Poena extraordinaria.: Zur Strafzumessung in der frühen Kaiserzeit. 9783428133345, 342813334X

Woran orientierten sich die Gerichte bei der Strafzumessung in der frühen Kaiserzeit? Andreas Schilling untersucht vor d

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German Pages 366 [367] Year 2010

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
I. Problemstellung
II. Forschungsstand
III. Methode und Quellen
A. Vorüberlegungen
I. Sinn und Zweck des Strafens bei den Römern
II. Strafmilderungen und Strafschärfungen: clementia und utilitas publica
1. Clementia Romana als Gesichtspunkt der Strafzumessung
2. Harte Strafen und utilitas publica
III. Todes- und Verbannungsstrafe im römischen Strafrecht
1. Die Kapitalstrafe im römischen Strafrecht: Tod und Verbannung
2. Die Verbannung im römischen Strafrecht
a) Die Verbannungsstrafe in den erhaltenen Juristenschriften
aa) Die deportatio
bb) Die relegatio
b) Die Verbannungsstrafe in den Strafgesetzen
aa) Die Bezeichnung der Verbannung in den Quellen der späten Republik, der frühen Kaiserzeit und bei Dio
(1) Die Ausdrücke und die den Ausdrücken beigelegte Bedeutung
(a) Cicero
(b) Livius
(c) Ovid
(d) Labeo
(e) Velleius Paterculus
(f) Das SC de Cn. Pisone patre von 20 n. Chr
(g) Seneca
(h) Tacitus
(i) Sueton
(j) Plinius
(k) Dio
(2) Ergebnis
bb) Die ursprüngliche Verbannungsstrafe
(1) Bloße Ausweisung
(2) Bürgerrechtsverlust
(3) Bürgerrechtsverlust bei der administrativen aqua et igni interdictio?
(4) Bürgerrechtsverlust bei der Verbannung als poena legis
(5) Vermögenskonfiskation
(6) Vermögenskonfiskation bei der administrativen aqua et igni interdictio?
(7) Vermögenskonfiskation bei der aqua et igni interdictio als poena legis?
(8) Endgültig oder zeitweilig?
c) Zusammenfassung
B. Die einzelnen Prozesse bis Trajan
I. Augustus: Der erste princeps und die Anfänge der Strafzumessung
1. Der Prozess gegen C. Cornelius Gallus (26 v. Chr.)
a) Die poena legis der lex Iulia repetundarum
b) Ergebnis
2. Die Julia-Prozesse von 2 v. Chr.
a) Die poena legis der lex Iulia de adulteriis coercendis
b) Die poena legis der lex Iulia maiestatis
c) Gesamtwürdigung
3. Der Juliaprozess von 8 n. Chr.
4. Die Verbannung Ovids (8 n. Chr.)
a) Die Hintergründe der Verbannung
b) Die juristischen Fragen
5. Der Prozess gegen den Redner Cassius Severus (zwischen 8 und 12 n. Chr.)
6. Der Prozess gegen L. Valerius Messala Volesus (13 n. Chr.)
7. Zwei Fälle von parricidium
a) Verwandtenmord
aa) Die poena legis der lex Pompeia de parricidiis
bb) Geständnis als Voraussetzung der Säckung?
b) Versuchter Vatermord
8. Die Majestätsprozesse gegen Iunius Novatus und Cassius Patavinus
9. Zusammenfassung
II. Tiberius: reiche Nachrichten zur Strafzumessung – ein Prinzip gewinnt Kontur
1. Der Prozess wegen Zauberei gegen M. Scribonius Libo Drusus (16 n. Chr.)
a) Die Strafe für Zauberei
b) Würdigung des Falls
2. Zwei weitere Strafprozesse wegen Zauberei (16 n. Chr.)
3. Der Ehebruchsprozess gegen Appuleia Varilla und Manlius (17 n. Chr.)
4. Der Prozess gegen den thrakischen König Rhescuporis (19 n. Chr.)
5. Der Skandal um Decius Mundus und mehrere Priester des Isiskultes (19 n. Chr.)
6. Der Prozess gegen Cn. Calpurnius Piso (20 n. Chr.)
7. Die Verbannung Aemilia Lepidas (20 n. Chr.)
8. Zwei Majestätsprozesse des Jahres 21 n. Chr
9. Die Verbannung des C. Iunius Silanus (22 n. Chr.)
10. Die Verbannung des Vibius Serenus (23 und 24 n. Chr.)
a) Der Prozess des Jahres 23 n. Chr
b) Die poena legis der lex Iulia de vi publica et privata
c) Ergebnis
d) Der Prozess des Jahres 24 n. Chr
11. Der Prozess gegen Lucilius Capito (23 n. Chr.)
12. Die Majestätsprozesse gegen Aelius Saturninus, C. Silius und Sosia Galla
13. Der zweite Prozess gegen den Redner Cassius Severus (24 n. Chr.)
14. Der Prozess gegen P. Suillius (24 n. Chr.)
15. Der Kalumnienprozess gegen Firmius Catus (24 n. Chr.)
a) Die Kalumnienstrafe
b) Ergebnis
16. Drei Majestätsprozesse der Jahre 25 und 28 n. Chr
17. Die Verurteilung Agrippinas der Älteren und ihres Sohnes Nero (29 n. Chr.)
18. Die Kreuzigung Jesu (30 n. Chr.)
19. Der Prozess gegen Asinius Gallus und die Verurteilung Sejans und Livillas
20. Die Prozesse nach dem Sturz Sejans (31 – 37 n. Chr.)
a) Die Majestätsprozesse gegen Iunius Gallio und Sextius Paconianus (32 n. Chr.)
b) Prozesse wegen Anklägervergehen von 32 bis 34 n. Chr.
c) Der Prozess gegen Sextus Marius (33 n. Chr.)
aa) Die Strafe für Inzest
bb) Ergebnis
d) Die Prozesse gegen Pomponius Labeo und Mamercus Aemilius Scaurus (34 n. Chr.)
e) Der Prozess gegen Albucilla (37 n. Chr.)
f) Der Prozess gegen die Mutter des Sextus Papinius (37 n. Chr.)
21. Zusammenfassung
III. Caligula: Der Kaiser übernimmt die Strafzumessung
1. Die Ehebruchsprozesse gegen Orestilla und Piso (37 n. Chr.)
2. Majestätsprozesse von 38, 39 und 40 n. Chr.
a) Neue Strafen für crimen maiestatis
b) Hintergründe
3. Der Prozess gegen Avillius Flaccus (38 n. Chr.)
4. Die Verbannung des Redners Carrinas Secundus (39 n. Chr.)
5. Die Verschwörung des Lepidus und der Schwestern des Kaisers (39 n. Chr.)
6. Die Verbannung des Ofonius Tigellinus (39 n. Chr.)
7. Zusammenfassung
IV. Claudius: Strafzumessung durch Senat und Kaiser
1. Der Prozess gegen Julia Livilla und Seneca d. J. (41 n. Chr.)
2. Majestätsprozesse der Jahre 41 – 43 n. Chr.
a) Zur Geltung der lex Iulia maiestatis unter Claudius
b) Die einzelnen Prozesse
3. Ein Repetundenprozess von 45 n. Chr.
4. Die Verbannung des Asinius Gallus (46 n. Chr.)
5. Der Prozess gegen Valerius Asiaticus und Poppaea Sabina (47 n. Chr.)
a) Das liberum mortis arbitrium
b) Ergebnis
6. Die Verschwörung Messalinas und des C. Silius (48 n. Chr.)
a) Angeklagtes Verbrechen
b) Neue Strafe für Ehebruch
7. Der Prozess gegen L. Iunius Silanus und Iunia Calvina (48/49 n. Chr.)
8. Der Prozess gegen Lollia Paulina (49 n. Chr.)
9. Repetunden- und Kalumnienprozesse der Jahre 49 bis 53 n. Chr.
10. Die Verbannung des Furius Scribonianus (52 n. Chr.)
11. Zusammenfassung
V. Nero: Strafzumessung im Spiegel von quinquennium Neronis und Tyrannenherrschaft
1. Prozesse wegen Anklägervergehen
a) Die Kalumnienprozesse gegen die Ankläger Agrippinas (55 n. Chr.)
b) Kalumnienprozesse aus den Jahren 57 und 58 n. Chr
c) Der Prozess wegen praevaricatio gegen Valerius Ponticus (61 n. Chr.)
2. Repetundenprozesse
3. Sonstige Prozesse
a) Der Mordprozess gegen Octavius Sagitta (58 n. Chr.)
b) Der Prozess gegen Livineius Regulus und andere Beteiligte (59 n. Chr.)
aa) Die Strafe für seditio
bb) Ergebnis
c) Ein Fälschungsprozess von 61 n. Chr
d) Die Ermordung des Stadtpräfekten Pedanius Secundus (61 n. Chr.)
e) Der Prozess gegen Antistius Sosianus und die übrigen Majestätsverfahren vor der pisonischen Verschwörung
f) Die Verbannung Octavias und des Anicetus (62 n. Chr.)
g) Der Prozess gegen den Apostel Paulus (63 n. Chr.)
h) Die Christenprozesse unter Nero (64 n. Chr.)
i) Die Kreuzigung eines Römers durch Galba (zwischen 60 und 64 n. Chr.)
4. Die pisonische Verschwörung (65 n. Chr.)
5. Die Prozesse nach der pisonischen Verschwörung
6. Zusammenfassung
VI. Von Galba bis Titus (68 – 81 n. Chr.): Die Jahre spärlicher Überlieferung
1. Der Kalumnienprozess gegen Annius Faustus (Anfang 69 n. Chr.)
2. Majestätsprozesse unter Vitellius (Frühjahr 69 n. Chr.)
3. Prozesse unter Vespasian
4. Kalumnienprozesse unter Titus (79 – 81 n. Chr.)
5. Zusammenfassung
VII. Domitian: Scheinbare Gesetzestreue und correctio morum
1. Majestätsprozesse
a) Verbannungsurteile
b) Gründe der Milderungen
c) Die übrigen Majestätsprozesse
2. Die Vestalinnenprozesse
a) Der Prozess des Jahres 82 n. Chr
b) Der zweite Prozess (zwischen 89 und 91 n. Chr.)
3. Der Repetundenprozess gegen Baebius Massa (vor 93 n. Chr.)
4. Ein Fälschungsprozess
5. Zusammenfassung
VIII. Trajan (98 – 117 n. Chr.): Strafzumessung unter dem Optimus Princeps
1. Die Prozesse wegen der Verbrechen des Marius Priscus (98 – Januar 100 n. Chr.)
a) Der Repetundenprozess gegen Marius Priscus und Flavius Marcianus
b) Der Repetundenprozess gegen Hostilius Firminus
2. Der Repetundenprozess gegen Caecilius Classicus und seine Helfer (98/99 n. Chr.)
3. Der Prozess gegen Norbanus Licinianus wegen praevaricatio (98/99 n. Chr.)
4. Der Prozess wegen des Todes des Konsuls Afranius Dexter (106 n. Chr.)
5. Der Kalumnienprozess gegen Montanius Atticinus (vor 107 n. Chr.)
6. Ein Ehebruchsprozess vor dem Kaisergericht (um 107 n. Chr.)
7. Die Christenprozesse unter Trajan (nach 109 n. Chr.)
8. Zusammenfassung
IX. Weitere Überlieferung bis zu den Severern
C. Die Strafzumessungsgründe im späteren Recht
I. Das Alter des Angeklagten
II. Das Geschlecht des Angeklagten
III. Der Stand des Angeklagten
IV. Rückfälligkeit
V. Umstände der Tat: insbesondere Schwere und Ausmaß
VI. Der Umfang der Beteiligung
VII. Das Handeln aus Leidenschaft (impetu) und die Strafzumessung pro modo culpae
VIII. Berücksichtigung der physischen Verfassung
IX. Die Bildung des Angeklagten
X. Die familiäre Situation des Angeklagten
XI. Weitere Ermessensgründe im späteren Recht
XII. Nicht wiederkehrende Gründe
XIII. Zusammenfassung
Schlussbetrachtung
Anhang I: Stammtafel des Julisch-Claudischen Hauses
Anhang II: Übersicht zu den besprochenen Prozessen
Anhang III: Sonstige Prozesse
I. Augustus
II. Tiberius
III. Caligula
IV. Claudius
V. Nero
VI. Galba bis Titus
VII. Domitian
VIII. Nerva und Trajan
Quellenregister
I. Juristische Quellen
II. Literarische Quellen
Literaturverzeichnis
Sachwortverzeichnis
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Poena extraordinaria.: Zur Strafzumessung in der frühen Kaiserzeit.
 9783428133345, 342813334X

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Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 61

Poena extraordinaria Zur Strafzumessung in der frühen Kaiserzeit

Von Andreas Schilling

Duncker & Humblot · Berlin

ANDREAS SCHILLING

Poena extraordinaria

Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen Herausgegeben vom Institut für Rechtsgeschichte und geschichtliche Rechtsvergleichung der Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg i. Br.

Neue Folge · Band 61

Poena extraordinaria Zur Strafzumessung in der frühen Kaiserzeit

Von Andreas Schilling

Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit Hilfe der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahre 2009 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 25 Alle Rechte vorbehalten

© 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-6704 ISBN 978-3-428-13334-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Das vorliegende Buch ist die leicht überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im Wintersemester 2009 / 2010 der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau vorlag. Das Manuskript wurde zu Anfang des Jahres 2010 abgeschlossen. Ohne vielfältige Unterstützung wäre die Arbeit nicht entstanden. Danken möchte ich an erster Stelle meinem verehrten Lehrer und Doktorvater Professor Dr. Detlef Liebs. Er hat mich in vielen Vorlesungen und vor allem in seinen Seminaren für das römische Recht begeistert. Die Bearbeitung des Themas wurde von ihm angeregt und er stand mir in allen Phasen der Promotion mit Rat und Tat hilfsbereit und unermüdlich zur Seite. Herrn Professor Dr. Wolfgang Kaiser danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens und für wertvolle Hinweise. Danken möchte ich ferner Herrn Professor Dr. Giuliano Crifò für die freundliche Aufnahme an seinem Institut an der Universität La Sapienza in Rom, wo ich neun unvergessliche Monate verbrachte, denen meine Arbeit manche Anregung verdankt. Ebenso danke ich Professor Dr. Boudewijn Sirks für seine Hilfsbereitschaft während meiner Zeit in Oxford. Der Studienstiftung des deutschen Volkes bin ich für die Gewährung eines Promotionsstipendiums und die großzügige Förderung meiner Auslandsaufenthalte zu Dank verpflichtet. Der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften gilt mein Dank für ein Druckkostenstipendium, das die Veröffentlichung der Arbeit ermöglichte. Frau Dr. Anna Katharina Mangold danke ich für kritische Diskussionen und Anregungen. Freiburg, im Mai 2010

Andreas Schilling

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

A. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

I. Sinn und Zweck des Strafens bei den Römern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

II. Strafmilderungen und Strafschärfungen: clementia und utilitas publica . . . . . . .

34

III. Todes- und Verbannungsstrafe im römischen Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

B. Die einzelnen Prozesse bis Trajan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

I. Augustus: Der erste princeps und die Anfänge der Strafzumessung . . . . . . . . . . .

70

II. Tiberius: reiche Nachrichten zur Strafzumessung – ein Prinzip gewinnt Kontur 119 III. Caligula: Der Kaiser übernimmt die Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 IV. Claudius: Strafzumessung durch Senat und Kaiser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 V. Nero: Strafzumessung im Spiegel von quinquennium Neronis und Tyrannenherrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 VI. Von Galba bis Titus (68 – 81 n. Chr.): Die Jahre spärlicher Überlieferung . . . . . 259 VII. Domitian: Scheinbare Gesetzestreue und correctio morum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 VIII. Trajan (98 – 117 n. Chr.): Strafzumessung unter dem Optimus Princeps . . . . . . . 275 IX. Weitere Überlieferung bis zu den Severern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 C. Die Strafzumessungsgründe im späteren Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 I. Das Alter des Angeklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 II. Das Geschlecht des Angeklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 III. Der Stand des Angeklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 IV. Rückfälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 V. Umstände der Tat: insbesondere Schwere und Ausmaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 VI. Der Umfang der Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 VII. Das Handeln aus Leidenschaft (impetu) und die Strafzumessung pro modo culpae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295

8

Inhaltsübersicht VIII. Berücksichtigung der physischen Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 IX. Die Bildung des Angeklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 X. Die familiäre Situation des Angeklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 XI. Weitere Ermessensgründe im späteren Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 XII. Nicht wiederkehrende Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 XIII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300

Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 Anhang I:

Stammtafel des Julisch-Claudischen Hauses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304

Anhang II: Übersicht zu den besprochenen Prozessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 Anhang III: Sonstige Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 Quellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

II. Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

III. Methode und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

A. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

I. Sinn und Zweck des Strafens bei den Römern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

II. Strafmilderungen und Strafschärfungen: clementia und utilitas publica . . . . . . . . .

34

1. Clementia Romana als Gesichtspunkt der Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

2. Harte Strafen und utilitas publica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

III. Todes- und Verbannungsstrafe im römischen Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

1. Die Kapitalstrafe im römischen Strafrecht: Tod und Verbannung . . . . . . . . . . . . .

40

2. Die Verbannung im römischen Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

a) Die Verbannungsstrafe in den erhaltenen Juristenschriften . . . . . . . . . . . . . . . .

44

aa) Die deportatio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

bb) Die relegatio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

b) Die Verbannungsstrafe in den Strafgesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

aa) Die Bezeichnung der Verbannung in den Quellen der späten Republik, der frühen Kaiserzeit und bei Dio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Ausdrücke und die den Ausdrücken beigelegte Bedeutung . . (a) Cicero . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Livius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Ovid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Labeo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Velleius Paterculus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (f) Das SC de Cn. Pisone patre von 20 n. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . (g) Seneca . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (h) Tacitus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (i) Sueton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (j) Plinius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (k) Dio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48 48 48 49 50 51 51 52 52 53 56 57 58 59

10

Inhaltsverzeichnis bb) Die ursprüngliche Verbannungsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Bloße Ausweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bürgerrechtsverlust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Bürgerrechtsverlust bei der administrativen aqua et igni interdictio? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Bürgerrechtsverlust bei der Verbannung als poena legis . . . . . . . . . (5) Vermögenskonfiskation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Vermögenskonfiskation bei der administrativen aqua et igni interdictio? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (7) Vermögenskonfiskation bei der aqua et igni interdictio als poena legis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (8) Endgültig oder zeitweilig? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61 62 63

c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

B. Die einzelnen Prozesse bis Trajan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

I. Augustus: Der erste princeps und die Anfänge der Strafzumessung . . . . . . . . . . . . .

70

64 65 67 67 68 68

1. Der Prozess gegen C. Cornelius Gallus (26 v. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

a) Die poena legis der lex Iulia repetundarum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

b) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

2. Die Julia-Prozesse von 2 v. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

a) Die poena legis der lex Iulia de adulteriis coercendis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

b) Die poena legis der lex Iulia maiestatis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

c) Gesamtwürdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

3. Der Juliaprozess von 8 n. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

4. Die Verbannung Ovids (8 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

a) Die Hintergründe der Verbannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

b) Die juristischen Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

5. Der Prozess gegen den Redner Cassius Severus (zwischen 8 u. 12 n. Chr.) . . . 103 6. Der Prozess gegen L. Valerius Messala Volesus (13 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 7. Zwei Fälle von parricidium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 a) Verwandtenmord . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 aa) Die poena legis der lex Pompeia de parricidiis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 bb) Geständnis als Voraussetzung der Säckung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 b) Versuchter Vatermord . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 8. Die Majestätsprozesse gegen Iunius Novatus und Cassius Patavinus . . . . . . . . . . 116 9. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

Inhaltsverzeichnis

11

II. Tiberius: reiche Nachrichten zur Strafzumessung – ein Prinzip gewinnt Kontur . . 119 1. Der Prozess wegen Zauberei gegen M. Scribonius Libo Drusus (16 n. Chr.) . . 119 a) Die Strafe für Zauberei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 b) Würdigung des Falls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 2. Zwei weitere Strafprozesse wegen Zauberei (16 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 3. Der Ehebruchsprozess gegen Appuleia Varilla und Manlius (17 n. Chr.) . . . . . 127 4. Der Prozess gegen den thrakischen König Rhescuporis (19 n. Chr.) . . . . . . . . . 131 5. Der Skandal um Decius Mundus und mehrere Priester des Isiskultes (19 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 6. Der Prozess gegen Cn. Calpurnius Piso (20 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 7. Die Verbannung Aemilia Lepidas (20 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 8. Zwei Majestätsprozesse des Jahres 21 n. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 9. Die Verbannung des C. Iunius Silanus (22 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 10. Die Verbannung des Vibius Serenus (23 und 24 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 a) Der Prozess des Jahres 23 n. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 b) Die poena legis der lex Iulia de vi publica et privata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 d) Der Prozess des Jahres 24 n. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 11. Der Prozess gegen Lucilius Capito (23 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 12. Die Majestätsprozesse gegen Aelius Saturninus, C. Silius und Sosia Galla . . 156 13. Der zweite Prozess gegen den Redner Cassius Severus (24 n. Chr.) . . . . . . . . . 158 14. Der Prozess gegen P. Suillius (24 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 15. Der Kalumnienprozess gegen Firmius Catus (24 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 a) Die Kalumnienstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 b) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 16. Drei Majestätsprozesse der Jahre 25 und 28 n. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 17. Die Verurteilung Agrippinas der Älteren und ihres Sohnes Nero (29 n. Chr.) 166 18. Die Kreuzigung Jesu (30 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 19. Der Prozess gegen Asinius Gallus und die Verurteilung Sejans und Livillas . . 172 20. Die Prozesse nach dem Sturz Sejans (31 – 37 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 a) Die Majestätsprozesse gegen Iunius Gallio und Sextius Paconianus (32 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 b) Prozesse wegen Anklägervergehen von 32 bis 34 n. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . 178 c) Der Prozess gegen Sextus Marius (33 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 aa) Die Strafe für Inzest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 bb) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

12

Inhaltsverzeichnis d) Die Prozesse gegen Pomponius Labeo und Mamercus Aemilius Scaurus (34 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 e) Der Prozess gegen Albucilla (37 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 f) Der Prozess gegen die Mutter des Sextus Papinius (37 n. Chr.) . . . . . . . . . . 186 21. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 III. Caligula: Der Kaiser übernimmt die Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 1. Die Ehebruchsprozesse gegen Orestilla und Piso (37 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . 188 2. Majestätsprozesse von 38, 39 und 40 n. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 a) Neue Strafen für crimen maiestatis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 b) Hintergründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 3. Der Prozess gegen Avillius Flaccus (38 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 4. Die Verbannung des Redners Carrinas Secundus (39 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . 197 5. Die Verschwörung des Lepidus und der Schwestern des Kaisers (39 n. Chr.) 198 6. Die Verbannung des Ofonius Tigellinus (39 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 7. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 IV. Claudius: Strafzumessung durch Senat und Kaiser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 1. Der Prozess gegen Julia Livilla und Seneca d. J. (41 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . 203 2. Majestätsprozesse der Jahre 41 – 43 n. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 a) Zur Geltung der lex Iulia maiestatis unter Claudius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 b) Die einzelnen Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 3. Ein Repetundenprozess von 45 n. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 4. Die Verbannung des Asinius Gallus (46 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 5. Der Prozess gegen Valerius Asiaticus und Poppaea Sabina (47 n. Chr.) . . . . . . 212 a) Das liberum mortis arbitrium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 b) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 6. Die Verschwörung Messalinas und des C. Silius (48 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . 215 a) Angeklagtes Verbrechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 b) Neue Strafe für Ehebruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 7. Der Prozess gegen L. Iunius Silanus und Iunia Calvina (48 / 49 n. Chr.) . . . . . 219 8. Der Prozess gegen Lollia Paulina (49 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 9. Repetunden- und Kalumnienprozesse der Jahre 49 bis 53 n. Chr. . . . . . . . . . . . . 222 10. Die Verbannung des Furius Scribonianus (52 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 11. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

Inhaltsverzeichnis

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V. Nero: Strafzumessung im Spiegel von quinquennium Neronis und Tyrannenherrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 1. Prozesse wegen Anklägervergehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 a) Die Kalumnienprozesse gegen die Ankläger Agrippinas (55 n. Chr.) . . . . 228 b) Kalumnienprozesse aus den Jahren 57 und 58 n. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 c) Der Prozess wegen praevaricatio gegen Valerius Ponticus (61 n. Chr.) . . . 233 2. Repetundenprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 3. Sonstige Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 a) Der Mordprozess gegen Octavius Sagitta (58 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 b) Der Prozess gegen Livineius Regulus und andere Beteiligte (59 n. Chr.) 237 aa) Die Strafe für seditio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 bb) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 c) Ein Fälschungsprozess von 61 n. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 d) Die Ermordung des Stadtpräfekten Pedanius Secundus (61 n. Chr.) . . . . . 241 e) Der Prozess gegen Antistius Sosianus und die übrigen Majestätsverfahren vor der pisonischen Verschwörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 f) Die Verbannung Octavias und des Anicetus (62 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . 247 g) Der Prozess gegen den Apostel Paulus (63 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 h) Die Christenprozesse unter Nero (64 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 i) Die Kreuzigung eines Römers durch Galba (zwischen 60 und 64 n. Chr.) 251 4. Die pisonische Verschwörung (65 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 5. Die Prozesse nach der pisonischen Verschwörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 VI. Von Galba bis Titus (68 – 81 n. Chr.): Die Jahre spärlicher Überlieferung . . . . . 259 1. Der Kalumnienprozess gegen Annius Faustus (Anfang 69 n. Chr.) . . . . . . . . . 259 2. Majestätsprozesse unter Vitellius (Frühjahr 69 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 3. Prozesse unter Vespasian . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 4. Kalumnienprozesse unter Titus (79 – 81 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 VII. Domitian: Scheinbare Gesetzestreue und correctio morum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 1. Majestätsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 a) Verbannungsurteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 b) Gründe der Milderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 c) Die übrigen Majestätsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268

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Inhaltsverzeichnis 2. Die Vestalinnenprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 a) Der Prozess des Jahres 82 n. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 b) Der zweite Prozess (zwischen 89 und 91 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 3. Der Repetundenprozess gegen Baebius Massa (vor 93 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . 273 4. Ein Fälschungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 VIII. Trajan (98 – 117 n. Chr.): Strafzumessung unter dem Optimus Princeps . . . . . . . 275 1. Die Prozesse wegen der Verbrechen des Marius Priscus (98 – Januar 100 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 a) Der Repetundenprozess gegen Marius Priscus und Flavius Marcianus . . 276 b) Der Repetundenprozess gegen Hostilius Firminus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 2. Der Repetundenprozess gegen Caecilius Classicus und seine Helfer (98 / 99 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 3. Der Prozess gegen Norbanus Licinianus wegen praevaricatio (98 / 99 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 4. Der Prozess wegen des Todes des Konsuls Afranius Dexter (106 n. Chr.) . . . 282 5. Der Kalumnienprozess gegen Montanius Atticinus (vor 107 n. Chr.) . . . . . . . 283 6. Ein Ehebruchsprozess vor dem Kaisergericht (um 107 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . 285 7. Die Christenprozesse unter Trajan (nach 109 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 8. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 IX. Weitere Überlieferung bis zu den Severern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288

C. Die Strafzumessungsgründe im späteren Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 I. Das Alter des Angeklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 II. Das Geschlecht des Angeklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 III. Der Stand des Angeklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 IV. Rückfälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 V. Umstände der Tat: insbesondere Schwere und Ausmaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 VI. Der Umfang der Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 VII. Das Handeln aus Leidenschaft (impetu) und die Strafzumessung pro modo culpae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 VIII. Berücksichtigung der physischen Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 IX. Die Bildung des Angeklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298

Inhaltsverzeichnis

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X. Die familiäre Situation des Angeklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 XI. Weitere Ermessensgründe im späteren Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 XII. Nicht wiederkehrende Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 XIII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 Anhang I:

Stammtafel des Julisch-Claudischen Hauses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304

Anhang II: Übersicht zu den besprochenen Prozessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 Anhang III: Sonstige Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 Quellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365

Abkürzungsverzeichnis ANRW Art. art. cit. bes. C. C.Th. Coll. D. ders. ed. f. ff. FIRA Fn. Fnn. HLL i. f. init. insbes. Inst. Jh. m. w. N. NP o. PIR PS RE

s. S. s. a. s. u.

Temporini / Haase, Aufstieg und Niedergang der römischen Welt, Berlin ab 1972 Artikel articulum citatum besonders Codex Iustinianus (Corpus Iuris Civilis III) Codex Theodosianus Mosaicarum et Romanarum legum collatio (Lex Dei) Digesta (Corpus Iuris Civilis II) derselbe ediert von folgende(r) folgende Fontes iuris Romani anteiustiniani Fußnote Fußnoten Herzog, Reinhart / Schmidt, Peter Lebrecht (Hrsg.): Handbuch der lateinischen Literatur der Antike, München 1989 ff. in fine (am Ende) initio (am Anfang) insbesondere Institutiones (Corpus Iuris Civilis I) Jahrhundert mit weiteren Nachweisen Cancik, Hubert / Schneider, Helmuth (Hrsg.): Der neue Pauly: Enzyklopädie der Antike, Stuttgart / Weimar 1996 ff. oben Groag, Edmund et al. (Hrsg.): Prosopographia imperii Romani, 2. Aufl., Berlin / Leipzig 1933 – 2009 Pauli Sententiae Wissowa, Georg / Kroll, Wilhelm / Mittelhaus, Karl / Ziegler, Konrat (Hrsg.): Paulys Realencyclopädie der klassischen Altertumswissenschaft, neue Bearbeitung, Stuttgart 1894 ff. siehe Seite siehe auch siehe unten

Abkürzungsverzeichnis Sp. u. a. vgl. Z. z. B. z. T.

Spalte und andere vergleiche Zeile zum Beispiel zum Teil

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Einleitung I. Problemstellung In der frühen Kaiserzeit galten formell die republikanischen und augusteischen Strafgesetze und waren für die Verfolgung von Verbrechen weiterhin ordentliche Gerichte zuständig. In der Strafpraxis machten sich daneben jedoch Kaiser- und Senatsgericht als außerordentliche Gerichte breit und wichen oft von den Strafgesetzen ab. Gegenstand dieser Arbeit sind Fragen des richterlichen Ermessens bei der Strafzumessung im außerordentlichen Strafprozess, der cognitio extra ordinem, in der frühen und hohen Kaiserzeit bis zu den Severern. Anhand aller Prozesse, die aus dieser Zeit überliefert sind und die Informationen zum richterlichen Ermessen enthalten, soll untersucht werden, woran sich die Gerichte bei der Strafzumessung orientierten, seien es besondere Merkmale des Täters, der Tat oder die poena legis.1 Häufig sind dabei vorab die gesetzlich angeordneten Strafen überhaupt erst genauer zu bestimmen. Der außerordentliche Strafprozess ist eine gerichtsverfassungsrechtliche Neuerung des beginnenden Prinzipats, die zunächst vor dem Hintergrund des ordentlichen republikanischen Strafprozesses zu beurteilen ist. Die ordentlichen Strafprozesse vor der Volksversammlung, die iudicia populi, hatten sich wegen der Umständlichkeit des Verfahrens bereits um 200 v. Chr. als nicht mehr praktikabel erwiesen. Daher wurden in Rom nach und nach immer neue Geschworenenhöfe für die Aburteilung bestimmter Verbrechen eingerichtet. Das gefestigte System der quaestiones perpetuae am Ende der Republik war im Wesentlichen das Werk Sullas. Für jeden Gerichtshof2 wurden das zu verfolgende Verbrechen, das Verfahren und auch die zu verhängende Strafe genau geregelt. Der beginnende Prinzipat zog – wenn zunächst auch verdeckt – grundlegende verfassungsrechtliche Veränderungen nach sich. Diese blieben nicht ohne Auswirkung auf das unmittelbar staatliche und öffentlich-politische Gebiet des Rechts: das Kriminalstrafrecht. Wie im gesamten staatlichen Gefüge, so ergab sich schnell auch in der Strafgerichtsverfassung ein Nebeneinander von alten republikanischen und neuen kaiserzeitlichen Einrichtungen. Neben die quaestiones traten zunächst Senats- und Kaisergericht, später dann auch die Judikatur der Präfekten, die in seZu den einzelnen Fragen am Ende dieses Abschnitts. Etwa die quaestio de sicariis et veneficiis, die quaestio testamentaria nummaria, die quaestio de maiestate, die quaestio repetundarum, die quaestio de ambitu und die quaestio de peculatu, vgl. Kunkel, Art. quaestio, RE XXIV 1, 1963, Sp. 720 – 786, Sp. 740 – 749. 1 2

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Einleitung

verischer Zeit die Strafrechtsprechung fast ganz bei sich konzentrierten.3 Wie alle anderen republikanischen Einrichtungen4 existierten auch die quaestiones unter dem Schein einer wiederhergestellten res publica eine Zeit lang fort. Augustus systematisierte bzw. erneuerte sie sogar im Rahmen der lex Iulia iudiciorum publicorum von 17 v. Chr. und führte weitere Straftatbestände ein, die im ordo iudiciorum vor quaestiones verfolgt werden sollten.5 Unter der veränderten Verfassungswirklichkeit ist eine nennenswerte judizielle Tätigkeit der alten quaestiones jedoch schon bald nicht mehr nachweisbar.6 Jedenfalls in politisch bedeutsamen Fällen wurden sie von den neuen Gerichten der cognitio extra ordinem verdrängt. Grundsätzlich urteilten diese wie die quaestiones nach den Tatbeständen der strafrechtlichen leges. Sie verurteilten aber auch wegen neuer crimina extraordinaria, die nicht durch Volksgesetz unter Strafe gestellt worden waren, nun aber als strafwürdig angesehen wurden. Für die quaestiones galt der Satz Ciceros: damnatio est enim iudicum, quae manebat, poena legis, quae levabatur.7 Die Entscheidung des Gerichts betraf nur die Frage, ob der Beschuldigte die Tat verübt hatte, nicht das Strafmaß. Das ergab sich unmittelbar aus dem Strafgesetz.8 Wurde der Angeklagte etwa des Mordes für 3 Vgl. Ulp. lib. sing. de off. praefecti urbi D. 1, 12, 1. s. a. Santalucia, Diritto e processo penale (1998), S. 222 m. w. N. 4 Vgl. etwa zum Fortleben und Erlöschen der Volksgesetzgebung Wieacker, Römische Rechtsgeschichte II (2006), S. 21 f. 5 Z. B. die neue quaestio de adulteriis und die neue quaestio de vi, vgl. Kunkel, Art. quaestio, RE, art. cit., Sp. 769 – 773. 6 Die Zeugnisse über die Existenz bestimmter quaestiones in der Kaiserzeit sind spärlich. Hinweise finden sich bei Tac. ann. 1, 72 (quaestio de maiestate), 2, 79 u. 3, 12 (jeweils quaestio de sicariis et veneficiis), 3, 38 (quaestio de adulteriis), 6, 16 (Quaestionenverfahren wegen einer unbekannten caesarischen lex) und 14, 40 f. (womöglich ein Quästionenverfahren nach der lex Cornelia testamentaria nummaria), bei Suet. Tib. 8 und 58 (jeweils quaestio de maiestate), bei Plin. ep. 5, 9, 3, bei Dio 77, 16, 4 (quaestio de adulteriis) und für die quaestio de maiestate neuerdings auch im Senatus Consultum de Cn. Pisone patre, Z.121 f. (s. Caballos / Eck / Fernández, Das SC de Cn. Pisone (1996), S. 47). Eine Digestenstelle berichtet, dass kapitale quaestiones außer Gebrauch gekommen sind (Paul. lib. sing. de iudiciis publicis D. 48, 1, 8). Einige moderne Autoren nehmen trotz Fehlens hinreichender Belege z. T. mit guten Gründen eine judizielle Tätigkeit der quaestiones in der Kaiserzeit speziell für unpolitische Prozesse an. Umstritten ist unter diesen Autoren allerdings, wann der Zeitpunkt für das definitive Ende der quaestiones festzusetzen ist. Überwiegend legt man diesen in die severische Zeit (Mommsen, Strafrecht (1899), S. 219 f., Kunkel, Art. quaestio, RE, art. cit., Sp. 778 f., Bauman, Quaestio de adulteriis (1968), S. 68 f.), zum Teil schon davor (Garnsey, Adultery Trials (1967), S. 56 f., ders., Social Status and Legal Privilege (1970), S. 13 – 34, Robinson, Penal Practice (2007), S. 76), zum Teil auch erst später (Brasiello, La repressione penale (1937), S. 45 und ders., iudicia publica (1962), S. 555 f.). s. dazu auch Schulz, History (1946), S. 140, Bauman, I libri de iudiciis publicis (1974 / 75), S. 40 und Botta, Opere giurisdizionali (2008), S. 288 – 304. 7 Vgl. Cic. pro Sulla 63 i. f.: Die richterliche Verurteilung wäre nämlich das, was gültig geblieben wäre; die gesetzliche Strafe das, was gemildert worden wäre (in dem Gesetzesvorschlag des Caecilius). 8 Insoweit entsprach die Lage in Rom dem attischen Strafprozess, wo für einige Verbrechen eine Strafe gesetzlich festgeschrieben war und sich die Geschworenen in den übrigen

I. Problemstellung

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schuldig befunden, dann folgte aus der lex Cornelia de sicariis et veneficiis die Todesstrafe.9 Ob diese im Einzelfall für zu hart befunden wurde, musste dahinstehen. In der cognitio extra ordinem wendet sich dann das Blatt und ein neues Prinzip tritt auf den Plan: Beim Strafmaß weicht die poena legis dem Ermessen des Richters. Das über einen Mörder gefällte Urteil konnte abweichend von der strikten Rechtsfolge der lex Cornelia statt der Todesstrafe auch Verbannung oder eine andere Strafe aussprechen. In der Überlieferung juristischer Schriften zum Strafrecht in den Digesten, insbesondere den Büchern 47 und 48, und in den Paulussentenzen, insbesondere Buch 5, ist dies deutlich erkennbar. Ulpian schreibt etwa: hodie licet ei, qui extra ordinem de crimine cognoscit, quam vult sententiam ferre, vel graviorem vel leviorem, ita tamen ut in utroque modo rationem non excedat.10 Im außerordentlichen Verfahren stand die Strafzumessung also im – maßvollen – richterlichen Ermessen. Diese juristische Überlieferung zur cognitio extra ordinem gewährt jedoch nur Einblicke in den Rechtszustand von einer bestimmten Zeit an. Die Fragmente in den Büchern 47 und 48 der Digesten stammen überwiegend von Spätklassikern (ca. 175 bis 250 n. Chr.11). Die wenigen Fragmente früherer Autoren äußern sich nicht zur Strafzumessung.12 Die Paulussentenzen stammen aus noch späterer Zeit.13 Die Fällen entweder für den Antrag des Anklägers oder des Angeklagten entscheiden mussten. Ein Ermessen bei der Strafzumessung besaßen sie nicht. Vgl. Jones, Law and Legal Theorie of the Greeks (1956), S. 130 f., Meyer-Laurin, Gesetz und Billigkeit im Attischen Prozess (1965), S. 39 u. 45 f., Harrison, The Law of Athens II (1971), S. 166 – 168, MacDowell, The Law in Classical Athens (1978), S. 253 f. 9 Zwar hatte sich bereits in der späten Republik die Übung eingestellt, dass der das Urteil vollstreckende Magistrat den Verurteilten ins Exil entweichen lassen konnte. Dies ist aber nur Vollstreckungsermessen, kein Rechtsfolgerermessen. Die poena legis der lex Cornelia de sicariis et veneficiis war Todesstrafe und darauf lautete auch das Urteil, vgl. Levy, Die Römische Kapitalstrafe (1930 / 31), S. 14 f., Nogrady, Römisches Strafrecht nach Ulpian (2006), S. 160. Näher hierzu unten im Abschnitt über die Kapitalstrafe im römischen Strafrecht, s. u. A.III.1. Zur lex Cornelia de sicariis et veneficiis näher unten B.I.7.a)aa). 10 1 de appellationibus D. 48, 19, 13: heute darf der, der außerordentlicherweise über ein Verbrechen erkennt, das Urteil fällen, das er will, sei es härter oder milder, so aber, dass er in beiden Fällen das Maß nicht überschreitet. Stellen, die das Prinzip ähnlich allgemein ausdrücken, sind Hermog. 5 iur. epit. D. 47, 10, 45, Ulp. 8 de off. proc. D. 47, 20, 3, 2, PS 1, 5, 2; 5, 4, 4; 5, 4, 8; 5, 4, 16; 5, 4, 17 u. a. Das Phänomen tritt auch dort hervor, wo solent, plerumque und ähnliche Begriffe in Verbindung mit dem Strafmaß genannt werden, z. B. (solent) Ulp. 8 de off. proc. D. 47, 11, 6, idem eo 47, 18, 1, 1, Paul. 1 de off. praef. vigil. D. 47, 18, 2, Marcian 14 inst. D. 48, 8, 3, 5, Modestin 3 de poen. D. 48, 8, 16, PS 5, 4, 13, (plerumque) Macer 1 iudic. publ. D. 48, 11, 7, 3, Hermog. 6 iur. epit. D. 48, 15, 7. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen. 11 Liebs, Römisches Recht (2004), S. 58 – 62. 12 Frühere Autoren (etwa Labeo, Neraz und Javolen) finden sich vereinzelt z. B. in Titel 2 des 47. Buches (de furtis), behandeln dort allerdings zivilrechtliche Fragen des Diebstahls, vgl. Labeo 2 Pith. a Paul. epit. D. 47, 2, 92, Neraz 1 membran. D. 47, 2, 66 u. 84 und Javolen 15 ex Cass. D. 47, 2, 72. 74 u. idem 9 ex poster. Lab. D. 47, 2, 91. 13 Sie entstanden im späten 3. Jh., vgl. Liebs, Römische Jurisprudenz in Africa (2005), S. 46 ff. und ders., Die Rolle der Paulussentenzen bei der Ermittlung des römischen Rechts (2008), S. 157 m. w. N.

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Einleitung

frühesten Stellen, die das Strafmaß einzelner Delikte betreffen, reichen allenfalls bis Hadrian zurück. Zahlreich sind sie nicht. Über Digestenfragmente sind uns auch wenige Kaiserkonstitutionen aus antoninischer Zeit überliefert, die Informationen zur Strafzumessung enthalten.14 Die Zeit vor Hadrian aber bleibt in den Digesten dunkel. Aus den ersten 150 Jahren des Prinzipats sind keine Juristentexte zum richterlichen Ermessen erhalten, überhaupt keine zum öffentlichen Strafrecht.15 Dennoch lassen sich Informationen über den außerordentlichen Strafprozess und das richterliche Ermessen auch für die frühe und hohe Kaiserzeit bis zu den Severern gewinnen, so dass Fragen zur Strafzumessung in dieser Zeit nachgegangen werden kann. Literarische Quellen, insbesondere Tacitus, Sueton, Cassius Dio und Plinius d. J. enthalten detailreiche Berichte über Strafprozesse, die unter dem Gesichtspunkt der Strafzumessung noch nicht systematisch ausgewertet wurden.16 Für Rom ist dabei die Rechtsprechung des Senats und des Kaisers von Interesse, für die Provinzen die Rechtsprechung der Statthalter. Außer Betracht bleiben soll das Militärstrafrecht und die Aburteilung von Soldaten oder Kriegsgegnern durch den militärischen Befehlshaber.17 Bei der Untersuchung der einzelnen außerordentlichen Strafprozesse geht es zunächst um die Frage, welche Rolle die gesetzlichen Strafen spielten und inwieweit man sie als verbindlich ansah. Wenn Abweichungen von der poena legis oder von der mittlerweile üblichen Strafe auftreten, ist weiter nach dem möglichen Anlass 14 Konstitutionen Hadrians etwa bei Callistr. 3 de cogn. D. 47, 21, 2 und Marc. 14 inst. D. 48, 9, 5, Konstitutionen von Antoninus Pius etwa bei Marc. 14 inst. D. 48, 7, 1, 2 und Callistr. 6 de cogn. D. 48, 19, 28, 7, von Marc Aurel etwa bei Mod. 1 de poen. D. 48, 19, 30 und Ulp. 7 de off. proc. Coll. 15, 2, 5 und von Septimius Severus und Caracalla etwa bei Marc. 1 iudic. publ. D. 48, 13, 10, 1 und idem 1 de delat. D. 49, 14, 18, 8. 15 Daraus folgt noch nicht, dass es in diesem Bereich damals keine Juristentexte gegeben hätte. Einiges spricht jedoch dafür, dass sich die Juristen dieser Zeit kaum mit dem öffentlichen Strafrecht beschäftigten, denn anderenfalls hätten die späteren Autoren die früheren wohl zitiert. Zudem war das rechtlich nicht geregelte Nebeneinander von altem ordo und neuer cognitio extra ordinem, von alten crimina legitima und neuen crimina extraordinaria für juristische Abhandlungen zunächst systematisch kaum fassbar; erst eine – mangels Nachrichten über den Umfang des Fortbestehens der alten quaestiones nicht trennscharf fassbare – Harmonisierung der Gerichtsverfassung und des materiellen Strafrechts in der Praxis scheint eine systematische Darstellung erlaubt und das Interesse der Juristen geweckt zu haben. Die ersten auch inhaltlich bekannten Arbeiten sind die libri de iudiciis publicis von Maecian und Venuleius Saturninus aus antoninischer Zeit. Die meisten Werke zum Strafrecht stammen von severischen Juristen. Zuvor hatte Capito in seinen libri Coniectaneorum den iudicia publica ein Buch gewidmet, von dem jedoch nichts erhalten ist, vgl. dazu Bremer, Iurisprudentiae antehadrianae (1896), S. 283, Schulz, Geschichte der Römischen Rechtswissenschaft (1961), S. 165, Fanizza, Giuristi (1982), S. 10 f., 18 f. u. insbes. 93 – 104 und Roncati, Caio Ateio Capitone e i Coniectanea (2005), S. 317 ff. u. insbes. 358 ff. s. zum Ganzen auch Bauman, I libri de iudiciis publicis (1974 / 75), S. 39 – 41 Manfredini, Crimini e Pene (1996), S. 247 und Botta, Opere giurisprudenziali (2008), S. 283 – 288. 16 s. u. II. 17 Z. B. Tac. ann. 1, 29; 1, 44; 13, 35; 14, 24, Suet. Aug. 24, 1, Galba 12, 2, Plin. ep. 10, 29 f. s. a. Dio 55, 34.

II. Forschungsstand

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hierfür zu fragen. Für den Einzelfall können sich Gründe unmittelbar aus dem untersuchten Strafprozess ergeben. Generelle Erklärungen für die Abweichung von der gesetzlichen Strafe liefern für die Regierungszeit Claudius’ und Neros insbesondere Senecas Schriften De ira und De clementia, in denen er seine Gedanken zu Sinn und Zweck des Strafens niederlegte. Für die darauffolgende Zeit sind diesbezüglich die Noctes Atticae des Aulus Gellius von Bedeutung.18 Auch ein Vergleich der Verfahren des ordo und der freieren cognitio extra ordinem kann bei einzelnen Prozessen Aufschluss geben.19 Die Beantwortung der vorgenannten Fragen anhand einer chronologischen Auswertung sämtlicher brauchbaren Strafprozesse wird, nach einem ersten Abschnitt mit Vorüberlegungen, der Hauptteil der Untersuchung sein. Eine weitere Frage ist, welche der für die Zeit ab Hadrian insbesondere in den Digesten überlieferten ermessenslenkenden Gesichtspunkte bereits in der frühen Kaiserzeit nachweisbar sind und welche der in den zu untersuchenden Prozessen gefundenen Strafzumessungsgründe im späteren Recht nicht wiederkehren. Dieser Vergleich bietet sich am Ende der Arbeit an.

II. Forschungsstand Seit dem noch immer grundlegenden Werk Mommsens20 wurde dem römischen Strafrecht in der Forschung mehr Aufmerksamkeit geschenkt.21 Dennoch ist dieser Bereich des römischen Rechts, verglichen etwa mit dem Zivilrecht, verhältnismäßig wenig erforscht. Die Entwicklung des römischen Strafrechts im Prinzipat, beginnend mit der augusteischen Gesetzgebung,22 wurde bisher unter verschiedenen Gesichtspunkten untersucht. Einen Überblick über die Entwicklung bietet eine Arbeit Puglieses.23 Dem Verfahren extra ordinem24 und dem Fortbestehen der quaestiones neben den Zu Sinn und Zweck des Strafens s. u. A.I. Vgl. dazu insbesondere B.II.6., 7., 8., 9., 10.d), IV.1., V.3.d), e), 4., VIII.1.a) und 4. 20 Römisches Strafrecht (1899). 21 Vgl. etwa die umfassenden Darstellungen von Ferrini, Diritto penale romano. I: Teorie generali (1899) und II: Esposizione storica e dottrinale (1902), Greenidge, Legal porcedure in Cicero’s time (1901), Strachan-Davidson, Problems of the Roman Criminal Law (1912), Costa, Crimini e pene. Da Romolo a Giustiniano (1921), Brasiello, La repressione penale nel diritto romano (1937), Pugliese, Il diritto criminale romano (1952) und Diritto penale romano (1980), Gioffredi, I principi del diritto penale romano (1970), Jones, The Criminal Courts of the Roman Republic and Principate (1972), Santalucia, Diritto e processo penale nell’antica Roma (1998). 22 Vgl. hierzu die Arbeiten von Arangio-Ruiz, La legislazione [augustea] (1938), Biondi, La legislazione di Augusto (1939) und Leges populi romani (1945), Kunkel, Art. quaestio, RE, art. cit. (1963). 23 Pugliese, Linee generali dell’evoluzione del diritto penale pubblico durante il principato (1982). 18 19

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Einleitung

neuen Gerichten der cognitio extra ordinem25 gelten mehrere Aufsätze und Monographien. Sorgfältig wurden die Anfänge des Senats- und des Kaisergerichts26 sowie der Rechtsprechung der Präfekten27 und Statthalter28 beleuchtet. Der Strafzumessung im römischen Strafrecht der Kaiserzeit wandten sich jedoch nur wenige Autoren mehr oder weniger ausführlich zu. Mommsen räumt dem Gegenstand im zwölften Abschnitt seines Römischen Strafrechts29 einen Raum von knapp sechs Seiten ein. Als Belege für das richterliche Ermessen und für die ermessenslenkenden Gesichtspunkte dienen ihm Stellen aus den Digesten, den Paulussentenzen, der Lex Dei und den Codices Theodosianus und Justinianus. Damit wird jedoch nur der Rechtszustand einer begrenzten Zeit beleuchtet, der Rechtszustand in der Spätklassik und danach.30 Für die Zeit davor weist er schlicht auf Plinius ep. 4, 9, 17 hin: senatui . . . licet et mitigare leges et intendere.31 Ebenso knapp und auf die späten Quellen ausgerichtet sind andere ältere Autoren.32 24 Dazu Lauria, Accusatio – Inquisitio. Ordo – cognitio extra ordinem – cognitio (1934), Bonini, I libri de cognitionibus di Callistrato. Ricerche sull’elaborazione giurisprudenziale della cognitio extra ordinem (1964), Orestano, La ,cognitio extra ordinem‘: una chimera (1980). 25 Brasiello, Sulla desuetudine dei iudicia publica (1962), Kunkel, Art. quaestio, RE, art. cit. (1963), Garnsey, Adultery Trials and the Survival of the Quaestiones in the Severan age (1967), Bauman, Some remarks on the Structure and the Survival of the Quaestio de adulteriis (1968). 26 Zum Senatsgericht vgl. Jones, Imperial and Senatorial Jurisdiction in the Early Principate (1955), de Marini Avonzo, La funzione giurisdizionale del senato romano (1957), Bleicken, Senatsgericht und Kaisergericht (1962), Kunkel, Über die Entstehung des Senatsgerichts (1969), de Marini Avonzo, Il senato nella repressione penale (1977), Vicenti, Aspetti procedurali della cognitio senatus (1982), Arcaria, ,Senatus censuit‘. Attività giudiziaria ed attività normativa del senato in età imperiale (1992) und ders., Diritto e processo penale in età augustea (2009). s. a. Garnsey, Social Status and Legal Privilege (1970), S. 17 – 64, Talbert, The Senate of Imperial Rome (1984), S. 460 – 487, Arcaria, Sul dies a quo della giurisdizione criminale senatoria (2007). Zum Kaisergericht vgl. McFayden, The Rise of the Princeps’ Jurisdiction within the City of Rome (1923), Jones, Imperial and Senatorial Jurisdiction in the Early Principate (1955), Kelly, Princeps iudex (1957), Bleicken, Senatsgericht und Kaisergericht (1962), Volkmann, Zur Rechtsprechung im Principat des Augustus (1969). 27 Dazu etwa de Robertis, La repressione penale nella circoscrizione dell’Urbe (1937), Schiller, The jurists and the prefects of Rome (1949), Vitucci, Ricerche sulla praefectura urbi in età imperiale (1956), Brunt, Procuratorial Jurisdiction (1966). 28 Garnsey, The Criminal Jurisdiction of Governors (1968), Sartori, Sulla repressione penale nelle province (1970) und Liebs, Das ius gladii der römischen Provinzgouverneure in der Kaiserzeit (1981). 29 S. 1038 – 1044. 30 Vgl. o. I. mit Fnn. 11 – 14. 31 S. 1039 Fn. 1. Diese Stelle wird S. 254 Fn. 4 auch als Beleg für das Ermessen des Senatsgerichts angeführt. Die Belege für das Ermessen des Kaisers S. 262 Fn. 1 sind ebenfalls allgemeiner und punktueller Natur. 32 Vgl. Geib, Criminalprozess (1842), S. 655 – 662, Rein, Criminalrecht (1844), S. 69, Hartmann, Römische Gerichtsverfassung (1886), S. 489 – 492, Strachan-Davidson, Problems II (1912), S. 160 ff. und Costa, Crimini e pene (1921), S. 85 ff.

II. Forschungsstand

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Die erste selbständige Abhandlung zum richterlichen Ermessen ist der 1938 erschienene Aufsatz ,Gesetz und Richter im kaiserlichen Strafrecht. Erster Teil. Die Strafzumessung‘33 von Ernst Levy. Der Autor unternimmt den Versuch, für die Kaiserzeit zu klären, ob die Gerichte der cognitio extra ordinem an ein gesetzliches Strafmaß gebunden waren oder ob die Strafzumessung in ihrem Ermessen lag. Anhand einer ausführlichen Untersuchung überwiegend spätklassischer und nachklassischer Quellen zum crimen falsi stellt Levy zunächst fest, dass es für eine bestimmte Tat keine bestimmte Strafe gegeben habe,34 dass die poena legis der republikanischen Strafgesetze aber eine absolute Strafe gewesen sei.35 Sodann folgen wenige Beispiele kaiserlicher und konsularisch-senatorischer Rechtsprechung aus der frühen Kaiserzeit, die eine Abweichung von der poena legis erkennen lassen.36 Das Ermessen des Statthaltergerichts wird mit durch Digestenfragmente überlieferten mandata principis belegt.37 Nachweise für die Zeit bis Hadrian bleibt Levy jedoch schuldig. Ausführlich38 wendet er sich dann der Überlieferung der juristischen Quellen zum richterlichen Ermessen in den Digesten, den Paulussentenzen, der Lex Dei und im Codex Justinianus zu. Er untersucht den Einfluss der meist über Digestenfragmente überlieferten Kaiserkonstitutionen aus antoninischer Zeit39 auf die Ermessensfreiheit der Strafrichter hin.40 Schließlich behandelt er das richterliche Ermessen in der Nachklassik und im Dominat.41 Wenn Levy feststellt: ,Vorwiegend als absolute Strafe tritt die poena legis in die Kaiserzeit ein‘ und dann die Frage aufwirft: ,Welchen Schicksalen geht sie von da ab entgegen?‘,42 so muss man sagen, dass er das Schicksal der poena legis und die Strafzumessung zwar für die Spätklassik und die Zeit danach ausführlich untersucht hat. Die ersten 150 Jahre des Prinzipats wurden mit den Ausführungen und spärlichen Quellennachweisen43 dagegen praktisch nicht untersucht. Francesco M. de Robertis hat sich sehr ausführlich mit dem richterlichen Ermessen beschäftigt. In seinen ersten beiden Veröffentlichungen zu diesem Thema44 BIDR 45 (1938), S. 57 – 166. S. 60 – 71. Die untersuchten Quellen stammen aus den Paulussentenzen, den Digesten, der Lex Dei und dem Codex Justinianus. Eine Stelle stammt aus einem Pliniusbrief (ep. 10, 58, 3). 35 S. 72 ff. 36 S. 77 f. die Ehebruchsaffären der beiden Juliae (Tac. ann. 3, 24). Die weiteren Nachweise zum Kaisergericht (Suet. Aug. 33 u. 51 und Claud. 14) sind allgemeiner Natur. Zum Senatsgericht (S. 79) wird der Fall Tac. ann. 14, 48 f. angeführt. Die weiteren Nachweise sind wiederum recht allgemein (Plin. ep. 2, 11; 4, 9, 17). 37 S. 80 ff. Etwa eine Konstitution Hadrians bei Venul. Saturn. 1 de off. proc. D. 48, 19, 15 und eine Konstitution von Antoninus Pius bei Pap. 36 quaest. D. 48, 5, 39, 8. 38 S. 87 ff. 39 Vgl. zu den einzelnen Konstitutionen oben I. mit Fn. 14. 40 S. 96 – 137. 41 S. 139 – 163. 42 S. 76. 43 Vgl. S. 77 – 79. 33 34

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Einleitung

geht er insbesondere der Frage nach, wie sich die Kaiserkonstitutionen aus antoninischer Zeit, die uns über Digestenfragmente überliefert sind,45 auf das Ermessen der Strafrichter auswirkten. Er bezieht dabei eine Gegenposition zu Levy46 und Mommsen,47 die annahmen, die richterliche Ermessensfreiheit sei durch jene Konstitutionen nicht beschränkt worden. Im Schlussteil der zweiten Abhandlung untersucht de Robertis schließlich das Ermessen der Strafrichter in der Spätzeit. Die Arbeiten beziehen sich also auf die Zeit nach Hadrian, insbesondere auf die severische Zeit. Die ersten 150 Jahre des Prinzipats werden hier nicht behandelt. In einer späteren Monographie48 unternimmt der Autor den Versuch, anhand der überlieferten juristischen Quellen eine Dogmatik der Strafzumessung nach römischem Recht zu entwickeln. Im Wege einer sorgfältigen Untersuchung der Digesten, der Paulussentenzen, der Lex Dei und der Codices Theodosianus und Justinianus verfolgt er eine systematische Darstellung der Gesichtspunkte, an denen sich das richterliche Ermessen orientierte, aufgefächert in täter- und tatbezogene Merkmale. Erneut wird die Auffassung vertreten, die antoninischen Konstitutionen hätten das richterliche Ermessen in spätklassischer Zeit beschränkt. Auch die Strafzumessung in der Spätzeit wird aufgrund der gefundenen Systematisierung untersucht. Die Darstellung konzentriert sich wieder auf die Zeit nach Hadrian. Das gleiche gilt für seine letzte Veröffentlichung zum Thema (1954).49 Hier erneuert er seine Ansicht zu den antoninischen Konstitutionen.50 Auch stellt er fest, dass die Ungleichbehandlung von Personen unterschiedlichen Standes hinsichtlich der anzuwendenden Strafe seit Hadrian und insbesondere seit Antoninus Pius nachgewiesen werden kann.51 Der dargestellte Forschungsstand zeigt, dass eine detaillierte Untersuchung zum richterlichen Ermessen im Strafrecht der frühen Kaiserzeit von Augustus bis Hadrian fehlt, obwohl die literarische Überlieferung, insbesondere Tacitus, Sueton, Cassius Dio und Plinius d. J.,52 Informationen zu Strafprozessen bereithält, deren vollständige und vergleichende Auswertung unter diesem Gesichtspunkt53 lohnend 44 Arbitrium iudicantis e statuizioni imperiali. Pena discrezionale e pena fissa nella cognitio extra ordinem (1939) und Sulla efficacia normativa delle costituzioni imperiali, I. Il giudice e la norma nel processo penale straordinario (1941). 45 Vgl. oben Fn. 14. 46 Levy, Gesetz und Richter (1938), S. 97 ff. und insbes. 116 ff. 47 Strafrecht (1899), S. 1041. 48 La variazione della pena pro modo admissi (1942). 49 La variazione della pena nel diritto romano (1954). 50 S. 48 ff. 51 S. 70 ff. u. 87 ff. 52 s. näher unten III. 53 Unter anderen Aspekten fand eine Auseinandersetzung mit den zu besprechenden Fällen statt. Bleicken, Senatsgericht und Kaisergericht (1962), und Kunkel, Über die Entstehung des Senatsgerichts (1969), gingen auf dieser Grundlage der Frage nach, ob sich für den frühen Prinzipat bereits ein institutionalisiertes Senatsgericht (bzw. Senats- und Kaisergericht)

III. Methode und Quellen

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erscheint. Die Strafzumessung im Rahmen der ordentlichen Verfahren vor den quaestiones während der späten Republik wirft wegen der absoluten poena legis keine schwierigen Fragen auf; wir können uns hierzu ein klares Bild machen. Die Spätklassiker liefern einigermaßen ausführliche Nachrichten über die Strafzumessung zu ihrer Zeit, was gleichfalls schon gründlich untersucht wurde. Doch dazwischen klafft eine Lücke von etwa 150 Jahren, während der man für das Kaiserund Senatsgericht gemeinhin von vollkommener Freiheit bei der Strafzumessung ausgeht.54 Diese Annahme soll durch die vorliegende Arbeit einer Prüfung unterzogen werden. Nicht zuletzt sind auch die juristischen Quellen zur Strafzumessung aus späterer Zeit, die strafrechtlichen Stellen in den Digesten, den Paulussentenzen, der Lex Dei und den Codices, erst vor dem Hintergrund der Entwicklung in dieser früheren Zeit voll verständlich.

III. Methode und Quellen An die Darstellung des Forschungsstandes sollen sich nun kurze Bemerkungen dazu anschließen, wie den aufgeworfenen Fragen methodisch nachgegangen wird und welche Quellen für die einzelnen Zeitabschnitte zur Verfügung stehen. Am Beginn werden Vorüberlegungen zu den geistesgeschichtlichen Hintergründen strafrichterlichen Ermessens und zu den wichtigsten Kriminalstrafen stehen, zumal zur strafrechtlichen Verbannung, bei der noch vieles ungeklärt ist. Daran schließt sich als Hauptteil die Darstellung und Auswertung der für den zu untersuchenden Zeitraum für die Frage der Strafzumessung brauchbaren Prozesse an. Die einzelnen Gesichtspunkte der Strafzumessung werden in der Reihenfolge entwickelt, wie sie sich aus den Fällen ergeben. Durch Rückblicke und Vorgriffe sollen exegetischer und synthetischer Teil miteinander verbunden werden. Für die wenigen überlieferten Strafprozesse in augusteischer Zeit, einerseits vor dem Senat, andererseits vor dem Kaiser, sind insbesondere Suetons Kaiserbiographien und Cassius Dios Römische Geschichte wichtige Quellen. Auch aus Tacitus’ Annalen, Ovids Tristia und seinen Epistulae ex Ponto, Velleius’ Historia romana und einigen Schriften Senecas lassen sich Auskünfte gewinnen. Für die Zeit des Kaisers Tiberius liefern wiederum Tacitus, Sueton und Dio zahlreiche Informationen. Mit den verschollenen taciteischen Büchern 7 bis 10 fehlen jedoch für die Regierungszeit Caligulas und die Anfangsjahre des Kaisers Claudius ausführliche Berichte, wenn auch für diese und die nachfolgende Zeit Sueton und – ab 14 n. Chr. nurmehr fragmentarisch erhalten – Cassius Dio wertvoll bleiben. Für die Jahre 47 nachweisen lässt. Zu den Veröffentlichungen zu einzelnen Prozessen vgl. die Nachweise zu Beginn der zu besprechenden Fälle. 54 Mommsen, Strafrecht (1899), S. 1039, Strachan-Davidson, Problems II (1912), S. 159 f., Levy, Gesetz und Richter (1938), S. 76 u. 79, Bauman, Crime and Punishment (1996), S. 5 u. 50, Santalucia, Diritto e processo penale (1998), S. 238 u. 249.

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Einleitung

bis 66 n. Chr. sind wieder die Bücher 11 bis 16 von Tacitus’ Annalen erhalten, für das Jahr 69 die Bücher 1 bis 4 seiner Historiae. Die Jahre nach Nero bis zum Tod Domitians 96 n. Chr. sind durch Sueton und Cassius Dio fassbar, die Regierungszeit Nervas und Trajans durch Pliniusbriefe und wieder Cassius Dio. Für die anschließende Zeit bis zu den Severern haben wir kaum detailreiche Auskünfte, lassen sich über Strafprozesse nur spärliche Informationen zusammentragen. Die Autoren berichten meist über Prozesse von politischer Tragweite. Von ,Alltagsprozessen‘, die zunächst weiterhin vor den quaestiones, später dann vor dem Gericht des Stadtpräfekten verhandelt worden sein werden, erfahren wir wenig. Doch wird sich zeigen, dass gerade die politischen Strafverfahren rechtsfortbildend wirkten und für das gesamte Strafrecht späterer Zeiten prägend wurden. Die genannten Quellen sind, wie gesagt, die einzigen, die für die Untersuchung zur Verfügung stehen.55 Literarische Quellen unter juristischen Gesichtspunkten zu untersuchen, ist mit Schwierigkeiten verbunden. Gerade Tacitus legt häufig kein großes Gewicht auf exakte Darstellung der rechtlichen Umstände und Zusammenhänge eines Prozesses.56 Dass er Bestrafungen gelegentlich dem Kaiser zuschreibt, obwohl das Urteil in Wahrheit vom Senat gefällt wurde, ist für unsere Untersuchung, die auf das Verhältnis von poena legis und ausgeurteiltem Strafmaß im Einzelfall Wert legt, kein Hindernis. Der Umstand jedoch, dass er die gegen einen Angeklagten erhobenen Beschuldigungen häufig unvollständig benennt und aus einer Fülle von Anschuldigungen bisweilen einen besonders plakativen Teilaspekt herausgreift, der seinem literarischen Konzept an einer bestimmten Stelle förderlich war, macht eine sorgfältige Prüfung der überlieferten Informationen für jeden Einzelfall erforderlich. In Suetons Kaiserviten steht die Person des Herrschers im Mittelpunkt und so sind seine Berichte über Prozesse, an denen der Kaiser weder unmittelbar noch mittelbar beteiligt war, ohne Einzelheiten berichtet; genauere Informationen über das angeklagte Delikt und die ausgesprochene Strafe lassen sie öfter vermissen. Ähnliches gilt für Dios Römische Geschichte. Als Historiograph unter den Severern stehen auch für ihn die Kaiser im Zentrum der Darstellung. Zudem war ihm die frühe Kaiserzeit schon ferne Vergangenheit und sind seine Ausführungen über die Anfänge des Prinzipats oft ungenau. Trotzdem sind seine Berichte über das Strafrecht gerade für die Zeit nach Neros Tod mangels anderer Nachrichten unschätzbar. Unabhängig von diesen Schwierigkeiten darf schließlich nicht vernachlässigt werden, dass auch hinsichtlich der spätrepublikanischen und augusteischen Strafgesetze viele Fragen noch nicht eindeutig geklärt sind. Besonders die poena legis 55 Vgl. auch Schanz / Hosius, Geschichte der römischen Literatur II (1935), S. 580 ff. und Schanz / Hosius / Krüger, Geschichte der römischen Literartur III (1922) S. 48 ff. 56 Vgl. Kunkel, Die Funktion des Konsiliums (1968), S. 272 ff. und ders., Entstehung des Senatsgerichts (1969), S. 300 f.

III. Methode und Quellen

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ist oft umstritten. Das liegt zum großen Teil an den Quellen. Unmittelbar sind die Strafgesetze nicht überliefert, weswegen wir auf Berichte in den Digesten angewiesen sind, die wegen ihres zeitlichen Abstands zum Erlass der Gesetze und auch wegen späterer Veränderungen der Strafpraxis und der Rechtslage, etwa durch Senatsbeschlüsse, zurückhaltend zu beurteilen sind. Wertvoll sind in dieser Hinsicht Äußerungen Ciceros in seinen Reden. Gerade bei den ersten zu behandelnden Prozessen ist auf die Strafgesetze und die gesetzlichen Strafen mehr Raum zu verwenden, um die Grundlage für den Vergleich von gesetzlicher Strafe und individuellem Strafurteil zu schaffen.

A. Vorüberlegungen Bevor die einzelnen Prozesse behandelt werden, ist auf generelle Aspekte der Strafzumessung (I., II.) und auf die Todes- und die Verbannungsstrafe einzugehen (III.).

I. Sinn und Zweck des Strafens bei den Römern1 Die Römer äußerten sich nicht einlässlich zu Sinn und Zweck des Strafens. Eine Disziplin wie unsere heutige Kriminologie gab es nicht. Aus der Frühzeit gibt es nicht einmal direkte Auskünfte. Nur aus dem, was aus dieser Zeit über das Strafrecht als solches bekannt ist, lässt sich ableiten, was die Gesellschaft beim öffentlichen Strafen motivierte. Aber auch aus der Zeit, in der die Überlieferung reicher zu fließen beginnt, besitzen wir kaum Äußerungen zu Sinn und Zweck des Strafens. Erst als die Strafzumessung im Ermessen der Gerichte stand, scheint das Thema auf größeres Interesse gestoßen zu sein. Mit dem Verschwinden des richterlichen Ermessens in Roms Spätzeit nehmen auch die Äußerungen über den Sinn des Strafens wieder ab. In der ältesten für uns fassbaren Zeit war Zweck der Strafe die Wiederherstellung der durch die Straftat gestörten pax deorum und des gesellschaftlichen Gleichgewichts, also Genugtuung für die Götter und das Opfer oder die familia des Opfers als Glieder der Gesellschaft. Roms Königszeit entspricht diesbezüglich anderen archaischen Gesellschaften. Dieser Gedanke ist auch den ältesten römischen Gesetzen zu entnehmen. Außerdem sollten hier die Strafen die öffentliche Sicherheit aufrechtzuerhalten helfen, einerseits durch Abschreckung potentieller Täter, andererseits durch die Entfernung des Straftäters aus der Gesellschaft.2 1 Dazu Buonamici, Il concetto della pena (1899), S. 187 – 204, Ferrini, Diritto penale romano II (1902), S. 9 – 15, Petrocelli, La funzione della pena (1936), S. 15 – 28, de Robertis, La funzione della pena (1948), S. 169 – 196, Gioffredi, principi (1970), S. 41 – 62, ders., Sulla concezione romana della pena (1971), S. 333 – 350, André, Seneque et la peine de mort (1979), S. 278 – 297, Luger, Strafgerichtsbarkeit (1982), S. 172 – 180, Lovato, funzione emendatrice della pena (1989), S. 423 – 437, Humbert, La peine en droit romain (1991), S. 133 – 183, Thome, Crime and Punishment (1992), S. 73 – 98, bes. 78 – 80, Bongert, La philosophie pénale chez Sénèque (1993), S. 95 – 120, Diliberto, La pena tra filosofia e diritto (1993), S. 121 – 172, Robinson, Polybius on exile (2001), S. 19 – 27, Wacke, Die Zwecke von Buße und Kriminalstrafe (2004), S. 423 – 464, Robinson, Penal Practice (2007), S. 179 – 195, Harries, Law and Crime (2007), S. 37 f. 2 Zu alledem Mommsen, Strafrecht (1899), S. 3 f., de Robertis, La funzione della pena in diritto romano (1948), S. 170 f., Gioffredi, principi (1970), S. 10 f. u. 41 – 44, ders., Sulla

I. Sinn und Zweck des Strafens bei den Römern

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Nach der Zwölftafelgesetzgebung vergingen 300 Jahre, bis die früheste Überlieferung zu Sinn und Zweck des Strafens einsetzt. Die älteste Äußerung stammt aus dem Geschichtswerk des griechischen Historikers Polybius, das etwa 140 v. Chr. in Rom verfasst wurde:3 ôéìç¦ò ãÜr 7óôé káM ôéìùrßáò 7í ôBç¦ ðïëéôåßAá ìüíïò 1 äç ¦ìïò kýréïò, ï0¦ò óõíÝ÷ïíôáé ìüíïéò káM äõíáóôåé¦á káM ðïëéôåé¦á káM 4 óõëëÞâäçí ðá ¦ò 1 ôù ¦ í 6íèrþðùí âßïò. Polybius benennt also nur diesen einen alten Strafzweck: Aufrechterhaltung der o¨ffentlichen Sicherheit durch Abschreckung. Livianische Berichte illustrieren das fu¨r diesen Zeitraum.5 Von Cicero, dem wir einen Großteil unserer Kenntnisse zum republikanischen Strafrecht verdanken, würde man mehr Auskünfte zum Thema ,Strafzwecke‘ erwarten. Doch äußert er sich dazu nur selten und befasst sich auch dann nur mit dem Strafzweck Abschreckung: ut metus videlicet ad omnes, poena ad paucos perveniret.6 Oder allgemeiner: rem publicam administrari sine metu ac severitate non posse.7 Cicero scheint es kein Anliegen gewesen zu sein, sich mit dem Zweck des Strafens ausführlicher auseinanderzusetzen. Aus dem Prinzipat gibt es dagegen eine breitere Überlieferung. Hauptquellen sind Senecas Schriften De clementia und De ira, verfasst unter Nero, und die Noctes Atticae des Aulus Gellius, der unter Mark Aurel schrieb.8 Während sich die Autoren aus republikanischer Zeit nur nebenbei zu den Strafzwecken äußerten, stellten sich diese beiden ausdrücklich die Frage, weshalb es nützlich sei, zu strafen. Zunächst begegnen die beiden bekannten Gründe Genugtuung9 und öffentliche Sicherheit durch Abschreckung10 und Entfernung des Straftäters.11 concezione romana della pena (1971), S. 333 – 336, Humbert, La peine en droit romain (1991), S. 137 – 144, Santalucia, Diritto e processo penale (1998), S. 13 – 19 u. 55 – 59 und Robinson, Polybius on exile (2001), S. 25 f. 3 Zu ihm Ziegler, Art. Polybios, RE XXI 2, 1952, Sp. 1440 – 1578, Sacks, Polybius (1981), Walbank, Polybius’ Sicht der Vergangenheit (1990), S. 15 – 30, ders., Polybius (1990). 4 Polybius hist. 6, 14, 4: nur das Volk hat das Recht, Ehren zu übertragen und Strafen aufzuerlegen – die einzigen Bande, durch die Königreiche und Staaten und überhaupt die ganze menschliche Gemeinschaft zusammengehalten werden. 5 Livius äußert sich nicht grundsätzlich zu Strafzwecken, doch schildert er Fälle, die die abschreckende Funktion des Strafens verdeutlichen, vgl. Liv. ab urbe 4, 13, 11; 7, 19, 2 f.; 9, 23, 2; 28, 29, 7 f. 6 Cic. pro Cluentio 128: . . . damit die Abschreckung alle erreicht, die Strafe aber nur wenige. Dio berichtet zum Jahr 67 v. Chr., der Senat sei sich der abschreckenden Wirkung harter Strafen bewusst gewesen, vgl. Dio 36, 38, 4 f. 7 Cic. in Verr. 5, 22: der Staat kann ohne Furcht und Strenge nicht verwaltet werden. Ähnlich Cic. de orat. 1, 193 f., de off. 3, 23; 1, 86 u. 88 f. und de fin. 2, 73. 8 Dazu und zu ihm vgl. Sallmann, Art. Aulus Gellius (§ 408), HLL IV, 1997, S. 68 – 77, bes. S. 70. 9 Gellius noct. Att. 7, 14, 3: ea causa animadvertendi est, cum dignitas auctoritasque eius in quem est peccatum tuenda est (deshalb muss man strafen, um Würde und Ansehen dessen aufrechtzuerhalten, gegen den ein Verbrechen begangen wurde). Sen. de clem. 1, 21, 1: ultio duas praestare res solet: aut solacium adfert ei, qui accepit iniuriam, aut in relicum securitatem (Rache pflegt zwei Dinge zu gewähren: entweder bringt sie dem, der Unrecht erlitten hat,

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A. Vorüberlegungen

Daneben tritt nun jedoch ein neuer Gesichtspunkt, die Besserung des Straftäters durch die Strafe: cum poena adhibetur castigandi atque emendandi gratia,12 oder: ut eum, quem punit (lex), emendet.13 Bisher hat man sich noch nicht gefragt, weshalb dieser Gesichtspunkt in republikanischer Zeit nicht begegnete. Eine Antwort liefert die Strafpraxis. Im Gegensatz zu den an die poena legis gebundenen Gerichten der Republik, hatte sich im Prinzipat, wie gesagt, ein Freiraum bei der Strafzumessung herausgebildet, der es dem Richter erlaubte, die Strafe auf den einzelnen Straftäter abzustimmen. Bestand Aussicht auf Besserung, war es jetzt etwa möglich, von der gesetzlichen Todesstrafe abzuweichen und den Straftäter lediglich, womöglich nur für einen bestimmten Zeitraum, aus seiner Heimat auszuweiGenugtuung oder für die übrige Zeit Sicherheit). Ähnlich auch Sen de ira 1, 12, 1 f. u. 5; 2, 4, 1 und 2, 33, 1. s. a. Tac. ann. 13, 32: ultioni iuxta et sicuritati. 10 Vgl. Gellius noct. Att. 7, 14, 4: cum poenitio propter exemplum necessaria est, ut ceteri a similibus peccatis, quae prohiberi publicitus interest, metu cognitae poenae deterreantur. idcirco veteres quoque nostri „exempla“ pro maximis gravissimisque poenis dicebant (weil die Bestrafung als Exempel erforderlich ist, damit die übrigen von der Begehung ähnlicher Verbrechen, deren Verhinderung im öffentlichen Interesse liegt, durch Furcht vor der gesehenen Bestrafung abgeschreckt werden. Deshalb nannten unsere Vorfahren die schwersten und härtesten Strafen auch exempla). Ähnlich Gell. noct. Att. 10, 19 und 20, 1, 34 u. 53. s. a. Sen. de ira 1, 6, 4: hic damnatos cum dedecore et traductione vita exigit, non quia delectetur ullius poena . . . sed ut documentum omnium sint (dieser (der Richter) tötet die Verurteilten auf erniedrigende Weise und unter Demütigungen, nicht weil er sich an der Strafe irgendeines Menschen ergötzen würde . . . , sondern damit sie allen ein abschreckendes Beispiel seien), Sen. de ira 1, 20, 7 i. f.: et quos volet nequitiae male cedentis exempla fieri palam occidet, non tantum ut pereant ipsi, sed ut alios pereundo deterrant (Täter, an denen er (der Richter) ein Exempel dafür statuieren will, wie übel es der Schlechtigkeit ergeht, wird er öffentlich exekutieren lassen, nicht so sehr, damit sie selbst ihr Leben verlieren, sondern damit sie dadurch, dass sie ihr Leben verlieren, andere abschrecken), Sen. de ira 3, 19, 2 i. f.: cum latrocinia tenebris abscondi soleant, animadversiones quo notiores sunt plus in exemplum . . . proficiunt (Räubereien pflegen im Dunkeln verborgen zu werden, Bestrafungen dagegen dienen umso mehr als abschreckendes Beispiel, je mehr sie bekannt sind). s. a. Sen. de clem. 1, 20, 1; 1, 22, 1, Tac. ann. 14, 43 f. (dazu unten A.II.2. und B.V.3.d.) und Quint. decl. min. 274 i. f.: omnis enim poena non tam ad delictum pertinet quam ad exemplum (die ganze Strafe dient nicht so sehr der Sühne des Verbrechens als der Abschreckung). 11 Sen de clem. 1, 22, 1: ut sublatis malis securiores ceteri vivant (damit die Übrigen nach Beseitigung der Schlechten sicherer leben), s. a. Sen. de ira 1, 15, 1. 12 Gell. noct. Att. 7, 14, 2: weil die Strafe zur Züchtigung und Besserung angewandt wird. s. a. Gell. noct. Att. 20, 1, 53: acerbitas plerumque ulciscendi maleficii bene atque caute vivendi disciplinast (Härte bei der Bestrafung eines Verbrechens hält oft zu gutem und vorsichtigem Leben an). 13 Sen. de clem. 1, 22, 1: dass das Gesetz den, den es straft, bessern möge. s. a. Sen. de ira 1, 15, 1: corrigendus est itaque qui peccat et admonitione et vi, et molliter et aspere, meliorque tam sibi quam aliis faciendus non sine castigatione, sed sine ira (wer sich fehlverhalten hat, muss korrigiert werden sowohl durch Ermahnung als auch durch Gewalt, sowohl mild als auch hart, und dies muss in seinem eignen Interesse wie im Interesse der anderen besser nicht ohne Züchtigung geschehen, aber ohne Wut) und Sen. de ira 3, 19, 2: animadversiones quo notiores sunt plus in exemplum emendationemque proficiunt (die Verhängung von Strafen dient umso besser zur Abschreckung und zur Besserung, je mehr sie bekannt sind). Ähnlich Sen. de ira 1, 6, 1; 1, 15, 1 u. 3; 1, 19, 5 – 7 u. 2, 31, 8, Sen. ep. 6, 1; 28, 9 u. 32, 5.

I. Sinn und Zweck des Strafens bei den Römern

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sen, damit er sich nunmehr bzw. nach seiner Rückkehr besser verhielt. Tat er das nicht und wurde er rückfällig, drohte ihm eine härtere Strafe.14 Die Todesstrafe der republikanischen leges bot keinen Raum für eine Besserung des Straftäters. Ebenso wenig zielte darauf die republikanische Verbannungsstrafe ab, die die leges als bloßes Substitut der Todesstrafe übernommen hatten. Ihr kam es auf die Entfernung des Straftäters aus der Gesellschaft an, nicht darauf, dass er sich fortan besser verhielt. Das Gleiche gilt für die in wenigen Gesetzen vorgesehenen Ehrenstrafen. Diese gesetzlichen Strafen: Verlust des senatorischen Ranges und der Postulationsfähigkeit, schlossen aus, dass die Verurteilten das Verbrechen noch einmal begingen, weil Rang bzw. Postulationsfähigkeit Voraussetzung der Begehung waren. Eine Besserung des Täters war also auch hier nicht intendiert.15 Dennoch führte weder allein die Veränderung in der Strafrechtsphilosophie der Zeit noch allein das freiere Verfahren extra ordinem zur Herausbildung richterlichen Ermessens bei der Strafzumessung. Vielmehr scheinen beide Faktoren einander bedingt zu haben.16 Seneca illustriert den neuen, seit der Verfolgung von Verbrechen im Rahmen der cognitio extra ordinem in Betracht gezogenen Strafzweck durch einen Vergleich von Straftätern mit Patienten: Omne poenae genus remedi loco admoveo.17 Anschließend zählt er die unterschiedlichsten Strafen auf, von denen im einen Fall diese im anderen Fall jene eine Besserung des Straftäters verspricht. Er schließt mit der Bemerkung: Si intrassem valetudinarium exercitus ut sciens aut domus divitis, non idem imperassem omnibus per diversa aegrotantibus.18 Ob der Strafzweck der Besserung in der frühen und mittleren Kaiserzeit auch unter Juristen anerkannt war, ist nicht bekannt. Seneca und Gellius liefern uns nur die Sicht der Philosophen. Immerhin begegnet in spät- und nachklassischen 14 Zur Strafschärfung wegen Rückfalls vgl. unten C.IV. Im Fall des Redners Cassius Severus etwa wurde die gesetzliche Todesstrafe zunächst zu Verbannung nach Kreta abgemildert. Als er sich jedoch nicht besserte, wurde er erneut verurteilt und eine härtere Strafe verhängt, s. u. B.I.5. u. II.13. 15 Die lex Remmia etwa drohte Verlust des senatorischen Ranges und der Postulationsfähigkeit an (s. u. B.II.15.a)), was ausschloss, dass sich der Verurteilte ein weiteres Mal wegen calumnia strafbar machte. Genauso schrieb die lex Iulia repetundarum für leichte Repetundenvergehen den Verlust des senatorischen Ranges und der Postulationsfähigkeit vor (s. u. B.I.1.a)). Als Nicht-Senator war der Verurteilte also nicht mehr in der Lage, sich nach dieser lex strafbar zu machen. 16 Vieles wurde aus dem Quästionenverfahren in das Verfahren extra ordinem übernommen (Anklageprinzip, Abfolge und Gewichtung von Anklage- und Verteidigungsrede etc.). Daneben hätten die Richter, wie die Geschworenenbank der quaestiones, ebenso gut nur über Tatsachenfragen diskutieren und im übrigen die gesetzliche Strafe ausurteilen können. Das außerordentliche Verfahren bot zunächst nur die Möglichkeit, die Strafe nach freiem Ermessen zuzumessen. Den Anlass hierzu boten die Umständen der Zeit. 17 Sen. de ira 1, 16, 1: Alle Strafen wende ich in der Funktion eines Heilmittels an. 18 Sen. de ira 1, 16, 4: Wenn ich ausgebildet wie ein Arzt in ein Lazarett käme oder in das Haus eines Reichen, dann würde ich nicht allen dieselbe Therapie verschreiben, weil sie ja auch unterschiedliche Leiden haben.

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A. Vorüberlegungen

Juristenfragmenten ,Besserung‘ gleichberechtigt neben den beiden anderen Strafzwecken:19 poena constituitur in emendationem hominum.20 Etwa seit Diokletian scheint das Strafrecht dagegen wieder nurmehr Abschreckung bezweckt zu haben.21 Auch das lässt sich mit den Veränderungen bei der Strafzumessung erklären. Das richterliche Ermessen war inzwischen wieder verschwunden und die Gerichte waren an die vom Kaiser angeordneten Strafen gebunden. Es bestand kein Raum mehr, die Strafe remedi loco anzuwenden. Der Täter war erneut aus dem Blickfeld der Strafzumessung verschwunden.

II. Strafmilderungen und Strafschärfungen: clementia und utilitas publica 1. Clementia Romana als Gesichtspunkt der Strafzumessung Bei den zu untersuchenden Prozessen werden gewiss oft die geltenden Strafen und Strafschärfungen angewandt. Es werden aber immer wieder auch Milderungen begegnen. In einigen Fällen werden diese an bestimmte Milderungsgründe geknüpft, in anderen sind solche konkreten Gründe nicht ersichtlich. Das geltende Recht und die Spruchpraxis der republikanischen quaestiones hätte an sich Anwendung der poena legis nahe gelegt. Was war in diesen Fällen der Anlass, von der gesetzlichen Strafe abzugehen und die Strafe zu mildern? In einigen Prozessen nennen die Quellen clementia als Grund der Milderung.22 Es mangelt nicht an modernen Darstellungen zur römischen Tugend der clementia; die konkrete Strafpraxis der frühen Kaiserzeit wird dabei jedoch allenfalls ge19 Zum Zweck der Genugtuung vgl. Ulp. 47 ad Sab. D. 2, 9, 5. Zum Zweck der Abschreckung vgl. Tryph. 9 disputat. D. 16, 3, 31 pr. i. f., Ulp. 8 de off. proc. D. 47, 14, 1 pr. (Reskript Hadrians), Ulp. 9 de off. proc. D. 48, 19, 6, 1 i. f., Claud. Saturn. lib. sing. de poen. pagan. D. 48, 19, 16, 10, Ulp. 7 de off. proc. Coll. 1, 11, 2 (Reskript Hadrians), C. 4, 55, 4 (224). Beide Zwecke nebeneinander nennt Call. 6 de cogn. D. 48, 19, 28, 15: ut et conspectu deterreantur alii ab isdem facinoribus et solacio sit cognatis et adfinibus interemptorum (damit durch den Anblick sowohl andere von der Begehung solcher Verbrechen abgeschreckt werden als auch den Verwandten und Angehörigen der Ermordeten Genugtuung zuteil werde). 20 Paul. 28 ad Plaut. D. 48, 19, 20: Strafe ist zur Besserung der Menschen (der Zusammenhang der Stelle ergibt, dass er damit Straftäter meint) gedacht. Ebenso Marc. 2 de iudic. publ. D. 48, 3, 6, 1 i. f. und wohl auch cum aliquo temperamento benignitatis in Marc. 2 de iudic. publ. D. 48, 19, 11 pr. s. a. Ulp. 1 inst. D. 1, 1, 1, 1: bonos non solum metu poenarum, verum etiam praemiorum quoque exhortatione efficere cupientes (indem wir . . . das Gute nicht nur durch Furcht vor Strafen, sondern auch durch Aussicht auf Belohnung anstreben). 21 Dazu ausführlich de Robertis, La funzione della pena in diritto romano (1948), S. 186 – 194, Gioffredi, principi (1970), S. 54 – 61 und Humbert, La peine en droit romain (1991), S. 152 – 154. 22 s. u. B.I.8., II.7., IV.1., 5. u. 10. und V.3.e).

II. Strafmilderungen und Strafschärfungen

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streift.23 Mit der Untersuchung aller überlieferten Strafprozesse aus der frühen Kaiserzeit, in denen Milderungen vorkamen, bekommen wir ein Abbild der strafrechtlichen Realität, jedenfalls was Prozesse gegen Angehörige der Oberschicht anlangt. Die Strafzumessung in der neuen cognitio extra ordinem bot ein praktisches Anwendungsfeld der clementia und eröffnet Einblicke in hinter dieser Tugend stehende Erwägungen. Vor der Darstellung der Prozesse lohnt deshalb ein Blick auf die Entwicklung der clementia Romana und ihre Ausprägung in der kaiserlichen Propaganda. Seit Roms Frühzeit spielte clementia in zwei Bereichen eine Rolle. Im privaten Bereich war der pater clemens der milde Vater gegenüber den Angehörigen der familia und der dominus clemens der milde Herr über seine Sklaven. Im öffentlichen Bereich war der imperator clemens derjenige, der den besiegten Feinden das Leben schenkte und die Freiheit beließ, sie lediglich zu Untertanen machte.24 Die römische Tugend clementia lehnte sich dabei an das hellenistische Vorbild jéëáíèrùðßá an, worunter die Griechen Gutmu¨tigkeit gegenu¨ber allen Menschen verstanden.25 Am Ende der Republik tritt daneben eine neue Form der clementia: Als die Bu¨rgerkriege alle ro¨mischen Bu¨rger in die Gewalt des Siegers gebracht hatten, betritt die Milde als clementia Caesaris erstmals die Bu¨hne der Innenpolitik. Sie dient in Caesars Propaganda der Werbung um Anerkennung seiner Macht, ¨ ußerungen aus seinem Umfeld widerspiegelt: . . . Caesar, tuae clewas sich in A mentiae laus est.26 Augustus geht in seiner Propaganda mit der clementia principis zo¨gerlicher um, kritisiert gar, Caesar sei zu mild gewesen.27 Er hatte erkannt, dass clementia im innenpolitischen Bereich die Beherrschung von Untertanen impliziert ¨ bernahme in die Propaganda eine ihm offiziell unwillkommene Herrund ihre U 23 Vgl. Dahlmann, Clementia Caesaris (1934), S. 17 – 26, Villa, La Clemenza Politica di Roma (1946), Bux, Clementia Romana (1948), S. 201 – 231, Wickert, Art. Princeps, RE XXII 2, 1954, Sp. 1998 – 2296, Sp. 2234 – 2248, Gaudemet, Indulgentia Principis (1962), Adam, Clementia Principis (1970), Wallace-Hadrill, The Emperor and his Virtues (1981), S. 298 – 323, Fears, The Cult of Virtues and Roman Imperial Ideology (1981), S. 889 – 910, Fuhrmann, Seneca (1997), S. 184 – 196, Bauman, Human Rights (2000), S. 67 – 86, Dowling, Clemency (2006), Maiello, Clemenza (2007), S. 25 – 43 und Ham, Tuer contre la loi (2007), S. 281 – 290. 24 Adam, Clementia (1970), S. 82 f., Dowling, Clemency (2006), S. 5 – 18. 25 Bauman, Human Rights (2000), S. 21 – 26, Dowling, Clemency (2006), S. 3 – 5. 26 Cic. pro Ligario 10: Caesar, deiner Milde sei Lob. s. a. Cic. pro Ligario 19 i. f.; 29 i. f.; 30 i. f. u. 15, ad fam. 4, 3 (4), 3 f. und pro Marcello 12: tua iustitia et lenitas florescet cotidie magis . . . clementiae tuae iudicio conservati sumus (deine Gerechtigkeit und Milde werden von Tag zu Tag heller strahlen . . . durch dein Gnadenurteil sind wir verschont geblieben). Zur clementia Caesaris vgl. m. w. N. zu Quellen Treu, Zur clementia Caesars (1948), S. 197 – 217, Vogt, Zum Herrscherkult bei Julius Caesar (1953), S. 1138 – 1146, Adam, Clementia (1970), S. 84 – 86, Weinstock, Divus Julius (1971), S. 230 – 243, Alföldi, Caesar in 44 v. Chr. (1985) passim, Bauman, Human Rights (2000), S. 75 – 79, Dowling, Clemency (2006), S. 18 – 28. Zu den Grenzen dieser clementia im Vergleich zur clementia der Kaiserzeit s. Brunt, Laus Imperii (1990), S. 314 – 316. 27 Dazu Adam, Clementia (1970), S. 86 – 88, Bauman, Human Rights (2000), S. 77 – 79, ausführlich Dowling, Clemency (2006), S. 63 – 168.

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A. Vorüberlegungen

scherideologie vermittelt ha¨tte.28 Die mildernde Abweichung vom geltenden Recht aufgrund der Machtvollkommenheit eines einzelnen war dem alten Rechtsdenken unbekannt und ha¨tte Augustus’ nachdru¨cklicher Betonung, die Gesetze und die republikanischen Formen einzuhalten, widersprochen. Aus dieser Beteuerung leitete er seine Legitimita¨t ab. In der Strafpraxis, wo Augustus im Einzelfall dennoch aus eigener Machtvollkommenheit entschied, treffen Anspruch und Realita¨t aufeinander. Die Untersuchung der Prozesse aus augusteischer Zeit wird einen der offiziellen Selbstdarstellung widersprechenden Befund liefern.29 Mit der Konsolidierung der neuen Ordnung und der allmählichen Ausbildung einer kaiserlichen Herrscherideologie bei Augustus’ Nachfolgern auf dem Kaiserthron tritt die clementia principis in der kaiserlichen Propaganda immer deutlicher hervor.30 Nero betonte schließlich öffentlich, seine Herrschergewalt milde auszuüben: clementiam suam obstringens crebris orationibus.31 Unter Nero macht sich erstmals auch das Senatsgericht die Tugend clementia zu eigen und überträgt sie auf die allgemeine Strafpraxis,32 seit Trajan begegnet sie dann beim Einzelrichter.33 Seneca unterzog um 55 / 56 n. Chr. die clementia einer philosophischen Analyse und Darstellung, insbesondere in seiner Schrift De clementia,34 die er Nero als Leitfaden einer guten Regierung an die Hand gab. Wurden diese Empfehlungen von Nero und seinen Nachfolgern auch oft missachtet, verrät De clementia dennoch einiges über die Konzeption dieser Tugend in der Herrscherideologie des Prinzipats. Augustus leitete seine Legitimität noch aus der erklärten Absicht ab, das geltende Recht zu wahren. Für Seneca dagegen ist die über das geltende Recht erhabene clementia principis die ideale Rechtfertigung des Herrschers.35 28 Dazu Wickert, Art. Princeps, RE, art. cit., Sp. 2242 f., Grewe, Gnade und Recht (1936), bes. S. 41, 51 – 53 u. 59 – 67, Collins, Caesar as a political propagandist (1972), S. 959 – 963, Bengtson, Die Flavier (1979), S. 215 – 225, Kloft, Aspekte der Prinzipatsideologie im frühen Prinzipat (1984), S. 306 – 326, Martin, Le pouvoir impérial romain (1991), S. 77 – 89. 29 s. insbesondere die Prozesse B.I.4., 5., 7. u. 8 und die Zusammenfassung B.I.9. 30 Zur clementia als Bestandteil der Herrscherideologie unter Tiberius vgl. Bauman, Human Rights (2000), S. 77 – 79, Dowling, Clemency (2006), S. 169 – 189. Speziell zu numismatischen Belegen s. Sutherland, Two ,Virtues‘ of Tiberius: A numismatic contribution to the history of his reign (1938), S. 129 – 140, Levick, Mercy and Moderation on the Coinage of Tiberius (1975), S. 131 – 133. Zu Caligula und Claudius s. Dowling, Clemency (2006), S. 190 – 194. 31 Tac. ann. 13, 11 i. f.: Seine Milde beteuerte er in häufigen Reden. s. a. Suet. Nero 10, 1: atque ut certiorem adhuc indolem ostenderet, ex Augusti praescripto imperaturum se professus, neque liberalitatis neque clementiae, ne comitatis quidem exhibendae ullam occasionem omisit (und um seine Gesinnung nun noch deutlicher zu zeigen, erklärte er, dass er nach Augustus’ Vorbild regieren wolle, und ließ keine Gelegenheit aus, seine Freigiebigkeit, seine Milde und sogar seine Leutseligkeit zu präsentieren). 32 Dazu näher im Prozess gegen Antistius Sosianus (62 n. Chr.), s. B.V.3.e). Zu einem späteren Fall von clementia vor dem Senatsgericht vgl. B.VIII.4. (106 n. Chr.). 33 Vgl. B.VIII.7. 34 Dazu Adam, Clementia (1970), S. 20 – 39 u. 88 – 101, Fuhrmann, Seneca (1997), S. 184 – 196, Dowling, Clemency (2006), S. 195 – 203. 35 Vgl. Sen. de clem. 1, 3, 3; 1, 5, 2; 2, 3, 2 i. f. u. 2, 7, 3.

II. Strafmilderungen und Strafschärfungen

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Clementia est temperantia animi in potestate ulciscendi vel lenitas superioris adversus inferiorem in constituendis poenis.36 Mäßigung bei der Ausübung der Macht – das versteht Seneca in seiner Schrift über die Milde allgemein gesprochen unter clementia. Er verknüpft seine Ausführungen eng mit der kaiserlichen Jurisdiktion. Clementia ist kein Gegensatz zur Gerechtigkeit, sondern das Mittel ihrer Verwirklichung: Clementia liberum arbitrium habet; non sub formula, sed ex aequo et bono iudicat . . . Nihil ex his facit, tamquam iusto minus fecerit, sed tamquam id, quod constituit, iustissimum sit.37 Er fordert also, nicht das geltende Recht anzuwenden, sondern es im Einzelfall abzuwandeln. Das setzt richterliches Ermessen voraus, wie es sich seit Beginn des Prinzipats in der cognitio extra ordinem herauszubilden begann. Gleichzeitig zieht Seneca dem Ermessen jedoch Schranken und stellt Richtlinien für seine Ausübung auf: ex aequo et bono iudicat. Das generelle ex aequo et bono bedeutet im konkreten Fall etwa eine Strafmilderung bei Angeklagten besonders hohen oder geringen Alters: clementiam in procinctu habeo . . . alterius aetate prima motus sum, alterius ultima,38 oder bei Angeklagten, bei denen begründete Aussicht auf Besserung besteht:39 esse autem aliquos scio, qui clementia pessimum quemque putent sustineri . . . sed non tamen volgo ignoscere decet; nam ubi discrimen inter malos bonosque sublatum est, confusio sequitur et vitiorum eruptio; itaque adhibenda moderatio est, quae sanabilia ingenia distinguere a deploratis sciat.40 Ganz im Sinne der stoischen Philosophie soll clementia zwar nicht nur altruistisch sein, sondern den Handelnden, von der Güte gegenüber seinen Mitmenschen 36 Sen. de clem. 2, 3, 1: Milde ist die Mäßigung der Leidenschaft bei der Übung von Rache aus einer Machtposition oder die Sanftheit des Höherstehenden gegenüber den Untergebenen bei der Bemessung der Strafen. 37 Sen. de clem. 2, 7, 3: Die Güte besitzt freies Ermessen; sie entscheidet nicht aufgrund einer Formel, sondern aufgrund des Billigen und Guten . . . Nichts von diesen Dingen tut sie, als ob sie weniger als der Gerechte getan hätte, sonder so, als ob das, was sie festsetzt, am gerechtesten sei. 38 Sen. de clem. 1, 1, 4: ich halte Milde bereit . . . durch des einen junges Alter, durch des anderen hohes Alter ließ ich mich bewegen. 39 Zu dem erstmals von Seneca erwähnten Strafzweck der Besserung vgl. oben A.I. 40 Sen. de clem. 1, 2, 1 f.: Ich weiß, dass es aber manche gibt, die meinen, durch Milde werden gerade die Schlechtesten unterstützt . . . doch gehört es sich nicht, ganz allgemein Nachsicht zu gewähren; denn wo der Unterschied zwischen Guten und Bösen aufgehoben ist, folgt Chaos und Ausbruch der Laster; daher ist solche Mäßigung anzuwenden, die heilbare Art von hoffnungsloser zu unterscheiden weiß. Vor diesem Hintergrund wird die Abgrenzung zu Gnade und Mitleid verständlich, die das rationale aequum et bonum aus den Augen verlieren und verdiente Strafe erlassen, vgl. Sen. de clem. 2, 7, 1: constituamus nunc quoque, quid sit venia, et sciemus dari illam a sapiente non debere. Venia est poenae meritae remissio (Legen wir nun noch fest, was Gnade ist, und wir werden sehen, dass sie vom Weisen nicht gewährt werden darf. Gnade ist nämlich der Erlass der verdienten Strafe) und Sen. de clem. 2, 6, 4: misericordia vitium est animorum nimis miseria paventium (Mitleid ist das Laster der Seelen, die sich zu sehr von Erbärmlichkeiten erschrecken lassen) während clementia auf Vernunft basiert: clementia rationi accedit, Sen. de clem. 2, 5, 1.

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A. Vorüberlegungen

abgesehen, auch zum persönlichen Glück führen,41 doch sollen damit keinerlei materiellen Zwecke verfolgt werden.42 Der princeps clemens ist also selbstloser Herrscher. Im Widerspruch hierzu stehen wenige Stellen, an denen Seneca den Nutzen milder Herrschaft für die Festigung der kaiserlichen Macht erwähnt: salvum regem clementia in aperto praestabit. Unum est inexpugnabile munimentum amor civium.43 Womöglich wollte Seneca den Kaiser damit für seine Gedanken und Empfehlungen gewinnen. In den zwei Jahrhunderten nach Neros Tod wird clementia immer mehr Teil der propagandistischen Rhetorik. Sie soll auf die Regierungsfähigkeit des Kaisers hinweisen und die Qualität seiner Regierung unterstreichen. Dass es auch bei bloßer Rhetorik bleiben konnte und die Realität alles andere als mild war, hebt Sueton pointiert hervor, indem er über Domitian (81 – 96 n. Chr.) sagt: numquam tristiorem sententiam sine praefatione clementiae pronuntiavit, ut non aliud iam certius atrocis exitus signum esset quam principii lenitas.44 Auch in den Digesten fand die Tugend der Milde ein Echo: interpretatione legum poenae molliendae sunt potius quam asperandae.45 Die christliche Theologie der Spätantike schließlich übernimmt die clementia und formuliert sie zum göttlichen Befehl milden Handelns um.46 Offiziell beruhte clementia also auf der Menschenliebe der Richter, sei es die Menschenliebe des Kaisers, sei es, soweit der Senat die Tugend clementia übernommen hatte, die Menschenliebe der Senatoren. Später kam die clementia des Einzelrichters hinzu. In den Prozessen, in denen Milderungen vorkamen, treffen Anspruch und Realität aufeinander. Es wird sich zeigen, dass Anlass der Milderung mitunter tatsächlich Menschenliebe des Richters war, meist jedoch politisches Kalkül.

Vgl. etwa Sen. de clem. 1, 1, 4 f. s. a. Dowling, Clemency (2006), S. 199. Nach stoischer Auffassung ist alles menschliche Streben auf das höchste Ziel im Leben gerichtet, auf den Glückszustand, die å§äáéìïíßá. Dieser ist nur durch tugendhaftes Handeln erreichbar. Der materielle Vorteil ist dem Stoiker gleichgu¨ltig. Vgl. dazu Schmenkel, Die Philosophie der mittleren Stoa (1892), S. 210 – 224, Pohlenz, Die Stoa (1964), S. 111 – 131, Sandbach, The Stoics (1975), S. 28 – 41, Inwood, Art. Stoizismus, NP 11, 2001, Sp. 1013 – 1018, Sp. 1016 f. 43 Sen. de clem. 1, 19, 6: heil bewahren wird den König im offenen Gelände seine Milde. Eine Festung ist uneinnehmbar: die Liebe der Bürger. Ähnlich Sen. de clem. 1, 8, 6: regibus certior est ex mansuetudine securitas, quia frequens vindicta paucorum odium obprimit, omnium inritat. s. a. Sen. de clem. 1, 17, 3 u. 1, 21, 4. 44 Suet. Dom. 11, 2: Nie verkündete er ein besonders strenges Urteil, ohne vorher auf seine Milde verwiesen zu haben. So gab es kein sichereres Zeichen für einen schlechten Ausgang als anfängliche Sanftheit. 45 Hermog. 1 epit. D. 48, 19, 42: Durch Auslegung der Gesetze müssen Strafen eher gemildert als verschärft werden. 46 Dazu Adam, Clementia (1970), S. 101 – 118, Bauman, Human Rights (2000), S. 82 – 86 und ausführlich Dowling, Clemency (2006), S. 213 – 283. 41 42

II. Strafmilderungen und Strafschärfungen

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2. Harte Strafen und utilitas publica Neben Strafmilderungen stehen Strafschärfungen. Letztere kommen im Prinzipat, besonders in Majestätsprozessen, häufiger vor als Milderungen. Wie gesagt, durchzieht der Strafzweck ,Abschreckung‘ das römische Strafrecht von der Frühzeit bis in die Spätantike. Eng hiermit verknüpft ist die Auffassung, gerade harte Strafen dienten der utilitas publica. Das zeigen für die mittlere Republik Polybius und livianische Berichte, für die spätrepublikanische Zeit Cicero.47 Auch im Prinzipat blieb die Auffassung prominent, wie sich aus Äußerungen des berühmten Juristen C. Cassius, des Philosophen Seneca und des Schriftstellers Aulus Gellius ergibt.48 Cassius befürwortete in einem Strafverfahren des Jahres 61 n. Chr.49 die Anwendung einer unverhältnismäßig harten Strafe mit den Worten: habet aliquid ex iniquo omne magnum exemplum quod contra singulos utilitate publica rependitur.50 Für die republikanische Zeit mit ihren festen gesetzlichen Strafen standen einander harte und weniger harte poenae legum als Pole gegenüber, von denen die Römer glaubten, der erste befördere die utilitas publica besser. Auch für die Prinzipatszeit werden in der modernen Literatur Strafmilderungen im Sinne der clementia und harte Strafen bzw. Strafschärfungen einander als unvereinbare Gegensätze gegenübergestellt.51 Doch sind für diese Zeit die strukturellen Neuerungen der cognitio extra ordinem zu berücksichtigen. Mit dem Ermessen fand der Gedanke der Besserung Eingang ins Strafrecht, der den Täter ins Blickfeld der Strafzumessung rückte. Dies stellte eine Verbindung zwischen beiden Polen her. Sowohl clementia als auch harte Strafen konnten nun der utilitas publica dienen. Die Prozesse werden sogar zeigen, dass Milderungen meist zum Zweck der utilitas publica erfolgten.52

Zu den Stellen s. o. A.I. Zu Beispielen aus den Werken Senecas und Gellius’ Noctes Atticae s. o. A.I. Zur Anwendung harter Strafen aufgrund einer von Domitian so genannten correctio morum s. den zweiten Vestalinnenprozess, unten B.VII.2.b). 49 Näher unten B.V.3.d). 50 Tac. ann. 14, 44 i. f.: Jedes große Exempel hat etwas Unbilliges gegenüber einzelnen, das aber durch den Nutzen für die Allgemeinheit wieder aufgewogen wird. 51 Etwa André, Seneque et la peine de mort (1979), S. 279, Bauman, Human Rights (2000), S. 21 – 25, Robinson, Penal Practice (2007), S. 180. 52 In dieser Hinsicht besonders anschaulich sind die Äußerungen des M. Lepidus im Prozess gegen Clutorius Priscus (Tac. ann. 3, 50; 21 n. Chr., dazu unten B.II.8.) und des Thrasea Paetus im Prozess gegen Antistius Sosianus (Tac. ann. 14, 48; 62 n. Chr., dazu unten B.V.3.e)). Vgl. aber auch bereits die Erwägungen Livias und Augustus’ hinsichtlich der Vorzüge der strafrechtlichen Verbannung gegenüber der Todesstrafe, unten B.I.5., und die Milderungen zugunsten der am Prozess gegen Piso Beteiligten, unten B.II.6. 47 48

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A. Vorüberlegungen

III. Todes- und Verbannungsstrafe im römischen Strafrecht Die außerordentlichen Gerichte des Prinzipats urteilten trotz Loslösung vom Quästionensystem nach den spätrepublikanischen bzw. augusteischen Strafgesetzen. Zwei Strafen tauchen immer wieder auf: Verbannung und Todesstrafe.53 In den spät- und nachklassischen Juristenschriften und bereits in den Prozessen der frühen Kaiserzeit begegnen beide Strafen in unterschiedlicher Gestalt: Verbannung in Form der bloßen Ausweisung und in der härteren Form der Festsetzung an einem bestimmten Ort oder auf einer Insel, mit oder ohne Verlust des Bürgerrechts bzw. des Vermögens, zeitweilig oder endgültig. Todesstrafe in Form der Enthauptung, der Kreuzigung, der Verbrennung bei lebendigem Leib oder in Form des Kampfes mit wilden Tieren. Bei einzelnen Strafgesetzen ist öfter nur allgemein zu ermitteln, dass sie ,Verbannung‘54 oder ,Tod‘55 anordneten, jedoch nicht, was das konkret bedeutete. Um beurteilen zu können, inwieweit die Gerichte die gesetzliche Todes- bzw. Verbannungsstrafe nach ihrem Ermessen verschärften oder abmilderten, ist deshalb vorab allgemein auf Todesstrafe und Verbannung, wie sie die Strafgesetze anordneten, einzugehen. 1. Die Kapitalstrafe im römischen Strafrecht: Tod und Verbannung Für die Todesstrafe fehlt im römischen Strafrecht ein feststehender Ausdruck. Die Begriffe caput, capite, poena capitalis o. ä. wurden nicht zu allen Zeiten in derselben Bedeutung verwendet.56 In den XII Tafeln und bis in die gracchische 53 Daneben gab es in der späten Republik und in der frühen Kaiserzeit noch die bloße Geldstrafe, s. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 1012 ff. Freiheitsstrafen gab es damals noch nicht, s. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 48 f., 299, 961 ff., Brasiello, La repressione penale (1937), S. 405 ff., Garnsey, Social Status and Legal Privilege (1970), S. 147 – 152, Humbert, La peine en droit romain (1991), S. 178, Robinson, Summary (1991 / 92), S. 96, Krause, Gefängnisse (1996), S. 19 ff., 83 ff. s. a. Ulp. 9 de off. proc. D. 48, 19, 8, 9: carcer enim ad continendos homines, non ad puniendos haberi debet (der Kerker ist zur Verwahrung von Personen, nicht zu ihrer Bestrafung da). In spät- und nachklassischer Zeit kamen Freiheitsstrafen allerdings vor, vgl. Balzarini, pene detentive (1984), S. 2869 ff. u. 2889 f., Lovato, Il carcere (1994), S. 147 ff. und Krause, Gefängnisse (1996), S. 330 ff. Die demgegenüber allein von Eisenhut, Die römische Gefängnisstrafe (1972), S. 268 – 282, vertretene Auffassung, die Haft habe sowohl in der Republik als auch in der Kaiserzeit als Strafkategorie zur Verfügung gestanden, vermag nicht zu überzeugen. Er erhebt Ausnahmefälle zur Regel, bei denen im einzelnen noch dazu zweifelhaft ist, ob es sich nicht vielmehr um Vollstreckungshaft handelte. 54 So bei der lex Iulia repetundarum (s. u. B.I.1.) und bei der lex Iulia de adulteriis coercendis (s. u. B.I.2.). 55 So bei der lex Cornelia de sicariis et veneficiis (s. u. B.I.7.a)) und bei der lex Cornelia testamentaria nummaria (s. u. B.II.7.). 56 Vgl. Levy, Die Römische Kapitalstrafe (1930 / 31), S. 8 f.

