht, nämlich aus den genannten Nachschriften des Mathesius. Im Rückblick vermag das Ablegen der Brevierverpflichtung Luthers Gewissen deshalb nicht mehr zu beunruhigen, als es lediglich um „Decretis und Satzungen des Papsts“ ging. Und doch fügt Luther einen merkwürdigen Satz an: „Davon wissen jzt die jungen Leute nichts.“ Diese Formulierung ist insofern aufschlussreich, als sie anzeigt, wie sehr sich die Welt geändert hat im Vergleich zu Luthers Gewissensnot als Mönch. Die Welt, aus der er einst stammte, gibt es nicht mehr, zumindest nicht in den Kirchen der Reformation. Sein innerer Weg ist deshalb, so könnte man interpretieren, für die jungen Leute kaum nachzuvollziehen, da sie die Ausgangsbedingungen, die Luthers Mönchtum prägten, nicht mehr kennen.130 Bezieht man die obigen Überlegungen über Luthers eigene Brevierpraxis mit ein, muss nochmals gefragt werden, was Luther im Jahre 1520 eigentlich fallen ließ: Mit Sicherheit das eigene private Brevierbeten im Sinne einer Persolvierung, sicherlich auch den Verpflichtungscharakter des gemeinsamen Chorgebetes, aber nicht unbedingt das gemeinsame geregelte Chorgebet selbst, so es seinem eigenen Verständnis von Gebet nahe kommt. Jung kommt zu dem Schluss: „Luther hat, nachdem er das Horenbeten im strengen Sinne aufgegeben hatte, dennoch am regelmäßigen Psalmenbeten zu fixierten Zeiten festgehalten, also die mönchische Tradition in einem freien, nicht gesetzlichen Stil weiter praktiziert.“ 131 Das Ergebnis des Vergleiches der Berichte über das Aufgeben des Horenbetens 1520 macht Folgendes deutlich: Der erwähnte Zuwachs an Deutungserfor129
WA Tischreden 4, 654 17–23 (Nr. 5094). Es ist fraglich, was mit dem Singen in der Kirche gemeint ist: Im Sinne der Ordensstatuten das gemeinsame Chorgebet, an dem auch Luther weiterhin hatte teilnehmen müssen, bis auf die den Lektoren zur Privatrezitation überlassenen Horen Matutin, Sext und Komplet. 131 JUNG, Frömmigkeit 53. 130
3. Luther und das Stundengebet
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dernissen in der Biographie führt zur Interpretation der „horae canonicae“ auf der Grundlage der Werkgerechtigkeit, also jener erst im Laufe Luthers eigener Entwicklung ausgebildeten Kategorie, die nun ihrerseits persönliche Erinnerungen rückwirkend überzeichnet. Denn Luther hat ja in Bezug auf die Verdienstlichkeit monastischer Existenz bereits „innerhalb des Klosters den Hinweis bekommen, dass auch das Mönchtum gerade so nicht zu verstehen sei.“132 Jener Vorgang der Überlagerung des eigenen Erlebens durch theologische Motive war für Luther in den zwanziger und dreißiger Jahren wohl notwendig, um den inneren wie äußeren Prozess der Auseinandersetzung mit der monastischen Lebensform beziehungsweise dessen Umwandlung zu legitimieren. Hier schafft Luther jene theologische Grundlage, Gott selber habe ihn vom Horenbeten befreit, obgleich er – das ist ja dann zwischen den Zeilen gesagt – selber gerne und selbstredend dabei geblieben wäre. Dieses theologische Argument tritt in den vierziger Jahren in den Tischreden eher zurück zugunsten der Motive seines persönlichen Erlebens: seine Gewissensnot angesichts des für ihn unerträglichen Gebetspensums. Und vor diesem Hintergrund kann das Horenbeten in Luthers Theologie zum Musterbeispiel der Werkgerechtigkeit avancieren. 133 Es bleibt eine theologische Einsicht: Das Horenbeten als Pflichterfüllung entsprach nicht Luthers Art des Betens, vielmehr findet er in Abarbeitung an der alten Praxis zu seiner eigenen Form des Gebetes. Wenn Volker Leppin darauf hinweist, dass Luther Stationen seiner Vergangenheit mit Kategorien interpretiert, „die ihm überhaupt erst nach seiner reformatorischen Entwicklung zur Verfügung standen,“ 134 so kann ergänzt werden, dass sich manche seiner im Prozess der Ablösung von der monastischen Lebensform nötigen Deutekategorien mit seiner weiteren Entwicklung nochmals verschieben und modifizieren. Von hierher erscheinen die Entwürfe vom Stundengebet im Gemeindekontext in einem anderen Licht. Man wird dann Folgendes sagen können: Luther projektierte Stundenge132
LEPPIN, Luther 78. Ein Beispiel aus vielen anderen sei Luthers Auslegung des 14., 15. und 16. Kapitel des Johannesevangeliums 1538, wobei er den Gedanken des rechten Gottesdienstes wieder aufgreift: „Wie wir bisher inn allen kirchen und Clostern alle stunden soviel gebettet und doch nye nichts erbettet haben, Denn der gnade kunden wir uns nicht zu jm versehen, das wir gewislich erhoret wurden, Dachten nur: Jch mus also beten meine Horas, Rosenkrentze und anders, obs aber Gott gefalle und lust daran habe und mich erhoren wolle, das weis ich nicht, Das ist ja ein elend wesen der welt ausser Christo, da es heisst viel gethan und geerbeitet und doch nichts uberal ausgerichtet, viel gebetet, gesucht und geklopfft und doch nichts erlanget noch gefunden oder geschaffet, Denn sie feilen der rechten thur, denn was sie thun und beten, das thun sie wie sonst ein werck on glawben, haben keinen trost noch zuversicht, ja keinen rechten gedancken, das es Gott gefalle oder sie erhore“ (WA 45, 681 1–11). 134 LEPPIN, Luther 45. 133
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IX. „…totum psalterium in usu maneat“
betszeiten als Gemeindeliturgie, nicht obwohl er die „horas canonicas“ aufgegeben hatte, sondern weil er über diese Auseinandersetzung mit seinem monastischen Erbe zu jener für ihn einzig legitimen Form des Betens hingefunden hatte, die eben nicht Folter („carnificina“), sondern Erfahrung der Gnade ist. Bevor Luthers Projekte für das Stundengebet als Gemeindeliturgie vorgestellt werden, sollen noch Äußerungen Luthers aus den frühen zwanziger Jahren in den Kontext der bisherigen Überlegungen gestellt werden. Luther deutet seine Absage an die Horenverpflichtung 1520 – zumindest nachträglich – ähnlich wie die Freiheit den Mönchsgelübden gegenüber als Eingreifen Gottes. Angesichts der Verbindung von beidem verwundert es nicht, dass auch in der Schrift „De votis monasticis“ (1521) das Stundengebet als Offizium Thema wird. Hintergrund ist hierbei das Klosterleben, das auf den Ewigen Gelübden beruht. 135 Luther beschreibt zunächst generell den veräußerlichten Kult, so auch indirekt das Offizium: Ita iacet quidem verus ille cultus dei, tribus praeceptis primis institutus, et viae Zion lugent, eo quod non sit qui veniat ad solennitatem: in cuius locum illi alium substituerunt sese plane dignissimum, qui est pompa illa cerimoniarum in veste, gestu, cantu, lectionibus, in quibus omnibus nihil fidei neque nominis neque operis est divini, sed omnia sunt humanissima. 136
Nicht der Gottesdienst an sich, sondern die Vorschrift hierzu, die indes auf menschlicher Weisung beruht, ist sein Kritikpunkt. Im Anschluss an 1 Kor 14 stellt Luther dann den ursprünglichen Sinn des Gottesdienstes dar, und zwar in seiner dreifachen Gestalt in Form von Schriftlesung, Auslegung und Gebet.137 Demgegenüber ist die Praxis des Betens, die Luther vorfindet, jedoch die des kirchlichen Offiziums: Primum aemulantur hodie lectionibus matutinalibus, Epistolis, Euangeliis et singularibus cantibus, Alterum Omiliis, Tertium Responsoriis, Antiphonis, Gradualibus, et quaecunque communiter leguntur vel cantantur, sed infoeliciter omnia. Non enim docendi aut exhortandi, sed operandi tantum studio omnia fiunt. Sic enim legisse, sic cantasse, sic boasse illis satis est. Hoc opus quaeritur et vocatur cultus dei. Quid autem legatur et cantetur, aut cur legatur et cantetur, ne in mentem quidem venit, nec est propheta, qui interpretetur et doceat. Proinde ne sint ociosi in hoc mirabili cultu dei, dedunt sese curae et sollicitudini praelegendi, praecantandi, recte distinguendi, pausandi, terminandi, attendendi, hoc unum spectantes, ut bene, devote et laudabiliter legatur et cantetur.138
Luther zählt hier die einzelnen Bestandteile des Stundengebetes auf: die Lesungen des nächtlichen Offiziums, das in die einzelnen Nocturnen mit 135
Vgl. zu Hintergrund und Aussageabsicht STAMM , Stellung 49–56. WA 8, 62112–17. 137 Vgl. WA 8, 62117–22. 138 WA 8, 62123–33. 136
3. Luther und das Stundengebet
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ihren jeweiligen Lesungen eingeteilt ist. Diese Lesungen sind teils aus der Heiligen Schrift, teils Heiligenviten, teils Kirchenväterhomilien. Sie werden jeweils mit den Responsorien beantwortet. Doch selbst für die biblischen Lesungen gilt, dass sie im Sinne eines Persolvierens des vorgegebenen Offiziums als Einlösung einer Pflicht vollzogen werden. Sie sind deshalb „unfruchtbar“ („infoeliciter omnia“), da sie nicht der Verkündigung der Frohen Botschaft dienen. Sie bleiben „verba peregrina (…) quae nemo intelligat.“139 Niemand kann zur Einsicht kommen, da niemand das Wort Gottes auslegt. Ein solcher „murmur in choro“ 140 aber bleibt für Luther sinnlos: „In choro autem boare aut murmurare mandatum non est, imo, cum sit deum tentare et irridere, prohibitum est.“ 141 Luther geht es in der Schrift „De votis monasticis“ keineswegs um die Ordensgelübde als solche, sondern es „soll vielmehr gefragt werden, welche Gelübde fromm, gut und gottgefälltig sind.“ 142 Das Gleiche gilt für den Gottesdienst. Die Frage ist folgende: Wann und in welchem Sinne erfüllt er die durch Paulus vorgegebenen Kriterien eines wahren Gottesdienstes, als da sind Schriftlesung, Auslegung und Gebet, und all dies zur Auferbauung der Gemeinde? Deshalb geht seine Kritik auch nicht gegen das Stundengebet an und für sich, sondern seinen Charakter als „Offizium.“ Luther beschreibt seine eigne Lebensgeschichte: „Sic in eadem regula voveo statutis horis orare, vestibus, cibis, locis uti. At ubi aegrotavero, ut nihil horum possim, votum non tenetur.”143 Hier kommt ein weiteres Argument für das Aufgeben der Brevierverpflichtung hinzu, nämlich das Erkranken über diesem Tun, ein Argument, das bereits in den Tischreden begegnete. Dass das Thema der Horen Luther 1521 und 1522 sehr beschäftigte, zeigen folgende Äußerungen. In einer Predigt zum Sonntag Iudica am 17. März 1521 kommt Luther wieder auf die Horae zu sprechen: Uber die werck hatt mann andere werck auffgesetzett durch menschenn geboet, mit feyertagen, fasteltagen, kleider tragen, kirch weyhen, horas betten etc. und daruff habenn sie viell regell gemacht. Das sein als allein Menschen geboeth. (…) Darumb sollen sulch werck gar frey bleyben, und wir sollens nur darumb brauchenn, das wir dar durch unßeren leyb frume behalten und den negsten dienen, wie gesagt ist. 144
Das Argument ist jedes Mal dasselbe: Es handelt sich um menschliche Satzung, die nicht in die Freiheit des Evangeliums führt. In einer Predigt in 139
WA 8, 6226. WA 8, 62528. 141 WA 8, 626 31–33, ähnlich WA 8, 628 14–15 und 6519–19. 142 STAMM, Stellung 49. 143 WA 8, 63310–12. 144 WA 9, 6131–4;9–12. 140
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IX. „…totum psalterium in usu maneat“
der Schlosskirche zu Weimar (19.10.1522) wird das Beten der sieben Horen als päpstlicher Gehorsam abgetan: Ein pfaff der hat ein gebott, von gott nicht, suendern vom Bapst, als die Septem boras betten, fasten die langen fasten, das und diß thun: er hengt dem mer an, des Bapsts gehorsam zu erfuellen, dan das er das zu lieb Cristo thutt, Er ließ er seinen nechsten hunger und nott leyden. 145
Eine Woche später greift Luther diesen Gedanken wiederum bei einer Predigt in der Schlosskirche zu Weimar (24.10.1522) auf und verdeutlicht ihn. Es geht nicht um die Liebe zu Christus, sondern letztlich um eine Fehlform des Gebetes, weil das Herz nicht mit dem Munde zusammenklingt: „Die nun also vil Rosenkrencz, horas Canonicas betten, die maledeyen got, Dan mit dem mundt betten die selben uemb das reich gottes, Aber ir hercz ist weit darvon.“146 Dieses Zitat ist insofern bemerkenswert, als die Unterscheidung von Herz und Mund (Stimme) – neben dem biblischen Fundament des Jesajazitates Jes 29,13 in Mt 15,8 – einen bereits in der Benediktsregel formulierten Grundsatz des Chorgebetes aufgreift. Zum Abschluss seiner Ordnung über das Psallieren schreibt Benedikt: „Ergo consideremus, qualiter oporteat in conspectu divinitatis et angelorum eius esse, et sic stemus ad psallendum, ut mens nostra concordet voci nostrae.“ 147 An der Heiligen Schrift orientiertes Beten, aber – so muss hinzugefügt werden – auch ein an der Benediktsregel orientiertes Beten kann nie nur bloßes Werk der Lippen sein. Nun räumt Benedikt im 18. Kapitel seiner Regel ein, wenn jemand eine bessere Psalmenordnung wüsste, stelle er eine andere auf.148 In diesem Sinne ist nun ein nächster Schritt zu tun, nämlich hin zu Luthers eigener Neuordnung des Stundengebetes, wie sie sich in den Gottesdienstordnungen des Jahres 1523 manifestiert. 3.4. Die Prospektive: Stundengebet als „Lernzeiten der Gemeinde“ Der Kontrast fällt auf: In seiner Predigt am Mittwoch nach Matthiä, dem 25.2.1523, urteilt Luther, wenn man die religiösen Menschen nach dem Sinn ihres Tuns befrage, wüssten sie keine Antwort. Deshalb gelte: 145
WA 10 III, 3443–7. WA 10 III, 37811–13. 147 REGULA B ENEDICTI 1992, cap. XIX6–7 (136). 148 REGULA B ENEDICTI 1992, cap. XVIII 22 (134): „Hoc praecipue commonentes, ut, sic cui forte haec distributio psalmorum displicuerit, ordinet, si melius aliter iudicav erit…“ – Es soll hier natürlich nicht behauptet werden, Luther habe diesen Vers zum Anlass seiner Neuordnung genommen, sondern lediglich auf den Spielraum aufmerksam gemacht werden, den die (benediktinische) Tradition bereits vorsieht. Dass dieser Spielraum in der benediktinischen Tradition erst spät ausgenützt worden ist, zeigt BRAULIK, Psalmen. 146
3. Luther und das Stundengebet
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Nihil praecipiendum in ecclesia, nisi sit mandatum in Euangelio. Patitur quidem, ut teneas septem horas, ut non habeas opinionem opus bonum esse. Tunc obiiciunt „ergo totus ordo ecclesiasticus errat.“ 149
Aber im gleichen Jahr 1523 kann Luther wie selbstverständlich in seiner Schrift „Von ordnung Gottesdiensts in der Gemeine“ nicht nur einzelne Horen als Teil der Gemeindeliturgie beschreiben.150 Vielmehr hat Martin Brecht darauf aufmerksam gemacht, dass die Umbildung des Horengottesdienstes zum Hauptthema wird. 151 Es handelt sich bei Luthers Kritik der Horen einerseits und der Neuprojektierung des Stundengebetes andererseits nur um einen vermeintlichen Gegensatz, denn Luther entwickelt gerade anhand der Kritik der Stundengebetspraxis seiner Zeit sein eigenes Gottesdienstverständnis, das das Stundengebet im Gemeindekontext prägen soll. Brecht weist auf die drei Kritikpunkte Luthers an der bisherigen Gottesdienstpraxis und so auch Form des Stundengebetes hin: a) Man habe nur gelesen und gesungen, aber eine Wortverkündigung und -auslegung im eigentlichen Sinne habe es nicht gegeben; b) Unchristliche Fabeln seien in den Gottesdienst eingedrungen; c) Das Ganze sei zum verdienstlichen Werk auf Kosten des Glaubens geworden.152 Positiv gewendet sind damit die drei Kriterien des Stundengebetes im luthersichen Verständnis benannt: a) Jede Form des Stundengebetes bedarf der Schriftauslegung; b) Textliche Grundlage des Stundengebetes muss die Heilige Schrift sein; c) Ein solcher Gottesdienst ist im Geiste evangelischer Freiheit zu vollziehen und nicht unter einem zu absolvierenden Pensum im Sinne religiöser Leistung. So projektiert denn Luther zunächst das tägliche Gebet der Gemeinde, bei dem man sehr wohl „der psalmen und ettlicher gutten Responsoria, Antiphon“153 gebrauchen kann. Vom werktäglichen Gottesdienst unterscheidet sich nun der Sonntag: Des sontags aber soll solch versamlung fur die gantzen gemeyne geschehen (...) und da selbs, wie biß her gewonet, Messz und Vesper singen (...). Die teglichen messen sollen abseyn allerdinge, denn es am wort, und nicht an der messen ligt (...). Das gesenge ynn den sontags messen und vesper las man bleyben, denn sie sind fast gutt und aus der 149
WA 11, 3421–24. Ein Vergleich der Formula missae von 1523 mit der Deutschen Messe von 1526 findet sich etwa bei JORDAHN, Kritik; BOËS, Gottesdienste; GRETHLEIN, Grundfragen 94– 95. Vgl. MESSNER, Meßrefom 190–202. Vgl. GOLTZEN, Gottesdienst 191–195. Goltzen macht (ebd. 193) darauf aufmerksam, eine verbindende Ordnung sei allerdings immer mehr aufgelöst worden. Vgl. auch BRECHT, Reform 51–55; B IERITZ, Liturgik 619–622. 151 Vgl. BRECHT, Reform 51. 152 Vgl. WA 12, 3510–18. Vgl. BRECHT, Reform 51. 153 WA 12, 3613–14. 150
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IX. „…totum psalterium in usu maneat“
schrifft getzogen, doch mag mans wenigern odder mehren. Aber das gesenge und psalmen teglich des morgens und abents zu stellen soll des pfarrers und predigers ampt seyn, das sie auff eyn iglichen morgen eyn psalmen, eyn feyn Responsorion odder Antiphen mit eyner Collecten ordenen. Des abents auch alßo, nach der Lection und auslegung offentlich zu lesen und zusingen. Aber die Antiphen und Responsoria und Collecten, legenden von den heyligen und vom creutz, laß man noch eyn tzeyt stille ligen, bis sie gefegt werden, denn es ist greulich viel unflatts drynnen. 154
Die eingangs vorgenommene Differenzierung des Begriffes „Stundengebet“ passt sich hier gut ein und bietet einen Schlüssel für Luthers differenzierende Position: Stundengebet ist sinnvoll und nützlich, wenn es als Gemeindeliturgie im Kontext der Verkündigung des Evangeliums dient, problematisch, wenn es als Chorgebet lediglich den Klerikern vorbehalten bleibt, es wird zur „Folterkammer“ (um diesen Begriff aus Luthers Tischreden über das Jahr 1520 aufzugreifen), wenn es vom einzelnen Kleriker als Pensum lediglich zu persolvieren ist. 155 Die Gottesdienstordnung der Pfarrei soll vom Stundengebet geprägt sein, aber eben unter anderen Vorzeichen als im Kloster mit seinen von Menschen gemachten Gewissenszwängen: „Das Herzstück ist die volkssprachliche Auslegung des biblischen Textes; das Gebet kommt hinzu,“ so Martin Brecht. 156 Doch kann diese Deutung um die Überlegung erweitert werden, welches Gebet hinzukommt: Es ist der Psalter, also durch und durch biblisches Beten, das damit selbst wieder Wortverkündigung ist und also Herzstück wird. Wie auch immer: Der tägliche Gottesdienst in Form des Stundengebetes bleibt ein grundlegendes Anliegen der Reformation, nicht zuletzt, weil er die tägliche Messe ersetzt. Luther schätzt indes die Lage realistisch ein, wenn er davon ausgeht, dass hauptsächlich Kleriker und deren Schüler nun die Träger dieser Liturgie sind:157 Auch ob solchs tegliches gottis diensts villeicht nicht die gantze versamlunge gewartten kunde, sollen doch die priester und schuler und tzuvor die ienigen, so man verhofft gutte prediger und seelsorger aus zu werden, solchs thun. 158
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WA 12, 3635–37; 37 6–7; 10–18. Später in seiner Schrift „Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe“ 1533 wird der eigentliche Kritikpunkt an der bisherigen Praxis sein, sie diene eben nicht dem Aufbau der Kirche: „Diese Pfaffen uben der obgenanten stueck keines, die zur Kirchen erhaltung Christus geordent hat, Sie predigen nicht, Sie Teuffen nicht, Sie reichen das Sacrament nicht; Sie absolvirn nicht, Sie beten nicht (on das sie das wort des Psalters loeren und wispeln)“ (WA 38, 222 25–28). 156 BRECHT, Reform 54. 157 Zu den Problemen des neuen täglichen Gottesdienstes in der konkreten Umsetzung in Wittenberg vgl. BRECHT, Reform 54–55. Vgl. hierzu B OËS, Gottesdienste 22–28. – Zum Gottesdienst in Wittenberg im Bericht des Wolfgang Musculus vgl. auch B IERITZ, Gottesdienst 88–91. 158 WA 12, 3629–32. 155
3. Luther und das Stundengebet
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Es muss noch angemerkt werden, dass, wie das obige Zitat deutlich macht, Luther weitere Reformen des Stundengebetes projektiert hat, vor allem im Bereich der Heiligenverehrung.159 Es wurde ja bereits darauf aufmerksam gemacht, welche Auswirkungen die Feier der Heiligentage etwa auf die tatsächliche Verwendung oder Auslassung von Teilen des Psalters in der bisherigen Praxis hatte. Von hierher sind Bemerkungen Luthers in seiner Schrift „Formula Missae et Communionis“ aus demselben Jahr 1523 bedeutsam, denn Luther plädiert für die Beibehaltung des ganzen Psalters, freilich handhabbar aufgeteilt: In reliquis diebus, quas ferias vocamus, nihil video, quod non ferri possit, modo missae abrogentur. Nam Matutinae trium lectionum et horae, tum vesperae et completorium de tempore (exclusis sanctorum feriis) nihil sunt nisi scripturae divinae verba. Et pulchrum, imo necessarium est, pueros assuescere legendis et audiendis Psalmis et lectionibus scripturarum sanctarum. Verum si quicquam hic novari debet, prolixitas mutari potest arbitrio Episcopi, ut tres psalmi pro matutinis, tres pro vesperis cum uno vel duobus responsoriis absolvantur. Haec vero non melius ordinantur, quam ipso arbitrio Ep iscopi, cuius est deligere optima in responsoriis et antiphonis et de dominica in dominicam per hebdomadam ordinare, ut nec nimia eiusdem assiduitate fastidium, nec nimia varietate et multitudine cantus et lectionum tedium spiritus generetur. Sed per partes distributum totum psalterium in usu maneat, et universa scriptura in lectiones partita perseveret in auribus Ecclesiae. 160
Wenn er also den ganzen Psalter der Kirche als Gebet aufgibt, verabschiedet er sich von der bisherigen Praxis der Heiligenfeste mit den immer gleichen Psalmen der Communeoffizien und kehrt zum Beten des gesamten Psalters zurück.161 Der Gedanke an ein Pensum wird damit nicht völlig aufgegeben, jedoch mit einer pädagogisch-seelsorgerischen Note versehen und in einen weitaus großzügigeren Rahmen eingepasst, als dies im bisherigen (idealen, nicht tatsächlichen) Zyklus von 150 Psalmen pro Woche möglich war. Das Ziel einer solchen Sicht hat Karl-Heinrich Bieritz mit einem Lutherwort benannt: „Daß das Wort im Schwang gehe.“ 162 „Es ist kennzeichnend für Luther, dass er nicht einmal einen solchen Gottesdienst haben will, in dem zwar das Bibelwort gelesen wird, die Predigt aber fehlt (…) Daraus darf man allerdings nicht den Schluss ziehen, Luther sei prinzipiell dagegen gewesen, die Schrift ohne darauffolgende Predigt zu lesen (…). Was ihm vorschwebt, sind die Horen, in denen nur gelesen wurde. Dazu kam, dass in den Horen erstens neben der Schrift auch Heiligenlegenden gelesen wurden und dass zweitens die Lesungen der Horen offici159
Vgl. GRETHLEIN, Grundfragen 90; auch VAJTA, Theologie 149–151. WA 12, 219 8–21. 161 Von hierher könnte man mit aller Vorsicht rückschließen, wie sehr Luther in seiner monastischen Stundengebetspraxis der Verzicht auf das regelmäßige Beten aller 150 Psalmen aufgrund der Verdrängung durch die Heiligencommune aufgefallen sein muss. 162 Vgl. B IERITZ, Gottesdienst; auch VAJTA, Theologie 118–122. 160
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IX. „…totum psalterium in usu maneat“
um-Charakter hatten. Das Erstere stritt direkt gegen das Wort Gottes, das im Gottesdienst dominieren sollte, das Letztere war in der Art des Schriftgebrauchs selbst verwerflich. Es ging ja nicht um die Menge des Gelesenen, sondern entscheidend war, dass das Wort Glauben wecken sollte. Nur so war das Wort nicht ein Wort ‚an sich,’ sondern wurde ‚für uns’ verkündigt, d.h. in die menschliche Wirklichkeit hineingestellt,“ so die Wertung von Vilmos Vajta.163 „Luthers Gottesdienstreform schließt durchaus Eingriffe in das Gefüge des mittelalterlichen Gottesdienstes ein.“ 164 Wenn Luther projektiert, dass die gesamte Heilige Schrift in den Ohren der Kirche bleibe, so entwirft er hier das Bild der auf das Wort ihres Herrn hörenden Kirche; und dies gilt, liturgisch umgesetzt zu werden. Die differenzierte Position Luthers wird nicht nur greifbar, wenn er die Einführung der Metten und Vespern in der Wittenberger Pfarrkirche anregt. Auch für das Stundengebet des Wittenberger Allerheiligenstiftes finden sich modifizierende Hinweise. Damit wird nun gemäß der eingangs vorgenommenen Differenzierung des Begriffes „Stundengebet“ das dritte Moment in den Blick genommen: Es geht um das Stundengebet als (gesungenes oder rezitiertes) Chorgebet. Zu Luthers Absage an eine rein pflichterfüllende private Brevierrezitation und seiner Neuprojektierung des Stundengebetes als Gemeindeliturgie tritt nun ein drittes Moment hinzu, das in der bereits erwähnten Chorgebetspraxis mancher Dom- und Stiftskirchen ein reiches Echo finden sollte. Von Luther selbst ist ein Brief vom 19. August 1523 erhalten, den er an Propst, Dekan und Kanoniker des Allerheiligenstiftes in Wittenberg gesendet hat. Der Kontext dieses Briefes ist, dass Luther mehrfach die hartnäckig an der alten Messpraxis festhaltenden Stiftsherren ermahnt, sich der neuen Lehre anzuschließen. Im Laufe des Jahres 1523 kommt Bewegung in die Sache. Die Stiftsherren selbst erbitten von Luther eine Gottesdienstordnung, die er im besagten Brief dem Stift vorstellt, indes ohne dass damit die Auseinandersetzungen beendet waren.165 Es geht thematisch also hauptsächlich um die Abschaffung der Messe. Und in diesem Kontext gewinnt die Stundenliturgie an Bedeutung, die die täglichen Privatmessen ersetzen soll und zu der Luther wie folgt Stellung nimmt: Tertio matutinae, horae, vesperae completorium maneant, sic tamen, ut de tempore cantentur solum, ac de nullis sanctis, nisi quos e scriptura habemus, et collectae vel cantica, quae sonant sanctorum suffragia, mutentur collectis et canticis de tempore. Loco autem missarum fiat sub matutinis ante ‚Te Deum laudamus’ lectio veteris testamenti 163 VAJTA, Theologie 150. – Zur Theologie der Rechtfertigung als eines Wortgeschehens vgl. MESSNER , Meßreform 119–127. 164 B IERITZ, Gottesdienst 84. 165 Zur Auseinandersetzung Luthers mit dem Wittenberger Kapitel um die Reformierung der Liturgie vgl. immer noch B UCHWALD, Streite; BUCHWALD, Bemerkung.
3. Luther und das Stundengebet
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cum interpretatione et exhortatione, apostolico ritu, 1. Cor. 14. Hanc praestet Praepositus vel qui placuerit. Vespere itidem lectio novi testamenti cum interpretatione fiat, cui serviat Dominus Amsdorfius vel alius, idque pulchrum esset ante ‚Magnificat’ fieri loco hymnorum vel post hymnos. Completorium iure nominis et significati sui post coenam statim ante somnum compleri oportebat. 166
Luther schlägt also eine gereinigte Form des Offiziums vor, die hauptsächlich vom Herrenjahr her, „de tempore,“ konstruiert ist. Des Öfteren wurde darauf hingewiesen, dass nur so alle 150 Psalmen wirklich im Wochenrhythmus gebetet werden konnten, die Kirche (in Form des Stiftskonventes) auf das Wort Gottes hörende Kirche bleibt. Das Beten soll schriftgemäß sein, speziell an den Tagen, an denen man der biblisch bezeugten Heiligen gedenkt. Das Heiligengedenken verzichtet indes auf die Anrufung der Heiligen um Fürsprache. 167 Die Verkündigung des Wortes Gottes ist an eine Auslegung, die Predigt, gebunden. „In diesem Sinne hat Luther in den Horen Schrift und Predigt verbunden, wie zum paulinischen Gottesdienst das Zungenreden und seine Auslegung gehörte.“ 168 Denn die Wortverkündigung kann so „als das bedeutendste Werk des gerechtfertigten Menschen“ angesehen werden. 169 Bei solch differenzierter Position wundert es nicht, dass bei aller Kritik Luthers an den kanonischen Horen als Pensum das Stundengebet in der lutherischen Reformation eine nicht unbedeutende Rolle spielt, etwa in Verbindung mit den damaligen Lateinschulen. Hier wird die Liturgie zur Erreichung eines humanistischen Bildungsideals als „Lern-Zeiten“ des Glaubens umgedeutet. 170 Ferner treten die Horen an die Stelle der abgeschafften Werktagsmessen und bilden so zunächst die einzige Form täglicher Liturgie der Reformation. 171 Ein Jahr später, zum Ende des Jahres 1524, ist Luther erneut genötigt, zu einer Gottesdienstordnung Stellung zu nehmen. In einem Brief an Hans von Minkwitz in Sonnewalde setzt er sich mit einer für Sonnenwalde erstellten Gottesdienstordnung auseinander, die auf Neuerungen daselbst reagiert: Die Ordnung, so im andern Zettel gefasset ist, gefället mir nicht übel, und wo sie im Schwange wäre, ließe ich sie so bleiben, nämlich: Daß des Sonntags frühe eine kurze Metten mit den Schülern und den übrigen Priestern, weil sie leben, gesungen werde, damit die jungen Knaben bei dem Psalter und Gesange bleiben und die übrigen Priester was zu tun hätten. Ich wollte aber nicht alle Sonntage einerlei nehmen, sondern immer 166
WA.B 3, 131 27–37. Vgl. hierzu LANSEMANN, Heiligentage; KÖPF, Protestantismus; B ARTH, Ort; KOCH, Reformation. 168 VAJTA, Theologie 151. 169 So die Kapitelüberschrift bei BRUSH, Gotteserkenntnis 207–211, im Kontext von Luthers Psalmenauslegungen. 170 Vgl. SCHULZ, Ordnung 18. Vgl. GOLTZEN, Gottesdienst 197. 171 Vgl. GOLTZEN, Gottesdienst 193. 167
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IX. „…totum psalterium in usu maneat“
fortfahren, daß der ganze Psalter und Biblia und Gesang übers Jahr im Brauch blieben, und die Schüler des alles gewohneten. (…) ...die Vesper gefället mir auch wohl, wie sie denn verzeichnet ist, ohne daß man immer andere und andere Psalmen und Gesänge nehme, wie denn in Büchern von der Zeit gefunden wird, umb Übung willen der Knaben. Ich achte nicht not sein, alle Werkeltage eine Lection zu haben, man wolle es denn gerne tun, sondern sei genug an dreien Tagen in der Wochen, doch daß gleichwohl täglich, frühe und abends, die Knaben mit Psalmen und Gesang geübet werden. Von keinem Heiligen sollte man singen oder feiern, ohne die Feste, die unsern Herrn Christum betreffen.172
Beachtenswert ist hier das pädagogisch-seelsorgerische Argument, das ganz im Duktus der gemeindlichen Planungen der „Formula Missae“ von 1523 liegt. Es geht um die Ausbildung der Schüler, die gewohnt sein sollen, den Psalter zu singen. Wiederum lehnt Luther die Heiligentage ab und projektiert den Gebrauch der ganzen Schrift, hier im Verlaufe eines Jahres. 1526 erwähnt Luther in seiner Schrift „Deutsche Messe und Ordnung Gottesdiensts“ erneut das Stundengebet und beschreibt das um die Schriftlesung erweiterte sonntägliche Offizium: Des heyligen tags odder Sontags lassen wyr bleyben die gewonlichen Epistel und Euangelia und haben drey predigt. Frue umb funffe odder sechse singet man ettliche psalmen als zur metten. Darnach predigt man die Epistel des tages, aller meyst umb des gesindes willen, das die auch versorget werden und Gottis wort hoeren, ob sie ja ynn andern predigeten nicht seyn kunden. Darnach ein antiphen und das Tedeum laudamus odder Benedictus umb eynander mit eynem Vater unser, Collecten und Benedicamus domino.173
Ebenso legt Luther die Sonntagsvesper dar, erweitert um die sukzessiv erfolgende Auslegung des Alten Testaments vor dem Magnificat.174 Interesse verdient nun, dass aus pädagogischen Erwägungen Luther auch künftig die lateinisch vollzogene Vesper projektiert:175 Fur die knaben und schuler ynn der Biblia zu uben gehets also zu. Die wochen uber teglich fur der lection singen sie ettliche psalmen latinisch, wie bis her zur metten gewonet, denn, wie gesagt ist, wyr wollen die jugent bey der latinischen sprachen ynn der Biblia behalten und uben. 176
Und Luther beschreibt den weiteren Verlauf der Vesper, bei dem nun auch die Wortverkündigung in deutscher Sprache auffällt, nämlich für den Fall, „ob yemands von leyen da were und zu horet.“ 177 172
WA.B 3, 412 24–32; 412 37–413 45. – Mit den „Büchern von der Zeit“ ist eigentlich „de tempore“ gemeint. 173 WA 19, 7827–79 4. 174 Vgl. WA 19, 796–7. 175 Vgl. hierzu auch HÄUSSLING, Brevierreformen 219–220; VOGEL, Stundengebet 281; GOLTZEN, Gottesdienst 195–198. 176 WA 19, 804–7. 177 WA 19, 8010–11.
3. Luther und das Stundengebet
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Damit ist eine deutliche Zäsur zur mittelalterlichen Chorgebetspraxis gemacht, die sich auf die Kleriker konzentierte. Bei alledem weiß Luther um den Wert einer den biblischen Texten entstammenden Stundenliturgie, will aber jeden Gedanken an ein zu absolvierendes Pensum aufgeben, weshalb die Gestaltung grundsätzlich weitgehend freigegeben wird, sich de facto aber an den historischen Vorbildern orientiert. Neu ist die konsequente Ausrichtung auf die Gemeinde und die Wortverkündigung an die Gemeinde.178 Die vor allem in den großen Stadtkirchen beizubehaltende Stundenliturgie sollte in abgewandelter Form auch in kleinen Dorfgemeinden, sicher aber in den verbliebenen Kollegien und Klöstern geübt und durch eine eigene Ordnung gesichert werden, wie sich dies in den vielen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts zeitigt. 179 Den Auftrag der Stifte und Klöster zur Erziehung und Bildung würdigt Luther ausdrücklich in den „Schmalkaldischen Artikeln“ von 1537. 180 Der Gottesdienst jedoch wird eindeutig kritisch gewertet. Was zählt, ist der pädagogische Auftrag der Klöster und Stifte: Wo sie dazu nicht dienen wollen, ists besser, man las sie wueste liegen odder reisse sie ein, Denn das sie solten mit jrem lesterlichem Gottes dienst, durch Menschen ertichtet, als etwas bessers denn der gemein Christenstand und von Gott gestiffte Empter und Orden gehalten werden.181
178 Von hierher erklärt sich auch die Präsenz des Stundengebetes in den neu entstehenden Gebetbüchern. Als ein Beispiel sei hier nur das Enchiridion geistlicher gesenge vñ Psalmen / fur die leyen / mit viel andern / denn zuuor / gebessert. Sampt der Vesper / durch die gancze wochẽ auff einen iczlichen tag Metten Complet vnd Messe. Gedruckt zu zwickaw durch Hans Schœnsperger den alten. Im 1528. Neudruck nach dem Exemplar der Sächsischen Landesbibliothek Dresden: Leipzig 1979. – Zur Fülle auch lutherischer Gesangbücher etc. im 16. Jahrhundert vgl. W ACKERNAGEL, Bibliographie, das Enchiridion hier 104 und 466–468 (Nr. CCLXV). Für Schlesien MAŃKO -MATYSIAK, Gesangbücher, hier etwa 34–114, ein Gesangbuchverzeichnis ebd. 278–292. 179 Vgl. SCHULZ, Ordnung 18, der darauf hinweist, dass in Ermangelung eines deutschen Breviers das alte lateinische, wenngleich in gereinigter Form, weiterverwendet wurde. Dieser Sachverhalt wird am Beispiel Halberstadts nun verifiziert werden können, wenngleich mit dem Unterschied, dass hier wohl niemand ernsthaft an einer durchgängig deutschen Stundenliturgie interessiert war. Vgl. GOLTZEN, Gottesdienst 207–212. Vgl. hierzu auch KLÖCKENER, KRANEMANN, Offiziumsordnung. 180 Vgl. hierzu STAMM , Stellung 73–74. 181 WA 50, 212 12–18. Auch: Schmalkaldische Artikel. Artikel christlicher Lehre, so da hätten sollen aufs Concilium zu Mantua oder wo es sonst worden wäre, überantwortet werden von unsers Teils wegen und was wir annehmen oder nachgeben künnten oder nicht etc. Durch Dokt. Martin Luther geschrieben Anno 1537, 2,3, in: B EKENNTNISSCHRIFTEN 1998, hier 426–427. – Vgl. zur Bedeutung der Klöster und Stifte als Schulen auch KOCH, Damenstifte 208–211. – Zu den Damenstiften vgl. auch B OETTICHER, Chorfrauen.
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IX. „…totum psalterium in usu maneat“
Im Juli 1539 nimmt Luther wiederum zu liturgischen Fragen Stellung, und zwar in einem Brief an Herzog Heinrich von Sachsen. Nachhaltig plädiert er für die Abschaffung der (Privat-)Messe in den Klöstern und fügt an: „Wollen die Munche aber die horas loren oder predigen vnter sich selbs, das las man gehen, bis man sehe, wo es hinaus will.“ 182 Zusammen mit Jonas, Bugenhagen, Cruciger und Melanchthon verfasst Luther einen Brief am 18. Januar 1540, in dem es ausführlich um liturgische Fragen geht, die wohl auch Luthers eigene Position widerspiegeln. Hier heißt es in Bezug auf das Stundengebet: Zum dritten, Es ist auch zu loben, das an den andern tagen, so man nicht die Communio helt, gleichwol die kirchen, besonder Jn Stetten, nicht ledig stehen, vnnd das es fruchtbar sey, soll ein predig geschehen, dadurch die leut zum gebett vermanet, vnnd wo man person hat, will man psalmen oder Horas Canonicas de tempore singen, ist wol zuzugeben. vnnd dweyl solch gesang ein erinnerung sein solt, solt es nicht zu lang sein. Denn da man vff die fantasey geradten ist, das lang singen, als ein werck, ein gottesdienst sey, hat mans allzulang gemacht, das die erinnerung verloschen ist. Darumb solten die prelaten vnnd pfarner ein masß hierinn ordnen. 183
Die Kriterien des täglichen Gottesdienstes sind wiederum dieselben: Es geht um die Verkündigung und Predigt, um ein schriftgemäßes Beten „de tempore“ sowie um die Absage an jede Form von Werkgerechtigkeit. In diesem Geiste sind denn auch die Domstifter zu reformieren: Die Thumbstifft hielden Ceremonien, wie gesaget ist, ein tegliche predigt, vnnd psalmen oder horas Canonicas, wenn sie aber communicanten hetten, hielt man die communio mit gewohnlichen gesengen… 184
Es ist also für einen Stiftskonvent durchaus vorstellbar, auch in der Woche eucharistische Liturgie zu feiern. Das Kriterium hierfür ist, ob Kommunikanten da sind oder nicht. Das erklärt die mehrmals in der Woche stattfindende eucharistische Liturgie etwa in Magdeburg.185 Im Berliner Domstift teilte man jeden Tag einen Stiftsherren als Kommunikanten ein und ermöglichte so tägliche eucharistische Liturgie. 186 Nur kurz hingewiesen sei auf die Tatsache, dass die bei Luther festgeschriebenen Kritikpunkte auch in den großen reformatorischen Bekennt182 WA.B 8, 4828–10. Diese Passage findet sich in Bezug auf das Bistum Meissen in ähnlicher Formulierung im selben Schreiben: WA.B 8, 482 15–17. 183 WA.B 9, 31 446–32 455. 184 WA.B 9, 33 519–521. 185 Vgl. Cantica sacra, quo ordine et melodiis, per totius anni curriculum, in Matutinis et Vespertinis, itemque intermediis precibus cantari solent, una cum lectionibus et prec ationibus, in unum volumen congesta pro S. Metropolitana Magdeburgensi Ecclesia, excusa Magdeburgi sumtibus praedictae Ecclesiae etc. Typis Andreae Bezeli, Anno Christi MDCXIII, pag. 38–41; 44 mit den Gesängen für die Missa am Dienstag und Donnerstag der ersten Adventswoche. 186 Vgl. NOTTARP, Communicatio 117.
4. Systematisierung: Stundengebet im Geiste Martin Luthers
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nisschriften zu finden sind. Hatte schon die Confessio Augustana (1530) versucht, die Zeremonien der Kirche von jeder Werkgerechtigkeit zu befreien und ihre Schriftgemäßheit zu fordern, 187 beklagt die Apologie der Confessio Augustana von Philipp Melanchthon (1531) vor allem das Pfründenwesen der Stifte als Grundlage des Gottesdienstes: So singen sie die Psalmen in Stiften, nicht daß sie studieren oder ernstlich beten ( denn das mehrer Teil verstünde nicht ein Vers in Psalmen); sondern halten ihre Metten und Vesper als einen gedingten Gottesdienst, der ihnen ihre Rente und Zinse trägt. 188
Schließlich bedarf noch eine andere Spur der Erwähnung, die sich im Kleinen Katechismus von 1529 findet. 189 Hier gibt Luther Hinweise für das tägliche Morgen- und Abendgebet, das sich durchaus an der Thematik von Laudes und Komplet orientiert.190 Es handelt sich hier um eine Sonderform täglichen Betens der Kirche, die die Lebensform der Klöster und Stifte zumindest in Ansätzen auf die ganze Hausgemeinschaft auszudehnen bemüht ist. Es geht dabei um eine „Monastisierung“ der gesamten christlichen Existenz, da alle als Brüder und Schwestern in dem einen „Orden“ der Christenheit verbunden sind. 191 Der Morgen- und Abendsegen des Kleinen Katechismus kann so analog zum katholischen Angelus-Gebet als „kleines Stundengebet für das christliche Haus“192 verstanden werden.
4. Systematisierung: Stundengebet im Geiste Martin Luthers 4. Systematisierung: Stundengebet im Geiste Martin Luthers
Die Überlegungen haben versucht, das schwierige Thema „Luther und das Stundengebet“ zu durchdringen, wobei einschränkend gesagt werden muss, dass nur ein Bruchteil der Äußerungen Luthers zum Stundengebet aufgeführt werden konnte. Luthers eigene Stundengebetspraxis als Mönch konnte hypothetisch aufgrund der Ordenskonstitutionen im Hinblick auf Chorgebet und Privatrezitationen differenziert werden, wobei nicht alle Fragen geklärt werden konnten. Dies betrifft vor allem die ungelöste Frage, ob Luther wirklich alle Psalmen aus dem Stundengebet kannte. Sodann wurde 187 Vgl. etwa AUGSBURGISCHE KONFESSION, hier etwa cap. 15, 69–70; cap. 26, 100– 109 u.ö. 188 Apologia Confessionis Augustanae (AC), in: B EKENNTNISSCHRIFTEN 1998, 139– 404, hier cap. 15, 305 42. 189 Enchiridion. Der kleine Katechismus D. Mart. Lutheri für die gemeine Pfarrherrn und Prediger, in: BEKENNTNISSCHRIFTEN 1998, 499–527. 190 Vgl. den Abschnitt „Wie ein Hausvater sein Gesinde soll lehren, morgens und abends sich segenen,“ in: BEKENNTNISSCHRIFTEN 1998, 521–523. 191 Vgl. WENDEBOURG, Mönch 314–319. Vgl. auch KARANT-NUNN, Reformation. 192 WENDEBOURG, Mönch 319. Vgl. auch GRÜNBERG, Lernen 269–271. Ebenso B AYER, Nachfolge.
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IX. „…totum psalterium in usu maneat“
anhand der vielen Selbstaussagen zum Jahr 1520 deutlich, welche Bedeutung das Horenbeten als Pflichtgebet für Luther hatte und welche Mühe es ihn kostete, seine sich wandelnde Lebensform auch in Bezug auf das Beten zu legitimieren. Neben Motiven der Last, ja Verzweiflung treten theologische Deutungen, Gott selber habe eingegriffen – ähnlich seiner Auseinandersetzung mit den Mönchsgelübden. Die Durchsicht seiner liturgischen Entwürfe zeigte schließlich, wie kreativ und innovativ Luther die Tradition des Stundengebetes in den Gemeindealltag umzusetzen imstande ist, was zu einer markanten Änderung der mittelalterlichen Ordnung des Offiziums führte. Einen eigenen Bereich bildet dabei die weiterhin beibehaltene, aber reformierte Stundenliturgie der Dom- und Stiftskirchen. Im Wesentlichen ergeben sich folgende theologische Gesichtspunkte zur Wertung des Stundengebetes: a) Das Stundengebet als Privatrezitation: Wie ein roter Faden zieht sich durch die Äußerungen Luthers die aus seinem reformatorischen Prozess gewonnene Kritik an den „horae canonicae.“ Dies betrifft indes nicht das Beten als solches, sondern den verpflichtenden Charakter und das damit zusammenhängende Verständnis des Gebetes, weniger die Horen selber. Gemäß der Unterscheidung des Stundengebets in Privatrezitation, Chorgebet und Gemeindeliturgie kann man festhalten, dass die Privatrezitation im beschriebenen Sinne abgelehnt wird, wobei in seinen Selbstaussagen mit Überzeichnungen zu rechnen ist, wenn sich Luther, an die Regeln des Ordens haltend, nur von einem Teil des gemeinsamen Chorgebetes dispensiert wusste. b) Das Stundengebet als Gemeindeliturgie: Luther kann das Stundengebet als Gemeindeliturgie sehr wohl empfehlen, wenn es im Geist evangelischer Freiheit geschieht und dem paulinischen Grundsatz der „Auferbauung der Gemeinde“ genügt: Stundengebet soll als Gemeindeliturgie die Verkündigung des Wortes umfassen. Das ist etwas Anderes als das Rezitieren der Horen in der Klosterkirche. c) Stundengebet als Chorgebet: Klösterliches oder stiftisches Chorgebet wird als Anblähen der Wände kritisiert, wenn ihm der Verkündigungsaspekt fehlt. Anders fällt seine Beurteilung des Chorgebetes aus, wenn das Offizium für eine Gemeinschaft aus dem Geist evangelischer Freiheit als wirkliches Gebet gestaltet wird. Damit sind die wichtigen liturgischen Innovationen bereits benannt: Das Stundengebet hat immer den Verkündigungsaspekt einzubeziehen. Deshalb kommt es zu einer Vermehrung der Lesung der Heiligen Schrift. 193 Vor allem der gesamte Psalter soll gebetet werden, und das Beten aller übrigen Teile wie Antiphonen, Responsorien etc. soll dem Modell des schriftgemäßen Betens folgen. In diesen Kontext fällt die angedachte grundsätzliche 193
Vgl. GOLTZEN Gottesdienst 191.
4. Systematisierung: Stundengebet im Geiste Martin Luthers
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Revision des Heiligenkultes. Von hierher versteht sich die Reduktion von Anzahl und Umfang der Horen 194 sowie die Umdeutung des Stundengebetes als „Lern-Zeiten“ der Gemeinde. 195 Damit dient das Stundengebet nicht zuletzt als Bildungsinstrument für die verbleibenden Lateinschulen. 196 Nur angedeutet werden soll ein vierter Bereich des Stundengebetes: Es geht um die Wertschätzung täglichen Betens vom Morgen- und Abendsegen her, der durchaus als Stundengebet der Hausgemeinde gedeutet werden kann. Mit diesem Ergebnis ist erneut die spannende Frage gestellt, wieviel Neues und wieviel Altes in der Liturgie der lutherischen Kirche zu finden sei.197 Wie auch immer: Die Traditionen der evangelischen Kirchen zeigen eine große Beständigkeit des Stundengebetes im Gemeinde- wie im Stiftskontext bis ins 19. Jahrhundert. Doch die Bewertungen sind verschieden. Im Jahre 1905 schrieb Nikolaus Müller über die lutherische Brevierreform des Berliner Domstiftes im 16. Jahrhundert: Um die Art und den Wert der von Paul Musculus und seinen Gehilfen geleisteten Arbeit kurz zu kennzeichnen, möchte ich ein Bild zu Hilfe nehmen und zunächst das katholische Brevier vor der Reformation mit einem der damals nicht seltenen Fachwerkhäuser sowie sein Psalterium, seinen Zeit- und Heiligenteil mit den Stockwerken, seine Horen mit dem Holzgerüst und den sie füllenden Inhalt mit den Lehm- oder Riegelwänden eines solchen Hauses vergleichen. Obwohl dieses einst so fest gefügte Gebäude infolge der Wetter, denen es nicht nur von Wittenberg, sondern auch von Rom aus ausgesetzt war, längst rissig und brüchig geworden, Luther auf seine Beseitigung gedrängt und Katholiken wie der Kardinal Quignonez den Neubau eines weniger weiten und hohen Hauses gewünscht (…), erkannten in ihm die märkischen Theologen noch im achten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts das passendste Heim für den Kultus des Berliner Domes und beschränkten sich darauf, das Holzwerk etwas auszubessern und da und dort eine alte Wand zu beseitigen und eine neue einzusetzen oder noch lieber die ärgsten Risse der alten Wände oberflächlich zu verkleben. Als ein Glück darf es bezeichnet werden, dass ein derartiges Flickwerk keine unmittelbaren Nachahmungen in der evangelischen Kirche fand. 198
Nikolaus Müller ist mit seiner Bewertung Vertreter einer Haltung, die – etwa bei der weiteren Ausdifferenzierung der Konfessionen im 17. Jahrhundert – den Traditionsreichtum des Stundengebetes eher als ein Merk-
194
Vgl. GOLTZEN, Gottesdienst 191. Vgl. SCHULZ, Ordnung 18–20. 196 Zu den Lateinschulen und ihrer Wirksamkeit vgl. HEIDRICH, Volkssprache 10–14. – Vgl. zur in diesen Kontext gehörende, unter den Augen Luthers entstandene Vespersammlung von Georg Rhaw HEIDRICH, Volkssprache 7–8. Dort (9, Anm. 4) auch ein Hinweis auf Drucke zur Stundenliturgie von 1524–1550). 197 Vgl. in Bezug auf den Abendmahlsbericht anstelle des Canon Romanus W ENDEBOURG, Martin Luthers Gottesdienstreform. 198 MÜLLER , Geschichte 428. 195
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IX. „…totum psalterium in usu maneat“
mal des Papsttumes ansah.199 Insgesamt wird man heute zu einer ausgewogeneren Beurteilung der Veränderungen des 16. und 17. Jahrhunderts gelangen, als dies für Müller möglich war, gerade auch im Blick auf die facettenreiche Position Martin Luthers, der keineswegs so generell auf die Beseitigung des Stundengebetes gedrängt hatte, wie Müller noch annahm. Man wird heute eher geneigt sein, den Wert der damaligen traditionsreichen Liturgiereformen in Rechnung zu stellen und ihre innovative Kraft zu würdigen. Nicht zuletzt mag auch die Einsicht bestimmend sein, dass das tägliche Gebet unserer Kirchen überlebensnotwendig ist. Dies erkannt und die tägliche Stundenliturgie zurückgewonnen zu haben, ist das Verdienst mancher evangelischer Kommunitäten. 200 So mag zuletzt nicht unerwähnt bleiben, dass in Luthers altem Erfurter Kloster seit 1996 wieder das Stundengebet als Chorgebet der Communität Casteller Ring erklingt. 201
199
So findet sich etwa die Wertung des überkommenen Stundengebetes im Havelberger Dom anlässlich der Liturgiereform des 17. Jahrhunderts, es sei „noch außm Pabstthumb übrigblieben.“ Vgl. dazu ODENTHAL, Gewohnheiten 35. 200 Vgl. hierzu den Überblick bei T IGGEMANN, Psalterium 61–62; T ALKNER , Stundengebet, etwa 80–98. 201 Vgl. SCHMELZ, HAERTER, Augustinerkloster.
X. „…matutinae, horae, vesperae, completorium maneant…“1 Zur Umgestaltung der Offiziumsliturgie in den Kirchen des frühen Luthertums anhand ausgewählter liturgischer Quellen * X. „…matutinae, horae, vesperae, completorium maneant…“
1. Einleitung, Fragestellung und bisherige Forschungen 1. Einleitung, Fragestellung und bisherige Forschungen
„Letztlich wird sich die Polarität von Einheit und Verschiedenheit nur als Spannungsverhältnis beschreiben, nicht aber auflösen lassen. Dieses Spannungsverhältnis gilt es auszuhalten und ständig neu zu aktualisieren,“ so resümiert Friedrich Lurz seine Überlegungen zu einer ökumenischen Liturgiewissenschaft.2 Ein solches Spannungsverhältnis kann nicht nur synchron für die verschiedenartigen Liturgieformen des Christentums diagnostiziert werden, sondern auch diachron im Blick auf die Umgestaltungen liturgischer Traditionen in den jeweiligen Liturgiereformen der Kirchengeschichte.3 Dies gilt nun auch für die Liturgiereformen im Kontext der lutherischen Reformation.4 Die Fragestellung nach einer solchen Liturgieform fügt sich in mannigfache Untersuchungen zu den theologischen Grundlagen lutherischen Gottesdienstes ein. 5 Dabei ist die Umgestaltung der mittelalterlichen Messe hin zur lutherischen Abendmahlsliturgie durch verschiedene Monographien gut dokumentiert. 6 * Zuerst erschienen in: JLH 46 (2007), 89–122. 1 Martin LUTHER, „Luther an Propst, Dekan und Kanoniker des Allerheiligenstifts zu Wittenberg“ (1523), in: WA.B 3. Weimar 1933, 129–135, Nr. 648, hier 131, 27. P. Angelus A. Häussling OSB sei für mannigfache Hinweise zum Thema Dank gesagt. 2 LURZ, Feier 46. Zur Wissenschaftstheorie einer ökumenischen Liturgiewissenschaft vgl. ebd. 17–47. 3 Vgl. hierzu grundsätzlich KLÖCKENER, KRANEMANN, Liturgiereformen. 4 Vgl. etwa SCHULZ, Luthers liturgische Reformen. MESSNER, Reformen 1, 381–416. 5 Vgl. hier grundsätzlich immer noch V AJTA, Theologie. An neueren Darstellungen unter vielen anderen B IERITZ, Gottesdienst. W IGGERMANN, Gottesdienst. B IERITZ, Liturgik, bes. 447–474. ARNOLD, Theologie 231–317. Vgl. auch den Überblick bei SCHMIDTLAUBER, Lutheran Tradition 396–405. 6 Vgl. MEYER, Luther. GRÖTZINGER , Luther. MESSNER, Meßreform. P AHL, Feier. Grundlegend zu Luthers Theologie SIMON, Messopfertheologie.
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X. „…matutinae, horae, vesperae, completorium maneant…“
Bezüglich der Offiziumsliturgie ist die Sachlage schwieriger, denn hier ist zunächst Luthers Verständnis des Gebetes allgemein von Bedeutung. Traugott Koch hat in seiner Detailanalyse der Schriften Luthers folgende Prinzipien des Betens herausgestellt: Das rechte unterscheidet sich vom falschen Gebet dadurch, dass der Beter vor Gott seine Sündhaftigkeit bekennt und sich glaubend auf Gottes Zusage und Verheißung verlässt. Bei alledem geht es nicht um viele äußere Worte, sondern um das Beten mit dem Herzen. Ist Anlass des Gebetes ein besonderes Anliegen, eine konkrete Not, ist darüber hinaus das Gebet Äußerung des Gottesverhältnisses des Menschen und zugleich dessen Vollzug, und zwar im Namen Jesu. 7 „Nach Luther ist das Gebet eine Übung und Stärkung des Glaubens. Aber gerade indem er es so versteht und so als rechtes Gebet bestimmt, versteht er das Gebet immer auch als Einübung einer bestimmten Theologie: eben der seinen, die ihm zufolge rein nur durch die der Hl. Schrift und deren Mitte ist.“8 Von hierher lässt sich erst adäquat der Reichtum an Gebetsliteratur verstehen, den die Kirchen der Reformation hervorgebracht haben.9 Denn Luther verwarf die Gebetbücher traditioneller Art, da sie zu einem nicht vom Vaterunser oder der Bibel ausgehenden Beten verführten. 10 Diese Prinzipien kann man nun auch auf die Offiziumsliturgie selbst anwenden, also eine Form des Stundengebetes, die doch spätestens seit mittelalterlicher Zeit auch, wenn nicht sogar primär unter dem Aspekt des Offiziums, der auferlegten Pflicht bemessen wurde. „An der zu seiner Zeit vorfindlichen Gebetspraxis hat Luther nicht nur, wie Andere vor ihm, das ‚Herunterleiern,’ das Plappern und Murmeln ohne selbstbeteiligtes Mitbedenken, ohne Mitvollziehen im Herzen kritisiert. Sondern seine Kritik richtet sich insbesondere gegen den ‚Verdienst’-charakter des Betens, als wirke das Beten als solches oder gar schon durch das bloße Sprechen vorformulierter Gebete etwas Verdienstliches bei Gott oder einen Ablaß, sei es für den Betenden selbst oder stellvertretend für einen Anderen, der das Gebet ‚bestellt’ hat. Doch darüber hinaus noch verwirft Luther die Anrufung von Heiligen, weil ihr die Vorstellung zugrunde liegt, Gott sei uns als strenger Richter zornig und müsse erst durch das stellvertretende Eintreten der Heiligen, besonders Marias, zum Gnädigsein umgestimmt werden.“ 11 Unter diesen Prämissen wurde das Stundengebet in den Kirchen des Luthertums weitergeführt. 7
Vgl. hierzu ausführlich KOCH, Betbüchlein 17–132. KOCH, Betbüchlein 62. 9 Vgl. hierzu den ausführlichen Überblick bei SCHULZ, Gebetbücher III; SCHULZ, Forschungen; W ALLMANN, Herzensgebet 13–46. Vgl. auch im Kontext einer wie auch immer zu beurteilenden Gesamtdarstellung HÖLSCHER, Geschichte 49–67. 10 Vgl. KOCH, Betbüchlein 131. 11 KOCH, Betbüchlein 124. 8
1. Einleitung, Fragestellung und bisherige Forschungen
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Als bester zusammenfassender Überblick hierzu kann immer noch die Publikation von Herbert Goltzen von 1956 gelten. 12 Indes fokussiert Goltzen hauptsächlich die Lutherischen Kirchenordnungen, weniger – wie es hier versucht wird – die liturgischen Bücher selbst. Daneben existieren mannigfache Einzeluntersuchungen, die zum einen das Thema der Stundenliturgie grundsätzlich in den Blick nehmen. 13 Zum anderen – und häufiger – wurde das Stundengebet im Hinblick auf konkrete Orte untersucht.14 Doch steht eine neuere Gesamtschau aus. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass immer noch viele Quellen diesbezüglich ungehoben sind, wie etwa die jüngst erschienene Publikation von Hildegard Tiggemann über ein lateinisches Psalterium von 1564 aus Stift Obernkirchen gezeigt hat.15 Die folgenden Überlegungen beginnen mit einem kursorischen Überblick über die Rolle des Stundengebetes in einigen für Pfarrgemeinden zusammengestellten Cantionalien. Mit dieser Auswahl sollen zumindest einige Beispiele lutherischer Stundenliturgie für die Gemeinde zur Sprache kommen. Vor diesem Hintergrund aber soll dann der Blick vor allem auf 12
Vgl. GOLTZEN, Gottesdienst 187–215. – Es ist kennzeichnend für die konfessionelle Trennung auch der Wissenschaften, dass die bis heute gültige Darstellung von B ÄUMER, Geschichte, die Tradition der Kirchen der Reformation mit keinem Wort erwähnt. 13 Vgl. ARMKNECHT, Vesper-Ordnung, dort (14–15) eine aus einzelnen Kirchenordnungen erschlossene Grundordnung für Matutin und Vesper; GRAFF, Geschichte 1, 206– 221. Graff behandelt die Horen bezeichnenderweise unter dem Titel „Die Nebengotte sdienste;“ ZEEDEN, Überlieferungen 14–20; ALEXANDER , Luther’s Reform; MEYER , Vesperarum; VOGEL, Stundengebet 281–282; HÄUSSLING, Luther; HEIDRICH, Volkssprache; B IERITZ, Liturgik 618–624. KOCH, Fürbitte (Dem Autor sei Dank dafür gesagt, dass er mir sein Manuskript vor Drucklegung zur Kenntnis gab). 14 Vgl. hier etwa die „Ordnung singens und lesens bei den stiften,“ Ordnung für das Stift St. Gumbert, Ansbach, von 1533, ediert bei: SEHLING, Kirchenordnungen XI, 1, 961, 311–316. Vgl. für den Bereich Niedersachsens auch HEUTGER , Nachleben, mit eigenen Kapiteln zum Chordienst in Stift Möllenbeck (23–25), Loccum (65–67), Einbeck (88– 95), Wunstorf (109– 110) und summarisch in den Frauenkonventen (140–144). B RECHT, Reform. Für Berlin vgl. T ACKE, Quellenfunde; ferner MÜLLER , Geschichte, bes. 357– 438, der die Ordnung mit der des Stiftes Halle in Beziehung setzt. Für Halle vgl. T ACKE, Hallenser Stift. Vgl. für Herford KLÖCKENER , KRANEMANN, Offiziumsordnung. Zu Merseburg vgl. MEHL, Ordnung. Für die evangelischen Damenstifte allgemein vgl. die Studien von BOETTICHER, Chorfrauen; KOCH, Damenstifte, zum Gottesdienst zwischen althergebrachtem Chordienst und Betrachtung ebd. 215–217; ebenso MUSCHIOL, Reformation. Zur zwangsweisen Einführung der Reformation im Frauenkonvent Lüne und deren liturgischen Auswirkungen vgl. KOLDAU, Frauen 677–685, ebd. 916–920 zum evangelischen Damenstift Walsrode, ebd. 920–930 zu Quedlinburg, wo bereits 1539 das alte Stundengebet in evangelische Andachten umgewandelt wurde (ebd. 922). 15 Vgl. T IGGEMANN, Psalterium. Dieses Psalterium ist – etwa bezüglich der Psalmenverteilung – ausgewertet bei KOCH, Fürbitte 84–85; 89–90. – Wenn Tiggemann (49–50) mehrere Breviere Ebers im Besitz des Quedlinburger Stiftes nachweisen kann, müsste der Hinweis über die angeblich seit 1539 üblichen evangelischen Andachten bei KOLDAU, Frauen 920–930, nochmals überprüft werden.
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X. „…matutinae, horae, vesperae, completorium maneant…“
Klosterkonvente und Domkapitel gelenkt werden, für die das Offizium weiterhin gottesdienstliche Grundlage ihrer Existenz blieb.16 Eine knappe Zusammenfassung gilt der bereits andernorts dargestellten Offiziumsliturgie des Halberstädter Domstiftes im 16. Jahrhundert.17 Dann aber sollen die liturgischen Bräuche des Klosters Berge bei Magdeburg wie des dortigen Domstiftes, des Havelberger wie Brandenburger Domkapitels zur Sprache kommen, also einiger derjenigen geistlichen Institutionen, die der Kirchenprovinz Magdeburg zugehörten. Anhand einzelner, zum Teil damals neu für das Offizium erstellter Bücher soll versucht werden, die verschiedenen Wege nachzuzeichnen, die die Reformierung dieser Liturgie ging. Die Untersuchung versteht sich somit als ein Beitrag zur Frage der Konfessionalisierung im 16. Jahrhundert.18 Dabei gilt natürlich, dass auch im Rahmen dieser Untersuchung nur ein Teil der zur Verfügung stehenden Quellen zur Sprache kommen kann, die Ausführungen also ergänzungsbedürftig bleiben werden.19
2. Textzeugnisse liturgischer Bücher für den Gebrauch der Pfarreien 2. Textzeugnisse liturgischer Bücher für den Gebrauch der Pfarreien
Zunächst muss deutlich darauf hingewiesen werden, dass Luther selbst, unter den genannten Prämissen des Betens, an gemeindlicher Stundengebetspraxis festhält. Er schreibt in seiner Schrift „Von Ordnung Gottesdiensts in der Gemeine“ 1523: 20 16 Vgl. GOLTZEN, Gottesdienst 207–212. Er verweist auf die Brandenburg-Nürnberger Kirchenordnung von 1533. Dort findet sich die Mahnung, in den Stiften und Klöstern solle man die Horas Canonicas de tempore beten „und sich fleyssig huetten, das sie darinn nichts singen oder lesen, das Gottes wort entgegen sey…“ (Kirchen Ordnung, In meiner gnedigen herrn der Marggauen zu Brandenburg, und eins Erberen Rats der Stat Nuernberg Oberkeyt und gepieten, Wie man sich bayde mit der Leer und Ceremonien halten solle. MDXXXIII, ediert bei: RICHTER , Kirchenordnungen 1, 209). Goltzen erwähnt die Brevierreform des Herzogs Franz Otto von Lüneburg 1555, die Wolfenbütteler und Mecklenburger Klosterordnung sowie die Schleswig-Holsteinische Kirchenordnung von 1542 von Bugenhagen. Auch hier soll „in den Stiftern und Kloestern nichts der heil. Schrift Widerstrebendes gelesen und gesungen“ werden (Christlyke Kercken Ordeninge, De yn den Fürstendömen, Schleßwig, Hosten etc. schal geholden werdenn, ediert bei: R ICHTER, Kirchenordnungen 1, 353–360, hier 355). 17 Vgl. ODENTHAL, Ordinatio. 18 Vgl. hier etwa den Überblick bei FREITAG, Konfliktfelder. – Dass es besonders im 17. und 18. Jahrhundert auch Gegenbewegungen gab, zeigt der Sammelband von KLUETING, Irenik. 19 Zur Forschungslage vgl. ODENTHAL, Ordinatio 18–21. 20 Ein Vergleich der Formula missae von 1523 mit der Deutschen Messe von 1526 findet sich etwa bei J ORDAHN, Kritik. Vgl. auch B OËS, Gottesdienste 4, 4–11; GRETH-
2. Textzeugnisse liturgischer Bücher für den Gebrauch der Pfarreien
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Auch ob solchs tegliches gottis diensts villeicht nicht die gantze versamlunge gewartten kunde, sollen doch die priester und schuler und tzuvor die ienigen, so man verhofft gutte prediger und seelsorger aus zu werden, solchs thun. 21
Der tägliche Gottesdienst bleibt damit ein grundlegendes Anliegen der Reformation, wenn auch nicht unbedingt in Form der Messe. Vielmehr tritt das Stundengebet nun an die Stelle der täglichen Messe. Luther schätzt indes die Lage realistisch ein, wenn er davon ausgeht, dass hauptsächlich Kleriker und deren Schüler nun die Träger dieser Liturgie sind. Andere Maßstäbe gelten jedoch am Sonntag: Des sontags aber soll solch versamlung fur die gantzen gemeyne geschehen, uber das tegliche versamlen des kleynern hauffen, und da selbs, wie biß her gewonet, Messz vnd Vesper singen, also das man zu beyder zeytt predige der gantzen gemeyne, des morgens das gewonlich Evangelion, des abents die Epistel, odder steh bey dem Prediger, ob er auch eyn buch fur sich neme odder zwey, wie yhn dunckt das nutzist seyn. (...) Das gesenge ynn den sontags messen und vesper las man bleyben, denn sie sind fast gutt und aus der schrifft getzogen, doch mag mans wenigern odder mehren. Aber das gesenge und psalmen teglich des morgens und abents zu stellen soll des pfarrers und predigers ampt seyn, das sie auff eyn iglichen morgen eyn psalmen, eyn feyn Responsorion odder Antiphen mit eyner Collecten ordenen. Des abents auch alßo, nach der Lection und auslegung offentlich zu lesen und zusingen. Aber die Antiphen und Responsoria und Collecten, legenden von den heyligen vnd vom creutz, laß man noch eyn tzeyt stille ligen, bis sie gefegt werden, denn es ist greulich viel unflatts drynnen. 22
Damit projektiert Luther weitere Reformen des Stundengebetes, vor allem im Bereich der Heiligenverehrung, aber mit Geduld. Luther kritisiert nicht die biblischen Lesungen im Offizium, wohl aber deren mangelnde Auslegung sowie die Heiligenlegenden.23 Die Schriftlesung, durchaus systematisch und in strenger Ordnung, ist wesentlicher Bestandteil. In seiner Schrift „Formula Missae et Communionis“ von 1523 plädiert Luther noch für die Beibehaltung des ganzen Psalters, freilich handhabbar aufgeteilt: „Sed per partes distributum totum psalterium in usu maneat, et universa scriptura in lectiones partita perseveret in auribus Ecclesiae.“ 24 Im selben Jahr 1523 erscheint das „Deutzsch kirchenampt“ von Thomas Müntzer, das die Gedanken Luthers über das Stundengebet der Gemeinde umsetzt. LEIN,
Grundfragen 94–95. MESSNER, Meßrefom 190–202. GOLTZEN, Gottesdienst 191– 195. Goltzen macht (ebd. 193) darauf aufmerksam, eine verbindende Ordnung sei alle rdings immer mehr aufgelöst worden. Vgl. B RECHT, Reform 51–55; B IERITZ, Liturgik 619–622. 21 LUTHER, „Von ordenung gottis diensts ynn der gemeyne,“ in: WA 12; 35–37, hier 29–32 36 . 22 LUTHER , „Von ordenung gottis diensts ynn der gemeyne,“ in: WA 12; 36 35–37; 37 6–7; 10–18 . 23 Vgl. GRETHLEIN, Grundfragen 90; auch VAJTA, Theologie 149–151. 24 LUTHER, „Formula Missae et Communionis,“ in: WA 12; 197–220, hier 21919–21.
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X. „…matutinae, horae, vesperae, completorium maneant…“
Deutzsch kirchenampt, vorordnet, auffzuheben den hinterlistigen deckel, unter welchem das liecht der welt vorhalten war, welchs yetzt wideruemb erscheynt, mit dysen lobgesengen und goetlichen psalmen, die do erbawen die zunemenden christenheyt, nach Gottis unwandelbarn willen, zum untergang aller prechtigen geperde der gotlosen. Alstedt. Eilenburg 1523. 25
Dieses Werk ist deshalb interessant, weil es in deutscher Sprache weite Teile des Offiziums, näherhin Mette, Laudes und Vesper aufführt, eben für den Gebrauch der Gemeinden. Es finden sich fünf Ordnungen für die verschiedenen Zeiten des Kirchenjahres, nämlich Advent, Geburt Christi, Leiden Christi, Ostern und Pfingsten.26 Die Struktur der Horen bleibt konservativ an die mittelalterliche Tradition gebunden. 27 Die Mette beginnt mit dem Invitatoriumspsalm 95, woran sich je drei Psalmen mit Antiphonen anschließen. Ihr Leseteil besteht aus je drei Lektionen mit Responsorien, die mit dem Te Deum abgeschlossen werden. Die Laudes bestehen aus fünf Psalmen mit Antiphon, Kapitel, Hymnus und Benedictus, die Vesper aus je fünf Psalmen, Kapitel, Responsorium, Hymnus und Magnificat – unbeschadet der abschließenden und einleitenden Versikel. 28 Eine traditionsstarke Besonderheit prägt die Ostervesper: Hier finden sich nämlich die aus der „altrömischen Ostervesper“ bekannten Prozessionsgesänge des Vidi aquam, Cum rex gloriae und Salve festa dies, nun verdeutscht, schließlich die Gesänge Also heylig ist der tag und Es saß der engel bey dem grab.29 Die Gesänge sind erhalten geblieben, aber wohl nicht das sie begleitende Zeremoniell, die Prozession zum Taufbrunnen.30 25
Vgl. VD 16, hier 13: M 4889. Abgedruckt in: MÜNTZER , Schriften 25–155. Vgl. MÜNTZER , Schriften 25–155, dabei jeweils die Angabe der lateinischen Vorbilder. 27 Vgl. hier das Schema von O.J. Mehl, in: MÜNTZER , Schriften 28–29. 28 Dies ist die Struktur der Horen des Cursus Romanus, vgl. AMALARII EPISCOPI Opera Liturgica Omnia III, 139–143. 29 Vgl. MÜNTZER , Schriften 126–133. Zur altrömischen Ostervesper vgl. etwa auch SCHNITKER , Taufvesper. Vgl. auch den „…Ordo in eodem die sancto ad vesperum et usque ad octavas pasche“ (OR 50,33), in: ANDRIEU, Les ordines 5, 308–313. 30 So legt es ein Rückschluss aus Halberstadt nahe. Vgl. dazu ODENTHAL, Ordinatio, etwa 52 u.ö.. Vgl. hierzu auch Luthers Abneigung gegen die rituelle Ausgestaltung der Karwoche in seiner Schrift „Deutsche Messe und Ordnung Gottesdiensts“ von 1526: „Die fasten, palmtag und marterwochen lassen wyr bleyben, nicht das wyr yemand zu fasten zwingen, sondern das die passion und die Euangelia, so auff die selbige zeyt geordenet sind, bleyben sollen; doch nicht also, das man das hunger tuch, palmen schiessen, bilde decken und was des gauckel wercks mehr ist, halten odder vier passion singen odder acht stunden am karfreytag an der passion zu predigen haben, sonder die marterwoche sol gleych wie ander wochen seyn, on das man die passion predige des tages eyne stunde durch die woche odder wie viel tage es gelustet, und das sacrament neme wer do will. Denn es sol ja alles umb des worts und sacramenten willen unter den Christen geschehen ym gotts dienst,“ in: WA 19, 112 20–113 3. 26
2. Textzeugnisse liturgischer Bücher für den Gebrauch der Pfarreien
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Ein weiteres für das Stundengebet im Kontext gemeindlicher Liturgie interessantes lutherisches Gebetbuch entstand 1528, nämlich das Enchiridion geistlicher gesenge vñ Psalmen / fur die leyen / mit viel andern / denn zuuor / gebessert. Sampt der Vesper / durch die gancze wochẽ auff einen iczlichen tag Metten Complet vnd Messe. Gedruckt zu zwickaw durch Hans Schœnsperger den alten. Im 1528.31
Der Inhalt ist weitreichend auf das Stundengebet ausgerichtet. Es finden sich altkirchliche Hymnen und einzelne Psalmen, meist in Martin Luthers Übersetzung, aber auch alte Heiligenlieder, die auf Christus hin geändert worden sind (fol. ii v–lvr).32 Die Deutsche Vesper ist mit Psalmen in einem Wochenrhythmus eingerichtet (fol. lv r–lxxiiir).33 Es findet sich ferner die Deutsche Komplet (fol. lxxiii r–lxxviiv), mit dem Gesang des „Salue regina / Christlich verendert.“ Der Text lautet nun so: Herre Got voñ herczẽ wir dich grussẽ koenig d(er) barmherczickeit. Vnser herczẽ vnser suesse / vnser trost d(er) grus sey dir bereit. Zu dir wir ruffẽ elende kinder heue yñ diesem iamerthal. zu dir wir schreiẽ seufczẽ weinẽde yñ diesem zeherthal. Eya darumb so du bist vnser fuersprecher vñ zuflucht/ deine barmherczigẽ augen zu vns wẽde. vñ dẽ herrẽ Jhesũ Christ Marie leib gesegnete frucht erzeyg vns nach disem elẽde O du bramhercziger O du viel guetiger O gebenedeiter Got Zebaot. 34
Es folgen die deutschen Metten (fol. lxxvii v–lxxxiiiv) mit den Psalmen 1–3, dem Te Deum und darauf sogleich dem Benedictus. „Die Ordenung der Deudschen Mesß“ (fol. lxxxiii v–lxxxviv) und die Beichte (fol. lxxxviv– lxxxviir) beschließen das Buch. 1530 wurde in Leipzig ein vergleichbares Werk gedruckt, nämlich das „Enchiridion geistlicher gesenge vnd Psalmen fur die leien / mit viel andern / denn zuuor gebessert. Samt der Vesper / Mettẽ / Complet vnd Messe.“35 31 Vgl. ENCHIRIDION. Für den Hinweis auf dieses Werk danke ich Frau Prof. Dr. Irmgard Scheitler, Würzburg. – Zur Fülle auch lutherischer Gesangbücher etc. im 16. Jahrhundert vgl. W ACKERNAGEL, Bibliographie, das ENCHIRIDION hier 104 und 466–468 (Nr. CCLXV). Für Schlesien jetzt auch MAŃKO-M ATYSIAK, Gesangbücher, hier etwa 34–114, ein Gesangbuchverzeichnis ebd. 278–292. 32 Darunter finden sich etwa christologisierte Heiligenlieder, etwa die Umwandlung von Maria zart in O Jhesu zart (ENCHIRIDION, fol. xxxiiii r). 33 Sonntag: Psalm 110, 111, 112, 113, 114; Montag 116, 117, 120, 121; Dienstag 122, 123, 124, 125, 126; Mittwoch 127, 128, 129, 130; Donnerstag 132, 133, 135, 136, 137; Freitag 138, 139, 140, 141, 142; Samstag 144, 145, 146, 147 (alles hebräische Zählung). 34 ENCHIRIDION, fol. ixxvi r–v. – Zu den christologisch umgeformten Marianischen Antiphonen vgl. auch FERENCZI, Salve regina, hier bes. 176–177 (mit weiterer Literatur, weiteren Textvarianten und Belegen). 35 Vgl. VD 16, 6: E 1150. Ausgabe als Nachdruck: Das erste Leipziger Gesangbuch von Michael Blume, Leipzig 1530. Mit einem Aufsatz von HOFMANN, Geschichtliches. Bei HOFMANN, Geschichtliches 2–4, auch eine Übersicht über die ältesten lutherischen
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Nach der Vorrede Martini Luthers (ohne Seitenangaben) folgen Hymnen und Psalmen in deutscher Sprache (p. 1–76). Die „deudsche Vesper“ (p. 77–82) beginnt mit einem Gebet zum hl. Geist, gefolgt von der Collecta. Es folgen die Psalmen 110–114, darauf das Magnificat, hierauf wieder eine Collecta. Die Ordnung sieht also nicht mehr, wie im Enchiridion von 1528, Psalmen im Wochenschema vor. Die „deudsche Complet“ schließt sich an (p. 83–87). Sie hält die Psalmen 4, 26 und 91 bereit, gefolgt von Nunc dimittis (deutsch) und zwei Collecten. Nun schließt sich das „Salue regina / Christlich verändert“ an (p. 87), mit wenigen Textabweichungen mit der bereits zitierten Fassung identisch. Ein deutsches Da pacem beschließt die Hore. Die deutschen Metten folgen ebenfalls einer vereinfachten Ordnung (p. 87–93). Nach den Psalmen 1–3 folgen das deutsche Te Deum, das deutsche Benedictus sowie vier Collecten. Alle Horen zeigen also die Tendenz, die Struktur zu vereinfachen, das Pensum zu kürzen sowie durch die deutsche Sprache die Offiziumsliturgie zur Gemeindeliturgie zu machen. Litaneien (p. 93–103), ein Formular für die Beichte (p.104–105), die Deutsche Messe (p. 105–110) sowie ein Register (p. 110– 113) runden das Buch ab.36 Ein wichtiges, umfassendes Cantional erschien zuerst 1553 und mehrmals danach, nämlich die Psalmodia, hoc est, Cantica sacra veteris ecclesiae selectae, quo ordine et melodiis per totius anni curriculum cantari usitate solent in Templis de Deo, & de Filio eius Jesu Christo, de regno ipsius, doctrina, vita, Passione, Resurrectione, & Ascensione, & de Spiritu Sancto. Item des Sanctis, & eorum in Christum fide & cruce, ad Ecclesiarum et Scholarum usum diligenter olim collecta, & brevibus ac piis Scholiis illustrata. Nunc autem recens accurata diligentia & fide recognita, & multis utilibus ac piis cantionibus aucta per Lucam Lossium Luneburgensem. Cum praefatione Philippi Melanthonis. Wittebergae apud Haeredes Georgii Rhau, 1561. 37 Gesangbücher, ebd. (24–25) auch eine Graphik über die Abhängigkeiten derselben. – Für den Hinweis auf dieses Werk danke ich Frau Prof. Dr. Irmgard Scheitler, Würzburg. – Bei W ACKERNAGEL. Bibliographie, nicht verzeichnet. 36 Man könnte mannigfache andere Gebetbücher in diesem Kontext erwähnen. Um nur eines noch zu nennen: W IECHMANN-KADOW, Geystlyke leder. Für den Hinweis auf dieses Werk danke ich Frau Prof. Dr. Irmgard Scheitler, Würzburg. Dieses Gebetbuch enthält neben einer Vesperordnung (fol. Pv r–Qir, mit den Psalmen 110–114) die Ordnung der Komplet (fol. Qir–Qiiiiv, mit den Psalmen 4, 25, 91 und 134), der deutschen Metten (fol. Qiiii v–Qviiv, mit den Psalmen 1–3) und der Laudes (fol. Qvii v–Riiv, mit den Psalmen 93, 100, 63, 67 und 148) viele deutsche Psalm- und Hymnentexte sowie die drei neutestamentlichen Cantica Benedictus, Magnificat und Nunc dimittis in deutscher Sprache (ebd. fol. Hii v–Hiiiv) T IGGEMANN, Psalterium 44, macht ferner auf ein „Vesperarum precum officia“ des Georg Rhau von 1540 sowie mehrere andere Werke dieses Druckers bis 1545 aufmerksam. 37 Vgl. VD 16, 11: L 2829. Das Exemplar von 1561 aus dem Stadtarchiv Heilbronn (Signatur LII) wurde als Reprint ediert von Christhard SCHRENK (Faksimile Heilbronner
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Dieses Werk des Lucas Lossius mit einem Vorwort von Melanchthon ist das erste umfassende lutherische „Cantional,“ nämlich ein „Liber usualis.“38 Die Messe wird ebenso beschrieben wie die Horen, gemäß Luthers Maßgabe.39 Es handelt sich hier nicht um ein Offizienbuch für Stiftsherren, sondern um ein auf die Gemeinde und das Schulwesen hin konzipiertes Gebetbuch für die Kirche in Lüneburg.40 Vier große Teile machen dieses Cantional aus: Der Liber Primus hat die Antiphonen, Responsorien, Hymnen und Sequenzen der Sonntage und Feste Christi zum Inhalt (fol. 1r– 188v), der Liber Secundus dient dem Heiligenteil, jedoch nach sorgfältiger Auswahl (fol. 189r–264v). Den dritten Teil nun könnte man als Kyriale ansprechen: er enthält alle zur evangelischen „Missa“ notwendigen Gesangsstücke außer den bereits im Proprium de tempore abgedruckten Stücken, erweitert indes um lateinische und deutsche Litaneien, lateinische Praefationen sowie sonstige Gesangsstücke bis hin zu einem Ordinationsformular (fol. 265r–312r). Der Liber Quartus schließlich birgt das lateinische Psalterium, lediglich das Te Deum ist auch in deutscher Sprache vorhanden (fol. 314r–360r). Ein Ordinarium zu Beginn des ersten Teiles gibt den Aufbau von Vesper, Matutin und Messe an (fol. 1r–2r). Die Vesper hat den gewohnten Aufbau, nur dass als Lesung das Evangelium des nächstfolgenden Sonntags oder des jeweiligen Festes zu singen ist. An höchsten Feiertagen wird die Komplet hinzugefügt, die aus den Psalmen 4, 31, 91 und 133 sowie dem Nunc dimittis besteht. Die Matutin kennt nach dem Invitatorium drei Psalmen, sodann das Evangelium „latine in Choro & germanice ante Chorum a puero“ (fol. 1v). Das Te Deum wird in der Quadragesima durch das Benedictus ersetzt. Damit sind also keine eigentlichen Laudes mehr vorhanden. Dies nimmt nicht wunder, da diese Hore im Verlaufe des Mittelalters ja praktisch ein Anhängsel der Matutin geworden und ihres eigenen Wertes verlustig gegangen war. 41 Die Psalmenverteilung des vierten Buches sieht nicht mehr alle 150 Psalmen vor, sondern wählt wenige Psalmen zu den einzelnen Horen aus. In einem Wochenrhythmus werden Matutin und Vesper montags bis samstags mit je
Musikschatz 12). Stuttgart 1996. – Vgl. dazu SCHREMS, Geschichte 22–24; MERTEN, Psalmodia I–III. Verzeichnet bei W ACKERNAGEL, Bibliographie 253–254 (Nr. DCXLV). 38 So MERTEN, Psalmodia I, 1. Zu Lossius vgl. auch MERTEN, Lossius. – Nur erwähnt sei das von KOCH, Fürbitte 84, Anm. 14 vermerkte lateinische Psalterium Davidis von 1565, das einige lateinische Texte des Stundengebetes als Sonderteil enthält. 39 Vgl. etwa MERTEN, Psalmodia I, 10. 40 Die theologisch bedingten Änderungen sind ähnlich wie in Halberstadt. Vgl. die Beispiele bei MERTEN, Psalmodia II, 72–90. 41 Vgl. zur Problematik der Morgenhoren der Frühzeit etwa HEIMING, Offizium 142 u.ö.
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einem Psalm bedacht, sonntags mit je dreien. 42 Besondere Psalmen finden sich an besonderen Festtagen des Jahres. 43 Das Sanctorale, also der dritte Teil der Psalmodia, führt zunächst alle Marienfeste auf, und zwar in folgender Rangordnung: Annuntiatio, Purificatio, Visitatio und Nativitas Mariae.44 Es folgen die anderen Heiligentage: Conversio Pauli, Philippus und Jacobus, Nativitas Ioannis, Peter und Paul, Maria Magdalena, Decollatio Ioannis, Michael und Allerheiligen. Die nun angehängten Communeoffizien für Apostel und Martyrer lassen darauf schließen, man habe nicht nur etwa die genannten Aposteltage begangen, sondern auch alle anderen. Interesse verdient schließlich ein mit vielen deutschen Antiphonen ausgestaltetes Offizium zur hl. Ursula, das aus stadtpolitischen Gründen beibehalten worden ist.45 Ein weiteres Beispiel der Psalmodia sei indes noch benannt. Es wird nämlich ein christologisch umgeformtes „Regina caeli“ aufgeführt. Es lautet hier so: Laetemur in Christo redemptore, alleluia, quia quem percussit pater ob scelus populi sui, alleluia. Resurrexit, sicut dixit, alleluia. Ora pro nobis, Christe, quia ad dexteram Dei patris locatus es victor peccati, mortis, inferni, unus es nobis propitiator pontifex, ecclesiae caput: O rex pie, fac nos tecum resurgere, alleluia. 46
Das „Laetemur in Christo“ findet sich auch später im Gesangbuch des Fransciscus Eler, in der „Psalmodia Ecclesiastica“ des Klosters Berge sowie im Vesperale des Matthaeus Ludecus.47 Letzterer gibt als Autor des bereits erwähnten, ebenso christologisch umgeformten „Salve Regina“ Urbanus Rhegius an, der die Änderungen eingeführt habe, obgleich viele Bischöfe es gewagt hätten, die alte Fassung zu verteidigen, und zwar „contra expressum Dei verbum.“ 48 Damit ist dieser „bereinigte“ Gesang 42
Montag: 27, 115; Dienstag: 39–122; Mittwoch: 13, 128; Donnerstag: 70, 133; Freitag: 81, 138; Samstag: 66, 144; Sonntag: 1,2,3 für die Matutin und 110,118 und 148 für die Vesper (hebräische Zählung). 43 So in der Sonntagsmatutin der Quadragesima Psalm 50, am Karfreitag Psalm 22, zur Matutin an Annuntiatio Mariae Psalm 8, an Conversio Pauli 15 und 34. 44 Vgl. zur Rolle Mariens in den Lutherischen Kirchen auch KREITZER , Reforming Mary, etwa 136 u.ö. 45 Am Ursulatag, dem 21. Oktober 1371, behaupteten die Lüneburger Bürger ihre Freiheiten und Stadtrechte gegen Herzog Magnus. Hier beginnt eine selbständige städt ische Politik. Vgl. http://www.luene-info.de/geschichte/chronik/chronik3.html (27. November 2005). 46 Dieser Text bei LOSSIUS, Psalmodia, fol. 113r–v. – Vgl. auch die Hinweise bei FERENCZI, Salve regina 176 und 178. 47 Der Text findet sich bei ELER, Cantica sacra, p. CXXVI–CXXVII; in der „Psalmodia Ecclesiastica“ des Klosters Berge (wie unten Anm. 80), fol. 84v–85r, und im Vesperale des Ludecus fol. 132r–v, bei ODENTHAL, Vesperale 327–328. 48 Lossius und Ludecus erwähnen auch für das „Laetemur“ als Autor Urbanus Rhegius. Zu Urbanus Rhegius vgl. S IMON, Messopfertheologie 587–598 (weitere Literatur); LIEBMANN, Urbanus Rhegius; ZSCHOCH, Existenz, etwa (24–26) das Kapitel über die
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ein gutes Beispiel für die weite und schnelle Verbreitung liturgischen Gutes des frühen Luthertums. 1588 folgen dann für Hamburg die Cantica sacra, partim ex sacris literis desumta, partim ab orthodoxis patribus, et piis ecclesiae doctoribus composita, et in usum ecclesiae et iuventutis scholasticae Hamburgensis collecta, atque ad duodecim modos ex doctrina Glareani accommodata et edita ab Francisco Elero Ulysseo. Acceßerunt in fine Psalmi Lutheri, & aliorum ejus seculi Doctorum, itidem modis applicati. Hambvrgi Excudebat Jacobus Wolff 1588. 49
Herausgeber der „Cantica sacra“ ist Franziscus Eler, der wohl zwischen 1550 und 1560 geboren wurde und am 21. Februar 1590 starb. 50 Er war spätestens seit 1581 als Lehrer an der innerstädtischen Lateinschule „Johanneum“ tätig. In dieser Funktion war er bald für den Chor und dessen tägliche Gesänge im Gottesdienst verantwortlich. Die „Cantica sacra“ sind versehen mit einem Vorwort des David Chytraeus, der als Verfasser eines Vorwortes auch für das Havelberger Vesperale wieder begegnen wird.51 Die „Cantica“ umfassen zwei Teile, einen ersten, im Wesentlichen die lateinischen Gesangsstücke für Messe und Horen umfassend (p. I–CCLXII), und einen zweiten, die deutschen Psalmen Luthers und seiner Zeit sowie andere deutsche Lieder bergend (p. I–LXXXVII). 52 Das Buch kennt keine Trennung des Proprium de tempore vom Proprium de Sanctis, vielmehr sind die wenigen verbliebenen Heiligentage an Ort und Stelle eingefügt. Man feiert die folgenden Heiligenfeste: Stephanus, Johannes, Purificatio, Annuntiatio, Natale Ioannis Baptistae, Visitatio Mariae und Michael. Die Apostelfeste also sind mit Ausnahme des Johannestages abgeschafft. Die zu Beginn des Werkes festgelegte Grundordnung der Horen ist folgende: Die Matutin an Werktagen besteht aus einem oder zwei Psalmen „ex feriis,“ gefolgt von zwei lateinischen Lesungen des Neuen Testamentes. Hieran schließt sich wahlweise das Responsorium oder das Benedictus an, gefolgt von der Oration und dem Benedicamus. Die in der Woche gehaltene Vesper sieht nun ein Kapitel des Alten Testamentes vor, gefolgt von innere Wende des Rhegius anhand der Katharinenpredigt von 1521, die einerseits seine Nähe zur Tradition, andererseits zur Reformation belegt und seine Stellung zum Heiligenkult markiert. – Lossius war in Lüneburg Sekretär von Rhegius gewesen. Vgl. MERTEN, Psalmodia I, 1. 49 Vgl. VD 16, 5: E 988. Auch dieses Cantional ist als Reprint erschienen: ELER , Cantica sacra, das Vorwort ohne Paginierung. Vgl. SCHREMS, Geschichte 25–26. Verzeichnet bei W ACKERNAGEL, Bibliographie 418–419 (Nr. MII). 50 Vgl. BECKMANN, Einleitung. Zu Eler vgl. auch B LANKENBURG, Eler. 51 Siehe unten. Chytraeus selbst hatte bereits 1578 einen „Calender“ herausgegeben, der die Psalmverteilung und die Anordnung der Capitula in den Lesungen des Offiziums durch das Jahr hindurch regelte. Vgl. dazu KOCH, Fürbitte 91, Anm. 37. 52 Der genaue Titel des 2. Teils lautet: Psalmi D. Martini Lvtheri & aliorum ejus sec uli Psalmistarum. itidem Modis applicati. Hambvrgi, Per Jacobum Vuolfium 1599.
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Hymnus und Magnificat oder Nunc Dimittis. Am Sonntag gilt dagegen folgende Ordnung: Die Matutin erhält neben einem zusätzlichen Psalm eine lateinische und deutsche Evangelienlesung, gefolgt vom in deutscher oder lateinischer Sprache zu singenden Te Deum. Die Vesper besteht aus drei oder vier Psalmen und – nun in jedem Falle – dem Magnificat. Vergleicht man die Psalmenangaben zu den einzelnen Sonn- und Festtagen mit dem Inhalt der Cantica Sacra, so wird deutlich, dass sie zusätzlich eines eigenen lateinischen Psalteriums bedurften; denn viele der angegebenen Psalmen vermerkt das Buch nicht. Die komplexe Psalmenordnung, die hier nur kurz angedeutet werden kann, wählt die Psalmen teils aufgrund inhaltlicher Kriterien, so etwa in der Matutin des Karfreitags.53 Teils aber geht Eler streng numerisch vor, und zwar vor allem bei der Vesperpsalmodie. 54 Damit sind die Cantica Sacra ein Beispiel, wie man trotz einer numerischen Psalmenauswahl dennoch inhaltliche Kriterien zugrundelegt. Im Vergleich mit der Psalmodia des Lossius fällt auf, dass die Cantica Sacra zum einen von den konkreten Bedingungen gemeindlicher Liturgie her geprägt sind, was etwa an den vermehrten deutschen Gesängen deutlich wird. Zum anderen aber ist das Pensum der Psalmen wesentlich größer als noch bei Lossius, was wohl auf die besondere Trägerschaft dieser Liturgie zurückgeführt werden kann, die Schulen. 55
3. Textzeugnisse liturgischer Bücher im Gebrauch der Stifte und Klöster 3. Textzeugnisse liturgischer Bücher im Gebrauch der Stifte und Klöster
Die wenigen bemühten Zeugnisse von Stundengebet in den Gemeinden des frühen Luthertums machten die Unterschiedlichkeit im Gebetsleben deutlich, die durch die jeweiligen soziokulturellen Bedingungen der einzelnen Orte geprägt waren. Ein zweiter Traditionsstrang des frühen Luthertums soll nun zur Sprache kommen, nämlich die fortbestehenden Stiftskapitel 53
Man wählt etwa Psalm 21 (V) zur Matutin. Vgl. ELER, Cantica sacra, p. CXVIII. Als Beispiel diene die Zeit vom 13. bis 19. Sonntag nach Pfingsten (ELER , Cantica sacra, p. CXCVI–CCXVI). Am 13. Sonntag schließt die erste Vesper mit Psalm 150, die zweite beginnt mit den üblichen Psalmen 109 bis 111 (alle Zählungen nach der Vulgata ), der 14. Sonntag fährt in der ersten Vesper mit den Psalmen 112, 114, 115 und 116 fort (113 ist wieder aufgrund inhaltlicher Kriterien für Ostern vorbehalten, vgl. etwa Cantica sacra, p. CXXVII–CXXIX). Die erste Vesper des 15. Sonntags hat die Psalmen 120 bis 123, die zweite Vesper 124 bis 127 und so fort, bis schließlich mit der ersten Vesper des 19. Sonntags der 150. Psalm erreicht ist. Die zweite Vesper beginnt nun erneut mit Psalm 109. 55 T IGGEMANN, Psalterium 44 und 51 weist daraufhin, dass Eler im Besitz des Psalters von Paul Eber von 1564 war. Es wäre spannend, die Abhängigkeiten der lutherischen Bücher untereinander näher zu klären. 54
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und Klosterkommunitäten, so sie das gemeinsame Gebet beibehielten. Tendenziell ist hier mit einer wesentlich größeren Traditionsstärke zu rechnen als im Bereich der pfarrlichen Liturgie. 3.1. Stellungnahmen Martin Luthers zur Offiziumsliturgie der Stifte und Klöster In Bezug auf die Stifte sind Luthers Äußerungen zum Stundengebet durchaus nicht so eindeutig wie in Bezug auf die Gemeinden, da hier Pensumsgedanke und Werkgerechtigkeit einen viel höheren Stellenwert einnehmen können als in der Gemeinde. 56 Die differenzierte Position Luthers wird etwa greifbar, wenn er in Wittenberg selber 1523 die Einführung der Metten und Vespern in der Pfarrkirche anregt, nicht zuletzt, damit dort täglicher Gottesdienst gewährleistet bleibe. 57 Aber auch das Stundengebet des Stiftes zu Wittenberg will er um einer täglichen Liturgie willen beibehalten wissen, gerade weil er auf die Abschaffung der dortigen Messen abzielt, die ja meist in privater Form gefeiert wurden. Von Luther selbst ist ein Brief vom 19. August 1523 erhalten, den er an Propst, Dekan und Kanoniker des Allerheiligenstiftes in Wittenberg gesendet hat:58 Tertio matutinae, horae, vesperae completorium maneant, sic tamen, ut de tempore cantentur solum, ac de nullis sanctis, nisi quos e scriptura habemus, et collectae vel cantica, quae sonant sanctorum suffragia, mutentur collectis et canticis de tempore. Loco autem missarum fiat sub matutinis ante ‚Te Deum laudamus’ lectio veteris testamenti cum interpretatione et exhortatione, apostolico ritu, 1. Cor. 14. Hanc praestet Praepositus vel qui placuerit. Vespere itidem lectio novi testamenti cum interpretatione fiat, cui serviat Dominus Amsdorfius vel alius, idque pulchrum esset ante ‚Magnificat’ fieri loco hymnorum vel post hymnos. Completorium iure nominis et significati sui post coenam statim ante somnum compleri oportebat. 59
Es geht hierbei also um eine gereinigte Form des Offiziums, die hauptsächlich vom Herrenjahr her, „de tempore,“ konstruiert ist. Das Beten soll schriftgemäß sein, speziell an den Tagen, an denen man der biblisch bezeugten Heiligen gedenkt. Das Heiligengedenken verzichtet indes auf die Anrufung der Heiligen um Fürsprache. 60 Die Verkündigung des Wortes Gottes ist an eine Auslegung, die Predigt, gebunden. „In diesem Sinne hat Luther in den Horen Schrift und Predigt verbunden, wie zum paulinischen
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Zum ganzen ODENTHAL, Ordinatio (mit weiterer Literatur). Vgl. hierzu BOËS, Gottesdienste 22–28. – Zum Gottesdienst in Wittenberg im Bericht des Wolfgang Musculus vgl. auch B IERITZ, Wort 88–91. 58 Zur Auseinandersetzung Luthers mit dem Wittenberger Kapitel um die Reformierung der Liturgie vgl. B UCHWALD, Streite; B UCHWALD, Bemerkung. 59 WA.B 3, 131 27–37. 60 Diese Gedanken wurden in den hier zu behandelnden Liturgiereformen umgesetzt. 57
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Gottesdienst das Zungenreden und seine Auslegung gehörte.“ 61 Bei solch differenzierter Position wundert es nicht, dass bei aller Kritik Luthers an den kanonischen Horen als Pensum das Stundengebet in der lutherischen Reformation eine nicht unbedeutende Rolle spielt, etwa in Verbindung mit den damaligen Lateinschulen. 62 Hier wird die Liturgie zur Erreichung eines humanistischen Bildungsideals als „Lern-Zeiten“ des Glaubens umgedeutet.63 Ferner treten die Horen an die Stelle der abgeschafften Werktagsmessen und bilden so zunächst die einzige Form täglicher Liturgie der Reformation.64 Von daher wundert es nicht, wenn bald einzelne Stifte eine in diesem Sinne gereinigte Form des Offiziums erstellten. 3.2. Die „Psalmodia Ecclesiastica“ des Klosters Berge bei Magdeburg (1573) Das Kloster Berge vor den Toren Magdeburgs entwickelte sich unter dem ehemaligen Werdener Mönch Peter Ulner, ab 1560 Koadjutor des Abtes, wenig später dort selber Abt, mit dem offiziellen Übertritt 1565 zu einem Zentrum der Reformation.65 Es diente nunmehr als „Schulkloster“ und war Ausbildungsstätte evangelischer Theologen. 66 Im Rahmen der Verhandlungen um die die lutherische Bekenntnisentwicklung zum Abschluss bringende Konkordienformel kam Kloster Berge eine besondere Rolle zu.67 Denn hier fand ein Treffen vom 1. bis 14. März 1577 statt, bei dem Jakob Andreae,68 Martin Chemnitz 69 und Nikolaus Selnecker 70 Stellungnahmen zu einer Vorstufe der Konkordienformel, dem sog. Torgischen Buch, ausarbeiteten.71 Abermals vom 19. bis 28. Mai 1577 trafen sich im Kloster Berge die genannten Theologen zusammen mit Andreas Musculus,72 David
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VAJTA, Theologie 151. Vgl. hier etwa zu den Bedingungen in Halberstadt im 18. Jahrhundert P FEIFFER , Facetten. 63 Vgl. SCHULZ, Ordnung 18. Vgl. GOLTZEN, Gottesdienst 197. 64 Vgl. GOLTZEN, Gottesdienst 193. 65 Vgl. zum Werdegang Ulners STEPHAN-MAASER , Mönch. Vgl. zum Kloster Berge insgesamt RÖMER , Kloster. 66 Vgl. RÖMER , Kloster 13. 67 Vgl. den Überblick bei P FNÜR, Konkordienformel. MAGER, Konkordienformel. 68 Vgl. zur Person BRECHT, Jacob Andreae, bes. 679. 69 Vgl. zur Person MALLMANN , Martin Chemnitz. 70 Vgl. zur Person KOCH, Nikolaus Selnecker. 71 Zum Torgischen Buch vgl. MAGER , Konkordienformel 260–272. 72 Dies ist nicht unerheblich im Hinblick auf des Musculus liturgische Tätigkeit, die aus reichem patristischem Erbe schöpfte – ein Grundzug, der die liturgischen Bemühungen der Reformationszeit generell prägt, so auch in Havelberg. Vgl. etwa B AUMANN, Rezeption. 62
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Chytraeus73 und Christoph Cornerus. Ergebnis dieses Treffens war die Konkordienformel – das sogenannte Bergische Buch.74 Sie war im Hochstift Magdeburg zentral für die Ordination: „Jeder Pfarrer hatte seit 1577 seine Unterschrift unter dem Bergischen Buch zu leisten.“ 75 Eben dieses Kloster Berge war auch in liturgischer Hinsicht sehr kreativ. Bereits 1573 hatte man hier eine eigene handschriftliche Psalmodia gemäß der Confessio Augustana für die Offiziumsliturgie eingerichtet, die sicherlich von den Reformatoren beim Aufenthalt 1577 „in usu“ erlebt worden ist, nämlich die Psalmodia Ecclesiastica. Hoc est Cantiones sacrae et spirituales veteris Ecclesiae ex sacris literis desumtae. Quo ordine et melodiis per totitus anni circulum, in Templis, Collegiis atque Monasteriis secundum Augustanam Confessionem reformatis, usitato more cantari solent. Anno Domini 1573.76
Der Aufbau des Buches entspricht auch sonst üblichen Gewohnheiten: Nach dem Proprium de tempore (fol. 2r–144r, mit deutschem Benedictus in der Matutin an Weihnachten), das in den „pars hiemalis“ (fol. 2r–66r) und „pars aestivalis“ (fol. 67r–144r, wiederum mit deutschem Benedictus und deutschem Nunc Dimittis an Ostern sowie dem Laetemur in Christo fol. 84v) aufgeteilt ist. Nun folgt der „pars tertia continens cantica veteris Ecclesiae selecta de praecipuis festis Sanctorum per totum Annum“ (fol. 148r–203r). Folgende Heiligentage wurden beibehalten: Andreas, Thomas, Conversio Pauli, Purificatio Mariae, Matthias, Annuntiatio Mariae, Marcus, Philippus und Jacobus, Johann Baptist, Peter und Paul, Visitatio Mariae, Maria Magdalena, Jacobus, Bartholomäus, Decollatio Johannis, Matthaeus, Michael, Lucas, Simon und Judas sowie schließlich Allerheiligen. Nun beginnt der vierte Teil (fol. 205r–227v): „Sequuntur Cantica aliquot generalia quae per annum certis suis temporibus cantari consueverunt.“ Es geht um Antiphonen zur Samstagsvesper wie zur Matutin, das Te Deum wird aufgeführt oder etwa das Salve Iesu Christe, das bereits erwähnte christologisierte Salve Regina (fol. 206r–207r, s.o.). Hier finden sich aber auch deutsche Gesänge, so das Te Deum (fol. 212v–215v), das Benedictus (fol. 217r–219r), das Magnificat (fol. 224v–226r) und den verdeutschten 73
Vgl. zu Chytraeus B ENGA, David Chytraeus. CZAIKA, David Chytraeus. KELLER , Confessio. 74 Vgl. hierzu KELLER , Confessio 170–174, bes. 171. Vgl. MAGER , Konkordienformel 273–281, zur „Außenseiterposition“ des Chytraeus ebd. 279. Vgl. zum „Bergischen Buch“ auch CZAIKA, David Chytraeus 235. 75 FREITAG, Konfliktfelder 177. 76 Exemplar in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Signatur: Cod. Guelf. 168 Helmst. (zitiert: Psalmodia Ecclesiastica). Vgl. dazu D IVINA O FFICIA 191–195. – Es handelt sich um ein durch und durch auf konventuale Gegebenheiten hin konzipiertes Antiphonar.
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Komplethymnus Christe qui lux es (fol. 226r–226v) sowie das deutsche Nunc Dimittis (fol. 227r–227v). Ein fünfter Teil schließt sich an: „Sequuntur Cantica aliquot specialia, quae cantari possunt, quando vel Litaniae seu supplicationes vel publicae preces pro variis necessitatibus fiunt“ (fol. 228r–248r), wiederum auch mit deutschen Gesängen. Ein sechster Abschnitt, eine Begräbnisordnung, beschließt den eigentlichen Antiphonarsteil (fol. 248r–253r). Nun folgen das Psalterium (s.u., fol. 260r–283v), ein Hymnar (fol. 284r–331r), schließlich der Invitatoriumspsalm 94 in verschiedenen Vertonungen (fol. 332r–351r). Ohne die „Psalmodia ecclesiastica“ auch nur annähernd erschöpfend ausdeuten zu können, sei hier doch ein Phänomen erwähnt, das den Traditionszusammenhang zeigt, nämlich die Psalmenverteilung. In ihr spiegelt sich noch die alte benediktinische Psalmenordnung wider.77 Für die Matutin ist ein Acht-Wochen-Rhythmus erstellt worden, und zwar so, dass in der ersten Woche mit wenigen Ausnahmen die Psalmen zu beten sind, die Benedikt noch für die Prim in seinem Wochenschema vorgesehen hatte. Die Psalmen der zweiten Woche sind im Wesentlichen die der Sonntagsvigil bei Benedikt, nun aber auf alle Wochentage verteilt, die der dritten Woche sind die der Montagsvigil, die vierte Woche bedient sich der Psalmen von Benedikts Dienstagsvigil und so fort. Für die Kleinen Horen übernahm man die in der Regel Benedikts von der Prim des Sonntags bis zur Non des Montags üblichen „Divisiones“ des Psalms 118, nun aber, da sieben an der Zahl, auf die einzelnen Wochentage verteilt. Mit den Vesperpsalmen verfuhr man so, dass sie nun auf zwei Wochen verteilt wurden, mit Ausnahme des Psalms 109, der die Sonntagsvesper der ersten wie zweiten Woche eröffnet, nun aber streng numerisch. Hier scheint nicht mehr, wie in der Matutin, die alte Horenordnung durch. Das System der Regel Benedikts, eine (durchaus mit Ausnahmen) numerische Psalmenverteilung, wurde also im Prinzip beibehalten, jedoch auf einen anderen Zeitraum verteilt, was zu einer deutlichen Pensumsminderung führte. Die Frage bleibt indes, ob das Psalmensystem Benedikts – wenngleich in anderer Verteilung – beibehalten wurde, oder ob es allererst – in anderer Verteilung – wieder in Kraft gesetzt wurde, da ja nun die Heiligentage mit den Communetexten reduziert wurden. 78 Dies setzte voraus, dass man an der
77 Vgl. Regula Benedicti, cap. 8–18, in: VOGÜÉ, NEUFVILLE, Règle 508–535. – Kloster Berge stand im Ursprung übrigens der Gorzer Richtung des Benediktinischen Mönchtums nahe: Der erste Abt Harding stammte aus St. Maximin zu Trier. Vgl. RÖMER , Kloster 12. 78 Vgl. zum Problem HÄUSSLING, Luther, etwa 232.
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Bedeutung der Benediktsregel und ihrer Durchsetzung interessiert gewesen war.79 3.3. Das „Vesperale et Matutinale“ des Matthaeus Ludecus aus Havelberg (1589) Im Jahre 1589 entsteht das Vesperale et Matutinale, hoc est, Cantica, Hymni, et Collectae, sive precationes ecclesiasticae, quae in Primis et Secundis Vesperis. itemque Matutinis precibus, per totius anni circulum, in Ecclesijs & religiosis piorum congressibus cantari usitate solent, notis rite applicatae, & in duas partes ordine digestae A Matthaeo Ludeco, Ecclesiae Cathedralis Havelbergensis Decano. 1589.80
Es wird zwar im Hinblick auf den Pfarrgottesdienst konzipiert, doch der meines Wissens einzig belegte Fall seiner Benutzung ist der im Domstift zu Havelberg durch ein seit 1506 nicht mehr prämonstratensisch geprägtes Kapitel.81 Der Übergang des Domkapitels vom alten Glauben zur Reformation ist durch Annette Kugler-Simmerl umfassend dargestellt worden.82 Das entscheidende Datum ist der Tod des vierundachtzigjährigen Domdechanten Conradi 1561, der streng am alten Glauben festgehalten hatte.83 Nun konnte die Reformation im Domstift Einzug halten. Dieser Prozess, vor allem auch die Änderung des Gottesdienstes, ist mit dem Na-
79 T IGGEMANN, Psalterium 45, Tabelle 46–47 und 60, macht auf verschiedene andere Psalterien dieser Epoche aufmerksam, darunter eines von 1540 des Abtes Herbord von Holle für das Michaeliskloster zu Lüneburg, eines Helmstedter Psalteriums von 1597, der auch im Kollegiatsstift St. Blasius zu Braunschweig genutzt wurde. Dass einige Werke, wie das Psalterium von Kloster Berge, in der Liste bei Tiggemann fehlen, zeigt die nicht zuletzt durch unterschiedliche Titel schwierige Quellenlage, die bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist. 80 Vgl. VD 16, 11: L 3185. Exemplar im Prignitz-Museum, Havelberg, Signatur L 595/3423, B.R. 336; SLUB Dresden, Signatur Liturg. 50, 1 u. –1a; HAB Wolfenbüttel, Signatur 57.4 Theol. 2 o (2), aus der Sammlung Herzog Augusts des Jüngeren (1579– 1666); Pfarrarchiv Querfurt, St. Lamperti, F 4, jeweils 24 x 37 cm, Vesperale de tempore et de Sanctis fol. 1 – 267, Psalterium fol. 1 – 129. Ein Nachdruck bei ODENTHAL, Vesperale. Vgl. auch SCHREMS, Geschichte 24–25. MEHL, Vesperale. – Ein Missale des Ludecus aus demselben Jahr 1589 soll hier zur Vollständigkeit nur kurz erwähnt werden, vgl. dazu VD 16, 11: L 3183. – Vgl. auch den Artikel zum Vesperale in diesem Band 267–271. 81 Vgl. KURZE, Transmutation. 82 Vgl. KUGLER -S IMMERL, Bischof; vgl. auch den Überblick bei KURZE, Bistum 255– 256. Vgl. auch W OLGAST, Hochstift 218–227. 83 Vgl. HOFFMANN-ALEITH, Streiflichter 46–47; RIEDEL, Codex 16. Zu Conradi vgl. KUGLER -S IMMERL, Bischof 222–223. – Dieses Datum lässt übrigens den ohne Nachweis bei B OHATTA, Bibliographie 2, 206 unter Nr. 2268 genannten Brevierdruck von 1568 als fraglich erscheinen.
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men des Stiftsdechanten Matthäus Lüdtke (Ludecus) verbunden.84 Er wurde am 21. September 1517 in Wilsnack geboren, einem Ort, der in vorreformatorischer Zeit Ziel vieler Wallfahrten aufgrund eines Blutwunders gewesen ist.85 Ab 1554 „Canonicus absens“ in Havelberg, wurde er 1562 residierender Domherr, 1573 Dechant des Havelberger Kapitels. Damit war er der erste Domdechant lutherischen Bekenntnisses. Dies zeigte sich u.a. durch die Errichtung eines neuen Predigtstuhles im Dom sowie die Entfernung katholischer Bilder und Altäre. 86 Eine würdige Gestaltung des Gottesdienstes lag ihm sehr am Herzen. 87 Bekannt wurde Ludecus hauptsächlich durch sein kirchenmusikalisches Wirken. Dabei ist Ludecus Vertreter einer betont konservativen Richtung des reformationszeitlichen Gottesdienstes, der weiterhin durch die lateinische Sprache wie durch den
84
Vgl. zu Person und Werk vgl. KUGLER -S IMMERL, Bischof 227–229; SCHREMS, Geschichte 24–25, 36–41 zum Cantorale; NOTTARP, Communicatio 118–119. FORNAÇON, Matthäus Lüdtke; HOFFMANN-ALEITH, Streiflichter 47–52; B ASCHE, Kirchenmusik 70– 71; zur Predigt bei der Beerdigung des Ludecus vgl. F INCKE, Zeiten 67–68; B UCHHOLZ, Domstift 73; CZUBATYNSKI, Kirchengeschichte 184–185. Vgl. auch CZUBATYNSKI, Stipendienstiftung (mit Edition des Stiftungstextes aus dem Pfarrarchiv Perleberg, ebd. 383–387). 85 Ludecus legte eine umfangreiche Quellensammlung zur Geschichte des Wunderblutes vor. Vgl. Historia Von der erfindung/ Wunderwercken vnd zerstörung des vermeinten heiligen Bluts zur Wilssnagk. Sampt den hierüber vnd dawider ergangenen schreiben. Allen Liebhabern der Göttlichen warheit vnd sonderlich der jtzigen Jugent zu gute/ mit grossem fleis zusamen getragen/ Durch Matthaeum Lvdecvm W. der Stifftkirchen zu Hauelberg Decanum. Gedruckt zu Wittenberg/ durch Clemens Schleich/ Anno 1586 (vgl. VD 16, 11: L 3181). Die Angaben zum Lebenslauf nach CZUBATYNSKI, Kirchengeschichte 184–185 und KUGLER -S IMMERL, Bischof 227–229. – Zu Wilsnack vgl. auch LICHTE, Inszenierung 13–43; CREMER, Einordnung, hier I, 75–90, 116–144, 194–206 u.ö. 86 Vgl. RIEDEL, Codex 73; HECKEL, Kollegiatstifter 59. HECKEL, Bilder 60. 87 So stiftete er eine Tafel zur Mahnung eines innerlichen Gottesdienstes für den Dom: „Jn laudem trini et unius Dei omnium creatoris Erige cor suum profer bene respice sensum Et recte si vis psallere psalle Deo. Nam non vox sed votum, non cordula musica sed cor, non clamans sed amans cantat in aure Dei. Sic igitur canat servus Christi, vt non vox canentis, sed verba placeant quae cantantur. Plerique enim Deum vocibus sequuntur, sed moribus fugiunt, et dum blande vox quaeritur, bona vita deseritur, dum Cantor pop ulum vocibus delectat, Deum moribus stimult, qui mentis affectum et deuocionem cordis requirit et psallentis lacrimas magis adspicit, quam vocis melodiam. Quare non solum lingua sed et opere et moribus lauda Deum et vide vt quod ore cantas, corde credas, et quod corde credis, operibus comprobes. Cantet vox, cantet vita, cantent facta in laudem trini et vnius Dei omnium Creatoris! Amen. Mathaeus Ludecus Decanus Ecclesiae Havelbergensis scripsit Anno gratiae et novissimi temporis MDLXXXV” (Text nach R IEDEL, Codex 74). Eine andere Tafel des Ludecus von 1583 besagt, der Gottesdienst sei „ab Jdolomaniis Pontificiis repurgatum et spirituali Jesu Christi in illud per Ministerium Verbi et sacramentorum ingressu factum est verae de vero Deo doctrinae et domus prec ationis…“ (vgl. RIEDEL, Codex 17).
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Gregorianischen Choral geprägt ist.88 Die damalige Liturgiereform in Havelberg ist nicht nur durch die von Ludecus neu erstellten liturgischen Bücher gut dokumentiert, sondern auch durch die diesen Werken vorausgehenden Stiftsstatuten von 1581, die die theologischen Rahmenbedingungen der Liturgiereform benennen, indem sie im Kapitel „Von Ceremonien“ auch die Liturgie einbeziehen. 89 Eine grundlegende Besonderheit der Statuten, die unter der Federführung von Matthäus Ludecus verfasst worden sind, ist, dass sie an die alten Stiftsstatuten von 1506/07 bzw. 1538 anknüpfen.90 Man stellt sich bewusst in die Tradition des Domstiftes, wie es die alten Statuten selbst taten: In Ceremoniis, tam in Ecclesia quam in choro et alibi tenendis et servandis visum est, antiquos ritus sive antiquas observantias et consuetudines continuari et observari, nisi successu temporis pro honore sive honestate Ecclesiae alii ritus viderentur servandi et introducendi.91
Mit dem „Vesperale et Matutinale“ war ein Zustand geschaffen, der 74 Jahre das gottesdienstliche Leben im Dom bestimmen sollte. Um das eigentlich für Pfarreien bestimmte Buch aber für den Stiftsgottesdienst einzurichten, passte man die für jeweils eine Morgen- und eine Abendhore eingerichtete Psalmenordnung handschriftlich an die für den stiftischen Gottesdienst nötige Vollzahl der Horen an, wie das in Havelberg verwahrte Exemplar zeigt. Wie aber sieht die gedruckte, also nicht auf die Belange des Domstiftes hin veränderte Psalmenordnung des Vesperale aus? Alle 150 Psalmen werden in einer Woche verwendet, und zwar verteilt auf die beiden Horen Matutin und Vesper. Ludecus schlug damit einen ähnlichen Weg ein wie circa 20 Jahre früher Paul Eber in seinem Psalterium 92 und rund 20 Jahre später das evangelische Domkapitel von Magdeburg.93 In allen Fällen wurde der gesamte Psalter über eine Woche verteilt, streng numerisch, und zwar so, dass sonntags in der Matutin mit Psalm 1 begonnen wird und nun fast alle Psalmen bis zum 108. Psalm der Matutin zugeordnet werden, damit die Vesperreihe sonntags mit dem üblichen 109. Psalm beginnen konnte (Zählung nach der Vulgata).94 Unterschiede zwischen den Ordnungen ergeben sich an nur wenigen Stellen, nämlich bei der Matutin des Sonntags und Montags und bei der Verwendung der Psalmen 88 Vgl. etwa GRAFF, Geschichte, hier 1, 167, 169 u.ö.. Vgl. auch SCHREMS, Geschichte 38–57. 89 Die Statuten sind abgedruckt bei R IEDEL, Codex 169–195. Vgl. hierzu KUGLER S IMMERL, Bischof 169–173. 90 Vgl. dazu KURZE, Transmutation 330–332. 91 R IEDEL, Codex 174. 92 Vgl. T IGGEMANN, Psalterium und KOCH, Fürbitte 89–90. 93 Vgl. Abschnitt 3.5. 94 Zu dieser Ordnung vgl. FISCHER , Ordnung.