III. Todes- und Verbannungsstrafe im römischen Strafrecht

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Zeit hinein bedeuteten caput, capite, poena capitalis o.ä. die Strafe, die den Täter den Kopf kostete. In dieser Zeit wurden durchaus Todesurteile ausgesprochen und auch vollstreckt. Freilich mussten Todesurteile, wenn der Verurteilte eine provocatio einlegte, nach dem valerischen Provokationsgesetz von der Volksversammlung bestätigt werden.57 Aber noch die sullanischen leges Corneliae drohten Todesstrafe als poena legis an,58 wenngleich sich die Übung einstellte, Todesurteile nicht mehr zu vollstrecken, sondern den Verurteilten ins Exil entweichen zu lassen,59 eine Übung, die es bereits in Griechenland gegeben hatte.60 Über den Entflohenen wurde sodann eine administrative Maßnahme verhängt: die aqua et igni interdictio.61 Feuer und Wasser stehen als Synonym für das Lebensnotwendige. Dem Flüchtigen wurde also das Lebensnotwendige versagt, damit er nicht in die Heimat zurückkehren konnte. Am Ausgang der Republik, genauer: seit 90 v. Chr., ist keine Hinrichtung eines Bürgers aufgrund einer strafrechtlichen lex mehr bezeugt.62 Verbannung war dagegen zunächst keine in den leges angedrohte Strafe. Vielmehr wählte der zum Tode Verurteilte das Exil freiwillig. Eine Äußerung Ciceros aus dem Jahr 69 v. Chr. besagt, dass die damals geltenden Gesetze Verbannung als Strafe nicht gekannt haben: Exsilium enim non supplicium est sed perfugium portusque supplicii . . . Itaque nulla in lege nostra reperietur . . . maleficium ullum Vgl. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 42 Fn. 1. und Rotondi, Leges (1912), S. 190 u. 235. Levy, Die Römische Kapitalstrafe (1930 / 31), S. 14 ff., Santalucia, Diritto e processo penale (1998), S. 181 ff., Brasiello, La pena capitale romana (1934), S. 124 ff., Brasiello, La repressione (1937), S. 97 ff., Sherwin-White, Poena Legis Repetundarum (1949), S. 9, Kunkel, Art. quaestio, RE, art. cit., Sp. 766 ff., Levick, Poena Legis Maiestatis (1979), S. 372. Anders Mommsen, Strafrecht (1899), S. 907 u. 972 Fn. 1 (gefolgt von Greenidge, Legal Procedure (1901), S. 512 ff., Strachan-Davidson, Problems II (1912), S. 23 ff. und Grasmück, Exilium (1978), S. 103 ff.), der Verbannung bereits in den leges Corneliae als poena legis angedroht sieht; er stützt sich dabei besonders auf die Schrift ad Herennium 4, 8, 12, gegenteilige Quellen lässt er außer Acht. Sein Ergebnis belegt er unkritisch mit Stellen aus den Paulussentenzen und mit Ulpianfragmenten aus den Digesten, doch sind diese Quellen hinsichtlich der gesetzlichen Strafe öfter nicht verlässlich. Levy hat das ausführlich am Beispiel des crimen falsi gezeigt, Levy, Gesetz und Richter (1938), S. 60 ff.; siehe auch A.III.2.b) und unten bei der Darstellung der juristischen Quellen zur lex Iulia repetundarum (B.I.1.a)). Ausführlicher zur Kritik an Mommsens Auffassung zur poena legis der leges Corneliae unten B.I.7.a). 59 So explizit Polybius hist. 6, 14, 7 f. s. Hartmann, Art. aquae et ignis interdictio, RE II 1, 1895, Sp. 308 – 310, Mommsen, Strafrecht (1899), S. 71 Fn. 2, 72 u. 964, Strachan-Davidson, Problems I (1912), S. 160, Levy, Die Römische Kapitalstrafe (1930 / 31), S. 20, Crifò, Exilium I (1961), S. 184 ff. u. 302, ders., L’Esclusione dalla Città (1985), S. 68, Humbert, La peine en droit romain (1991), S. 177 f., Kelly, Exile (2006), S. 17 – 39. Zu einzelnen Fällen ausführlich Grasmück, Exilium (1978), S. 90 ff. 60 Vgl. Crifò, L’Esclusione dalla città (1985), S. 12 f. 61 Dazu näher sogleich im Abschnitt über die Verbannungsstrafe. 62 Der letzte einwandfrei bezeugte Fall ist die Hinrichtung von Q. Varius 90 v. Chr., vgl. Cic de nat. deor. 3, 81 und Val. Max. 9, 2, 2. s. a. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 198 Fn. 2, Jones, Criminal Courts (1972), S. 77 f., Bauman, Human Rights (2000), S. 46, Robinson, Penal Practice (2007), S. 184 – 187. 57 58

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A. Vorüberlegungen

exsilio esse multatum.63 Zu dieser Zeit bedeuteten die Begriffe caput, capite, poena capitalis noch immer allein Todesstrafe. Solange die gesetzliche Todesstrafe noch vollstreckt wurde, wurde der Verurteilte durch Enthauptung64 oder Kreuzigung65 unter Leitung eines Magistrats hingerichtet. War magistratische Vollstreckung aus irgendwelchen Gründen nicht möglich, wurde der Verurteilte – meist von einem Volkstribunen – vom Tarpeiischen Felsen am Kapitol gestürzt.66 Andere Formen der Todesstrafe kannte diese Epoche nicht,67 sie entwickelten sich erst in der Kaiserzeit. Nach 69 veränderte sich das. Verbannung fand als poena legis Eingang in die gesetzlich vorgesehenen Strafen und damit wurde auch der Begriff der Kapitalstrafe doppeldeutig. Möglicherweise war es Cicero selbst, der diese Entwicklung in Gang setzte. Über die von ihm eingebrachte lex Tullia de ambitu aus dem Jahre 63 berichtet er: me mea lege exsilio ambitum sanxisse.68 Auch in Gesetzen der folgenden Jahre scheint Verbannung als poena legis vorgesehen worden zu sein, so 61 in der lex Fufia de religione,69 58 der lex Clodia wegen Hinrichtung römischer 63 Cic. pro Caecina 100: Exil ist nämlich keine Strafe, sondern Zuflucht und Schutz vor der Strafe . . . Daher findet sich in keinem unserer Gesetze, dass . . . ein Verbrechen mit Verbannung bestraft wird. 64 Die älteste Form ist die Enthauptung mit dem Beil. Erst im Prinzipat tritt das Beil zurück und weicht es dem Schwert. s. zu alledem Mommsen, Strafrecht (1899), S. 916 ff. mit zahlreichen Quellenbelegen. 65 Die Quellen zeigen, dass Todesurteile ursprünglich nur bei Sklaven durch Kreuzigung vollstreckt wurden, was später auf die Hinrichtung von Nichtbürgern ausgedehnt wurde. Kreuzigung eines römischen Bürgers empfand man dagegen als Rechtsbruch, wenn ein entsprechender Rechtssatz auch nirgendwo überliefert ist (vgl. die Kreuzigung des Römers Gavius durch Verres, Cic. in Verr. 5, 169 f., die Kreuzigung eines Römers durch Piso, SC de Cn. Pis. patre Z.49 – 52 (ed. Caballos / Eck / Fernández) und die Kreuzigung eines römischen Bürgers durch Galba in Spanien, vgl. unten B.V.3.i.)). s. zu alledem Kuhn, Die Kreuzesstrafe (1982), bes. S. 684 – 704 u. 719 – 740. s. a. Latte, Art. Todesstrafe, RE Suppl. VII, 1940, Sp. 1599 – 1619, Sp. 1616, Garnsey, Social Status and Legal Privilege (1970), S. 126 – 129, Ducrey, la crucifixion (1971), S. 183 – 185, Hengel, Crucifixion (1977), bes. S. 33 – 45 u. 51 – 63 und Aubert, A Double Standard (2002), bes. S. 110 – 119 u. 130. 66 Vgl. zu dieser Strafe Mommsen, Strafrecht (1899), S. 931 ff., Taubenschlag, Art. Tarpeium saxum, RE IV A 2, 1932, Sp. 2330, Costa, Crimini e pene (1921), S. 24, David, La Roche Tarpéienne (1984), bes. S. 134 – 139, Cantarella, Supplizi Capitali (1991), S. 238 ff. Die bei Mommsen, Strafrecht (1899), S. 932 Fnn. 4 u. 5 und S. 933 Fn. 2 nachgewiesenen Fälle des Felssturzes zeigen, dass sie ohne Beteiligung der Liktoren stattfanden, die nach Weisung der Magistrate Enthauptungen und Kreuzigungen ausführten, vielmehr meist unter Beteiligung der Volkstribunen. Zur Verortung des Felsens am Kapitolshügel vgl. Dionys. 7, 34 f., Sen. controv. 1, 3, 3. 67 Mit Ausnahme der alten Strafe der Säckung für Verwandtenmord. Dazu unten B.I.7. 68 Cic. pro Plancio 83: ich habe in meinem Gesetz ambitus mit Verbannung bestraft. Zur gesetzlichen Strafe des Ambitusgesetzes bereits pro Murena 47 init.: exsilium in nostrum ordinem. s. a. Cic. pro Cluentio 29: quem leges exsilio, natura morte multavit (den die Gesetze mit Verbannung, die Natur mit dem Tod bestrafte). 69 Vgl. Cic. parad. 4, 32. s. a. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 198 Fn. 3 i. f.

III. Todes- und Verbannungsstrafe im römischen Strafrecht

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Bürger ohne Gerichtsverfahren,70 um 46 den leges Caesaris,71 43 der lex Pedia de interfectoribus Caesaris72 und den leges Iuliae de adulteriis und de vi.73 Im Hinblick auf die lex Tullia und die lex Clodia spricht Cicero nunmehr selbst von kapitaler Bestrafung.74 Von Labeo, Jurist unter Augustus,75 berichtet uns dann Terentius Clemens:76 Labeo existimabat capitis accusationem eam esse, cuius poena mors aut exilium esset.77 In der Früh- und Hochklassik war der Begriff Kapitalstrafe demnach doppeldeutig. Er konnte sowohl Todesstrafe als auch Verbannung bedeuten.78 Etwa seit Konstantin lebt das alte Begriffsverständnis dagegen wieder auf und bedeuten caput, capite, poena capitalis wieder nur Todesstrafe.79 Man fragt sich, weshalb Verbannung auf einmal gesetzlich als Strafe festgeschrieben wurde, während sie zuvor de facto ebenfalls das Ergebnis einer Verurteilung sein konnte, indem man den Verurteilten ins Exil entweichen ließ. Der 70 Vgl. Augustus res gest. 2: qui parentem meum (interfecer)un(t, eo)s in exilium expuli iudiciis legitimis ultus eorum (diejenigen, die meinen Vater ermordet haben, trieb ich in die Verbannung und rächte so durch gesetzmäßige Urteile ihr Verbrechen), Vell. Pat. 2, 45, 1: legem in tribunatu tulit ut, qui civem Romanum indemnatum interemisset, ei aqua et igni interdiceretur (als Tribun brachte er ein Gesetz ein, wonach derjenige, der einen römischen Bürger ohne Urteil tötet, verbannt werden sollte). s. a. Dio 38, 14, 4. 71 Vgl. Cic. Phil. 1, 23: quae (leges Caesaris) iubent ei, qui maiestatis damnatus sit, aqua et igni interdici (die Gesetze Caesars schreiben vor, dass der, der wegen crimen maiestatis verurteilt wurde, verbannt werde). 72 Vgl. Vell. Pat. 2, 69, 5: lege Pedia . . . omnibus . . . aqua ignique interdictum erat (alle waren nach der lex Pedia verbannt worden). s. a. Dio 46, 48. 73 Beide Gesetze beschlossen zwischen 18 und 16 v. Chr. s. näher unten B.I.2.a) bzw. B.II.10.b). 74 Cic. pro Murena 45 i. f.: in capitis periculis, Cic. pro Sestio 65 u. 73: de capite ferri (rogari). s. a. Cic. de domo 68. 75 Labeo wirkte im augusteischen Prinzipat. Er starb zwischen 10 und 21 n. Chr., vgl. Pernice, Labeo I (1873), S. 7 ff., Kunkel, Herkunft (1952), S. 114. 76 Hochklassiker, wohl Schüler von Julian, vgl. Kunkel, Herkunft (1952), S. 177 und Liebs, Art. Terentius Clemens (§ 421.4), HLL IV, 1997, S. 143 f. 77 9 ad legem Iuliam et Papiam D. 37, 14, 10: Labeo meinte, ein Kapitalverfahren sei solch eines, dessen Strafe Tod oder Verbannung sei. Auch Gaius versteht unter poena capitalis keinesfalls nur die Todesstrafe, s. Gai. Inst. 3, 189: Poena mainfesti furti ex lege XII tabularum capitalis erat. nam liber verberatus addicebatur ei, cui furtum fecerat; utrum autem servus effeceretur ex addictione an adiudicati loco constitueretur, veteres quaerebant. in servum aeque verberatum animadvertebatur (Die Strafe für offenkundigen Diebstahl war nach den XII Tafeln kapital. Ein freier Mensch wurde nämlich nach Auspeitschung dem zugesprochen, dem er etwas gestohlen hatte; ob er durch die Zusprechung aber Sklave wurde oder nur in die Stellung eines Schuldknechts kam, war bei den Alten umstritten. Gegenüber einem Sklaven wurde genauso auf Auspeitschung erkannt). Ebenso findet man bei Sueton diese Doppeldeutigkeit, wenn er in seiner Domitianbiographie 14, 4 schreibt: capitali poena condemnavit, wobei sich aus Dio Xiphil. Zonaras 67, 14, 4 ergibt, dass der Verurteilte verbannt wurde. 78 So sprechen wir auch heute im Strafrecht von Kapitaldelikten, obgleich die Todesstrafe abgeschafft ist. 79 Siehe im Einzelnen ausführlich Levy, Die Römische Kapitalstrafe (1930 / 31), S. 59 ff. und Zilletti, servitus poenae (1968), S. 60 – 67.

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A. Vorüberlegungen

Grund liegt darin, dass eine gesetzliche Regelung der Verbannung im Gegensatz zum bloß faktischen Entweichenlassen ins Exil verschärfte Formen der Verbannung ermöglichte, etwa die Verbindung mit dem Verlust des Bürgerrechts und der Einziehung des Vermögens.80 Deshalb ist nunmehr auf die Einzelheiten der gesetzlichen Verbannungsstrafe einzugehen. 2. Die Verbannung im römischen Strafrecht81 a) Die Verbannungsstrafe in den erhaltenen Juristenschriften Über die strafrechtliche Verbannung informieren im Wesentlichen die Digestentitel 48, 19, de poenis, und 48, 22, de interdictis et relegatis et deportatis.82 Die Vielzahl der verwendeten Begriffe verwirrt erst einmal. Es ist die Rede von relegatio, relegatio in insulam, relegatio ad tempus und relegatio in perpetuum, von deportatio und deportatio in insulam, von aqua et igni interdictio und auch von exilium und fuga. Zunächst ist keine rechte Systematik und technische Verwendung der Begriffe zu erkennen. Doch ist ein klarer Kern auszumachen: es wird unterschieden zwischen relegatio und deportatio.83 aa) Die deportatio Die deportatio ist durch vier Merkmale gekennzeichnet: Erstens bedeutet sie Festsetzung auf einer Insel. Zwar wird in den Titeln 19 und 22 einerseits von deportatio und andererseits von deportatio in insulam gesprochen. Der Zusatz in insulam ist aber nur deklaratorisch, wie sich aus verschiedenen Digestenfragmen80 Levy, Die Römische Kapitalstrafe (1930 / 31), S. 33. Angesprochen auch Suet. Caes. 42, 3. Die Stelle wird unten A.III.2.b)bb), B.I.1.a) und B.I.2.b) besprochen. 81 s. hierzu Holtzendorff, Deportationsstrafe (1859), Hartmann, De exilio (1887), Mommsen, Strafrecht (1899), S. 964 ff., Strachan-Davidson, Problems II (1912), S. 51 f., Levy, Die Römische Kapitalstrafe (1930 / 31), Brasiello, La pena capitale romana (1934), S. 114 – 131, Braginton, Exile (1944), S. 391 – 407, Gioffredi, aqua et igni interdictio I (1946), S. 191 – 193, ders., aqua et igni interdictio II (1947), S. 426 – 441, de Villa, Aqua et igni interdictio (1950), S. 1 – 41, ders., Exilium perpetuum (1953), S. 293 – 314, Crifò, Exilium I, ders., Ricerche sull’exilium (1962), S. 229 – 320, Fuhrmann, Art. poena, RE Suppl. IX, 1962, Sp. 843 – 861, Schwartz, In Oasin relegare (1966), S. 1481 – 1488, Grasmück, Exilium (1978), Levick, Poena Legis Maiestatis (1979), S. 370 ff., Crifò, L’Esclusione dalla città (1985), Robinson, Summary (1991 / 92), S. 92 f., Amiotti, Primi casi di relegazione (1995), S. 245 – 258, Santalucia, La situazione patrimoniale (2001), S. 173 – 190, Robinson, Polybius on exile (2001), S. 19 – 27, Kelly, Exile (2006), bes. S. 14 – 67. 82 Manches ist auch dem Codextitel 9, 47 (de poenis) zu entnehmen. 83 Gelegentlich ist eine Differenz zwischen den beiden Begriffen nicht sofort erkennbar, könnten sie sogar synonym gebraucht sein, vgl. etwa Callistrat 6 de cogn. D. 48, 19, 28, 9 u. 10. In einer ganzen Reihe von Fragmenten tritt aber deutlich zutage, dass relegatio und deportatio zweierlei sind, vgl. etwa Callistrat 6 de cogn. D. 48, 19, 28, 13, Ulp. D. 48, 22, 14, 1, Pomp. D. 48, 22, 17.

III. Todes- und Verbannungsstrafe im römischen Strafrecht

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ten ergibt.84 Zweitens bedeutet deportatio stets auch Verlust des Bürgerrechts und des Vermögens. Ulp. D. 48, 22, 14, 1: multum interest inter relegationem et deportationem: nam deportatio et civitatem et bona adimit, relegatio utrumque conservat.85 Drittens ist deportatio endgültig. Eine zeitige deportatio gibt es nicht, Pomp. D. 48, 22, 17, 2: Deportatio autem non fit ad tempus. Schließlich scheint der deportatus zwangsweise verbracht worden zu sein,86 während der relegatus im Rahmen des ihm Gebotenen selbst reiste. bb) Die relegatio Der relegatio dagegen ist die Anweisung einer Insel oder eines bestimmten Ortes nicht wesensmäßig. Sie ist grundsätzlich lediglich Ausweisung aus einem bestimmten Gebiet.87 Der Zusatz in insulam bzw. die Anweisung eines bestimmten Ortes ist hier konstitutiv. Es gibt also sowohl die Verweisung an bestimmte Orte als auch die bloße Verweisung aus einem bestimmten Gebiet. So heißt es bei Ulpian: Relegatorum duo genera: sunt quidam, qui in insulam relegantur, sunt, qui simpliciter, ut provinciis eis interdicatur, non etiam insula adsignetur.88 Zudem begegnet die Verweisung an einen bestimmten Ort auf dem Festland: Item in parte certa provinciae moraturum relegare potest, ut forte non excedat civitatem aliquam vel regionem aliquam non egrediatur.89 84 Vgl. Ulp. 48 ad ed. D. 48, 19, 2, 1, wo zu Beginn als selbstverständlich vorausgesetzt wird, dass deportatio auf eine Insel erfolgte, und Marcian 13 institutionum D. 48, 19, 4: et hoc iure utimur, ut relegatus interdictis locis non excedat: alioquin in tempus quidem relegato perpetuum exilium, in perpetuum relegato insulae relegationis, in insulam relegato deportationis, in insulam deportato poena capitis adrogatur (und es ist rechtens, dass der Verwiesene, wenn ihm Orte untersagt worden sind, sich (dieser Orte) enthält, sonst wird der auf Zeit Verwiesene mit der Strafe der immerwährenden Verbannung belegt, der für immer auf eine Insel Verwiesene mit der Deportation, und der auf eine Insel Deportierte mit der Todesstrafe). s. a. Hartmann, De exilio (1887), S. 32. 85 Es besteht ein großer Unterschied zwischen relegatio und deportatio: denn die deportatio nimmt sowohl das Bürgerrecht als auch das Vermögen, die relegatio hingegen erhält beides. Ebenso deutlich bei Ulp. 48 ad ed. D. 48, 19, 2, 1, idem 9 de off. proc. D. 48, 22, 6 pr., Paul. 1 de port. D. 48, 20, 7, 5, Marc. D. 48, 22, 15 pr. und Callistrat D. 48, 22, 18, 1. 86 Ausdrücklich erwähnt ist das nirgendwo, doch liegt die zwangsweise Fortführung bereits im Wortsinne von de-portare. Deutlich tritt es auch dort hervor, wo in literarischen Quellen mit anderen Formulierungen von Verbannungen berichtet wird: Tac. ann. 4, 31 amovere, Suet. Tit. 8, 5 avehere. s. a. Schiemann, Art. Deportatio, NP 3, 1997, Sp. 479 f. 87 Vgl. Marc. 13 inst. D. 48, 19, 4. Deutlich auch Ulp. 10 de off. proc. D. 48, 22, 7, 17 (zu dieser Stelle näher unten Fn. 40) und auch Festus 278: relegati dicuntur proprie, quibus ignominae, aut poenae causa necesse est ab urbe Roma aliove quo loco abesse lege senatuique consulto, aut edicto magistratuum (Relegierte im eigentlichen Sinne werden diejenigen genannt, die wegen Ehrverlust oder Strafe aus Rom oder einem anderen Ort aufgrund eines Gesetzes oder eines Senatsbeschlusses oder eines magistratischen Edikts entfernt sein müssen). 88 10 de off. proc. D. 48, 22, 7 pr.: Es gibt zwei Arten von Verwiesenen: manche nämlich werden auf eine Insel verwiesen, manche nur einfach, so dass ihnen (bestimmte) Provinzen verboten werden, ohne dass ihnen eine Insel angewiesen wird.

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A. Vorüberlegungen

Die relegatio lässt Bürgerrecht und Vermögen grundsätzlich unberührt90 und kann zeitig oder lebenslang verhängt werden.91 Der Relegierte wird nicht zwangsweise fortgeführt, sondern ihm wird auferlegt, sich bis zu einem bestimmten Zeitpunkt aus einem bestimmten Gebiet zu entfernen oder sich in ein bestimmtes Gebiet zu begeben.92 b) Die Verbannungsstrafe in den Strafgesetzen Vielfach wird aus dem technischen Gebrauch der Begriffe relegatio und deportatio in den Digesten auf die Verbannungsstrafe auch der frühen Kaiserzeit geschlossen.93 Die Strafen, die in den spät- und nachklassischen Juristenfragmenten begegnen, gelten jedoch zunächst einmal der Praxis ihrer Zeit. Sie ist das Ergebnis jahrhundertelanger Entwicklung des Systems der Strafen. Vor allem die verfassungs- und gerichtsverfassungsrechtlichen Veränderungen nach dem Ende der Republik zogen grundlegende Änderungen der Strafpraxis nach sich. Das tritt in 89 Ulp. 10 de off. proc. D. 48, 22, 7, 8: er kann ferner jemanden so verweisen, dass er sich in einem bestimmten Teil der Provinz aufhalten soll, sich also etwa nicht aus einer bestimmten Stadt oder Gegend entfernt. s. a. Marc. 1 regul. D. 48, 22, 5. 90 Paul. 1 de port. D. 48, 20, 7, 5, Ulp. D. 48, 22, 14, 1, Marc. 2 inst. D. 48, 22, 4, Ulp. 10 de off. proc. D. 48, 22, 7, 3 u. 4, Pomp. D. 48, 22, 17, 1 und Inst. 1, 12, 2. Jedoch kann Vermögenskonfiskation im Urteil ausdrücklich angeordnet werden, vgl. Ulp. D. 48, 22, 14, 1 i. f. Das grundsätzliche Absehen von Vermögenskonfiskation scheint erst von Trajan eingeführt worden zu sein; unter habgierigen Kaisern konnte zuvor auch mit der relegatio Vermögensverlust verbunden sein, vgl. Pomp. 4 ad Sabinum D. 48, 22, 1 zu einem Reskript Trajans: Scio relegatorum bona avaritia superiorum temporum fisco vindicata. sed aliud clementiae meae convenit, qui inter cetera, quibus innocentiam rationum mearum temporum, hoc quoque remisi exemplum (Ich weiß, dass das Vermögen der Verwiesenen durch die Habsucht früherer Zeiten für den Fiskus in Anspruch genommen worden ist, allein meiner Milde hat es anders gefallen, und darum habe ich wegen des verbesserten Zeitgeistes in moralischer Hinsicht unter anderem auch dieses erlassen). Jedenfalls im 3. Jh. war bei bestimmten Delikten mit der relegatio Konfiskation eines Bruchteils des Vermögens verbunden, so bei adulterium, s. PS 2, 26, 14, bei falsum, s. PS 5, 25, 8 und bei vis, s. PS 5, 26, 3. 91 Vgl. Ulp. 10 de off. proc. D. 48, 22, 7, 2, Ulp. D. 48, 22, 14, 1 und Pomp. D. 48, 22, 17, 1. 92 Vgl. Ulp. 7 de off. proc. D. 48, 22, 7, 17: illum provincia illa insulisque eis relego excedereque debebit intra illum diem (den und den verweise ich aus der und der Provinz und deren Inseln, und er soll sich binnen dem und dem Tage entfernen). 93 Holtzendorff, Deportationsstrafe (1859), S. 36 ff. und passim, Mommsen, Strafrecht (1899), insbes. S. 967 ff. u. 1009 ff., Ferrini, Diritto penale romano II (1902), S. 423, Strachan-Davidson, Problems II (1912), S. 66, Brasiello, La repressione (1937), S. 272 ff., Brunt, Charges (1961), S. 202 f., Grasmück, Exilium (1978), S. 62 ff., McGinn, The SC from Larinum (1992), S. 286, Bauman, Crime and Punishment (1996), S. 52 und passim, Santalucia, Diritto e processo penale (1998), S. 252, Fuhrmann, Seneca (1999), S. 92 f., Krause, Kriminalgeschichte (2004), S. 74, Leitner, Nasonis Relegatio (2005), S. 150, Nelson / Manthe, Gai Institutiones (2007), S. 65, Coskun, Bürgerrechtsentzug (2009), S. 74. Giuffrè, repressione criminale (1998), S. 125 nimmt deportatio erst für die trajanische Zeit an, allerdings ohne diese Auffassung näher zu begründen oder zu belegen.

III. Todes- und Verbannungsstrafe im römischen Strafrecht

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vielen Fragmenten deutlich hervor,94 etwa: hodie ex lege repetundarum extra ordinem puniuntur et plerumque vel exilio puniuntur vel etiam durius, prout admiserint. quid enim, si ob hominem necandum pecuniam acceperint? . . . capite plecti debent vel certe in insulam deportari, ut plerique puniti sunt.95 Andere Stellen geben geradewegs eine falsche poena legis an.96 Wenn einzelne Quellen also eine Abweichung vom ursprünglichen Rechtszustand ausdrücklich bekunden und diese Abweichung in vielen anderen Fällen mittelbar erweislich ist, darf das nicht dazu verleiten, den spät- und nachklassischen Informationen keinerlei Glauben zu schenken. Die Systematik der strafrechtlichen Verbannung, wie sie in den Digesten und in späteren Quellen begegnet, auf frühere Zeiten zu übertragen, ist jedoch problematisch. Die Veränderungen, die das römische Strafrecht in der Kaiserzeit durchlief, beruhen nicht auf einem konstitutiven Rechtsakt zu Beginn des Prinzipats, sondern sind Resultat einer organischen Rechtsentwicklung. Gegen eine Übertragung der technischen Begriffe relegatio und deportatio auf frühere Zeiten sprechen vor allem zwei Gründe: Zum einen ergeben sich aus den Quellen, die über das Strafrecht der späten Republik und der frühen Kaiserzeit informieren, keine Anhaltspunkte für eine technische Verwendung der Begriffe bereits zu dieser Zeit. Zum anderen spricht der Ursprung der Verbannungsstrafe gegen eine solche Differenzierung. Beide Punkte sind näher auszuführen.

94 Levy hat das ausführlich für das crimen falsi gezeigt, Levy, Gesetz und Richter (1938), S. 60 ff. Deutlich auch bei den Äußerungen zur Strafe der lex Cornelia de sicariis et veneficiis, wo von verschiedenen Arten der Verbannung bis zu verschiedenen Todesstrafen alles vorgeschlagen ist, vgl. Ulp. 8 de off. proc. Coll. 12, 5, 1, Callistrat 6 de cogn. D. 48, 19, 28, 9 ff. und unten B.I.7.a). Zu den zahlreichen Stellen, wo solent, plerumque und ähnliche Begriffe in Verbindung mit dem Strafmaß genannt werden, s. o. Einleitung I. mit Fn. 10. 95 Macer 1 iudic. public. D. 48, 11, 7, 3: heute werden sie (die entsprechenden Straftäter) nach der lex Iulia repetundarum außerordentlich bestraft, und zwar meistens entweder mit Verbannung oder noch härter, je nachdem wie sie (das Verbrechen) begangen haben. Was ist nämlich, wenn sie wegen der Tötung eines Menschen Geld angenommen haben? . . . sie müssen kapital (heißt in diesem Zusammenhang Todesstrafe, wie sich aus der nachfolgenden deportatio ergibt) bestraft oder zumindest auf eine Insel deportiert werden, wie sie auch meistens bestraft worden sind. 96 Etwa Marc. 14 inst. D. 48, 8, 3, 5 zum Cornelischen Mordgesetz: Legis Corneliae de sicariis ut veneficiis poena insulae deportatio est et omnium bonorum ademptio (Die Strafe des Cornelischen Mordgesetzes ist die deportatio auf eine Insel und der Verlust des gesamten Vermögens). Zum einen ist deportatio eine Strafe, die es zu Sullas Zeit noch nicht gab (s. dazu den nächsten Abschnitt), zum anderen ist Todesstrafe als poena legis des Mordgesetzes nachweisbar (dazu näher unten B.I.7.a)aa)). Zur Fehlerhaftigkeit der Angabe Marcians vgl. Levy, Die Römische Kapitalstrafe (1930 / 31), S. 35 f.

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A. Vorüberlegungen

aa) Die Bezeichnung der Verbannung in den Quellen der späten Republik, der frühen Kaiserzeit und bei Dio (1) Die Ausdrücke und die den Ausdrücken beigelegte Bedeutung Zum ersten Mal begegnet eine Differenzierung zwischen relegatio und deportatio in dem dargestellten juristischen Sinn in einem von Callistrat erwähnten Edikt Hadrians: In exulibus gradus poenarum constituti edicto divi Hadriani, ut qui ad tempus relegatus est, si redeat, in insulam relegetur, qui relegatus in insulam excesserit, in insulam deportetur, qui deportatus evaserit, capite puniatur.97 Von diesem Zeitpunkt an muss davon ausgegangen werden, dass die Strafpraxis relegatio und deportatio technisch gebrauchte. Was aber gilt für die Zeit davor? Relegare und deportare begegnen vereinzelt bereits für die Zeit vor Hadrian. Doch haben sie nicht die technische Bedeutung, die den Ausdrücken in den Digesten beigelegt wird. Das zeigt die Art und Weise, wie Autoren, die über das Strafrecht dieser Zeit berichten, Verbannungen beschreiben. (a) Cicero Zur Bezeichnung der Verbannungsstrafe verwendet Cicero die Wendung aqua et igni interdictio,98 häufiger noch exsilium.99 Relegare begegnet in den Werken 97 6 de cognitionibus D. 48, 19, 28, 13: Bei den Verbannten sind die Stufen der Strafen in einem Edikt Hadrians bestimmt, so dass, wenn ein auf Zeit Verwiesener (vorzeitig) zurückkehrt, er auf eine Insel verwiesen wird, wer auf eine Insel verwiesen sie verlassen hat, auf eine Insel deportiert wird, wer aber deportiert worden und entflohen ist, mit dem Tode bestraft wird. 98 Phil. 1, 23 berichtet er von der gesetzlichen Strafe gewisser caesarischer Gesetze, und schreibt: quae (leges Caesaris) iubent ei, qui maiestatis damnatus sit, aqua et igni interdici. Von T. Munatius Plancus, der 52 v. Chr. von Cicero nach der lex Pompeia de vi angeklagt und zu Verbannung verurteilt wurde, berichtet er Phil. 6, 10: aqua et igni interdictum sit. De domo 47 u. 82 bezeichnet er mit aqua et igni interdicere dagegen die über ihn nach seiner Flucht aus Rom und Italien 58 v. Chr. verhängte administrative Ächtungsmaßnahme, de domo 78 geht es allgemein um die administrative aqua et igni interdictio, die über den zum Tode Verurteilten, der der Vollstreckung entflohen war, verhängt wurde. 99 Vor 69 v. Chr., als es Verbannung als poena legis noch nicht gab, meint exilium ,Zufluchtsort‘, pro Quinctio 60; 86, in Verr. 3, 144; 3, 205; 5, 44, pro Caecina 100. Später tritt die Bedeutung ,Verbannungsstrafe‘ hinzu, pro Cluentio 29, pro C. Rabirio 16; 25, in Catil. 1, 13; 1, 20; 1, 22; 1, 23; 2, 13; 2, 14; 3, 17, pro Murena 47; 89, pro Archia 14, pro Sulla 74, de domo 72; 86, pro Sestio 140, pro Balbo 29, de re publ. 1, 6; 1, 62; 3, 34, pro Plancio 8; 83; 97, pro Milone 101, parad. 17; 18 (2x); 29; 30; 31; 32, de orat. 1, 177, ad fam. 7, 3, 3, pro Ligario 13; 33, pro Marcello 31, tusc. disp. 3, 29; 3, 44; 3, 81; 3, 82; 4, 40; 5, 16; 5, 24; 5, 29; 5, 106 (2x); 5, 107 (2x); 5, 109, de fin. 2, 54; 2, 57; 4, 22; 4, 62; 5, 53; 5, 84, de nat. deor. 3, 66; 3, 80, de off. 2, 38; 3, 23, Phil. 1, 24; 2, 9; 5, 14. Exsul ist der in der Verbannung Lebende, vor 69, vgl. in Verr. 4, 30; 5, 12, und danach, vgl. pro Cluentio 170 (2x); 175, in Catil. 1, 27; 2, 16, pro Murena 61; 89, de domo 52; 53; 72 (2x); 83; 129, pro Sestio 56; 146, pro Plancio 100, de re publ. 2, 46, parad. 31 (2x); 32 (2x), tusc. disp. 5, 107; 5, 108,

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Ciceros nur 16 mal, relegatio zweimal. Er bezeichnet damit entweder administrative, nicht-pönale Maßnahmen, die der Senat oder ein Magistrat über Personen verhängte, denen im meist scheinbaren öffentlichen Interesse der Aufenthalt in Rom oder an anderen Orten verboten wurde,100 oder das bloße Wegschicken von Personen im privaten101 oder mythischen Bereich.102 Verbannung als Strafe soll damit nicht bezeichnet werden. Deportare begegnet bei Cicero nicht im Zusammenhang mit einer Verbannung.103 Das Substantiv deportatio kommt in seinen Schriften überhaupt nicht vor.104 (b) Livius Das Geschichtswerk des Livius schilderte in 142 Büchern die Geschichte Roms von der Frühzeit bis zum Tod des Drusus 9 v. Chr. Erhalten sind nur die Bücher 1 – 10 und 21 – 45. Die Überlieferung bricht mit dem Jahr 167 v. Chr. ab, weshalb Nachrichten über die Zeit fehlen, als Verbannung zur poena legis einiger Strafgesetze geworden war, also seit etwa 69 v. Chr. Für die frühere Zeit bedeutet exsilium wie bei Cicero ,Zufluchtsort‘, ganz gleich ob es sich um die Flucht vor der Vollstreckung eines Todesurteils oder um einen sonstigen Rückzug handelte.105 Exsul ist der im Exil Lebende. Nur einmal begegnet in Livius’ Geschichtswerk die Wendung aqua et igni interdicere. Damit wird die Ächtung eines vor einem Kapitalprozess ins Exil Geflohenen bezeichnet.106 Relegare kommt zehnmal, relegatio zweimal vor. Nur einmal soll damit eine administrative Verbannung beschrieben academic. 2, 136; 2, 144, de fin. 5, 84, de off. 2, 81, ad fam. 12, 1, 1, Phil. 1, 3; 2, 91; 3, 30; 5, 11; 5, 12; 7, 15; 11, 5. 100 Ad Att. 2, 11, 1, post reditum in senatu 32, de domo 65 (hier schreibt Cicero zu dem amtlichen Auftrag Catos, Zypern und die reichen Schätze des Königs Ptolemaios einzuziehen, zynisch: Sic M. Cato invisus quasi beneficium Cyprum relegatur, obwohl der Fall weder eine strafrechtliche noch eine administrative Verbannung betrifft), pro Sestio 29; 35; 52; 60, in Pisonem 23, Phil. 2, 33; 10, 6, ad fam. 11, 16, 2. Zu dieser rein administrativen Bedeutung von relegare in spätrepublikanischer Zeit s. a. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 964 f. und Kelly, Exile (2006), S. 65 – 67. 101 Pro Sex. Rosc. 42; 43; 44 und 46 geht es um einen Vater, der einen seiner beiden Söhne auf seine Landgüter weggeschickt hat. De off. 3, 112 berichtet Cicero von einem ähnlichen Fall. Amiotti, Primi casi di relegazione (1995), S. 248 möchte hier ,l’uso tecnico del verbo relegare, che diventerà canonico nelle fonti giuridiche per questo tipo di pena‘ erblicken, was verfehlt ist. Es geht hier nicht um eine Strafe und relegare wird gerade untechnisch gebraucht. 102 Tusc. disp. 2, 20 lässt Cicero Herakles von einer gens relegata berichten. 103 Cicero verwendet deportare nicht im Sinne von ,verbannen‘, sondern im Sinne von ,etwas / eine Sache von einem Ort mitbringen‘ oder ,wegbringen‘. 104 Zu den Begriffen in den erhaltenen Schriften Ciceros und dem Nachweis sämtlicher Stellen s. Merguet, Cicero-Lexika I – III (1877 – 1905). 105 Dazu und zu den nachfolgenden Angaben vgl. das lexikalische Werk von Packard, A Concordance to Livy (1968). 106 Liv. ab urbe 25, 4, 10.

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A. Vorüberlegungen

werden,107 in den übrigen Fällen geht es um etwas anderes und zieht Livius das Wort relegare nur heran, um den Vorfall in ein negatives Licht zu stellen.108 Deportare begegnet oft, beschreibt aber nie Verbannungen.109 (c) Ovid Den in den Jahren des Exils entstandenen Schriften des unter Augustus verbannten Dichters Ovid110 ist zur strafrechtlichen Verbannung einiges zu entnehmen. Exilium ist bei Ovid wie bei Cicero allgemein der ,Zufluchtsort‘, sei es nach Flucht vor einem Kapitalverfahren, sei es nach Verlassen der Heimat aus sonstigen Gründen; exul ist der im exilium Lebende.111 Interdicere bezieht sich dreimal auf eine Verbannung, genauer auf das dem Verbannten untersagte Gebiet.112 Ovid mag dabei die Wendung aqua et igni interdicere abgekürzt haben, die in seinem Sprachgebrauch nicht vorkommt. Er ist die früheste Quelle, in der relegare als Bezeichnung für strafendes Verbannen vorkommt. Relegare begegnet zehnmal in seinen Schriften und meint stets ,strafrechtlich verbannen‘.113 Zu Ovids Überraschung wird der Begriff in seinem Verbannungsurteil gebraucht. Das zeigt, dass der Ausdruck zu dieser Zeit für strafrechtliche Verbannungen zwar noch nicht üblich war, aber in der Strafpraxis in Gebrauch kam. Als Bezeichnung für administrative Verbannungen gebraucht Ovid das Wort nicht. Relegare ist bei ihm aber nicht mit der technischen relegatio der juristischen Quellen der Hoch- und Spätklassik gleichzusetzen.114 Der Ausdruck relegatio kommt in seinen Schriften nicht einmal vor, ebenso wenig deportare und deportatio.

107 Liv. ab urbe 40, 41, 10: senatus consultum factus est, ut M. Fulvius in Hispaniam relegaretur. 108 Liv ab urbe 3, 10, 12 beklagen sich Tribunen darüber, dass der Senat Plebejer in den Krieg schickt. 3, 13, 10 siedelte sich jemand, dem man sein gesamtes Vermögen genommen hatte, jenseits des Tibers an; Livius schreibt: veluti relegatus. 4, 4, 6 beklagen sich Plebejer über die bestehende Rechtsungleichheit; sie fühlten sich gegenüber den Patriziern innerhalb derselben Mauern in relegatio. 4, 30, 6; 5, 24, 5 u. 9, 26, 4 werden Kolonisten wohl gegen ihren Willen zur Besiedlung in bestimmte Gebiete geschickt. 25, 5, 11; 25, 6, 16; 25, 6, 18 u. 26, 2, 16 geht es um die nach der Niederlage bei Cannae übriggeblieben Legionen, die sich beklagen, nach Sizilien verlegt worden zu sein: relegati sumus. 109 Meist wird damit die Verlegung des Heeres oder das Herbei- oder Wegbringen von Gegenständen bezeichnet. 110 Dazu unten B.I.4. 111 Dazu und zu den anderen Angaben vgl. Deferrari / Barry / McGuire, A Concordance of Ovid (1939). 112 Ovid trist. 1, 4, 20; 3, 12, 26 u. 4, 1, 106. 113 Ovid ep. ex Pont. 1, 7, 42; 2, 2, 7; 4, 13, 40; 4, 15, 2, trist. 1, 7, 8; 2, 137; 2, 201; 5, 2, 61; 5, 11, 21 und ibis 11. 114 Dazu ausführlich beim Ovidprozess, s. u. B.I.4.

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(d) Labeo Terentius Clemens, Jurist unter Antoninus Pius,115 zitiert in seinem Kommentar zur lex Iulia et Papia den augusteischen Juristen Labeo:116 Labeo existimabat capitis accusationem eam esse, cuius poena mors aut exilium esset.117 Dies ist die früheste Äußerung eines Juristen zur strafrechtlichen Verbannung. Labeo spricht nicht von relegatio oder deportatio, sondern verwendet den gleichen Ausdruck, den bereits Cicero zur Bezeichnung der Verbannungsstrafe gebraucht hatte. (e) Velleius Paterculus Auch aus Velleius Paterculus’ römischer Geschichte, geschrieben etwa 30 n. Chr., ergeben sich Anhaltspunkte für die spätrepublikanische Zeit. Er liefert zugleich Zeugnisse über das Strafrecht der frühen Kaiserzeit, was seine Angaben besonders wertvoll macht. Für die spätrepublikanische Zeit ist bei ihm aqua et igni interdicere die Bezeichnung für strafrechtliche Verbannungen.118 Relegare begegnet in den Kapiteln über diese Zeit dreimal, jedoch ohne Bezug zu Verbannungen.119 Wie Cicero und Livius verwendet er meist das Wort exilium. Es begegnet sowohl für die spätrepublikanische als auch für die frühe Kaiserzeit.120 Für die frühe Kaiserzeit gebraucht er daneben einmal relegare.121 Deportare kommt in seinem Geschichtswerk nur einmal vor und bezieht sich nicht auf eine Verbannung,122 die Ausdrücke relegatio und deportatio begegnen nicht.123 115 Zu ihm Kunkel, Herkunft (1952), S. 177 – 181 und Liebs, Art. Terentius Clemens (§ 421.4), HLL IV, 1997, S. 143 f. 116 Zu ihm Kunkel, Herkunft (1952), S. 114, Bauman, Lawyers and Politics (1989), S. 37 ff. 117 D. 37, 14, 10. Zu dieser Stelle bereits oben A.III.1. 118 Vell. Pat. 2, 45, 1, wo er von der lex Clodia wegen Hinrichtung römischer Bürger ohne Gerichtsverfahren berichtet: legem in tribunatu tulit ut, qui civem Romanum indemnatum interemisset, ei aqua et igni interdiceretur, und 2, 69, 5, wonach Straftäter nach der lex Pedia verbannt wurden: lege Pedia . . . omnibus . . . aqua ignique interdictum erat. Zu beiden Stellen bereits oben A.III.1. Für die Zeit vor 69 n. Chr., als Verbannung als poena legis noch nicht existierte, gebraucht Velleius die Wendung für admninistrative, nicht-pönale Landesverweisungen, 2, 24, 2: collegae eius . . . , metu ad Sullam profugissent, aqua ignique iis interdixit. 119 Vell. Pat. 2, 44, 2; 2, 64, 2; 2, 45, 4 berichtet Velleius von der Aussendung Catos nach Zypern. Wie Cicero (de domo 65) benutzt er dabei zynisch relegare: M. Catonem a re publica relegavit, wobei es sich weder um eine strafrechtliche noch um eine administrative Verbannung handelte, sondern um den amtlichen Auftrag, Zypern und die reichen Schätze des Königs Ptolemaios einzuziehen. 120 Wie bei Cicero bedeutet der Ausdruck zunächst nur ,Zufluchtsort‘, später tritt dann die Bedeutung ,Verbannungsstrafe‘ hinzu, Vell. Pat. 2, 15, 4; 2, 20, 5; 2, 45, 2 u. 3; 2, 62, 3; 2, 100, 5. 121 Wo er über die Verbannung der älteren Julia nach Pandateria berichtet, Vell. Pat. 2, 100, 5: Iulia relegata in insulam. s. dazu unten B.I.2. 122 Vell. Pat. 2, 62, 3 geht es um Gelder, quae ex transmarinis provinciis Romam ab quaestoribus deportabantur (die aus überseeischen Provinzen von Quästoren nach Rom gebracht wurden).

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A. Vorüberlegungen

(f) Das SC de Cn. Pisone patre von 20 n. Chr. 20 n. Chr. wurde Cn. Calpurnius Piso vom Senat wegen einer illegalen Militäraktion in einem Majestätsprozess angeklagt und zum Tode verurteilt. Die an der Aktion Beteiligten wurden zum Teil freigesprochen, zum Teil verbannt. Der Senatsbeschluss ist auf einer Bronzetafel überliefert.124 Er ist die einzige juristische Quelle zur strafrechtlichen Verbannung aus vorhadrianischer Zeit und dürfte als offizielles Dokument die amtliche Terminologie liefern. Den Autoren, die sich ausführlicher mit der Verbannungsstrafe befasst haben,125 lag die erst 1996 gefundene Tafel noch nicht vor. Im Senatsbeschluss heißt es zur Bestrafung der Helfer Pisos: comitibus Cn. Pisonis patris et omnium maleficiorum socis ac ministris, aqua et igne interdici oportere ab eo pr(aetore), qui lege maiestatis quaereret.126 Sie sollten also von der quaestio de maiestate zu Verbannung verurteilt werden. Der Senat gebrauchte nicht relegare oder deportare, sondern die in spätrepublikanischer Zeit übliche Wendung aqua et igni interdicere, die auch der Terminus für die strafrechtliche Verbannung der leges gewesen zu sein scheint, zumal des Majestätsgesetzes Cäsars, um das es im Prozess gegen Piso geht.127 (g) Seneca Seneca wirkte und schrieb unter den Kaisern Claudius und Nero.128 Seine Schriften enthalten vieles von strafrechtlicher Relevanz. Neben pellere, expellere, exire, proicere und submovere liest man bei Seneca für Verbannungen vor allem exilium, für den im exilium Lebenden meist exul.129 Wie bereits bei Ovid und Velleius begegnet relegare auch als Bezeichnung für strafrechtliche Verbannungen.130 Relegatio, deportare und deportatio sowie aqua et igni interdicere gebraucht er nicht. 123 Dazu und zu den anderen Angaben vgl. Elefante, Concordantia in Velleium Paterculum (1992). 124 Zum Prozess und zum inschriftlich überlieferten Senatus Consultum ausführlich unten B.II.6. 125 Zu den Werken und ihren Erscheinungsjahren s. o. Fn. 81. 126 S.C. 122: Die Begleiter Pisos und die Mitwisser und Helfer bei allen Untaten sollen von dem Prätor, der nach dem Majestätsgesetz erkennt, verbannt werden. 127 Vgl. Cic. Phil. 1, 23: quae (leges Caesaris) iubent ei, qui maiestatis damnatus sit, aqua et igni interdici und Vell. Pat. 2, 45, 1: legem in tribunatu tulit ut, qui civem Romanum indemnatum interemisset, ei aqua et igni interdiceretur. Zu beiden Stellen bereits soeben bei Cicero bzw. Velleius. Zum Majestätsgesetz näher unten B.I.2.b). 128 Zu ihm näher unten B.IV.1. 129 Vgl. dazu und zu den nachfolgenden Angaben Busa / Zampolli, Concordantiae Senecanae (1975). 130 Relegare begegnet in Senecas Schriften insgesamt sechs mal. Zweimal bezeichnet relegare strafrechtliche Verbannungen (de benefic. 6, 32, 1 schreibt Seneca zur Verbannung der älteren Julia: relegavit, epigrammata super exilio 1, 1 i. f. kann sich relegatis nur auf Senecas eigene Verbannung nach Corsica beziehen), zweimal Verbannungen von Söhnen durch das

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(h) Tacitus Bei Tacitus, dessen historische Darstellungen der frühen Kaiserzeit zwischen 105 und 120 n. Chr. entstanden sind, kommen relegare131 und deportare gelegentlich vor,132 während die Substantive relegatio und deportatio nicht begegnen.133 Häufiger gebraucht er für Verbannungen jedoch andere Worte: exigere, redigere und demovere,134 removere,135 seponere,136 devehere,137 öfter amovere,138 pellere, depellere und expellere,139 insulae permittere,140 in insulam abdere,141 claudere142 oder proicere,143 insula teneri,144 urbem / Italia prohibere,145 arcere,146 exagere147 oder Italia / urbe cedere.148 Oft begegnet die Wendung aqua et igni interdicere149 bzw. aqua et igni arcere150 oder prohibere,151 meistens exilium152 und exul,153 selten fuga154 oder profugus.155 väterliche Hausgericht (de clem. 1, 15, 6 und de benefic. 3, 37, 4) und zweimal benutzt Seneca das Wort im übertragenen Sinne (ep. 55, 5, 3 u. 78, 24, 3). 131 Tac. ann. 3, 17; 3, 68; 12, 52; 13, 22; 13, 26; 14, 12 i. f. 132 Tac. ann. 2, 26; 4, 13; 4, 26; 6, 48; 14, 17; 14, 45; 16, 9. 133 Vgl. hierzu und zu den übrigen Angaben Gerber / Greef, Lexicon Taciteum (1903). 134 Tac. ann. 6, 3; 6, 30; 14, 28 i. f., Tac. hist. 4, 44. 135 Tac. ann. 2, 50. 136 Tac. ann. 4, 44, Tac. hist. 1, 46; 1, 88. 137 Tac. ann. 2, 67; 16, 9 init. 138 Tac. ann. 1, 53; 4, 21; 4, 30 und 4, 31. 139 Tac. ann. 2, 32; 3, 24; 4, 14 i. f.; 4, 20; 4, 43; 12, 8; 12, 52; 13, 43; 14, 12; 14, 50; 14, 62; 14, 63; 15, 71; 16, 33, Tac. hist. 4, 6; 4, 44. 140 Tac. ann. 15, 71. 141 Tac. ann. 2, 85. 142 Tac. ann. 1, 53; 4, 30; 14, 63. 143 Tac. ann. 4, 71. 144 Tac. ann. 3, 38. 145 Tac. ann. 6, 49; 15, 71. 146 Tac. ann. 4, 31; 16, 35. 147 Tac. ann. 6, 3. 148 Tac. ann. 3, 50; 12, 22. 149 Tac. ann. 3, 23; 3, 38; 3, 68; 4, 21; 6, 18; 6, 30; 12, 42 i. f. Nur interdicere: Tac. ann. 2, 50; 14, 41 init. 150 Tac. ann. 3, 23 i. f., 3, 50 i. f. 151 Tac. ann. 16, 12 init. 152 Tac. ann. 1, 53; 3, 24; 4, 13; 4, 20; 4, 28; 4, 31; 4, 36; 4, 42; 4, 44; 4, 63; 4, 71; 6, 3; 6, 9; 6, 18; 6, 19; 12, 8; 12, 41 i. f.; 12, 52 init.; 13, 22; 13, 23; 13, 33 i. f.; 13, 42; 14, 12; 14, 17; 15, 71; 16, 14; 16, 20; 16, 28; 16, 30 i. f.; 16, 33, Tac. hist. 1, 3; 1, 21; 1, 38; 1, 77; 1, 90; 2, 92; 4, 6; 4, 8; 4, 44; 4, 45. 153 Tac. ann. 4, 21; 4, 29; 12, 22; 12, 52; 14, 63; 16, 14, Tac. hist. 1, 2; 1, 4; 1, 10; 1, 48; 4, 42. 154 Tac. ann. 3, 24. 155 Tac. hist. 1, 3 f.

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A. Vorüberlegungen

Exilium ist bei ihm der allgemeine Begriff, mit dem er sowohl bloße Ausweisungen als auch Festsetzungen beschreibt,156 so dass ohne weitere Orientierungspunkte nicht ersichtlich ist, ob ein Angeklagter, dessen Verbannung Tacitus exilium nennt, lediglich ausgewiesen oder an einem bestimmten Ort festgesetzt wurde. Genauso ist der exul einmal der Ausgewiesene157 und ein anderes Mal der Festgesetzte.158 Ansonsten legen viele Ausdrücke dem Wortsinne nach zunächst bloße Ausweisung nahe (relegare, exigere, demovere, amovere, pellere, expellere, exagere u. a.). Selten verwendet er sie mit einem Akkusativ oder einem Ablativ als Zusatz, wobei im ersten Fall der Ort angegeben ist, an dem der Straftäter festgesetzt,159 im zweiten Fall der Ort oder das Gebiet, aus dem er ausgewiesen wurde.160 Vielmehr haben sie in der Regel keinen klärenden Zusatz und manchmal ergibt sich aus anderem Zusammenhang oder anderen Quellen, dass der Straftäter sogar an einem bestimmten Ort festgesetzt wurde.161 Wenn Tacitus diese Worte also ohne weitere Angaben gebraucht, dann handelte es sich jedenfalls um Ausweisungen, womöglich aber auch um weitergehende Festsetzungen. Das Wort relegare benutzt Tacitus in den erhaltenen zwölf Büchern der Annalen nur sechs mal, davon fünf mal für strafrechtliche Verbannungen.162 Dem eigentlichen Wortsinne nach bezeichnet re-legare Ausweisungen, doch zeigten die anderen Begriffe, die dem Wortsinne nach ebenfalls bloße Ausweisung nahe legten, dass Tacitus über den eigentlichen Wortsinn oft hinausging. Aus den fünf Stellen in den Annalen erschließt sich nicht, ob die Verurteilten lediglich ausgewiesen oder an einem bestimmten Ort festgesetzt wurden.163 Tacitus ist zu diesen Fällen 156 Exilium für bloße Ausweisung: Tac. ann. 16, 33 berichtet er von der Ausweisung aus Italien: Italia depelluntur, in anderem Zusammenhang (Tac. hist. 4, 6) nennt er die Verbannung derselben Person dann exilium. Exilium für Festsetzung an einem bestimmten Ort: Tac. hist. 4, 44 berichtet von einem auf eine Insel Verbannten und bezeichnet dessen Verbannung mit exilium, genauso Tac. ann. 15, 71 bezüglich des auf eine Insel verbannten Glitius Gallus (zu seiner Verbannung auf Andros s. Groag, Art. Glitius (2), RE Suppl. III, 1918, Sp. 789 f.). Vibius Serenus war auf eine Insel verbannt worden, Tac. ann. 4, 13. Später (Tac. ann. 4, 26) nennt Tacitus seine Verbannung exilium. 157 Tac. ann. 12, 22; 12, 52. 158 Tac. ann. 4, 21; 4, 29; 16, 14, Tac. hist. 1, 2. 159 Tac. ann. 13, 43: in insulas Balearis pellitur, Tac. ann. 14, 60: in Campaniam pulsa est. 160 Tac. ann. 4, 31 u. 16, 35: Italia arcere, Tac. ann. 6, 3: Italia exagere, Tac. ann. 6, 49: urbe prohibere, Tac. ann. 12, 52: Italia pellere, Tac. ann. 15, 71: Italia prohibere, Tac. ann. 16, 33: Italia depellere. 161 Rufrius Crispus wurde nach Sardinien verbannt (vgl. Tac. ann. 16, 17). Dennoch schreibt Tac. ann. 15, 71 lediglich pellitur. Zu Musonius Rufus schreibt Tac. ann. 15, 71 expulit, er wurde jedoch auf eine Insel verbannt (dazu v. Fritz, Art. Musonius (1), RE XVI 1, 1933, Sp. 893 – 897). 162 Nur Tac. ann. 13, 26 geht es um die Verweisung eines Freigelassenen durch seinen Patron. 163 Die erste Stelle ist Tac. ann. 3, 17, wo darüber beraten wird, ob der Sohn Pisos auf zehn Jahre verbannt werden soll (s. B.II.6.): in decem annos relegaretur. Ob er festgesetzt oder nur

III. Todes- und Verbannungsstrafe im römischen Strafrecht

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der einzige Informant, so dass andere Quellen keine Auskunft geben. Daher muss offen bleiben, was Tacitus mit relegare genau sagen will. Das Wort selbst legt zwar bloße Ausweisung nahe, schließt bei Tacitus jedoch nicht aus, dass die entsprechenden Straftäter an einem bestimmten Ort festgesetzt wurden.164 Das Wort deportare begegnet sieben Mal, dreimal ohne Zusammenhang mit einer Verbannung.165 Der technischen deportatio war, wie gesagt, der Verbannungsort ,Insel‘ inhärent, ohne dass die Insel ausdrücklich genannt werden musste.166 Bei Tacitus dagegen findet sich der Ausdruck deportare niemals selbständig, sondern immer mit dem Zusatz eines Ortes. Dreimal heißt es in insulam deportare,167 einmal Italia deportare.168 An sich war der technischen deportatio das Element der Festsetzung wesensmäßig.169 Tacitus hingegen verwendet das Wort auch zur Beschreibung einer Ausweisung: Italia deportare. In den Annalen scheint der Begriff also untechnisch gebraucht zu sein und eher einen tatsächlichen Vorgang, nämlich das Fortschaffen des Angeklagten, zu beschreiben. In einem der Fälle, in denen deportare begegnet, wird das deutlich: Der verbannte Cassius war sehr alt und blind und dürfte kaum selbständig abgereist sein. Wohl deshalb schreibt Tacitus: deportatusque in insulam.170

ausgewiesen werden sollte, ist nicht überliefert. Die zweite Stelle ist der Repetundenprozess gegen Silanus (Tac. ann. 3, 68); es heißt: in insulam Gyarum relegandum. Hier ergibt sich die Festsetzung aus dem Zusatz in insulam, jedoch nicht aus dem Wort relegare (s. B.II.9.). Zu Vibia, die im Rahmen der Strafverfahren um die Verschwörung des Scribonianus verbannt worden war (vgl. dazu Hanslik, Art. Vibia (70), RE VIII A 2, 1958, Sp. 1998 f.), schreibt Tacitus ann. 12, 52 nam relegata erat. Ob sie lediglich ausgewiesen oder festgesetzt wurde, ist nicht überliefert. Die vierte Stelle ist Tac. ann. 13, 22, wo es zum Kalumnienprozess gegen die Ankläger Agrippinas heißt: Calvisius quoque et Iturius relegantur. Ob sie ausgewiesen oder festgesetzt wurden, ist unbekannt (s. B.V.1.a)). Schließlich heißt es zu denselben Tac. ann. 14, 12 i. f.: quosque ipse nuper relegaverat, Iturium et Calvisium poena exolvit, woraus ebenso wenig abzuleiten ist, ob Ausweisung oder Festsetzung gemeint ist. 164 Tac. ann. 13, 26 geht es zwar nicht um eine strafrechtliche Verbannung, doch zeigt die Stelle, dass Tacitus mit relegare auch Festsetzungen gemeint haben kann: quid enim aliud laeso patrono concessum, quam ut centesimum ultra lapidem in oram Campaniae libertum releget? (was nämlich bleibe dem verletzten Patron anderes, als den Freigelassenen auf hundert Meilen an die Küste Kampaniens zu verweisen?). 165 Vgl. Tac. ann. 2, 26; 4, 26 und 14, 17. 166 s. o. A.III.2.a). 167 Tac. ann. 4, 13 (Gewaltprozess gegen Vibius Serenus, s. B.II.10.a)), Tac. ann. 6, 48 (Ehebruchsprozess gegen Albucilla, s. B.II.20.e)) und Tac. ann. 16, 9 (Majestätsprozess gegen Cassius, s. B.V.5.). 168 Tac. ann. 14, 45 (Prozess gegen die Sklaven des ermordeten Stadtpräfekten Pedanius, s. B.V.3.d)). 169 s. o. A.III.2.a). 170 Tac. ann. 16, 9. s. zu diesem Prozess und zu Cassius B.V.5.

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A. Vorüberlegungen

(i) Sueton Sueton, dessen De Caesarum vita libri octo mit Biographien von Caesar bis Domitian in den Jahren nach 128 n. Chr. entstanden, bezeichnet Verbannungen manchmal mit dem Wort relegare. Allerdings handelt es sich dabei meist um Machtsprüche seitens der Kaiser und nur selten wird ein Strafurteil beschrieben.171 Er verwendet in der Regel andere Ausdrücke wie pellere und expellere,172 avehere,173 summovere,174 seponere,175 interdicere,176 in insulam transportare177 und öfter die Substantive exilium178 und exul.179 Deportare begegnet gelegentlich, beschreibt aber nie Verbannungen.180 Sueton fügt oft den entsprechenden Ort hinzu, wenn er das Wort relegare zur Bezeichnung der Verbannung in Form der Festsetzung an einem bestimmten Ort verwendet.181 Gebraucht er den Ausdruck ohne klärenden Zusatz, legt der eigentliche Wortsinn von re-legare zwar bloße Ausweisung nahe, was der späteren technischen relegatio in den juristischen Quellen entspricht.182 Dennoch kann schlichtes relegare bei Sueton auch Festsetzung an einem bestimmten Ort meinen.183

171 Suet. Aug. 16, 4 (administrativ); 24, 1 (administrativ); 45, 4 (administrativ); 65, 1 u. 3 (hier als Strafurteil in den Juliaprozessen), Tib. 37 (administrativ); 53 (Strafurteil gegen Agrippina maior); 56 (administrativ), Cal. 10 (Strafurteil gegen Agrippina maior); 25 (Strafurteil gegen Orestilla und Piso); 29 (Strafurteil gegen die Caligulaschwestern), Claud. 23 (sowohl strafrechtlich als auch administrativ); 38 (administrativ), Nero 6, 3 (Strafurteil gegen Agrippina minor); 16 i. f. (administrativ); 35, 2 (Strafurteil gegen Octavia); 35, 5 (administrativ), Vesp. 15 (administrativ), Dom. 8, 4 (Strafurteil im Vestalinnenprozess). 172 Suet. Tib. 36, Nero 36, 2. 173 Suet. Tit. 8, 5. 174 Suet. Aug. 45, 4, Claud. 23, Nero 39, 3, Dom. 10, 3. 175 Suet. Aug. 65, 1. 176 Suet. Claud. 23. 177 Suet. Aug. 65, 4. 178 Suet. Aug. 51, Tib. 35, Cal. 28 und Dom. 8, 4; 9, 2; 10, 2. 179 Suet. Claud. 12, 1. 180 Suet. Caes. 43, 2, Aug. 78, 2; 100, 2, Tib. 18, 1; 75, 3, Cal. 39, 1, Claud. 6, 1, Nero 31, 3. 181 Vgl. etwa Suet. Aug. 16 i. f. Cerceios relegavit, Suet. Tib. 53 Pandateriam relegavit, Suet. Tib. 56 relegavit Cinariam. Über die auf Inseln verbannten Juliae berichtet er zunächst lediglich: Iulias, filiam et neptem, . . . relegavit (Suet Aug. 65, 1), klärt unmittelbar im Anschluss aber darüber auf, dass die Verbannungen auf Inseln erfolgten, weswegen er zunächst auf die Nennung des Verbannungsortes verzichten konnte: post quinquennium demum ex insula in continentem . . . transtulit (Suet. Aug. 65, 3). 182 Vgl. oben A.III.2.a). 183 Von Agrippina minor berichtet er Nero 6, 3 lediglich: relegata, ohne darüber aufzuklären, dass sie auf die Pontinischen Inseln verbannt wurde, was sich aus Dio 59, 22, 8 ergibt. Ebenso heißt es Suet. Dom. 8, 4 init. zu Celer relegasset, wobei aus Plin. ep. 4, 11 abzuleiten ist, dass er an einem Ort außerhalb Italiens festgesetzt wurde, vgl. näher B.VII.2.b).

III. Todes- und Verbannungsstrafe im römischen Strafrecht

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(j) Plinius Plinius bekleidete unter Domitian, Nerva und Trajan hohe Staatsämter. Seine Briefsammlung enthält einige Berichte über Strafprozesse, die auch über die strafrechtliche Verbannung informieren. Anders als bei Tacitus und Sueton ist die Wortwahl zur Beschreibung von Verbannungen in den Pliniusbriefen auf drei Begriffe beschränkt: interdicere,184 relegare185 und exilium.186 Einmal nur benutzt Plinius einen anderen Ausdruck: summovere,187 womit er allerdings keine strafrechtliche Verbannung, sondern eine administrative bzw. willkürliche Vertreibung meint. Deportare und deportatio begegnen in der Briefsammlung nicht.188 Interdicere bedeutet bei Plinius die endgültige Ausweisung aus Rom und Italien.189 In spätrepublikanischer Zeit und in den Strafgesetzen war aqua et igni interdicere die Bezeichnung für Verbannungen. Die Wendung mag im Laufe der Zeit außer Gebrauch gekommen sein. Plinius benutzt interdicere nur zweimal. Dagegen scheint bei ihm relegare nunmehr der entsprechende190 Ausdruck geworden zu sein. Plinius verwendet das Wort insgesamt 41 mal, ohne Zusatz ebenfalls für endgültige Ausweisungen.191 Wurde jemand dagegen an einem bestimmten Ort festgesetzt, sagt Plinius das eigens.192 Ebenso, wenn jemand nur auf Zeit verbannt wurde.193 Das Wort exilium gebraucht er acht mal. Es bezeichnet sowohl bloße Ausweisungen194 als auch Festsetzungen.195 Plin. ep. 2, 11, 19; 3, 9, 18. Plin. ep. 1, 5, 5; 2, 11, 20; 3, 9, 17; 3, 9, 22; 3, 9, 31; 3, 9, 34; 3, 11, 3; 4, 9, 4; 6, 22, 5; 6, 29, 9; 6, 31, 5; 7, 19, 4; 8, 14 (20 mal in diesem Brief); 10, 56 (6 mal); 10, 57 (3 mal). 186 Plin. ep. 1, 5, 5; 1, 5, 10; 4, 11, 3; 7, 19, 4; 7, 19, 6 (2 mal); 9, 13, 5, exsul: Plin. ep. 4, 11, 2. 187 Plin. ep. 3, 11, 2. 188 Hierzu und zu den anderen Angaben vgl. Jacques / van Ooteghem, Index de Pline le Jeune (1965). 189 In beiden Fälle, in denen er das Wort gebraucht, verwendet er es mit klärendem Zusatz: urbe Italiaque interdicendum (Plin. ep. 2, 11, 19), Italia interdictum (ep. 3, 9, 18). 190 Ep. 2, 11, 19 liest man zu Priscus: interdicendum, ep. 6, 29, 9 dann zu demselben: relegatus est. 191 Das zeigt sich an verschiedenen Stellen: Von Priscus, über den es ep. 2, 11, 19 heißt: urbe Italiaque interdicendum, der also lediglich ausgewiesen wurde, sagt er ep. 6, 29, 9: relegatus est. Ep. 10, 56 berichtet er von Personen, die sich in Bithynien aufhielten, obwohl sie aus dieser Provinz ausgewiesen worden waren, und nennt sie relegatos. 192 Ep. 3, 9, 34: in insulam relegatus, ep. 6, 22, 5 in insulam relegatus, ep. 8, 14, 12: in insulam relegandos. 193 Ep. 2, 11, 20: in quinquennium relegandum, ep. 3, 9, 17: in quinquennium relegati. Den an sich überflüssigen Zusatz in perpetuum verwendet er bei relegare nur, um von zeitweiligen Verbannungen abzugrenzen: ep. 10, 56, 2 berichtet er zunächst von zeitweise Verbannten: in triennium relegatos. Um Missverständnisse zu vermeiden, heißt es im selben Brief später: in perpetuum relegare (ep. 10, 56, 4). Das Gleiche gilt für die Differenzierung zwischen in perpetuum relegare und in triennium relegare in der Antwort der kaiserlichen Kanzlei (ep. 10, 57) und für ep. 3, 9, 22: relegatis, aliis in tempus, aliis in perpetuum. 194 Fannia war lediglich ausgewiesen worden (Plin. ep. 7, 19, 4: relegata, s. a. ep. 3, 11, 3: relegatis). Ihre Verbannung nennt Plinius ep. 7, 19, 6 exilium. Helvidius Priscus war lediglich 184 185

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A. Vorüberlegungen

Mit den entsprechenden Stellen in den Pliniusbriefen besitzen wir Äußerungen eines Zeitzeugen, die deshalb besonders wertvoll sind, weil Plinius an den Strafverfahren, über die er berichtet, meist selbst beteiligt war und es sich bei ihm um einen juristisch gebildeten Menschen handelte. Dass es ihm mehr auf eine juristisch korrekte Ausdrucksweise als auf eine abwechslungsreiche Sprache ankam, zeigt ep. 8, 14, wo er für die Verbannung, um die es dort geht, ausschließlich das Wort relegare verwendet, nicht weniger als 20 mal. In einem späteren Brief Trajans überliefert er uns zudem die offizielle Terminologie der kaiserlichen Kanzlei. Auch dort ist ausschließlich von relegare die Rede.196 (k) Dio Dio schreibt zu einer Zeit, in der jedenfalls die Juristen die Begriffe relegatio und deportatio bereits technisch verwendeten. Der größere Teil des aus seiner Römischen Geschichte Erhaltenen betrifft allerdings die frühe Kaiserzeit. Deshalb lohnt ein Blick darauf, wie er in Strafprozessen aus dieser Zeit Verbannungsurteile beschreibt. Zur Bezeichnung der Verbannung benutzt er das dem lateinischen exilium entsprechende griechische Wort jõãÞ.197 Will er sagen, dass jemand verbannt wurde, verwendet er das Verb jåýãù198 bzw. jõãáäåýù.199 Die lateinische Wendung aqua et igni interdictio u¨bersetzt er ins Griechische.200 Die Begriffe als solche sind allgemein und beschreiben bei Dio sowohl Ausweisungen als auch Festsetzungen.201 Auch Formulierungen, die zuna¨chst an bloße Ausweisung denken lasaus Italien ausgewiesen worden (vgl. Tac. ann. 16, 33). Auch seine Verbannung nennt Plinius exilium (ep. 7, 19, 4). 195 Licinianus war an einem Ort außerhalb Italiens festgesetzt worden (s. u. VIII.2.b)). Seine Verbannung nennt er ep. 4, 11, 13 exilium. 196 s. ep. 10, 57. 197 Dio 59, 18, 3; 60, 18, 3, Dio Xiphil. 65, 11, 2, Dio Petr. Patr. Exc. Vat. 62, 15, 1a. 7 198 jõãåé í (Dio 53, 23, 7), fjõãïí (Dio Xiphil. Exc. Val. 61, 10, 1), fjõãåí (Dio Xiphil. 62, 26, 2), jåõãüíôùí (Dio Xiphil. 63, 11, 3), jõãüíôá (Dio Exc. Val. 64, 9, 3) und a¨hnliche. 199 7jõãÜäåõóå (Dio Zonaras 57, 22, 4b), 7jõãÜäåõóåí (Dio 57, 23, 4 i. f., Dio Zonaras 61, 33, 2b), jõãáäåýóáò (Dio 60, 25, 4), 7jõãáäåýèç (Dio Xiphil. 62, 27, 4) und a¨hnliche. 7 200 ðõrNò káM jäáôïò å9r÷èÝíôá bzw. å9r÷èåé óé, Dio 56, 27, 2 bzw. 57, 22, 5. 201 In der Bedeutung ,bloße Ausweisung‘: Im Prozess gegen Iunius Gallio (s. B.II.20.a.) 7 schreibt Dio 58, 18, 4: jõãáäåõóáé. Aus Tac. ann. 6, 3 ergibt sich eindeutig, dass er lediglich ausgewiesen wurde. Dio 59, 20, 6 berichtet u¨ber Carrinas Secundus, der lediglich ausgewie7 sen worden war (s. B.III.4.): jõãáäåõóáß. Der Angeklagte des Dio 59, 23, 9 angesprochenen Prozesses wurde lediglich ausgewiesen (s. B.III.6.). Dio schreibt: jåýãïõóé. In der Bedeutung ,Festsetzung‘: Mit jõãÜäåò werden Dio 56, 27, 2 Verbannte bezeichnet, die an einem bestimmten Ort festgesetzt worden waren. Dio760, 8, 5 und Dio Xiphil. Exc. Val. 61, 10, 1 nimmt mit der Formulierung fjõãïí bzw. jõãçò auf die Verbannung Senecas Bezug, der auf einer Insel festgesetzt wurde (s. B.IV.1.). Zum Philosophen Musonius Rufus

III. Todes- und Verbannungsstrafe im römischen Strafrecht

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sen,202 gebraucht er in beiderlei Sinn, wie Beispiele zeigen, in denen andere Zeugnisse ergeben, dass die Strafta¨ter in Wahrheit an einem bestimmten Ort festgesetzt wurden.203 Manchmal hält Dio dagegen ausdrücklich fest, dass es sich nicht bloß um eine Ausweisung, sondern um eine Festsetzung handelte, und berichtet etwa, jemand sei auf eine bestimmte Insel verbracht worden.204 (2) Ergebnis In republikanischer Zeit begegneten für die gesetzliche Verbannungsstrafe wie für Strafurteile die beiden Wendungen aqua et igni interdictio und exilium. Das scheint zunächst auch die offizielle Terminologie in der Kaiserzeit gewesen zu sein, wie insbesondere das SC de Cn. Pisone patre zeigte. Allmählich muss auch relegare in Gebrauch gekommen sein und anfangs nichts anderes gemeint haben als zuvor aqua et igni interdictio oder exilium. Für Ovid noch ungewohnt, verwendet Velleius den Begriff dann für die einzige kaiserzeitliche Verbannung, über die er berichtet, was für das Jahr 30 n. Chr. auf eine gewisse Gebräuchlichkeit schließen lässt. Für Tacitus und besonders für Plinius ist relegare dann eine gängige Bezeichnung für Verbannungen. Aus Tacitus lässt sich schließen, dass sich allmählich deportare dazugesellte und beide Begriffe nach und nach die Bedeutung gewonnen haben müssen, die sie in den juristischen Quellen haben. Diese Entwicklung kann bereits unter den ersten Kaisern begonnen haben. Hier kamen erstmals Festsetzungen vor, was zur wesentlichen Eigentümlichkeit der deportatio wurde, und das schreibt Dio Xiphil. 62, 27, 4 7jõãáäåýèç, wobei aus anderen Quellen zu ermitteln ist, dass er auf die Insel Gyarus verbannt wurde (vgl. v. Fritz, Art. Musonius (1), RE, art. cit., Sp. 893 m. w. N. zu Quellen). Zur Verbannung Octavias, die7 auf eine Insel verbannt wurde (s. u. B.V.3.f)), liest man Dio Zonaras 62, 13, 1: jõãáäåõèçíáé. Dio Xiphil. 62, 29, 4 heißt es im Zusammenhang mit einer Verbannung auf eine Insel: jõãLí (auch Philo in Flaccum 181 schreibt: jõãLí, obwohl er wenig zuvor 7berichtet hat, Flaccus sei auf eine Insel verbannt worden), ebenso Dio Xiphil. 65, 11, 2 jõãçò fu¨r eine Verbannung auf eine Insel. 202 Formen der Verben 2ðårïréæù (Dio Zonaras 55, 13, 1a, Dio 57, 15, 8; 60, 27, 5, Dio Xiphil. 63, 18, 1, Dio Xiphil. 67, 3, 31), 7îïréæù (Dio 59, 8, 7; 60, 8, 5, Dio Xiphil. Exc. Val. 65, 9, 2), 6ðïkçrýóóù (Dio 55, 32, 2), 7îåëáýíù (Dio Joann. Antioch 57, 18, 5a, Dio 59, 18, 3, Dio Xiphil. 63, 11, 3, Dio Xiphil. 64, 1, 4, Dio Xiphil. 66, 19, 3), 7îáérÝù (Dio 54, 17, 4), 7kðßðôù (Dio 60, 4, 1), 7kâÜëëù (Dio Xiphil. 65, 11, 2 u. 65, 13, 1), 7käéþkù (Dio Xiphil. Zonaras 67, 14, 4). 7 203 Dio Xiphil. Exc. Val. Zonaras 55, 9, 7 heißt es zu Tiberius 7kâëçèçíáé, obwohl er von Augustus auf die Insel Rhodos geschickt worden war. In einem Ehebruchsprozess heißt es 7îþréóå (Dio 59, 8, 7), obwohl die Verurteilen an einem bestimmten Ort festgesetzt wurden (s. B.III.1.). Auch Dio 56, 27, 2 bezieht sich 7îùrßóèçóáí auf Festsetzungen. Dio Xiphil. 73, 4, 5 f. bezeichnet das Verb 2ðårþréæù eine Festsetzung auf einer Insel. 7 7 204 7ò íçóïí káôákëåéóèåßò (Dio 55, 20, 5), 7ò íçóïõò káôÝèåôï, 7ò íÞóïõò káôÝ7 këåéóå (Dio 59, 22, 8 bzw. Dio Xiphil. 66, 13, 2),77ò íçóïí káôÝkëåéóåí (Dio 59, 3, 6, Verbannung der Caligulaschwestern, s. B.III.5.), 7ò íçóïí 7íÝâáëåí (Dio Xiphil. 62, 29, 3, Ver7 bannung des Stoikers Annaeus Cornutus, s. B.V.5.), 7ò íçóïí 2ðårùßóèç und 7ò íÞóïõò 2ðårùrßóèçóáí (Dio 55, 10, 14 f., Juliaprozesse, s. B.I.2. u. 3.).

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A. Vorüberlegungen

neue außerordentliche Verfahren ermöglichte es erstmals, über die Frage des Bürgerrechtsverlustes, der Vermögenskonfiskation und die Dauer der Verbannung zu beraten – alles Gesichtspunkte, die später die relegatio von der deportatio unterschieden. Wann diese Entwicklung abgeschlossen war, ist nicht zu sagen.205 Unter Hadrian war es jedenfalls so weit, wie das oben zitierte Edikt zeigt.206 Die vielen kaiserlichen Regelungen zur deportatio unter Hadrian und Pius zeigen zudem, dass das Institut zu dieser Zeit noch neu war.207 Für den Zeitraum davor ist kein fester Gebrauch der beiden Begriffe zu erkennen. Die Strafe der Zwangsarbeit in Staatsbetrieben zeigt ein auffallend ähnliches Bild. Sie begegnet in den juristischen Quellen ab der Hochklassik ebenso ausdifferenziert wie die Verbannungsstrafe. Öffentliche Zwangsarbeit, opus publicum, und Bergwerksarbeit, opus metalli, stehen einander gegenüber. Opus publicum konnte, wie die relegatio, zeitig oder lebenslänglich ausgesprochen werden, wobei im ersten Fall das Bürgerrecht erhalten blieb, im zweiten dagegen verloren ging. Opus metalli gab es dagegen, wie die deportatio, nur lebenslänglich und stets verbunden mit dem Verlust des Bürgerrechts. Zwangsarbeit in Staatsbetrieben und Bergwerksarbeit werden wie selbstverständlich als Strafen für die verschiedensten Verbrechen aus republikanischer Zeit,208 gar als poena legis einiger Strafgesetze angegeben.209 205 Mommsen, Strafrecht (1899), S. 967 u. 974 f. meint, die deportatio sei von Tiberius eingeführt worden. Ebenso Braginton, Exile (1944), S. 393, de Villa, Exilium perpetuum (1953), S. 295 f. und bereits Hartmann, De exilio (1887), S. 26. Begründet wird diese Auffassung mit der Annahme, Tiberius habe der Verbannungsstrafe den Bürgerrechtsverlust hinzugefügt und gerade der Bürgerrechtsverlust unterscheide die deportatio von der relegatio. Dabei wird übergangen, dass bereits zuvor Gesetze Verbannung mit Bürgerrechtsverlust anordneten, etwa die lex Iulia de adulteriis (zu ihr unten B.I.2.a)). Außerdem ist ein technischer Gebrauch des Begriffs deportare erst ab Hadrian sicher belegt. Giuffrè, repressione criminale (1998), S. 125 nimmt deportatio erst für die trajanische Zeit an, begründet seine Auffassung jedoch nicht. 206 s. o. A.III.2.b)aa)(1) init. 207 Vgl. Marc. 2 de iudic. publ. D. 48, 18, 9, 2, Marc. 13 inst. D. 48, 22, 2 (zu Reskripten des Antoninus Pius), C. 6, 24, 1 u. 9, 47, 1 (Reskripte desselben Kaisers). s. a. die Äußerung Julians bei Pap. 9 quaest. D. 46, 1, 47: si debitori deportatio irrogata est, non posse pro eo fideiussorem accipi scribit Iulianus, quasi tota obligatio contra eum extincta sit (wenn ein Schuldner mit deportatio bestraft wurde, dann, so schreibt Iulian, könne statt seiner kein Bürge akzeptiert werden, wie wenn die ganze Verbindlichkeit gegen ihn erloschen wäre). 208 Vgl. PS 5, 23, 4 (ad legem Corneliam de sicariis et veneficiis): ideo humiliores in ludum aut in metallum damnantur, s. a. 5, 23, 14. PS 5, 26, 3 (ad legem Iuliam de vi publica et privata): humiliores in metallum damnantur. 209 Vgl. Paul. 5 sententiarum D. 48, 19, 38, 7 (= PS 5, 25, 7): Qui vivi testamentum aperuit recitaverit resignaverit, poena (legis) Corneliae tenetur: et plerumque humiliores aut in metallum damnantur aut honestiores in insulam deportantur (wer das Testament eines Lebenden geöffnet, vorgelesen und wieder zugesiegelt hat, dem wird die Strafe des Cornelischen Fälschungsgesetzes auferlegt: und meistens werden Leute niederen Standes mit Bergwerk bestraft, Leute höheren Standes auf Inseln deportiert). PS 5, 25, 1: Lege Cornelia testamentaria . . . humiliores . . . in metallum dantur. PS 5, 25, 9 poena falsi coercetur: ideoque humiliores in metallum damnantur (poena falsi meint die Strafe des Cornelischen Fälschungsgesetzes, vgl. PS 5, 25, 11 i. f.: poena legis Corneliae de falsis coercetur).

III. Todes- und Verbannungsstrafe im römischen Strafrecht

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Doch wurde die Zwangsarbeit als Strafe erst von Caligula eingeführt.210 Im Anschluss an Hadrians Edikt über die Stufenfolge bei der Verbannungsstrafe erwähnt Callistrat ein fast gleich lautendes Reskript desselben Kaisers, die Stufenfolge der Zwangsarbeit betreffend: Ita et in custodiis gradum servandum esse idem princeps rescripserit, id est ut, qui in tempus damnati erant, in perpetuum damnarentur, qui in perpetuum damnati erant, in metallum damnarentur, qui in metallum damnati id admiserint, summo supplicio adficerentur.211 bb) Die ursprüngliche Verbannungsstrafe Wie oben ausgeführt wurde, war bis zu den sullanischen Strafgesetzen poena legis Todesstrafe, doch hatte sich die Praxis eingebürgert, das Todesurteil nicht zu vollstrecken, sondern den Verurteilten ins Exil entweichen zu lassen und über ihn die administrative aqua et igni interdictio zu verhängen. Nach 69 v. Chr. entwickelte sich aus dieser Praxis Verbannung als gesetzliche Strafe. Eine Begriffskontinuität zur Beschreibung der Verbannung als poena legis, die sich von der republikanischen und der frühen Kaiserzeit212 bis zu den spät- und nachklassischen Juristenfragmenten213 fortsetzt, ist nur hinsichtlich der beiden Wendungen aqua et Vgl. zu alledem unten B.III.2.a). Callistrat 6 de cognition. D. 48, 19, 28, 14: Derselbe Kaiser hat reskribiert, dass diese Stufenfolge auch bei den Strafgefangenen (damit sind zu Zwangsarbeit in Staatsbetrieben Verurteilte gemeint, was sich aus dem Sinnzusammenhang mit den nachfolgenden Stellen D. 48, 19, 33 – 36 ergibt) zu beachten sei, d. h. wer auf Zeit verurteilt worden war, soll lebenslänglich verurteilt werden, wer lebenslänglich verurteilt worden war, soll zu Bergwerksarbeit verurteilt werden, und wer zu Bergwerksarbeit verurteilt dies (gemeint ist die Flucht aus dem Arbeitslager) begangen hat, der soll mit dem Tode bestraft werden. 212 Dazu im vorigen Abschnitt. 213 Exilium ist in den juristischen Quellen der Oberbegriff für die strafrechtliche Verbannung. Der Sprachgebrauch ist schwankend und es wird damit sowohl relegatio als auch deportatio bezeichnet; seine Bedeutung bedarf in jedem einzelnen Fall näherer Bestimmung. Vgl. Marc. 1 regul. D. 48, 22, 5. s. a. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 967. Gelegentlich mag es scheinen, exilium komme neben den anderen beiden Arten strafrechtlicher Verbannung, relegatio und deportatio, eine eigene Bedeutung zu. So heißt es etwa bei Paulus 5 sententiarum D. 48, 19, 38, 10: in exilium mittuntur aut ad tempus relegantur. Diese Formulierung ergibt jedoch noch keine unterschiedliche Bedeutung von exilium und relegatio. Vielmehr ist sie dahingehend zu verstehen, dass mit exilium deportatio und endgültige relegatio zusammengefasst sind. Paulus hätte auch schreiben können deportantur aut relegantur aut ad tempus relegantur, was sprachlich unschön gewesen wäre, weswegen er auf den Oberbegriff exilium zurückgriff. Gleichermaßen wird eine Doppelung des Wortes relegare bei Paul. 5 sentent. D. 48, 19, 38, 3 und bei Marc. 2 inst. D. 48, 22, 4 i. f vermieden. Nirgendwo ist für exilium ein eigener Bedeutungsgehalt gegenüber relegatio bzw. deportatio auszumachen. Deshalb ist es missverständlich, wenn es in PS 5, 17, 2 (3) heißt: Summa supplicia sunt crux . . . , mediocrium autem delictorum poenae sunt metallum . . . deportatio, minimae relegatio exilium opus publicum vincula. Exilium soll hiernach eine von relegatio und deportatio verschiedene, leichtere Strafe sein. In PS 5, 4, 11 scheinen exilium und insulae relegatio hingegen wiederum als gleichbedeutende Begriffe gebraucht zu sein. Paul. 15 ad ed. praet. D. 48, 1, 2 scheint exilium als Synonym für deportatio zu verwenden: capitalia sunt, ex qui210 211

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A. Vorüberlegungen

igni interdictio und exilium erkennbar. Obwohl wir von keinem Strafgesetz eine wortgetreue Überlieferung besitzen, darf man dennoch annehmen, dass dies die Begriffe waren, die die Strafgesetze zur Bezeichnung der Verbannungsstrafe gebrauchten.214 Was hatte es mit der aqua et igni interdictio bzw. dem exilium als gesetzlicher Verbannungsstrafe auf sich? (1) Bloße Ausweisung Der anfänglichen Verbannungsstrafe war die bloße Ausweisung wesensmäßig. Das Element der Festsetzung, das in der frühen Kaiserzeit in Form der Verbannung auf Inseln oder in Form der Festsetzung an bestimmten Orten begegnet,215 war ihr noch fremd. Das erklärt sich zum einen durch die Entstehung der strafrechtlichen Verbannung aus der administrativen aqua et igni interdictio, die den Flüchtigen nicht an einem bestimmten Ort festsetzte, sondern ihn nur von einem bestimmten Gebiet fernhielt. Er musste Rom und Italien216 verlassen. Zum anderen zeigen das auch Nachrichten Ciceros, in denen er sich zu Verbannungen äußert. In keiner seiner Reden spricht er von Verbannung auf eine Insel oder an einen bestimmten Ort. Stets ist die Rede von bloßen Ausweisungen. Natürlich werden die Verbannten einen bestimmten Ort, eine bestimmte Stadt, vielleicht auch einmal eine bestimmte bus poena mors aut exilium est, hoc est aquae et ignis interdictio: per has enim poenas eximitur caput de civitate. nam cetera non exilia, sed relegationes proprie dicuntur: tunc enim civitas retinetur (kapital sind diejenigen Verfahren, aus denen als Strafe Tod oder exilium folgt, d. h. aqua et igni interdictio: wegen dieser Strafen verliert man nämlich das Bürgerrecht. Denn die Übrigen nennt man nicht exilia, sondern relegationes. Dann nämlich wird das Bürgerrecht beibehalten). Auch die aqua et igni interdictio begegnet immer wieder, z. B. Paul. 11 ad ed. D. 4, 5, 5 pr., Scaev. 6 quaest. D. 28, 2, 29, 5, Afric. 5 quaest. D. 37, 1, 13 pr., Ulp. 68 ad ed. D. 48, 6, 10, 2, idem 1 de adulter. D. 48, 13, 3, idem 68 ad ed. D. 48, 19, 2, 1, Paul. 15 ad ed. praet. D. 48, 1, 2, Ulp. 7 de off. proc. Coll. 15, 2, 1, PS 5, 29, 1, Inst. 4, 18, 2, C. 5, 17, 1 (229). Die Juristen verstehen sie als Ausgangspunkt der Verbannungsstrafe: Ulp. 48 ad ed. D. 48, 19, 2, 1: deportatio in locum aquae et ignis interdictionis successit. Ebenso Ulp. 1 de adulteriis D. 48, 13, 3. Wo immer von aqua et igni interdictio die Rede ist, ist das als historische Reminiszenz zu verstehen. s. a. Paul. 15 ad ed. praet. D. 48, 1, 2: capitalia sunt, ex quibus poena mors aut exilium est, hoc est aquae et ignis interdictio. 214 So auch Levy, Gesetz und Richter (1938), S. 75 Fn. 61 und Cloud, Parricidium (1971), S. 60. Offenbar auch Mommsen, Strafrecht (1899), S. 592, 632 m. Fn. 2, 650, 907 (zu den leges Corneliae), ohne sich allerdings ausdrücklich zur Begrifflichkeit in den Strafgesetzen zu äußern. 215 s. zu einzelnen Fällen den Abschnitt B. 216 In älterer Zeit haben die Verurteilten auf die administrative aqua et igni interdictio als Verbannungsorte insbesondere Städte im Latium gewählt (z. B. Tibur, Praeneste, Lavinium, Ardea, vgl. Liv. ab urbe 2, 2; 3, 29; 3, 58; 5, 43; 43, 2), die mit Rom in einem Bündnisverhältnis standen und deren Exilrecht auf Gegenseitigkeit mit Rom beruhte, vgl. Cic. de orat. 1, 177. Nachdem infolge des Bürgerkrieges allen italischen Städten römisches Bürgerrecht verliehen worden war, wurden nur noch Städte außerhalb Italiens aufgesucht, besonders Städte in Gallien, Griechenland und Asien, vgl. Cic. pro Murena 89. s. a. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 970 ff. u. 1009 Fn. 4 und Balsdon, Romans and Aliens (1979), S. 102 ff. u 113 ff.

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Insel zu ihrem künftigen Aufenthaltsort gemacht haben. Aber diese Entscheidung fiel freiwillig. Es war ihre Wahl und kein angeordneter Aufenthaltsort.217 Die interdictio verbot lediglich den Aufenthalt in Rom und Italien.218 (2) Bürgerrechtsverlust Die spät- und nachklassischen Quellen ergaben, dass relegatio das Bürgerrecht des Verurteilten unberührt ließ, während deportatio das Bürgerrecht entzog. Für die Verbannungsstrafe in ihrer ursprünglichen Form sind wir auf frühere Quellen angewiesen. Mommsen219 will in einer Stelle bei Cassius Dio den Beweis erblicken, der 220 Bürgerrechts- und damit verbundene 7 Vermögensverlust 7sei erst 23 n. Chr. von Tiberius 7 eingeführt worden: 6ðåé ðå äK 1 ÔéâÝréïò ôïé ò ðõrNò káM Väáôïò å9r÷èåé óé ìL äéáôßèåóèáé.221 Aus der Anordnung des Kaisers, dass es den Verbannten verboten sei, ein Testament zu errichten, ko¨nne gefolgert werden, dass den Verbannten das ro¨mische Bu¨rgerrecht, das fu¨r die Errichtung eines Testaments nach ro¨mischem Recht erforderlich war, bis dahin belassen worden sei. Zwar sagt Dio nicht, dass es um die Errichtung eines Testaments nach ro¨mischem Recht geht. Die Stelle ist aber schwerlich generell zu verstehen, also in dem Sinne der Errichtung irgendeiner Verfu¨gung von Todes wegen, auch einer nach dem Recht einer anderen Bu¨rgerschaft, deren Bu¨rgerrecht der Verbannte nach Verlust des eigenen Bu¨rgerrechts angenommen haben kann.222 Die Dio-Stelle wird vielmehr wirklich 217 Crifò, Exilium I (1961), S. 184 ff. s. a. Santalucia, La situazione patrimoniale (2001), S. 179. 218 Das scheint auch in der Kaiserzeit so geblieben zu sein, vgl. Plin. ep. 2, 11, 19: urbe Italiaque interdicendum. 219 Strafrecht (1899), S. 957 u. 978 m. Fnn.1 u. 2. Siehe bereits Hartmann, De exilio (1887), S. 26 und ders., Art. aquae et ignis interdictio, RE, art. cit., Sp. 308 – 310. Wie Mommsen auch Desserteaux, capitis deminutio I (1909), S. 146 u. 158, Levick, Poena Legis Maiestatis (1979), S. 376 f. Wie hier dagegen Ferrini, Diritto penale romano II (1902), S. 155, Costa, Cicerone giureconsulto I (1927), S. 284, Levy, Die Römische Kapitalstrafe (1930 / 31), S. 20 Fn. 4, Grasmück, Exilium (1978), S. 120 Fn. 406. 220 Vermögenskonfiskation war nach Mommsen womöglich eigentlicher Zweck des Bürgerrechtsverlusts, vgl. Strafrecht (1899), S. 957. Jedoch zeigt Dio 56, 27, 2 f. (zu der Stelle sogleich), dass Verbannten ihr Vermögen trotz des mit der Verbannung verbundenen Bürgerrechtsverlustes verbleiben konnte. 221 Dio Xiphil. 57, 22, 5: Tiberius verbot denjenigen, denen Feuer und Wasser versagt war, ein Testament zu errichten. 222 So aber Levy, Die Römische Kapitalstrafe (1930 / 31), S. 20 Fn. 96. Ähnlich StrachanDavidson, Problems II (1912), S. 55 – 58 und Santalucia, La situazione patrimoniale (2001), S. 184. Levy will seine Ansicht durch einen Passus im pseudoulpianischen liber singularis regularum bestätigt sehen, wonach der dediticiorum numero weder wie ein Römer noch wie ein Nicht-Römer ein Testament errichten kann, Ulp. epit. 20, 14: is autem, qui dediticiorum numero est, quoniam nec quasi civis Romanus testari posset, cum sit peregrinus, nec quasi peregrinus, quoniam nullius certae civitatis civis est, ut secundum leges civitatis suae testetur. Jedoch übergeht er dabei, dass die Quelle nicht von Verbannten handelt, son-

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A. Vorüberlegungen

die Errichtung von Verfu¨gungen von Todes wegen nach ro¨mischem Recht meinen. Dennoch ko¨nnte Bu¨rgerrechtsverlust schon vorher Folge jeder Verbannung gewesen sein, gab es jedoch aktuelle Fa¨lle, in denen die Rechtslage verkannt wurde und rechtlich unwirksame Verfu¨gungen von Todes wegen errichtet und nach dem Tod des Verbannten dennoch umgesetzt wurden. Der Kaiser ha¨tte nur einem schon bisher ungesetzlichen Missstand durch sein Einschreiten abhelfen wollen. Zu untersuchen ist deswegen, was in vortiberischer, insbesondere spa¨trepublikanischer Zeit galt. (3) Bürgerrechtsverlust bei der administrativen aqua et igni interdictio? Zu dieser Frage lässt sich verschiedenen Äußerungen Ciceros einiges entnehmen. In einer Gerichtsrede aus dem Jahr 69 oder 68 v. Chr. heißt es:223 Nam quia volunt poenam aliquam subterfugere aut calamitatem, eo solum vertunt, hoc est, sedem ac locum mutant . . . non adimitur eis civitas . . . tum amittitur haec (Romana) civitas denique, cum is qui profugit receptus est in exsilium, hoc est, in aliam civitatem. In einer Rede nach seiner Rückkehr aus der Verbannung224 sagt er:225 Denique universus senatus molto ante, quam est lata lex de me, ,gratias agendas censuit‘ civitatibus iis, quae M. Tullium’ – tantumne? immo etiam: ,CIVEM optime de re publica meritum – recepissent.‘ Et tu unus pestifer civis eum restitutum negas esse civem, quem eiectum universus senatus non modo civem sed etiam egregium civem semper putaverit?, und kurz darauf allgemeiner:226 Qui erant rerum capitalium dern vom dediticiorum numero, also keine Stütze für ein generelleres Verständnis der DioStelle liefert. 223 Cic. pro Caecina 100: Denn weil man sich einer Strafe oder einem Unheil entziehen will, deshalb wechselt man das Land, d. h. man ändert seinen Wohnsitz und Aufenthaltsort . . . ihnen wird das Bürgerrecht nicht aberkannt . . . das römische Bürgerrecht erlischt erst dann, wenn der Flüchtige ins Exil, d. h. in eine andere Bürgerschaft aufgenommen ist. Vgl. dazu Mühlhölzl, Cicero „pro A. Caecina“ (1992), S. 128 ff., bes. S. 141 – 144. 224 Cicero war 58 v. Chr. verbannt und 57 v. Chr. zurückberufen worden. Seine Verbannung beruhte nicht auf dem von P. Clodius eingebrachten Strafgesetz, wonach derjenige zu verbannen war, der einen römischen Bürger ohne Gerichtsurteil töten ließ. Cicero hatte Rom verlassen, noch bevor es zu einem Strafverfahren gegen ihn gekommen war. Nach seiner Flucht wurde kraft Volksschlusses die administrative aqua et igni interdictio über ihn verhängt. Vgl. dazu Büchner, Art. Tullius (29), RE VII A 1, 1939, Sp. 827 – 1274, 917 f. 225 Cic. de domo 85: Schließlich hat der gesamte Senat, lange bevor das Gesetz über meine Rückberufung eingebracht wurde, beschlossen, ,den Städten zu danken, die M. Tullius’ – war das alles? nein, es hieß noch: ,den BÜRGER, der dem Staat größte Dienste erwiesen hat – bei sich aufgenommen hätten.‘ Und du abscheulicher Bürger bestreitest als einziger, dass derjenige nach seiner Rückkehr ein Bürger sei, den, als er vertrieben war, der gesamte Senat stets nicht nur für einen Bürger, sondern sogar für einen hervorragenden Bürger gehalten hat? 226 Cic. de domo 78 i. f.: die in Kapitalprozessen Verurteilten verloren ihr hiesiges Bürgerrecht nicht, bevor sie dort aufgenommen waren, wohin sie sich, ,um das Land zu wechseln‘,

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condemnati, non prius hanc civitatem amittebant, quam erant in eam recepti, quo vertendi, hoc est mutandi, soli causa venerant. id autem ut esset faciundum, non ademptione civitatis, sed tecti et aquae et ignis interdictione faciebant. Wer vor der Vollstreckung eines Todesurteils geflohen war, verlor sein Bürgerrecht demnach erst, wenn er das einer anderen Bürgerschaft angenommen hatte, weil das römische Recht keine Doppelbürgerschaft vorsah. Mit der administrativen aqua et igni interdictio war also kein Verlust des Bürgerrechts verbunden.227 (4) Bürgerrechtsverlust bei der Verbannung als poena legis Weniger deutlich sind die Auskünfte zur Frage, ob mit der zur gesetzlichen Strafe einiger Strafgesetze gewordenen Verbannung Bürgerrechtsverlust verbunden war. Zum Teil wird das mit Verweis auf einige Stellen in Ciceros Rede pro Rabirio bejaht.228 Aus den als Beleg genannten Stellen229 ergibt sich zur Frage des Bürgerrechtsverlustes jedoch nichts Genaueres. Im Übrigen könnte aus dieser Rede nichts Verlässliches zu Verbannung als gesetzlicher Strafe entnommen werden, da Rabirius nach der lex Cornelia maiestatis angeklagt war, die als poena legis Todesstrafe vorsah,230 so dass über Rabirius, wäre er verurteilt worden und vor der Volldas heißt, um einen neuen Wohnsitz zu wählen, begeben hatten. Damit das aber auszuführen ist, bewirkten sie keinen Verlust des Bürgerrechts, sondern die Untersagung von Dach, Wasser und Feuer. 227 Das zeigte ausführlich Crifò, Exilium I (1961), S. 249 – 288 u. 312, ders., L’Esclusione dalla città (1985), S. 20. Die Auffassung hat weitgehend Zustimmung erfahren, vgl. Gabba, Rez. z. Crifò Exilium I (1961), S. 329, Staveley, Rez. z. Crifò Exilium I (1963), S. 201, Nörr, Origo (1963), S. 560 f., Thomas, Rez. z. Cirfò Exilium I (1965), S. 98, Cassola, L’esilio nel periodo repubblicano (1965), S. 75 f., Grasmück, Exilium (1978), S. 98, Kelly, Exile (2006), S. 33 f., 45 f., Coskun, Bürgerrechtsentzug (2009), S. 73 – 82. Ausdrücklich gegen die Auffassung Crifòs stellt sich Fuhrmann, Rez. z. Crifò Exilium I (1963), S. 456 f. Doch belegt er seine Gegenansicht nicht. Er verweist auf Mommsen, Strafrecht (1899), S. 68 ff. u. 964. Mommsen sagt dort allerdings nichts anderes, als dass der ins Exil geflohene Römer sein Bürgerrecht erst dann einbüße, wenn er dasjenige einer anderen Bürgerschaft angenommen habe, und nicht, dass bereits aus der aqua et igni interdictio der Bürgerrechtsverlust folge. Entsprechend nimmt Mommsen das auch für die interdictio als Strafe an, S. 978: ,Die Interdiction . . . ändert gleichfalls die Personalstellung nicht; der Interdicierte behält die Civität und alle daran haftenden Rechte‘. Zudem verweist Fuhrmann auf Strachan-Davidson, Problems II (1912), S. 51 ff. Dieser trennt nicht einmal zwischen der administrativen aqua et igni interdictio und derselben als poena legis. Den Aussagen Ciceros zu seiner eigenen Verbannung will er keinen Glauben schenken (S. 53 f.) und auf die eindeutigen Stellen Cic. pro Caecina 100 und de domo 78 geht er nicht ein. Ebenso Levy, Die Römische Kapitalstrafe (1930 / 31), S. 21 Fn. 1: ,Die wahrscheinlichste Lösung liegt darin, dass Cicero unzuverlässig berichtet‘. 228 Vgl. Grasmück, Exilium (1978), S. 111 und Crifò, L’Esclusione dalla città (1985), S. 76 f. 229 Cic. pro C. Rabirio 1, 2 bis 2, 5; 3, 10 bis 4, 13; 5, 16 und 13, 36 f. 230 Allgemein zur Todesstrafe als poena legis der leges Corneliae s. o. A.III.1. und unten B.I.7.a). Für die lex Cornelia maiestatis ergibt sich das zudem aus der Rede pro C. Rabirio

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streckung des Todesurteils ins Exil geflohen, lediglich die administrative aqua et igni interdictio verhängt, er aber nicht strafrechtlich verbannt hätte werden können.231 Gleiches gilt für Ciceros eigene Verbannung und die Stellen, die darüber informieren. Vier Reden Ciceros gelten Prozessen, in denen poena legis des angeklagten Verbrechens Verbannung war.232 Selten äußert er sich in ihnen zur strafrechtlichen Verbannung, was nicht überrascht, wenn man sein rhetorisches Konzept bedenkt, das keinen Zweifel an der Unschuld des Angeklagten aufkommen lassen durfte. Über Details der gesetzlichen Strafe zu handeln, die den unschuldigen Angeklagten aus seiner Sicht ohnehin nicht treffen konnte, musste für ihn eher fern liegen. In einer Passage der Rede pro Murena geht es dennoch um die strafrechtliche Verbannung.233 Cicero sagt von denen, die Gefahr laufen, wegen ambitus angeklagt zu werden: in capitis periculis.234 Die Angeklagten hätten, wären sie verurteilt worden, demnach ihren caput verloren und wären nicht mehr unter die Bürger gezählt worden. Das zeigt, dass mit dem Verbannungsurteil der Verlust des Bürgerrechts verbunden war.235 In den Strafgesetzen scheint demnach normiert worden zu sein, was früher ohnehin meist Folge der administrativen aqua et igni interdictio war, nämlich dass der Geflohene auf kurz oder lang ein fremdes Bürgerrecht annahm und dadurch das römische verlor.236 Gerade weil die strafrechtliche Verbannung selbst (vgl. 1, 1; 1, 2; 2, 5 (vita C. Rabiri vestris manibus permittitur); 3, 10; 4, 11; 4, 12; 9, 26; 10, 28 (C. Rabirio . . . crucem T. Labienus in campo Martio defigendam putavit) und 11, 31). Grasmück und Crifò verkennen das. Richtig nehmen an, dass Rabirius rechtlich betrachtet Todesstrafe drohte, Bleicken, Provocation (1959), S. 337 – 340, Kunkel, Untersuchungen (1962), S. 22, Taylor, Roman Voting Assemblies (1966), S. 103 und Blake Tyrrell, pro Rabirio perduellionis (1978), S. 44 und passim im Kommentar. 231 Dass Rabirius de facto nur Exil drohte, in das er sich vor der Vollstreckung des Todesurteils hätte flüchten können, erwähnt Cicero erst am Ende seiner Rede, vgl. Cic. pro C. Rabirio 13, 36 f. 232 In den beiden Reden pro Murena (63 v. Chr.) und pro Plancio (54 v. Chr.) war wegen ambitus angeklagt, wofür die lex Tullia de ambitu bzw. die lex Licinia de sodaliciis Verbannung vorsah. Scaurus (vgl. pro Scauro, 54 v. Chr.) und Rabirius Postumus (vgl. pro Rab. Post., zw. 54 u. 52 v. Chr.) waren wegen repetundae angeklagt, wofür die lex Iulia repetundarum Verbannung vorsah (zur poena legis der lex Iulia repetundarum s. u. B.I.1.a.)). 233 Cic. pro Murena 43 – 47. 234 Cic. pro Murena 45 i. f. 235 Eine deutlichere Assoziation des Begriffs caput mit Bürgerrechtsverlust findet sich Cic. de domo 68: de meo capite . . . ferri. Dazu Levy, Die Römische Kapitalstrafe (1930 / 31), S. 33 f. Deutlich auch Paul. 11 ad ed. D. 4, 5, 5 pr.: amissione civitatis fit capitis minutio, ut in aqua et igni interdictione (durch den Verlust des Bürgerrechts ändert sich das Standesrecht, wie bei der aqua et igni interdictio) und Paul. 15 ad ed. praet. D. 48, 1, 2: capitalia sunt, ex quibus poena mors aut exilium est, hoc est aquae et ignis interdictio: per has enim poenas eximitur caput de civitate. nam cetera non exilia, sed relegationes proprie dicuntur: tunc enim civitas retinetur (kapital sind diejenigen Verfahren, aus denen als Strafe Tod oder exilium, d. h. aqua et igni interdictio, folgt: wegen dieser Strafen verliert man nämlich das Bürgerrecht. Denn die Übrigen nennt man nicht exilia, sondern relegationes. Dann nämlich wird das Bürgerrecht beibehalten). Zu letzterer Stelle bereits oben Fn. 213.