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21 bis 25 und/oder 117 und 118 für die kleinen Horen des Sonntags im Brevier des Paul Eber und in Magdeburg. Deshalb zeitigen sich auch in der Vesperpsalmodie von Montag und Dienstag kleine Divergenzen, wie folgende Tabelle zeigt:
Matutin Sonntag Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Vesper Sonntag Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag: Prim Terz Sext Non Laudes
Psalterium (Eber 1564)95
Vesperale (Ludecus 1589):
Magdeburg (1613):
1–20 26–37 38–51 52–67 68–79 80–96 97–108
1–25 26–37 38–51 52–67 68–79 80–96 97–108
1–24 25–37 38–51 52–67 68–79 80–96 97–108
109–113 114–116; 119–120 121–125 126–130 131–136 137–142 143–147
109–113 114–120 121–125 126–130 131–136 137–142 143–147
109–113 114–116 119–125 126–130 131–136 137–142 143–150
21–35; 117–118 (Aleph-Daleth) 118 (He-Teth) 118 (Iod-Nun) 118 (Samech-Tau) 148–150
117–118 (Aleph-Daleth) 118 (He-Iod) 118 (Caph-Ain) 118 (Phe-Tau) 148–150
Die nachträglich vorgenommenen handschriftlichen Einträge in das Havelberger Exemplar des Vesperale, die die Ordnung des dortigen Domstiftes wiedergeben, zeigen die Verwendung des Psalmes 118 für die kleinen Horen wie in Magdeburg und bei Eber sowie die Kennzeichnung einiger Psalmen für Komplet und Laudes, die dann wohl an bestimmten Tagen zu nehmen sind.96 Zwar war das Vesperale für den Gebrauch in Pfarreien konzipiert worden, de facto aber meines Wissens nur im Domkapitel zu Havelberg im Gebrauch gewesen. Es war in Bezug auf das Pensum und das Niveau des Gesanges für normale Pfarrgemeinden wohl kaum durchführbar. Aber auch im Domstift zu Havelberg war die Zustimmung nicht ungeteilt, denn schon 95
Hier nach der Tabelle bei KOCH, Fürbitte 89. Etwa Psalm 30 (fol. 22v*) für die Komplet, Psalm 62 (fol. 46v*) für die Laudes, ferner Psalm 118 für die kleinen Horen (fol. 93r*–99r*). 96
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bald kam es zu einer nochmaligen Reform der Offiziumsliturgie. Die Orientierung an der Tradition, wie sie Ludecus übte, hatte so nicht lange Bestand. Bald wurden die lateinischen Gesänge als typisch katholisches Konfessionsmerkmal angesehen, weshalb Vorbehalte laut wurden. 97 Diese Art des Offiziums war für die eingepfarrte Gemeinde und selbst die Domherren sehr unerbaulich. Im Jahre 1663 richtete daher der damalige Dompropst Otto von Grote einen Antrag an das Konsistorium, die Form des täglichen Offiziums ändern zu dürfen. Zudem ersuchte er hierzu die landesherrliche Genehmigung. Vorher hatte man im Kapitel die Abschaffung „des Choral- und Lateinischen Singens, so noch außm Pabstthumb überblieben und womit 2 bis 3 Persohnen ohn eintzige andacht und erbauung täglich in der Kirche sich plagen,“ abzuschaffen. 98 Das Argument rund zwei Generationen nach Ludecus ist beachtlich: Man sah die Tradition der alten Kirche, die Ludecus noch bei den reformationszeitlichen Veränderungen in ihrer Gänze und Schönheit zu bewahren glaubte, nicht mehr als bewahrenswert an. Vielmehr ist das Geschichtsbild nun das des Bruches: Nicht die Fortführung einer sicher auch mittelalterlich geprägten Tradition, sondern deren Abbruch und der Neuanfang sind das Denkschema. 99 Und in diesem Kontext ist die Forderung nach der Landessprache zu werten.100 Am 10.10.1663 erteilte Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst (1640– 1688),101 seine Genehmigung zur Reform. Und dennoch konnte man sich vom Geist des Ludecus nicht gänzlich verabschieden. Es blieb an manchen Tagen bei der Lateinischen Vesper wie übrigens auch bei Lateinischen Reden.102 So groß war die Kraft der Tradition.
97
Vgl. zur „Ablösung des kirchlichen Tageszeitengebets durch die Erbauungsliteratur im 16. bis 18. Jahrhundert“ GOLTZEN, Gottesdienst 214–215. 98 Vgl. RIEDEL, Codex 60. 99 Vgl. zur Problematik ANGENENDT, Liturgik. Wenn auch schon Ludecus auf die Väterzeit rekurrierte, so doch, um den wesentlich mittelalterlich geprägten Choral zu erhalten. Die nunmehr ablehnende Haltung dem Papsttum und übriggebliebenen Bräuchen gegenüber versteht sich vor dem Hintergrund einer „zweiten Reformation“ der reformierten Konfessionalisierung, die sich als Antwort auf die und zum Schutze vor Tendenzen der Gegenreformation schon im 16. Jahrhundert durchsetzte. Vgl. hierzu KLUETING, Konfessionalisierung 310, wo extra das lateinische Breviergebet als Konfessionsmerkmal angesprochen wird. 100 Vgl. etwa die frühen deutschen Breviere aus Stolberg im Besitz des Quedlinburger Stiftes bei FLIEGE, Handschriften 61–66 (Qu. 84) und 67–69 (Qu. Cod. 84b). 101 Vgl. die Tabelle bei RUDERSDORF, SCHINDLING, Kurbrandenburg 35. 102 Vgl. RIEDEL, Codex 60–61.
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3.4. Die „Ordinatio Cultus Divini“ des gemischtkonfessionellen Halberstädter Domkapitels (1591) Um auch eine andere Gattung liturgischer Bücher zu erwähnen, sei nun der besondere Fall des Halberstädter Domkapitels zur Sprache gebracht. Hier hat man 1591 eine „Ordinatio cultus divini“ entwickelt, also kein Offizienbuch im strengen Sinne, sondern einen Liber Ordinarius, der die nachreformatorische Nutzung der beibehaltenen mittelalterlichen Chorbücher regeln möchte.103 Halberstadt ist aufgrund der gemischtkonfessionellen Besetzung des Domkapitels ein besonderer Fall, der gut dokumentiert ist.104 Deshalb seien hier lediglich die andernorts in der notwendigen Ausführlichkeit dargestellten Ergebnisse dokumentiert. Zum einen zeigt sich die eigentümliche Situation des Halberstädter Domkapitels, die bis zur Auflösung 1810 von drei Faktoren geprägt war: Das Kapitel war gemischtkonfessionell besetzt, vollzog aber weiter das gemeinsame Offizium im Hohen Chor und hat hierfür eine Liturgiereform im Geiste lutherischer Theologie durchgeführt. Diese Liturgiereform wurde durch die Rede des Bischofs Heinrich Julius vor dem Domkapitel am 23. Februar 1591 eingeleitet.105 Ihre theologischen Grundlagen finden sich auch in der ersten evangelischen Predigt des Dr. Martin Mirus am 21. September desselben Jahres im Halberstädter Dom.106 Schriftgemäßheit des Betens, Verzicht auf Werkgerechtigkeit, Ehrung der Heiligen, ohne sie um Fürsprache anzurufen, dies sind die wichtigsten der durch den Bischof benannten Kriterien. Die Erstellung der „Ordinatio Cultus Divini“ von 1591 ist ein Produkt dieser Liturgiereform. Sie konnte in der Detailuntersuchung deshalb als traditionsstark angesehen werden, als sie auf dem Reformbrevier des Kardinals Albrecht von Brandenburg von 1515 basiert. Die häufigsten Änderungen im Bezug auf die Textgestalt des Offiziums konnten im Bereich des Proprium de Sanctis ausgemacht werden. Man war bemüht, jeden Anklang an die Fürbitte der Heiligen zu vermeiden. Stattdessen wurden sie zu Vorbildern des Glaubens und als solche weiter verehrt. In Bezug auf die Feiergestalt ergaben sich Änderungen dadurch, dass alle prozessionalen oder dramatischen Elemente aus der Liturgie entfernt wurden. Die lateinische Sprache allerdings blieb wie der Gregorianische Choral erhalten, was sich unter anderem in der fortdauernden Nutzung der alten Chorbücher zeigt. 107 103
Vergleichbar ist hier etwa die durch UCKELEY, Gottesdienstordnung 132–170 herausgegebene „Pia et vere catholica et consentiens veteri Ecclesiae ordinatio Caeremoni arium in Ecclesiis Pomeraniae“ von 1535. 104 Vgl. ODENTHAL, Ökumene, in diesem Band 313–337; ODENTHAL, Ordinatio. Vgl. auch die Hinweise bei KOCH, Fürbitte 93–95. 105 Der Text dieser Rede findet sich in Auszügen bei ODENTHAL, Ordinatio 229–237 106 Die Predigt findet sich bei ODENTHAL, Ordinatio 239–259. 107 Zu den Änderungen vgl. die Zusammenstellung bei ODENTHAL, Ordinatio 81–87.
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Die in dieser Liturgiereform vollzogene Verringerung des Pensums (eine statt zwei oder drei Nocturnen) wurde nach 1591 fortgesetzt. Nach Abschaffung der Morgenhoren verblieben in einem Brevierdruck von 1792 am Morgen Terz, Sext und Non, am Nachmittag Vesper und Komplet, und zwar ohne jeweiligen zeitlichen Neuansatz. 108 Keine oder nur in Teilen gemeinsame Liturgie gab es bezüglich der Feier der Eucharistie. Die katholische Fraktion des Kapitels hielt an den eigenen Messfeiern fest. 109 3.5. Die liturgischen Bücher des Magdeburger Domkapitels von 1612 und 1613 Die Reformationsgeschichte der Stadt Magdeburg ist deshalb von Bedeutung, als man sich bereits 1524 als eine der ersten Städte der Reformation zuwandte.110 Doch wie andernorts auch waren das Domstift und seine Kleriker äußerst konservativ.111 Nur zögernd und nach heftigem Widerstand wurde die neue Lehre von den Domherren angenommen, denn man fürchtete die Aufhebung des Domstiftes insgesamt und damit den Verlust der wirtschaftlichen Existenz. Am 16. Juli 1546 ließ der Rat der Stadt die Domimmunität absperren, um eine Änderung der Gottesdienste zu erreichen. Doch fast alle Domherren hatten Magdeburg mit dem Domschatz bereits verlassen, um erst 1558 wiederzukehren. 112 Nach diesem zwölfjährigen Exil nahm man sogleich die Feier der Liturgie wieder auf, indes in altgläubiger Weise. Wohl gab es mannigfache Auseinandersetzungen mit der Bürgerschaft: Sie richtete ein Schreiben an Erzbischof Sigismund, in dem die Angst artikuliert wurde, das Domkapitel könne so an Einfluss gewinnen, dass die alte Liturgie überall, auch in den Pfarrkirchen, wieder eingeführt würde. Von hierher erklären sich auch die Störungen des Gottesdienstes im Dom „durch den von seinen fanatischen Predigern erregten
108
Vgl. zum Brevier von 1792 ODENTHAL, Ordinatio 75–78 u.ö.; HÄUSSLING, Gattungen 41. 109 Vgl. ODENTHAL, Ordinatio 155–163. – Jüngst entdeckte der Halberstädter Domkustos Jörg Richter zwei handgeschriebene Exemplare eines Teil-Graduale von 1801 für den Gebrauch in der Stephanuskapelle am alten Kapitelsaal, die neben den Ordinar iumstexten (Asperges, Kyrie etc.) die Proprien vom Stephanusfest, dem Geburtsfest Johannes’ des Täufers, dem Kirchweihfest sowie der Totenmesse enthalten. Die Auswahl der Gesänge kennzeichnet die Werke eindeutig als zur katholischen Tradition gehörig. Damit ist die katholische Messe am Halberstädter Dom – wenngleich in einer Nebenkapelle – bis ins 19. Jahrhundert zumindest an den genannten Tagen sicher belegt. 110 Vgl. hierzu BRANDT, City; W ENTZ, SCHWINEKÖPER , Bistümer 96–99; SCHRADER, Magdeburg (mit weiterer Literatur); VOGTHERR, Erzbistum Magdeburg 395–398; KAUFMANN, Ende. 111 Vgl. hier HERTEL, Annahme. 112 Vgl. zum Folgenden SEHLING, Kirchenordnungen II,1 399–401.
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Pöbel,“113 weshalb es zu einer zeitweiligen Schließung des Domes kam. 1559 war der Dekansposten mit dem evangelisch gesinnten Domherren Christoph von Möllendorff besetzt worden. Am 5. Dezember 1561 fasst der Erzbischof mit seinen Ständen den Beschluss, die Reformation in Magdeburg und Halberstadt offiziell einzuführen. Damit war der Startschuss für den endgültigen Einzug der Reformation im Domstift gegeben. Am 30. November 1567 wurde der Dom wiedereröffnet, und es kam zu einer Neueinrichtung des nunmehr lutherischen Gottesdienstes, wie er dann 46 Jahre später in den hier kurz vorzustellenden liturgischen Druckwerken festgelegt wurde. Das Magdeburger Domkapitel ließ nämlich 1613 völlig neue Liturgica drucken, die im lutherischen Geiste liturgische Neuschöpfungen neben reiches Material der liturgischen Tradition setzten. Gustav Hertel urteilt darüber im Jahre 1895 so: „Auch dass beim Gottesdienste noch einige katholische Gebräuche beibehalten wurden, war durchaus Nebensache, nachdem in der Lehre und in den hauptsächlichen Ceremonien mit dem Katholicismus gebrochen war.“114 Für die Beratungen über eine Veränderung des Gottesdienstes und die subjektive Wahrnehmung der anstehenden Liturgiereform sind zwei Dokumente aufschlussreich. Es hat sich ein Brief des Dr. Melchior Kline vom 24. Juni 1564 erhalten, welcher die konservative Linie eines gemäßigten Luthertums betont und einfordert: Und achte, wen ich mein gewissen nach reden und schreiben sollte, die missal und breviaria vohr die hand zu nehmen, zu bewegen, was drin unrecht befunden, hinweck zu thun und das ander, was recht ist, bleiben zu lassen und zu brauchen, dann besser ordenunge wirdt man nimmer erdencken, zu forderst, weill der thumb keine pfarrkirchen ist.115
Es geht also um eine Bereinigung der bisherigen Breviertexte, aber unter Wahrung der besonderen Situation des Domes, der eben keine Pfarrkirche sei und nach einer besonderen Liturgie verlangt. In einem Schreiben vom 2. August 1564 wird dieser Gedanke präzisiert: Es ist die Stundenliturgie, die das Besondere des Domes ausmacht und der Pflege bedarf. Deshalb sei nicht zu raten, den Chordienst der Domherren abzuschaffen und durch Chorschüler zu ersetzen: Zum andern wurde volgen, dass die kirche das mehrer teil des Tages ledick stunde, das sie pflegen mit den schuelern nicht viel zu singen, dann allein des sontags und feste die messe und vesper und fruhe etzliche psalmen, aber uff die anderen tage singen sie nicht
113
So HERTEL, Annahme 20. HERTEL, Annahme 28. 115 Zitiert nach HERTEL, Annahme 23. 114
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mehr dann etzliche psalmen, einen himnum und responsorium, sonsten wird nichts gesungen und kommen die horae Canonicae gar abe. 116
Man erkennt hier deutlich den Versuch, eine das Domstift auszeichnende Tradition zu bewahren, sie aber dennoch den theologischen Neuerungen anzupassen. Doch diese Anpassung führt im Magdeburger Domstift zu einer Substitution der traditionellen liturgischen Bücher durch die Neudrucke, die indes einen Teil des Reichtums der liturgischen Tradition beibehalten. Man betrat also einen anderen Weg als in Halberstadt, wo die mittelalterlichen Chorbücher – freilich adaptiert – weiterbenutzt wurden. Im Jahre 1613 wurde ein neues Antiphonar für die Offiziumsliturgie wie für die „Messe“ des Magdeburger Domkapitels gedruckt: Cantica sacra, quo ordine et melodiis, per totius anni curriculum, in Matutinis et Vespertinis, itemque intermediis precibus cantari solent, una cum lectio nibus et precationibus, in unum volumen congesta pro S. Metropolitana Magdeburgensi Ecclesia, excusa Magdeburgi sumtibus praedictae Ecclesiae etc. Typis Andreae Bezeli, Anno Christi MDCXIII.117
Bereits ein Jahr vorher war das Psalterium mit einem Beiheft für die biblischen Cantica erschienen: Psalterium Davidis, Prophetae et regis, juxta veterem translationem alicubi emendatam, cum canticis selectis veteris et novi Testamenti ad usum S, Metropolitanae Magdeburgensis Ecclesiae, excusum Magdeburgi eiusdem Ecclesiae impensis, Typis Andreae Bezeli, Anno Christi MDCXII. Cantica veteris et novi Testamenti selectiora, ad usum S. Metropolitanae Magdeburgensis Ecclesiae excusa Magdeburgi Eiusdem Ecclesiae impensis. Typis Andreae Bezelii, Anno Christi MDCXII. 118
Man darf annehmen, dass Vorarbeiten hierzu noch gegen Ende des 16. Jahrhunderts eingeleitet wurden. Das Domkapitel betete gemäß dem Psalterium den ganzen Psalter in einer Woche. Luther hatte noch in seiner Schrift „Formula Missae et Communionis“ von 1523 für die Beibehaltung des ganzen Psalters plädiert, freilich handhabbar aufgeteilt: „Sed per partes 116
Zitiert nach HERTEL, Annahme 24. Nicht mit Signatur versehene Exemplare befinden sich im Evangelischen Dompfarramt St. Mauritius und Katharina (zitiert: CANTICA SACRA). Herrn Domprediger Quast sei für seine hilfreiche Unterstützung an dieser Stelle ein herzlicher Dank gesagt. Ein Exemplar befindet sich ebenso in der Bibliothek des Klosters Unserer Lieben Frauen in Magdeburg, Signatur VI C.c. 3 fol.. Es hat den Eintrag: Caenobio B. Mariae Virgin. Magdeburg, donatus hic Liber d. 21. September Dei 1675, der ein zusätzlicher Beleg für die Nutzung des Werkes auch außerhalb des Magdeburger Domstiftes ist (siehe dazu auch unten 3.6.). – Vgl. insgesamt F ISCHER, Ordnung. – Bei www.vd17.de (19.6.2006): VD 17 14:684027E zu einem Exemplar in der Sächsischen Landesbibliothek Dresden (Signatur Liturg. 86). 118 Auch von diesen Psalterien sind etliche im Evangelischen Dompfarramt St. Maur itius und Katharina vorhanden (ohne Signatur). Bei www.vd17.de (19.6.2006): VD 17 23:27189B zu Exemplaren in Berlin, Dresden, Halle und Wolfenbüttel. 117
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X. „…matutinae, horae, vesperae, completorium maneant…“
distributum totum psalterium in usu maneat, et universa scriptura in lectiones partita perseveret in auribus Ecclesiae.“ 119 In Magdeburg aber, wie bereits in der Tabelle gezeigt wurde, verteilte man den Psalter über eine Woche, und zwar streng numerisch, nämlich so, dass sonntags in der Matutin mit Psalm 1 begonnen wird und nun fast alle Psalmen bis zum 108. Psalm der Matutin zugeordnet werden, damit die Vesperreihe mit dem üblichen 109. Psalm beginnen kann (Zählung nach der Vulgata).120 Das Antiphonar selbst hält zu Beginn eine allgemeine Ordnung der Horen einschließlich der „Missa” bereit, die hier wiedergegeben werden soll: 121 Generalis Dispositio seu Ordo ceremoniarum in S. Metropolitana Magdeburgensi Ecclesia In precibus vespertinis 1. Initio canitur: Deus in adiutorium meum intende: Domine ad adiuvandum me festina. Gloria Patri etc. 2. Antiphonae, quae sunt Dominicae, Festi, vel Feriae propriae, ante Psalmorum intonationem praecinuntur usque ad lineam transverse ductam. 3. Psalmi in Dominicis, Festis seu Feriis notati. 4. Post Psalmos Antiphonae a toto choro repetuntur. 5. Responsorium, idque solum in Sabbathis, Dominicis et festis diebus. 6. Hymnus de tempore. 7. Caput quoddam ex sacris Bibliis legitur. 8. Antiphona super Magnificat a praecentore canitur usque ad lineam transverse tractam. 9. Magnificat. 10. Post Magnificat, Antiphona repititur a choro, vel organo. 11. Dominicis et Festis diebus post Orationem pueri canunt Benedicamus Dominicale, vel quod diei festi est proprium. 12. Deinde concio sacra; post quam tota Ecclesia canit hymnum aliquem germanicum. 13. In Feriis vero, statim post Antiphonam ad Magnificat repetitam, Completorium, ut vocatur, canitur, hoc ordine. Psalmus 4: Cum invocarem exaudivit. Psalmus 30: In te Domine speravi, usque ad V. 7. Psalmus 90: Qui habitat in adiutorio altissimi. Psalmus 133: Ecce benedicite Domino. 14. Hymnus. 15. Caput antea latine recitatum germanice legitur. 16. Canticum Simeonis Luc. 2. Nunc dimittis etc. cum Antiphona ordinaria. 17. Preces Vespertinae Oratione et Benedicamus concluduntur.
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WA 12, 219 19–21. Dies ist übrigens schon die Psalmenordnung des von Paul Eber eingerichteten Psalteriums des Buchdruckers Laurentius Schwenck von 1564. Vgl. KOCH, Fürbitte 89. Vgl. auch die Tabelle oben. 121 CANTICA SACRA ohne Foliierung recto-verso. 120
3. Textzeugnisse liturgischer Bücher im Gebrauch der Stifte und Klöster
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In Precibus Matutinis 1. Preces matutinae inchoantur cum versiculis: Domine labia mea aperies: Et os meum annuntiabit laudem tuam. Et: Deus in adiutorium meum intende, Domine ad adiuvandum me festina. Gloria Patri etc. 2. Invitatorium ad Venite, quod Dominicae, Festi vel Feriae proprium est. 3. Antiphonae ad Psalmos in diebus Dominicis, Festis et Feriis praescriptae praecinuntur usque ad lineam transverse ductam. 4. Finitis Psalmis Antiphonae repetuntur. 5. Diebus Festis et Dominicis tres lectiones et tria Responsoria: In Feriis vero una lectio, et unum Responsorium sumuntur. 6. Canticum seu Symbolum Ambrosii et Augustini: Te Deum laudamus, iis solummodo diebus, in quibus annotatum reperitur. 7. Laudes cum suis Antiphonis et Psalmis. 8. Hymnus de tempore. 9. Antiphona super Benedictus a Praecentore inchoatur. 10. Benedictus. 11. Post repetitam Antiphonam Horae cum suis Hymnis, Psalmis et Responsoriis usitatis peraguntur. 12. Finitis Horis Euangelium vel caput ordinarium germanice legitur. 13. Suffragii Antiphona suo loco annotata. NOTA: Feria sexta Suffragii loco canitur psalmus aliquis de passione Christi, cum Responsorium Tenebrae factae sunt, et Oratione absque Benedicamus. In Missa 1. Introitus suus cuiusque Dominicae, et Festi. Hymno illo: Gloria Patri etc., qui Introitui annectitur, finito, repetitur Introitus, idque ita servatur per totum annum. 2. Kyrie, suae Dominicae et Festi proprium. 3. Epistola diei Dominicae vel Feriis congruens, cum usitato accentu latine cantata, germanice etiam ad populum recitatur. 4. Alleluia, et Sequentia sive Prosa, vel Tractus de tempore. 5. Sequentiam excipit Euangelium latinum cum consueto tono, quod etiam ante chorum coram populo germanice legitur. 6. Euangelio germanico subjicitur Symbolum Nicenum: Credo in unum Deum. 7. Postea tota Ecclesia canit Symbolum Apostolicum germanicum, Wir gleuben all an einen Gott. 8. His peractis, concio sacra habetur. 9. Finita concione duo pueri canunt: Da pacem Domine: Aut Psalmus aliquis germanicus canitur: Aut Organum sonat. 10. Praefatio Dominicalis: In Festis, quae cuiusque est propria, ante altare a ministro canitur. 11. Sanctus a choro cantatur. 12. Oratio Dominica verbis institutionis germanice cum consueto accentu a ministro praemittitur. 13. Recitatione verborum institutionis finita, ipsa Coena administratur. 14. Sub cuius administratione germanicus Psalmus Jesus Christus unser Heiland cantatur. Et si multi adsunt communicantes, additur Agnus Dei. vel: O Lamb Gottes unschuldig, ter repetitur. 15. Gratiarum actio a ministro pro illis qui communicarunt.
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X. „…matutinae, horae, vesperae, completorium maneant…“
16. Precatio seu Benedictio ad populum novissima, Der Herr segene dich etc. 17. Conclusionis loco canitur, Gott sey gelobet und gebenedeyet. 122
Interesse verdient der Versuch, die Liturgie des Kapitels zugleich um den Verkündigungsaspekt an das Volk zu bereichern, indem man lateinische Lesungen auch auf Deutsch vortragen lässt. 123 Der Ortshinweis „ante chorum“ zeigt, dass der Lettner tatsächlich noch als Trennlinie fungierte und zugleich wohl noch als Bühne für die Evangelienlesung in Richtung Langschiff genutzt wurde.124 Wie einschneidend der Konfessionswechsel am 3. November 1567 empfunden wurde, wird anhand der Tatsache deutlich, dass man zur Adventszeit eine eigene Präfation für die Abendmahlsliturgie schuf, die des Konfessionswechsels gedachte und auch als Paradigma der Neuordnung des Offiziums gewertet werden darf: „Qui hodierna die nobis mitis Salvator venit, nam pura Evangelii praedicatione et legitima Sacramentorum administratione templum hoc repurgavit.” 125 Das Selbstverständnis der reformationszeitlichen Liturgiereform zeigt sich darin, dass die Formulierung der Confessio Augustana folgt. Damit stellt man die Liturgiereform des Magdeburger Domes unter die entscheidenden theologischen Vorzeichen lutherischen Bekenntnisses: Die reine Verkündigung des Evangeliums und die rechtmäßige Verwaltung der Sakramente sind die entscheidenden Kriterien des wahren Gottesdienstes. Zugleich ist die Präfation Ausdruck des hohen Selbstbewusstseins der Domherren. Denn ihre Liturgiereform wird dadurch sakralisiert und legitimiert, dass es Christus selber ist, der die Reinigung des Domes hin zum wahren Gottesdienst und zum Ursprung christlicher Überlieferung durchführt. 126 122 Eine etwas spätere und ausführlichere Schilderung der Missa aus dem Kirchenbuch des Dompredigers Philip Hanen von 1615 ediert FISCHER , Ordnung 135–140. Dort findet sich der interessante Hinweis, die Kommunikanten würden mittels eines Glöckleins zum Empfang des Abendmahls in den Chor gerufen, um ihn danach wieder zu verlassen. Die Lettnerabschrankung wird also „durchlässiger.“ 123 FISCHER, Ordnung 132–133, zählt 17 deutsche Kirchenlieder auf. 124 Nur kurz, da nicht Thema dieser Publikation, sei auf die deutschen Abendmahlsworte aufmerksam gemacht, die dem Vater Unser folgen. Zu ähnlichen Phänomenen in Halberstadt vgl. ODENTHAL, Ordinatio 156–160. 125 CANTICA SACRA 29. Vgl. hierzu auch F ISCHER, Ordnung 129. – Die Formulierung folgt übrigens der Confessio Augustana. Vgl. Die Augsburgische Konfession. Confessio oder Bekanntnus des Glaubens etlicher Fürsten und Städte uberantwort Kaiserlicher M ajestat zu Augsburg Anno 1530, in: Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, hg. im Gedenkjahr der Augsburgischen Konfession 1930. Göttingen 12 1998, 31– 137, hier etwa im Kapitel VII. „De ecclesia:“ „Est autem ecclesia congregatio sanctorum, in qua evangelium pure docetur et recte administrantur sacramenta (ebd. 61 3–6).” Diesen Hinweis verdanke ich Pfarrer Stefan Kunze, Querfurt. 126 Ohne die Vorsilbe re des repurgare überinterpretieren zu wollen, könnte sie doch ein Hinweis darauf sein, dass als normierende Größe das Idealbild der patristischen Ep oche oder gar der Urkirche Pate steht.
3. Textzeugnisse liturgischer Bücher im Gebrauch der Stifte und Klöster
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3.6. Die Chorordnung des Brandenburger Domstiftes von 1645 Bis 1506/07 war in Brandenburg ein Prämonstratenser Domkapitel ansässig, wie etwa auch zu Havelberg.127 Doch blieb die damals erfolgte Transmutation in ein „weltliches“ Domkanonikerstift nicht die letzte Veränderung. Spätestens 1571 war das Kapitel lutherisch geworden, mit nun verringerter Kanonikerzahl. 128 Die Einrichtung einer Ritterakademie 1704/05 tat ein Übriges in der Veränderung der Prägung des Stiftes: Die Offiziumsliturgie etwa, einst Forum der Verwendung der Paramente, war nurmehr Sache der Vikare. Die Stiftsherrenstellen waren im Grunde eine Möglichkeit geworden, „Verdienste Unserer getreuen Unterthanen auf eine würdige Weise zu belohnen,“ so König Friedrich Wilhelm III. 129 Die geistliche Dimension ging zunehmend verloren, wurde jedoch 1946 ausdrücklich wieder betont („Pflege des Gottesdienstes“). 130 Im Laufe des frühen 17. Jahrhunderts wird die Magdeburger Ordnung übernommen und 1645 für die handschriftliche „Dispositio ac ordo canticorum et ceremoniarum in choro ecclesiae Cathedralis Brandenburgensis observandus est“ aus Brandenburg adaptiert.131 Diese Chorordnung beruft sich ausdrücklich auf die Magdeburger „Cantica sacra,“ modifiziert sie indes.132 Von Interesse ist die Tatsache, dass die Bräuche vieler Domstifter von Magdeburg geprägt sind, wie schon in der „Ordinatio“ von Halberstadt Magdeburg als Vorbild hingestellt wird („sicut habent Magdeburgensi“). 133 Die Brandenburger Dispositio beginnt mit einer grundsätzlichen Wochenordnung (fol. 3r–9v). Für die Psalmodie der Matutin wird ein SechsWochen-Schema vorgesehen. Jeweils zusätzlich zu den täglichen Horen der Matutin und Vesper wird am Sonntag die Prim gehalten, verbunden mit der Messe, von der aber nur Introitus und Kyrie genannt werden. Dies erklärt sich vielleicht von den wenigen Malen, für die das Abendmahl vorgesehen ist, wie aus den Angaben am Ende der Dispositio bezüglich der zu entzündenden Kerzen entnommen werden kann. 134 Dienstags betet man zusätzlich die Prim, mittwochs Terz und Komplet. Am Donnerstag findet 127
Vgl. zur Geschichte Brandenburgs im 15. Jahrhundert auch LETZ, Herrschaft, hier etwa 34–43, 110–136. 128 Vgl. zu den Voraussetzungen GÖSE, Reformation. Vgl. auch KURZE, Bistum Brandenburg 109–110. 129 Das Zitat bei KURZE, Bischof 31. 130 Vgl. KURZE, Bischof 32. – Vgl. insgesamt auch den Sammelband: HEILIGE GEWÄNDER . 131 Domstiftsarchiv Brandenburg, Signatur DstA, BDK 4584/2020 (zitiert: Dispositio). Die Ordnung ist erwähnt bei J EITNER , Textilbestand 44. 132 Eine Edition hierzu wird vorbereitet. 133 Vgl. ODENTHAL, Ordinatio 61. 134 Dispositio (wie oben bei Anm. 131), fol. 14r: „Da mann auch auff Michaelistag keine Communion helt, werden selbige in der Meß nicht angebrannt.“
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X. „…matutinae, horae, vesperae, completorium maneant…“
nach der Matutin eine Predigt statt. Der Freitag ist durch die Sext mit einem Suffragium zum Kreuz Christi geprägt. Der Samstag zeichnet sich durch Non und Komplet aus. Es scheint, man wollte einerseits das Pensum reduzieren, andererseits die kleinen Horen in irgendeiner Weise beibehalten. Deshalb hat man die kleinen Horen auf verschiedene Tage verteilt. Auf eine alternative Psalmordnung (fol. 10r) folgen die Angaben zu den Festa Sanctorum (11r). Hier gibt die Dispositio die Seitenzahlen der Magdeburger „Cantica sacra“ von 1613 an, übernimmt jedoch nicht alle dort angegebenen Heiligenfeste: Michaelis, ianua ecclesiae, incidit in diem 29. Septembris. De hoc agitur in libro Sanct orum canticorum Magdeburgensis Ecclesiae pagina 1162. Lucae Evangelistae in diem 18. Octobris, p. 1175. Simonis et Judae, 28. Octobris, p. 1183 (es fehlen: Omnium Sanctorum). Andreae Apostoli, 30. Novembris, p. 991. Thomae Apostoli, 21. Decembris, p. 1006 Conversionis S. Pauli Apostoli, 25. Januarii, p. 1014. Purificationis Mariae, 2. Februarii, p. 1026. Matthiae Apostoli, 24. Februarii, p. 1042. Annunciationis Mariae, 25. Martii, p. 1044. Marci Evangelistae, 25. Aprilis, p. 1054. Philippi et Jacobi Apostolorum, 1. Maii, p. 1066. Nativitatis S. Johannis Baptistae, 24. Junii, p. 1072. Petri et Pauli SS. Apostolorum, 29. Junii, p. 1085. Visitationis Mariae Virginis, 2. Julii, p. 1096 (es fehlen: In divisione apostolorum, Maria Magdalena). Jacobis majoris Apostoli, 25. Julii, p. 1133 (es fehlt: Assumptio Mariae). Bartholomaei Apostoli, 24. Augusti, p. 1134 (es fehlt: In decollatione Ioannis). Matthaei Apostoli et Evangelistae, 21. Septembris, p. 1147 (es fehlt: Mauritius).
Auf die Liste der Festrangfolge (11v) folgt am Ende eine Ordnung für das Läuten und Hinweise bezüglich der Kerzen etc. (fol. 12r–14r). Wie im Magdeburger Domstift und im Kloster Berge möchte man in Brandenburg an der Verwendung des gesamten Psalters festhalten. Indes wählt man hier einen Sechs-Wochen-Rhythmus, verteilt die Psalmen aber numerisch fortlaufend bezüglich der entsprechenden Hore (als Beispiel: in der Sonntagsmatutin die Psalmen 5–7 in der ersten Woche, 8 bis 10 in der zweiten, 11 bis 13 in der dritten), so dass im konkreten Vollzug keine Zusammenhänge einer numerischen Ordnung mehr erkennbar sind.
4. Zusammenfassende Überlegungen 4. Zusammenfassende Überlegungen
Der kursorische Überblick über liturgische Bücher der lutherischen Reformation im Hinblick auf das Stundengebet zeigte zunächst, in welch großem Ausmaß das tägliche Gebet Thema war. Dies findet seinen Grund un-
4. Zusammenfassende Überlegungen
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ter anderem in der Abschaffung der täglichen Messen, die nun durch das Stundengebet ersetzt wurden.135 Die Ergebnisse können wie folgt zusammengefasst werden: a) Es ergibt sich ein disparates Bild. Die neu geordnete oder neu geschaffene Form täglicher Liturgie ist abhängig davon, ob ihre Trägerin eine Pfarrgemeinde ist, die eventuell mit einer Schule gekoppelt ist und so Teile der Stundenliturgie als Gemeindeliturgie zu gestalten vermag, oder ob ein Dom-, Stifts- oder Klosterkapitel am „Offizium,“ in welcher Form auch immer, festhält. Bei den Pfarreien ist ferner der soziokulturelle Hintergrund (Stadt- oder Landgemeinde, Bildungsgrad) entscheidend. Diese Faktoren nun beeinflussen, in welchem Maße die lateinische oder deutsche Sprache Verwendung findet. Hier können Pfarrgemeinden andere Akzente setzen als die verbliebenen Stifte, deren Ziel die Wahrung des Bestandes der eigenen Institution war. b) Die theologische Neuorientierung des Betens fordert keine radikale Abkehr von der Tradition, sondern setzt das „Schriftprinzip“ als Norm ein: Der Wert eines schriftgemäßen Betens ist unverzichtbar, auch bezüglich der in unterschiedlichem Maße verbleibenden Heiligentage. c) Es entsteht so eine Kompromisslösung zwischen Tradition (lateinische Liturgiesprache, Gregorianischer Choral) und Innovation (deutsche Liturgiesprache, Verkündigungscharakter der Liturgie). d) Im Wesentlichen ergeben sich zwei Umgangsweisen mit der liturgischen Tradition. Entweder werden die alten liturgischen Bücher beibehalten und ihre Benutzung durch eine neue Ordnung geregelt, wie dies im Halberstädter Domstift der Fall war. Oder man schafft gänzlich neue liturgische Bücher. Die „Psalmodia Ecclesiastica“ des Klosters Berge zeigt ihre Traditionsstärke insofern, als die alten benediktinischen Horen in der Psalmenverteilung noch durchscheinen. In Havelberg wie in Magdeburg schuf man ebenfalls neue liturgische Bücher, die normgebend für andere Stifter sein konnten, wie anhand der Magdeburger „Cantica sacra“ für das Brandenburger Domstift nachgewiesen werden konnte. e) Bei alledem gilt, dass noch lange nicht alle Quellen gehoben sind. 136 Mehr in Umrissen ist hier ein Forschungsprojekt skizziert, das die gro135 „Die teglichen messen sollen abseyn allerdinge, denn es am wort, und nicht an der messen ligt,“ so LUTHER 1523 in der Schrift „Von ordenung gottis diensts ynn der gemeyne,“ in: WA 12. Weimar 1891, 35–37, hier 37 6–7. 136 KOCH, Fürbitte, erwähnt etwa (99, Anm. 65) ein von Andreas Sutorius herausgegebenes Officium divinum von 1751 für das Stiftskapitel zu Naumburg. Naumburg hatte 1580 die alten Chorbücher des Meißener Domes erhalten, die nun in Naumburg – wie auch in Halberstadt – nach der Reformation weiterbenutzt wurden. Vgl. hierzu die Hinweise von KUNDE, Chorbücher. – SCHATZ, Bilder 66–69, bringt das Beispiel der Nürnberger Kirche St. Egidien mit dem „Antiphonale selectum in usum chori ecclesiastice ad
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X. „…matutinae, horae, vesperae, completorium maneant…“
ße Aufgabe der Liturgiereform im Zeitalter der Konfessionalisierung mit allen auch antagonistischen Prozessen zu beschreiben hätte. 137 Dass bis dahin noch viel Quellenarbeit zu leisten ist, dürfte deutlich geworden sein.
D. Aegidii autore J.M(atthesio)“ von 1724 (freundliche Mitteilung des Autors). – Für das Kloster Walkenried vgl. das Chronicon VValkenredense, siue Catalogus Abbatum, qui ab anno Christi MCXXVII continua serie Monasterio VValkenredae hucusque praefuerunt, in secula sex tributus. (…) Omnia ex archiuis, & fide dignis monumentis collecta, in quem ordinem redacta studio et opera M. Henrici Eckstormii, P. Cor. Prioris ibidem & Parochi. Cum Indice rerum, personarum & locorum. Addita est Appendix. Cum licentia Superiorum. Helmaestadii, Typis haeredum Iacobi Lvcii, Anno 1617. Im benannten Appendix (ohne Paginierung) finden sich „Exercitia pietatis religiosae in VValkenredensi Coenobio a multis iam annis assidue continuata,“ eine Ordnung des Stundengebetes „Diebus Festis“ und „Diebus Profestis.“ Wolfenbüttel, Herzog-August-Bibliothek, Signatur Gn 2712 (freundliche Mitteilung Pfarrer Dr. Otto Scheib, Freiburg i.Br.). 137 Hier müsste etwa auch folgender Buchtitel Beachtung finden: ARNOLDI, Caeremoniae. Vgl. zum anticalvinistischen Duktus K LUETING, Konfessionalisierung. – KOCH, Fürbitte, erwähnt etwa (98, Anm. 64) zudem noch folgende Veröffentlichung über die kanonischen Horen: SCHWERDTFEGER, De Horis (ohne Paginierung oder Foliierung, bei www.vd17.de [24.6.2006]: VD 17 32:644602Y; ein mit anderen Druckwerken der Zeit zusammengebundenes Exemplar etwa in der UB Tübingen, Signatur: Gi 903.4.), hier vor allem Caput IV: „De Horarum Canonicarum Reformatione.“ Zur Weiterführung zisterzienserischer Tradition vgl. NEIJENHUIS, Quellen. P. Angelus A. Häussling OSB sei für nähere Hinweise zu diesem Werk Dank gesagt.
XI. Die alten Gewohnheiten und Bräuche fortsetzen. Zur reformationszeitlichen Liturgiereform des Havelberger Domstiftes unter Matthäus Lüdtke * XI. Die alten Gewohnheiten und Bräuche fortsetzen
Allerdings scheinen nicht alle Mitglieder der damaligen Roebelschen Familie von gleich ausgesprochener Kirchlichkeit gewesen zu sein. Einige waren Lebemänner, insonderheit Andreas von Roebel, ein am Hofe zu Cölln a. d. Spree hochangesehener Gast. Und zwar hochangesehen wegen seines ‚adligen Zechens.’ Erst um 1577, als er zur Bekleidung eines geistlichen Ehrenamts an den Havelberger Dom berufen wurde, schien es nötig, ihn einen Enthaltsamkeitsrevers unterzeichnen zu lassen,
so schreibt Theodor Fontane 1881/82 in den „Wanderungen durch die Mark Brandenburg.“1 Es bleibt indes unklar, welcher Art das von Andreas von Roebel bekleidete „geistliche Ehrenamt“ gewesen ist, zumal außer dem Hinweis bei Fontane jedwedes Quellenzeugnis über die Person von Roebels in Bezug auf den Havelberger Dom fehlt.2 Doch gesetzt den Fall, Fontane überliefere eine authentische Nachricht, so stellt sich die Frage nach dem Ehrenamt und seiner geistlichen Dimension umso mehr. Welche Situation traf von Roebel in Havelberg an, wie war das Domkapitel in den Jahren nach 1577 beschaffen, einer Zeit kirchlicher wie theologischer Wirrnisse? Und weiter: Falls es zu seinem Ehrenamt gehört hätte, liturgische Funktionen zu übernehmen, welche gottesdienstliche Situation hätte er wohl in Havelberg vorgefunden? Ferner: In welchem Traditionskontext stand damals der Gottesdienst des Havelberger Kapitels? Schließlich: Wie ging die Liturgiereform, die die Einführung der Reformation nach sich zog, mit der überkommenen mittelalterlichen Liturgie um?
* Zuerst erschienen in: ODENTHAL, Vesperale 7–40. 1 FONTANE , Wanderungen 153. 2 In der „Prosopographie des Havelberger Domkapitels 1522–1598“ bei KUGLER S IMMERL, Bischof 217–237 findet sich kein Hinweis auf von Roebel.
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XI. Die alten Gewohnheiten und Bräuche fortsetzen
1. Fragestellung und Forschungsstand 1. Fragestellung und Forschungsstand
Wenn die vorliegende Untersuchung diesen Fragen nachgeht, wird das Phänomen „Liturgiereform“ als Thema der Liturgiewissenschaft in den Blick genommen.3 Denn nicht nur das II. Vatikanische Konzil projektierte eine grundlegende Erneuerung des gottesdienstlichen Lebens der Kirche. 4 Liturgiereformen gehörten schon immer zur Geschichte der Kirche und beschränken sich nicht nur auf den Bereich der katholischen Tradition. Hier sind auch die Umwandlungen der gottesdienstlichen Gestalt bei einem Bekenntniswechsel zu nennen, wie dies im Zeitalter der Reformation besonders in den evangelischen Gebieten Mittel- und Ostdeutschlands oft zu beobachten ist. Die Untersuchung solcher Phänomene kommt dem Postulat einer ökumenisch betriebenen Liturgiewissenschaft nach. 5 Die Frage ist dann, wie mit dem gemeinsamen Erbe von der Väterzeit bis hin zum Spätmittelalter in beiden Konfessionen umgegangen worden ist, welche Veränderungen etwa auf katholischer Seite das Trienter Konzil brachte oder unter welchen Bedingungen manche Formen alter Bräuche auf evangelischer Seite endeten, etwa bedingt durch die Aufklärung. 6 Zugleich stellt sich die Frage nach der theologischen Beurteilung solcher Prozesse und nach der eventuellen Notwendigkeit einer Neuentdeckung gemeinsamer Wurzeln der Konfessionen. Das Interesse der Liturgiewissenschaft wie der Kirchengeschichte an den Kirchen der neuen Bundesländer mehrt sich erfreulich, nicht zuletzt bedingt durch die seit der Wiedervereinigung leichter zugänglichen Archive. Es sind Studien zu Halberstadt,7 Magdeburg,8 Brandenburg,9 Halle10 oder Berlin11 erschienen bzw. in Arbeit, ganz zu schweigen von kunsthistorischen Studien zu den im lutherischen Kontext reichlich erhaltenen Kirchenschätzen.12 Doch sind bislang viele Schätze noch nicht gehoben, vor 3
Vgl. die Sammelbände KLÖCKENER, KRANEMANN, Liturgiereformen. Vgl. zu den kritischen Stimmen ODENTHAL, Haeresie. 5 Zur Wissenschaftstheorie einer ökumenischen Liturgiewissenschaft vgl. LURZ, Feier 17–47. 6 Vgl. GRAFF, Geschichte. 7 Vgl. ODENTHAL, Die Liturgie des Gründonnerstag, in diesem Band 74–102. ODENTHAL, Ökumene, in diesem Band 313–337. O DENTHAL, Ordinatio. 8 Der Liber Ordinarius des Domes (um 1508, Berlin, Staatsbibliothek PK (West): Ms. theol. lat. qu. 113) wird zur Zeit durch Altabt Adalbert KURZEJA bearbeitet. 9 Vgl. den Bestandskatalog: REIHLEN, Gewänder, und den sich auch liturgiewissenschaftlichen Fragestellungen widmenden Begleitband: HEILIGE GEWÄNDER . 10 Eine Dissertation von Matthias HAMANN über den Ordinarius des Hallenser Stifts wird von Benedikt Kranemann betreut. 11 Vgl. T ACKE, Quellenfunde. 12 Vgl. hier etwa FRITZ, Abendmahlsgerät. 4
1. Fragestellung und Forschungsstand
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allem bezüglich eines für die Liturgiewissenschaft hochbedeutsamen Zeitraumes, nämlich der Einführung der Reformation. Es verwundet nicht, dass – gemäß des Grundsatzes „lex orandi – lex credendi“13 – die Kirchen der Reformation eine einschneidende Liturgiereform zuwege brachten.14 Nicht nur, dass man die Liturgie als Ganze änderte, es bedurfte nun auch neuer liturgischer Bücher, vor allem für den nun ganz auf die Gemeinde hin ausgerichteten Gottesdienst. 15 Schon vor der Reformation vorhandene Tendenzen, die Landessprache als Liturgiesprache einzuführen, bekamen nun Auftrieb, ohne sich gleich ganz durchsetzen zu können. 16 Wie aber war die Sachlage bei den vielen Stiften und Klöstern, die bestehen blieben? 17 Eine solche Frage zielt mitten in eine noch immer bestehende Forschungslücke, denn eine Geschichte der Offiziumsliturgie, speziell der lutherischen Reformation, fehlt bis heute. 18 Die Stifte und Klöster standen vor der mitunter nicht leichten Aufgabe, ihre stiftische und klösterliche Identität zu sichern. 19 Dies geschah unter anderem durch die Beibehaltung der kanonischen Horen, die aber zugleich nach reformatorischen Prinzipien revidiert werden mussten. 20 Für Halberstadt sind hierzu Ergebnisse bereits publiziert worden. 21 Ein anderes Beispiel ist das Domstift Havelberg.22 Es unterscheidet sich von Halberstadt dadurch, dass das gesamte Kapitel nach einiger Zeit zur lutherischen Lehre übertrat, also nicht gemischt-konfessionell besetzt war. Eine ausführliche Untersuchung zur Liturgiegeschichte des Domstiftes bildet bis heute ein Forschungsdeside13
Vgl. dazu SCHILSON, Lex. Vgl. hierzu etwa MESSNER, Reformen; SCHULZ, Luthers liturgische Reformen. 15 Vgl. hier die Psalmodia des LOSSIUS, Psalmodia. Zum Druck vgl. Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des XVI. Jahrhunderts – VD 16, 11: L 2829. 16 Vgl. zu den vorreformatorischen Tendenzen OCHSENBEIN, Privatgebetbücher; STEPHAN, Teutsch Antiphonal. Zum Problem der Liturgiesprache in Halberstadt vgl. etwa ODENTHAL, Ordinatio, etwa 81–83. 17 Zur unterschiedlichen Wertung vgl. etwa die gänzlich negative Sicht des Johannes Bugenhagen, der davon ausging, nur diejenigen möchten in den Klöstern verbleiben, mit denen man ansonsten nun wirklich nichts anzufangen wisse. Vgl. dazu UCKELEY, Gottesdienstordnung, etwa 121 und 148. 18 Vgl. hier immer noch die Untersuchungen von GOLTZEN, Gottesdienst; auch ODENTHAL, Ordinatio, zu Luther S. 5–18 (mit weiterer Literatur). – Bezüglich des interessanten Phänomens der Psalmkollekten vgl. F UCHS, Psalmkollekten. 19 Vgl. hierzu die umfangreiche rechtshistorische Untersuchung von HECKEL, Kollegiatstifter. 20 Vgl. HECKEL, Bilder 55, der die Probleme hinweist, die ein primär auf Wortverkündigung beruhendes Gottesdienstverständnis mit den kanonischen Horen hat. 21 Vgl. ODENTHAL, Ordinatio. 22 Vgl. zu Havelberg insgesamt KURZE, Bistum. – Zu heute in Brandenburg aufbewahrten Paramenten aus Havelberg und der Geschichte des Domschatzes nach der Reformation vgl. REIHLEN, Gewänder 418–432. 14
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XI. Die alten Gewohnheiten und Bräuche fortsetzen
rat, nicht zuletzt im interdisziplinären Dialog mit der Kunstgeschichte. 23 Diese Lücke kann die vorliegende Untersuchung nicht schließen, sie möchte aber unter anderem auf die erhaltenen liturgischen Quellen Havelbergs aufmerksam machen.24 Hier ist vor allem der heute in Wolfenbüttel aufbewahrte spätmittelalterliche Liber Ordinarius (15. Jahrhundert) zu erwähnen, der, noch vor der Transmutation des Prämonstratenser Domkapitels 1506 in ein weltgeistliches entstanden, ordenseigene Bräuche aufweisen dürfte.25 Damit aber ist bereits ein neues Thema angesprochen, nämlich die Geschichte des Domstiftes.
2. Das Domstift Havelberg vom späten Mittelalter bis zur Einführung der Reformation 2. Das Domstift Havelberg
Der Übergang des Domkapitels vom alten Glauben zur Reformation ist durch Annette Kugler-Simmerl umfassend dargestellt worden. 26 Ihrzufolge sind folgende Stationen beachtenswert: Schon im 15. Jahrhundert kam es zu Machtkämpfen zwischen dem Havelberger Bischof und seinem Domka23 Vgl. hier den Brückenschlag zwischen Liturgie und Ausstattung bei LICHTE, Inszenierung. Zum Forschungsstand vgl. KUGLER -SIMMERL, Bischof 12–15. 24 Zunächst müssten die liturgischen Quellen gesammelt werden. W EALE, B OHATTA, Bibliographia Liturgica, erwähnen (74–75) unter den Nr. 421 und 422 zwei Missalien des ausgehenden 15. Jahrhundert und von 1506. B OHATTA, Liturgische Bibliographie, erwähnt (16) unter Nr. 242 ein Brevier von 1492. B OHATTA, Bibliographie 2, nennt (205– 206) unter den Nr. 2265–2268 Breviere des 16. Jahrhunderts. Für das zeitlich am nächsten an die Reformation heranreichende Brevier von 1568 findet sich leider kein Nachweis. B AUMANN, Druckerei 129, nennt unter Nr. 116 das bereits benannte Missale, das 1506 von Stuchs gedruckt wurde, und das Brevier von 1492 (128, Nr. 46). GESAMTKATALOG, erwähnt unter Nr. 5354 ein Breviarium Havelbergense um 1482 und unter Nr. 5355 eines von 1492. Vgl. auch die Liste der Brevierdrucke Havelbergs bei HÄUSSLING, Gattungen 41. Die Havelberger Liturgie wird in Bezug auf das Osterspiel erwähnt bei LIPPHARDT, Osterfeiern, hier V, Nr. 787, 1530–1533. Die Havelberger Liturgie wird auch erwähnt bei FITZ, Glasmalereien 178, Anm. 699. 25 Havelberger Ordinarium 15. Jahrhundert, Wolfenbüttel, Herzog-August-Bibliothek, 84.2.Aug., vgl. dazu LICHTE, Inszenierung 131–133 (Teiledition der Ostermatutin). Als sonstige liturgische Quellen seien erwähnt ein handschriftliches Antiphonar des 14. Jahrhunderts (Depositum des Brandenburger Domarchivs im Prignitz–Museum) und ein frühes Druckantiphonar des 15. Jahrhunderts (ebenfalls Prignitz–Museum). Das Archivgut Havelbergs ist heute in Brandenburg geborgen. – Es ist seit der Heimsuchung Havelbergs durch die dänische Soldateska 1627 zu großen Verlusten des Domarchivs gekommen. Vgl. dazu KUGLER –SIMMERL, Bischof 15. 26 Vgl. KUGLER–SIMMERL, Bischof; vgl. auch den Überblick bei KURZE, Bistum 255– 256. Vgl. auch W OLGAST, Hochstift 218–227. – Zur Geschichte des Havelberger Domstiftes im Mittelalter und der Besetzung mit Prämonstratensern vgl. etwa die Bemerkungen bei B OMM , Anselm 173–175.
2. Das Domstift Havelberg
287
pitel einerseits, sowie dem brandenburgischen Landesherren andererseits. 27 Dies hing vor allem mit der Koppelung von Domkapitel und Prämonstratenserkonvent zusammen, die eine Einflussnahme des Landesherren erschwerte. Vor diesem Hintergrund ist zu verstehen, dass von Seiten des Landesherrn, Joachim I. (1484–1535) mehrfache Versuche unternommen wurden, das Kapitel in ein weltgeistliches umzuwandeln. 28 Doch war diesen Bemühungen zunächst kein Erfolg beschieden. Denn noch am 25. November 1503 bestätigt Papst Julius II. dem Havelberger Domkapitel, an seinen seit alters her bestehenden Gewohnheiten – also denen der Prämonstratenser – festhalten zu können.29 Erst ein Jahr später, am 2. Juni 1506, wurde das Domstift Havelberg wie das in Brandenburg durch Papst Julius II. von der Prämonstratenser-Ordensregel befreit und in ein weltgeistliches Domkapitel umgewandelt. 30 Vorbild dieser Umwandlung dürfte die Transmutation des Ratzeburger Domkapitels vom 22. Mai 1504 gewesen sein.31 In Havelberg hatte der Landesherr nun fortan das Patronat über vier Kanonikate und die Propstei inne.32 Die Transmutation zog neue Kapitelsstatuten nach sich, die 1506/07 niedergelegt wurden. 33 Bischof Johann von Schlabrendorff (1501–1520), unter dessen Herrschaft die Transmutation erfolgte, war somit der letzte Prämonstratenserbischof Havelbergs. 34 Ihm folgte Hieronymus Schultz (bis 1522),35 ab 1523 dann der für die Auseinandersetzungen um die Einführung der Reformation bedeutende Busso von Alvensleben.36 Wie andernorts auch muss bei der Einführung 27
Vgl. KUGLER -S IMMERL, Bischof 20–22. Vgl. dazu KUGLER -S IMMERL, Bischof 47–50. Vgl. hierzu auch KURZE, Transmutation. – Zur Person Joachims vgl. B AUMGART, Nestor. 29 Vgl. die Abschrift der Urkunde bei KURZE, Transmutation 335–336. 30 Vgl. KURZE, Transmutation 329–330. KUGLER -S IMMERL, Bischof 51–52. Vgl. HECKEL, Bilder 53. Vgl. RUDERSDORF, SCHINDLING, Kurbrandenburg 37. – Zu Havelberg insgesamt vgl. W ENTZ, Havelberg. Zur Frühzeit vgl. BUCHHOLZ, Domstift; zur Aufhebung der Prämonstratenserregel ebd. 73 (dort datiert 1507). Die Aufhebung der Prämonstratenserregel 1506 oder 1507 lässt vermuten, dass die bei B OHATTA, Bibliographie 2, 205–206 erwähnten Brevierdrucke Nr. 2265–2268 (so die letzten beiden überhaupt existieren) die ersten Zeugen einer eigenständigen liturgischen Bistumstradition darstellen. Die bei W EALE, B OHATTA, Bibliographia Liturgica 74–75 unter Nr. 421–422 verzeichneten Missalien wären ebenfalls zu prüfen, was insbesondere im Hinblick auf das zweite, da 1506 gedruckt, aufschlussreich wäre. – Zur Liturgie des Prämonstratenserordens allgemein vgl. den indes wenig zufrieden stellenden Überblick bei ANGERER , Musik. 31 Vgl. KUGLER -S IMMERL, Bischof 49. KURZE, Transmutation 322–323. 32 Vgl. KUGLER -S IMMERL, Bischof 51–52. 33 Vgl. KUGLER -S IMMERL, Bischof 53. 34 Vgl. KUGLER -S IMMERL, Bischof 52. Zur Person vgl. ESCHER, Schlabrendorff. – Vgl. auch FONTANE , Wanderungen 316. 35 Vgl. zur Person ESCHER, Schultz. 36 Vgl. KUGLER -S IMMERL, Bischof 35. – Zur Person vgl. ESCHER , Alvensleben. 28
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XI. Die alten Gewohnheiten und Bräuche fortsetzen
der Reformation zwischen Bistum und Domstift unterschieden werden. 37 Die Initiative zu einer „christlichen Reformation“ ging in Havelberg vom Kurfürsten Joachim II. von Brandenburg (1505–1571) aus.38 1540 erließ er eine evangelische Kirchenordnung, die vom Bischof von Brandenburg gebilligt, von Bischof Busso II. von Alvensleben für Havelberg jedoch nicht angenommen wurde.39 Der Bischof, wohl einsichtig in die Notwendigkeit von Reformen, hatte 1528 für Havelberg noch neue Messbücher drucken lassen, um reformatorische Aktivitäten einzugrenzen. 40 1538 wurden die Statuten des Havelberger Kapitels überarbeitet. Kugler-Simmerl hat darauf hingewiesen, dass für den liturgischen Teil dieser Statuten die Verordnungen des Baseler Konzils von 1435 Pate standen.41 Doch diese Reformver-
37 Vgl. zum folgenden HOFFMANN-ALEITH, Streiflichter 42–43; WENTZ, Havelberg 149–150. 38 Vgl. RUDERSDORF, SCHINDLING, Kurbrandenburg 42. Zum Einfluss Joachims II. auf die Liturgie Berlins etwa vgl. die umfassende Studie von MÜLLER , Geschichte. – Zur Person vgl. B AUMGART, Hector. 39 „Kirchenordnung im churfurstenthum der marcken zu Brandenburg, wie man sich beide mit der leer und ceremonien halten sol. 1540,“ ediert bei SEHLING, Kirchenordnungen III, 39–90. Vgl. auch RUDERSDORF, SCHINDLING, Kurbrandenburg 42–43. Als Quellen dienten die Brandenburg-Nürnbergische Kirchenordnung von 1533, die HerzoglichSächsische Kirchenordnung von 1539, aber auch das Missale Romanum. In dieser Kirchenordnung blieb etwa die lateinische Messe bestehen, jedoch ohne Kanon und mit deutschen Einsetzungsworten. Man war in Fragen des Ritus bemüht, konservativ zu bleiben, so auch in Fragen der Gewänder etc. Dies zeigen etwa die Angaben zum Chorgebet: „Der chorgesang sol, wie bisanher, in allen stiften und klöstern, auch den pfarkirchen, wie der gebreuchlich gewesen, latinisch gesungen und gelesen werden, zuvoran, so es de tempore ist, da sol nichts nachgelassen werden, es sei metten, prima, tertia, sexta, nona, vesper, complet oder was der mehr ist, ein iglichs, wie mans findet, nach seiner rubrica on alle leichtfertigkeit. Was aber de sanctis ist, sol von uns und unsern verordneten ubersehen und, wo es von nöten, corrigirt werdem also das auch solch löblich gewonheit wie vor alters unableslich gott zu ehren gehalten worden“ (SEHLING, Kirchenordnungen III, 71). Vgl. hierzu auch KUGLER -SIMMERL, Bischof 29–32. 40 Vgl. KUGLER -S IMMERL, Bischof 36. Dieser Druck von 1526 ist allerdings nicht bei W EALE, B OHATTA, Bibliographia Liturgica verzeichnet. B OHATTA, Bibliographie 2, 206, erwähnt hingegen einen Brevierdruck von 1523 (Nr. 2267), allerdings aus zweiter Hand und ohne Belegort. Es ist die Frage, ob dieses Jahr tatsächlich für einen solchen Druck in Frage kommt, denn Busso hat in diesem Jahr sein Amt angetreten. – Schon 1539–1548, zur Zeit des Busso von Alvensleben gab es viele Sympathien für die Reformation in Havelberg, vgl. RIEDEL, Codex 13. Vgl. auch HECKEL, Bilder 51–74. 41 Vgl. KUGLER -S IMMERL, Bischof 53–55, hier 54. Eine Orientierung an der Baseler Ordnung kann übrigens auch für das Domstift Brandenburg ausgemacht werden. Vgl. LECHELER , Gottesdienstordnung 98. Lecheler verweist (98, Anm. 46) in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung des päpstlichen Legaten Nikolaus von Kues, dem der damalige Brandenburger Bischof Stefan Bodeker auf der Magdeburger Synode 1452 begegnet war.
2. Das Domstift Havelberg
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suche reichten nicht aus: Das Domkapitel zu Havelberg war gespalten. 42 Einzelne Domherren sympathisierten mit der Reformation, während die Havelberger Bevölkerung früh zur Reformation übergelaufen war, so dass die Stadtkirche lutherischen Gottesdienst feierte. Am 5. Januar 1547 starb Herzog Albrecht I., der eine Reformation in seinen Landesteilen verhindert hatte, ein Jahr später Bischof Busso II., damit also die beiden wichtigsten Stützen der Altgläubigen in Politik und Kirche. 43 Das Domkapitel wählte am 17. Juli 1548 Markgraf Friedrich von Brandenburg, den Sohn Joachims II., zum Bischof von Havelberg, dem allerdings die päpstliche Bestätigung, um die indes noch ersucht worden war, nie zuteil wurde, bevor er schon 1552 starb.44 Das Kapitel postulierte nun den zehnjährigen Enkel Joachims II. und Sohn des Markgrafen Johann Georgs, Joachim Friedrich, 1554 zum neuen Bischof.45 So erklärt sich vielleicht auch die konservative Haltung in Havelberg. Dies war allerdings das letzte Mal in der Geschichte des Bistums: Nachdem Joachim Friedrich 1598 die Herrschaft von Brandenburg antrat, hörte das Bistum faktisch auf zu existieren. 46 Bezüglich der konfessionellen Auseinandersetzungen im Domstift selbst brachte erst der Tod des vierundachtzigjährigen Domdechanten Conradi 1561 die Wende.47 Der Kurprinz Markgraf Johann Georg, ab 1553 Administrator des Domstiftes für seinen noch minderjährigen Sohn Joachim Friedrich und seit 1571 Kurfürst, wandte sich ans Domkapitel und versuchte, die 1540 abgelehnte Kirchenordnung auch beim Domstift durchzusetzen, womit er denn auch bei allen Domherren Erfolg hatte.48 Der katholische Gottesdienst endete. Indes scheiterte sein Versuch, die lateinischen Gesänge abzuschaffen.49 Die dritte Generalkirchenvisitation 1581 fand ein evangelisches Stift vor, das sich im gleichen Jahr neue Statuten gab.50 42
Vgl. hierzu KUGLER -S IMMERL, Bischof 55–56. Vgl. KUGLER -S IMMERL, Bischof 146. 44 Vgl. KUGLER -S IMMERL, Bischof 150–154. Zur Person vgl. auch P ILVOUSEK, Friedrich. – Eine Kasel Friedrichs hat sich im Domschatz zu Halberstadt, nebst seiner Grabstätte im Dom, erhalten, vgl. DOMSCHATZ 90–91. 45 Vgl. KUGLER -S IMMERL, Bischof 158. Joachim Friedrich als Administrator von Magdeburg beseitigte dort katholische Überbleibsel. Vgl. MÜLLER , Geschichte 344–352 zur Beibehaltung der liturgischen Besonderheiten des konservativen Joachim II. im Berliner Dom. 46 Vgl. KUGLER -S IMMERL, Bischof 164. 47 Vgl. zum folgenden HOFFMANN-ALEITH, Streiflichter 46–47; RIEDEL, Codex 16. Zu Conradi vgl. KUGLER -S IMMERL, Bischof 222–223. 48 Vgl. zur Person RUDERSDORF, SCHINDLING, Kurbrandenburg 45. Die Kirchenordnung von 1540 wurde 1572 revidiert und neu publiziert. Vgl. ebd. 48–49. 49 Vgl. KUGLER -S IMMERL, Bischof 169. 50 Vgl. R IEDEL, Codex, der (15) darauf hinweist, 1579 sei das Kirchensilber in Lübeck versetzt worden. 43
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XI. Die alten Gewohnheiten und Bräuche fortsetzen
3. Das Wirken des Stiftsdechanten Matthäus Lüdtke (1517–1606) 3. Das Wirken des Stiftsdechanten Matthäus Lüdtke
Die Einführung der Reformation, vor allem die Änderung des Gottesdienstes, ist mit dem Namen des Stiftsdechanten Matthäus Lüdtke (Ludecus) verbunden.51 Er wurde am 21. September 1517 in Wilsnack geboren, einem Ort, der in vorreformatorischer Zeit Ziel vieler Wallfahrten aufgrund eines Blutwunders gewesen ist. 52 Ab 1554 „Canonicus absens“ in Havelberg, wurde er 1562 residierender Domherr, 1573 Dechant des Havelberger Kapitels. Damit war er der erste Domdechant reformatorischen Bekenntnisses. Dies zeigte sich u. a. durch die Errichtung eines neuen Predigtstuhles im Dom sowie die Entfernung katholischer Bilder und Altäre. 53 Eine würdige Gestaltung des Gottesdienstes lag ihm sehr am Herzen. 54 51
Vgl. zu Person und Werk vgl. KUGLER -S IMMERL, Bischof 227–229. SCHREMS, Geschichte 24–25, 36–41 zum Cantorale; NOTTARP, Communicatio 118–119. FORNAÇON, Matthäus Lüdtke; HOFFMANN-ALEITH, Streiflichter 47–52; B ASCHE, Kirchenmusik 70– 71; zur Predigt bei der Beerdigung des Ludecus vgl. F INCKE, Zeiten 67–68; B UCHHOLZ, Domstift 73; CZUBATYNSKI, Kirchengeschichte 184–185; CZUBATYNSKI, Stipendienstiftung (mit Edition des Stiftungstextes aus dem Pfarrarchiv Perleberg, ebd. 383–387); STOLLBERG, Gestalt. 52 Ludecus legte eine umfangreiche Quellensammlung zur Geschichte des Wunderblutes vor. Vgl. Historia Von der erfindung/ Wunderwercken vnd zerstörung des vermeinten heiligen Bluts zur Wilssnagk. Sampt den hierüber vnd dawider ergangenen schreiben. Allen Liebhabern der Göttlichen warheit vnd sonderlich der jtzigen Jugent zu gute/ mit grossem fleis zusamen getragen/ Durch Matthaeum Lvdecvm W. der Stifftkirchen zu Hauelberg Decanum. Gedruckt zu Wittenberg/ durch Clemens Schleich/ Anno 1586. Zum Druck vgl. vgl. VD 16, 11: L 3181. Die Angaben zum Lebenslauf nach CZUBATYNSKI, Kirchengeschichte, 184–185 und KUGLER -S IMMERL, Bischof 227–229. – Zu Wilsnack vgl. auch LICHTE, Inszenierung 13–43; CREMER, Einordnung I, 75–90, 116–144, 194– 206 u.ö. 53 Vgl. RIEDEL, Codex 73; HECKEL, Kollegiatstifter 59. HECKEL, Bilder 60. 54 So stiftete er eine Tafel zur Mahnung eines innerlichen Gottesdienstes für den Dom: „Jn laudem trini et unius Dei omnium creatoris Erige cor suum profer bene respice sensum Et recte si vis psallere psalle Deo. Nam non vox sed votum, non cordula musica sed cor, non clamans sed amans cantat in aure Dei. Sic igitur canat servus Christi, vt non vox canentis, sed verba placeant quae cantantur. Plerique enim Deum vocibus sequuntur, sed moribus fugiunt, et dum blande vox quaeritur, bona vita deseritur, dum Cantor pop ulum vocibus delectat, Deum moribus stimult, qui mentis affectum et deuocionem cordis requirit et psallentis lacrimas magis adspicit, quam vocis melodiam. Quare non solum lingua sed et opere et moribus lauda Deum et vide vt quod ore cantas, corde credas, et quod corde credis, operibus comprobes. Cantet vox, cantet vita, cantent facta in laudem trini et vnius Dei omnium Creatoris! Amen. Mathaeus Ludecus Decanus Ecclesiae Havelbergensis scripsit Anno gratiae et novissimi temporis MDLXXXV” (Text nach R IEDEL, Codex 74. Eine andere Tafel des Ludecus von 1583 besagt, der Gottesdienst sei „ab Jdolomaniis Pontificiis repurgatum et spirituali Jesu Christi in illud per Ministerium
3. Das Wirken des Stiftsdechanten Matthäus Lüdtke
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Bekannt wurde Ludecus hauptsächlich durch sein kirchenmusikalisches Wirken. Dabei ist Ludecus Vertreter einer betont konservativen Richtung des reformationszeitlichen Gottesdienstes, der weiterhin durch die lateinische Sprache wie durch den Gregorianischen Choral geprägt ist.55 Hermann Nottarp würdigt die Bedeutung des Ludecus anlässlich der Beschreibung der kirchenmusikalischen Tradition in den Pfarrkirchen Nord- und Mitteldeutschland: „…wir haben noch die für ihren Gottesdienst bestimmten Gesangbücher, sog. Cantionalien, Werke protestantischer Geistlicher (Lossius, Eler, Spangenberg, Keuchenthal, und namentlich Matthäus Lüdtke von 1589), in denen die alten Texte mit ihren Melodien erhalten wurden.“56 Vom umfangreichen Schriftgut des Ludecus verdienen die beiden Arbeiten zur Liturgie besonderes Interesse, nämlich das von ihm erstellte nachreformatorische Missale und ein Offiziumsbuch.57 Diese beiden Werke machen das erwähnte Cantionale aus. Missale, hoc est cantica, preces, et lectiones sacrae, quae ad Missae officium, ex pio primaevae Ecclesiae instituto, in templis Christianorum, cantari usitate solent, in communem Ecclesiae Dei usum & utilitatem collectae, ac in duas partes ordine distributae A Matthaeo Ludeco, Ecclesiae Cathedralis Havelbergensis Decano. 1589. 58 Vesperale et Matutinale, hoc est, Cantica, Hymni, et Collectae, sive precationes ecclesiasticae, quae in Primis et Secundis Vesperis. itemque Matutinis precibus, per totius anni circulum, in Ecclesijs & religiosis piorum congressibus cantari usitate solent,
Verbi et sacramentorum ingressu factum est verae de vero Deo doctrinae et domus prec ationis…“ (vgl. RIEDEL, Codex 17). 55 Vgl. etwa GRAFF, Geschichte 1, 167, 169 u.ö.. Vgl. auch SCHREMS, Geschichte 38– 57. Auch REINDELL, De tempore-Lied 66–87. 56 NOTTARP, Communicatio 118. Zu Lossius und Eler siehe unten. 57 Ein Schriftenverzeichnis findet sich bei CZUBATYNSKI, Kirchengeschichte 185. Dass Ludecus selber eine stattliche Bibliothek besessen hat, wird in der Leichenpredigt auf ihn bemerkt. Vgl. die Zitate bei C ZUBATYNSKI, Armaria 202. 58 Vgl. VD 16, 11: L 3183. Exemplare des Missale in: HAB Wolfenbüttel, Signatur 57.4 Theol. 2 o (1), aus der Sammlung Herzog Augusts des Jüngeren (1579–1666); Pfarrarchiv Querfurt, St. Lamperti, Signatur F 3; Naumburg, Domstiftsbibliothek Nr. 39. Nach Angabe von VD 16 weitere Exemplare in Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz; Gotha, Forschungsbibliothek; Jena, Thüringische Universitäts- und Landesbibliothek. Auch dieses Missale ist bisher kaum erforscht. Die Struktur des Abendmahlsgottesdienstes folgt dem Messtyp. Vgl. etwa SCHREMS, Geschichte 36–38. Schrems legt (58– 83) im Vergleich mit den Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts dar, wie sehr die Liturgie noch Luthers Formula Missae entsprach. Eine Erwähnung dieses Missale bei GRAFF, Geschichte 1, 28; ferner bei LANSEMANN, Heiligentage 111 und 128. – Ein ausführlicher Vergleich dieses Werkes mit anderen reformationszeitlichen Cantionalien findet sich bei SCHREMS, Geschichte 38–41, ein Vergleich der reformationszeitlichen Melodien mit den gregorianischen Vorbildern ebd. 42–57. Ebd. 44 auch ein Verweis auf ein Havelberger Graduale des 14. Jahrhunderts.
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XI. Die alten Gewohnheiten und Bräuche fortsetzen
notis rite applicatae, & in duas partes ordine digestae A Matthaeo Ludeco, Ecclesiae Cathedralis Havelbergensis Decano. 1589.59
Im Folgenden soll der Fokus jedoch auf dem Stundengebet liegen. Deshalb wird der zweite Band, das Vesperale et Matutinale, untersucht. Die Bedeutung dieses Werkes liegt darin, dass Ludecus nicht, wie man es in Halberstadt tat, einen neuen Ordinarius für die – nun in lutherischem Geiste erfolgende – Weiterbenutzung der mittelalterlichen Chorbücher herausgab, 60 sondern ein gänzlich neues Offizienbuch schuf, das gleichwohl den Reichtum mittelalterlicher Offiziumsliturgie atmete. Doch nach welchen Kriterien erfolgte hier eine Überarbeitung, die im Detail zu anderen Ergebnissen kam als die in Halberstadt? Zu diesem Zweck sei zunächst der Blick auf die acht Jahre vorher entworfenen Stiftsstatuten getan, vor deren Hintergrund die Reformation der Chorbücher besser verstehbar ist und die sozusagen die Rahmenbedingungen vorgeben.
4. Die Stiftsstatuten von 1581 4. Die Stiftsstatuten von 1581
Die reformationszeitliche Liturgiereform in Havelberg ist nicht nur durch die von Ludecus neu erstellten liturgischen Bücher gut dokumentiert, sondern auch durch die diesen Werken vorausgehenden Stiftsstatuten von 1581, die die theologischen Rahmenbedingungen der Liturgiereform benennen, indem sie im Kapitel „Von Ceremonien“ auch die Liturgie einbeziehen.61 Im Folgenden soll neben einer Textwiedergabe der liturgischen Anweisungen der schon 1843 veröffentlichten Statuten jeweils ein kurzer Kommentar auf die Besonderheiten wie deren Begründung aufmerksam machen.62 Eine grundlegende Besonderheit der Statuten, die unter der Federführung von Matthäus Ludecus verfasst worden sind, ist, dass sie an die alten 59
Vgl. VD 16, 11: L 3185. Exemplar im Prignitz-Museum, Havelberg, Signatur L 595/3423, B.R. 336; SLUB Dresden, Signatur Liturg. 50, 1 u. -1a; HAB Wolfenbüttel, Signatur 57.4 Theol. 2 o (2), aus der Sammlung Herzog Augusts des Jüngeren (1579– 1666); Naumburg, Domstiftsbibliothek Nr. 38; das hier nachgedruckte Exemplar: Pfarrarchiv Querfurt, St. Lamperti, F 4, jeweils 24 x 37 cm, Vesperale de tempore et de Sanctis fol. 1 – 267, Psalterium fol. 1 – 129. Ein Exemplar befindet sich in süddeutschem Privatbesitz, nach den Angaben bei VD 16 weitere Exemplare in Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz; Gotha, Forschungsbibliothek; Jena, Thüringische Landesbibliothek. Vgl. SCHREMS, Geschichte 24–25. MEHL, Vesperale. 60 Vgl. ODENTHAL, Ordinatio, etwa 85–87. 61 Die Statuten sind abgedruckt bei R IEDEL, Codex 169–195. Vgl. hierzu KUGLER S IMMERL, Bischof 169–173. 62 Die folgenden Zitate der Statuten finden sich bei RIEDEL, Codex 176–177.
4. Die Stiftsstatuten von 1581
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Stiftsstatuten von 1506/07 bzw. 1538 anknüpfen. 63 Man stellt sich bewusst in die Tradition des Domstiftes, wie es die alten Statuten selbst taten: XV. In Ceremoniis, tam in Ecclesia quam in choro et alibi tenendis et servandis visum est, antiquos ritus sive antiquas observantias et consuetudines continuari et observari, nisi successu temporis pro honore sive honestate Ecclesiae alii ritus viderentur servandi et introducendi.64
Der liturgischen Tradition wird also ein normativer Stellenwert eingeräumt („antiquas observantias et consuetudines continuari“). Doch das Traditionsprinzip wird sogleich durch das Nützlichkeitsprinzip ergänzt. Es ist nämlich der Fall denkbar, dass es für die Sache der Kirche nötig sei, einen anderen Ritus zu befolgen, und zwar aufgrund des Fortschritts der Zeiten („successu temporis“). Dem soll dann nichts im Wege stehen. Im Geiste dieser Statuten dürfte Ludecus an die Abfassung der neuen gegangen sein: Soviel Tradition wie möglich, soviel Adaptation an die Zeit wie nötig. Somit wird an den zitierten Paragraphen der alten Statuten ein neuer Text angefügt: II. Von Ceremonien Nachdem der Kirchen Ceremonien nicht artikell des pleibens, vnd in der heiligen schrift weder geboten noch verboten, vnd derwegen als nötige Gottesdienste, dadurch Vergebung der Sünden, vnd gerechtikeit für Gott zu erlangen, nicht zu achten noch zu halten sindt. So erfordert gleichwoll die Notturft, Das es ehrlich vnd ordentlich in der kirchen zugehe, Den Ecclesia militans in diesen leben, kan der Ceremonien, welche mit guten gewissen können gehalten werden, gar nicht entperen. Ceremoniae enim piae sunt, quasi lac et nutrimentum ad pietatem. Derowegen nach gelegenheit vnd ergernis zu meiden, juxta charitatem, quae omnibus servit et ad simplicium aedificationem, wollen wir die alten, Christliche, Lebliche vnd leidtliche Ceremonien in Vnserer kirchen, quae cum verbo Dei consentiunt, quaeque minime superflue sunt et novum cultum non introducunt, vnd welche ohn ergernis, nothzwang vnd Beschwerung der gewissen stehen konnen, nochmahln behalten. Was aber in denselben nach gelegenheit gegenwertiger Zeit vnd leufte vnnötig vnd vbrig, praesertim vero, quae cum verbo Dei pugnare, aut gravare Ecclesiam Dei, vel quid in novi cultus importare, videbuntur, sol vns nicht entgegen sein, Das solches durch die ordentliche Persohnen vollent abgethan werde, Nam res ipsa palam demonstrat, plurimas Ceremonias non alium habere vsum, nisi ut populum obstupefaciant magis quam doceant, Darumb gedencken wir vns hierinnen also zu Verhalten, wie wir das mit Gott vnd gutem gewissen verantworten können. 65
Der Text geht zunächst von einer grundsätzlichen Veränderbarkeit der kirchlichen Zeremonien aus, nicht zuletzt durch das Schriftargument untermauert. Da die Bibel so wenig über den Gottesdienst aussagt, müssen andere Kriterien dienen. In typisch reformatorischem Geiste wird abge63
Vgl. dazu KURZE, Transmutation 330–332. R IEDEL, Codex 174. 65 R IEDEL, Codex 176. 64
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XI. Die alten Gewohnheiten und Bräuche fortsetzen
lehnt, der Gottesdienst könne als reines Menschenwerk Vergebung der Sünden oder Rechtfertigung bewirken. 66 Die Begründung ist zunächst ekklesiologischer Natur: die „ecclesia militans“ bedarf notwendig der Ordnung. 67 Schließlich folgt eine anthropologische Untermauerung: die Zeremonien, die guten Gewissens gehalten werden können, sind Honig und Nahrung für die Frömmigkeit. Nicht mehr der kultische Aspekt der Liturgie, sondern ein pädagogisches Moment der Nützlichkeit der Riten wird betont. Nun hat auch die Tradition der Kirche immer eine anthropologische Begründung gekannt, nämlich im Verweis auf die menschliche Natur und deren Leiblichkeit und Sinnlichkeit.68 Die asketisch-pädagogische Ausrichtung bringt einen anderen Zungenschlag. Dementsprechend disparat fällt auch die Wertung Luthers aus.69 Für Havelberg werden in gut lutherischem Geiste folgende Kriterien einer Liturgiereform benannt:70 Der Gottesdienst soll 1. mit dem Wort Gottes übereinstimmen, 2. dem Aufbau der Gemeinde dienen, 3. in diesem Sinne nicht überflüssiges Beiwerk sein. 4. Es wird Wert darauf gelegt, dass kein „novus cultus“ eingeführt wird. Aber alles, was den Kriterien widerspricht, soll abgeschafft werden. Die Änderungen werden in Verantwortung vor Gott und dem Gewissen getätigt. Hierin zeigt sich eine typisch neuzeitliche Sicht: Die Kirche als normative Größe ist hier zumindest zweitrangig. Nach diesem allgemeinen Teil über die Zeremonien insgesamt geht es nun um die besondere Situation des Domkapitels und seiner Geistlichen in Bezug auf den Gottesdienst. III. Dass alle Canonici, Vicarii vnd Chorales fleisich zur Kirchen vnd Predigt sich halten sollen. 66
sen).
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Vgl. zur lutherischen Position hier ODENTHAL, Ordinatio, etwa 50; 60 (mit Verwei-
Vgl. MESSNER, Reformen. Vgl. etwa den Hinweis bei Thomas von Aquin in seiner Summe gegen die Heiden: „Quia vero connaturale est homini ut per sensus cognitionem accipiat, et difficillimum est sensibilia transcendere, provisum est divinitus homini ut etiam in sensibilibus rebus divinorum ei commemoratio fieret, ut per hoc hominis intentio magis revocaretur ad divina, etiam illius cuius mens non est valida ad divina in seipsis contemplanda.“ Dann fährt Thomas fort: „Et propter hoc instituta sunt sensibilia sacrificia...“ (Thomas von Aquin, ScG III,I, c.119). Vgl. hier auch das Gedankensystem des Hugo von St. Viktor (und seinem Einfluss auf Durandus von Mende), dargestellt bei FAUPEL-DREVS, Gebrauch 122: „Damit behauptet HUGO ein Spannungsverhältnis zweier Pole, deren einer die schlichte Sinnlichkeit (…) als notwendige Grundbedingung jedes Lebensvollzuges und deren anderer die damit verbundene sakramentale Kraft (…) und der Glaube daran ist.“ 69 Vgl. hierzu ODENTHAL, Ordinatio 5–18. 70 Sie gleichen in manchen Punkten den Mahnungen des Heinrich Julius für das Halberstädter Domkapitel. Vgl. ODENTHAL, Ordinatio 46–61. 68
4. Die Stiftsstatuten von 1581
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Alss sich auch mit der That befindet, Das wir Vnserm Zusagen vnd Verpflichtungen, auch angenommenen Geistlichen stande höchst zu wieder, leider sehr wenig in die Kirchen kommen, Besondern ohn alle erhebliche Vrsachen vnd endtschuldigungen Vorsetzlich daraus bleiben, Dadurch sich oft zutregt, Das an den hochfeyerlichen vnd heiligen Festagen, niemands oder je wenig Persohnen von vns darinne gespüret werden, Vnd also diese reiche Almosen mit beschwerten gewissen, wie Leider zu besorgen, auf die Sehl treffen, Da wir Doch sambt vnd sonderlich, bey vnserer aufnehmung vnd investierung bewilligt, angelobt vnd zugesagt haben, vns fleisich zur kirchen zu halten, vnd doselbst Gott vnserm erlöser teglich zu dienen, mit singen vnd lesen, mit beten vnd dencken, Item dass etliche von vns einer bösen angenommenen gewonheit in ihren weltlichen habit vnter dem ampt der Messe oder Vesper in die kirche kommen, vnd hinter dem Chor auf vnd Nieder gehen, Daran nicht wenig menschen sich ergern, da doch dieselben billicher in den Chor tretten, vnd neben den andern anwesenden Persohnen Christo vnd seiner kirchen mit willigen hertzen Dienen sollen, Item obgleich bissweilen etzliche von vns hinnein kommen, So lassen doch dieselben das singen anstehen vnd nehmen mitler Zeit ein buch vor die nasen, welches billich auch nicht sein soll, Den lesen hat seine Zeit, Singen hatt auch seine Zeitt. Von desswegen soll hinfüro keiner von vns vnd vnserm nachkommen on hochdringende, erhebliche vnd wichtige vrsachen, aus der Kirchen vnd Predigt bleiben, Besondern in alle wege, Zusonderst aber, an den Sontagen vnd hochfeyerlichen festen sich Daselbst stellen, Gott dem allmechtigen zu Ehren vnd gehorsam, ihme selbst zum besten vnd den neben Christen zum guten vorbilde vnd Exempell, vor allen Dingen aber, sollen vnd wollen die Juniores Canonici, wie billig vnd Christlich, sich oft vnd vor die andern daselbst finden lassen, damit sie in der Kirchen gesengen vnd Lectionibus mehr gevbt, auch desto fertiger vnd läuftiger werden mögen, ihnen selbst zum ruhm vnd guter nachsage, Vnd wolle sich ja niemandts dis einbilden noch vberreden lassen, als obs vnnötigk wer Lateinisch Chorgesenge Zu halten, oder es mochte alzu Papistisch scheinen, Den solche auch bey den Vätern balt nach der Apostel Zeiten in gebrauch gewesen, wie dasselbe weitleuftiger ausgefhüret werden konte, vnd S. Athanasius distribuirt Die Psalmen, Das etzliche Des Sonnabendts, etliche des Sontags, etzliche an andern tagen gesungen werden, So findet man in den Vätern von andern gezeiten als prim. Tert. Sext. vnd nona, die ihren Vrsprung von den Apostolischen heiligen Männern haben, vnd Johannes Cassianus, Der zur Zeit Johannis Chrysostomi gelebt, heisset die teglichen gebete der kirchen Canonicas. Derwegen wollen wir die nunmehr gereinigten, geseuberten vnd restituirten Chorgesänge in psalmodias, Lectiones, horas Canonicas, Hymnos, preces Supplicatorias vnd dergleichen von Vnseren lieben vorfharen löblich vnd woll geordnet, in dieser vnserer Stiftskirchen, keines weges fallen, sondern fleisig vnd vnnachlessig halten lassen, Doch in alle wege nach der Lehre S. Pauli I. Corinth. 14. v. 15. psallam spiritu, sed psallam et mente. 71
Ludecus geht von offensichtlichen Missständen im Havelberger Domkapitel aus. Die Herren sind wenig präsent, auch an hohen Feiertagen. Sie lesen anderes anstatt zu beten, gehen im Chor umher, tragen weltliche Kleidung. Deshalb erinnert er an das Versprechen, Gott zu dienen. Doch greift er in diesen Mahnungen Punkte auf, die schon in den Stiftsstatuten von 1538 vermerkt waren, letztlich aber auf das Konzil von Basel 1435 zurückgehen. Kugler-Simmerl hat gezeigt, dass etliche Beschlüsse zur Liturgie der Ses71
R IEDEL, Codex 176–177.
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XI. Die alten Gewohnheiten und Bräuche fortsetzen
sio XXI vom 9. Juni 1435 in die Statuten von 1538 übernommen wurden.72 Es sind dies die Kapitel „Quomodo divinum officium in ecclesia celebrandum sit,“ „Quo tempore quisque debet esse in choro,“ „Qualiter horae canonicae extra chorum dicendae sint,“ „De his qui tempore divinorum vagantur per ecclesiam,“ „De tabula pendente in choro,“ „De his qui in missa non complent Credo, vel cantant cantilenas, vel nimis basse missam legunt, aut sine ministro“ und „De tenentibus capitula tempore missae maioris.“73 Wenn Ludecus etwa verhindern will, dass man in der Kirche während des Gottesdienstes auf und ab schreite, so greift er Gedanken des Abschnittes „De his qui tempore divinorum vagantur per ecclesiam“ des Baseler Konzils auf. Seine Mahnung zum fleißigen Beten trifft sich mit der Mahnung des Konzils, die „laudes divinae per singulas horas non cursim ac festinanter, sed asiatim ac tractim“ zu verrichten. 74 Ähnliches gilt bezüglich der Mahnungen zu passender geistlicher Kleidung. 75 Ludecus müht sich also um eine würdige Form der Liturgie, indem er – modern gesprochen – die kultische Dimension des Gottesdienstes zur Sprache bringt, die aber sogleich ergänzt wird um ein pädagogisches Argument: Die Geistlichen haben Vorbildcharakter. Beachtung verdient seine Begründung des Stundengebetes in der Tradition. Er geht hier wohl gegen eine Laxheit vor, die sich hinter dem Argument versteckt, das Stundengebet sei „papistisch.“ Ludecus erklärt hingegen, schon die Tradition der Kirche habe diese Horen im Laufe der Geschichte seit der Apostolischen Zeit eingeführt. Interesse verdient der Traditionsbeleg, den Ludecus anfügt, nämlich der Verweis auf Johannes Cassian und seine Schrift „De institutis coenobiorum,“ in der von den liturgischen Gebräuchen des ägyptischen Mönchtums berichtet wird. 76 Johannes Cassian überliefert die gemäßigte Zahl der Horen, die die Väter, wie sie glauben, nach göttlicher Fügung eingerichtet haben. In diesem Zusammenhang spricht er von den „canonicae orationes.“77 Ludecus benutzt nun die Terminologie Cassians, 72
Vgl. KUGLER-S IMMERL, Bischof 54. Text in: Conciliorum Oecumenicorum Decreta 489–492. 74 Quomodo divinum officium in ecclesia celebrandum sit, in: CONCILIORUM OECUMENICORUM DECRETA 489, 32–33. 75 Das Baseler Konzil schreibt vor: „Horas canonicas dicturi, cum tunica talari ac superpeliciis mundis ultra medias tibias longis vel cappis, iuxta temporum ac regionum diversitatem, ecclesias ingrediantur, non caputia, sed almucias vel birreta tenentes in capite,“ Quomodo divinum officium in ecclesia celebrandum sit, in: CONCILIORUM OECUMENICORUM DECRETA 489, 36–39. 76 Vgl. CASSIEN, Institutions. Vgl. zu Cassian auch GOLTZEN, Gottesdienst 142–144; HEIMING, Offizium 102–109; B ÄUMER , B IRON, Histoire 1, 136–150, zu den kleinen Horen 144–146; KASPER , Theologie 65–67, 70–73, 75 (zur Rolle Cassians für die Liturgie). 77 CASSIEN, Institutions II,12,2: „et idcirco mediocrem canonicarum orationum numerum iudicant diuinitus moderatum“ (80, 18–19 Guy). 73
4. Die Stiftsstatuten von 1581
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um die Rangstufe der Gebetszeiten (nämlich „kanonisch“) zu betonen; niemand kann deshalb ihre Verpflichtung leugnen. Ein weiteres Argument übernimmt Ludecus von Cassian. Wie noch zu zeigen sein wird, behielt man im Unterschied zur Konzeption des „Vesperale“ im Havelberger Dom auch die kleinen Horen bei, die man doch als kanonisch gut begründen konnte – wie auch im Halberstädter Domkapitel.78 Grund für die andersartige Konzeption des Vesperale war der Blick auf den Pfarrgottesdienst und somit die Notwendigkeit, im Pensum des Betens Maß zu halten. Auch dies haben die ägyptischen Mönchsväter vorgelebt, wie Cassian im von Ludecus bemühten Zitat berichtet. Weiterhin verweist Ludecus auf Athanasius und dessen Psalmenverteilung. Auf welche Schrift er sich hier bezieht, bleibt jedoch unklar. 79 Das Traditionsargument nimmt also die apostolische und nachapostolische Epoche als alt und ehrwürdig in den Blick, oder, mit den Worten des II. Vatikanischen Konzils, die „Norm der Väter.“ Eine andere theologische Wertung übernimmt Ludecus von 1 Kor 14,15. Nicht das bloße Persolvieren ist oberste Richtschnur, sondern das Beten mit Geist und Verstand.80 An diese Ausführungen schließt sich eine Additio an, die die grundlegenden Hinweise konkretisiert. Additio. Nach dem bey diesem Punct sich eine gute Zeit hero befunden hat, daz etzliche aus vns, iren eigenen Zusagen, Ja ihrem tragendem ampte zu wieder, selten zur kirchen kommen, vnd welchs noch mehr zu beklagen ist, an den hochheiligen Festagen allermeist daraus bleiben, vnd also ein Jeder seinen standt selber nicht bedencken, noch sich zur billikeit hierinne schicken will, haben wir auss bitterer noth anordnung thun müssen Vnd ordnen hiemit Der gestalt vnd also. Welcher Canonicus hinfüro an dem hochheiligen festtagen niht zur Metten vnd Messen, vnd den andren Sontagen nicht zur Messe vnd Vesper kompt, soll jedesmal wen es geschiehet, Den Choralen Zwo stubichen bier zu geben, verpflichtet sein, Zur Predigt wirdt ein jeder ohn das sich willigk vnd gern finden lassen. So sollen hieruber die Canonici in der wochen fleisig zur kirchen gehen, daz sie endtweder zur metten oder 78
Vgl. ODENTHAL, Ordinatio 81. Vielleicht bezieht er sich auf das nicht sicher Athanasius zugeschriebene Werk „De virginitate“ (АΘΑΝΑΣΙΟΥ, ΠΕΡΙ ΠΑΡΘΕΝΙΑΣ, ΗΤΟΙ ΠΕΡΙ ΑΣΚΗΣΕΩΣ, in: PG 28, 251–282). Das 12. Kapitel erklärt die kleinen Horen Terz, Sext und Non im Hinblick auf die Passion Jesu (Stunde der Kreuzübernahme, der Kreuzigung und des Todes Christi, PG 28, 265). Das 16. Kapitel beschreibt die Duodecima als Zeitpunkt, zu dem Jesus in das Reich des Todes hinabgestiegen sei, das 20. Kapitel die mitternächtliche Gebetsz usammenkunft zum Zeitpunkt der Auferstehung, schließlich die morgendliche Hore, zu der der 62. Psalm, schließlich das Canticum Dan 3 und abschließend das Gloria zu beten seien. Hier sei der Einfachheit halber die lateinische Fassung wiedergegeben: „Matutina hora (Πρòς óρθρον), hunc dicite psalmum: ‚Deus Deus meus, ad te luce vigilo. Sitivit in te anima mea.’ Sub diluculum vero: ‚Benedicite, omnia opera Domini, Domino.’ – ‚Gloria in excelsis Deo, et in terra pax, in hominibus beneplacitum. Laudamus te, benedicimus te, adoramus te,’ etc. (PG 28, 275–276 C–D). 80 Vgl. zur Kritik Melanchthons an der Stundenliturgie unter dem Aspekt des Pensums etwa ODENTHAL, Ordinatio 17–18. 79
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XI. Die alten Gewohnheiten und Bräuche fortsetzen
Vesper kommen, Zuförderst weil es numehr mit den singen so enge eingezogen ist, Daz am morgen von Sechs bis zu sieben hora Die metten gesungen vnd drey Lectiones aus der heiligen Bibell abgelesen, Nach Mittage aber vmb 2 Vhr die Vesper neben dem Completorio auch eine stunde lang psalliret wirdt, Da doch vnsere vorfharen in de n Bäbstischen Finsternissen mit Vielfeltigen Messlesen vnd dergleichen vergeblichen Gottesdiensten, tags vnd nachts beschweret worden sindt. 81
Die Teilnahme an den Horen wird nochmals eingeschärft und das Fehlen, wie seit mittelalterlicher Zeit, mit Strafabgaben geahndet. Sodann werden die konkreten Umgestaltungen der Stundenliturgie benannt. Das Pensum wird gekürzt („so enge eingezogen“): Nur noch morgens von 6 Uhr bis 7 Uhr die Mette mit drei biblischen Lesungen, nachmittags gegen 2 Uhr Vesper und Komplet. Da die täglichen Messen entfallen, werden also jeden Tag zwei Stunden Chordienst im Dom gehalten. Ähnlich ist die Entwicklung in Halberstadt, nur dass man dort anstelle der Metten mit den Lesungen morgens die kleinen Horen Terz, Sext und Non betete.82 Damit sind die Rahmenbedingungen des künftigen Chordienstes entworfen. Ludecus selbst verfasste das hierzu passende liturgische Buch, das nun mit diesen Statuten verglichen und näher dargestellt werden soll.
5. Programm und Aufbau des „Vesperale et Matutinale“ von 1589: Die Vorworte des David Chytraeus und des Ludecus 5. Programm und Aufbau des „Vesperale et Matutinale“
Um sein 1589 bei Lehmann in Wittenberg gedrucktes Doppelwerk mit der nötigen Autorität zu versehen, hat Ludecus neben einem eigenen Vorwort eine Einleitung des Rostocker Theologen David Chytraeus vorangestellt.83 Sie findet sich vollständig im Querfurter Exemplar des Missale, nicht jedoch im dortigen Vesperale. Das bis heute in Havelberg aufbewahrte Vesperale bringt einen unvollständigen Auszug dieses Vorwortes. Somit bleibt unklar, ob dieses Vorwort für jedwedes Exemplar von Vesperale und Missale gedacht war. Dies liegt insofern nahe, als Chytraeus inhaltlich beide Werke in den Blick nimmt. Warum aber wurde ausgerechnet Chytraeus um ein Vorwort gebeten? Man kann hierzu nur Vermutungen anstellen. Eine erste Spur könnte das Wirken des Chytraeus im Rahmen der Verhandlungen um die Konkordienformel sein. Bei einem Treffen vom 19. bis 28. Mai 1577 im Kloster Berge 81
R IEDEL, Codex 177. Vgl. ODENTHAL, Ordinatio, etwa 77. 83 Vgl. zu David Chytraeus KELLER , Confessio; CZAIKA, David Chytraeus. Von David Chytraeus stammt auch das Vorwort zum Cantionale bei ELER , Cantica sacra. Vgl. hierzu VD 16, 5: E 988. Chytraeus war auch am Berliner Brevierdruck von 1577 (B OHATTA, Bibliographie 2, 2149) beteiligt, vgl. MÜLLER , Geschichte 391–438, hier 396. 82
5. Programm und Aufbau des „Vesperale et Matutinale“
299
bei Magdeburg, bei dem es um die Vorarbeiten zur Konkordienformel ging – das so genannte Bergische Buch – war neben Andreas Musculus 84 auch Chytraeus zugegen.85 Eben dieses Kloster Berge war aber auch in liturgischer Hinsicht sehr kreativ. Bereits 1573 hatte man hier eine eigene „Psalmodia Ecclesiastica“ gemäß der Confessio Augustana für die Offiziumsliturgie eingerichtet.86 Darf man Verbindungslinien von Kloster Berge zu Havelberg vermuten, die mit Chytreaus zu tun haben? Zumindest zeigen die Verweise, dass ein solches Projekt, wie es Ludecus plante, keineswegs abwegig oder singulär war. Eine zweite Vermutung bezüglich der Rolle des Chytraeus kann sich auf sein Wirken für das schwedische Reich, näherhin seine Stellungnahmen zu liturgietheologischen Fragen berufen. Wenn gilt, dass das Vesperale „zu den umfangreichsten und konservativsten Sammlungen dieser Gattung“ 87 zählt, verwundert die Wahl des Chytraeus nicht, der eine zwar in Teilen konservative, jedoch streng auf dem Boden der Confessio Augustana stehende Position vertrat. Dies wird deutlich bei den intensiven Beziehungen zum schwedischen Reich, näherhin zu Johan III., die Chytraeus unterhielt. Dessen konservative Liturgiereform – etwa durch die Ergänzung der Kirchenordnung von 1571 durch die sog. Nova Ordinantia (1575) – sah eine Wiedereinführung von altkirchlichen Zeremonien und eine Anknüpfung an die Zeit Kirchenväter vor. 88 Chytraeus betont gegenüber Johan III. die Confessio Augustana als Maßstab liturgischer Änderungen.89 Deshalb zielt seine Kritik vor allem auf das von Johans Liturgiereform stark herausgestellte eher katholische Konsekrationsverständnis der Abendmahlsliturgie.90 Chytraeus hält also eine mittlere Position inne: einerseits streng lutherisch, nimmt er andererseits in diesem
84 Dies ist nicht unerheblich im Hinblick auf des Musculus liturgische Tätigkeit, die aus reichem patristischem Erbe schöpfte – ein Grundzug, der die liturgischen Bemühungen der Reformationszeit generell prägt, so auch in Havelberg. Vgl. etwa B AUMANN, Rezeption. 85 Vgl. hierzu KELLER , Confessio 170–174, bes. 171. Vgl. MAGER , Konkordienformel, zur „Außenseiterposition“ des Chytraeus ebd. 279. Vgl. zum „Bergischen Buch“ auch CZAIKA, David Chytraeus 235. 86 P SALMODIA ECCLESIASTICA. Vgl. dazu D IVINA O FFICIA 191–195. – Die Psalmodia Ecclesiastica unterscheidet sich indes von der Anlage des Vesperale etwa durch die beibehaltenen kleinen Horen. Es handelt sich dort also um ein durch und durch auf konventuale Gegebenheiten hin konzipiertes Antiphonar. – Zum Kloster Berge vgl. RÖMER, Kloster. 87 So die Wertung bei CZUBATYNSKI, Matthäus Ludecus 184. 88 Eine Diskussion des Forschungsstandes und ein Überblick bei CZAIKA, David Chytraeus 221–232. – Zu den Verhandlungen Johans mit der römischen Kurie vgl. ebd. 228– 230. 89 Vgl. CZAIKA, David Chytraeus 234. 90 Vgl. CZAIKA, David Chytraeus 235–242.
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XI. Die alten Gewohnheiten und Bräuche fortsetzen
Rahmen eine konservative, altkirchlich geprägte Haltung ein. 91 Die Wahl des Chytraeus könnte ferner auch auf persönlichem Kontakt beruht haben, der etwa über den Lehrer des Ludecus in Frankfurt (Oder), den Wittenberger Juristen Hieronymus Schurff, bestanden haben könnte. Nähere Forschungen stehen hier indes aus. Schließlich mag ein letzter Grund darin bestanden haben, dass Chytraeus ein Jahr vorher, nämlich 1588, das Vorwort zu den „Cantica sacra“ des Franziscus Eler geschrieben hatte.92 Im Vorwort selbst bedient sich Chytraeus – wie in seinem sonstigen Briefstil – mancher Schnörkel und vieler Zitate, die seine Bildung unter Beweis stellen.93 Das Vorwort lobt die Gesänge der kirchlichen Tradition. „Die solche herrlichen Gesänge abschaffen wollten, werden als ‚deformatores ecclesiarum’ gebrandmarkt, ‚quorum insaniam nequaquam imitemur,’“ so referiert Oskar Mehl die Aussage des Chytraeus.94 Manche Textsequenzen sind mit dem Vorwort für Elers „Cantica sacra“ identisch, nur dass Chytraeus für Havelberg ausführlicher vorgeht und die Situation eines Domstiftes, in Hamburg die der Pfarreien mit ihren Schulen vor Augen hat. In Hamburg, dokumentiert anhand der „Cantica sacra“ des Franziskus Eler, setzt Chytraeus folgende Akzente: Der Sinn der Musik besteht in der leichter handhabbaren Überlieferung, der Frömmigkeit, ja der Bildung. Er legt Wert auf die biblische Grundlegung der Texte und verteidigt die Gesänge gegen ihre Gegner. Schließlich weist Chytraeus auf die lutherischen verdeutschten Gesänge hin, die in Hamburg Teil der Gemeindeliturgie sind. Für Havel91
Vgl. in diesem Kontext auch BENGA, David Chytraeus. Vgl. ELER , Cantica sacra, ohne Paginierung. 93 Vgl. LEONHARDT, Stil. 94 MEHL, Vesperale 266. Die Stelle des Vorwortes lautet im Kontext: „Quidam nostrae aetate Ecclesiarum deformatores, non solum latinas veteres in Collegiis hactenus usitatas, verum etiam Germanicas Psalmorum et Odarum cantiones, et omnem Musices et canendi usum, ex templis sustulerunt“ (Vesperale, ohne Paginierung). Damit setzt Ch ytraeus ähnliche Akzente wie Dr. Martin Mirus in seiner Predigt zur Einführung der Reformation im Halberstädter Dom zwei Jahre nach dem Vesperale, 1591: „Zum andern/ das menniglich hieraus verneme/ wie es von E.F.G. mit dieser Reformation gemeinet/ Nemlich nicht auff Caluinische weise/ da man alles uber einen hauffen wirfft/ Altar/ Tauffstein/ Kelche Orgeln/ Bilder aus den Kirchen wegschaffet/ oder auch wol die Ki rchen ex fundamento nieder reisset/ Kirchen vnd Cloester Gueter raubet vnd außteilet/ welches nicht eine Reformation/ sondern eine Deformation ist der Kirchen.“ Predigt des Dompredigers Dr. Martin Mirus vom 21.9.1591, Encænia oder Renovalia, Der StifftKirchen zu Halberstadt/ Gehalten an S. Mattheus Tage/ welcher war der 21. Septembris/ Anno 1591. und daey geprediget/ Durch Martinum Mirum/ der heiligen Schrifft Doctor/ und Domprediger daselbst, Gedruckt zu Halberstadt/ durch Georg Koten Anno Christi M.D.XCI., eingebunden in einen Sammelband von Predigten u.ä., fol. 388r–406r (neue Foliierung). Der Sammelband beginnt mit: Erklärung D. Mart. Lutheri von der frage/ die Notwehr belangend. Mit Vorreden Philippi Melanthonis und Doct. Johan. Bugenhagen Pomers/ Pastors der Kirche zu Wittenberg. Wittenberg, gedruckt durch Hans Lufft 1547. Halle, Universitätsbibliothek, Signatur AB 153951, hier 389v–390r. 92
5. Programm und Aufbau des „Vesperale et Matutinale“
301
berg bemüht sich Chytraeus zunächst, die ehrwürdige Geschichte von Dom und Stift nachzuerzählen, aber bereits in einer für die Liturgie entscheidenden Perspektive, der Missionierung und der Verkündigung des Wortes Gottes. Sodann streicht er, und hier zeigt sich wie in Hamburg sein konservativer Zug, die Bedeutung der Musik heraus. Er beruft sich weiter auf die große Tradition der Kirche – wie Ludecus in den Stiftsstatuten. Deshalb grenzt er sich – wie bereits erwähnt – gegen die Calvinisten als „Ecclesiarum deformatores“ ab. Bezüglich des Vorwortes von Ludecus selbst, der „Epistola ad lectorem“ hat Oskar Mehl eine Inhaltsangabe gegeben. 95 Die Epistola unterteilt sich in das eigentliche Vorwort und eine „Generalis quaedam commonefactio“ (alle ohne Paginierung oder Foliierung). Ludecus verwahrt sich, er wolle Gesänge, die mehr von Menschen, als von Gott eingegeben wurden, wieder unbemerkt einführen. Ein pädagogisches Moment kennzeichnet auch seine Bemühungen um den Gregorianischen Choral. Er solle nicht zuletzt deshalb gepflegt werden, da er vielfach verachtet und der Jugend unbekannt sei. Tiefster Grund ist das Traditionsargument. Ludecus hat die Noten und Melodien so beibehalten, wie sie in Havelberg üblich waren.96 Ludecus will nicht „der gereinigten Kirche wieder abergläubische Zeremonien auf(zu)nötigen,“ sondern sein Anliegen ist, „die Alten zu lesen, das Einzelne zu erproben, was gut ist beizubehalten und vom Glauben der allgemeinen Kirche nicht abzuweichen.“ 97 Selbstverständlich gibt es im Vesperale ein Proprium de Sanctis. Es findet sich in der kurzen Einleitung (fol. 192r) der bezeichnende Hinweis des Ludecus über die Heiligenfeiern: „Si quid autem in ea dictum, scriptumque est, quod a Propheticis & Apostolis scriptis dissentit, id indictum inscriptumque esto.“98 Die „Norm der Väter“ wird hier also bemüht. Deshalb kann er auch – traditionsstark – manche Heiligenfeiern beibehalten. 99 In der „Commonefactio“ gibt Ludecus nun einen für das Gesamtverständnis des Vesperale entscheidenden Hinweis: „In hac vero, sicut in aliis huius Psalmodiae partibus, non Cathedralium, sed Parochialium potißimum Ecclesiarum in urbibus et oppidulis habui rationem.“ Der Blick bei der Konzeption des Vesperale liegt also mehr auf den Pfarrkirchen als auf den Stifts- und Domkonventen. Dementsprechend erklärt sich die Konzeption des Psalteriums: Zwei Horen bilden das tägliche Gebetspensum. Die 95
Vgl. MEHL, Vesperale 267. Vgl. das Beispiel bei MEHL, Vesperale 268. 97 Die Inhaltsangabe folgt hier insgesamt MEHL, Vesperale 267, wurde indes am Original überprüft. 98 Vesperale, fol. 192r. Verweis darauf auch bei MEHL, Vesperale 269. 99 Vgl. KOCH, Reformation. MEHL, Vesperale zählt (269–270) die Heiligentage auf. Vgl. insgesamt auch LANSEMANN, Heiligentage. Zu den Heiligenfeiern in Halberstadt vgl. auch ODENTHAL, Ordinatio 107–151. 96
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XI. Die alten Gewohnheiten und Bräuche fortsetzen
Psalmen sind so zwischen Matutin und Vesper aufgeteilt. Die Komplet wird nur kurz erwähnt, ohne eigens ausformuliert zu sein. 100 Dennoch finden sich die Hymnen der kleinen Horen, aber ohne die dazugehörige Psalmodie101 und ermöglichen – wie die exemplarische Musteraufteilung der Matutin in drei Nocturnen zeigt 102 – eine Verwendung des Vesperale auch im stiftischen Kontext mit allen verbliebenen Horen. So erklären sich die mannigfachen Gebrauchsspuren und Änderungen des Exemplars im Havelberger Prignitz-Museum, welches augenscheinlich aus dem Gebrauch und Besitz der Domkirche Havelberg stammt. Denn hier wurde das Material des Vesperale an die alte – und augenscheinlich nun beibehaltene – Offiziumsordnung des Stiftes angepasst.103 Der Aufbau folgt dem gängigen Schema und umschließt drei große Teile: Auf das Proprium de tempore (fol. 1r bis 169r)104 folgt das Proprium de Sanctis (fol. 191r–267v), schließlich das Psalterium (mit neuer Foliierung, 1r–129v). Die Psalmenordnung des Vesperale sorgt für die Verwendung aller 150 Psalmen in einer Woche, verteilt auf die beiden Horen Matutin und Vesper. Ludecus schlug damit einen ähnlichen Weg ein wie rund 20 Jahre später das evangelische Domkapitel von Magdeburg 1613.105 Hier wurde der gesamte Psalter über eine Woche verteilt, streng numerisch, und zwar so, dass sonntags in der Matutin mit Psalm 1 begonnen wird und nun fast alle Psalmen bis zum 108. Psalm der Matutin zugeordnet werden, damit die Vesperreihe sonntags mit dem üblichen 109. Psalm beginnen konnte (Zählung nach der Vulgata).106 Unterschiede zwischen beiden Ordnungen ergeben sich lediglich an zwei Stellen, nämlich bei der Matutin des Sonntags und bei der Verwendung der Psalmen 117 und 118 für die kleinen Horen des Sonntags in Magdeburg. Deshalb gibt es in der Vesperpsalmodie von Montag und Dienstag kleine Divergenzen, wie folgende Tabelle zeigt:
100
Vgl. Vesperale, fol. 3v. Vgl. Vesperale, fol. 148v–149v. 102 Vgl. Vesperale, fol. 146r–147r. Ludecus spricht (146r) davon, in den Nocturnen, die in den Kathedralkirchen beibehalten seien, befände sich nichts gegen den christlichen Glauben („nihil contineant, quod fidei Christiana sit contrarium“). 103 Um ein Beispiel zu bemühen, sei der Eintrag fol. 223v zur ersten Komplet des Peter- und Paulsfestes erwähnt. 104 Die Zählung beginnt erst mit dem ersten Adventssonntag. 105 Vgl. Cantica sacra. 106 Zu dieser Ordnung vgl. FISCHER , Ordnung 129–146. 101
5. Programm und Aufbau des „Vesperale et Matutinale“
Matutin Sonntag Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Vesper Sonntag Montag Prim Sonntag
Magdeburg:
Vesperale des Ludecus:
1–24 25–37 38–51 52–67 68–79 80–96 97–108
1–25 Iudica me 26–37 38–51 52–67 68–79 80–96 97–108
109–113 114–116
109–113 114–120
303
117–118 ab He ad Tertiam ab Caph ad Sextam ab Pe ad Nonam
Vesper Sonntags Montags Dienstags Mittwochs Donnerstags Freitags Samstags
109–113 114–116 119–125 126–130 131–136 137–142 143–147
Laudes
148–150
109–113 114–120 121–125 126–130 131–136 137–142 143–150
Die handschriftlichen Einträge in des Havelberger Exemplar des Vesperale, die die Ordnung des Domstiftes wiedergeben, zeigen die Verwendung des Psalmes 118 für die kleinen Horen wie in Magdeburg sowie die Kennzeichnung einiger Psalmen für Komplet und Laudes, die dann wohl an bestimmten Tagen zu nehmen sind. 107
107 Etwa Psalm 30 (fol. 22v*) für die Komplet, Psalm 62 (fol. 46v*) für die Laudes, ferner Psalm 118 für die kleinen Horen (fol. 93r*–99r*).
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XI. Die alten Gewohnheiten und Bräuche fortsetzen
6. Das Vesperale im Kontext evangelischer Offizienbücher des 16. und 17. Jahrhunderts 6. Das Vesperale im Kontext evangelischer Offizienbücher
Zunächst stellt sich die Frage nach eventuellen Vorläufern des Vesperale.108 Es ist ja eines der frühesten und eher seltenen Antiphonare reformatorischer Liturgie. Die folgende Liste erhebt keineswegs einen Anspruch auf Vollständigkeit, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass manche der aufgezählten Werke Zufallsfunde sind. 109 Doch spiegeln sie treffend die Bemühungen um eine Reform der liturgischen Bücher. 1523 erscheint das „Deutzsch kirchenampt“ von Thomas Müntzer, interessant deshalb, weil es in deutscher Sprache weite Teile des Offiziums, näherhin Mette und Vesper aufführt, eben für den Gebrauch der Gemeinden.110 1550 veröffentlicht Georg Wizelius den „Psalter ecclesiasticus,“ der hier als Beispiel des Reformkatholizismus erwähnt sei.111 1553 erscheint die „Psalmodia, hoc est, Cantica sacra veteris ecclesiae selecta“ des Lucas Lossius von 1553, mit einem Vorwort von Melanchthon.112 Das ist das erste lutherische „Cantional,“113 nämlich ein „Liber usualis.“ Die Messe wird ebenso beschrieben wie die Horen, gemäß Luthers Maßgabe.114 Es handelt sich hier also nicht um ein Offizienbuch für Stiftsherren, sondern um ein auf die Gemeinde und das Schulwesen hin konzipiertes Gebetbuch. 115 In der Auflage von 1561 nach einem Exemplar aus dem Stadtarchiv Heilbronn (Signatur LII) in Faksimileform bereits ediert.116 108 Vgl. den Überblick bei Benjamin MAYES, Daily Prayer Books. – Zur Umformung des Chorals vgl. immer noch SCHREMS, Geschichte; auch S TALMANN, Versuch. Vgl. auch KÖSTLIN, Evangelisierung. KÖSTLIN, Evangelisierung 2. Jetzt auch ODENTHAL, Matutinae, in diesem Band 251–282. 109 Nicht erwähnt werden hier die zwei folgenden Kantionalien: SPANGENBERG, Cantiones, sowie KEUCHENTHAL, Kirchengesenge, da sie beide nicht die Offiziumsliturgie regeln (vgl. dazu SCHREMS, Geschichte 21–22). Jüngst wurde das Zweibrücker Gesangbuch von 1557 ediert: B LÜMLEIN, Gesangbuch. Es enthält ebenfalls lateinische Gesänge, auch solche der Stundenliturgie (ebd. 145–234). Vgl. dazu auch W ENNEMUTH, Gesangbuch 248. Wennemuth macht darauf aufmerksam, bis auf eine Antiphon seien alle lateinischen Stücke bereits in der Psalmodia des Lossius enthalten. 110 Vgl. MÜNTZER , Kirchenampt. 111 W ICELIUS, Psaltes. Vgl. dazu etwa HARNONCOURT, Liturgie, bes. 321–232; DIEZ, Reform 53–54. 112 Vgl. dazu SCHREMS, Geschichte 22–24; MERTEN, Psalmodia I–III. 113 So MERTEN, Psalmodia I, 1. 114 Vgl. etwa MERTEN, Psalmodia I, 10. 115 Die theologisch bedingten Änderungen sind ähnlich wie in Halberstadt vgl. die Beispiele bei MERTEN, Psalmodia II, 72–90. 116 LOSSIUS, Psalmodia.
7. Zwei Beispiele
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1573 dann entsteht die „Psalmodia Ecclesiastica“ von Kloster Berge, die bereits erwähnt worden ist und die Chytraeus sicherlich gekannt, mit großer Wahrscheinlichkeit bei seinem Aufenthalt 1577 „in usu“ erlebt hat. 1588 folgen dann die „Cantica sacra“ des Franziscus Eler in Hamburg, versehen mit einem Vorwort des David Chytraeus.117 1589 nun wird das Vesperale des Ludecus gedruckt, im Hinblick auf den Pfarrgottesdienst, zugleich in der Stiftsliturgie in Havelberg in Gebrauch. 1591 verfasst, um auch eine andere Gattung liturgischer Bücher zu erwähnen, das Halberstädter Domkapitel die „Ordinatio cultus divini,“ die kein Offizienbuch im strengen Sinne ist, vielmehr die nachreformatorische Nutzung der mittelalterlichen Chorbücher regeln möchte. 118 1613 folgen die „Cantica sacra“ des Magdeburger Kapitels. 119 1645 wird die Magdeburger Ordnung für die „Dispositio ac ordo canticorum et ceremoniarum in choro ecclesiae Cathedralis Brandenburgensis observandus est“ aus Brandenburg übernommen werden, die sich ausdrücklich auf die Magdeburger „Cantica sacra“ beruft. 120 Von Interesse ist die Tatsache, dass die Bräuche vieler Domstifter von Magdeburg geprägt sind, wie schon in der „Ordinatio“ von Halberstadt Magdeburg als Vorbild hingestellt wird („sicut habent Magdeburgensi“). 121 Es wäre zu klären, inwieweit die Magdeburger „Cantica sacra“ mit den Elaboraten des Klosters Berge zusammenhängen.
7. Zwei Beispiele: Die Ostervesper und die „Marianischen Antiphonen“ 7. Zwei Beispiele
Nur zwei Beispiele sollen nun aufzeigen, was eine genaue Untersuchung des Vesperale leisten könnte. Das eine ist die „Altrömische Ostervesper“ mit Prozession zum Taufbrunnen am Ostersonntag. Bei Thomas Müntzer wurden – wie in Halberstadt – die Gesänge beibehalten, von der Prozession indes findet sich keine Spur mehr. 122 Ludecus beschreibt noch die alten Bräuche wie die feierliche Prozession zum Taufbrunnen, aber fügt einschränkend hinzu: „Idque commonefactionis saltem non imitationis gratia 117
Vgl. ELER , Cantica sacra, das Vorwort ohne Paginierung. Vgl. SCHREMS, Geschichte 25–26. 118 Vgl. etwa UCKELEY, Gottesdienstordnung. 119 Vgl. CANTICA SACRA. Hierzu auch FISCHER , Ordnung. 120 Eine Edition hierzu wird vorbereitet. 121 Vgl. ODENTHAL, Ordinatio 61. 122 Vgl. STEPHAN, Teutsch Antiphonal 173–175. Vgl. MÜNTZER , Kirchenampt 122– 133. Zu Müntzer vgl. etwa BOENDERMAKER , Gottesdienst 187–188.
306
XI. Die alten Gewohnheiten und Bräuche fortsetzen
monere volui.“123 Die alte Ordnung der Gesänge indes behält er im Vesperale bei. Im Vergleich der drei Cantionalien sieht der Aufbau der Vesper so aus: Lossius 1553124
Eler 1588125
Ludecus 1589126
Ant. Alleluia Ps. Dixit Dominus
Ant. Alleluia Ps. Dixit Dominus Ps. Confitebor Ps. Beatus
Kyrie paschale Ant. Alleluia Ps. Dixit Dominus Ps. Confitebor Ps. Beatus
Ps. Laudate pueri Ps. In exitu Resp. Dum transisset Hymnus Vita sanct. Ant. All. Resurrexit Magnificat
123
Ant. Nos qui vivimus Ps. In exitu Ps. Do Israel uth Egypten
Graduale Haec dies V. Confitemini Sequenz Victimae Ant. Surrexit Magnificat Collecta Benedicamus Domino Ant. Alleluia
Ant. Alleluia Ps. Dixit Ps. Confitebor Ps. Beatus Ps. Laudate
Ps. Laudate Ps. In exitu
Hymnus Vita sanctorum Ant. Et respicientes Magnificat Contio Ant. Alleluia Nunc dimittis
Vesperale, fol. 78v. LOSSIUS, Psalmodia, fol. 105v–107r. 125 ELER, Cantica sacra, p. CXXVII–CXXX. 126 Vesperale, fol. 78v–82r. 127 CANTICA SACRA, p. 583–585. 124
Cantica sacra 1613127 Ps. In exitu
R. Dum transisset H. Vita sanctorum Ant. Surrexit Magnificat
307
7. Zwei Beispiele
Benedicamus Domino
Versikel Collecta128 Insultatio contra Iudaeos129 Versikel Collecta Benedicamus Domino
Versikel Collecta
Benedicamus
Alle Modelle lassen noch den Aufbau der altrömischen Ostervesper erkennen, jedoch ist die Fassung des Ludecus die traditionsstärkste, nicht zuletzt aufgrund von Kyrie, Graduale, der Sequenz sowie der Zweiteilung des Psalters. Beachtenswert erscheint die Tendenz bei Eler, deutsche Psalmgesänge (alternativ?) in den Ablauf einzubauen. Sodann hält das Vesperale zwei „Marianische Antiphonen bereit, nämlich das „Salve Regina“ wie das „Regina caeli,“ jedoch in einer für das Luthertum kennzeichnenden Neufassung. 130 Denn – wie Ludecus selbst angibt – wurde das „Salve Regina“ „verbessert,“ das heißt christologisch interpretiert und umgearbeitet. Sein Text lautet nun: Salve Iesu Christe, rex misericordiae, vita, dulcedo, et spes nostra, salve. Ad te clamamus, exules filii Evae, ad te suspiramus gementes et flentes in hac lacrimarum valle. Eia ergo, advocate noster, illos tuos misericordes oculos ad nos converte. O Iesu benedicte, faciem patris tui nobis post hoc exilium ostende. O clemes, o pie, o dulcis Iesu Christe.131
Das „Regina caeli“ lautet nun so: Laetemur in Christo redemptore, alleluia, quia quem percussit pater ob scelus populi sui, alleluia. Resurrexit, sicut dixit, alleluia. Ora pro nobis, Christe, quia ad dexteram Dei patris locatus es victor peccati, mortis, inferni, unus es nobis propitiator pontifex, ecclesiae caput: O rex pie, fac nos tecum resurgere, alleluia. 132
Während bisher für das neue „Salve Regina“ keine Parallele entdeckt werden konnte, findet sich das „Laetemur in Christo“ bereits bei Lossius und Eler sowie in der „Psalmodia Ecclesiastica“ des Klosters Berge.133
128
Im Anschluss an die Collecta ergänzt eine jüngere Hand im Exemplar des Havelberger Domes einige Versikel und Antiphonen, vor allem aber die Komplet. 129 Eine jüngere Hand ergänzt – neben vielem anderen – im Exemplar des Havelberger Domes: Haec insultatio non canitur (Vesperale, fol. 81r). 130 Vgl. hierzu insgesamt die Studie von FERENCZI, Salve regina, hier bes. 176–177 (mit weiterer Literatur, weiteren Textvarianten und Belegen). 131 Vesperale, fol. 131r–v. 132 Vesperale, fol. 132r–v. 133 LOSSIUS, Psalmodia, fol. 113r–v; ELER, Cantica sacra, p. CXXVI–CXXVII. P SALMODIA E CCLESIASTICA, fol. 84v–85r.