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den Bürgerrechtsverlust nach sich zog, wird später Ovid auffällig oft betonen, sein Bürgerrecht sei ihm trotz Verbannung geblieben.237 (5) Vermögenskonfiskation Hinsichtlich der Vermögenskonfiskation ist den Quellen sowohl für die administrative aqua et igni interdictio als auch für Verbannung als poena legis einiges zu entnehmen. (6) Vermögenskonfiskation bei der administrativen aqua et igni interdictio? Mit der administrativen aqua et igni interdictio war kein Vermögensverlust verbunden. Wo er begegnet, folgt er nicht schon aus der Untersagung von Feuer und Wasser, sondern stellt er eine zusätzliche Verschärfung dar.238 So berichtet Livius:239 videri eum (einen auf den Tod angeklagten Verbrecher) in exilio esse bonaque eius venire, ipsi aqua et igni placere interdici. Auch über Cicero wurde Vermögenskonfiskation ausgesprochen: inimici mei mea mihi, non me ipsum ademerunt.240 Sie erfolgte neben der aqua et igni interdictio und war nicht bereits Teil derselben.241 In einem Brief empfiehlt Cicero dem damaligen Statthalter von Achaia, seinem Freund Servius Sulpicius Rufus, einen jungen Mann, einen Sohn seines griechischen Freundes Lyso, quem C. Maenius Gemellus, cliens meus, cum in calamitate exsilii sui Patrensis civis factus esset, Patrensium legibus adoptavit, ut eius 236 Im Ergebnis daher zutreffend Ferrini, Diritto penale romano II (1902), S. 155, StrachanDavidson, Problems II (1912), S. 53 f. u. 58, Costa, Cicerone giureconsulto I (1927), S. 284, Levy, Die Römische Kapitalstrafe (1930 / 31), S. 20 f., Crifò, Exilium I (1961), S. 300 Fn. 239, Fuhrmann, Rez. z. Crifò Exilium I (1963), S. 456 f., Grasmück, Exilium (1978), S. 101 u. 110 f., Pugliese, Linee generali (1982), S. 766, Crifò, L’Esclusione dalla città (1985), S. 76, de Castro-Camero, El Crimen Maiestatis (2000), S. 71 und Robinson, Penal Practice (2007), S. 185, die den Bürgerrechtsverlust als generellen Bestandteil der gesetzlichen Verbannungsstrafe ansehen. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 957 u. 978 Fn. 1 u. 2 meint, Bürgerrechtsverlust sei erst ab Tiberius Folge der Verbannungsstrafe gewesen. Ihm folgen Desserteaux, capitis deminutio I (1909), S. 146 u. 158, Levick, Poena Legis Maiestatis (1979), S. 376 f. Das wird aus Dio Xiphil. 57, 22, 5 gefolgert, ist der Stelle in dieser Allgemeinheit jedoch, wie gesagt, nicht zu entnehmen, s. o. zu Beginn dieses Abschnitts. 237 Dazu unten B.I.4.b). 238 So auch Crifò, L’Esclusione dalla città (1985), S. 79. 239 Liv. ab urbe 25, 4, 9: er (ein auf den Tod angeklagter Verbrecher) befinde sich nach Meinung der Bevölkerung (videri) im Exil; sein Vermögen sei zu verkaufen und ihm selbst Feuer und Wasser zu versagen. s. a. Liv. ab urbe 2, 41; 3, 58, 10; 6, 20 und Mommsen, Strafrecht (1899), S. 1007. 240 Cic. ad Att. 3, 4: All mein Hab und Gut haben mir meine Feinde genommen, nur nicht mein Selbst. 241 Cic. ad Att. 3, 15, 6: quid de bonis? quid de domo? poteritne restitui?, 3, 20, 3: nam et nominatim ferri oportet et de bonis diligentius scribi, s. a. de domo 33 i. f.; 51; 107; 146.

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ipsius hereditatis ius causamque tueare.242 Offenbar hatte Maenius sein Vermögen durch die Verbannung nicht verloren.243 (7) Vermögenskonfiskation bei der aqua et igni interdictio als poena legis? Auch mit der aqua et igni interdictio als poena legis scheint nicht generell Vermögenskonfiskation verbunden gewesen zu sein. Sueton schreibt in seiner Caesarbiographie: poenas facinorum auxit et cum locupletes eo facilius scelere se obligarent, quod integris patrimoniis exulabant, parricidas, ut Cicero scribit, bonis omnibus, reliquos dimidia parte multavit.244 Erst Caesar scheint zur gesetzlichen Verbannungsstrafe einiger leges Vermögenskonfiskation hinzugefügt zu haben. Für seine lex Iulia maiestatis bestätigt dies das SC de Cn. Pisone patre: . . . comitibus Cn. Pisonis patris et omnium malificiorum socis ac ministris, aqua et igne interdici oportere ab eo pr(aetore), qui lege maiestatis quaereret, bonaq(ue) eorum ab pr(aetoribus), qui aerario praeesset, venire et in aerarium redigi placere.245 12 n. Chr. beschränkte Augustus schließlich das Vermögen, das Verbannten höchstens verbleiben durfte, auf 500.000 Sesterzen.246 Vermögensverlust scheint kein fester Bestandteil der gesetzlichen Verbannungsstrafe gewesen zu sein. Es gab Gesamt- und Teilkonfiskationen. Sie waren in manchen Gesetzen auch angeordnet, wie die Suetonstelle zeigt. Generelle Folge der aqua et igni interdictio als poena legis war die Vermögenskonfiskation aber wohl nicht. Es muss daher für jede lex gesondert untersucht werden, ob bzw. inwieweit sie Vermögenskonfiskation anordnete oder nicht.247 (8) Endgültig oder zeitweilig? Die Frage, ob die ursprüngliche Verbannungsstrafe endgültig oder zeitig war, lässt sich nicht zweifelsfrei und generell beantworten. Cic. ad fam. 13, 19, 2. Natürlich könnte er auch neues Vermögen erworben haben. Dafür fehlen aber Hinweise. Cicero hätte das womöglich berichtet. 244 Suet. Caes. 42, 3: Er verschärfte die Strafen, und da sich die Reichen um so leichter eines Verbrechens schuldig machten, weil sie ohne Verlust ihres Vermögens in die Verbannung gehen konnten, bestrafte er – wie Cicero schreibt – die Verwandtenmörder mit dem Entzug des gesamten Vermögens, die übrigen Verbrecher mit dem der Hälfte. 245 S.C. 122 f.: Die Begleiter Pisos und die Mitwisser und Helfer bei allen Untaten sollen vom Prätor, der nach dem Majestätsgesetz erkennt, verbannt werden, und ihr Vermögen soll von den Prätoren, die dem Aerar vorstehen, verkauft und der Erlös dem Aerar zugeführt werden. 246 Vgl. Dio 56, 27, 2 f. Vgl. hierzu und zur Suetonstelle Santalucia, La situazione patrimoniale (2001), S. 177 – 179. 247 Die lex Iulia de adulteriis etwa regelte den Vermögensverlust der Verurteilten ausführlich, dazu unten B.I.2.a. 242 243

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Rückberufungen gab es immer. Die bereits im Strafurteil ausgesprochene Befristung der Verbannung, wie sie auch Marcian anspricht,248 ist aber erst für die Kaiserzeit bezeugt.249 Aus früherer Zeit gibt es keine derartigen Urteile, was nicht überrascht. Die gesetzliche Strafe der Verbannung ging aus der administrativen aqua et igni interdictio hervor. Als Substitut für die Todesstrafe war diese zeitlich unbegrenzt, endgültig. Und so wird auch die zur gesetzlichen Strafe gewordene Verbannung in den ersten Strafgesetzen endgültig gewesen sein.250 Nicht ausgeschlossen ist, dass einzelne leges auch zeitige Verbannung androhten. Wo es dafür Anhaltspunkte gibt,251 muss ihnen nachgegangen werden. c) Zusammenfassung Fassen wir zusammen. Die gesetzliche Verbannungsstrafe ging aus der administrativen aqua et igni interdictio hervor. Sie bedeutete bloße Ausweisung aus Rom und Italien mit Verlust des Bürgerrechts. In einzelnen leges wurde damit der Verlust des gesamten Vermögens oder einer Vermögensquote verbunden. Die Strafgesetze nannten sie wohl aqua et igni interdictio oder exilium. Die republikanische Verbannungsstrafe lebte zu Beginn der Kaiserzeit fort. Bereits unter Augustus trat jedoch neben die bloße Ausweisung aus einem bestimmten Gebiet die Festsetzung an einem bestimmten Ort252 und wird erstmals relegare zur Bezeichnung strafrechtlicher Verbannungen gebraucht. Später tritt deportare hinzu. Spätestens seit Hadrian standen einander relegatio und deportatio als technische Begriffe gegenüber. Die Herausbildung dieses Dualismus kann schon unter den ersten Kaisern begonnen haben. Wann die Entwicklung abgeschlossen war, ist der Überlieferung nicht zu entnehmen. Jedenfalls ab Hadrian scheint es soweit gewesen zu sein. Dass dies bereits unter Augustus der Fall war, wie häufig angenommen wird,253 ist nicht belegbar und, wie oben ausgeführt, auch wenig wahrscheinlich. 248 Marcian 2 inst. D. 48, 22, 4. Vgl. auch Ulp. 10 de off. proc. D. 48, 22, 7, 2, Ulp. D. 48, 22, 14, 1 und Pomp. D. 48, 22, 17, 1. 249 s. Dio 76, 5, Plin. ep. 10, 56, Dositheus Hadr. sent. 6, Cassiodor var. 3, 46. Der früheste überlieferte Fall ist die zehnjährige Verbannung der Mutter des Sextus Papinius im Jahre 37 n. Chr., Tac. ann. 6, 49 (dazu unten B.II.20.f)). Gegen einen Piso-Sohn wurde über zehnjährige Verbannung lediglich diskutiert, bis auf Verbannung schließlich ganz verzichtet wurde, Tac. ann. 3, 17 (s. u. B.II.6.). 250 Vgl. de Villa, Exilium perpetuum (1953), S. 306. Dass interdicere endgültig war, ergibt sich auch aus einem Pliniusbrief. Ep. 2, 11, 19 benutzt er interdicere, ep. 2, 11, 20 in Abgrenzung dazu dann relegare, weil die Verbannung im letzteren Fall zeitig ausfallen sollte. 251 Die einzige Auskunft über eine zeitlich begrenzte Verbannung in republikanischer Zeit liefern Dio 37, 29, 1, Cic. pro Murena 47 und pro Plancio 83, wo von einem von Cicero und dem zweiten Konsul des Jahres 63 v. Chr., C. Antonius, beantragten Ambitusgesetz berichtet ist, das offenbar ein zehnjähriges Exil androhte. s. dazu auch Gelzer, Art. Sergius (23), RE II A 2, 1923, Sp. 1693 – 1711, Sp. 1701. 252 Seit den Juliaprozessen (unten B.I.2. u. 3.) und der Verbannung Ovids (unten B.I.4.). 253 s. die Nachweise oben Fn. 93.

B. Die einzelnen Prozesse bis Trajan I. Augustus: Der erste princeps und die Anfänge der Strafzumessung Kein Kaiser regierte so lange wie der erste princeps (27 v. Chr. – 14 n. Chr.). Dennoch sind aus seiner Regierungszeit vergleichsweise wenige Strafprozesse bekannt. Dafür mag es unterschiedliche Gründe geben. Zunächst besitzen wir für die augusteische Zeit keine derart ausführlichen Berichte wie die Annalen des Tacitus, die erst mit Tiberius einsetzten. Zudem dürfte die außerordentliche Strafpraxis noch nicht so lebendig gewesen sein wie in späterer Zeit. Zwar sind keine ordentlichen Strafprozesse überliefert. Doch ist das dem Darstellungsinteresse der Autoren unserer Quellen zuzuschreiben, die sich für Alltagskriminalität nicht interessierten und sich auf politische, außerordentliche Prozesse konzentrierten. Augustus hatte die ordentliche Gerichtsbarkeit, wie gesagt, durch seine leges iudiciorum und neue Strafgesetze zunächst sogar weiter ausgebaut. Insgesamt liefern neun Strafverfahren Auskünfte, anhand derer sich jedenfalls die Anfänge der Strafzumessung im römischen Strafrecht nachzeichnen lassen. 1. Der Prozess gegen C. Cornelius Gallus (26 v. Chr.)1 Der früheste in den Quellen fassbare außerordentliche Strafprozess aus augusteischer Zeit ist der Prozess gegen C. Cornelius Gallus.2 Er hatte als Feldherr mit Augustus gegen Mark Anton und Kleopatra gekämpft und wurde zur Belohnung dafür 30 v. Chr. der erste praefectus Aegypti. Auf eine Verdächtigung durch Valerius Largus hin verbot ihm Augustus, fortan sein Haus und seine Provinzen zu betreten.3 Das waren keine Kriminalstrafen, sondern Maßnahmen persönlicher (Auf1 Vgl. Suet. Aug. 66, 2, Suet. Gramm. 16, 1 f., Dio 53, 23, 5 – 7, Ammianus Marc. 17, 4, 5. Dazu Boucher, Caius Cornelius Gallus (1966), S. 49 – 57, Daly, The Gallus Affair (1979), S. 289 – 311, Millar, The Emperor (1992), S. 166, Cogitore, Conspirations (2002), S. 141 – 145, Stickler, Gallus amore peribat? (2002), S. 51 – 65, Arcaria, Cornelio Gallo (2004), S. 109 – 226, ders., Crimini (2007), S. 379 – 408, Hoffmann / Minas-Nerpel / Pfeiffer, Gallus (2009), S. 5 – 10 und Arcaria, Diritto e processo penale (2009), S. 81 – 113. 2 Zu ihm Boucher, Caius Cornelius Gallus (1966), Manzoni, Foroiuliensis poeta (1995), Stickler, Gallus amore peribat? (2002), Arcaria, Crimini (2007), S. 379 – 381 und ders., Diritto e processo penale (2009), S. 5 – 13 mit sehr ausführlichen weiteren Nachweisen S. 6 Fn. 2. s. a. Stein, Art. Cornelius (164), RE IV 1, 1900, Sp. 1342 – 1350 und Castiglioni, C. Cornelio Gallo (1941), S. 261 – 281. 3 Suet. Aug. 66, 2 init., Cass. Dio 53, 23, 6, Ammianus Marc. 17, 4, 5 i. f.

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kündigung der Freundschaft) und dienstlicher Art (Entlassung aus dem bisherigen Amts- und Dienstbereich). Erst aufgrund weiterer Anklagen kam die Sache vor den Senat. Hier wurde entschieden, dass Gallus mit Verbannung und Vermögenskonfiskation zu bestrafen sei.4 Ob die Verhandlung vor dem Senat als eigentliches Gerichtsverfahren und insofern als frühes Beispiel eines sich im Laufe der Zeit mehr und mehr institutionalisierenden Senatsgerichts5 angesehen werden kann, ist nicht eindeutig zu sagen.6 Die Entscheidung des Senats könnte auch als rechtlich unverbindliche Weisung an Quaestionenrichter gedeutet werden, die im ordentlichen Verfahren über den Fall zu entscheiden gehabt hätten.7 Doch kann die Frage offen bleiben, denn jedenfalls äußerte sich der Senat zu einer Strafe, die auf ein konkretes Vergehen hin verhängt werden sollte. Insofern deutet auch lediglich eine rechtlich unverbindliche Weisung an, in welchem Maß der Senat, der später als institutionalisiertes Senatsgericht entscheiden sollte, die poena legis als verbindlich betrachtete. Für die uns interessierende Strafzumessung in der außerordentlichen Gerichtsbarkeit sind die Berichte in jedem Fall wertvoll. Nicht so eindeutig wie die Strafe ist allerdings die begangene Tat überliefert. Sueton sagt: ob ingratum et malivolum animum.8 Diese unbestimmte ,undankbare und missgünstige Gesinnung‘ stellte als solche noch kein strafbares Verhalten dar und war nach Sueton auch nur Grundlage für die persönliche und dienstliche Entscheidung des Kaisers.9 Den eigentlichen Anlass für die Entscheidung des Senats 7 jõãåé í heißt es Dio 53, 23, 7. Zur Bedeutung des Wortes bei Dio vgl. oben A.III.2.b) aa)(1)(k). Sueton und Ammianus berichten nichts vom Inhalt des Senatsbeschlusses. 5 Zur Entwicklung eines sich im frühen Prinzipat immer mehr institutionalisierenden Senatsgerichts s. Bleicken, Senatsgericht (1962), und Kunkel, Entstehung des Senatsgerichts (1969). 6 In diesem Sinne Bleicken, Senatsgericht (1962), S. 33, Volkmann, Zur Rechtsprechung (1969), S. 117, Arcaria, Crimini (2007), S. 398 f. und ders., Diritto e processo penale (2009), S. 147 f. 7 So Dessau, Geschichte (1924), S. 140, Jones, Studies (1960), S. 97, Kunkel, Entstehung des Senatsgerichts (1969), S. 279 und Stickler, Gallus amore peribat? (2002), S. 58 f. Für diese Ansicht scheint zu sprechen, dass Dio von äékáóôÞréá spricht. Mit diesem Wort bezeichnet er gelegentlich Qua¨stionen (z. B. Dio 46, 48, 2 und 54, 30, 4). Auch im SC Calvisianum (zu ihm sogleich im Abschnitt u¨ber die Strafe der lex Iulia repetundarum) werden die Repetundenqua¨stionen mit dem Wort äékáóôÞréá bezeichnet. Jedoch kann der Senat nicht beschließen, dass der Angeklagte von einer quaestio verurteilt ist. Hier ko¨nnen mit dem Begriff deshalb keine Qua¨stionen gemeint sein, s. na¨her Bleicken, Senatsgericht (1962), S. 33. s. a. Arcaria, Cornelio Gallo (2004), S. 203 – 213 m. w. N. zur modernen Literatur und ders., Crimini (2007), S. 401 – 403, wo herausgearbeitet ist, dass Dio den Begriff äékáóôÞréá ebenso fu¨r ,Senatsgericht‘, fu¨r ,Gericht‘ schlechthin und sogar allgemein fu¨r ,Strafverfahren‘ gebraucht. Arcaria will unter äékáóôÞréá eine der zahlreichen Senatskommissionen verstehen, die stellvertretend fu¨r den gesamten Senat entschieden. 8 Suet. Aug. 66, 2. 9 Letzteres übergeht Arcaria, Cornelio Gallo (2004), S. 126 – 139, Crimini (2007), S. 383 – 388 und Diritto e processo penale (2009), S. 14 ff., und nimmt als Grund der späteren strafrechtlichen Verurteilung unter anderem iniuria an. Augustus hätte 26 v. Chr. vor dem Senat kaum einen Injurienprozess wegen persönlicher Differenzen mit Gallus führen lassen. 4

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anzugeben, bleibt Sueton schuldig. Dio erwähnt immerhin Gründe für die Senatsentscheidung, bleibt aber ebenfalls im Unbestimmten. Lediglich von respektlosen Äußerungen über Augustus und tadelnswerten Handlungen ist zu lesen. So habe Gallus in ganz Ägypten Standbilder10 von sich errichten und Verzeichnisse seiner Taten an den Pyramiden anbringen lassen. Dass er sich in dieser Weise über den Kaiser stellen wollte, kann der Stelle jedoch nicht entnommen werden. Ein crimen maiestatis impliziert dies noch nicht.11 Auch Dio liefert uns also keine klare Auskunft über das der Senatsentscheidung zugrundeliegende Vergehen. Allerdings benennt Ammianus Ansichbringen von Vermögen der Stadt Theben und Ausplünderung der ihm anvertrauten Provinz: exhausit civitatem (Thebarum) plurimis interceptis reversusque, cum furtorum arcesseretur et populatae provinciae.12 Das war nichts Ungewöhnliches und war strafbar nach der lex Iulia repetundarum.13 Bei Sueton verwundert es nicht, dass er sich bei Gallus auf Undankbarkeit und Eitelkeit konzentriert und dabei die sachlichen Hintergründe vernachlässigt. Ihm ging es in seinem Werk De vita Caesarum um die Präsentation des Kaisers, und in Kapitel 66 seiner Augustusbiographie insbesondere um das Verhältnis des Augustus zu seinen Freunden: amicitias neque facile admisit et constantissime retinuit . . . .14 In dieses Konzept passen pecuniae repetundae, die zunächst einmal nur die Provinzbewohner betrafen, weniger gut als eine undankbare und missgünstige Gesinnung gegenüber dem Freunde Augustus. Ähnliches dürfte für Dio gelten, den kaisertreuen Historiographen unter den severischen Herrschern. Auch ihm war es wichtiger, darzulegen, dass respektloses Verhalten gegenüber dem Kaiser den Betroffenen ins Verderben stürzte. Zudem blickt er auf zwei Jahrhunderte zurück, in deren Verlauf vieles, was dem princeps unliebsam war, kurzerhand als Majestätsverbrechen verurteilt wurde, was für die ersten Jahre des Prinzipats jedoch nicht vorausgesetzt werden kann.15 Das mag die Gewichtung der Tatsachen in Dios Bericht beeinflusst haben.16 Die Erwähnung eines Repetundenverfahrens hätte seine Darstellung verwässert.17 10 Das ist durch Inschriftenfunde belegbar, s. Stein, Art. Cornelius (164), RE IV 1, 1900, Sp. 1342 – 1350, Sp. 1344, Arcaria, Cornelio Gallo (2004), S. 140 – 153 und ders., Crimini (2007), S. 389 – 391. 11 Näher dazu sogleich. 12 Ammianus Marc. 17, 4, 5: er plünderte die Stadt (Theben) durch umfangreiche Unterschlagungen aus und wurde nach seiner Rückkehr wegen Diebstahls und wegen Ausplünderung der Provinz angeklagt. 13 Vgl. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 716 f. Für repetundae auch Arcaria, Cornelio Gallo (2004), S. 181 – 188 und ders., Crimini (2007), S. 395, der daneben, wie gesagt, iniuria und crimen maiestatis annimmt. 14 Suet. Aug. 66, 1: Freundschaften ging er nicht leicht ein, hielt dann aber umso beständiger an ihnen fest. 15 Zum ursprünglichen Inhalt und zu den späteren Weiterungen des Majestätsgesetzes s. u. I.2.b) m. w. N. 16 Dennoch ließ die Auskunft Dios (ergänzt durch die Auswertung inschriftlicher Belege, dazu ausführlich Arcaria, Diritto e processo penale (2009), S. 37 – 51) viele moderne Autoren

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War nun aber die von den Senatoren angeordnete Verbannung und Vermögenseinziehung die poena legis der lex Iulia repetundarum?

a) Die poena legis der lex Iulia repetundarum Die lex Iulia repetundarum18 war die Nachfolgeregelung zu einem Repetundengesetz aus sullanischer Zeit, der lex Cornelia repetundarum. Sie wurde von der Volksversammlung auf Initiative Caesars im Jahre 59 v. Chr. beschlossen und enthielt strenge Vorschriften gegen die Annahme von Geschenken und eine detaillierte Kasuistik von Erpressungs- und Bestechungstatbeständen.19 Eine unmittelbare Überlieferung des Gesetzes haben wir nicht. Informationen über die lex Iulia repetundarum sind jedoch aus Äußerungen Ciceros zu gewinnen,20 ferner aus dem fünften Edikt von Kyrene,21 aus dem Digestentitel 48, 11, de lege Iulia repetundarum, aus dem Sentenzentitel 5, 28, ad legem Iuliam repetundarum, und dem Leidener Fragment der Paulussentenzen.22 Ausdrückliche Informationen zum Strafmaß finden sich nur bei Macer 1 iud. publ. D. 48, 11, 7, 3 und in dem Sentenzentitel 5, 28. An der Stelle des Leidener Fragments, an der – wie ein Vergleich mit PS 5, 28 zeigt – eine Aussage zum Strafmaß getroffen worden sein muss, weist das erhaltene Blatt allerdings eine Lücke auf. In PS 5, 28 heißt es: plerumque a praeside aut curia submoventur aut in exilium mittuntur aut ad tempus relegantur,23 bei Macer 1 iud. publ. D. 48, 11, 7, 3: hodie zu der Annahme neigen, Gallus sei, jedenfalls auch, wegen crimen maiestatis verurteilt worden. Etwa Bleicken, Senatsgericht (1962), S. 43, der allerdings Ammianus als Quelle übergeht. Einen Majestätsprozess nehmen auch Scullard, From the Gracchi to Nero (1963), S. 217 und Daly, The Gallus Affair (1979), S. 304 ff. an, neben anderen Verbrechen auch Arcaria, Cornelio Gallo (2004), S. 155 – 173, Crimini (2007), S. 393 f. und Diritto e processo penale (2009), S. 36 – 65. 17 Stein, Art. Cornelius (164), RE, art. cit., Sp. 1345, meint, die Nachricht bei Ammianus, Gallus sei der Erpressung angeklagt worden, verdiene eher weniger Glauben. Er begründet diese Auffassung allerdings nicht. Ansichbringen von städtischem Vermögen und Ausplünderung der anvertrauten Provinz waren nichts Ungewöhnliches und in Rom wurden Straftäter sowohl in spätrepublikanischer als auch in der frühen Kaiserzeit deshalb immer wieder vor Gericht gestellt und verurteilt. 18 s. dazu Laboulaye, Lois Criminelles (1845), S. 302 – 308, Berger, Art. Lex Iulia de pecuniis repetundis, RE XII 2, 1925, Sp. 2389 – 2392, Pontenay, Leges Repetundarum (1954), Archi et al., Fragmentum Leidense (1956), Oost, lex Iulia (1956), S. 19 – 28, Brunt, Charges (1961), S. 189 – 201, Venturini, Studi sul crimen repetundarum (1979), Mossakowski, The crimen repetundarum (1993), S. 213 – 221, Cascione, Tresviri Capitales (1999), S. 58 – 63, Bauman, Human Rights (2000), S. 51 – 66 u. 87 – 89. 19 Vgl. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 714 ff., Kunkel, Art. quaestio, RE, art. cit., Sp. 748. 20 Cic. ad fam. 2, 17, 2 u. 4; 5, 20, 2; 8, 8, 3, ad Att. 1, 17, 8; 5, 10, 2; 5, 16, 3; 5, 21, 5; 6, 7, 2; 15, 11, 4, in Pisonem 37; 50; 61; 90, pro Rab. Post. 12, de domo 23, prov. cons. 7. 21 Vgl. FIRA I Nr. 68, dort V. s. a. Sherk, Roman Documents (1969), Nr. 31. 22 s. Archi, Fragmentum Leidense (1956).

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ex lege repetundarum extra ordinem puniuntur et plerumque vel exilio puniuntur vel etiam durius, prout admiserint. quid enim, si ob hominem necandum pecuniam acceperint? . . . capite plecti debent vel certe in insulam deportari, ut plerique puniti sunt.24 Von Infamie über zeitweilige oder endgültige Verbannung bis zur Todesstrafe – das sind die vorgeschlagenen Strafen. Ist diesen Nachrichten auch für die Zeit bei Erlass des Gesetzes Glauben zu schenken? Macer ist ein spätklassischer Jurist. Seine Werke entstanden unter Caracalla und Alexander Severus.25 Die Stelle bezeugt, wie ein Spätklassiker das Ermessen eines Richters in der außerordentlichen Gerichtsbarkeit verstand. In den Worten plerumque, plerique spiegelt sich die Freiheit des Richters bei der Strafzumessung, wobei ,meistens‘ die genannten Strafen angewandt wurden.26 Die lex Iulia dagegen war für das Quästionensystem mit seinen absoluten Strafen konzipiert. In der Spätklassik gehörte dieses Denken bereits einer fernen Vergangenheit an. Dass die erwähnten Strafen die poenae legum der zur Zeit Macers bereits 270 Jahre alten lex Iulia repetundarum gewesen wären, ist deshalb nicht gerade wahrscheinlich. Wie andere spät- und nachklassische Autoren27 unterstellt er eher der alten lex die seinerzeit in der cognitio extra ordinem verhängten Strafen. Das gleiche gilt für die Äußerung der Paulussentenzen (plerumque).28 Zudem erwähnt der Sentenzenverfasser die lex Iulia mit keiner Silbe und spricht nur von der Unterschlagung von Steuergeldern, weswegen zweifelhaft ist, ob er sich überhaupt zum Strafmaß der lex Iulia äußern wollte. Was aber war dann die poena legis repetundarum? Mommsen29 meint, in der Kaiserzeit sei wegen repetundae zwar häufig mit Verbannung bestraft worden, die lex Iulia habe jedoch keine kapitale Verurteilung vorgesehen. Ihm lag das SC Calvisianum von 4 v. Chr., inschriftlich überliefert im 5. Edikt von Kyrene,30 23 Meistens werden sie vom Statthalter aus dem Stadtrat entfernt oder in die Verbannung geschickt oder zeitweilig relegiert. 24 Zu dieser Stelle und ihrer Übersetzung vgl. bereits oben A.III.2.b). 25 s. Kunkel, Herkunft (1952), S. 256 f. Außerdem Provinzialjurist, s. Liebs, Art. Aemilius Macer (§ 430.3), HLL IV, 1997, S. 214 – 216 und schon ders., Römische Provinzialjurisprudenz (1976), S. 312 ff. u. 324 ff. Zur Datierung der einzelnen Werke Liebs, Art. Aemilius Macer, HLL, art. cit., S. 214 – 216. 26 s. a. Levy, Gesetz und Richter (1938), S. 89 f. 27 Zur lex Cornelia de sicariis et veneficiis vgl. etwa Marc. 14 inst. D. 48, 8, 3, 5: Legis Corneliae de sicariis ut veneficiis poena insulae deportatio est et omnium bonorum ademptio (Strafe des Cornelischen Mordgesetzes ist die Deportation auf eine Insel und die Konfiskation des gesamten Vermögens). Zum einen ist deportatio eine Strafe, die es zu Sullas Zeit noch nicht gab, zum anderen ist Todesstrafe als poena legis des Mordgesetzes nachweisbar. Zu dieser Stelle und zu anderen Beispielen s. o. A.III.2.b) am Anfang. 28 Vgl. Serrao, frammento leidense (1956), S. 220. 29 Strafrecht (1899), S. 728 ff. 30 Kyrene war eine alte Ptolemäerstadt in Nordafrika, im nordöstlichen Gebiet des heutigen Libyen. Ab 74 v. Chr. wichtigste Stadt der griechisch-sprachigen, römischen Provinz Cyrenaica. Das Edikt wurde auf der mit Tempeln und anderen öffentlichen Bauten geschmück-

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noch nicht vor, weswegen diese Auffassung möglicherweise zu korrigieren ist. Das SC Calvisianum regelte die Einführung eines Senatsverfahrens, das den Provinzbewohnern die Geltendmachung ihrer Rückforderungsansprüche erleichtern sollte. Neben der Richterauslosung sind andere Gesichtspunkte des Verfahrens normiert. Materielle Regelungen werden nicht getroffen. Das SC bestimmte, dass die Neuregelung nur auf diejenigen Fälle anwendbar sein sollte, in denen die Provinzbewohner eine nicht-kapitale Verurteilung anstrebten.31 Wurde eine kapitale Verurteilung beabsichtigt, dann musste das bisherige Verfahren angewandt werden. Die Unterscheidung kapitale – nicht-kapitale Verurteilung wird vom SC Calvisianum also bereits vorausgesetzt und muss auf die lex Iulia zurückgehen. Bereits die alte lex scheint zwischen einfachen Fällen von Bestechung und schweren Erpressungsfällen unterschieden zu haben und im zweiten Fall kapitale Bestrafung, im ersten dagegen nur die Erstattung des Empfangenen vorgeschrieben zu haben, verbunden mit Ehrenstrafen.32 Gerade frühere Autoren bezweifeln, dass die lex Iulia repetundarum kapitale Bestrafung androhte. Dies ist zum einen, wie gesagt, Mommsen,33 der seine Auffassung auf Tac. hist. 4, 45 und auf einen Pliniusbrief34 stützen möchte, wo ein verwirklichtes Repetundendelikt keine kapitale Verurteilung nach sich zog. Das widerlegt jedoch noch nicht, dass das Repetundengesetz für bestimmte schwerere Fälle durchaus kapitale Bestrafung angedroht haben kann. Anknüpfend an Mommsen verstehen v. Premerstein35 und Levy36 den Begriff kåjáëÞ des SC Calvisianum37 ten Agora von Kyrene zu Beginn der zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts gefunden. Die über zwei Meter hohe Marmorstele war ursprünglich hier aufgestellt und wurde in späterer Zeit in veränderter Lage als Sitzbank an der Außenseite eines kleinen Hauses angebracht, der Mauer mit der Schriftseite zugekehrt, deren vollständige Erhaltung sich daraus erklärt. s. dazu Anderson, Augustan Edicts (1927), S. 33 – 48, v. Premerstein, Edikte von Kyrene (1928), S. 419 – 531, Stroux / Wenger, Augustusinschrift (1928), de Visscher, Les Edits d’Auguste (1940), Brunt, Charges (1961), S. 199 f. u. 202, Sherk, Roman Documents (1996), S. 174 – 182. 31 s. Zeile 97 – 100 (ed. Sherk, Roman Documents (1996), S. 174 ff.). 32 Vgl. de Visscher, Les Edits d’Auguste (1940), S. 183, Sherwin-White, Poena Legis Repetundarum (1949), S. 17 ff., Henderson, process de repetundis (1951), S. 71 – 88, SherwinWhite, extortion procedure (1952), S. 71 – 88, Kunkel, Art. quaestio, RE, art. cit., Sp. 749. Der nicht-kapital Verurteilte erlitt folgende Ehrenstrafen: er verlor das Recht, vor der Volksversammlung zu sprechen (Schrift ad Herennium 1, 20), als Richter zu urteilen, als Zeuge aufzutreten und Vertreter vor Gericht zu sein (Marcellus 3 digestorum D. 1, 9, 2, Paul. 3 sentent. D. 22, 5, 15 pr., Venul. Saturn. 3 publ. iudic. D. 48, 11, 6, 1). Ferner wurde er aus dem Senat ausgeschlossen, Suet. Caes. 43. Fälle, in denen nur der Rang verloren ging und die Verurteilten in Rom blieben, sind überliefert bei Tac. hist. 1, 77 (s. u. V.12.), Plin. ep. 2, 11, 12; 2, 12 und Suet. Otho 2 i. f. 33 Strafrecht (1899), S. 729 Fn. 5. 34 Ep. 2, 11, 12. 35 Edikte von Kyrene (1928), S. 516. 36 Die Römische Kapitalstrafe (1930 / 31), S. 32 Fn. 7. 37 Z.99.

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als auf konkurrierende Kapitalverbrechen bezogen, etwa solche nach der lex Cornelia de sicariis et veneficiis. Sie verkennen dabei, dass bei Prozessen vor quaestiones die einzelnen Delikte vor unterschiedlichen Gerichtsho¨fen zu verhandeln waren. Dem Senatusconsultum geht es dagegen darum, eine Sonderkompetenz des Senats gegenu¨ber der quaestio repetundarum zu begru¨nden. Das senatorische Repetundengericht von anderen quaestiones abzugrenzen, bestand kein Anlass. Na¨her liegt deswegen, das Wort kåjáëÞ auf die gesetzliche Strafe fu¨r repetundae zu beziehen und anzunehmen, dass poena legis der lex Iulia repetundarum auch Kapitalstrafe sein konnte. Bedeutete Kapitalstrafe aber auch ,Verbannung‘, wie sie Gallus treffen sollte? ¨ bersetzung Die Urfassung des SC Calvisianum war lateinisch.38 kåjáëÞ muss U des lateinischen Wortes caput, capite, poena capitalis o. a¨. des SC bzw. der lex Iulia repetundarum gewesen sein. Wie oben im Abschnitt u¨ber die Kapitalstrafe im ro¨mischen Strafrecht ausgefu¨hrt wurde,39 waren diese Begriffe bereits in der Fru¨hklassik und zu Zeiten Ciceros, also bereits zum Zeitpunkt des SC Calvisianum und des Erlasses der lex Iulia repetundarum (59 v. Chr.), doppeldeutig und konnten sie sowohl Verbannung als auch Todesstrafe bedeuten. Das lag daran, dass sich die Verbannungsstrafe aus der Vollstreckungspraxis in Kapitalverfahren entwickelt hatte und man den Begriff nunmehr sowohl fu¨r die a¨ltere gesetzliche Todesstrafe als auch fu¨r die aus ihr hervorgegangene strafrechtliche Verbannung gebrauchte. Nach 69 v. Chr. fand sich in verschiedenen Strafgesetzen die neue strafrechtliche Verbannung als gesetzliche Strafe.40 Fu¨r die lex Iulia repetundarum fehlt eine solche Auskunft. Fest steht, dass sie auch kapital bestrafte. Insofern, als die lex in die Zeit nach 69 v. Chr. fa¨llt, wird diese gesetzliche Strafe dieser lex ebenfalls nur Verbannung in Form der aqua et igni interdictio gewesen sein41 und nicht, wie Macer 1 iud. publ. D. 48, 11, 7, 3 obendrein angibt, Todesstrafe. Anordnung der Todesstrafe wa¨re fu¨r die Zeit ungewo¨hnlich und vor dem Hintergrund der Vollstreckungspraxis auch wenig plausibel. Auch in den Prozessen der fru¨hen Kaiserzeit ist Verbannung als Strafe fu¨r repetundae ein fester Pol der Strafpraxis. Die Normierung der Verbannung als gesetzlicher Strafe ermöglichte im Gegensatz zum bloßen Entweichenlassen des zum Tode Verurteilten ins Exil schärfere Formen der Verbannung, etwa die Verbindung mit Vermögenseinziehung.42 So ist 38 Während es bei den ersten vier kyrenaischen Edikten zweifelhaft ist, ob sie auf einer lateinischen Urfassung beruhten, ist dies für das fünfte Edikt, zumindest aber für das darin enthaltene SC Calvisianum, anzunehmen. Das Edikt ging an alle Provinzen. Daher musste es lateinisch abgefasst werden. Im Übrigen zeigt das fünfte Edikt Stilunterschiede zu den ersten vier Edikten, die nur für die Cyrenaica bestimmt waren. Vgl. Stroux / Wenger, Augustusinschrift (1928), S. 18 u. 43. 39 Vgl. zum Folgenden oben A.III.1. 40 Zu den Beispielen oben A.III.1. 41 Für aqua et igni interdictio auch Robinson, Penal Practice (2007), S. 78. 42 Vgl. dazu Levy, Die Römische Kapitalstrafe (1930 / 31), S. 33 und den obigen Abschnitt über die Kapitalstrafe im römischen Strafrecht A.III.1.

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es nicht ausgeschlossen, dass auch die caesarische lex Iulia repetundarum in schweren Fällen Verbannung mit Vermögenseinziehung androhte. Sueton schreibt in seiner Caesarbiographie: poenas facinorum auxit; et cum locupletes eo facilius scelere se obligarent, quod integris patrimoniis exulabant, parricidias, ut Cicero scribit, bonis omnibus, reliquos dimidia parte multavit.43 Demnach war mit einer Verbannung nach der lex Iulia repetundarum die Einziehung der Hälfte des Vermögens verbunden, was auch in späteren Nachrichten eine Stütze findet.44 b) Ergebnis Ein Zeugnis, aus dem die poena legis der lex Iulia repetundarum unmittelbar abzulesen wäre, gibt es nicht. Daher verbleibt eine gewisse Unsicherheit. Dennoch erscheint es nicht unplausibel, dass auch Verbannung angedroht war, und zwar wohl verbunden mit der Einziehung des halben Vermögens. So sollte nach Auffassung des Senats auch C. Cornelius Gallus wegen seines Verstoßes gegen die lex Iulia repetundarum bestraft werden. Die Senatoren folgten also der gesetzlichen Strafe, fühlten sich wohl sogar daran gebunden, insofern sie Gallus angesichts des offenen Konflikts zwischen ihm und dem Kaiser womöglich lieber zum Tode verurteilt hätten. Der Prozess gegen Gallus ist das früheste Beispiel außerordentlicher Rechtsprechung der Kaiserzeit. Die Stellung des Augustus als princeps und die neue Ordnung waren 26 v. Chr. noch jung und im Werden begriffen. Angesichts der größeren Freiheit, die der Senat später bei der Strafzumessung in Anspruch nimmt, ist bemerkenswert, dass damals die Autorität des Gesetzes noch die Oberhand behielt.

2. Die Julia-Prozesse von 2 v. Chr.45 Nach dem Prozess um C. Cornelius Gallus schweigt die Überlieferung zu außerordentlichen Gerichtsverfahren für 24 Jahre. Überliefert sind dann erst wieder die Gerichtsverfahren des Jahres 2 v. Chr. gegen die ältere Julia,46 die Tochter des Kai43 Suet. Caes. 42, 3. Zu dieser Stelle bereits oben im Abschnitt über die Verbannungsstrafe im römischen Strafrecht A.III.2.b)bb). 44 Modestin 2 poen. D. 48, 2, 20 und SHA Pius 10, 7 sagen ausdrücklich, dass bei Verstößen gegen die lex Iulia repetundarum Vermögenseinziehung die Folge war. 45 Dazu Schiller, Kaiserzeit I (1883), S. 187, Ferrero, Größe und Niedergang Roms (1914), S. 219 ff., ders., Femmes des Césars (1930), S. 79 ff., Marsh, Reign of Tiberius (1931), S. 40, Salmon, History (1957), S. 36, Kornemann, Tiberius (1960), S. 34, Balsdon, Roman Women (1962), S. 86, Bleicken, Senatsgericht (1962), S. 23, Scullard, From the Gracchi to Nero (1963), S. 225, Bauman, Crimen Maiestatis (1967), S. 198 – 242, Kunkel, Entstehung des Senatsgerichts (1969), S. 296 f., Levick, Tiberius’ retirement (1972), S. 798 – 801, Bauman., Women and Politics (1992), S. 105 – 119, Amiotti, Primi casi di relegazione (1995), S. 250 f., Cogitore, Conspirations (2002), S. 165 – 172 und Dowling, Clemency (2006), S. 69 – 71. 46 Vgl. zu ihr Fitzler, Iulius (550), RE X 1, 1917, Sp. 896 – 906, Stein / Petersen, Iulia (634), PIR IV, 1966, 298 – 301 und Temporini, Die iulisch-claudiusche Familie (2002), S. 48 – 64.

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sers Augustus, Ehefrau seines engen Mitstreiters Vipsanius Agrippa und nach dessen Tod 12 v. Chr. seit 11 v. Chr. auf Druck des Augustus Ehefrau des späteren Kaisers Tiberius, der deshalb zur Scheidung von seiner geliebten Frau Vipsania gezwungen worden war.47 Sie hatte in dieser dritten Ehe mit verschiedenen Männern Ehebruch begangen und wurde daraufhin nach Pandateria verbannt, einer Insel vor der Küste Kampaniens.48 Auch ihre Liebhaber wurden auf Inseln verbannt. Nur Iullus Antonius, der Sohn Mark Antons, wurde mit dem Tode bestraft.49 Vom Verlust des Bürgerrechts und des Vermögens verlautet nichts. Julia stand wohl noch in der väterlichen Gewalt des Augustus, war also vermögenslos. Ihr war allerdings ein Sondergut überlassen.50 Vor welchem Gericht die einzelnen Verfahren stattfanden, ist zweifelhaft. Alle antiken Autoren sind auf Augustus als denjenigen fixiert, der sich um die Ahndung der Vergehen kümmerte. Ob er aber nur Verfahren vor anderen Gerichten einleitete oder selbst Richter war, als pater familias in seinem Hausgericht oder als Kaiser im zu dieser Zeit wohl noch nicht institutionalisierten Kaisergericht,51 bleibt undeutlich. Dio erwähnt eine Beteiligung des Senats.52 Bei Sueton53 dagegen ist lediglich von einer Mitteilung an den Senat die Rede. Angesichts dieser Quellenlage kommt man über Vermutungen nicht hinaus. Es ist anzunehmen, dass Augustus die peinlichen Vorfälle so schnell wie möglich aus der Welt schaffen wollte. Dass er die Sache vor die zuständige quaestio gebracht, sich als Ankläger54 dem langwierigen und exponierten Verfahren dieser 47 Vgl. Dio 55, 10, 12 – 16 (15 u. 16 nach Xiphil. 101, 21 – 32), Tac. ann. 3, 24 u. 4, 44, Suet. Aug. 65, 2, Vell. Pat. 2, 100, 3 – 5, Plin. nat. hist. 7, 45, Sen. de brev. vit. 4, 6, de clem. 1, 10, 3, de benefic. 6, 32, 1. 48 Das heutige Ventotene, zwischen den Pontinischen Inseln und Ischia. Näher hierzu sogleich. 49 Ob Iullus Antonius nach dem Todesurteil hingerichtet wurde, ist den Quellen nicht eindeutig zu entnehmen. Tacitus (ann. 3, 24 und 4, 44) berichtet nur von Todesurteil bzw. Todesstrafe. Die Nachricht des Velleius (2, 100, 4) deutet auf Selbstmord hin: ipse sceleris a se commissi ultor fuit (selbst war er der Rächer des Verbrechens, das er begangen hatte). Dios Bemerkung, dass mit ihm noch weitere angesehene Männer gestorben seien, deutet eher auf Hinrichtung. Ebenso Tac. ann. 1, 10. 50 Das ergibt sich aus Suet. Tib. 50. 51 Die Entwicklung eines Kaisergerichts im frühen Prinzipat wurde vielfach untersucht und die Frage der Institutionalisierung bereits unter Augustus unterschiedlich beantwortet. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 260 ff., meint, das Kaisergericht werde durch den Begriff des Prinzipats gefordert und habe bereits unter Augustus in der späteren Form bestanden. Ihm folgen Strachan-Davidson, Problems II (1912), S. 156, Hammond, Augustan Principate (1933), S. 182, Jones, Imperial and Senatorial Jurisdiction (1955), S. 481, Volkmann, Zur Rechtsprechung (1969), S. 63 ff. Gegen eine Institutionalisierung bereits unter Augustus sind McFayden, Princeps’ Jurisdiction (1923), S. 181 ff., Marsh, Reign of Tiberius (1931), S. 123 f., Kelly, Princeps iudex (1957), S. 24 ff., Bleicken, Senatsgericht (1962), S. 73 ff. 7 52 Die Wendung ôBç ãårïõóßAá kïéíùóáé (Dio 55, 10, 14) ist bei Cassius Dio ha ¨ ufig zu verstehen als ,gemeinsam verhandeln mit‘, vgl. Bleicken, Senatsgericht (1962), S. 34 Fn. 3. 53 Aug. 65, 2.

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Gerichtshöfe ausgesetzt und dadurch einen Ansehensverlust geradezu heraufbeschworen hätte, darf als sehr unwahrscheinlich gelten.55 Eine Verurteilung seiner Tochter Julia und der anderen an dem Skandal beteiligten Gewaltunterworfenen durch Augustus als pater familias im Hausgericht scheint deshalb näher zu liegen,56 ist aber nicht zwingend. Ihre Liebhaber konnten nicht im Hausgericht verurteilt werden. So weit reichte die private Strafgewalt des pater familias nicht.57 Vielmehr wäre an ein Verfahren vor dem Senat,58 der nach Cassius Dio an den Urteilen beteiligt war, oder – weniger wahrscheinlich59 – an ein Verfahren vor dem Kaiser als Richter zu denken. Für die hier interessierende Frage, inwieweit sich die Richter in außerordentlichen Verfahren an die von den alten leges vorgeschriebenen Strafen gebunden fühlten und diese auch einhielten bzw. aus welchen Gründen sie von ihnen abwichen, ist aber auch weniger wichtig, welches Gericht die Urteile ausgesprochen hat. Jedenfalls wurden die senatorischen Liebhaber60 von einem außerordentlichen Gericht, dem Senats- oder dem Kaisergericht verurteilt. Wenn die Mitglieder der kaiserlichen Familie nicht ebenso vor dem Senats- oder Kaisergericht verurteilt wurden, so bleibt hierfür nur das Hausgericht des Augustus übrig, das als nichtstaatliches Gericht für unsere Untersuchung nicht eigentlich einschlägig ist. Doch kann sich auch im Familienbereich abzeichnen, inwieweit sich der Kaiser, der in anderem Zusammenhang als Richter eines außerordentlichen Kaisergerichts agiert bzw. agieren wird, an die Gesetze gebunden fühlte und diese einhielt. 54 Zunächst war nur Tiberius als Ehemann anklageberechtigt. Erst nach dem Ablauf von 60 Tagen konnten auch andere Ankläger zugelassen werden, vgl. Ulp. 2 de adulter. D. 48, 5, 15, 2, idem 1 de adulter. D. 48, 5, 16 pr. und 5, Paul. 2 de adulter. D. 48, 5, 31. s. a. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 697 und Kunkel, Art. quaestio, RE, art. cit., Sp. 770. 55 Zwar ist es nicht ungewöhnlich, dass Dio, Tacitus und Sueton die wirklichen Vorgänge häufig entstellen, indem sie ihren Blick auf die Person des Kaisers beschränken und Entscheidungen, die er lediglich veranlasst hat oder an denen er mitgewirkt hat, als seine eigenen hinstellen. Jedoch liegt der Fall Julias aufgrund der unmittelbaren Beteiligung des Kaiserhauses anders. Dennoch nimmt Kelly, Princeps iudex (1957), S. 35, eine quaestio an. 56 So auch Mommsen, Strafrecht (1899), S. 23 Fn. 2, Dessau, Geschichte I (1924), S. 466, Bleicken, Senatsgericht (1962), S. 23, Kunkel, Entstehung des Senatsgerichts (1969), S. 296 f. 57 Vgl. Kaser, Rez. z. Consentini Studi sui liberti (1951), S. 581 f. s. a. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 24. Unrichtig insoweit Volkmann, Zur Rechtsprechung (1969), S. 81 u. 109, der auch die Verurteilung der Liebhaber dem Hausgericht zuweist. 58 So Bleicken, Senatsgericht (1962), S. 34, Kunkel, Entstehung des Senatsgerichts (1969), S. 296 f. 59 Will man in dieser frühen Phase des Prinzipat überhaupt von einer außerordentlichen Kompetenz des Kaisers ausgehen (zum Meinungsstand oben Fn. 51), so wäre Augustus aufgrund der unmittelbaren Betroffenheit des Kaiserhauses hier gegenüber Senatoren gleichsam als Richter in eigener Sache aufgetreten, was weder strategisch ratsam gewesen wäre noch der Haltung des Augustus entsprochen hätte. So dennoch Dessau, Geschichte I (1924), S. 466, Meise, Untersuchungen (1969), S. 14 und neuerdings Bauman, Crime and Punishment (1996), S. 54. 60 Neben Iullus Antonius führt Velleius (2, 100, 5) noch Quintius Crispinus, Appius Claudius, Sempronius Gracchus und einen Scipio auf.

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Das Verhalten Julias und ihrer Liebhaber war als Ehebruch, adulterium, das Verhalten etwaiger Gehilfen61 als Kuppelei, lenocinium, nach der lex Iulia de adulteriis coercendis von 18 v. Chr. strafbar.62 Iullus Antonius, der mit der Todesstrafe eine härtere Strafe als alle anderen erlitt, war offenbar darüber hinaus des Majestätsverbrechens angeklagt, weil er die ìïíár÷ßá angestrebt habe,63 strafbar nach der lex Iulia maiestatis.64 Hielten sich die Richter bei ihren Urteilen, Verbannung bzw. Tod, an die gesetzlich vorgesehenen Strafen oder wichen sie davon ab? Zur Beantwortung dieser Frage ist ein Blick auf die poenae legum der beiden Gesetze erforderlich.

a) Die poena legis der lex Iulia de adulteriis coercendis65 Das Ehebruchsgesetz wurde zwischen 18 und 16 v. Chr. beschlossen66 und ist wie die lex Iulia repetundarum nicht direkt überliefert. Auskunft über das Gesetz und seinen Inhalt findet sich aber mannigfach, insbesondere im Digestentitel 48, 5, ad legem Iuliam de adulteriis coercendis, dem Sentenzentitel 2, 26, de adulteriis, dem Codextitel 9, 9, ad legem Iuliam de adulteriis et de stupro, und den Titeln 4, de adulteriis, und 5, de stupratoribus, der Lex Dei.67 Bei Ehebruch zog sich sowohl die verheiratete Frau als auch ihr Liebhaber die Strafe der lex Iulia zu. Ebenso strafbar war der Geschlechtsverkehr mit ehrbaren unverheirateten Frauen, stuprum, und die Kuppelei, lenocinium.68 Aussagen zum Strafmaß der lex Iulia de adulteriis coercendis finden sich in den immerhin 45 Fragmenten des Digestentitels 48, 5 jedoch nirgends. Hier und auch im Codextitel 9, 9 ist häufig nur pauschal von der ,gesetzlichen Strafe‘ die Rede, ohne dass ein Strafmaß genannt wird. Oder es heißt nur ganz allgemein, der Täter sei nach der 61 Jedenfalls eine Gehilfin ist ausdrücklich bezeugt, nämlich Phoebe, eine Freigelassene Julias, vgl. Dio 55, 10, 16 i. f. 62 Vgl. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 691 u. 694. 63 Vgl. Dio 55, 10, 15. Auch Tacitus erwähnt maiestas (ann. 3, 24). s. a. Bauman, Crime and Punishment (1996), S. 54. 64 Mommsen, Strafrecht (1899), S. 542 u. 549 ff., Santalucia, Diritto e processo penale (1998), S. 256 f. 65 s. zur lex Sehling, lex Iulia de adulteriis (1883), S. 160 – 163, Triebs, Lex Iulia de adulteriis (1910), Volterra, accusatio adulterii (1930), S. 109 – 126, Biondi, poena adulterii (1938), S. 63 – 96, Andréev, lex Iulia de adulteriis (1963), S. 165 – 180, Daube, Adultery (1972), S. 373 – 380, Raditsa, Adultery (1980), S. 278 – 339, Mette-Dittmann, Ehegesetze (1991), Krüger, Ehegesetzgebung (1994), Rizzelli, Lex Iulia de adulteriis (1997), Wycisk, Quintilian (2008), S. 249 – 269. 66 Ergibt sich aus Dio 54, 16, 3 und Horaz carm. 4, 5, 21 f. 67 s. a. Suet. Aug. 34, Mod. 9 differentiarum D. 50, 16, 101 pr., Horaz carm. 4, 5, 21, Martial epigr. 6, 7 u. 22, Ovid fast. 2, 139. 68 Vgl. im Einzelnen Mommsen, Strafrecht (1899), S. 688 ff., Rizzelli, Lex Iulia de adulteriis (1997), S. 67 ff., 123 ff., 171 ff.

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lex Iulia zu bestrafen. Im Titel 4 der Lex Dei findet sich nichts zur Strafe für Ehebruch.69 Nur aus wenigen, im einzelnen recht unterschiedlichen Quellen lassen sich Informationen über die poena legis der lex Iulia gewinnen. Drohte das Gesetz Todesstrafe an? Die früheste Quelle ist eine Konstitution des Kaisers Alexander Severus von 224 n. Chr., die in einem Nebensatz die Ehebruchsstrafe erwähnt: Castitati temporum meorum convenit lege Iulia de pudicitia damnatam in poenis legitimis preservare. qui autem adulterii damnatam, si quocumque modo poenam capitalem evaserit, sciens duxit uxorem vel reduxit, eadem lege ex causa lenocinii punietur.70 Auf Ehebruch folgte demnach eine poena capitalis. Jedoch ist der Passus si quocumque modo poenam capitalem evaserit justinianisch interpoliert,71 weswegen der Stelle für die poena legis der lex Iulia nichts Sicheres zu entnehmen ist. Des Weiteren findet sich noch eine Äußerung in den justinianischen Institutionen: Item lex Iulia de adulteriis coercendis, quae non solum temeratores alienarum nuptiarum gladio punit, sed etiam eos, qui cum masculis infandam libidinem exercere audent. sed eadem lege Iulia etiam stupri flagitium punitur, cum quis sine vi vel virginem vel viduam honeste viventem stupraverit. poenam autem eadem lex irrogat peccatoribus, si honesti sunt, publicationem partis dimidiae bonorum, si humiles, corporis coercitionem cum relegatione.72 Die Stelle verdient aus verschiedenen Gründen bezüglich der in der lex Iulia angeblich angedrohten Strafe keinen Glauben. Die Kompilatoren knüpfen hinsichtlich der Bestrafung mit dem Schwert, gladio, erkennbar an eine vorgebliche Konstitution Konstantins von 326 n. Chr. an und unterstellen den dort angeordneten Tod durch das Schwert der lex Iulia: Sacri69 Aufgeführt sind Paulus- und Papinianstellen. Es geht um das Tötungsrecht des Vaters der Ehebrecherin, nicht um die poena legis. Das mag daran liegen, dass zu Beginn des Titels ein Mosesfragment aufgeführt wird, wonach der Ehebrecher sterben soll. Verbannung als poena legis der lex Iulia hätte dem Verfasser nicht in sein Konzept gepasst, denn er wollte Parallelen des römischen zum mosaischen Recht aufzeigen, vgl. Liebs, Jurisprudenz (1987), S. 162 ff., bes. 163 u. 170. 70 C. 9, 9, 9: Es entspricht der Sittenstrenge meiner Zeit, die nach dem Julischen Keuschheitsgesetz Verurteilten den gesetzlichen Strafen zu überlassen. Wer jedoch eine wegen Ehebruchs Verurteilte, die auf irgendeine Art der Kapitalstrafe entgangen ist, wissentlich zur Frau genommen oder wiederaufgenommen hat, der soll nach dem gleichen Gesetz wegen Kuppelei bestraft werden. 71 Die Interpolation ist bezeugt durch Thalelaios Schol. ad Basil. 11, 2, 35, vgl. Seckel, Iurisprudentiae anteiustinianae (1911 / 1927), S. 523 f., Heimbach, Basilicorum Libri LX, I (1833), S. 704 f. s. a. Wlassak, Anklage und Streitbefestigung (1917), S. 65 und Levy, Die Römische Kapitalstrafe (1930 / 31), S. 59 Fn. 44. 72 Inst. 4, 18, 4: Ebenso bestraft die lex Iulia nicht nur diejenigen, die in fremde Ehen einbrechen, mit dem Schwert, sondern auch diejenigen, die es wagen, ihren unnatürlichen Gelüsten mit Männern nachzugehen. Nach derselben lex Iulia wird aber auch das Verbrechen der Unzucht bestraft, wenn sich jemand ohne Gewaltanwendung an einer Jungfrau oder an einer ehrbaren Witwe vergeht. Als Strafe erlegt dasselbe Gesetz den Verbechern, wenn es Leute von Stand sind, die Einziehung der Hälfte ihres Vermögens auf, wenn es einfache Leute sind, körperliche Züchtigung und Verbannung.

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legos autem nuptiarum gladio puniri oportet.73 Die Konstitution erwähnt die lex Iulia jedoch mit keiner Silbe, sondern spricht ganz allgemein vom Verbrechen des Ehebruchs, das nach ihrer Aussage für den Ehebrecher die Todesstrafe nach sich ziehen müsse.74 Das entspricht der Todesstrafe als sich langsam zur üblichen Strafe entwickelnder Sanktion in der Gerichtspraxis der Nachklassik und der Spätantike.75 Die Einführung der Todesstrafe für Ehebruch geht also nicht auf die lex Iulia zurück, sondern scheint eine nachklassische Entwicklung zu sein.76 Die Anordnung der Todesstrafe wäre auch unvereinbar mit einer anderen Bestimmung der lex Iulia, von der Ulpian berichtet: Quod ait lex, adulterii damnatam si quis duxerit uxorem, ea lege teneri . . . .77 Hätte die lex Iulia Todesstrafe angeordnet, dann wäre diese Bestimmung, wonach ein Mann, der eine wegen Ehebruchs verurteilte Frau heiratet, ebenfalls nach der lex Iulia zu bestrafen ist, ohne Anwendungsbereich, weil nur eine lebende Frau sich wieder verheiraten kann.78 Auch die aus einer Bestrafung nach der lex Iulia folgende rechtliche Bescholtenheit79 setzt das Überleben des Verurteilten voraus. Was war aber dann die gesetzliche Strafe für Ehebruch? Zwar ist die unterschiedliche Bestrafung von honestiores und humiliores nicht schon augusteisch, sondern tritt erst in späterer Zeit auf.80 Vermögensstrafe und Ver73 C. 9, 9, 29, 4: Ehebrecher müssen aber mit dem Schwert gestraft werden. Dieser Passus ist indessen einem anderen Gesetz von Konstans, 339 n. Chr., entnommen, C. Th. 11, 36, 4, wo als Strafe übrigens Säckung vorgeschrieben ist, was erst Justinian zu Tod durch das Schwert abgemildert hat. 74 Auch in einer Konstitution seiner Vorgänger Diokletian und Maximinian aus dem Jahre 293 mag man Todesstrafe für Ehebruch angedeutet sehen, C. 2, 4, 18: transigere vel pacisci de crimine capitali excepto adulterio non prohibitum est. in aliis autem publicis criminibus, quae sanguinis poenam non ingerunt, transigere non licet citra falsi accusationem. Die Worte excepto adulterio sind jedoch justinianisch interpoliert, weswegen aus der Stelle für die Ehebruchsstrafe kein Nutzen zu ziehen ist. Auch diese Interpolation ergibt sich eindeutig aus Thalelaios Schol. ad Basil. 11, 2, 35, vgl. Seckel, Iurisprudentiae anteiustinianae (1911 / 1927), S. 523 f., Heimbach, Basilicorum Libri LX, I (1833), S. 704 f. s. a. Gaudemet, droit romain (1978), S. 48 mit Fn. 265. Gaudemet, S. 48 f., hält auch den oben im Text genannten § 4 des Titels C. 9, 9, 29 für justinianisch interpoliert, weil sich dieser Schlusssatz in derselben Konstitution in C. Th. 9, 7, 2 nicht finde. 75 Vgl. hierzu Weitzel, Hoheitliches Strafen (2002), S. 12 – 19 und Liebs, Mommsens Umgang mit den Quellen des römischen Strafrechts (2005), S. 207 ff. 76 So auch Mommsen, Strafrecht (1899), S. 699, Biondi, poena adulterii (1938), S. 64, Gaudemet, droit romain (1978), S. 48 und Harries, Law and Crime (2007), S. 103. Daher ist auch die in PS 2, 26, 12 = Coll. 5, 2, 1 und C. 9, 9, 30 erwähnte Todesstrafe nicht klassisch; der dort genannte Tatbestand der Homosexualität war kaum schon in der lex Iulia enthalten, vgl. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 704 mit Fn. 2 und Dalla, Ubi Venus mutatur (1987), S. 102 ff. 77 4 de adulteriis D. 48, 5, 30, 1: Wenn das Gesetz sagt: wer eine wegen Ehebruchs verurteilte Frau heiratet, haftet nach diesem Gesetz . . . . 78 Ebenso Papinian 32 quaest. D. 34, 9, 13. 79 Vgl. Ulp. 6 ad ed. D. 3, 2, 2, 3 und idem 1 ad leg. Iul. et Pap. D. 23, 2, 43, 12. Zum Infamiebegriff s. u. B.II.15.a).

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bannung als poena legis der lex Iulia, wie sie die oben erwähnte Institutionenstelle für honestiores bzw. für humiliores vorsieht, finden aber auch noch in einer anderen, früheren Quelle eine Stütze. In den Paulussentenzen heißt es: Adulterii convictas mulieres dimidia parte dotis et tertia parte bonorum ac relegatione in insulam placuit coerceri: adulteris vero viris pari in insulam relegatione dimidiam bonorum partem auferri, dummodo in diversas insulas relegentur.81 Ehebruchsstrafe war hiernach ebenfalls Verbannung und eine Vermögensstrafe.82 Zum Teil wird bestritten, dass die lex Iulia neben diesen Vermögensstrafen auch noch Verbannung vorgesehen habe.83 Dabei wird jedoch übergangen, dass Verbannung seit den leges aus den letzten Jahren der Republik keine unübliche poena legis mehr war.84 Auch der Bericht des Cassius Dio85 über den heftigen Druck, den die Senatoren gegenüber Augustus ausübten, damit dieser im Rahmen seiner Ehegesetzgebung auch dem Missstand der Unzucht und des Ehebruchs abhelfe, macht eine härtere Strafe als die bloße Vermögensstrafe wahrscheinlich. So wird Verbannung mit Vermögenseinziehung überwiegend – meist allerdings ohne ausführliche Begründung – als poena legis der lex Iulia de adulteriis coercendis angenommen.86 Welche Art der Verbannung? Sowohl die Paulussentenzen als auch die Institutionenstelle sprechen von relegatio bzw. relegatio in insulam. Diese beiden, seit der Hochklassik technischen Begriffe und auch die Festsetzung an einem bestimmten Ort waren zum Zeitpunkt des Erlasses der lex Iulia jedoch noch nicht verfügbar.87 Vor dem Hintergrund der 80 Vgl. Cardascia, classes (1950), S. 305 – 337 u. 461 – 485, de Robertis, La variazione della pena (1954), S. 70 ff. und 87 ff., Garnsey, Legal Privilege (1968), S. 3 – 24, ders., Social Status and Legal Privilege (1970), S. 221 – 280, Rilinger, Humiliores – Honestiores (1988), S. 20 ff. und Robinson, Summary (1991 / 92), S. 94. s. a. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 1036 f. und unten B.V.1.a) und C.III. 81 PS 2, 26, 14: Des Ehebruchs überführte Frauen pflegen mit der Einziehung der halben Mitgift und eines Drittels ihres Vermögens und mit Verbannung auf eine Insel bestraft zu werden: aber auch Ehebrecher werden auf Inseln verbannt und ihnen wird das halbe Vermögen eingezogen, jedoch sollen sie auf unterschiedliche Inseln verbannt werden. 82 Zunächst überrascht es, wie differenziert diese Nebenfolge der strafrechtlichen Verbannung geregelt ist, wenn man bedenkt, welch archaische Wurzeln, nämlich die administrative aqua et igni interdictio, die strafrechtliche Verbannung besitzt. Doch zeigt Cassius Dio 56, 27, 2 – 4 (12 n. Chr.), dass die Gesetzgebung im Bereich der Verbannung unter Augustus recht bewegt war. Es wurden Regelungen zum zulässigen Vermögen der Verbannten, zur Mindestentfernung zum Festland, zur maximalen Anzahl von Sklaven und zur maximalen Größe der mitgeführten Schiffe erlassen. 83 Brasiello, La repressione penale (1937), S. 94 ff., Venturini, Accusatio adulterii (1988), S. 88 Fn. 61. 84 Vgl. oben bei der lex Iulia repetundarum. 85 54, 16. 86 Vgl. Sehling, lex Iulia de adulteriis (1883), S. 162, Mommsen, Strafrecht (1899), S. 698 f., Biondi, poena adulterii (1938), S. 65 f., Kunkel, Art. quaestio, RE, art. cit., Sp. 770, Gaudemet, droit romain (1978), S. 47 f., Mette-Dittman, Ehegesetze (1991), S. 64, McGinn, The SC from Larinum (1992), S. 286 Fn. 65, Robinson, Criminal Law (1995), S. 66, Amiotti, Primi casi di relegazione (1995), S. 248 f. und McGinn, Prostitution (1998), S. 143. 87 Dazu und zum Folgenden oben im Abschnitt über die Verbannungsstrafe A.III.2.

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Entstehung der Verbannungsstrafe dürfte auch das julische Ehebruchsgesetz Verbannung in Form der bloßen Ausweisung aus Rom und Italien angeordnet haben, verbunden mit dem Verlust des Bürgerrechts und der oben genannten Vermögensquoten. Bezeichnet wurde diese Verbannung mit exilium oder mit aqua et igni interdictio. Die aqua et igni interdictio, die strafrechtliche Verbannung der spätrepublikanischen Strafgesetze, war der Gesetzgebungspraxis der augusteischen Zeit durchaus geläufig, wie das Beispiel der lex Iulia de vi publica et privata zeigt, die wie das augusteische Ehebruchsgesetz ebenfalls Teil der Reformmaßnahmen der Jahre 18 bis 16 v. Chr. war und für die sich als gesetzliche Strafe aqua et igni interdictio sicher erweisen lässt.88 Ovid würde später kaum so viel Wert auf das Wort relegatus seines Verbannungsedikts legen,89 wenn es sich dabei um den bloßen Wortlaut des Julischen Ehebruchsgesetzes gehandelt hätte, nach dem er verbannt worden war. Auch ein Pliniusbrief spricht für bloße Ausweisung als Strafe des Ehebruchsgesetzes.90 Nach Tacitus war Verbannung auf Inseln in Ehebruchsprozessen eine Verschärfung der poena legis,91 was ebenfalls bloße Ausweisung als gesetzliche Strafe des Ehebruchsgesetzes nahelegt. Den Römern scheint es zunächst ausgereicht zu haben, Ehebrecher lediglich aus ihrer Gemeinschaft zu entfernen. Bevor Ehebruch zu einem öffentlichen Vergehen wurde, wurden Ehebrecher in den Hausgerichten lediglich auf 200 Meilen von Rom ausgewiesen.92 Augustus verschärfte diese Praxis in seinem Ehebruchsgesetz zu Ausweisung aus ganz Italien. Verbannung auf eine Insel begegnet in einem Ehebruchsprozess zuerst in den Prozessen um die ältere Julia, in späteren Ehebruchsprozessen dann regelmäßig.93 Die Juliaprozesse waren ohne Zweifel die prominentesten Ehebruchsprozesse der römischen Antike. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass diese Urteile normativ wurden und fortan für die Ehebruchsstrafe bestimmend waren, wenn in Ehebruchsprozessen später manchmal auch noch bloße Ausweisungen vorkamen.94 So wird verständlich, weshalb der Sentenzenverfasser, der zu Beginn des Titels de adulte88 Ulp. 68 ad ed. D. 48, 6, 10, 2: damnato de vi publica, aqua et igni interdicitur bzw. Ulp. 1 de adulteriis D. 48, 13, 3: peculatus poena aquae et ignis interdictionem . . . continet. s. dazu unten B.II.10.b). 89 Dazu ausführlicher unten B.I.4.b). 90 Plin. ep. 6, 31, besonders 5 f. Trajan verurteilte einen Centurio und seine Geliebte wegen Ehebruchs. Der Centurio wurde nicht festgesetzt, sondern lediglich ausgewiesen: relegavit (zur Bedeutung des Begriffs relegare bei Plinius s. o. A.III.2.b)aa)(1)(j)). Plinius fährt fort: supererat . . . reliqua pars ultionis, um dann mit der Bemerkung zu schließen: damnata et Iuliae legis poenis relicta est. Er nennt die Strafe für die Ehebrecherin nicht eigens, doch folgt aus reliqua pars ultionis, dass sie wohl die gleiche Strafe erlitt wie der Ehebrecher, bei der es sich demnach um die poena legis Iuliae handelt. Zu diesem Fall näher unten B.VIII.6. 91 Tac. ann. 3, 24: suasque ipse leges egrediebatur. 92 Vgl. Tac. ann. 2, 50. Dazu unten B.II.3. 93 s. u. B.II.3., II.17. (Agrippina), 20.e), III.5. (Caligulaschwestern), IV.1., V.3.f) und unter den Fällen B. IX. 94 s. u. B.II.3., 7., III.6. und VIII.6.

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riis genaue Rechenschaft über den Inhalt des Ehebruchsgesetzes gibt,95 am Ende des Abschnitts nicht von der poena legis Iuliae handelt, sondern schreibt: placuit coerceri. Er referiert die Praxis seiner Zeit und gibt als Ehebruchsstrafe relegatio in insulam an, wobei er auf den zu seiner Zeit längst technischen Begriff der relegatio zurückgreift.96 b) Die poena legis der lex Iulia maiestatis97 Hinsichtlich der dem Angeklagten Iullus Antonius drohenden Strafe bedarf es noch einiger Ausführungen zur poena legis des Majestätsgesetzes. Auch von dieser lex fehlt uns eine unmittelbare Überlieferung. Informationen finden sich in den Titeln ad legem Iuliam maiestatis D. 48, 4, C.Th. 9, 5 und C. 9, 8, des Weiteren in Inst. 4, 18, 3, PS 5, 29 und im Leidener Fragment der Paulussentenzen. Das Gesetz ist eine Nachfolgeregelung zur lex Cornelia maiestatis. Erlasszeitpunkt und Urheberschaft sind umstritten.98 Die Überlieferung enthält viele spät- und nachklassische Zusätze zur lex, die aber zum großen Teil aufgrund stilistischer und sachlicher Merkmale vom ursprünglichen Inhalt unterschieden werden können.99 Schutzgut des Gesetzes in seiner ursprünglichen Form war die maiestas des populus Romanus. Die lex enthielt zahlreiche Einzeltatbestände des Landes- und Hochverrats,100 Regelungen über den Ungehorsam gegenüber vorgesetzten Staatsorganen,101 über schwere Amts- und Dienstpflichtverletzungen102 und über Amtsanmaßung durch Privatleute.103 Der Schutz des princeps neben bzw. anstelle von senatus und populus gehört nicht dem Originalgesetz an, sondern ist eine spätere Ausweitung des Tatbestandes ohne gesetzliche Grundlage.104 Vgl. PS 2, 26, 1: capite secundo legis Iuliae . . ., PS 2, 26, 3: capite quinto legis Iuliae . . . . Sehling, lex Iulia de adulteriis (1883), S. 160 – 163, Pugliese, Linee generali (1982), S. 766, McGinn, The SC from Larinum (1992), S. 286, Amiotti, Primi casi di relegazione (1995), S. 248 f., McGinn, Prostitution (1998), S. 143 nehmen aufgrund PS 2, 26, 14 kritiklos relegatio in insulam als poena legis des Ehebruchsgesetzes an. 97 s. zur lex Brecht, Perduellio und crimen maiestatis (1944), S. 354 – 359, Chilton, The Roman Law of Treason (1955), S. 73 – 81, Rogers, Treason (1959), S. 90 – 94, Allison / Cloud, Lex Iulia Maiestatis (1962), S. 711 – 731, Bauman, Crimen Maiestatis (1967), ders., Impietas in Principem (1974), Levick, Poena Legis Maiestatis (1979), S. 358 – 379, Pesch, De perduellione (1995), de Castro-Camero, El Crimen Maiestatis (2000) und Scognamiglio, Nullum Crimen (2009), S. 115 – 124. 98 Dazu sogleich, bes. Fn. 111. 99 s. hierzu Cloud, Digest XLVIII, 4 (1963), S. 206 – 232. 100 Vgl. Ulp. 7 de off. proc. D. 48, 4, 1 u. 4, PS 5, 29, 1. 101 Vgl. Marc. 14 inst. D. 48, 4, 3. 102 Vgl. Ulp. 8 disput. D. 48, 4, 2 u. Marc. 14 inst. D. 48, 4, 3. 103 Vgl. Marc. 14 inst. D. 48, 4, 3 i. f. 104 Kübler, Art. maiestas, RE XIV 1, 1928, Sp. 542 – 559, Sp. 550 f., Bauman, Impietas in principem (1974) , S. 25 ff. 95 96

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Die Überlieferung zum Strafmaß ist spärlich. Im Digestentitel 48, 4 wird keine Aussage zur Strafe des Majestätsgesetzes getroffen, ebenso wenig im Theodosianustitel 9, 5. In den Paulussentenzen dagegen heißt es zum Julischen Majestätsgesetz: lege Iulia maiestatis tenetur is . . . his antea in perpetuum aqua et igni interdicebatur: nunc vero humiliores bestiis obiciuntur vel vivi exuruntur, honestiores capite puniuntur.105 Diese Auskunft ist deutlich: Majestätsverbrecher wurden früher verbannt und werden nun, im späten 3. Jh.,106 mit dem Tode bestraft. Die Sentenzen dienten gewiss der aktuellen Praxis,107 was den Autor jedoch offenbar nicht davon abhielt, Angaben über die frühere Praxis zu machen. Dabei kann er sehr wohl davon ausgegangen sein, dass die gesetzliche Strafe auch tatsächlich verhängt wurde. Er benennt sie mit dem für die Zeit der späten Republik üblichen Ausdruck aqua et igni interdicere. Das dürfte auch der Wortlaut in der lex Iulia maiestatis gewesen sein. Außerdem finden sich in zwei weiteren juristischen Quellen Angaben über das Strafmaß des Majestätsverbrechens. In einem Gesetz des Kaisers Arcadius von 397 n. Chr. heißt es: . . . ipse quidem utpote maiestatis reus gladio feriatur, bonis eius omnibus fisco nostro addictis.108 Schließlich sagen die justinianischen Institutionen: . . . lex Iulia maiestatis . . . cuius poena animae amissionem sustinet . . . .109 Der Sentenzenverfasser berichtete zu Beginn seiner Ausführungen ausdrücklich über die Praxis seiner Zeit und gab Todesstrafe an. Auch die letzten beiden Stellen dürften über die Praxis ihrer Zeit und die typische Strafe in der Spätantike informieren: Todesstrafe und Vermögenskonfiskation. Über die poena legis der lex Iulia maiestatis ist diesen beiden Quellen dagegen nichts Verlässliches zu entnehmen. Ein Blick auf frühere Nachrichten wird die Angabe in den Paulussentenzen bestätigen. Cicero sagt in seiner Ersten Philippischen Rede vom Herbst 44 v. Chr.: Quid, quod obrogatur legibus Caesaris, quae iubent ei qui de vi itemque ei qui maiestatis damnatus sit aqua et igni interdici?110 Aus dieser Stelle geht hervor, dass Caesar 105 PS 5, 29, 1 (der Stelle entspricht § 9 des Leidener Fragments der Paulussentenzen): Nach der lex Iulia maiestatis wird derjenige bestraft, der . . . früher wurden die Täter verbannt: nun aber werden Leute niederen Standes wilden Tieren vorgeworfen oder lebendig verbrannt, Leute höheren Standes kapital bestraft. Caput, capite, poena capitalis o. ä. bedeuteten zu dieser Zeit Todesstrafe, s. Levy, Die Römische Kapitalstrafe (1930 / 31), S. 69 ff. Im Vergleich zu den zuvor genannten Todesarten wohl die weniger schwere Form der Enthauptung mit dem Schwert. 106 Vgl. Liebs, Römische Jurisprudenz in Africa (2005), S. 46 ff. 107 Die Sentenzen waren für die Praxis gedacht und fanden dort auch Verwendung, vgl. Liebs, Römische Jurisprudenz in Africa (2005), S. 41 ff. 108 C. Th. 9, 14, 3 = C. 9, 8, 5 pr.: . . . der soll als Majestästverbrecher mit dem Schwert gestraft und sein ganzes Vermögen unserem fiscus zugesprochen werden. 109 Inst. 4, 18, 3: . . . das Julische Majestätsgesetz, . . . dessen Strafe im Verlust des Lebens besteht . . . . 110 Cic. Phil. 1, 23: Widerstreitet das nicht den Gesetzen Caesars, die jedem, der wegen Gewaltanwendung, und jedem, der wegen Hochverrats verurteilt ist, die Strafe der Verbannung auferlegen?

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eine lex Iulia maiestatis durchgebracht hat.111 Gesetzliche Strafe war Verbannung, aqua et igni interdictio. Aus dieser Aussage kann mit einiger Sicherheit auf die poena legis der lex Iulia maiestatis geschlossen werden. In einer Rede vor dem Senat wäre Cicero schwerlich so ungenau gewesen, eine unzutreffende gesetzliche Strafe anzugeben. Es geht ihm im Abschnitt Phil. 1, 16 – 26 gerade um die Einhaltung der caesarischen Gesetze. Er sagt ausdrücklich legibus . . . , quae iubent. Hätte die lex Todesstrafe angeordnet, dann wäre Cicero an dieser Stelle nicht darüber hinweggegangen.112 Aqua et igni interdictio als poena legis des Majestätsgesetzes legt zudem eine Tacitusstelle113 und nunmehr auch das Senatus Consultum de Cn. Pisone patre nahe.114 111 Zum Teil wird bestritten, dass es ein caesarisches Majestätsgesetz gegeben habe, vielmehr sei das Julische Majestätsgesetz Augustus zuzuschreiben, vgl. Kunkel, Art. quaestio, RE, art. cit., Sp. 772, der meint, die bei Cic. Phil. 1, 23 erwähnten caesarischen Bestimmungen über maiestas gehörten dessen Repetundengesetz an. Allerdings fehlt hierfür jeder Beleg. Wortlaut und Kontext der Äußerung Ciceros in Phil. 1, 23 lassen vielmehr nur eine Zuordnung der Regelung an ein besonderes Majestätsgesetz Caesars zu. Gerade im vorangegangenen Satz (Cic. Phil. 1, 22 i. f.) spricht Cicero den Gerichtshof für Majestätsverbrechen an (quaestio de maiestate). Er hätte in einer Rede, in der es ihm um die Einhaltung der caesarischen Gesetze ging, im darauffolgenden Satz schwerlich von einem Gesetz gesprochen, das Caesar nicht erlassen hat. Im Übrigen fehlt für ein augusteisches Majestätsgesetz jeglicher Beleg in den Quellen. Tac. ann. 1, 72 sagt über Erlasszeitpunkt und Urheberschaft nichts aus. Auch sachlich spricht mehr für eine Zuordnung an Caesar: Augustus wird kaum ein neues Majestätsgesetz mit dem Tatbestand der verbalen Beleidigung des princeps eingeführt und sich dadurch bloßgestellt haben. Dasselbe war durch eine entsprechende Auslegung der bestehenden Bestimmungen zu erreichen, wozu Tac. ann. 4, 34 auch besser passt. Wie Kunkel dennoch Nogrady, Römisches Strafrecht nach Ulpian (2006), S. 148 (ohne Begründung), und auch bereits Mommsen, Strafrecht (1899), S. 541 m. Fn. 3, der dies aus Tac. ann. 4, 34 (25 n. Chr.) herauslesen möchte. Er verkennt jedoch, dass Tacitus hier nicht von einem neuen Majestätsgesetz handelt, sondern von einer neuerdings auf das Majestätsgesetz gestützten Beschuldigung (Schmähreden), weswegen die Stelle für ein augusteisches Gesetz keinen Anhaltspunkt liefert. Für Augustus auch Kübler, Art. maiestas, RE, art. cit., Sp. 548, Rotondi, Leges (1912), S. 453, Daly, The Gallus Affair (1979), S. 306 ff., Arcaria, Crimini (2007), S. 394 (ohne Begründung) und Robinson, Penal Practice (2007), S. 62. Zutreffend ordnen die lex Caesar zu Rein, Criminalrecht (1844), S. 516, Greenidge, The conception of treason (1895), S. 235, Arangio-Ruiz, Legislazione (1938), S. 137, Bleicken, Senatsgericht (1962), S. 28 Fn. 2, Allison / Cloud, Lex Iulia Maiestatis (1962), S. 711 – 714, Jones, Criminal Courts (1972), S. 57, Levick, Poena Legis Maiestatis (1979), S. 361, Pesch, De perduellione (1995), S. 197 – 199, Kelly, Exile (2006), S. 45 Fn. 112, und Harries, Law and Crime (2007), S. 76 f. 112 Auch einige Stellen aus Ciceros Rede für den wegen perduellio angeklagten Q. Ligarius von 46 v. Chr. zeigen, dass Verbannung poena legis des caesarischen Majestätsgesetzes war, vgl. Cic. pro Ligario 11 – 13 und besonders 33. 113 Es handelt sich um die Rede des M. Lepidus im Rahmen des Majestätsprozesses gegen Clutorius Priscus (zum Prozess unten B.II.8.), die uns Tacitus angeblich wörtlich überliefert. In der Rede heißt es am Ende (Tac. ann. 3, 50 i. f.): cedat tamen urbe et bonis amissis aqua et igni arceatur: quod perinde censeo ac si lege maiestatis teneretur. 114 aqua et igne interdicere oportere ab eo pr(aetore), qui lege maiestatis quaereret, S.C. 121 f. (ed. Caballos / Eck / Fernández). Zum Senatusconsultum ausführlicher unten B.II.6.

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Widerspricht dem aber nicht eine Stelle bei Sueton? Caes. 42, 3115 schreibt er über Caesar: poenas facinorum auxit.116 Die lex Cornelia maiestatis als Vorgängerregelung zur lex Iulia maiestatis hatte aber Todesstrafe angeordnet.117 Verbannung als poena legis der lex Iulia maiestatis ist damit jedoch vereinbar. Die Todesstrafe wurde in spätrepublikanischer Zeit nicht mehr vollstreckt. Man ließ den Verurteilten ins Exil entweichen. Die Anordnung der Verbannung als poena legis erlaubte nun aber, die auf das Todesurteil erfolgende bloß faktische Verbannung zu verschärfen, indem etwa Vermögenskonfiskation angeordnet wurde. Liest man die Sueton-Stelle weiter, so fügt sie sich in diesen Kontext ein: et cum locupletes eo facilius scelere se obligarent, quod integris patrimoniis exulabant, parricidas, ut Cicero scribit, bonis omnibus, reliquos dimidia parte multavit.118 Poena legis der lex Iulia maiestatis war demnach Verbannung, die zu dieser Zeit üblicherweise als gesetzliche Strafe festgelegte aqua et igni interdictio.119 Sie bedeutete endgültige Ausweisung aus Rom und Italien, vermutlich verbunden mit dem Verlust des Bürgerrechts. Aus der angesprochenen Suetonstelle folgt für die lex Iulia maiestatis womöglich noch die Konfiskation des halben Vermögens.120 c) Gesamtwürdigung Was lehren uns die Julia-Prozesse aus dem Jahr 2 v. Chr. hinsichtlich des richterlichen Ermessens? Julia, ihre Liebhaber und ihre Gehilfen wurden verbannt. Verbannung war die gesetzliche Strafe. Aber die Verbannung erfolgte an bestimmte Orte, nämlich auf Inseln. Gesetzlich vorgesehen war dagegen Ausweisung aus Rom und dem italischen Festland, nicht die Festsetzung an einem bestimmten Ort. Senat und Kaiser hielten sich also nicht an die gesetzliche Strafe. Nach der lex Iulia de adulDie Stelle wurde oben A.III.2.b)bb) und B.I.1.a) bereits erwähnt. Levick, Poena Legis Maiestatis (1979), S. 365 ff. meint, man komme nicht um diese Stelle herum, ohne als poena legis der lex Iulia maiestatis Caesars Todesstrafe anzunehmen. 117 Vgl. oben im Abschnitt über die römische Kapitalstrafe A.III.1. s. a. Kunkel, Art. quaestio, RE, art. cit., Sp. 743, Levy, Die Römische Kapitalstrafe (1930 / 31), S. 14. 118 Und da sich die Reichen um so leichter eines Verbrechens schuldig machten, weil sie ohne Verlust ihres Vermögens in die Verbannung gehen konnten, bestrafte er – wie Cicero schreibt – die Verwandtenmörder mit dem Entzug des gesamten Vermögens, die übrigen Verbrecher mit dem der Hälfte. 119 So auch Levy, Die Römische Kapitalstrafe (1930 / 31), S. 35, Chilton, The Roman Law of Treason (1955), S. 75 u. 81, Henning, T. Labienus (1973), S. 251, Daly, The Gallus Affair (1979), S. 303, Pugliese, Linee generali (1982), S. 763, Kelly, Exile (2006), S. 45 Fn. 112, und Harries, Law and Crime (2007), S. 78. 120 Zur Vermögenskonfiskation bei Majestätsverbrechen s. a. Hermog. 5 iur. epit. D. 48, 4, 9 und Ulp. 33 ad ed. D. 48, 20, 3. Zudem der Satz, der im Senatus Consultum de Cn. Pisone patre im Anschluss an den bereits erwähnten Ausschnitt folgt: aqua et igne interdicere oportere ab eo pr(aetore), qui lege maiestatis quaereret, bonaq(ue) eorum ab pr(aetoribus), qui aerario praeesset, venire et in aerarium redigi placere. (S.C. 121 – 122). s. a. Tac. ann. 3, 50 i. f.: bonis amissis . . . : quod perinde censeo ac si lege maiestatis teneretur. 115 116

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teriis wäre der Verbannte frei gewesen, einen Ort außerhalb Italiens zu wählen. Eine Stadt, die kulturell so reizvoll war wie Rom, gab es zwar kein zweites Mal. Dennoch waren andere attraktive Aufenthaltsorte denkbar. Was für den einzelnen Verbannten angenehm war, richtete sich immer auch nach seinen persönlichen Umständen, etwa danach, welches Klima er bevorzugte, ob er irgendwo Verwandte oder Freunde hatte, in deren Umfeld er weitere Verbindungen knüpfen konnte, etc. Julia wurde auf die Insel Pandateria verbannt; ihre Liebhaber und Gehilfen auf andere121 Inseln, die im Wesentlichen den Verhältnissen auf Pandateria entsprochen haben werden. Was bedeutete die Verbannung auf eine Insel, zumal auf diese? Pandateria,122 das heutige Ventotene, liegt im Tyrrhenischen Meer zwischen den Pontinischen Inseln und Ischia. Die Entfernung zum Festland beträgt an der nächsten Stelle mehr als 50 km, die Entfernung zu den nächsten Inseln 40 km. Die Insel ist sehr klein und war seinerzeit unbewohnt. Mit einer Fläche von nur 153 Hektar misst sie etwa ein Zehntel von Capri. Sie ist vulkanischen Ursprungs und ihre Küsten sind steil. Stehendes oder fließendes Süßwasser gibt es nicht. Julia war also von jedem sozialen Leben ausgeschlossen. Mit ihren Familienangehörigen und Freunden unkontrolliert zu kommunizieren, war nahezu unmöglich. Die Lebensumstände auf der Insel waren beschwerlich und menschenunwürdig. Über die Versorgung mit Lebensmitteln ist nichts überliefert, doch dürfte sie in den Wintermonaten schlecht gewesen sein. Seeräubern war man ständig ausgesetzt. Für Julia bedeutete die Verbannung also eine schwere Beeinträchtigung ihrer physischen und psychischen Gesundheit. Ihren Liebhabern und Gehilfen wird es auf ihren Inseln nicht besser ergangen sein. Immerhin hat Augustus 3 n. Chr. insofern Gnade walten lassen, als er Julia nach Rhegium übersiedeln und ihr eine Rente zukommen ließ. Tiberius entzog sie ihr und ließ sie verhungern.123 Die Gerichte verschärften die strafrechtliche Verbannung in zuvor nicht gekanntem Maße und gingen dadurch erheblich über die poena legis hinaus. Das betont auch Tacitus in dem Abschnitt über die Juliaprozesse: suasque ipse leges egrediebatur.124 Die Fälle waren politisch besonders brisant. Der Kaiser und der ihm hörige Senat sahen sich gezwungen, harte Strafen auszusprechen. Iullus Antonius strebte die Alleinherrschaft an. Womöglich war die Ermordung des Kaisers vorgesehen.125 121 Dass die Liebhaber auf andere Inseln verbannt werden mussten, ist in den Paulussentenzen – womöglich aufgrund der Juliaprozesse – geltendes Recht, vgl. PS 2, 26, 14 i. f.: in diversas insulas relegentur. 122 Vgl. dazu Nissen, Italische Landeskunde I (1883), S. 272 u. 366 ff., Hammond, Atlas (1981), Karte 17 und Lafon, Les Iles (1999), S. 149 – 161. 123 Suet. Tib. 50. 124 Tac. ann. 3, 24: Und er ging über seine eigenen Gesetze hinaus. 125 Dass er im Zusammenhang mit den Ehebruchsaffären in Gefahr war, zeigen zwei Stellen deutlich. Sen. de brev. vit. 4, 6: nondum horum effugerat insidias: filia et tot nobiles iuvenes adulterio velut sacramento adacti iam infractam aetatem territabant Iullusque et iterum timenda cum Antonio mulier (noch war er ihren Anschlägen nicht entkommen: die Tochter und so viele adlige junge Männer, durch Ehebruch und Schwur verbunden, versetzten sein

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Ehebruch, worauf das Urteil gegen Julia gestützt wurde, mag tatsächlich vorgelegen haben. Doch war sie mit einiger Wahrscheinlichkeit auch an der Verschwörung beteiligt. Immer wieder war sie politisch verlobt bzw. verheiratet worden, zuerst mit Marcellus, darauf mit Agrippa und schließlich mit Tiberius, und ihres politischen Wertes als einziges Kind des Kaisers war sie sich durchaus bewusst. Es ist anzunehmen, dass sich Julia durch Iullus mehr Einfluss erhoffte, denn ihr Mann Tiberius befand sich im Exil und schien zu dieser Zeit politisch für immer bedeutungslos. Ihre Söhne Gaius Caesar und Lucius Caesar waren von Augustus adoptiert, standen unter seiner Aufsicht und waren ihrem Einfluss entzogen. Die Verschwörung mag der wahre Hintergrund der harten Strafe gewesen sein.126 Augustus scheint jedoch den Ehebruch überbetont zu haben, um sein hartes Vorgehen zu rechtfertigen und vom politischen Widerstand in der eigenen Familie abzulenken. Diese naheliegenden Hintergründe erklären das Bedürfnis des Kaisers, sich selbst zu schützen, indem er seine Tochter unter ständige Kontrolle stellte. Die bekannte Verbannung und poena legis der lex Iulia, also die bloße Ausweisung, konnte das nicht leisten. Geltendes Recht und die Interessen der Macht kollidierten in diesem Fall. Die Macht setzte sich über das Recht hinweg und schuf eine neue Strafe, die ausstrahlte und fortan das Bild des kaiserzeitlichen Strafrechts mitbestimmen sollte. Auffälligerweise bestimmte Augustus in einem Gesetz des Jahres 12 n. Chr., dass die Inseln, auf die Verurteilte zu verbannen waren, nicht näher als 50 km zum Festland liegen durften.127 Das ist kaum zufällig die Entfernung zwischen Festland und der Insel Pandateria, der ersten Verbannungsinsel des römischen Strafrechts. Trotz allem geriet die poena legis nicht vollkommen aus dem Blick. Todesstrafe wurde nicht ausgesprochen, nur verschärfte Verbannung. Anders bei Iullus. Er wurde als einziger zum Tode verurteilt. Zur Anklage wegen Ehebruchs kam bei ihm noch die wegen Majestätsverbrechens hinzu.128 Im Quästionenverfahren hätten die beiden Anklagen nicht gemeinsam verhandelt und abgeurteilt werden können, weil für jedes der beiden Vergehen ein eigener Geschon gebrochenes Alter in Schrecken, auch Iullus und wieder zusammen mit Antonius eine furchtbare Frau) und Plin. nat. hist. 7, 149: adulterium filiae et consilia parricidae palam facta (der Ehebruch der Tochter und die Verschwörungen gegen das Leben ihres Vaters). s. a. Dio 55, 10, 15: Iullus strebte die ìïíár÷ßá an. 126 So auch Meise, Untersuchungen (1969), S. 18 u. 24 ff. s. a. Liebs, Vor den Richtern (2007), S. 80 f. 127 Dio 56, 27. 128 Vgl. oben. Ob das tatsächliche Verhalten, das Iullus vorgeworfen wurde, überhaupt unter die ursprünglichen Tatbestände der lex Iulia maiestatis fiel, ist nicht ohne Zweifel, soll hier aber nicht weiter von Interesse sein. Für unsere Untersuchung ist entscheidend, dass das Gericht annahm, etwas sei ein crimen maiestatis und strafbar nach der lex Iulia, auch wenn in Wahrheit die Strafbarkeit eine Weiterung des Tatbestandes darstellte. Im Zentrum soll das Rechtsfolgeermessen stehen, nicht das Tatbestandsermessen (wenn also ein Gericht im Einzelfall etwas auf die lex Iulia stützte, was nicht zum gesetzlichen Tatbestand gehörte). Zu den Ausweitungen der lex Iulia maiestatis durch die Praxis s. Bauman, Crimen Maiestatis (1967), S. 171 ff.

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richtshof zuständig war. Das Urteil spricht aber die Strafe für zwei Vergehen aus. Ausgeurteilte Strafe und poena legis lassen sich deshalb nicht unvermittelt vergleichen. In einem Prozess eine Gesamtstrafe zu bilden, ist dem römischen Strafrecht neu. Dennoch kann auch hier nach der Tendenz zur Einhaltung oder Missachtung der gesetzlichen Strafe gefragt werden. Sowohl auf Ehebruch als auch auf Majestätsverbrechen stand, wie gesagt, Verbannung in Form der Ausweisung aus Rom und dem italischen Festland mit Verlust des Bürgerrechts und einer Vermögensquote. Diese poenae legum waren den Senatoren bei der Fällung ihres Urteils offenbar keine bindende Richtschnur. Hier wurde auch keine verschärfte Form der Verbannung, etwa die Verbannung auf eine Insel, wie sie den anderen Beteiligten widerfuhr, ausgesprochen. Vielmehr wurde mit der Todesstrafe eine ungleich schwerere Strafe gewählt. Iullus war womöglich der Initiator der Verschwörung und scheint für Augustus daher besonders gefährlich gewesen zu sein, weswegen die Richter dem Sicherheitsbedürfnis des Kaisers durch die Todesstrafe Rechnung getragen haben könnten. Vielleicht musste er auch sterben, weil er der Sohn Mark Antons war und sich nun die Gelegenheit bot, einen Nachkommen des großen Widersachers Oktavians aus dem Weg zu räumen. Später129 wurde bei crimen maiestatis regelmäßig die Todesstrafe verhängt. Die Juliaprozesse sind die ersten überlieferten Fälle, in denen sich die Gerichte der cognitio extra ordinem einen Ermessensspielraum herausnahmen und diesen, geleitet vom politischen Klima, zur Strafschärfung ausfüllten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass schon vorher ein Ermessensspielraum in Anspruch genommen wurde, doch schweigt die Überlieferung. Überraschend wäre es nicht, wenn die sehr politischen Juliaprozesse die ersten Fälle gewesen wären, in denen sich die politische Macht über das geltende Recht hinweggesetzt und mit der Abweichung von der gesetzlichen Strafe den Beginn eines neuen Prinzips des kaiserzeitlichen Strafrechts markiert hätte. Es wird sich zeigen, dass diese Tendenz bei Kollisionen von Macht und Recht beibehalten wird.

3. Der Juliaprozess von 8 n. Chr.130 8 n. Chr.131 wurde die jüngere Julia,132 die Enkelin des Kaisers Augustus, wegen Ehebruchs verurteilt.133 Sie war mit dem Patrizier Aemilius Paulus verheiratet und 129 Dazu die Prozesse unter Tiberius, besonders diejenigen nach dem Sturz Sejans im Jahre 31 n. Chr. 130 Vgl. hierzu Balsdon, Roman Women (1962), S. 88, Bergener, Senatorenschicht (1965), S. 143 f., Bauman, Crimen Maiestatis (1967), S. 242 f., Meise, Untersuchungen (1969), S. 35 ff., Levick, Julia the Younger (1976), S. 312 – 339, Harris, Power of life and death (1986), S. 81 – 95. 131 Datierung aus Tac. ann. 4, 71 i. f. 132 Vgl. zu ihr Fitzler, Iulius (551), RE X 1, 1917, Sp. 906 – 908 und Stein / Petersen, Iulia (635), PIR IV, 1966, S. 301.

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wurde auf die Insel Trimerus134 im adriatischen Meer verbannt, wo sie 20 Jahre später starb.135 Ihr Liebhaber D. Silanus wurde nicht vor Gericht gestellt, ging aber nach dem Bericht des Tacitus136 aus Furcht vor einer Bestrafung von sich aus ins Exil; später sagte Tiberius dem Bruder des Silanus, der Rückkehr seines Bruders stehe nichts im Wege, schließlich sei er nicht gerichtlich verbannt worden. Wie bei ihrer Mutter wurde auch bei der jüngeren Julia die gesetzliche Strafe verschärft. Sie wurde auf eine Insel verbannt. Auch hier waren womöglich politische Gründe für die Strafschärfung verantwortlich. Meise hat in seinen ,Untersuchungen zur Geschichte der Julisch-Claudischen Dynastie‘ gezeigt, dass auch bei der jüngeren Julia politische Ambitionen wahrscheinlich sind, wie sie ihrer Mutter, der älteren Julia, und ihrer Schwester Agrippina eigen waren.137 Augustus hatte 4 n. Chr. durch die Adoption des Tiberius, verbunden mit Adoption des Germanicus durch Tiberius, die Herrschaftsnachfolge nach seinem Tod für zwei Generationen geregelt. Von den direkten Nachkommen des Augusts waren die Enkel Gaius und Lucius Caesar bereits tot. Seine Tochter Julia und seit 7 n. Chr. auch ihr verbliebener jüngster Sohn Agrippa Postumus waren verbannt. In Rom waren nur noch Agrippina und eben ihre Schwester, die jüngere Julia. Während Agrippina durch ihre Ehe mit Germanicus Aussicht auf künftigen Einfluss hatte, musste ihre ältere Schwester Julia politische Bedeutungslosigkeit befürchten. Das wird sie als stolze,138 älteste Augustusenkelin nicht haben hinnehmen wollen. Es liegt nahe, dass sie von den Umsturzplänen ihres Gatten Aemilius Paulus,139 die in das Jahr 8 n. Chr. zu datieren sind,140 wusste, daran vielleicht sogar aktiv beteiligt war. Die Verschwörung wurde aufgedeckt und Julia in die Verbannung geschickt. Offizielle Begründung der Verbannung war ihr sittenloser Lebenswandel. Die wahren Hintergründe werden in den Berichten über ihre Verbannung nicht erwähnt. Dass Ehebruch nicht der wirkliche Grund gewesen sein kann, zeigt die Tatsache, dass ihr Liebhaber, D. Silanus, nicht belangt wurde, sondern ihm lediglich nahegelegt wurde, sich aus der Umgebung des Kaisers fernzuhalten. 133 Urbe depulit heißt es Tac. ann. 3, 24 lediglich. Dass ein eigentliches Gerichtsverfahren stattfand und Julia nicht lediglich vertrieben wurde, daran lässt Tac. ann. 4, 71 i. f. jedoch keinen Zweifel: Iulia . . . , quam neptem Augustus convictam adulterii damnaverat. Die Wortwahl legt nahe, dass die Verurteilung durch Augustus selbst erfolgte. Tacitus rückt zwar gelegentlich die Kaiser ins Zentrum und schreibt ihnen Verurteilungen zu, die in Wahrheit durch den Senat erfolgten. Anhaltspunkte für ein Senatsverfahren gibt es hier jedoch nicht. 134 Heute Tremiti. 135 Vgl. Tac. ann. 4, 71. 136 Ann. 3, 24. 137 Meise, Untersuchungen (1969), S. 43 ff. 138 Vgl. Suet. Aug. 72, 3: sie besaß einen mit verschwenderischem Aufwand errichteten, großen Palast in Rom. 139 Vgl. Suet. Aug. 19, 1. 140 Vgl. hierzu ausführlich Meise, Untersuchungen (1969), S. 36 ff. und Cogitore, Conspirations (2002), S. 172 – 175.

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Die jüngere Julia konnte nicht lediglich aus Rom ausgewiesen werden, denn dann hätte sie weiterhin eine Gefahr für den Kaiser dargestellt. Auch sie musste kontrollierbar bleiben, was die Verbannung auf eine italische Insel gewährleistete. Was mit den Juliaprozessen von 2 v. Chr. begonnen hatte, wird nun fortgesetzt: Wieder wurde zur Sicherung der kaiserlichen Macht das geltende Recht übertreten. Dennoch scheint die gestezliche Strafe wieder limitierend gewirkt zu haben. Ein Todesurteil, durch das die Konkurrentin endgültig hätte beseitigt werden können, kam offenbar nicht in Betracht.

4. Die Verbannung Ovids (8 n. Chr.)141 Der berühmte Dichter Ovid wurde 8 n. Chr. von Kaiser Augustus nach Tomi an der Westküste des Schwarzen Meeres verbannt. In seinen Klageliedern und seinen Briefen vom Schwarzen Meer berichtet er von seiner Verbannung und erwähnt – in einem Bezug undeutlich142 – die Gründe, die zu seiner Verbannung geführt haben. Über die Entfernung von Rom, der Hauptstadt der Welt, vermag ihn nichts zu trösten. Sie ist für ihn die Katastrophe seines Lebens, so schlimm wie der Tod.143 Kaum erträglich sei das Leben am Ort seiner Verbannung, besonders durch die harten Winter und die Bedrohung durch umherschweifende Barbaren.144 Einflussreiche Freunde und seine Gattin sollten in Rom seine Begnadigung und Rückkehr betreiben. Auch seine literarischen Bemühungen und zahlreichen Klagebriefe zielen allein darauf ab. Doch vergeblich. Weder Augustus noch sein Nachfolger Tiberius ließen sich erweichen. 18 n. Chr. stirbt Ovid in Tomi. Rom hatte er nicht wieder betreten. Zu Ovids Verbannung sind wir auf das Zeugnis des Dichters angewiesen, auf seine Tristia und seine Epistulae ex Ponto. Kein zeitgenössischer antiker Autor äußert sich zu Ovids Verbannung. Erst zwei Autoren aus der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts erwähnen den Fall,145 ein weiterer aus der zweiten Hälfte des 141 Vgl. dazu Zimmermann, Ovids Verbannung (1932), S. 263 – 274, Norwood, Ovid’s Relegatio (1963), S. 150 – 235, Thibault, Ovid’s Exile (1964), Corsaro, relegatio di Ovidio (1968), S. 123 – 167, Meise, Untersuchungen (1969), S. 223 ff., Buchert, Reasons (1974) S. 44 – 49, Grasmück, Exilium (1978), S. 135 ff., Syme, History in Ovid (1978), S. 216 ff., Goold, Ovid’s Exile (1983), S. 94 – 104, Leitner, Nasonis Relegatio (2005), S. 150 – 165, Dowling, Clemency (2006), S. 105 – 122, Nelson / Manthe, Gai Institutiones (2007), S. 65, Liebs, Vor den Richtern (2007), S. 79 – 88. 142 Dazu sogleich Näheres. 143 Vgl. Ovid trist. 3, 3. 144 Vgl. Ovid trist. 3, 12; 4, 1, ep. ex Pont. 3, 1. Vgl. dazu Lambrino, Tomis (1958), S. 379 – 390. 145 Die Epitome de Caesaribus 1, 24, 2, vgl. dazu Fuhrmann / Groß-Albershausen, S. Aurelius Victor (1997), S. 153 ff. und Hieronymus in seiner Chronik zum Jahr 2033 nach Abraham (= 17 n. Chr.), vgl. dazu Lietzmann, Art. Hieronymus (16), RE VIII 2, 1913, Sp. 1565 – 1581.

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fünften Jahrhunderts.146 Das führte zu Spekulationen darüber, ob die Beschreibung der eigenen Verbannung lediglich literarische Fiktion sein könnte.147 Besonders das Schweigen des kaiserkritischen Tacitus148 müsse an der Exilierung des Dichters zweifeln lassen.149 Jedoch wäre Ovid kaum so kühn gewesen, den Kaiser zum Objekt einer solchen Spielerei zu machen, ihn dadurch öffentlich herabzuwürdigen und lächerlich zu machen. Eine derartige literarische Belustigung hätte auch nicht den Raum im Werk des Dichters eingenommen, der ihm in Form der Tristien und der Briefe vom Schwarzen Meer zukommt. An der Historizität der Verbannung Ovids kann daher kein Zweifel bestehen. a) Die Hintergründe der Verbannung Über Ovids Verbannung wurde seit jeher viel gerätselt. Die Ausführungen beziehen sich dabei fast ausschließlich auf die Frage, welches die Gründe seiner Verbannung waren und es fehlt nicht an kuriosen Vorschlägen. Ovid selbst nennt zwei Gründe: perdiderint cum me duo crimina, carmen et error.150 Die genannten carmina sind zweifelsfrei sein Lehrbuch der Liebeskunst – die ars amatoria.151 Durch sie soll er zum Ehebruch angestiftet haben, was die offizielle Begründung seiner Verbannung gewesen zu sein scheint. Im Übrigen jedoch hält sich der Dichter bedeckt und spricht nur von seinem error. Der error mag 146 Sidonius Apollinaris, Gedichte 23, 158 – 161, vgl. zu ihm Krapinger, Art. Sidonius Apollinaris, NP 11, 2001, Sp. 522 f. 147 Fitton Brown, The Unreality of Ovid’s Tomitan Exile (1985), S. 18 – 22. 148 Weder in den Annalen noch an anderer Stelle berichtet er über Ovids Exilierung. Nach den Ausführungen in dialog. de orat. 12, 6 hätte eine Erwähnung in 13, 1 dieser Schrift nicht fern gelegen. 149 Fitton Brown, The Unreality of Ovid’s Tomitan Exile (1985), S. 21. 150 Ovid trist. 2, 207: Da mich zwei Verbrechen zugrunde richteten: Gedicht und Verirrung. Von seinem error spricht Ovid ferner etwa trist. 2, 109; 3, 5, 52 und ep. ex Pont. 2, 3, 92. 151 Es wurden viele Vorschläge gemacht, um welches Werk Ovids es sich bei den carmina, von denen er spricht, handelt. Verdière, amour secret (1971), favorisiert die ,Amores‘, Lundström, Ovids Metamorphosen (1980), meint, es handle sich um die ,Metamorphosen‘, Porte, Un épisode satirique (1984), und Korten, Ovid (1992), halten die ,Fasten‘ für wahrscheinlicher. Doch die Quellen sprechen deutlich für die ars amatoria, was auch überwiegend vertreten wird, z. B. von Buchert, Reasons (1974), Stroh, Ovids Liebeskunst (1979), Leitner, Nasonis Relegatio (2005), und Liebs, Vor den Richtern (2007). Deutlich gleich zu Beginn der Tristien (1, 1, 65): siquis erit, qui te, quia sis meus, esse legendum | non putet, e gremio reiciatque suo | „inspice“ dic „titulum. non sum praeceptor amoris; | quas meruit, poenas iam dedit illud opus.“ (Wenn aber jemand kommt, der glaubt, weil du (Ovids Werk ,Tristien‘) mein bist, man dürfe | dich nicht lesen, und dich von seinem Schoße verstößt, sag ihm: „Betrachte den Titel! Ich bin kein Lehrer der Liebe: | Buße hat jenes Werk, wie es verdiente, getan.“) Illud opus und praeceptor amoris stehen in engem Zusammenhang, und in seinem Werk ars amatoria ist Ovid in der Tat praeceptor amoris. Als er trist. 1, 1, 105 ff. über seine Werke und Bücher spricht (111: tres procul obscura latitantes parte videbis, | hi qui quod nemo nescit, amare docent) sind die tres (libri) wieder die drei Bücher der ars amatoria und nicht etwa die fünf Bücher seiner amores.

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der wahre Grund seiner Verbannung gewesen sein. Für Ovid verbietet es sich, darauf näher einzugehen. Seine Begnadigung kann er nicht erreichen, wenn er dem Kaiser diesen heiklen Punkt nochmals vorträgt: alterius facti culpa silendi mihi: | nam non sum tanti, renovem ut tua vulnera, Caesar, | quem nimio plus est indoluisse semel.152 Deshalb ist es schwierig, diesbezüglich Verlässliches zu ermitteln. Thibault153 gliederte erstmals die zahlreich vorgeschlagenen Thesen zu Ovids error. Sie lassen sich in fünf Kategorien zusammenfassen:154 1. Ovid unterhielt eine Liebesbeziehung zu einer Frau des Kaiserhauses oder unterstützte die Liebschaften einer solchen Frau,155 2. er sah Augustus oder Livia in einer verfänglichen Situation,156 3. er war in eine politische Verschwörung gegen Augustus verstrickt,157 4. seine Einstellung und seine Ansichten widersprachen denen führender Kreise158 oder 5. er verstieß gegen religiöse Vorschriften.159 Ovid geht über die Angabe, es habe sich bei seinem Vergehen um ein error gehandelt, nicht hinaus, weswegen alle Lösungsvorschläge unsicher bleiben. Es gibt jedoch Gründe, die gewisse Vorschläge unwahrscheinlich und andere plausibler machen. Zur ersten Auffassung mag man neigen, weil die Verbannung der jüngeren Julia wegen Ehebruchs ebenfalls in das Jahr 8 n. Chr. zu datieren ist und Ovid neben seinem error etwas ganz ähnliches vorgeworfen wird – er habe durch seine carmina zum Ehebruch angestiftet: altera pars superest, qua turpi carmine lecto | arguor obsceni doctor adulterii.160 Dagegen spricht aber, dass der Geliebte der jüngeren Julia, D. Silanus, wie gesagt, nicht regelrecht bestraft wurde.161 Ovid da152 Ovid trist. 2, 208 – 210: der Fehltritt meines zweiten Vergehens sei in Schweigen gehüllt: | denn ich bin es nicht wert, dich erneut zu verwunden, o Kaiser; | ist es doch mehr als zuviel, wenn man dich einmal betrübt. 153 Thibault, Ovid’s Exile (1964), S. 38 ff. 154 Vgl. Meise, Untersuchungen (1969), S. 224 und Leitner, Nasonis Relegatio (2005), S. 151. 155 Meiser, Ovids Begnadigungsgesuch (1907), Cartault, les causes (1910), Fargues, Ovide (1939), und Goold, Ovid’s Exile (1983). 156 Deville, l’exil d’Ovide (1859), und Horváth, Impius Aeneas (1958). 157 Levy, Rez. z. Owen Tristium Liber Secundus (1926), Norwood, Ovid’s Relegatio (1963), Corsaro, relegatio di Ovidio (1968), Voulikh, La révolte d’Ovide (1968), Syme, History in Ovid (1978), Green, Carmen et error (1982), und Liebs, Vor den Richtern (2007). 158 D’Elia, L’esilio di Ovidio (1955), Hammond, Plato and Ovid’s Exile (1958), Lepore, Da Cicerone a Ovidio (1958), und Marin, esilio di Ovidio (1958). 159 Hermann, faute secrète (1938), und Carcopino, raisons religieuses (1964). 160 Ovid trist. 2, 211 f.: Bleibt das andere: ich werde beschuldigt, durch schändliche Dichtung | Lehrer schamlosen Ehebruchs geworden zu sein. 161 Vgl. Tac. ann. 3, 24.

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gegen wurde mit einer unmenschlichen Verbannung bestraft, obwohl er selbst keine ehebrecherische Liebesbeziehung unterhalten hatte, allenfalls von einer solchen wusste: immer wieder spricht er davon, selbst kein crimen begangen, lediglich eines beobachtet zu haben: a culpa facinus scitis abesse mea.162 cur aliquid vidi? cur noxia lumina feci? | cur imprudenti cognita culpa mihi?163 Im Übrigen fehlen in den Äußerungen Ovids jegliche Anhaltspunkte für eine verbotene Beziehung Ovids selbst. Die oben erwähnte Äußerung des Sidonius Apollinaris: Naso tener, Tomosque missum, quondam Caesare nimis puellae ficto nomine subditum Corinnae164 kann dafür nicht herangezogen werden. Die Ausführungen sind undeutlich,165 im Übrigen liegt für Sidonius der Fall Ovid schon fast 500 Jahre zurück.166 Seine Einschätzung dürfte nicht weniger Interpretation des Falles sein als die Gedanken moderner Autoren. Die Auffassungen 2), 4) und 5) finden in den Quellen ebenso wenig eine Stütze wie die soeben kritisierte Ansicht und sind überdies ungleich weniger plausibel. Es bleibt die Verschwörungstheorie, die am besten zu Ovids eigenen Äußerungen passt und auch angesichts der politischen Umstände der Zeit nahe liegt.167 Ovid war daran nicht aktiv beteiligt, sondern wusste nur von der Verschwörung und denunzierte die Beteiligten nicht. Deren Vertreter gehen ebenfalls von einer Beziehung zwischen Ovid und der im selben Jahr verbannten jüngeren Julia aus, wobei diese Beziehung nicht sexueller, sondern politischer Natur gewesen sein soll. Wie ihre Mutter, die ältere Julia, und ihre Schwester Agrippina, war auch die jüngere Julia politisch ambitioniert.168 Die politische Bedeutungslosigkeit, in die sie durch die Nachfolgeregelung des Kaisers von 4 n. Chr. geraten war, konnte sie nicht hinnehmen und war an den Umsturzplänen ihres Gatten Aemilius Paulus vielleicht sogar aktiv beteiligt.169 Von dieser Verschwörung wird Ovid erfahren haben, ohne sie anzuzeigen, woraufhin ihn die harte Strafe der Verbannung traf. Die Anstiftung zum Ehebruch Ovid trist. 1, 2, 98: Wisst ihr ja doch: meine Schuld war keine frevelnde Tat. Ovid trist. 2, 103: Weshalb sah ich etwas? Warum wurde ich schuldig durch Blicke? | Weshalb war ich der Tor, der die Verfehlung erkannte? 164 Gedichte 23, 159 – 161: zartfühlender Naso, nach Tomi geschickt, weil einst allzu sehr einem Mädchen aus dem Hause des Kaisers untertan, der du das Pseudonym Corinna gabst. 165 Was soll subditum bedeuten? Dass er mit den Mitgliedern des Kaiserhauses bekannt war, überrascht nicht. Eher das Gegenteil wäre verblüffend. Und dass er einer Kaisertochter oder -enkelin untergeben begegnet, ist ebenso wenig im Sinne eines ehebrecherischen Verhältnisses zu interpretieren, sondern vielmehr das einzig angezeigte Verhalten. Dann spricht Sidonius noch den Kosenamen Corinna an – für einen Dichter jedoch auch nichts Ungewöhnliches. 166 Sidonius war der bedeutendste Schriftsteller Galliens in der zweiten Hälfte des 5. Jh. n. Chr., vgl. Krapinger, Art. Sidonius Apollinaris, NP 11, 2001, S. 522 f. 167 Die Verschwörungstheorie findet gerade in jüngerer Zeit Zuspruch, vgl. Meise, Untersuchungen (1969), S. 224 ff. und Leitner, Nasonis Relegatio (2005), S. 161 ff. 168 Meise, Untersuchungen (1969), S. 43 ff. 169 s. o. beim Juliaprozess von 8 n. Chr. 162 163

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war nur ein Vorwand, dem die rechtliche Begründung womöglich nicht mangelte.170 Eine aktive Beteiligung ist wenig wahrscheinlich, betont Ovid doch immer wieder, dass er nur etwas gesehen und selbst kein Verbrechen begangen habe.171 Er hatte die Verschwörer nicht angezeigt und war für Augustus daher mitverschworen. Die Betonung der Verurteilung wegen Anstiftung zum Ehebruch passt ins Bild: Die wahren Hintergründe sollten nicht klar erkennbar sein. Ein Ehebruchsskandal war für Augustus dagegen politisch unverfänglich. Ovid wusste, dass er die wahren Hintergründe nicht ansprechen durfte, wenn er seine Rückberufung erfolgreich betreiben wollte. In dem an Augustus gerichteten Teil der Tristien spricht er seine Ergebenheit gegenüber dem Kaiserhaus und der getroffenen Nachfolgeregelung an. Mit der offiziellen Anschuldigung, Anstiftung zum Ehebruch, hatte das nichts zu tun, aber Augustus wusste, was es zu bedeuten hatte: sospite sit tectum natus quoque sospes, et olim | imperium regat hoc cum seniore senex; | ut faciuntque tui, sidus iuvenale, nepotes, | per tua perque tui facta parentis eant.172 Die Stelle stützt die Verschwörungstheorie. Ovid distanziert sich von den Kritikern der getroffenen Nachfolgeregelung, ohne den wahren Grund seiner Verbannung für Dritte erkennbar zu erwähnen.

b) Die juristischen Fragen Neben diesen Hintergründen widmen sich moderne Autoren jedoch allzu selten der rechtlichen Dimension des Falls.173 Was war das für ein Gericht, das den Dichter verurteilte? Und – für uns bedeutender – auf welche Rechtsnorm wurde seine Verurteilung gestützt? Was war der genaue Inhalt des Urteils? Hielt sich der Kaiser an die gesetzliche Strafe oder stellte er sich über das geltende Recht? Diese Fragen werden allenfalls gestreift und die Ausführungen dazu bleiben an der Oberfläche. 170 Seine ars amatoria hatte er bereits vor mindestens neun Jahren veröffentlicht (s. Kenney, Art. Ovidius Naso, NP 9, 2000, Sp. 110 – 119, Sp. 112 f.) und eine Strafe hierfür käme tatsächlich reichlich spät. Allerdings wird ihm nicht das Verfassen des Buches als solches vorgeworfen, sondern nur Anstiftung zum Ehebruch durch das Buch. Die Haupttat, an die angeknüpft wurde (womöglich der Ehebruch der jüngeren Julia im selben Jahr), mag in jüngerer Vergangenheit liegen. Die offizielle Begründung der Verbannung war daher rechtlich originell und tatsächlich womöglich zutreffend, vgl. Liebs, Vor den Richtern (2007), S. 83 f. So wurden Anhaltspunkte dafür gesucht und auch gefunden, ob die juristische Begründung des Urteils womöglich von Ateius Capito, dem begabten Hofjuristen des Kaisers, stammte, vgl. Verdière, amour secret (1971) S. 623 – 648 und Janssens, Deux complexes (1981), S. 57 – 71. 171 Vgl. Ovid trist. 1, 2, 98 u. 2, 103. 172 Ovid trist. 2, 165 – 168: Mit dir Glücklichem (Augustus) lebe dein Sohn (Tiberius) auch glücklich und herrsche | mit dir Älterem weit in sein Alter hinein! | Und deine Enkel, ein Sternbild der Jugend, mögen als Beispiel | deinen Vater (Caesar) und dich nehmen, wie sie es ja tun! 173 Ausführlicher hierzu nunmehr Liebs, Vor den Richtern (2007), S. 79 – 88.

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Ovid wurde weder vom Senat noch von gewählten Richtern einer quaestio verurteilt. Vielmehr sprach Augustus selbst die Verbannung aus: nec mea decreto damnasti facta senatus, | nec mea selecto iudice iussa fuga est. | tristibus invectus verbis – ita principe dignum – | ultus es offensas, ut decet, ipse tuas.174 Zwar sind Einzelheiten über das Verfahren nicht überliefert. Doch lässt das nicht den Schluss zu, es habe keinerlei Gerichtsverhandlung gegeben.175 Eine Andeutung dazu findet sich in einem Brief an Ovids Freund Atticus: quis non horruerit tacitam quoque Caesaris iram? | addita sunt poenis aspera verba meis.176 Augustus muss demnach etwas zu dem Fall vorgetragen haben, Anklagepunkte, eine Begründung oder ähnliches. Freilich erfahren wir nicht, ob Ovid dazu Stellung nehmen und sich verteidigen konnte. Der Prozess um Ovid markiert die Anfänge eines außerordentlichen Kaisergerichts, das später deutlicher in Erscheinung treten wird. Ob man 8 n. Chr. diesbezüglich bereits von einem institutionalisierten Gericht sprechen kann, wird unterschiedlich bewertet.177 Immerhin wurde Ovid vom Kaiser als Richter verurteilt. Zunächst wurde Ovid Anstiftung zum Ehebruch zur Last gelegt. Bloße Anstiftung zum Ehebruch war mit einiger Wahrscheinlichkeit bereits strafbar nach dem ursprünglichen Tatbestand der lex Iulia de adulteriis, wie sich aus einem Ulpianfragment ergibt: Haec verba legis ,ne quis posthac stuprum adulterium facito sciens dolo malo‘ et ad eum, qui suasit, et ad eum, qui stuprum vel adulterium intulit, pertinent.178 Jedenfalls wurde Ovid aufgrund dieser lex bestraft. Darauf wurde das Strafurteil gestützt. Doch daneben bestand noch der tiefere Grund seiner Bestrafung. Diesen hätte man angeblich – was es auch immer mit dem error auf sich hatte – als Majestätsverbrechen ansehen können: causa mea est melior, qui non contraria fovi | arma, sed hanc merui simplicitate fugam.179 causa mea est melior, qui nec contraria dicor | arma nec hostiles esse secutus opes.180 cum poenae non sit causa cruenta meae. | non mihi quaerenti pessumdare cuncta petitum | 174 Ovid trist. 2, 131 – 134: Weder hast du mein Tun durch Beschluss des Senats verurteilt | noch wurde meine Verbannung durch einen gewählten Richter befohlen; | mit zornigem Wort drohend – so fordert es die Würde des Fürsten – | hast du, wie es sich gehört, deine Kränkung selbst geahndet. 175 So aber Leitner, Nasonis Relegatio (2005), S. 150. Grasmück, Exilium (1978), S. 136, meint sogar, es habe gar kein Urteil gegeben. 176 Ovid ep. ex Pont. 2, 7, 55 f.: Wer erschreckte nicht schon vor dem schweigenden Zorn des Kaisers? | Meiner Bestrafung wurden drohende Worte hinzugefügt. 177 Zum Meinungsstand oben Fn. 51. 178 Vgl. Ulp. 1 de adulteriis D. 48, 5, 13: Diese Worte des Gesetzes: ,niemand soll mehr wissentlich ein stuprum oder einen Ehebruch begehen‘ betreffen sowohl den, der dazu überredet, als auch den, der das stuprum oder den Ehebruch begangen hat. s. a. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 98 ff. u. 695. 179 Ovid trist. 1, 5, 41 f.: Meine Sache ist besser, da ich ja nicht feindliche Waffen führte und nur durch Torheit diese Verbannung verdiente. 180 Ovid trist. 2, 51 f.: Meine Sache ist besser: ich bin, man weiß es, kein Gegner, der dich bekämpfte und der sich feindlicher Macht verband.

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Caesareum caput est.181 Schwieriger ist die Antwort auf die Frage, ob das Urteil auch auf dieses Vergehen gestützt wurde. Für Augustus war ein Ehebruchsskandal politisch viel weniger verfänglich als eine Verurteilung wegen einer geplanten Verschwörung. Man darf annehmen, dass nach außen propagiert wurde, die Verurteilung beruhe allein auf Anstiftung zum Ehebruch. Ob in dem von Ovid angesprochenen Urteils-,Edikt‘ auch ein crimen maiestatis erwähnt wurde, ist seinen Äußerungen nicht zu entnehmen. Ist das Urteil veröffentlicht worden, was bei einem edictum eigentlich zwingend ist, dann ist eine Erwähnung eines Majestätsverbrechens und damit eine Veröffentlichung der wahren Hintergründe der Verbannung kaum denkbar. Für Augustus mag der Hauptgrund der Bestrafung seine persönliche Verletzung gewesen sein. Die Bestrafung erfolgte jedoch wegen Anstiftung zum Ehebruch. Auf ein crimen maiestatis wurde das Urteil wohl nicht gestützt. Gesetzliche Strafe der lex Iulia de adulteriis war, wenn oben das Richtige getroffen wurde, Verbannung in Form der Ausweisung aus Rom und dem italischen Festland, verbunden mit dem Verlust des Bürgerrechts und einer Vermögensquote.182 Welcher Art Ovids Verbannung war, geht eindeutig aus seinen Äußerungen hervor: Bürgerrecht und Vermögen wurden ihm nicht entzogen, wie er mehrmals betont.183 Allerdings wurde ihm ein bestimmter Ort angewiesen, Tomi an der Westküste des Schwarzen Meeres. Die Anweisung eines bestimmten Ortes war gesetzlich nicht vorgesehen. Sie begegnet erstmals in den Julia-Prozessen in Form der Verbannung auf Inseln. Neu an der Verbannung Ovids ist die Anweisung eines bestimmten Ortes auf dem Festland. Auch diese Form der Verbannung wird ihren Platz unter den Strafen der cognitio extra ordinem einnehmen. Diesbezüglich wurde die poena legis verschärft. Andererseits sind auch Milderungen erkennbar: Ovid hatte sein Vermögen und sein Bürgerrecht behalten, obwohl deren Verlust im Gesetz angeordnet war: insuper accedunt, te non adimente, paternae.184 nec mihi detractas possidet alter opes.185 nec mihi ius civis nec mihi nomen abest, | nec mea concessa est aliis fortuna.186 Diese Strafmilderung könnte daher rühren, dass er am Verbrechen in geringerem Ausmaß beteiligt war. Er hatte lediglich angestiftet.187 Der Umfang der Beteiligung wird als Gesichtspunkt, der bei der Strafzumessung Berücksichtigung fand, immer wieder begegnen.188 181 Ovid trist. 3, 5, 44 – 46: Ich habe die Strafe nicht durch eine blutige Tat verwirkt. Ich erstrebte nicht, alles zugrunde zu richten: ich habe das Haupt des Kaisers nicht bedroht. 182 Zur gesetzlichen Strafe s. o. B.I.2.a) und den Abschnitt über die Verbannungsstrafe, A.III.2. 183 Ovid trist. 2, 129 u. 5, 2, 56 f. 184 Ovid trist. 2, 129: Hierzu kommt, da du mir es nicht nimmst, mein väterliches Vermögen. 185 Ovid trist. 4, 4, 46: Er zog mein Vermögen nicht ein: keinem gehört es als mir. 186 Ovid trist. 5, 2, 56 f.: Nahmst mir nicht das Bürgerrecht, nahmst mir nicht meine Ehre, auch mein Vermögen wurde nicht an andere gegeben. 187 Vgl. Liebs, Vor den Richtern (2007), S. 86. 188 s. u. B.II.6., 20.e), III.5., VII.1.c), 2.b) und VIII.1.b). s. a. unten C.VI.

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Ovid betont mehrmals, dass er im Urteil des Kaisers nicht als exul, sondern als relegatus bezeichnet wird: adde quod edictum, quamvis immite minaxque, | attamen in poenae nomine lene fuit: | quippe relegatus, non exul dicor in illo.189 Liefert diese Äußerung weitere Auskünfte über die Art der Verbannung, die Ovid traf? Mehrere Autoren sind geneigt, die Verwendung des Wortes relegatus technisch zu verstehen, wie es nachweislich ab Hadrian und später dann von den spät- und nachklassischen Juristen gebraucht wurde.190 Damit schließen sie vom Rechtszustand der Hoch- und Spätklassik auf den der frühen Kaiserzeit. Das differenzierte System der strafrechtlichen Verbannung in den Digesten, gegliedert in die beiden Kategorien relegatio und deportatio, kann jedoch nicht schon für die frühe Kaiserzeit vorausgesetzt werden.191 Könnte man die Äußerung Ovids aber nicht doch als Beleg für die technische relegatio schon unter Augustus verstehen? Seine Verbannung ohne Verlust des Bürgerrechts und des Vermögens entspricht der technischen relegatio in den Digesten. Wäre Ovid mit der technischen relegatio bestraft worden, dann wären ihm Vermögen und Bürgerrecht ganz selbstverständlich geblieben. Es wäre nicht erklärlich, warum er das auffällig oft betont, so, als wäre es eine Ausnahme. Tatsächlich war das eine Ausnahme, jedoch nicht von der technischen relegatio, sondern von der lex Iulia de adulteriis coercendis, deren poena legis auf aqua et igni interdictio bzw. exilium lautete. Die lex sah den Verlust des Bürgerrechts und einer Vermögensquote vor. Beides blieb Ovid ausnahmsweise erspart. Deswegen betont er es so häufig in dankbarer Ergebenheit gegenüber Augustus. Fasst man Ovids Äußerungen umgekehrt dahingehend auf, dass er eben nur relegatus sei und ihm deswegen Vermögen und Bürgerrecht selbstverständlich geblieben sind, dann könnte man relegatio tatsächlich technisch verstehen. So sind die Äußerungen jedoch nicht gemeint. Führen wir uns die Aussage Trist. 2, 136 f. nochmals vor Augen: edictum, quamvis inmite minaxque, | attamen in poena nomine lene fuit: | quippe relegatus, non exul dicor in illo. Die Strafe, die ihm widerfahren ist, findet Ovid hart. Nur ihre Bezeichnung kommt ihm mild vor. Er kann mit relegatus deshalb nicht die technische relegatio gemeint haben, der seine Strafe gerade entsprach. Der technische Begriff relegatio bezeichnet nicht etwas hartes mild, sondern ist neutral. Er bedeutet Verbannung ohne Verlust des Bürgerrechts und des Vermögens, sonst nichts. Im Übrigen hätte Ovid dem relegatus nicht den 189 Ovid trist. 2, 136 f.: Dazu war das Edikt zwar ungnädig und bedrohlich, doch in der Bezeichnung der Strafe mild: ich werde darin zwar relegatus genannt, doch nicht exul. Ebenso trist. 5, 2, 57 f.; 5, 2, 61; 5, 2, 9; 5, 11, 21 u. 5, 11, 29. 190 Vgl. Thibault, Ovid’s Exile (1964), S. 11, Nelson / Manthe, Gai Institutiones (2007), S. 65. Auch Leitner, Nasonis Relegatio (2005), S. 150: ,Vom Standpunkt des Juristen aus ist festzuhalten, dass Ovid (bloß) relegiert worden ist. Er durfte also sein Vermögen behalten und blieb römischer Bürger, Privilegien, die bei einer deportatio nicht gewährt wurden. Ovids Relegation war in perpetuum‘. 191 Dazu ausführlich oben im Abschnitt über die Verbannungsstrafe im römischen Strafrecht, A.III.2.b).

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exul, sondern den deportatus gegenüberstellen müssen, denn die deportatio war das technische Gegenstück zur relegatio und bedeutete Verbannung mit Verlust des Bürgerrechts und des Vermögens. Deportare und deportatio kommen in seinen Schriften nicht ein einziges Mal vor.192 Es wäre überraschend, wenn nur bei Ovid die technische relegatio vorkommen würde, obwohl die technische Verwendung der Begriffe relegatio und deportatio für den Beginn der Kaiserzeit sonst nicht nachzuweisen ist.193 Der Fall Ovid mag zur Herausbildung der technischen relegatio beigetragen haben, denn außerordentlicherweise wurde vom Verlust des Bürgerrechts und des Vermögens abgesehen, was später die technische relegatio kennzeichnete. Doch eine relegatio im technischen Sinne des späteren Rechts war das noch nicht. Warum legt er dennoch so großen Wert auf die Unterscheidung von relegatus und exul? Möglicherweise hat er in Erinnerung, dass relegare in republikanischer Zeit, als die Gesetze nur Todesstrafe und keine Verbannung kannten, eine administrative Maßnahme war, während man denjenigen, der in die Verbannung floh, um der Vollstreckung eines Todesurteils zu entrinnen, als exul bezeichnete. Ovid will womöglich den Rechtsakt, der gegen ihn erging, lieber als administrative Maßnahme und nicht als Strafurteil verstanden wissen. Denn eine Verwaltungsmaßnahme ändert man bereitwilliger ab als ein Strafurteil. Vielleicht nur deshalb bezeichnet er das Urteil immer wieder als edictum, weil er ein Strafurteil als Stigmatisierung empfindet. Eine Verwaltungsmaßnahme wäre erträglicher. Nur deshalb könnte er auf den Wortlaut relegatus, non exul Wert legen. Aus dem gleichen Grund mag er sich an anderer Stelle profugus194 nennen bzw. von fuga195 sprechen. Außerdem dürfte er in Erinnerung gehabt haben, dass Cicero den Begriff exul gelegentlich aus dem rechtlichen Kontext löste und ihn in übertragener Bedeutung als Schimpfwort verwendete.196 In Wahrheit war Ovid exul und seine Strafe Verbannung, was man in dieser Zeit aqua et igni interdictio oder exilium nannte.197 Oft verheimlicht er selbst dies nicht einmal, indem er sich exul198 und seine Strafe exilium199 nennt. Die strafrechtliche Verbannung mit relegare zu bezeichnen, scheint zu dieser Zeit erst aufgekommen zu sein. Für Ovid ist der Begriff im Edikt überraschend und er unterstreicht gern die begriffliche Parallele zur früheren, lediglich administrativen Verbannung.200 s. o. A.III.2.b)aa)(1)(c). s. o. A.III.2.b)aa). 194 Ovid trist. 5, 2, 62. 195 Ovid trist. 1, 5, 42. 196 Cic. parad. 4, 31. Dazu Fuhrmann, Rez. z. Crifò Exilium I (1963), S. 457. 197 s. o. A.III.2.b)aa). 198 Ovid ep. ex Pont. 1, 1, 22; 1, 1, 65; 1, 2, 111; 1, 8, 7; 2, 6, 3; 2, 7, 67, trist. 1, 1, 3; 1, 2, 37; 1, 2, 74; 1, 3, 82; 1, 5, 66; 2, 188; 3, 1, 1; 3, 3, 36; 3, 3, 66; 3, 13, 3; 4, 1, 3; 4, 3, 49; 4, 10, 74; 5, 9, 6; 5, 11, 2, ibis 113 u. 578. 199 Ovid ep. ex Pont. 1, 1, 61; 2, 7, 63; 3, 3, 39, trist. 2, 577; 3, 11, 35 f. u. 5, 10, 40. 200 s. a. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 966 Fn. 5. 192 193

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Augustus setzte sich als Richter über das geltende Recht hinweg. Er knüpfte an die Juliaprozesse an und wandelte die Strafe nach den Bedürfnissen des Falles ab. Ovid wurde ihm politisch gefährlich. Er musste so weit wie möglich aus Italien entfernt werden. Tomi lag am Ende des damaligen Reiches, und die Region war schlechter mit Rom vernetzt als andere ähnlich weit entfernte Gegenden, die über das Mittelmeer für antike Verhältnisse einigermaßen gut zu erreichen waren. Auf die Entziehung des Bürgerrechts und des Vermögens kam es Augustus nicht an. Ovid war durch die weite Entfernung von Rom hinreichend unschädlich. Der Bürgerrechtsverlust war Nebenfolge der strafrechtlichen aqua et igni interdictio. Er trägt den Charakter des Ausschlusses aus der Bürgergemeinschaft und ist Ausdruck einer demokratischen Fundierung des Strafens, wie sie dem alten Komitialverfahren eigen war und in den mit Bürgern besetzten Spruchkörpern der quaestiones fortlebte. Ovids Verbannung jedoch ist von anderer Art. Sie erfolgte nicht durch die Autorität der römischen Bürger, sondern aufgrund kaiserlicher Machtvollkommenheit. Für Augustus war der Ausschluss aus der Bürgergemeinschaft kein zentrales Anliegen. Ovid musste nur von Rom entfernt werden. Dafür genügte die Anweisung seines Aufenthalts in der Stadt Tomi. Die Anweisung einer Insel wäre dafür allerdings nicht weniger geeignet gewesen als die Anweisung Tomis. Die italischen Inseln mögen zu nah bei Rom gelegen haben, doch wäre eine der zahlreichen Inseln im ägäischen Meer in Betracht gekommen, die freilich von Rom aus immer noch relativ einfach zu erreichen waren. Warum Ovid nicht auf eine Insel verbannt wurde, wissen wir nicht, doch kann man darüber spekulieren. Möglicherweise hielt Augustus Verbannung auf eine Insel im Fall Ovid nicht für erforderlich. Verbannung auf eine Insel konnte die Lebensführung des Verbannten erheblich beeinträchtigen, wie die Verbannung der älteren Julia nach Pandateria. Eine derartige Marter hielt der Kaiser bei Ovid offenbar nicht für notwendig. Es genügte, dass er weit von Rom entfernt war. Dass es ihm an seinem Verbannungsort besonders schlecht erging, war weniger wichtig. Zwar berichtet Ovid von unerträglichen Zuständen in Tomi. Doch übertreibt er dabei. Er hatte dort mehr als das zum Leben Notwendige, brauchte in seiner Verbannung – anders als die ältere Julia – nicht physisch zu leiden. Psychisch litt er durch die Entfernung von Rom, wo er Teil einer Kultur gewesen war. Er selbst sagt, dass er auch zum Tode hätte verurteilt werden können. Immer wieder erwähnt er, dass ihm sein Leben gelassen wurde: quamque dedit vitam mitissima Caesaris ira.201 vita data est, citraque necem tua constitit ira.202 ira quidem moderata tua est, vitamque dedisti.203 Womöglich dachte er an Iullus Antonius, der in den Juliaprozessen wegen Ehebruchs und crimen maiestatis zum Tode verurteilt und hingerichtet worden war. Hier genügte Verbannung, um jede Einflussnahme Ovids in Rom zu verhindern. 201 202 203

Ovid trist. 1, 2, 61: Und der gnädige Zorn des Kaisers schenkte mir das Leben. Ovid trist. 2, 127: Mir ist das Leben geschenkt, dein Zorn macht vor der Tötung halt. Ovid trist. 5, 2, 55: Doch dein Zorn ist mild: du hast mir das Leben gelassen.

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Augustus hatte die Strafe gewählt, die der Fall erforderte. An die gesetzliche Strafe hielt er sich nicht. Er verschärfte sie hier und milderte sie dort ab, gerade so, wie er es für die Bestrafung Ovids am passendsten hielt, und füllte den bestehenden oder auch angemaßten Ermessensspielraum mit Bedacht aus. Dass er auf Vermögenskonfiskation und Bürgerrechtsverlust lediglich verzichtete, um seine Milde zur Schau zu stellen und seine Popularität zu vergrößern, ist nicht ersichtlich und auch weniger wahrscheinlich. Es war ihm in diesem Fall vielmehr daran gelegen, nach außen Strenge zu demonstrieren. Die Milderung der Strafe in den genannten beiden Punkten kann ein Beispiel echter kaiserlicher clementia sein, doch sollte das nicht über die Härte der Strafe als solche hinwegtäuschen.

5. Der Prozess gegen den Redner Cassius Severus (zwischen 8 und 12 n. Chr.) Zwischen 8 und 12 n. Chr.204 wurde der Redner Cassius Severus205 wegen Schmähschriften gegen Angehörige der höchsten Aristokratie bestraft und nach Kreta verbannt. Die Bestrafung wurde auf die lex Iulia maiestatis gestützt, die in diesem Fall – wie Tacitus schreibt206 – erstmals auf libelli famosi angewandt worden sei. Der Bericht über Verbannungen wegen Schmähschriften bei Cassius Dio207 betrifft wohl auch diesen Fall. Offenbar wurden neben Cassius noch andere Schriftsteller verbannt. Ihre Schriften wurden eingezogen und verbrannt. Caligula soll die Schriften des Cassius aus propagandistischen Gründen wieder in Umlauf gebracht haben.208 Tacitus’ und Dios Berichte sind auf Augustus ausgerichtet und erwecken den Eindruck, als wäre das Urteil vom Kaiser gesprochen worden. An anderer Stelle berichtet Tacitus,209 Cassius sei iudicio iurati senatus nach Kreta verbannt worden. Die Verbannung erfolgte also durch Senatsurteil. Die Stelle verrät außerdem, dass 204

Zur Datierung ausführlich d’Hautcourt, L’exile de Cassius Severus (1995), S. 315 –

318. 205 Cassius Severus war ein hervorragender Redner der augusteischen Zeit. Sein republikanisches Wesen und seine Vorliebe für die alte Ordnung hielt er nicht zurück, was ihm den Weg zu den höchsten Ehrenstellen verbaute. Augustus hatte ihn lange gewähren lassen und in einem früheren Strafverfahren sogar einen Freispruch erwirkt. Schließlich aber ließ er ihn fallen. Zu ihm ausführlich Robert, De Cassii Severi eloquentia (1890) und Brzoska, Art. Cassius (89), RE III 2, 1899, Sp. 1744 – 1749. s. a. Winterbottom, Quintilian and the vir bonus (1964), S. 91 f. u. 95, Fairweather, Seneca the Elder (1981), S. 279 – 283, Toher, Roman Historiography (1990), S. 139 – 154, d’Hautcourt, L’exile de Cassius Severus (1995), S. 315 – 318, Lassandro, La condanna di Cassio Severo (1996), S. 213 – 218 und Rutledge, Imperial Inquisitions (2001), S. 209 – 212. 206 Ann. 1, 72. 207 56, 27, 1. 208 Suet. Cal. 16, 1. 209 Tac. ann. 4, 21.

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das Vermögen des Redners zunächst nicht eingezogen wurde. Haben die Senatoren die gesetzliche Strafe angewandt? Poena legis der lex Iulia maiestatis war Verbannung in Form der Ausweisung aus Rom und dem italischen Festland, verbunden mit dem Verlust des Bürgerrechts und des halben Vermögens.210 Zwar wurde Cassius verbannt, jedoch wurde er auf eine Insel verbannt, durfte entgegen der gesetzlichen Bestimmung seinen Aufenthaltsort außerhalb Italiens nicht frei wählen. In diesem Punkt verschärfte das Gericht die poena legis erheblich. Der Verzicht auf Vermögenskonfiskation stellt dagegen eine Milderung dar. Was bewog die Senatoren, von der gesetzlichen Strafe abzuweichen? Motive teilt uns Tacitus nicht mit. Doch lässt sich einiges aus den Umständen des Falles ableiten. Wie einst die Juliaprozesse, war auch dieser Fall wieder politisch. Möglicherweise stand abermals das Ansehen der Kaiserfamilie auf dem Spiel. Die Richter waren der Ansicht, ein Tatbestand der lex Iulia maiestatis sei erfüllt gewesen.211 Sie gingen nicht so weit wie gegenüber dem Julia-Liebhaber Iullus, der gleichfalls wegen crimen maiestatis angeklagt war, und entschieden sich nicht für ein Todesurteil. Die gesetzliche Verbannungsstrafe könnte beschränkend gewirkt haben. Ein Todesurteil wäre womöglich als zu weitgehend erachtet worden, zumal es mit einiger Wahrscheinlichkeit erhebliche Bedenken gab, ob das Verhalten überhaupt strafwürdig war. Sich jedoch gänzlich dem princeps zu widersetzen, verbot sich für den Senat. Cassius musste von der Bildfläche verschwinden. Das wäre er auch, wenn die gesetzliche Strafe der bloßen Ausweisung aus Rom und Italien angewandt worden wäre. Doch dann wäre Cassius ein wesentlich weiterer Handlungsspielraum geblieben, seine Umtriebe fortzusetzen, als bei der Festsetzung auf eine Insel. Kontrollierbarkeit spielte wie bei den Julia-Verbannungen auch hier eine Rolle. Verbannung auf italische Inseln war den Senatoren aus den Prozessen um Julia geläufig. Sie entschieden sich gegen eine solche und verbannten Cassius nach Kreta. Die italische Insel Pandateria war eine sehr unwirtliche Insel, auf der ein Überleben ohne fremde Hilfe nicht möglich war. Auch die übrigen italischen Inseln boten nicht viel angenehmere Lebensumstände.212 Kreta dagegen zeigte ein s. o. A.I.2.b). Schutzobjekt der caesarischen lex waren populus und senatus Romanus, nicht der princeps (s. o. B.I.2.b)). Einen Kaiser hatte es zum Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes noch nicht gegeben. Die Anwendung der lex auf Schmähschriften ist – wie auch Tacitus berichtet – eine Neuheit. Dieses Tatbestandsermessen, das der Senat (mit einiger Sicherheit auf Betreiben des Kaisers) für sich in Anspruch nimmt, soll hier außer Betracht bleiben. Entscheidend ist, dass das Verhalten auf die lex Iulia maiestatis gestützt wurde. s. dazu auch oben Fn. 128. 212 s. zu den Inseln Nissen, Italische Landeskunde I (1883), S. 366 ff. Zahlreich sind die italischen Inseln nicht. Sie lassen sich in sechs Gruppen unterteilen, die allesamt aus kleinen bzw. sehr kleinen Inseln bestehen. Die meisten waren unbewohnt und boten Umstände, die ein längeres Verweilen nicht zuließen. Auch die etwas größeren und bewohnten Inseln, etwa Ilva, das heutige Elba, Pontiae (Ponza), Aenaria (Ischia), Capreae (Capri), Liparae (Lipara), 210 211

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anderes Bild:213 Bereits die berühmte minoische Kultur aus dem zweiten Jahrtausend v. Chr. zeugt von den günstigen Verhältnissen auf der größten griechischen Insel. Die fruchtbare Mesara-Ebene im Süden von Zentralkreta und das bereits von antiken Autoren gerühmte Klima214 gewährleisteten die Versorgung mit Lebensmitteln. Fließendes Süßwasser war in ausreichender Menge vorhanden. Nach der Eroberung durch die Römer 67 v. Chr. wurde Kreta durch Augustus Teil der neuen Doppelprovinz Creta et Cyrenae. Gortyn wurde Provinzhauptstadt, an deren Bauten und Infrastruktur sich der wirtschaftliche und kulturelle Aufschwung Kretas in der römischen Kaiserzeit ablesen lässt. Cassius hatte es mit seiner Verbannung annehmbar getroffen. Sein Vermögen war ihm geblieben, und Kreta ermöglichte ein angenehmes Leben, wenn auch fern der Hauptstadt Rom, ohne die Möglichkeit politischer Einflussnahme. Das genügte als Strafe einstweilen. Bei dieser Entfernung von Rom schien die Gefahr weiterer Umtriebe und einer Beeinträchtigung des Ansehens des Kaiserhauses gebannt. Durch möglichst beschwerliche Lebensumstände zu strafen, wie bei Julias Verbannung, war hier offenbar nicht angezeigt. Das senatorische Urteil war maßvoll. Zwar wurde die gesetzliche Strafe teils überschritten, teils wurde sie jedoch auch unterschritten. Die Strafe fiel nicht schwerer aus, als es die Umstände erforderten. Von einem Todesurteil wurde abgesehen und auch die harte Strafe der Verbannung auf eine italische Insel wurde nicht gewählt. Bemerkenswert ist der Verzicht auf Todesstrafe. Obwohl das Urteil vom Senat gefällt wurde, darf der Einfluss des princeps nicht gering eingeschätzt werden. Im Prozess gegen den Julia-Liebhaber Iullus dürfte Augustus die Todesstrafe für den Majestätsverbrecher favorisiert haben. Hier nun sollte Verbannung auf eine Insel genügen. Seit den Prozessen um die ältere Julia sind etwa zehn Jahre vergangen. Inzwischen könnte sich beim Kaiser ein rechtspolitischer Wandel vollzogen haben. Jedenfalls thematisiert Dio215 so etwas in einem Gespräch zwischen Augustus und Livia, das um das Jahr 4 n. Chr. stattgefunden haben soll. Inhaltlich darf man der Darstellung Glauben schenken, wenn Dio die rechtspolitischen Erwägungen des Kaisers erzählerisch auch in einen womöglich fiktiven Dialog zwischen Kaiser und Kaiserin gekleidet haben mag. Aus Anlass verschiedener Verschwörungen denkt Augustus über die Strafen der Täter nach. Livia rät ihm, von Todesstrafe abzusehen. Sie meint, es sei klüger, öffentliches Ärgernis und die Anstößigkeit von Hinrichtungen zu vermeiden. Ohne den Hass römischer Bürger auf sich zu laden, Melita (Malta), die das zum Überleben Notwendige boten, waren für einen Römer keine Orte, an denen man sich einen längeren Aufenthalt vorstellen konnte. Sizilien, Sardinien und Korsika betrachteten die Römer nie als Verbannungsinseln. Senecas Verbannung nach Korsika (s. u. B.IV.1.) ist eine Ausnahme. 213 Vgl. Sanders, Roman Crete (1982) und Niehoff, Art. Kreta, NP 6, 1999, Sp. 828 – 834. 214 Vgl. Teophr. h. plant. 9, 16, 1 – 3. 215 55, 14 – 22. Ähnlich bereits der Ratschlag Livias, wie Augustus gegen die Verschwörung Cinnas vorgehen sollte, s. Sen. de clem. Dazu Shotter, Cinna Magnus (1974), S. 306 – 313 und Grimal, La conjuration de Cinna (1987), S. 49 – 57.

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könne Augustus besser für die öffentliche Sicherheit wirken, wenn er die gefährlichen Personen auf dem Festland oder auf einer Insel isoliere und nötigenfalls bewachen lasse. Dann könne kein Verbannter mehr eine politische Rolle spielen. Diese Erwägungen mussten einem Staatsmann zusagen, dessen Grundsatz es war, mit möglichst wenig Gewaltmaßnahmen möglichst viele einzuschüchtern. Mit einiger Wahrscheinlichkeit waren das sogar seine eigenen Erwägungen. Wenn es zunächst auch anders erscheinen mag, ist darin keine ethisch motivierte Abneigung des Kaisers gegenüber harten Strafen zu erblicken. Die Erwägungen waren machtpolitisches Kalkül, keine Milde kraft Wesensart. Clementia und utlitas publica verbinden sich.216 Es ist gut möglich, dass Augustus im Fall des Cassius Severus den Senat in dieser Richtung beeinflusst hat und auf die im Vergleich mit dem Todesurteil gegen den Julia-Liebhaber Iullus mildere Strafe der Verbannung hinwirkte.217 Majestätsprozesse sind konstitutionell politisch und politisch wird die Ermessensausübung der Gerichte bei dieser Art von Prozessen von nun an auch immer sein. Cassius musste aus Rom entfernt werden. Das politische Klima erhielt ihm jedoch sein Leben und bescherte ihm ein einigermaßen angenehmes Leben auf Kreta.

6. Der Prozess gegen L. Valerius Messala Volesus (13 n. Chr.)218 Im Rahmen eines Repetundenprozesses des Jahres 22 n. Chr. ließ Tiberius vor dem Senat ein Schreiben, das Augustus 13 n. Chr. an diesen gerichtet hatte, und den auf dieses Schreiben hin ergangenen Senatsbeschluss gegen Messala verlesen.219 Deshalb wissen wir, dass Messala vor Gericht stand. Über den Inhalt des Schreibens und des Senatsbeschlusses berichtet Tacitus nichts. Doch lässt sich aus dem Zusammenhang der Stelle einiges erschließen. 22 n. Chr. wurde gegen C. Silanus vor dem Senat wegen mit saevitia verbundener Repetundenvergehen220 verhandelt. Den Fall Messalas, der wie der Angeklagte C. Silanus Statthalter der Provinz Asia gewesen war, trägt Tiberius gleichsam als Präzedenzfall vor: Tiberius quae in Silanum parabat quo excusatius sub exemplo acciperentur, libellos divi Augusti de Voleso Messala eiusdem Asiae pro consule factumque in eum senatus Dazu auch oben A.II.2. Vgl. Bauman, Crime and Punishment (1996), S. 53. 218 Tac. ann. 3, 66 – 68, Sen. de ira 2, 5, 5. Sen. controv. 7, 6, 22. Dazu Bleicken, Senatsgericht (1962), S. 35 u. 44, Kunkel, Entstehung des Senatsgerichts (1969), S. 299 f., Bauman, Human Rights (2000), S. 89 f. 219 Tac ann. 3, 68. 220 Tac ann. 3, 66: repetundarum a sociis postulatum, und Tac. ann. 3, 67: saevitia captarumque pecuniarium teneri reum. Mit saevitia verbundene Erpressung war vermutlich ein Tatbestand der lex Iulia repetundarum, auf dessen Verwirklichung kapitale Bestrafung stand, vgl. Kunkel, Art. quaestio, RE, art. cit., Sp. 749. 216 217

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consultum recitari iubet.221 Auch Messala muss daher wegen mit saevitia verbundener Repetundenvergehen angeklagt gewesen und vom Senat222 verurteilt worden sein. Anderenfalls wäre sein Fall für Tiberius nicht dienlich gewesen. Im Übrigen verwundert eine derartige Anklage bei Messala nicht. Seneca223 berichtet nämlich, derselbe Messala soll als Statthalter von Asien an einem Tag 300 Menschen haben hinrichten lassen und dann stolz zwischen den Leichen hindurchgeschritten sein, wobei er, als hätte er etwas Großes vollbracht, auf griechisch gesagt haben soll: ,Oh königliche Tat!‘. Eine Verurteilung nach der lex Iulia repetundarum steht also fest. Weniger bestimmt lässt sich aus dem taciteischen Bericht schließen, welche Strafe Messala getroffen hatte. C. Silanus, um dessen Verurteilung es ging, wurde unter Einziehung seines Vermögens auf die Insel Cythnus im ägäischen Meer verbannt. Zunächst war die nicht weit davon entfernt liegende, jedoch weniger angenehme Insel Gyarus erwogen worden. Eine härtere oder mildere Strafe stand nicht zur Debatte. Man kann aus diesen Umständen mit einiger Sicherheit schließen, dass auch Messala mit Vermögenseinziehung und Verbannung auf eine nicht-italische, womöglich ebenfalls ägäische Insel bestraft wurde, denn die debattierenden Senatoren haben für C. Silanus kaum eine andere Strafe als die vorgeschlagen, die Tiberius durch Verlesung des Urteils, das über Messala gefällt worden war, angeregt hatte. Poena legis der lex Iulia repetundarum war jedoch Verbannung in Form der Ausweisung aus Italien, verbunden mit Verlust des Bürgerrechts und des halben Vermögens.224 Die Tendenz, die gesetzliche Strafe zu verschärfen, setzt sich im Prozess gegen Messala also fort. Warum sich Augustus und die Senatoren nicht mit der gesetzlichen Strafe, Ausweisung aus Rom und dem italischen Festland etc., begnügten, ist in diesem Fall nicht mehr zu ermitteln. Fest steht, dass Augustus die Familie der Valerii Messalae wiederholt bevorzugte und auch der verurteilte Mes221 Tac. ann. 3, 68 init.: Tiberius befahl, damit das Vorgehen gegen Silanus aufgrund der Berufung auf einen früheren Fall umso größere Rechtfertigung fände, dass die Briefe des vergöttlichten Augustus im Fall des Messala Volesus, der ebenfalls Statthalter Asiens war, und der gegen ihn ergangene Senatsbeschluss vorgelesen würden. 222 Dessau, Geschichte I (1924), S. 140 Fn. 3, Anderson, Augustan Edicts (1927), S. 47, Volkmann, Zur Rechtsprechung (1969), S. 61 u. 100 und Kunkel, Entstehung des Senatsgerichts (1969), S. 300 meinen, der Tac. ann. 3, 68 genannte Senatsbeschluss sei eine bloße Bekräftigung und ggf. Verschärfung eines von der quaestio repetundarum gefällten Urteils gegen Messala. Sie stützen sich auf Sen. controv. 7, 6, 22: Saturninus Furius, qui Volesum condemnavit . . . . Das kann jedoch nicht dahingehend verstanden werden, dass Furius Messala selbst verurteilt hätte. Auch als Vorsitzender einer quaestio hätte er den Angeklagten nicht selbst verurteilen, sondern nur das Urteil der Geschworenen verkünden können. Näher liegt, dass Furius, der Rhetoriklehrer und Gerichtsredner war (vgl. Stein, Art. Furius Saturninus (582), PIR III, 1943, S. 229), durch seine Anklage die Verurteilung bewirkt hatte. Zutreffend Bleicken, Senatsgericht (1962), S. 35. 223 De ira 2, 5, 5. 224 s. o. B.I.1.a).

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sala früh zu hohen Würden gelangt war.225 Als sich nun zeigte, dass ein zweifelhafter Charakter gefördert worden war, mag sich der Kaiser in der öffentlichen Pflicht gefühlt haben, hart durchzugreifen.

7. Zwei Fälle von parricidium a) Verwandtenmord Sueton berichtet in seiner Augustusbiographie226 von einer Anklage wegen Verwandtenmordes: manifesti parricidii reum.227 Der Fall ist an anderer Stelle nicht überliefert und auch der Name des Angeklagten wird nicht genannt, weswegen der Prozess nicht näher datierbar ist. Augustus war selbst Richter.228 Welches Urteil gefällt wurde, wird nicht ausdrücklich gesagt. Doch habe Augustus den Angeklagten vor der grausamen Todesstrafe durch Säcken229 bewahrt, die nur bei gestäns. hierzu Hanslik, Art. L. Valerius (270), RE VIII A 1, 1955, Sp. 170 f., Sp. 170. Suet. Aug. 33, 1. 227 Über die Etymologie des Wortes parricidium wurde viel gerätselt. Einen Überblick über die mannigfachen Deutungsversuche liefert Leifer, Art. Paricidas, RE XVIII 4, 1949, Sp. 1472 – 1479. s. a. Baer, parricidium (1986), Sp. 445 – 448. Ohne Zweifel ist, dass man unter dem in der lex Pompeia de parricidiis verwendeten Begriff parricidium Verwandtenmord verstand. Dass unter parricidium in der späten Republik nicht der engere Vatermord, den man etymologisch von patricidium herzuleiten versucht hatte, zu verstehen ist, hat bereits Mommsen, Strafrecht (1899), S. 612 f. gezeigt. 228 Der Fall ist als Beispiel einer Verhandlung vor dem sich herausbildenden Kaisergericht anzusehen, vgl. Volkmann, Zur Rechtsprechung (1969), S. 71 u. 75. Einzig Kelly, Princeps iudex (1957), S. 12 f. hält eine quaestio für plausibler. Er begründet das damit, dass der Kaiser anderenfalls nicht an die traditionelle Säckungsstrafe gebunden gewesen wäre, sondern eine Strafe nach freiem Ermessen hätte festlegen können. Der Fall passe daher nicht ,zu dem bekanntlich freien Verfahren der cognitio extra ordinem‘. Dabei übergeht er, dass sich ein außerordentliches Kaisergericht in augusteischer Zeit erst herauszubilden begann, weswegen nicht von einem bereits feststehenden Verfahren mit freier Strafzumessung ausgegangen werden kann, woraus dann Schlüsse gezogen werden könnten. Die bisherigen Fälle zeigten gerade keine völlige Unabhängigkeit von den gesetzlichen Strafen. Gegen eine quaestio spricht darüber hinaus, dass Sueton im selben Zusammenhang berichtet, Augustus habe Recht auch in seinem Haus von seinem Lager aus gesprochen (Suet. Aug. 33, 1: ipse (Augustus) ius dixit . . . etiam domi cubans), was mit einem Quästionenverfahren nicht gut vereinbar wäre. Groag, Art. Tarius (3), RE IV A 2, 1932, Sp. 2320 – 2323, Sp. 2323 hält die Angaben Suetons ohne Grund für ungenau und setzt den Fall mit dem bei Sen. de clem. 1, 20, 3 (s. sogleich b)) erwähnten Fall gleich, nimmt also weder Kaisergericht noch quaestio, sondern das Hausgericht eines Privatmanns an. 229 Wurde eine Angeklagter zum Tod durch Säcken (poena cullei) verurteilt, dann wurde er zusammen mit Schlangen (vgl. Plut. Gracch. 20, Sen. controv. 5, 4 u. 7, 1, 23, Sen. de clem. 1, 15, C. Th. 9, 15, 1), einem Hahn und einem Hund (vgl. Dositheus Hadr. sent. 16, Modestin 12 pand. D. 48, 9, 9, Inst. 4, 18, 6, Isidor orig. 5, 27, 36) oder einem Affen (Juvenal 8, 214 und 13, 156) in einen Ledersack gesteckt und in den Tiber gestürzt. Zur Säckung s. a. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 921 ff., Briquel, mode d’exécution (1980), S. 87 – 107 und Cantarella, Supplizi Capitali (1991), S. 264 ff. 225 226

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digen Verwandtenmördern angewandt worden sei, indem er ihn gefragt habe: certe patrem tuum non occidisti? und ihn dadurch von einem Geständnis abgehalten habe. Aus dem Zusammenhang zu schließen, wird der Angeklagte zu einer weniger schweren Todesstrafe verurteilt worden sein, wohl zu dem ab der Kaiserzeit üblichen Tod durch Enthauptung mit dem Schwert.230 aa) Die poena legis der lex Pompeia de parricidiis231 Verwandtenmord war eine Sonderkategorie des Mordes und wurde zu dieser Zeit nicht nach der sullanischen lex Cornelia de sicariis et veneficiis, sondern nach der jüngeren lex Pompeia de parricidiis bestraft. Die lex wurde wahrscheinlich 55 v. Chr. durchgebracht.232 Viele Zeugnisse belegen, dass parricidium vor ihrem Erlass mit Säckung bestraft wurde.233 Auch in der Spätantike war Strafe für parricidium die Säckung, wie eine Konstitution Konstantins von 318 n. Chr. belegt: insutus culleo et inter eius ferales angustias comprehensus serpentum contuberniis misceatur et, ut regionis qualitas tulerit, vel in vicinum mare vel in amnem proiciatur.234 Ob die gesetzliche Strafe der lex Pompeia de parricidiis ebenfalls Säckung war, ist hingegen umstritten. 230 Die Anfänge dieser für die Kaiserzeit üblichen Todesstrafe sind nicht genau bestimmbar. Vermutlich war das die regelmäßige Form der Todesstrafe seit der Zeit, da Todesurteile wieder vollstreckt wurden, vgl. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 923 f. 231 s. zur lex Landucci, Lex Pompeia de parricidiis (1898), S. 304 – 322, Radin, The Lex Pompeia (1920), S. 119 – 130, Cloud, Parricidium (1971), S. 1 – 66, Fanizza, parricidio (1979), S. 266 – 289, Lassen, Parricidium (1992), S. 147 – 161, Lovisi, Peine de Mort (1999), S. 298 f., Nogrady, Römisches Strafrecht nach Ulpian (2006), S. 210 – 214, Robinson, Penal Practice (2007), S. 44 – 47. 232 Vgl. Zumpt, Criminalrecht II, 2 (1869), S. 361, Costa, Crimini e pene (1921), S. 71, Levy, Die Römische Kapitalstrafe (1930 / 31), S. 28, Lanfranchi, Retori Romani (1938), S. 493, Arangio-Ruiz, Storia (1957), S. 181, Kunkel, Art. quaestio, RE, art. cit., Sp. 746, Guarino, Storia (1981), S. 259, Santalucia, Diritto e processo penale (1998), S. 161, Nogrady, Römisches Strafrecht nach Ulpian (2006), S. 213. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 644 f., de Visscher, Études (1931), S. 442, und Jolowicz, Roman Law (1932), S. 324, möchten die lex in das Jahr 70 v. Chr. datieren. Mommsen nimmt zu Unrecht an, mit ihr sei die Todesstrafe für parricidium abgeschafft worden, und das passe besser zur Haltung des Pompeius in seiner Magistratur des Jahres 70 v. Chr. als zu seinen späteren Konsulaten (55 u. 52 v. Chr.). Radin, The Lex Pompeia (1920), S. 122 f. erwägt sogar das Jahr 81 v. Chr. wegen des parricidiumProzesses gegen Sextus Roscius Amerinus im Jahre 80 v. Chr. Roscius konnte aber bereits nach der sullanischen lex Cornelia de sicariis et veneficiis angeklagt werden, weswegen diese Auffassung keinesfalls zwingend ist. 233 Roscius Amerinus musste als parricidii accusatus 80 v. Chr. mit der poena cullei rechnen (Cic. pro. Sex. Rosc. 30; 72; 149). Oros. hist. 5, 16, 23, Schrift ad Herennium 1, 23 und Liv. ep. 68 berichten von der Säckung des Muttermörders Publicius Malleolus im Jahre 101 v. Chr. 234 C. Th. 9, 15 = C. 9, 17 = Inst. 4, 18, 6: Er soll eingenäht in einen Sack mit einem Hund, einem Hahn, einer Viper und einem Affen . . . in das benachbarte Meer oder in einen Fluss geworfen werden.

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Aus juristischer Sicht informieren über die gesetzliche Strafe für parricidium der Digestentitel 48, 9 de lege Pompeia de parricidiis und der Sentenzentitel 5, 24 ad legem Pompeiam de parricidiis. Eine erste Auskunft Marcians zum Strafmaß kann, weil sie nur einen Spezialfall erfasst, bereits zu Beginn der Betrachtung ausgeschieden werden. Er berichtet 14 institutionum D. 48, 9, 5 von einer über einen Verwandtenmörder ausgesprochenen deportatio in insulam. Dabei dürfte er weniger die gesetzliche Strafe der lex Pompeia de parricidiis referieren als vielmehr die Strafe, die Hadrian in jenem Einzelfall verhängte: ein Vater tötete seinen Sohn, der mit seiner Stiefmutter Ehebruch begangen hatte, auf der Jagd. Es verbleiben drei Stellen. In den Paulussentenzen heißt es: Lege Pompeia de parricidiis (tenetur) qui patrem matrem avum aviam fratrem sororem patronum patronam occiderint; etsi antea insuti culleo in mare praecipitabatur, hodie tamen vivi exuruntur vel ad bestias dantur.235 Modestin berichtet: Poena parricidii more maiorum haec instituta est, ut parricida virgis sanguineis verberatus deinde culleo insuatur cum cane, gallo gallinaceo et vipera et simia: deinde in mare profundum culleus iactatur.236 Und schließlich Marcians andere Auskunft: Lege Pompeia de parricidiis cavetur, ut, si quis patrem . . . occiderit . . . , ut poena ea teneatur, quae est legis Corneliae de sicariis.237 Modestin und der Sentenzenverfasser sprechen für Säckung als poena legis der lex Pompeia de parricidiis. Die Stelle in den Paulussentenzen erinnert an die Auskunft über die Strafe der lex Iulia maiestatis,238 wo der Sentenzenverfasser ebenfalls berichtete, wie früher nach dem Gesetz bestraft wurde und welches die heutigen Strafen seien. Seine Darstellung erwies sich dort als zutreffend, was dafür spricht, seiner Angabe zur gesetzlichen Strafe der lex Pompeia de parricidiis auch hier zu vertrauen. Demnach hätte die lex die vormals geltende Säckungsstrafe für parricidium beibehalten. Widerspricht diesem Ergebnis die andere Marcianstelle? Danach schrieb die lex Pompeia dieselbe Strafe vor wie die lex Cornelia de sicariis et veneficiis. Mommsen, der bei Untersuchung der Quellen zu den sullanischen Gesetzen nicht zwischen erkennender und vollstreckender Instanz trennt, schließt 235 PS 5, 24: Nach der lex Pompeia de parricidiis wird bestraft, wer seinen Vater, seine Mutter, seinen Großvater, seine Großmutter, seinen Bruder, seine Schwester, seinen Freilasser oder seine Freilasserin getötet hat. Früher wurde er in einen Sack eingenäht ins Meer geworfen, heute lebendig verbrannt oder den wilden Tieren vorgeworfen. 236 12 pandectarum D. 48, 9, 9 pr.: Als Strafe für Verwandtenmord ist nach der Sitte der Vorfahren eingeführt worden, dass der Verwandtenmörder mit blutigen Ruten ausgepeitscht, in einen ledernen Sack mit einem Hund, einem Hahn, einer Viper und einem Affen eingenäht und der Sack ins Meer, wo es am tiefsten ist, geworfen werde. 237 14 institutionum D. 48, 9, 1: Durch das pompeische Gesetz über die Verwandtenmörder wird vorgeschrieben, dass, wer seinen Vater . . . getötet hat . . . , die Strafe erleiden soll, die das Cornelische Mordgesetz vorschreibt. 238 Vgl. PS 5, 29. s. o. in dem Abschnitt über die poena legis der lex Iulia maiestatis, B.I.2.b).

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aus der Tatsache, dass es keine Hinrichtungen mehr gab, Verbannung sei die gesetzliche Strafe der sullanischen Strafgesetze, also auch der lex Cornelia de sicariis et veneficiis gewesen.239 Unter dem Begriff capite bei Cicero (pro Cluent. 148), wo es zum Cornelischen Mordgesetz heißt: deque eius capite quaerito,240 möchte aber auch Mommsen den Tod verstehen, weshalb er sich mit der Überlegung behilft, die Missachtung der interdictio habe in der Tat den Tod zur Folge gehabt und die administrative aqua et igni interdictio könne also als bedingte Todesstrafe bezeichnet werden.241 Demnach würde Marcian: Lege Pompeia de parricidiis cavetur, ut, si quis patrem . . . occiderit . . . , ut poena ea teneatur, quae est legis Corneliae de sicariis einen Widerspruch zu den ersten beiden Quellen darstellen, denn man müsste hiernach Verbannung und nicht Säckung als poena legis der lex Pompeia de parricidiis annehmen.242 Plausibler als die Konstruktion Mommsens ist die Annahme, dass die lex Cornelia de sicariis et veneficiis durchaus Todesstrafe vorsah, über den ins Exil geflohenen Verurteilten aber die administrative aqua et igni interdictio verhängt wurde. Levy hat in seiner Abhandlung über die römische Kapitalstrafe ausgeführt, dass gegenüber der Ansicht Mommsens die Annahme überzeugender ist und auch der Quellenlage besser entspricht, dass die sullanischen Gesetze die Todesstrafe vorschrieben und Todesurteile lediglich nicht vollstreckt wurden, wobei über den ins Exil geflohenen Verurteilten die administrative aqua et igni interdictio verhängt wurde. Die lex Cornelia de sicariis et veneficiis schrieb demnach Todesstrafe vor,243 wohl in Strafrecht (1899), S. 592, 632 m. Fn. 2, S. 650, 907, 972. Ebenso Ulp. 7 de off. proc. Coll. 1, 3, 1: quaerat de capite. 241 Strafrecht (1899), S. 907. 242 Dieser – wie sich zeigen wird scheinbare – Widerspruch wurde unterschiedlich aufzulösen versucht. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 644 f. (und ebenso Brasiello, La repressione penale (1937), S. 75) nimmt für die lex Pompeia de parricidiis als gesetzliche Strafe Verbannung an und belegt das mit eben jener Marcianstelle, D. 48, 9, 1. Die anderen beiden Quellen (PS 5, 24 und D. 48, 9, 9) würdigt er nicht hinreichend, sondern will damit die Rechtslage in der Kaiserzeit belegen, wobei er S. 645 die Stellen nicht in ihrem Wortlaut anführt, lediglich in einer Fußnote nennt (Fn. 14). Radin, The Lex Pompeia (1920), S. 127 folgt Mommsen hinsichtlich der gesetzlichen Strafe der sullanischen leges (Verbannung), möchte hingegen den ersten beiden Quellen mehr Glauben schenken und meint sehr spekulativ, Marcian müsse sich wohl geirrt haben und das Fragment sei von den Kompilatoren, denen der Widerspruch zu ihren eigenen Ausführungen in Inst. 4, 18, 6 (= C. Th. 9, 15 = C. 9, 17, Säckung, vgl. oben) kaum entgangen sein könne, wohl nur wegen der ausführlichen Aufzählung der Verwandtschaftsverhältnisse ausgewählt worden, wobei ihnen der Widerspruch vernachlässigbar erschienen sei. Andere erklären als Ausweg entweder den entscheidenden Teil der Marcianstelle (Landucci, Lex Pompeia de parricidiis (1898), S. 331, de Dominicis, Sententiae (1953), S. 518 – 524) oder der Modestin- bzw. Sentenzenstelle für interpoliert (Volterra, Ricerche (1932), S. 127 – 135). Dass die Interpolationsvermutungen unzutreffend sind, hat bereits Cloud, Parricidium (1971), S. 55 f. gezeigt. Bauman, Human Rights (2000), S. 78 f. setzt sich nicht mit den Quellen auseinander und nimmt das, was Sueton berichtet, als geltendes Recht an. 243 Vgl. Levy, Die Römische Kapitalstrafe (1930 / 31), S. 14 ff. und auch den obigen Abschnitt über die Kapitalstrafe im römischen Strafrecht (A.III.1.). Für Todesstrafe auch Bra239 240

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Form der Enthauptung oder Kreuzigung.244 Doch erfasste bereits die lex Cornelia auch den Verwandtenmord und bestrafte diesen mit der speziellen Todesstrafe der Säckung? Parricidium bezeichnete zunächst den Mord im Allgemeinen, ohne zwischen dem Mord eines Beliebigen und dem schwereren Verwandtenmord zu trennen.245 Das Verfahren wegen einfachen Mordes wurde bereits in vorsullanischer Zeit an quaestiones verwiesen, während die Verfahren wegen Verwandtenmordes bei der Volksversammlung verblieben zu sein scheinen. Daher rührt wahrscheinlich auch die Tatsache, dass der Ausdruck parricidium nunmehr auf die Bezeichnung des Verwandtenmordes beschränkt wurde. Möglicherweise wurde erst damit die Säckung auf den Nächstenmord beschränkt, während sie zuvor für den Mord im Allgemeinen galt. Noch vor der Strafgesetzgebung Sullas wurde aber auch das parricidium an quaestiones verwiesen.246 Die lex Cornelia de sicariis et veneficiis von 80 v. Chr. nannte verschiedene Arten des Mordes und wies diese ein und demselben Gerichtshof zu, wobei offenbar mehrere quaestiones inter sicarios als Untergliederungen gleichzeitig amtierten.247 Sextus Roscius wurde 80 v. Chr. wegen parricidium angeklagt, weil er seinen Vater ermordet habe. Ihm drohte Säckung.248 Cicero spricht die lex Cornelia in seiner Verteidigungsrede nicht an. Er sagt jedoch, dass der Fall vor einer quaestio inter sicarios verhandelt wurde.249 Die lex Cornelia muss demnach Regelungen siello, La pena capitale romana (1934), S. 124 ff., ders., La repressione penale (1937), S. 97 ff., Kunkel, Art. quaestio, RE, art. cit., Sp. 766 ff., Levick, Poena Legis Maiestatis (1979), S. 372, Santalucia, Diritto e processo penale (1998), S. 181 ff. und Nogrady, Römisches Strafrecht nach Ulpian (2006), S. 160. 244 Die ältesten allgemeinen Formen der Todesstrafe sind die Enthauptung mit dem Beil und die Kreuzigung. Erst im Prinzipat tritt das Beil zurück und weicht dem Schwert. Das Säcken hingegen ist, seitdem diese Form der Todesstrafe nachgewiesen werden kann, die Strafe für parricidium. s. zu alledem Mommsen, Strafrecht (1899), S. 916 ff. mit zahlreichen Quellenbelegen. Vgl. zur Kreuzigung als ursprünglicher Sklavenstrafe und zur Todesstrafe im Allgemeinen oben A.III.1. 245 Vgl. Festus 221: parricida non utique is, qui parentem occidisset, dicebatur, sed qualemcumque hominem indemnatum (Parricida wird nicht nur der genannt, der einen Verwandten tötet, sondern auch der, der irgendeinen nicht geächteten Menschen tötet). Er belegt das weiter mit dem Gesetz Numas Ita fuisse indicat lex Numae Pomphilii regis his composita verbis: Si qui hominem liberum dolo sciens morti duit, paricidas esto (Dass es so war, zeigt ein Gesetz des Königs Numa, das so lautete: Wer einen freien Menschen vorsätzlich tötet, soll ein parricida sein). Von der gerechtfertigten Tötung heißt es Festus 318: parricida ne sit. s. a. Plut. Rom. 22. 246 s. zu alledem Mommsen, Strafrecht (1899), S. 615 f. und 643 f. mit zahlreichen Quellenbelegen. 247 Kunkel, Art. quaestio, RE, art. cit., Sp. 741. Im Jahre 66 v. Chr. müssen es mindestens drei gewesen sein, vgl. Cic. pro Cluentio 147. 248 Cic. pro Sex. Rosc. 11 (insutas in culleum), 26 u. 52, wobei aber auch die Möglichkeit angesprochen wird, sich der Verurteilung durch Exil zu entziehen, Cic. pro Sex. Rosc. 2. 249 Cic. pro Sex. Rosc. 4.

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auch zum parricidium getroffen haben; vermutlich ließ sie die alte Strafe für dieses Verbrechen bestehen.250 Wenn Marcian sagt: Lege Pompeia de parricidiis cavetur, ut, si quis patrem . . . occiderit . . . , ut poena ea teneatur, quae est legis Corneliae de sicariis, kann er damit also durchaus auch die Säckungsstrafe gemeint haben, insofern sie durch die lex Cornelia unberührt blieb, gewissermaßen bestätigt wurde; dann bot es sich an, auf dieses berühmte Gesetz zu verweisen. Die Marcianstelle steht also nicht im Widerspruch zu den anderen beiden Quellen, welche Säckung als poena legis der lex Pompeia de parricidiis klar belegen.251 bb) Geständnis als Voraussetzung der Säckung? Unklar ist, ob das Geständnis des Angeklagten Voraussetzung der Säckung war. Sueton berichtet das für den zu untersuchenden Verwandtenmord ausdrücklich.252 Vor der Zeit des Augustus scheint die Verhängung der Säckung vom Geständnis des Angeklagten jedoch unabhängig gewesen zu sein.253 Und auch für die Zeit nach diesem Prozess begegnet das Geständnis als Urteilsvoraussetzung nirgends.254 Sueton ist der einzige, der dem Geständnis rechtliche Bedeutung für eine Verurteilung zuspricht. Demgegenüber finden sich mehrere Quellen mit gegenteiligen Äußerungen, die das Geständnis im Prozess nämlich für irrelevant erklären.255 Somit bleiben nur zwei Möglichkeiten: entweder gab es diese Beschränkung unter Augustus vorübergehend oder Sueton hat sich über die Rechtslage geirrt, was vielleicht näher liegt. Im ersten Fall würde das Urteil des Kaisers dem geltenden Recht entsprechen und wäre die von Sueton als Beispiel kaiserlicher Milde angeführte Suggestivfrage lediglich als Teil der Prozessführung anzusehen, während 250 Mommsen, Strafrecht (1899), S. 644 Fn. 3 meint sogar, die lex Cornelia habe für parricidium Säckung ausdrücklich angeordnet. In dieser Richtung auch Cloud, Leges de sicariis (2009), S. 140 f. 251 Levy, Die Römische Kapitalstrafe (1930 / 31), S. 28 f. verweist darauf, dass für die Kaiserzeit die Säckung belegt ist (Suet. Aug. 33, 1, Sen. de clem. 1, 15, 7; 1, 23, 1), und will die Marcianstelle so verstehen, dass die lex Pompeia de parricidiis dem Magistrat die Wahl der Todesart freistellte, also sowohl die allgemeinen Todesstrafen (Enthauptung, Kreuzigung) zuließ als auch Säckung. Das ist der Stelle jedoch nicht zu entnehmen. Mommsen äußert sich widersprüchlich, wenn er S. 644 Fn. 3 Säckung als Strafe für parricidium in der lex Cornelia angeordnet sehen will, S. 644 u. 922 dann jedoch Verbannung als poena legis der lex Pompeia de parricidiis annimmt. 252 Suet. Aug. 33, 1. 253 Vgl. Cic. pro Sex. Rosc. 30; 72 u. 149, Sen. controv. 3, 16. 254 Vgl. den gesamten Digestentitel 48, 9, den Sentenzentitel 5, 24, den Theodosianustitel 9, 15, den Codextitel 9, 17 und Inst. 4, 18, 6. Zum Geständnis als Milderungsgrund s. u. B.VII.2.b). 255 Vgl. Cic. or. part. 33, 116: non esse exspectandum dum fateatur, argumentis peccata convinci (man muss nicht warten, bis der Angeklagte ein Geständnis ablegt, vielmehr werden Verbrechen durch Beweise aufgedeckt). Auch für ein Todesurteil ist kein Geständnis erforderlich, vgl. Val. Max. 8, 4, 2. Zum Geständnis allgemein Geib, Criminalprozess (1842), S. 278 ff. u. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 437 ff.

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das aufgrund des Prozesses gefällte Urteil von der geltenden Strafe nicht abgewichen wäre. Im zweiten, näher liegenden Fall wiche das Urteil von der poena legis ab und bedeutete es wirkliche lenitas.256 Die harte Säckung wäre durch eine weniger schwere Strafe ersetzt worden. Obwohl der Angeklagte die Tat offenkundig begangen hatte, manifesti parricidii reum, hielt Augustus die gesetzliche Strafe für zu hart. Welche Beweggründe hierfür bestimmend waren, sagt Sueton nicht. Es mögen die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten gewesen sein oder auch Bedenken des Kaisers gegenüber der harten Strafe. Der oben im Rahmen des Prozesses gegen den Redner Cassius Severus erwähnte Dialog zwischen Livia und Augustus257 handelte ja von Bedenken gegen harte Strafen. Allerdings ging es dort um die Vorzüge der Verbannung gegenüber der Todesstrafe, weil erstere eine geringere Gefahr für Anstoß und Hass in der Bevölkerung berge als öffentliche Hinrichtungen, ein machtpolitisches Kalkül. Hier mag es anders liegen. Die in der Regel öffentliche Enthauptung des Verwandtenmörders anstatt der Säckung reduzierte die Gefahr des Anstoßes in der Bevölkerung nicht wesentlich. Sie ist genauso öffentliche Vollstreckung eines Todesurteils, anders als die faktisch nichtöffentliche Vollstreckung der Verbannung. Der strukturelle Unterschied zwischen den beiden Fällen, in denen der princeps die gesetzliche Strafe abmilderte, besteht darin, dass im Fall des Cassius die Anklage auf crimen maiestatis lautete. Der Staat hätte in eigener Sache vollstreckt, weswegen bei einer Hinrichtung die Gefahr öffentlichen Anstoßes tatsächlich bestanden hätte. Anders im Fall des Verwandtenmordes. Augustus hätte bei einer Säckung kaum öffentlichen Anstoß befürchten müssen, ebenso wenig bei einer Enthauptung. Die auf altem Herkommen beruhende Säckung des Verwandtenmörders könnte durchaus von der öffentlichen Meinung getragen worden sein. Machtpolitische Erwägungen zur Milderung der Strafe sind nicht erkennbar und lagen auch nicht nahe. Das Urteil scheint ein wirkliches Beispiel kaiserlicher Milde bei der Ausübung des richterlichen Ermessens im Rahmen der Strafzumessung gewesen zu sein. Als solches erwähnt es Sueton: dixit (Augustus) autem ius non diligentia modo summa sed et lenitate.258 Auffällig ist, dass Sueton den Verurteilten hier nicht mit Namen nennt, während er in seiner Augustusbiographie sonst die Namen der Verurteilten meist angibt, auch wenn sie nicht besonders bekannt waren.259 Wenn er den Namen hier übergeht, kann das drei Gründe haben. 256 Vgl. Suetons Einleitung zu diesem Fall, Aug. 33, 1: dixit (Augustus) autem ius non diligentia modo summa sed et lenitate (Doch sprach Augustus nicht nur mit großer Sorgfalt, sondern auch mit großer Milde Recht). 257 Vgl. Dio 55, 14 – 22. s. o. B.I.5. 258 Suet. Aug. 33, 1. In dem im Anschluss zu besprechenden hausgerichtlichen Verfahren wegen Vatermordes, bei dem Augustus Mitglied des consilium war, schlug er ebenfalls eine milde Strafe vor: Verbannung. 259 In den Majestätsprozessen unten B.I.8. etwa werden die Angeklagten namentlich genannt. Es sind politisch unbedeutende Personen, zu denen sonst nichts überliefert ist.

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Weniger wahrscheinlich ist, dass der Verurteilte eine Person des öffentlichen Lebens war, dessen Namen Sueton absichtlich zurückhielt, weil er ein Beispiel echter Milde anführen wollte; den Namen zu nennen, hätte Leser veranlassen können, einen politischen Bezug herzustellen. Gegen diese Deutung sprechen die im Anschluss zu besprechenden Majestätsprozesse, die Sueton als Beispiel wahrer Milde anführt, ohne die Namen und die politischen Hintergründe zu verschweigen. Möglicherweise war der Name des Angeklagten für Sueton nicht mehr zu ermitteln. Dann kann er keine bedeutende Persönlichkeit gewesen sein. Oder es handelte sich um eine so unbedeutende Person, dass Sueton ihren Namen zu nennen unangebracht fand. Dann wäre dieser Verwandtenmord allerdings der einzige der hier untersuchten Fälle, in dem der Angeklagte politisch ganz unwichtig war. Bemerkenswert wäre, dass gerade in diesem Fall ein ethisch motiviert mildes Urteil gesprochen worden wäre. b) Versuchter Vatermord Einen weiteren Fall von parricidium überliefert Seneca als Beispiel augusteischer Milde in seiner Schrift De clementia.260 Dieser wurde nicht in einem öffentlichen Strafprozess verhandelt, sondern vor einem privaten Hausgericht. Doch war Augustus Mitglied des consilium und beeinflusste die Entscheidung maßgeblich, weswegen der Fall über kaiserliche Strafzumessung etwas aussagen kann. Wann das Verfahren stattfand, ist nicht überliefert. L. Tarius Rufus261 war von niederer Herkunft, hatte jedoch durch militärische Tüchtigkeit großes Ansehen und die Gunst des Kaisers erlangt, der er auch seinen beträchtlichen Reichtum verdankte. Wohl mit dem Ziel, an das väterliche Vermögen zu gelangen, versuchte sein Sohn ihn umzubringen. Das Vorhaben misslang und Tarius stellte den Sohn vor sein Hausgericht. Er berief ein consilium ein, an dem auf seine Bitte auch Augustus teilnahm. Der Kaiser schlug vor, dem Sohn das Leben zu lassen und ihn an einen vom Vater zu bestimmenden Ort zu verbannen. So entschied der Vater auch und verbannte den Sohn nach Massalia, dem heutigen Marseille. Die Strafe liegt weit unter dem gesetzlich vorgeschrieben Tod durch Säckung. Seneca nennt zwei Gründe für den milden Vorschlag: molissimo genere poenae contentum esse debere patrem dixit in filio adulescentulo inpulso in id scelus, in quo se, quod proximum erat ab innocentia, timide gessisset.262 Der Täter sei bei Begehung der Tat noch sehr jung gewesen, was hier erstmals berücksichtigt wird. Sen. de clem. 1, 15, 2 – 7. Zu ihm Groag, Art. Tarius (3), RE IV A 2, 1932, Sp. 2320 – 2323, Syme, Augustan Aristocracy (1986), S. 223 f., Bruun, Water Supply (1991), S. 156. 262 Sen. de clem. 1, 15, 7: Er sagte, bei einem so jungen Sohn, der noch dazu zu diesem Verbrechen gedrängt wurde, bei dem er sich, was der Unschuld am nächsten ist, ängstlich benommen habe, müsse der Vater mit der mildesten Strafe zufrieden sein. 260 261

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Später wird dieser Gesichtspunkt einen festen Platz unter den Strafzumessungsgründen einnehmen.263 Zudem sei der Sohn durch andere zur Begehung der Tat gedrängt worden und habe sich bei der Ausführung so ängstlich aufgeführt, dass sein Verhalten beinahe schon unschuldig zu nennen sei. Neben jugendlichem Alter beeinflusste also die geringe kriminelle Energie die Bemessung der Strafe und führte zu einem milden Urteil. Das spätere Recht wird bei der Strafzumessung auch den Grad der Schuld berücksichtigen.264 Das Verfahren fand wohl nichtöffentlich statt,265 weshalb damit zu rechnen war, dass es keine große Außenwirkung entfalten würde. Der Kaiser hatte also keine unmittelbar politischen Gründe für seinen Vorschlag zur Milde. Wie der vorhergehende Fall scheint auch dieser ein Beispiel echter clementia zu sein.

8. Die Majestätsprozesse gegen Iunius Novatus und Cassius Patavinus Sueton berichtet in seiner Augustusbiographie von zwei weiteren Prozessen vor dem Kaisergericht.266 Die beiden Plebejer Iunius Novatus und Cassius Patavinus267 waren des Majestätsverbrechens angeklagt. Novatus, weil er unter Agrippas Namen einen bösen Brief über den Kaiser veröffentlicht hatte. Patavinus, weil er bei einem Gastmahl in die Menge gerufen habe, dass ihm weder das Verlangen noch der Mut fehle, den Kaiser niederzustechen. Den einen habe er mit einer Geldstrafe, pecunia, den anderen mit leichter Verbannung, levi exilio, bestraft. Die Prozesse sind nicht datierbar. Als poena legis der lex Iulia maiestatis ließ sich Verbannung in Form der endgültigen Ausweisung aus Rom und Italien ermitteln, vermutlich verbunden mit dem Verlust des Bürgerrechts und der Konfiskation des halben Vermögens.268 Die Geldstrafe für Novatus bedeutete eine erhebliche Milderung, fast einen Straferlass. Welche Strafe traf Patavinus? Exilium leve ist undeutlich. Was Sueton mit dieser ,leichten‘ Verbannung meint, wird erst klarer, wenn man die anderen Verbannungen betrachtet, von denen er in seiner Augustusbiographie berichtet. Das sind die B.II.17., III.6., IV.7. und VIII.7. s. a. C.I. s. u. C.VII. 265 Mommsen, Strafrecht (1899), S. 25 f., Polay, Regimen Morum (1971), bes. S. 286, Wesener, Art. iudicium domesticum, RE Suppl. IX, 1962, Sp. 373 – 376, Wieacker, Römische Rechtsgeschichte I (1988), S. 263. 266 Suet. Aug. 51, 1. Vgl. dazu Cogitore, Conspirations (2002), S. 147 – 150. 267 Beide finden weiter keine Erwähnung, vgl. Groag, Art. Cassius (81), RE III 2, 1899, Sp. 1744, Stein, Art. Cassius (512), PIR II, 1936, S. 121, ders., Art. Iunius (109), RE X 1, 1918, Sp. 1070 und Stein / Petersen, Art. Iunius (785), PIR IV, 1966, S. 342. 268 Vgl. den Abschnitt über die poena legis der lex Iulia maiestatis im Rahmen der Juliaprozesse von 2 v. Chr., oben B.I.2.b). 263 264

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Verbannungen der beiden Juliae. Von ihnen sagt er, sie seien auf Inseln verbannt worden, und beschreibt, wie schlecht es ihnen dort erging. Das exilium leve muss sich in seiner Schwere von den Juliaverbannungen deutlich unterschieden haben. Mit Bürgerrechtsverlust und Vermögenskonfiskation setzt sich Sueton bei den Verbannungen der beiden Juliae nicht auseinander. Das sind wohl nicht seine Kriterien, nach denen er zwischen leichten und schweren Verbannungen unterscheidet. Neu war bei den Verbannungen der Kaisertochter und -enkelin, dass sie an einem bestimmten Ort festgesetzt wurden. Die Festsetzung an einem im Gegensatz zur Insel Pandateria zwar bewohnbaren, aber kulturell wenig ansprechenden Ort, den sich der Verbannte ebenso wenig selbst auswählen durfte, wird Sueton aus Ovids Klageliedern und aus seinen Briefen vom Schwarzen Meer bekannt gewesen sein. Das könnte für ihn die Härte gewesen sein, das Gegenteil einer leichten Verbannung. Das über Patavinus verhängte exilium leve bedeutete daher wohl bloße Ausweisung aus Rom und Italien. Über Bürgerrechtsverlust und Vermögenskonfiskation lässt sich nichts aussagen. Mit der bloßen Ausweisung wandte der Kaiser die poena legis der lex Iulia maiestatis an. Sueton führt diese beiden Verurteilungen als Beispiele für Milde, clementia, und Popularität, civilitas, des Kaisers an. Die Geldstrafe für Novatus blieb erheblich unter der gesetzlichen Strafe. Die leichte Verbannung des Patavinus entsprach hingegen der poena legis. Dennoch bewertet Sueton das Urteil als mild. Vermutlich hatte er dabei die wegen crimen maiestatis erfolgten Hinrichtungen vor Augen, die das Bild des kaiserzeitlichen Strafrechts prägen. Unter Augustus sind Hinrichtungen wegen crimen maiestatis selten. Iullus ist der einzige, von dem wir wissen, dass er hingerichtet wurde.269 Cassius Severus wurde nach Kreta verbannt,270 Aemilius Aelianus,271 Gnaeus Cornelius und andere nicht namentlich Genannte272 wurden freigesprochen. Die verhältnismäßig leichten Strafen für crimen maiestatis im vorliegenden Fall passen in diesen Kontext. Wahrer Grund dürften auch hier nicht ethische, sondern machtpolitische Erwägungen gewesen sein, wie sie auch in dem bei Cassius Dio überlieferten Dialog zwischen Livia und Augustus zum Ausdruck kamen.273 Nicht clementia also, sondern Sicherung der eigenen Macht veranlassten Augustus zu seinen milden Urteilen – eine Information, die uns Sueton in diesem Zusammenhang nicht vorenthält: Augustus habe seine Gegner nicht nur mild bestraft, sondern ihnen auch ihre hohen Positionen im Staatsdienst belassen – und sie dadurch kontrollierbar und abhängig gemacht, möchte man hinzufügen.

269 270 271 272 273

s. o. B.I.2. s. o. B.I.5. Suet. Aug. 51, 2. Dio 55, 14, 1; 55, 21, 1 u. 55, 22, 1. Dazu oben B.I.5.

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9. Zusammenfassung Mit diesen Prozessen sind die für unsere Untersuchung brauchbaren274 Nachrichten aus augusteischer Zeit erschöpft. Im Vergleich zu anderen julisch-claudischen Kaisern erfahren wir, was das Strafrecht betrifft, aus der Regierungszeit des ersten princeps wenig. Zudem ist der Erkenntnishorizont auf Strafverfahren mit politischem Hintergrund beschränkt, was allerdings auch für die Regierungszeiten der anderen Kaiser gilt. Die Verurteilten sind Personen des öffentlichen Lebens – Angehörige der Oberschicht, Mitglieder der Kaiserfamilie oder Personen, die mit dem Kaiser in politischer Beziehung standen. Über andere Prozesse gegen Personen, die nicht der Oberschicht angehörten und das öffentliche Interesse nicht erregten, und die es in viel größerer Zahl gegeben haben muss,275 schweigt die Überlieferung. Solche Fälle nahmen Tacitus, Sueton und Dio nicht in den Blick.276 Trotz oder vielleicht gerade wegen ihres Ausnahmecharakters wirkten die Urteile in diesen Verfahren aber rechtsfortbildend, wie die sich etablierende Freiheit bei der Strafzumessung zeigt, wobei jedoch eine limitierende Wirkung der Gesetze erkennbar bleibt. Nur selten wurde kurzerhand die gesetzliche Strafe verhängt. Öfter wurde sie abgeändert, wobei eine Tendenz zur Verschärfung der Strafen erkennbar ist. Die Verschärfung scheint meist durch die Hintergründe der Taten motiviert gewesen zu sein, die, wie etwa in den Juliaprozessen, mit dem angeklagten Verbrechen nur mittelbar zu tun hatten. Es geht fast immer um Sicherung der kaiserlichen Macht, auch dort, wo Urteile anscheinend mild ausfielen, weil sie unter der gesetzlichen Strafe blieben oder im Vergleich zu ähnlichen Fällen weniger hart straften. Milderungen waren meist nicht ethisch, sondern machtpolitisch motiviert. In diesen Fällen zeigte sich eine Verbindung von Milde und utilitas publica. Nur in den Verwandtenmordfällen könnte echte clementia bei der Strafzumessung gewaltet haben. Augustus stellte sich in seiner Propaganda aus Rücksicht auf die republikanische Form nicht als milder Herrscher dar.277 Die untersuchten Prozesse ergaben allerdings, dass er sich in der strafrechtlichen Praxis öfter als princeps clemens gab. Die außerordentliche Strafverfolgung entwickelte eine neue Strafe: Festsetzung an einem bestimmten Ort, während die gesetzliche Verbannungsstrafe nur Verbannungen in Form der Ausweisung gekannt hatte. Hier leitete die Richter das Bedürfnis, den Verurteilten künftig kontrollieren zu können. Die Festsetzung an einem bestimmten Ort, insbesondere auf einer Insel, eignete sich dazu besonders gut. Politisch brisante Fälle wie die besprochenen heischten Kontrollierbarkeit. Über 274 275

Zu weiteren Prozessen s. Anhang III. Vgl. Bauman, Quaestio de adulteriis (1968), S. 83, ders., Crime and Punishment (1996),

S. 65. 276 Tacitus berichtet ausdrücklich, dass er sein Augenmerk auf aufsehenerregende Verbrechen richtete, Tac. ann. 14, 40 init.: insignia scelera. 277 Dazu oben im Abschnitt über die clementia Romana, A.II.1.

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politisch unbedeutende Fälle sind wir nicht unterrichtet, so dass unbekannt ist, ob zu Beginn des Prinzipats auch in unpolitischen Fällen Festsetzungen vorkamen. Später war das der Fall, wie die juristische Überlieferung seit der Hochklassik zeigt. Die bei Ausübung des richterlichen Ermessens in politischen Verfahren entwickelte Strafe prägte das gesamte Strafrecht. Weitere Gesichtspunkte, die bei der Strafzumessung eine Rolle spielten, waren der Umfang der Beteiligung,278 das Alter und die Schuld des Angeklagten.279 Auch diese werden fester Bestandteil der kaiserzeitlichen Strafzumessung werden.

II. Tiberius: reiche Nachrichten zur Strafzumessung – ein Prinzip gewinnt Kontur Mit dem Prinzipat des Tiberius (14 – 37 n. Chr.) setzt die ausführliche taciteische Überlieferung ein, der wir Auskünfte zu zahlreichen Strafprozessen verdanken. Das Bild wird durch Informationen anderer Autoren ergänzt. Die gute Überlieferungslage und die verhältnismäßig lange Regierungszeit dieses Kaisers machen diesen Abschnitt zum umfangreichsten Teil der Untersuchung. Wie für Augustus sollen die brauchbaren Prozesse chronologisch dargestellt und Einzelheiten zur Strafzumessung in der Reihenfolge entwickelt werden, in der sie sich ereigneten. Hinsichtlich der bereits untersuchten Strafgesetze kann auf die Ausführungen des vorigen Abschnitts zurückgegriffen werden, zu anderen sind neue Überlegungen anzustellen. 1. Der Prozess wegen Zauberei gegen M. Scribonius Libo Drusus (16 n. Chr.)280 Tacitus berichtet zum Jahr 16 n. Chr. ausführlich von einem Prozess wegen Zauberei gegen M. Scribonius Libo Drusus.281 Libo Drusus war ein Enkel von L. Scribonius Libo, des Konsuls von 34 v. Chr. Dessen Schwester Scribonia war die zweite Frau des Augustus und Mutter der älteren Julia. Scribonia war also eine B.I.4. B.I.7.b). 280 Tac. ann. 2, 27 – 32. s. a. Sen. ep. 1, 70, 10, Suet. Tib. 25, Vell. Pat. 2, 130, 3 und Dio 57, 15, 4 f. Dazu Strazzulla, Il processo di Libone Druso (1909), S. 68 – 75 u. 243 – 258, Lengle, Römisches Strafrecht (1934), S. 63 f., Rogers, Criminal Trials (1935), S. 12 – 22, Leon, Libo Drusus (1957), S. 77 – 80, Shotter, Trial of Aemilia (1966), S. 314 – 317, Zäch, Majestätsprozesse (1971), S. 29 – 37 u. 63 f., Shotter, Trial of Libo Drusus (1972), S. 88 – 98, Liebs, Strafprozesse wegen Zauberei (1997), S. 149 u. 158 und Cogitore, Conspirations (2002), S. 181 – 191. 281 Der Prozess gegen Scribonius ist der erste überlieferte Zaubereiprozess seit über zweihundert Jahren. Der Grund für diese lange Pause mag sein, dass der Glaube in den Zaubereitatbestand erschüttert war. Nach der Verurteilung Libos tritt Zauberei in Prozessen wieder häufiger auf. s. dazu Liebs, Strafprozesse wegen Zauberei (1997), S. 149 u. 158. 278 279

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Großtante von Libo Drusus. Einer seiner Urgroßväter war der Triumvir Pompeius. Die Scribonier gehörten zu Beginn der Kaiserzeit zum höchsten Adel.282 Libo kam unmittelbar nach dem Tod des Augustus in den Verdacht, Tiberius die Herrschaft entreißen zu wollen,283 wurde aber von diesem lange Zeit nur beobachtet284 und durch Zeichen der Freundschaft, etwa die Verleihung der Prätur,285 in Sicherheit gewiegt, während er in Wahrheit durch Vorsichtsmaßnahmen unschädlich gemacht wurde.286 Nach zwei Jahren, 16 n. Chr., wurde er auf die Anzeige eines gewissen Iunius hin, er beschwöre Geister, von Fulcinius Trio vor dem Senat angeklagt.287 Weitere Ankläger waren Fonteius Agrippa und C. Vibius.288 Bei vornehmen Frauen und bei seinen Verwandten bat Libo erfolglos um Fürsprache.289 Am Tag der Senatssitzung ließ er sich, von Angst und Kummer zermürbt, in einer Sänfte in die Kurie tragen.290 Gestützt auf seinen Bruder L. Scribonius Libo Drusus, der in der ersten Hälfte desselben Jahres Konsul gewesen war,291 bat er den Kaiser um Gnade, der sich davon jedoch nicht beeindrucken ließ und gelassen die Anklageschrift und deren Verfasser verlas.292 Der Ankläger Vibius legte ein Schriftstück vor, das mehrere Anfragen Libos an seine Geister enthielt. So habe er angefragt, ob er einmal zu so großem Reichtum gelangen werde, dass er die Via Appia bis nach Brundisium mit Geldstücken pflastern könne. In einer anderen Schrift waren den Namen der Caesaren oder (wohl nur einzelner) Senatoren von Libos eigener Hand grässliche oder geheimnisvolle Zeichen hinzugefügt. Er selbst leugnete das. Seine Sklaven bestätigten es allerdings. Um deren Aussagen verwenden zu können, befahl Tiberius, sie einzeln durch einen Staatsbeamten in Staatseigentum überführen zu lassen.293 Das erforderte Zeit. Womöglich wurde Libo der 282 s. zum Ganzen Münzer, Art. Scribonius, RE II A 1, 1921, Sp. 858 f., Fluss, Art. Scribonius (23), RE II A 1, 1921, Sp. 885 – 887, Eck, Art. Scribonius (II 6), NP 11, 2001, Sp. 305 und Wachtel, Art. Scribonius (269), PIR VII, 2, 2006, S. 104 f. 283 Tac. ann. 2, 27, Vell. Pat. 2, 130, 3, Suet. Tib. 25, Dio 57, 15, 4. 284 Ne quid in novitat aceribus fieret (damit er als neuer Kaiser nicht gleich zu streng vorgehe), Suet. Tib. 25. 285 Vgl. Tac. ann. 2, 28. 286 Vgl. Tac. ann. 2, 28, Suet. Tib. 25. 287 Tac. ann. 2, 28. 288 Tac. ann. 2, 30. Zu letzterem s. u. B.II.10. 289 Tac. ann. 2, 29. 290 Tac. ann. 2, 29 formuliert hinsichtlich Libos Gesundheitszustand vorsichtig ut tradidere quidam, simulato morbo (wie teilweise überliefert wird, unter Vorspiegelung einer Krankheit). Nach Dio 57, 15 ließ Tiberius mit der Anklage so lange warten, bis Libo auf den Tod erkrankte, und ließ ihn dann in einer Sänfte in die Kurie bringen. s. a. Sen. ep. 1, 70, 10. 291 Vgl. Fluss, Art. Scribonius (23), RE, art. cit., Sp. 885. 292 Tac. ann. 2, 29 i. f. 293 Tac. ann. 2, 30 berichtet von einem alten Senatsbeschluss, der eine Aussage der Sklaven zur Belastung ihres Herrn untersagte. Die Geltung dieses Rechtssatzes ist für frühere und spätere Zeiten sicher bezeugt, vgl. Cic. pro Sex. Rosc. 120, pro Milone 22, 59, pro Deiot. 1, 3. PS 1, 12, 3; 5, 13, 3; 5, 16, 4, D. 1, 12, 1, 8; 29, 5, 6, 1; 48, 18, 1, 5; 48, 18, 18, 5, C. 4, 20, 8 f.;

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erbetene eine Tag Aufschub nur deshalb gewährt, weil der Prozess ohnehin unterbrochen werden musste.294 Libo ging nach Hause. Sein Haus wurde von Soldaten bewacht, die lärmten und zum Teil auch in das Haus eindrangen.295 Scribonius sah sich in die Enge getrieben, wurde unruhig und erstach sich.296 Dennoch wurde der Prozess vor dem Senat zu Ende geführt297 und das Vermögen Libos unter die Ankläger verteilt.298 Inwiefern der Prozess weitergeführt wurde, berichtet Tacitus nicht. Vermutlich wurden nunmehr Libos ehemalige Sklaven befragt. Er sagt auch nicht ausdrücklich, dass der Senat ein Urteil fällte und welchen Inhalt es gegebenenfalls hatte. Aus den Umständen und aus Bemerkungen anderer Autoren lassen sich diese Fragen jedoch beantworten. Wenn der Prozess trotz des Selbstmordes des Angeklagten zu Ende geführt wurde, liegt es nahe, dass der Senat auch einen Beschluss fasste. Im Übrigen soll Tiberius geschworen haben, dass er sich für das Leben Libos eingesetzt hätte, wenn dieser sich nicht selbst umgebacht hätte, obwohl er schuldig gewesen sei.299 Er scheint also davon auszugehen, dass Libo für schuldig befunden wurde. Dann wird er durch Senatsbeschluss verurteilt worden sein,300 und zwar zum Tode; beziehungsweise ein Senatsbeschluss muss den Tod für rechtens erklärt haben. Scribonius scheint auch nichts anderes als ein Todesurteil erwartet zu haben. Das folgt noch nicht daraus, dass er sich umbrachte.301 Doch bemerkt Seneca zu dem 9, 41, 6 f. Um Umgehungen zu verhindern, wird die Vorschrift auch auf den Freilasser bzw. auf denjenigen erstreckt, der den Sklaven verkauft hat, vgl. PS 5, 16, 8, D. 48, 18, 17, 3. Die Vorschrift wurde in der frühen Kaiserzeit öfter dadurch umgangen, dass der Sklave in Staatseigentum überführt wurde. Tacitus nennt Tiberius wegen dieses Vorgehens novi iuris repertor, Tac. ann. 2, 30. Doch schon Augustus scheint diese Möglichkeit der Umgehung zugelassen zu haben, vgl. Dio 55, 5. Spätere Belege für dieses Vorgehen sind Tac. ann. 3, 22; 3, 67, Dio 57, 19, D. 48, 5, 28, 11 – 14; 48, 18, 6 pr. Vgl. dazu Liebs, Aussagen von Sklaven (1981), S. 147 – 189, Brunt, Evidence (1981), S. 256 – 265. 294 Tac. ann. 2, 30, Dio 57, 15. 295 Vgl. Tac. ann. 2, 31. 296 Tac. ann. 2, 31, Sen. ep. 1, 70, 10, Dio 57, 15, 5. 297 Tac. ann. 2, 31. 298 Tac. ann. 2, 32, Dio 57, 15, 5. C. Vibius scheint leer ausgegangen zu sein, worüber er sich in einem gewagten Brief an Tiberius beklagte, s. Tac. ann. 4, 29. 299 Tac. ann. 2, 31 i. f.: quamvis nocenti. Die Äußerung des Kaisers ist nicht dahin zu verstehen, dass Tiberius in die Urteilsfindung eingegriffen und ein Todesurteil zu verhindern gesucht hätte. Vielmehr dachte er wohl an Begnadigung, was freilich nicht ernst zu nehmen war, sondern geheuchelt. 300 Das legt auch Dio 57, 15, 5 nahe, wonach Libo von Tiberius für schuldig erklärt wurde. Auch ist die Verteilung des Vermögens des Angeklagten nur bei Verurteilungen bezeugt, vgl. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 509 f. 301 Es sind Fälle überliefert, in denen nachweislich kein Todesurteil zu erwarten war, sondern etwa Verbannung, der Angeklagte sich aber dennoch umbrachte, vgl. oben B.II.1.: C. Cornelius Gallus wurde zu Verbannung und Vermögenseinziehung verurteilt und beging daraufhin Selbstmord. Selbsttötungen vor Urteilsfällung kamen in den folgenden Jahren häu-

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Fall: habere ceopit (Libo) consilium, utrum conscisceret mortem an expectaret.302 Seine Großtante Scribonia riet ihm mit den Worten vom Selbstmord ab: Quid te . . . delectat alienum negotium agere?303 Beide rechneten also mit einem Todesurteil.304 a) Die Strafe für Zauberei305 Die meisten antiken Autoren erwähnen Libo nur kurz, um von seinen Umsturzplänen zu berichten.306 Man könnte deswegen annehmen, die Anklage lautete auf crimen maiestatis. Tacitus ist ausführlicher, erwähnt zu Beginn ebenfalls Umsturzabsichten,307 äußert sich dann jedoch, als habe die Anklage auf Zauberei gelautet. Zunächst sagt er: Iunius quidam, temptatus ut infernas umbras carminibus eliceret, ad Fulcinium Trionem indicium detulit.308 Das wird dann im Prozess aufgegriffen und das Hauptbeweismittel scheint eine Schrift Libos gewesen zu sein, in der er eigenhändig grässliche und geheimnisvolle Zeichen notiert hat: uni tamen libello manu Libonis nominibus Caesarum aut senatorum additas atrocis vel occultas notas accusator arguebat.309 Was war die Strafe für Zauberei? Bestimmte Formen des Schadenszaubers waren bereits nach den Zwölf Tafeln strafbar, wo dafür Todesstrafe vorgesehen war.310 In figer vor (s. u. B.II.6. u. 12.). Beweggründe waren zum einen, sich der Schmach einer Hinrichtung zu entziehen, aber auch, die Einziehung des eigenen Vermögens zu verhindern, es für die Nachkommen zu bewahren. Tacitus berichtet davon ausdrücklich, Tac. ann. 6, 29: et quia damnati publicatis bonis sepultura prohibebantur, eorum qui de se statuebant humabantur corpora, manebant testamenta (während die Verurteilten ihres Vermögens beraubt wurden und nicht begraben werden durften, wurden diejenigen, die sich selbst töteten, beerdigt und blieben ihre Testamente in Kraft). Ebenso Dio 58, 15. Von dieser Regel gab es jedoch Ausnahmen wie hier im Falle Libos. s. a. unten B.II.6 u. 12. 302 Sen. ep. 1, 70, 10: Er begann darüber nachzudenken, ob er Selbstmord begehen sollte oder den Tod abwarten. 303 Sen. ep. 1, 70, 10: Was freut es Dich . . . das Geschäft eines anderen zu besorgen? 304 Vgl. dazu auch Yavetz, Tiberius (1999), S. 92. 305 s. zum Verbrechen der Zauberei Strazzula, Il processo di Libone Druso (1909), S. 68 – 75 u. 243 – 258, Beckmann, Zauberei und Recht (1923), Stoicesco, magie (1926), S. 455 – 495, Kleinfeller, Art. Magia, RE XIV 1, 1928, Sp. 396 – 398, Massonneau, magie (1934), Cramer, Astrology (1954), Ronconi, Malum carmen (1964), S. 958 – 971, Funke, Magieprozesse (1967), S. 145 – 175, v. Haehling, Ammianus Marcellinus (1978), S. 74 – 101, Fögen, Wahrsager (1993), Liebs, Strafprozesse wegen Zauberei (1997), S. 146 – 158. 306 Sen. ep. 1, 70, 10, Suet. Tib. 25, Vell. Pat. 2, 130, 3 und Dio 57, 15, 4 f. 307 Tac. ann. 2, 27 init. 308 Tac. ann. 2, 28: Ein gewisser Iunius, dem Libo zugemutet hatte, die Schatten aus der Unterwelt durch Zaubersprüche heraufzubeschwören, erstattete Anzeige bei Fulcinius Trio. 309 Tac. ann. 2, 30: Doch in einer Schrift waren, wie der Ankläger vorbrachte, den Namen der Caesaren oder von Senatoren grässliche oder geheime Zeichen von Libos Hand beigefügt. 310 XII Tafeln 8, 8a und 8b.

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der Kaiserzeit wurde Zauberei mit Tötungsvorsatz nach der lex Cornelia de sicariis et veneficiis bestraft,311 deren poena legis ebenfalls Todesstrafe war.312

b) Würdigung des Falls Libo sollte mit dem Tode bestraft werden. Das Senatsgericht war also im Begriff, die für Zauberei geltende Strafe anzuwenden. In Wahrheit wurde Libo jedoch nicht wegen der objektiv harmlosen Zaubersprüche der Prozess gemacht, sondern wegen seiner Umsturzpläne. Antike Autoren, die sich nur kurz mit dem Fall beschäftigen, geben nur diesen Grund an. Tacitus, der als einziger ausführlicher berichtet, ergibt, dass Zauberei Gegenstand der Anklage war. Tiberius hatte Libo schon länger beobachten lassen. Wenn die Anklage auch auf Zauberei lautete und als Ankläger unbedeutende Leute auftraten, so lässt doch auch Tacitus keinen Zweifel daran, dass es das Anliegen des Kaisers war, Libo auszuschalten. Tiberius ist derjenige, der Libo im Senat mit eiserner Miene empfängt und die Anklageschrift verliest.313 Tiberius befiehlt, Libos Sklaven in Staatseigentum zu überführen, damit ihre belastenden Aussagen verwertet werden können.314 Die Bemerkung, dass Tiberius schwor, er hätte sich für das Leben des Angeklagten eingesetzt, wenn er sich nicht voreilig umgebracht hätte,315 muss Tacitus sarkastisch gemeint haben.316 Der Fall setzt die Reihe politischer Strafprozesse fort, wie sie uns aus der Regierungszeit des Augustus überliefert sind. Im Kern geht es auch im Verfahren gegen Libo um die Sicherung kaiserlicher Macht. Tiberius geht jedoch anders vor als sein Vorgänger. Nach einem ersten Todesurteil gegen Iullus Antonius schaffte es Augustus in der Folgezeit oft, in Fällen, in denen es um den Sturz politischer Gegner ging, durch scheinbar milde Urteile öffentlichen Anstoß an der Durchsetzung seines Machtanspruchs zu vermeiden und clementia mit utilitas publica zu verbinden. Tiberius gelingt das schon in diesem ersten Fall nicht und es wird sich zeigen, dass 311 Derjenige, der in der Absicht, jemanden zu töten, ein objektiv harmloses ,Gift‘ herstellte, verkaufte, kaufte, bereithielt oder verabreichte, wurde ebenfalls als veneficus angesehen, s. Marcian 14 institutionum D. 48, 8, 3, 2: er erklärt, der Begriff des ,Giftes‘ sei doppeldeutig und umfasse sowohl schädliche als auch unschädliche Gifte. Die Lex Cornelia meine beide Formen des Giftes: sed hoc solum notatur in ea lege (Cornelia), quod homines necandi causa habet (in diesem Gesetz ist aber nur davon die Rede, was jemand hat (Gift), um einen Menschen zu töten). All das war freilich Ergebnis kaiserzeitlicher Interpretation, die ihren Anfang vielleicht mit dem Prozess gegen Libo Drusus nahm. Vgl. dazu Liebs, Strafprozesse wegen Zauberei (1997), S. 146 mit Fn. 2. s. a. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 640, MacMullen, Enemies of the Roman order (1967), S. 124 – 126, Garnsey, Social Status and Legal Privilege (1970), S. 109 und Harries, Law and Crime (2007), S. 123 ff. 312 s. o. II.7.a). 313 Tac. ann. 2, 29 i. f. 314 Tac. ann. 2, 30. 315 Tac. ann. 2, 31 i. f. 316 Dazu Yavetz, Tiberius (1999), S. 92.

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ihm das immer wieder misslingt.317 Der Fall spiegelt, was seinen ganzen Prinzipat kennzeichnet: ein ausgeprägtes Ungeschick, seinem Umfeld seine wahren Absichten zu vermitteln, was zu Spannungen führte, die oft ein blutiges Ende nahmen. Augustus hatte eine Form der Kommunikation entwickelt, durch die er seinem Umfeld zu verstehen geben konnte, was der Kaiser will, und doch stets die Form republikanischer Bescheidenheit wahrte.318 Tacitus arbeitet diesen Unterschied im Falle Libos deutlich heraus: atque interim Libonem ornat praetura, convictibus adhibet, non vultu alienatus, non verbis commotior (adeo iram condiderat); cunctaque eius dicta factaque, cum prohibere posset, scire malebat.319 Libo konnte nicht wissen, dass er sich vorsehen musste. Plötzlich steht er wegen Zauberei vor Gericht und ist ihm der Tod sicher. Der Kaiser verhält sich so, als habe er mit der ganzen Sache nichts zu tun und als könne er das gesetzlich vorgesehene Todesurteil nicht verhindern, allenfalls beim Senat um Gnade für den Angeklagten bitten. Auch unter Augustus gab es Anklagen, die mit dem wahren Grund des Vorgehens gegen eine bestimmte Person nichts zu tun hatten, häufig wegen Ehebruchs. Dass die Angeklagten auch den wahren Grund kannten, zeigt der Fall des Dichters Ovid. Augustus enthielt ihnen im Gegensatz zu Tiberius nicht vor, dass ihn der Fall persönlich traf. So konnte er auf Todesurteile verzichten und den Angeklagten durch ein scheinbar mildes Urteil und die Belassung seiner Ämter in Abhängigkeit vom Kaiser versetzen,320 dieser doch musste damit rechnen, bei Fortsetzung seiner umstürzlerischen Umtriebe würde der Kaiser keine Milde mehr walten lassen. An sich hätte Verbannung genügt, um Libo unschädlich zu machen, was Tiberius auch wusste. Doch verstand er nicht, dem Senat zu vermitteln, im Rahmen der Strafzumessung auf eine mildere Strafe zu erkennen. Deshalb wandte das Gericht die für Zauberei geltende Todesstrafe an.

317 Tacitus legt den Beginn der innenpolitischen Instabilität der Regierungszeit des Kaisers Tiberius in die Zeit des Prozesses gegen Libo, Tac. ann. 2, 27 init.: quia tum primum reperta sunt quae per tot annos rem publicam exedere (weil ja damals zuerst das begann, was für viele Jahre den Staat zerfraß). 318 Vgl. Jones, Augustus (1970), S. 167, Meier, Augustus (1980), bes. S. 263 – 287, Winterling, Caligula (2003), S. 17 ff., Eder, Augustus and the Power of Tradition (2005), S. 13 – 32. 319 Tac. ann. 2, 28: Und inzwischen zeichnete er Libo durch Verleihung der Prätur aus, zog ihn zu seiner Tafel hinzu, ohne ihm eine ungnädige Miene zu zeigen oder in seinen Worten eine besondere Erregung zu verraten. So tief hatte er seinen Zorn in seinem Inneren verborgen, und obwohl er alle Äußerungen und Handlungen Libos hätte verhindern können, wollte er sie lieber kennenlernen. Ebenso Suet. Tib. 25. 320 Vgl. Suet. Aug. 51, 1 und den oben besprochenen, letzten Fall unter der Regierung des Augustus.