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XI. Die alten Gewohnheiten und Bräuche fortsetzen
Ludecus gibt als Autor des „Salve“ Urbanus Rhegius an, 134 der die Änderungen eingeführt habe, obgleich viele Bischöfe es gewagt hätten, die alte Fassung zu verteidigen, und zwar „contra expressum Dei verbum.“
8. Zur Geschichte der Liturgie des Domstiftes Havelberg bis zur Auflösung des Domstiftes 1819: Die Veränderungen des Jahres 1663 und die Instruktion des Kapitels von 1731 8. Zur Geschichte der Liturgie des Domstiftes
Mit dem „Vesperale et Matutinale“ war ein Zustand geschaffen, der 74 Jahre das gottesdienstliche Leben im Dom bestimmen sollte. Dann war eine neue Änderung angesagt. Die Orientierung an der Tradition, wie sie Ludecus übte, hatte indes nicht lange Bestand. Zu groß waren die Vorbehalte gegen die bald als typisch katholisches Konfessionsmerkmal angesehenen lateinischen Gesänge. 135 Sie waren für die eingepfarrte Gemeinde und selbst die Domherren sehr unerbaulich. Im Jahre 1663 richtete daher der damalige Dompropst Otto von Grote einen Antrag an das Konsistorium, die Form des täglichen Offiziums ändern zu dürfen. Zudem ersuchte er hierzu die landesherrliche Genehmigung. Vorher hatte man im Kapitel die Abschaffung „des Choral- und Lateinischen Singens, so noch außm Pabstthumb überblieben und womit 2 bis 3 Persohnen ohn eintzige andacht und erbauung täglich in der Kirche sich plagen,“ abzuschaffen. 136 Das Argument rund zwei Generationen nach Ludecus ist beachtlich: Man weiß nicht mehr um den Wert der eigenen Tradition, die die Tradition der Kirche ist und die Ludecus noch in den reformatorischen Veränderungen in ihrer Gänze und Schönheit zu bewahren glaubte. Vielmehr ist das Geschichtsbild nun das des Bruches: Nicht die Fortführung einer doch weitgehend mittelalterlich geprägten Tradition, sondern deren Abbruch und der Neuanfang ist das Denkschema. 137 Und in diesem Kontext ist die Forderung nach 134 Lossius und Ludecus erwähnen auch für das „Laetemur“ als Autor Urbanus Rhegius. Zu Urbanus Rhegius vgl. S IMON, Messopfertheologie 587–598 (Literatur); LIEBMANN, Urbanus Rhegius; ZSCHOCH, Existenz, hier etwa (24–26) das Kapitel über die innere Wende des Rhegius anhand der Katharinenpredigt von 1521, die einerseits seine Nähe zur Tradition, andererseits zur Reformation belegt und seine Stellung zum Heiligenkult markiert. 135 Vgl. zur „Ablösung des kirchlichen Tageszeitengebets durch die Erbauungsliteratur im 16. bis 18. Jahrhundert“ GOLTZEN, Gottesdienst 214–215. In Quedlinburg wurde bereits 1539 das alte Stundengebet in Andachten umgewandelt, vgl. KOLDAU, Frauen 920–930, hier 922. 136 Vgl. RIEDEL, Codex 60. 137 Vgl. zur Problematik ANGENENDT, Liturgik. Wenn auch schon Ludecus auf die Väterzeit rekurrierte, so doch, um den wesentlich mittelalterlich geprägten Choral zu erhalten. Die nunmehr ablehnende Haltung dem Papsttum und übrig gebliebenen Bräu-
8. Zur Geschichte der Liturgie des Domstiftes
309
der Landessprache zu werten.138 Am 10.10.1663 erteilte Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst (1640–1688),139 seine Genehmigung zur Reform. Und dennoch konnte man sich vom Geist des Ludecus nicht gänzlich verabschieden. Es blieb an manchen Tagen bei der Lateinischen Vesper wie übrigens auch bei Lateinischen Reden. 140 So groß war die Kraft der Tradition. Am 2.10.1731 wird der Gottesdienst aus Anlass einer „Instruction über die Feier des Gottesdienstes bei dem Dome“ des Domkapitels beschrieben,141 wobei allerdings unklar bleibt, ob und in welchem Maße diese Instruktion neue Formen einführte oder das 1663 Geordnete lediglich neu in Erinnerung rief. Zunächst lobt man, dass die Gottesdienstzeiten sonntags wie werktags gut ausgeführt würden. Wie dem auch sei, diese Instruktion liefert eine gute Beschreibung des Offiziums bzw. des Predigtgottesdienstes zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Zur Feier des Predigtgottesdienstes überliefert die Instruktion folgendes: Sonntags wird um 8.45 Uhr eine kleine Glocke geläutet, die den Beginn des Gottesdienstes anzeigt. Nach nochmaligem Einläuten beginnt um 9 Uhr die Schuljugend mit einem Morgenlied. Auf ein Orgelvorspiel folgt das Kyrie. Danach singt der Prediger vor dem kleinen Altar – also wohl dem Lettneraltar – das Gloria, aber in deutscher Sprache. Nach dem Gruß „Der Herr sei mit euch. Und mit deinem Geiste“ folgt die Collecta. Der Prediger liest nun die Epistel, es folgt der Hauptgesang des Sonntags. Vor dem kleinen Altar liest er das Evangelium, stimmt ein Kirchenlied, das Glaubensbekenntnis in deutscher Sprache an. Nun besteigt er die Kanzel, nach dem Kanzelgruß folgt ein Lied. Nach der Predigt ist ein Wechselgesang von Kantor und Gemeinde vorgesehen, eine nochmalige Collecta des Predigers vor dem kleinen Altar. Nach dem Segen schließt der Gottesdienst mit dem Lied „Gott sei uns gnädig und barmherzig.“ Die Feier des Abendmahls wird in diesem Kontext nicht erwähnt, da sie wohl nur noch selten stattfand. 142 Die Offiziumsliturgie wird wie folgt gestaltet: Nachmittags um 13.15 Uhr beginnt ein dreimaliges Läuten, um 14.00 Uhr das Einläuten. Auf das Vorspiel der Orgel „Danket dem Herrn, denn er ist freundlich“ folgt das Magnificat in deutscher Sprache. Zwei Chorsänger aus dem Schülerchor lesen ein Hauptstück chen gegenüber versteht sich vor dem Hintergrund einer „zweiten Reformation“ der reformierten Konfessionalisierung, die sich als Antwort auf die und zum Schutze vor Tendenzen der Gegenreformation schon im 16. Jahrhundert durchsetzte. Vgl. hierzu KLUETING, Konfessionalisierung. 138 Vgl. etwa die frühen deutschen Breviere aus Stolberg im Besitz des Quedlinburger Stiftes bei FLIEGE, Handschriften 61–66 (Qu. 84) und 67–69 (Qu. Cod. 84b). 139 Vgl. die Tabelle bei RUDERSDORF, SCHINDLING, Kurbrandenburg 35. 140 Vgl. RIEDEL, Codex 60–61. 141 Vgl. zum folgenden RIEDEL, Codex 59–61. 142 Vgl. zum Abendmahlsgottesdienst in Halberstadt ODENTHAL, Ordinatio 155–164.
310
XI. Die alten Gewohnheiten und Bräuche fortsetzen
aus Luthers Kleinem Katechismus. Es folgt der Hauptgesang. Nun geht der Prediger auf die Kanzel, um nach einem kurzen Lied die Predigt zu halten, die mit einem zum Inhalt passenden Lied abgeschlossen wird. Der Diakon singt vor dem kleinen Altar die Collecta und spricht den Segen. Das Lied „Nun lobet Gott es ist vollbracht“ beendet die Gebetszeit. Mit diesem Aufbau wird deutlich, dass man zwar noch lose den Aufbau der Vesper zum Vorbild genommen hat, in Wahrheit aber aus der Offiziumsliturgie ein Lehrgottesdienst geworden ist. Diese Betstunden, „welche an die Stelle der ehemaligen Frühmessen oder Vespern getreten waren, daher auch Metten (Matutinen) und Vespern genannt wurden,“143 fanden an fünf Wochentagen zweimal des Tages statt, am Morgen und am Nachmittag, am Sonnabend nur am Nachmittag. Die nachmittäglichen Betstunden wurden zudem im Gegensatz zu den morgendlichen nicht ganzjährig gehalten. Acht Tage nach Michaelis begann eine Pause, die erst mit Ostern beendet wurde; ferner fanden sie während der Erntezeit nicht statt. Die morgendlichen Betstunden in der Woche sahen wie folgt aus: Man begann um 7.30 Uhr, nachdem eine Viertelstunde vorher mit der kleinen Glocke ein Zeichen gegeben worden war. Die Vikare versammelten sich im Hohen Chor, die Schulkollegen auf dem Schülerchor.144 Die Grundordnung dieser Gebetszeiten sieht die Abfolge von Morgenlied und -gebet, Bibellesung, Psalm, Collecta, Lob- und Danklied, Collecta, Dankgebet, Segen und Vers vor. Indes waren die einzelnen Wochentagen bestimmten Themen vorbehalten, so der Dienstag dem christlichen Leben und Wandel, der Donnerstag dem Kreuzesgedenken und der Anfechtung, der Freitag dem Leiden und Sterben Christi. Hier blieben also Themen erhalten, welche die Stundenliturgie ebenso wie das private Beten seit spätmittelalterlicher Zeit prägten. Am Samstag fand nur die nachmittägliche Gebetszeit statt, die – wohl im Hinblick auf den Sonntag und eine eventuelle Teilnahme am Abendmahl, unter der Bußthematik stand. 145 Diese Bußthematik ist dann Teil der Vesper, die auch nach 1731 am Samstagnachmittag wie bei den Vigiltagen der Feste weiterhin in lateinischer Sprache bestehen blieb.146 Die Ordnung dafür zeigt indes im Vergleich zu mittelalterlicher Zeit bereits eine stark gekürzte Form. Der älteste Vikar stimmt das „Deus in adiutorium“ an, dem der Chor antwortet. Es folgt ein lateinischer Psalm, „welcher mit den beiden letzten Versen aus dem Mag-
143
R IEDEL, Codex 60. Was mit dem Schülerchor gemeint ist, bleibt unklar. Vielleicht werden damit die hohen Bühnen mit den alten Altarstellen im querschiffähnlichen Ende der Seitenschiffe nach Osten bezeichnet. 145 Vgl. LURZ, Feier 101–254 (zu den Abendmahlsvermahnungen). 146 Vgl. RIEDEL, Codex 61. 144
9. Ergebnis
311
nificat beschlossen wurde,“147 wie immer man sich die zu denken hat. Nun wird der Hymnus de tempore gesungen, und zwar in der alten Alternatimpraxis mit der Orgel. Es wird ein Gebet- und Bußpsalm gelesen (welcher vielleicht die oben angegebene Bußthematik einbrachte), darauf das deutsche Lied „O frommer und getreuer Gott.“ Der Vikar singt das „Dominus vobiscum,“ das der Chor beantwortet. Auf das „Benedicamus Domino,“ das an Festtagen um ein dreifaches Halleluja erweitert wird, folgt das Lied „O Vater aller Frommen.“ Die deutsche Vesper fand samstags nur statt, wenn gebeichtet wurde, es sei denn, der Sonntag wäre ein hohes Fest – und am Tage vor dem Bußtag. Ihren Aufbau beschreibt Adolph Friedrich Riedel so: Nach dem Lied „Allein zu dir Herr Jesu Christ“ folgt das deutsche Magnificat, gefolgt von Bußgebet und Bußpsalm. Nun singt man das Lied „O frommer und getreuer Gott.“ Ein „Inspector“ spricht „Der Herr sei mit euch,“ worauf alle antworten. Das Bußgebet beschließen alle mit dem Amen. Das Lied „Ob bei uns ist der Sünden viel“ beendet die Vesper, die vor dem Bußtag ohne Orgelbegleitung gehalten wird. Ein nur flüchtiger Vergleich mit anderen, vor allem katholischen Offiziumsordnungen 148 dieser Epoche zeigt die besondere Ausrichtung im Rahmen einer beschaulichen Frömmigkeit. Der Gedanke an ein „Beten der Kirche“ anhand der alten Tradition scheint weitestgehend aufgegeben. Obgleich das Havelberger Domkapitel der Säkularisierung zunächst entgangen war, wurde es 1819 aufgelöst.149 Damit fand auch die gottesdienstliche Tradition des Kapitels ihr Ende.
9. Ergebnis: Zur Beurteilung der Liturgiereform 9. Ergebnis
Will man die Liturgiereform des Ludecus beurteilen, bedarf es einer differenzierten Wertung. 150 Sicherlich blieben damals Probleme ungelöst, etwa bezüglich des weitgehenden Ausschlusses der Gläubigen bei einer solchen lateinischen Kapitelsliturgie. Dennoch besticht die Traditionsstärke, die sich – in humanistischem Geiste – ein Paradigma zueigen macht, das Jahrhunderte später das II. Vatikanische Konzil aufgriff: Das Traditionsargu147
R IEDEL, Codex 61. Vgl. KOCH, Brevier. GAHN, Anmerkungen. Deutsche Gebetbücher des 16. und 17. Jahrhunderts der Stiftsdamen zu Quedlinburg sind verzeichnet bei FLIEGE, Handschriften 32–33 (Qu. Cod. 71 und 72). 149 Vgl. zur Problematik allgemein HECKEL, Problem. 150 Vgl. hier übrigens die grundsätzlichen Überlegungen bei HÄUSSLING, Brevierreformen. HÄUSSLING, Luther. 148
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XI. Die alten Gewohnheiten und Bräuche fortsetzen
ment der „Norm der Väter.“151 Nicht umsonst werden Hymnen etc. auf ihre Fundierung bei den Kirchenvätern geprüft und belegt. Die liturgiegeschichtliche Forschung liefert für Ludecus die entscheidenden Argumente, ob Traditionen beibehalten werden können oder nicht. So etwa ist sein Rekurs auf Johannes Cassian zu verstehen. Man schöpft aus der Fülle der Tradition, die gleichwohl am Maßstab der Heiligen Schrift geprüft wird. Dies untermauert Ludecus durch Verweis auf namhafte lutherische Theologen. Erst in der Zeit nach Ludecus wird die Bemühung um Abgrenzung gegen das Papsttum zum entscheidenden Argument gegen die lateinischen Horen. Nur wenig aber lässt sich über den tatsächlichen Gebrauch des Vesperale sagen. Das Havelberger Domstift adaptierte es gemäß der überkommenen Struktur des Offiziums. Auch eine normale Pfarrgemeinde hatte wohl Interesse hieran, wie das nach Querfurt gelangte Exemplar zeigt. Es weist jedoch keinerlei Gebrauchsspuren auf, wurde also tatsächlich nicht verwendet. Vielleicht war das Vesperale doch zu sehr auf die Situation und Bildung eines Kapitels hin ausgerichtet, als dass es Gebetbuch der normalen Gemeinde hätte werden können. Selbst im Domstift Havelberg war ihm nur eine kurze Dauer beschert. Damit zeigt sich die Diskrepanz, dass man einerseits die liturgische Tradition bewahren wollte, andererseits deren Tragfähigkeit nur gering war; es war eben eine nur in Maßen vollzogene Erneuerung, der deshalb kein großes Echo beschieden war. Die Ausgangsfrage war die nach der Situation des gottesdienstlichen Lebens im Havelberger Dom gegen Ende des 16. Jahrhunderts. Aufgrund der vorliegenden Untersuchungen wird man sagen können: Das Domkapitel hielt an einer aufwendigen lateinischen Offiziumsliturgie fest, die jedoch – im Gegensatz zu Halberstadt – sich nicht der mittelalterlichen Chorbücher bediente, sondern das von Matthaeus Ludecus im Hinblick auf pfarrliche Gegebenheiten bereitgestellte lutherische „Vesperale et Matutinale“ zugrunde legte. Inwieweit dieses Werk ansonsten, vor allem im anvisierten pfarrlichen Kontext, Verwendung fand, bleibt offen. Damit sind zwei zukünftige Forschungsaufgaben benannt: zuerst die weitere Untersuchung des „Vesperale“ im Vergleich anderer lutherischer Cantionalien, sodann die spezielle Ausformung seiner Nutzung im Havelberger Dom, wie sie durch mannigfache handschriftliche Einträge im Havelberger Exemplar des Vesperale dokumentiert ist. Hier wäre es auch spannend, diese Liturgie mit der durch den Liber Ordinarius geschilderten vorreformatorischen zu vergleichen. Welche Ergebnisse diese Untersuchungen auch immer zeitigen werden: Im Vesperale liegt ein beeindruckendes Dokument der lutherischen Reformation für die „bewahrende Kraft des Luthertums“ im 16. Jahrhundert vor. 151
Vgl. SC 50. Vgl. dazu KACZYNSKI, Kommentar 123–126.
XII. Gefeierte Ökumene. Zum nachreformatorischen Stundengebet des gemischt konfessionellen Domkapitels in Halberstadt * XII. Gefeierte Ökumene
1. Die Fragestellung im ökumenischen Kontext 1. Die Fragestellung im ökumenischen Kontext
Eine ökumensiche Liturgiewissenschaft wird immer wieder neu die Spannung von Einheit und Verschiedenheit der Konfessionen aufzuzeigen haben, gerade auch in geschichtlichen Untersuchungen. 1 Diese Spannung prägte auch den Ökumenischen Kirchentag 2003 bezüglich seiner Gottesdienste, vor allem im Hinblick auf die fehlende Eucharistiegemeinschaft der Kirchen.2 Anstatt aber zu beklagen, was nicht ist, gilt es zu betonen, welchen Reichtum eine ökumenische Feierkultur einmal gehabt hat, um von hier aus den Blick in die Zukunft zu lenken. Ein vergessenes Beispiel solch gemeinsamer Liturgie soll nun vorgestellt werden, nämlich das Stundengebet des Halberstädter Domkapitels. Es verdient insofern Interesse, als nach der Einführung der Reformation das Domkapitel fortan gemischtkonfessionell war. Man musste also eine Form des Stundengebetes finden, mit der alle Beteiligten leben konnten. Solche Bemühungen gab es gelegentlich im Bereich der Stifte und Klöster.3 Im Bezug auf die gemischtkonfessionelle Besetzung ist das Halberstädter Domkapitel kein Einzelfall. 4 Singulär ist meines Wissens jedoch, dass ein gemischtkonfessionelles Domkapitel weiter an der Tradition des gemeinsamen Stundengebetes festhielt und diese Liturgie einer Reform unterzog – eine Tatsache, die mir wert scheint, von der Liturgiewissenschaft zur Kenntnis genommen zu werden. * Zuerst erschienen in: LJ 53 (2003), 76–100. 1 LURZ, Feier 46. Zur Wissenschaftstheorie einer ökumenischen Liturgiewissenschaft vgl. ebd. 17–47. 2 Vgl. dazu SATTLER , Erleben; SATTLER , Kirchengemeinschaft. 3 Vgl. die „Ordnung singens und lesens bei den stiften,“ Ordnung für das Stift St. Gumbert, Ansbach, ediert bei SEHLING, Kirchenordnungen XI, 1, 311–316. 4 Über die Gottesdienstgemeinschaft unterrichtet NOTTARP, Communicatio 107–125. Ein Beispiel für ein gemischt konfessionelles Domkapitel ist das Lübecker Domstift. Hier fand jedoch kein gemeinsames Stundengebet statt, da es schon zu vorreformatorischer Zeit aufgegeben worden war (vgl. ebd. 120, Anm. 2).
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XII. Gefeierte Ökumene
Die folgenden Überlegungen bilden die Zusammenfassung von Ergebnissen, die im Rahmen einer größeren Studie zur Sprache kommen. 5 Es geht darum, theologischen Tendenzen nachzuspüren, die der Neuordnung des Stundengebetes damals zugrunde lagen und beiden Konfessionen eine Teilnahme ermöglichten. Die Einheit dieser Liturgie sicherte dem Halberstädter Kapitel seine weitere Existenz, wenn auch in manchen Fragen Kompromisse gefunden werden mussten. In der Feier des Herrenmahles allerdings ging man getrennte Wege. Dies sicherte den katholischen Mitgliedern die Gewißheit, in ihrem Sinne kirchliche, also römischkatholische Liturgie zu feiern. Wenn nun aus der Sicht katholischer Liturgiewissenschaft ein Fokus auf dieses geschichtlich seltene Phänomen gelegt wird, geht es um eine ausdrückliche Würdigung dieses historischen Beispiels gelebter gottesdienstlicher Ökumene. Der Blick auf das Gemeinsame wird aber auch nicht die Grenzen eines solchen Entwurfs unbeachtet lassen können. Das eingangs angesprochene Spannungsverhältnis war auch für die Situation in Halberstadt kennzeichnend.
2. Zum Stundengebet in den Kirchen des Luthertums 2. Zum Stundengebet in den Kirchen des Luthertums
Es fehlt eine ausführliche monographische Bearbeitung der Stundenliturgie in den Kirchen der Reformation neuern Datums.6 Die vorliegende Studie kann diese Lücke nicht füllen, sondern muss sich mit wenigen Hinweisen begnügen, wohl wissend, dass das Thema nicht annähernd zur sachgemäßen Darstellung gelangt. Die Haltung Luthers zum Stundengebet ist durch und durch ambivalent. Angelus Häussling macht darauf aufmerksam, dass Luther aufgrund seiner Biographie das Stundengebet wohl nur unter dem Aspekt des bedrückenden Pensums, kaum als freudig zu vollziehende Feier kennengelernt hat. 7 Andererseits weiß Luther um den Wert eines den biblischen Texten entstammenden Stundengebetes, wenn es nicht mehr nur Gebet für den Klerus
5 Es handelt sich hier um die Edition und Kommentierung einer „Ordinatio cultus d ivini“ von 1591 des Halberstädter Domkapitels, die das Stundengebet regelt. Vgl. ODENTHAL, Ordinatio. 6 Instruktiv ist immer noch die Übersicht bei GOLTZEN, Gottesdienst. Vgl. SCHULZ, Ordnung, bes. 18–20. Vgl. auch den kurzen Überblick bei VOGEL, Stundengebet. Vgl. HÄUSSLING, Luther. Vgl. HÄUSSLING, Brevierreformen 217–221. Vgl. die Darstellung von MESSNER, Reformen (mit Literatur). 7 Vgl. HÄUSSLING, Brevierreformen 218: „Es ist dem Verfasser nicht eine einzige gute Äußerung Luthers über das Stundengebet bekannt geworden.“
2. Zum Stundengebet in den Kirchen des Luthertums
315
ist, sondern zum Gebet der Gemeinde geworden ist. 8 Seine Liebe zur Hl. Schrift bestimmt die positive Einstellung zum Gebet der Psalmen, wenn jeder Gedanke an ein zu absolvierendes Pensum aufgeben wird.9 Die Gestaltung wird dabei weitgehend freigegeben, orientiert sich aber an den historischen Vorbildern. 10 Das Stundengebet spielt so in der lutherischen Reformation zunächst noch eine nicht unbedeutende Rolle, muss aber unter drei Gesichtspunkten bedacht werden. 11 Erstens: Die Engführung als Klerusliturgie unter dem Gedanken von Pflicht und Pensum wird deutlich abgelehnt. In Verbindung mit den Lateinschulen erhält das Stundengebet einen neuen Zweck, wenn es nämlich – zweitens – im Sinne eines humanistischen Bildungsideals als „Lern-Zeiten“ der Gemeinde umgedeutet wird. 12 Die Horen treten an die Stelle der abgeschafften Werktagsmessen und bilden so zunächst die einzige Form täglicher Gemeindeliturgie.13 Das Stundengebet sollte drittens in den verbliebenen Kollegien der Dom-, Klosterund Stiftskirchen beibehalten und durch eine eigene Ordnung gesichert
8 Luther schreibt in seiner Schrift „Von Ordnung Gottesdiensts in der Gemeine“ 1523: „Des sontags aber soll solch versamlung fur die gantzen gemeyne geschehen (...) und da selbs, wie biß her gewonet, Messz vnd Vesper singen (...). Die teglichen messen sollen abseyn allerdinge, denn es am wort, und nicht an der messen ligt (...). Das gesenge ynn den sontags messen und vesper las man bleyben, denn sie sind fast gutt und aus der schrifft getzogen, doch mag mans wenigern odder mehren. Aber das gesenge und psalmen teglich des morgens und abents zu stellen soll des pfarrers und predigers ampt seyn, das sie auff eyn iglichen morgen eyn psalmen, eyn feyn Responsorion odder Antiphen mit eyner Collecten ordenen. Des abents auch alßo, nach der Lection und auslegung o ffentlich zu lesen und zusingen. Aber die Antiphen und Responsoria und Collecten, legenden von den heyligen vnd vom creutz, laß man noch eyn tzeyt stille ligen, bis sie gefegt werden, denn es ist greulich viel unflatts drynnen“ (WA 12, 36 35–37; 37 6–7; 10–18). 1526 nimmt Luther in seiner Schrift „Deutsche Messe und Ordnung Gottesdiensts“ erneut zum Stundengebet Stellung und beschreibt die um Schriftlesung erweiterte (lateinische) Vesper (vgl. WA 19, 80 4–15). Vgl. hierzu auch HÄUSSLING, Brevierreformen 219– 220. 9 In der Schrift „Von Ordnung Gottesdients in der Gemeine“ schreibt Luther 1523 über die Rezitation des täglichen Gebetes: „Und das man sie ermane, solchs frey, nicht aus tzwang odder unlust, nicht umb lohn tzeytlich noch ewig, sondern alleyne gott zu ehren, den nehisten tzu nutz tzu thun“ (WA 12, 36 32–34). 10 Vgl. zu Luther GOLTZEN, Gottesdienst 187–198. 11 Vgl. dazu HÄUSSLING, Brevierreformen 217–221. 12 So etwa Luther in seiner Schrift „Formula Missae et Communionis“ 1523: „Et pulchrum, imo necessarium est, pueros assuescere legendis et audiendis Psalmis et le ctionibus scriptuarum sanctarum“ (WA 12, 219 11–12). Auch in der Schrift „Deutsche Messe und Ordnung Gottesdiensts“ von 1526 vertritt Luther pädagogische Interessen, wenn er Deutsch, Lateinisch, Griechisch und Hebräisch als liturgische Sprachen empfiehlt (vgl. WA 19, 74 4–21). Vgl. SCHULZ, Ordnung, 18. Vgl. GOLTZEN, Gottesdienst 197. 13 Vgl. GOLTZEN, Gottesdienst 193.
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XII. Gefeierte Ökumene
werden.14 Beklagt wurde ja nicht das Stundengebet an sich, sondern das damit verbundene Pfründenwesen. 15 Doch die Beibehaltung und Adaptation des Stundengebetes geschah nicht ungebrochen. Paul Graff hat mannigfache Belege dafür geliefert, dass viele liturgische Traditionen im Luthertum zwar nicht mit der Reformation, aber im Gefolge der Aufklärung und des Rationalismus aufgegeben wurden. Dies betraf auch das Stundengebet.16 Die im Zuge der Säkularisation erfolgende Auflösung verbliebener Stifte tat ihr übriges, so daß das Stundengebet an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert vielerorts ihr Ende fand, so auch im Halberstädter Dom.
3. Die Einführung der Reformation im Halberstädter Dom unter Bischof Heinrich Julius 1591 3. Die Einführung der Reformation im Halberstädter Dom
Die spannungsreiche Geschichte der Reformation im Bistum Halberstadt ist schon Gegenstand historischen Interesses gewesen und gut dokumentiert.17 Damit verbundene Fragen nach der Erneuerung bzw. Reformierung des Gottesdienstes fanden ebenfalls das Interesse evangelischer Theologen.18 Die wichtigsten Stationen der Einführung der Reformation in Hal14 Vgl. SCHULZ, Ordnung 18, der darauf hinweist, dass in Ermangelung eines deutschen Breviers das alte lateinische, wenngleich in gereinigter Form, weiterverwendet wurde. Dieser Sachverhalt wird am Beispiel Halberstadts nun verifiziert werden können, wenngleich mit dem Unterschied, dass hier wohl niemand ernsthaft an einem durchgä ngig deutschen Stundengebet interessiert war. Vgl. GOLTZEN, Gottesdienst 207–212. Zum evangelischen Stundengebet in Herford etwa vgl. K LÖCKENER, KRANEMANN, Offiziumsordnung. In Luthers Ausführungen zum Klosterleben wird das Stundengebet eher am Rande thematisiert wird. Vgl. SCHRADER , Ringen 13–14. 15 Philipp Melanchthon kritisiert in der Apologie der Confessio Augustana XV (1531): „So singen sie die Psalmen in Stiften, nicht dass sie studieren oder ernstlich beten (denn das mehrer Teil verstünde nicht ein Vers in Psalmen); sondern halten ihre Metten und Vesper als einen gedingten Gottesdienst, der ihnen ihre Rente und Zinse trägt,“ in: B EKENNTNISSCHRIFTEN 139–404, Zitat hier 305. 16 Vgl. GRAFF, Geschichte 1, 206–221 und 2, 161–164. Deutlich wird der Lehrcharakter dieser Gottesdienste betont. Zur Zeit der Aufklärung stellt Graff fest, die „eigent liche Vesper ist ziemlich verschwunden oder doch fast völlig ihrer alten Bedeutung entkleidet“ (2, 164). Vgl. zum Werk Graffs CORNELIUS-B UNDSCHUH, Liturgik. 17 Vgl. zur Einführung der Reformation in Halberstadt NEBE, Kirchenvisitationen; dieses Werk beschreibt hauptsächlich die Situation der Landgemeinden; LANGENBECK, Geschichte; SEHLING, Kirchenordnungen II, 2, 463–472. Zu den die Reformation überdauernden klösterlichen Einrichtungen vgl. SCHRADER, Reformation; SCHRADER , Ringen; AVERKORN, Bischöfe 72–79; LOGEMANN, Grundzüge 128–138. 18 Vgl. STREITHORST, Kurze Geschichte. Das hier benutzte Exemplar ist im Besitz der Bibliothek des Gleimhauses, Halberstadt. Vgl. ARNDT, Entwickelung. Vgl. auch N OTTARP , Communicatio, zu Halberstadt ebd. 114, 120–123.
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berstadt seien kurz erwähnt. Schon 1521 wird in der Martinikirche in Halberstadt evangelisch gepredigt. 19 Am 3.10.1552 stirbt in Halberstadt der letzte vermutlich noch katholische Erzbischof Friedrich IV. 20 Sein Nachfolger, Sigismund von Brandenburg, Erzbischof von Magdeburg, führte als Bischof von Halberstadt (1553–1566) offiziell die Reformation durch eine 1561 beschlossene Visitation ein, die 1564 beginnt.21 Schon 1562 wird eine Kirchenordnung geschaffen, die aber im Wesentlichen disziplinarische Dinge betrifft und nicht liturgische Angelegenheiten regeln will. 22 Durch den Tod Sigismunds gerät der Prozess der Reformierung jedoch ins Stocken. Es gelingt erst seinem Nachfolger, Heinrich Julius von Braunschweig (Bischof von 1566–1613), die Gedanken der Reformation auch im eher konservativen Domstift durchsetzen.23 Durch seine Rede vom 23. Februar 1591 vor dem Domkapitel versucht er, die Domherren für die Gedanken der Reformation zu gewinnen. Er prangert aus reformatorischer Perspektive liturgische Mißbräuche an, die er abgeschafft sehen will. Wilhelm Langenbeck gibt als Inhalt seiner Rede folgende Punkte an: 1) Die invocatio sanctorum. Dieselbe sei ein großer Irrtum und schreckliche Beschimpfung Gottes, denn diesem allein gebühre die Ehre der Anrufung, und Christus sei der einzige Mittler. Könne man ihm aus der Schrift eine Stelle nachweisen, die die Anrufung der Heiligen befürworte, so wolle er dieselbe gern zugeben. 2) Mutatio sacramenti altaris. Es sei ein großer Mißbrauch und habe keinen Grund in der Schrift, dass den Laien der Kelch entzogen würde. 3) Missa sacrificium. Es sei abgöttisch, das Nachtmahl als Versöhnungsopfer für die Lebendigen und die Toten hinzustellen, Christus habe sich einmal aufgeopfert, und es sei Sünde und Schande, dass ein Priester Christus in der Messe noch einmal opfern solle. 4) Circumgestatio panis consecrati. 5) Pönitentia seu satisfactio. Sie schmälere, wie sie katholisch gelehrt werde, die Ehre Christi. Aus diesem Grunde seien auch abzuschaffen die katholische Lehre von der justificatio hominum und den bona opera. Ferner sollen beseitigt werden: 6) Den ganzen Kanon, Privat- und Stilmesse, 7) Firmung und Oelung, 8) Das zauberische Weihen des Wassers, Feuers, Salzes, der Taufe (...), der Palmen, der Speisen und Kräuter. 9) Verbot gewisser Speisen in den Fasten. 10) Ausstoßen des Adam. 11) Processionen, lateinische Taufe und Weihe. 12) Pacemküssen. 13) Fußwaschen und Kreuz ins Grab legen. 14) Die 4 ordines minores und prima tonsura (als Malzeichen der babylonischen Hure). 15) Vigilien und Seelenmesse.24 19 Vgl. SEHLING, Kirchenordnungen II, 2, 463. Die ebd. 486–492 abgedruckten Kirchenordnungen betreffen die Johanniskirche und haben auf das Domstift und dessen Liturgie keinerlei Einfluss ausgeübt. 20 Vgl. SCHRADER, Ringen 32. 21 Vgl. zu dieser Visitation etwa LANGENBECK, Geschichte 38–42. Zur Epoche unter Bischof Sigismund vgl. SCHRADER , Ringen 33–37. 22 KIRCHENORDNUNG. 23 Zur Epoche unter Heinrich Julius vgl. SCHRADER , Ringen 46–54; Vgl. KOTTE, Theatralität 225–226. 24 Hier in der Paraphrase von LANGENBECK, Geschichte 74–75. Vgl. STREITHORST, Geschichte 124. – Mit dem unter Punkt 10 genannten Ausstoßen des Adam ist das in
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XII. Gefeierte Ökumene
Mit diesen Forderungen stellt sich Heinrich Julius zum einen in die Tradition Luthers, zum anderen in die seines Vaters Julius. 25 Julius, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, hatte zur Erneuerung des Gottesdienstes 1569 eine Kirchen- sowie eine Klosterordnung für Wolfenbüttel erlassen.26 Beide Ordnungen berufen sich ausdrücklich auf die Confessio Augustana, denn immerhin war Julius einer der Unterzeichner der 1580 hierzu verfassten Vorrede.27 Die Wolfenbütteler Kirchenordnung, die sich in liturgischen Dingen vor allem die Lüneburger Kirchenordnung von 1564 zum Vorbild nimmt,28 will abschaffen, ...was dem offenbaren, reinen und unverfelschten wort Gottes, mit vertrauen auf den verdienst des ordens, messopfer für die sünd der lebendigen und der todten, den missbrauch einer gestalt des sacraments für die leyen, anruffung der heiligen, vigilien, seelmessen für die abgestorbenen und was dergleichen unsern algemeinen, catholischen, apostolischen, christlichen glauben (...) genzlich entgegen und zuwieder
ist.29 Die Wolfenbütteler Kirchenordnung ging ferner gegen die Verwendung des Chrisams,30 gegen das Rosenkranzgebet 31 und die verschiedenen Segnungen im Laufe des Kirchenjahres wie Aschenweihe, Osterfeuer, KerzenHalberstadt lange erhaltene Bußinstitut gemeint, zu Beginn der Quadragesima einen öffentlichen Sünder aus der Gemeinde auszuschließen und ihn am Gründonnerstag wieder aufzunehmen, vgl. hierzu KOTTE, Theatralität, zur Rede Julius’ 30–32. 25 Hier sei, um nur einen Aspekt herauszugreifen, auf die Forderung Luthers in seiner Schrift Deutsche Messe und Ordnung Gottesdiensts“ von 1526 verwiesen, die Karwoche einfacher zu gestalten: „Die fasten, palmtag und marterwochen lassen wyr bleyben, nicht das wyr yemand zu fasten zwingen, sondern das die passion und die Euangelia, so auff die selbige zeyt geordenet sind, bleyben sollen; doch nicht also, das man das hunger tuch, palmen schiessen, bilde decken und was des gauckel wercks mehr ist, halten odder vier passion singen odder acht stunden am karfreytag an der passion zu predigen haben, sonder die marterwoche sol gleych wie ander wochen seyn, on das man die passion predige des tages eyne stunde durch die woche odder wie viel tage es gelustet, und das sacrament neme wer do will. Denn es sol ja alles umb des worts und sacramenten willen unter den Christen geschehen ym gotts dienst (WA 19, 112 20–113 3). – Auf seinen Vater und dessen Nähe zur Confessio Augustana beruft sich Heinrich Julius ausdrücklich bei seiner Verteidigung der Reformation gegenüber Kaiser Rudolph II. Vgl. hierzu STREITHORST, Geschichte 125 26 Vgl. SEHLING, Kirchenordnungen VI, 1, 83–280 (Kirchenordnung), 281– 335 (Klosterordnung). 27 Vgl. B EKENNTNISSCHRIFTEN, die Vorrede ebd. 1–17, die Unterschrift Julius’ ebd. 15. Zum Verweis der beiden Kirchenordnungen auf die Confessio Augustana vgl. SEHLING, Kirchenordnungen VI, 1, 84, 91 u.ö. 28 Vgl. SEHLING, Kirchenordnungen VI, 1, 85, Anm. 7. Text der Lüneburger Kirchenordnung ebd. 533–575. 29 Wolfenbüttel, Kirchenordnung 1569 (SEHLING, Kirchenordnungen VI, 1, 87). 30 Vgl. SEHLING, Kirchenordnungen VI, 1, 118. 31 Vgl. SEHLING, Kirchenordnungen VI, 1, 135.
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segnung etc.32 vor, ließ hingegen den Brauch, Messgewänder zu tragen, als Adiaphoron bestehen.33 Beachtenswert ist auch die Veränderung des Kalendars: Das Fest Mariä Aufnahme wird mitsamt den Kräuterweihen abgeschafft und stattdessen der Michaelstag festlicher begangen. 34 Grundsätzlich hält die Wolfenbütteler Ordnung an Teilen des Stundengebets fest, vor allem zur Erbauung und Belehrung der Jugend, falls eine Schule der Kirche angegliedert ist.35 Die Wolfenbütteler Klosterordnung von Julius geht in eine ähnliche Richtung. Das Stundengebet wird hier kritisiert in Bezug auf das auferlegte Pensum, mehr noch aufgrund der lateinischen Sprache. 36 Heinrich Julius knüpft hier mit den angemahnten Punkten an. Damit ergeben sich im Wesentlichen folgende theologische Problemkreise, die zugleich die Leitlinien der Liturgiereform Heinrich Julius’ abgeben: a) die Problematik des sakramentalen Bereichs: das gestufte Amt (Ordines minores), die Firmung, die Messe (ihr Opfercharakter, Verweigerung des Laienkelches oder Formen der Eucharistieverehrung); b) die Problematik der Werkgerechtigkeit, wie sie sich zur damaligen Zeit im Umgang mit der Feier der Messe, Formen der Buße und dem Totenkult äußert; c) die Problematik der Heiligenverehrung; d) die Problematik der sinnlichsymbolischen Ausgestaltung der Liturgie (etwa Prozessionen, Fußwaschung, dingliche Segnungen wie Käuter- und Palmenweihe oder die Verwendung der hl. Öle, Riten um den Taufbrunnen etc.; schließlich e) die Problematik der Liturgiesprache, so des Lateins beim Sakrament der Taufe, und, hiermit verbunden, die Frage nach der Beteiligung der Laien am Gottesdienst. Einige dieser Problemkreise spielen nun auch für das Verständnis des Stundengebets und seiner Reform eine Rolle, wenngleich nur die Vigilien erwähnt werden, und zwar in Zusammenhang mit dem Totenkult. Dabei zielt die Kritik nicht auf die Vigilien generell, sondern auf das Totenoffizium im Rahmen einer als Leistung verstandenen Frömmigkeit, die als
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Vgl. SEHLING, Kirchenordnungen VI, 1, 136–139. Vgl. SEHLING, Kirchenordnungen VI, 1, 127 und 142–143. So auch Luther in der „Formula Missae et Communionis“ 1523: „Vestes praeterivimus. Sed de his ut de aliis ritibus sentimus. Permittamus illis uti libere, modo pompa et luxus absit“ (WA 12, 214 34– 35 ). 34 Vgl. SEHLING, Kirchenordnungen VI, 1, 152. 35 Vgl. etwa SEHLING, Kirchenordnungen VI, 1, 141; 150–151. 36 Wolfenbütteler Klosterordnung (SEHLING, Kirchenordnungen VI, 1, 310): „Wenn einer etwas gelesen, das er nicht verstanden, hat man gepflegt zu sagen: Du liesest eben wie eine nun (=Nonne, A.O.) den psalter, das ist, du liesest und verstehest nicht, was du liesest.“ 33
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Werkgerechtigkeit abgelehnt werden muss.37 Insofern kann im Halberstädter Domstift das Stundengebet als zunächst unbefragte Grundlage dienen, aus der stiftisches Leben weiterhin seine Berechtigung bezieht. Deshalb wird es hier auch nicht grundsätzlich, wie in den Kirchen der Reformation ansonsten üblich, als Klerusliturgie problematisiert und auf eine mögliche Beteiligung des gläubigen Volkes hin geprüft. Auf einige der beschriebenen Leitlinien wird zurückzukommen sein. Zuvor aber seien die weiteren einzelnen Etappen der Reform des Domstiftes dargestellt. Im Hauptschiff des Domes findet schon seit der allgemeinen Kirchenvisitation 1589 evangelischer Gottesdienst statt.38 Spätestens am 21. September 1591 wird der Dom mit der Predigt des Dompredigers Dr. Martin Mirus offiziell für den evangelischen Gottesdienst zur Verfügung gestellt.39 So hält man im Dom, näherhin in seinem Langhaus, evangelischen Gottesdienst. Dabei kann „neben demselben der kanonische Gottesdienst, aber von vielen abergläubischen und anstößigen Caerimonien gereinigt, beybehalten werden,“ so urteilt Streithorst über das am 7. September 1591 eingeführte reformierte Stundengebet.40 Das Domkapitel insgesamt allerdings bleibt gemischt konfessionell. Für das Jahr 1593 können sieben lutherische, ein calvinistischer und vier katholische „Canonici cathedrales“ ausgemacht werden, dazu fünf katholische „Canonici iuniores nondum capitulares,“ sieben „Vicarii maiores“ und siebzehn katholische „Vicarii minores.“41 Die Konfessionsverhältnisse wechseln allerdings noch mehrfach. Im Zuge der Gegenreformation wird der Dom sogar vorübergehend rekatholisiert.42 Am 21. Dezember 1629 weiht der Bischof von Osnabrück den Dom neu. In Erinnerung an die ersten Bischöfe Halberstadts aus dem Geschlecht der Liudgeriden ist es dem Abt von Werden vorbehalten, am Hochaltar das Pontifikalamt zu zelebrieren.43 Die konfessionellen Auseinandersetzungen kommen auch in Halberstadt erst durch den Westfälischen Frieden 1648 zur Ruhe. Hier wird das Jahr 1624 als Normaljahr festgesetzt, das über die Verteilung der konfessionellen Besitzstände ent-
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Dies legt sich nahe auch durch einen Vergleich mit der Wolfenbütteler Kirchenor dnung von 1569 (SEHLING, Kirchenordnungen VI, 1, 87), die ebenfalls nun ausdrücklich die Vigilien für die Toten nennt. 38 Vgl. STREITHORST, Geschichte 123. Die Visitationsberichte befinden sich im Domarchiv (Signatur BK T III, 514). Eine Auswertung könnte noch manchen Aufschluss geben. 39 Vgl. SEHLING, Kirchenordnungen II, 2, 466. Vgl. STREITHORST, Geschichte 129. 40 STREITHORST, Geschichte 129. Vgl. auch ebd. 99. 41 Vgl. LANGENBECK, Geschichte 121, Anm. 3. 42 Zu den Vorgängen während der Gegenreformation und ihrem Ende vgl. SCHRADER, Ringen 56–73. Vgl. hierzu auch ELIS, Dom 38–41. 43 Vgl. RÖCKELEIN, Halberstadt 68.
4. Die Reformierung des Stundengebets
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scheiden soll.44 Das heißt für das Halberstädter Domkapitel bis zu seiner Auflösung 1810: Neben zwölf lutherischen Kapitularen sind vier katholisch, hinzu kommen 36 Vikarien, wovon wiederum zehn in katholischen Händen verbleiben.45 Es findet sich die Notiz, dass das gemischt konfessionelle Domkapitel nach den vielen Wirren am 25.8.1636 wieder mit dem Gesang der Vesper um zwei Uhr nachmittags beginnt. 46 Auch die katholischen Domherren nehmen hieran teil, feiern aber ihre eigene Messe, wozu ihnen die Stephanuskapelle am alten Kapitelsaal und die Neustädter Kapelle im Kreuzgang bis zur Auflösung des Stiftes 1810 dienen. 47
4. Die Reformierung des Stundengebetes in Halberstadt: Vom Brevier von 1515 zur Ordinatio von 1591 4. Die Reformierung des Stundengebets
Wie schon angedeutet wurde, ist zwischen dem evangelischen Predigtgottesdienst im Langhaus und dem Gottesdienst des Kapitels im Chor zu unterscheiden. Die Geschichte der Einführung des Predigtgottesdienstes ist bereits untersucht worden. 48 Der Gottesdienst des Kapitels verlangt eine weitere Differenzierung. Im Chor fand evangelischer Abendmahls- und Predigtgottesdienst für das Domkapitel statt, der wohl die Funktion der Kapitelsmesse übernahm. Ein Formular dieses Gottesdienstes hat sich in den Akten des Klosters „Unserer Lieben Frau“ erhalten und ist ediert, aber liturgiewissenschaftlich noch nicht genügend gewürdigt worden. 49 Eine dritte Form des Gottesdienstes bildet das gemeinsame Stundengebet, dessen Reformierung, wie sie zwischen Bischof und Domkapitel vereinbart wurde, nun näher dargestellt wird. Die von Heinrich Julius formulierten Leitlinien ließen das Stundengebet zunächst deshalb außer acht, weil der Bischof ausdrücklich wünschte, die Vikare und Kanoniker sollten fleißig die Kirche besuchen und Psalmen beten. 50 So war es also nicht bloß die 44 Vgl. NOTTARP, Communicatio 108; zu Halberstadt ebd. 114.120–123, mit einigen Hinweisen zur Liturgie. 45 Die Zahlenangaben divergieren: Spricht FRANTZ, Geschichte 277, von vier katholischen Vikaren, findet sich ansonsten die Nennung von zehn Vikaren. Vgl. etwa NOTTARP , Communicatio 120. 46 Vgl. ELIS, Dom 42. 47 Vgl. ELIS, Dom 105 und 108. 48 Vgl. hierzu STREITHORST, Geschichte. 49 „Verzeichnis wegen des Ghottesdienstes im Domstifft, sicher anno 1591“ (Lande shauptarchiv Magdeburg, Rep. A 12 Spezialia Halberstadt Nr. 176, sog. „Kultusarchiv“) ediert bei ARNDT, Entwickelung 241–242. 50 Vgl. LANGENBECK, Geschichte 75. Hier folgt Heinrich Julius Luther, der in seiner Schrift „Von Ordnung Gottesdiensts in der Gemeine“ 1523 schreibt: „ Auch ob solchs tegliches gottis diensts villeicht nicht die gantze versamlunge gewartten kunde, sollen
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XII. Gefeierte Ökumene
Sorge um den weiteren Fortbestand des Domkapitels, die zur Beibehaltung des Stundengebetes beitrug. Wilhelm Langenbeck hat die Umstände der Einführung der Reformation aus den Quellen zusammengestellt und dabei auch die Auseinandersetzungen um die Feier des Gottesdienstes beschrieben.51 Gemäß seiner Ergebnisse stellt sich die Vorgehensweise von Bischof und Domkapitel so dar: Die Domherren gerieten durch die Rede Heinrich Julius’ in Zugzwang. Nach diversen Verhandlungen mit dem Bischof und seiner nochmaligen Mahnung am 3. Juni, „die abgöttischen Ceremonien abzuschaffen und ihm Nachricht zukommen zu lassen, wie sie es nun mit den gottesdienstlichen Handlungen halten wollten”, antwortete das Domkapitel am 5. Juni, dass es das Breviarium jetzt nach der augsburgischen Konfession umarbeite. Dieser Hinweis ist insofern von Interesse, als er die Frage nach der Vorlage stellt, die verändert werden soll. Die hier vertretene These geht davon aus, dass es sich hierbei um das Halberstädter Brevier von 1515 handelt, auf das näher einzugehen ist. 4.1 Das Breviarium „secundum usum insignis Ecclesiae Halberstadensis“ von 151552 Das aus dem Druckhaus Georg Stüchs in Nürnberg stammende Druckwerk (so der Hinweis fol. CXXIv im Sommerteil) beginnt mit einem Kalendar, an das sich rubrikale Anweisungen anschließen. Mit fol. I beginnt der Winterteil mit dem Proprium de tempore (fol. I–CXL, nachpfingstliche Zeit, Weihnachtsfestkreis über Quadragesima bis zum Karsamstag einschließlich) und dem Proprium de Sanctis (fol. CXLI–CCVIII, Allerheiligen bis Ambrosius). Nun folgen ohne Seitennumerierung Vorbereitungsund Nachbereitungsgebete zur Messe. Nach einem Index schließt sich mit arabischer Zählung das Psalterium an („Incipit psalterium secundum consuetudinem ecclesiae Halberstadensis“ fol. 3–80v, mit Litaneien, Suffragien und sonstigen Zusätzen). Mit dem Commune Sanctorum (erneute lateinische Zählung, fol. I–XXII) endet der Winterteil. Nun setzt der Sommerteil des Breviers ein, zunächst mit dem Proprium de tempore (fol. I–xcvv, Vigilia Paschae bis nachpfingstliche Zeit), dann mit dem Proprium des Sanctis (fol. I–CXXIv, Ambrosius bis Simon und Judas). Im Berliner Exemplar finden sich einige Nachträge, so ein kleines beigeheftetes doch die priester und schuler und tzuvor die ienigen, so man verhofft gutte prediger und seelsorger aus zu werden, solchs thun“ (WA 12, 36 29–32). 51 Vgl. zum folgenden LANGENBECK, Geschichte 84, ebd. die Belege der Quellen und das folgende Zitat. Vgl. auch, auf Langenbeck fußend, ARNDT, Entwickelung 240–241. 52 Vgl. zu diesem Druck B OHATTA, Bibliographie, 204–205 [2259]. Die hier benutzten Exemplare Berlin, Staatsbibliothek Dq 8110 (R) und Domschatz Halberstadt BK 515 b. Pater Angelus A. Häussling sei für mannigfaltige Hinweise zu diesem Brevier Dank gesagt.
4. Die Reformierung des Stundengebets
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Druckwerk „In festo Passionis“ von 1549, schließlich ein handschriftlicher Eintrag des Offiziums zum Fest der Krönung Friedrichs III., Kurfürst von Brandenburg, zum König von Preußen (als Friedrich I.) im Jahr 1701. Nicht zuletzt die späteren Besitzvermerke in beiden konsultierten Exemplaren des Breviers, vor allem aber die handschriftlichen Eintragungen des 16./17. Jahrhunderts machen deutlich, dass das Brevier weiterhin zum Stundengebet benutzt wurde. Somit besteht kein Zweifel, dass diese Ausgabe als Grundlage der Brevierreform von 1591 diente. 53 Dabei verdient Beachtung, dass die Ausgabe von 1515 ihrerseits schon einen Reformversuch darstellt. Sie ist nämlich von der Absicht geleitet, das Stundengebet im Bistum Halberstadt einheitlich zu regeln. 54 Ferner werden die Heiligenfeiern geordnet, die Lesung der Heiligen Schrift ebenso stringent geregelt wie die durchgängige Verteilung der Psalmen gemäß römischer Tradition.55 Unbeschadet dessen bleibt, wie beim Stundengebet im späten Mittelalter durchgängig, die Unsicherheit, welches Offizium de facto gebetet wurde, ob und in welchem Ausmaß die „de-ea“-Tage mit dem Psalterium currens und der fortlaufenden Bibellesung der Matutin tatsächlich gehalten wurden oder ob man Heiligen- und Votivoffizien stattdessen vorzog.56 Die Veränderungen durch das Brevier von 1515 reichten indes 76 Jahre später nicht mehr aus. Es bedurfte einer neuerlichen, jetzt dem Geist der Reformation entstammenden Liturgiereform, die sich allerdings auf der Grundlage des Reformbreviers von 1515 vollzog, das die noch gemeinsam geteilte und nun fortzuführende Halberstädter Tradition dokumentiert.57 53 Das Halberstädter Exemplar trägt übrigens folgenden Besitzvermerk: „Conradius tobias Stein vicarius S. Laurentii ad div. Stephani 1690.“ Das Datum zeugt von der weiteren Nutzung dieses Druckes. Auch das Berliner Exemplar trägt einen schlecht lesbaren Vermerk, ein Chorale aus Halberstadt hätte sich dieses Buch 1684 eingerichtet. 54 So heißt es etwa im Vorwort (ohne Paginierung): „Quia Breviaria secundum usum insignis Ecclesiae Halberstadensis multos iam annos varietate admodum depravata...“ Zu den Brevierreformen des 16. Jahrhunderts vgl. HÄUSSLING, Brevierreformen 225 der Hinweis auf das tridentinische Brevier und seine Zielsetzung, das Stundengebet der Kirche zu einen – was rund 50 Jahre vorher schon in Halberstadt Ziel der Reform gewesen war. 55 Es wäre eine eigene Untersuchung wert, das Brevier von 1515 in Beziehung zum Reformbrevier des Kardinals Quiñones (vgl. dazu HÄUSSLING, Brevierreformen 221– 223) und zum Trienter Breviers von 1568 zu setzen. 56 Zu dieser grundsätzlichen Problematik vgl. HÄUSSLING, Luther 232–233, vor allem Anm. 6. 57 Das tridentinische Brevier von 1568 scheint in Halberstadt nicht bekannt gewesen zu sein und hätte sich, da von katholischer Seite stammend, wohl auch schlecht als Grundlage gemeinsamen Betens angeboten. Lediglich ein nachtridentinisches Missale Romanum von 1625 wird im Domschatz aufbewahrt (Signatur BK, T II, XIV, 24) und diente wohl den verbliebenen katholischen Domherren.
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XII. Gefeierte Ökumene
Am 17. Juni 1591 wurde die Schaffung eines Directoriums für den Domgottesdienst angekündigt. Am 6. August teilte das Domkapitel dem Bischof mit, man habe ein Directorium eingerichtet, das die Änderungen angebe und seiner Revision anheimgestellt sei. Die Einigung mit dem Bischof hatte zum Inhalt, die „invocatio sanctorum” und die Messe zunächst beizubehalten.58 Hier widersprechen sich nun die Angaben. Weist Elis darauf hin, dass am 6. Juli 1591 „die letzte Messe von den Katholiken im Dome gehalten” worden sei, 59 erwähnt Langenbeck eine Klage Heinrich Julius’ über die noch im Dome stattfindenden Messen von 1597. 60 Diese Divergenzen scheinen die beträchtlichen Schwankungen des Domkapitels bezüglich der alten liturgischen Bräuche widerzuspiegeln. 61 Der Gottesdienst nach den Bestimmungen des Directoriums und das verbesserte Brevier, beide nun auch für die anderen Klöster Halberstadts normgebend, wurden am 7. September 1591 im Domstift eingeführt.62 Das erwähnte Directorium, das das überarbeitete Stundengebet regelt, hat Georg Arndt in der „Ordinatio cultus divini“ von 1591 identifiziert. 63 Sie sei kurz vorgestellt. 4.2 Die „Ordinatio cultus divini“ von 1591 Die Ordinatio ist in drei handschriftlichen Versionen mit unterschiedlicher Paginierung und geringfügig divergierender Textfassung unter den Akten 58 Vgl. LANGENBECK, Geschichte 87. Vgl. hierzu auch die differenzierte Sicht von Melanchthon, der die Anrufung der Heiligen zwar ablehnte, aber die Bedeutung der Heiligen als Exempel des Glaubens betonte und so am Festkalender weitgehend festhielt. Dies ist referiert bei SCHULZ , Ordnung 7. 59 ELIS, Dom 37. So auch STREITHORST, Geschichte 129. Vielleicht bezieht sich der Hinweis einen nochmaligen Vorstoß von Heinrich Julius gegen die Messe vom 5. Juli. Vgl. dazu LANGENBECK, Geschichte 88. 60 Vgl. LANGENBECK, Geschichte 124. 61 Wie vorsichtig etwa die katholische Partei vorging, mag man an der Tatsache sehen, daß der katholische Domdechant Matthias von Oppen in seinem Tagebuch niemals von liturgischen Funktionen berichtet, die „ihm, dem Primus inter pares, (...) oblagen. (...) Man wird sonach annehmen müssen, daß Matthias von Oppen nur vor seinen Glaubensgenossen (namentlich Britzke, Byern, Borch, Stael u.A.) die Messe celebrirt hat, daß er also an einem separaten Gottesdienste theilgenommen habe, dem die evangelischen Domherren nicht beiwohnten. Aber auffallend ist es, daß in seinem Tagebuche niemals der durch ihn verrichteten geistlichen Amtshandlungen Erwähnung geschieht” (MÜLVERSTEDT, Tagebuch XV–XVI. Anscheinend war man bemüht, jeglichen Konflikt zu vermeiden. 62 Beleg bei LANGENBECK, Geschichte 91. 63 Hatte Langenbeck bisher nur vermutet, diese Ordinatio könnte das Directorium sein (vgl. LANGENBECK, Geschichte 91, Anm. 4), so geht ARNDT, Entwickelung 241, von deren Identität aus. Beide beziehen sich auf die Signatur Staatsarchiv Magdeburg Rep. A 14, Nr. 63.
5. Zum weiteren Schicksal des Stundengebets
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des Halberstädter Domkapitels im Landesarchiv Magdeburg erhalten.64 Sie besteht aus drei Teilen, zunächst der Beschreibung des Herrenjahres von Advent bis Dreifaltigkeit: „Ordinatio Cantionum et eorum, quae leguntur in choro maioris Ecclesiae Halberstadensis inchoando de Adventu Domini.“65 Der zweite Teil schildert das Herrenjahr von Dreifaltigkeit bis Advent: „Sequitur et altera ordinatio ceterorum canticorum, quae in praedicto choro maioris ecclesiae Halberstadensis a festo sanctissmae individuae Trinitatis usque ad Adventum Domini aguntur.” 66 Der dritte Teil regelt die Heiligenfeiern des Kirchenjahres: „Sequitur cantus de Sanctis.“ 67 Weiter unten werden einzelne Aspekte der liturgischen Veränderungen zur Sprache kommen. Deshalb sei hier zur Ordinatio nur soviel angemerkt: Die Betonung des Herrenjahres durch zwei auch umfangmäßig gewichtige Teile zeigt bereits die Bedeutung des christologischen Kalenders. Der oftmalige Verweis „sicut in Breviario notata” oder „secundum ordinem praescriptum in Breviario manuali” legt das bisher genutzte Brevier als Grundlage fest, das mit der Ausgabe von 1515 identifiziert werden konnte. Sie dient allen Veränderungen als Grundlage. Bevor die Veränderungen durch die Ordinatio eingehender dargestellt werden, sei noch ein Blick auf die weitere Entwicklung des Stundengebetes bis zum Brevierdruck von 1792 geworfen, soweit hierfür Quellen vorliegen.
5. Zum weiteren Schicksal des Stundengebetes bis zum Breviarium von 1792 5. Zum weiteren Schicksal des Stundengebets
Durch die gemischtkonfessionellen Besitzverhältnisse blieb das Halberstadtädter Domkapitel Gegenstand des Interesses Roms. Dieser Tatsache verdanken sich zwei Berichte, die auch die Liturgie nicht unerwähnt lassen. Das erste Zeugnis ist eine Relatio, die der Apostolische Vikar Bischof Valerio Maccioni im Anschluss an seine geheime Visitationsreise für die Propagandakongregation in Rom 1671 erstellte. Hier erfahren wir zunächst, dass die Zahl der katholischen Vikare durch die Ungunst der Zeit auf sechs anwesende und drei abwesende reduziert worden ist. Erwähnt wird ferner die Stephanuskapelle am Kreuzgang, die der Zelebration der 64
Landesarchiv Magdeburg, Rep. A 14, Domkapitel zu Halberstadt. Auswärtige und innere Angelegenheiten Nr. 63. Auf diese Akte wurde bisher in der Sekundärliteratur verwiesen. Inzwischen fand sich eine weitere Fassung (Signatur Rep. U 5 XII, Nr. 72a) sowie eine dritte, nur teilweise erhaltene Fassung (Signatur Rep. A 14, Domkapitel zu Halberstadt Nr. 1054). Eine kritische Textedition ist in Vorbereitung. 65 Landesarchiv Magdeburg, Rep. U 5 XII, Nr. 72a, fol. 1r–18r. 66 Landesarchiv Magdeburg, Rep. U 5 XII, Nr. 72a, fol. 19r–30r. 67 Landesarchiv Magdeburg, Rep. U 5 XII, Nr. 72a, fol. 30r–49v.
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XII. Gefeierte Ökumene
katholischen Messe weiterhin dient. Dann folgt ein kurzer Abschnitt über die Liturgie im Dom, der hier in seinem Wortlaut wiedergegeben wird: Nel coro si canta l’offizio de Luterani introdotto in tutte le Chiese di questa Setta, cioè l’Hore minori con salmi assignati à le ferie occorrenti. Negli maggiori festivi, e nelle Domeniche si canta la missa Luterana da un loro Pseudoprete sino all’offertorio exclusive, alla quale con habito longo e Cotta assiste un Diacono Cattolico. L’epistola si canta da un Luterano, e dopo il Credo fanno la lor predica indi in Tedesco, et ad alta voce al Popolo intellegibile fanno la loro pretesa consagrazione, seguita la Communione, e si 68 termina il loro officio.