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2. Zwei weitere Strafprozesse wegen Zauberei (16 n. Chr.)321 Im Anschluss an den Prozess gegen Libo berichtet Tacitus,322 der Senat habe beschlossen, gegen Astrologen und Magier vorzugehen. Daraufhin seien L. Pituanius und P. Marcius,323 wohl nach einem (wenn vielleicht auch kurzen) Prozess, getötet worden. Die Darstellung bei Tacitus legt nahe, dass es sich um das Senatsgericht handelte. Pituanius wurde vom Tarpeiischen Felsen gestürzt, Marcius vor dem Esquilinischen Tor nach alter Sitte hingerichtet. Das bedeutete, dass der Straftäter ans Kreuz gefesselt und zu Tode gegeißelt wurde.324 321 s. dazu Rogers, Criminal Trials (1935), S. 20 f., Liebs, Strafprozesse wegen Zauberei (1997), S. 147 f. 322 Tac. ann. 2, 32 i. f. Auch andere Autoren berichten über die Vorgänge. Suet. Tib. 36 i. f. schildert die Vertreibung von Astrologen aus der Stadt. Ulp. 7 de off. proc. Coll. 15, 2 referiert einen Senatsbeschluss, wonach Astrologen zu verbannen waren, wenn sie römische Bürger waren. Nichtbürger waren mit dem Tode zu bestrafen. Von Zauberern handelt er nicht. Über diesen Punkt des Senatsbeschlusses berichtete er womöglich erst im Abschnitt über Totschlag, der größtenteils verloren ist, vgl. Liebs, Strafprozesse wegen Zauberei (1997), S. 150. Dio 57, 15, 8 sagt nach seinem Bericht über den Prozess gegen Libo, Tiberius habe Astrologen, Zauberer und Weissager mit dem Tode bestraft, wenn es Nichtbürger waren; Bürger habe er verbannt. Die von Dio erwähnten Strafen decken sich mit der Auskunft Ulpians, wenn Dio auch keine Senatsbeschlüsse erwähnt. Sein Blick mag sich auf das Ergebnis, die Verurteilungen konzentriert haben. 323 Über sie ist weiter nichts bekannt, s. Stein, Art. L. Pituanius, RE XX 2, 1950, Sp. 1875, Wachtel, Art. Pituanius (433), PIR VI, 1998, S. 168, Stein, Art. Marcius (28), RE XIV 2, 1930, Sp. 1546 und Petersen, Art. Marcius (215), PIR V, 2, 1983, S. 175. 324 More prisco heißt es bei Tacitus. Mommsen meint, das bedeute Geißelung und Kreuzigung, s. Strafrecht (1899), S. 914 Fn. 4, S. 918 Fn. 5 und S. 933 Fn. 2. Dem ist die neuere Literatur mit beachtlichen Gründen entgegengetreten. Im Mittelpunkt der Diskussion steht Suet. Nero 49, 2, wo es heißt: . . . ut puniatur more maiorum, interrogavitque quale id genus esset poenae; et cum comperisset nudi hominis cervicem inseri furcae, corpus virgis ad necem caedi, conterritus duos pugiones . . . arripuit . . . ( . . . um ihn nach der Sitte der Vorfahren zu bestrafen, und er fragte, was das für eine Strafe sei; als er erfuhr, dass man dabei nackt an einem Holzkreuz befestigt und der Körper mit Ruten zu Tode gegeißelt wird, ergriff er erschrocken zwei Dolche . . . ). Zwar ging der Kreuzigung in der Regel Geißelung voraus. Doch zeigt die Stelle, dass die Geißelung hier das Wesentliche ist und auch den Tod herbeiführt. Die furca war nur Mittel zum Zweck. Die Hinrichtung more maiorum bzw. more prisco ist demnach keine eigentliche Kreuzigung. An keiner der Stellen, an der von einer Hinrichtung more prisco oder more maiorum berichtet wird (Tac. ann. 2, 32; 4, 30 init.; 14, 48 i. f.; 16, 11 i. f.; Suet. Claud. 34, 1; Suet. Nero 49, 2; Suet Dom. 11, 2), begegnen die Worte crux oder cruciare. Deshalb wird zu Recht überwiegend angenommen, Hinrichtung more maiorum bzw. more prisco beudeute, dass der Verurteilte zu Tode gegeißelt wurde. So Oldfather, Supplicium de More Maiorum (1908), bes. S. 66 f., Rogers, Criminal Trials (1935), S. 21, Cramer, Astrology (1954), S. 271 mit Fn. 257, ähnlich Fuhrmann, Art. verbera, RE Suppl. IX, 1962, Sp. 1589 – 1597, Sp. 1591, der die Hinrichtungsart allerdings als Kreuzigung bezeichnet, Garnsey, Social Status and Legal Privilege (1970), S. 128 f., Tyrrell, Commentary (1978), S. 93, Kuhn, Die Kreuzesstrafe (1982), S. 685 f., Robinson, Penal Practice (2007), S. 184. Die Tatsache, dass auch der Enthauptung häufig Geißelung voranging, genügt nicht, more maiorum als Enthauptung zu deuten. So dennoch Latte, Art. Todesstrafe,

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Die Senatsbeschlüsse müssen die Grundlage der nachfolgenden Verurteilungen gewesen sein. Sie entwickelten die Strafbarkeit der Zauberei fort.325 Für römische Bürger schrieben sie Verbannung vor, für Nichtbürger beließen sie es bei der Todesstrafe der lex Cornelia de sicariis et veneficiis.326 Die beiden Angeklagten wurden zum Tode verurteilt und die Todesurteile wurden auch vollstreckt. Ob sie römische Bürger waren, ist nicht aufzuklären. Ihre lateinischen Namen sind kein hinreichender Anhaltspunkt für römisches Bürgerrecht.327 Der Senat dürfte sich an die kurz zuvor gefassten Senatus Consulta gehalten haben, weshalb es nicht ausgeschlossen ist, dass sie Nichtrömer waren und der Tod also die geltende Strafe. Kann das aber auch von der Form der Todesstrafe: Sturz vom Tarpeiischen Felsen und Tod durch Geißelung gesagt werden? Die hergebrachten, allgemeinen Formen der Todesstrafe sind Enthauptung mit dem Beil für römische Bürger und Kreuzigung für Nichtbürger und Sklaven.328 Das dürften auch die in den Cornelischen Gesetzen vorgesehenen Todesstrafen gewesen sein. Für parricidium galt die qualifizierte Todesstrafe der Säckung.329 Der Sturz vom Tarpeiischen Felsen330 am Kapitol331 ist eine der ältesten Strafen und war in den Zwölf Tafeln gesetzliche Strafe für die falsche Zeugenaussage332 und den handhaften Diebstahl des Unfreien.333 Im Verlauf der Republik scheint der Felssturz die Form der Vollstreckung jedes Todesurteils gewesen zu sein, für das magistratische Vollstreckung, aus welchen Gründen auch immer, nicht verfügbar war, ausgeführt von Volkstribunen.334 Für die Zeit nach Claudius ist kein RE Suppl. VII, 1940, Sp. 1599 – 1619, Sp. 1615, Köstermann, Tacitus I (1963), S. 309 zu Tac. ann. 2, 32. Für die herrschende Meinung spricht schließlich Suet. Dom. 11, 3: more maiorum puniendi, s. a. unten VII.1.c), wonach die unbeugsame Härte der Strafe dem Kaiser Schrecken einjagte: atrocitate poenae territus, weswegen er die Senatoren gebeten habe, die Angeklagten ihre Todesart frei wählen zu lassen. Das supplicium de more maiorum kann demnach nicht die herkömmlichen Hinrichtungsarten, Enthauptung bzw. Kreuzigung, gemeint haben. 325 Vgl. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 640 und Liebs, Strafprozesse wegen Zauberei (1997), S. 146 f. Welche tatbestandlichen Voraussetzung die Senatsbeschlüsse normierten, soll hier nicht weiter interessieren. Entscheidend ist, welche Strafen sie vorschrieben, und dass sie Grundlage der Verurteilungen waren. 326 Vgl. Ulp. 7 de off. proc. Coll. 15, 2 und Dio 57, 15, 8. Dazu soeben Fn. 322. 327 Vgl. Liebs, Strafprozesse wegen Zauberei (1997), S. 150 m. w. N. 328 Im Prinzipat tritt das Beil zurück und weicht dem Schwert, s. dazu Mommsen, Strafrecht (1899), S. 916 ff. mit zahlreichen Quellenbelegen. Zur Kreuzigung als ursprünglicher Sklavenstrafe s. o. A.III.1. 329 s. o. B.I.7.a). 330 Vgl. zu dieser Strafe Mommsen, Strafrecht (1899), S. 931 ff., Taubenschlag, Art. Tarpeium saxum, RE IV A 2, 1932, Sp. 2330, Costa, Crimini e pene (1921), S. 24, Cantarella, Supplizi Capitali (1991), S. 238 ff. 331 Zur Verortung des Felsens am Kapitolshügel vgl. Dionys. 7, 34, Sen. controv. 1, 3, 3. 332 XII Tafeln 8, 23 (= Gellius noct. Att. 20, 1, 53). s. a. Liv. ab urbe 3, 29, 6. 333 XII Tafeln 8, 13 (= Gellius noct. Att. 11, 18, 8). s. a. Gellius noct. Att. 20, 1, 7 und Gai. Inst. 3, 189.

II. Tiberius

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Felssturz mehr überliefert und in der späteren Kaiserzeit scheint er abgeschafft worden zu sein.335 Bemerkenswert ist, dass Tacitus von P. Marcius berichtet, die Hinrichtung sei von Konsuln durchgeführt worden, während beim Felssturz des anderen Verurteilten von magistratischer Beteiligung keine Rede ist, er also vermutlich durch einen Volkstribunen ausgeführt wurde. Die Geißelung am Kreuz wurde also magistratisch exekutiert, der Felssturz dagegen nicht-magistratisch. Das entspricht der bekannten Praxis. Zum Felssturz kam es wohl, weil magistratische Exekution aus Gründen, die Tacitus nicht nennt, nicht verfügbar war. Das Senatsgericht hielt sich an die gesetzliche Strafe für Zauberei und die jüngeren Senatsbeschlüsse zu diesem Tatbestand. Gründe, weshalb zumindest in einem der Fälle die Strafe zur Hinrichtung more maiorum verschärft wurde, sind nicht überliefert. 3. Der Ehebruchsprozess gegen Appuleia Varilla und Manlius (17 n. Chr.)336 17 n. Chr. stand eine Enkelin der Schwester des Augustus, Appuleia Varilla,337 vor dem Senatsgericht. Sie hatte Augustus, Tiberius und dessen Mutter verspottet und wurde deswegen des Majestätsverbrechens beschuldigt. Hinzu kam eine Anklage wegen Ehebruchs mit einem gewissen Manlius.338 Tiberius setzte durch, dass crimen maiestatis außer Betracht blieb, so dass ihr nur Ehebruch vorgeworfen wurde. Die Ausführungen zur Strafe sind in den Annalen recht genau. Tiberius bat den Senat, wegen des Ehebruchs auf eine härtere Strafe, graviorem poenam, zu verzichten, und riet, sie nach dem Beispiel der Vorfahren, exemplo maiorum, von ihren Angehörigen weiter als zweihundert Meilen von Rom entfernt, ultra duocentesimum lapidem, zu verbannen. Der Senat dürfte diesem Rat gefolgt sein und ein entsprechendes Urteil gefällt haben. Der Ehebrecher Manlius hingegen wurde aus Italien und Africa verwiesen. 334 Die bei Mommsen, Strafrecht (1899), S. 932 Fnn. 4 u. 5 und S. 933 Fn. 2 nachgewiesenen Fälle von Felssturz zeigen, dass sie ohne Beteiligung der Liktoren stattfanden, die nach Weisung der Magistrate Enthauptungen und Kreuzigungen ausführten; meist ist Beteiligung der Volkstribunen erwähnt. 335 Vgl. Modestin 12 pandectarum D. 48, 19, 25, 1: non potest quis sic damnari, ut de saxo praecipitetur (Niemand kann dazu verurteilt werden, vom Felsen herabgestürzt zu werden). 336 Tac. ann. 2, 50. Dazu Marsh, Reign of Tiberius (1931), S. 275 – 277, Rogers, Criminal Trials (1935), S. 27 f., Scognamiglio, Nullum Crimen (2009), S. 100 – 103. 337 Vgl. zu ihr v. Rohden, Art. Appuleius (33), RE II 1, 1895, Sp. 269 und Groag, Art. Appuleia (968), PIR I, 1933, S. 188. 338 Vgl. Stein, Art. Manlius (7), RE XIV 1, 1928, Sp. 1149 – 1153, Sp. 1153 und Petersen, Art. Manlius (151), PIR V, 2, 1983, S. 160.

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B. Die einzelnen Prozesse bis Trajan

Die Strafe des Manlius entspricht im Wesentlichen der gesetzlichen Strafe der lex Iulia de adulteriis coercendis,339 die Ausweisung aus Rom und Italien vorschrieb.340 Zusätzlich wurde er aus Africa ausgewiesen, was eine leichte Strafschärfung darstellte. Er mag neben Rom auch dort niedergelassen gewesen sein. Hinsichtlich der Bestrafung Varillas stellte Tiberius der Bestrafung exemplo maiorum eine poena gravior gegenüber. Die Bestrafung exemplo maiorum bedeutete Verbannung von den Angehörigen auf mehr als zweihundert Meilen von Rom. Das war milder als die Ausweisung aus Italien, hätte aber noch ungefähr der gesetzlichen Strafe für Ehebruch entsprochen. Die augusteische lex Iulia de adulteriis coercendis war zum Zeitpunkt des Prozesses etwa 35 Jahre alt.341 Tiberius hätte die Strafe eines Gesetzes seines erst drei Jahre zuvor verstorbenen Vorgängers schwerlich exemplo maiorum genannt, weswegen er damit nicht die gesetzliche Strafe gemeint haben wird. Vor der lex Iulia wurde Ehebruch nicht im öffentlichen Strafrecht verfolgt, private Verfahren vor dem Hausgericht des pater familias scheint es dagegen gegeben zu haben, sagt Tacitus doch propinquis suis.342 Vermutlich stammt die Ausweisung auf zweihundert Meilen dorther, was auch zur Bezeichnung exemplo maiorum passen würde. Was aber meint er mit poena gravior? Die Juliaprozesse waren die ersten überlieferten Ehebruchsprozesse. Augustus war über das Strafmaß seines eigenen Ehebruchsgesetzes hinausgegangen und hatte die Angeklagten mit schwereren Strafen belegt. Die Verbannung der älteren Julia auf die Insel Pandateria zeigt die ganze Härte der Bestrafungen. Wie die beiden Juliae war auch Varilla ein Mitglied der Kaiserfamilie und hier wie dort war Ehebruch womöglich nur der offizielle Grund der Verbannung, während der wahre Anlass Umsturzabsichten oder doch Sympathie dafür waren. Beim Prozess gegen Varilla spricht Tacitus das crimen maiestatis sogar ausdrücklich an.343 Als Liebhaber Varillas nennt er einen Manlius, der wegen Ehebruchs ebenfalls verbannt wurde. Manlius ist der Name eines alten römischen Patriziergeschlechts. In der mittleren Republik waren sie eine der angesehensten Familien Roms. Die Linie Manlius Torquatus gehörte in spätrepublikanischer Zeit zu den Verteidigern der alten Republik.344 Ob auch Varillas Liebhaber ein Torquatus war, sagt Tacitus nicht. Ebenso wenig, ob er nach Umsturz trachtete. Fern läge es nicht, denn anders als im fortgeschrittenen Prinzipat erschien es für die Zeit339 Tacitus erwähnt das Gesetz in diesem Zusammenhang ausdrücklich, Tac. ann. 2, 50: de adulterio satis caveri lege Iulia visum (Was den Ehebruch anlangte, schien die lex Iulia ausreichende Vorkehrungen zu treffen). 340 s. o. B.I.2.a). 341 Zur Datierung oben B.I.2.a) mit Fn. 66. 342 s. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 689 f., Richlin, Adultery (1981), S. 380 u. 385, Krause, Kriminalgeschichte (2004), S. 176 und Harries, Law and Crime (2007), S. 95. 343 Tac. ann. 2, 50 init. 344 s. zum Ganzen Münzer, Art. Manlius (7), RE, art. cit., Sp. 1149 – 1153.

II. Tiberius

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genossen nach Augustus’ Ableben keineswegs zwingend, einen neuen princeps zu haben. Tiberius dürfte sich der Parallele zu den Juliaprozessen bewusst gewesen sein. Mit poena gravior, von der er abzusehen bat, wird Tacitus demnach Festsetzung an einem unangenehmen Ort345 gemeint haben, im Gegensatz zur leichteren, bloßen Ausweisung aus einem bestimmten Gebiet, wobei der Verbannte seinen Aufenthaltsort selbst wählen konnte. Das Verhalten des Kaisers erinnert an den Prozess wegen Zauberei gegen M. Scribonius Libo Drusus aus dem Jahr zuvor. Tiberius bemerkte die umstürzlerischen Absichten, verhielt sich aber so, als fühlte er sich persönlich nicht betroffen. Das crimen maiestatis sollte nicht weiter verfolgt werden. Grund der Bestrafung sollte allein der Ehebruch sein. Anders als die Juliae und Ovid hatten Varilla und Manlius nach ihrer milden Verbannung, die sie dem Kaiser zu verdanken hatten, die Möglichkeit, etwaige umstürzlerische Umtriebe fortzusetzen, wozu freilich nichts überliefert ist. Augustus verstand es besser, seinen Machtanspruch auch unter dem Deckmantel des Ehebruchsprozesses durchzusetzen, indem er den Angeklagten vermittelte, dass er sich persönlich betroffen fühlte und er selbst es war, der sie strafte. Ovid erwähnt das immer wieder. Augustus wusste, dass er die gesetzliche Strafe, also bloße Ausweisung, verschärfen und die Verurteilten an bestimmten Orten festsetzen musste, um ihre Kontrollierbarkeit zu gewährleisten. Bemerkenswert ist, dass Tiberius Strafen anzuwenden empfahl, die der gesetzlichen Strafe ungefähr entsprachen, dabei aber besonders mild vorzugehen meinte. Das zeigt, dass sich die härteren Strafen, die poena gravior der Juliaprozesse, eingebürgert hatte. Tiberius betrachtete sie wohl als die geltende Strafe für Ehebruch. Er riet dem Senat, sein Ermessen bei der Strafzumessung mildernd auszuüben. Die milden Urteile unter Augustus ließen machtpolitische Erwägungen erkennen: öffentlichen Anstoß wegen harter Strafen vermeiden und die Verurteilten dennoch unschädlich machen. Die Erwägungen des Kaisers Tiberius sind weniger deutlich. Ihm war das Vorgehen seines Vorgängers bekannt. Augustus, also auch seine Milde, sich zum Vorbild nehmen zu wollen, hatte er verschiedentlich bekannt.346 Zudem war bei Tiberius clementia Teil der kaiserlichen Propaganda, wie sich insbesondere numismatisch nachweisen lässt.347 Den milden Urteilen des in seinem Amt noch unsicheren Tiberius mangelte im vorliegenden Ehebruchsprozess jedoch das Element effektiver Sicherung der Macht. Clementia und utilitas publica wurden nicht in Einklang gebracht. 345 Bei den Juliaprozessen unwirtliche Inseln, beim Prozess gegen Ovid, dem einzigen weiteren überlieferten Ehebruchsprozess unter Augustus, der unattraktive Ort Tomi. 346 Vgl. z. B. Tac. ann. 1, 11, Dio 57, 10, 1 f. s. a. Yavetz, Tiberius (1999), S. 179. 347 Dazu im Abschnitt über die clementia Romana, s. o. A.II.1.

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B. Die einzelnen Prozesse bis Trajan

Der nächste überlieferte Ehebruchsprozess fand 19 n. Chr. statt.348 Im Gegensatz zu dem soeben besprochenen gegen Appuleia Varilla und Manlius handelte es sich um einen vollkommen unpolitischen Fall, in dem von Milderungsbemühungen des Kaisers aber nichts verlautet, obwohl sie hier eher angezeigt gewesen wären. Der Prozess bestätigt, dass Festsetzung zur neuen Ehebruchsstrafe geworden war. Eine gewisse Vistilia aus vornehmer Familie trieb für Geld Unzucht, hatte sich zuvor jedoch bei den Ädilen als Prostituierte registrieren lassen. Früher war das zur Vermeidung einer Bestrafung zulässig gewesen, mittlerweile jedoch aufgrund eines Senatsbeschlusses349 desselben Jahres für Frauen vornehmer Abkunft verboten worden.350 Ihr Ehemann, Titidius Labeo,351 wurde gefragt, weshalb er seine Frau nicht angeklagt habe, worauf er einwandte, dass die 60 Tage ,Bedenkzeit‘ noch nicht verstrichen seien.352 Deshalb wurde nur seine Frau verurteilt und auf die karge Insel Seriphos353 verbannt. Wer anklagte, ist nicht bekannt. Der Prozess fand wohl vor dem Senatsgericht statt.354 Die gesetzliche Strafe wurde zu Verbannung auf eine Insel verschärft. Tacitus erwähnt das fast gleichgültig am Ende des Berichts über den Prozess: satis visum de Vistilia statuere; eaque in insulam Seriphon abdita est.355 Vielleicht war Verbannung auf eine Insel sogar in dem von Tacitus erwähnten Senatusconsultum als Ehebruchsstrafe rechtlich festgeschrieben worden.356 Tac. ann. 2, 85. s. dazu McGinn, The SC from Larinum (1992), S. 280 – 295. Es handelt sich dabei, anders als zunächst angenommen (s. Malavolta, S.C. da Larino (1978), S. 347 – 382, Giuffrè, Sc. de matronarum lenocinio (1980), S. 7 – 40 und Zablocka, leggi matrimoniali (1986), S. 403 – 407), nicht um das SC von Larinum, vgl. Levick, The Senatus Consultum from Larinum (1983), S. 98 f. u. 113 f., McGinn, Julio-Claudian Legislation (1986), S. 284 f. u. 345 f., Demougin, Ordre equestre (1988), S. 555 – 585, Formigoni Candini, Ne lenones (1990), S. 97 – 127 und McGinn, The SC from Larinum (1992). 350 Vgl. Pap. 2 de adulteriis D. 48, 5, 11, 2. 351 Über ihn ist wenig bekannt. Er wird nur noch bei Plin. nat. hist. 35, 20 erwähnt und scheint danach Senator gewesen zu sein, vgl. Fluss, Art. Titidius Labeo, RE VI A 2, 1937, Sp. 1536 f. s. a. Eck, Artt. Titedius (246) und Titidius (253), PIR VIII, 1, S. 75 u. 77. 352 Hier wird offenbar darauf angespielt, dass ein Ehemann, der sich bei offensichtlichem Ehebruch nicht von seiner Frau trennte, wegen lenocinium nach der lex Iulia strafbar war, Paul. 3 de adulter. D. 48, 2, 3, 3, PS 2, 26 = Coll. 4, 12, 1. Titidius Labeo scheint sich darauf berufen zu haben, dass ihm für die Anklage eine Frist von 60 Tagen zustand (Ulp. 2 de adulter. D. 48, 5, 15, 2). 353 Eine kleine, wasserarme Kykladeninsel mit ärmlicher Vegetation, die 84 v. Chr. nach den Mithridatischen Kriegen in römische Herrschaft und zur Provinz Asia kam. Ihre Besiedelung ist bereits für die Zeit vor 500 v. Chr. nachweisbar. Die Bewohner der Insel waren arm und politisch unbedeutend. Zu ihr ausführlich Bürchner, Art. Seriphos, RE II A 2, 1923, Sp. 1729 – 1734. 354 Auch Suet. Tib. 35 berichtet von diesen Vorgängen und erwähnt, Tiberius habe diese Leute verbannt (exilio adfecit). Unsicher ist, ob er auch die Verbannung Vistilias meint. Im Übrigen schreibt Sueton Urteile, die vom Senat unter Einfluss des Kaisers oder aufgrund eines vom Kaiser eingebrachten Senatsbeschlusses gefällt worden sind, häufig dem Kaiser selbst zu. Der Zusammenhang mit dem Senatsbeschluss legt eine Senatsverhandlung nahe, so auch Kunkel, Entstehung des Senatsgerichts (1969), S. 305. 355 Tac. ann. 2, 85: Es schien ausreichend, nur über Vistilia einen Beschluss zu fassen; sie wurde auf die Insel Seriphos verbannt. 348 349

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4. Der Prozess gegen den thrakischen König Rhescuporis (19 n. Chr.)357 Unter einem Vorwand wurde 19 n. Chr. der thrakische König Rhescuporis358 zu den römischen Besatzungstruppen gelockt, festgenommen, unter Bewachung nach Rom überstellt und dort wegen der Ermordung seines Neffen Cotys von dessen Witwe vor dem Senat angeklagt. Er wurde nach Alexandria verbannt. Dort wurde er bei einem angeblichen359 Fluchtversuch getötet. Das Urteil des Senats lautete jedoch auf Verbannung: damnatur, ut procul regno360 teneretur.361 Grundlage der Verurteilung war die lex Cornelia de sicariis et veneficiis.362 Gesetzliche Strafe der lex war Todesstrafe.363 Sie wurde hier erheblich abgemildert, denn dem König wurde lediglich ein Ort auf dem Festland zugewiesen, die reizvolle Stadt Alexandria. Über das Senatsverfahren und die Beweggründe der Senatoren für die Milderung der Strafe ist nichts überliefert. Womöglich war seine Ermordung ,auf der Flucht‘ von Beginn an geplant und konnte man sich deshalb 356 Tacitus berichtet, die libido feminarum sei durch scharfe Verordnungen (gravibus senatus decretis) in Schranken gehalten worden. Anlass der Senatsbeschlüsse scheint das Verhalten Vistilias gewesen zu sein, denn Tacitus fährt fort: nam Vistilia praetoria familia gentia licentiam stupri apud aediles vulgaverat (denn Vistilia, die aus prätorischer Familie stammte, hatte sich bei den Ädilen als Prostituierte gemeldet). Als würde es diesen Verordnungen entsprechen, erwähnt er in einem kurzen Satz am Schluss, dass Vistilia auf eine Insel verbannt wurde. Diese decreta gravia können schwerlich nur beinhaltet haben, dass man sich als vornehme Frau nun nicht mehr bei den Ädilen einschreiben dürfte, oder andere Erweiterungen der Straftatbestände der lex Iulia de adulteriis. Grave betrifft vor allem Strafen, Tatbestandserweiterungen eher weniger. Womöglich hat das Senatusconsultum des Jahres 19 n. Chr. Verbannung auf eine Insel als Ehebruchsstrafe festgeschrieben. Leider fehlen hierzu nähere Informationen. Sueton berichtet in seiner Tiberiusbiographie (Suet. Tib. 35) lediglich von dem Vorgehen, wie es auch Vistilia wählte, und gibt an, der Kaiser habe diese Leute verbannt. Den dazugehörigen Senatsbeschluss erwähnt er nicht. Bei Papinian 2 de adulteriis D. 48, 5, 11, 2 heißt es nur, die Frau, die sich als Schauspielerin verdungen habe, könne ex senatus consulto nunmehr dennoch wegen Ehebruchs angeklagt werden. 357 Tac. ann. 2, 67; s. a. Tac. ann. 3, 38 und Vell. Pat. 2, 129, 1. Dazu Rogers, Criminal Trials (1935), S. 30, Danov, Die Thraker (1979), S. 134 – 139. 358 Vgl. zu ihm Danov, Die Thraker (1979), S. 120 – 145, Taceva, Rhascuporids (1995), S. 459 – 467 und Wachtel, Artt. Rhascuporis und Rhescuporis (60 f.), PIR VII, 1, 1999, S. 60 – 62. 359 Vgl. Tac. ann. 2, 67 i. f. 360 Mit porcul regno war Alexandria gemeint, wie die Fortsetzung der Stelle ergibt. 361 Tac. ann. 2, 67. 362 Die Strafgesetze galten ursprünglich wohl nur gegenüber römischen Bürgern und also nicht gegenüber Vasallenkönigen wie Rhescuporis, sofern sie nicht das römische Bürgerrecht hatten wie zumindest zwei, die deshalb Ti. Iulius Rhescuporis vollständig hießen (s. Wachtel, Artt. Rhascuporis und Rhescuporis (60 f.), PIR, artt. cit., S. 61 unten u. 62 oben). Dazu auch Kunkel, Entstehung des Senatsgerichts (1969), S. 307. Dennoch dürfte dem Senatsgericht in diesem Verfahren die Strafe des Cornelischen Mordgesetzes präsent gewesen sein. 363 s. o. B.I.7.a); s. a. A.III.1.

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B. Die einzelnen Prozesse bis Trajan

ohne Not zunächst auf das politisch unverfänglichere Verbannungsurteil beschränken. Dann handelte es sich nicht um eine wirkliche Strafmilderung.

5. Der Skandal um Decius Mundus und mehrere Priester des Isiskultes (19 n. Chr.)364 Isis wurde in Ägypten als Schutzgöttin verehrt. Ihr Kult kam in spätrepublikanischer Zeit über Griechenland nach Italien. 43 v. Chr. wurde ihm in Rom ein Tempel bewilligt.365 Den Skandal, in den mehrere Priester der Isis involviert waren, überliefert der jüdisch-hellenistische Historiker Flavius Josephus in seinem ca. 93 n. Chr. veröffentlichten Geschichtswerk.366 Decius Mundus, ein junger römischer Ritter,367 hatte sich in die mit einem gewissen Saturninus368 verheiratete Patrizierin Paulina369 verliebt. Als weder unermüdliches Bemühen noch großzügigste Geschenke sie bewegen konnten, seinem Verlangen nachzugeben, verzweifelte er und wollte sich umbringen. Das verhinderte Ide, eine Freigelassene seines Vaters. Sie bot ihm gegen Geld an, Paulina zu überlisten und ein Treffen mit ihr zu arrangieren. Es war bekannt, dass Paulina eine ergebene Verehrerin der Isis war. Daher bestach Ide einige Isispriester, die Paulina mitteilen sollten, der Gott Anubis370 habe sich in sie verliebt und wolle mit ihr zusammen eine Nacht im Isistempel verbringen. Paulina war hocherfreut über die Nachricht und kam an dem ihr genannten Tag in den Tempel, wo Mundus als Anubis verkleidet mit ihr zu Abend aß und die Nacht mit ihr verbrachte. 364 Dazu Gall, Art. Isis, RE IX, 2, 1916, Sp. 2084 – 2133, Sp. 2103 f., Reitzenstein, Mysterienreligionen (1927), S. 99 f., Hengel, Mors turpissima crucis (1976), S. 163, ders., Crucifixion (1977), S. 60, Kuhn, Die Kreuzesstrafe (1982), S. 694, Takács, Isis and Sarapis (1995), S. 83 – 86. 365 Zum Isiskult vgl. Gall, Art. Isis, RE, art. cit., Sp. 2084 – 2133, Vidman, Isis und Sarapis (1970), Witt, Isis (1971), Takács, Isis and Sarapis (1995), Turcan, Cults (1996), S. 75 – 129. 366 Joseph. ant. 18, 65 – 80; s. a. Tac. ann. 2, 85 i. f., Suet. Tib. 36, 1. Pharr, Josephus (1927), S. 143 – 145 hält die Episode für unhistorisch. Sein einziger Anhaltspunkt ist jedoch, dass die List in Grundzügen dem Trick des Nectanebus entspricht, der auf ähnliche Weise der makedonischen Königin Olympias beiwohnte – eine Erzählung, die Josephus bekannt gewesen sein musste. Vgl. zur historischen Glaubwürdigkeit dagegen Reitzenstein, Mysterienreligionen (1927), S. 99 f. 367 Zu ihm Stein, Art. Decius (14), RE IV, 2, 1901, Sp. 2278 und Strothmann, Art. Decius (II 3), NP 3, 1997, Sp. 349. 368 Wachtel, Art. Sentius (394), PIR VII, 2, 2006, S. 145 f., S. 146 schlägt überzeugend vor, es müsse sich dabei um einen der beiden Brüder Sentius Saturninus gehandelt haben, Gaius (Konsul 4 n. Chr.) oder Lucius. 369 Zu ihr Stein, Art. Paulina (1), RE XVIII, 4, 1949, Sp. 2326 und Petersen, Art. Paulina (168), PIR VI, 1998, S. 58 f. 370 Der Mythologie nach leistete er Isis nach der Ermordung ihres Gatten Osiris Beistand.

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Zwei Tage später eröffnete ihr Mundus triumphierend, sie sei betrogen worden. Paulinas Gatte informierte den Kaiser, der eine Untersuchung einleitete und die Hintergründe ans Licht brachte. Ide und die Isispriester wurden zum Tode am Kreuz verurteilt, Mundus verbannt.371 Aus den Quellen erhellt nicht, worauf die Verurteilung gestützt wurde. Gegen ein Strafverfahren wegen Ehebruchs sprechen die harten Todesstrafen, die weder vorher noch nachher in einem Ehebruchsprozess vorkommen.372 Der Kaiser könnte sein Vorgehen aber auf den mos maiorum gestützt und die Verehrung der einheimischen Götter haben schützen wollen.373 Aus diesem Grund war bereits Augustus gegen den fremden Kult vorgegangen374 und auch später begegnen harte Strafen zum Schutz indigener Kulte.375 Tiberius könnte die sich bietende Gelegenheit genutzt haben, dem Isiskult einen Schlag zu versetzen. Vielleicht deshalb ordnete er über die Kreuzigung der Priester hinaus die Zerstörung des Isistempels und Versenkung des Standbildes der Isis im Tiber an.376 Wichtiger als die Motive seines Vorgehens sind für uns jedoch die Unterschiede bei der Strafzumessung. Mundus wurde lediglich verbannt, während Ide und die Isispriester gekreuzigt wurden. Josephus sagt zur milderen Bestrafung des Mundus, nach Ansicht des Kaisers stehe der Umstand, dass Mundus aus Leidenschaft gehandelt hatte, einer härteren Strafe entgegen.377 Handeln aus Leidenschaft wird hier erstmals berücksichtigt und sollte auch in späteren Prozessen strafmildernd berücksichtigt werden.378 Das republikanische Prozessrecht hatte das nicht ermöglicht, wie uns Cicero zum Quästionenverfahren berichtet: nam quae motu animi et perturbatione facta sine ratione sunt, ea defensionem contra crimen legitimis iudiciis non habent, in liberis disceptationibus habere possunt.379 Die Bestrafung des Mundus scheint rechtsfortbildend gewirkt zu haben. 7 Joseph. ant. 18, 80 heißt es lediglich jõãçò, woraus nicht zu schließen ist, ob er lediglich ausgewiesen oder an einem bestimmten Ort festgesetzt wurde, vgl. diesbezu¨glich die Wortwahluntersuchung zu Cassius Dio oben A.III.2.b)aa)(1)(k). 372 Während des Prinzipats hielten sich sowohl Kaiser als auch Senat an die Verbannungsstrafe des Ehebruchsgesetzes, verschärften sie lediglich regelmäßig zu Verbannung auf eine Insel, s. o. B.I.2., 3. u. 4., II.3. und unten B.II.7., 17. u. 20.e), III.1., 5. u. 6., IV.1., V.3.f), VIII.6. und unter den Fällen B.IX. Lediglich im Ehebruchsprozess gegen C. Silius und die Kaisergattin Messalina sprach Kaiser Claudius wegen der Schwere des Vergehens Todesurteile aus, die allerdings wohl durch Enthauptung vollstreckt wurden, s. u. IV.6. 373 So Takács, Isis and Sarapis (1995), S. 85 f. und La Pina, Foreign Groups (1927), bes. S. 372 – 393. 374 Vgl. Dio 53, 2, 4 u. 54, 6, 6. 375 Vgl. das harte Vorgehen Domitians gegen den Inzest einer Vestalin, das er mit der correctio morum rechtfertigte. Die Vestalin wurde lebendig begraben und ihre Verführer zu Tode gegeißelt, s. u. VII.2.b). 376 Joseph. ant. 18, 79. 377 Joseph. ant. 18, 80. 378 s. u. V.3.a). Auch im späteren Recht begegnet es als Milderungsgrund, s. u. C.VII. 371

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6. Der Prozess gegen Cn. Calpurnius Piso (20 n. Chr.)380 Welche Tragweite der Prozess gegen Cn. Calpurnius Piso hatte, zeigt der Raum, den seine Beschreibung in Tacitus’ Annalen einnimmt.381 Außerdem wurden vor einigen Jahren in Südspanien mehrere Bronzetafeln gefunden, die eine Abschrift des Senatsbeschlusses enthalten, der am Ende des Prozesses gegen Piso gefasst wurde.382 Er sollte in den Hauptstädten und den Winterlagern der Legionen veröffentlicht werden.383 Der Senatsbeschluss zeigt die offizielle Sicht des Prozesses und des Urteils, während Tacitus auch über Hintergründe und Gesichtspunkte unterrichtet, die nicht Inhalt des offiziellen Urteils wurden. Piso war Parteigänger des Tiberius und während der ersten Regierungsjahre des neuen Kaisers eine der herausragenden Gestalten im Senat. 17 n. Chr. ernannte dieser ihn zum Statthalter von Syrien. Zur selben Zeit wurde Germanicus, Neffe und von Augustus aufgenötigter Adoptivsohn des Kaisers und damit präsumtiver Thronfolger, mit einem außerordentlichen, der Gewalt des Statthalters im Konfliktfall überlegenen Kommando zur Ordnung der Verhältnisse in den Osten des Reiches entsandt. Als er in die inneren Angelegenheiten Syriens eingriff, entstand ein offener Konflikt zwischen Piso und Germanicus. Piso beschloss schließlich, Syrien zu verlassen. Als Germanicus plötzlich erkrankte, verschob er seine Abreise. Germanicus war davon überzeugt, Piso habe ihn vergiftet, kündigte ihm förmlich die Freundschaft auf und befahl ihm vielleicht sogar, die Provinz zu verlassen, was Piso auch tat. Die Nachricht vom Tod des Germanicus erreichte Piso auf der Insel Kos, woraufhin er Truppen aushob und beschloss, in seine ihm, wie er glaubte, 379 Cic. or. part. 12, 43: Denn Taten, die aus Leidenschaft und Verwirrung begangen wurden, sind irrational und können gegen ein Verbrechen, das im ordentlichen Verfahren verfolgt wird, nicht Gegenstand der Verteidigung sein, in einer freien Verhandlung dagegen schon. s. a. Cic. de inv. 1, 27, 41 u. 2, 5, 17 und Schrift ad Herennium 2, 24 u. 2, 39. 380 s. dazu Schiller, Kaiserzeit I (1883), S. 272 ff., Lévy, Claudius Nero (1901), S. 63 ff., Marsh, Reign of Tiberius (1931), S. 90 – 94, Lengle, Römisches Strafrecht (1934), S. 64 – 67, Syme, Some Pisones (1956), S. 17 – 21, Zäch, Majestätsprozesse (1971), S. 38 – 53, Caballos / Eck / Fernández, Das SC de Cn. Pisone (1996), Eck, Mord im Kaiserhaus? (1997), S. 99 – 132, Eck, Täuschung der Öffentlichkeit (1997), S. 128 – 145, Lebek, SC de Cn. Pisone und Tacitus (1999), S. 183 – 211, Suerbaum, Lektüre des SC de Cn. Pisone (1999), S. 213 – 234, Bodel, Punishing Piso (1999), S. 32 – 63, Talbert, Tacitus and the SC de Cn. Pisone (1999), S. 89 – 97, Damon, narrative technique (1999), S. 143 – 162, Stickler, Gallus amore peribat? (2002), S. 65 – 69, Dowling, Clemency (2006), S. 170 – 177 und Robinson, Penal Practice (2007), S. 56 – 77. 381 Keinen anderen Prozess überliefert Tacitus so ausführlich. Die Vorgeschichte findet sich in den Kapiteln Tac. ann. 2, 69 – 84 und 3, 1 – 10, das eigentliche Prozessgeschehen in den Kapiteln 3, 11 – 19. Andere antike Autoren berichten weniger umfangreich von den Vorgängen, vgl. Suet. Tib. 52, Calig. 2 u. 3, Vitell. 2, Dio 57, 18, 9 f., Plin. nat. hist. 11, 187, Joseph. ant. 18, 54, Vell. Pat. 2, 130, 3. 382 Ediert von Caballos / Eck / Fernández, Das SC de Cn. Pisone (1996). Das Senatusconsultum wird zitiert mit S.C. und Zeilennummer. 383 S.C. 170 – 173.

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widerrechtlich genommene Provinz zurückzukehren, deren Verwaltung Cn. Sentius Saturninus, ein Legat des Germanicus, übernommen hatte. An der kilikischen Küste traf er auf die Truppen der Provinz Syrien unter Sentius und wurde geschlagen. Er wurde allein nach Rom zurückgeschickt. Bereits am Tag nach seiner Ankunft wurde gegen ihn Anklage beim Kaiser erhoben, der die Sache jedoch an den Senat verwies. Es wurde einige Tage verhandelt. Verteidigt haben Piso M. Aemilius Lepidus, sein Bruder L. Calpurnius Piso und Livineius Regulus. Die Anklage wurde von Fulcinius Trio, Q. Servaeus, Q. Veranius und P. Vitellius vertreten. Die zentralen Anklagepunkte waren, Germanicus vergiftet und beim Kampf gegen Sentius an der kilikischen Küste Waffengewalt gegen den Staat geübt zu haben. Auf ersteres stand nach der lex Cornelia de sicariis et veneficiis Todesstrafe, auf letzteres nach der lex Iulia maiestatis Verbannung. Als Piso erkannte, dass er einem Todesurteil nicht mehr entgehen würde, durchschnitt er sich in der Nacht zwischen zwei Prozesstagen in seinem Haus die Kehle.384 Dennoch wurde der Prozess fortgeführt, womöglich auf Betreiben des Kaisers, der die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zur Darstellung seiner clementia nutzen wollte.385 Anderslautenden Vorschlägen entgegentretend386 sprach sich Tiberius dafür aus, die mitangeklagten Familienmitglieder: den Sohn Marcus und die Gattin Plancina, nicht zu bestrafen, das eingezogene Vermögen Pisos seinen Söhnen zu belassen und seinen Namen nicht aus den Fasten zu tilgen.387 Wie das Urteil lautete und worauf es schließlich gestützt wurde, erwähnt Tacitus am Ende seines Prozessberichts nicht ausdrücklich. Seine Darstellung suggeriert jedoch, dass der Senat die von Piso an sich vollzogene Todesstrafe bestätigte und im Übrigen dem Vorschlag des Kaisers folgte. Er deutet ferner an, dass der Giftmord an Germanicus nicht bewiesen werden konnte,388 das Urteil also nur auf die Anwendung von Waffengewalt gegen den Staat, crimen maiestatis, gestützt wurde. Beides belegt das Senatusconsultum: die Senatoren bestätigten die Todesstrafe und stützten diese Entscheidung auf das Majestätsgesetz.389 Aus der Inschrift geht 384 Womöglich in der Hoffnung, dadurch die Konfiskation seines Vermögens verhindern zu können, vgl. Tac. ann. 6, 29 und Dio 58, 15. Vgl. auch den Selbstmord Libos, oben B.II.1. mit Fn. 301. 385 Vgl. Dowling, Clemency (2006), S. 170 – 172. 386 Nach Tac. ann. 3, 17 i. f. beantragte der Konsul Aurelius Cotta, den Namen Piso aus den Fasten zu streichen, die Hälfte seines Vermögens einzuziehen, seinen Sohn Marcus seines senatorischen Ranges zu entheben und ihn auf zehn Jahre zu verbannen. Auch wenn der Kaiser diesem Vorschlag nicht folgte, ist bemerkenswert, dass hier erstmals Verbannung auf Zeit als Strafe diskutiert wird. 387 Tac. ann. 3, 18. 388 Tac ann. 3, 14. 389 S.C. 71: Quas ob res arbitrari senatum non optulisse eum se debitae poenae, sed maiori . . . sibi . . . subtraxisse (Aus diesen Gründen glaubte der Senat, er habe nicht etwa die angemessene Strafe an sich vollzogen, sondern sich vielmehr einer schwereren entzogen);

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zudem hervor, dass noch andere Beteiligte, die Tacitus nicht erwähnt, angeklagt waren. Sie waren als comes, socii und ministri, also in geringerem Umfang am Verbrechen Pisos beteiligt. Über sie fällten die Senatoren kein eigentliches Urteil, sondern entschieden, dass sie von der quaestio de maiestate verurteilt und mit Verbannung und Vermögenseinziehung bestraft werden sollten,390 also wesentlich milder als der Haupttäter Piso. Geringere Beteiligung wurde also bei der Strafzumessung berücksichtigt. Das war schon bei Ovid so391 und geschieht in der außerordentlichen Strafpraxis fortan regelmäßig. Der Prozess zeigt in seiner ausführlichen Überlieferung deutlich, dass das freiere Verfahren der außerordentlichen Gerichtsbarkeit breiten Raum für die Ausübung richterlichen Ermessens bei der Strafzumessung bot. Die Strafverfahren vor dem Senatsgericht verliefen wie die üblichen Verhandlungen und Abstimmungen dort.392 Wem das Recht zur prima sententia zufiel, der schlug eine Strafe vor. Dieser Vorschlag stand zur Diskussion, konnte kritisiert werden und es konnten Gegenvorschläge gemacht werden. Alle Gesichtspunkte des Falles konnten in die Festsetzung einer Strafe eingehen. Im Gegensatz dazu hatten die Richter im Quästionenverfahren nur über Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu befinden. Die Abstimmung erfolgte geheim, ohne Beratung und kein Richter kannte das Votum des anderen. Jeder erhielt ein Wachstäfelchen mit den Buchstaben A für absolvo und C für condemno. Je nach seiner Entscheidung hatte er den einen oder den anderen Buchstaben zu tilgen und das Täfelchen verdeckt in eine Urne zu legen. Die Strafe ergab sich aus dem Gesetz und war nicht Gegenstand der Verhandlung.393 danach folgen die erschwerenden Bestimmungen, die der Senat der Todesstrafe hinzufügte. s. a. S.C. 6 f. u. 19. Über die Einziehung des Vermögens S.C. 84, über die Rückgabe je einer Hälfte an die beiden Söhne S.C. 95 f. u. 102 f. Über den Freispruch Plancinas S.C. 120. Dass das Urteil auf die lex maiestatis gestützt wurde, zeigt auch S.C. 122, wonach den Beteiligten aqua et igne interdici oportere ab eo pr(aetore), qui lege maiestatis quaereret (sie sollen von dem Prätor, der nach dem Majestätsgesetz erkennt, verbannt werden). In einem Punkt weichen die Darstellungen des SC und der Annalen voneinander ab: das SC stellt Piso als denjenigen hin, der den Konflikt mit Germanicus heraufbeschworen hat, und stellt ihn in ein denkbar schlechtes Licht. Andererseits erwähnt es mit keiner Silbe den Vorwurf des Giftmordes, der das Volk und die Gemüter der Senatoren am meisten erregt hatte. Dieser Vorwurf, der, auch wenn er letztlich nicht bewiesen werden konnte, den Prozess entscheidend beeinflusste, scheint bewusst ausgelassen worden zu sein. Offiziell durfte der Kaiser keinesfalls mit den Vorkommnissen in Verbindung gebracht werden und an das Gerücht, Tiberius und seine Mutter Livia hätten Piso zum Mord an Germanicus angestiftet, durfte in der offiziellen Verlautbarung des Senats nichts erinnern. 390 Dazu S.C. 120 – 123. 391 s. o. B.I.4. 392 Zum Senatsverfahren vgl. Mommsen, Staatsrecht III, 2 (1888), S. 962 – 985 und Talbert, Senate (1984), S. 221 – 289, zum Verfahren in Strafverfahren insbesondere S. 460 – 487. Dazu auch de Marini Avonzo, Funzione Giurisdizionale (1957), S. 20 – 35 u. 95 – 133 und Jones, Criminal Courts (1972), S. 110 – 113. 393 s. Kunkel, Art. quaestio, RE, art. cit., Sp. 765 f., Mommsen, Strafrecht (1899), S. 443 ff.

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Piso wurde nach der lex Iulia maiestatis verurteilt. Gesetzliche Strafe war Verbannung, verbunden mit dem Verlust des Bürgerrechts und des halben Vermögens. Vor dem Selbstmord hatte sich für Piso Todesstrafe abgezeichnet, die der Senat dann auch aussprach. Die Senatoren verschärften also die gesetzliche Verbannung zur Todesstrafe und konfiszierten statt des halben das ganze Vermögen.394 Wie bewegt die Ermessensausübung des Senatsgerichts war, zeigen die verschiedenen Modifikationen, über die diskutiert wurde und die schließlich dem Todesurteil hinzugefügt wurden. Dem Vorschlag des Konsuls Aurelius Cotta, den Namen Piso aus den Fasten zu streichen, trat Tiberius entgegen.395 Beschlossen wurde schließlich nur, dass sein Name aus der Inschrift unter der Statue des Germanicus entfernt würde.396 Zudem durfte über seinen Tod nicht getrauert werden,397 Statuen und Porträts Pisos sollten beseitigt werden398 und bei Trauerfeierlichkeiten in seiner Familie durfte sein Bild nicht mitgeführt werden.399 Der Prozess gegen Piso ist das erste überlieferte Strafverfahren wegen crimen maiestatis aus der Regierungszeit des Tiberius. Augustus verzichtete aus machtpolitischen Gründen öfter auf die Todesstrafe und verbannte Majestätsverbrecher, auch wenn er persönlich die Hinrichtung des Angeklagten vorgezogen hätte.400 Der Fall Pisos liegt umgekehrt. Aus der Sicht des Kaisers war die Schuld Pisos gering. Er wusste, dass Piso davon ausgegangen war, die syrischen Truppen würden zu ihm überlaufen, und nicht mit einer gewaltsamen Auseinandersetzung rechnete. Zudem war er dem Staat bis dahin von großem Nutzen gewesen und sogar ein Freund des Kaisers. Es wird Tiberius schwergefallen sein, ihn der Todesstrafe entgegengehen zu lassen. Eine milde Strafe hätte jedoch der öffentlichen Meinung über den princeps geschadet. Er hätte den Kampf römischer Soldaten gegen römische Soldaten, den die Bevölkerung aus den schlimmen Jahren der späten Republik kannte, verharmlost. Bürgerkrieg war das Gegenteil dessen, was das neue System zu garantieren versprach. Das Volk forderte ein hartes Urteil: simul populi ante curiam voces audiebantur: non temperaturos manibus si patrum sententias evasisset. effigiesque Pisonis traxerant in Gemonias ac divellebant.401 Tiberius konnte 394 Zwei Gefolgsleuten des Piso, Visellius Karus und Sempronius Bassus, denen man Beteiligung am Majestätsverbrechen Pisos nachweisen konnte, wurde ebenfalls das gesamte Vermögen konfisziert und sie wurden verbannt, S.C. 120 – 123. Tacitus verliert über sie kein Wort. 395 Tac. ann. 3, 17 i. f. u. 18. 396 S.C. 82 f. 397 S.C. 73 f. 398 S.C. 75 f. 399 S.C. 78 ff. 400 Das wird deutlich in dem erwähnten Gespräch zwischen Augustus und Livia, Dio 55, 14 – 22, vgl. den Prozess gegen den Redner Cassius Severus, 12 n. Chr., B.I.5. 401 Tac. ann. 3, 14: Zugleich hörte man vor der Kurie das Volk rufen: man werde vor Handgreiflichkeiten nicht zurückscheuen, wenn Piso durch die Abstimmung der Väter der Verurteilung entgehe. Und schon hatten sie die Bilder Pisos zu den Gemonien geschleppt und waren dabei, sie zu zertrümmern.

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keine Milde zeigen. Er musste den Freund fallenlassen und den Senat aufgrund des politischen Klimas die gesetzliche Strafe verschärfen lassen. Gegenüber den mitangeklagten Familienangehörigen bewirkte er dagegen Freisprüche, obwohl etwa der Sohn Marcus an der militärischen Auseinandersetzung beteiligt war. Mag er damit auch seinem früheren Freund einen postumen Dienst haben erweisen wollen, so konnte er die große Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit doch zugleich nutzen, seine clementia zur Schau zu stellen.402 Im Gegensatz zum milden Urteil gegenüber Appuleia Varilla403 setzte er die machtpolitische Zielsetzung der clementia in diesem Fall wohl erfolgreich um, verstand er es hier, sie mit utilitas publica zu verbinden. Diese Milde konnte nicht als Schwäche missverstanden werden, weil nie verhehlt wurde, welche Strafen zur Verfügung gestanden hätten. 7. Die Verbannung Aemilia Lepidas (20 n. Chr.)404 20 n. Chr. wurde Aemilia Lepida405 vor dem Senatsgericht angeklagt. Nach Tacitus wurde ihr ein ganzes Bündel an Vorwürfen gemacht. Sie soll fälschlich angegeben haben, ihr vorletztes Kind stamme von ihrem früheren Mann, P. Sulpicius Quirinius,406 um ihm die Erbschaft des reichen Alten zu verschaffen. Ferner soll sie Ehebruch getrieben und versucht haben, Quirinius durch Gift umzubringen. Außerdem habe sie Chaldäer407 über das Kaiserhaus befragt. Von Sueton408 erfahren wir, dass die Ehe mit Quirinius lange vor dem Prozess geschieden worden war und auch der ihr vorgeworfene Vergiftungsversuch in diese Zeit gefallen sein soll. Vgl. dazu besonders S.C. 110 – 113. s. o. B.II.3. 404 Tac. ann. 3, 22 f. und Suet. Tib. 49. Vgl. zum Prozess Rogers, Criminal Trials (1935), S. 51 – 56, Townend, The trial of Aemilia Lepida (1962), S. 484 – 493. 405 Zu ihren Urgroßvätern zählten der Diktator Sulla und der Triumvir Pompeius. Sie stand dem Kaiserhaus nahe und sollte einst Gattin des Augustusenkels Lucius Caesar werden, der allerdings 2 n. Chr. verstarb. s. zu ihr v. Rohden, Art. Aemilius (170), RE I 1, 1893, Sp. 592 und Groag, Art. Aemilia (420), PIR I, 1933, S. 71. 406 s. zu ihm ausführlich Groag, Art. Sulpicius (90), RE IV A 1, 1931, Sp. 822 – 843, Sherk, Roman Galatia (1980), S. 967 – 969, Syme, Augustan Aristocracy (1986), S. 73, Horster / Strobach, Art. Sulpicius (1018), PIR VII, 2, 2006, S. 373 – 375. 407 Ursprünglich die Bezeichnung für einen Volksstamm, der seit dem frühen ersten vorchristlichen Jahrtausend in Babylonien nachweisbar ist. Nach dem Untergang des babylonischen Reichs ging die Bezeichnung auf die in Rom und Griechenland sehr geschätzten babylonischen Astrologen, Beschwörer, Zukunftsdeuter und Gelehrten über. s. ausführlich Baumstark, Art. Chaldaioi, RE III 2, 1899, Sp. 2045 – 2062 und Brinkmann, Babylonian society (1984). 408 Sueton, Tib. 49, 1 übertreibt, wenn er behauptet, die Scheidung habe zur Zeit des Prozesses schon 20 Jahre zurückgelegen. Denn um diese Zeit lebte der mit 19 Jahren verstorbene und mit Aemilia Lepida verlobte Augustusenkel L. Caesar noch. Sueton hat die vielen seit der Scheidung vergangenen Jahre daher wohl aufgerundet, vgl. Townend, The trial of Aemilia Lepida (1962), S. 486. 402 403

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Verheiratet war sie zur Zeit des Prozesses mit Mamercus Aemilius Scaurus,409 mit dem sie eine Tochter hatte. In das Prozessgeschehen vor dem Senat hat Tiberius lenkend eingegriffen. Verteidigt wurde Lepida von ihrem Bruder M’. Lepidus, der im selben Jahr bereits Piso verteidigt hatte.410 Verhandelt wurde wegen Kindesunterschiebung, Ehebruchs, Giftmordes und crimen maiestatis.411 Als Strafe verhängte der Senat Verbannung, wohl in Form der bloßen Ausweisung aus Rom und Italien.412 Ausdrücklich wurde bestimmt, dass Lepidas Vermögen nicht einzuziehen sei. Bereits antike Autoren deuten Zweifel an der Richtigkeit der Verurteilung an. Sueton scheint Lepida für unschuldig zu halten.413 Tacitus wundert sich, dass Quirinius sie trotz der lange zurückliegenden Scheidung der Ehe anfeindete.414 Wirft man einen Blick auf die beteiligten Personen, so werden mögliche Hintergründe deutlich. Das Interesse des Kaisers an einer Verurteilung Lepidas ist nicht zu übersehen. Er setzte den Prozess wohl in Gang,415 indem er P. Sulpicius Quirinius zu einer Anklage bewegte.416 Nach außen demonstrierte er ostentativ Neutralität: er bat den 409 Zu ihm ausführlicher sogleich. s. a. unten B.II.20.f. und v. Rohden, Art. Aemilius (139), RE I 1, 1893, Sp. 583 f., Seager, Tiberius (1972), S. 159 – 161, Woodman / Martin, Tacitus III (1996), S. 211 f. u. 458 – 461, Rutlegde, Imperial Inquisitions (2001), S. 186 – 188. 410 Er war ein bedeutender Redner, s. Tac. ann. 3, 11 u. 3, 50. s. zu ihm v. Rohden, Art. Aemilius (63), RE I 1, 1893, Sp. 551 und Groag, Art. Aemilius (363), PIR I, 1933, S. 58 f. 411 Tiberius bat den Senat zunächst, kein Verfahren wegen crimen maiestatis einzuleiten. Die darauffolgende Bemerkung, Tac. ann. 3, 22: mox M. Servilium e consularibus aliosque testis inlexit ad proferenda quae velut reicere voluerat (dann verleitete er den ehemaligen Konsul M. Servilius und andere Zeugen dazu, das ans Licht zu ziehen, was er, wie es schien, hatte zurückstellen wollen) kann aber nur so verstanden werden, dass er das crimen maiestatis nun doch verfolgt wissen wollte. Später heißt es dann: neque per tormenta interrogari passus est de iis quae ad domum suam pertinerent (und duldete nicht, dass sie (Lepidas Sklaven) auf der Folter über Dinge, die seine Familie betrafen, befragt würden). Das zeigt, dass auch wegen crimen maiestatis verhandelt worden sein muss. 412 Aqua atque igni arcebatur heißt es Tac. ann. 3, 23 i. f. Damit kann nur die aqua et igni interdictio, die gesetzliche Strafe der leges Iuliae maiestatis bzw. de adulteriis gemeint sein, also Ausweisung aus Rom und Italien mit Verlust des Bürgerrechts und einer Vermögensquote. 413 Suet. Tib. 49: condemnatam et generosissimam feminam Lepidam in gratiam Quirini consularis praedivitis et orbi, qui dimissam eam matrimonio post vicensimum annum veneni olim in se comparati arguebat (Er ließ sogar die rundum edelmütige Lepida zugunsten des reichen und kinderlosen Konsularen Quirinius verurteilen; der beschuldigte seine von ihm vor zwanzig Jahren geschiedene Frau, sie habe ihn damals vergiften wollen). 414 Tac. ann. 3, 22: Quirinius post dictum repudium adhuc infensus. 415 Vgl. Tac. ann. 3, 22: . . . vertit . . . irae . . . signa (er zeigte . . . Anzeichen seines Zorns), dazu sogleich. 416 Ob Quirinius Ankläger ist, wird bei Tacitus nicht ganz deutlich. Er sagt nur, er habe Lepida angefeindet. Die juristische Überlieferung im Falle der Kindesunterschiebung zum Anklagerecht des angeblichen Vaters (Mod. 12 pandect. D. 48, 10, 30, 1) lässt aber nur den

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Senat, das Verfahren nicht auf crimen maiestatis zu erstrecken, was dann allerdings auf seinen Wunsch hin dennoch geschehen zu sein scheint.417 Lepidas Sklaven durften auf der Folter nicht über Dinge befragt werden, die die Kaiserfamilie betrafen. Er setzte durch, dass sein Sohn Drusus, damals designierter Konsul, nicht wie üblich als erster abstimmte.418 Der Verdacht, die prima sententia des Drusus, an die sich die anderen Senatoren hätten gebunden fühlen können, sei von ihm beeinflusst, sollte gar nicht erst aufkommen können. Tacitus sagt, manche Senatoren hätten in diesem Manöver trotzdem einen Schachzug gegen Lepida erblickt, weil Drusus nicht zurückgetreten wäre, wenn er nicht genötigt worden wäre, für schuldig zu stimmen: quod alii civile rebantur, ne ceteris adsentiendi necessitas fieret, quidam ad saevitiam trahebant: neque enim cessurum nisi damnandi officio.419 Warum aber war dem Kaiser an einer Verurteilung Lepidas gelegen? Ihr jetziger Ehemann Mamercus Aemilius Scaurus nahm 14 n. Chr. an der Senatssitzung teil, als man über Tiberius’ Regierungsantritt verhandelte, und zog sich mit einer unvorsichtigen Äußerung den Hass des Kaisers zu.420 Seinerzeit bewahrte Tiberius über seinen Groll Stillschweigen421 und trat auch später nie offen gegen Scaurus auf. Viel später, 32 n. Chr., wurde Scaurus dann wegen crimen maiestatis angeklagt, das Urteil jedoch zunächst noch verschoben.422 Weitere zwei Jahre später wurde er bei Tiberius des Majestätsverbrechens denunziert, der ihn diesmal aber nicht deswegen anklagen ließ, sondern wegen angeblichen Ehebruchs mit Livilla und Befragens der Magier. Er kam dem Urteil durch Selbstmord zuvor.423 Dass Tiberius gegen Scaurus eingestellt war, ist offenkundig. Womöglich sollte er durch einen Prozess gegen seine Ehefrau und deren Verbannung demontiert werden. Auffällig ist auch das Verhältnis zwischen Tiberius, P. Sulpicius Quirinius, dem Ankläger und früheren Gatten Lepidas, und anderen Prozessbeteiligten. Sie bilden ein Lager. Quirinius war ein homo novus, der bereits unter Augustus über die miliSchluss zu, dass Quirinius Ankläger war. s. a. Kunkel, Entstehung des Senatsgerichts (1969), S. 308 f. 417 s. o. Fn. 411. 418 Zur Reihenfolge bei der Abstimmung und zu Abweichungen bei der Stimmabgabe vgl. Talbert, Senate (1984), S. 240 – 248. 419 Tac. ann. 3, 22 i. f.: Dies fassten die einen als Bekundung von Bürgersinn auf, mit dem er die anderen nicht zwingen wollte, ebenso zu stimmen; andere legten es als Zeichen seiner Hartherzigkeit aus: denn Drusus wäre nicht zurückgetreten, wenn er nicht verpflichtet gewesen wäre, für schuldig zu stimmen. Hätte Drusus von seinem Vater die Anweisung gehabt, Milde walten zu lassen und für Freispruch zu stimmen, dann hätte er sich diese Möglichkeit, seine Popularität zu steigern, nicht entgehen lassen und wäre schwerlich von der prima sententia zurückgetreten. 420 Tac. ann. 1, 13. 421 Tac. ann. 1, 13: in Haterium statim invectus est; Scaurum, cui inplacabilius irascebatur, silentio tramisit (gegen Haterius fuhr er sofort los; Scaurus, dem er unversöhnlicher grollte, überging er mit Stillschweigen). 422 Tac. ann. 6, 9, Sen. de benefic. 4, 31, 3. 423 Tac. ann. 6, 29, Dio 58, 24, 3 – 5.

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tärische Laufbahn zu höchsten staatlichen Würden und großem Reichtum gekommen war. 12 v. Chr. war er Konsul. Den nach Rhodos verstoßenen Tiberius behandelte er achtungsvoll und legte damit den Grundstein seiner Freundschaft mit dem späteren Kaiser,424 der ihm 21 n. Chr. durch den Senat ein Staatsbegräbnis zuteil werden ließ.425 Nachdem das Urteil gegen Lepida gefällt war, gab Tiberius bekannt, er habe von den Sklaven des Quirinius erfahren, dass Lepida diesen zu vergiften versucht habe.426 Diese seltsame Erklärung sollte wohl den Quirinius in der öffentlichen Meinung rehabilitieren, denn die Bevölkerung sympathisierte mit Lepida und tadelte Quirinius.427 Der von Tiberius als Zeuge präsentierte ehemalige Konsul M. Servilius war mit Quirinius seit langem befreundet.428 Nicht zuletzt stand Rubellius Blandus dem Kaiserhaus nahe, dessen Strafvorschlag der Senat, entgegen milderen Vorschlägen von anderer Seite, schließlich folgte. Tacitus hebt hervor, dass sich dem Vorschlag auch der Kaisersohn Drusus anschloss.429 Dessen Tochter Julia heiratete Rubellius wenige Jahre später.430 Nach allem ist es nicht unwahrscheinlich, dass Tiberius seinen Freund Quirinius und den ehemaligen Konsul Servilius instrumentalisierte, um durch Verbannung Lepidas Scaurus einen Schlag zu versetzen.431 Diesen ließ er jedoch im Unklaren darüber, weswegen der Versuch, ihn einzuschüchtern, fehlschlug und er ihm später immer wieder gefährlich wurde. Tiberius’ Unfähigkeit, dem Betroffenen den wahren Grund seines Handelns zu vermitteln und dadurch die Situation zu beherrschen, war schon im Prozess gegen Libo Drusus erkennbar und setzt sich hier fort. Die Unnahbarkeit und Unantastbarkeit des Kaisers stellt Tacitus als Fassade dar, hinter die er niemanden blicken lässt, gerade diejenigen nicht, denen die Ereignisse vor der Fassade galten. Mag die Verurteilung in der Sache auch nicht gerechtfertigt gewesen sein, so scheint Lepida dennoch in allen vier Anklagepunkten verurteilt worden zu sein: 424 Wegen seiner guten Verbindungen zum Kaiser schien er dem M. Scribonius Libo Drusus geeignet, sich bei Tiberius für ihn zu verwenden, was seinen Tod jedoch nicht mehr verhinderte, Tac. ann. 2, 30 i. f., s. o. B.II.1. 425 s. zu ihm Groag, Art. Sulpicius (90), RE, art. cit., Sp. 822 – 843. 426 Tac. ann. 3, 23 i. f. 427 Das zeigte sich bei den Spielen, die die Verhandlung unterbrachen, Tac. ann. 3, 23 init., wohl die ludi Romani magni vom 4. – 19. September, vgl. die Anmerkung zu der Stelle in Nipperdey / Andresen, Tacitus I (1884). Auch in seinem Bericht über das Staatsbegräbnis erwähnt Tacitus, dass er wegen des Prozesses gegen Lepida in keinem guten Andenken stand, Tac. ann. 3, 48. 428 Groag, Art. Sulpicius (90), RE, art. cit., Sp. 841. 429 Tac. ann. 3, 23 i. f. 430 s. zu ihm Philipp, Art. Rubellius (4), RE I A 1, 1914, Sp. 1158 f. und Wachtel, Art. Rubellius (111), PIR VI, 1998, S. 84 – 86. 431 Groag, Art. Sulpicius (90), RE, art. cit., Sp. 841 meint, mit der Anklage und Verurteilung Lepidas habe Tiberius möglicherweise ihren im Übrigen unantastbaren Bruder treffen wollen. Er übergeht dabei, dass M’. Lepidus in Ansehen und Gunst bei Tiberius stand, s. Tac. ann. 4, 20 u. 6, 5.

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Kindesunterschiebung, Ehebruch, versuchtem Giftmord und Majestätsverbrechen. Auf Ehebruch stand, wie gesagt, nach der lex Iulia de adulteriis coercendis Verbannung in Form der Ausweisung aus Rom und Italien, verbunden mit dem Verlust des Bürgerrechts und einer Vermögensquote; die gleiche Strafe schrieb die lex Iulia maiestatis vor. Giftmord wurde nach der lex Cornelia de sicariis et veneficiis mit dem Tode bestraft,432 ebenso nach der lex Cornelia testamentaria nummaria Kindesunterschiebung.433 Auch dieser Prozess zeigt, wieviel Raum das Verfahren vor dem Senat für die Ausübung richterlichen Ermessens ließ. Einmal bot es die Möglichkeit, alle Anklagepunkte in einem Prozess zusammenzufassen und einer Gesamtwürdigung zu unterziehen, was im Quästionenverfahren nicht möglich gewesen wäre. Tacitus berichtet, dass man sich dem Antrag des Rubellius Blandus, Lepida aus Rom und Vgl. dazu und zu den vorgenannten leges die entsprechenden obigen Abschnitte. Vgl. zu dieser lex Mommsen, Strafrecht (1899), S. 669 – 677, Levy, Gesetz und Richter (1938), S. 60 – 71, Kocher, lex Cornelia de falsis (1965), D’Ors, crimen falsi (1971), S. 527 – 558, Santalucia, legislazione sillana (1979), S. 1 – 33, Crook, Lex Cornelia de falsis (1987), S. 163 – 171, García, falsificación (2005), S. 103 – 112 und Rodríguez / Díaz, El crimen de falsificación (2005), S. 317 – 324. Ob der Tatbestand der Kindesunterschiebung bereits in der ursprünglichen lex enthalten war oder eine der zahlreichen späteren Weiterungen darstellt, ist nicht mit Sicherheit zu entscheiden. Überwiegend wird sie als spätere Weiterung betrachtet, s. Rein, Criminalrecht (1844), S. 790 ff., Ferrini, Diritto penale romano II (1902), S. 399 f., Costa, Crimini e pene (1921), S. 147. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 670 u. 676 legt sich nicht fest. Kocher, lex Cornelia de falsis (1965), S. 80 f. u. 104 f. hat jedoch überzeugend darauf hingewiesen, dass die Kindesunterschiebung mit der Testamentsfälschung eng verwandt ist, weil in beiden Fällen ein falscher Erbgang zustande kommt. Im Übrigen fehlen im Gegensatz zu den vielen anderen Weiterungen für den Tatbestand der Kindesunterschiebung Nachrichten, dass es etwa ein Senatusconsultum gegeben habe. Vielmehr gehen die Autoren, die von der Kindesunterschiebung handeln, wie selbstverständlich von deren Strafbarkeit aus und beschäftigen sich nur mit prozessualen Fragen, vgl. Macer. 2 de publ. iud. D. 48, 2, 11, 1, Mod. 12 pandect. D. 48, 10, 30, 1, Paul. 5 sentent. D. 48, 10, 19, 1, PS 5, 25, 1b; 2, 24, 9, C. 9, 22, 1 u. 10. Eine Strafbarkeit der Kindesunterschiebung bereits in der ursprünglichen lex halten auch Zumpt, Criminalrecht II, 2 (1869), S. 76 und Kunkel, Entstehung des Senatsgerichts (1969), S. 309 für wahrscheinlich. Levy, Gesetz und Richter (1938), S. 60 – 71 hat das ,bunte Bild‘ der in den juristischen Quellen zur lex Cornelia testamentaria nummaria vorgeschlagenen gesetzlichen Strafen aufgezeigt. Die Juristenfragmente sind alle spät- oder nachklassisch und nennen als poena legis fast alle bis dahin bekannten Strafen: verschiedene Todesstrafen, sämtliche Arten der Verbannung, Züchtigung und auch bloße Ehrenstrafen – einmal als absolute Strafen, das andere Mal dem richterlichen Ermessen anheimgestellt, einmal für honestiores und humiliores verschieden, das andere Mal nicht. Deshalb hat man diesen Auskünften nicht vertraut und früher mit Mommsen überwiegend Verbannung als gesetzliche Strafe angenommen, vgl. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 677, Costa, Crimini e pene (1921), S. 63, Brasiello, La repressione penale (1937), S. 75 u. 251 ff., Ferrini, Diritto penale romano II (1902), S. 401. Überzeugender (s. o. B.I.1. und I.7.a)) ist es, aqua et igni interdictio zu dieser Zeit noch als administratives Substitut des nicht vollstreckten Todesurteils anzusehen und mit Levy deshalb Todesstrafe als gesetzliche Strafe der lex Cornelia testamentaria nummaria anzunehmen, vgl. Levy, Die Römisch Kapitalstrafe (1930 / 31), S. 14 ff. Für Todesstrafe auch Kocher, lex Cornelia de falsis (1965), S. 110, Santalucia, Diritto e processo penale, 1. Aufl. (1989), S. 72 und Rodríguez / Díaz, El crimen de falsificación (2005), S. 318. 432 433

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Italien zu verbannen, anschloss. In die Strafzumessung floss auch die familiäre Situation der Verurteilten ein, denn man einigte sich Lepidas Tochter zuliebe darauf, ihr Vermögen nicht einzuziehen.434 Die Strafe war damit milder als die in den beiden leges Iuliae vorgesehene Verbannung mit Vermögenseinziehung und zumal milder als die Todesstrafe der leges Corneliae. Auch war seit den Juliaprozessen Verbannung auf eine Insel die übliche Strafe für Ehebruch geworden, hinter der die Senatoren nun zurückblieben. Tacitus berichtet gar, dass andere eine noch mildere Strafe beantragt hatten,435 womöglich eine zeitlich begrenzte Verbannung oder eine bloße Geldstrafe. Über die Motive für die Strafmilderung lässt sich nur spekulieren. Grund für den Verzicht auf ein Todesurteil436 dürfte gewesen sein, dass die Angeklagte eine Frau war. Bislang war keine Frau zum Tode verurteilt worden; später wird sich das ändern.437 Auch mag berücksichtigt worden sein, dass die vorgeworfenen Vergehen zum Teil lange Zeit zurücklagen; vielleicht auch, dass die Beweislage zweifelhaft war und die öffentliche Meinung einer härteren Bestrafung entgegenstand.438 Für Tacitus scheint das verhältnismäßig milde Urteil die kaiserliche Milde zur Schau zu stellen, während er die Einleitung des Verfahrens dem Zorn des Kaisers zuschreibt: haud facile quis dispexerit illa in cognitione mentem principis: adeo vertit ac miscuit irae et clementiae signa.439

8. Zwei Majestätsprozesse des Jahres 21 n. Chr. 21 n. Chr. wurde zunächst der in Macedonien ansässige Provinzialrömer Antistius Vetus wegen Ehebruchs vor der quaestio de adulteriis440 angeklagt, aber freigesprochen.441 Tiberius rügte die Richter deswegen, warf Antistius Vetus überdies Beteiligung an den Kriegsplänen des thrakischen Königs Rhescuporis gegen das römische Reich vor und zog ihn wegen crimen maiestatis vor Gericht. Er Tac. ann. 3, 23 i. f. Tac. ann. 3, 23 i. f. 436 Piso war gerade wegen crimen maiestatis zum Tode verurteilt worden, s. o. B.II.6. 437 s. u. B.II.19 und 20.e). 438 Die beiden letzteren Gesichtspunkte konnten nur inoffizielle Milderungsgründe sein. Das gilt besonders für die zweifelhafte Beweislage, denn das Gericht musste vom Vorliegen der Tatsachen, auf die das Urteil gestützt wurde, überzeugt sein, vgl. Ulp. 7 de off. proc. D. 48, 19, 5 pr. s. a. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 435 f. 439 Tac. ann. 3, 22: Nicht gerade leicht konnte man bei jener Untersuchung die Stimmung des princeps erkennen: so sehr vermischte er Zeichen des Zorns und der Milde. 440 Die Anklage wegen Ehebruchs muss im ordentlichen Quästionenverfahren verfolgt worden sein, denn Tiberius tadelte ,die Richter‘ wegen des Freispruchs (increpitis iudicibus). Der anschließende Hochverratsprozess scheint dagegen vor dem Senat geführt worden zu sein, vgl. Kunkel, Entstehung des Senatsgerichts (1969), S. 305. 441 Tac. ann. 3, 38. Dazu Rogers, Criminal Trials (1935), S. 61 f., Shotter, Maiestas Cases (1980), S. 230 – 233 und Santalucia, La situazione patrimoniale (2001), S. 186. 434 435

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wurde für schuldig befunden und auf eine Insel verbannt, die man weder von Thrakien noch von Macedonien aus leicht erreichen konnte.442 Der Ehebruchsprozess, in dem der Kaiser Antistius Vetus hatte verurteilt wissen wollen, musste etwas mit der Anklage wegen Majestätsverbrechens zu tun haben, nennt Tacitus diese beiden grundverschiedenen Vorwürfe doch im selben Satz. Schon in den Strafverfahren unter Augustus war mehrfach Ehebruch vorgeschoben worden, verfolgte der Kaiser in Wahrheit aber eine persönliche Verletzung. Auch Tiberius hatte womöglich den Deckmantel des Ehebruchsprozesses verwenden wollen, um einen Gegner auszuschalten, doch gelang es ihm offenbar nicht, den Richtern seine Absicht zu vermitteln. So sprachen sie Antistius Vetus frei. Tiberius musste dann doch zum ambivalenten Mittel des Majestätsprozesses greifen. Freilich ging es auch in diesem Prozess offiziell nicht um eine persönliche Verletzung des Kaisers, sondern um angebliche Kriegspläne gegen Rom. Diese Interpretation der sechs Zeilen bei Tacitus ist spekulativ, zumal wir über das Verhältnis zwischen Tiberius und Antistius keine weiteren Nachrichten haben.443 Ein Blick auf die Strafe stützt die These jedoch. Gesetzliche Strafe für crimen maiestatis war Verbannung in Form der Ausweisung aus Rom und Italien, verbunden mit dem Verlust des Bürgerrechts und des halben Vermögens. Für Antistius wurde die Strafe zu Verbannung auf eine Insel verschärft. Allerdings wurde ihm etwas ganz ähnliches vorgeworfen wie Piso, und Piso wurde, wenn auch postum, mit dem Tode bestraft, was bald auch die übliche Strafe für Majestätsverbrecher wurde. Im Vergleich dazu erscheint die Strafe für Antistius mild. Möglicherweise durfte er sich seine Insel sogar selbst aussuchen, denn Tacitus berichtet lediglich, dass man ihn verbannte und hinzufügte, dass er auf einer Insel, die man weder von Macedonien noch von Thrakien leicht erreichen konnte, festzusetzen sei. Die Strafe, die Antistius Vetus traf, entspricht der für Ehebruch üblich gewordenen Strafe. Nachdem der Ehebruchsprozess gegen Antistius Vetus gescheitert war, setzte Tiberius im Majestätsprozess vor dem Senat dann doch die Ehebruchsstrafe durch; vielleicht erschien ihm die für crimen maiestatis üblich gewordene Todesstrafe zu hart. So konnte er kaiserliche Milde und Machtpolitik verbinden. Aus demselben Jahr ist ein weiterer Majestätsprozess überliefert.444 Der Ritter Clutorius Priscus445 hatte von Tiberius für ein Trauergedicht auf den Tod des Germanicus ein Geldgeschenk erhalten. In der Hoffnung auf eine noch höhere Belohnung im Fall des Todes des Kaisersohnes Drusus hatte er daraufhin während dessen Krankheit ein Gedicht auch auf dessen Tod verfasst, das er im Hause des Zum Ganzen Tac. ann. 3, 38. Über ihn ist weiter nichts bekannt, vgl. v. Rohden, Art. Antistius (45), RE I 2, 1894, Sp. 2558 und Stein, Art. Antistius (767), PIR I, 1933, S. 146. 444 Tac. ann. 3, 49 – 51, Dio 57, 20, 3 f. Dazu Rogers, Criminal Trials (1935), S. 62 – 64. 445 Über ihn ist weiter nichts bekannt, vgl. Stein, Art. Clutorius (1), RE IV 1, 1900, Sp. 118 f. und Stein, Art. Clutorius (1199), PIR II, 1936, S. 286. 442 443

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P. Petronius446 einem Kreis vornehmer Damen vorlas. Deswegen wurde er wegen crimen maiestatis447 vor dem Senat angeklagt und zum Tode448 verurteilt. Das Urteil wurde in Abwesenheit des Kaisers gefällt und vollstreckt.449 Tiberius kritisierte später den Senat, wegen bloßer mündlicher Äußerungen solch ein hartes Urteil gefällt zu haben, und veranlasste einen Senatsbeschluss, wonach Todesurteile des Senats zehn Tage lang im Aerarium deponiert werden sollten, bevor sie veröffentlicht und wirksam wurden. Dadurch eröffnete sich der Kaiser einen noch größeren Einfluss auf die Strafurteile des Senats.450 Tacitus berichtet ausführlich über die verschiedenen Strafvorschläge. Der designierte Konsul Haterius Agrippa451 schlug in seiner prima sententia Todesstrafe vor. Dagegen wandte sich M’. Lepidus.452 Das Vergehen des Priscus wiege nicht schwer und dieser selbst sei nicht gefährlich. Ließe man ihn am Leben, würde er zu einem warnenden Beispiel, ohne den Staat zu gefährden. Sein Vergehen solle nicht ungestraft bleiben, doch sollten severitas und clementia verbunden werden, weswegen Lepidus schließlich vorschlug, er solle ausgewiesen und sein Vermögen eingezogen werden. Die Überlegung entspricht den Erwägungen des Augustus, der sich ebenfalls Gedanken über die machtpolitischen Vorzüge der Verbannung gegenüber der Todesstrafe gemacht hatte.453 Tiberius lobte später Lepidus, sich gegen die vorgeschlagene Todesstrafe gewandt zu haben. Der einzige jedoch, der Lepidus beistimmte, war der ehemalige Konsul Rubellius Blandus. Alle anderen schlossen sich dagegen Agrippa an und so wurde Priscus zum Tode verurteilt und alsbald hingerichtet. Vielleicht getraute man sich nicht, einem Lepidus zu folgen, der im Vorjahr dem Kaiser entgegengetreten war, wagte es vor allem nicht, die kaiserliche Tugend clementia für sich in Anspruch zu nehmen. Unter Nero sollte sich das ändern.454 446 19 n. Chr. war er Konsul, später Prokonsul von Asia, seit 39 n. Chr. Statthalter der Provinz Syria, s. zu ihm ausführlich Hanslik, Art. Petronius (24), RE XIX 1, 1937, Sp. 1199 – 1201 und Wachtel, Art. Petronius (269), PIR VI, 1998, S. 101 f. 447 So deutlich Tac. ann. 3, 50 i. f. 448 Ultimum supplicium heißt es Tac. ann. 3, 49 i. f. Das bedeutete Todesstrafe, wie sich aus dem nachfolgenden Bericht über den Prozess ergibt. In den späteren juristischen Quellen ist ultimum supplicium ein technischer Begriff zur Bezeichnung der Todesstrafe, vgl. etwa Celsus 37 digestorum D. 48, 19, 21: ultimum supplicium esse mortem solam interpretamur, s. a. Ulp. 27 ad Sab. D. 1, 5, 18, Ulp. 7 de off. proc. D. 48, 8, 4, 2, Marc. 14 inst. D. 48, 10, 1, 13. 449 Dio 57, 20, 3. 450 Tacitus berichtet nichts über das Motiv des Beschlusses. Dio sagt dagegen ausdrücklich, Tiberius habe bezweckt, auch in seiner Abwesenheit rechtzeitig von den Senatsbeschlüssen in Kenntnis gesetzt zu werden und sie zu überprüfen, Dio 57, 20, 4 i. f. 451 Zu ihm Gaheis, Art. Haterius (4), RE VII 2, 1912, Sp. 2513 f. und Stein / Petersen, Art. Haterius (25), PIR IV, 1966, S. 49 f. 452 Tac. ann. 3, 50. Lepidus hatte im Jahr zuvor Piso und seine Schwester Aemilia Lepida verteidigt. s. zu ihm näher oben beim Prozess gegen Aemilia Lepida B.II.7. 453 Vgl. Dio 55, 14 – 22, s. a. oben beim Prozess gegen den Redner Cassius Severus, 12 n. Chr., B.I.5. 454 Vgl. den Prozess gegen Antistius Sosianus, B.V.3.e).

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Der Vorschlag des Lepidus entsprach im Wesentlichen der poena legis des Majestätsgesetzes, war aber insofern verschärft, als nicht nur das halbe, sondern das ganze Vermögen konfisziert werden sollte. Lepidus hielt seinen Antrag dennoch für einen milden Vorschlag. Er mag die Majestätsverfahren der jüngsten Vergangenheit in Erinnerung gehabt haben, das Todesurteil gegen Piso und die kürzlich verhängte Verbannung des Antistius Vetus auf eine Insel. Die gegen Priscus ausgesprochene Todesstrafe bedeutete eine erhebliche Verschärfung der gesetzlichen Strafe, die, wie sich später herausstellte, nicht im Sinne des Kaisers war.455 Das Strafverfahren ist der erste Fall unter Tiberius, wo eine Kränkung des Kaisers verfolgt und bestraft wurde. Bis dahin hatte der Kaiser derartige Vorwürfe nicht verfolgt wissen wollen.456 Dass er nunmehr den Senat zwar wegen der harten Strafe rügte, ihn im Übrigen aber lobte, die Beleidigung des Kaisers bestraft zu haben,457 erscheint vor diesem Hintergrund zwiespältig. Womöglich musste er Feingefühl beweisen und konnte er nicht die Verfolgung des Priscus als solche kritisieren, wollte er die Senatoren nicht vor den Kopf stoßen und das Klima der Zusammenarbeit, auf die er trotz allem angewiesen war, nicht belasten. Tacitus deutet auch in diesem Fall wieder die Schwierigkeiten bei der Kommunikation zwischen Kaiser und Senat an. Der Senat mag angenommen haben, dem Kaiser sei an einer strengen Verurteilung gelegen gewesen. Hier wie auch in einigen späteren Verfahren entstanden auf diese Weise harte Urteile, wo sie gar nicht gewollt waren. Der Senat orientierte sich bei der Strafzumessung an dem – in diesem Fall nur zu vermutenden – Wunsch des Kaisers und verschärfte die gesetzliche Strafe. 9. Die Verbannung des C. Iunius Silanus (22 n. Chr.)458 Der Prokonsul von Asien, C. Iunius Silanus,459 wurde 22 n. Chr. vom Senat wegen Erpressung in seiner Provinz, also wegen repetundae,460 verurteilt und ver455 Die Überlieferung bietet anders als in den vorherigen Verfahren keinen Hinweis, dass Tiberius das Verfahren in Gang gesetzt oder beeinflusst hätte. Bei den beteiligten Personen verlautet nichts über Freund- oder Feindschaften mit dem Kaiser. Die von Tiberius geäußerte Kritik gegenüber dem Senat scheint aufrichtig gewesen zu sein. Ihm war offenbar nicht an einer harten Verurteilung des Clutorius gelegen. 456 So etwa in dem Verfahren gegen Appuleia Varilla, Tac. ann. 2, 50, oder später gegen L. Ennius, Tac. ann. 3, 70. 457 Tac. ann. 3, 51. 458 Tac. ann. 3, 66 – 69. Dazu Marsh, Tacitus and Aristocratic Tradition (1926), S. 305 ff., Rogers, Criminal Trials (1935), S. 66 – 70, Sherwin-White, Poena Legis Repetundarum (1949), S. 17 f., Köstermann, Die Majestätsprozesse unter Tiberius (1955), S. 104 f., Bleicken, Senatsgericht (1962), S. 159, Shotter, The Trial of C. Iunius Silanus (1972), S. 126 – 131, Bauman, Human Rights (2000), S. 90, Santalucia, La situazione patrimoniale (2001), S. 186, Scognamiglio, Nullum Crimen (2009), S. 111 f. 459 10 n. Chr. war er Konsul zusammen mit Cornelius Dolabella, der ihn im Prozess schwer belasten sollte (Tac. ann. 3, 69 init.), und 20 / 21 n. Chr. Prokonsul von Asia, vgl. zu ihm Hohl,

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bannt. Tacitus nennt neben den Provinzialen noch eine ganze Reihe weiterer Ankläger, darunter seinen eigenen Quästor und seinen Legaten in der Provinz Asia,461 was tatsächlich kein gutes Licht auf das Betragen des Silanus in seiner Provinz wirft. So geht auch Tacitus davon aus, dass er sich Grausamkeit und Erpressung hat zuschulden kommen lassen: nec dubium habebatur saevitiae captarumque pecuniarum teneri reum.462 Über die Strafe für Silanus wurde länger verhandelt. Tiberius rief L. Piso463 zur prima sententia auf und dieser schlug vor, ihn auf die Insel Gyarus464 zu verbannen.465 Der Antrag fand Zustimmung. Cn. Lentulus machte den Vorschlag, das Art. Iunius (159), RE X 1, 1918, Sp. 1087 f. und Stein / Petersen, Art. Iunius (825), PIR IV, 1966, S. 348 f. 460 Tacitus berichtet daneben noch vom Vorwurf des crimen maiestatis, ann. 3, 66: obiectantque violatum Augusti numen, spretam Tiberii maiestatem; Tac. ann. 3, 67: maiestas crimina subdebantur. Das Urteil scheint dagegen nur auf repetundae gestützt worden zu sein, denn Tiberius (Tac. ann. 3, 68 init.) lässt als Präzedenz die unter Augustus wegen repetundae erfolgte Verurteilung des Volesus Messala vortragen, der gleichfalls Statthalter von Asien gewesen war. Später soll der Kaiser dann noch gesagt haben, Tac. ann. 3, 69: multos in provinciis contra quam spes aut metus de illis fuerit egisse (viele hätten sich schon in den Provinzen ganz anders benommen, als man von ihnen gehofft oder befürchtet habe). Demnach wurden die anfänglich zusätzlich vorgeworfenen crimina maiestatis offenbar nicht weiter verfolgt. An anderer Stelle (Tac. ann. 3, 38 init.) sagt Tacitus pauschal, dass man jede Anklage um den Vorwurf des crimen maiestatis erweiterte, was aber nicht wörtlich zu verstehen ist. Im Verfahren gegen C. Silanus nennt er einen möglichen Grund, Tac. ann. 3, 67: et ne quis necessariorum iuvaret periclitantem maiestatis crimina subdebantur, vinculum et necessitas silendi (und damit keiner der nächsten Verwandten ihm bei dem Prozess Beistand leiste, unterschob man crimina maiestatis, was zwangsläufig jedem den Mund verschloss). Wurde die eigentliche Anklage mit dem Vorwurf des crimen maiestatis verbunden, dann diente das offenbar dazu, Stimmung gegen den Angeklagten zu machen und seine prozessuale Lage zu schwächen, um ihn des eigentlichen Delikts überführen zu können. Für die juristische Einordnung des Urteils muss deshalb der Majestätsvorwurf ausgeklammert werden, sofern keine Anhaltspunkte bestehen, dass die Entscheidung des Gerichts auch darauf gestützt wurde. s. a. Kunkel, Entstehung des Senatsgerichts (1969), S. 303 f. Shotter, The Trial of C. Iunius Silanus (1972), S. 130 möchte die Erwähnung des crimen maiestatis nicht einmal auf Iunius beziehen, sondern sieht darin eine bloße Drohgebärde gegenüber möglichen Verteidigern aus Silanus’ Familie. 461 Tac. ann. 3, 66 u. 67. 462 Tac. ann. 3, 67: Und es war nicht zweifelhaft, dass sich der Angeklagte Grausamkeit und Gelderpressung hatte zuschulden kommen lassen. 463 Nach Nipperdey / Andresen, Tacitus I (1884), Anmerkung zur Stelle Tac. ann. 2, 32, der Bruder des 20 n. Chr. hingerichteten Cn. Calpurnius Piso, der denselben im Prozess auch verteidigt hatte. Mit Groag, Artt. Calpurnius (74 u. 75), RE III 1, 1897, Sp. 1383 liegt es wegen der Art, wie sich der L. Piso der Stelle Tac. ann. 3, 68 äußert, näher, ihn als von dem Bruder des hingerichteten Cn. Calpurnius Piso verschieden anzusehen und mit L. (Calpurnius) Piso, Statthalter von Hispania, zu identifizieren. 464 Eine felsige, öde und wasserarme Kykladeninsel. Die Küste ist steil und hafenlos. Die Besiedelung war dünn und ärmlich. Die Insel war in der Kaiserzeit gefürchteter Verbannungsort, s. Juvenal 1, 73, Tac. ann. 4, 30, Plut. exil. 8. s. ausführlich Bürchner und Philippson, Art. Gyaros, RE VII 2, 1912, Sp. 1950 f. 465 Tac. ann. 3, 68.

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mütterliche Vermögen des Silanus von der Konfiskation auszunehmen und seinem Sohn zu überlassen,466 worein Tiberius einwilligte.467 Schließlich merkte der Kaiser an, die Insel Gyarus sei unwirtlich und unkultiviert, weswegen man dem Silanus und seiner Familie zuliebe die Insel Cythnus468 auswählen möge. So urteilte am Ende der Senat.469 Ob es sich bei der Intervention des Kaiser um echte Milde oder um die berechnende Zurschaustellung der clementia principis handelte, ist schwer zu sagen. Für Tacitus ist es eher letzteres, wenn er das Verhalten als prudens moderandi bewertet.470 Silanus erlitt eine gegenüber der poena legis verschärfte Verbannung auf eine Insel – jedoch auf eine Insel, auf der ein einigermaßen angenehmes Leben möglich war. Die vom Senat schließlich angeordnete Vermögenskonfiskation dürfte der von der lex Iulia repetundarum vorgesehenen Teilkonfiskation im Wesentlichen entsprochen haben.471 Der Prozess gegen C. Silanus ist einer der wenigen bis dahin überlieferten Repetundenprozesse. Wegen repetundae war 26 v. Chr. C. Cornelius Gallus aus Rom und Italien ausgewiesen und sein Vermögen eingezogen,472 13 n. Chr. Valerius Messala Volesus verurteilt und wahrscheinlich auf eine Insel verbannt worden.473 Caesius Cordus wurde 21 n. Chr. verurteilt.474 Welche Strafe ihn traf, ist nicht überliefert. Die Strafe für C. Silanus passt in dieses Bild. Sie ist nicht schwerer als die zuvor wegen repetundae ausgesprochenen Strafen. Obwohl unter Tiberius bislang einige römische Bürger wegen anderer Vergehen unter Verschärfung der gesetzlichen Strafe zum Tode verurteilt und hingerichtet worden waren, wurde die Todesstrafe für C. Silanus nicht in Betracht gezogen. Die gesetzliche Strafe der lex Iulia repetundarum scheint Richtschnur gewesen zu sein. Mit dem letztlich von Tiberius stammenden Strafvorschlag beweist der Kaiser Gesetzestreue.475 Diese 466 Die Ausnahme eines Vermögensteils zugunsten der Nachkommen scheint in späterer Zeit dann üblich geworden zu sein, vgl. v. Holtzendorff, Deportationsstrafe (1859), S. 81 ff., Mommsen, Strafrecht (1899), S. 1006. s. bereits im Prozess gegen Aemilia Lepida (B.II.7.) und unten B.V.1.b), VIII.2. und IX. 467 Tac. ann. 3, 68. 468 Eine Kykladeninsel in der Nähe der Insel Seriphos, auf die 19 n. Chr. Vistilia wegen Ehebruchs verbannt worden war (oben B.II.3.). Im Vergleich zu Gyarus angenehmere Lebensumstände und dichtere Besiedelung. Eine Stadt mit Hafen war vorhanden und die Wasserversorgung gesichert, s. ausführlich Bürchner, Art. Kythnos, RE XII 1, 1924, Sp. 219 – 223. 469 Tac. ann. 3, 69 i. f. 470 Tac. ann. 3, 69. 471 Zur poena legis oben B.I.1.a). 472 s. o. B.I.1. 473 s. o. B.I.6. 474 Tac. ann. 3, 38. 475 Er lässt den Fall Volesus Messalas als Präzedenzfall vortragen (Tac. ann. 3, 68) und gibt damit L. Piso den Strafvorschlag für die prima sententia vor. Anhaltspunkte für eine persönliche Betroffenheit des Kaisers sind nicht vorhanden. Persönliche Rivalitäten zwischen

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Haltung betont er im Rahmen des Prozesses auch noch in anderem Zusammenhang. Als Cornelius Dolabella den Vorschlag macht, Personen ohne einwandfreien Lebenswandel sollten künftig keine Provinzen mehr erlosen dürfen, vielmehr solle fortan der Kaiser entscheiden, da wendet Tiberius ein: ne verterent sapienter reperta et semper placita . . . minui iura quotiens gliscat potestas, nec utendum imperio ubi legibus agi possit.476 Das Ermessen des Senatsgerichts wurde im Verfahren gegen C. Silanus von Tiberius gesteuert. Er tritt als gesetzestreuer princeps clemens auf und veranlasst den Senat zu einer Strafe, die nicht wesentlich über die gesetzliche Strafe hinausgeht, um schließlich den Strafvorschlag noch abzumildern, indem er eine weniger unwirtliche Insel vorschlägt, prudens moderandi, si propria ira non impelleretur.477

10. Die Verbannung des Vibius Serenus (23 und 24 n. Chr.) a) Der Prozess des Jahres 23 n. Chr.478 23 n. Chr. wurde Vibius Serenus, Statthalter des jenseitigen Spanien,479 wegen vis publica vom Senat480 nach der lex Iulia de vi publica et privata verurteilt und auf die Insel Amorgus481 verbannt. Der Bericht des Tacitus ist kurz und über den Tiberius und den beteiligten Personen, insbesondere zwischen ihm und C. Silanus, sind nicht überliefert. 476 Tac. ann. 3, 69: Man solle nicht umstoßen, was Frucht der Weisheit sei und was immer gegolten habe . . . jede Ausdehnung der amtlichen Macht bedeute eine Schmälerung des Rechts, und man dürfe nicht Herrschergewalt ausüben, wenn man aufgrund von Gesetzen handeln könne. 477 Tac. ann. 3, 69: Da er klug Maß zu halten wusste, sofern er sich nicht durch persönlichen Zorn hinreißen ließ. 478 Tac. ann. 4, 13. Dazu Rogers, Criminal Trials (1935), S. 71, Santalucia, La situazione patrimoniale (2001), S. 186. 479 Vibius Serenus war 16 n. Chr. im Zaubereiprozess neben anderen als Ankläger gegen M. Scribonius Libo Drusus aufgetreten und hatte dessen Verurteilung erreicht (s. o. B.II.1.). Bei der Verteilung des Vermögens des Verurteilten scheint er als einziger Ankläger leer ausgegangen zu sein, worüber er sich in einem gewagten Brief an Tiberius beklagte, Tac. ann. 4, 29. Dennoch muss er in der Ämterlaufbahn aufgestiegen sein, denn 23 n. Chr. war er propraetorischer Statthalter der Hispania ulterior. Vgl. zu ihm Hanslik, Art. Vibius (54), RE VIII A 2, 1958, Sp. 1983 f., Bauman, Impietas in Principem (1974), S. 114 u. 120 und Rutledge, Imperial Inquisitions (2001), S. 282 f. 480 Tacitus erwähnt nicht ausdrücklich, vor welchem Gericht der Prozess stattfand. Jedoch berichtet er in diesem und auch im darauffolgenden Abschnitt seiner Annalen (4, 13 u. 14) von Senatsgeschäften. Im Übrigen wurden Repetundensachen auch schon zuvor vor dem Senat verhandelt. 481 Eine mittelgroße, gebirgige, in ihren Tälern dennoch fruchtbare Insel im ägäischen Meer, deren Besiedelung in vorgriechische Zeit zurückreicht. In der Kaiserzeit besaß sie einige kleinere Städte. Der Verbannungsort war also zwar nicht attraktiv, doch konnte Vibius dort ein erträgliches Leben führen. s. Hirschfeld, Art. Amorgos, RE I 2, 1894, Sp. 1875 f.

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Prozess ist auch nichts Weiteres überliefert. Dennoch lässt sich aus der Nachricht einiges über die Strafzumessung des Senatsgerichts schließen. Zunächst interessiert jedoch, welche Strafe gesetzlich für vis publica vorgeschrieben war.

b) Die poena legis der lex Iulia de vi publica et privata482 Die lex Iulia de vi publica et privata483 war Teil der augusteischen Reformen 18 und 17 v. Chr.484 Wo die Grenze zwischen vis publica und vis privata anfänglich lag, ist unklar. Der Einteilung der Tatbestände in den Digestentiteln 48, 6, ad legem Iuliam de vi publica, und 48, 7, ad legem Iuliam de vi privata, ist für das ursprüngliche Gesetz nichts Gewisses zu entnehmen.485 Ein sicherer Fall von vis publica war die Überschreitung der öffentlichen Amtsgewalt,486 was wohl auch Vibius Serenus vorgeworfen wurde. Das Gesetz ist Nachfolgeregelung zur lex Plautia de vi des Jahres 89 v. Chr., die – wie in dieser Zeit üblich487 – Todesstrafe androhte,488 wenn den nach dieser lex Verurteilten zur Zeit Ciceros aufgrund der Vollstreckungspraxis tatsächlich auch nur Verbannung drohte.489 Die Auskünfte zur lex Iulia de vi publica et privata sind zahlreich und die unterschiedlichsten Strafen begegnen. Das zunächst undurchsichtige Bild lässt sich jedoch aufhellen. Nach PS 5, 26, 1 sollte bei vis publica humiliores Todesstrafe treffen, honestiores deportatio in insulam, nach PS 5, 26, 3 i. f. bei vis privata honestiores Vermögenskonfiskation und relegatio in insulam, humiliores Zwangsarbeit im Bergwerk. Der Sentenzenverfasser lieferte mit der Gegenüberstellung der zu seiner Zeit geltenden und früher angewandten Strafen wichtige Informationen zur poena legis 482 s. zu dieser lex Mommsen, Strafrecht (1899), S. 652 ff., Coroi, violence (1915), Pugliese, Appunti (1939), Kunkel, Art. quaestio, RE, art. cit., Sp. 771 f., Garnsey, Lex Iulia and Appeal (1966), S. 167 – 189, Vitzthum, lex Plautia und lex Iulia de vi (1966), Longo, repressione della violenza (1970), S. 451 – 532, Lintott, Violence (1968), Balzarini, danno violento (1969), Labruna, Vim fieri veto (1971), Cloud, Lex Julia de vi I (1988), S. 579 – 595, ders., Lex Julia de vi II (1989), S. 427 – 465, Harries, Law and Crime (2007), S. 110 f. 483 Die Inskriptionen in Coll. 9, 2 (Ulpian), PS 5, 26, C. Th. 9, 10 und auch C. 9, 12 legen nahe, dass es sich nicht, wie man aus D. 48, 6 u. 7 schließen könnte, um zwei getrennte Gesetze de vi publica und de vi privata handelte, sondern um ein einheitliches, umfangreiches Gesetz (Ulpian 9 de off. proc. berichtet Coll. 9, 2 vom 88. Kapitel des Gesetzes). 484 Kunkel, Art. quaestio, RE, art. cit., Sp. 771. 485 Mommsen, Strafrecht (1899), S. 657, Santalucia, Diritto e processo penale (1998), S. 198 f. 486 Kunkel, Art. quaestio, RE, art. cit., Sp. 771, Santalucia, Diritto e processo penale (1998), S. 199. 487 Vgl. Levy, Die Römische Kapitalstrafe (1930 / 31), S. 9 ff. und oben I.1. 488 Vitzthum, lex Plautia und lex Iulia de vi (1966), S. 45. 489 Vgl. Cic. pro Sulla 90, pro Sestio 146.

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der lex Pompeia de parricidiis und der lex Iulia maiestatis.490 Bei der lex Iulia de vi publica et privata dagegen trennt er sogleich zwischen Strafen für humiliores und honestiores, scheint sich also auf die Darstellung der Strafen seiner Zeit zu beschränken. Die unterschiedliche Bestrafung von humiliores und honestiores hatte sich in augusteischer Zeit noch nicht herausgebildet.491 Seine Auskünfte sind daher für die Ermittlung der poena legis unergiebig. Die bei Marcian 14 institutionum D. 48, 6, 5, 2 und Inst. 4, 18, 8 i. f. aufgeführten und mit dem Tode bestraften Tatbestände gehörten ursprünglich nicht zur lex Iulia de vi.492 317 n. Chr. scheint dann durch eine Konstitution Kaiser Konstantins für vis generell Todesstrafe eingeführt worden zu sein: non iam relegatione aut deportatione insulae plectatur, sed supplicium capitale excipiat.493 In späteren Bestimmungen begegnet sie von da an immer wieder.494 Dagegen überliefert Ulpian glaubhaft Verbannung als Strafe für vis publica in der lex Iulia de vi: damnato de vi publica, aqua et igni interdicitur.495 Mit aqua et igni interdicere beschreibt Ulpian die aus der administrativen aqua et igni interdictio hervorgegangene spätrepublikanische, strafrechtliche Verbannung der Ausweisung aus Rom und Italien unter Verlust des Bürgerrechts. Sie war als Strafe in den nachsullanischen,496 auch den augusteischen497 Strafgesetzen üblich. Bestätigt wird das Ergebnis in der erwähnten Institutionenstelle, wo allerdings von der schwereren Form der Verbannung, der deportatio, die Rede ist, die es als Strafe in augusteischer Zeit noch nicht gab:498 sed si quidem armata vis arguatur, deportatio ei ex lege Iulia de vi publica irrogatur.499

s. o. B.I.2.b) und 7.a)aa). Vgl. oben B.I.2.a) m. w. N zur Literatur in Fn. 80 und unten B.V.1.a) und C.III. 492 Vitzthum, lex Plautia und lex Iulia de vi (1966), hat das für raptum (S. 92 ff.) und stuprum (S. 82 ff.) ausführlich und überzeugend gezeigt. 493 C. Th. 9, 10, 1 = C. 9, 12, 6: Und zwar soll jetzt nicht mehr mit Verweisung oder Deportation auf eine Insel bestraft werden, sondern mit Todesstrafe. 494 C. Th. 9, 10, 2, C. Th. 9, 10, 3 (= C. 9, 12, 7), C. Th. 9, 10, 4 (= C. 9, 12, 8). 495 68 ad ed. D. 48, 6, 10, 2: Der wegen öffentlicher Gewalt Verurteilte wird verbannt. 496 Vgl. oben zu den leges Iuliae maiestatis und repetundarum und den Abschnitt über die Verbannungsstrafe, A.III.2. 497 Zur Verbannung als Strafe der lex Iulia de adulteriis coercendis s. o. B.I.2.a). Auch die augusteische (so Kunkel, Art. quaestio, RE, art. cit., Sp. 773 und Gioffredi, Principi (1970), S. 20) lex Iulia de peculatu scheint diese Strafe vorgeschrieben zu haben, vgl. Ulp. 1 de adulteriis D. 48, 13, 3: peculatus poena aquae et ignis interdictionem . . . continet. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 762 Fn. 1 möchte die lex aufgrund des Schweigens bei Suet. Aug. 34, 1 Caesar zuschreiben, übergeht dabei jedoch, dass Sueton selbst keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt ( . . . ut sumptuariam et de adulteriis et de pudicitia . . . ) und die lex Iulia de vi ebenso wenig nennt wie die lex Iulia de peculatu. 498 s. o. A.III.2.b). 499 Inst. 4, 18, 8: Wenn man aber dem Angeklagten Gewalt mit Waffen nachgewiesen hat, wird er gemäß der lex Iulia de vi publica deportiert. 490 491

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Für vis privata war Konfiskation eines Drittels des Vermögens und Ausschluss von öffentlichen Ämtern angeordnet, wie Marcian berichtet: De vi privata damnati pars tertia bonorum ex lege Iulia publicatur et cautum est, ne senator sit, ne decurio, aut ullum honorem capiat, neve in eum ordinem sedeat, neve iudex sit: et videlicet omni honore quasi infamis ex senatus consulto carebit.500 Die Konfiskation eines Drittels des Vermögens bei vis privata bestätigen noch vier weitere Quellen,501 eine davon auch den Ausschluss von öffentlichen Ämtern.502 Teilkonfiskation war außerdem Bestandteil der Ehebruchsstrafe der augusteischen lex Iulia de adulteriis coercendis, war der Gesetzgebungspraxis der Zeit also durchaus geläufig.503 c) Ergebnis Gesetzliche Strafe für vis privata war Konfiskation eines Drittels des Vermögens und Ausschluss von öffentlichen Ämtern, für vis publica Ausweisung aus Rom und Italien mit Verlust des Bürgerrechts.504 Vibius Serenus wurde wegen vis publica verurteilt und auf die Insel Amorgus verbannt. Die gesetzliche Strafe der bloßen Ausweisung aus Rom und Italien wurde vom Senat verschärft. Tacitus’ nur kurzer Bericht verrät nicht, ob die Verschärfung eine bewusste Entscheidung war oder ob nur die mittlerweile häufig angeordnete Form der Verbannung ausgesprochen wurde. Die vorigen Prozesse und auch schon die Gerichtsverfahren unter Augustus zeigten, dass die überwiegende Form der Verbannung die Verbannung auf eine Insel geworden war,505 bloße Ausweisungen insoweit kaum noch vorkamen.506 Im Strafverfahren gegen C. Silanus wurde im Senat ausführlich über die Strafe debattiert. Statt einer kargen, kaum bewohnten Insel wurde eine kultiviertere ausgewählt. Nicht erwogen wurde allerdings, ob man statt Verbannung auf eine Insel bloße Ausweisung anordnen sollte. Verbannung in insulam war bereits der feste Pol, der er künftig bleiben sollte. Der Senat wollte mit der Verbannung des Vibius Serenus auf die Insel Amorgus kein besonders hartes Urteil aussprechen. Zwar verschärfte er die gesetzliche Strafe. Todesstrafe wurde jedoch 500 14 inst. D. 48, 7, 1 pr.: Wer wegen vis privata verurteilt ist, von dessen Vermögen wird nach der lex Iulia ein Drittel eingezogen und es wurde dafür gesorgt, dass er weder Senator noch Decurio sein noch ein anderes Ehrenamt innehaben konnte, weder im Decurionenstand blieb, noch Richter sein konnte: und natürlich wird er nach dem Senatsbeschluss wie ein Infamierter ehrlos sein. 501 C. 9, 12, 2 (Eine Konstitution Caracallas von 213), PS 5, 26, 3 i. f., Inst. 4, 18, 8 und Modest. 2 de poen. D. 48, 7, 8. 502 Modest. 2 de poen. D. 48, 7, 8. 503 s. o. B.I.2.a). 504 So im Ergebnis auch Mommsen, Strafrecht (1899), S. 659, Brasiello, La repressione penale (1937), S. 76, Kunkel, Art. quaestio, RE, art. cit., Sp. 771 f., Santalucia, Diritto e processo penale (1998), S. 199. 505 s. o. B.I.2., 3., 5., 6., II.4., 7., 8. 506 s. o. B.I.8., II.3. u. 6.