Das im Dom vollzogene Offizium wird hier als lutherisch qualifiziert. Dessen auffälliges Kriterium ist die fortlaufende Psalmenordnung der Werktage. Der visitierende Bischof bemerkt dies, da er an die die Psalmenordnung unterbrechenden Heiligentage gewöhnt ist. Ihm fällt ferner auf, dass die Katholiken an der evangelischen Messe („la missa Luterana“) mitwirken, da ihnen der Diakonsdienst anvertraut ist. Dies hat seinen Grund in der Verteilung der Vikarien. Im Jahr 1624, dem maßgeblichen Normaljahr für die Verteilung der konfessionellen Besitzstände, lag die Diakonatsvikarie in den Händen der Katholiken, was dann einfach beibehalten wurde.69 Als liturgische Kleidung werden Talar und Chorrock („cotta“) angegeben. 70 Wenn sogar bei der evangelischen Messe die Katholiken zugegen waren – unbeschadet ihrer eigenen Messe in einer Kapelle des Kreuzgangs –, kann man auf deren Teilnahme auch am Stundengebet schließen, die ja dogmatisch weit weniger bedenklich gewesen sein musste. Diese Annahme wird bestätigt durch das zweite Zeugnis. Es ist ein Bericht des Apostolischen Vikars der Nordischen Missionen und Bischof von Spiga, Agostino Stéffani, über seine Berliner Reise, innerhalb derer er am 27. November 1711 auch Halberstadt besucht: Nella chiesa cathedrale hanno i cattolici ancora 4 canonicati e 10 vicarie. La chiesa è tutta per i luterani. Li cattolici dicono le loro messe in una capella attacata alla chiesa. 68 „Relazione della visita fatta all’incognito da me Valerio Maccioni, Vescovo di Marock Vicario Apostolico, nell anno 1671. Dell‘ infelice Diocese D’Halberstadt, ridotta in principato secolare dall iniqua pace di Munster, alla Sacra Congregatione De Prop aganda Fide, Roma,“ abgedruckt bei MEJER, Propaganda 571–581, hier 576. Vgl. hierzu H ILDEBRAND, Klöster 377–422. Vgl. zum Ganzen NOTTARP, Communicatio 121, mit Edition des Textes. 69 So NOTTARP, Communicatio 121, Anm. 1 (mit Belegen). 70 Zu „cotta“ als Chorrock vgl. KUNZLER , Chorrock. Dennoch werden auch Kaseln und Dalmatiken benutzt worden sein, haben sich doch im Halberstädter Domschatz Kaseln (etwa Inv.-Nr. BK, GS 123) und eine Dalmatik (Inv.-Nr. BK, GS 244) des 18. Jahrhunderts erhalten. Zur Beibehaltung der Messgewänder in den Kirchen der Reformation vgl. P IEPKORN, Gewänder. Vgl. auch KRANEMANN, Vestments. – Luther hatte in seiner Schrift „Deutsche Messe und Ordnung Gottesdiensts“ 1526 den Gebrauch von Gewändern freigestellt (vgl. WA 19, 80 26–28).
5. Zum weiteren Schicksal des Stundengebets
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Nel coro convengono cattolici e luterani e cantano ogni giorni alle 8 hore della mattina, prima, terza sesta e nona sempre di feria. Due hore doppo mezzo dì cantano il vespero, parimenti sempre di feria. Quattro hore doppo la mezza notte si suonano le campane per il mattutino, ma non si dice; e vuole la tradittione, essaminata da me con molta curiosità, che, se il custode manca all’hora solita di suonar le campane per il mattutino gli 71 apparisce uno spettro, che lo spaventa e non gli lascia riposo, si che non suona.
Das gemeinsame Stundengebet besteht aus den zusammengefassten kleinen Horen Prim, Terz, Sext und Non am Morgen und der Vesper am Nachmittag. Zur Matutin wird zwar noch geläutet, sie wird aber nicht mehr gebetet. Damit unterrichtet die Quelle von einer spürbaren Reduzierung des Offiziums gegenüber der Ordinatio von 1591, die Matutin und Laudes noch grundsätzlich beibehalten hatte. Die Tendenz zur Reduktion des Pensums setzt sich im 18. Jahrhundert fort, wie einem weiteren Dokument zu entnehmen ist, das das Stundengebet regelt und nun in der gebotenen Kürze erwähnt werden soll, nämlich das Breviarium von 1792. 5.1 Das „Breviarium Ecclesiae Cathedralis Halberstadiensis” von 1792 72 Das in Halberstadt gedruckte Buch trägt als vollen Titel „Breviarium Ecclesiae Cathedralis Halberstadiensis juxta ritum antiquum una cum missis festorum principalium singularumque dominicarum jussu reverendissimi capituli in hanc formam redactum a B.D. Hennecke. Halberstadii Litteris Delianis.“ Nach Index und Kalendar beginnt das „Psalterium dispositum per hebdomadam ferialibus diebus” (1–46). Es folgt das „Proprium de tempore” bis zum Trinitätsfest (47–264), das in die Ordnung der „Responsoria et antiphonae historiales” übergeht, die die Zeit nach Trinitatis regelt (265–338). Nun schließen sich die „Festa per totum annum” (ab 339) an, bestehend aus dem „Proprium sanctorum” (341–438) und einem Appendix, der verschiedene Memorien an verstorbene Domherren sowie das Totenoffizium enthält (439–444). Ein Index alphabeticus (ohne Paginierung) beschließt das Werk. Wie schon der Titel sagt, hat das Breviarium unter dem Titel „Missa” die Form des Sonn- und Feiertagsgottesdienstes zum Inhalt, der als Predigt- und Abendmahlsgottesdienst die gemeinsame Konventmesse ablöste. 71
Abgedruckt bei HILTEBRANDT, Preussen 182–194, hier 191. Das hier benutzte Exemplar als Kopie in der Bibliothek des Deutschen Liturgischen Institutes, Signatur 1997/377 GBB Halberstadt 1792. Zu diesem Brevierdruck vgl. B OHATTA, Bibliographie 205 [2261] und [2262]. Den Hinweis auf diese Breviere verdanke ich Pater Angelus A. Häussling, der mich ferner darauf aufmerksam machte, die beiden Ausgaben identisch sind und 1792 gedruckt wurden. Vielleicht beruht die (falsche) Angabe des Jahres 1791 auf dem Versuch, das neue Brevier exakt in die 200-Jahrfeier der Einführung des reformierten Stundengebets zu datieren. 72
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XII. Gefeierte Ökumene
Das Breviarium reduziert das Stundengbet nochmalig, da nun keine Prim mehr vorgesehen ist. Zweimal pro Tag versammeln sich die Domherren zum Gebet, einmal zu den hintereinander gebeteten Horen Terz, Sext und Non, dann zu Vesper und Komplet. Matutin und Laudes, in der Ordinatio durchgängig beibehalten, bleiben nur an wenigen Tagen im Jahr erhalten, nämlich an Weihnachten, Ostern und Pfingsten. Die lateinische Sprache wird grundsätzlich beibehalten. 73 Die Domherren rechneten mit einem langen Bestand des Domkapitels und einer vieljährigen Nutzung des Breviers, denn die „Tabella temporaria festorum mobilium“ reicht bis 1841.74 Mit der Auflösung des Domkapitels 1810 endete die Tradition des Stundengebetes im Halberstädter Dom. Die Chorpulte der Chorsänger entfernte man sogar erst 1851 aus dem Hohen Chor, da sie nicht mehr gebraucht wurden.75 Damit sind die wichtigsten Stationen und Dokumente in der Geschichte des Halberstädter Stundengebetes benannt. In einem weiteren Schritt sollen einzelne theologisch bedeutende Veränderungen anhand dieser Dokumente dargestellt werden.
6. Einzelne Aspekte der liturgischen Veränderungen des Offiziums 6. Einzelne Aspekte der liturgischen Veränderungen
Frieder Schulz hat die theologischen Kriterien benannt, die in den Kirchen der Reformation den Umgang mit der liturgischen Zeit prägend waren. 76 Bezüglich des Kirchenjahres ging es um eine Betonung des Sonntags, der durch manches Heiligenfest überlagert worden war. Bei der Festordnung bemühte man sich um einen christologisch ausgerichteten Kalender, der neben nur wenigen Heiligentagen vor allem jene Feste ins Bewusstsein rief, die das Heilsereignis Jesu Christi zum Gegenstand hatten. Bezüglich der Gestalt des liturgischen Tages wurden die Horen als „Lern-Zeiten” des Glaubens für die Gemeinde konzipiert und so von ihrer Ausrichtung auf den Klerus befreit. Damit ging die Kritik am Pensum als einem zu erbringenden Werk einher. Neben diesen inhaltlichen Kriterien benennt er drei formale Vorgehensweisen Luthers für die nun anstehenden Liturgiereformen, nämlich die Wahrung der Kontinuität der Feiergestalt wie z.B. bei 73 So finden sich etwa im Anhang deutsche Gesänge, so ein Choral vor und nach der Vesper am 22. Mai zum Gedenken des an diesem Tag verstorbenen Dekans Spiegel. Vgl. Breviarium Ecclesiae Cathedralis Halberstadienis 1792, p. 439–440. 74 Ohne Paginierung. 75 Vgl. ELIS, Dom 85. Sollte dies ein Hinweis dafür sein, dass die alten großen Chorbücher auf der Grundlage der neuen Ordnung weiterbenutzt wurden? 76 Vgl. zum folgenden SCHULZ , Ordnung.
6. Einzelne Aspekte der liturgischen Veränderungen
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der Taufliturgie, die Innovation innerhalb von Kontinuität wie z.B. bei der Messe und schließlich die Innovation wie etwa bei der Ordination. 77 Das Halberstädter Stundengebet ist ein gutes Beispiel für eine Innovation innerhalb von Kontinuität, wie dies für das Stundengebet der Reformationskirchen, insofern es beibehalten wurde, grundsätzlich gilt. Die durch die Ordinatio von 1591 geregelte Liturgie und deren weitere Entwicklung sei nun in der gebotenen Kürze angeschaut, wobei immer auch ein Blick auf die Brevierausgabe von 1792 gelenkt wird. Freilich können nur einzelne Aspekte zur Sprache kommen. Auf eine intensive Untersuchung des Textbestandes (Antiphonen, Orationen etc.) muss hier verzichtet werden. 6.1 Das Kalendar Innovation im Rahmen von Kontinuität zeigt sich unter anderem beim Proprium de Sanctis, das nicht abgeschafft, wohl aber – durchaus im Sinne Luthers – verändert worden ist.78 Von ca. 180 Heiligentagen des Breviers von 1515 bleiben 1591 nur mehr 34 Feste übrig, die liturgisch begangen werden. Sie alle finden sich auch noch im Breviarium von 1792. Einige Besonderheiten seien hierbei besonders erwähnt. Die Feste Mariä Aufnahme in den Himmel und das der hl. Katharina finden zwar sowohl in der Ordinatio von 1591 wie im Breviarium von 1792 Erwähnung, jedoch vermerken die liturgischen Angaben, gemäß dem Brauch der Magdeburger Domkirche sei an diesen Tagen das Trinitätsoffizium zu feiern.79 Das Fest der Aufnahme Mariens ist aus Sicht der Lutheraner insofern problematisch, als ihm die biblische Grundlage fehlt, weshalb es gemeinhin im lutherischen Festkalender nicht mehr auftauchte. 80 In 77
Vgl. SCHULZ, Luthers liturgische Reformen. Zur Kalenderreform im Rahmen des Luthertums vgl. den Überblick bei AUF DER MAUR , Feste 65–357, hier 205–211 (Heiligengedenktage in der evangelisch-lutherischen Kirche); KOCH, Reformation 73–87 (mit weiterführender Literatur). 79 Landesarchiv Magdeburg, Rep. U 5 XII, Nr. 72a, fol. 49v: „Notandum quod pro his duobus festis reverendi, nobiles, egregii ac praestantes viri domini summi capituli in Halberstad ordinaverunt, secundum consuetudinem Ecclesiae Magdeburgensis, Festum Sacrosanctae et Individuae Trinitatis, quod loco eorum singulis annis sicuti in summo festo sacrosancta Trinitate folio 15 notatum est, debet celebrari.“ Das Breviarium Ecclesiae Cathedralis Halberstadienis 1792 vermerkt zu Mariae Himmelfahrt und Katharina jeweils: „Notandum: Loco hujus Festi celebratur Festum Sanctissimae Trinitatis pag. 259“ (401 und 430). 80 Luther schreibt in seiner Schrift „Von Ordnung Gottesdiensts in der Gemeine“ 1523: „Doch das fest Purificationis, Annunciationis Marie ließ ich bleyben, Assumptionis und Nativitatis mus man noch eyn tzeytlang bleyben lassen, wie wol der gesang drynnen nicht lauter ist“ (WA 12, 37 21–23). Zum Kriterium des biblischen Belegs eines Festes vgl. SCHULZ, Ordnung 6, zum Maria-Himmelfahrts-Fest vgl. ebd. 8 und KOCH, Reformation 77. 78
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Halberstadt behielt man zwar im Hinblick auf die Katholiken den Feiertag bei, ersetzte aber das Marienoffizium durch das ranghöhere Trinitätsoffizium. Damit wurde der Feiertag durch das Trinitätsoffizium neu interpretiert, und man erreicht so einen für beide Seiten tragbaren Kompromiss. Auch das Fronleichnamsfest findet in der Ordinatio von 1591 noch Erwähnung, bleibt aber der Entscheidung der Kanoniker überlassen. 81 Im Breviarium von 1792 findet sich dann kein Vermerk mehr. Interesse verdient ferner das „Festum pro pace Ecclesiae petenda.“82 Es wurde vom Domdechant Friedrich von Britzke gestiftet und in Erinnerung an seinen Todestag, den 27. Juli 1576, gefeiert. 83 Der Grund für dieses Fest mag in den mannigfachen Auseinandersetzungen in der Kirche Halberstadts, auch im Domkapitel, während der Wirren der Reformationszeit zu suchen sein, in die von Britzke als Domdechant verwickelt war. Sodann findet sich in der Tradition Halberstadts ein Beispiel für den „Vierzeiten-Rhythmus,“ eine Ausprägung reformatorischen Gottesdienstes in freier Anlehnung an die Quatemberfeiern katholischer Tradition. 84 Gemeint ist das „Festum passionis Domini Salvatoris nostri Jesu Christi,“ das sich noch nicht in der Ordinatio von 1591, sondern erst im Brevier von 1792 findet.85 Materialiter wurde hier der im Berliner Exemplar des Breviers von 1515 eingebundene Nachtrag „In festo Passionis“ von 1549 verwendet, dann allerdings als Vierzeitenfest umgestaltet. Wie auch sonst im Brevier von 1792 wurde das Pensum deutlich reduziert.86 Das Fest soll jeweils am ersten Donnerstag der Monate Februar, Mai, August und November gefeiert werden und bindet den von den Jahreszeiten geprägten Vierzeiten-Rhythmus an die Feier des Pascha Christi an.87 Im lutherischen Kontext wohl singulär ist schließlich die Beibehaltung des Festes Karls des Großen am 28. Januar sowie den Tag der Inventio Stephani am 3. August. Auf die Feier des Gründers der Halberstädter 81 Landesarchiv Magdeburg, Rep. U 5 XII, Nr. 72a, fol. 20r: „Si vero peragitur Festum corporis Christi, tunc tantum per tres dies”. 82 Landesarchiv Magdeburg, Rep. U 5 XII, Nr. 72a, fol. 40r. 83 Zu Friedrich von Britzke vgl. LANGENBECK, Geschichte 77–78. Das Breviarium Ecclesiae Cathedralis Halberstadiensis 1792 erwähnt diese Stiftung und das Fest 395– 397. Im Berliner Exemplar des Breviers von 1515 findet sich das Fest als Nachtrag auf leerstehenden, unpaginierten Seiten, übrigens von derselben Handschrift wie die Ordinatio in den beiden Fassungen Rep. U 5 XII, Nr. 72a und Rep. A 14, Nr. 63. 84 Vgl. SCHULZ, Ordnung 9–11. 85 Vgl. Breviarium Ecclesiae Cathedralis Halberstadienis 1792, 430–438. 86 So kennt der Nachtrag „In festo Passionis“ von 1549 etwa noch alle drei Nocturnen, das Brevier von 1792 jedoch nur die Vesper und die kleinen Horen. 87 Wenn Schulz schreibt: „Ohne Zweifel besteht zwischen dem christlichen Festkanon im ‚Herrenjahr’ und dem ‚Vierzeiten-Rhythmus’ eine fühlbare Spannung“ (SCHULZ, Ordnung 11), dann füllt demgegenüber in Halberstadt das Gedächtnis der Passion inhaltlich die durch den Jahresrhythmus vorgegebene Vierzeiten-Feier.
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Domkirche wollte man ebenso wenig verzichten wie auf die zweite Feier des Dompatrons.88 6.2 Psalmenverteilung und Gebetspensum Die Angaben der Ordinatio zur Psalmenverteilung sind rar, doch ist davon auszugehen, dass man 1591 im Wesentlichen die Psalmenverteilung des Breviers von 1515 übernommen hat. Denn öfters finden sich zu einer Hore keine eigenen Angaben, sondern lediglich der Hinweis „sicut in Breviario”. Die Psalmenverteilung des Breviers von 1515 entspricht ganz der üblichen römischen Ordnung, die die Psalmen auf eine Woche verteilt. 89 Aber wurde der Wochenpsalter tatsächlich gebetet, oder kam es durch die Fülle der Heiligentage zur Psalmodie der Votivoffizien? Immerhin bleiben im Sanctorale des Breviers von 1515 nur 184 Tage frei von Heiligenfesten, die meisten davon jedoch in geprägten Zeiten. Dann wäre für den Wochenpsalter nur wenig Raum gewesen. 90 Die Ordinatio hätte nun durch die Reduzierung des Kalendars die Ordnung des Psalterium Currens wieder zum Grundprinzip erhoben. Dies ist sehr wahrscheinlich, wenn etwa die Angaben zur Ferialmatutin des Advents ausdrücklich betonen „cum suis antiphonis ad ferias ordinatis.” 91 Zugleich gibt die Ordinatio Hinweise auf eine Reduktion des Pensums, und zwar bezüglich der Matutin, in der oft nur eine Nocturn zu beten ist, 88 Im Brevier von 1792 wurde das Karlsfest wie im Brevier von 1515 am 28. Januar eingetragen (Breviarium Ecclesiae Cathedralis Halberstadienis 1792, 351–354). Die Ordinatio von 1591 fügt es jedoch erst am Ende des Proprium de Sanctis an. Seine Beibehaltung dürfte damals vielleicht Gegenstand der Diskussion gewesen sein. Beim Fest der Inventio Stephani fällt auf, daß die Ordinatio von 1591 als Hymnus den Dreifaltigkeitshymnus O lux beata Trinitas angibt (vgl. Landesarchiv Magdeburg, Rep. U 5 XII Nr. 72a, fol. 41r; ebenso im Breviarium Ecclesiae Cathedralis Halberstadienis 1792, 398– 400). 89 Vgl. die Schilderung der römischen Ordnung durch Amalar bei AMALARII EPISCOPI Opera Liturgica Omnia III, 139–143. 90 Leider sind die bei SCHMIDT, Gymnasial-Bibliothek I, 1–7: Zur Geschichte der Bibliothek; 8–38: Die Handschriften der Bibliothek; SCHMIDT, Gymnasial-Bibliothek II, 1– 32) erwähnten Psalterien (etwa Nr. 143, 146 und 147, ebd. II, 11) nicht mehr vorhanden, an denen man etwaige Gebrauchsspuren ablesen könnte. Jedoch hat sich ein Brevier des 16. Jahrhunderts Magdeburger Provenienz im Domschatz erhalten (Signatur BK 512 b), das wohl mit jenem bei B OHATTA, Bibliographie 219–220 [2400] von 1513 identisch ist (Titel und Kolophon fehlen). Gerade beim Wochenpsalterium weist dieser Druck außergewöhnliche Abnutzungsspuren auf, so daß der Benutzer dieses Buches regelmäßig den Wochenpsalter betete. 91 Landesarchiv Magdeburg, Rep. U 5 XII, Nr. 72a, fol. 2r. Im Berliner Exemplar des Breviers von 1515 findet sich ein Nachtrag von einer Hand des 16./17. Jahrhunderts (lxxxii): Nota. Ferialibus diebus ut in psalterio. Wenn dies eigens erwähnt werden muß, scheint es eine Neuerung zu sein.
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so an den Sonntagen nach der Epiphanieoktav, an denen die 3. Nocturn zu nehmen ist.92 Die erwähnten Visitationsberichte berichteten von einer weiteren Kürzung des Stundengebetes, nämlich um Matutin und Laudes. Das Brevier von 1792 reduziert nun noch um die Prim. Matutin und Laudes bleiben lediglich an Weihnachten, Ostern und Pfingsten erhalten. Merkwürdigerweise sind die Kürzungen aber kein Anlass, die Psalmenverteilung neu zu ordnen. Mit den entfallenden Gebetszeiten gehen auch die hierfür vorgesehenen Psalmen verloren. Inhaltliche Kriterien zur Auswahl bestimmter Psalmen für bestimmte Horen oder Feste gibt es nicht mehr, die traditionelle Psalmenverteilung bleibt in den beibehaltenen Horen einfach bestehen.93 Damit fühlt man sich auch nicht mehr dem Anspruch verpflichtet, den ganzen Psalter beten zu müssen. 94 6.3 Liturgische Sprache und Beteiligung des Volkes Die Tatsache, dass das Domkapitel Träger der Liturgie war, an der sich selbstverständlich die Schüler der dem Domstift angeschlossenen Schule beteiligten, zog die Beibehaltung der lateinischen Sprache nach sich. Wie stark die konservative Grundhaltung des Kapitels ist, wird an folgendem Beispiel deutlich. Wilhelm Langenbeck hat auf ein „Concept zur Ordnung des Gottesdienstes” anlässlich der Einführung des ersten evangelischen Predigers Dr. Martin Mirus am 20. September 1591 hingewiesen. 95 Darin heißt es, das Singen deutscher Gesänge werde ihm anheimgestellt. Dies 92
Vgl. Landesarchiv Magdeburg, Rep. U 5 XII, Nr. 72a, fol. 6v. Vgl. hierzu manche Reformbreviere des 18. Jahrhunderts. Ein Brevier von 1792, also demselben Jahr wie das aus Halberstadt, beschreibt KOCH, Brevier 109–119. Die Psalmenauswahl folgt hier inhaltlichen Kriterien, ohne alle 150 Psalmen zu verwenden. Vgl. ein anderes Brevier des 18. Jahrhunderts bei HÄUSSLING, Reformbrevier. Der Psalmenverteilung, die, recht eigenwillig, alle 150 Psalmen pro Woche vorsah, hatte hier das Ziel, die Vigilpsalmodie zu entlasten (vgl. ebd. 29–32). 94 Luther hatte noch in seiner Schrift „Formula Missae et Communionis“ von 1523 für die Beibehaltung des ganzen Psalters plädiert, freilich handhabbar aufgeteilt: „Sed per partes distributum totum psalterium in usu maneat, et universa scriptura in lectiones pa rtita perseveret in auribus Ecclesiae“ (WA 12, 219 19–21). Den Weg, den ganzen Psalter zu beten, schlug das evangelische Domkapitel von Magdeburg 1613 ein (Cantica sacra, quo ordine et melodiis, per totius anni curriculum, in Matutinis et Vespertinis, itemque intermediis precibus cantari solent, una cum lectionibus et precationibus, in unum volumen congesta pro S. Metropolitana Magdeburgensi Ecclesia, excusa Magdeburgi sumtibus praedictae Ecclesiae etc. Typis Andreae Bezeli, Anno Christi MDCXIII). Hier ist der Psalter über eine Woche verteilt, aber streng numerisch, und zwar schlicht so, daß sonntags in der Matutin mit Psalm 1 begonnen wird und nun fast alle Psalmen bis zum 108. Psalm der Matutin zugeordnet werden, damit die Vesperreihe mit dem üblichen 109. Psalm beginnen kann (Zählung nach der Vulgata). Zu dieser Ordnung vgl. F ISCHER , Ordnung. 95 Belege bei LANGENBECK, Geschichte 91, Anm. 4. 93
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bezieht sich auf den neu eingeführten Predigtgottesdienst im Langhaus des Domes. Im Anschluss an die Predigt aber soll das Te Deum gesungen werden, und zwar lateinisch im Chor, weil die Priester, gemeint sind wohl die Mitglieder des Domkapitels, deutsche Gesänge nicht gewohnt seien. Der Predigtgottesdienst für das Volk im Langhaus war selbstredend mit deutschen Liedern ausgestaltet, der Gottesdienst des Kapitels blieb jedoch weitgehend in lateinischer Sprache. 96 Bezüglich des Stundengebetes findet sich in der Ordinatio folgender Hinweis: „In diebus dominicis integrum caput ex novo testamento latine pro clero ad Vesperas legendum et item caput ad Completorium germanice in Ecclesia pro populo repetendum.” 97 Hier zeigt sich einerseits das Bemühen, die Liturgie, eigentlich: die Hl. Schrift, für die Gläubigen zu öffnen, andererseits bleibt deutlich die Unterscheidung „pro clero” und „pro populo” bestehen. Dies ist manifestiert durch die Lettneranlage und den Hinweis „in Ecclesia,“ was von dem an anderer Stelle erwähnten „in choro” zu unterscheiden ist. Da aber das Brevier von 1792, das die lateinische Sprache durchgehend beibehält, nichts von einem deutschen Text in der Komplet erwähnt, scheint die Verlesung des deutschen Kapitels parallel zum Chorgottesdienst geschehen zu sein. 98 An seltenen anderen Stellen finden sich deutsche Gesänge vermerkt: Das Lied „Christ ist erstanden”, traditionell seit dem Mittelalter Teil der Erhebung des Kreuzes aus dem Grab, ist zwar in die Ostervesper verlegt worden, scheint aber so wenig im Blick der Schreiber der Ordinatio gewesen zu sein, dass es in allen Textzeugen von späterer Hand nachgetragen werden musste. Dass die Lettneranlage im Dom bestehen blieb, ist äußeres Zeichen dafür, dass die Unterscheidung zwischen Klerus und Volk de facto beibehalten wurde. Die Beteiligung des Volkes geschah beim deutschen Predigtgottesdienst im Langhaus des Domes. Hier kann von einer „Lernzeit des Glaubens” gesprochen werden. Nicht jedoch im Chor: Das Stundengebet blieb Reservat, ja geradezu Existenzberechtigung des verbliebenen Domkapitels. 6.4 Die rituelle Gestalt des Stundengebetes Mit der Abschaffung der „summa missa” der Domherren ging, gemäß den Forderungen Heinrich Julius’, auch mancher Ritus verloren. Dies fällt besonders im Hinblick auf die Liturgie der Hl. Woche auf und betrifft alle sich um die Messliturgie gruppierenden Riten wie die Palmenweihe mit der 96
Lediglich der Abendmahlsgottesdienst des Kapitels im Chor gab auch der deutschen Sprache einen Platz neben der lateinischen. Eine eigene Untersuchung über diesen Abendmahlsgottesdienst wird vorbereitet. 97 Landesarchiv Magdeburg, Rep. U 5 XII, Nr. 72a, fol. 1v. 98 Die konservative Haltung des Kapitels ist deshalb bemerkenswert, da es im katholischen Raum zeitgleich auch schon deutsche Breviere gab. Vgl. KOCH, Brevier.
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XII. Gefeierte Ökumene
Prozession am Palmsonntag, die Abendmahlsmesse des Gründonnerstags mit den Ölweihen und der Verehrung des Allerheiligsten, die Bereitung und Verehrung des Heiligen Grabes, das Osterfeuer und die Kerzenweihe in der Ostervigil.99 Dies bedürfte eigentlich beim hier gestellten Thema keiner Erwähnung, wenn nicht einige der Gesänge, die die abgeschafften Riten begleiteten, im Rahmen des Stundengebetes erhalten worden wären und die zugehörigen liturgischen Anweisungen Rückschlüsse auf die sonstige Gestalt des Stundengebetes zuließen. Dazu einige Beispiele. Die Angaben zum Palmsonntag verweisen, wie generell in der Ordinatio, auf das Breviarium, also das bis zur Reformation das Stundengebet leitende Buch. Nun folgt der Hinweis: „Cantica hac in die palmarum servantur in choro post Tertiam.”100 Da die Gesänge die biblische Erzählung des Einzugs Jesu in Jerusalem illustrieren, bleiben sie erhalten, werden aber von der abgeschafften Prozession abgekoppelt und im Chorgestühl gesungen, da Heinrich Julius die Segnung der Palmen ebenso ablehnte wie jede Form der Prozession.101 Die Angaben zum Karfreitag vermerken nach den Trauermetten: „Cantica huius diei quia prophetiae sunt de passione domini aut Laudes merito manent et in choro cantantur.”102 Wie aus den folgenden Angaben hervorgeht, ist damit der Wortgottesdienst der Karfreitagsliturgie mit seinen Prophetien gemeint. Die Ordinatio beschreibt ihn in der im Mittelalter üblichen Form, der Prophetie Hosea 6,1, dem Tractus Domine audivi (Habakuk 3,2), der Epistel Exodus 12 und dem Tractus Eripe me (Psalm 139).103 Es folgt der Gesang der Passion, sogar unter Einbeziehung des Lettners („in ambone”), die Fürbitten für die Stände der Kirche sowie der Hymnus Crux fidelis. Die Gesänge zur Kreuzverehrung indes fehlen, da die Kreuzenthüllung und -verehrung wohl nicht mehr stattfinden. 104 Der Ort für den Gesang der Passion „in ambone,“ also die Lettneranlage, ermöglicht es indes, der Passion vom Langschiff des Domes aus zu folgen. Der Hinweis für die übrigen Gesänge, sie seien im Chor zu singen, lässt hingegen auf einen auf das Domkapitel beschränkten Gottesdienst schließen. Mit anderen Worten: Im Gegensatz zu den eher „katholischen” Elemente der Kreuzverehrung und Kommunionfeier ist der Wortgottesdienst des Karfreitags als Teil des Stundengebetes zunächst erhalten geblieben. Erst das Brevier von 1792 99 Luther hatte schon 1526 in seiner Schrift „Deutsche Messe und Ordnung Gottesdiensts“ die rituelle Vereinfachung der Karwoche gefordert und etwa den Brauch des Hungertuches, der Palmen etc. abgeschafft (vgl. WA 19, 112 20–113 3). 100 Landesarchiv Magdeburg, Rep. U 5 XII, Nr. 72a, fol. 8v. 101 Siehe die oben aufgeführten, von Heinrich Julius angemahnten Punkte 8) und 11). 102 Landesarchiv Magdeburg, Rep. U 5 XII, Nr. 72a, fol. 9v. 103 Vgl. zu dieser mittelalterlichen Form der Karfreitagsfeier in Halberstadt ODENTHAL, Die Liturgie des Gründonnerstags, in diesem Band 74–102. 104 Vgl. den oben erwähnten von Heinrich Julius angemahnten Punkt 13).
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kürzt die Liturgie des Karfreitags und verzichtet sowohl auf die Trauermetten wie den Wortgottesdienst. 105 Die Angaben der Ordinatio von 1591 zum Karsamstag als Vigiltag von Ostern behalten das überkommene Stundengebet im Wesentlichen bei („ut notatae sunt in loco”106). Gemäß den Beanstandungen Heinrich Julius’ ist von einer Taufwasserweihe oder der Weihe des Taufbrunnens ebensowenig auszugehen wie von der Feuerweihe.107 Damit waren auch der Ritus um die Osterkerze und das Exsultet nicht mehr in Übung, vielleicht wurde sogar auf die Osterkerze verzichtet. Die Liturgie des Ostertages wird ausdrücklich als „in stallo“ beschrieben, so dass keine Osterprozession mehr gehalten wird. Die zugehörigen Gesänge wie das „Salve festa dies“ bleiben wiederum erhalten. Sämtliche Riten um das Hl. Grab sind abgeschafft. Der Gesang „Christ ist erstanden,“ der bei der Erhebung des Kreuzes aus dem Hl. Grab seinen Ort hat, 108 ist in die Ostervesper verlegt worden. Wurde die Ostervesper im Brevier von 1515 noch in Anlehnung an die altrömische Ostervesper beschrieben, sind die Kennzeichen hierfür, allen voran die Prozession zum Taufbrunnen und das dortige Psalmengebet, nunmehr abgeschafft. 109 Das Breviarium von 1792 hat auch die Liturgie des Karsamstags auf die kleinen Horen sowie Vesper und Komplet beschränkt, behält für den Ostertag jedoch Matutin 105
Vgl. Breviarium Ecclesiae Cathedralis Halberstadienis 1792, 185. Landesarchiv Magdeburg, Rep. U 5 XII, Nr. 72a, fol. 9v. 107 In diesem Zusammenhang sei nur kurz darauf hinzuweisen, daß die reformatorische Kritik an Sachsegnungen eine theologische Entwicklung des Frühmittelalters a nfragt, die gallischen Ursprungs ist und gegen römische Praxis steht, nämlich eine Verlagerung von der Sakramentenfeier auf die heilige Materie, die nur noch ausgeteilt werden muß. Die Segnung des Taufwassers ist bald entscheidender als die Taufe selbst: bei ihr muß das geweihte Wasser nur noch ausgeteilt werden. Vgl. hierzu in Bezug auf die Initiationssakramente mit der Wasser- und Chrisamsegnung höchst instruktiv ANGENENDT, Bonifatius 161–163. Dennoch ist anzufragen, ob es der Reformation gelang, diese vereinseitigte Entwicklung zu korrigieren, denkt man etwa an die Abschaffung des Kanon bei ausschließlicher Beibehaltung der Herrenworte. Zwar ist die Gläubigenkommunion zurückgewonnen, die Sakramentenfeier mit ihrem Hochgebet jedoch verstümmelt: nur noch der unbedingt notwendige Abendmahlsbericht bleibt bestehen. 108 Vgl. für Köln ODENTHAL, Non est hic. 109 Vgl. zur altrömischen Ostervesper AUF DER MAUR , Feiern 115. Das Brevier von 1515 schildert die für die Kathedralliturgie übliche adaptierte Form, beginnend mit Kyrierufen, dem ersten Psalmengebet 109–111, dem Graduale Haec dies, dem Versus Confitemini, dem Alleluiagesang Pascha nostrum, der Sequenz Victimae paschali, dem Magnificat. Nach der Collecta folgt die Prozession zum Taufbrunnen mit der Antiphon Vidi aquam und dem 2. Psalmenteil mit Psalm 112 und 113. Die Ordinatio erwähnt ausdrücklich die Antiphon „super quinque psalmos continuatos“ (Landesarchiv Magdeburg, Rep. U 5 XII, Nr. 72a, fol. 10r), das heißt, der am Taufbrunnen zu singende zweite Psalmenteil wird mit dem ersten zusammen gebetet. Nur das Kyrie am Vesperbeginn, Graduale, Alleluiagesang und Sequenz bleiben als Relikt erhalten. 106
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XII. Gefeierte Ökumene
und Laudes als letzten verbleibenden Rest der einstigen Osternachtsliturgie bei.110 Dieser ausschnittartige Überblick macht deutlich, wie man bemüht war, das Stundengebet grundsätzlich zu erhalten, aber gleichzeitig an die Richtlinien Heinrich Julius’ anzugleichen. Dabei ging die rituell-dramatische Ebene, wie sie sich in den Riten der Karwoche darstellt, allmählich verloren, auf prozessionale Elemente wurde gänzlich verzichtet, das Stundengebet fast ausnahmslos im Hohen Chor „in stallo“ verrichtet. Die öfteren Hinweise auf die Rollen der Kantoren und Scholaren und manche Anweisungen der Ordinatio zeigen, dass das Stundengebet zumindest im späten 16. Jahrhundert wohl noch gesungen wurde. 111 Es bleibt die Frage offen, inwieweit mit Einführung des Breviers von 1792 der Gesang beibehalten oder durch eine bloße Rezitation ersetzt wurde. 112
7. Ergebnis: Leistung und Grenzen des Halberstädter Modells des Stundengebetes 7. Ergebnis
Gibt das Halberstädter Stundengebet nun ein Gottesdienstmodell für die Zukunft ab? Zunächst wohl kaum, denn die historischen, soziologischen und institutionellen Bedingungen sind zu speziell, als dass sie im 21. Jahrhundert einfach kopiert werden könnten. Die Frage nach der Zukunft des Christentums, für das Abendland drängender denn je, gibt andere Probleme auf, als es damals die Sorge um den Fortbestand eines Domkapitels im 16. Jahrhundert tat, das deshalb auch eine gemeinsame Liturgie als Existenzgrundlage beibehielt. Dennoch ist im Blick auf das Halberstädter Stundengebet eine für das Christentum entscheidende Frage gestellt, nämlich die nach dem gemeinsamen Gotteslob der Konfessionen auf der Grundlage der gemeinsamen 110
Vgl. Breviarium Ecclesiae Cathedralis Halberstadienis 1792, 185–194. Aus vielen Beispielen sei hier nur der Hinweis am Karfreitag zitiert: „Completorium ut alias more solito canitur“ (Landesarchiv Magdeburg, Rep. U 5 XII, Nr. 72a, fol. 9r). Auch die beiden oben zitierten Visitationsberichte sprechen vom Gesang der Horen, der sowohl bis ins 17. Jahrhundert hin angenommen werden darf. Im Brevier von 1515 (LXII) findet sich ein Nachtrag von 1688 anlässlich des Festes der Inventio Stephani. Dort heißt es, die Magnificatantiphon sei „silente organo a choro“ zu singen. 112 Wenn es anlässlich der schon erwähnten Memorie des Dekans Spiegel heißt, „Ante pulsum a Cantore et Choro symphoniaco, cum Organo et Instrumentis, musice d ecantatur“ (es folgt der Text des Chorals) und wenig später „Vic. intonuit“ und „Cantor et Chorus cum organo respondent“ (Breviarium Ecclesiae Cathedralis Halberstadienis 1792, 439), so ist die Frage, ob der Gesang hier eine Ausnahme oder generelle Regel war. Da das Breviarium keine einzige Note abdruckt, hätte man die alten mittelalterlichen Cho rbücher für den Gesang weiterbenutzen müssen. 111
7. Ergebnis
337
Taufe in den Formen einer gemeinsamen Tradition. Es geht um Bekenntnis, Darstellung und Selbstvollzug der Gott feiernden Kirche, um das gemeinsame Beten der getauften Christinnen und Christen in Erwartung und Verwirklichung des Reiches Gottes. Die große Leistung des Halberstädter Modells ist, einen Weg gefunden zu haben, der für beide Konfessionen gangbar war. Nicht gelöst hingegen wurde die Frage, wie denn das Stundengebet nicht nur Gebet eines Kapitels, sondern Feier einer ganzen Gemeinde sein könne. Sie als Tagzeitenliturgie im Leben der Gemeinden zu verankern ist, von der Tradition der Anglikanischen Kirche einmal abgesehen, bei vielerlei erfreulichen Ansätzen die bleibende Aufgabe liturgischer Erneuerung.113 Sie hat bei den Domkirchen und ihren Kapiteln anzufangen, die bis heute im Vollzug der Stundenliturgie ein eher trostloses Bild bieten.114 Manche Reformanliegen, die die Liturgiekonstitution des II. Vatikanischen Konzils für die Stundenliturgie angemahnt hat, sind anlässlich der Liturgiereform des 16. Jahrhunderts in Halberstadt schon in den Blick genommen, zumindest als Problem erkannt: die Rolle der Gläubigen bei der Stundenliturgie (SC 90 und 100), die Frage nach dem Pensum des Gebetes (SC 89),115 schließlich die Schriftgemäßheit des Betens (SC 92). Damit aber ist wieder die grundsätzliche Frage gestellt: Wie artikuliert sich die pilgernde, betende, Gott feiernde Kirche? Halberstadt bot ein über Jahrhunderte gelebtes Zeugnis für die gemeinsame Grundlage aller Konfessionen, nämlich mit dem Schatz des Wortes Gottes und vielen heiligen Glaubenszeugen betend und preisend dem Herrn entgegenzugehen und ihn und sein Reich zu erwarten. Unsere Zeit ist aufgerufen, ihre Form des Zeugnisses für Gott in einer veränderten und sich immer mehr verändernden Gesellschaft zu artikulieren. Sollte nicht im Bereich der Stundenliturgie ein neuer Versuch der Konfessionen unternommen werden, bekennende, preisende und betende Kirche mit den Menschen von heute zu sein? 116
113
Zur Tradition der Anglikanischen Kirche vgl. den Überblick bei GUIVER , Stundengebet. – Für den gemeindlichen Vollzug setzt sich der Begriff der Tagzeitenliturgie immer mehr durch, da er nicht auf Feiern nach dem Stundenbuch eingeschränkt ist und anders als der Begriff der Stundenliturgie nicht unbedingt die regelmäßige, am Tag mehrmalige Feier nach monastischem Vorbild meint. Vgl. hierzu KUNZE, Memento mori 85, Anm. 2. 114 Vgl. hierzu SCHNITKER , Feier. 115 Als Beispiel sei erwähnt, dass es Kritik an Umfang und Auffächerung der morgendlichen Horen gab, vor allem in Bezug auf die Prim, vgl. etwa die Voten in den ACTA ET D OCUMENTA, Series I (Antepraeparatoria), vol. 2, pars 1, 361 und 567; pars 2, 683 und 717; pars 5, 23, pars 7, 177. 116 Zum Beitrag der Liturgie wie der Liturgiewissenschaft zur Ökumene vgl. HARNONCOURT, Beitrag.
XIII. Die lutherische Umgestaltung der Offiziumsliturgie im Naumburger Dom. Zum „Psalterium Davidis“ von 1720 und dem „Officium Divinum“ des Antonius Sutorius von 1751 * XIII. Die lutherische Umgestaltung der Offiziumsliturgie
Luthers Kritik an der damaligen Kirche entzündete sich unter anderem an deren ritueller Praxis. So wundert es nicht, dass das Zeitalter der Konfessionalisierung aufgrund veränderter theologischer Positionen zu großen liturgischen Reformen führte. Im Geiste Luthers vollzogene Liturgiereformen sind bislang hauptsächlich in Bezug auf die Messe 1 und die Ordination2 untersucht worden. Weitaus komplexer und bislang nur zum Teil bearbeitet stellt sich das große Areal der lutherischen Offiziumsliturgie dar.3 Es geht bei seiner Erforschung auch um die Modifizierung klassischer Denkschemata, mittels derer man versucht, die schillernde Zeit der Reformation und die liturgische Praxis der Kirchen der Reformation in den nachfolgenden Jahrhunderten in den Blick zu nehmen. In Bezug auf die Abendmahlsliturgien kommt Irmgard Pahl zu dem Schluss, dass „das seit Paul Graff vorherrschende Klischee von der Auflösung und dem Zerfall der klassischen liturgischen Formen in der Aufklärungszeit nicht aufrechtzuerhalten ist.“4 Wie aber sieht es bei der Offiziumsliturgie in den evangelischen Stiften aus? Das von Graff bereitgestellte Denkmodell des Zerfalls der liturgischen Formen macht hier insofern Sinn, als spätestens mit der Säkularisation nicht nur die Stifte, sondern oft auch die zugehörigen Schulen aufgelöst, zumindest aber derart verändert wurden, dass vielerorts die Stundenliturgie zum Erliegen kam. Die Geschichte evangelischer Tagzeitenliturgie bewegt sich in der Spannung von Kontinuität und Bruch, vor allem in Bezug auf die zahlreichen nach Einführung der Reformation fortbestehenden Dom- und Stiftskirchen, worauf bereits mehrfach aufmerksam * Zuerst erschienen in: JLH 48 (2009), 11–37. 1 MEYER , Luther. MESSNER , Meßreform. LURZ, Feier. PAHL, Coena Domini I u. II. S IMON, Messopfertheologie. 2 SANDER , Ordinatio. KRARUP, Ordination (zu Naumburg 14 u.ö.). 3 An neueren Untersuchungen mit Referierung bisheriger Literatur vgl. hier KOCH, Fürbitte; ODENTHAL, Matutinae, in diesem Band 251–282; T ALKNER , Horas. 4 P AHL, Coena Domini II, 3. Vgl. GRAFF, Geschichte.
1. Das Naumburger Domstift
339
gemacht wurde.5 Wenn nun das Naumburger Domstift und seine im 18. Jahrhundert erarbeiteten liturgischen Bücher für das Offizium vorgestellt werden, so ist dies deshalb von Interesse, als dieses Domstift im Kontext der „Vereinigten Domstifter Merseburg, Naumburg und des Kollegiatsstiftes Zeitz“ bis auf den heutigen Tag noch existiert. 6
1. Das Naumburger Domstift und die Einführung der Reformation 1. Das Naumburger Domstift
Die Geschichte von Diözese und Domstift Naumburg ist durch die Monographie von Heinz Wiessner gut dokumentiert worden.7 Seine Ergebnisse bezüglich der Einführung der Reformation in Naumburg seien hier kurz zusammengefasst, um die im Folgenden beschriebenen lutherischen Liturgica des 18. Jahrhunderts besser einordnen zu können. 8 Wie auch andernorts greift die lutherische Lehre zuerst bei der Bevölkerung Naumburgs, nämlich seit den zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts. Ein bedeutender Ort für die lutherische Lehre wird die Stadtpfarrkirche St. Wenzel in Naumburg. Der dortige Prediger Johann Langer entwirft 1527 eine Kirchenordnung, die zwischen alter und neuer Lehre zu vermitteln sucht. 9 Denn es galt, zum einen lutherischen Grundsätzen gerecht zu werden, zum anderen aber, das konservative Domkapitel zu beruhigen.10 Wie vielerorts war das Domkapitel Naumburgs Hort der Tradition und leistete der neuen Lehre gegenüber entsprechend Widerstand. Bezüglich der Liturgie der Kirchenordnung von 1527 ist auffallend, dass die Messe fast gänzlich beibehalten wird, übrigens auch weitestgehend die lateinische Liturgiesprache. Doch ein Eingriff markiert bereits eine bedeutende theologische Änderung gegenüber spätmittelalterlicher Praxis: Statt des Offertoriums wird ein deutscher Psalm eingeführt. Das impliziert – so viel sei hier kurz angedeutet – einen deutlichen Angriff auf das eigene (Opfer-)Handeln der Kirche, das für frühmittelalterlich geprägte Frömmigkeit besonders im Akt der 5
Vgl. ODENTHAL, Matutinae, bes. 102–119. In diesem Band 251–282. Vgl. hier etwa die Beiträge in: HEISE, KUNDE, W ITTMANN, Kathedrale, bes. 277–310 (VIII. Die Gemeinschaft der Domherren – Von der geistlichen Korporation zur Stiftung öffentlichen Rechts). 7 Vgl. W IESSNER, Naumburg. 8 Ausführlich hierzu W IESSNER , Bistum 1,1, 152–178. 9 Vgl. Die Kirchen-Ordnung für die St. Wenzelskirche in Naumburg. 1527, in: SEHLING, Kirchenordnungen I, 2, 59–60. Vgl. zur Liturgie Naumburgs während der Reformation ausführlich ALBRECHT, Mitteilungen. 10 Vgl. dazu W IESSNER , Naumburg 1,1 308. Zur Frage der Reformation in Sachsen, vor allem in Bezug auf das Meißener Domstift, vgl. auch VOLKMAR , Reform. 6
340
XIII. Die lutherische Umgestaltung der Offiziumsliturgie
Gabenbereitung gewährleistet schien.11 Deutlicher positioniert sich eine zweite Naumburger Ordnung, die Kirchen- und Schulordnung von 1537– 1538 durch Nikolaus Medler, ebenfalls für St. Wenzel. 12 Der Gebrauch lateinischer Gesänge wird zwar grundsätzlich beibehalten, doch die deutsche Sprache gewinnt an Bedeutung, auch für den Priester. Traditionelle Elemente wie die Präfation sind in dieser lutherischen Abendmahlsfeier nicht mehr erwähnt. Nach 1530 findet im Grunde nur noch in den Kirchen der Dom- bzw. Stiftskapitel zu Naumburg und Zeitz (auch) katholischer Gottesdienst statt: Der Naumburger Dom ist zu jener Zeit faktisch „Simultankirche.“13 Eine grundlegende, wenn auch bald unterbrochene Forcierung der Reformation bringt das Episkopat des Nikolaus von Amsdorf, von 1542 bis 1546 Bischof von Naumburg, der am 20. Januar 1542 von Luther selbst im Naumburger Dom in seine Stellung eingeführt wurde. 14 Es war die zunehmende Macht der sächsischen Herzöge gegenüber einem immer schwächeren Domkapitel, die dieses Episkopat möglich machte, nachdem das Kapitel zuerst nach dem Tode des Bischofs Philipp am 6. Januar 1541 Julius von Pflug gewählt hatte.15 Es ist hier nicht der Ort, die höchst komplexen Beratungen des Kurfürsten mit den Wittenberger Theologen darzustellen, die dazu führten, dass faktisch der Wunschkandidat des Kurfürsten, Nikolaus von Amsdorf, statt des gewählten Julius von Pflug Bischof wurde.16 Im Kontext dieser Überlegungen ist lediglich von Bedeutung, in welchem Maße diese politische Weichenstellung Auswirkungen auf den Gottesdienst hatte. Zunächst ist auf von Amsdorfs Wertung der Messe als menschliche Einrichtung hinzuweisen, die die Möglichkeit weiterer Reformen impliziert.17 Anlässlich der Kirchenvisitation von 1545 forciert ein 11
Vgl. S IMON, Messopfertheologie, bes. 41–164. Auch NEIJENHUIS, Gottesdienst 359. Bis heute findet diese Kontroverse ihren Ausdruck etwa bei STUFLESSER , Memoria, und W ITT, Repraesentatio. 12 Vgl. Ordenung der ceremonien in der pfarkirchen zue S. Wenzel zur Neunburg, gestellet durch doctorem Nicolaum Medern pastorem doselbst im 1538. jare, in: SEHLING, Kirchenordnungen I, 2, 71–90; dazu W IESSNER, Naumburg 1,1 309. – Stadtpfarrer Medler ließ bereits am 11. September 1541 den Dom gewaltsam für die lutherische Predigt öffnen. Vgl. BRUNNER, Nikolaus von Amsdorf 23. 13 Vgl. W IESSNER , Naumburg 1,1, 175, im Anschluss an ALBRECHT, Mitteilungen 59, Anm. 1. 14 Vgl. W IESSNER, Naumburg 1,1 176 und 1,2, 965–986. Vgl. BRUNNER, Nikolaus von Amsdorf 67–69 (zur Amtseinsetzung durch Luther und zur verwendeten Gottesdienstordnung). Zu Nikolaus von Amsdorf vgl. DINGEL, Nikolaus von Amsdorf; KOLB , Nikolaus von Amsdorf; vgl. auch die ältere Untersuchung von DELIUS, Briefwechsel. Den Verlauf des Gottesdienstes und seine Begleitumstände schildert nach einem im Domarchiv befindlichen Bericht ALBRECHT, Mitteilungen 33–36. 15 Vgl. hierzu die Darstellung bei BRUNNER, Nikolaus von Amsdorf 16–51. 16 Vgl. die ausführliche Darstellung bei BRUNNER, Nikolaus von Amsdorf 24–51. 17 Vgl. W IESSNER, Naumburg 1,1 307; auch 174–178.
1. Das Naumburger Domstift
341
im Domarchiv aufbewahrter Bericht typisch lutherische Akzentsetzungen des Bischofs: Jhrer pracht, Ceremonien, kirchen geprenge gefelt den menschen wohl, Dis henget Jnen in Jren hertzen, Das sie dauon nicht weichen wollen… Wir furen auch nit grosse Chor kappen Unnd Meß gewandth, Besondern wir gebrauchen allein Unnd halten das Abentmal Unsers Hern Jesu Christi nach aussatzung gottes. 18
Hier wird das Anliegen deutlich, von den Nebensächlichkeiten des Gottesdienstes hin zum Wesentlichen zu finden. Die Reformen betreffen indes nicht nur die Feier der Eucharistie, sondern auch das Stundengebet. Schon in den Beratungen der Wittenberger Reformatoren in Torgau 1541 wird die „Entartung der Horengottesdienste, die infolge des Vikariatsunwesens eingerissen war,“ beklagt. Wie Peter Brunner die Überlegungen der Wittenberger Theologen referiert, hoffte man auf einen Bischof, der „mit Ernst und mit Freude an die innere Erneuerung der Horengottesdienste herangeht.“19 Damit wird deutlich, dass es damals nicht unbedingt um die Abschaffung, sondern um eine neue inhaltliche Füllung des Stundengebetes als ein Anliegen der Reformation des Domstiftes ging, was im Folgenden Kapitel näher beleuchtet wird. Doch darf nicht unerwähnt bleiben, dass die Position des Niklas von Amsdorf zum Stundengebet radikaler war als die der Wittenberger Theologen. Darüber informiert seine Streitschrift Horas canonicas Jn Kloestern uñ Stifften singen / Vnd gebotene Adiaphora halten / ist eben so wol Abgoetterey / Als die schentlichste Opffermesse,
gedruckt zu Jena 1562.20 Amsdorf will in dieser Schrift aufzeigen, Das jre Gottesdienste / so sie in jren Kirchen mit singen vnd Messe halten teglich treiben / eitel Abgoetterey / vnd keine Gottesdienste sind / darumb wir auch sie in vnsern Kirchen abgeschafft haben. 21
Es sind nach seinem Dafürhalten Gregor der Große und Ambrosius von Mailand, die solch „kindische Ceremonien“ eingeführt haben und damit die Gewissen der Menschen beschweren. Denn Christus hat zu singen nicht geboten noch befolhen / Wie denn auch die Aposteln vnd jre nachkommen lenger deñ 300. jar / Weder Vesper / Metten / noch Messe gesungen haben.
Der eigentliche Kritikpunkt ist die Finanzierung solchen Gottesdienstes:
18
Text nach ALBRECHT, Mitteilungen 36–37. Beide Zitate bei BRUNNER , Nikolaus von Amsdorf 34. 20 VD 16: A 2374. Exemplar in der Universitätsbibliothek Tübingen, Signatur Gf 18 a. Zu dieser Schrift vgl. auch SCHÄUFELE , Kirche, etwa 70, 76 und 85. 21 Ebd., dieses und die folgenden Zitate können nicht näher belegt werden, da der Druck ohne Paginierung oder Foliierung ist. 19
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XIII. Die lutherische Umgestaltung der Offiziumsliturgie
Das sie vmb Presentz vnd gelts willen / zu Chor gehen / loehren vnd plerren jr erdichte Vesper / Vigilien / Metten / vnd Messen / nicht Gott zu ehren vnd dienst / Sondern vmb jres Bauchs vnd eigen nutzes willen.
Ferner wirft Amsdorf solchem Tun vor, dass es als Ersatz der Verkündigung des Wortes Gottes geschieht: Vnd wol die gesenge in jren Kirchen aus der Schrifft genomen sind / so entschueldiget sie es doch gar nicht / Ja es beschueldigt sie viel mehr / das sie aus menschlichen traditionen Gottes dienste machen / Vnd also Gottes wort zu jrem abgoettischen vnd falschen Gottesdiensten so schendlich missbrauchen.
Deutlich setzt sich von Amsdorf gegen die „Adiaphoristen“ ab, die viele gottesdienstliche Formen als sogenannte Zwischendinge rechtfertigen und beibehalten. Sie sind auch mit ihrer Neugestaltung des Gottesdienstes seiner Meinung nach auf dem falschen Weg. 22 Die wenigen Zitate seiner Streitschrift machen zur Genüge deutlich, wie heikel die Einsetzung von Amsdorfs zumindest in Bezug auf das Naumburger Domkapitel und seine gottesdienstliche Praxis war, hing doch an der Offiziumsliturgie mitsamt den Präsenzgeldern die weitere Existenz des gesamten Kapitels. Aber seine Amtszeit, die sich im Grunde nur auf die Macht des Kurfürsten stützen konnte, währte nicht lange. Bereits 1543 empfiehlt Papst Paul III. dem Kaiser Julius von Pflug als rechtmäßigen Naumburger Bischof.23 Schon vier Jahre nach von Amsdorfs Einführung 1542 wendet sich das Blatt. Nicht zuletzt durch die Machtverhältnisse des Schmalkaldischen Krieges gerät die Reformation im Bistum Naumburg ins Stocken. 24 Im Jahre 1546 beginnt das Episkopat des Julius von Pflug, der bis 1564 Bischof von Naumburg ist. Zu dieser Zeit lässt sich ein deutliches Wiedererstarken der katholischen Fraktion beobachten. 25 Dennoch sind in Bezug auf den Gottesdienst Kompromisse nötig, so die Gewährung des Laienkelches. Insgesamt aber hat der Bischof über die Grenzen Naumburgs hinaus kaum Bedeutung. Sein Tod 1564 bringt dann die endgültige Wende. Als Nachfolger postuliert das Domkapitel den Sohn des Kurfürsten August, Alexander, der aber bereits 1565 stirbt. Nun wird der Kurfürst selbst als Administrator gewählt, damit aber „das formal fortbestehende Stift tatsächlich dauernder Bestandteil des sächsischen Kurstaates,“ wie Heinz Wiessner urteilt. 26 Wie auch immer: Nach dem katholisch geprägten Interim des Episkopates des
22
Vgl. zum Adiaphoristenstreit u.a. OELKE, Konfessionsbildung 306–311 u.ö.; MARAdiaphora; LENTES, Adiaphora. 23 Vgl. BRUNNER, Nikolaus von Amsdorf 146. 24 Vgl. BRUNNER, Nikolaus von Amsdorf 148–153. 25 Vgl. W IESSNER, Naumburg 1,1, 311. zu Julius von Pflug vgl. ebd. 1,2, 986–1005. Auch NEUSS, P OLLET, Pflugiana; P OLLET, Julius Pflug, bes 118–133. 26 W IESSNER, Naumburg 1,1, 178. TENS ,
2. Zur lutherischen Liturgiereform
343
Julius von Pflug geht das Naumburger Domstift langsam in eine evangelische Körperschaft über.27 Bezüglich des liturgischen Lebens verdient noch die Tatsache Erwähnung, dass ähnlich wie in Halberstadt auch in Naumburg zunächst an ein gemischtkonfessionell besetztes Domstift gedacht war. So verfügen die Statuten des Domkapitels von 1580, der neu zu berufende Kanoniker solle entweder der katholischen Religion oder dem Augsburger Bekenntnis anhangen.28 Die Wirklichkeit sah indes anders aus: de facto wurden frei werdende katholische Stellen nur mehr durch evangelische Bewerber besetzt. 29 Als der letzte katholische Domdechant 1576 stirbt, ist das Stift weitestgehend mit evangelischen Domherren besetzt.30
2. Zur lutherischen Liturgiereform im Naumburger Domstift 2. Zur lutherischen Liturgiereform
Für Halberstadt ist es gelungen, anhand der günstigen Quellensituation das Jahr 1591 als Zeitpunkt der Einführung der Reformation umfassend im Hinblick auch auf die Änderung der Liturgie zu dokumentieren. 31 Ein solches Unterfangen steht für Naumburg unter dem Vorbehalt, dass bei weitem noch nicht alle liturgischen Quellen des Domarchivs aufbereitet oder genügend zur Kenntnis genommen sind. 32 Heinz Wiessner widmet einen Abschnitt seiner Untersuchung auch dem Gottesdienst des Bistums. Hierbei macht er auf eine Fülle von liturgischen Quellen vor allem des Spätmittelalters aufmerksam, ohne die Veränderungen der Reformationszeit außen vor zu lassen.33 Er referiert im Wesentlichen die Ergebnisse, die Otto Alb27
Vgl. W IESSNER, Naumburg 1,1, 358. „aut catholicae religioni aut Augustanae confessioni addictus,“ so bei HECKEL, Kollegiatstifter, 372–374, hier 373. 29 Vgl. W IESSNER, Naumburg 1,1, 178. 30 Vgl. HECKEL, Kollegiatstifter 87, Anm. 6. 31 Vgl. ODENTHAL, Ordinatio. 32 Die hauptsächlich vorreformatorischen Druckwerke Naumburgs sind verzeichnet bei B OHATTA, Liturgische Bibliographie 20 (Breviere Nr. 312 und 313) und 39 (Diurnale Nr. 624); B OHATTA, Bibliographie 2, 231 (Breviere von 1510 und 1512, Nr. 2501 und 2502); W EALE, B OHATTA, Bibliographia Liturgica, hier Missalien von 1501, 1507 und 1517 (Nr. 685*, 686* und 687*). Vgl. auch J UNKE, Wiegendrucke 38–40 (mit mehreren Naumburger Brevieren (Nr. 190–194) und einem Diurnale (Nr. 195). – Ediert sind bisher lediglich zwei Osterfeiern um das Heilige Grab Vgl. LIPPHARDT, Osterfeiern 3, 1076– 1078 und 7, 537–538. 33 Vgl. W IESSNER , Naumburg 1,1, 274–371, zur Reformationszeit vor allem 306–312. Besondere Beachtung verdient ein Frühdruck eines Liber Ordinarius des Domes, Teil von Codex 33 der Domstiftsbibliothek, einem Breviarium von 1487. Eine Edition des Ordinarius, der Zeugnis der liturgischen Erneuerungsbemühungen des Bischofs Dietrich IV. von 28
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XIII. Die lutherische Umgestaltung der Offiziumsliturgie
recht zu Beginn des vorigen Jahrhunderts anhand der entscheidenden Quellen in diesem Kontext zur Verfügung gestellt hat. Albrecht berichtet über ein Schreiben des Domdechanten Günther von Bünau an die kurfürstlichen Räte vom 25. Oktober 1541.34 Zum einen gibt das Schreiben Auskunft über die „uncrystlichen Cerimonien,“ die abgeschafft werden, nämlich die Messen, das Officium Beatae Mariae Virginis, ein klassisches „Zusatzoffizium,“35 schließlich die Anrufung der Heiligen. Damit sind zum anderen die theologischen Leitlinien des fortbestehenden Stundengebetes verbunden. Die Horas Canonicas sollen „de tempore“ gehalten werden, und an Heiligentagen sollen nur die bestehen bleiben, „Szo Jm Euangelio gegrundet.“ 36 Als, wie bereits erwähnt, die Wittenberger Gelehrten im November 1541 in Torgau über die Geschicke des Naumburger Bistums berieten, widmen sie sich auch dem Gottesdienst und fordern von den Stiftsherren, an werktagen solten sie ordentlich den psalter furnemen vnd allen tag drey psalmen ordentlich psalliren vnd dabey ein Capitel lesen vnd darauff vermanen zu beten vnd als 37 dann die Collect singen. Darauf solt die predig volgen.