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nicht einmal erwogen. Die Grenze der poena legis wollte man offenbar nicht zu weit überschreiten. d) Der Prozess des Jahres 24 n. Chr.507 Ausführlicher überliefert als der Prozess des Jahres 23 ist der des darauffolgenden Jahres. Derselbe Vibius Serenus wurde von seinem eigenen Sohn, der ebenfalls Vibius Serenus hieß,508 vor dem Senat angeklagt, er habe Tiberius ermorden wollen und durch Mittelsleute in Gallien zum Krieg aufwiegeln lassen.509 Der Vater wurde in Ketten aus seiner Verbannung von der Insel Amorgus zurückgeholt. Er leugnete jegliche Schuld und trat mutig vor dem Senat auf,510 während der anfängliche Hochmut seines Sohnes schnell verflog und dieser, verängstigt von den Anfeindungen im Volk, nach Ravenna floh. Von dort holte man ihn zurück und zwang ihn, die Anklage durchzustehen.511 Trotz der Aussagen seiner Sklaven, die für den Angeklagten sprachen, wurde er schließlich verurteilt. Nach der Darstellung des Tacitus gab den Ausschlag ein vom Kaiser verlesener Brief, den der Angeklagte acht Jahre zuvor an Tiberius gerichtet hatte. Darin hatte er sich beim Kaiser beklagt, dass er als einziger unter den Anklägern des Scribonius Libo Drusus512 an der Verteilung von dessen Vermögen nicht beteiligt worden war, und noch weitere provokative Bemerkungen gegen den Kaiser ausgesprochen. Das ihm vorgeworfene Verhalten wurde nach der lex Iulia maiestatis bestraft.513 Über die Strafe entspann sich eine bewegte Debatte.514 Die Senatoren favorisierten den Vorschlag, Vibius Serenus more maiorum zu bestrafen, ihn also zu Tode zu geißeln.515 Tiberius sprach sich dagegen aus. Daraufhin beantragte der Senator Gallus Asinius,516 ihn auf die Insel Gyarus oder Donusa zu verbannen, beides wasTac. ann. 4, 28 – 30, s. a. Dio 57, 24, 8. Dazu Rogers, Criminal Trials (1935), S. 81 f. Er war offenbar professioneller Ankläger. Später klagte er noch C. Fonteius Capito an, vgl. Tac. ann. 4, 36. Näheres ist über ihn nicht bekannt, vgl. zu ihm Hanslik, Art. Vibius (55), RE VIII A 2, 1958, Sp. 1984, Rogers, Criminal Trials (1935), S. 81 – 83 u. 87 – 90, Köstermann, Tacitus II (1965), S. 103 – 109, Bauman, Impietas in Principem (1974), S. 114 u. 120, Rutledge, Imperial Inquisitions (2001), S. 283. 509 Tac. ann. 4, 28. 510 Tac. ann. 4, 28. 511 Tac. ann. 4, 29. 512 s. o. B.II.1. 513 Tacitus berichtet das nicht ausdrücklich. Der Vorwurf, zum Krieg aufgewiegelt zu haben, war jedoch bereits nach dem ursprünglichen Inhalt der lex strafbar, und die Bestrafung wegen versuchten Kaisermordes wurde stets auf die lex Iulia maiestatis gestützt. Crimen maiestatis im Fall des Vibius Serenus nimmt auch Walker, Tacitus (1960), S. 265 an. 514 Tac. ann. 4, 30. 515 Zur Bestrafung more maiorum s. o. B.II.2. 516 Zu ihm unten B.II.19. s. a. ausführlich Klebs, Art. Asinius (15), RE II 2, 1896, Sp. 1585 – 1588 und Groag, Art. Asinius (1229), PIR I, 1933, S. 245 – 249. 507 508

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serarme, kaum bewohnbare Kykladeninseln.517 Der Kaiser aber wandte ein, wem man das Leben schenke, dem müsse man auch die Mittel zum Leben gewähren. Daher beschloss der Senat schließlich, ihn wieder auf die Insel Amorgus zurückzuschicken, von wo er geholt worden war. Verbannung auf eine Insel war mittlerweile keine unübliche Form der strafrechtlichen Verbannung mehr, obwohl sie eine Verschärfung der vom Majestätsgesetz angeordneten bloßen Ausweisung darstellte, freilich eine viel geringere als die zuvor erwogene Todesstrafe, die in Verfahren wegen crimen maiestatis häufiger ausgesprochen wurde. Woran sich der Senat bei der Strafzumessung orientierte, berichtet Tacitus nicht. Erkennbar ist, dass Tiberius den gesamten Prozess erheblich beeinflusste und auch das Ermessen des Senats bei der Strafzumessung steuerte. Das Urteil war letztlich eine Entscheidung des Kaisers, weswegen nach dessen Motiven zu forschen ist. Tacitus zeichnet ein zwiespältiges Bild zwischen den Polen Hass und Milde. Einerseits erwähnt er den verlesenen Brief: non occultante Tiberio vetus odium adversum exulem Serenum.518 Andererseits berichtet er von der Milde des Kaisers bei Beratung der Strafe. Anhaltspunkte, dass Tiberius persönlich an der Verurteilung gelegen gewesen wäre oder dass er den Prozess gar inszeniert hätte, finden sich nicht. Die Vorgänge scheinen dem Kaiser bisher unbekannt gewesen zu sein. Die angebliche Beteiligung enger Freunde überraschte und erschütterte ihn.519 Tacitus bewertet das Verlesen des Briefes: das sei aus Hass geschehen,520 während die Vorschläge zur Abmilderung der Strafe den Eindruck der Gehässigkeit wiederum hätten mildern sollen.521 Tacitus könnte bestrebt gewesen sein, den Prozess in die Majestätsprozesse der Regierungszeit des Tiberius einzureihen, in denen Angeklagte aufgrund kaiserlicher Willkür verurteilt wurden. Dagegen dürfte bei Ausübung des richterlichen Ermessens wirklich eine Rolle gespielt haben, was Tacitus gleich zu Beginn des Berichts verlauten lässt: miseriarum ac saevitiae exemplum atrox, reus pater, accusator filius . . . .522 Ob der Kaiser wirklich Mitleid mit dem Angeklagten verspürte, der nun inluvie ac squalore obstitus et tum catena vinctus523 vor dem Senat stand, und deswegen die Senatoren zu einer milden Strafe bewog, lässt sich nicht mehr sagen. Genausogut kann ihn die politische Erwägung geleitet haben, die Gelegen517 Zur Insel Gyarus vgl. oben B.II.9. Zur Insel Donusa vgl. Bürchner, Art. Donusa, RE V 2, 1905, Sp. 1548 f. 518 Tac. ann. 4, 29: Und Tiberius verbarg seinen alten Hass gegen den verbannten Serenus nicht. 519 Tac. ann. 4, 29, Dio 57, 24, 8. 520 Tac. ann. 4, 29. 521 Tac. ann. 4, 30. 522 Ein schreckliches Beispiel von Elend und Unmenschlichkeit: ein Vater als Angeklagter und ein Sohn als Ankläger . . . . 523 Voll Schmutz und Unrat und nun an eine Kette gefesselt.

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heit zur Darstellung seiner clementia zu nutzen. Angesichts der Tatsache, dass das Volk auf Seiten des Angeklagten stand,524 erscheint letzteres plausibler. Hass des Kaisers war mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht im Spiel.

11. Der Prozess gegen Lucilius Capito (23 n. Chr.)525 Lucilius Capito526 war Procurator der Provinz Asia. 23 n. Chr. wurde er von seiner Provinz527 angeklagt und vom Senatsgericht verurteilt. Vorgeworfen wurde ihm, er habe seine Aufträge überschritten, indem er sich die Befugnisse eines Prätors angemaßt und sich militärischer Machtmittel bedient habe: quod si vim praetoris usurpasset manibusque militum usus foret, spreta in eo mandata sua.528 Verurteilt wurde er also wohl wegen vis publica nach der lex Iulia de vi publica et privata,529 aber auch eine Verurteilung nach der lex Iulia repetundarum liegt nicht fern.530 Wenn Amtsträger ihre Amtsgewalt missbrauchten, dann in der Regel, um sich zu bereichern. Gesetzliche Strafe sowohl für vis publica als auch für repetundae war Ausweisung aus Rom und Italien, verbunden mit dem Verlust des Bürgerrechts, bei repetundae zusätzlich des halben Vermögens.531 Tacitus nennt die vom Senat gegen Lucilius Capito verhängte Strafe nicht. Dio dagegen sagt ausdrücklich, Capito sei verbannt worden:532 7jõãÜäåõóåí. Den Ausdruck jõãáäåýù findet man bei Dio sowohl zur Beschreibung von bloßen Ausweisungen als auch zur Beschreibung von Festsetzungen.533 Nicht ausgeschlossen ist daher, dass der Senat den AngeTac. ann. 4, 29. Tac. ann. 4, 15 u. Dio 57, 23. Dazu Rogers, Criminal Trials (1935), S. 73, Bleicken, Senatsgericht (1962), S. 159 f., Zäch, Majestätsprozesse (1971), S. 62. 526 Zu ihm ist weiter nichts bekannt, vgl. Stein, Art. Lucilius (24), RE XIII 2, 1927, Sp. 1642 und Petersen, Art. Lucilius, PIR V, 1, 1970, S. 100. 527 Dass die Provinz Ankläger war und der Kaiser den Prozess lediglich steuerte, ergibt sich aus Tac. ann. 4, 15: accusante provincia. Dio ist hier weniger genau und schreibt auch die Anklage dem Kaiser zu. 528 Tac. ann. 4, 15: Wenn er sich die Befugnisse eines Prätors angemaßt und sich militärischen Eingreifens bedient habe, dann liege darin eine Missachtung seiner Aufträge. Auch Dio berichtet, Capito habe Soldaten verwendet und sich so verhalten, als hätte er den Oberbefehl inne, Dio 57, 23, 4. 529 Die Überschreitung der öffentlichen Amtsgewalt in den Provinzen war nichts Ungewöhnliches (vgl. die Verurteilung des spanischen Statthalters Vibius Serenus im selben Jahr, s. o. B.II.1.a)) und als vis publica nach der lex Iulia de vi publica et privata strafbar, vgl. Kunkel, Art. quaestio, RE, art. cit., Sp. 771, Santalucia, Diritto e processo penale (1998), S. 199. 530 So auch Bleicken, Senatsgericht (1962), S. 159 f. 531 Zur vis s. soeben B.II.10.b), zu repetundae oben B.I.1.a). 532 Dio 57, 23, 4 i. f. 533 Zu den Begriffen und ihrer Verwendung bei Dio s. o. A.III.2.b)aa)(1)(k). 524 525

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klagten auf eine Insel verwies und es Dio bei der allgemeineren Formulierung bewenden ließ. Vibius Serenus war kurz zuvor vom Senat ebenfalls wegen vis publica verurteilt und mit Verbannung auf eine Insel bestraft worden. Ob es im Senat eine Debatte über die zu verhängende Strafe gab, wissen wir nicht. Jedenfalls scheinen die poenae legum Leitlinie gewesen zu sein. 12. Die Majestätsprozesse gegen Aelius Saturninus,534 C. Silius und Sosia Galla535 Aelius Saturninus536 wurde 23 n. Chr. beschuldigt, Verse zitiert zu haben, die den Kaiser beleidigten, und wurde deshalb vom Senat zum Tode verurteilt und vom Kapitol gestürzt. Der Felssturz war keine im Urteil eigens ausgesprochene Strafe, sondern die übliche Vollstreckung eines Todesurteils, wenn für eine magistratische Vollstreckung durch Enthauptung oder Kreuzigung kein Magistrat zur Verfügung stand.537 In diesem Fall verschärften die Senatoren die gesetzliche Strafe der lex Iulia maiestatis zur Todesstrafe, was in Majestätssachen üblich werden sollte. Nicht um beleidigende Verse, sondern um Machtinteressen ging es in einem aus dem darauffolgenden Jahr überlieferten Majestätsprozess. C. Silius538 und seine Frau Sosia Galla wurden wegen crimen maiestatis vor dem Senatsgericht angeklagt. Nach Tacitus war Hintergrund der Anklage feindliche Gesinnung Sejans,539 der den Kaiser dazu bewog, den Prozess in Gang zu setzten. Als Ankläger wählten Tiberius und Sejan den Konsul Visellius Varro.540 Silius hatte sich in Germanien dessen Vater zum Feind gemacht.541 Dio Xiphil. 57, 22, 5. Dazu Rogers, Criminal Trials (1935), S. 73. Tac. ann. 4, 18 – 20. Dazu Rogers, Criminal Trials (1935), S. 75 – 78, Bleicken, Senatsgericht (1962), S. 160, Shotter, The Trial of Gaius Silius (1967), S. 712 – 716, Zäch, Majestätsprozesse (1971), S. 29, Flaig, Zum Majestätsprozess gegen C. Silius (1993), S. 289 – 305, Bauman, Human Rights (2000), S. 90 f. und Lucinio, I processi contro Sosia Galla e Gaio Silio (2004), S. 241 – 256. s. a. Fanizza, Crimen Repetundarum (1977), S. 204 – 207. 536 Zu ihm ist nichts weiter bekannt, vgl. v. Rohden, Art. Aelius (128), RE I 1, 1893, Sp. 529 und Stein, Art. Aelius (248), PIR I, 1933, S. 40. 537 Mit dem Sturz vom Kapitol meint Dio Xiphil. 57, 22, 5 den Sturz vom tarpeiischen Felsen. Dazu oben B.II.2. m. w. N. 538 Er war 13 n. Chr. Konsul. Sein Vater pflegte ein freundschaftliches Verhältnis zu Augustus, so dass Silius wohl schon in seiner Jugend bei Hofe heimisch war. Durch seine Verbindung zu Germanicus zog er die Antipathie des Tiberius auf sich. Er befehligte in Germanien unter Germanicus eine starke Truppenmacht und war dort ein erfolgreicher Heerführer. s. zu ihm und seiner Frau Nagl, Art. Silius (12), RE III A 1, 1927, Sp. 74 – 77 und Wachtel, Art. Silius (718), PIR VII, 2, 2006, S. 272 f. 539 Silius und seine Frau gehörten zum Anhang Agrippina maiors, der Witwe des Germanicus, und deren Söhnen. Sejan verstand diesen Kreis als kaiserfeindliche Partei und schürte beständig den Groll des Kaisers, Tac. ann. 4, 17. 540 Zu ihm Hanslik, Art. Visellius (7), RE IX A 1, 1961, Sp. 360 f., Bauman, Impietas in Principem (1974), S. 116 – 120, Rutledge, Imperial Inquisitions (2001), S. 283 f. 534 535

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Silius wurde vorgeworfen, den aufständischen Häduer Sacrovir heimlich unterstützt, ein Majestätsverbrechen, und sich nach dem Sieg seines Heeres in Germanien brutal bereichert zu haben; seiner Frau nicht näher bezeichnete Untaten. Obwohl ohne Zweifel auch Repetundenvergehen vorlagen, wurde der Prozess nur unter dem Gesichtspunkt des crimen maiestatis geführt.542 Silius kam der drohenden Verurteilung durch Selbstmord zuvor. Seine Frau wurde verurteilt und gemäß dem Antrag des Asinius Gallus543 in exilium pellitur.544 Darunter wird man die Ausweisung aus Rom und Italien zu verstehen haben.545 Zudem sollte ein größerer Teil ihres Vermögens eingezogen werden, wogegen allerdings M’. Aemilius Lepidus546 einwandte, nur ein Viertel solle den Anklägern zufallen, der Rest solle an die Kinder der Verurteilten gehen. So wird der Senat auch entschieden haben. Auch zu der für Silius vorgesehenen Strafe lässt sich einiges sagen. Der Fall ist seit Pisos Selbstmord547 das erste überlieferte Beispiel dafür, dass ein Angeklagter seiner Verurteilung dadurch zuvorkam, dass er sich umbrachte. Piso sollte zum Tode verurteilt werden und entzog sich durch Selbstmord einer härteren Vollstreckung. Er wurde dennoch verurteilt und sein Vermögen eingezogen. Ob auch für Silius ein Todesurteil in Betracht kam, sagt Tacitus nicht ausdrücklich. Sein Fall scheint allerdings ebenso zu liegen wie bei Piso: et Silius imminentem damnationem voluntario fine praevertit.548 Statt einer Verurteilung, doch wohl zum Tode, wählte Silius ein freiwilliges Ende, voluntario fine. Dennoch fiel man brutal über sein Vermögen her: Saevitium tamen in bona . . . .549 541 Tac. ann. 4, 19 init. Der Vater des Konsuls Visellius Varro war der Amtskollege des Silius in Germania inferior. Bei der Bekämpfung des auch im Prozess eine Rolle spielenden Aufstandes des Häduers Sacrovir entstand unter den beiden ein Wettstreit um den von beiden beanspruchten Oberbefehl, den Silius für sich entschied. Der Vater des Konsuls Visellius Varro verzieh ihm das offenbar nicht. s. näher Nagl, Art. Silius (12), RE, art. cit., Sp. 76. 542 Tac. ann. 4, 19 i. f.: nec dubie repetundarum criminibus haerebant, sed cuncta quaestione maiestatis exercita. Dass mit quaestio maiestatis nicht der Gerichtshof für Majestätsverbrechen gemeint ist, ergibt sich daraus, dass das gesamte Verfahren vor dem Senat stattfand. Das crimen repetundarum wurde womöglich deswegen nicht verfolgt, weil die Provinzialen keine Ersatzansprüche geltend gemacht hatten, vgl. Tac. ann. 4, 20 init. 543 Zu ihm bereits oben B.II.10.d). Näher unten B.II.19. 544 Tac. ann. 4, 20. 545 Exilium ist der Begriff, mit dem die strafrechtliche Verbannung in spätrepublikanischer Zeit häufig bezeichnet wurde, als Festsetzung an einem bestimmten Ort noch nicht bekannt war, s. o. A.III.2.b). Für bloße Ausweisung Sosia Gallas auch Kunkel, Entstehung des Senatsgerichts (1969), S. 314 mit Fn. 86. 546 Zu ihm näher oben B.II.7. 547 s. o. B.II.6. 548 Tac. ann. 4, 19 i. f.: Und Silius kam der drohenden Verurteilung durch Selbstmord zuvor. 549 Tac. ann. 4, 20 init. Wie Libo und Piso (B.II.1. bzw. 6.) wollte er durch die Selbsttötung womöglich die Konfiskation seines Vermögens verhindern, was häufig gelang, vgl.

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Neben der Vermögenseinziehung wurde womöglich auch damnatio memoriae550 ausgesprochen, wie aus der Tilgung seines Namens auf einer Inschrift geschlossen werden kann.551 Die Tendenz, in Majestätsverfahren Todesurteile552 auszusprechen und die poena legis des Majestätsgesetzes erheblich zu verschärfen, setzt sich fort. Augustus hatte Todesurteile zu vermeiden versucht. Unter Tiberius begegnete die Todesstrafe bereits in den Zaubereiprozessen zu Beginn seiner Regierung. In Majestätsverfahren wird sie ständig werden. Bei der Bestrafung Sosia Gallas hielten sich die Senatoren dagegen an die von der lex Iulia vorgeschriebene Strafe der bloßen Ausweisung. Im Vergleich zu anderen Majestätsverfahren sprach der Senat insoweit ein mildes Urteil. Bemerkenswert ist der Unterschied zu der für ihren Ehemann vorgesehenen Todesstrafe. Dabei wird der Geschlechtsunterschied eine Rolle gespielt haben. Gegen Frauen ist bislang kein Todesurteil überliefert. Das setzt sich auch hier fort, trotz Verurteilung wegen crimen maiestatis. Die mildere Bestrafung weiblicher Angeklagter kam schon vor553 und wird in der kaiserzeitlichen Strafpraxis ständige Übung werden.554

13. Der zweite Prozess gegen den Redner Cassius Severus (24 n. Chr.)555 Noch unter Augustus, nämlich 12 n. Chr., war der Redner Cassius Severus wegen Schmähschriften gegen die Aristokratie nach der lex Iulia maiestatis verurteilt und nach Kreta verbannt worden. Das seinerzeitige Urteil war verhältnismäßig mild. Sein Vermögen wurde entgegen gesetzlicher Vorschrift nicht eingezogen und Kreta war ein angenehmer Verbannungsort.556 Tac. ann. 6, 29 und Dio 58, 15 (dazu oben Fnn. 301 und 384). Trotz dieser Praxis beschloss der Senat Konfiskation seines Vermögens. 550 Damnatio memoriae trifft den wegen Hochverrats Verurteilten (später auch wegen anderer Delikte) und beinhaltet neben Entzug des Grabrechts und Untersagung der Trauer der Angehörigen, den Sturz seiner Standbilder und die Tilgung seines Namens aus allen öffentlichen Denkmälern. Zur damnatio memoriae vgl. Zedler, De memoriae damnatione (1884), Mommsen, Strafrecht (1899), S. 987, Brassloff, Art. damnatio memoriae, RE IV 2, 1901, Sp. 2059 – 2062, Latte, Religionsgeschichte (1960), S. 313 ff., Christ, Geschichte (1988), S. 239 ff., 653 ff. 551 Der getilgte Name des Legaten von Germania superior auf einer Inschrift aus Vindomissa wurde mit dem des Silius identifiziert, vgl. Nagl, Art. Silius (12), RE, art. cit., Sp. 77. 552 Piso und Clutorius Priscus (B.II.6. bzw. 8.) wurden zum Tode verurteilt. Nur die Strafe im Majestätsverfahren gegen Vibius Serenus (B.II.10.b)) war milder: Verbannung auf eine Insel. 553 s. o. B.II.7. 554 s. u. B.III.5., IV.7. u. 8., V.3.d) u. 4. und VIII.7. s. a. B.IX. und C.II. 555 Tac. ann. 4, 21 i. f. Dazu Rogers, Criminal Trials (1935), S. 79 f., Santalucia, La situazione patrimoniale (2001), S. 186 f. 556 s. o. B.I.5.

II. Tiberius

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Doch setzte er auf Kreta seine Umtriebe fort und wurde erneut vor das Senatsgericht gestellt557 und verurteilt, diesmal ungleich härter. Sein Vermögen wurde eingezogen und er wurde auf die unwirtliche Insel Seriphos558 verbannt,559 wo er 32 n. Chr. in größter Armut starb.560 Die neuerliche Verurteilung zeigt die Flexibilität des außerordentlichen Verfahrens. Das Gesetz ordnete Ausweisung an, doch Cassius war bereits ausgewiesen. Das alte Quästionenverfahren hätte gegen ihn keine Handhabe mehr geboten. Das Senatsgericht dagegen war so frei, dem rückfälligen Angeklagten eine härtere Strafe aufzuerlegen, die ihn an weiteren Umtrieben hindern würde. Im ersten Prozess hatten die Senatoren gemeint, die Verschärfung der gesetzlichen Strafe zur Verbannung auf die Insel Kreta ohne Einziehung des Vermögens genüge, sei eine angemessene Strafe und werde ihn von weiterer Systemkritik abhalten. Auf Todesstrafe, die seinerzeit in anderen Majestätsverfahren bereits ausgesprochen worden war, wurde aus politischen Gründen verzichtet.561 Mit der milden Verbannung nach Kreta ohne Einziehung des Vermögens hatte man ihm jedoch die Mittel für weitere Umtriebe gelassen, und bei dem ehrgeizigen republikanischen Wesen des Cassius war es im Grunde vorhersehbar, dass ihn diese Strafe nicht ruhig stellen würde. Bemerkenswert ist, dass erneut von Todesstrafe abgesehen wurde, denn ein mildes Urteil hatte sich bereits einmal als unwirksam erwiesen. Zudem wurde in anderen Majestätsverfahren der vergangenen Jahre üblicherweise Todesstrafe verhängt, was demnächst die Regel werden sollte. Leider ist der Bericht des Tacitus über den zweiten Prozess nur kurz und erfahren wir keine weiteren Einzelheiten über die Beratung im Senat. Ein Grund für die verhältnismäßig milde Ermessensausübung des Senatsgerichts könnte das hohe Alter des Cassius gewesen sein.562 Konfiskation seines Vermögens und Festsetzung des alten Mannes auf der unwirtlichen, kaum besiedelten Insel Seriphos schienen zu genügen, um ihn endgültig unschädlich zu machen, was offenbar gelang. Von weiteren Auflehnungen des Cassius ist nichts bekannt. Tacitus schreibt: saxo Seripho consenuit.563 Die gesetzliche Strafe wurde noch einmal verschärft. Bloße Ausweisung aus Rom und Italien kam nach der ersten Verurteilung, die schon weiter gegangen war, nicht in Betracht. Die neuerliche Verschärfung geht aber nur so weit, wie es der Fall erforderte. Die Todesurteile der vergangenen Jahre waren oft nicht nötig geAus dem Zusammenhang der Stelle ergibt sich, dass das Senatsgericht urteilte. Eine kleine, wasserarme Kykladeninsel mit ärmlicher Vegetation. Zu ihr bereits oben B.II.3. 559 Tac. ann. 4, 21 i. f. 560 Hieron. a. Abr. 2048. 561 Zum Ganzen oben B.I.5. 562 Zu dieser Annahme berechtigt das consenuit, Tac. ann. 4, 21 i. f. Im Übrigen hatte er seinen großen Ruhm als Redner vor 12 n. Chr. erworben. Sein Geburtsjahr dürfte in die Vierzigerjahre vor Christus fallen, s. Brzoska, Art. Cassius (89), RE, art. cit., Sp. 1746. 563 Tac. ann. 4, 21 i. f. 557 558

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wesen, um künftig Gefahren von Seiten des Angeklagten vorzubeugen. Augustus hatte die Vorzüge der Verbannung gegenüber der Todesstrafe wahrgenommen.564 Die bisher unter Tiberius ausgesprochen Todesurteile waren mitunter zustandegekommen, weil der Senat glaubte, der Kaiser wünsche eine harte Bestrafung,565 zum Teil, weil die Stimmung in der Bevölkerung ein Todesurteil forderte.566 Bei der Verbannung des Cassius bewies der Senat demgegenüber größere Sensibilität. Der Rückfällige sollte härter bestraft werden als zuvor, doch nicht härter als notwendig. Womöglich wurde der Fall beispielhaft. Verschärfung der Strafe bei Rückfälligkeit wird von nun an öfter begegnen.567 14. Der Prozess gegen P. Suillius (24 n. Chr.)568 P. Suillius569 hatte für eine von ihm zu treffende richterliche Entscheidung Geld angenommen und wurde deswegen vom Senat570 verurteilt und aus Italien ausgewiesen. Dem Antrag des Kaisers, ihn auf eine Insel zu verbannen, folgten die Senatoren nicht. Das dem Suillius vorgeworfene Verhalten war strafbar nach der lex Iulia repetundarum.571 Poena legis war Ausweisung aus Rom und Italien, verbunden mit dem Verlust des Bürgerrechts und des Vermögens.572 Über Vermögens- und Bürgerrechtverlust wird nichts berichtet. Überliefert ist aber, dass Suillius lediglich aus Italien ausgewiesen und nicht an einem bestimmten Ort festgesetzt wurde. Bemerkenswerterweise hielt sich das Senatsgericht an die gesetzliche Strafe, obwohl Tiberius eine härtere Bestrafung vorgeschlagen hatte. Der Prozessbericht bei Tacitus ist kurz und über die Gründe für diese verhältnismäßig milde Bestrafung wird nichts berichtet. Der Fall ist der erste überlieferte außerordentliche Prozess s. o. B.I.5. Das Todesurteil gegen Libo Drusus (B.II.1.), gegen Clutorius Priscus (B.II.8.) und gegen C. Silius (B.II.12.). 566 Das Todesurteil gegen Piso (B.II.6.), 567 s. u. B.III.20.b) und V.1.b). s. a. B.IV. 568 Tac. ann. 4, 31. Dazu Rogers, Criminal Trials (1935), S. 83 f., Bleicken, Senatsgericht (1962), S. 160, Baldwin, Executions (1964), S. 46 f. 569 Er war mit der Stieftochter des verbannten Ovid verheiratet. Unter Caligula wurde er aus der Verbannung zurückgeholt. Unter Claudius war er berüchtigter Ankläger, bis er im Alter von fast 80 Jahren erneut verbannt wurde. s. zu ihm Fluss, Art. Suillius (4), RE IV A 1, 1931, Sp. 719 – 722, Walker, Tacitus (1960), S. 223 f., Vogel-Weidemann, Statthalter (1982), S. 387 – 397 und Rutledge, Imperial Inquisitions (2001), S. 270 f. 570 Es muss sich um das Senatsgericht gehandelt haben, wie aus der bloßen Meinungsäußerung des Kaisers, eine härtere Strafe zu fällen (censuit), folgt, Tac. ann. 4, 31. 571 Vgl. Macer 1 publ. D. 48, 11, 3, idem 1 iudic. publ. D. 48, 11, 7, Paul. 5 sentent. D. 48, 19, 38, 10. s. a. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 717 f., Kocher, lex Cornelia de falsis (1962), S. 62 f. und Kunkel, Entstehung des Senatsgerichts (1969), S. 315. 572 s. o. B.I.1.a). 564 565

II. Tiberius

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wegen passiver Richterbestechung. Anscheinend konnte der Senat auf keine frühere Entscheidung zurückgreifen; und das wird der Grund gewesen sein, weshalb er sich an die poena legis hielt. Eine politische Dimension, die die Senatoren veranlasst haben könnte, über das Recht hinauszugehen und die gesetzliche Strafe zu verschärfen, scheint der Fall nicht gehabt zu haben. Jedenfalls sagt Tacitus dazu nichts. 15. Der Kalumnienprozess gegen Firmius Catus (24 n. Chr.)573 Firmius Catus574 hatte seine Schwester mit der falschen Beschuldigung, Majestätsverbrechen begangen zu haben, vor Gericht gebracht und wurde deswegen vor dem Senat angeklagt. Als sich die Senatoren darüber verständigt hatten, ihn aus Italien auszuweisen,575 wandte der Kaiser ein, man möge von seiner Verbannung absehen und ihn lediglich aus dem Senat ausstoßen. So wird der Senat schließlich auch entschieden haben. a) Die Kalumnienstrafe Schikanöse Anklage, calumnia,576 war strafbar nach der lex Remmia.577 Gesetzliche Strafe war der Verlust der Postulationsfähigkeit und der Ausschluss aus dem 573 Tac. ann. 4, 31. Dazu Rogers, Criminal Trials (1935), S. 84 und Rutledge, Imperial Inquisitions (2001), S. 232. 574 Er hatte 16 n. Chr. Libo Drusus zu Handlungen verleitet, die schließlich zu seiner Verurteilung führten, Tac. ann. 2, 27. s. o. B.II.1. Zu ihm Goldfinger, Art. Firmius (2), RE VI 2, 1909, Sp. 2380, Bauman, Impietas in Principem (1974), S. 60 – 64, Goodyear, Tacitus (1981), S. 262 – 286, Rutledge, Imperial Inquisitions (2001), S. 232. 575 Eadem poena in Catum Firmium senatorem statuitur heißt es Tac. ann. 4, 31. Mit eadem poena wird Bezug genommen auf die Bestrafung des P. Suillius, über den Tacitus zuvor berichtet hatte. Gemeint ist also Ausweisung aus Italien. 576 Zu ihr Raspe, Calumnia (1872), Hitzig, Art. calumnia, RE III 1, 1897, Sp. 1414 – 1421, Mommsen, Strafrecht (1899), S. 491 ff., Strachan-Davidson, Problems II (1912), S. 137 ff., Wlassak, Anklage und Streitbefestigung (1917), S. 84 ff. u. 137 ff., Costa, Crimini e pene (1921), S. 60 f. u. 135 ff., Levy, Anklägervergehen (1933), S. 151 – 233, Lauria, Calumnia (1934), S. 94 – 135, Lindsay, Defamation (1949), S. 14 – 35, Lemosse, Recherches (1953), S. 30 – 54, Mer, accusation (1953), S. 412 ff. u. 428 ff., Brasiello, Calumnia (1959), S. 814 – 816, Petschow, calumnia, (1973), S. 14 – 35, Caminas, lex Remmia (1984), Wieacker, Öffentliche Strafe (1988), S. 543 – 563, Caminas, crimen calumniae (1990), S. 117 – 133, Santalucia, Diritto e processo penale (1998), S. 180 f., Centola, Il crimen calumniae (1999), Puliatti, crimen calumniae (2002), S. 383 – 393, Giglio, Il problema dell’iniziativa (2009), S. 184 – 189. 577 Marc lib. sing. ad SC D. 48, 16, 1, 2: Calumniatoribus poena lege Remmia irrogatur. Die lex ist in die Zeit zwischen den Anfängen des Quästionenverfahrens und 80 v. Chr. einzuordnen, vgl. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 491 f., Strachan-Davidson, Problems II (1912), S. 140, Levy, Anklägervergehen (1933), S. 154, Caminas, crimen calumniae (1990), S. 120 f., Santalucia, Diritto e processo penale (1998), S. 180.

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Senat bzw. in den Munizipien aus dem Dekurionenstand,578 was später mit infamia bezeichnet wurde.579 Die Talionsstrafe, wonach einen calumniator die gleiche Strafe erwartete, die der schikanös Angeklagte erlitten hätte, wäre er verurteilt worden, wurde für dieses Verbrechen erst später entwickelt.580 In neuerer Zeit wird freilich die Auffassung vertreten, Talion sei bereits in der lex Remmia angedroht gewesen.581 Das wird auf eine Äußerung Ciceros gestützt, der den selbstlosen Charakter des Caelius lobt. Dieser sei so mutig gewesen, trotz Gefahr capitis, nämlich selbst, wegen calumnia, angeklagt zu werden, andere vor Gericht zu ziehen: . . . in iudicium vocaret, subiret periculum capitis . . . .582 Die Wendung periculum capitis ist hier jedoch nicht zwingend im Sinne von ,Todesstrafe‘ zu verstehen, woraus 578 Der Verlust der Postulationsfähigkeit ergibt sich aus dem prätorischen Postulationsedikt (s. Iul. 1 ad ed. D. 3, 2, 1), der Ausschluss aus dem Dekurionenstand aus der lex Iulia municipialis Z.119 (Bruns I, Nr. 18 = FIRA I, Nr. 13). Mommsen, Strafrecht (1899), S. 998 ff., hat gezeigt, dass parallel zum Ausschluss aus dem Dekurionenstand der Ausschluss aus dem Senat normiert wurde, und nimmt das auch für calumnia an, s. S. 1001. Für diese poena legis auch Levy, Anklägervergehen (1933), S. 159 f., Kaser, Infamia (1956), S. 263 f., Santalucia, Diritto e processo penale (1998), S. 180 und Robinson, Penal Practice (2007), S. 89. Dass dem Verurteilten ein ,K‘ auf die Stirn gebrannt worden wäre (vgl. Cic. pro Sex. Rosc. 57, dazu Mommsen, Strafrecht (1899), S. 495), hat Levy, Anklägervergehen (1933), S. 154 ff. überzeugend als Fabel entlarvt. s. dazu bereits Strachan-Davidson, Problems II (1912), S. 137 f. Zweifelnd auch Centola, Il crimen calumniae (1999), S. 52. 579 Kaser, Infamia (1956), S. 220 – 278, hat gezeigt, dass der Begriff infamia in der Bedeutung ,Bescholtenheit im Rechtssinne‘ erstmals in der Klassik begegnet (S. 232) und erst die Spätklassiker den Begriff in einem gefestigten Sprachgebrauch verwenden (S. 233), während es zunächst für die rechtliche Bescholtenheit keinen technischen Begriff gab (S. 227 f. u. 264) und viele Gesetze verschiedene Spielarten rechtlicher Bescholtenheit aussprachen (S. 254 – 259). Bestrebungen, einen einheitlichen Infamiebegriff zu bilden, gab es erst im Dominat (S. 272 ff.). Dazu ausführlich auch Wolf, Stigma ignominia (2009), S. 55 – 113. 580 Nachdem calumnia in der Kaiserzeit zunächst nach freiem Ermessen bestraft wurde (Prügel, Verbannung, Versklavung und auch Todesstrafe kommen vor, vgl. Levy, Anklägervergehen (1933), S. 165 f. m. w. N.), bildete sich später das Talionsprinzip heraus. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 496 meint, erst in konstantinischer Zeit (er verweist auf C. Th. 9, 10, 3 = C. 9, 12, 7, C. Th. 9, 1, 9 = C. 9, 46, 7 und spätere Konstitutionen), so offenbar auch Robinson, Penal Practice (2007), S. 90 (,in the Later Empire‘). Levy, Anklägervergehen (1933), S. 167 ff. zieht mit Verweis auf Paul lib. sing. de iud. publ. D. 47, 15, 6: praevaricatores eadem poena adficiantur, qua tenerentur, si ipsi in legem commisissent, qua reus per praevaricationem absolutus est (Prävarikatoren sollen mit derselben Strafe belegt werden, die sie getroffen hätte, wenn sie selbst dem Gesetz zuwidergehandelt hätten, von dem der Angeklagte durch die praevaricatio freigesprochen wurde) bereits die severische Zeit in Betracht. Hierfür auch Centola, Il crimen calumniae (1999), S. 91 f. und Wycisk, Quintilian (2008), S. 354. 581 Caminas, lex Remmia (1984), S. 91 ff. und Caminas, crimen calumniae (1990), S. 130 ff. Der Auffassung scheint auch Santalucia, Diritto e processo penale (1998), S. 280 Fn. 253 zuzuneigen. 582 Cic. pro Caelio 47. Entsprechend Quint. decl. min. 313, 10 i. f.: . . . nemo accusare sine periculo capitis sui potest (niemand kann ohne Gefahr für den eigenen caput anklagen). Suet. Aug. 32, 2, welche Stelle ebenfalls angeführt wird (par periculum poenae subiret), betrifft hingegen einen anderen Fall und hat mit calumnia nichts zu tun, s. schon Mommsen, Strafrecht (1899), S. 496 Fn. 3.

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dann das Talionsprinzip gefolgert werden könnte, sondern kann ebenso im Sinne von ,bürgerliche Ehre‘ gebraucht sein. Für Letzteres spricht eine frühere Äußerung Ciceros: nulla salus rei publicae maior est quam eos, qui alterum accusant, non minus de laude, de honore, de fama sua quam illos, qui accusantur, de capite ac fortunis suis pertimescere.583 Nichts deutet darauf hin, dass der calumniator mehr als seine soziale Stellung aufs Spiel setzte. Das legen auch die juristischen Quellen nahe, wo in Bezug auf calumnia vor Etablierung des Talionsprinzips nur von rechtlicher Bescholtenheit berichtet wird.584

b) Ergebnis Die bisherige Strafe für calumnia scheint den Senatoren zu mild gewesen zu sein. Sie wollten über bloße Ehrenstrafen hinausgehen und Firmius ausweisen. Verbannung wäre auch die gesetzliche Strafe für die Schwester des Firmius Catus gewesen, hätte ihr Bruder mit seinen falschen Beschuldigungen, crimina maiestatis begangen zu haben, Erfolg gehabt.585 In dieser Bewertung bereits Anfänge des Talionsprinzips zu erblicken, ist jedoch nicht angezeigt.586 Zwar leuchtet es ein und liegt es nahe, auf den calumniator dieselbe Strafe anzuwenden, die dieser dem Angeklagten zugedacht hatte. Andererseits stand neben empfindlichen Vermögensstrafen als mildeste Verschärfung der bloßen Ehrenstrafe lediglich Ausweisung, die mildeste Art der Verbannung, zur Verfügung. Von welchem Gedanken sich die Senatoren tatsächlich leiten ließen, lässt sich nicht mehr klären. Womöglich erschienen ihnen bloße Ehrenstrafen als zu wenig abschreckend. Jedenfalls wollten sie die relativ milde Strafdrohung der lex Remmia verschärfen, was Verbannung nahe legte. Verbannung sollte auch die übliche Kalumnienstrafe der frühen Kaiserzeit werden.587 Tiberius setzte sich für eine weniger strenge Bestrafung ein, so dass der Angeklagte schließlich nur aus dem Senat ausgeschlossen worden sein wird, was der gesetzlichen Strafe entsprach. Hintergrund der Milderungsbemühungen waren nach Tacitus aber weniger Milde und Gesetzestreue des Kaisers, sondern persönliche Beweggründe: Firmius Catus hatte 16 n. Chr. Libo Drusus in eine Falle ge583 Cic. in Caecilium 71: Nichts ist heilsamer für den Staat, als dass diejenigen, die andere anklagen, nicht weniger um ihren Ruhm, ihre Ehre und ihren Ruf fürchten müssen als diejenigen, die angeklagt werden, um ihren Kopf und ihr Vermögen. 584 D. 3, 2, 1; 3, 2, 4, 4; 3, 2, 20; 48, 1, 14, s. a. die vorkonstantinischen Konstitutionen C. 2, 11, 16; 3, 11, 17; 9, 1, 2; 9, 9, 6, 1; 9, 45, 2; 9, 46, 3; 9, 46, 8, 1. In diesen juristischen Quellen wird meist der zur Zeit der lex Remmia noch nicht verfügbare Begriff infamia gebraucht, s. o. Fn. 579. 585 Zur Ausweisung als poena legis der lex Iulia maiestatis s. o. B.I.2.a). 586 Levy, Anklägervergehen (1933), S. 170 f. möchte die Entwicklung des Talionsprinzips bis in die frühe Kaiserzeit zurückverfolgen. Auf Tac. ann. 4, 31 geht er in diesem Zusammenhang allerdings nicht ein. 587 s. u. V.1. Das zeigt auch Martial de spect. 4, 4: et delator habet quod dabat exilium.

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B. Die einzelnen Prozesse bis Trajan

lockt und damit die Grundlage für den Sturz des Tiberiuswidersachers geschaffen, wofür der Kaiser ihm nun gedankt habe.588

16. Drei Majestätsprozesse der Jahre 25 und 28 n. Chr. Cremutius Cordus589 wurde 25 n. Chr. im Senat angeklagt, er habe in einem von ihm herausgegebenen Geschichtswerk M. Brutus und C. Cassius590 die letzten Römer genannt.591 Die Anklage lautete auf crimen maiestatis.592 Ankläger waren zwei Klienten des Tiberiusgünstlings Sejan,593 mit dem Cordus zerstritten war.594 Nach Tacitus bedeutete schon das sein Verderben.595 Im Anschluss an seine Verteidigungsrede verließ er die Senatssitzung und starb den Hungertod.596 Ob in dem nach dem Selbstmord gefassten Senatsbeschluss ein Todesurteil ausgesprochen war oder dieser sich auf die Anordnung, seine Bücher zu verbrennen, beschränkte, sagt uns Tacitus nicht.597 Doch scheint Todesstrafe von Anfang an erwogen worden zu sein.598 Todesstrafe bedeutete eine erhebliche Verschärfung der poena legis der lex Iulia maiestatis. Das Ermessen des Senatsgerichts war von den politischen Hintergründen des Falles beeinflusst. Das Geschichtswerk, dessen Veröffentlichung viele Jahre zurücklag,599 war nur Vorwand. Wahrer Grund der Verurteilung waren nach Tac. ann. 4, 31 i. f. Zum Prozess wegen Zauberei gegen Libo Drusus s. o. B.II.1. Zu ihm Cichorius, Art. Cremutius (2), RE IV 2, 1901, Sp. 1703 f. und Stein, Art. Cremutius (1565), PIR II, 1936, S. 384. 590 M. Brutus und C. Cassius hatten zusammen mit anderen Caesar ermordet, s. ausführlich Gelzer, Art. Iunius (53), der Caesarmörder, RE X 1, 1918, Sp. 973 – 1020 und Will, Art. Iunius (I 10), NP 6, 1999, Sp. 60 f. m. w. N. 591 Zum Prozess Tac. ann. 4, 34 f., Dio 57, 24, 2 – 4, Suet. Tib. 61, 3, Sen. ad Marc. 1, 2. Vgl. dazu Columba, Il processo di Cremuzio Cordo (1901), S. 361 – 382, Marsh, Reign of Tiberius (1931), S. 290 – 293, Rogers, Criminal Trials (1935), S. 86 f., ders., The Case of Cremutius Cordus (1965), S. 351 – 359, Zäch, Majestätsprozesse (1971), S. 10 – 15. 592 Das folgt aus den eigenen Worten des Angeklagten, Tac. ann. 4, 34: sed neque haec in principem aut principis parentem, quos lex maiestatis amplectitur. 593 Satrius Secundus und Pinarius Natta. Zu ersterem Stein, Art. Satrius (4), RE II A 1, 1921, Sp. 191, Bauman, Crimen Maiestatis (1967), S. 268 – 271, Rutledge, Imperial Inquisitions (2001), S. 266, zu letzterem Stein, Art. Pinarius (17), RE XX 2, 1950, Sp. 1401 f., Demougin, Prosopographie des chevaliers (1992), S. 261, Rutledge, Imperial Inquisitions (2001), S. 254 f. 594 Sen. ad Marc. 22, 4, Dio 57, 24, 2. 595 Id perniciabile reo, Tac. ann. 4, 34. 596 Tac. ann. 4, 35. 597 Tac. ann. 4, 35: libros per aedilis cremandos censuere patres. 598 Vgl. Tac. ann. 4, 34: Cremutius relinquendae vitae certus, Dio 57, 24, 2 berichtet gar, Cremutius Cordus sei zum Selbstmord 7 7 7gezwungen worden: Êråìïýôéïò äK äL Êüräïò á§ôü÷åér +áõôïõ ãåíÝóèáé, Uôé ôù B Såúáíù B ðrïóÝkrïõóåí, 8íáãkÜóèç. 599 Augustus selbst soll das Buch gelesen (Dio 57, 24, 3) bzw. einer Vorlesung beigewohnt haben (Suet. Tib. 61, 3). 588 589

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Tacitus und Dio die Machenschaften Sejans. Die Senatoren scheinen in diesem Prozess besonders unfrei gewesen zu sein und eine Debatte über die Strafe scheint es nicht gegeben zu haben. Dass Sejan ein Todesurteil, also eine Verschärfung der gesetzlichen Strafe durchsetzen würde, war offenbar unausweichlich. Anders im Fall des Votienus Montanus,600 der im selben Jahr vor dem Senatsgericht stand.601 Ihm wurde vorgeworfen, den Kaiser beleidigt zu haben.602 Er wurde nach der lex Iulia maiestatis verurteilt und auf die Balearen verbannt.603 Der Verzicht auf die in Majestätsprozessen mittlerweile übliche Todesstrafe überrascht. Gründe nennt Tacitus nicht, doch erinnert der Fall an die beiden Prozesse gegen Cassius Severus.604 Wie dieser war Votienus ein berühmter Redner und sehr gebildet. Tacitus nennt ihn celebris ingenii vir.605 Womöglich war das der Grund für das Absehen von der Todesstrafe. Die mildere Bestrafung von Gelehrten wird in den Strafprozessen der frühen Kaiserzeit zur Regel werden, deren Anfänge in diesen Prozessen zu liegen scheinen.606 Es folgt eine Lücke von drei Jahren, bis die Quellen einen weiteren Majestätsprozess überliefern.607 Der Ritter Titius Sabinus608 pflegte auch nach dem Tod des Germanicus Kontakt zu Agrippina und ihren Kindern, was einige Senatoren609 in Anbetracht der Feindschaft Sejans gegenüber der Familie Agrippinas für ihre Karriere nutzen wollten.610 Sie verleiteten ihn zu feindseligen Äußerungen über Tiberius und Sejan und denunzierten ihn dann beim Kaiser. Dieser klagte ihn alsZu ihm Papenhoff, Art. Votienus Montanus, RE IX A 1, 1961, Sp. 924. Zu diesem Prozess Tac. ann. 4, 42 und Hieron. chron. p. 173b Helm. Dazu Rogers, Criminal Trials (1935), S. 90 f. 602 Tac. ann. 4, 42: ob contumelias in Caesarem dictas. Einzelheiten sind nicht bekannt. 603 Tacitus schreibt lediglich: maiestatis poenis adfectus est. Nach Hieron. chron. p. 173b Helm wurde er auf die Balearen verbannt: Votienus Montanus Narbonensis orator in Balearibus insulis moritur illuc a Tiberio relegatus. Hinsichtlich des Gerichts ist wiederum Tacitus genauer. Aus der Stelle geht deutlich hervor, dass der Prozess vor dem Senat stattfand. Hieronymus schreibt die Verurteilung dem Kaiser zu, was für ihn das Selbstverständlichere gewesen sein dürfte. 604 s. o. B.I.5. u. B.II.13. 605 Tac. ann. 4, 42 init. 606 Auch bei der Bestrafung Ovids könnte die Gelehrsamkeit des Angeklagten bereits eine Rolle gespielt haben. Spätere Fälle sind B.II.20.a), III.4., IV.1., V.4. u. 5. und VI.3. (Demetrius und Hostilianus). 607 s. Tac. ann. 4, 68 – 70, Dio Xiphil. 58, 1, 1b. s. a. Plin. nat. hist. 8, 145. Dazu Lang, Tiberius (1911), S. 46 – 49, Rogers, Criminal Trials (1935), S. 96 f., ders., Treason-Trials (1952), S. 300 f., Zäch, Majestätsprozesse (1971), S. 24 – 28. 608 s. zu ihm Stein, Art. Titius (39), RE VI A 2, 1937, Sp. 1569. 609 Tacitus nennt namentlich vier Senatoren, die alle bereits Prätor gewesen waren: Porcius Cato, Petillius Rufus, M. Opsius und Lucanius Latiaris, dem die Aufgabe übertragen worden war, Sabinus zu riskanten Äußerungen zu verleiten. 610 Sie erhofften sich dadurch Vorteile bei ihren Bemühungen um das Konsulat, Tac. ann. 4, 68. 600 601

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bald wegen eines angeblich geplanten Anschlags gegen den Kaiser, also wegen crimen maiestatis611 an und der Senat verurteilte ihn zum Tode.612 Der Fall erinnert an den Prozess gegen Cremutius Cordus. Verhängung der Todesstrafe hatte wohl der Kaiser gefordert: ultionemque haud obscure poscebat.613 Auch wenn Tacitus hier übertrieben haben sollte, um auf die Reihe der Majestätsprozesse vorauszuweisen, die nach dem im verlorenen fünften Buch der Annalen dargestellten Sturz Sejans beginnt, ist dennoch anzunehmen, dass dem Senat vor dem Hintergrund der bereits wegen crimen maiestatis ausgesprochenen Todesurteile kein Ermessensspielraum blieb, die nunmehr vergleichsweise milde poena legis der lex Iulia maiestatis, bloße Ausweisung, anzuwenden.

17. Die Verurteilung Agrippinas der Älteren und ihres Sohnes Nero (29 n. Chr.)614 29 n. Chr. wurden Agrippina die Ältere und ihr Sohn Nero Caesar615 vom Senat verurteilt.616 Agrippina wurde auf die unwirtliche Insel Pandateria verbannt,617 Nero auf die Insel Pontia.618 Beide verhungerten dort, Agrippina freiwillig.619 611 Tiberius führte nicht die feindseligen Äußerungen an, sondern beschuldigte ihn, er habe Freigelassene bestochen und dem Kaiser nach dem Leben getrachtet, Tac. ann. 4, 70. Das war nach der lex Iulia maiestatis strafbar. 612 Tac. ann. 4, 70 sagt ausdrücklich, der Senat habe über Sabinus ein Urteil gefällt: nec mora quin decerneretur; et trahebatur damnatus. Dio Xiphil. 58, 1, 1b berichtet dagegen, er sei ohne Urteil getötet worden. 613 Tac. ann. 4, 70: Und er forderte nicht gerade verhohlen seine Bestrafung. 614 Tac. ann. 5, 3 – 5, Suet. Tib. 53 f., Dio Xiphil. 57, 22, 4. s. dazu Charlesworth, The Banishment of the Elder Agrippina (1922), S. 260 f., Marsh, Reign of Tiberius (1931), S. 184 f., Englander, Tiberius (1949), S. 92 f., Syme, Tacitus I (1958), S. 404 f., Gollub, Tiberius (1959), S. 261 – 263, Kornemann, Tiberius (1960), S. 187 – 189, Bauman, Impietas in Principem (1974), S. 122 f., Hahn, Die Frauen des Römischen Kaiserhauses (1994), S. 130 – 134. 615 Zu ihm Gardthausen, Art. Iulius (146), RE X 1, 1918, Sp. 473 – 475 und Stein / Petersen, Art. Iulius (223), PIR IV, 1966, S. 187 – 189. Dass auch Agrippinas zweiter Sohn Drusus (vgl. zu ihm Gardthausen, Art. Iulius (137), RE X 1, 1918, Sp. 434 f. und Stein / Petersen, Art. Iulius (220), PIR IV, 1966, S. 176 – 178) strafrechtlich verurteilt wurde, liegt nicht fern. Wir erfahren, dass er vom Senat zum hostis erklärt (Suet. Tib. 54) und in einem Verließ des Palatin gefangen gehalten wurde, wo er 33 n. Chr. verhungerte. Die hostis-Erklärung hing in der Kaiserzeit häufig mit strafrechtlichen Verurteilungen zusammen (s. Bleicken, Senatsgericht (1962), S. 25). Für ein Strafverfahren spricht auch Suet. Cal. 7 i. f.: Neronem et Drusum senatus Tiberio criminante hostes iudicavit (Nero und Drusus erklärte der Senat, als Tiberius sie beschuldigte, zu Staatsfeinden). Allerdings ist nicht überliefert, was ihm vorgeworfen wurde, so dass sein Fall für uns unergiebig ist. Seine Gefangenschaft ist keine Verbüßung einer Freiheitsstrafe, die es als Strafform im römischen Strafrecht damals noch nicht gab (s. o. Fn. 53 in Abschnitt A.III.). Vielmehr scheint lediglich die Vollstreckung einer Strafe, Todesstrafe oder auch nur Verbannung, aufgeschoben worden zu sein (auch bei Asinius Gallus wurde die Vollstreckung der Todesstrafe aufgeschoben und verhungerte der Verurteilte im Verließ, s. sogleich B.II.19.). Dem Kaiser war womöglich bei der Verurteilung

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Undeutlich ist, weswegen Agrippina und Nero verurteilt wurden. Auszugehen ist von Tacitus’ Bericht über ein Schreiben des Kaisers, das im Senat verlesen wurde und worin der Kaiser Vorwürfe gegen Agrippina und Nero erhob:620 sed non arma, non rerum novarum studium, amores iuvenum et impudicitiam nepoti obiectabat. in nurum ne id quidem confingere ausus, adrogantiam oris et contumacem animum incusavit.621 Weitere Vorwürfe erwähnt Tacitus nicht. Die Überlieferung endet mit der Beteuerung des Senats, zur Bestrafung der beiden bereit zu sein. Alles hänge nur noch vom Entschluss des Kaisers ab: sed paratos ad ultionem vi principis impediri testarentur . . . .622 Darauf folgt in der Tacitushandschrift eine große Lücke, weswegen der weitere Prozessverlauf unbekannt ist. An anderer Stelle bei Tacitus ist gegen Agrippina noch vom Vorwurf der Unkeuschheit und des Ehebruchs die Rede.623 Sowohl Agrippina als auch Nero scheinen also wegen angeblicher sexueller Verfehlungen verurteilt worden zu sein.624 bewusst, dass er Drusus später noch benötigen könnte, vgl. Tac. ann. 6, 23, Suet. Tib. 64, wonach Tiberius Macro angewiesen hatte, Drusus im Falle einer Verschwörung Sejans aus dem Verließ zu holen. 616 Suet. Tib. 53 schreibt die Verurteilung Agrippinas dem Kaiser zu, was allerdings ungenau ist. Dass sowohl Nero als auch Agrippina vielmehr vom Senat verurteilt wurden, ergibt sich eindeutig aus Tac. ann. 5, 5 i. f.: ad ultionem. 617 Dorthin war 2 v. Chr. wegen Ehebruchs die ältere Julia verbannt, 3 n. Chr. allerdings nach Rhegium verbracht worden, wo sie Tiberius 14 n. Chr. verhungern ließ. s. dazu und zu den Lebensumständen auf der Insel oben B.I.2. 618 Die Insel Pontia (auch Pontiae, heute Ponza) ist die größte der vor der Küste von Latium adiectum gelegenen Pontiae insulae. Trotz der dortigen beschwerlichen Lebensumstände war sie bereits in republikanischer Zeit besiedelt und lieferte in der frühen Kaiserzeit Delikatessen nach Rom und Neapel, wirtschaftlich sehr erfolgreich. s. näher Hofmann, Artt. Pontiae und Pontiae insulae, RE XXII 1, 1953, Sp. 21 – 25. 619 Suet. Tib. 53. Dio 57, 22, 4 ist weniger genau und berichtet nicht von Verbannungen, sondern sagt nur, dass Agrippina und ihre Söhne sterben mussten. 620 Tac. ann. 5, 3. 621 Tac. ann. 5, 3: Aber er machte seinem Enkel nicht den Vorwurf bewaffneter Auflehnung, nicht den revolutionärer Umtriebe. Vielmehr warf er ihm Liebschaften mit männlichen Jugendlichen und Unkeuschheit vor. Gegen seine Schwiegertochter wagte er nicht einmal dies zu erdichten, sondern beklagte er sich nur über ihre freche Zunge und ihren trotzigen Sinn. 622 Tac. ann. 5, 5 i. f. 623 Tac. ann. 6, 25: impudicitiam arguens et Asinum Gallum adulterum (Unzucht und Ehebruch mit Asinius Gallus). 624 Sueton berichtet in seiner Tiberiusbiographie (Suet. Tib. 54), Nero und Drusus seien zu Staatsfeinden erklärt worden (iudicatos hostis). Tacitus erwähnt das nicht. Umgekehrt erwähnt Sueton nichts von den bei Tacitus genannten Vorwürfen. Das kann an der unterschiedlichen Perspektive der beiden Autoren liegen. Sueton mag die rechtliche Seite der Verurteilungen vernachlässigt und die Haltung des Kaisers gegenüber Agrippina und ihren Anhängern in den Mittelpunkt gestellt haben, weswegen es ihm vor allem darauf ankam, von der hostis-Erklärung zu berichten, die Agrippinas Opposition zu Tiberius (s. sogleich im Text) unterstreicht. Obwohl die hostis-Erklärung öfter in Zusammenhang mit Verurteilungen wegen crimen maiestatis erfolgte (s. Bleicken, Senatsgericht (1962), S. 25), kann allein daraus noch

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Ehebruch wurde nach der lex Iulia de adulteriis bestraft.625 Unkeuschheit als solche, impudicitia, war kein eigenes Verbrechen, doch das Ehebruchsgesetz enthielt für besondere Fälle entsprechende Tatbestände. Die Verbannung Agrippinas auf die Insel Pandateria war eine Verschärfung der poena legis, die allerdings seit den Juliaprozessen üblich geworden war. Die mittlerweile übliche Strafe abzumildern und die gesetzliche Strafe anzuwenden, war dem Senat in Anbetracht der Hintergründe der Anklage626 kaum möglich. Das hätte Opposition gegen Tiberius bedeutet. Agrippina musste unter Kontrolle gebracht werden. Bloße Ausweisung aus Italien hätte das nicht gewährleistet. Schwieriger ist es, etwas zur Bestrafung Neros zu sagen. Vorgeworfen wurden ihm amores iuvenum et impudicitia, Liebschaften mit männlichen Jugendlichen und Unkeuschheit. Deswegen wurde er auf die Insel Pontia verbannt. Geschlechtsverkehr mit minderjährigen, männlichen Freien war strafbar nach einer lex Scantinia,627 wohl von 149 v. Chr.,628 von der jedoch wenig bekannt ist.629 Die lex kam auch noch in der frühen Kaiserzeit zur Anwendung. Einschlägige Bestrafungen wurden damals nicht auf die lex Iulia de adulteriis gestützt.630 Über die gesetzliche nicht auf eine Verurteilung der Beteiligten nach der lex Iulia maiestatis geschlossen werden. Der politische Einfluss Agrippinas erlaubte es nicht, sie und ihre Söhne wegen crimen maiestatis anzuklagen, vgl. Rogers, The Conspiracy of Agrippina (1931), S. 158, ders., Criminal Trials (1935), S. 110. Tacitus betont deswegen, dass Tiberius seinem (Adoptiv-)Enkel nicht den Vorwurf einer bewaffneten Auflehnung und revolutionärer Umtriebe machte, Tac. ann. 5, 3. Dafür, dass die Verurteilung Agrippinas offiziell mit einer Verschwörung begründet wurde, gibt es in den Quellen keine Anhaltspunkte. So dennoch Walker, Tacitus (1960), S. 264. Die hostis-Erklärung durch den Senat nach den Verurteilungen wegen sexueller Vergehen ist dennoch nicht unplausibel. Sie war womöglich als offizielle Ächtung der ganzen Partei Agrippinas gedacht, die nach den Verurteilungen, denen sie politisch nichts entgegensetzen konnte, weil sie mit sexuellen Verfehlungen und also unpolitisch begründet wurden, geschwächt gewesen sein dürfte; dazu fehlt uns allerdings eine Überlieferung. 625 Zur lex und zur poena legis s. o. B.I.2.a). 626 Zu einer möglichen Verschwörung Agrippinas sogleich. 627 s. zu ihr Mommsen, Strafrecht (1899), S. 703 f., Rotondi, Leges (1912), S. 293, Berger, Art. Lex Scantinia, RE Suppl. VII, 1940, Sp. 411 f., Kunkel, Untersuchungen (1962), S. 72 f., Dalla, Ubi Venus mutatur (1987), S. 82 ff., Cantarella, Etica sessuale e diritto (1987), S. 263 – 292, Ryan, Lex Scantinia (1994), S. 159 – 162 und Elster, Gesetze (2003), S. 422 – 424. 628 So Berger, Art. Lex Scantinia, RE, art. cit., Sp. 411, Kunkel, Untersuchungen (1962), S. 72, ausführlich Dalla, Ubi Venus mutatur (1987), S. 86 ff. 629 Die früheste Erwähnung bei Cic. ad fam. 8, 12, 3 und 8, 14. Auf Geschlechtsverkehr mit minderjährigen, männlichen Freien wird deutlich bei Juvenal 2, 44 Bezug genommen. Spätere Erwähnungen der lex Suet. Dom. 8, Tertullian de monog. 12, Ausonius epigr. 92 (dazu Liebs, Jurisprudenz (1987), S. 96 f.) und Prudentius peristeph. 10, 204. Damit sind die Nachrichten erschöpft. 630 Überzeugend Dalla, Ubi Venus mutatur (1987), S. 102 ff. So auch Rizzelli, Stuprum e adulterium (1987), S. 385 Fn. 7, Cantarella, Secondo natura (1988), S. 184. s. a. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 704 m. Fn. 2. Eine Äußerung in Suetons Domitianbiographie legt das nahe, Suet. Dom. 8: quosdam ex utroque ordine lege Scantinia condemnavit (er verurteilte einige aus beiden Ständen nach der lex Scantinia). Später scheint man Verurteilungen dagegen auf die lex Iulia de adulteriis gestützt zu haben. Für die justinianische Zeit zeigt das

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Strafe kann mangels Überlieferung nur spekuliert werden. Mommsen hat aufgrund einer Äußerung Quintilians631 eine bloße Geldstrafe angenommen.632 Jedoch ist die dort genannte Geldbuße von 10 000 Sesterzen für das stuprum an einem ingenuus wohl nur eine rhetorische Fiktion.633 Zudem erwähnt Quintilian die lex Scantinia gar nicht. Weil die lex auch unter Domitian angewandt634 und noch den christlichen Autoren der Spätantike bekannt war,635 erwägt Kunkel,636 dass die in den Paulussentenzen ohne Rechtsquelle genannte Strafe die poena legis der lex Scantinia sein könnte: qui masculum liberum invitum stupraverit, capite punitur.637 Kapitale Bestrafung hätte zur Zeit des Erlasses der lex Scantinia Todesstrafe bedeutet. Das war zu dieser Zeit keine ungewöhnliche öffentliche Strafe, Verbannung gab es als gesetzliche Strafe noch nicht.638 Dennoch bleibt die Annahme Kunkels unsicher. Trifft Todesstrafe zu, so bedeutete die Verbannung Neros auf die Insel Pontia eine Milderung der poena legis. Die Verurteilungen erinnern an die Juliaprozesse und an die Verbannung Ovids. Offizieller Vorwurf waren auch dort sexuelle Vergehen, mit denen der Kaiser Mitglieder der kaiserlichen Familie eliminierte, die ihm politisch gefährlich geworden waren. Überraschend erscheint zunächst, dass Tiberius Agrippina, Nero und Drusus beseitigte, obgleich er die beiden Söhne Agrippinas zuvor zu Thronfolgern bestimmt hatte.639 Tatsächlich gab es jedoch für Tiberius Anhaltspunkte einer Verschwörung der Partei Agrippinas, deren Ausbreitung mit den Verurteilungen zuvorzukommen war.640 Angesichts des Einflusses der Anhängerschaft Agrippinas Inst. 4, 18, 4: Item lex Iulia de adulteriis coercendis, quae non solum temeratores alienarum nuptiarum gladio punit, sed etiam eos, qui cum masculis infandam libidinem exercere audent (Ebenso das Julische Ehebruchsgesetz, das nicht nur die Verletzer fremder Ehen mit dem Schwert bestraft, sondern auch die, die es wagen, mit Männern ihrer unerhörten Lust nachzugehen). 631 Quint. inst. 4, 2, 69. 632 Mommsen, Strafrecht (1899), S. 703 f. Ihm folgt Brasiello, La repressione penale (1937), S. 229. 633 Vgl. Kunkel, Untersuchungen (1962), S. 73. 634 Suet. Dom. 8. 635 Vgl. Tertullian de monog. 12 u. Prudentius peristeph. 10, 204. 636 Kunkel, Untersuchungen (1962), S. 73. Zweifelnd Dalla, Ubi Venus mutatur (1987), S. 94. 637 PS 2, 26, 12: Wer an einem männlichen Freien gegen dessen Willen ein stuprum begeht, wird kapital bestraft. 638 Vgl. Levy, Die Römische Kapitalstrafe (1930 / 31), S. 328 ff. und oben A.III.1. 639 Vgl. Gardthausen, Art. Iulius (137), RE, art. cit., Sp. 434. 640 Nach dem Tod des Germanicus hatte sich um Agrippina eine Anhängerschaft gebildet, die in starker Opposition zu Tiberius stand. Man fürchtete, Tiberius würde die Germanicussöhne zugunsten seines leiblichen Enkels Tiberius Gemellus fallenlassen, wenn er selbst so lange lebte, bis sein leiblicher Enkel alt genug wäre, seine Nachfolge anzutreten, vgl. Marsh, Roman Parties (1925 / 26), S. 233 – 241, Rogers, The Conspiracy of Agrippina (1931), S. 141 – 168, ders., Criminal Trials (1935), S. 98 ff. Bei aller Sejanfeindlichkeit lässt auch Tacitus durchblicken, dass Agrippina nicht ohne Grund verdächtigt wurde, vgl. Tac. ann. 4, 12; 4, 17;

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hätte er es sich politisch aber nicht erlauben können, sie und ihre Söhne wegen crimen maiestatis anzuklagen. So bot einmal mehr der wohl erdichtete641 Vorwurf sexueller Vergehen einen machtpolitisch unverfänglichen Vorwand, die kaiserliche Stellung zu festigen. Das Senatsgericht wich im einen Fall strafschärfend, im anderen vielleicht strafmildernd von der gesetzlichen Strafe ab. Die Verschärfung der bloßen Ausweisung zu Verbannung auf eine Insel war dem Umstand geschuldet, dass Agrippina unter Kontrolle gehalten werden musste. Zudem war Verbannung auf eine Insel mittlerweile übliche Ehebruchsstrafe. Was könnte die Senatoren bewogen haben, bei Nero die Todesstrafe der lex Scantinia abzumildern? Überliefert ist dazu nichts. Hauptgrund könnte gewesen sein, dass die Öffentlichkeit an einem Todesurteil gegen ein Mitglied des Kaiserhauses Anstoß genommen hätte, was dem Ansehen des Kaisers geschadet hätte. Verbannung auf eine Insel war die unverfänglichere Möglichkeit, jemanden aus dem Weg zu räumen. Das war bislang die äußerste Strafe, die gegen ein Mitglied des Kaiserhauses verhängt worden war. Womöglich fürchtete man auch, durch ein Todesurteil die Partei Agrippinas zu einem Umsturzversuch herauszufordern. Vielleicht erwog Tiberius, nachdem sich bereits Spannungen mit Sejan andeuteten, den Germanicussohn später noch zu benötigen.642 Von Einfluss auf die Milderung könnte schließlich das jugendliche Alter Neros gewesen sein.643 18. Die Kreuzigung Jesu (30 n. Chr.)644 Jesus kam Anfang April 30 n. Chr. nach Jerusalem, um dort mit seinen Jüngern das Passahfest zu feiern. Wegen unterschiedlicher Grundüberzeugungen und Prak4, 52; 4, 54; 4, 59; 5, 3 – 5; 6, 25. Tac. ann. 4, 67 und 4, 70 i. f. ist gar von einer befürchteten Verschwörung Agrippinas und Neros die Rede. 641 s. Tac. ann. 5, 3: in nurum non id quidem confingere usus (gegen seine Schwiegertochter wagte er nicht einmal dies zu erdichten). 642 Bezüglich des anderen Germanicussohnes, Drusus, sind uns derartige Überlegungen des Kaisers bekannt, vgl. Tac. ann. 6, 23, Suet. Tib. 64 und oben Fn. 615. 643 Er war 6 n. Chr. geboren, zur Zeit des Prozesses also 23 Jahre alt, vgl. Gardthausen, Art. Iulius (146), RE, art. cit., Sp. 474. Zur Berücksichtigung jugendlichen Alters bei der Strafzumessung s. o. B.I.7.b) und unten III.6., IV.7. und VIII.7. 644 Dazu etwa Kilpatrick, The Trial of Jesus (1953), Brandon, The trial of Jesus (1968), Blinzler, Der Prozeß Jesu (1969), Sobosan, The Trial of Jesus (1973), S. 70 – 93, Cohn, trial and death of Jesus (1977), Overstreet, Roman Law and the Trial of Christ (1978), S. 323 – 332, Imbert, Le procès de Jesus (1980), Betz, Probleme des Prozesses Jesu (1982), S. 565 – 647, Kuhn, Die Kreuzesstrafe (1982), S. 675 – 678, 709 f. u. 732 – 736, Watson, Francis, Why was Jesus crucified? (1985), S. 105 – 112, Watson, Alan, The trial of Jesus (1995), Egger, Crucifixus sub Pontio Pilato (1997), Amarelli / Lucrezi, Il processo contro Gesù (1999), Ribas Alba, El proceso a Jesús (2004), Kirner, Strafgewalt und Provinzialherrschaft (2005), S. 246 – 291, Knothe, Der Prozess Jesu rechtshistorisch betrachtet (2005), S. 67 – 101, Reinhold, Der Prozess Jesu (2006), Liebs, Vor den Richtern (2007), S. 89 – 104.

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tiken des Judentums hatte es schon vorher Spannungen zwischen ihm und Vertretern der jüdischen Oberschicht gegeben. Sein Zulauf wurde immer größer, weswegen er der jüdischen Elite gefährlich erschien, und so entschieden sie, die Gelegenheit seines Aufenthaltes in der Stadt zu nutzen, um ihn aus dem Weg zu räumen. Er wurde von Beamten des Hohen Rates im Garten Gethsemane verhaftet und in das Haus des Hohenpriesters gebracht. Am nächsten Morgen beschloss der Hohe Rat, ihn vor dem Gericht des römischen Statthalters Pontius Pilatus in einem Hochverratsprozess wegen Anmaßung der Königswürde und versuchten Aufruhrs anzuklagen. Betrachtet man die kurze Zeit von etwa einer Stunde, die zwischen Beginn der Verhandlung vor Pilatus und Beginn der Vollstreckung des Todesurteils liegt,645 wird man keine ausführliche Beweisführung annehmen dürfen. Die von den Anklägern vorgebrachten Beschuldigungen können nicht gründlich überprüft worden sein. Jedenfalls hat Jesus die Frage, ob er der König der Juden sei, bejaht und damit selbst eingeräumt, was aus römischer Sicht als Hochverrat galt.646 Dass es ihm auch an Tatkraft nicht fehlte, hatte er bei der Vertreibung der Händler und Geldwechsler aus dem Tempel gezeigt. Dennoch mag der Statthalter wirklich gezweifelt haben, ob der Angeklagte tatsächlich eine Gefahr für die römische Herrschaft darstellte. Die Verurteilung war für ihn eher eine machtpolitische Abwägung als ein klarer Rechtsfall. Auf der einen Seite Stand das in seinen Augen unbedeutende Leben eines Provinzialen, deren Pilatus in seiner unruhigen Provinz schon Unzählige nach kurzem Prozess hatte hinrichten lassen. Auf der anderen Seite stand das Interesse der jüdischen Elite, der mächtigsten Gruppierung Judäas. Trotz der römischen Herrschaft über diese Provinz war Pilatus auf deren Kooperation angewiesen.647 Sie drohten, ihn beim Kaiser anzuschwärzen, sollte er Jesus nicht verurteilen.648 Der daneben überlieferte Druck des einfachen jüdischen Volkes dürfte hingegen antisemitische Tendenz der Evangelien sein.649 Die Abwägung des Statthalters fiel zum Nachteil des Wanderpredigers aus, den Pilatus „vorsorglich“650 verurteilte. Das Urteil wurde sofort vollstreckt: Jesus gegeißelt und außerhalb der Stadt gekreuzigt. Was verrät der Fall zum richterlichen Ermessen bei der Strafzumessung? Vorgeworfen wurde Jesus, wie gesagt, Anmaßung der Königswürde und versuchter Aufruhr,651 strafbar nach der lex Iulia maiestatis.652 Gesetzliche Strafe war Verbannung, doch war es mittlerweile üblich geworden, in Majestätsprozessen Todes645 646 647 648 649 650

Dazu Liebs, Vor den Richtern (2007), S. 98 f. Markusevangelium (Mk) 15, 2, Johannesevangelium (Joh.) 18, 33 – 37. Vgl. Demandt, Hände in Unschuld (1999), S. 83 – 92. Joh. 19, 12. Vgl. Liebs, Vor den Richtern (2007), S. 98 m. w. N. Vgl. den Titel des Kapitels zum Jesusprozess in Liebs, Vor den Richtern (2007), S. 89 –

104. 651 Mk 15, 2, Lukasevangelium (Lk) 23, 2, Joh. 18, 37 u. 19, 12. Vgl. auch die Inschrift am Kreuz ,Jesus von Nazareth, König der Juden‘, Joh. 19, 19. 652 Zu dieser lex s. o. B.I.2.b), zur Strafbarkeit des Aufruhrs mit politischem Hintergrund nach diesem Gesetz s. näher unten V.3.b).

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strafe auszusprechen. Gegenüber Sklaven und Nichtbürgern war Kreuzigung die geltende Form ihrer Vollstreckung. Dazu gehörte auch die vorherige Geißelung.653 Die Qualen und Verspottungen auf dem Kreuzesweg mögen in den Evangelien dramatisiert werden, können aber auch – vielleicht in geringerem Umfang – tatsächlich stattgefunden haben. Das war wohl vorgesehener Bestandteil jeder öffentlichen Vollstreckung. Rechtlich betrachtet ist der Prozess also nicht außergewöhnlich. Er bedeutete keine Verschärfung der gängigen Strafpraxis, vielmehr orientierte sich Pilatus daran. Eine Milderung war für ihn nicht angezeigt. 19. Der Prozess gegen Asinius Gallus und die Verurteilung Sejans und Livillas Asinius Gallus654 hatte die Missgunst des Kaisers auf sich gezogen, als er Vipsania Agrippina, die geschiedene Gattin des Tiberius heiratete, nachdem dieser nach dem Tod Agrippas 12 v. Chr. von Augustus gezwungen worden war, seine Frau, die Mutter seines kleinen Sohnes, zu verlassen und Agrippas Witwe Julia zu heiraten. Hinzu kamen Spannungen zwischen ihm und Sejan, dem Gallus aus Berechnung geschmeichelt hatte.655 30 n. Chr. wurde er 71jährig auf Betreiben des Kaisers vom Senat in einem Majestätsprozess656 zum Tode verurteilt.657 Der Prozess fand in seiner Abwesenheit am selben Tag statt, als Gallus bei Tiberius auf Capri zu Gast war, wohin sich der Kaiser 26 n. Chr. zurückgezogen hatte. Der Senat hat die poena legis der lex Iulia maiestatis zu Todesstrafe verschärft, was bereits öfter vorgekommen war und immer mehr zur Regel wurde. Um dem Verurteilten besonderes Leid zuzufügen, ordnete Tiberius an, die Vollstreckung des Todesurteils solange aufzuschieben, bis er selbst nach Rom zurückkehre, was freilich nicht mehr geschah. So wurde Gallus isoliert in Vollstreckungshaft658 gehalten, nur mit der nötigsten Nahrung versorgt, ohne soziale Kontakte und in ständiger Furcht vor der Vollstreckung. Nach drei Jahren starb er.659 s. o. A.III.1. und B.II.2. Zu Augustus stand er in freundschaftlichem Verhältnis. 8 v. Chr. Konsul, 6 / 5 v. Chr. Prokonsul von Asien. Zu ihm ausführlich Klebs, Art. Asinius (15), RE II 2, 1896, Sp. 1585 – 1588 und Groag, Art. Asinius (1229), PIR I, 1933, S. 245 – 249. Zum Prozess Dio Xiphil. 58, 3, 1 – 6. Dazu Rogers, The Conspiracy of Argippina (1931), S. 155 u. 161, Marsh, Reign of Tiberius (1931), S. 190 u. 223, Rogers, Criminal Trials (1935), S. 104 – 107, Bleicken, Senatsgericht (1962), S. 24 f., Zäch, Majestätsprozesse (1971), S. 15 – 17. 655 Tac. ann. 4, 71 u. Dio Xiphil. 58, 3, 2. 656 Als crimen maiestatis wurde ihm wohl auch ausgelegt, dass er sich freimütig über das Kaisertum geäußert hatte, Dio Xiphil. 58, 3, 1 init. 657 Das Todesurteil ist daraus abzuleiten, dass ein Prätor vom Senat entsandt wurde, um den Verurteilten zur ,Bestrafung‘ (ôéìùrßá) abzufu¨hren, was nur Vollstreckung eines Todesurteils bedeuten kann, Dio Xiphil. 58, 3, 3. 658 Nicht etwa verbüßte er eine Freiheitsstrafe, sondern seine Festsetzung sollte lediglich die Hinrichtung sicherstellen. Haftstrafen gab es damals noch nicht, s. o. Fn. 53 im Abschnitt A.III. 659 Dio Xiphil. 58, 3, 4 – 6. Zum Todeszeitpunkt s. Tac. ann. 6, 23 init. 653 654

II. Tiberius

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Doch auch sein Widersacher Sejan sollte nicht mehr lange am Leben bleiben. Das Verfahren gegen Sejan660 wurde, wie bei Gallus, 31 n. Chr. durch einen Brief des Kaisers an den Senat in Gang gesetzt.661 Darin forderte Tiberius zwar nicht die Hinrichtung Sejans, tadelte ihn jedoch mehrmals.662 Weil die anderen Senatoren in dem Brief die Anweisung erwartet hatten, ihm die tribunizische Gewalt zu verleihen, wovon nun keine Rede war, kippte die Stimmung im Senat und wurde Sejan inhaftiert.663 Als der Senat bemerkte, dass sich die Bevölkerung von Sejan abwandte und seine Standbilder zertrümmerte, trat er am selben Tage erneut zusammen und verurteilte Sejan zum Tode. Er wurde alsbald hingerichtet.664 Gestützt wurde die Verurteilung wohl auf die lex Cornelia de sicariis et veneficiis, denn er sollte zusammen mit seiner Geliebten Livilla acht Jahre zuvor den Kaisersohn Drusus vergiftet haben.665 Auch über Livilla verhängte man ein Todesurteil, zudem Memoriastrafen.666 Livilla, ein Mitglied des Kaiserhauses, war die erste Frau, von 660 Er stand in freundschaftlichem Verhältnis zu Kaiser Tiberius und galt als dessen Günstling. 20 n. Chr. wurde er Prätorianerpräfekt und konzentrierte die bislang in Rom und den benachbarten Städten zerstreuten Kohorten in einem Lager auf dem Viminal. Im Jahr seiner Verurteilung war er zusammen mit Tiberius Konsul. Zu ihm ausführlich v. Rohden, Art. Aelius (133), RE I 1, 1893, Sp. 529 – 531, Stein, Art. Aelius (255), PIR I, 1933, S. 41 – 43, Henning, L. Aelius Seianus (1975) und Syme, Augustan Aristocracy (1986), S. 300 – 312. 661 Zum Prozess Dio 58, 8 – 11. Von Tacitus haben wir über diesen Prozess keinen Bericht. Er muss die Vorgänge im verschollenen Teil des fünften Buches seiner Annalen geschildert haben. Seinem Bericht über den Tod des Drusus ist jedoch auch hierzu einiges zu entnehmen, Tac. ann. 4, 7 – 11. s. a. Plin. nat. hist. 29, 20 und Suet. Tib. 62. Dazu Rogers, Criminal Trials (1935), S. 110 – 116 u. 128 f., Koestermann, Der Sturz des Seian (1955), S. 350 – 373, Henning, L. Aelius Seianus (1975), S. 144 – 156 und Cogitore, Conspirations (2002), S. 212 – 228. 662 Dio 58, 10, 1 f. 663 Dio 58, 10, 3 – 8. 664 Dio 58, 11. 665 Dass dies die Anklage gewesen sein muss, ergibt sich aus Tac. ann. 4, 7 f. u. 4, 11. Dio nennt keine speziellen Anklagepunkte. Er berichtet lediglich, dass sich Sejan die Vorwürfe aus dem vorgelesenen Brief anhörte und als geringfügig erachtete, mit Ausnahme einer Anschuldigung, die sich nicht abtun ließ, Dio 58, 10, 5. Hier muss Dio Giftmord an Drusus meinen. Dass es über die Berechtigung dieses Vorwurfs bereits unter den antiken Autoren Zweifel gab (s. Tac. ann. 4, 10) und hierzu in der modernen Literatur umfangreiche Untersuchungen angestellt wurden, braucht hier nicht zu interessieren; ausführlich dazu Meise, Untersuchungen (1969), S. 49 ff. Dieser scheint allerdings aus der inschriftlich überlieferten hostis-Erklärung gegen Sejan schließen zu wollen, das Urteil sei auf eine Verschwörung gestützt und also aufgrund der lex Iulia maiestatis gefällt worden, vgl. Meise, Untersuchungen (1969), S. 77 f. Dass die hostis-Erklärung vom Strafurteil zu trennen ist, wurde bereits betont, s. o. Fnn. 615 u. 624. Anhaltspunkte für eine Verschwörung lagen vor, s. sogleich. Doch liegt eine Verurteilung aufgrund des Mordes an Drusus näher. Für Tiberius war dieser Vorwurf politisch viel unverfänglicher als ein Majestätsverfahren gegen seinen engsten Mitarbeiter. Auch Dio 58, 10, 5 und Tac. ann. 4, 8 sprechen hierfür. 666 Tac. ann. 6, 2: atroces sententiae dicebantur in effigies quoque ac memoriam eius (scharfe Anträge wurden gestellt, die sich auf ihre Standbilder und auch auf ihr Andenkenbezogen). Die Kinder Sejans scheinen dagegen nicht aufgrund eines Strafverfahrens hingerichtet worden zu sein, vgl. Dio 58, 11, 5, Tac. ann. 5, 8 (hier ist die Ermordung des Aelius

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B. Die einzelnen Prozesse bis Trajan

der überliefert ist, dass sie zum Tode verurteilt wurde. In den folgenden Jahren kam das dann häufiger vor.667 Gesetzliche Strafe der lex Cornelia de sicariis et veneficiis war Todesstrafe.668 Der Senat verhängte sie, doch ging es den Senatoren wohl weniger um Einhaltung der gesetzlichen Strafe, als vielmehr im Hinblick auf die Wünsche des Kaisers darum, durch ihr Urteil eine rechtliche Grundlage für die Hinrichtung Sejans zu schaffen. Anhaltspunkte für eine Verschwörung gab es.669 Sejan deswegen anzuklagen, dürfte Tiberius jedoch politisch zu heikel erschienen sein. Beim Vorwurf des Mordes an Drusus, der acht Jahre zurücklag, bestand weniger Gefahr, die Anhänger Sejans zu mobilisieren.

20. Die Prozesse nach dem Sturz Sejans (31 – 37 n. Chr.) Aus der Zeit nach dem Sturz Sejans wird von zahlreichen Verurteilungen und Hinrichtungen berichtet.670 Für Tacitus ist das Jahr 31 n. Chr. ein Wendepunkt im tiberischen Prinzipat, dem viele Bürger zum Opfer fallen sollten. Bis 37 n. Chr. führt er in kurzen Berichten zahlreiche Prozesse an. Auskünfte zum richterlichen Ermessen sind diesen nur pauschal geschilderten Kapitalverfahren aufgrund angeblicher Verbindungen zu Sejan671 und sonstiger Beschuldigungen672 meist nicht Gallus angedeutet, vermutlich der älteste Sohn Sejans, vgl. v. Rohden, Art. Aelius (57), RE I 1, 1893, Sp. 492) und Tac. ann. 5, 9 (Tötung der übrigen Kinder Sejans). 667 Vgl. Tac. ann. 6, 10 (32 n. Chr.), Tac. ann. 6, 19, Dio 58, 22, 2 f. (33 n. Chr., s. u. B.II.20.c)), Tac. ann. 6, 26 (33 n. Chr.), Tac. ann. 6, 29, Dio 58, 24, 3 (34 n. Chr., s. u. B.II.20.d)), Tac. ann. 6, 47 (37 n. Chr.). 668 s. o. B.I.7.a)aa). 669 Sejan hatte geplant, Livilla zu heiraten und nach dem Tod des Kaisers die Regentschaft für Tiberius Gemellus, Sohn Livillas und Enkel des Kaisers, zu übernehmen. Auf dem Höhepunkt seiner Macht, in Aussicht künftiger Regentschaft für Tiberius Gemellus (Tiberius hatte seiner Ehe mit Livilla inzwischen zugestimmt), verlor Sejan womöglich die Geduld und zettelte eine Verschwörung an, weil er die Konkurrenz Caligulas fürchtete, den der Kaiser öffentlich ehrte. s. zum Ganzen ausführlich Meise, Untersuchungen (1969), S. 77 – 87 m. w. N. 670 Tacitus überliefert eine Vielzahl einzelner Fälle, während Dio sich im Wesentlichen auf den Hinweis beschränkt, dass für ein Todesurteil die Freundschaft mit Sejan genügte, Dio 58, 14, 3 – 5. 671 Ein Freund Sejans, dessen Name im verlorenen Teil des fünften Buches gestanden haben muss, war vor dem Senat wohl wegen crimen maiestatis angeklagt und stürzte sich nach seiner Verteidigungsrede im Senat selbst in sein Schwert; vorgesehen war wohl ein Todesurteil, Tac. ann. 5, 6 f. (31 n. Chr.). P. Vitellius wurde wegen crimen maiestatis angeklagt, weil er die Kriegskasse revolutionären Bestrebungen zur Verfügung gestellt haben soll, womit nur die Verschwörung Sejans gemeint sein kann; er brachte sich vor Prozessbeginn um, Tac. ann. 5, 8 (31 n. Chr.). Pomponius Secundus wurde die Freundschaft zu Aelius Gallus (wohl ältester Sohn Sejans, vgl. v. Rohden, Art. Aelius (57), RE I 1, 1893, Sp. 492) vorgeworfen. Er entging offenbar einer Verurteilung, Tac. ann. 5, 8 (31. n. Chr.). Q. Servaeus und Minucius Thermus wurden wegen ihrer Freundschaft zu Sejan verurteilt. Ihre Strafen sind

II. Tiberius

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zu entnehmen. Die gesetzliche Strafe wurde immer wieder, vermeintlich zur Sicherung der kaiserlichen Macht, unbesehen zu Todesstrafe verschärft. Hier ist nur auf die Fälle näher einzugehen, die Informationen zur Strafzumessung liefern.

nicht überliefert, Tac. ann. 6, 7 (32 n. Chr.). Der Ritter M. Terentius wurde der Freundschaft mit Sejan angeklagt. Er äußerte sich aufrecht und freimütig und wurde freigesprochen, Tac. ann. 6, 8 f., Dio 58, 19 (32 n. Chr.). Die Ritter Geminus, Celsus und Pompeius wurden wegen Teilnahme an der sejanischen Verschwörung angeklagt und zum Tode verurteilt, Tac. ann. 6, 14 (32 n. Chr.). Auch dem berüchtigten Ankläger Fulcinius Trio wurde Beteiligung an den Machenschaften Sejans vorgeworfen. Er kam dem Todesurteil durch Selbstmord zuvor, Tac. ann. 6, 38, Dio 58, 25, 2 – 4 (35 n. Chr.). 672 Zu dem Verfahren vor dem Senat gegen Lucanius Latiaris sind Vorwurf und Strafe unbekannt, Tac. ann. 6, 4 (32 n. Chr.). Cotta Messalinus wurde vom Vorwurf feindseliger Äußerungen gegen die Kaiserfamilie offenbar freigesprochen, denn im Anschluss wurde über seinen Ankläger wegen calumnia verhandelt, Tac. ann. 6, 5 (32 n. Chr.). Die Strafe des Anklägers (vgl. Tac. ann. 6, 7) ist nicht zu ermitteln. Zwar sollte er die gleiche Strafe erleiden wie die Ankläger des L. Arruntius, doch ist auch deren Strafe unbekannt (ihre Prozesse wurden wohl im verlorenen Teil des 5. Buches mitgeteilt, vgl. Stein, Art. Sanquinius (1), RE I A 2, 1920, Sp. 2286). In einem Majestätsprozess von 32 n. Chr. (Tac. ann. 6, 9) wurden Appius Silanus und Sabinus Calvisius freigesprochen. Das Verfahren gegen Annius Pollio, seinen Sohn Vinicianus und Scaurus Mamercus wurde vertagt, wobei nur von letzterem bekannt ist, dass er später noch einmal angeklagt wurde (dazu Tac. ann. 6, 29, s. u. B.II.20.d.). Eine gewisse Vitia wurde wegen crimen maiestatis verurteilt und hingerichtet, im selben Jahr ebenso Vescularius Flaccus und Iulius Marinus, Tac. ann. 6, 10 (32 n. Chr.), im darauffolgenden Jahr Considius Proculus, Tac. ann. 6, 18 (33 n. Chr.). Auch seine Schwester Sancia wurde angeklagt und verbannt, ebenso Pompeia Macrina, deren Gatte Arcolicus und Schwiegersohn Laco bereits hingerichtet worden waren. In allen vier Fällen wird das vorgeworfene Vergehen jedoch nicht genannt, Tac. ann. 6, 18 (33 n. Chr.). Vater und Bruder der Pompeia Macrina wurden wegen crimen maiestas angeklagt. Weil Todesurteile zu erwarten waren, brachten sie sich vor dem Urteil selbst um, Tac. ann. 6, 18 (33 n. Chr.). Plancina, die Gattin des Cn. Calpurnius Piso (oben B.II.6.), kam einem Todesurteil durch Selbstmord zuvor; weswegen sie angeklagt war, ist nicht bekannt, Tac. ann. 6, 26 (33 n. Chr.). Der Senator Granius Marcianus wurde wegen crimen maiestatis angeklagt und nahm sich vor dem Urteil das Leben. Der ehemalige Prätor Tarius Gratianus wurde wegen crimen maiestatis zum Tode verurteilt, Tac. ann. 6, 38 i. f. (35 n. Chr.). Trebellenus Rufus und Sextus Paconianus wurden wegen crimen maiestatis angeklagt. Rufus kam dem Urteil durch Selbstmord zuvor, Paconianus wurde im Kerker umgebracht, Tac. ann. 6, 39 (35 n. Chr.). L. Aruseius wurde vom Senat verurteilt und hingerichtet, ebenso Tigranes, der ehemalige König von Armenien. Der Ritter Vibulenus Agrippa nahm sich vor dem Urteil im Senat das Leben. In keinem der drei Fälle wird das vorgeworfene Vergehen genannt, Tac. ann. 6, 40 (36 n. Chr.). Aemilia Lepida (zu unterscheiden von der 20 n. Chr. verbannten Aemilia Lepida, oben B.II.7.) wurde wegen Ehebruchs mit einem Sklaven angeklagt und beging vor dem Urteil Selbstmord, Tac. ann. 6, 40 (36 n. Chr.). Welche Strafe ihr drohte, ist nicht überliefert. Acutia, die Gattin des P. Vitellius (zu ihm Tac. ann. 5, 8, s. Fn. 671) wurde wegen crimen maiestatis angeklagt und zum Tode verurteilt (damnata kann vor dem Hintergrund der übrigen Majestätsprozesse hier nur ein Todesurteil bedeuten), Tac. ann. 6, 47 (37 n. Chr.).

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B. Die einzelnen Prozesse bis Trajan

a) Die Majestätsprozesse gegen Iunius Gallio und Sextius Paconianus (32 n. Chr.) Iunius Gallio hatte Ehren für die Prätorianer beantragt. Deshalb vermutete man, er sei ein Anhänger Sejans,673 als welcher er verurteilt wurde.674 Auf welches konkrete Delikt das Urteil lautete, sagt weder Tacitus noch Dio. Der Vorwurf, ein Anhänger Sejans zu sein, legt jedoch eine Verurteilung wegen crimen maiestatis nahe. Der Fall interessiert wegen der über Gallio verhängten Strafe. Er wurde lediglich aus Italien ausgewiesen, was der gesetzlichen Strafe der lex Iulia maiestatis entsprach.675 Die Insel Lesbos wählte er sich nach der Darstellung in den Annalen freiwillig, er wurde nicht etwa auf die Insel verwiesen: et quia incusabatur facile toleraturus exilium delecta Lesbo, insula nobili et amoena . . . .676 Im Vergleich zu den Majestätsprozessen dieser Zeit fällt die milde Bestrafung auf. Bereits vor dem Sturz Sejans wurde in Verfahren wegen crimen maiestatis die poena legis der lex Iulia maiestatis regelmäßig verschärft.677 Seitdem war in Majestätsprozessen Todesstrafe üblich. Warum urteilten die Senatoren so mild? Gründe gibt weder Tacitus noch Dio an. Doch ein Blick auf die Person des Verurteilten verrät es:678 Gallio war hochgebildet und intellektuell, ein enger Freund Senecas des Älteren und Ovids. Zwar war er nicht eigentlich unpolitisch, aber politisch in keiner Weise ehrgeizig. Durch Schmeicheleien erlangte er den Rang eines Senators und sein Vorschlag, die Prätorianer zu ehren, dürfte ebenso als Schmeichelei einzustufen sein. Eine Gefahr für den Machtanspruch des Kaisers ging von ihm nicht aus. Auch dass er Sejan anhing, dürfte eine Unterstellung gewesen sein. Sie ist von Tiberius in seinem Schreiben sehr vage formuliert. Bestraft werden sollte womöglich nur diese Schmeichelei. 679 Wäre er tatsächlich als gefährlich 673 So das an den Senat gerichtete Schreiben des Kaisers, Tac. ann. 6, 3: an potius discordiam et seditionem a satellite Seiani quaesitam . . . (ob es da nicht eher ein Anhänger Sejans auf die Erregnung von Zwietracht und Meuterei abgesehen habe . . . ). 674 Tac. ann. 6, 3, Dio 58, 18. Vgl. dazu Rogers, Criminal Trials (1935), S. 129 f., Zäch, Majestätsprozesse (1971), S. 62 f. 675 Tac. ann. 6, 3, Dio 58, 18, 4. Der von Tacitus daneben erwähnte Ausschluss aus dem Senat ergibt sich bereits aus dem mit der Verbannung verbundenen Verlust des Bürgerrechts, s. o. A.III.2.b)bb) und B.I.2.b). Die anschließende Rückholung aus Lesbos und Inhaftierung in Rom ist vom Strafurteil zu trennen. Sie ist ein Fall kaiserlicher Willkür, s. a. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 961 Fn. 6. 676 Tac. ann. 6, 3 i. f.: Weil man gegen ihn vorbrachte, er werde auf der berühmten und anmutigen Insel Lesbos, die er sich selbst gewählt habe, die Verbannung leicht ertragen . . . . 677 Meist Todesstrafe (B.II.6., 8., 12. (Aelius und Silius), 16.), häufig Verbannung auf eine Insel (B.II.8., 10.b), 13.). Bloße Ausweisung nur gegenüber Frauen, B.II.7., 12. (Sosia). 678 Zu ihm ausführlich Gerth, Art. Iunius (77), RE X 1, 1918, Sp. 1035 – 1039 und Stein / Petersen, Art. Iunius (756), PIR IV, 1966, S. 334 f. 679 Das legt die briefliche Äußerung des Kaisers nahe, Tac. ann. 6, 3 init.: quid illi cum militibus quos neque dicta imperatoris neque praemia nisi ab imperatore accipere par est

II. Tiberius

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angesehen worden, hätten die Senatoren Todesstrafe verhängt, ihn zumindest an einen bestimmten Ort verbannt, wo er hätte kontrolliert werden können. Die bloße Ausweisung konnte das und brauchte es offenbar auch nicht zu gewährleisten. In jenen Jahren nach dem Sturz Sejans hätte allerdings in einem Majestätsprozess gegen einen offenbar ungefährlichen Angeklagten auch ein Todesurteil nicht überrascht. War das milde Urteil die Rücksicht auf den Schöngeist? Der gebildete Redner Cassius Severus war wegen crimen maiestatis zweimal trotz Rückfälligkeit lediglich auf eine Insel verbannt worden,680 ähnlich im Fall des celebris ingenii vir Votienus Montanus.681 Der Dichter Ovid wurde an einen Ort auf dem Festland verbannt, obwohl er selbst auch mit einem Todesurteil gerechnet hatte.682 Im selben Jahr wurde auch Sextius Paconianus683 wegen Beteiligung an der Verschwörung Sejans angeklagt und verurteilt.684 Der Bericht bei Tacitus ist kurz und wir erfahren nicht, wie er schließlich bestraft wurde. Doch erwähnt er einen interessanten Gesichtspunkt der Strafzumessung. Paconianus konnte der Todesstrafe entgehen, weil er andere denunziert hatte: summum supplicium decernebatur ni professus indicium foret.685 Das freiere Strafverfahren vor dem Senat bot den Senatoren im Gegensatz zum Quästionenverfahren die Möglichkeit, dem Angeklagten derartige Vergünstigungen in Aussicht zu stellen. Dennoch scheint der Fall nicht zum Vorbild für künftige Entscheidungen geworden zu sein. Teilweise oder vollständige Strafbefreiungen wegen Denunziation anderer begegnen selten,686 waren Ausnahmen. Grundsätzlich stellte eine Denunziation den Angeklagten anscheinend nicht besser.687 Bei aller (was jenen die Soldaten angingen, die weder kaiserliche Befehle noch Belohnungen von jemand anderem als dem Kaiser anzunehmen hätten). 680 s. o. B.I.5. und II.13. 681 s. o. B.II.16. 682 s. o. B.I.4. Iullus Antonius, der Liebhaber der älteren Julia, war 2 v. Chr. dagegen zum Tode verurteilt worden. 683 Er war einst praetor peregrinus. Später wurde er erneut wegen crimen maiestatis verurteilt und umgebracht, Tac. ann. 6, 39 (35 n. Chr.), s. a. oben Fn. 672. Zu ihm Fluss, Art. Sextius (34), RE II A 2, 1923, Sp. 2050 f., Bauman, Impietas in Principem (1974), S. 130, Rutledge, Imperial Inquisitions (2001), S. 268 und Wachtel, Art. Sextius (675), PIRVII, 2, 2006, S. 260 f. 684 Tac. ann. 6, 3 i. f. Rogers, Criminal Trials (1935), S. 130. 685 Tac. ann. 6, 3 i. f.: Er wäre zum Tode verurteilt worden, hätte er nicht andere denunziert. 686 Für die Zeit nach dem Verfahren gegen Sextius Paconianus ist noch ein weiteres Mal ausdrücklich von Strafbefreiungen aufgrund von Denunziationen berichtet, s. Tac. ann. 15, 71, wobei hier die eigene Straflosigkeit eine spätere Belohnung für die Anzeige darstellt und keine zuvor in Aussicht gestellte Begünstigung. Das Versprechen Neros, gewisse Angeklagte im Rahmen der pisonischen Verschwörung nicht zu bestrafen, wenn sie Mitverschorene nannten, s. Tac. ann. 15, 56, wurde nicht eingehalten, s. Tac. ann. 15, 70. Im Fall des freigesprochenen Iuventius Celsus hatte der Angeklagte selbst eine Zusammenarbeit bei der Verfolgung anderer Straftäter angeboten, ohne dass ihm dies als Gegenleistung für einen Freispruch angeboten worden war, Dio Xiphil. Zonaras 67, 13, 3 f. (93 n. Chr.). Aus republikanischer Zeit Andeutungen nur bei Cic. in Caecilium 34. 687 s. Ulp. 8 de off. proc. D. 48, 18, 1, 26 und C. Th. 9, 1, 19, 1 = C. 9, 2, 17, 1.

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B. Die einzelnen Prozesse bis Trajan

Freiheit, die sich das Senatsgericht bei der Strafzumessung herausnahm, indem es von der gesetzlichen Strafe abwich, scheint der Straferlass wegen Denunziation doch als Rechtsbruch und womöglich auch als Bruch der römischen virtus angesehen worden zu sein. Hier nahmen die Senatoren den Bruch in Kauf. Erst in der Spätzeit setzte man sich über diese Bedenken jedenfalls bei Majestätsverbrechen688 und Münzfälschung689 hinweg und ordnete Strafbefreiung an.

b) Prozesse wegen Anklägervergehen von 32 bis 34 n. Chr. Verschiedene Fälle aus den Jahren 32 bis 34 n. Chr. zeigen, dass trotz der politischen Verhältnisse zweifelhafte Anklagen gegen wirkliche oder angebliche Sejananhänger für Ankläger nicht gefahrlos waren. Die Senatsjustiz scheint sich in den unsicheren Zeiten nach dem Sturz Sejans jedenfalls auf dem Gebiet der Anklägervergehen eine gewisse Unabhängigkeit bewahrt zu haben. 32 n. Chr. wurde der Ritter M. Terentius der Freundschaft mit Sejan angeklagt, jedoch freigesprochen.690 Daraufhin wurden seine Ankläger wegen calumnia verurteilt, wobei auch ihre früheren Denunziationen berücksichtigt wurden. Sie wurden zum Tode verurteilt oder mit Verbannung bestraft: exilio aut morte multarentur.691 Zwei Jahre später wurde Abudius Ruso wegen einer wohl ins Leere gegangenen Majestätsanklage gegen einen Anhänger Sejans ebenfalls wegen calumnia verurteilt und ausgewiesen.692 Des Weiteren wurden ein gewisser Servilius und ein gewisser Cornelius wegen praevaricatio693 auf Inseln verbannt. Sie hatten dafür, dass sie von einer Anklage des Varius Ligur694 Abstand genommen hatten, Geld angenommen.695 Auf welches Delikt sich die aufgegebene Anklage bezogen hatte, erfahren wir nicht. Praevaricatio bestrafte das Gesetz wie calumnia mit rechtlicher Arcadius C. Th. 9, 14, 3, 7 = C. 9, 8, 5, 7 (397). Konstantin C. Th. 9, 21, 2 pr. u. 1 (321). s. a. Konstantin C. Th. 9, 9, 1 (326). Vgl. dazu Liebs, Römisches Recht (2004), S. 84 f. 690 Tac. ann. 6, 9, Dio 58, 19, 5. Dazu Rogers, Criminal Trials (1935), S. 136 f., Zäch, Majestätsprozesse (1971), S. 64 – 66. 691 Tac. ann. 6, 9. 692 Urbe exigitur schreibt Tacitus, ann. 6, 30. Durchaus denkbar ist, dass mit urbe nicht nur Rom, sondern stellvertretend das gesamte Italien gemeint ist. 693 Zur praevaricatio Rein, Criminalrecht (1844), S. 799 f., Mommsen, Strafrecht (1899), S. 501 ff., Strachan-Davidson, Problems II (1912), S. 137 ff., Wlassak, Anklage und Streitbefestigung (1917), S. 37 ff., Costa, Cicerone giureconsulto II (1927), S. 117, Wolff, Parteiverrat (1930), S. 9 – 51, Levy, Anklägervergehen (1938), S. 177 – 211, Genzmer, Talion (1942), S. 130 ff., Wesenberg, Art. praevaricatio, RE XXII 2, 1954, Sp. 1680 – 1685. 694 Zu ihm wie zu den drei vorigen ist weiter nichts bekannt, vgl. v. Rohden, Art. Abudius (1), RE I 1, 1893, Sp. 125 und Klass, Art. Varius (14), RE VIII A 1, 1955, Sp. 407. s. a. Rutledge, Imperial Inquisitions (2001), S. 216 u. 267 f. 695 Tac. ann. 6, 30. Dazu und zum Prozess gegen Abudius Ruso Rogers, Criminal Trials (1935), S. 154 f. 688 689

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Bescholtenheit: Verlust der Postulationsfähigkeit und Ausschluss aus dem Senat bzw. in den Munizipien aus dem Dekurionenstand.696 In der Kaiserzeit wurde die Strafe häufig nach dem Ermessen des Gerichts verschärft, bis sich schließlich wie bei der calumnia das Talionsprinzip herausbildete.697 Zur Verschärfung der poena legis neigte der Senat bereits im Kalumnienprozess des Jahres 24 n. Chr., als er auf Vorschlag des Kaisers jedoch nur Ausschluss aus dem Senat verhängte, also die gesetzliche Strafe. Damals war aber nur erst eine Tendenz zur Verschärfung der Strafe zu erkennen gewesen, nicht schon das Talionsprinzip, das später die alleinige Strafe für calumnia werden sollte. Auch die soeben besprochenen Prozesse wegen Anklägervergehen markieren noch nicht die Anfänge des Talionsprinzips. Für Abudius Ruso hätte Talion Todesstrafe bedeutet, denn er hatte eine falsche Majestätsanklage erhoben. Er wurde jedoch nur ausgewiesen. Auch ein Teil der Ankläger des Terentius wurde lediglich verbannt. Näher liegt, dass bloße Ehrenstrafen immer weniger überzeugten, weshalb man die Strafen verschärfte. Im Vergleich zur bloßen Ausweisung Rusos war die Verbannung des Servilius und des Cornelius auf Inseln eine härtere Strafe. Anders als Ruso waren beide jedoch berüchtigte Ankläger.698 Womöglich zeigt sich hier erneut die härtere Bestrafung des Wiederholungstäters.699

696 Das zeigt deutlich Asc. zu Cic. pro Cornelio de maiestate, 52 KS: reum Cornelium duo fratres Cominii lege Cornelia de maiestate fecerunt. . . . Postero die, cum . . . citati accusatores non adessent, exemptum nomen est de reis Cornelii. Cominii autem magna infamia flagraverunt vendidisse silentium magna pecunia (die beiden Brüder Cominius klagten Cornelius nach dem Cornelischen Majestätsgesetz an. . . . Als am darauffolgenden Tag die aufgerufenen Ankläger nicht erschienen, wurde der Name des Cornelius aus der Liste der Majestätsverbrecher gestrichen; die Cominii aber zogen sich dafür, dass sie ihr Schweigen für viel Geld verkauft hatten, die schlimmste Bescholtenheit zu). Und Asc. zu Cic. in toga candida, 78 KS: Ita quidem iudicio est absolutus Catilina ut Clodius infamis fuerit praevaricatus esse: nam reiecto iudicium ad arbitrium videbatur esse facta (So wurde Catilina freigesprochen und Clodius wurde als Prävarikator infam: denn es schein, dass sogar die Ablehnung der Richter zum Belieben des Angeklagten durchgeführt worden war). Dass die einzelnen Gesichtspunkte der rechtlichen Bescholtenheit die gleichen sind wie bei calumnia (Verlust der Postulationsfähigkeit und Ausschluss aus dem Senat bzw. aus dem Dekurionenstand), ergibt sich aus dem prätorischen Postulationsedikt, Iul. 1 ad ed. D. 3, 2, 1 und aus der lex Iulia municipialis Z.119, Bruns I, Nr. 18 = FIRA I, Nr. 13. s. o. B.II.15. mit Fn. 299. Die dortige Wendung calumniae praevaricationisve causa legt nahe, dass praevaricatio ebenso früh unter Strafe gestellt wurde wie calumnia, vgl. Levy, Anklägervergehen (1933), S. 197 f. Zur Strafe der rechtlichen Bescholtenheit für praevaricatio s. a. das SC Turpillianum, Pap. 1 responsorum D. 50, 2, 6, 3 und Tac. ann. 14, 41, vgl. Levy, Anklägervergehen (1933), S. 198 f. und Giglio, Il problema dell’iniziativa (2009), S. 174 f. 697 Hierzu ausführlich Levy, Anklägervergehen (1933), S. 207 ff. m. w. N. 698 Tac. ann. 6, 30 init.: accusatores, si facultas incideret, poenis adficiebantur, ut Servilius Corneliusque perdito Scauro famosi . . . (die Ankläger wurden, wenn sich Gelegenheit bot, bestraft, wie etwa Servilius und Cornelius, die durch den Sturz des Scaurus berüchtigt waren . . . ). 699 Zu einem früheren Fall oben B.II.13. s. a. unten B.V.1.b) und C.IV.

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B. Die einzelnen Prozesse bis Trajan

c) Der Prozess gegen Sextus Marius (33 n. Chr.)700 Sextus Marius,701 laut Tacitus der reichste Mann Spaniens, und seine Tochter wurden wegen Inzests vom Senat702 verurteilt und vom Tarpeiischen Felsen gestürzt.703 Seine Gold- und Silberminen wurden beschlagnahmt und gelangten in das Vermögen das Kaisers. aa) Die Strafe für Inzest704 Inzest zählt zu den ältesten Verbrechen des römischen Strafrechts, das schon zur Zeit des Komitialprozesses verfolgt wurde. Zuweisung an eine quaestio ist jedoch nicht erkennbar; ebenso wenig wird eine lex, die Inzest mit Strafe bedroht hätte, erwähnt. Zwar behandeln die juristischen Quellen Inzest im Zusammenhang mit Ehebruch,705 doch wurde er nicht von der lex Iulia de adulteriis erfasst. Das ergibt sich aus einem Ulpianfragment: In incesto, ut Papinianus respondit et est rescriptum, servorum tormenta cessant, quia et lex Iulia cessat de adulteriis,706 findet Bestätigung in den Paulussentenzen707 und ist auch ganz herrschende Ansicht.708 700 Tac. ann. 6, 19, Dio 58, 22, 2 f. Dazu Rogers, Criminal Trials (1935), S. 147, Kornemann, Tiberius (1960), S. 206, Zäch, Majestätsprozesse (1971), S. 63 f. 701 Zu ihm Stein, Art. Marius (28), RE XIV 2, 1930, Sp. 1821 und Petersen, Art. Marius (295), PIR V, 2, 1983, S. 201 f. 702 Tacitus nennt den Senat nicht ausdrücklich. Das Senatsgericht liegt jedoch nahe, weil er im vorigen Abschnitt von Strafverfahren vor dem Senat berichtet. s. a. Kunkel, Entstehung des Senatsgerichts (1969), S. 318. 703 Tac. ann. 6, 19 berichtet nur von Verurteilung und Felssturz des Sextus Marius, Dio darüber hinaus, die Tochter habe ebenfalls sterben müssen. Offenbar wurde auch sie angeklagt und verurteilt. So auch Mommsen, Strafrecht (1899), S. 688 Fn. 4. 704 s. zu diesem Verbrechen Rein, Criminalrecht (1844), S. 869 f., Mommsen, Strafrecht (1899), S. 682 – 688, Ferrini, Esposizione storica (1905), S. 360 f., Lotmar, Lex Iulia de adulteriis und incestum (1912), S. 119 – 143, Klingmüller, Art. incestus, RE IX 2, 1916, Sp. 1246 – 1249, Volterra, ignorantia iuris (1930), S. 96 f., de Martino, ignorantia iuris (1937), S. 401 f., Voci, L’errore (1937), S. 198 f., Guarino, incestum (1943), S. 175 – 267, Cornell, Crimen Incesti (1981), S. 27 – 39, Lovisi, Peine de Mort (1999), S. 302 – 304. 705 Vgl. PS 2, 26, 15 unter dem Titel 2, 26 de adulteriis und Pap. 2 de adulteriis D. 48, 5, 11, 1. 706 3 disputationes D. 48, 18, 4: Beim Inzest ist . . . die Folterung von Sklaven (gegen den angeklagten Herrn) nicht anwendbar, weil auch die lex Iulia de adulteriis (die für ihr Gebiet solche Folterung zuließ, vgl. Pap. 2 de adult. D. 48, 18, 6 pr., s. a. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 414) nicht anwendbar ist. 707 PS 2, 26, 15: Incesti poenam, quae in viro in insulam deportatio est, mulieri placuit remitti: hactenus tamen, quatenus lege Iulia de adulteriis non apprehenditur (die Inzeststrafe, die für den Mann die deportatio in insulam ist, pflegt der Frau erlassen zu werden, aber nur, wenn das Verhalten nicht von der lex Iulia de adulteriis erfasst wird). 708 Mommsen, Strafrecht (1899), S. 684 Fn. 2, Ferrini, Esposizione storica (1905), S. 366, Lotmar, Lex Iulia de adulteriis und incestum (1912), S. 124, Klingmüller, Art. incestus, RE IX 2, 1916, Sp. 1246 – 1249, Lenel / Partsch, Idios Logos (1920), S. 18, De Martino, ignorantia iuris (1937), S. 405, Kunkel, Art. quaestio, RE, art. cit., Sp. 770, Robinson, Summary

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Die Strafe für Inzest ist daher nicht die poena legis der lex Iulia. Zwar meint Guarino, die lex Iulia de adulteriis habe auch das Verbrechen des Inzests einbezogen und dafür die Strafe der lex Iulia bestimmt.709 Incestum sei wie adulterium ein qualifiziertes stuprum.710 Als Beleg für eine Regelung auch des incestum in der lex Iulia de adulteriis genügt diese Überlegung jedoch nicht. Zudem überzeugt seine Textkritik von D. 48, 18, 4 nicht: der Nebensatz quia et lex Iulia cessat de adulteriis am Ende des Fragments,711 ja sogar das ganze Fragment712 sei ein nachklassisches Glossem. Hilfsweise meint er, Ulpian habe nicht sagen wollen, die lex Iulia finde bei Inzest keine Anwendung, sondern nur, dass die lex Iulia in Inzestverfahren keine Folter von Sklaven vorgesehen habe.713 Gegenüber der oben angenommenen Interpretation dürfte diese unterlegen sein. Welche Strafe galt für Inzest? Eine Auskunft darüber, wie das Verbrechen ursprünglich bestraft wurde, haben wir nicht.714 Mommsen nahm überzeugend an, dass sich für die Zeit des Komitialprozesses eine Entsühnung der Gemeinde nach einem derartigen Vorgang ohne Kapitalstrafe nicht denken lasse.715 Daher nimmt man an, ursprüngliche Inzeststrafe sei Todesstrafe gewesen, was in der Tat nahe liegt.716 bb) Ergebnis Wohl auch noch zur Zeit des Prozesses gegen Sextus Marius und seine Tochter stand auf Inzest Todesstrafe. In spätrepublikanischer Zeit dürften Todesurteile aus Verfahren wegen Inzest, wie Todesurteile im Allgemeinen,717 nicht mehr vollstreckt worden sein, doch fehlen Informationen hierzu. Der erste überlieferte Inzestprozess ist der vorliegende. In einer Zeit, die von Strafschärfungen gekennzeichnet ist, tritt nun auch die alte Inzeststrafe wieder auf. Sextus und seine Tochter wurden zum Tode verurteilt.718 Ob die Todesstrafe bei Inzest auch früher in Form (1991 / 92), S. 98, Santalucia, Diritto e processo penale (1998), S. 202, Wycisk, Quintilian (2008), S. 266. 709 Guarino, incestum (1943), S. 183 ff., 205 ff. Vgl. bereits Triebs, Lex Iulia de adulteriis (1910), S. 24. 710 Guarino, incestum (1943), S. 186 u. 200 ff. 711 Guarino, incestum (1943), S. 190 f. 712 Guarino, incestum (1943), S. 191. 713 Guarino, incestum (1943), S. 190. 714 Die Cic. de leg. 2, 9, 22 genannte Todesstrafe betrifft den Sonderfalls des Inzests mit einer Vestalin (dazu näher unten B.VII.2.), wie die Beteiligung des pontifex verrät. 715 Strafrecht (1899), S. 688. 716 Mommsen, Strafrecht (1899), S. 688, Ferrini, Esposizione storica (1905), S. 361, Klingmüller, Art. incestus, RE, art. cit., Sp. 1248, Mantovani, Accusa Popolare (1989), S. 236, Lovisi, Peine de Mort (1999), S. 303 f. 717 s. o. A.III.1. 718 Auch Mommsen will in diesem Urteil die alte Inzeststrafe wiederfinden, s. Strafrecht (1899), S. 688 Fn. 4.

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des Felssturzes vollstreckt wurde719 oder ob dies hier nur deshalb geschah, weil magistratische Vollstreckung nicht möglich war,720 ist nicht zu klären. Jedenfalls in der Prinzipatszeit sah man den Felssturz als Strafe für Inzest an,721 wozu dieser Fall beigetragen haben könnte. Später scheint sich als Strafe deportatio722 und danach wieder Todesstrafe723 etabliert zu haben.724 Sextus mag das Verbrechen tatsächlich begangen haben. Tacitus freilich lässt beim Leser den Verdacht aufkommen, der Kaiser habe es auf sein Vermögen abgesehen: aerarias aurariasque eius, quamquam publicarentur, sibimet Tiberius seposuit.725 Bei derartigen Absichten ein sexuelles Vergehen zu unterstellen, wäre nicht ungewöhnlich. Wenn der Senat die alte Inzeststrafe verhängte, dürfte das weniger der Treue gegenüber einem alten Rechtssatz als vielmehr der Neigung entsprungen sein, dem Wunsch des Tiberius nach harten Strafen nachzukommen, wie sie nach 31 n. Chr. die Regel und auch schon vorher üblich waren. Der erste Fall, in dem über eine Frau ein Todesurteil gefällt wurde, war die Verurteilung Livillas 31 n. Chr.726 Womöglich vor diesem Hintergrund sah sich der Senat zu einer Milderung der Strafe, woran jedenfalls gegenüber der Tochter zu denken gewesen wäre, nicht veranlasst. d) Die Prozesse gegen Pomponius Labeo727 und Mamercus Aemilius Scaurus728 (34 n. Chr.) Pomponius Labeo729 war Statthalter in Mösien und wurde 34 n. Chr. zusammen mit seiner Frau wegen crimen repetundarum730 vor dem Senat angeklagt. Beide kamen dem zu erwartenden Todesurteil durch Selbstmord zuvor.731 719 Eine Überlieferung hierzu fehlt wie gesagt. Rein, Criminalrecht (1844), S. 872 nimmt eine Verwurzelung des Felssturzes als Inzeststrafe in altem Sakralrecht an. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 688 Fn. 4 erwägt ,republikanische Präcedentien‘. 720 Zum Felssturz als alternative Form der Vollstreckung, falls magistratische Exekution (Kreuzigung, Enthauptung) nicht verfügbar war s. o. A.III.1. 721 Vgl. Sen. controv. 1, 3 pr. und Quintilian inst. 7, 8, 3 u. 5. 722 Pap. lib. sing. de adulteriis D. 48, 5, 12, 1, Marc. 2 institutionum D. 48, 18, 5, PS 2, 26, 15. 723 C. Th. 3, 12, 1 (342). 724 Zu den späteren Strafen und den möglichen Gründen ihrer Herausbildung s. Lotmar, Lex Iulia de adulteriis und incestum (1912), S. 134 ff. und Guarino, incestum (1943), S. 206 ff. 725 Tac. ann. 6, 19: Obwohl seine Silber- und Goldminen in Staatseigentum überführt wurden, beanspruchte Tiberius sie für sich selbst. 726 s. o. B.II.19. 727 Tac. ann. 6, 29, Dio 58, 24, 3. s. a. Rogers, Criminal Trials (1935), S. 150 f., Shotter, The Case of Pomponius Labeo (1969), S. 654 – 656, Zäch, Majestätsprozess (1971), S. 60 f. 728 Tac. ann. 6, 29, Dio 58, 24, 3 – 5. Dazu Rogers, Criminal Trials (1935), S. 151 – 154, Marsh, Reign of Tiberius, (1959), S. 287, Zäch, Majestätsprozesse (1971), S. 8 – 10. 729 Zu ihm Hanslik, Art. Pomponius (51), RE XXI 2, 1952, Sp. 2340, Shotter, The Case of Pomponius (1969), S. 654 – 656 und Vidman, Art. Pomponius (726), PIR VI, 1998, S. 320 f.

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An die poena legis der lex Iulia repetundarum, Ausweisung aus Rom und Italien, verbunden mit dem Verlust des Bürgerrechts und des halben Vermögens, hatten sich die Gerichte bislang im Wesentlichen gehalten.732 Nun sollte für repetundae erstmals Todesstrafe verhängt werden. Das wäre eine erhebliche Verschärfung der gesetzlichen Strafe gewesen, entsprach jedoch der generellen Praxis der Zeit. Auch die Tendenz, Frauen von Todesurteilen nicht mehr zu verschonen, hätte sich wohl fortgesetzt. Für repetundae setzte sich Todesstrafe allerdings nicht durch. Die harten Strafen sind den Wirren der Zeit nach der sejanischen Verschwörung zuzuschreiben. Später orientierte man sich wieder an der poena legis. Auch Mamercus Aemilius Scaurus733 kam dem Todesurteil durch Selbstmord zuvor und seine Frau folgte ihm. Er sollte eine kaiserfeindliche Schrift verfasst haben, wurde aber nicht deswegen, sondern wegen Ehebruchs mit Livilla und Zauberei vor dem Senat734 angeklagt. Der Fall erinnert an andere Verfahren, in denen Ehebruch735 und Zauberei736 nur die vorgeschobenen Gründe für eine geargwöhnte Verschwörung waren. Scaurus war mit Sejan befreundet737 und bereits zwei Jahre zuvor wegen crimen maiestatis angeklagt worden.738 Hinter den Vorwürfen könnte sich eine Beteiligung an Livillas Plänen verbergen.739 Ehebruchsstrafe war nach der lex Iulia de adulteriis Ausweisung, gesetzliche Strafe für Zauberei nach der lex Cornelia de sicariis et veneficiis Todesstrafe. Der Senat war offenbar im Begriff, demgemäß eine Gesamtstrafe zu bilden und beide zum Tode zu verurteilen.

730 So Dio 58, 24, 3. Tacitus sagt nichts zum Strafvorwurf. Für repetundae auch Rogers, Ignorance (1933), S. 21. 731 Dass Todesurteile drohten, ergibt sich aus Tac. ann. 6, 29. 732 In vier früheren Repetundenverfahren ist die ausgeurteilte Strafe überliefert: C. Cornelius Gallus wurde unter Einziehung seines Vermögens wegen repetundae verbannt (B.I.1.), L. Valerius Messala Volesus wurde unter Einziehung seines Vermögens auf eine Insel verbannt (B.I.6.), C. Silanus wurde auf eine Insel verbannt (B.II.9.) und P. Suillius wurde lediglich ausgewiesen (B.II.14.). 733 Zu ihm oben B.II.7. 734 Dass vor dem Senat verhandelt wurde, ist aus Tacitus’ Verweis auf ein früheres Verfahren gegen Mamercus Aemilius Scaurus zu entnehmen, das vor dem Senat stattfand, Tac. ann. 6, 29 und 6, 9 i. f. 735 Die Verbannung der älteren und der jüngeren Julia (B.I.2. u. 3.), die Verbannung Ovids (B.I.4.), die Verbannung Appuleia Varillas (B.II.3.), Aemilia Lepidas (B.II.7.) und Agrippinas (B.II.17.). 736 Der Prozess gegen M. Scribonius Libo Drusus (B.II.1.). 737 Tac. ann. 6, 29. 738 Tac. ann. 6, 9. Der Prozess wurde vertagt. s. a. Rogers, Criminal Trials (1935), S. 138 f. 739 Vgl. Meise, Untersuchungen (1969), S. 89 f.

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e) Der Prozess gegen Albucilla (37 n. Chr.)740 Albucilla741 wurde wegen crimen maiestatis742 und Ehebruchs743 vor dem Senat744 angeklagt. L. Arruntius,745 einer der Beteiligten, conscius et adulter eius, beging im Senat Selbstmord. Er kam dadurch einem Todesurteil zuvor.746 Albucillas Selbstmordversuch misslang vorerst, doch starb sie später an der selbst zugefügten Wunde.747 Auch für sie dürfte ein Todesurteil vorgesehen gewesen sein.748 Die an den Ausschweifungen sonst noch Beteiligten, stuprorum ministri,749 erhielten unterschiedliche Strafen. Der ehemalige Prätor Carsidius Sacerdos750 wurde auf eine Insel verbannt, Pontius Fregellanus751 und Laelius Balbus752 dagegen lediglich aus dem Senat ausgestoßen.753 740 Tac. ann. 6, 47 f., Dio 58, 27, 4. Dazu Rogers, Criminal Trials (1935), S. 162 – 165, Forsyth, A treason case of A.D. 37 (1969), S. 204 – 207, Zäch, Majestätsprozesse (1971), S. 19 – 22. 741 Sie war mit Satirius Secundus, der Sejan angezeigt hatte, verheiratet. Weiter ist zu ihr nichts bekannt, vgl. v. Rohden, Art. Albucilla, RE I 2, 1893, Sp. 1330 und Stein, Art. Albucilla (487), PIR I, 1933, S. 82. 742 Tacitus schreibt impietas in principem, was wohl als crimen maiestatis zu verstehen ist, Tac. ann. 6, 47. So auch Bauman, Impietas in Principem (1974), S. 130 – 134 u. 175 f. und ders., Crime and Punishment (1996), S. 53. 743 Auch Ehebruch muss Gegenstand der Anklage gewesen sein. Tacitus nennt Albucilla multorum amoribus famosa und die Mitangeklagten conscii et adulteri eius (ann. 6, 47) bzw. stuprorum eius ministri (ann. 6, 48). 744 Ergibt sich aus Tac. ann. 6, 48 i. f.: iussu senatus. 745 Er war 6 n. Chr. Konsul, zählte bereits unter Augustus zu den angesehensten Männern im Senat und dieser soll ihn für die Nachfolge als princeps für würdig erklärt haben. Das Verhältnis zu Tiberius war von Beginn an vom Misstrauen des Kaisers geprägt. s. zu ihm Goetz, Art. Arruntius (8), RE II 2, 1895, Sp. 1262 f., Rogers, Lucius Arruntius (1931), S. 31 – 45 und Groag, Art. Arruntius (1130), PIR I, 1933, S. 221 – 223. 746 So dürfte documento sequentia erunt bene Arruntium morte usum zu verstehen sein, Tac. ann. 6, 48 i. f. (was folgte, zeigte, dass Arruntius gut daran getan hatte, zu sterben). 747 Dio 58, 27, 4. 748 Tac. ann. 6, 48 i. f.: vulnerata iussu senatus in carcerem fertur (sie wurde verwundet auf Befehl des Senats in den Kerker gebracht). Damit ist keine Freiheitsstrafe, sondern Vollstreckungshaft gemeint, die üblicherweise der Hinrichtung vorausging. Haftstrafen gab es damals noch nicht, s. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 48 f., 299, 961 ff. und oben Fn. 53 im Abschnitt A.III. 749 Tac. ann. 6, 48. Tacitus gebraucht den Ausdruck stuprum hier im weiteren und nicht im juristisch engeren Sinne des Geschlechtsverkehrs mit der nicht verheirateten Frau. Albucilla war verheiratet und insofern sind die Beteiligten adulteriorum ministri. s. zum juristischen Gebrauch der Begriffe Mommsen, Strafrecht (1899), S. 694. 750 Er war 23 n. Chr. wegen Unterstützung des aufständischen Staatsfeindes Tacfarinas nach der lex Iulia maiestatis angeklagt und wurde freigesprochen. 27 n. Chr. war er Stadtprätor. Zu ihm Groag, Art. Carsidius, RE III 2, 1899, Sp. 1615 und ders., Art. Carsidius (451), PIR II, 1936, S. 106. 751 Zu ihm ist weiter nichts bekannt, vgl. Hanslik, Art. Pontius (31), RE XXII 1, 1953, Sp. 38 und Vidman, Art. Pontius (800), PIR VI, 1998, S. 342 f.

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Das Verfahren zeigt eindrücklich den Gegensatz zwischen Quästionenverfahren und den Möglichkeiten, die die außerordentliche Senatsjustiz bot. Gegen Albucilla und L. Arruntius konnte wegen zweier Straftaten gleichzeitig, crimen maiestatis und Ehebruch, verhandelt und eine Gesamtstrafe gebildet werden. Außerdem konnten in ein und demselben Prozess mehrere Angeklagte verurteilt werden. Schließlich ermöglichte die Verhandlung vor dem Senat, die Strafen nach dem Umfang der Beteiligung abzustufen. Die beabsichtigten Todesurteile für Albucilla und L. Arruntius bedeuteten gegenüber den poenae legum der lex Iulia de adulteriis bzw. der lex Iulia maiestatis, die beide, wie gesagt, lediglich Ausweisung vorsahen, eine erhebliche Verschärfung, was der Neigung des Senats zu dieser Zeit entspricht. Für das crimen maiestatis jedenfalls war das mittlerweile die übliche Strafe. Bemerkenswert sind die Strafen der an den Ausschweifungen lediglich Beteiligten. Sie wurden milder bestraft als Albucilla und Arruntius. Ehebruch wurde seit den Juliaprozessen gewöhnlich mit Verbannung auf eine Insel geahndet, welche Strafe hier auch Carsidius Sacerdos traf. Bloße Ehrenstrafen, wie sie für Pontius Fregellanus und Laelius Balbus ausgesprochen wurden, begegnen dagegen als Strafen für Ehebruch in diesem Verfahren zum ersten Mal. Sie sind erheblich milder als die gesetzliche Strafe der lex Iulia de adulteriis, zumal milder als die mittlerweile eingespielte Strafpraxis des Senats. Die Gründe für die abgestufte Bestrafung der stuprorum ministri teilt uns Tacitus nicht mit, doch kann man darüber Vermutungen anstellen. Alle drei waren männlichen Geschlechts und Mitglieder des Senats, so dass eine Differenzierung nach Stand oder Geschlecht ausscheidet. Nahe liegt aber eine Abstufung der Strafen nach dem Umfang der Beteiligung, was bereits im Prozess gegen Piso vorgekommen war und sich in der gesamten kaiserzeitlichen Praxis fortsetzt.754 Fregellanus und Balbus scheinen in geringerem Umfang als Carsidius Sacerdos beteiligt gewesen zu sein, lediglich als Gehilfen. Sie erhielten daher bloße Ehrenstrafen.755 Im Quästionenverfahren hätte keine Alternative zur gesetzlich angeordneten Ausweisung bestanden, auch wenn diese Strafe im Vergleich zum Grad der Beteiligung von den Geschworenen als zu hart empfunden worden wäre. Die Senatoren hingegen konnten diesen Aspekten bei der Strafzumessung nach ihrem Ermessen Rechnung tragen. 752 Er war ein bedeutender Redner von stolzem Charakter, der sowohl Verteidigungen als auch Anklagen übernahm, zu ihm Miltner, Art. Laelius (16), RE XII 1, 1924, Sp. 415 f., Forsyth, A treason case of A.D. 37 (1969), S. 204 – 207, Bauman, Impietas in principem (1974), S. 131 – 134, Rutledge, Imperial Inquisitions (2001), S. 242 f. 753 Amitteret ordinem senatorium, Tac. ann. 6, 48 i. f. 754 s. o. B.II.6. 755 Dies, obwohl Balbus verhasst war und sich dieser Hass in einem harten Urteil hätte entladen können, vgl. Tac. ann. 6, 48 i. f.: id quidem a laetantibus, quia Balbus truci eloquentia habebatur, promptus adversum insontis (dies erweckte Freude, weil Balbus eine freche Zunge hatte und ohne Weiteres gegen Unschuldige vorging).

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f) Der Prozess gegen die Mutter des Sextus Papinius (37 n. Chr.)756 Die Mutter des Sextus Papinius757 wurde vor dem Senat angeklagt, weil sie die Erziehung ihres Sohnes vernachlässigt und ihn zu einem ausschweifenden Lebenswandel verleitet habe, so dass er sich eines Tages zu Tode stürzte. Wichtige Informationen fehlen uns. Insbesondere ist nicht gesagt, welchen Vergehens sie angeklagt wurde. War Anklagepunkt ein bis dahin nicht überliefertes, außerordentliches Vergehen der Vernachlässigung der eigenen Kinder?758 Oder machte man sie für den Tod des Sohnes verantwortlich und subsumierte ihr Handeln unter die lex Cornelia de sicariis? Wie dem auch sei, wegen der außergewöhnlichen Strafe lohnt jedenfalls ein Blick auf den Prozess. Die Angeklagte wurde für zehn Jahre aus Rom verwiesen: urbe in decem annos prohibita est.759 Erstmals verhängt der Senat Verbannung auf Zeit.760 Tacitus nennt den Grund für die zeitliche Begrenzung: donec minor filius lubricum iuventae exiret.761 Sie hatte also noch einen jüngeren Sohn, den man vor ihrem negativen Einfluss schützen wollte. Verurteilt wurde sie zwar wegen des von ihr verursachten Todes des Sextus Papinius. Doch kam es den Senatoren weniger auf Sühne als auf Verhinderung neuen Unheils an. Erstmals war der Präventionsgedanke aufgetaucht, als die gesetzliche Verbannungsstrafe, die bloße Ausweisung, durch Festsetzung an einem bestimmten Ort ergänzt wurde, was fortan das Bild der Verbannung bestimmte: zuerst bei den Juliaprozessen762 die Verbannung auf Inseln, dann bei Ovid763 die Festsetzung an einem bestimmten Ort auf dem Festland. Hier nun kommt die zeitige Verbannung hinzu, die später eine Variante der relegatio werden wird.764

756 Tac. ann. 6, 49. Dazu Mommsen, Staatsrecht II (1887), S. 121 Fn. 1., Rogers, Criminal Trials (1935), S. 164 f. 757 Zu ihm Helm, Art. Papinius (4), RE XVIII 3, 1949, Sp. 980 f. und Petersen, Art. Papinius (101), PIR VI, 1998, S. 28. 758 So Mommsen, Staatsrecht II (1887), S. 121 Fn. 1. 759 Tac. ann. 6, 49 i. f. Die Formulierung klingt eher nach einer administrativen Maßnahme, so Helm, Art. Papinius (4), RE, art. cit., Sp. 980. Es handelt sich jedoch um den Inhalt eines Strafurteils, denn sie war accusata in senatu. 760 Bereits im Prozess gegen Piso, oben B.II.6. (20 n. Chr.), wurde im Senat erwogen, einen der Söhne Pisos mit zehnjähriger Verbannung zu bestrafen, worauf man dann allerdings verzichtete. 761 Bis ihr jüngerer Sohn der Gefährdung der Jugendjahre entwachsen sei. 762 Oben B.I.2. 763 Oben B.I.4. 764 Vgl. die Ausführungen zur relegatio im obigen Abschnitt über die Verbannungsstrafe, A.III.2.a).

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21. Zusammenfassung Mit dem Prinzipat des Tiberius beginnt die für unsere Untersuchung reiche taciteische Überlieferung, was die Fülle der überlieferten Prozesse765 gegenüber der verhältnismäßig geringen Zahl in augusteischer Zeit erklärt. Über ,Alltagsprozesse‘ dagegen schweigen die Quellen auch für die Regierungszeit von Tiberius. Die überlieferten Prozesse sind Strafverfahren gegen Angehörige der Oberschicht, meist mit politischem Hintergrund, was aber nicht ausschließt, dass sie für das gesamte Strafrecht prägend wurden. Für Tiberius sind die Berichte nicht nur zahlreicher, sondern sie informieren über das Prozessgeschehen oft auch ausführlicher. Einige Prozesse zeigen, dass das Verfahren vor dem Senat der Strafzumessung viel Raum bot, dass die Senatoren auch tatsächlich über mehrere in Betracht kommende Strafen verhandelten und schließlich nach ihrem Ermessen eine Strafe festsetzten.766 Todesurteile, mit denen Augustus aus politischen Gründen zurückhaltend verfuhr, bestimmen nun das Bild, besonders in Majestätssachen. Die poenae legum der Strafgesetze wurden meist verschärft, die gesetzlichen Strafen nur noch selten unverändert angewandt. Bei der Strafschärfung zeigte sich dennoch oft eine Orientierung an der gesetzlichen Strafe. So wurde aus der gesetzlichen Ausweisung oft lediglich Verbannung auf eine Insel, nicht schon Todesstrafe. Auch wurden nicht pauschal harte Urteile gesprochen, vielmehr wurde in einigen Verfahren die mittlerweile üblich gewordene härtere Bestrafung abgemildert.767 Fast immer ist an den Milderungen Tiberius beteiligt. Die clementia principis war fester Bestandteil seiner Propaganda.768 Ausweislich unserer Quellen stand hinter der kaiserlichen clementia in der strafrechtlichen Praxis meist nicht Menschenliebe, sondern die Umsetzung dieses politischen Programms, sofern ein Prozess dazu gute Gelegenheit zu bieten schien. Meist sagen die antiken Autoren nichts zu den Gründen, aus denen sich die Richter für diese oder jene Strafe entschieden. In einigen Verfahren waren dennoch Leitlinien des Ermessens erkennbar oder konnten doch Vermutungen darüber angestellt werden. Im ersten überlieferten Kalumnienprozess der cognitio extra ordinem orientierten sich die Senatoren mangels Präzedenzfall an der gesetzlichen Strafe. In anderen Verfahren wurde zum Teil wegen hohen bzw. geringen Alters des Täters auf besonders harte Strafen verzichtet.769 Auch wurden das Geschlecht 765 Neben den besprochenen Prozessen bietet die Überlieferung noch zahlreiche weitere Auskünfte zum römischen Strafrecht, die für unsere Untersuchung jedoch nicht verwertbar sind, weil entscheidende Informationen fehlen. s. dazu Anhang III. 766 Vgl. insbesondere die Prozesse gegen Piso (B.II.6.), gegen Antistius Vetus (B.II.8.), gegen C. Silanus (B.II.9.) und gegen Vibius Serenus (B.II.10.d)). 767 B.II.3., 7., 8., 10.d), 12. (Sosia), 17. (Nero), 20.a) und 20.e) (Pontius und Laelius). 768 Dazu oben im Abschnitt über die clementia Romana, A.II.1. 769 s. Verfahren gegen den greisen Cassius Severus (B.II.13.) bzw. gegen den jungen Germanicussohn Nero (B.II.17.). Als Tacitus darüber berichtet, dass Tiberius alle wegen Betei-

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des Täters,770 seine familiäre Situation771 und der Umfang seiner Beteiligung am Verbrechen berücksichtigt.772 Öfter spielte bei der Strafzumessung die Verhinderung künftiger Straftaten ein Rolle.773 In einem Fall entging der Täter einer härteren Strafe, weil er andere denunzierte,774 in zwei anderen Fällen wurden Täter härter bestraft, weil sie rückfällig geworden waren bzw. das gleiche Verbrechen öfter begangen hatten.775

III. Caligula: Der Kaiser übernimmt die Strafzumessung Im Vergleich zum tiberischen Prinzipat sind wir für die Zeit seines Nachfolgers Caligula (37 – 41 n. Chr.) weniger gut unterrichtet, was auch für das Strafrecht dieses Zeitraums gilt. Die Annalen des Tacitus sind für seine Regierungszeit verloren. Immerhin informieren Suetons Kaiserbiographien und Dios römische Geschichte vereinzelt über Strafprozesse. Die nachfolgenden Fälle zeigen, was den Quellen an Auskünften zur Strafzumessung entnommen werden kann.

1. Die Ehebruchsprozesse gegen Orestilla und Piso (37 n. Chr.)776 Als Livia Orestilla777 und C. Calpurnius Piso778 heiraten wollten, befahl Caligula, dass Orestilla von der Hochzeitsfeier zu ihm gebracht werde, und heiratete ligung an der sejanischen Verschwörung in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten umbringen ließ (Tac. ann. 6, 19), erwähnt er den Gesichtspunkt des Alters ebenfalls: omnis aetas. 770 Bei Aemilia Lepida (B.II.7.) und Sosia Galla (B.II.12.) wurde entgegen der bei männlichen Angeklagten eingespielten Spruchpraxis auf Todesurteile verzichtet. Auch hierzu Tac. ann. 6, 19: omnis sexus. 771 Das Vermögen Aemilia Lepidas (B.II.7.) wurde zugunsten ihrer Tochter entgegen der gesetzlichen Regelung nicht eingezogen. 772 Deutlich im Prozess gegen Piso (B.II.6.) und gegen Albucilla (B.II.20.e)). Berücksichtigung bereits im Prozess gegen Ovid, oben B.I.4. 773 Bei allen Festsetzungen (auf Inseln oder an bestimmten Orten auf dem Festland) sollte die Kontrollierbarkeit des Angeklagten gewährleistet werden. Am deutlichsten tritt der Präventionsgedanke bei der zeitigen Verbannung hervor (B.II.20.f)). 774 B.II.20.a). 775 So im Fall des Wiederholungstäters Cassius Severus, B.I.5. und II.13., und in dem Verfahren wegen Anklägervergehen, B.II.20.b). 776 Dio 59, 8, 7 f., Suet. Cal. 25, 1 f., Schol. Juvenal 5, 109. 777 Zu ihr ist weiter nichts bekannt, vgl. Fluss, Art. Livius (42), RE XIII 1, 1926, Sp. 928 und Stein, Art. Cornelia (1492), PIR II, 1936, S. 371. s. a. Barrett, Caligula (1989), S. 77. 778 Er stammte aus einer wohlhabenden, hochadligen Familie. Die Rückkehr aus der Verbannung wurde ihm von Claudius bereits 41 n. Chr. gestattet. Unter diesem Kaiser war er

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sie seinerseits. Kurz darauf interessierte er sich nicht mehr für sie, beschuldigte einige Zeit später779 sowohl Orestilla als auch Piso, den Umgang miteinander wiederaufgenommen zu haben, und verurteilte beide wegen Ehebruchs.780 Ehebruch wurde nach der lex Iulia de adulteriis mit Ausweisung aus Rom und Italien bestraft, verbunden mit dem Verlust des Bürgerrechts und einer Vermögensquote. Über den Verlust von Vermögen und Bürgerrecht berichten die antiken Autoren für diesen Ehebruchsprozess aber nichts. Ansonsten ist die Strafe jedoch überliefert: die Angeklagten wurden verbannt. Sueton schreibt relegavit,781 woraus sich nicht ergibt, ob sie an bestimmten Orten festgesetzt oder lediglich aus Rom und Italien ausgewiesen wurden.782 Für Festsetzung an einem bestimmten Ort spricht die Darstellung Dios, der den Kaiser auf die Frage Pisos, wieviele Sklaven er mitnehmen dürfe, antworten lässt, er solle so viele mitnehmen, wie er wolle, denn er werde ebenso viele Soldaten als Begleiter haben. Danach durfte Piso schwerlich Aufenthalt nehmen, wo er wollte. Auch Beschränkung der Anzahl von Sklaven scheint es nur bei der Festsetzung, nicht bei der Ausweisung gegeben zu haben.783 Er wurde also wohl an einem bestimmten Ort unter Bewachung gestellt. Ehebruch war öfter nur der offizielle Grund einer Verbannung, während die Angeklagten in Wahrheit einer Verschwörung verdächtigt wurden.784 Dass auch Piso in der Verbannung deshalb kontrolliert werden sollte, weil er gefährlich zu sein Konsul und dann Statthalter in der Provinz Dalmatien. 65 n. Chr. plante er zusammen mit anderen eine Verschwörung zum Sturz Neros, was jedoch misslang (s. u. VI.4.). Zu ihm ausführlich Groag, Art. Calpurnius (65), RE III 1, 1897, Sp. 1377 – 1379 und ders., Art. Calpurnius (284), PIR II, 1936, S. 55 f. 779 Nach Sueton erfolgte das Strafverfahren zwei Jahre nach dem ,Raub‘, nach Dio bereits zwei Monate danach. Welche Darstellung zutrifft, ist hier nicht von Belang, weswegen die Frage offen bleiben kann. Vgl. dazu Groag, Art. Calpurnius (65), RE, art. cit., Sp. 1377 f. und Stein, Art. Cornelia (1492), PIR, art. cit., S. 371. 780 Sueton schreibt die Verurteilung dem Kaiser zu, was noch nicht belegt, dass Caligula wirklich Richter war, denn Sueton ist in seinen Kaiserbiographien in der Regel auf die Person des Kaisers fokussiert. Doch auch Dio, der an anderer Stelle durchaus zwischen Verfahren vor dem Kaiser und Verfahren vor dem Senatsgericht unter dem Einfluss des princeps differenziert (s. z. B. Dio 59, 18, 2), berichtet, Caligula habe die Verbannungen ausgesprochen. Daher könnte es sich in diesem Fall tatsächlich um ein Verfahren vor dem Kaisergericht gehandelt haben. So auch Groag, Art. Calpurnius (65), RE, art. cit., Sp. 1377 und Fluss, Art. Livius (42), RE, art. cit., Sp. 928. 781 Suet. Cal. 25, 1. 782 Zwar legt der Wortsinn des Ausdrucks re-legare bloße Ausweisung nahe, doch wird der Begriff bei Sueton auch im Zusammenhang mit Festsetzungen, auch mit Festsetzungen auf Inseln, gebraucht, so dass auch Orestilla und Piso auf Inseln verbannt worden sein konnten und es Sueton lediglich bei der allgemeineren Bezeichnung bewenden ließ. Zu den Begriffen und ihrer Verwendung bei Sueton s. o. A.III.2.b)aa)(1)(i). Im Juvenalscholion heißt es zu dem Fall ebenfalls allgemein relegatus est, Schol. Iuv. 5, 109. 783 Vgl. Dio 56, 27, 2 f., wo über Augustus’ gesetzliche Regelungen zur Verbannung berichtet wird. 784 Besonders deutlich bei den Juliaprozessen, oben B.I.2. u. 3., und bei der Verbannung Agrippinas, B.II.17.

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schien, liegt nahe. Später wird er in einen Umsturzversuch gegen Nero verwickelt sein,785 wehalb man auch schon für das Jahr 37 ein politisch engagiertes, umstürzlerisches Gemüt wird annehmen dürfen. Wo er festgesetzt wurde, ist unbekannt. Nahe liegt Verbannung auf eine Insel, die in Ehebruchsprozessen mittlerweile übliche Strafe.786 Caligula hat also die gesetzliche Strafe der lex Iulia de adulteriis verschärft, jedoch nicht über das Maß hinaus, das die bisherige Praxis der außerordentlichen Strafrechtsprechung vorgab.

2. Majestätsprozesse von 38, 39 und 40 n. Chr. Aus den Jahren 38 bis 40 n. Chr. wird von mehreren Majestätsprozessen berichtet. Vorgeworfen wurde den Angeklagten meist Feindschaft gegenüber den Eltern und Brüdern des Kaisers.787 Diese Anklagen setzten sich über die anfängliche Ankündigung Caligulas hinweg, einstige Feinde seiner Familie788 nicht zu verfolgen.789 Anderen wurden angeblich geplante Aufstände und Anschläge auf den Kaiser790 oder weniger Schwerwiegendes791 vorgeworfen. Nach Dios und Suetons Darstellung handelte es sich um Verfahren vor dem Kaisergericht. Dio zeichnet dabei ein recht willkürliches Bild von der Judikatur Caligulas und bewertet die Vorwürfe als Vorwand dafür, mit dem Vermögen der Verurteilten die erschöpfte Staatskasse aufzufüllen.792 a) Neue Strafen für crimen maiestatis Die gesetzliche Strafe der lex Iulia maiestatis, bloße Ausweisung, wurde in diesen Verfahren wieder erheblich verschärft. Meist wurde entsprechend der bishes. u. B.V.4. s. o. B.I.2., 3., II.3., 17., 20.e). 787 Dio 59, 10, 4; 59, 10, 7 ff. u. 59, 11, 6. s. a. Suet. Cal. 30, 2. 788 Sejan hatte seine Anhänger gegen die Mitglieder der Germanicusfamilie aufgestachelt, was zu Verurteilung und zum Tod Agrippinas und ihrer beiden Söhne Nero und Drusus geführt hatte, dazu oben B.II.17. 789 Noch 37 n. Chr. hatte Caligula die Akten aus den Prozessen gegen Agrippina und ihre Söhne auf dem Forum öffentlich verbrennen lassen und erklärt, dass keiner, der sich an den Verfahren gegen seine Familie beteiligt hatte, Angst vor seiner Rache zu haben brauche. Die Akten habe er nicht gelesen, vgl. Suet. Cal. 15, 4 u. Dio 59, 6, 3. Als Beweis für die Feindschaft gegenüber der Germanicusfamilie wurden in den Majestätsprozessen des Jahres 38 n. Chr. die angeblich verbrannten Gerichtsprotokolle jedoch herangezogen, Dio 59, 10, 8. 790 Dio 59, 21, 4 und 59, 25, 5b. 791 Einige hatten sich abfällig über eine Veranstaltung geäußert, die der Kaiser gegeben hatte, hatten nie bei seinem Schutzgott geschworen oder einen zweideutigen Witz erzählt, vgl. Suet. Cal. 27, 3 f. 792 Dio 59, 10, 7 u. 59, 21, 4. 785 786

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rigen Strafpraxis auf Todesstrafe erkannt. Doch die Formen der Todesstrafe sind neu und härter als die hergebrachten. Manche wurden zum Kampf mit wilden Tieren oder zu Verbrennung bei lebendigem Leib verurteilt,793 andere zu Tode gegeißelt.794 Wieder andere wurden nicht zum Tode, sondern zu Zwangsarbeit in Staatsbetrieben, oft zu Bergwerksarbeit verurteilt,795 was nach nicht allzu langer Zeit meist ebenfalls den Tod bedeutete. Auch das waren neue Strafen. All diese Strafen wurden von nun an fester Bestandteil des außerordentlichen Strafrechts. In den Rechtsquellen sind sie zum Teil genau ausdifferenzierte Strafkategorien. Zwangsarbeit in Staatsbetrieben796 wird dort als Strafe für die verschiedensten Verbrechen angegeben.797 Auf sie kann lebenslänglich oder zeitig erkannt werden.798 Wird sie lebenslänglich ausgesprochen, verliert der Verurteilte sein Bürgerrecht, anderenfalls behält er es.799 Die Bergwerksstrafe, opus metalli, wird von den Juristen als schwerste Strafe gleich nach der Todesstrafe angesehen.800 Sie wird nur lebenslänglich, nicht befristet ausgesprochen.801 Caligula ordnete sie in den oben genannten Fällen für Standespersonen an.802 Davon kam die spätere Praxis aber wieder ab; in den Rechtsquellen begegnet sie nur noch als Strafe für Unfreie und Angehörige der unteren Stände.803 Auch Frauen unterlagen dieser Strafe.804 Bei der Zwangsarbeit, opus publicum, wurde zwischen lebenslänglicher und zeitiger unterschieden. Bei ersterer ging das Bürgerrecht verloren, bei letzterer blieb es dagegen erhalten. Das wurde in den Juristenschriften ausdrücklich gesagt. Für die Bergwerksstrafe ergibt sich der Bürgerrechtsverlust bereits daraus, dass sie als solche lebenslänglich ist, weshalb der Bürgerrechtsverlust hier von den Juristen nicht eigens erwähnt werden musste.805 Suet. Cal. 27, 3 f.: ad bestias condemnavit . . . igni cremavit. Dio 59, 25, 5b, Sen. de ira 3, 18, 3. 795 Suet. Cal. 27, 3 f.: ad metalla et munitiones viarum . . . condemnavit. 796 Vgl. dazu Mommsen, Strafrecht (1899), S. 952 f., Brasiello, La repressione penale (1937), S. 386 ff., Garnsey, Why Penalties become harsher (1968), S. 149 – 151, ders., Social Status and Legal Privilege (1970), S. 131 – 136 und Millar, Condemnation to Hard Labour (1984), S. 124 – 147. 797 Vgl. D. 47, 9, 4, 1; 48, 19, 8, 7; 48, 19, 10 pr.; 48, 19, 28, 1; 48, 19, 34 pr.; 49, 16, 3, 1; 49, 18, 3, PS 2, 19, 9; 3, 4A, 9; 5, 3, 5; 5, 4, 8; 5, 17, 2; 5, 18, 1; 5, 30, 1, C. 9, 47, 5. 798 D. 47, 9, 4, 1; 47, 21, 2; 48, 19, 8, 7, Coll. 11, 7, 1. 799 Marcian 1 inst. D. 48, 19, 17, 1, PS 3, 4A, 9. 800 Callistrat 6 de cognit. D. 48, 19, 28 pr. s. a. PS 5, 17, 2. 801 Vgl. ein Reskript Hadrians bei Callistrat 6 de cognit. D. 48, 19, 28, 6: in opus metalli ad tempus damnari nemo debet (zu Bergwerk kann niemand nur auf Zeit verurteilt werden). 802 Suet. Cal. 27, 3: multos honesti ordinis. 803 Vgl. D. 47, 20, 3, 2; 48, 19, 9, 11 f.; 48, 19, 38, 3; 48, 19, 38, 5; 48, 19, 38, 7; 48, 19, 38, 9; 50, 13, 5, 3, C. Th. 7, 18, 1. 804 Vgl. D. 48, 19, 8, 8; 48, 19, 28, 6; 49, 15, 6, C. 9, 47, 9. 805 Einzig bei Callistrat 9 de off. proc. D. 48, 19, 8, 8 ist der mit der Bergwerksstrafe verbundene Bürgerrechtsverlust angedeutet. 793 794

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Die Hinrichtung durch Kampf mit wilden Tieren806 gehörte ursprünglich dem Kriegsrecht an und kam in republikanischer Zeit nur auf Befehl des Feldherrn gegen Kriegsgefangene vor.807 Nun werden erstmals Angeklagte von einem Strafgericht zum Kampf mit wilden Tieren verurteilt. Fortan durchzieht diese Strafe das außerordentliche Strafrecht der Kaiserzeit.808 In den Juristenschriften begegnet sie vielerorts.809 Der Feuertod war bereits in den Zwölf Tafeln vorgesehen: für Brandstifter.810 Dem liegt offenbar der Talionsgedanke zugrunde. Aus republikanischer Zeit ist allerdings kein Fall überliefert, in dem ein Straftäter zum Feuertod verurteilt wurde.811 Dennoch zeigt die Zwölftafelvorschrift, dass die Strafe alt ist. Caligula löste den Feuertod von der Brandstiftung und verhängte ihn bei anderen Straftaten, wo er auch fortan begegnet.812 Bei den spät- und nachklassischen Juristen ist er als Strafe für die unterschiedlichsten Verbrechen vorgesehen.813 Ähnliches gilt für die Geißelung.814 Sie erscheint seit ältester Zeit als Begleitstrafe der Hinrichtung durch Kreuzigung oder Enthauptung.815 Doch begegnet sie für bestimmte Verbrechen auch als Primärstrafe, zum einen in Form der bloßen Züchtigung, aber auch als Hinrichtungsart, letzteres als Hinrichtung more maiorum.816 Wer beispielsweise Geschlechtsverkehr mit einer Vestalin hatte, wurde zu 806 Vgl. dazu Garnsey, Social Status and Legal Privilege (1970), S. 129 – 131, Ville, La gladiature (1981), S. 232 ff., Wiedemann, Emperors and Gladiators (1992), S. 68 ff., Auguet, Cruelty and Civilization (1994), S. 62 – 68 u. 93 – 96, Kyle, Spectacles of Death (1998), S. 91 ff. 807 Vgl. Val. Max. 2, 7, 13, Liv. ep. 51, Diodor 36, 10. 808 Vgl. Martial de spect. 7, Suet. Claud. 14, Quint. decl. mai. 4, 21. Für die Provinz vgl. Plin. ep. 10, 31. 809 Marcian 14 inst. D. 48, 8, 3, 5, Callistrat 6 de cogn. D. 48, 19, 28, 15, Modestin 1 de poen. D. 48, 19, 31, Marcian 2 regularum D. 49, 18, 3, PS 5, 23, 1 (= Coll. 1, 2, 2 = Coll. 8, 4, 1); 5, 23, 15; 5, 23, 16; 5, 23, 17; 5, 24; 5, 29, 1. 810 XII Tafeln 8, 10 = Gaius 4 ad leg. XII Tab. D. 47, 9, 9. Dazu Gagé, Vivicomburium (1964), S. 541 – 573. 811 Die neun tribuni combusti (Val. Max. 6, 3, 2, Dio Zonaras 7, 17) aus der zweiten Hälfte des fünften Jh. v. Chr. gehören nicht ins Kriminalstrafrecht. Dass ihnen ein Strafvorwurf gemacht wurde und nun eine Strafe vollstreckt wird, ist nicht erwähnt. Cantarella, Supplizi Capitali (1991), S. 225 ff., erwägt gar, dass es sich dabei lediglich um ein Ordal handelte, etwa in Form der Verbrennung der rechten Hand. 812 Vgl. zum Tod durch Verbrennen die Christenprozesse unter Nero, unten B.V.3.h). 813 Ulp. 9 de off. procons. D. 48, 19, 8, 2, Callistrat 6 de cogn. D. 48, 19, 28, 11 f., Paul. 5 sentent. D. 48, 19, 38, 1, PS 5, 23, 17; 5, 29, 1, Coll. 5, 3. s. a. C. Th. 7, 1, 1; 9, 7, 6, C. 12, 35, 9. 814 Zu ihr Mommsen, Strafrecht (1899), S. 42, 920 u. 984 f., Brasiello, La repressione penale (1937), S. 388 – 397, Cantarella, Supplizi Capitali (1991), S. 204 – 222. 815 Cic. de re publ. 2, 54; 2, 62, Val. Max. 4, 1, 1, Liv. ab urbe 10, 9, 4 u. 5, Dionys. 5, 19. Vgl. dazu Mommsen, Strafrecht (1899), S. 42, Levy, Die Römische Kapitalstrafe (1930 / 31), S. 10, Strachan-Davidson, Problems I (1912), S. 110, Brasiello, La repressione penale (1937), S. 388 f. 816 s. dazu oben B.II.2. mit Fn. 324.

III. Caligula

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Tode gegeißelt.817 Caligula übernahm die Geißelung ins allgemeine Strafrecht und wandte sie auf den Majestätsverbrecher an. Anders als der Feuertod scheint sie sich als eigene Form der Todesstrafe jedoch nicht durchgesetzt zu haben.818 Als eigenständige Körperstrafe begegnet sie allerdings vielfach, wenn auch nur für Sklaven und Freie niederen Standes.819 b) Hintergründe Dio und Sueton ordnen die Majestätsprozesse zu anderen Grausamkeiten Caligulas. Die Verschärfung der poena legis zu unmenschlich harten Strafen schreiben sie seinem sadistischen Wesen zu, was möglicherweise zu kurz greift. Caligula war durch den Umstand an die Macht gekommen, dass andere, vorrangige Thronfolger820 weggefallen waren. Er war gewissermaßen eine Notlösung, was auch alle wussten.821 Seine Akzeptanz als Kaiser war unter den Angehörigen der Oberschicht und auch innerhalb der eigenen Familie bald gering. Von beiden Seiten gab es Bestrebungen, ihn zu stürzen.822 Er reagierte mit harten Strafen, die andere von Verschwörungen abschrecken sollten. Die Sicherung der eigenen, besonders gefährdeten Macht scheint der Grund für die Verschärfung der Strafen in bislang unbekannter Weise gewesen zu sein. Die Ansicht, mit harten Strafen sei der utilitas publica am besten gedient, war weder früheren noch späteren Zeiten fremd.823 Doch zeigt nicht zuletzt Caligulas alsbaldige Ermordung nach etwas mehr als drei Jahren auf dem Thron, dass seine Strategie nicht aufging. Augustus hatte, wie zuweilen auch Tiberius und spätere Kaiser, durch die Verbindung von clementia und utilitas publica bei der Strafzumessung mehr Erfolg. 817 Vgl. Dio Zonaras 7, 8, 7, Dionys. 8, 89 u. 9, 40, Liv. ab urbe 22, 57, 3, Festus 241: probrum virginis Vestalis ut capite puniretur, vir, qui eam incestavisset, verberibus necaretur (die Unzucht der Vestalischen Jungfrau wird kapital bestraft, der Mann, der den Inzest an ihr begangen hat, wird zu Tode gegeißelt). Zu den Vestalinenprozessen unter Domitian vgl. Suet. Dom. 8, 4 und unten B.VII.2. Zu weiteren Fällen Cantarella, Supplizi Capitali (1991), S. 204 ff. und 213 ff. Mommsen will nur die erste Erscheinungsform der Geißelung anerkennen, Strafrecht (1899), S. 42 u. 984. Mit den Fällen, in denen sie als Primärstrafe zur Anwendung kam, setzt er sich in diesem Zusammenhang nicht hinreichend auseinander. 818 Das spätklassische Recht kannte sie als Todesstrafe nicht mehr, vgl. Ulp. 9 de off. proc. D. 48, 19, 8, 3: Nec ea quidem poena damnari quem oportet, ut verberibus necetur vel virgis interematur (niemand darf dazu verurteilt werden, durch Prügel oder Ruten zu Tode geschlagen zu werden). Gegenüber Sklaven kam diese Form der Todesstrafe in der späten Kaiserzeit dennoch zur Anwendung, vgl. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 985 Fn. 4 m. w. N. 819 Vgl. D. 47, 10, 9, 3; 47, 10, 45; 47, 21, 2; 48, 19, 10 pr.; 48, 19, 28, 4. 820 19 n. Chr. war Germanicus, der Adoptivsohn des Tiberius, gestorben, 23 n. Chr. dann sowohl Drusus, der Sohn des Tiberius, als auch dessen Sohn Germanicus. 821 Vgl. Tac. ann. 6, 46, Suet. Cal. 11, Dio 58, 12, 2 f. Der leibliche Enkel des Kaisers, Tiberius Gemellus, war für die Regierungsübernahme noch zu jung. 822 Das zeigen die soeben besprochenen Majestätsprozesse, an denen allesamt Mitglieder der Oberschicht beteiligt waren. Ferner die Prozesse gegen seine Schwestern, wodurch Caligula einer geplanten Verschwörung zuvorkam, s. u. B.III.5. 823 Näher dazu oben A.II.2.

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B. Die einzelnen Prozesse bis Trajan

3. Der Prozess gegen Avillius Flaccus (38 n. Chr.)824 Avillius Flaccus825 gehörte zu den angesehensten Freunden des Kaisers Tiberius. 32 n. Chr. wurde er Statthalter der Provinz Ägypten, die er bis 38 n. Chr. verwaltete. Das Verhältnis zu Caligula war von Beginn an gespannt. Im Herbst 38 ließ ihn Caligula überraschend in Ägypten verhaften und nach Rom bringen.826 Dort wurde er von zwei Feinden aus Alexandria, einem gewissen Isidorus und einem Lampon, angeklagt.827 Der Prozess ist durch eine Schrift des hellenistisch-jüdischen Philosophen Philo828 überliefert,829 in der er von der tyrannischen Verwaltung des Flaccus in Ägypten, dessen Grausamkeiten gegenüber Juden und seiner schließlichen Verhaftung und Verurteilung berichtet.830 Weswegen Flaccus angeklagt wurde, sagt Philo nicht ausdrücklich. Deshalb wird die Frage meist offen gelassen.831 Meise meint, es habe sich um einen Hochverratsprozess gehandelt, also um eine Anklage wegen crimen maiestatis.832 Dagegen spricht zum einen die Strafe. Flaccus wurde lediglich verbannt, während in Majestätsprozessen mittlerweile Todesstrafe üblich war.833 Zum anderen hätte es für Philo nahe gelegen, das crimen maiestatis, wäre er deswegen angeklagt worden, auch zu benennen. Majestätsverbrechen und Majestätsprozess waren ihm geläufig. Die Darstellung des Prozesses gegen Flaccus834 beginnt er mit dem Bericht, einer der Ankläger, Lampon, habe in Ägypten wegen crimen maiestatis835 vor Gericht Dazu Barrett, Caligula (1989), S. 90 u. 185 – 187, Brunt, Charges (1961), S. 209. s. zu ihm v. Rohden, Art. Avillius (3), RE II 2, 1896, Sp. 2392, Stein, Art. Avillius (1414), PIR I, 1933, S. 290 f., Brunt, Charges (1961), S. 208 f., Marshall, Women on trial (1990), S. 345, Rutledge, Imperial Inquisitions (2001), S. 201 f. 826 Philo in Flaccum 109. 827 Philo in Flaccum 126 ff. 828 Er war Mitglied der Gesandtschaft der Alexandriner zu Caligula nach Rom im Jahre 39 n. Chr. und lebte etwa von 20 v. Chr. bis 45 n. Chr., s. zu ihm ausführlich Leisegang, Art. Philon (41), RE XX 1, 1941, Sp. 1 – 50 und Heil, Art. Philo (370), PIRVI, 1998, S. 143 – 146. 829 Bes. 125 ff. u. 146 ff. 830 1 – 6 beschreibt er zunächst die guten Jahre bzw. Taten des Flaccus, 7 – 104 dann sein Fehlverhalten gegenüber Juden, 108 – 124 seine Festnahme und die freudige Reaktion der jüdischen Bevölkerung, 125 – 151 den Prozess, 152 – 161 seine Reise ins Exil, 162 – 179 sein Leben auf der Insel und schließlich 180 – 191 wie Caligula darüber nachdenkt, dass das Verbannungsurteil womöglich zu mild war, und Flaccus umbringen lässt. 831 Colson, introduction (1941), S. 300 meint, das angeklagte Verbrechen sei unbekannt. Gelzer, Art. Iulius (133), RE X 1, 1918, Sp. 381 – 423, Sp. 394 und v. Rohden, Art. Avillius (3), RE, art. cit., Sp. 2392 gehen überhaupt nicht auf die Frage ein. 832 Untersuchungen (1969), S. 110. 833 s. o. B.II.6., 8., 12. (Aelius und Silius), 16., 19., 20.e. und die nicht eigens besprochenen Majestätsprozesse unter Tiberius (s. dort Fnn. 671 u. 672) und soeben B.III.2. 834 125 ff. 835 128 i. f.: 6óÝâåéá, worunter impietas in principem zu verstehen ist, was in der Kaiserzeit unter das Majesta¨tsgesetz subsumiert wurde, vgl. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 539 f. 824 825

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gestanden.836 Umso mehr hätte es sich angeboten, den Vorwurf des crimen maiestatis beim Namen zu nennen, wäre Flaccus deswegen nun selbst angeklagt worden. Es scheint sich also nicht um einen Majestätsprozess gehandelt zu haben. Auch aus anderen Gründen ist ein anderes Verbrechen wahrscheinlicher. Bevor Philo mit der Schilderung des Prozesses gegen Flaccus beginnt, berichtet er, dass einige Statthalter unter Tiberius und Augustus durch ihre Bestechlichkeit, ihre Räubereien und ungerechte Gerichtsurteile ihre Provinzen schwer schädigten und darüber nach ihrer Rückkehr nach Rom besonders dann Rechenschaft ablegen mussten, wenn die ungerecht behandelten Städte Gesandte geschickt hatten, wobei der Kaiser beide Seiten, Anklage und Verteidigung, unparteiisch angehört habe.837 Dabei handelt es sich um Strafprozesse wegen crimina repetundarum.838 In diesen Zusammenhang ordnet er das Strafverfahren gegen Flaccus ein und wirft ihm an anderer Stelle ähnliche Verhaltensweisen gegenüber Juden in Ägypten vor.839 Zudem wurde Flaccus von Provinzialen angeklagt und lediglich verbannt. Das ist die poena legis des Repetundengesetzes, die von der außerordentlichen Rechtsprechung bislang in der Regel eingehalten wurde.840 Er wird also nach der lex Iulia repetundarum verurteilt worden sein, und zwar vom Kaisergericht.841 Über seine Bestrafung unterrichtet uns Philo ausführlich. Er wurde auf die Insel Andros842 im ägäischen Meer verbannt,843 sein Vermögen konfisziert844 und er verlor sein Bürgerrecht.845 Caligula hatte zunächst die kaum bewohnbare, unwirtPhilo in Flaccum 128 ff. Philo in Flaccum 105 ff. 838 Zur Eigentumsaneignung, Erpressung und Bestechung als Ausprägungen des crimen repetundarum s. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 716 ff. 839 Philo in Flaccum 55 – 57, 77 u. 171. 840 Überliefert sind aus der Zeit davor mehrere Verfahren wegen crimina repetundarum. Im Wesentlichen hielten sich die Richter an die gesetzliche Strafe und verschärften sie allenfalls zu Verbannung auf eine Insel. 26 v. Chr. wurde Cornelius Gallus verbannt und sein Vermögen wurde eingezogen. Ob er lediglich ausgewiesen oder an einem bestimmten Ort festgesetzt wurde, ist nicht bekannt, s. o. B.I.1. L. Valerius Messala wurde 13 n. Chr. auf eine Insel verbannt und sein Vermögen eingezogen, s. o. B.I.6. C. Silanus wurde 22 n. Chr. ebenso auf eine Insel verbannt, s. o. B.II.9. P. Suillius wurde 24 n. Chr. lediglich ausgewiesen, s. o. B.II.14. Einzig für Pomponius Labeo war 34 n. Chr. wohl ein Todesurteil vorgesehen, s. o. B.II.20.d). 841 Das folgt aus zwei Stellen des Prozessberichts deutlich, vgl. Philo in Flaccum 107 u. 181. Gelzer, Art. Iulius (133), RE, art. cit., Sp. 394, nimmt es ohne Begründung an. 842 Sie ist die nördlichste und zweitgrößte Kykladeninsel, bereits in der Mitte des 7. Jh. v. Chr. dicht besiedelt und der fruchtbare Osten seit den Anfängen der Besiedelung landwirtschaftlich genutzt. s. zu ihr ausführlich Hirschfeld, Art. Andros, RE I 2, 1894, Sp. 2169 – 2171 und Kaletsch, Art. Andros, Lauffer, Griechenland (1989), S. 154 – 156. 843 Philo in Flaccum 151. 844 Philo in Flaccum 148 – 151. 845 Nur so kann Philo in Flaccum 172 i. f. zu verstehen sein, wo Flaccus klagt, er habe seine Rechte verloren. 836 837

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liche und wasserarme Insel Gyarus846 vorgeschlagen. M. Aemilius Lepidus, ein enger Freund des Kaisers, den er sogar zu seinem Nachfolger machen wollte,847 konnte ihn allerdings umstimmen und dazu bewegen, Flaccus auf die benachbarte Insel Andros zu verbannen, die angenehmere Lebensumstände bot. Gesetzliche Strafe der lex Iulia repetundarum war Verbannung in Form der bloßen Ausweisung aus Rom und Italien, verbunden mit dem Verlust des Bürgerrechts und des halben Vermögens.848 Die bloße Ausweisung wurde im Laufe der Zeit oft zu Verbannung auf eine Insel verschärft und statt des halben wurde jetzt das ganze Vermögen eingezogen. Daran orientierte sich der Kaiser auch in diesem Fall. Die Verschärfungen waren aber maßvoll. Trotz der Feindschaft zwischen Flaccus und Caligula verzichtete der Kaiser auf ein Todesurteil, obgleich er häufig, meist in Majestätssachen, auf den Tod erkannt und auch bislang unbekannt harte Todesstrafen verhängt hatte.849 Er ließ sich zudem von Lepidus zur Auswahl einer Insel bewegen, die angenehmere Lebensumstände bot als das ursprünglich vorgesehene Gyarus. Was Lepidus zu seinen Milderungsbemühungen bewog und den Kaiser dazu veranlasste, trotz seiner Feindschaft mit Flaccus darauf einzugehen, ist nicht überliefert. Doch zeigt der Fall, dass Caligula nicht stets unerbittlich harte Urteile sprach, sondern bei der Strafzumessung Maß halten und sich durchaus an der gesetzlichen Strafe und der bisherigen außerordentlichen Strafpraxis orientieren konnte.850 In den besprochenen Majestätsverfahren der Jahre 38, 39 und 40 n. Chr. schienen dem Kaiser unmenschlich harte Urteile notwendig zu sein, um andere abzuschrecken und die kaiserliche Macht zu sichern. Was Flaccus getan hatte, berührte die kaiserliche Macht aber nicht unmittelbar. Bei ihm genügte es, ihn von Ägypten fernzuhalten und in einiger Entfernung festzusetzen, wo er keinen weiteren Schaden anrichten konnte. Angesichts des bereits vor dem Prozess schlechten Verhältnisses zwischen Caligula und Flaccus mag der Kaiser auch Verschwörungsängste gehegt haben. Die Festsetzung auf der Insel Andros könnte einem Kontrollbedürfnis entsprungen sein.

846 Eine felsige, öde und wasserarme Kykladeninsel. Die Küste ist steil und hafenlos. Die Besiedelung war dünn und ärmlich. Die Insel war in der Kaiserzeit gefürchteter Verbannungsort, s. Juvenal 1, 73, Tac. ann. 4, 30, Plut. exil. 8. s. ausführlich Bürchner und Philippson, Art. Gyaros, RE VII 2, 1912, Sp. 1950 f. Zu ihr bereits oben B.II.9. 847 Zu ihm näher sogleich, B.III.5. 848 s. o. B.I.1.a). 849 s. die Strafschärfungen in den soeben besprochenen Majestätsverfahren, oben B.III.2., und das Todesurteil gegen Lepidus, unten B.III.5. 850 In der bisherigen außerordentlichen Strafpraxis überwiegen in Repetundenverfahren Verbannungen auf Inseln, s. o. Fn. 840.

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4. Die Verbannung des Redners Carrinas Secundus (39 n. Chr.)851 Im darauffolgenden Jahr wurde der Redner Carrinas Secundus852 vom Kaiser853 verurteilt, weil er als Schulübung eine Rede gegen die Tyrannis gehalten hatte, was ihm als Majestätsverbrechen ausgelegt wurde. Er wurde verbannt. Ob er lediglich ausgewiesen oder an einem bestimmten Ort, etwa auf einer Insel festgesetzt wurde, lässt sich der Wortwahl Dios nicht entnehmen.854 Die Nachricht, er habe sich später in Athen das Leben genommen, weil ihn seine rednerische Tätigkeit vor äußerster Armut nicht schützte,855 spricht eher für bloße Ausweisung. Athen war kein Verbannungsort, weshalb sich Secundus den Ort freiwillig als Exil ausgewählt haben wird. Es überrascht nicht, dass ihn als Redner diese Stadt anzog. Bemerkenswert ist, ob er nun festgesetzt oder ausgewiesen wurde, die vom Kaiser ausgesprochene Strafe. Im Falle der bloßen Ausweisung wäre das die gesetzliche Strafe der lex Iulia maiestatis, im Falle der Festsetzung hätte Caligula sich im Wesentlichen an ihr orientiert und sie nur leicht verschärft. Die Praxis in Majestätsprozessen war dagegen mittlerweile viel schärfer, tatsächlich wurde das crimen maiestatis mit dem Tode bestraft. Caligula milderte diese Praxis im Verfahren gegen Carrinas Secundus also erheblich ab. Seine Motive dafür bleiben dunkel. Doch erinnert der Fall an andere Urteile gegen Gebildete. Der Redner Cassius Severus wurde zweimal wegen crimen maiestatis verurteilt und erlitt jedesmal eine verhältnismäßig milde Strafe,856 ebenso der hochgebildete Senator Iunius Gallio.857 Der nach Tomi verbannte Dichter Ovid beklagt zwar lang und breit seine schwere Strafe. Tatsächlich hätte er selbst aber eine härtere Bestrafung für möglich gehalten.858 Mildere Bestrafung von Gelehrten setzt sich im Prozess gegen den Redner Carrinas Secundus fort. Ob der Kaiser dies aus politischen Gründen oder aufgrund wahrer clementia gegenüber Intellektuellen berücksichtigte, ist nicht zu sagen.

Dio 59, 20, 6, Juvenal 7, 204 f. Dazu Barrett, Caligula (1989), S. 99. Zu ihm Stein, Art. Carrinas (5), RE III 2, 1899, Sp. 1612 f. und ders., Art. Carrinas (449), PIR II, 1936, S. 105. 853 Dio sagt ausdrücklich, der Kaiser habe selbst gehandelt. Das ist nicht so zu verstehen, dass der Kaiser seinen alle anderen überragenden Einfluss im Senat ausübte, sondern als Rechtsprechung wirklich des Kaisergerichts, denn Dio differenziert durchaus zwischen diesen beiden Formen kaiserlichen Handelns, vgl. Dio 59, 18, 1: 7äßkáóå äK káM 9äßá káM ìåôJ ðÜóçò ôç¦ò ãårïõóßáò (sowohl allein wie zusammen mit dem gesamten Senat fu¨hrte er Gerichtsverfahren durch). Ausdru¨cklich vom Senatsgericht berichtet er 59, 19, 3. 854 Bei Dio (59, 20, 6) heißt es: jõãáäåõ ¦óáß, was sowohl Ausweisung als auch Festsetzung bedeuten kann. Zu den Begriffen und ihrer Verwendung bei Dio s. o. A.III.2.b) aa)(1)(k). 855 Vgl. Juvenal 7, 204 f. 856 s. o. B.I.5. und II.13. 857 s. o. B.II.20.a). 858 s. o. B.I.4. 851 852

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5. Die Verschwörung des Lepidus und der Schwestern des Kaisers (39 n. Chr.)859 Im Herbst 39 n. Chr. entdeckte Caligula eine gegen ihn gerichtete Verschwörung. Den Beteiligten wurde der Prozess gemacht. Um zu verstehen, wie es dazu kam, muss man bis an den Anfang seiner Regierungszeit zurückgehen. Caligula war 37 n. Chr. schwer erkrankt und setzte in diesem Zustand seine Lieblingsschwester Drusilla zur Erbin und ihren Gatten M. Aemilius Lepidus860 zu seinem designierten Nachfolger ein.861 Er erholte sich jedoch wieder. Drusilla hingegen starb im nächsten Jahr plötzlich. Der Kaiser selbst war lange kinderlos geblieben. Mit seiner Geliebten Milonia Caesonia gelang jedoch eine Zeugung, weswegen er sich von seiner dritten Frau trennte und seine Geliebte heiratete.862 Zwar gebar ihm Milonia nur ein Mädchen, doch bestand nach der Heirat mit ihr und der ersten Geburt auch Aussicht auf einen Sohn. Lepidus und die anderen Schwestern des Kaisers, Agrippina minor und Julia Livilla, erkannten, dass für sie nun keine Aussicht mehr auf Teilhabe an der Macht bestand. Die Schwestern verbanden sich mit Lepidus und planten eine Verschwörung. Es gab Gründe, nach einer Ermordung Caligulas auf einen reibungslosen Übergang der Macht mit Lepidus als neuem princeps hoffen zu können. Als Germanicustöchter standen Julia Livilla und Agrippina in der Gunst des Volkes, zudem hatte letztere mit Nero einen männlichen Nachkommen, einen Ururenkel des Augustus. Im Übrigen hatte der Kaiser selbst öfter Lepidus als seinen Nachfolger auf dem Kaiserthron bezeichnet.863 Doch Caligula erfuhr von dem geplanten Anschlag.864 Die beiden Schwestern und Lepidus wurden im selben Gerichtsverfahren vom Kaiser verurteilt. Ihnen 859 Suet. Cal. 24, 3; 29, 1, Nero 6, 3, Dio 59, 3, 6; 59, 22, 5 – 9; 59, 23, 1 u. 8 f. Vgl. dazu Linnert, Geschichte Caligulas (1908), S. 79 ff., Domaszewski, Kaiser II (1909), S. 13 f., Dessau, Geschichte II, 1 (1926), S. 126 – 128, Momigliano, Caligola (1932), S. 225 f., Balsdon, The Emperor Gaius (1934), S. 66 – 76, Passerini, Caligola e Claudio (1941), S. 13, Becker, Opposition (1950), S. 155 u. 180, Kornemann, Große Frauen (1954), S. 225 f., Salmon, History (1957), S. 151, Balsdon, Roman Women (1962), S. 117, Scullard, From the Gracchi to Nero (1963), S. 294, Bengtson, Geschichte I (1967), S. 283, Cogitore, Conspirations (2002), S. 191 – 202 und Winterling, Caligula (2003), S. 103 – 115. 860 Er war der letzte männliche Nachkomme der berühmten Gens Aemilia. Sein Verhältnis zu Caligula war zunächst freundschaftlich. Der Kaiser erlaubte ihm, sich fünf Jahre vor der gesetzmäßigen Frist um die Ämter zu bewerben. Nach dem Tod Drusillas verschlechterte sich das Verhältnis zum Kaiser. s. zu ihm v. Rohden, Art. Aemilius (76), RE I 2, 1893, Sp. 563, Groag, Art. Aemilius (371), PIR I, 1933, S. 61 f. und Syme, Marcus Lepidus (1955), S. 22 – 33. 861 Suet. Cal. 24, 1 (vgl. dazu Mommsen, Staatsrecht II, 2 (1887), S. 1135 Fn. 5) und Dio 59, 22, 6 f. 862 Suet. Cal. 25, 2, Dio 59, 12, 1; 59, 23, 7. 863 Dio 59, 22, 6 f. 864 Zum Teil wurde bestritten, dass es eine Verschwörung gegeben habe. Vielmehr habe Caligula den Angeklagten eine Verschwörung unterstellt, um sie aus anderen Gründen auszuschalten, vgl. Peter, Geschichte Roms (1867), S. 249, Stein, Art. Cornelius (220), RE IV 1,

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wurde die Beteiligung an der Planung von Anschlägen gegen den Kaiser und Ehebruch vorgeworfen.865 Der Kaiser fasste die Vorwürfe in einem Verfahren zusammen und erkannte auf eine Gesamtstrafe. Bemerkenswert ist die unterschiedliche Bestrafung der Beteiligten. Lepidus wurde hingerichtet,866 was in der Strafpraxis zur geltenden Strafe für crimen maiestatis geworden war. Die Schwestern erlitten dagegen lediglich Vermögenskonfiskation867 und wurden auf die Pontinischen Inseln verbannt,868 wo sie zwar keine unbeschwerlichen, aber doch zivilisierte Lebensumstände vorfanden.869 Sie kamen wohl auch deshalb relativ milde davon, weil sie an der Verschwörung lediglich beteiligt waren. Das lässt sich aus Suetons Prozessbericht ableiten, wenn er es auch nicht ausdrücklich sagt: reliquas sorores nec cupiditate tanta nec dignatione delexit . . . quo facilius eas in causa Aemilii Lepidi condemnavit quasi adulteras et insidiarum adversus se conscias.870 Hauptbeteiligter und Hauptangeklagter war Lepidus. Der Prozess war die causa Aemilii Lepidi, die Schwestern eher Randfiguren. Ehebruch zwar legte man nicht nur Lepidus, sondern ebenso ihnen zur Last. Hinsichtlich der Verschwörung aber seien sie lediglich consciae gewesen, Mitwisserinnen, keine Hauptbeteiligte. Frauen wurden öfter milder bestraft als Männer und gegen sie wurde die Todesstrafe längere Zeit nicht verhängt.871 Caligula hätte allerdings Inseln auswählen können, die für die beiden Schwestern eine 1900, Sp. 1384 – 1386, Sp. 1385, Ferrero, Femmes des Césars (1930), S. 171, Mullens, Women (1941), S. 60 ff. Diese Ansicht findet jedoch in den Quellen keine ausreichende Stütze. Es wird stets von einer tatsächlichen Verschwörung berichtet, vgl. Suet. Cal. 24, 3. Auch Dio 59, 22, 5 – 9 liefert nichts Gegenteiliges. Der Streit ist für unsere Untersuchung jedoch nicht von Bedeutung. Entscheidend ist, dass die Angeklagten wegen einer Verschwörung vor Gericht standen und deswegen verurteilt wurden. Das wird auch nicht bestritten. 865 Suet. Cal. 24, 3, Dio 59, 22, 5 – 9. Auffallend ist, dass auch den beiden Schwestern Beteiligung an der Verschwörung vorgeworfen wurde, während man sich bislang in vergleichbaren Fällen (Prozesse gegen die ältere und die jüngere Julia, oben B.I.2. u. 3., Prozess gegen Agrippina, oben B.II.17.) gegenüber weiblichen Beteiligten auf den Vorwurf des Ehebruchs beschränkte. 866 Dio 59, 22, 6. 867 Suet. Cal. 39, 1, Suet. Nero 6, 3, Dio 60, 4, 1. 868 Dio 59, 22, 8. 869 Die Pontinischen Inseln sind eine Inselgruppe im Tyrrhenischen Meer, nördlich der Insel Pandateria, wohin 2 v. Chr. die ältere Julia verbannt worden war. Sie waren, obwohl das Leben dort beschwerlich war, bereits in republikanischer Zeit besiedelt. In der frühen Kaiserzeit ging es der Bevölkerung, die Delikatessen nach Rom und Neapel lieferte, gut, vgl. dazu Hofmann, Artt. Pontiae und Pontiae insulae, RE XXII 1, 1953, Sp. 21 – 25, Nissen, Italische Landeskunde I (1883), S. 272 u. 366 ff., Hammond, Atlas (1981), Karte 17 und de Rossi, Le Isole Pontine (1986). Auf die Pontinischen Inseln hatte Tiberius 29 n. Chr. bereits Caligulas Bruder Nero verbannt, vgl. o. B.II.17. 870 Suet. Cal. 24, 3: Seine anderen Schwestern liebte er nicht so leidenschaftlich noch würdigte er sie öffentlich . . . so fiel es ihm auch nicht besonders schwer, sie in einem Prozess gegen Aemilius Lepidus zu verurteilen, sie hätten Ehebruch begangen und seien in Anschläge eingeweiht gewesen, die man gegen ihn plante. 871 Vgl. oben B.II.7. u. 12.

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härtere Strafe bedeutet hätten, etwa die unweit entfernt liegende Insel Pandateria, auf die 2 v. Chr. die ältere Julia verbannt worden war. Grund für die Zurückhaltung des Kaisers bei der Verschärfung der gesetzlichen Strafe könnte gewesen sein, dass es seine Schwestern waren und ihr Anteil am Verbrechen verhältnismäßig gering war. Weibliches Geschlecht und geringe Beteiligung kehren in diesem Prozess als Gesichtspunkt der Strafzumessung wieder.

6. Die Verbannung des Ofonius Tigellinus (39 n. Chr.) 39 n. Chr. wurde Ofonius Tigellinus des Ehebruchs mit Agrippina minor und Julia Livilla angeklagt.872 Vor welchem Gericht der Prozess stattfand, ist nicht überliefert, doch dürfte es auch hier Caligula selbst gewesen sein.873 Tigellinus scheint lediglich aus Rom und Italien ausgewiesen worden zu sein.874 Claudius gestattete ihm später die Rückkehr aus der Verbannung. Unter Nero wurde er Prätorianerpräfekt und beging in diesem Amt viele Ungerechtigkeiten.875 Die milde Bestrafung ist auffällig. Die bloße Ausweisung Tigellins aus Rom und Italien entspricht zwar der poena legis der lex Iulia de adulteriis, doch wurden Ehebrecher seit den Juliaprozessen regelmäßig mit Verbannung auf eine Insel bestraft. Dio und das Juvenalscholion nennen keine Gründe für die Milderung, weswegen darüber nur Vermutungen angestellt werden können. Tigellinus war zum Zeitpunkt der Verurteilung noch sehr jung.876 Sein jugendliches Alter könnte der Grund für die vergleichsweise milde Strafe gewesen sein. Bereits in anderen Prozessen wurde dieser Gesichtspunkt bei der Strafzumessung berücksichtigt877 und lag auch hier nahe.

Dio 59, 23, 9 u. Schol. Juvenal 1, 155. Dio nennt die Bestrafung gleich im Anschluss an den Bericht über die Verschwörung des Lepidus und der Schwestern des Kaisers, die von Caligula selbst verurteilt worden waren. Dies und der gegen ihn erhobene Vorwurf des Ehebruchs mit den Schwestern des Kaisers legt auch hier eine Verurteilung durch den Kaiser nahe. 874 Dio 59, 23, 9 i. f. schreibt jåýãïõóé, woraus nicht ersichtlich ist, ob es sich um bloße Ausweisung oder um Festsetzung an einem bestimmten Ort handelt, vgl. o. A.III.2.b)aa) (1)(k). In Schol. Juvenal 1, 155 wird allerdings berichtet, er habe sich, nachdem er aus Rom verstoßen worden war, nach Griechenland begeben, wo er sein Leben vom Fischfang fristete: urbe sommotus piscatoriam in Achaia exercuit. Das legt bloße Ausweisung aus Rom und Italien nahe, nicht Festsetzung an einem bestimmten Ort. 875 Zu ihm ausführlich Stein, Art. Ofonius Tigellinus, RE XVII 2, 1937, Sp. 2056 – 2061 und Wachtel, Art. Ofonius (91), PIR V, 3, 1987, S. 437 – 440. 876 Vgl. Schol. Juvenal 1, 155: iuvenis. 69 n. Chr., also 30 Jahre später, begegnet er als Prätorianerpräfekt noch im leistungsfähigsten Alter, vgl. Stein, Art. Ofonius Tigellinus, RE, art. cit., Sp. 2058 f. 877 s. o. B.II.17. (Nero) und B.I.7.b). Zu späteren Fällen s. u. B.IV.7. und VIII.7. s. a. C.I. 872 873

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7. Zusammenfassung Für die Regierungszeit Caligulas fehlen, wie gesagt, die ausführlichen Berichte des Tacitus, da die Bücher 7 bis 10 seiner Annalen verloren sind. Den Großteil der vorhandenen Informationen liefern Suetons Kaiserbiographien und Dios Römische Geschichte. Die Zahl der Prozesse, die Auskünfte zum richterlichen Ermessen enthalten, ist deshalb gering,878 und die Berichte über diese Verfahren sind oft wenig ausführlich. Dennoch zeichnen sie in der Zusammenschau ein nicht undifferenziertes Bild von der Strafrechtsprechung dieses Kaiser, das trotz häufiger Anknüpfung an die bisherige Strafpraxis die gleiche Diskontinuität zeigt wie sein übriges Regierungshandeln. Bei den aus der Regierungszeit des Kaisers Tiberius besprochenen Gerichtsverfahren handelte es sich im Wesentlichen um Verfahren vor dem Senat.879 Das Senatsverfahren bot Raum für die Ausübung richterlichen Ermessen; in einigen Fällen überlieferte Tacitus ausführlich die Beratungen der Senatoren über härtere oder mildere Strafen.880 Im Gegensatz zu seinen Vorgängern scheint Caligula dagegen in größerem Umfang selbst Recht gesprochen zu haben.881 Die soeben untersuchten Gerichtsverfahren wurden allesamt vom Kaiser entschieden. Verfahren vor dem Senat gab es zwar nach wie vor,882 doch ist zu ihnen praktisch nichts überliefert. Sueton dürfte sich in seiner Kaiserbiographie auf die judizielle Tätigkeit des Kaisers konzentriert und die Senatsrechtsprechung beiseite gelassen haben. Dios zeitlicher Abstand zur Regierung Caligulas mag der Grund sein, weswegen er über Verfahren vor dem Senat, die für ihn nach mehr als 170 Jahren keine besondere Bedeutung mehr gehabt haben mögen, wenig berichtet und nur die besonders brisanten Prozesse vor dem Kaisergericht erwähnt. Die taciteischen Berichte, die der Verfasser nach eigenen Angaben auch auf Senatsprotokolle 878 Die übrigen überlieferten Nachrichten zum Strafrecht sind für unsere Untersuchung nicht brauchbar. s. dazu Anhang III. 879 Tiberius hielt sich mit eigener Judikatur zurück und bevorzugte die Rechtsprechungstätigkeit des Senats, wie etwa der Verweis der zunächst bei ihm anhängig gemachten Anklage gegen Piso an den Senat zeigt (s. Tac. ann. 3, 10 i. f.). Die behandelten Prozesse aus augusteischer Zeit (oben II.) fanden zu gleichen Teilen vor dem Kaiser und vor dem Senat statt. 880 Besonders B.II.6., 8., 9. und 10.b). 881 Seine Rechtsprechungstätigkeit scheint ein entscheidender Schritt zur Ausbildung eines eigentlichen Kaisergerichts gewesen zu sein. Unter seinen Nachfolgern Claudius und Nero (unten IV. u. V.) und dann auch unter den späteren Kaisern (obwohl hierzu, mit Ausnahme Trajans, ausführliche Berichte fehlen) zeigt sich die kaiserliche Jurisdiktion in voller Blüte. s. a. Bleicken, Senatsgericht (1962), S. 79 ff. 882 Aus den Berichten Dios geht das deutlich hervor. Er berichtet zum einen von konkreten Strafverfahren vor dem Senat (vgl. die Anklage gegen Domitius Afer, Dio 59, 19, 1 – 7), zum anderen ganz allgemein davon, dass Strafverfahren sowohl vor dem Kaiser als auch vor dem Senat stattfanden (Dio 59, 18, 2, zum Senatsgericht unter Claudius vgl. auch Dio 60, 16, 3). Deshalb wird man ihm glauben dürfen, dass Prozesse vor dem Kaisergericht stattfanden, wenn er Verurteilungen dem Kaiser zuschreibt.

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stützte,883 dürften Nachrichten über Senatsprozesse enthalten haben, doch sind sie für die Regierungszeit Caligulas eben nicht erhalten. Bemerkenswert ist, dass sich oft auch der Kaiser – bei aller Launenhaftigkeit – um eine differenzierte Strafzumessung bemühte. Caligula scheint sich bei seiner Rechtsprechung die durch den Verfahrensablauf im Senat ermöglichte Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu eigen gemacht zu haben. In einigen Fällen orientierte er sich an der gesetzlichen Strafe bzw. an der Strafpraxis der cognitio extra ordinem,884 in anderen verschärfte er die geltende bzw. übliche Strafe oder milderte sie ab. Dabei berücksichtigte er Gesichtspunkte, die bereits in früheren Verfahren bei der Strafzumessung Berücksichtigung gefunden hatten. Alter,885 Geschlecht886 und Umfang der Beteiligung887 des Angeklagten bezog er in die Bemessung der Strafe ein oder ließ sich von der Bildung des Straftäters beeindrucken,888 um die Strafe zu mildern. Auch machtpolitische Erwägungen spielten bei der Ermessensausübung nicht selten eine Rolle und konnten zu erheblichen Strafschärfungen führen.889

IV. Claudius: Strafzumessung durch Senat und Kaiser Claudius war Neffe des Kaisers Tiberius und Onkel Caligulas. Nach dessen Ermordung, in die er womöglich eingeweiht war, an der eine eigene Beteiligung jedoch nicht nachgewiesen ist, wurde er von den Prätorianern zum Kaiser ausgerufen. Bald danach erging ein Senatsbeschluss, der die Machtübernahme bestätigte. Er sollte 13 Jahre regieren. 54 n. Chr. wurde er ermordet. Die ersten sechs Regierungsjahre sind schlechter dokumentiert als die Jahre ab 47 n. Chr., von wann an Tacitus’ Annalen wieder erhalten sind. Durch Seneca, Sueton und Dio ist jedoch auch aus den frühen Jahren einiges zum Strafrecht bekannt.

883 Tac. ann. 5, 4 u. 15, 74. s. a. Mommsen, Tacitus (1904), S. 253 – 263, Talbert, Senate (1984), 329 ff. 884 s. o. B.III.1. u. 3. 885 B.III.6., vgl. zur Berücksichtigung jugendlichen Alters bereits oben B.II.17. (Nero). 886 B.III.5., vgl. dazu bereits oben B.II.7. u. 12. 887 B.III.5., vgl. dazu bereits oben B.II.6., 20.e) und im Prozess gegen Ovid, B.I.4. 888 B.II.4., vgl. dazu bereits oben B.I.5., II.13., II.20.a) und auch im Verfahren gegen Ovid, B.I.4. 889 B.II.2, vgl. dazu die Ausführungen unter B.I.2.c), 5. u. 9. und auch die pauschalen Todesurteile gegen Anhänger Sejans, B.II.20. vor a).

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1. Der Prozess gegen Julia Livilla und Seneca d. J. (41 n. Chr.)890 41 n. Chr. intrigierte die Kaisergattin Messalina aus Eifersucht gegen ihre entfernte Cousine und Nichte ihres Mannes Julia Livilla.891 Auch der Philosoph Seneca892 wurde in die Intrige verstrickt. Man warf beiden Ehebruch vor. Über Seneca wurde vor dem Senatsgericht verhandelt. Die Senatoren erwogen offenbar zunächst, ihn zum Tode zu verurteilen. Doch Claudius intervenierte und legte Fürsprache für ihn ein,893 so dass er lediglich nach Corsica894 verbannt und ein Teil seines Vermögens konfisziert wurde.895 Der Kaiser mag die Gelegenheit ergriffen haben, politisch wirkungsvoll und ohne Gefahr für die eigene Sicherheit kaiserliche clementia zu demonstrieren.896 Ähnlich wie Ovid schildert er seinen Verbannungsort als den unwirtlichsten Platz der Welt,897 was auch hier bis zu einem gewissen Grad übertrieben gewesen sein dürfte, um seine Rückberufung zu betreiben.898 890 Dio 60, 8, 5; 61, 10, 1 f., Tac. ann. 13, 42; 14, 63, Sen. apoc. 10, 4, Schol. Juvenal 5, 109. s. dazu Rossbach, Art. Annaeus (17), RE I 2, 1894, Sp. 2240 – 2248, Sp. 2242, Stein, Art. Annaeus (617), PIR I, 1933, S. 102 – 104, S. 103, Stewart, Sejanus, Gaetulicus and Seneca (1953), S. 70 – 85, Meinel, Seneca (1972), bes. S. 1 – 17, Sorensen, Seneca (1985), S. 102 – 121, Fuhrmann, Seneca (1997), S. 87 – 107. 891 Julia Livilla war, wie gesagt, aus Anlass einer Verschwörung zusammen mit ihrer Schwester Agrippina minor von Caligula auf die Pontinischen Inseln verbannt worden, vgl. oben B.III.5. Claudius gestattete den Nichten sogleich nach seinem Regierungsantritt die Rückkehr, Dio 60, 4, 1. s. zu ihr Fitzler, Art. Iulius (575), RE X 1, 1918, Sp. 938 f. und Stein / Petersen, Art. Iulia (674), PIR IV, 1966, S. 318 f. 892 Zum Zeitpunkt der Verbannung war er etwa 45 Jahre alt. Sieben Jahre später, nach Messalinas Tod, wurde ihm die Rückkehr gestattet. Das verdankte er der zweiten Gattin des Kaisers, Agrippina minor, der Schwester Julia Livillas, die ebenfalls aus der Verbannung zurückgeholt worden war. Er erlangte die Prätur und wurde Lehrer des jungen Nero. Bei Aufdeckung der pisonischen Verschwörung 65 n. Chr. (s. u. B.V.4.) warf man ihm Mitwisserschaft vor und zwang ihn zum Selbstmord. Zu ihm ausführlich Rossbach, Art. Annaeus (17), RE I 2, 1894, Sp. 2240 – 2248, Waltz, Vie de Sénèque (1909), Griffin, Seneca (1976), Grimal, Sénèque (1978), Sorensen, Seneca (1985), Giebel, Seneca (1997) und Fuhrmann, Seneca (1997). 893 Sen. ad Polybium 13, 2. Zu ähnlichen Milderungsinterventionen des Kaisers vor dem Senatsgericht s. o. B.II.9. u. 10.d. 894 Dazu Hülsen, Art. Corsica, RE IV 2, 1901, Sp. 1657 – 1660 und Fuhrmann, Seneca (1997), S. 94 – 98. 895 Vgl. Sen. ad Helviam 10, 2 u. bes. 12, 4. 896 Seneca spricht in diesem Zusammenhang selbst von clementia, vgl. Sen. ad Polybium 13, 1 f. 897 Sen. ad Helviam 6, 4 f. (6, 5 hoc saxum); 7, 9; 9, 1; 10, 3, wo er Corsica noch hässlicher als die Verbannungsinseln Seriphos und Gyarus findet, vgl. zu diesen beiden Inseln oben B.II.9. bzw. B.II.3. u. 13. 898 Besonders die an den mächtigen kaiserlichen Freigelassenen Polybius, der am Kaiserhof für Bittschriften zuständig war, gerichtete Schrift ad Polybium dient diesem Zweck, vgl.

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Julia Livilla wurde erneut verbannt. Wohin, ist nicht bekannt, doch liegen die Pontinischen Inseln nahe, von wo sie kurz zuvor zurückgeholt worden war.899 Auch Pandateria scheint nicht ausgeschlossen.900 Seneca gibt in keiner seiner Schriften den Grund seiner Verbannung an. So verwundert es nicht, dass er auch zur Verbannung Julia Livillas nichts berichtet und uns darüber im Unklaren lässt, ob sie mit ihm vor dem Senatsgericht stand oder vom Kaiser selbst verurteilt wurde.901 Ehebruchsstrafe der Strafpraxis war, im Gegensatz zur bloßen Ausweisung des Ehebruchsgesetzes, Verbannung auf eine Insel. Daran hielten sich die Gerichte im Fall Julia Livillas und Senecas. Bemerkenswert ist, dass für Seneca zunächst Todesstrafe erwogen, dann aber darauf verzichtet wurde. Die Ausführungen Senecas hierzu sind knapp und informieren nicht über die Hintergründe der anfänglichen Neigung, ein Todesurteil zu fällen. Den Senatoren dürfte die Feindschaft zwischen Messalina und der Partei um Seneca, wozu die mit ihm befreundeten Caligulaschwestern gehörten,902 bekannt gewesen sein. Womöglich kursierte Schanz / Hosius, Geschichte der römischen Literatur II (1935), S. 693 f. und Sorensen, Seneca (1985), S. 110 f. 899 Dio 60, 8, 5 schreibt lediglich 7îþréóåí, was dem Wortsinne nach bloße Ausweisung nahelegt. Doch gebraucht Dio den Begriff an anderer Stelle auch im Zusammenhang mit einer Festsetzung, s. Dio 56, 27, 2. Auch in einem anderen Ehebruchsprozess, in dem die Angeklagten festgesetzt wurden, gebrauchte Dio das Wort 7îïrßæù (s. B.III.1.). Zu den Begriffen und ihrer Verwendung bei Dio s. o. A.III.2.b)aa)(1)(k). 900 Tac. ann. 14, 63 wird von der Verbannung Octavias nach Pandateria berichtet (dazu unten B.V.3.f)). Tacitus erinnert in diesem Zusammenhang an die Verbannung Julias unter Claudius und Agrippinas unter Nero. Letztere war, was Tacitus hier nicht erwähnt, ebenfalls nach Pandateria verbannt worden (dazu oben B.II.17.). Es ist also nicht ausgeschlossen, dass er hier Beispiele von Verbannungen nach Pandateria anführen wollte, woraus zu schließen wäre, dass auch Julia Livilla dorthin verbannt wurde. Im Ergebnis daher zutreffend Stein / Petersen, Art. Iulia (674), PIR, art. cit., S. 319. 901 Auch den übrigen Quellen lässt sich nicht mit Sicherheit entnehmen, ob Julia Livilla vom Senat oder vom Kaiser verurteilt wurde. Dio 60, 8, 5 sagt lediglich, Messalina habe ihre Verbannung veranlasst. Suet. Claud. 29, 1 berichtet, Claudius habe Julia Livilla aufgrund einer Anschuldigung, die auf schwachen Füßen stand, und ohne dass sie sich verteidigen konnte, töten lassen. Doch vermischt er hier Verurteilung (zu Verbannung) und spätere Ermordung (vgl. dazu Sen. apoc. 10, 4, Sen. Octavia 946 f., Dio 60, 8, 5). Die Auskunft über die zweifelhafte Tatsachengrundlage und das unterbliebene Gehör machen ein Verfahren vor dem Kaisergericht allerdings nicht unwahrscheinlich. Auch Caligula verurteilte seine Schwestern selbst (B.III.5.) und auch die Juliaprozesse fanden vor Augustus statt (B.I.2. u. 3.). Das waren Fälle, in denen das Ansehen des Kaisers gefährdet war, weswegen der Kaiser ein Verfahren vor dem Senat vermieden haben wird. Eine Regel, dass Mitglieder der Kaiserfamilie stets vom Kaiser und nicht vom Senat verurteilt worden wären, lässt sich daraus allerdings nicht ableiten. Die Verurteilung Appuleia Varillas, einer Enkelin der Schwester des Augustus (s. o. B.II.3.), und Agrippinas mit ihrem Sohn Nero (s. o. B.II.17.) fanden unter Tiberius vor dem Senat statt. Für Claudius bestand in diesem Fall nicht die Gefahr eines Ansehensverlustes, weswegen er die relative Öffentlichkeit des Senatsgerichts nicht zu vermeiden brauchte; die Angeklagten gehörten zudem einer Gegenpartei an. Aufgrund der Feindschaft zwischen Messalina und Julia Livilla war letztere auch nicht Mitglied der Partei um den Kaiser, weswegen ihm ein Prozess vor dem Senatsgericht nicht schaden konnte. Kaiser- und Senatsgericht sind also ungefähr gleich wahrscheinlich.

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auch das Gerücht einer Verschwörung,903 weswegen die Senatoren annahmen, dem Kaiser komme es auf gänzliche Ausschaltung Senecas an. Claudius jedoch stimmte das Gericht um, so dass Seneca lediglich verbannt wurde. Der Vorgang erinnert an andere Fälle, in denen das Urteil gegen gebildete und schöngeistige Angeklagte relativ mild ausfiel.904 Der Einfluss des Kaisers auf die Strafzumessung des Senatsgerichts mag hier durch die Rücksicht auf den Philosophen motiviert gewesen sein. Dennoch war Claudius die politische Dimension des Falles bewusst. Kontrolliert werden können sollte Seneca, was die gesetzliche Strafe der bloßen Ausweisung nicht garantiert hätte. Sie musste zur Festsetzung verschärft werden, doch die Verschärfung erfolgte maßvoll. Todesstrafe sollte nicht verhängt werden.

2. Majestätsprozesse der Jahre 41 – 43 n. Chr. Aus den Jahren 41 bis 43 n. Chr. ist eine Reihe von Majestätsprozessen überliefert, doch sind vor ihrer Darstellung einige Bemerkungen zur Geltung des Majestätsgesetzes unter Claudius erforderlich.

a) Zur Geltung der lex Iulia maiestatis unter Claudius In jüngerer Vergangenheit wurde häufiger diskutiert, ob das Majestätsgesetz unter Claudius überhaupt galt. Bauman meint, Claudius habe die lex Iulia maiestatis für seine gesamte Regierungszeit außer Kraft gesetzt.905 Stattdessen seien Majestätsverbrecher ,crimine nullo‘ oder in Analogie zum parricidium bestraft worden – parricidium im Sinne des Mordes am Kaiser als pater patriae.906 Er stützt seine Auffassung insbesondere auf Dio 60, 3, 5 – 7, bes. 6. Die Stelle kann jedoch im 902 s. Sen. nat. quaest. 4 praef. 6 u. 15. Dazu Clarke, Seneca the Younger under Caligula (1965), S. 65 ff., Rossbach, Art. Annaeus (17), RE, art. cit., Sp. 2241 f., Stewart, Sejanus, Gaetulicus and Seneca (1953), S. 83 f. 903 Vgl. Dio 60, 8, 5, wonach neben Ehebruch noch andere Verbrechen angeklagt waren. 904 Vgl. dazu bereits oben B.I.5., II.13., 20.a), III.4. und auch das Verfahren gegen Ovid, B.I.4. 905 Impietas in Principem (1974), S. 195 – 209, Crime and Punishment (1996), S. 71, Human Rights (2000), S. 107 f. Bauman folgen Jal, Rez. z. Bauman Impietas (1975), S. 343 – 345, Seager, Rez. z. Bauman Impietas (1976), S. 230 f., Bleicken, Rez. z. Bauman Impietas (1978), S. 449 – 452, Shotter, Rez. z. Bauman Impietas (1978), S. 364 – 366. Brunt ist Baumans Ansicht entgegengetreten, hat ihr Mangel an Plausibilität nachgewiesen und seine Argumente kritisch widerlegt, s. Brunt, Did Emperors ever suspend the Law of Maiestas? (1984), S. 469 – 480. Die dort vertretene Ansicht hatte bereits Musurillo, Acta Alexandrinorum (1954), S. 125 geäußert, ohne sich allerdings ausführlich mit der Frage zu beschäftigen. Brunt folgen Keaveney / Madden, The crimen maiestatis under Caligula (1998), S. 317. 906 Impietas in Principem (1974), S. 195 f., 201, 203, Crime and Punishment (1996), S. 71 f.

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Vergleich mit ähnlichen Berichten auch anders verstanden werden. Sie steht am Anfang des 60. Buches von Dios römischer Geschichte, wo er die Vorgänge beim Regierungsantritt des Kaisers Claudius schildert. Der größere Teil der Stelle bezieht sich auf Taten, die vor Claudius’ Regierungsantritt liegen. Wegen dieser Taten wollte er insbesondere keine Majestätsprozesse beginnen.907 Dio 60, 3, 6 geht darüber allerdings hinaus. Hier geht es sowohl um schon geschehene als auch um künftige Taten. Claudius habe bei seinem Regierungsantritt die Anklage wegen Majestätsverbrechens abgeschafft. Keinesfalls betrifft die Aussage alle Tatbestände des Majestätsgesetzes, von denen 48 noch heute bezeugt sind, sondern nur 6óåâåßá, womit nur Taten gegen den Kaiser gemeint sein ko¨nnen. Die urspru¨ngliche lex Iulia maiestatis hatte solche gar nicht eigens erfasst, vielmehr waren das Weiterungen der spa¨teren Praxis.908 Die anderen Vergehen der lex Iulia wollte Claudius zweifellos weiterhin bestraft wissen.909 Keine Regierung wu¨rde jemals proklamieren, die Strafbarkeit der Anwendung von Waffengewalt gegen den Staat oder der Unterstu¨tzung von Feinden aufgehoben zu haben. Die Parallele zu Dios Schilderungen des Regierungsantritts Caligulas zeigt zudem, dass diese Zusagen keine gesetzgeberischen Akte, sondern unverbindliche, propagandistische Versprechungen des neuen Kaisers waren,910 die im Falle Caligulas alsbald wieder gebrochen wurden.911 Caligula hatte nach Dio zu Beginn seines Prinzipats den Anklagen wegen crimen maiestatis ein Ende gesetzt,912 vergaß seine Zusicherung jedoch alsbald und verfolgte aufgrund des Majestätsgesetzes sowohl Taten, die vor seinem Regierungsantritt lagen, als auch solche, die danach begangen wurden.913 Dio selbst berichtet zum Jahr 38 n. Chr., Caligula habe einen Mann, der warmes Wasser verkauft hatte, des Majestätsverbrechens gegen den Kaiser bezichtigt und hinrichten lassen.914 Das Urteil muss auf die lex Iulia maiesDio 60, 3, 5 u. 7. s. zur lex Iulia maiestatis oben B.I.2.b). 909 Die von Bauman angeführten Stellen äußern sich nur allgemein und berichten nur von Abschaffung der Anklage wegen crimen maiestatis, vgl. Dio 60, 3, 6 für Claudius und Dio 59, 4, 3 u. 59, 6, 2 für Caligula. Betrachtet man den Kontext der Stellen, liegt ein enges Verständnis näher. Unmittelbar zuvor und unmittelbar danach wird ausführlich von Angriffen auf die Person des Kaisers berichtet, weswegen es zu Verurteilungen gekommen war bzw. weswegen nun keine Prozesse mehr angestrengt werden sollen, vgl. Dio 59, 4, 2; 59, 4, 3 i. f.; 59, 6, 3; 60, 3, 3; 60, 3, 4; 60, 3, 5 (dazu Suet. Claud. 11, 1). 910 Der Verzicht auf Majestätsanklagen in bestimmten Einzelfällen aus Gründen der Popularität ist nicht Neues, vgl. oben B.II.1.a), 3. u. 7. Ebenso propagandistisch waren die später häufig vorkommenden Versprechen zu Beginn einer Regierung, keinen Senator zu töten, s. Dio Xiphil. Exc. Val. 68, 2, 3; 68, 5, 2; 75, 2, 1 f., Herodian 2, 14, 3 f., SHA Severus 7, 5. 911 Sueton bewertet diese Akte als Sucht nach Popularität, Suet. Cal. 15, 4. 912 Dio 59, 4, 3 u. 59, 6, 2. 913 Vgl. Keaveney / Madden, The crimen maiestatis under Caligula (1998), S. 316 – 320. 914 Dio 59, 11, 6: 6óåâÞóáíôá. Zu diesen Prozessen oben B.III.2. 907 908

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tatis gestützt worden sein.915 Wie unverbindlich solche Versprechungen waren, zeigt noch deutlicher Dios Bericht über den Regierungsantritt des Kaisers Tiberius. Auch er ließ zunächst Majestätsverbrecher ostentativ straflos, um sie später dennoch anzuklagen und zum Tode zu verurteilen.916 Wenn also auch unter Claudius Verhaltensweisen bestraft wurden, die bislang als crimen maiestatis angesehen worden waren, wird das weiter auf die lex Iulia maiestatis gestützt worden sein.917 Für eine Bestrafung ,crimine nullo‘ oder eine Analogie zum parricidium geben die Quellen keine Anhaltspunkte.918 Warum 915 Um Majestätsprozesse handelte es sich auch bei den Verurteilungen der Feinde seiner Familie, Dio 59, 10, 4 u. 59, 10, 7 ff., bei den Fällen von Dio 59, 21, 4; 59, 25, 5b und Suet. Cal. 30, 2 (jeweils oben B.III.2.), sowie bei der Verbannung des Redners Carrinas Secundus, Dio 59, 20, 6 (s. o. B.III.4.) und den Prozessen im Rahmen der Verschwörung des Lepidus und der Schwestern des Kaisers, Suet. Cal. 24, 3, Dio 59, 22, 5 – 9 (s. o. B.III.5.). 916 Dio 57, 9, 2 f. s. a. Dio Xiphil. 57, 19, 1. 917 So wurde die Anklage gegen Vitellius auf die lex Iulia maiestatis gestützt, Tac. ann. 12, 42 (51 n. Chr.): is crimina maiestatis . . . obiectabat (er warf ihm Majestätsverbrechen vor). Bauman, Impietas in Principem (1974), 194 ff., meint, dieser Prozess zeige, dass das Majestätsgesetz außer Kraft war, denn statt Vitellius wurde sein Ankläger, der Senator Iunius Lupus, wegen calumnia verurteilt. Grund hierfür war jedoch nicht, dass das Majestätsgesetz außer Kraft war, sondern das Einschreiten Agrippinas. Kein Senator hätte das absurde Unternehmen gewagt, einen Schützling der Kaisergattin aufgrund eines unwirksamen Gesetzes anzuklagen. Vgl. dazu auch Brunt, Did Emperors ever suspend the Law of Maiestas? (1984), S. 473. 918 Die von Bauman für die Existenz seiner Bestrafung ,crimine nullo‘ bzw. seiner parricidium-Analogie angeführten Stellen vermögen nicht zu überzeugen. Das Todesurteil gegen Chaerea (Dio 60, 3, 4) sei ,crimine nullo‘ gefällt worden, Bauman, Impietas in Principem (1974), S. 195. Hierbei handelt es sich jedoch um einen Majestätsprozess, wie Dio 60, 3, 4 i. f. deutlich sagt, wonach Claudius ungehalten war, weil Chaerea einen Kaisermord gewagt hatte, und dabei nicht als Rächer Caligulas handelte, sondern so, als hätte er Chaerea bei einem Attentatsversuch gegen sich selbst ertappt. Dio erwähnt diesen Fall, bevor er von der Zusicherung des Kaisers berichtet, keine Majestätsprozesse anzustrengen. Auch Appius Silanus (dazu Dio 60, 14, 2 – 4) sei ,crimine nullo‘ verurteilt und hingerichtet worden, Bauman, Impietas in Principem (1974), S. 196. Doch geht es auch hier um einen angeblich geplanten Mord an Claudius. Beleg für die Existenz der Verurteilung ,crimine nullo‘ sei Suet. Claud. 38, 2, Bauman, Impietas in Principem (1974), S. 203. Danach verbannte Claudius einen Schreiber und einen Prätor, ohne sie anzuhören und obwohl sie unschuldig waren. Dabei handelt es sich jedoch um einen Fall kaiserlicher Willkür, was es auch davor gegeben hatte und danach vielfach geben sollte (vgl. Tac. ann. 1, 3; 1, 6; 2, 39 f.; 4, 42 i. f., Suet. Aug. 24, 1; 27, 3 f.; 45, 4; 67, 1 f., Tib. 37; 51 i. f.; 56; 57; 60, Cal. 32, 2, Dio 54, 3, 4 f.; 54, 15, Dio Xiphil. 58, 3, 7, Dio Joann. Antioch. 58, 4, 7, Dio 59, 8, 1, Dio 59, 10, 6 f.), nicht um eine Bestrafung ,crimine nullo‘. s. a. Brunt, Did Emperors ever suspend the Law of Maiestas? (1984), S. 476. Bauman, Impietas in Principem (1974), S. 197 f., möchte seine Behauptung, dass es sich bei den Verfahren um die Verschwörung des Scribonianus (Dio 60, 15, 1 bis 60, 16, 8, tatbestandlich typische Majestätsprozesse) nicht um Anklagen nach der lex Iulia maiestatis, sondern um eine Verurteilung nach einer parricidium-Analogie gehandelt habe, auf die Tatsache stützen, dass die Söhne der Angeklagten verschont wurden (Dio 60, 16, 2). In früheren (z. B. dem Prozess gegen Sejan, Dio 58, 8 – 11) und späteren Majestätsprozessen (z. B. Suet. Nero 36, 2) sei dies nicht der Fall gewesen. Die Verschonung der Söhne der Angeklagten

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sollte der Kaiser unter veränderten Umständen auch nicht aus machtpolitischen Gründen von einer solchen Zusage abweichen? Claudius hatte zu Beginn seiner Regierung auch das eidliche Versprechen abgelegt, keinen Freigeborenen der Folter zu unterwerfen, und brach das Versprechen bereits im darauffolgenden Jahr.919 Eine Tacitusstelle zu einem Prozess unter Nero: . . . maiestatis delatus est. tum primum revocata ea lex,920 stützt Baumans These nur scheinbar. Das Zitat erinnert an eine Auskunft in den Annalen zum Jahr 15 n. Chr. Dort berichtet Tacitus über Tiberius: legem maiestatis reduxerat.921 Das kann sich nicht auf das Majestätsgesetz als solches, sondern nur auf bestimmte Anklagen nach dem Majestätsgesetz beziehen. Auch Augustus hatte nicht etwa zuletzt die ganze lex Iulia maiestatis außer Kraft gesetzt, dafür fehlt jeder Hinweis. Vielmehr wurde noch 12 n. Chr. Cassius Severus vom Senat nach dem Majestätsgesetz verurteilt.922 Auch andere Majestätsverfahren unter Augustus sind bekannt.923 Vom Ende der Regierungszeit des Augustus und dem Beginn derjenigen seines Nachfolgers sind zwar keine Majestätsprozesse überliefert; und wenn es damals tatsächlich keine gab, so würde das zu den Zeitumständen passen. Doch die Zustände änderten sich und es kam wieder zu Majestätsprozessen. Nur das meint legem maiestatis reduxerat. Genauso ist die Aussage tum primum revocata ea lex zum Jahr 62 n. Chr. zu verstehen.924 Während unter Caligula und Claudius Angeklagte nach der lex Iulia maiestatis verurteilt worden waren, sind aus der Regierungszeit Neros bis zum Jahr 62 n. Chr. keine Majestätsprozesse überliefert. Dennoch war die lex Iulia maiestatis in Kraft. Vermutlich hatte es bis dahin lediglich keine Majestätsprozesse gegeben, was am Einfluss Senecas gelegen haben kann.925 Das erste Verfahren wegen crimen maiestatis sollte dann der Tac. ann. 14, 48 zum Jahr 62 n. Chr. berichtete Fall sein. Die lex Iulia maiestatis wurde von Claudius also nicht etwa außer Kraft gesetzt. Er versprach zu Beginn seiner Regierungszeit lediglich, keine Majestätsprozesse wegen Taten gegen die Person des Kaisers anzustrengen. Daran hielt er sich jedoch nur kurze Zeit und bald wurden wieder Bürger wegen angeblicher oder auch wirklicher Verschwörungen nach dem Majestätsgesetz angeklagt. spricht allerdings noch nicht gegen einen Majestätsprozess. Die Verurteilung bzw. Hinrichtung auch der Nachkommen des Majestätsverbrechers war keineswegs die Regel, wie das Strafverfahren gegen Cn. Calpurnius Piso zeigt, wo den Nachkommen sogar noch das väterliche Vermögen zugesprochen wurde (s. o. B.II.6.). Für parricidium bestehen keinerlei Anhaltspunkte. 919 Vgl. Dio 60, 15, 6. 920 Tac. ann. 14, 48: . . . er wurde des crimen maiestatis angeklagt. Damals wurde diese lex erstmals wieder angewandt. 921 Tac. ann. 1, 72: Er hatte das Majestätsgesetz wieder in Kraft gesetz. 922 s. o. B.II.3. 923 s. o. B.II.2. u. 8. 924 Vgl. dazu auch Brunt, Did Emperors ever suspend the Law of Maiestas? (1984), S. 472. 925 Vgl. Sen. de clem. 1, 20, 3.