Damit sind für die Offiziumsliturgie einschneidende Änderungen benannt. Denn zunächst bedeutet die Abschaffung der vielen Heiligentage auch die Abschaffung der Commune-Offizien mit der Auswahl kurzer Psalmen und die Wiedereinsetzung des Wochenschemas, das den ganzen Psalter einbezieht.38 Dann fällt auf, dass der Horengottesdienst streng lutherisch um die Predigt erweitert wird: er soll fortan der geistlichen Auferbauung der Gemeinde dienen, nicht bloß zur Pflichterfüllung der Kleriker.39 Weitere Informationen bezüglich der „horae canonicae“ bietet ein Bericht des Domkapitels vom 13. November 1543. Die Herren antworten auf Schönberg (1481–1492) ist, wird vorbereitet. Zu diesem Bischof vgl. W IESSNER, Naumburg 1,2, 929–938, zum Ordinarius 936. 34 Vgl. ALBRECHT, Mitteilungen 47–48. 35 Vgl. zum Problem allgemein SCHMIDT, Zusätze. 36 Zitate bei ALBRECHT, Mitteilungen 48. 37 ALBRECHT, Mitteilungen 49. 38 Zur Problematik des „Breviergebetes“ im Mittelalter auch in Bezug auf die verwe ndeten Psalmen vgl. HÄUSSLING, Brevierreformen, hier etwa 219. 39 So beklagt Luther 1520 in seiner Schrift „De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium“ bei den Ausführungen über das Sakrament der Priesterweihe „De ordine,“ es käme im Gottesdienst leider kaum auf die Predigt an: „Qua re eos, qui tantum ad horas Canonicas legendas et Missas offerendas ordinantur, esse quidem papisticos, sed non Christianos sacerdotes, quia non modo non praedicant, sed nec vocantur ad praedicandum, immo hoc ipsum agitur, ut sit sacerdotium eiusmodi alius quidem status ab offitio praedicandi. Itaque horales et Missales sunt sacerdotes, id est, Idola quaedam viva, n omen sacerdotii habentia, cum sint nihil minus, quales sacerdotes Hierobeam in Bethaven ordinavit de infima fece plebis, non de genere Levitico,“ in: Martin LUTHER, WA 6, 560 19–567 31, Zitat hier 564 24–31.
2. Zur lutherischen Liturgiereform
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eine Anfrage des Kurfürsten und versichern, dass ihr Gottesdienst keinesfalls „papistisch“ sei. 40 Die zur Begründung angefügte Beschreibung des Stundengebetes sei hier aufgrund seiner Bedeutung nach der Transkription von Otto Albrecht wiedergegeben: Kurczer Bericht, wie es mit predigen, Singhenn vnnd lessen In der Thumbstiefftskirchen zur Naumburgk teglich gehaltten wirdt. Morgens in precibus Matutinis werden gehaltten drei psalm, drei lectiones mit Responsoriis de tempore vnd von den festen, welcher historien in der heiligen Schriefft gegruendet. Vnther dem te deum laudamus geschieht ein sonderlicher puelß zw der teuczschen lectionnn. Nach deme te deum laudamus werden gehaltten psalmi de laudibus mit dem Cantico Zacharie, vnd concludirt mit der Collecten de tempore die mettenn. Darauff wirt gelessen auff teuczschs ein Capittel aus der Biblien mit einem Summario, vnd das volck vormanet Zum gebette, vnd mit einem Deuczschen gesinge vnnd Collecten beschlossenn. Vmb die Sechste stunde werden die prime vnd Tercz gehaltten de tempore. Vnther der terczs am Mitwochen vnd Freitag geschiecht ein pulß Zuer predigtte; noch der Terczs gehen die Schueller auffn Choer vnd singen mit dem volcke ein psalm, als ein verss vmb den andern, Volget die predigtt, dorauff mit einem gesenge vnd Collecten beschlossenn. Umb die Neunde stunde werden gehaltenn Sext vnd Nona. Vespertine preces vnd completorium werden zwischen Zweien vnnd dreien gehaltenn, Auffn Dinstag vnd Dornstag helt man den Cathecismum vor die jugenth. Am Sontage vnnd Festtagen werden die Hore, als Matutine preces, prime, Terczs, Sext, Nona ordentlich nach einander gehaltenn; vnther der Sext geschicht mit der groessen glocken ein pulßs, vnther der None geschiecht der complulss czw der predigt vnnd czum abentmhaell des Hern Jesu christi. Noch mittaghe vmb Eylff vhr wird 41 geprediget.
Beachtlich ist zunächst die Kürzung des Pensums der Matutin. Nur eine der Nocturnen mit drei Psalmen bleibt erhalten. 42 Ferner findet man das typisch lutherische Kriterium der Schriftgemäßheit des Betens. Dies hat nun zur Folge, dass die Heiligenfeiern deutlich reduziert werden und nur diejenigen übrig bleiben, die selber eine Basis in der Heiligen Schrift haben.43 Auffällig ist ferner die Erweiterung des Horengottesdienstes um eine deutsche Wortverkündigung mit Predigt und deutschen Liedern. Dadurch soll eine Einbeziehung des Volkes gewährleistet werden. Albrecht konnte hier den Einfluss des bereits erwähnten Superintendenten Nikolaus Medler nachweisen.44 Auch die Hinweise auf den Katechismusunterricht sind Beleg einer Umformung des Horengottesdienstes mit dem Zweck der Aufer40
Vgl. ALBRECHT, Mitteilungen 49–52. ALBRECHT, Mitteilungen 51. 42 Ähnlich ging man mit den Nocturnen auch in Halberstadt um, vgl. ODENTHAL, Ordinatio, etwa 81. 43 Vgl. hier insgesamt LANSEMANN, Heiligentage. 44 Vgl. ALBRECHT, Mitteilungen 52. Dem damaligen Domdechanten Günther von Bünau war an der Predigt wohl insofern gelegen, als sie den Horengottesdienst zusätzlich sicherte – auch gegen Angriffe in Bezug auf seine Nutzlosigkeit. Dass sich Medler gegenüber dem Horengottesdienst nicht an sich, sondern in seiner bloßen Persolvierung kritisch verhält, zeigen die Hinweise ebd. 53. 41
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XIII. Die lutherische Umgestaltung der Offiziumsliturgie
bauung der Gemeinde. Das ist die Innovation, die die Reform im Geiste Martin Luthers vornimmt. Die Kontinuität besteht in der weiteren Verwendung des Lateins und des Gregorianischen Chorals. 45 Beachtlich ist die Kumulation der Horen an den Werktagen. Nicht die in der katholischen Tradition erst durch das II. Vatikanische Konzil etwa wieder eingesetzte „veritas horarum“ im Sinne einer Heiligung des Tagesablaufes ist das entscheidende Kriterium, sondern gemäß mittelalterlicher Praxis die „Persolvierung“ des Offiziums. Nur sonntags hält man in Naumburg am zeitlichen Neuansatz der einzelnen Horen fest. Eine solche Zusammenlegung der Horen war übrigens auch in Halberstadt zu beobachten, dort allerdings verbunden mit einer zunehmenden Verringerung des Pensums.46 Albrecht erwähnt ferner einen Brief des Dechanten von Bünau an den Senior des Kapitels, in dem es um die Predigt am Gründonnerstag geht: Auch das Fest Cena Domini, daran man früher lotionem pedum im Stifte gehalten, soll anstatt dieses Aktus mit der Predigt von der Lotion um Eins gehalten werden… Was am Feste Cena Domini zu predigen, weil die Ceremonien ausbleiben, werden die Prediger 47 schon wissen.
Interesse verdient hier die schon in Halberstadt zu beobachtende Tendenz, die dramatisch-rituelle Ausgestaltung der Liturgie, insbesondere des Triduum Paschale, deutlich zu vermindern. Bereits Martin Luther konnte den Bräuchen der Karwoche nichts abgewinnen.48 Diese wenigen Hinweise zeigen zum einen, dass und wie man in Naumburg an der Offiziumsliturgie festhielt, zum andern wird die typisch lutherische Umprägung deutlich. Die Wende zum Pontifikat des Julius von Pflug nun brachte es wahrscheinlich mit sich, dass die alte Ordnung des Offiziums wieder eingesetzt wur45
Vgl. zu dem Begriffspaar SCHULZ, Luthers liturgische Reformen. ALBRECHT, Mitteilungen 55, spricht zu Recht von den konservativen Tendenzen der Wittenberger Reformatoren bei der Kultusreform. Zum Choral in den Kirchen des Luthertums vgl. S CHREMS, Geschichte. 46 Vgl. ODENTHAL, Ordinatio 77 und 81. In Halberstadt ist die Zusammenlegung der Horen im Brevier von 1792 festgeschrieben: die kleinen Horen Terz/Sext/Non wurden am Morgen, Vesper und Komplet am Nachmittag persolviert. 47 ALBRECHT, Mitteilungen 54. 48 LUTHERS Abneigung gegen die rituelle Ausgestaltung der Karwoche zeigt sich etwa in seiner Schrift „Deutsche Messe und Ordnung Gottesdiensts“ von 1526: „Die fasten, palmtag und marterwochen lassen wyr bleyben, nicht das wyr yemand zu fasten zwingen, sondern das die passion und die Euangelia, so auff die selbige zeyt geordenet sind, ble yben sollen; doch nicht also, das man das hunger tuch, palmen schiessen, bilde decken und was des gauckel wercks mehr ist, halten odder vier passion singen odder acht stunden am karfreytag an der passion zu predigen haben, sonder die marterwoche sol gleych wie ander wochen seyn, on das man die passion predige des tages eyne stunde durch die woche odder wie viel tage es gelustet, und das sacrament neme wer do will. Denn es sol ja alles umb des worts und sacramenten willen unter den Christen geschehen ym gotts dienst,“ in: WA 19, 112 20–113 3.
2. Zur lutherischen Liturgiereform
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de, wie Wiessner annimmt. 49 Zumindest aber wurden die Heiligentage wieder ausführlicher gefeiert. Auf alle Fälle aber blieb es durch die gesamte wechselvolle Geschichte bei einer kontinuierlichen Nutzung der liturgischen Bücher, die eben im lutherischen Kontext nur noch partiell genutzt wurden.50 Eine jüngst erfolgte Sichtung der alten Chorbücher des Domschatzes ergab folgende für die liturgische Verwendung bemerkenswerte Situation.51 Nach dem großen Brand im Jahre 1532 waren wohl viele der eigenen liturgischen Bücher Naumburgs verlorengegangen. 52 Das Domkapitel strengte sich mit Erfolg an, die Antiphonare des Meißener Domes zu erhalten, die dort wohl nicht mehr gebraucht wurden.53 Ähnlich wie in Halberstadt wurden diese alten Chorbücher bis in die Neuzeit hinein beim lutherischen Chorgebet weiterbenutzt, wie mannigfache späteren Einträge zeigen.54 Welche Funde bezüglich der Naumburger Liturgiegeschichte noch zu erwarten sind, zeigen folgende Beobachtungen, die nun für das zu verhandelnde Thema der Offiziumsliturgie von eminenter Bedeutung sind. Im Naumburger Domarchiv finden sich liturgische Zeugnisse anderer Orte bezüglich einer lutherischen Stundenliturgie. Sie dürften vom Interesse des Domstiftes künden, sich an anderen Versuchen im Hinblick auf die eigene liturgische Praxis zu orientieren. So existiert im Domarchiv ein Exemplar des „Vesperale et Matutinale“ des Matthaeus Ludecus von 1589.55 Da die49
Vgl. W IESSNER, Naumburg 1,1, 358. Für Zeitz findet sich eine Beschreibung der Gestalt der Chorstunden im dortigen Stiftsarchiv (StiftsA.Zeitz, Kop. 3 Bl. 128–135). 50 Dies gilt etwa für die großen Chorbücher wie für die Breviere (etwa Domstiftsarchiv Codex Nr. 16 und 17), die mannigfache Überarbeitungs- und Nutzungsspuren aufweisen. 51 Vgl. KUNDE, Domschatz 71–86 (Holger Kunde, Frank-Joachim Stewing, Thomas Bachmann, Markus Hörsch, Bernhard K. Gröbler). 52 Diese Grundannahme bedarf indes weiterer Verifizierung, die klären müsste, warum derart viele mittelalterliche Liturgica nach dem Brand als Makulatur haben wieder verwendet werden können. 53 Zur dortigen Situation vgl. SCHULTZE , Rechtslage, der allerdings den Gottesdienst nur 42 erwähnt. Die Situation des Gottesdienstes im vorübergehend gemischt besetzten, doch dann rein evangelischen Domstift Meißen bleibt weiter unklar. Visitationen im Jahre 1539 und 1540 schaffen „papistische Missbräuche“ ab (vgl. KLEMM , Streiflichter 137), doch blieb der Chordienst übrigens noch lange samt der katholischen Messe erhalten (ebd. 139). Seit 1773 werden dann drei Mal wöchentlich im Hohen Chor Gebetsstunden gehalten, ein Brauch, der bis ins 19. Jahrhundert Bestand hatte (ebd. 145). Neuere gründliche Untersuchungen stehen hier meines Wissens aus. Vgl. aber auch P OLLET, Julius Pflug 101–102, wo von einer Beseitigung des „katholischen“ Kultes in Meißen im Jahre 1543 ausgegangen wird, die Matutin und Vesper aber nach der Kirchenordnung Herzog Heinrichs zu Sachsen weitergeführt würde. 54 Vgl. KUNDE, Domschatz 71. Zu Halberstadt vgl. ODENTHAL, Ordinatio 85–87. 55 Vesperale et Matutinale, hoc est, Cantica, Hymni, et Collectae, sive precationes ecclesiasticae, quae in Primis et Secundis Vesperis. itemque Matutinis precibus, per totius
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XIII. Die lutherische Umgestaltung der Offiziumsliturgie
ses Werk Benutzungsspuren aufweist, hat es wohl – in welcher Form und wann auch immer – dem konkreten Vollzug der (Naumburger?) Stundenliturgie gedient. Zumindest war über dieses Exemplar die in Havelberg mutatis mutandis geübte Praxis des Stundengebetes bekannt.56 Ein zweiter Fund konnte bei einem Rechnungsbuch der Jahre 1631 und 1632 getan werden. Diese „Retardata Fabricae“ sind in ein als Makulatur verwendetes Pergamentblatt eingebunden, das das mit Noten versehene lateinische Offizium des Michaelstages aufweist. Bei näherem Zusehen konnte dieses Einbandblatt nun als Auszug aus den 1613 für das Magdeburger Domkapitel geschaffenen „Cantica Sacra“ identifiziert werden. 57 Wie gering diese Spuren auch sein mögen, sie dokumentieren, dass man in Naumburg die gängigen Liturgica zur Kenntnis genommen hatte, die andere Domstifter für ihre lutherische Offiziumsliturgie geschaffen hatten. Man war also in Naumburg wie in Magdeburg oder Havelberg an einer Umsetzung lutherischer Theologie im gemeinsamen Beten interessiert. Und dennoch nutzte man die alten, einst aus Meißen übernommenen Chorbücher noch bis ins 18. Jahrhundert weiter, wohl aus rein praktischen Gründen. Denn die großformatigen Bücher taten guten Dienst auf den eigens für sie hergerichteten Gestellen im Chorgestühl des Ostchores. Im 18. Jahrhundert nun wird dies anders: Hier geht das Domkapitel zu Naumburg aus verschiedenen Gründen an eine Neuausgabe der liturgischen Bücher für das Offizium.
3. Die beiden Liturgica des 18. Jahrhunderts: Aufbau und Inhalt des Psalterium Davidis von 1720 und des Officium divinum von 1751 3. Die beiden Liturgica des 18. Jahrhunderts
Wie sehr die Offiziumsliturgie Naumburgs nach Einführung der Reformation überarbeitet worden ist, zeigen die mannigfachen Spuren in den damals weiterbenutzen Brevieren. 58 In einigen Brevieren des Domarchivs anni circulum, in Ecclesijs & religiosis piorum congressibus cantari usitate solent, notis rite applicatae, & in duas partes ordine digestae A Matthaeo Ludeco, Ecclesiae Cathedralis Havelbergensis Decano. 1589. Naumburg, Domstiftsbibliothek Nr. 38. Ein Nachdruck dieses Werkes, indes nicht dieses Exemplars findet sich bei ODENTHAL, Vesperale. 56 Das Vesperale war ursprünglich für Pfarrkirchen bestimmt, wurde aber mit modifizierter Horenabfolge und Psalmenverteilung vor allem im Havelberger Dom selbst benutzt. Vgl. dazu ODENTHAL, Vesperale 28–30, in diesem Band 267–271. 57 CANTICA SACRA. Das Pergamentblatt führt p. 1169 (Vorderseite) und p. 1168 (Rückseite) auf. Zu den „Cantica sacra“ vgl. ODENTHAL, Matutinae 113–117, in diesem Band 251–282. 58 ALBRECHT, Mitteilungen 62, weist etwa auf ein Brevier der neunziger Jahre des 16. Jahrhunderts (leider ohne Signaturangabe) hin, dessen Heiligenteil oft mit den Zusätzen
3. Die beiden Liturgica des 18. Jahrhunderts
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finden sich unter Verwendung der vorreformatorischen Druckblöcke mannigfache handschriftliche mit Noten versehene Texte der nachreformatorischen Offiziumsliturgie.59 Diese vielfältigen Funde können ein Hinweis darauf sein, warum man im 18. Jahrhundert an einen Neudruck der Offiziumsbücher dachte: Die Praktikabilität der Offiziumsliturgie war mit den im Grunde überalteten und nun vielfach korrigierten bzw. erweiterten Brevieren kaum mehr zu gewährleisten, weshalb man an eine Neuausgabe in Form der nun vorzustellenden Liturgica dachte. 3.1 Das Psalterium Davidis von 1720 Zu den erwähnten Funden der Liturgica anderer Domstifter gesellen sich zwei für Naumburg geschaffene Druckwerke des 18. Jahrhunderts hinzu. 60 Im Domarchiv finden sich einige Stapel von ungebundenen Druckbögen eines Psalterium Davidis von 1720: PSALTERIUM DAVIDIS REGIS & PROPHETAE UNA CUM ANTIPHONIS, CANTICIS ET HYMNIS SECUNDUM ORDINEM, QUI IN CHORO ECCLESIAE CATHEDRALIS NUMBURGENSIS SERVATUR, JUSSU ET IMPENSIS SUMME REVERENDI CAPITULI NUMBURG. DENUO IMPRESSUM NUMBURGI ANNO 61 CHRISTI MDCCXX. TYPIS BALTHASARIS BOSSAEGELII.
Es ist nun beachtlich, dass bislang kein einziges gebundenes und somit benutzungsfähiges Exemplar im Domstift und darüber hinaus ausgemacht werden konnte, sondern lediglich die quasi aus der Druckerei gelieferten Bögen vorhanden sind. Ist von hieraus darauf zu schließen, man habe dieses Druckwerk niemals liturgisch verwendet, oder sind die benutzen Exemplare bislang bloß unentdeckt, vielleicht verloren gegangen? Wie dem auch sei: es zeigt sich die Problematik, von liturgischen Quellen auf tatsächlichen Brauch rückzuschließen. Dabei „passt“ das Psalterium gut zu den alten aus Meißen stammenden Chorbüchern, die ja als Antiphonare keine Psalmenordnung umfassen. Lediglich die handliche Form des Psalteriums steht in einem gewissen Gegensatz zu den großen Chorbüchern. Im Folgenden wird die Ordnung der Psalmen zugleich mit dem Aufbau des Psalteriums dargestellt. Die entsprechenden Seitenzahlen finden sich jeweils in Klammern. „Non celebratur“ oder „Abrogatum est“ kommentiert ist. Die Veränderung des Kalendars zog nach sich, dass man die Breviere nur noch partiell nutzte. 59 Besonders sind hier die Breviere Domstiftsarchiv Codex Nr. 16 und 17 zu erwähnen. 60 Sie sind beide erwähnt bei ALBRECHT, Mitteilungen 62–63, der zusätzlich noch ein handschriftliches Kollektar aufführt. Da Albrecht auf Signaturangaben meist verzichtet, sind die Ausführungen nur schwer zu verifizieren. 61 Ohne Signatur. Im Folgenden abgekürzt: Psalterium Davidis. Erwähnt auch bei ALBRECHT, Mitteilungen 62–63.
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XIII. Die lutherische Umgestaltung der Offiziumsliturgie
Aufbau des Psalterium Davidis und Psalmenverteilung Index (unpaginiert) 62 Invitatoriumspsalm 95 (1). Te Deum (2–3). Benedictus (3–4). Ad horas (5–24): Ps. 54, 118 und 119, letzterer in zwölf Abschnitte eingeteilt.
63
Matutin 64 Sonntag (25–56): Ps. 1–26. 65 Montag (57–78): Ps. 27–38. Dienstag (79–96): Ps. 39–42; 44–50; 52. Mittwoch (97–114): Ps. 53; 55–62; 64; 66; 68. Donnerstag (115–140): Ps. 69–80. Freitag (140–158): Ps. 81–89; 94; 96–97. Samstag (159–182): Ps. 98–109. 66
Vesper 67 Sonntag (183–188): Ps. 110–115. Montag (189–192): Ps. 116,1; 116,2; 117; 120–121. Dienstag (192–195): Ps. 122–126. Mittwoch (196–199): Ps. 127–131. Donnerstag (199–205): Ps. 132–133; 135–137. Freitag (206–212): Ps. 138–142. 68 Samstag (212–220): Ps. 144–146; 147,1; 147,2. Completorium
62
69
(220–225): Ps 4; 31; 91; 134.
70
Zur Matutin der jeweiligen Wochentage sind eigene Kehrverse angegeben. Aus der alten Primordnung wird das Symbolum Athanasii, das Quicumque vult übernommen (21–24). Ferner finden sich Lesung, Responsorium und Oration. 64 Am Rande ist eine Nummerierung von 1 bis 12 eingefügt, und zwar dergestalt, dass den Psalmen 1–6 und 16–21 jeweils die Nummern 1–6 bzw. 7–12 zugeordnet sind, die Psalmen 7 bis 15 und 22–26 aber der Nummer 6 bzw. 12 zugeordnet werden. Meint dies die Verteilung von zwölf Antiphonen oder eine Auswahl bei mehreren Psalmen im Sinne eines Wochenschemas? 65 Hier und bei allen folgenden sind die Psalmen wieder mit zwölf Ordnungszahlen versehen. 66 Die Psalmenverteilung ist jeweils mittels Zahlen von 1–5 geordnet. 67 Die Psalmen 114 und 115 sind der Ordnungszahl 5 zugeschrieben. 68 Hinzugefügt ist der Hymnus O lux beata Trinitas und das Magnificat. 69 Die Komplet ist mit 4 Ordnungsnummern versehen. 70 Angefügt sind der Hymnus Te lucis ante terminum, die Lesung, das Nunc dimittis und eine Oration. 63
3. Die beiden Liturgica des 18. Jahrhunderts
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71
Laudes Sonntag (226–232): Ps. 94/100; 63/67; Dan 3; Ps. 148–150. Montag (233–236): Ps. 51; 5; Jes 12. Dienstag (237–239): Ps. 43; Jes 38. Mittwoch (240–242): Ps. 65; 1 Sam 2. Donnerstag (243–246): Ps. 90; Ex 15. Freitag (247–250): Ps. 144; Hab 3. Samstag (251–256): Ps. 92; Deut 32. Hymnar (257–278) Litaneien, lateinisch und deutsch (279–292). Verse im Triduum Sacrum (293–294). Laudesantiphonen (294–302). Antiphonen nach dem Fest der Annuntiatio Mariae (302–304). Ostersequenz mit eingeschaltetem Christ ist erstanden (304–306). Antiphon und Sequenz zu Pfingsten (306–307). Sonstiges (308–309). Antiphonen zu den Laudes mit Suffragien für das Kirchenjahr (309–315). Hymnus Serva Deus verbum tuum (316).
Die Übersicht zeigt, in welchem Sinne die Psalmen verteilt wurden. Jeden Tag wurden Matutin und Vesper gehalten, und zwar mit fortlaufendem, fast gänzlich numerisch geordneten Psalter. Einzelne, wenn auch nicht alle in anderem Kontext (etwa der Laudes) vollzogenen Psalmen bleiben ausgespart, so die in den kleinen Horen gebeteten Psalmen 54, 118 und 119. Ob die kleinen Horen so täglich (wie in Halberstadt) oder eventuell nur am Sonntag vollzogen wurden, bleibt offen. Die Ordnung der Komplet dürfte wohl, wie insgesamt in der Tradition üblich, so täglich vollzogen worden sein. Merkwürdig ist auch die Ordnung der Laudes. Zunächst fällt auf, dass die hierfür verwendeten Texte der Matutin, Vesper und Komplet nachgeordnet sind. Fraglich ist, ob die Angaben zum Sonntag die Grundnorm darstellen, die folgenden Psalmen dann jeweils die Varianten, oder ob die Angaben für die Wochentage ein grundlegend reduziertes Psalmenpensum anzeigen. Die oben in den Anmerkungen benannten Ordnungsnummern bei manchen Psalmen legen indes nahe, die bei den einzelnen Wochentagen angegebenen Psalmen vor dem Hintergrund der Sonntagsordnung zu lesen, so dass die Psalmen 148–150 wie in der monastischen Ordnung jeden Tag zu beten wären.72 Diese und andere Beobachtungen zeigen im Vergleich zu Halberstadt aber, dass das Psalterium doch ein weitaus größeres Pensum 71 Die Psalmen sind mit vier Ordnungsnummern versehen, bezogen auf die um S. 300 erwähnten vier Antiphonen. 72 Vgl. das heute gültige P SALTERIUM MONASTICUM 76–79. Damit dürften die Naumburger Ordnungsnummern eine andere Funktion haben als diejenigen in einer Chorordnung des Brandenburger Domstiftes von 1645, bei der die Ordnungsnummern einen bestimmten Zyklus mehrerer Wochen bezeichnen. Vgl. dazu ODENTHAL, Matutinae 117– 119, in diesem Band 251–282.
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XIII. Die lutherische Umgestaltung der Offiziumsliturgie
des täglichen Betens auferlegt, damit alle 150 Psalmen im Wochenrhythmus einbezogen werden. Eine Psalmenverteilung für Commune-Offizien etwa der Heiligentage fehlt, womit der auch in Halberstadt wieder durchgesetzten Ferialordnung genüge getan wird. 73 3.2 Das Officium divinum von 1751 Im Domarchiv zu Naumburg finden sich ferner Druckbögen eines einundvierzig Jahre später verlegten liturgischen Buches für die Stundenliturgie, nämlich des OFFICIVM DIVINVM. COMPLECTENS ANTIPHONAS, RESPONSORIA, INVITATORIA, NEC NON THRENOS IEREMIAE, VNA CUM ALIQVOT HYMNIS, ET GENEALOGIA CHRISTI, QVAE IN ECCLESIA CATHEDRALI NVMBURGENSI PER TOTIVS ANNI CIRCVLVM TAM IN FESTIS MOBILIBVS QUAM IMMOBILIBVS DECANTARI SOLENT, ATQVE IVSSV SVMMAE REVERENDI CAPITVLI IN HANC FORMAM ET ORDINEM REDACTA SVNT A. R. G. MDCCLI AB ANTONIO SUTORIO, EIVSDEM CATHEDRALIS ECCLESIAE P. T. OCVLO ET 74 VICARIO. WEISSENFELSAE, LITTERIS RICHTERIANIS.
Mit diesem vom Domvikar Antonius Sutorius herausgegebenen Antiphonar wurde ein passendes Gegenstück zum Psalterium von 1720 geschaffen. Wiederum lässt die Tatsache, dass kein gebundenes und somit benutzungsfähiges Exemplar in Naumburg existiert, an seiner tatsächlichen Nutzung im Chordienst zweifeln. Ein Grund für diesen Druck bestand unter anderem darin, dass die alten Chorbücher nicht durch täglichen Gebrauch untergehen sollten, wie die Vorrede angibt: „… ne libri nostri chorales… per edacitatem temporis et usum quotidianum absumptae sunt…“75 Es waren also auch denkmalpflegerische Überlegungen, die zu diesem Opus führten. Leider blieben alle Versuche, die Person des Domvikars Antonius Sutorius näher zu fassen, bisher erfolglos, weshalb auch die im Titel angegebene Formulierung „eivsdem cathedralis ecclesiae P. T. ocvlo“ vorerst im Dunkeln bleiben muss. Ebenso sind etwaige Vorarbeiten zu diesem Druck oder Diskussionen im Naumburger Domkapitel einschließlich einer Beauftragung des Domvikars Sutorius bislang unbekannt. Der – grob gesprochen – aus einem Proprium de Sanctis und einem Proprium de Tempore bestehende Aufbau des Antiphonars birgt im einzelnen folgende Strukturen und Inhalte.
73
Für Halberstadt vgl. ODENTHAL, Ordinatio, etwa 74. Ohne Signatur. Ein gebundenes Exemplar findet sich in Wittenberg, Bibliothek des Predigerseminars, Signatur P Th 55. Im Folgenden abgekürzt: Officium divinum. Erwähnt auch bei ALBRECHT, Mitteilungen 62. 75 So Antonius Sutorius im Vorwort (ohne Seitenangabe). 74
3. Die beiden Liturgica des 18. Jahrhunderts
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Aufbau des Officium divinum Vorwort (unpaginert) Proprium de Sanctis (1–88). Festum passionis Domini (1–22). Andreas (23–29). Thomas (29–33). Conversio Pauli (33–37). Purificatio Mariae (38–41). Matthias (41–42). Festum Nominis Iesu (42–56). Annuntiatio (56–62). Philipp und Jacob (62–64). Johannes Baptist (64–67). Peter und Paul (67–71). Visitatio Mariae (72–75). Jacob (75–77). Bartholomaeus (77–78). Matthaeus (78–81). Michael (81–85). Simon und Judas (85–87).
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Officium divinum de tempore Pars I: Ab Adventu usque ad Septuagesimam (89–232). 1. Adventswoche (89–104). 2. Adventswoche (104–116). 3. Adventswoche (116–129). 4. Adventswoche (129–135). Vigilia et Festum Nativitatis (135–149). Stephanus (149–152). Johannes (153–155). Innocentes, mit Folgetagen (155–165). Circumcisio, mit Folgetagen (165–176). Epiphania, mit Folgetagen (176–195). Dominica I post Epiphaniam, mit Folgezeit (195–232). Pars II: A Septuagesima usque ad Pascha (233–364). Dominica Septuagesimae und Folgetage (233–244). Dominica Sexagesimae und Folgetage (244–251). 76
Es ist hier an ein monatlich wiederkehrendes Festoffizium zu denken, ähnlich dem „Festum Passionis Domini Salvatoris nostri Jesu Christi“ in Halberstadt. Vgl. dazu ODENTHAL, Ordinatio 109–110. Im Domstiftsarchiv Naumburg finden sich mannigfache neuzeitliche Notationen des „Officium de Passione,“ so etwa eine nachreformatorische Fassung im Brevier Cod. 17 (als eingebundene Blätter 304r–306r). In Cod. 33 (fol. 20v– 23v im Anhang) findet sich eine noch vorreformatorische Fassung des „Officivm de Passione Domini“ mit drei Nocturnen und einzelnen Modi für die Monate des Jahres. Es handelt sich also um ein vielfach gebrauchtes Offizium.
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XIII. Die lutherische Umgestaltung der Offiziumsliturgie
Dominica Quinquagesimae und Folgetage (251–263). Dominica Invocavit und Folgetage (263–274). Dominica Reminiscere und Folgetage (274–286). Dominica Oculi und Folgetage (287–299). Dominica Laetare und Folgetage (299–313). Dominica Judica und Folgetage (313–327). Dominica Palmarum und Folgetage (327–339). Feria quinta (340–349). Feria sexta (349–357). Sabbatho (358–364). Pars III: A Paschate usque ad Festum SS. Trinitatis (365–468). Festum Paschatis (365–373). Feria II Paschatis (374–376). Feria III Paschatis und Folgetage (376–383). Dominica Quasimodogeniti und Folgetage (383–393). Dominica Misericordias Domini und Folgetage (393–401). Dominica Jubilate und Folgetage (401–409). Dominica Cantate und Folgetage (409–415). Dominica Rogate und Folgetage (415–426). Festum Ascensionis Domini und Folgetage (426–433). Dominica Exaudi und Folgetage (433–441). Festum Pentecostes und Folgetage (441–456). Festum SS. Trinitatis und Folgetage (456–468). Pars IV: A festo SS. Trinitatis usque ad Adventum (469–592). Antiphonae et Responsoria ex historia Regum (469–484). Antiphonae et Responsoria ex libro Sapientiae (484–499). Antiphonae et Responsoria ex libro Jobi (499–514). Antiphonae et Responsoria ex libris Tobiae, Iudith et Ester (514–531). Ex libro Tobiae (515–520). Ex libro Judith (521–527). Ex libro Esther (527–531). Antiphonae et Responsoria ex libro Maccabaeorum (531–545). Antiphonae et Responsoria ex Prophetis (545–562). Antiphonae Dominicales ad Magnificat (562–592). Index Antiphonarium, Responsoriorum etc. (I–XIV).
Die Ordnung liefert im Blick aufs Ganze bezüglich des Propriums de Tempore den aus den spätmittelalterlichen Brevierdrucken bekannten Gebetsbestand. Lediglich die Heiligentage sind gemäß lutherischer Vorgaben reduziert, nämlich auf die biblisch belegten Heiligen. Wenn bei den beiden Offiziumsbüchern vor allem bezüglich der Psalmenverteilung keine exakte Übereinstimmung mit sonstigen aus stiftischem Kontext überlieferten Ordnungen festgestellt werden kann, 77 heißt 77
Vgl. die Tabelle bei ODENTHAL, Matutinae 110, in diesem Band 251–282.
4. Detailuntersuchung
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dies folgendes: Man kannte in Naumburg die gängigen Liturgica zur Stundenliturgie anderer evangelischer Domstifte, war aber 1720 sowie 1751 dennoch bestrebt, eigene Exemplare mit eigener Ordnung zu schaffen. Diese Grundordnung wurde mehr und mehr reduziert, wie ein Bericht des Jahres 1873 zeigt.78 Die letzte Hore des die Säkularisation überdauernden Domkapitels wurde am 20. April 1874 vor der Sitzung des Generalkapitels gesungen, bevor man beschloss, während der anstehenden Domrenovierung die Horen ausfallen zu lassen, wobei es dann blieb. 79
4. Detailuntersuchung: Zum Offizium des Gründonnerstages und am Fest Peter und Paul 4. Detailuntersuchung
4.1 Die Offiziumsliturgie am Gründonnerstag Es wurde bereits darauf aufmerksam gemacht, dass die Reformierung der Liturgie der Karwoche vor allem eine Reduktion um all diejenigen Elemente vornahm, die rituell-dramatisch das Geschehen des Todes und der Auferstehung Christi „inszenieren“ und die der Liber Ordinarius des Domes aus dem 15. Jahrhundert noch berichtet. 80 Die Fußwaschung des Gründonnerstags etwa wurde abgeschafft, dafür aber über die Fußwaschung gepredigt. Man darf ähnliches für die Kreuzverehrung des Karfreitags oder die Licht- und Tauffeier der Ostervigil annehmen. Doch stellt sich die Frage, in welchem Maße die Offiziumsliturgie dieser Tage beibehalten bzw. verändert wurde. Dies soll nun am Beispiel des Gründonnerstags dargestellt werden, wobei die gängige mittelalterliche Ordnung, wie sie generell in den ältesten Handschriften für die Offiziumsliturgie 81 und 78
Die Grundordnung beschreibt ALBRECHT, Mitteilungen 65. Demnach beginnt die Hora matutina mit einer zweifachen Eröffnung (Domine labia und Deus in adiutorium). Darauf folgen ein deutscher Hymnus sowie eine Schriftlesung mit deutschen Bitten. Danach wird lateinisch psalmodiert, worauf das capitulum und das Magnifikat (!) zu singen sind. Das Dominus vobiscum, die Collecta sowie das Benedicamus domino schließen die Hore ab, worauf noch eine Motette angehängt wird. 79 So die Hinweise bei ALBRECHT, Mitteilungen 59, 63–65. Albrecht folgert, bis heute seien die Horen in Naumburg nicht förmlich abgeschafft. 80 Für den Gründonnerstag hat der bereits erwähnte Druckordinarius bezüglich des Offiziums, das er ansonsten nicht schildert, folgende Angaben bereit (Liber Ordinarius Naumburg, Codex 33, fol. 9r’): Dicta communione incipiantur vespere absque Deus in adiutorium et absque Gloria patri, per antiphonam Calicem cum reliquis. Antiphona super magnificat finita celebrans conuersus ad chorum dicat Dominus vobiscum. Oremus. Sequitur complenda et missa cum Benedicamus domino concluditur. Hier zeigt sich die enge Verbindung der Abendmahlsmesse am Gründonnerstag mit der Vesper. Wohl nur letztere blieb übrig. 81 Vgl. HESBERT, CAO 1, 166–171 (Nr. 72a–c).
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XIII. Die lutherische Umgestaltung der Offiziumsliturgie
durch ein Naumburger Brevier von 148782 repräsentiert ist, mit der reformationszeitlichen Ordnung des Magdeburger Domstiftes 83 und der des Officium divinum von 1751 aus Naumburg verglichen werden sollen. Tabelle zur Offiziumsliturgie am Gründonnerstag Vorreformatorische Ordnung: Brevier 1487 Cod. 33, fol. 76v–78r (vgl. CAO 1, 72a–c) Matutin 1. Nocturn Antiphonen: Zelus domus tuae Avertantur retrorsum Deus meus eripe Lesung: Lm 1,1–4 Responsorium: In monte oliveti Lesung: Lm 3,1–10 Responsorium: Tristis es Lesung: Lm 4,1–4 Responsorium: Ecce vidimus
Nachreformatorische Ordnung: Officium divinum 1751, p. 340–349
Zum Vergleich: Magdeburg 1613, p. 529– 544
Zelus domus tuae Avertantur retrorsum Deus meus eripe Lm 1,1–3
Zelus domus Avertantur Deus meus Lm 1,1–3
In monte oliveti Lm 3,1–10
In monte 1 Cor 11,17–25
Tristis es Lm 4,1–4
Tristis es 1 Cor 11,26–32
Ecce vidimus
Ecce vidimus
2. Nocturn Antiphonen: Liberavit Dominus Cogitaverunt impii Exurge domine Lesung: Sermo Augustins Exaudi deus Responsorium: Unus ex discipulis Lesung: Inde est illa vox Responsorium: Eram quasi agnus Lesung: Hoc orat in psalmo Responsorium: Una hora non 82
Naumburg, Domstiftsarchiv Codex Nr. 33. Dieser Codex ist insofern von großer Bedeutung, als er einen gedruckten Ordinarius des Naumburger Domstiftes birgt. Eine Edition wird vorbereitet. 83 Vgl. Cantica sacra.
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4. Detailuntersuchung 3. Nocturn Antiphonen: Dixi iniquis Terra tremuit In die tribulationis Lesung: Io 13,1 Responsorium: Seniores populi Lesung: Quomodo autem transierit Responsorium: Revelabunt celi Lesung: Et cena inquit facta Responsorium: O iuda Laudes Antiphonen: Justificeris Dominus tanquam ovis Contritum est Exortatus es Oblatus est Zum Benedictus: Traditor autem (Nur wenige eigene Angaben, Psalmen ohne Antiphon, „in directum”)
Vesper Antiphonen: Calicem salutaris Cum his qui Ab hominibus Custodi me Considerabam Lesung: keine Zum Magnificat: Cenantibus autem
Justificeris Domine
Justificeris Dominus tanquam ovis Contritum est cor Exhortatus es Oblatus est
Traditor autem Ant. Averte faciem
Traditor autem Prim Ant. Adoramus te Terz R. Ego quasi agnus Sext R. Una hora non Non R. O Juda (Messe)
Calicem salutaris
Calicem salutaris Cum his, qui Ab hominibus iniquis Custodi me Considerabam Lesung: Mt 26
Coenantibus autem
Coenantibus autem
Zunächst ist die weitestgehende Übereinstimmung zwischen der Ordnung des Naumburger Breviers von 1487 und der in den ältesten liturgischen Quellen festgelegten Offiziumsliturgie zu bemerken. Lediglich bezüglich der Responsorien gibt es bei einigen Textzeugen der ältesten Quellen Abweichungen, wenn eine vermehrte Auswahl zur Verfügung steht. Die in
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XIII. Die lutherische Umgestaltung der Offiziumsliturgie
der zweiten Nocturn vorgesehenen Responsorien Unus ex discipulis,84 Eram quasi agnus85 und Una hora86 überliefert so nur der Codex Bamberg der römischen Offiziumsordnung. Sodann stellen einige Zeugen für die Vesper sechs statt – wie hier – fünf Psalmantiphonen zur Verfügung. Neben den gängigen Antiphonen Calicem salutaris,87 Cum his qui,88 Ab hominibus,89 Custodi me90 und Considerabam91 überliefern einige der ältesten Zeugen noch die nicht in Naumburg aufzufindende Antiphon De manu filiorum.92 Die in Naumburg geübte mittelalterliche Praxis entsprach bei diesen geringfügigen Divergenzen weitestgehend dem allgemein geübten Brauch am Gründonnerstag. Es fällt auf, dass bei der Reformierung eine grundsätzliche Reduktion des Pensums vorgenommen wurde: Auch am Gründonnerstag wurde die Matutin auf eine Nocturn gekürzt. Es wurde lediglich die erste Nocturn nach der reformatorischen Umgestaltung der Offiziumsliturgie beibehalten. Unterschiedliche Akzentsetzungen der Domstifter sind etwa in Bezug auf den Umgang mit der Eucharistischen Liturgie zu verzeichnen. Das Magdeburger Domkapitel hält an der „Messe“ des Gründonnerstages fest. Welche Form man in Naumburg fand, ob überhaupt Abendmahlsliturgie gefeiert wurde, ist nicht zu erfahren. Wohl aber informiert der bereits erwähnte Briefwechsel über die Predigt, die eventuell im Rahmen eines Abendmahlsgottesdienstes, eventuell auch im Kontext der Vesper stattfand. 4.2 Die Offiziumsliturgie am Fest Peter und Paul Wenn als Beispiel für die Bewahrung bzw. Umgestaltung der Heiligenfeiern das Fest Peter und Paul untersucht wird, dann deshalb, weil es das Patronatsfest des Naumburger Domes ist.93 Um die Ordnung des Sutorius angemessen werten zu können, bedarf es zunächst einer Vergewisserung der vorreformatorischen Ordnung des Peter-und-Pauls-Offiziums im Naumburger Dom. Hiervon berichten die alten Codices aus Meißen, die seit dem Brand 1532 im Naumburger Domchor benutzt worden sind, zu deren Schonung ja der Druck des Offiziums überhaupt vorgesehen war. Das Fest 84
HESBERT, CAO 7809. HESBERT, CAO 6660. 86 HESBERT, CAO 7807. 87 HESBERT, CAO 1754. 88 HESBERT, CAO 2008. 89 HESBERT, CAO 1199. 90 HESBERT, CAO 2082. 91 HESBERT, CAO 1891. 92 HESBERT, CAO 2111. 93 Vgl. W IESSNER, Naumburg 1,1, 110, der darauf hinweist, dass die beiden Apostelfürsten Patrone des gesamten Bistums sind. Zur Doppelstruktur des Petrus- und Paulusgedenkens vgl. AUF DER MAUR, Feste 116. 85
4. Detailuntersuchung
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Petrus und Paulus findet sich im Antiphonar, das als „Messbuch V“ geführt wird, und zwar auf den Seiten fol. 107r–114r. Die Naumburger Antiphonenordnung stimmt in Bezug auf die ältesten Quellen der Stundenliturgie im Wesentlichen mit der des Codex Bamberg, einem Vertreter der römischen Ordnung, überein.94 Lediglich in der ersten Vesper divergiert die Magnificatantiphon: Die Meißener Handschrift führt Symon bar iona auf, die ein Zeuge des Cursus Monasticus überliefert.95 Des Weiteren weicht, bei identischen Texten, die Reihenfolge der Responsorien in der zweiten Nocturn von der Römischen Ordnung ab, ebenso die der Laudesantiphonen. Im Anschluss an die Laudes nun führt der Meißener Codex die Magnificatantiphon zur zweiten Vesper auf, die bereits auf Paulus bezogen ist: O gloriosum lumen.96 Es folgt ein Suffragium des hl. Petrus, nämlich die Antiphon Quem dicunt homines.97 Das Ergebnis dieses kurzen Durchganges ist also, dass das Meißener Antiphonar mit nur geringen Abweichungen die übliche Offiziumsordnung römischer Prägung überliefert. Wie sieht nun die Umformung durch Sutorius aus? Zunächst verbleiben von den Horen nur die erste und zweite Vesper, die Komplet, das Invitatorium mit einer Nocturn sowie die Laudes. Als Hymnus wird bereits im Psalterium kein eigener zum Fest Peter und Paul mehr vorgesehen, dafür aber der Apostelhymnus Aeterna Christi munera98 genannt. Die Antiphonenordnung99 sieht für die erste Vesper nur eine Antiphon vor, nämlich Adveniente Petro,100 die fünfte der ehemals in der Vesper vorgesehenen Antiphonenreihe. Zum Magnifikat führt das Officium Divinum die Antiphon Beatus Petrus apostolus vidit101 auf, die sich an dieser Stelle bereits bei einigen Zeugen des Cursus Romanus und auch im Halberstädter Offizium von 1591 findet.102 Zur Komplet gibt es die Antiphon Petrus Apostolus et Paulus Doctor gentium,103 für das Nunc Dimittis Goriosi principes terrae.104 Als Invitatorium sieht Sutorius die Antiphon Christum regem 94
Vgl. HESBERT, CAO 1, 256–263 (Nr. 101a–c). HESBERT, CAO 4958, zur Verwendung im Cursus Monasticus vgl. HESBERT, CAO 2, 478–483 (Nr. 101a–c). 96 HESBERT, CAO 4030. 97 HESBERT, CAO 4454. 98 HESBERT, CAO 8252; Psalterium Davidis 278. Dieser Hymnus ist auch in Halberstadt gegen den Hymnus de tempore O lux beata geändert. Vgl. ODENTHAL, Ordinatio 127. 99 Vgl. Officium divinum 67–71. 100 HESBERT, CAO 1295. 101 HESBERT, CAO 1656. 102 Vgl. ODENTHAL, Ordinatio 204. Sonst sind keine Parallelen der veränderten Ordnung zu Halberstadt auffällig. 103 HESBERT, CAO 4284. 104 HESBERT, CAO 2960. 95
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XIII. Die lutherische Umgestaltung der Offiziumsliturgie
regum105 vor, zum Psalm Petrus et Joannes ascenderunt,106 also die erste der für die erste Nocturn vorgesehenen Antiphonen. Als einziges Responsorium verbleibt das letzte Responsorium der dritten Nocturn Petre amas me.107 Zu den Laudes wird lediglich die erste der alten Laudesantiphonen Petre amas me108 beibehalten. Schließlich fügt Sutorius noch die Magnificatantiphon für die zweite Vesper an, und zwar die in der Meißener Ordnung als Suffragium zum hl. Petrus dienende Antiphon Quem dicunt.109 Tabelle zur Offiziumsliturgie am Fest Peter und Paul Vorreformatorische Ordnung: Antiphonar aus Meißen (Messbuch V) (vgl. CAO 1, 101a–c) 1. Vesper Antiphonen: In plateis Ait Petrus Factum est Adveniente Petro Responsorium: Petre amas Versus: In omnem
Nachreformatorische Ordnung: Officium divinum 1751
Magnificat: Symon bariona Invitatorium Rgem regum adoremus Dominum 1. Nocturn Antiphonen: Petrus et Johannes
Beatus Petrus Apostolus
Quem dicunt homines
Christum regem regum
Christum regem regum
Petrus et Johannes ascenderunt
Petrus et Johannes ascendebant Claudus quidam cum vidisset Argentum et aurum non est mihi Simon Petre antequam Si diligis me Simon Petre Tu es Petrus et super
Claudus quidam cum vidisset Argentum et aurum non est Responsorien: Symon Petre antequam Si diligis me Symon Petre Tu es Petrus et super 2. Nocturn Antiphonen: In nomine Jhesu Exiliens claudus et ambula105
HESBERT, HESBERT, 107 HESBERT, 108 HESBERT, 109 HESBERT, 106
CAO 1051. CAO 4287. CAO 7382. CAO 4281. CAO 4454.
Adveniente Petro
Zum Vergleich: Magdeburg 1613, 1085– 1096
In plateis Ait Petrus Factum est Adveniente Petro Petre amas
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4. Detailuntersuchung bat Vidit populus claudum Responsorien: Domine si tu es iube Surge Petre et indue Tu es pastor ovium 3. Nocturn Antiphonen: Petrus autem servabatur Dixit angelus ad Petrum Misit Dominus angelum suum Responsorien: Quem dicunt homines Ego pro te rogavi Petre Petre amas me tu scis Laudes Antiphonen: Petre amas me pasce oves Significavit Dominus Petro Symon Johannis diligis me Ego pro te rogavi Petre Tu es Petrus et super hanc
Petre amas me Petre amas me pasce oves
Simon Johannis diligis me Tu es Petrus et super hanc
Ad Benedictus: Quodcunque ligaveris 2. Vesper Zum Magnificat: O gloriosum lumen Suffragium: Quem dicunt homines
Petre amas me pasce oves
Quodcunque ligaveris
Quem dicunt homines
Antiphon Iuravit Dominus Responsorium: Quem dicunt homines Quodcunque ligaveris
Die Tabelle zeigt folgendes Ergebnis. Im Naumburger Offizium des 18. Jahrhunderts sind deutliche Kürzungen des Pensums, des Antiphonenmaterials wie der Responsorien zu verzeichnen. Statt der drei Nocturnen gibt es nur noch die eine Matutin, die mit der einen Antiphon und den Psalmen wohl des Wochentages bestückt wird. Die als Parallele zur Seite gestellte Magdeburger Ordnung110 ist bezüglich der Eigentexte umfangreicher und bewahrt so mehr Material des traditionellen Peter-und-Pauls-Offiziums. Die Veränderungen lassen indes bislang keine theologische Absicht erkennen. Dies war vielleicht damals auch nicht mehr vordringliches Anliegen, denn durch die Kürzung des gesamten Proprium de Sanctis war bereits der größte Teil nichtbiblischer Heiligen und ihrer liturgischen Texte eliminiert 110
Vgl. Cantica sacra.
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XIII. Die lutherische Umgestaltung der Offiziumsliturgie
worden. Deshalb brauchte man die noch in Halberstadt im 16. Jahrhundert so wichtige Schriftgemäßheit des Betens gar nicht mehr anzumahnen: sie war bereits umgesetzt. Beim Petrusfest nun konnte man auf biblisches Material zurückgreifen, ließ indes auch gelegentlich legendäre Antiphonen stehen.111 Leider fehlen die Orationen, hier hätte man gerne mehr über ihre eventuell korrigierte Textfassung erfahren. Man geht sicherlich nicht fehl, von diesem Beispiel aus auf die Anlage des gesamten Offizium rückzuschließen.
5. Zur Veränderung und Kontinuität des Officium divinum Naumburgs durch die lutherische Praxis 5. Zur Veränderung und Kontinuität des Officium divinum
Bei der Untersuchung der Halberstädter Liturgiereform von 1591 kristallisierten sich folgende Themenbereiche liturgischer Innovationen und Traditionen durch das Luthertum heraus, die nun im für Naumburg erarbeiteten Kontext nochmals gegengelesen werden sollen. a) Es geht bei der lutherischen Umformung der Offiziumsliturgie grundsätzlich um die Schriftgemäßheit liturgischen Betens, woraufhin die Gebetstexte befragt wurden. In diesen Kontext gehören auch entsprechende Veränderungen des Kalendars, nämlich in Form einer Verringerung der Heiligenfeiern um die nicht biblisch belegten Heiligen. Diese Tendenz lässt sich auch für die Naumburger Offiziumsliturgie des 18. Jahrhunderts festhalten. Das Kalendar der Heiligenfeiern ist deutlich reduziert, damit sind zugleich viele Lesungstexte wie Heiligenlegenden in den entsprechenden Offizien der Heiligen ausgeschieden worden. Die Reduktion der Matutin um die zweite und dritte Nocturn führt dazu, dass die Lesungen der Kirchenväter oder Heiligenviten nicht mehr zur gottesdienstlichen Verlesung kommen. b) Der in Kontext lutherischer Theologie unaufgebbare Verzicht auf die Werkgerechtigkeit zeitigte sich in Halberstadt etwa durch eine (sukzessive erreichte) Verringerung des Gebetspensums, das der Erbauung der Domherren dient, nicht einer wie auch immer gearteten Pflichterfüllung. In Naumburg aber offenbart die Psalmenverteilung des Psalterium Davidis ein äußerst reiches Wochenpensum, das alle 150 Psalmen umfasst. Dies war wohl das eigentliche Ziel des Betens: Der gesamte Psalter solle in
111
So die Antiphon Beatus Petrus apostolus vidit (HESBERT, CAO 1656), die die legendäre Begegnung („Quo vadis”) des Petrus mit Christus schildert, der Petrus sagt, er gehe nach Rom, um dort ein zweites Mal gekreuzigt zu werden.
6. Ergebnis und Zusammenfassung
363
Übung bleiben, und diesem Ziel ordnete man die Struktur unter. 112 Die in Halberstadt zunehmend zu beobachtende Verringerung des Pensums lässt sich in Naumburg also nur bedingt feststellen, nämlich in Bezug auf die Reduktion der Nocturnen. c) Die Traditionsstärke der lutherischen Liturgiereform Halberstadts zeigte sich etwa in der Beibehaltung des Gregorianischen Chorals und der lateinischen Sprache. 113 Dieses traditionelle Moment begegnet auch in Naumburg. Ein Vergleich mit anderen Stiften und Klöstern macht indes deutlich, dass die Beibehaltung der lateinischen Sprache wie des Gregorianischen Chorals gängige Praxis war. 114 Indes – wie in Halberstadt auch – verband man die Offiziumsliturgie mit deutscher Schriftlesung, Predigt oder Katechismusunterricht, um eine Auferbauung der Gemeinde mittels des Gottesdienstes zu gewährleisten. d) Im Halberstädter Dom wurden dramatische und prozessionale rituelle Elemente eliminiert, was vor allem die Liturgie der Karwoche einschneidend ändert. Diese Tendenz trifft auch für Naumburg zu, wenn etwa die Drei Österlichen Tage, das Triduum Paschale, fast unkenntlich geworden sind und lediglich durch die „Lamentationes Ieremiae“ noch herausgehoben werden. Mit diesem Befund fügt sich die lutherische Naumburger Liturgiereform passend in ansonsten bekannte Veränderungen der Offiziumsliturgie ein, ohne einer gewissen Eigenständigkeit (Psalmenverteilung etc.) zu entbehren. Da für Naumburg im Gegensatz zu Halberstadt keine Dokumentation der Liturgiereform des 16. Jahrhunderts vorliegt, muss bislang offenbleiben, ob die in den Druckwerken des 18. Jahrhunderts dokumentierte Ordnung bereits im 16. Jahrhunderts so eingeführt worden ist oder ob eine erneute Sichtung der liturgischen Tradition stattgefunden hat. Hier müssten weitere Detailuntersuchungen folgen.
6. Ergebnis und Zusammenfassung 6. Ergebnis und Zusammenfassung
Die ersten Ergebnisse für die Reform der Naumburger Offiziumsliturgie im 16. wie im 18. Jahrhundert lassen sich folgendermaßen zusammenfassen. Die Untersuchung hat das bereits mehrfach benannte Forschungsdesi112 Es fällt folgendes auf: Wird die numerische Ordnung im Psalterium durch eine Verwendung eines Psalmes in einem anderen Kontext unterbrochen, so wird der Psalm an seiner eigentlichen Stelle zwar nicht eigens aufgeführt, doch auf die hier fehlenden Psa lmen an ihrem entsprechenden Ort hingewiesen. So macht man deutlich, daß wirklich alle 150 Psalmen verwendet werden. 113 Vgl. hier auch WENNEMUTH, Hymnus 111–114; 225–233. 114 Vgl. hier u.a. SCHREMS, Geschichte.
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XIII. Die lutherische Umgestaltung der Offiziumsliturgie
derat in Bezug auf die Offiziumsliturgie lutherischer Stifte und Klöster um ein weiteres Mosaik auszufüllen versucht, indem die besonderen Bedingungen des Naumburger Domstift zur Sprache kamen. Wie andernorts hat man auch dort die Stundenliturgie zunächst anhand der alten Chorbücher und Breviere beibehalten, die mittels zum Teil mannigfacher Eintragungen revidiert wurden. Erst im 18. Jahrhundert aber kommt es zu einer Neuausgabe von Antiphonar und Psalterium, wobei bislang offen bleiben muss, in welchem Maße hier nochmals ein Eingriff in die liturgische Tradition stattfand. In der Spannung von Kontinuität und Innovation wird das kirchliche Beten fortgeführt, bis im Zuge des 19. Jahrhunderts zwar nicht das Domstift, aber dessen gottesdienstliche Funktionen aufgegeben werden. Bei alledem bleiben Fragen nach der tatsächlichen Form der beschrieben Liturgie: Sind die überlieferten Druckbögen Rest eines tatsächlichen Ersetzens der alten liturgischen Bücher durch neue? Oder sind sie lediglich Dokumente eines aus welchen Gründen auch immer gescheiterten Versuches, die Liturgie zu reformieren? Weitere Forschung mag hier ansetzen – nicht nur in Naumburg. Damit aber ist die lutherische Offiziumsliturgie als ein großes Themenfeld der Liturgiewissenschaft anempfohlen. „Ein Gottesdienst, der nicht zur Erbauung der Gemeinde dient, hat keinen Wert,“ so urteilte Otto Albrecht die Tradition des täglichen Betens in der Naumburger Domkirche ab.115 Dürfte man nicht heute zu einem anderen Urteil kommen? Wenn unsere Domkirchen als Touristenattraktion, die sie gottlob auch sind, oft ihres sakralen Charakters verlustig gehen, könnte dann nicht tägliches Gebet – freilich in erneuerter Form und nun zur Auferbauung der Gemeinde – eine Stelle im Gefüge dieser Welt offen halten für den Herrn, dessen Ankunft wir entgegengehen?
115
ALBRECHT, Mitteilungen 65.
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Register Register Register
A Aachen 27, 69, 105, 174, 191 Pfalzkapelle 63, 69, 105, 191 Abdinghof Siehe Paderborn, Abdinghof, Kloster Abendmahl 279, 310 Abendmahlsliturgie 171, 213, 251, 278, 299, 358 Abendmahlsstreit 11, 135, 384 Ablutionswein 157 Absolution 90, 203 Abt 29, 39, 45, 51, 65, 72, 76, 123, 124, 202, 264, 266, 320, 400 Abtei XV, 16, 28, 30, 38, 40, 44, 48, 59, 103, 145, 177, 202, 385 Abteikirche 44, 45, 71, 384 Advent 256, 325 Agnus Dei 94, 277 Albe 95 Albrecht von Brandenburg 187, 221, 272 Alcuin 19, 20, 32, 35, 41, 42, 44, 45, 88, 374, 375, 401 Allegorese 136, 142 Allerheiligen 260, 265, 322 Allerseelen 44, 47, 59, 177, 178, 179, 187, 367 Allerseelenfest Siehe Allerseelen Altar 18, 21, 23, 58, 62, 67, 69, 74, 97, 99, 100, 110, 115, 122, 138, 139, 150, 152, 173, 176, 300, 309, 371, 392 Altarreliquie Siehe Reliquie Confessioaltar 114 Hochaltar 114 Hochaltartitulus 115 Kreuzaltar 71, 80, 96, 139
Tragaltar 62, 66, 400, 406 Altarentblößung 179 Altarwaschung 149, 179 Altenburg Pfarrkirche 185 Altgelasianum 38, 198 Ambo 80, 95, 153 Ambrosius von Mailand 34, 135, 196, 197, 201, 341 Amburbalie 192 Andreae, Jakob 264 Ankleiden 23, 55 Anno II., Erzbischof von Köln 52, 106, 122, 124 Annuntiatio 260, 261, 265, 351, 353 Ansgar, hl. 43 Antike XIV, 3, 30, 135, 375, 394 Antiphon 112, 113, 114, 116, 119, 132, 149, 155, 192, 239, 248, 256, 257, 259, 260, 265, 276, 277, 304, 305, 307, 329, 335, 350, 351, 355, 356, 357, 358, 359, 360, 361, 362 Antiphonale 104, 107, 228, 281, 366, 382 Antiphonar 59, 79, 104, 106, 107, 185, 265, 275, 276, 286, 299, 352, 359, 360, 364 Apologie 21, 23, 34, 35, 247, 316 Apologientyp 21, 23, 33, 48 Apostelgeschichte 115, 117, 118 Apostelnstift Siehe Köln Arnold II., Erzbischof von Köln 106 Asche 10, 143, 146, 152, 153, 155, 156, 158, 398 Aschenritus 10, 146, 154, 156 Aschermittwoch 89, 143, 144, 146, 151, 152, 153, 157, 158, 178, 179 Asperges 192, 273 Aspersion 107
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Register
Athanasius, hl. 295, 297 Augustiner Eremit 188, 224 Augustiner-Chorherrenstift 78 Augustinerinnenkloster 10, 143, 147, 149, 151, 156, 398, Siehe Kloster Augustinerkloster 223, 224, 225, 250 B Bamberg XIII, 30, 39, 40, 46, 55, 87, 89, 94, 95, 98, 100, 129, 170, 176, 358, 359, 393, 397, 411 Baptisterium 100 Basel 46, 176, 182, 221, 288, 295, 296, 365, 371, 384, 401, 410 Basilika 27, 68, 168 Bayern XIV, 26, 166, 313 Beerdigungsmesse Siehe Messe Begräbnisordnung 266 Beichte 28, 29, 30, 33, 43, 180, 195, 201, 202, 203, 204, 257, 258, 383 Beichtfenster 156 Beichtformel 28, 29, 202, 371 Beichtvater 156 Beichtformular 29, 30, 202 Benedikt VIII., Papst 69 Benedikt von Aniane 28, 32, 42, 174, 198, 394 Benedikt von Nursia 28, 32, 42, 69, 174, 198, 200, 238, 266, 284, 380, 386, 387, 390, 394 Benediktinerabtei 74 Benediktsregel 137, 238, 267 Berge 211, 213, 254, 260, 264, 265, 266, 267, 280, 281, 298, 299, 305, 307 Berlin VI, 20, 75, 213, 246, 249, 253, 275, 284, 289, 291, 292, 298, 322, 323, 326, 330, 331, 369, 376, 377, 378, 379, 387, 389, 390, 391, 394, 395, 402, 404, 405, 407, 408 Bernold von Konstanz 46, 47, 389 Bildersturm 77 Bination 183 Bischof 9, 17, 19, 20, 26, 30, 50, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 66, 68, 70, 73, 74, 75, 88, 89, 90, 92, 93, 94, 96, 97, 98, 114, 121, 122, 141, 148, 165, 169, 177, 188, 193, 195, 196, 197, 199, 201, 202,
221, 229, 267, 268, 269, 272, 279, 283, 286, 287, 288, 289, 290, 292, 296, 316, 317, 320, 321, 324, 325, 326, 340, 341, 342, 343, 367, 383, 389, 390, 393, 394, 398, 407 Bittmesse 118 Bittmittwoch 118 Bittprozessionen Siehe Prozession Bitttag 71, 108, 118, 119 Bonifatianisch-karolingische Liturgiereform Siehe Liturgiereform Bonifatius IX., Papst 89 Bonifatius, hl. 8, 16, 25, 26, 31, 32, 36, 38, 41, 42, 50, 57, 59, 66, 133, 164, 165, 166, 186, 197, 198, 335, 366, 377, 383, 384, 397, 398, 403 Bonn VI, XIII, 50, 103, 113, 125, 126, 129, 130, 131, 132, 137, 145, 155, 369, 377, 381, 383, 396, 397, 398, 400 Cassiusstift 129, 130, 132, 400 Bozen 185 Brandenburg 46, 75, 169, 175, 213, 254, 279, 280, 283, 284, 285, 286, 287, 288, 305, 323, 389 Bremen 30 Breviarium Siehe Brevier Brevier 75, 77, 101, 187, 188, 208, 211, 221, 222, 223, 224, 230, 249, 253, 270, 271, 273, 286, 309, 311, 321, 322, 323, 325, 327, 330, 331, 332, 333, 334, 335, 336, 343, 346, 347, 349, 353, 356, 364, 370 Breviarium 24, 79, 80, 81, 87, 88, 90, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 97, 99, 100, 101, 169, 188, 224, 286, 322, 325, 327, 328, 329, 330, 331, 334, 335, 336, 343, 385 Brevierpflicht 221, 226 Brotbrechung 56 Bruderschaft 59 Bruno I., Erzbischof von Köln 118, 150, 152 Buch, Bergisches 265, 299 Bugenhagen, Johannes 246 Bulle 3, 89, 169, 170, 176 Bünau, Günther von 344, 345 Bursfelde 157 Busdorfstift Siehe Paderborn
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Register Buße 10, 28, 29, 30, 31, 35, 37, 41, 42, 43, 45, 48, 58, 65, 88, 89, 90, 136, 146, 158, 186, 194, 195, 201, 204, 219, 319 Bußinstitut 29, 38, 101, 146, 147, 202, 203, 318 Bußleistung 31 Bußpraxis 29, 45, 88, 203 Bußwesen 28, 29 Tarifbuße 30, 31, 32, 43, 201 Tarifwesen 38 Büßerrekonziliation 80, 88, 89, 90, 91, 195 Bußinstitut Siehe Buße Bußleistung Siehe Buße Busso von Alvensleben, Bischof von Havelberg 287, 288 Bußpraxis Siehe Buße Bußpsalm 99, 152, 311 Bußwesen Siehe Buße C Caecilienkloster Siehe Köln, St. Caecilien Canon 33, 35, 36, 37, 40, 55, 58, 64, 65, 66, 68, 83, 93, 135, 175, 176, 183, 249, 386, 407 Canon Missae Siehe Messe Canon Romanus 33, 35, 36, 37, 40, 55, 58, 64, 65, 66, 68, 83, 135, 175, 176, 249 Cantica Sacra 262, 348 Canticum 56, 131, 276, 277, 297 Cantional 258, 259, 261, 304 Capsa 18, 173 Cassian, Johannes, hl. 295, 296, 312 Cassiusstift Siehe Bonn Ceremoniale Coloniense 108, 150, 365 Chartres 22 Chemnitz, Martin 264 Chor 51, 77, 80, 90, 95, 96, 99, 100, 106, 114, 138, 152, 153, 164, 170, 186, 187, 188, 209, 226, 228, 261, 272, 278, 295, 310, 321, 328, 333, 334, 336, 341, 342, 347, 369 Chorabschrankung 80, 145 Chorgestühl 190, 334, 348 Chorpflicht 226 Chorabschrankung Siehe Chor
Choral 27, 166, 209, 217, 269, 271, 272, 281, 291, 301, 308, 328, 346, 372 Chordienst 44, 78, 188, 190, 223, 227, 253, 274, 298, 347, 352 Chorgebet 12, 99, 144, 148, 186, 189, 190, 209, 213, 220, 224, 228, 234, 240, 242, 247, 248, 250, 288, 347 Chorgestühl Siehe Chor Chorpflicht Siehe Chor Chrisam 94, 318 Chrisamweihe 100 Chrisamweihe Siehe Chrisam Christoph von Möllendorff 274 Chytraeus, David 261, 265, 298, 299, 300, 301, 305 Cluny 47, 59, 177, 408 Collecta 54, 111, 112, 115, 146, 152, 153, 154, 258, 306, 307, 309, 310, 335, 355 Commixtio 23, 56, 400 Concilium Germanicum Siehe Konzil Confessio Augustana 77, 139, 247, 265, 278, 299, 316, 318 Confessioaltar 106, 111, Siehe Altar Confiteor 85, 97, 98, 154, 179 Schuldbekenntnis 91, 97 Consuetudines 138, 161, 407 Conversio Pauli 260, 265, 353 Cornerus, Christoph 265 Corvey 43 Crailsheim 162, 373 Credo 194, 198, 221, 277, 296, 326 Glaubensbekenntnis 176, 193, 198, 309 Creglingen 163, 371 Cruciger, Caspar 246 Cursus Monasticus 359 Cursus Romanus 128, 256, 359 D Dalmatik 62, 63, 326 Danksagung 55 Dechant 268, 290 Decollatio 120, 260, 265 Dei Verbum 13 Dekan 242, 251, 263 Deutz 110, 113, 117, 119, 124
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Register
Diakon 45, 56, 62, 63, 95, 96, 115, 143, 310 Dinkelsbühl 163 Diözesanliturgie 17, 23, 25, 46, 48, 169, 170 Diözese XV, 46, 48, 57, 73, 124, 157, 170, 175, 187, 339, 374, 378, 379, 403 Diptychengedächtnis 33 Diskos 92, 375 Domdechant 46, 54, 79, 175, 267, 268, 289, 290, 324, 330, 343, 344, 345, 384, 397 Domherr 76, 77, 91, 92, 95, 141, 268, 271, 273, 274, 278, 289, 290, 308, 317, 321, 322, 323, 324, 327, 328, 333, 339, 343, 362 Domimmunität 273 Dominikaner Siehe Orden Domkapitel 72, 76, 77, 89, 141, 178, 221, 254, 269, 270, 272, 273, 275, 279, 283, 287, 289, 294, 295, 297, 302, 305, 311, 312, 313, 317, 320, 321, 324, 325, 330, 332, 334, 339, 347, 348, 382 Dompropst 271, 308 Domschatz 24, 66, 74, 76, 78, 79, 92, 95, 101, 114, 118, 273, 285, 289, 322, 323, 326, 331, 347, 372, 375, 376, 405 Domstift 12, 74, 76, 77, 81, 103, 105, 108, 117, 120, 145, 223, 246, 249, 254, 267, 268, 269, 270, 273, 275, 279, 281, 283, 285, 286, 287, 288, 289, 290, 293, 300, 303, 308, 312, 313, 317, 320, 324, 332, 339, 341, 343, 347, 349, 351, 356, 364, 397 Durandus von Mende 230, 294, 376, 392 Düsseldorf 154, 369, 370, 373, 383, 385, 387, 398, 399, 406 E Echternach 22, 399 Ego-Quelle 7, 161 Ehrenamt 283 Eigil, Abt von Fulda 38, 44, 384 Einsetzungsbericht 37, 68
Eler, Franciscus 140, 260, 261, 262, 291, 298, 300, 305, 306, 307, 375 Eler, Fransciscus 260 Elevatio crucis 98, 127, 131, 379 Elevatio Crucis 127, 130, 131 Elevation 80, 93, 136, 172, 181 Engel 37, 41, 65, 91 Epiphanie 119, 217, 218 Episkopat 340, 342 Eppan Pfarrkirche 185 Eremit Siehe Augustiner Eremit Erfurt 219, 223, 224, 225, 227, 250 Erkanbald, Erzbischof von Mainz 30 Erwitte 60 Erzbistum XVII, 30, 51, 143, 189, 204, 273, 378 Erzkanzler 105 Essen XVI, 11, 74, 96, 97, 98, 144, 148, 153, 172, 182, 367, 378, 388, 400, 403 Eucharistie 9, 18, 21, 26, 28, 33, 42, 43, 45, 47, 88, 92, 97, 135, 136, 157, 166, 168, 173, 174, 177, 180, 181, 183, 194, 198, 273, 341, 380, 394, 397 Eucharistiefeier 25, 31, 33, 43, 48, 70, 88, 100, 136, 143, 147, 157, 172, 176, 181, 183, 184, 192, 380 Eucharistiegebet 35, 55, 56, 58, 64, 65, 66, 172, 401 Eucharistiefeier Siehe Eucharistie Eucharistiegebet Siehe Eucharistie Evangelium 17, 23, 110, 111, 112, 113, 116, 117, 119, 167, 215, 259, 309, 410 Exkommunikation 203 Exsultet 99, 100 F Farbenkanon 95 Feiertag 116, 117, 179, 188, 259, 295, 330 Firmung 26, 165, 199, 317, 319, 366, 374, 381 Frankenreich 20, 198 Frankfurt (Oder) 300 Franziskaner Siehe Orden Friedensgruß 24, 47, 56
417
Register Friedrich IV., Erzbischof von Halberstadt 317 Friedrich Wilhelm III., König von Preußen 279 Friedrich Wilhelm von Brandenburg, der Große Kurfürst 271, 309 Frömmigkeit 30, 33, 41, 43, 44, 45, 53, 54, 60, 68, 69, 97, 98, 101, 123, 135, 172, 185, 186, 205, 214, 216, 220, 229, 234, 294, 300, 311, 319, 339, 368, 372, 375, 379, 380, 383, 394, 395, 403, 405 Fronleichnam 330 Fulda XIV, XV, 9, 16, 17, 20, 22, 25, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 36, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 48, 55, 59, 70, 186, 195, 201, 202, 368, 370, 371, 377, 383, 384, 397, 398, 399, 401, 402, 403, 404, 405, 406, 411 Kloster 48, 59, 368, 377, 384, 406 G Gabenbereitung 18, 23, 32, 34, 54, 58, 340 Gebet Gebetsbund 31 Gebetsleistung 10, 31, 32, 33, 48, 59, 219 Gebetspensum 55, 137, 209, 231, 301, 331 Gebetspraxis 31, 210, 214, 215, 221, 223, 233, 252 Gebetsverbrüderung 28, 31, 32, 43, 44, 45, 48, 59, 73, 186, 219 Gebetsbünde Siehe Gebet Gebetsleistung Siehe Gebet Gebetspensum Siehe Gebet Gebetspraxis Siehe Gebet Gebetsverbrüderung Siehe Gebet Gegenreformation 76, 271, 309, 320 Gelübde 209, 212, 228, 237 Mönchsgelübde 208, 232, 233, 236, 248 Ordensgelübde 237 Gemeindegottesdienst 12, 174 Gemeindeliturgie 190, 200, 209, 210, 211, 236, 239, 240, 242, 248, 258, 281, 300, 315 Gemeindemesse Siehe Messe
Gereonskirche Siehe Köln, St. Gereon, Siehe Köln, St. Gereon Gesamtkirche 50 Gewand, liturgisches Siehe Paramente Gewissensfreiheit 232 Glaubensbekenntnis Siehe Credo Gläubigenkommunion Siehe Kommunion Glockenkasel Siehe Kasel Gloria 17, 18, 23, 54, 82, 86, 91, 93, 112, 149, 152, 154, 155, 167, 173, 222, 276, 277, 297, 309, 355 Gottesdienstauffassung 8, 224 Gotteshausbuch 162, 163, 371 Göttingen VI, 17, 28, 29, 38, 39, 40, 41, 92, 201, 202, 368, 373, 378, 388, 389, 402, 405, 411 Grab 70, 96, 98, 110, 114, 126, 127, 128, 129, 131, 132, 138, 139, 141, 151, 197, 317, 333, 335, 396 Grablegung 95, 97, 127, 129, 130, 379 Grablegung Siehe Grab Graduale 17, 104, 169, 185, 273, 291, 306, 307, 335 Gregor I., der Große, Papst 19, 341, 382 Gregor II., Papst 26, 165, 197 Gregor III., Papst 36 Gregorsmesse 181, 378 Gründonnerstag 10, 26, 57, 74, 80, 81, 88, 89, 90, 91, 92, 94, 101, 149, 157, 165, 195, 284, 318, 334, 346, 355, 356, 358, 397 Gründonnerstagsmesse Siehe Messe Gsies 162, 368 St. Magdalena 162, 368 H Hadrian I., Papst 27, 174 Halberstadt 10, 12, 24, 74, 75, 76, 77, 78, 79, 81, 87, 88, 89, 92, 93, 94, 95, 96, 98, 99, 100, 101, 102, 141, 157, 187, 189, 213, 221, 224, 245, 254, 256, 259, 264, 272, 273, 274, 275, 278, 279, 281, 284, 285, 289, 292, 294, 297, 298, 300, 301, 304, 305, 309, 312,313, 314, 316, 318, 320, 321, 322, 323, 324, 325, 326, 327,
418 328, 329, 330, 332, 334, 336, 337, 343, 345, 346, 347, 351, 352, 353, 359, 362, 363, 366, 367, 369, 372, 375, 376, 377, 387, 389, 390, 391, 396, 397, 402, 404, 405, 407, 408, 410 Hamburg 30, 46, 103, 140, 145, 148, 175, 261, 300, 305, 369, 371, 390, 399, 407 Händewaschung 19, 23, 55, 62, 98 Lavabo 23 Hannover 213, 378 Hatto II., Abt von Fulda, Erzbischof von Mainz 29, 39, 202 Havelberg 12, 213, 221, 250, 254, 261, 264, 267, 268, 269, 270, 279, 281, 283, 285, 286, 287, 288, 289, 290, 291, 292, 294, 295, 297, 298, 299, 301, 302, 303, 305, 307, 308, 311, 312, 348 Heidenmission 26, 74, 166, 197 Heilbronn 258, 304 Heilige Heiligenkult 249, 261, 308 Heiligenlegende 241, 255, 362 Heiligenverehrung 241, 255, 319 Heiliges Grab 10, 11, 74, 97, 98, 100, 125, 126, 130, 131, 139, 141, 149, 179, 180, 343, 384, 398 Heinrich II., Kaiser 52 Heinrich Julius von Braunschweig, Bischof von Halberstadt 75, 317 Heinrich, Bischof von Würzburg 30 Heinrich, Herzog von Sachsen 246 Helena, hl. 106, 113, 114, 381, 385 Heribert, Erzbischof von Köln 4, 105, 122, 124 Hermann II., Erzbischof von Köln 52, 122 Herrenjahr 243, 263, 325, 330 Herrenmahl 314 Hieronymus Schultz, Bischof von Havelberg 287 Hildigrim, Bischof von Halberstadt 74 Hilpoltstein 162, 183, 184, 188, 378 Himmelfahrt - Christi 71, 104, 108, 114, 115, 118, 119, 120, 188 - Mariä 184, 329 Himmelspforten 156
Register Historia 128, 268, 290 Hochaltar 76, 110, 119, 123, 157, 171, 320, Siehe Altar Hochamt 121 Hochchor 110, 114 Hora Canonica 12, 209, 210, 211, 214, 221, 226, 227, 231, 234, 235, 236, 248, 296, 344 Horenkumulation 227 Hostie 56, 80, 83, 93, 98, 101, 127, 136, 181 Hrabanus Maurus, Abt von Fulda, Erzbischof von Mainz 22, 30, 32, 33, 39, 41, 43, 44, 387, 400 Hymnus 37, 81, 100, 217, 218, 256, 262, 276, 277, 306, 311, 331, 334, 350, 351, 355, 359, 363 I Ikonographie 39, 66, 91 Ikonoklasmusstreit 36 Illyricus, Mathias Flacius 20, 372, 380, 399 Imitatio 142 Ingolstadt 162, 171, 180, 183, 186, 187, 188, 189, 192, 200, 379 Initiand 196 Initianden 196 Initiation 88, 157, 165, 195, 196, 199 Initiationsform 26 Inkulturation 25, 133, 164, 166, 168, 397 Innozenz IV., Papst 188, 224 Introitus 6, 17, 23, 54, 91, 119, 155, 277, 279 Italien 41, 46, 105, 175 J Jerusalem 27, 64, 70, 71, 105, 110, 111, 113, 115, 116, 119, 120, 134, 139, 168, 334 Joachim Friedrich, Bischof von Havelberg 289 Joachim II., Kurfürst von Brandenburg 288 Johan III., König von Schweden 299 Johann von Schlabrendorff, Bischof von Havelberg 287 Johannes Apostel 110
Register Johannes Baptist 110, 353 Jonas, Justus 246 Julius II., Papst 287 K Kaiserhof 28, 174 Kanonikerreform 51, 65, 164, 369 Kanonikerstift 72 Kanzel 309 Kapelle 55, 61, 69, 189, 224, 321, 326 Taufkapelle 99, 120, 200 Kapitelsmesse Siehe Messe Kapitular 25, 26, 165 Kaplan 53 Karfreitag 10, 74, 80, 83, 92, 95, 97, 98, 101, 125, 126, 127, 130, 140, 189, 260, 262, 334, 335, 336, 355, 379, 386, 397, 402 Karfreitagsliturgie 80, 95, 127, 129, 130, 131, 151, 157, 334 Karl der Große 26, 27, 57, 165, 174, 366 Karl Martell 26, 165 Karlmann 26, 57, 165, 199 Karolinger 8, 9, 28, 173, 380, 387, 406 Karsamstag 10, 74, 80, 86, 98, 99, 101, 125, 126, 137, 200, 322, 335, 397 Karwoche 108, 140, 179, 256, 318, 334, 336, 346, 355, 363 Kasel 62, 63, 182, 289 Glockenkasel 95 Kasualien 163, 171, 193, 205 Katechese 181, 196, 197 Katechumenat 196 Katechumenatsritus 194 Taufkatechumenat 146 Katechumenenöl 93, 94 Kathedrale 30, 169, 177, 200, 203, 339, 382 Kathedralliturgie 87, 90, 93, 94, 95, 98, 100, 101, 177, 202, 204, 335, 411 Kelch 53, 60, 66, 93, 97, 140, 157, 317 Messkelch 53, 57 Keuchenthal, Johannes 291, 304 Kilian, hl. 62 Kindertaufe 179, 195, 199 Kirche, Anglikanische 337
419 Kirchenjahr 92, 108, 122, 163, 203, 351, 409 Weihnachtsfestkreis Siehe Weihnachten Kirchenordnung 75, 76, 140, 162, 215, 245, 253, 254, 288, 289, 291, 299, 313, 316, 317, 318, 319, 320, 339, 340, 347, 392, 393, 394, 405, 412 Wolfenbütteler Kirchenordnung 318 Kirchenraum 69, 71, 105, 128, 130, 134, 191, 384, 397, 398 Kirchenväterhomilie 237 Kirchweihe 71, 120 Kleriker 10, 55, 63, 96, 114, 138, 151, 173, 183, 186, 187, 189, 196, 240, 245, 255, 273, 344 Klerikerbild 43, 51, 164, 400 Klerus 26, 42, 43, 58, 72, 96, 124, 137, 157, 162, 165, 167, 174, 179, 189, 221, 314, 328, 333 Klerusliturgie 320 Niederklerus 193 Pfarrklerus 194 Seelsorgeklerus 164, 410 Stadtklerus 68, 105, 134, 191 Stiftsklerus 376 Kloster 21, 25, 27, 36, 38, 42, 48, 55, 59, 68, 69, 77, 105, 107, 124, 137, 144, 147, 148, 149, 152, 156, 167, 168, 190, 191, 204, 209, 213, 224, 226, 227, 234, 235, 240, 250, 254, 260, 264, 265, 266, 267, 275, 280, 281, 282, 298, 299, 305, 307, 315, 321, 368, 377, 379, 383, 384, 396, 397, 399, 403, 405, 406 Abdinghof Siehe Paderborn Berge 264, 299 Fraterherrenkloster 106 Frauenkloster 157 Klosterfrau 144 Klostergründung 59 Klosterkapitel 281 Klosterkirche 103, 145, 149, 161, 168, 170, 190, 248 Klosterleben 236, 316 Klosterliturgie 68, 104, 133, 151, 380 Klosterordnung 254, 318, 319 Klosterschule 43 Klosterstadt 68, 104, 133, 191
420 Klosterzeit 222, 224, 226, 228 Kommunität 219 Konvent 218, 219, 254 Männerkloster 157 Nonnenkloster 158 Preetz, Benediktinerinnenkloster 157 Schulkloster 264 St. Alban Siehe Mainz St. Gallen 17, 21, 23, 40, 396, 397 Weidenbach 106, 107 Weiher, bei Köln 147 Kniebeuge 96 Koadjutor 264 Köln XIV, XVI, XVII, 10, 18, 22, 23, 31, 33, 35, 36, 37, 39, 40, 42, 46, 48, 50, 52, 55, 63, 68, 70, 73, 87, 99, 103, 104, 105, 106, 108, 109, 110, 111, 112, 113, 114, 115, 116, 117, 118, 119, 120, 121, 122, 123, 124, 126, 143, 144, 145, 147, 148, 149, 150, 151, 152, 153, 154, 155, 156, 157, 161, 162, 163, 168, 169, 170, 175, 176, 177, 178, 179, 180, 181, 182, 183, 187, 189, 190, 191, 192, 194, 199, 200, 203, 204, 219, 335, 365, 366, 369, 370, 373, 376, 378, 379, 381, 387, 388, 389, 390, 391, 392, 396, 397, 398, 399, 400, 403, 405, 407, 408, 410, 411 Apostelnstift 120, 121 St. Alban 373 St. Caecilien 10, 103, 118, 122, 143, 147, 148, 149, 150, 151, 152, 156, 157, 398 St. Georg, Stift 123, 124, 373 St. Gereon 10, 50, 103, 104, 105, 106, 107, 108, 109, 110, 111, 112, 113, 114, 115, 116, 117, 118, 119, 120, 121, 122, 123, 124, 145, 156, 177, 397 St. Jakob 203, 378 St. Kolumba 162 St. Kunibert 162, 365 St. Maria ad Gradus 123, 124 St. Ursula 115, 144, 145, 153, 388, 410 Kommunion 20, 24, 47, 56, 91, 92, 93, 94, 97, 157, 173, 194 Augenkommunion 181, 372 Gemeindekommunion 181
Register Gläubigenkommunion 136 Kommunionbank 171 Kommunionempfang 115, 136, 181, 203 Kommunionfeier 92, 97, 129, 334 Kommunionfenster 157 Kommunionfrequenz 172, 176, 181 Kommunionritus 21, 55, 94 Kommunionspendung 180 Kommunionteil 95, 98, 183 Laienkommunion 173 Osterkommunion 179, 180, 194 Pflichtkommunion 180 Kompetentenzeit 196 Komplet 226, 234, 247, 257, 258, 259, 270, 273, 279, 298, 302, 303, 307, 328, 333, 335, 346, 350, 351, 359 Konfession 76, 77, 249, 284, 313, 314, 336, 337 Konfessionalisierung VI, 6, 8, 11, 12, 139, 162, 164, 172, 184, 208, 254, 271, 282, 309, 338, 383, 406 Konfessionswechsel 278 Konkordienformel 264, 265, 298, 299 Konrad II., Kaiser 124 Konrad von Abdinghof 51, 61, 65 Konsekration 80, 92, 94 Konsekrationsverständnis 299 Konventgebäude 119 Konventmesse Siehe Messe Konzil 3, 26, 57, 166, 173, 180, 189, 221, 223, 288, 296, 380 Concilium Germanicum 25, 26, 57, 165, 199 II. Vatikanisches Konzil 3, 13, 48, 50, 143, 284, 297, 311, 337, 346 IV. Laterankonzil 194 Konzil von Trient 3, 8, 11, 27, 44, 47, 163, 164, 168, 169, 170, 172, 176, 189, 206, 284, 380 Konzilskommission 48 Kornelius, Hauptmann Apg. 117, 118 Krankenöl 93 Krankensalbung 195 Kreuzaltar Siehe Altar Kreuzerhebung Siehe Elevatio Crucis Kreuzesopfer 58, 135, 401 Kreuzestod 58, 91 Kreuzgang 90, 321, 325, 326
421
Register Kreuzverehrung 95, 96, 97, 98, 101, 129, 334, 355 Krypta 106, 123, 150 Kult 38, 65, 66, 67, 106, 134, 135, 137, 142, 236, 347, 366, 376, 401 Kultätiologie 227 Kultbeamter 62 Kultdiener 54, 62 Kurie 188, 224, 228, 299 Kyrie 17, 18, 54, 173, 273, 277, 279, 306, 307, 309, 335 L Laie 42, 43, 44, 60, 92, 143, 144, 157, 158, 187, 189, 193, 222, 317, 319, 369, 372 Laienkelch 140, 319, 342 Lamentationes Ieremiae 363 Langhaus 77, 79, 90, 177, 320, 321, 333 Latein 66, 231 Laterankonzil Siehe Konzil Laudes 128, 187, 220, 247, 256, 258, 259, 270, 277, 303, 327, 328, 332, 334, 336, 351, 357, 359, 361 Lauterbach, Anton 230 Lavabo Siehe Händewaschung Leo III., Papst 28 Lettner 80, 171, 190, 278 Lettneranlage 80, 96, 333, 334 Lettnerbühne 80, 97 Liber Ordinarius 10, 50, 51, 54, 69, 71, 72, 79, 89, 95, 97, 103, 104, 105, 106, 107, 108, 109, 115, 116, 117, 118, 120, 121, 122, 129, 130, 131, 138, 143, 144, 145, 148, 149, 150, 151, 152, 153, 156, 159, 163, 177, 191, 192, 272, 284, 286, 312, 343, 355, 367, 372, 380, 387, 389, 390, 397, 398, 410 Liborius, hl. 62, 384, 406 Lindlar 163, 193 Litanei 90, 99, 258, 259, 322, 351 Liturgiereform 3, 5, 8, 12, 13, 16, 25, 26, 27, 28, 33, 38, 47, 48, 50, 57, 125, 133, 138, 140, 143, 162, 163, 164, 165, 166, 169, 170, 175, 187, 205, 209, 210, 212, 250, 251, 263, 269, 272, 274, 278, 282, 283, 284,
285, 292, 294, 299, 311, 319, 323, 328, 337, 338, 343, 362, 363, 367, 380, 386, 387, 392, 394, 397, 399 Naumburg 363 Wittenberger Liturgiereform 171, 215 Liudgeriden 74, 320, 402 Lossius, Lucas 259, 260, 261, 262, 285, 291, 304, 306, 307, 308 Ludecus, Matthaeus 12, 260, 267, 268, 269, 270, 271, 290, 291, 292, 293, 295, 296, 297, 298, 299, 300, 301, 302, 303, 305, 306, 307, 308, 309, 311, 312, 347 Lüdtke 269 Lumen gentium 50 Lüneburg 157, 254, 259, 260, 261, 267, 318 Luther, Martin 7, 12, 134, 139, 140, 141, 184, 208, 209, 210, 211, 212, 213, 214, 215, 216, 217, 218, 219, 220, 221, 222, 223, 224, 225, 226, 227, 228, 229, 230, 231, 232, 233, 234, 235, 236, 237, 238, 239, 240, 241, 242, 243, 244, 245, 246, 247, 248, 249, 250, 251, 252, 253, 254, 255, 256, 257, 258, 259, 261, 263, 264, 266, 275, 281, 285, 291, 294, 304, 310, 311, 314, 315, 316, 318, 319, 321, 323, 326, 328, 329, 332, 334, 338, 340, 344, 346, 380, 387, 390, 391, 398, 399, 401, 403, 405, 406, 410 Luykx, Bonifaas 21, 22, 23, 24, 25, 40, 43, 48, 54, 391 M Maccioni, Valerio, Apostolischer Vikarbischof 325, 326 Magdeburg 75, 76, 77, 141, 211, 213, 223, 246, 254, 264, 265, 269, 270, 273, 275, 276, 279, 281, 284, 289, 299, 302, 303, 305, 317, 321, 324, 325, 329, 330, 331, 332, 333, 334, 335, 336, 348, 356, 360, 376, 401, 404, 405 Dom 223, 278, 329 Domkapitel 273, 274, 275, 348, 358 Domstift 275, 280, 356
422 Synode 288 Magnifikat 83, 95, 129, 214, 243, 244, 256, 258, 262, 263, 265, 276, 306, 309, 311, 335, 350, 354, 355, 357, 359, 360, 361 Mainz 17, 21, 23, 29, 39, 40, 46, 50, 162, 170, 175, 179, 188, 192, 202, 225, 369, 370, 376, 400, 401, 403 Bischofsstuhl 29, 39, 202 Erzbischof 30 St. Alban 27, 39, 168 St. Christoph 162, 376 Manipel 62, 182 Marienoffizium Siehe Offizium Märtyrer 110, 114, 115, 116, 118, 121 Märtyrerbasilika 69 Märtyrergrab 71, 121, 397, 398 Martyrologium 169 Mathesius, Johannes 231, 233 Matutin 12, 122, 126, 131, 132, 137, 188, 225, 226, 234, 241, 242, 251, 253, 259, 260, 261, 262, 263, 265, 266, 269, 270, 276, 277, 279, 302, 303, 323, 327, 328, 331, 332, 335, 345, 347, 350, 351, 356, 358, 361, 362, 398 Matutinale 267, 269, 291, 292, 298, 308, 312, 347 Meinwerk, Bischof von Paderborn 9, 50, 51, 52, 53, 58, 59, 60, 61, 65, 66, 67, 70, 71, 72, 73, 367, 393, 394, 398, 407 Vita Meinwerci 51, 53, 54, 55, 56, 58, 59, 60, 61, 66, 67, 70, 71, 72, 73, 402, 407, 409 Meißen 347, 348, 349, 358, 360 Dom 281, 347 Domstift 339 Meister Eckhart 182 Melanchthon, Philipp 209, 229, 246, 247, 259, 297, 304, 316, 324 Memoria 36, 129, 162, 187, 340, 378, 388, 401, 404 Memorienkultur 176 Mendikanten Siehe Orden Mesnerbuch 161 Messallegorese 136 Messe 9, 16, 17, 18, 19, 22, 24, 25, 29, 31, 33, 34, 35, 38, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 52, 54, 58, 62, 64,
Register 66, 73, 77, 89, 91, 93, 101, 103, 104, 112, 118, 121, 125, 128, 129, 133, 135, 136, 140, 142, 144, 146, 148, 149, 150, 152, 155, 163, 167, 168, 170, 171, 172, 175, 178, 179, 180, 181, 182, 183, 185, 186, 187, 189, 191, 193, 196, 213, 215, 219, 220, 221, 227, 239, 240, 242, 244, 245, 246, 251, 254, 255, 256, 257, 259, 261, 273, 275, 279, 288, 295, 297, 304, 315, 317, 318, 319, 321, 322, 324, 326, 329, 334, 338, 339, 341, 346, 347, 357, 358, 375, 377, 380, 384, 392, 397, 401 Abendmahlsmesse 334, 355 Beerdigungsmesse 183 Canon Missae 184 Deutsche Messe 258 Evangelische Messe 326 Frühmesse 310 Gemeindemesse 173 Gründonnerstagsmesse 6, 92, 101, 179 Kapitelsmesse 77, 321 Konventmesse 45, 170, 327 Messbuch 174, 359, 360 Messedekret 36, 70, 185 Messerklärung 180 Messformular 67, 119, 195, 208, 241, 244, 255, 275, 291, 315, 319, 332 Messgewand 76, 319, 326 Messliturgie 11, 30, 36, 42, 54, 55, 66, 70, 155, 173, 174, 176, 180, 181, 182, 187, 333, 400 Messopfer 32, 60, 63, 176 Messopfertheologie 19, 32, 36, 58, 134, 135, 136, 171, 213, 251, 260, 308, 338, 340, 406 Messordo 9, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 33, 34, 39, 40, 42, 43, 45, 46, 47, 48, 54, 55, 56, 61, 62, 64, 66, 97, 170, 173, 175, 397, 398 Messpfründe 183 Messstiftung 183, 184 Messzelebration 56, 69, 177, 184 Missa 20, 21, 23, 28, 29, 31, 32, 33, 35, 37, 38, 40, 41, 43, 46, 47, 58, 59, 67, 97, 136, 169, 173, 174,
423
Register 186, 219, 246, 259, 276, 277, 278, 317, 327, 366, 371, 372, 392, 399 Missa Illyrica 19 Missa lecta 173 Missa pro Defunctis 120 Missa Specialis 28 Mitternachtsmesse 53 Passionsmesse 111, 112 Pfarrmesse 171, 174, 180, 181, 182, 183, 184, 186, 192, 203 Privatmesse 176, 184, 242, 366, 396 Schachtelmesse 183 Seelenmesse 317 Stille Messe 48, 174, 175, 178, 184 Summa Missa 107, 333 Vigilmesse 119 Weihnachtshochamt 109 Weihnachtsmesse 60, 109, 115, 116, 119, 150 Werktagsmesse 243, 264, 315 Messkelch Siehe Kelch Mette 189, 242, 243, 245, 247, 256, 257, 258, 263, 297, 298, 304, 310, 316, 341, 342, 375 Minden 20, 21, 23, 35, 36, 54, 55, 62, 64, 66, 73, 372, 394, 400 Minkwitz, Hans von 243 Mirus, Martin 272, 300, 320, 332 Missale 3, 17, 21, 26, 35, 46, 47, 48, 66, 75, 77, 78, 79, 92, 93, 96, 147, 155, 166, 167, 169, 170, 175, 176, 177, 182, 225, 267, 286, 288, 291, 298, 323, 374, 380, 385, 390, 394, 401 Bobbio-Missale 33 Missale Coloniense 155 Missale Halberstadense 75 Missale Romanum 77, 119, 147, 169, 394 Nachreformatorisches Missale 291 Semeca-Missale 79, 81, 91, 93, 95, 96 Trienter Missale 17, 48, 155, 176 Vollmissale 174, 175, 196, 376 Mitra 64 Mitternachtsmesse Siehe Messe Mittlerstellung 34, 35, 65 Mönch 12, 31, 41, 45, 59, 70, 123, 204, 209, 219, 222, 226, 234, 247, 264, 378, 403
Mönchsideal 51, 222 Mönchtum XV, 8, 30, 72, 201, 208, 213, 222, 232, 234, 235, 392, 403 Priestermönch Siehe Priester Mönchsgelübde Siehe Gelübde Monstranz 136, 399 Montecassino 31, 385 Müntzer, Thomas 255, 304, 305 Musculus, Andreas 264, 299 Mysterium 58, 131, 136, 388 Mysterienbegriff 32, 140, 142 Mysteriencharakter 136 Mysterienfeier 136 Mystik 138, 370 N Nativitas Mariae 260 Naumburg Antiphonenordnung 359 Bistum 344 Brevier 356, 357 Dom 12, 338, 340, 358, 364 Domarchiv 347 Domchor 358 Domkapitel 342, 352 Domstift 339, 343 Offizium 361 Offiziumsliturgie 362, 363 Neuerburg 162, 382 Nikolaus von Amsdorf, Bischof von Naumburg 229, 340, 341, 342 Non 91, 126, 127, 128, 131, 132, 148, 154, 178, 188, 217, 220, 226, 227, 236, 266, 270, 273, 280, 297, 298, 327, 328, 335, 346, 349, 357, 397 Nonne 147, 156, 157, 396 Nonnenchor 152, 156 Nonnenempore 144, 153 Norm der Väter 3, 297, 301, 312 Nunc Dimittis 258, 259, 262, 265, 276, 306, 350, 359 Nürnberg 163, 183, 185, 189, 193, 219, 322, 379, 403 O Obernkirchen Stift 253 Offertorium 17, 21, 32, 35, 53, 54, 56, 57, 58, 60, 183, 339, 365
424 Offizium 32, 47, 88, 167, 209, 211, 214, 216, 222, 224, 236, 237, 248, 254, 255, 259, 260, 272, 281, 296, 323, 326, 339, 348, 353, 355, 359, 362 Konventuale Offiziumsliturgie 211 Marianisches Offizium 187 Marienoffizium 330 Nächtliches Offizium 131, 236 Offiziumsbuch 291, 354 Offiziumsgedanken 137 Offiziumsliturgie 12, 128, 129, 138, 141, 145, 209, 211, 213, 215, 218, 219, 222, 223, 225, 227, 251, 252, 254, 258, 263, 265, 271, 275, 279, 285, 292, 299, 304, 309, 310, 312, 338, 342, 344, 346, 347, 348, 349, 355, 356, 357, 358, 360, 362, 363, 364, 398 Offiziumsordnung 211, 245, 253, 302, 311, 316, 358, 359 Offiziumspraxis 214 Peter-und-Pauls-Offizium 358, 361 Sonntägliches Offizium 244 Totenoffizium 187, 319, 327 Trinitätsoffizium 329, 330 Zusatzoffizium 344 Ökumene 12, 272, 284, 313, 314, 337, 397 Ölbergandacht 179 Opfer 35, 56, 58, 61, 65, 339 Messopfer Siehe Messe Opferakt 58 Opferformen 58 Opfergabe 53, 98, 184 Opfergang 53, 54, 92, 96, 184 Opfergestus 56 Opferhandeln 52, 58, 73 Opfernder 34, 57 Opfervorstellung 58 Orate fratres 23 Oratio Periculosa 37, 65, 172, 175 Oration 17, 19, 32, 34, 35, 36, 37, 43, 47, 66, 67, 79, 93, 94, 95, 96, 97, 100, 130, 153, 261, 329, 350, 362 Oratio collecta 67 Orden 137, 164, 170, 189, 226, 245, 247, 248 Benediktiner 74 Dominikanerinnen 144, 396
Register Franziskaner 174, 188 Mendikanten 189, 224 Ordensgelübde Siehe Gelübde Ordensgemeinschaften 47, 164 Ordenskonstitutionen 247 Ordensregel 287 Ordensstatuten 224, 234 Prämonstratenser 164, 279, 286, 287, 383 Ordines minores 319 Ordo Missae 19, Siehe auch Ordo Romanus Ordo Romanus (=OR) 18, 64, 87, 91, 130, 146, 175 OR 10 19 OR 11 194, 196 OR 15 18 OR 17 18 OR 22 146 OR 24 130 OR 28 87 OR 50 86, 87, 99, 111, 146, 147, 256 OR I 18, 19, 37, 45, 173, 175, 380 Ortskirche 27, 51, 73, 74, 101, 168, 195, 201 Osnabrück Bischof von 76 Ostchor 153, 348 Osterkommunion Siehe Kommunion Ostern 17, 118, 158, 184, 194, 195, 199, 256, 262, 265, 310, 328, 332 Osterereignis 141 Osterfeier 10, 74, 75, 78, 79, 100, 119, 125, 126, 127, 128, 129, 132, 133, 134, 138, 139, 140, 141, 142, 148, 149, 179, 180, 286, 343, 367, 374, 381, 389, 390, 393, 397, 398, 400, 402 Osterfeuer 100, 179, 318, 334 Osterkerze 100, 335 Osterkommunion Siehe Kommunion Osterliturgie 139, 142, 177, 179, 197, 200, 217 Ostermontag 116, 117 Osternacht 88, 98, 131, 132, 137, 165, 195, 196, 197, 200, 201 Osternachtliturgie 131, 137, 179, 197, 200 Osternachtsliturgie 336
Register Osterpredigt Siehe Predigt Osterprozession Siehe Prozession Ostersequenz 351 Ostersonntag 119, 122, 125, 128, 151, 305 Osterspiel 125, 126, 127, 367, 381, 390, 402 Ostertag 35, 128, 132, 140, 179, 335 Ostervesper 187, 189, 191, 193, 224, 256, 305, 307, 333, 335 Ostervigil 98, 99, 100, 101, 179, 334, 355 Osterwoche 187, 192, 197 Vigilia Paschae 322 Vigiltag 335 Otto III., Kaiser 63, 124 Otto von Grote 271, 308 P Paderborn 51, 52, 54, 55, 59, 61, 69, 71, 72, 191, 367, 383, 384, 387, 393, 394, 406, 407 Abdinghof, Kloster 58 Busdorfstift 69, 71, 72 Dom 54, 71 Domschatz 62 Liturgie 55, 73 Ortskirche 52 Stationskirchensystem 71 Stationsliturgie 72 Palmenweihe Siehe Weihe Palmsonntag 10, 87, 103, 104, 108, 110, 111, 113, 114, 115, 116, 117, 119, 120, 143, 156, 179, 180, 334, 397 Palmprozession Siehe Prozession Palmsonntagsstatio 111 Paradigmenwechsel 48, 160, 171 Paraliturgie 10 Paramente 22, 24, 62, 279, 406, Siehe auch Kasel, Dalmatik, Messe: Messgewand, Mitra, Pontifikalhandschuhe, Tunika Gewand, liturgisches 22, 24, 62, 64, 76, 90, 279, 284, 285, 288, 326, 400, 406 Paris St. Denis 25 Partikel 56, 97, 98, 157
425 Pascha 114, 135, 194, 330, 335, 353 Paschafeier 115 Paschamysterium 115, 122 Passion 36, 96, 110, 130, 187, 297, 330, 334 Patene 92 Pater Noster 93, 94 Vaterunser 215, 252 Patrozinium 74, 114, 121 Paulus, Apostel VI, 110, 122, 233, 237, 359 Pensum 186, 219, 224, 232, 239, 240, 241, 243, 245, 258, 262, 264, 270, 273, 280, 297, 298, 314, 315, 319, 327, 328, 330, 331, 337, 345, 346, 351, 358, 361, 363 Pensumsgedanke 152, 221, 222 Peregrinatio 31 Perikope 109, 110, 111, 113, 116 Perikopenordnung 182 Persolvierung 234, 345, 346 Peter-und-Pauls-Offiziums Siehe Offizium Petrus, Apostel VI, 110, 112, 114, 115, 116, 117, 118, 119, 121, 122, 150, 358, 359, 360, 361, 362 Petrusstab 114 Pfalzkapelle Siehe Aachen Pfarrbuch Rößel 162 Pfarrei 10, 26, 159, 161, 165, 167, 169, 174, 177, 178, 184, 189, 195, 203, 204, 205, 206, 211, 213, 218, 219, 240, 254, 269, 270, 281, 300, 371, 372, 388, 398 Pfarrgemeinde 11, 209, 281, 312 Pfarrkirche 156, 160, 161, 163, 168, 170, 174, 177, 178, 180, 183, 185, 187, 188, 189, 190, 192, 200, 203, 204, 214, 263, 273, 274, 291, 301, 348, 392, 395 Zeil 163 Pfarrklerus Siehe Klerus Pfarrmesse Siehe Messe Pfarrzwang 180, 181, 194, 204 Pfingsten 108, 118, 184, 199, 256, 262, 328, 332, 351 Pfingstmontag 116, 117, 118, 121 Pfingstvigil 199, 200 Pflug, Julius von 340, 342, 343, 346
426 Pilgrim, Erzbischof von Köln 70 Pippin der Jüngere 27, 164 Pius V., Papst 27, 44, 168 Placeat 24, 56 Plenarmissale Siehe Missale, Vollmissale Ponitifikale Romanum 147 Pontifikalamt 76, 320 Pontifikale 27, 29, 39, 87, 88, 89, 90, 91, 93, 94, 95, 96, 98, 99, 101, 111, 146, 147, 160, 168, 169, 195, 199, 202, 205 Romano-Germanicum (PRG) 27, 29, 87, 88, 89, 90, 91, 93, 94, 95, 96, 99, 111, 146, 160, 168, 195, 199, 202 Romanum 392 Pontifikalhandschuhe 63 Prädikantengottesdienst 181 Praelata 151, 153, 156 Präfation 61, 278, 340 Weihepräfation 94 Prämonstratenser Siehe Orden Predigt 76, 115, 117, 140, 163, 171, 172, 178, 181, 182, 183, 204, 215, 220, 237, 238, 241, 243, 246, 263, 268, 272, 280, 290, 294, 295, 297, 300, 309, 320, 327, 333, 340, 344, 345, 346, 358, 363 Osterpredigt 140 Predigtgottesdienst 77, 176, 182, 183, 309, 321, 333, Siehe auch Prädikantengottesdienst Predigtstuhl 268, 290 Presbyter 34, 35, 138, 167, 197, 198, 401 Presbyterium 190 Priester 9, 17, 18, 22, 24, 25, 26, 33, 35, 37, 38, 40, 41, 42, 43, 45, 48, 51, 54, 55, 56, 58, 60, 61, 62, 65, 67, 69, 73, 97, 101, 105, 143, 147, 148, 151, 152, 153, 155, 156, 157, 158, 165, 167, 172, 173, 174, 175, 176, 180, 182, 184, 186, 191, 193, 194, 195, 199, 203, 205, 222, 243, 317, 333, 340 Priesterideal 52 Priestermönch 59
Register Prim 188, 220, 223, 226, 266, 270, 279, 303, 327, 328, 332, 337, 357 Priorin 149, 153, 157, 158 Privatfrömmigkeit 43, 44, 97, 189, 205, 209 Privatgebet 22, 42, 54, 98, 101, 172 Privatmesse Siehe Messe Privatrezitation 189, 226, 234, 248 Privileg 188, 224, 226 Proprium de Sanctis 120, 261, 272, 301, 302, 322, 329, 331, 352, 353, 361 Proprium de tempore 259, 261, 265, 302, 322, 327 Propst 79, 120, 242, 251, 263 Propstei 287 Prostratio 90, 97 Prozession Bittprozession 71, 72, 109, 118, 408 Bußprozession 146 Einzugsprozession 18, 173 Gabenprozession 92 Osterprozession 179, 192, 335 Palmprozession 44, 108, 111, 116, 193 Prozessionswesen 192 Sonntagsprozession 192 Stadtprozession 192 Prozessionale Domprozessionale 112, 119 Psalmenfrömmigkeit 217, 222, 225 Psalterium 12, 167, 213, 217, 227, 249, 250, 253, 258, 259, 262, 266, 267, 269, 270, 275, 292, 302, 322, 323, 327, 331, 338, 348, 349, 350, 351, 352, 359, 362, 363, 364 Psalterium Davidis 12, 259, 275, 338, 348, 349, 350, 359, 362 Purificatio 108, 260, 261, 265, 353 Q Quadragesima 88, 146, 153, 158, 179, 194, 202, 259, 260, 318, 322 Querfurt 267, 278, 291, 292, 298, 312 R Ratgar, Abt von Fulda 31, 44, 45 Rationale 64, 230, 376 Ratzeburg
427
Register Domkapitel 287 Reformation VI, XVI, 11, 20, 75, 77, 89, 126, 139, 140, 141, 171, 181, 209, 210, 212, 215, 219, 223, 228, 234, 240, 243, 247, 249, 251, 252, 253, 255, 261, 264, 267, 271, 273, 279, 280, 281, 283, 284, 285, 286, 288, 290, 292, 300, 301, 308, 309, 312, 313, 314, 315, 316, 318, 320, 322, 323, 326, 328, 329, 334, 335, 338, 339, 341, 342, 343, 348, 367, 378, 379, 387, 389, 396, 397, 401, 403, 404, 405, 409 Wittenberger Reformation 171, 182, 190 Reformator 20, 212 Reformkatholizismus 304 Regina caeli 260, 307 Reichenau 21, 23, 40, 371 Reichsgesetz 26, 165 Reichskirchensystem 29, 39, 202 Reims 22, 376 Reinheit 35, 55, 62, 64, 65, 366 Rekonziliation Siehe Büßerrekonziliation Religiosität 13, 366 Reliquiar 92, 408 Stephanusreliquiar 92 Reliquie 36, 69, 70, 71, 96, 98, 110, 114, 116, 120, 122, 134, 152, 185, 401 Altarreliquie 110 Reliquienbesitz 70, 116, 185 Reliquiengrab 69 Reliquienschatz 114, 115, 391 Reliquientranslation 71 Repertorium 62, 127 Responsorium 112, 130, 132, 149, 153, 256, 261, 276, 277, 350, 356, 357, 360, 361 Rite et Recte 38, 57, 66 Ritual Studies 4, 159, 206, 409 Ritualfähigkeit 13 Ritualisierung 28, 142, 160, 403 Rituelle Erfahrung 4, 5, 6 Rom 8, 18, 21, 26, 27, 31, 36, 44, 45, 46, 50, 52, 61, 68, 69, 71, 73, 90, 105, 110, 112, 115, 117, 118, 120, 121, 122, 133, 134, 138, 146, 164, 165, 166, 168, 173, 189, 198, 223,
224, 249, 325, 362, 365, 366, 370, 394, 395, 397, 399, 403, 410 Alt-St. Peter 70, 71 Lateranbasilika 121 Romanisierung 9, 25, 27, 28, 164, 166, 366 Rombild 9 Romorientierung 8, 9, 10, 105, 191 Romreise 69 Romzitat 71 San Stefano Rotondo 110 St. Anastasia 146 St. Johannes im Lateran 112, 120, 121 St. Maria im Kapitol 118, 150, 200 St. Paul vor den Mauern 105, 117, 122 St. Peter in Vaticano 117, 118 St. Peter in Vinculis 118, 121 Rosenkranz 318 Rostock 298 S Sacerdos 17, 26, 34, 67, 83, 84, 85, 86, 138, 147, 151, 152, 155, 166, 167, 179, 199, 219, 233, 366, 401 Sacrosanctum Concilium 3, 158, 312, 337 Sakraltopographie 10, 69, 71, 73, 105 Sakramentalie 163, 204 Sakramentar 16, 17, 20, 22, 24, 25, 27, 28, 29, 30, 33, 34, 35, 36, 38, 39, 40, 41, 44, 47, 48, 54, 55, 88, 93, 101, 105, 168, 173, 174, 195, 198, 202, 205, 377, 386, 411 Sacramentarium Fuldense 17, 28, 39, 41, 195, 201, 402 Sacramentarium Gregorianum 18, 19, 146, 198 Sacramentarium Hadrianum 37 Sacramentarium immixtum 28, 164, 366, 395 Sakramentartradition 201 Sakramentartypus 28, 30, 202 Sakramentshaus 171 Sakrarium 90, 95 Sakristei 55, 90, 95, 104 Säkularisation 9, 316, 338, 355, 379 Salbung, postbaptismale 199
428 Salve Regina 257, 260, 265, 307 Sanctorale 260, 331 Sanctus 22, 23, 36, 37, 56, 64, 65, 84, 167, 233, 277 Schachtelmesse Siehe Messe Schlussevangelium 56 Schmalkaldische Artikel 245 Schola 37, 55, 64, 174 Scholar 190, 336 Schreibschule 25, 31, 39 Schuldbekenntnis Siehe Confiteor Schultertuch 63 Schurff, Hieronymus 300 Seelenmesse Siehe Messe Séez 21 Séezgruppe 21 Segen 60, 90, 93, 94, 96, 181, 309, 310 Segensgestus 93, 101 Seligenstadt 60 Selnecker, Nikolaus 264 Semeca-Missale Siehe Missale Sequenz 228, 259, 306, 307, 335, 351 Sext 91, 152, 188, 220, 226, 234, 270, 273, 280, 295, 297, 298, 327, 328, 345, 346, 357 Siegburg VI, 124, 365, 373, 381, 389, 397, 398, 407 Sigebert, Bischof von Minden 20, 54, 55, 56, 62, 64, 66, 97, 389, 394, 400 Sigismund von Brandenburg, Erzbischof von Magdeburg, Bischof von Halberstadt 317 Skriptorium 16, 28, 40, 55, 397 Sonnenwalde 243 Sonntag 17, 119, 122, 146, 153, 174, 203, 209, 237, 239, 243, 255, 257, 259, 260, 262, 266, 269, 270, 279, 302, 303, 309, 310, 311, 328, 350, 351 Spangenberg, Johann 291 Spätantike 3, 8, 58, 71, 134, 138, 181, 196, 201 St. Aposteln 23, 105, 107, 108, 109, 116, 117, 119, 120, 121, 122, 149, 150, 177, 397, 407 St. Gallen Siehe Kloster Stadtklerus Siehe Klerus Stadtliturgie 72, 189, 224
Register Stationskirche 68, 71, 108, 109, 110, 111, 112, 113, 116, 117, 118, 121, 146, 385 Stationskirchensystem 68, 104 Stationsliturgie 10, 27, 44, 68, 70, 71, 73, 103, 104, 108, 109, 110, 115, 116, 122, 123, 124, 133, 138, 146, 149, 150, 151, 163, 168, 191, 192, 397 Statuten 148, 149, 269, 288, 289, 292, 293, 296, 298, 343 Stephan II., Papst 25, 164 Stephanus, hl. 74, 110, 114, 115, 116, 117, 118, 119, 121, 122, 261, 353 Stephanusfest 10, 68, 103, 113, 145, 191, 273, 397 Stephanusreliquiar Siehe Reliquiar Stiftsherr 108, 109, 120, 144, 188, 242, 246, 259, 304, 344 Stiftskirche 103, 124, 144, 161, 177, 178, 183, 189, 190, 192, 200, 209, 242, 248, 295, 315, 338, 387 Damenstiftskirche 144, 145, 153, 200 Stiftsklerus Siehe Klerus Stillgebet 18, 43, 173, 176 Stillmesse Siehe Messe Stola 62, 63 Stolberg 162, 271, 309, 400 St. Martini 162, 400 Straßburg 17, 20, 176, 192 Stufengebet 17, 18 Stundenliturgie VI, 11, 12, 13, 77, 100, 103, 128, 144, 151, 153, 168, 185, 187, 188, 189, 190, 211, 218, 222, 224, 227, 242, 245, 248, 249, 250, 253, 274, 281, 297, 298, 304, 310, 314, 337, 338, 347, 352, 355, 359, 364 Stundengebet 7, 11, 12, 31, 43, 59, 126, 137, 142, 163, 167, 171, 177, 179, 182, 185, 186, 187, 188, 189, 190, 191, 192, 193, 208, 209, 210, 211, 212, 213, 214, 216, 217, 218, 219, 220, 222, 223, 224, 225, 226, 227, 228, 230, 233, 235, 236, 237, 238, 239, 240, 241, 242, 243, 244, 245, 246, 247, 248, 249, 250, 252, 253, 255, 257, 259, 262, 263, 264, 280, 281, 282, 292, 296, 308, 313,
429
Register 314, 315, 316, 319, 320, 321, 322, 323, 324, 325, 326, 327, 328, 329, 332, 333, 334, 335, 336, 337, 341, 344, 345, 348, 397 Wochenrhythmus 243, 257, 259, 352 Subdiakon 53, 56, 63 Subkustos 93 Suffragium 132, 280, 359, 360, 361 Suscipe 22, 23, 35, 36, 56 Synode 36, 60, 146, 193, 199 Provinzialsynode 60 T Tarifbuße Siehe Buße Tarifwesen Siehe Buße Taufe 29, 66, 157, 165, 167, 193, 195, 196, 197, 198, 199, 200, 201, 204, 317, 319, 335, 337, 374 Taufbecken 100 Taufbrunnen 138, 139, 187, 189, 191, 197, 256, 305, 319, 335 Taufformel 26, 165, 197, 198 Taufkapelle Siehe Kapelle Tauföl 94 Taufstelle 99 Taufwasserweihe Siehe Weihe Taufkatechumenat Siehe Katechumenat Te Deum 131, 132, 242, 256, 257, 258, 259, 262, 263, 265, 277, 333, 350 Teilkirche 50 Terz 42, 91, 114, 155, 188, 220, 226, 270, 273, 279, 297, 298, 327, 328, 346, 357 Tischreden 226, 228, 229, 230, 231, 232, 233, 234, 235, 237, 240 Totengedächtnis 33, 186, Siehe Memoria Totenmemorie 120, 177 Totenkult 319 Totenoffizium Siehe Offizium Tragaltar Siehe Altar Transmutation 267, 269, 279, 286, 287, 293 Tribur 199 Triduum Paschale 141, 179, 346, 363 Triduum Sacrum 75, 79, 87, 88, 91, 98, 101, 114, 351, 411 Trient 3, 169, 170, 375 Diözese 185
Trier XVII, 4, 46, 72, 89, 113, 174, 175, 181, 182, 183, 191, 192, 203, 266, 370, 376, 381, 389, 407 Trinität 41 Trinitätsfest 327 Trinitätsoffizium Siehe Offizium Trinitätsoffizium Siehe Offizium Triumphkreuzgruppe 91, 410 Tunika 95 U Udine 30 Ulner, Peter 264 Urkirche 115, 116, 120, 278 Ursulastift Siehe Köln V Vaterunser Siehe Pater Noster Vercelli 30 Veritas Horarum 152, 220, 346 Vesper 52, 95, 96, 97, 121, 127, 128, 130, 188, 209, 213, 220, 226, 239, 244, 245, 247, 253, 255, 256, 257, 258, 259, 260, 261, 262, 269, 270, 271, 273, 279, 295, 297, 298, 302, 303, 304, 306, 309, 310, 311, 315, 316, 321, 327, 328, 330, 335, 341, 342, 346, 347, 350, 351, 355, 357, 358, 359, 360, 361, 375 Vesperale 213, 260, 261, 267, 269, 270, 283, 291, 292, 297, 298, 299, 300, 301, 302, 303, 304, 305, 306, 307, 308, 312, 347, 348 Vidi aquam 179, 256, 335 Vierung Vierungsanlage 80 Vierungsbereich 97 Vigil 52, 53, 118, 120, 123, 186, 220, 226, 317, 319, 320, 342 Dienstagsvigil 266 Montagsvigil 266 Ostervigil Siehe Ostern Pfingstvigil Siehe Pfingsten Sonntagsvigil 266 Vigilfeier 119 Vigilia 86, 322, 353 Vigilia Paschae Siehe Ostern Vigiliae maiores 187 Vigiliae minores 186
430
Register
Vigilmesse Siehe Messe Vigilpsalmodie 332 Vigiltag 104, 118, 120, 310, 335 Weihnachtsvigil Siehe Weihnachten Vikar 95, 148, 183, 279, 310, 321, 325 Visitatio Mariae 261, 265, 353 Visitatio sepulchri 98, 126 Vita Meinwerci Siehe Meinwerk, Bischof von Paderborn Vollmissale Siehe Missale Vulgata 66, 128, 262, 269, 276, 302, 332 W Wallfahrt 205, 268, 290 Weihbrotschale 92 Weihe Feuer 99, 335 Kerzenweihe 100, 101, 334 Öl 26, 88, 91, 93, 94, 101, 165, 334, 392 Palmen 111, 112, 113, 114, 116, 156, 179, 191, 319, 333 Taufwasser 335 Weihevollmacht 62 Weihnachten 52, 57, 109, 184, 265, 328, 332 Weihnachtsfest 108, 109 Weihnachtsfestkreis 322 Weihnachtshochamt Siehe Messe Weihnachtsliturgie 109 Weihnachtsmesse Siehe Messe Weihnachtsstatio 122, 150 Weihnachtstag 60, 110, 111, 113, 121, 150 Weihnachtsvigil 151 Weihrauch 110 Weihrauchfass 132 Weihrauchgefäß 76 Weihrauchritus 55 Weimar Schlosskirche 238
Weinsberg, Hermann von 161, 176, 180, 182, 190, 192, 200, 203, 204 Weller, Hieronymus 230 Werden 74, 264 Werkfrömmigkeit 222 Werkgerechtigkeit 232, 233, 235, 246, 247, 263, 272, 319, 320, 362 Werktagsmesse Siehe Messe Westfälischer Friede 76, 320, 405 Westheim 162 Westwerk 99 Wilsnack 268, 290 Windesheim 157 Windsheim 162, 379 Winkel 163, 410 Wittenberg 171, 182, 190, 208, 215, 227, 240, 242, 249, 251, 263, 268, 290, 298, 300, 340, 341, 344, 346, 352, 391 Allerheiligenstift 242, 263 Liturgiereform Siehe Liturgiereform Pfarrkirche 242 Reformation Siehe Reformation Wizelius, Georg 304 Wochenrhythmus Siehe Stundenliturgie Wolfenbüttel 20, 154, 265, 267, 275, 282, 286, 291, 292, 318, 371, 375, 395 Kirchenordnung Siehe Kirchenordnung Wortgottesdienst 95, 100, 158, 183, 334 X Xanten 113, 398 Z Zeil Siehe Pfarrkirche Zelebration 45, 62, 219, 325 Zemeke, Johannes Teutonicus, Domdechant zu Halberstadt 79, 385 Zentralbau 106 Zeremoniale 106