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b) Die einzelnen Prozesse Ein gewisser Chaerea war an der Ermordung Caligulas beteiligt. Obwohl sich Claudius über den Tod Caligulas gefreut haben soll, brachte er ihn doch auf den Thron, verurteilte er Chaerea alsbald und ließ ihn hinrichten.926 Er behandelte ihn, als hätte er ihn bei einem versuchten Anschlag gegen sich selbst ertappt.927 Was man Chaerea vorwarf, war ein crimen maiestatis. Derartige Anklagen wurden, wie gesagt, auf die lex Iulia maiestatis gestützt, deren gesetzliche Strafe bloße Ausweisung war. Chaerea wurde jedoch zum Tode verurteilt, was aber der Praxis der Zeit in Majestätsprozessen entsprach und auch die Strafen in den drei928 aus den folgenden beiden Jahren überlieferten Majestätsprozessen waren. Der erste ist der Prozess gegen C. Appius Silanus.929 Er hatte den ehebrecherischen Gelüsten Messalinas nicht nachgegeben und sich dadurch ihre Feindschaft zugezogen. 42 n. Chr. beschloss Messalina deswegen, ihn mit Hilfe des mächtigen kaiserlichen Freigelassenen Narcissus aus dem Weg zu räumen.930 Narcissus erdichtete einen Traum, den er am Morgen dem Kaiser vortrug. Er habe gesehen, wie Claudius von Appius ermordet worden sei. Als nun am selben Morgen Appius in den Palast kam, wie es ihm von Messalina aufgetragen worden war, wurde der Kaiser von Furcht ergriffen. Er ließ ihn herbeirufen, unterstellte ihm Mordabsichten, verurteilte ihn931 und ließ ihn alsbald hinrichten. Nach der Hinrichtung des Silanus planten Annius Vinicianus932 und Furius Camillus Scribonianus933 einen Anschlag auf Claudius.934 Als Scribonianus die er926 Dio 60, 3, 4, Joseph. ant. 19, 266 – 271. Womöglich betrifft auch Suet. Claud. 11, 1 diesen Fall: tribunis modo ac centurionibus paucis e coniuratorum in Gaium numero interemptis (nur ein paar Tribune und Centurione aus dem Kreis der Verschwörer um Gaius ließ er umbringen). Dio schreibt die Verurteilung dem Kaiser zu, was auch zutreffen mag, denn wenig später (Dio 60, 4, 3) differenziert er zwischen der Rechtsprechung des Kaisergerichts und derjenigen des Senatsgerichts unter Beteiligung des Kaisers. Auch die Darstellung der Hinrichtung unter Leitung des Kaisers bei Joseph. ant. 19, 266 – 271 spricht für eine vorherige Verurteilung durch das Kaisergericht. Zum Prozess vgl. Cogitore, Conspirations (2002), S. 63 – 78. 927 Dio 60, 3, 4 i. f. 928 Zu weiteren Prozessen, von denen die ausgeurteilte Strafe unbekannt ist, s. den Abschnitt zu Claudius in Anhang III. 929 Er war 28 n. Chr. Konsul und unter Claudius Statthalter in Spanien. 41 n. Chr. rief dieser ihn nach Rom, wo er dritter Gemahl Domitia Lepidas, der Mutter der Kaisergattin Messalina wurde. Vgl. zu ihm Hohl, Art. Iunius (155), RE X 1, 1918, Sp. 1085 – 1087 und Stein / Petersen, Art. Iunius (822), PIR IV, 1966, S. 347 f. 930 Dazu und zum Prozess Suet. Claud. 29, 1; 37, 2, Dio 60, 14, 2 – 4, Sen. apoc. 11, 2 u. 5. 931 Dass das Verfahren vor dem Kaiser stattfand, ergibt sich aus Suet. Claud. 29, 1 und aus dem erst später erfolgten Bericht des Kaisers an den Senat, vgl. Suet. Claud. 37, 2. 932 Er war bereits einmal wegen crimen maiestatis angeklagt (vgl. Tac. ann. 6, 9) und galt nach Caligulas Tod als Thronprätendent (vgl. Joseph. ant. 29, 252, Dio 60, 15, 1). Zu ihm Klebs, Art. Annius (99), RE I 2, 1894, Sp. 2310 und Groag, Art. Annius (702), PIR I, 1933, S. 125 f.

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hoffte Unterstützung seiner Truppen in der Provinz nicht erhielt, nahm er sich das Leben. Dadurch brach die Verschwörung in sich zusammen und wurde sie vom Kaiser aufgedeckt. Die Mitverschworenen wurden vom Senat935 verurteilt und hingerichtet. Vinicianus nahm sich das Leben. 43 n. Chr. schließlich wurde ein Ritter, der wegen eines Anschlags auf Claudius angeklagt war, zum Tode verurteilt und vom Kapitol gestürzt.936 War magistratische Vollstreckung nicht verfügbar, wurden Todesurteile, wie gesagt, durch Volkstribune in Form des Felssturzes vollstreckt.937 Nach Dio waren bei dieser Vollstreckung jedoch auch Konsuln anwesend, die aber nicht unmittelbar an der Vollstreckung beteiligt gewesen sein dürften, sondern ihr lediglich beiwohnten; jedenfalls nennt Dio, entgegen der Rangfolge, die Volkstribune vor den Konsuln. Ob der Prozess vor dem Senat oder vor dem Kaiser stattfand, ist nicht überliefert.

3. Ein Repetundenprozess von 45 n. Chr.938 45 n. Chr. verurteilte Claudius einen Provinzstatthalter wegen Bestechlichkeit. Er wurde verbannt939 und alles, was er während seiner Amtsführung erworben hatte, konfisziert. Bestechlichkeit im Amt war strafbar nach der lex Iulia repetundarum, gesetzliche Strafe war Ausweisung aus Rom und Italien, verbunden mit dem Verlust des Bürgerrechts und des halben Vermögens.940 Diese Strafe wurde bislang im Wesentlichen beachtet und lediglich mehrmals zu Verbannung auf eine Insel verschärft.941 Ein Todesurteil kam in einem Repetundenprozess nur einmal vor.942 933 32 n. Chr. Konsul, unter Caligula und Claudius Statthalter von Dalmatien. Zu ihm v. Rohden, Art. Arruntius (14), RE II 1, 1895, Sp. 1264 und Groag, Art. Arruntius (1140), PIR I, 1933, S. 224 – 226. 934 Dazu und zum Prozess Dio 60, 15, 1 – 5, Plin. ep. 3, 16, 7, Suet. Claud. 13, Otho 1, Tac. ann. 12, 52, Tac. hist. 1, 89 u. 2, 75. s. a. Cogitore, Conspirations (2002), S. 243 – 249. 935 Vgl. Dio 60, 16, 3. 936 Dio 60, 18, 4. 937 s. o. A.III.1. 938 Dio 60, 25, 4. 939 Dio schreibt jõãáäåýóáò. Daraus ist nicht ersichtlich, ob das Verbannungsurteil auch die Festsetzung an einem bestimmten Ort enthielt. Zu den Begriffen und ihrer Verwendung bei Dio s. o. A.III.2.b)aa)(1)(k). 940 s. o. B.I.1.a. 941 26 v. Chr. wurde Cornelius Gallus verbannt und sein Vermögen eingezogen, doch wissen wir nicht, ob er lediglich ausgewiesen oder an einem bestimmten Ort festgesetzt wurde, s. o. B.I.1. L. Valerius Messala wurde 13 n. Chr. auf eine Insel verbannt und sein Vermögen eingezogen, s. o. B.I.6. C. Silanus wurde 22 n. Chr. ebenso auf eine Insel verbannt, s. o. B.II.9. P. Suillius wurde 24 n. Chr. lediglich ausgewiesen, s. o. B.II.14. Avillius Flaccus wurde 38 n. Chr. auf eine Insel verbannt, s. o. B.III.3. 942 Im Verfahren gegen Pomponius Labeo war 34 n. Chr. wohl ein Todesurteil geplant, s. o. B.II.20.d).

IV. Claudius

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Auch im vorliegenden Verfahren scheint sich der Kaiser bei der Strafzumessung an der gesetzlichen Strafe und der Strafpraxis orientiert zu haben. Der Angeklagte wurde lediglich verbannt.

4. Die Verbannung des Asinius Gallus (46 n. Chr.)943 Asinius Gallus944 hatte 46 n. Chr. eine Verschwörung gegen Claudius geplant. Bemerkenswert ist die Strafe, die Claudius945 für ihn festsetzte. Er wurde nicht zum Tode verurteilt, sondern lediglich verbannt,946 was der poena legis des Majestätsgesetzes entspricht, gegenüber der mittlerweile eingefahrenen Praxis aber deutlich milder ist. Dio gibt als mögliche Gründe an, Asinius habe weder Soldaten aufgewiegelt noch Geldmittel gesammelt und man habe ihn wegen seiner abstoßenden Kleinwüchsigkeit gering geachtet, so dass man ihn nicht als wirkliche Gefahr empfunden habe, er eher Gegenstand des Spottes gewesen sei. Der Prozess zeigt, dass Claudius Majestätsverbrecher nicht pauschal zum Tode verurteilte. Er wog ab, welche Strafe angemessen sei. Asinius’ Tat wog im Vergleich zu anderen Verschwörungen weniger schwer, weil er keinen militärischen Umsturz geplant hatte; man hielt ihn nicht für besonders gefährlich. Das Ansehen des Kaisers verlangte zwar, dass er Rom und Italien verließ, doch erschien Claudius ein Todesurteil offenbar zu hart. Die Orientierung der Strafzumessung an der Schwere der Tat wird in der Kaiserzeit noch öfter begegnen.947

943 Dio 60, 27, 5 bis 60, 28, 1 und Suet. Claud. 13, 2. Dazu Becker, Opposition (1950), S. 181, McAlindon, Claudius and the Senators (1957), S. 282 und Cogitore, Conspirations (2002), S. 202 – 205. 944 Er war Sohn des C. Asinius Gallus und der Vipsania Agrippina. Sein Vater hatte durch seine Heirat mit Vipsania Agrippina die Feindschaft des Tiberius auf sich gezogen, nachdem dieser sich 12 n. Chr. zugunsten der Witwe Agrippas von Agrippina hatte scheiden lassen müssen, und wurde 30 n. Chr. in einem Majestätsprozess zum Tode verurteilt (dazu oben B.II.19.). Zu Asinius Gallus s. v. Rohden, Art. Asinius (13), RE II 2, 1896, Sp. 1584 und Groag, Art. Asinius (1228), PIR I, 1933, S. 245. 945 Nach Dio entschied der Kaiser den Fall, denn im Anschluss an die Darstellung des Prozesses berichtet er davon, das Volk habe die Milde des Kaisers gelobt, Dio 60, 28, 1. 946 Es ist nicht zwingend unter 2ðårïrßæù (Dio 60, 27, 5) bloße Ausweisung zu verstehen. Das Wort schließt nicht aus, dass der Ta¨ter auch festgesetzt wurde. Zu den Begriffen und ihrer Verwendung bei Dio s. o. A.III.2.b)aa)(1)(k). 947 s. u. B.IV.6., VIII.5. und C.V.

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5. Der Prozess gegen Valerius Asiaticus und Poppaea Sabina (47 n. Chr.)948 Valerius Asiaticus949 und Poppaea Sabina950 wurden 47 n. Chr. auf Betreiben der Kaisergattin Messalina von Suillius Rufus951 vor dem Kaisergericht angeklagt. Zuerst wurde gegen Asiaticus verhandelt. Rufus warf ihm ein ganzes Bündel an Taten vor: corruptionem militum, quos pecunia et stupro in omne flagitium obstrictos arguebat, exim adulterium Poppaeae, postremum mollitiam corporis obiectante sagt Tacitus.952 Strafrechtliche Bedeutung hatte von diesen drei Vorwürfen nur der zweite: Ehebruch mit Poppaea. Unspezifische Untergrabung der Moral der Soldaten und Verweichlichung des eigenen Körpers waren an sich nicht strafbar, es sei denn, dass mit flagitium mehr gemeint war. Tacitus nimmt damit auf seine Ausführungen im vorigen Abschnitt Bezug.953 Der dem Ankläger Rufus beigegebene Sosibius sollte den Kaiser vor einer Verschwörung warnen. Asiaticus habe auch bei der Ermordung Caligulas eine Hauptrolle gespielt und wolle nun zu den ihm wohlgesonnenen germanischen Heeren reisen und dort die heimatlichen Volksstämme aufwiegeln. Man warf ihm also außer Ehebruch einen geplanten Umsturz oder doch Aufruhr vor, so dass es sich nicht nur um einen Ehebruchs-, sondern auch um einen Majestätsprozess handelte.954 Ob die Vorwürfe zutrafen oder nicht, ist nicht überprüfbar. Jedenfalls waren sie offizieller Gegenstand der Anklage. Hintergrund der Bestrebungen Messalinas sei ihre Gier nach dem Reichtum des Asiaticus gewesen, besonders nach seinen Gärten auf dem Pincio, den horti Luculli, die sie nach der Verurteilung des Asiaticus auch bekam.955 948 Tac. ann. 11, 1 – 3; 13, 43, Dio Xiphil. 60, 29, 4 – 6, Dio Zonaras 60, 29, 6a. Dazu Cogitore, Conspirations (2002), S. 205 – 211. 949 Er wurde um die Zeitenwende in Vienna an der Rhone geboren und machte sich militärisch und politisch um Rom verdient. 46 n. Chr. war er Konsul. Zu ihm ausführlich Weynand, Art. Valerius (106), RE VII A 2, 1948, Sp. 2341 – 2345 und Eck, Art. Valerius (II 1), NP 12, 2, 2002, Sp. 1106 f. 950 Tochter des Poppaeus Sabinus, eines Freundes des Kaisers Augustus, und Mutter der späteren Gattin des Kaisers Nero. Sie soll an Schönheit alle Frauen ihrer Zeit übertroffen haben, vgl. Tac. ann. 13, 45. Zu ihr Hanslik, Art. Poppaeus (3), RE XXII 1, 1953, Sp. 84 f. und Wachtel, Art. Poppaea (849), PIR VI, 1998, S. 362 f. 951 Er war mit der Stieftochter des verbannten Ovid verheiratet. Der Senat verbannte ihn unter Tiberius wegen Richterbestechung (s. o. B.II.14.) Unter Caligula wurde er aus der Verbannung zurückgeholt und war unter Claudius berüchtigter Ankläger, bis er im Alter von fast 80 Jahren erneut verbannt wurde (s.u. B.V.1.b)). s. zu ihm Fluss, Art. Suillius (4), RE IV A 1, 1931, Sp. 719 – 722 und Wachtel, Art. Suillius (970), PIR VII, 2, 2006, S. 357 f. 952 Tac. ann. 11, 2: Er warf ihm vor, die Moral der Soldaten zu untergraben, die er durch Geld und Unzucht in sein umfassendes verbrecherisches Tun verstrickt habe, ferner Ehebruch mit Poppaea und schließlich die Verweichlichung seines Körpers. 953 Tac. ann. 11, 1. 954 So auch Hanslik, Art. Vitellius (7c), RE Suppl. IX, 1962, Sp. 1733 – 1739, Sp. 1737. s. zur Geltung des Majestätsgesetzes unter Claudius oben B.IV.2.a). 955 Tac. ann. 11, 1 init.

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Zu einer Verhandlung gegen Poppaea scheint es nicht gekommen zu sein. Messalina ließ sie in Angst und Schrecken versetzen und trieb sie in den Selbstmord, ohne dass Claudius etwas davon erfuhr.956 Undeutlich bleibt, welches Urteil gegen sie vorgesehen war. Asiaticus hingegen wurde vom Kaiser zum Tode verurteilt und sein Vermögen eingezogen. Die Wahl der Todesart stellte er ihm frei: liberum mortis arbitrium ei permisit.957 Einige rieten ihm, der Hungertod sei die mildeste Todesart. Asiaticus jedoch tötete sich dadurch, dass er sich die Pulsadern öffnete.958

a) Das liberum mortis arbitrium Ein Todesurteil mit liberum mortis arbitrium begegnet hier erstmals,959 später dann öfter, allerdings scheint es nur vom Kaiser bzw. auf Betreiben des Kaisers gewährt worden zu sein.960 In den Jahren vor dem Prozess gegen Asiaticus waren Todesstrafen aufgekommen, die in ihrer Härte weit über die hergebrachten Formen der Hinrichtung hinausgingen.961 Mit der Erlaubnis, die Todesart frei zu wählen, konnte der Angeklagte derartigen Grausamkeiten entgehen.962 Er konnte sich sogar der öffentlichen Hinrichtung entziehen. War das Vermögen des Verurteilten, dem man das liberum mortis arbitrium erlaubte, zudem von der Konfiskation ausgenommen? Wer Selbstmord beging, um einem Todesurteil zuvorzukommen, konnte dadurch die Konfiskation seines Vermögens verhindern.963 Beim liberum mortis arbitrium wird der Angeklagte jedoch verurteilt, lediglich die Vollstreckung des Urteils wird ihm selbst überlassen. Im anderen Fall gibt es regelmäßig gar kein Urteil, an das die Vermögenskonfiskation geknüpft werden konnte,964 während bei liberum mortis arbitrium die Vermögenskonfiskation aus dem Urteil folgt wie aus jedem anderen Todesurteil auch.965 Tac. ann. 11, 2 i. f. Tac. ann. 11, 3. 958 Tac. ann. 11, 3. 959 Mommsen, Strafrecht (1899), S. 934 Fn. 2 verweist für die Zeit der Republik auf den bei Appian bella civilia 1, 26 überlieferten Fall der Tötung des Flaccussohnes Quintus im Jahr 121 v. Chr. Allerdings betrifft dieser kein ordentliches Strafverfahren. 960 Vgl. Tac. ann. 15, 60; 16, 11 i. f.; 16, 33, Suet. Dom. 8, 4 u. 11, 3, Suet. vita Lucani i. f. Auch den Juristen war das liberum mortis arbitrium bekannt, vgl. Ulp. 9 de off. procons. D. 48, 19, 8, 1. 961 Caligula hatte Verbrennung bei lebendigem Leib, Verurteilung zum Kampf mit wilden Tieren und Geißelung zu Tode als Todesstrafen eingeführt (s. o. B.III.2.). Zum Kampf mit wilden Tieren verurteilte auch Claudius, Dio 60, 13, 1; s. a. Suet. Claud. 15, 1 u. 2. 962 Üblicherweise öffneten sich die Verurteilten die Pulsadern, was als erträglichste Todesart galt, vgl. Tac. ann. 16, 17: quae tum promptissima mortis via, exolvit venas. 963 Vgl. Tac. ann. 6, 29 und Dio 58, 15. Dazu bereits oben B.II.1. s. a. Wacke, Selbstmord (1980), S. 54 f., Manfredini, Suicidio (2008), S. 42 – 47. 964 Es kam aber auch vor, dass der Prozess nach dem Tod des Angeklagten fortgesetzt und postum ein Todesurteil ausgesprochen wurde, aufgrund dessen dann das Vermögen kon956 957

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b) Ergebnis Der Kaiser fasste die Verhandlung wegen beider Taten, die gesetzlich mit der gleichen Strafe bedroht waren, im außerordentlichen Verfahren zusammen und erkannte auf eine Gesamtstrafe. Das Todesurteil verschärfte die poena legis, entsprach aber der Praxis in Majestätsprozessen. Claudius milderte die übliche Todesstrafe966 in seinem Urteil jedoch dadurch ab, dass er Asiaticus die Todesart freistellte. So zu entscheiden hatte L. Vitellius967 den Kaiser veranlasst, der Messalina, die den Prozess in Gang gesetzt hatte, hörig war. Claudius hatte erwogen, Asiaticus freizusprechen.968 Als Vitellius das bemerkte, bewog er den Kaiser durch eine List zur Verurteilung, indem er das freundschaftliche Verhältnis des Asiaticus zur Familie des Kaisers und seine Verdienste um das Gemeinwesen betonte und ihn bat, dem Angeklagten wenigstens die Wahl der Todesart freizustellen. Claudius machte sich den Vorschlag zu eigen und milderte die Strafe: et secuta sunt Claudii verba in eandem clementiam.969 Er nutzte die Gelegenheit, sich als princeps clemens in Szene zu setzen. Das scheint das einzige gewesen zu sein, was den Kaiser bei der Strafzumessung bewegte. fisziert wurde. Dieses Vorgehen lag besonders in politisch relevanten Fällen nahe, in denen die Öffentlichkeit ein Urteil forderte, vgl. die Verurteilung Libos und Pisos (B.II.1. u. 6.). 965 Anders Bauman, Crime and Punishment (1996), S. 74 f., der meint, beide Fälle seien gleich behandelt worden; das liberum mortis arbitrium sei ,The order to commit suicide‘. Er stützt seine Auffassung auf eine Konstitution Hadrians (bei Ulp. 10 ad Sabinum D. 28, 3, 6, 7 und Pap. 14 quaest. D. 29, 1, 34 pr.). Danach hat Hadrian die Möglichkeit, durch Selbstmord Vermögenskonfiskation zu verhindern, abgeschafft. Die Konstitution betrifft aber nur den Fall des Selbstmordes zur Verhinderung eines Todesurteils, nicht auch den Fall des liberum mortis arbitrium, wo ein Todesurteil gefällt wird. Suet. Dom. 11, 3 werden Straftäter, die man ihre Todesart frei wählen ließ, daher damnatis genannt. Auch die Konstitution Mark Aurels (Ulp. 9 de off. procons. D. 48, 19, 8, 1: divi tamen fratres rescripserunt permittentes liberam mortis facultatem) bezieht sich entgegen Bauman nicht auf die Konstitution Hadrians, sondern auf ein Todesurteil mit liberum mortis arbitrium. Dass er dem Verurteilten dadurch Vermögenskonfiskation ersparen wollte, ist der Stelle nicht zu entnehmen. Mommsen trennt zutreffend zwischen beiden Fällen (s. Strafrecht (1899), S. 934: ,Dass bei dem Todesurteil dem Verurteilten die Wahl der Todesart freigestellt wird . . .‘, vgl. auch S. 1007), geht im Abschnitt über die Vermögenskonfiskation (S. 1005 – 1011) jedoch nicht auf die Frage ein, ob das liberum mortis arbitrium Vermögenskonfiskation ausschließt. s. a. Lucinio, I processi contro Sosia Galla e Gaio Silio (2004), S. 241 – 256 und Manfredini, Suicidio (2008), S. 197 – 220. 966 Kreuzigung oder Enthauptung mit dem Beil bzw. mit dem Schwert, vgl. oben A.III.1. 967 Der Vater des späteren Kaisers A. Vitellius. Er war dreimal Konsul und unter Caligula Statthalter von Syrien. Claudius stand er besonders nahe; Messalina war er hörig, solange sie einflussreich war. Nach ihrem Sturz wusste er sich auch bei Agrippina einzuschmeicheln. Zu ihm Hanslik, Art. Vitellius (7c), RE Suppl. IX, 1962, Sp. 1733 – 1739, Seager, Tiberius (1972), S. 241 – 243, Bauman, Impietas in Principem (1974), S. 194 u. 202, Wiedemann, Valerius Asiaticus (1999), S. 323 – 335, Rutledge, Imperial Inquisitions (2001), S. 284 – 288. 968 Tac. ann. 11, 3 init. 969 Tac. ann. 11, 3: Und die Worte des Claudius folgten mit derselben Milde.

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Ein ähnlicher Fall, der im selben Jahr vor dem Senatsgericht verhandelt wurde, das diese Vergünstigung aber nicht gewährte, ergibt wohl, dass das Privileg eine Besonderheit der kaiserlichen Strafzumessung war. Zwei Brüdern, den beiden Rittern mit dem Beinamen Petra,970 wurde von Suillius vorgeworfen, ihr Haus Mnester971 und Poppaea972 zur Verfügung gestellt zu haben.973 Überdies habe einer von ihnen behauptet, geträumt zu haben, der Kaiser werde bald sterben. Der Prozess wurde wohl von Messalina initiiert, die in Mnester verliebt und eifersüchtig war. Die beiden Ritter wurden verurteilt und hingerichtet. Der erste Vorwurf dürfte als lenocinium nach der lex Iulia de adulteriis beurteilt worden sein, der zweite nach der lex Iulia maiestatis. Die gesetzliche Strafe wurde entsprechend der Strafpraxis zur Todesstrafe verschärft, die auch vollstreckt wurde. Mit clementia schmückte sich der Senat zu dieser Zeit noch nicht.974

6. Die Verschwörung Messalinas und des C. Silius (48 n. Chr.)975 Doch auch die Stellung der Kaisergattin Messalina,976 die so viele ins Verderben gestürzt hatte, geriet ins Wanken. Sie hatte Anlass, eine Verschwörung zu planen, denn sie musste fürchten, dass Agrippina minor ihren Sohn Nero zum Nachteil ihres eigenen Sohnes Britannicus als Nachfolger des Kaisers positionieren würde.977 Claudius wirkte dem nicht entgegen und bot ihr keinen Rück970 Über sie ist weiter nichts bekannt, vgl. Stein, Art. Petra, RE XIX 1, 1937, Sp. 1178 und Wachtel, Art. Pomponius (744), PIR VI, 1998, S. 326. 971 Ein berühmter Pantomime, der bereits in der Gunst Caligulas gestanden hatte. Messalina hatte sich in ihn verliebt und zwang ihn, ihr zu Willen zu sein. Zu ihm näher Stein, Art. Mnester (1), RE XV 2, 1932, Sp. 2284 und Petersen, Art. Mnester (646), PIR V, 2, 1983, S. 300 f. 972 Zu ihr bereits oben B.IV.5. 973 Tac. ann. 11, 4. 974 Später wird sich das ändern und wird auch der Senat Urteile auf clementia stützen. s. u. B.V.3.e). Zur clementia allgemein oben A.II.1. 975 Sen. apoc. 11, 1 u. 5; 13, 4, Sen. Octavia 257 – 272; 950 f., Joseph. ant. 20, 149, Tac. ann. 11, 26 – 38, Suet. Claud. 26, 2; 29, 3; 36; 39, 1, Juvenal 10, 329 – 345, Schol. Juvenal 10, 330 – 336, Dio Exc. Val. Xiphil. Zonaras 60, 31, 1 – 5, Aur. Victor 4, 10 f. 976 Messalina war vornehmer Abkunft. Sowohl über den Vater als auch über die Mutter war sie mit Augustus verwandt und auch Mark Anton zählte zu ihren Vorfahren. 39 / 40 n. Chr. heiratete sie den späteren Kaiser Claudius. Die antiken Quellen sind bei Beschreibung ihrer Person auf ihr Bedürfnis nach schrankenloser Befriedigung ihrer sexuellen Bedürfnisse fokussiert, was zu einem Teil auf die nach ihrem Tod einsetzende messalinafeindliche Propaganda zurückzuführen sein wird, vgl. Dorey, Adultery and Propaganda (1961), S. 4. Vgl. zu ihr ausführlich Herzog-Hauser / Wotke, Art. Valerius (403), RE VIII A 1, 1955, Sp. 246 – 258 und Ouesta, Messalina (1995), S. 399 – 423. 977 Von erheblichen Spannungen zwischen Messalina und Agrippina minor berichtet Tac. ann. 11, 12 init. s. a. Suet. Nero 6, 4.

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halt.978 Ob sich Messalina tatsächlich bei C. Silius979 Unterstützung erhoffte und mit ihm eine Verschwörung plante, wird unterschiedlich beurteilt.980 Für unsere Untersuchung ist diese Frage unwichtig. Entscheidend ist, welcher Strafvorwurf den Beteiligten gemacht wurde. Unmittelbar nach der Rückkehr des Kaisers aus Ostia und noch am Tag der Hochzeit von Messalina und Silius fand der Prozess gegen die Verschwörer vor Claudius981 im Prätorianerlager statt. Angeklagt waren neben Silius viele Ritter, Senatoren und Inhaber bedeutender kaiserlicher Staatsämter. Alle Angeklagten wurden zum Tode verurteilt und hingerichtet.982 Messalina hatte sich in die Lucullischen Gärten geflüchtet und konnte diesem Gerichtsverfahren noch entgehen. Claudius wollte sie am nächsten Tag richten, doch Narcissus fürchtete, der Zorn des Kaisers könne sich bis dahin legen, weshalb er heimlich die Anweisung gab, Messalina zu töten. Sie wurde noch in derselben Nacht in ihren Gärten ermordet. Welche Straftaten wurden den Beteiligten vorgeworfen? a) Angeklagtes Verbrechen Tacitus berichtet über den rechtlichen Aspekt nur undeutlich. Claudius fürchtete um seine Herrschaft und diese Furcht bei ihm zu erwecken war auch das Ziel derer, 978 Bei den Säkularspielen am 800. Jahrestag der Gründung Roms, also Anfang Juni 47 n. Chr. ließ er den neunjährigen Nero an der Eröffnung des Trojaspiels teilnehmen, wobei er von der Bevölkerung mehr gefeiert wurde als der ebenfalls teilnehmende Britannicus, vgl. Tac. ann. 11, 11. 979 Er entstammte einer hochangesehenen Familie. Sein Großvater war 20 v. Chr. Konsul und ein Freund des Kaisers Augustus gewesen. Sein Vater, Konsul des Jahres 13 n. Chr., nahm sich 24 n. Chr. in einem Majestätsprozess das Leben (s. o. B.II.12.). C. Silius selbst war zum Zeitpunkt seines Prozesses designierter Konsul. Vgl. zu ihm Nagl, Art. Silius (4), RE III A 1, 1927, Sp. 69 – 71 und Wachtel, Art. Silius (714), PIR VII, 2, 2006, S. 270 f. 980 Die Quellen liefern hierfür Anhaltspunkte (vgl. Tac. ann. 11, 31, Suet. Claud. 36, Dio Exc. Val. Xiphil. Zonaras 60, 31, 5) und auch in der modernen Literatur wird das tatsächliche Vorliegen einer Verschwörung überwiegend bejaht, vgl. Lehmann, Claudius und Nero I (1858), S. 293 ff., Domaszewski, Kaiser II (1909), S. 36 f., de Coursey Ruth, Character Study (1916), S. 84 f., Scramuzza, The Emperor Claudius (1940), S. 90 f., Mullens, Women (1941), S. 62, Passerini, Caligola e Claudio (1941), S. 30, Tolde, Innenpolitik (1948), S. 82 ff., Staehelin, Kaiser Claudius (1956), S. 153 f., McAlindon, Senatorial Opposition (1956), S. 123, Salmon, History (1957), S. 171, McAlindon, Claudius and the Senators (1957), S. 283, Momigliano, Claudius (1961), S. 76, Aalders, erfopovolging (1961), S. 37, Scullard, From the Gracchi to Nero (1963), S. 313, Boak / Sinnigen, History of Rome (1965), S. 306, Pistor, Prinzeps und Patriziat (1965), S. 164, Bengtson, Geschichte I (1967), S. 300, Meise, Untersuchungen (1969), S. 152 ff., Becker, Opposition (1995), S. 156 f., Heuss, Römische Geschichte (1998), S. 331, Levick, Claude (2002), S. 91. 981 Der Senat war an den Verurteilungen nicht beteiligt. Lediglich über Messalina sprach er die damnatio memoriae aus, Tac. ann. 11, 38. Zur damnatio memoriae s. o. B.II.12. 982 Tac. ann. 11, 35 i. f. Zweien erließ man die Todesstrafe, wobei nicht bekannt ist, ob sie freigesprochen wurden oder eine mildere Strafe, etwa Verbannung, erlitten, Tac. ann. 11, 36: Suillio Caesonio et Plautio Laterano mors remittitur.

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die ihm die Nachricht von den Vorgängen in Rom hinterbrachten. 983 Deshalb wird gelegentlich angenommen, es habe sich um Majestätsprozesse gehandelt.984 Bei sorgfältiger Betrachtung des Tac. ann. 11, 26 – 38 beschriebenen Hergangs zeigt sich jedoch, dass allein adulterium und lenocinium Gegenstand des Verfahrens waren. Diejenigen, die bei einer plötzlichen Änderung der Verhältnisse durch die Hochzeit um ihre Stellung zu fürchten hatten, waren hin- und hergerissen, ob sie den Kaiser unterrichten sollten, bevor er etwas von der Hochzeit erfahren hatte, weil sie fürchteten, dass Messalina ihn im Prozess umstimmen könnte. Das hätte sie dann in Anbetracht der bekannten Rachsucht Messalinas den Kopf gekostet.985 Wenn es hierzu heißt: crimen atrox,986 dann ist damit Ehebruch gemeint. Allein davon ist in den Abschnitten zuvor987 die Rede. Während einige noch zweifelten, hielt der kaiserliche Freigelassene Narcissus daran fest, den Kaiser zu informieren, solum id immutans ne quo sermone praesciam criminis et accusatoris faceret.988 Das crimen kann in diesem Kontext wieder nur Ehebruch, der accusator nur der Ankläger im Ehebruchsprozess sein, ebenso wie die geplante delatio die Anzeige des begangenen Ehebruchs ist: duas paelices . . . perpulit (Narcissus) delationem subire.989 Narcissus hätte ein Majestätsverbrechen kaum von zwei Mätressen anzeigen lassen. Dazu passt Ehebruch besser. Im folgenden Abschnitt990 ist denn auch nur von Ehebrüchen (adulteria) die Rede. Als Messalina und die Kinder dem zurückkehrenden Kaiser begegnen, berichtet der accusator Narcissus nur über Silius und die Hochzeitsfeier: Silium et nuptias referens, und übergibt dem Kaiser ein schriftliches Verzeichnis ihrer Ausschweifungen: codicillos libidinum indices.991 Freilich war klar, dass Silius als Messalinas neuer Ehemann Kaiser werden sollte,992 doch das bedeutet noch nicht, dass er auch wegen crimen maiestatis angeklagt worden sein muss. Tacitus nennt ihn lediglich adulter, Ehebrecher,993 Messalina adultera.994 Von einer VerschwöVgl. Tac. ann. 11, 30 i. f.; 11, 31, besonders 11, 33. Vgl. etwa Scullard, From the Gracchi to Nero (1963), S. 313, Meise, Untersuchungen (1969), S. 126 Fn. 10. Die übrigen oben in Fn. 980 genannten Autoren äußern sich hierzu nicht. Zur Geltung der lex Iulia maiestatis unter Claudius s. o. B.IV.2.a). 985 Tac. ann. 11, 28 i. f. 986 Tac. ann. 11, 28 i. f. 987 Tac. ann. 11, 26 f. 988 Tac. ann. 11, 29: Mit der Einschränkung, Messalina nicht durch eine Unterredung vorher von der Anklage und dem Kläger wissen zu lassen. 989 Tac. ann. 11, 29 i. f.: Narcissus veranlasste zwei Mätressen, das Verbrechen dem Kaiser anzuzeigen. 990 Tac. ann. 11, 30. 991 Tac. ann. 11, 34. 992 Vgl. Tac. ann. 11, 30 i. f. 993 Tac. ann. 11, 35 init. 994 Tac. ann. 11, 26 i. f. 983 984

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rung ist im Zusammenhang mit dem Prozess keine Rede. Conscii995 sind daher nicht die Mitwisser der Verschwörung, sondern die, welche die frevelhafte Hochzeit und den Ehebruch unterstützt hatten. Ein Ehebruchsprozess war für Claudius unverfänglicher als ein Majestätsprozess, denn die Hochzeit war der Skandal, der für alle offensichtlich war, während die Verschwörung bis dahin nur vermutet werden konnte; ein Majestätsprozess hätte dem Ansehen des Kaisers womöglich geschadet. b) Neue Strafe für Ehebruch Die poena legis der lex Iulia de adulteriis wurde zur Todesstrafe verschärft. Das war neu. Bis zu diesem Prozess hatten sich sowohl der Senat als auch der Kaiser an die gesetzliche Strafe der Verbannung gehalten, wenn sie auch in der Regel zur Festsetzung an einem bestimmten Ort, häufig Inseln, verschärft worden war.996 Kein Fall ist überliefert, in dem schon einmal allein für Ehebruch Todesstrafe ausgesprochen worden wäre.997 Unter Claudius entschied der Senat bislang einmal in einem Ehebruchsprozess, im Prozess gegen Seneca. Die Senatoren erwogen Todesstrafe, doch sahen sie auf Intervention des Kaisers davon ab und verhängten die übliche Strafe für Ehebruch: Seneca wurde auf eine Insel verbannt, Julia Livilla wahrscheinlich ebenso.998 Was hatte den Kaiser hier zu dieser Verschärfung der poena legis bewogen? Bisher hatte man sich auch in Fällen, in denen zwar auch Ehebruch vorlag oder doch vorgebracht wurde, man in Wahrheit aber eine Verschwörung annahm, mit der üblichen Verbannung auf eine Insel begnügt.999 Dieser Fall unterschied sich jedoch Tac. ann. 11, 35 i. f. In den Juliaprozessen und im Prozess gegen Ovid (B.I.2.-4.) beachtete Augustus die gesetzliche Verbannungsstrafe, verschärfte sie lediglich zu Festsetzung. Unter Tiberius sind nur Ehebruchsprozesse vor dem Senat überliefert, der entweder die gesetzliche Strafe (bloße Ausweisung) anwandte (B.II.3., 7.) oder die poena legis zu Verbannung auf eine Insel verschärfte (B.II.3., 17., 20.e)). Auch Caligula beachtete die Strafe des Ehebruchsgesetzes oder verschärfte sie zu Festsetzung (B.III.6.: bloße Ausweisung, 1. u. 5.: Festsetzung), ebenso bislang Claudius (B.IV.1.: Festsetzung) und später Nero (B.V.3.f): Festsetzung) und Trajan (B.VIII.6.: bloße Ausweisung). s. a. unten B.IX. 997 Fälle, in denen neben Ehebruch noch andere Verbrechen abgeurteilt wurden und dann eine härtere Strafe verhängt wurde, sind dagegen bekannt. Mamercus Aemilius Scaurus (B.II.20.d)) wurde neben Ehebruch Zauberei vorgeworfen, wofür das Gesetz Todesstrafe anordnete. Er wurde zum Tode verurteilt. Albucilla und Arruntius (B.II.20.e)) sowie Lepidus (B.III.5.), Valerius Asiaticus und den beiden Rittern Petra (B.IV.5.) wurde neben Ehebruch crimen maiestatis vorgeworfen, worauf in der Strafpraxis Todesstrafe stand. Sie wurden zum Tode verurteilt. 998 s. o. B.IV.1. 999 Begonnen mit den Juliaprozessen und dem Prozess gegen Ovid (B.I.2. – 4.), später dann der Prozess gegen die Augustusschwester Appuleia Varilla (B.II.3.) und der Prozess gegen Agrippina maior (B.II.17.). 995 996

IV. Claudius

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von den bisherigen insofern, als es sich um Ehebruch mit der Kaiserin handelte. Ein schwererer Ehebruch war nicht denkbar. Zwar hatte Messalina ihre Ehe schon mehrmals gebrochen.1000 Diesmal wurde der Ehebruch jedoch öffentlich zelebriert. Die skandalöse Hochzeit hatten alle miterlebt. Darüber konnte der Kaiser nicht mehr hinwegsehen, musste er die Täter zur Rettung seines Ansehens und seiner Macht verfolgen. Als er im Prätorianerlager Gericht hielt, stand er unter dem Druck der empörten Öffentlichkeit. Bloß die übliche Strafe zu verhängen, konnte hier nicht genügen. Als Verschärfung kam aber nurmehr Todesstrafe in Betracht, die er nun allerdings auch über Personen verhängte, deren Umfang der Beteiligung am Verbrechen gering war.1001 In diesem Fall lenkte offenbar wieder1002 die Schwere der Tat das Ermessen bei der Strafzumessung.

7. Der Prozess gegen L. Iunius Silanus und Iunia Calvina (48 / 49 n. Chr.)1003 Nach Messalinas Tod ließ Agrippina das Ziel nicht mehr los, ihren Sohn Domitius, den späteren Kaiser Nero, auf den Thron zu bringen. Sie plante, die Kaisertochter Octavia mit Domitius zu verheiraten. Octavia war jedoch bereits mit L. Iunius Silanus1004 verlobt. Deswegen sollte Silanus in einen Prozess verwickelte werden. Ihm und seiner Schwester Iunia Calvina1005 wurde eine inzestuöse Beziehung1006 1000

Vgl. Juvenal 6, 115 – 132, Dio Exc. Val. Xiphil. Zonaras 60, 31, 1, Plin. nat. hist. 10,

172. 1001 Geringere Beteiligung wurde bislang öfter mildernd berücksichtigt, vgl. oben B.II. 20.e), III.5. und im Prozess gegen Ovid (B.I.4.). 1002 Vgl. oben B.IV.4. s. a. unten B.VIII.5. und C.V. 1003 Suet. Claud. 27, 2; 29, 1 f., Tac. ann. 12, 3; 4 u. 8, Dio Exc. Val. Zonaras 60, 31, 7 f., Sen. apoc. 8, 2; 10, 4; 11, 2 u. 5. Dazu Baldwin, Executions (1964), S. 40 f. 1004 Er war der Sohn Aemilia Lepidas, der Urenkelin des Augustus (vgl. zu dieser oben B.II.7.). Die Verlobung mit Octavia fand 41 n. Chr. statt. Zu Claudius, der ihm gestattet hatte, die Ämterlaufbahn fünf Jahre vor der gesetzmäßigen Zeit zu beginnen, stand er in bestem Verhältnis. Vgl. zu ihm Hohl, Art. Iunius (180), RE X 1, 1918, Sp. 1101 – 1103 und Stein / Petersen, Art. Iunius (829), PIR IV, 1966, S. 350 – 352. 1005 Nero gestattete ihr nach Agrippinas Ermordung die Rückkehr nach Rom. Zu ihr Hohl, Art. Iunius (198), RE X 1, 1918, Sp. 1111 – 1112 und Stein / Petersen, Art. Iunia (856), PIR IV, 1966, S. 360. 1006 Tac. ann. 12, 4 heißt es zwar zunächst hinc initium accusationis; fratrumque non incestum sed incustoditum amorem ad infamiam traxit (das war der Beginn der Anklage; er stellte die zwar nicht inzestuöse, aber unvorsichtige Liebe zwischen den Geschwistern als Schande dar). Später stellt Tacitus dann aber klar, es habe sich um eine Anklage wegen Inzests gehandelt, ann. 12, 8: inridentibus cunctis quod poenae procurationesque incesti id temporis exquirerentur (und alle lachten darüber, dass zu dieser Zeit Inzest mit Strafen und Sühne belegt wurde). Bei Dio Exc. Val. Zonaras 60, 31, 8 ist die Begebenheit nur kurz erwähnt. Danach habe Silanus angeblich eine Verschwörung geplant und sei hingerichtet worden. Dio dürfte das Ende des Silanus verkürzt dargestellt und den Fokus auf den Vorwurf einer Verschwörung gerichtet haben, was ihm Agrippina durchaus vorgeworfen haben

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vorgeworfen. L. Vitellius1007 erhoffte sich persönliche Vorteile und kam Agrippina zu Hilfe, indem er Silanus beim Kaiser1008 anklagte. Inzest war schon einmal Gegenstand der Anklage in einem außerordentlichen Strafprozess gewesen. Damals hatte der Senat die Angeklagten, Sextus Marius und seine Tochter, zum Sturz vom Tarpeiischen Felsen, der wohl seit alters geltenden Inzeststrafe verurteilt.1009 Im Prozess gegen Silanus beging dieser Selbstmord, noch bevor der Kaiser ein Urteil gefällt hatte.1010 Für ihn scheint in der Tat ein Todesurteil vorgesehen gewesen zu sein.1011 Iunia Calvina wurde aus Italien ausgewiesen.1012 Die für Silanus vorgesehene Strafe entsprach dem geltenden Recht. Bei Iunia Calvina milderte Claudius die Strafe dagegen ab. Was den Kaiser dazu bewog, bleibt dunkel. Zwei Gründe, die auch bislang bei der Strafzumessung eine Rolle spielten, kommen in Betracht. Zum einen war Iunia Calvina eine Frau. Öfter war bereits erkennbar, dass Frauen im Vergleich zu Männern, die im selben Prozess verurteilt wurden, milder bestraft wurden.1013 Hinzu kam möglicherweise, dass Iunia Calvina zur Zeit des Prozesses und erst recht der angeblichen Tat noch sehr jung gewesen sein muss. Seneca bezeichnet sie bei der Ausweisung als puella.1014 Auch jugendliches Alter begegnete bereits als Grund für eine verhältnismäßig milde Strafe.1015 Beide Umstände mögen den Kaiser milde gestimmt haben. Die Bestrafung Iunia Calvinas könnte ein Fall wirklicher clementia sein.

mag. Tacitus stellt den Fall ausführlicher dar und berichtet von einem Inzestprozess. Anhaltspunkte dafür, dass er statt von einem Majestätsprozess von einem Inzestprozess berichtet, bestehen nicht. Vielmehr findet Tacitus eine Stütze in Senecas Schrift apocolocyntosis, wo am zeitnächsten über das Ende des Silanus berichtet wird, Sen apoc. 8, 2: Silanum enim generum suum occidit propterea quod sororem suam, festivissimam omnium puellarum, quam omnes Venerem vocarent, maluit Iunonem vocare (seinen Schwiegersohn Silanus nämlich hat er in den Tod getrieben, weil dieser seine Schwester, die hübscheste aller Mädchen, die alle eine Venus nannten, lieber seine Juno nennen wollte). Seneca spielt hier auf Jupiter an, der seine eigene Schwester Juno zur Frau genommen hatte. Einen Inzestprozess nehmen auch an Hohl, Art. Iunius (180), RE, art. cit., Sp. 1103, ders., Art. Iunius (198), RE, art. cit., Sp. 1112 und Hanslik, Art. Vitellius (7c), RE, art. cit., Sp. 1738. 1007 Zu ihm bereits oben B.IV.5.b). 1008 Tac. ann. 12, 4: et praebebat Caesar auris (und der Kaiser schenkte ihm Gehör). 1009 s. o. B.II.20.c) (33 n. Chr.). 1010 Inzwischen hatte er Agrippina geheiratet, Tac. ann. 12, 8 init. 1011 Tac. ann. 12, 8: usque spem vitae produxerat (bis dahin hatte er noch gehofft, am Leben bleiben zu können). 1012 Tac. ann. 12, 8: Italia pulsa est. 1013 s. o. B.II.7. u. 12. und III.5. 1014 Sen. apoc. 8, 2: festivissimam omnium puellarum. 1015 s. o. B.I.7.b), II.17. u. III.6. s. a. unten B.VIII.7. und C.I.

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8. Der Prozess gegen Lollia Paulina (49 n. Chr.)1016 Lollia Paulina war kurze Zeit mit Caligula verheiratet gewesen und versprach sich nach Messalinas Tod beim Ringen um die Gunst des Kaisers Aussichten auf eine Ehe mit Claudius.1017 Nachdem Agrippina minor den Sieg davon getragen hatte, ließ sie ihre einstige Rivalin ihren Hass spüren. Sie erdichtete Anklagepunkte und beschaffte einen Ankläger. Wer dieser war, sagen Tacitus und Dio nicht. Bekannt ist lediglich, dass Claudius im Senat Anschuldigungen gegen sie vortrug: addidit perniciosa in rem publicam consilia et materiem sceleri detrahendam: proin publicatis bonis cederet Italia.1018 Der Senat entschied daraufhin,1019 dass ihr von ihrem gewaltigen Vermögen1020 lediglich fünf Millionen Sesterzen verbleiben sollten, und wies sie aus Italien aus. Die staatsgefährdenden Pläne, von denen Claudius sprach, perniciosa consilia, legen nahe, dass sie eines crimen maiestatis angeklagt war, gesetzlich mit Ausweisung aus Italien, Verlust des Bürgerrechts und des halben Vermögens bedroht.1021 Die Strafe, die der Senat über Lollia Paulina verhängte, entsprach dieser poena legis. Das bedeutete im Vergleich zur mittlerweile üblichen Strafpraxis jedoch eine erhebliche Milderung, denn in außerordentlichen Verfahren wurde wegen crimina maiestatis regelmäßig Todesstrafe verhängt. Frauen wurden aber auch in Majestätsprozessen gelegentlich milder bestraft,1022 wenn bei crimen maiestatis auch weibliche Angeklagte schon zum Tode verurteilt worden waren.1023 Das Geschlecht Lollia Paulinas könnte bei dem milden Strafvorschlag, den der Kaiser dem Senat machte, eine Rolle gespielt haben, wenn darüber auch nicht ausdrücklich berichtet wird. Ein anderer Gesichtspunkt ist in den Annalen jedoch angesprochen. Tacitus deutet eine Ermessenserwägung des Kaisers an: materiem sceleri detrahendam: proin publicatis bonis cederet Italia.1024 Vorrangig ist für Claudius der präventive AsTac. ann. 12, 22, Dio Exc. Val. Xiphil. Zonaras 60, 32, 4. Vgl. zu ihr Stein, Art. Lollius (30), RE XIII 2, 1927, Sp. 1394 f. und Petersen, Art. Lollia (328), PIR V, 1, 1970, S. 88 f. 1018 Tac. ann. 12, 22: er fügte Bemerkungen über staatsgefährdende Pläne hinzu, man müsse ihr die Möglichkeit zum Verbrechen nehmen. Darum solle sie nach Beschlagnahme ihres Vermögens Italien verlassen. 1019 Einen eigentlichen Senatsbeschluss erwähnt Tacitus nicht, doch ist die Bemerkung ita quinquagies sestertium ex opibus immensis exuli relictum (so wurden der Verbannten aus ihrem riesigen Vermögen nur fünf Millionen Sesterzen belassen) im Anschluss an den Bericht über die Rede des Kaisers nur so zu verstehen, dass der Senat entsprechend dem Vorschlag des Kaisers entschied. 1020 Plinius nat. hist. 9, 117 f. schätzte allein ihren Festschmuck auf 40 Millionen Sesterzen. 1021 s. o. B.I.2.b). 1022 s. o. B.II.12. (Silius: Tod, Sosia Galla: bloße Ausweisung), III.5. (Lepidus: Tod, Caligulaschwestern: Verbannung auf Inseln). 1023 s. o. B.II.7. u. 20.e). 1024 Tac. ann. 12, 22. 1016 1017

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pekt. Er will Lollia Paulina durch die Bestrafung die Möglichkeit nehmen, ein Verbrechen zu begehen. Dazu schien es auszureichen, ihr das riesige Vermögen zu nehmen und sie aus Italien zu verbannen. Die Anklage mag erdichtet gewesen sein.1025 Doch bei der Strafzumessung urteilt Claudius mit Bedacht. Er geht nicht über das hinaus, was der Fall zu erfordern schien. Zur Verhinderung künftiger Verbrechen genügte es, sie aus Rom und Italien zu verbannen und ihr die finanzielle Grundlage für weitere Umtriebe zu nehmen, indem ihr Vermögen konfisziert wurde. Die in Majestätsverfahren mittlerweile übliche Todesstrafe war nicht erforderlich.

9. Repetunden- und Kalumnienprozesse der Jahre 49 bis 53 n. Chr. Aus den Jahren 49 bis 53 n. Chr. sind Repetunden- und Kalumnienprozesse überliefert mit der Tendenz sowohl des Senats als auch des Kaisers, die gesetzliche Strafe anzuwenden oder doch der üblichen Strafpraxis zu folgen. 49 n. Chr. fand der Prozess gegen Cadius Rufus1026 statt.1027 Er war Statthalter von Pontus und Bithynien, wurde von den Bithyniern wegen Erpressung angeklagt und vom Senat1028 nach der lex Iulia repetundarum verurteilt. Er wurde nicht verbannt, sondern verlor lediglich seine Ehrenrechte, insbesondere seinen senatorischen Rang, der ihm jedoch 69 n. Chr. von Otho zurückgegeben wurde.1029 Die gleiche Strafe erlitt Lurius Varus.1030 Auch ihm warf man ein Repetundenvergehen vor, begangen womöglich während seines Prokonsulats in der Provinz Africa oder Asia.1031 Er erhielt bereits 57 n. Chr. unter Nero seinen senatorischen Rang zurück.1032 1025 Tacitus stellt es so hin, was allerdings auch an seinen agrippinafeindlichen Tendenzen liegen mag. Ein agrippina- und kaiserfeindliches Verhalten seitens Lollias wäre nicht überraschend. 1026 Zu ihm Groag, Art. Cadius, RE III 1, 1897, Sp. 1170 und ders., Art. Cadius (6), PIR II, 1936, S. 1 f. 1027 Tac. ann. 12, 22, Tac. hist. 1, 77. Dazu Bleicken, Senatsgericht (1962), S. 160. 1028 Zum urteilenden Gericht äußert sich Tacitus nicht. Jedoch handelt er zuvor im Abschnitt 12, 22 von Senatsverfahren. Zudem fanden die bisher besprochenen Repetundenprozesse (B.I.1., II.9., 14., 20.d., III.3.) mit einer Ausnahme (Avillius Flaccus wurde vom Kaiser verurteilt, B.III.3.) vor dem Senat statt. Bereits das SC Calvisianum wies nicht-kapitale Repetundensachen in die Zuständigkeit des Senats (s. o. B.I.1.a)), der in der Regel auch über einen Ausschluss aus dem Senat entschieden zu haben scheint, vgl. Plin. ep. 2, 11; 2, 12 und 6, 29. 1029 Tac. hist. 1, 77. 1030 Vgl. Tac. ann. 13, 32. Er muss einige Zeit vor Rufus verurteilt worden sein. Der genaue Zeitpunkt ist unbekannt. Wahrscheinlich schilderte Tacitus die Verurteilung im verlorenen Teil des elften Buches. Zu ihm Miltner, Art. Lurius (4), RE XIII 2, 1927, Sp. 1853 und Petersen, Art. Lurius (428), PIR V, 1, 1970, S. 111. 1031 Vgl. Miltner, Art. Lurius (4), RE, art. cit., Sp. 1853.

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Die lex Iulia repetundarum unterschied zwischen schwereren und leichteren Fällen; erstere waren mit Verbannung bedroht, letztere lediglich mit Erstattung des Empfangenen und Ehrenstrafen.1033 Was den beiden im Einzelnen vorgeworfen wurde, sagt Tacitus nicht. Angesichts der Strafe scheinen ihnen lediglich leichtere Repetundenvorwürfe gemacht worden zu sein. Der Senat hielt sich an die von der lex Iulia repetundarum vorgeschriebene Strafe. 51 n. Chr. klagte der Senator Iunius Lupus1034 den hochbetagten L. Vitellius1035 wegen crimen maiestatis beim Kaiser an.1036 Agrippina, zu der Vitellius aufgrund seiner Schmeicheleien auf gutem Fuße stand, setzte sich bei Claudius für ihn ein und erreichte seinen Freispruch. Der Kaiser verurteilte daraufhin den Ankläger Iunius Lupus und verbannte ihn aus Rom und Italien: aqua atque igni interdiceret.1037 Calumnia wurde nach der lex Remmia mit bloßen Ehrenstrafen bestraft.1038 In der Spätklassik galt für calumnia dagegen das Talionsprinzip: der Ankläger erlitt die gleiche Strafe, die der schikanös Angeklagte erlitten hätte, wenn er verurteilt worden wäre.1039 Bislang haben wir drei außerordentliche Kalumnienprozesse kennengelernt.1040 Jedes Mal wurde die gesetzliche Strafe verschärft1041 oder dies zumindest erwogen.1042 Die Urteile folgten der allgemeinen Tendenz zur Verschärfung der poena legis, aber nicht dem Talionsprinzip. Mit ihrer Durchbrechung der gesetzlichen Strafe bereiteten sie jedoch die spätere Herausbildung des Talionsprinzips vor. Für das Urteil gegen Iunius Lupus gilt das gleiche. Talion hätte Todesstrafe bedeutet, denn Vitellius, den Lupus wegen crimen maiestatis angeklagt hatte, musste mit einem Todesurteil rechnen. Indessen traf Lupus lediglich Verbannung. Eine bloße Ehrenstrafe hielt der Kaiser für zu mild, womöglich auch für zu wenig abschreckend. Als nächsthärtere Strafe kam aber nur Verbannung in Betracht. Tac. ann. 13, 32. Darauf bezieht sich womöglich auch Suet. Otho 2, 2. s. o. B.I.1.a). 1034 Zu ihm ist weiter nichts bekannt, vgl. Riba, Art. Iunius (89), RE X 1, 1918, Sp. 1050 und Stein / Petersen, Art. Iunius (766), PIR IV, 1966, S. 338. 1035 Messalina war er hörig, solange sie einflussreich war. Nach ihrem Sturz wusste er sich auch bei Agrippina einzuschmeicheln. Zu ihm bereits oben B.IV.5. m. w. N. 1036 Tac. ann. 12, 42 i. f. 1037 Tac. ann. 12, 42. Aqua et igni interdictio bedeutete bloße Ausweisung, s. o. A.III.2. b)bb). 1038 Verlust der Postulationsfähigkeit und des senatorischen Ranges. 1039 s. zu alledem oben B.II.15.a). 1040 s. o. B.II.15., 20.b). 1041 Wegen schikanöser Anklagen in einem Majestätsprozess und anderen Prozessen wurden 32 n. Chr. Ankläger verbannt und zum Tode verurteilt, 34 n. Chr. wurde Abudius Ruso wegen falscher Anklage eines crimen maiestatis ausgewiesen (s. o. B.II.20.b)). 1042 Im Prozess gegen Firmius Catus, der seine Schwester mit der falschen Beschuldigung eines Majestätsverbrechens belangt hatte, wurde Ausweisung erwogen, doch entschied man sich schließlich für eine bloße Ehrenstrafe (s. o. B.II.15.). 1032 1033

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Anders in einem weiteren Kalumnienprozess von 53 n. Chr.1043 Statilius Taurus1044 war Statthalter der Provinz Africa gewesen und von seinem damaligen Legaten, Tarquitius Priscus,1045 vor dem Senat wegen crimina repetundarum und Zauberei angeklagt worden. Bevor das Senatsgericht zu einem Urteil kam, nahm sich Taurus das Leben. Offenbar sahen die Senatoren die Anklage als unbegründet an, denn sie verurteilten daraufhin den Ankläger, den sie allerdings lediglich aus dem Senat ausschlossen. Auch hier folgten die Senatoren also nicht dem Talionsprinzip, das für ihn die für Zauberei vorgesehene Todesstrafe bedeutet hätte.1046 Es blieb bei der gesetzlichen Strafe der lex Remmia. Anders als in den bisherigen Kalumnienprozessen1047 wurde die poena legis nicht einmal verschärft. Das überrascht. Gründe für diese Milde nennt Tacitus nicht ausdrücklich, doch verhehlt er Agrippinas Einfluss nicht. Sie hatte es auf die Reichtümer des Taurus abgesehen und wollte diesen mit Hilfe des Tarquitius stürzen und enteignen. Als das misslungen war, wird sie Tarquitius vielleicht nicht offen unterstützt, kann sie sich aber sehr wohl für eine milde Strafe eingesetzt haben.

10. Die Verbannung des Furius Scribonianus (52 n. Chr.)1048 Das letzte Strafverfahren unter Claudius, aus dem etwas zur Strafzumessung verlautet, ist der Prozess gegen Furius Scribonianus.1049 Man unterstellte ihm, sich bei Chaldäern nach dem Ende des Kaisers erkundigt zu haben. Dies wird ihm als crimen maiestatis zum Vorwurf gemacht worden sein.1050 Ob Agrippina an seinem Sturz beteiligt war, ist nicht überliefert. Es ist jedoch nicht unwahrscheinlich, kann sie doch um die Position ihres Sohnes gefürchtet haben. Furius Scribonianus mochte ihr als Sohn des einstigen Thronprätendenten L. Arruntius Camillus ScriTac. ann. 12, 59. Dazu Coroi, T. Statilius Taurus (1937), S. 743 – 745. Zu ihm Nagl, Art. Statilius (37), RE III A 2, 1929, Sp. 2205 – 2207 und Wachtel, Art. Statilius (856), PIR VII, 2, 2006, S. 323 f. 1045 Zu ihm Fluss, Art. Tarquitius (9), RE IV A 2, 1932, Sp. 2394 f., Eck, Art. Tarquitius (II 2), NP 12, 1, 2002, Sp. 35 und ders., Art. Tarquitius (25), PIR VIII, 1, 2009, S. 8. 1046 s. o. B.II.1.a). 1047 Lediglich im ersten bekannten Kalumnienprozess wurde die gesetzliche Strafe beachtet, nachdem vorher allerdings eine Verschärfung zu Verbannung erwogen worden war, vgl. o. B.II.15. In den folgenden Prozessen wurde die poena legis stets verschärft, meist zu Verbannung, vgl. B.II.20.b) und IV.9. (Iunius). 1048 Tac. ann. 12, 52; 14, 46. 1049 Zu ihm Groag, Art. Furius (50), RE VII 1, 1910, Sp. 351 und ders., Art. Arruntius (1147), PIR I, 1933, S. 227. 1050 Tacitus belässt es beim Vorwurf der Befragung von Chaldäern über das Ende des Kaisers. Dass man das als crimen maiestatis werten konnte, zeigt das Verfahren gegen Lollia Paulina, Tac. ann. 12, 22 (s. o. B.IV.8.), der man ebenfalls Umgang mit Chaldäern und Orakelbefragungen vorwarf und die man dann in einem Majestätsprozess verurteilte. 1043 1044

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bonianus, dessen Umsturzversuch gegen Claudius 42 n. Chr. fehlgeschlagen war und der sich deswegen das Leben genommen hatte,1051 verdächtig erscheinen. Zu seiner Bestrafung schreibt Tacitus: in exilium agitur.1052 Exilium allein verrät noch nicht, ob ihn der Kaiser lediglich auswies oder an einem bestimmten Ort festsetzte.1053 Die Verbindung mit dem Verb agere legt allerdings bloße Ausweisung nahe. Die Bestrafung entspricht der poena legis des Majestätsgesetzes, stellt gegenüber der bisherigen Strafpraxis in Majestätsprozessen jedoch eine erhebliche Milderung dar. Bestimmte Gründe für die Milderung sind nicht genannt. Womöglich entpuppte sich der Angeklagte als harmlos und ergriff der Kaiser eine Gelegenheit, sich als milder Richter aufzuspielen: ad clementiam trahebat Caesar.1054 Tacitus’ sarkastischer Unterton1055 zeigt, dass es sich nicht um echte Milde, sondern um propagandistische Darstellung kaiserlicher clementia handelte.

11. Zusammenfassung Die behandelten1056 Prozesse machten Folgendes aus der Strafrechtsprechung unter Kaiser Claudius deutlich. Da vom Regierungsantritt bis 46 n. Chr. die Berichte aus dem verlorenen Teil der Annalen des Tacitus fehlen, ist die Überlieferung ebenso dünn wie für die Regierungszeit Caligulas. Trotz ihrer Konzentration auf die Person des Kaisers berichten aber Sueton und Dio auch aus diesen Jahren von Prozessen vor dem Senat,1057 während aus der Zeit Caligulas nur Prozesse vor dem Kaisergericht überliefert sind. Claudius scheint die Jurisdiktion demnach zu einem Teil wieder mehr dem Senat überlassen zu haben.1058 Das passt zu seinem allgemeinen Bemühen um Ausgleich und Zusammenarbeit mit den Senatoren auch auf anderen Gebieten.1059 Die Darstellung in den Annalen ergibt das gleiche Bild. Die taciteische Überlieferung reist mit dem Tod des Kaisers Tiberius erst einmal ab. Aus tiberischer Zeit hatte Tacitus von vielen Strafverfahren berichtet, allesamt Senatsprozesse. Mit s. o. B.IV.2.b) (Verschwörung des Scribonianus). Tac. ann. 12, 52 init. 1053 Zu den Begriffen und ihrer Verwendung bei Tacitus s. o. A.III.2.b)aa)(1)(h). 1054 Tac. ann. 12, 52. In der Verbannung konnte man ihn zudem leichter heimlich beseitigen, was auch hier geschehen zu sein scheint, wie Tacitus berichtet. 1055 Zu ähnlichen Beispielen vgl. Adam, Clementia (1970), S. 105 – 107. 1056 Die Überlieferung bietet viele weitere Informationen zur Strafpraxis dieser Zeit, die jedoch keine Auskünfte zum richterlichen Ermessen liefern. s. dazu Anhang III. 1057 B.IV.1., 2.b). 1058 Dies sogar in Majestätsverfahren, B.IV.2.b) (Verschwörung des Scribonianus), und in einem Ehebruchsverfahren gegen ein weibliches Mitglied des Kaiserhauses, B.IV.1. 1059 Vgl. Eck, Art. Claudius (III 1), NP 3, 1997, Sp. 22 – 26, Sp. 24 f. 1051 1052

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dem Jahr 47 n. Chr. setzen seine Berichte wieder ein und zeigen nun eine Veränderung: Verfahren vor dem Senat und vor dem Kaiser halten sich ungefähr die Waage.1060 Tacitus bestätigt also den Eindruck, den Sueton und Dio für die ersten Regierungsjahre des neuen Kaisers hinterlassen. Bei der Strafzumessung durch Kaiser und Senat sind zwei Pole erkennbar: zum einen die Ausrichtung an der gesetzlichen Strafe bzw. an der gängigen Strafpraxis,1061 aber auch Verschärfungen und Milderungen. Dabei begegnen Aspekte, die bereits früher eine Rolle gespielt haben, jedoch auch neue Erwägungen. Claudius bezog bei der Strafzumessung das Geschlecht und das Alter ein1062 und berücksichtigte die Bildung des Angeklagten.1063 Einmal ist der Gesichtspunkt der Prävention weiterer Straftaten durch Anwendung einer bestimmten Strafe ausdrücklich angesprochen.1064 All das wurde bereits früher bei der Strafzumessung beachtet.1065 Ein neuer Gesichtspunkt ist die Berücksichtigung der Schwere der Tat. Sie wurde in einem Fall als gering angesehen und führte zu einem milden Urteil,1066 in einem anderen Fall als erheblich, weswegen sie zu einer verschärften Strafe führte.1067 Dort, wo Sueton sich zur Rechtsprechung des Kaisers äußert, erwähnt er eben dies: et in maiore fraude convictos legitimam poenam supergressus ad bestias condemnavit.1068 Auch Claudius scheint also in besonders schweren Fällen die von Caligula eingeführte Todesstrafe des Kampfes mit wilden Tieren angewandt zu haben.1069 Daneben war auch die Milde des Kaisers zu beobachten. Für die Zeit vor Claudius nannten die Quellen nur einmal ausdrücklich kaiserliche clementia als Grund einer Strafmilderung.1070 Unter Claudius kommt das nun dreimal vor.1071 Beson1060 Senatsverfahren: B.IV.5.b) (Ritter Petra), 8., 9. Verfahren vor dem Kaisergericht: B.IV.5., 6., 7., 9. (Iunius) u. 10. 1061 In den beiden überlieferten Repetundenverfahren wurde die gesetzliche Strafe der lex Iulia repetundarum beachtet, s. o. B.IV.3. u. 9, in dem Kalumnienprozess von 53 n. Chr. die gesetzliche Strafe der lex Remmia, s. o. B.IV.9. Die regelmäßige Verschärfung der gesetzlichen Strafe des Majestätsgesetzes zu Todesstrafe wurde auch unter Claudius beibehalten, s. o. B.IV.2.b), 5. Im Ehebruchsprozess gegen Julia Livilla und Seneca wurde die in der Strafpraxis übliche Verbannung auf eine Insel ausgesprochen, s. o. B.IV.1. 1062 s. o. B.IV.7. u. 8. 1063 s. o. B.IV.1. 1064 s. o. B.IV.8. 1065 s. die Zusammenfassungen B.I.9., II.21. und III.7. 1066 s. o. B.IV.4. 1067 Erstmals wurde in einem bloßen Ehebruchsprozess auf den Tod erkannt, s. o. B.IV.6. 1068 Suet. Claud. 14: Und bei denen, die eines schwereren Verbrechens überführt waren, verschärfte er die gesetzliche Strafe und verurteilte sie zum Kampf mit wilden Tieren. 1069 Vgl. auch Dio 60, 13, 1. 1070 s. o. B.I.8. 1071 s. o. B.IV.1., 5. u. 10.

V. Nero

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ders seit Tiberius war clementia principis Teil der kaiserlichen Propaganda.1072 Wie bei diesem Kaiser zeigte die Untersuchung der Strafmilderungen unter Claudius aber keine echte clementia. Vielmehr scheinen Strafmilderungen die Umsetzung des politischen Programms in der strafrechtlichen Praxis gewesen zu sein.

V. Nero: Strafzumessung im Spiegel von quinquennium Neronis und Tyrannenherrschaft Die Regierungszeit Neros (54 – 68 n. Chr.) bietet mit den insoweit fast vollständig erhaltenen Annalen des Tacitus,1073 Suetons Nerobiographie, den Zeugnissen Senecas und den Berichten Dios eine breite Überlieferung zum Strafrecht. Aus den Anfangsjahren, den ,guten Jahren‘,1074 sind im Wesentlichen Prozesse wegen Ankläger- und Repetundenvergehen überliefert. Nach der Ermordung der Kaiserinmutter Agrippina (59 n. Chr.)1075 und der Kaisergattin Octavia (62 n. Chr.)1076 und besonders nach der Aufdeckung der pisonischen Verschwörung (65 n. Chr.)1077 ändert sich das. Majestätsprozesse und Todesurteile bestimmen dann das Bild.

1. Prozesse wegen Anklägervergehen Gegen Anklägervergehen ging man in den Jahren zwischen 55 und 61 n. Chr. energisch vor, was auf Unbestechlichkeit und Unabhängigkeit jedenfalls der Senatsjustiz schließen lässt. Zwar wurden in allen Verfahren härtere Strafen als die poena legis verhängt, doch ging man über Verbannung in der Regel nicht hinaus. Man orientierte sich an der bisherigen Strafpraxis, die sich dadurch verfestigte. Kaiser Domitian (81 – 96 n. Chr.) wird diese Praxis später aufgreifen und Verbannung als Strafe für schikanöse Anklagen festschreiben: . . . ut accusatori qui causam non teneret exsilium poena esset.1078 Außer dieser Orientierung an der bisherigen Rechtsprechung werden in den nachfolgenden Prozessen jedoch noch andere Gesichtspunkte der Strafzumessung deutlich. s. o. A.II.1. Allerdings ist Buch 16 von Abschnitt 36 an verloren, so dass Berichte über die letzten beiden Regierungsjahre Neros fehlen. 1074 s. Aur. Victor 5, 2, Lepper, Quinquennium Neronis (1957), S. 95 – 103, Murray, quinquennium Neronis (1965), S. 41 – 61, Henderson, Nero (1968), S. 75 f., Griffin, Nero (1984), S. 50 – 66, Wiedemann, Tiberius to Nero (1996), S. 243 – 248. 1075 Tac. ann. 14, 8. 1076 Tac. ann. 14, 60 – 63. 1077 s. u. B.V.4. 1078 Suet. Dom. 9, 2: . . . dass die Strafe des Anklägers, der eine Anklage nicht durchstand, Verbannung sei. 1072 1073

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B. Die einzelnen Prozesse bis Trajan

Die ersten beiden Kalumnienverfahren fanden vor dem Kaiser statt. Sie waren Vergeltungen von Angriffen auf kaiserliche Protegés, wobei dennoch die übliche Kalumnienstrafe beachtet wurde.

a) Die Kalumnienprozesse gegen die Ankläger Agrippinas (55 n. Chr.)1079 Iunia Silana1080 stand längere Zeit mit der Kaiserinmutter Agrippina auf gutem Fuße. Als sich dies 55 n. Chr. änderte, plante sie, Agrippina durch einen Prozess vor Nero zu Fall zu bringen. Sie gewann Iturius1081 und Calvisius1082 als Ankläger, die Agrippina vorwarfen, sie habe zusammen mit Rubellius Plautus1083 Nero stürzen und als Gemahlin des Plautus den Staat unter ihre Kontrolle bringen wollen. Unterstützt wurden sie von einem gewissen Atimetus.1084 Doch Agrippina hielt eine ergreifende Verteidigungsrede und erwirkte eine Unterredung mit ihrem Sohn Nero. Sie konnte ihn zu ihrem Freispruch und Verurteilung der Ankläger und der an dem Vorhaben sonst noch Beteiligten 1085 bewegen. Silana, Iturius und Calvisius wurden aus Rom und Italien ausgewiesen.1086 Atimetus wurde hingerichtet. Plautus geschah fürs erste nichts.1087 Tac. ann. 13, 19 – 22. Vgl. dazu Shotter, Nero Caesar Augustus (2008), S. 61 f. Sie war die Gattin des C. Silius, den Messalina 48 n. Chr. geheiratet und dem sie dadurch ebenso wie sich selbst den Untergang bereitet hatte (s. o. B.IV.6.). Noch vor 59 wurde sie zurückgeholt, vgl. Tac. ann. 14, 12. Zu ihr Hohl, Art. Iunius (205), RE X 1, 1918, Sp. 1113 f. und Stein / Petersen, Art. Iunia (864), PIR IV, 1966, S. 361. 1081 Nero gestattete ihm 59 n. Chr. nach Agrippinas Tod die Rückkehr, vgl. Tac. ann. 14, 12. Zu ihm Stein, Art. Iturius, RE IX 2, 1916, Sp. 2380 f., Rudich, Political Dissidence (1993), S. 263 f., Rutledge, Imperial Inquisitions (2001), S. 238 f. 1082 Auch er wurde 59 n. Chr. nach Agrippinas Tod von Nero zurückgeholt, vgl. Tac. ann. 14, 12. Zu ihm Groag, Art. Calvisius (1), RE III 1, 1897, Sp. 1410, Rutledge, Imperial Inquisitions (2001), S. 208. 1083 Er war mütterlicherseits wie Nero ein Nachkomme des Augustus und wurde allgemein als der nächste Anwärter auf den Thron angesehen, vgl. Tac. ann. 14, 22. Zu ihm Philipp, Art. Rubellius (8), RE I A 1, 1914, Sp. 1160 f. und Wachtel, Art. Rubellius (115), PIR VII, 1, 1999, S. 87 f. 1084 Zu ihm ist weiter nichts bekannt, vgl. v. Rohden Art. Atimetus, RE II 2, 1896, Sp. 2101, Rudich, Political Dissidence (1993), S. 263, Rutledge, Imperial Inquisitions (2001), S. 200 f. 1085 Eine schikanöse Anklage im Sinne der lex Remmia erhoben an sich nur die Ankläger Iturius und Calvisius, doch wurden auch Silana und Atimetus verurteilt. Silana hatte die Ankläger zur Anklage angestiftet, was von Rechts wegen wohl erst seit dem Senatus Consultum Turpillianum von 61 n. Chr. strafbar war, vgl. Marc. lib. sing. ad SC Turp. D. 48, 16, 1, 13, Macer 2 publicorum D. 48, 15, 1 pr. und Pap. 16 responsorum D. 48, 19, 34, 1. Dazu Mommsen, Strafrecht (1899), S. 492 f. Atimetus war weder als Ankläger noch als Anstifter einer Anklage an dem Prozess beteiligt, hatte lediglich die Aussage eines bestimmten Zeugen veranlasst. Ob dieses Verhalten vom Tatbestand der lex Remmia erfasst wurde, ob die Verurteilung der anderen Beteiligten also rechtmäßig war, soll hier nicht interessieren. Von Belang ist, welche Strafe für ein Verhalten festgesetzt wurde, dessen Bestrafung auf die lex Remmia gestützt wurde. 1079 1080

V. Nero

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Die im Vergleich zu den anderen Beteiligten härtere Bestrafung des Atimetus überrascht, war er doch an der Tat in geringerem Umfang beteiligt. Aber er war von niederem Stand: Freigelassener der im Jahr zuvor wegen Zauberei angeklagten Domitia Lepida,1088 der Tante Neros.1089 Silana war dagegen Patrizierin. Von Iturius und Calvisius berichtet Tacitus zwar, dass sie clientes der Silana waren,1090 was aber noch nicht heißen muss, dass es sich bei ihnen nicht um angesehene Leute handelte.1091 Immerhin hielt Silana sie für fähig, vor dem Kaiser eine Anklage zu vertreten. Außerdem waren sie für Nero bedeutend genug, dass er sich nach Jahren erneut mit ihrem Fall beschäftigte und ihnen die Rückkehr aus dem Exil gestattete.1092 Jedenfalls standen sie im Lager der reichen Patrizierin Silana. Bislang bot die Überlieferung keinen Fall, in dem Angeklagte verschiedener Stände im selben Verfahren verurteilt wurden, so dass die Frage, ob dieser Umstand bei der Strafzumessung berücksichtigt wurde, uns noch nicht beschäftigt hat.1093 Hier nun begegnet ein solches Verfahren. Es scheint, als habe der niedere Stand des Atimetus den Richter veranlasst, Härte zu demonstrieren und die Todesstrafe zu verhängen, während er die anderen Beteiligten lediglich aus Rom und Italien auswies, den gefährlichsten, Plautus, sogar laufen zu lassen schien, freilich ließ er ihn sieben Jahre später in Asien töten und sich sein Haupt bringen.1094 Häufig wird die Frage, ab wann ungleiche Strafen je nach sozialer Stellung des Angeklagten verhängt wurden, mit der Frage nach der Entstehung des Dualismus 1086 In exilium acta schreibt Tacitus über Silana, ann. 13, 22, was bloße Ausweisung nahe legt, vgl. oben B.IV.10. Später wurde ihr die Rückkehr gestattet. Sie kehrte longinquo ab exilio nach Tarent zurück (vgl. Tac. ann. 14, 12). Longinquum exilium ist zwar in der Tat nicht zeitlich, sondern räumlich zu verstehen (so zutreffend Furneaux, Tacitus II (1883) zu der Stelle). Doch daraus folgt lediglich, dass sie sich zunächst an einen weit von Rom bzw. Tarent entfernten Ort begeben hatte, nicht auch dass sie an diesem Ort festgesetzt wurde. Für Iturius und Calvisius lesen wir relegantur, Tac. ann. 13, 22, bzw. relegaverat, Tac. ann. 14, 12. Relegare wird bei Tacitus sowohl für Festsetzungen als auch für bloße Ausweisung gebraucht. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass auch diese beiden lediglich ausgewiesen wurden. Zu den Begriffen und ihrer Verwendung bei Tacitus s. o. A.III.2.b)aa)(1)(h). 1087 Tac. ann. 13, 22 init. 1088 Vgl. Tac. ann. 12, 64 f. 1089 Tac. ann. 13, 19: Atimeto, Domitiae Neronis amitae liberto. 1090 Tac. ann. 13, 19. 1091 Vgl. v. Premerstein, Art. Clientes, RE IV 1, 1900, Sp. 23 – 55, Sp. 52 f., Saller, Personal Patronage (1982), S. 7 – 39 und Brunt, The Fall of the Roman Republic (1988), S. 382 – 422 (Klientelwesen). 1092 Tac. ann. 14, 12. 1093 Die Schonung des Plautius Lateranus ob patrui egregium meritum im Prozess wegen der Verschwörung Messalinas und des C. Silius (s. o. B.IV.6.) ist noch kein Beleg für ständische Strafungleichheit. Zum einen ist nicht bekannt, ob er lediglich eine mildere Strafe erlitt oder von seiner Verfolgung ganz abgesehen wurde, zum anderen wurden im selben Verfahren auch Angehörige seines Standes zum Tode verurteilt und hingerichtet. 1094 Tac. ann. 14, 57 – 59 und Dio 62, 14, 1.

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B. Die einzelnen Prozesse bis Trajan

honestiores – humiliores gleichgesetzt, der seit Antoninus Pius1095 und Hadrian1096 nachweisbar ist. Zum Teil wird ständische Strafungleichheit seit Beginn der Kaiserzeit angenommen. Das ist nicht unwahrscheinlich, lässt sich allerdings nicht belegen, da es an Fällen fehlt, in denen im selben Prozess oder in vergleichbaren Prozessen Personen verschiedenen Standes verurteilt wurden.1097 Der vorliegende Kalumnienprozess ist das erste derartige Strafverfahren und zeigt, dass jedenfalls unter Nero Ungleichheit praktiziert wurde. Von nun an wird die Orientierung des Ermessens am Stand des Angeklagten öfter begegnen.1098 Die unterschiedliche Behandlung von Straftätern verschiedener Stände war auch der republikanischen Strafpraxis nicht fremd. Die einen ließ man ins Exil entweichen, an den anderen wurde das Todesurteil vollstreckt; die einen wurden enthauptet, die anderen gekreuzigt. Das war aber lediglich Ungleichbehandlung bei der Vollstreckung des Todesurteils, ebenso wie etwa ein Auspeitschenlassen mittelloser Kleinkrimineller wie Diebe durch den praefectus vigilum zunächst nicht von Rechts wegen die gesetzlich vorgesehenen Busßgelder ersetzten, seit Julian unter Pius aber offenbar durchaus.1099 Seit dem frühen Prinzipat setzt dagegen eine am Stand des Angeklagten orientierte Strafungleichheit ein, die sich später zum offen ausgesprochenen Rechtssatz verfestigte. Silana, Iturius und Calvisius wurden, wie gesagt, verbannt. Die Bestrafung folgte nicht dem Talionsprinzip, denn Agrippina drohte die Todesstrafe.1100 Vielmehr ori1095 So de Robertis, La variazione della pena (1954), S. 70 ff. u. 87 ff. und Cardascia, classes (1950), S. 306 unter Verweis auf ein Reskript dieses Kaisers (D. 48, 5, 39, 8). s. a. Christ, Sozialstruktur (1980), bes. S. 213 – 218 und Vittinghoff, Soziale Struktur (1980), S. 48 f. 1096 So Jones, Criminal Courts (1972), S. 108 f., Bauman, Crime and Punishment (1996), S. 127, ders., Human Rights (2000), S. 100. Robinson, Summary (1991 / 92), S. 94: ,In the second century‘. 1097 Ständische Strafungleichheit bereits vor Hadrian vermuten Humbert, La peine en droit romain (1991), S. 180 und Aubert, A Double Standard (2002), S. 105, jedoch ohne dies näher auszuführen. Garnsey, Social Status and Legal Privilege (1970), stellt S. 34 – 40 Fälle milder Bestrafung aus der frühen Kaiserzeit vor, in denen Personen hoher gesellschaftlicher Stellung angeklagt waren, und folgert daraus ständische Strafungleichheit. Jedoch übergeht er andere dort in Betracht kommende Milderungsgründe wie hohes Alter oder weibliches Geschlecht. Zudem wurden in anderen Prozessen zur selben Zeit Angeklagte ähnlicher Stellung zu harten Strafen verurteilt. Wenn es auch angesichts der außerordentlichen Strafpraxis, die in den Händen der höheren Schichten lag und es ermöglichte, bei der Strafzumessung Standesunterschiede zu berücksichtigen, nicht fernliegend erscheint, ständische Strafungleichheit bereits für den Beginn der Kaiserzeit anzunehmen, so mangelt es doch an sicheren Zeugnissen. Ein solches liefert der hier untersuchte Kalumnienprozess, auf den Garnsey nicht eingeht. Vgl. zu Garnsey bereits kritisch Nörr, Rez. z. Garnsey Social Status (1971), S. 411. s. a. Rilinger, Humiliores – Honestiores (1988), S. 26. 1098 s. u. B.V.3.c) u. 3.g), VIII.2. und die entsprechenden Fälle unten B.IX. 1099 Julian 22 digestorum D. 47, 2, 57, 1, dazu Liebs, Klagenkonkurrenz (1972), S. 160 f. 1100 Todesstrafe war die übliche Strafe für crimen maiestatis. Bei weiblichen Angeklagten wurde sie öfter abgemildert und nur auf Verbannung erkannt (s. o. B.II.7., 12. (Sosia), III.5., IV.8.). Doch kamen in Majestätsverfahren auch bei Frauen Todesurteile vor (s. o. B.II.20.e)). Für Agrippina war jedenfalls ein Todesurteil vorgesehen, vgl. Tac. ann. 13, 20: Burrus necem

V. Nero

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entierte sich der Kaiser bei der Strafzumessung an der bisherigen Praxis1101 in Kalumnienverfahren: Die poena legis der lex Remmia wurde zu Verbannung verschärft. Aus demselben Jahr gibt es noch einen ähnlichen Fall.1102 Ein gewisser Paetus1103 hatte die agrippinanahen Staatsdiener Pallas und Burrus1104 einer Verschwörung gegen den Kaiser angeklagt, doch wurden beide freigesprochen. Daraufhin wurde der Ankläger Paetus wegen calumnia angeklagt und vom Kaiser1105 mit Verbannung1106 bestraft. Talion hätte Todesstrafe bedeutet. b) Kalumnienprozesse aus den Jahren 57 und 58 n. Chr.1107 Im ersten Kalumnienprozess vor dem Senatsgericht1108 orientierten sich dann auch die Senatoren an dieser Strafpraxis. Eprius Marcellus1109 war Statthalter der Provinz Pamphylia et Lycia gewesen und wurde 57 n. Chr. nach dem Ende seiner Amtszeit wegen crimen repetundarum eius (Agrippinae) promitteret, si facinoris coargueretur (Burrus versprach Agrippinas Tötung, falls sie des Verbrechens überführt würde). 1101 Im ersten bekannten Kalumnienprozess wurde die gesetzliche Strafe verhängt, allerdings erst, nachdem eine Verschärfung zu Ausweisung erwogen worden war, vgl. o. B.II.15. Ebenso noch einmal 53 n. Chr., s. o. B.IV.9. In den übrigen Prozessen wurde die poena legis stets verschärft, meist zu Verbannung, vgl. B.II.20.b) und IV.12 (Iunius). 1102 Tac. ann. 13, 23. s. a. Dio Xiphil. Exc. Val. 61, 10, 6. 1103 Zu ihm ist weiter nichts bekannt, s. Stein, Art. Paetus (1), RE XVIII 2, 1942, Sp. 2283, Rudich, Political Dissidence (1993), S. 20 f., Rutledge, Imperial Inquisitions (2001), S. 252 f. 1104 Burrus wurde 51 n. Chr. durch den Einfluss Agrippinas alleiniger Prätorianerpräfekt und verhalf Nero zur Macht. Zu ihm v. Rohden, Art. Afranius (8), RE I 1, 1893, Sp. 712 f. und Stein, Art. Afranius (441), PIR I, 1933, S. 74. 1105 Tacitus berichtet, Burrus habe seine Stimme, obgleich er eben noch Angeklagter war, als Richter abgegeben, Tac. ann. 13, 23. Um ein Senatsverfahren konnte es sich also nicht handeln, denn als Ritter konnte er dort nicht abstimmen, vgl. Bleicken, Senatsgericht (1962), S. 97. Vielmehr scheint Tacitus Burrus als Mitglied des kaiserlichen consilium zu sehen (so auch Kunkel, Die Funktion des Konsiliums (1968), S. 279), wobei er ihn vom bloßen Berater des Kaisers in seiner Funktion als Richter zum iudex erhebt, um den Gegensatz zu seiner vormaligen Position als Angeklagter in derselben Sache zu unterstreichen. Burrus war Prätorianerpräfekt, vgl. Tac. ann. 12, 42 u. 13, 20. Nero pflegte seine Präfekten öfter zu Rate zu ziehen, vgl. die Beteiligung der Präfekten Ofonius Tigellinus und Faenius Rufus in Verfahren nach Aufdeckung der pisonischen Verschwörung, Tac. ann. 15, 58. Zum kaiserlichen consilium unter Nero vgl. Crook, Consilium Principis (1955), S. 45 ff., Bleicken, Senatsgericht (1962), S. 115 f., Kunkel, Die Funktion des Konsiliums (1968), S. 275 ff., Amarelli, Consilia Principum (1983), S. 169 ff. 1106 Ob er lediglich ausgewiesen oder festgesetzt wurde, ist der Wortwahl in den Annalen nicht zu entnehmen: exiliumque accusatori inrogatum, Tac. ann. 13, 23. 1107 Dazu Bleicken, Senatsgericht (1962), S. 161. 1108 Tac. ann. 13, 33 i. f. 1109 Zu ihm ausführlich Kappelmacher, Art. Eprius, RE VI 1, 1907, Sp. 261 – 264, Eck, Jahresund Provinzialfasten (1982), S. 288 – 291, Rutledge, Imperial Inquisitions (2001), S. 225 – 228.

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B. Die einzelnen Prozesse bis Trajan

angeklagt. Durch Beeinflussung des Senats1110 erreichte er jedoch einen Freispruch. Seine Ankläger wurden wegen calumnia zu Verbannung verurteilt.1111 Im darauffolgenden Jahr wurde der berüchtigte Ankläger Suillius Rufus1112 vor dem Senat in einen Kalumnienprozess verwickelt.1113 Er hatte durch gewagte Äußerungen, die nicht aus der Luft gegriffen waren, Seneca schwer beleidigt. Wohl auf dessen Betreiben1114 wurde er vor dem Senat1115 nach dem Repetundengesetz angeklagt. Man warf ihm vor, während seiner Statthalterschaft in Kleinasien die Bundesgenossen ausgeplündert und öffentliche Gelder unterschlagen zu haben. Weil den Provinzialen zur Beschaffung der Beweise jedoch eine Frist von einem Jahr gewährt wurde, änderte man die Anklage und warf ihm nun vor, dass einige seiner zahlreichen Anklagen schikanös gewesen seien, wodurch er viele absichtlich zu Tode gebracht habe, und verurteilte ihn wegen calumnia. Bemerkenswert ist die Strafe, die Rufus traf. Man beschlagnahmte einen Teil seines Vermögens und verbannte ihn auf die Balearen. Talion hätte Todesstrafe und Einziehung des ganzen Vermögens bedeutet, denn viele, die er angeklagt hatte, waren hingerichtet und ihr Vermögen eingezogen worden. Stattdessen orientierte 1110 Dass der Prozess und das anschließende Kalumnienverfahren vor dem Senatsgericht stattfanden, erhellt nicht schon aus der Beschreibung in den Annalen. Doch spricht für das Senatsgericht, dass die von Tacitus im Satz zuvor erwähnte Verurteilung des Cossutianus Capito, der ebenfalls wegen crimen repetundarum angeklagt war, vom Senat ausgesprochen wurde, s. o. B.V.2. (Cossutianus). Zudem kann sich der ambitus des Marcellus, von dem Tacitus berichtet, schwerlich beim Kaisergericht ausgewirkt haben. Beim Senat war das dagegen leichter möglich und kam es häufiger vor, vgl. etwa Tac. ann. 4, 2; 13, 29; 14, 28. Entsprechend wird auch der Repetundenprozess gegen P. Celer, von dem Tacitus zu Beginn des Abschnitts 13, 33 berichtet, vor dem Senat stattgefunden haben. So wird verständlich, warum es dazu heißt: quia absolvere nequibat Caesar (weil ihn der Kaiser ja nicht freisprechen konnte). Nero war also nicht Richter. 1111 Ob Ausweisung oder Festsetzung ausgesprochen wurde, ist nicht erkennbar: exilio multarentur, Tac. ann. 13, 33 i. f. 1112 Suillius war unter Tiberius vom Senat wegen Richterbestechung verbannt worden (s. o. B.II.14.), doch Caligula hatte ihm die Rückkehr gestattet. Unter Claudius war er berüchtigter Ankläger. s. zu ihm Fluss, Art. Suillius (4), RE IV A 1, 1931, Sp. 719 – 722 und Wachtel, Art. Suillius (970), PIR VII, 2, 2006, S. 357 f. 1113 Tac. ann. 13, 43. Dazu Baldwin, Executions (1964), S. 46 f. 1114 Vgl. Tac. ann. 13, 43 init. 1115 Der Prozessbericht Tac. ann. 13, 43 zeigt zwar eine maßgebliche Beteiligung des Kaisers (vgl. etwa: donec eam orationem Caesar cohibuit – bis der Kaiser diese Rede unterbrach). Als nach der Verurteilung des Suillius die Ankläger auch dessen Sohn angreifen, heißt es jedoch: intercessit princeps. Wäre Nero Richter gewesen, hätte Tacitus für sein Einschreiten eine andere Formulierung gewählt. Näher liegt deshalb, dass das Verfahren vor dem Senat unter Neros Leitung stattfand, der zum Zeitpunkt des Prozesses Konsul war. Auch bislang fanden Repetundenprozesse überwiegend vor dem Senat statt (vgl. o. B.I.1., 6., II.9., 14., 20.d) und IV.9., Kaisergericht lediglich B.III.3. u. IV.3.). Die bisher von Tacitus für die Regierungszeit Neros referierten Anklagen wegen crimina repetundarum wurden allesamt beim Senat eingereicht. Für die Tac. ann. 13, 33 erwähnten Fälle vgl. oben B.V.1.b) u. 2. (Cossutianus). Für die Fälle Tac. ann. 13, 30 legt das der Beginn des Abschnitts nahe: Damnatus isdem consulibus . . . .

V. Nero

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sich das Gericht bei der Strafzumessung wie im Jahr zuvor im Prozess gegen die Ankläger des Eprius Marcellus an der üblichen Kalumnienstrafe und verhängte lediglich Verbannung. Die Senatoren entschieden sich für die härtere Form und verbannten ihn auf eine Inselgruppe. Grund für Festsetzung auf eine Inselgruppe könnte gewesen sein, dass Rufus bereits unter Tiberius wegen eines ganz ähnlichen Vorwurfs verbannt worden war.1116 Er hatte für eine von ihm zu treffende richterliche Entscheidung Geld angenommen. Seinerzeit waren die Senatoren dem Antrag des Kaisers, den Angeklagten auf eine Insel zu verbannen, nicht gefolgt und wiesen Rufus lediglich aus Rom und Italien aus. Nachdem ihm Caligula die Rückkehr gestattet hatte, wurde er mit seinen vielen schikanösen Anklagen gewissermaßen rückfällig. Die härtere Bestrafung eines Wiederholungstäters begegnete bereits früher1117 und mag auch hier der Grund für die Strafschärfung gewesen sein. Sie war jedoch maßvoll. Die Balearen sind und waren eine überaus fruchtbare, wasserreiche und verhältnismäßig kultivierte Inselgruppe.1118 Womöglich wollte man dem wohl schon nahezu Achtzigjährigen1119 keine allzu unmenschlichen Lebensbedingungen auferlegen. Auch die mildernde Berücksichtigung hohen Alters bei der Strafzumessung wäre nicht neu.1120 Maßvoll waren die Senatoren zudem bei der Vermögenskonfiskation. Sie konfiszierten nicht das ganze Vermögen, sondern beließen einen Teil dem Sohn und der Enkelin des Angeklagten; außerdem nahmen sie das Erbe seiner verstorbenen Frau zugunsten von Sohn und Enkelin von der Konfiskation aus. Rücksichtnahme auf die familiäre Situation des Angeklagten bei der Entscheidung über die Strafe begegnete gleichfalls bereits früher.1121

c) Der Prozess wegen praevaricatio gegen Valerius Ponticus (61 n. Chr.)1122 Valerius Ponticus1123 hatte Angeklagte1124 dem Gericht des Stadtpräfekten entzogen, indem er sie, an sich korrekt, vor dem Prätor anklagte, allerdings mit dem s. o. B.II.14. Vgl. die Majestätsprozesse gegen Cassius Severus, B.I.5. und II.13., und Prozesse wegen Anklägervergehen, B.II.20.b). 1118 s. Hübner, Art. Baliares, RE II 2, 1896, Sp. 2823 – 2827 und Barceló, Art. Baliares, NP 2, 1997, Sp. 420 f. 1119 Vgl. Tac. ann. 13, 42: extrema senecta. 1120 s. o. B.II.13. 1121 s. o. B.II.7. 1122 Tac. ann. 14, 41. 1123 Zu ihm Hanslik, Art. Valerius (295), RE VIII A 1, 1955, Sp. 176, Köstermann, Tacitus IV (1968), S. 194 f., Talbert, Senate (1984), S. 467, Rutledge, Imperial Inquisitions (2001), S. 276. 1124 Es könnte sich um andere Beteiligte der von Valerius Fabianus angezettelten Testamentsfälschung gehandelt haben. Tacitus nennt sie unspezifisch rei. 1116 1117

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Hintergedanken, sie dort durch entsprechende Prozessführung der Bestrafung zu entziehen. Wegen dieser Tat wurde er vor dem Senat1125 angeklagt und verurteilt. Als Strafe bestimmten die Senatoren Ausweisung aus Italien.1126 Einen Strafprozess in der Absicht zu führen, dem Angeklagten zum Freispruch oder einer allzu milden Bestrafung zu verhelfen und ihn dadurch vor anderweitiger Anklage zu schützen, war als praevaricatio strafbar. Gesetzliche Strafe waren wie bei calumnia Ehrenstrafen.1127 Die poena legis wurde also wie in den Kalumnienprozessen der vergangenen Jahre zu Verbannung verschärft. Womöglich orientierten sich die Senatoren bei der Strafzumessung an dem praevaricatio-Prozess des Jahres 34 n. Chr., in dem ebenfalls auf Verbannung erkannt worden war.1128

2. Repetundenprozesse Außer den Prozessen wegen Anklägervergehen haben wir aus Neros Anfangsjahren eine Reihe von Repetundenprozessen.1129 Sie stehen für die Unabhängigkeit des Senatsgerichts gegenüber geldgierigen, meist vom Kaiser eingesetzten Provinzstatthaltern in diesem Zeitraum und zeigen, dass die Senatoren ihr Ermessen bei der Strafzumessung an der gesetzlichen Strafe der lex Iulia repetundarum ausrichteten, wie sie das auch in früheren Repetundenverfahren getan hatten1130 und künftig tun werden. Der erste Repetundenprozess ist der gegen Cossutianus Capito.1131 Er hatte die Provinz Kilikien als prätorischer Legat verwaltet, wurde 57 n. Chr. von den Kilikiern vor dem Senat1132 angeklagt und lege repetundarum1133 verurteilt. Der Senat 1125 Die Verurteilung durch das Senatsgericht ergibt sich aus der Formulierung additur senatus consulto, Tac. ann. 14, 41. 1126 Mit den Worten pari ignominia kann Tacitus nur an die im Satz zuvor erwähnte Bestrafung des Pompeius Aelianus anknüpfen, der aus Italien und seinem Geburtsland Spanien ausgewiesen worden war. 1127 Vgl. oben B.II.20.b). 1128 s. o. B.II.20.b). 1129 In den nachfolgenden drei Fällen ist die angewandte Strafe bekannt, weswegen sie näher ausgeführt sind. Zu den übrigen Repetundenverfahren, die aufgrund der fehlenden Überlieferung zum Strafmaß keine Aussage über die Strafzumessung zulassen, vgl. die Prozesse unter Nero in Anhang III. 1130 In den schwereren Fällen erkannten sie bislang auf Verbannung (B.I.1. u. 6., II.9. u. 14., III.3. und IV.3.), in den leichteren auf bloße Ehrenstrafen (B.IV.9.). Nur einmal verschärften sie die gesetzliche Strafe zur Todesstrafe, s. o. B.II.20.d). 1131 Zu ihm Groag, Art. Cossutianus (1), RE IV 2, 1901, Sp. 1673, Bauman, Impietas in Principem (1974), S. 153 – 156, Talbert, Senate (1984), S. 250 u. 475, Rutledge, Imperial Inquisitions (2001), S. 218 f. Zum Prozess Tac. ann. 13, 33; 14, 48; 16, 21, Quint. inst. 6, 1, 14, Juvenal 8, 92 ff. Dazu Bleicken, Senatsgericht (1962), S. 161. 1132 Vgl. Juvenal 8, 92 f.: damnante senatu. 1133 So wörtlich Tac. ann. 13, 33.

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scheint ihn lediglich zu Rückerstattung verurteilt und eine Ehrenstrafe ausgesprochen zu haben, denn später1134 heißt es: a Cossutiano Capitone, qui nuper senatorium ordinem precibus Tigellini soceri sui receperat . . . . Die lex Iulia repetundarum schrieb für schwere Repetundenvergehen Verbannung vor, für leichtere bloße Rückerstattung nebst Ehrenstrafen wie den Verlust der Postulationsfähigkeit und des senatorischen Ranges.1135 Die Kilikier warfen Capito nur leichtere Repetundenvergehen vor.1136 Das Urteil entsprach also der gesetzlich vorgesehenen Strafe. Ebenso in den Repetundenprozessen von 59 n. Chr.1137 gegen Pedius Blaesus1138 und Scaevinus Paquius.1139 Ersterer war Statthalter der Provinz Kreta und Kyrene. Nach dem Ende seiner Amtszeit wurde er von Provinzialen vor dem Senat1140 wegen Bestechung und Begünstigung angeklagt. Er wurde verurteilt und verlor seinen senatorischen Rang. Dieselbe Strafe wurde über Scaevinus Paquius ausgesprochen.1141 Gewalttätigkeiten wurden ihnen offenbar nicht nachgewiesen, weswegen die in der lex Iulia repetundarum für weniger schwere Fälle vorgesehene Strafe zur Anwendung kam. Die Reihe beschließt der Prozess gegen Vibius Secundus.1142 Er hatte die Provinz Mauretanien als Statthalter verwaltet und wurde 60 n. Chr. wegen crimen repetundarum vor dem Senat1143 angeklagt und verurteilt. Ihm muss Schwerwiegendes vorgeworfen worden sein, denn man erwog zunächst ein härteres Urteil. Tac. ann. 14, 48 (62 n. Chr.). s. o. B.I.1.a). 1136 Vgl. Tac. ann. 13, 33: detulerant maculosum foedumque et idem ius audaciae in provincia ratum quod in urbe exercuerat (sie klagten ihn an als einen anrüchigen und gemeinen Menschen, der geglaubt hatte, in der Provinz dasselbe Recht auf Frechheit zu haben, wie er es in Rom ausgeübt hatte). 1137 Tac. ann. 14, 18, Tac. hist. 1, 77. Dazu Bleicken, Senatsgericht (1962), S. 162. 1138 Seinen verlorenen senatorischen Rang erhielt er von Otho wieder zurück, vgl. Tac. hist. 1, 77. Zu ihm Wachtel, Art. Pedius Blaesus, PIR VI, 1998, S. 78. 1139 Über ihn und den Prozess gegen ihn ist nichts weiter bekannt, lediglich dass das Strafverfahren unter Nero stattfand. Er wird hier erwähnt, weil ihn Tacitus (hist. 1, 77) zusammen mit Pedius Blaesus nennt. Vgl. zu ihm Petersen, Art. Paquius Scaevinus (127), PIR VI, 1998, S. 39. 1140 Die Beschreibung des Verlusts des senatorischen Ranges durch die Worte motus senatu (Tac. ann. 14, 18) legt eine Verhandlung vor dem Senat nahe, was in Repetundenprozessen üblich war, vgl. o. B.V.1.b). 1141 Vgl. Tac. hist. 1, 77. 1142 Zu ihm Ensslin, Art. Vibius (52), RE VIII A 2, 1958, Sp. 1983 und Eck, Jahres- und Provinzialfasten (1982), S. 336. Zum Prozess Tac. ann. 14, 28. Dazu Bleicken, Senatsgericht (1962), S. 162, Scognamiglio, Nullum Crimen (2009), S. 104 f. 1143 Repetundenprozesse fanden üblicherweise vor dem Senat statt, s. o. B.V.1.b) mit Fn. 1115. Das von Tacitus berichtete Eintreten seines einflussreichen Bruders ist nur in Verbindung mit einem Senatsverfahren und nicht mit einem Verfahren vor dem Kaisergericht erklärbar. 1134 1135

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Schließlich bestimmten die Senatoren als Strafe Ausweisung aus Italien: Italia exigitur.1144 Das entsprach der gesetzlichen Strafe.

3. Sonstige Prozesse Neben den Verfahren wegen Anklägervergehen und Repetunden sind aus den Jahren vor Aufdeckung der pisonischen Verschwörung 65 n. Chr. auch andere, für uns aufschlussreiche Strafverfahren überliefert. a) Der Mordprozess gegen Octavius Sagitta (58 n. Chr.)1145 Der Volkstribun Octavius Sagitta1146 war in eine gewisse Pontia verliebt. Er hatte sie durch reiche Geschenke, die ihn an den Rand des finanziellen Ruins brachten, zu einem Eheversprechen bewogen. Als sie das Versprechen zurücknahm und eine Ehe mit einem reicheren Mann einging, konnte er sich nicht mehr zügeln und ermordete sie. Der Vater der Ermordeten klagte ihn vor dem Senat an und dieser verbannte ihn nach der lex Cornelia de sicariis et veneficiis auf eine Insel.1147 Gesetzliche Strafe der lex Cornelia de sicariis et veneficiis war Todesstrafe,1148 die bislang auch in der außerordentlichen Gerichtspraxis beachtet,1149 nur in Ausnahmefällen abgemildert worden war: aus machtpolitischen Gründen, weil das Verbrechen schon lange Zeit zurücklag, wegen unbefriedigender Beweislage und wegen weiblichen Geschlechts der Angeklagten.1150 Hier ist keiner der bislang beachteten Milderungsgründe erkennbar. Die Senatoren könnten die Strafe aber wegen Handelns aus Leidenschaft gemildert haben, wie das auch schon in einem ähnlichen Fall geschehen war1151 und es auch später als Rechtssatz begegnet.1152 Denkbar ist, dass man das Verhalten der Geliebten zwar nicht als die Tat rechtfertigend, das Verhalten Sagittas aber doch nicht als geradezu unverständlich ansah, weswegen der Senat die gesetzliche Todesstrafe als zu hart empfand und ihn lediglich auf eine Insel verbannte. Tac. ann. 14, 28 i. f. Tac. ann. 13, 44 u. Tac. hist. 4, 44. 1146 Zu ihm Stein, Art. Octavius (84), RE XVII 2, 1937, Sp. 1854 f. und Wachtel, Art. Octavius (57), PIR V, 3, 1987, S. 426 f. 1147 Tac. ann. 13, 44: lege de sicariis condemnatur. Dass er auf eine Insel verbannt wurde, ergibt sich aus Tac. hist. 4, 44: Octavium Sagittam et A. Sosianum . . . egressos exilium in easdem insulas redegit (er schickte Octavius Sagitta und A. Sosianus . . . , die aus ihrem Exil ausgebrochen waren, auf dieselben Inseln zurück). 1148 s. o. B.I.7.a)aa). 1149 s. o. B.II.19. (Sejan und Livilla). 1150 s. o. B.II.4. u. 7. 1151 s. o. B.II.5. 1152 s. u. C.VII. 1144 1145

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Vergleichen wir die Entscheidung mit der Entwicklung des Tötungsrechts des Ehegatten beim Ehebruch der Ehefrau. Die lex Iulia de adulteriis räumte nur dem Vater der Ehebrecherin ein Tötungsrecht ein,1153 der aber beide töten musste. Tötete er nur einen von beiden, wurde er seinerseits nach dem Cornelischen Mordgesetz mit dem Tode bestraft.1154 Der Ehemann dagegen durfte nach dem Ehebruchsgesetz seine Frau nicht töten.1155 Tat er es dennoch, drohte ihm nach der lex Cornelia de sicariis et veneficiis die Todesstrafe. Das wurde später aber abgemildert. Jedenfalls seit Antoninus Pius (138 – 161 n. Chr.) konnte dem Täter in solchen Fällen die Todesstrafe erlassen und er lediglich auf eine Insel verbannt werden.1156 Marc Aurel mit Commodus (177 – 180 n. Chr.) setzte später fest, dass der Ehemann gänzlich straflos bleiben solle, wenn er den Ehebrecher im Affekt getötet hatte.1157 Ob das Senatsurteil gegen Octavius Sagitta eine derartige Ausstrahlung entfaltete, dass man an einen Zusammenhang zwischen diesem Strafverfahren und der späteren Rechtslage in vergleichbaren Ehebruchsfällen denken könnte, ist ungewiss. Doch zeigen sowohl die Entscheidung der Senatoren als auch das sich entwickelnde Tötungsrecht des Ehemannes, dass eine patriarchalische Gesellschaft wie die römische, der auch die Senatoren verhaftet waren, bei der Strafzumessung für solches Verhalten ein gewisses Verständnis aufbrachte.

b) Der Prozess gegen Livineius Regulus und andere Beteiligte (59 n. Chr.)1158 59 n. Chr. kam es in Pompeji bei Fechterspielen, die Livineius Regulus1159 veranstaltet hatte, zu Krawallen zwischen den Einwohnern von Nuceria1160 und PomPap. 1 de adulteriis D. 48, 5, 21. Macer 1 de publ. iudic. D. 48, 5, 33 pr. 1155 Pap. 1 de adulteriis D. 48, 5, 23, 4. Lediglich bestimmte ruchbare Ehebrecher (genannt sind Kuppler, Schauspieler, Tänzer, Sänger und Infame) durfte auch der Ehemann töten, der dann aber seine Frau auch fortschicken musste, vgl. Macer 1 publicorum D. 48, 5, 25 pr. u. § 1. 1156 Pap. 36 quaest. D. 48, 5, 39, 8 zitiert ein entsprechendes Reskript von Antoninus Pius, das für Standespersonen in diesen Fällen statt der Todesstrafe Verbannung auf eine Insel ermöglichte, für Angehörige niederer Stände lebenslängliche Zwangsarbeit. s. a. Marcian 14 inst. D. 48, 8, 1, 5, Pap. 1 de adult. Coll. 4, 10, 1 und C. 9, 9, 4 (Alex. Severus), wo als Strafe für diesen Fall lediglich exilium genannt ist. 1157 s. ebenfalls Pap. 36 quaest. D. 48, 5, 39, 8 und Paul. 1 de adult. Coll. 4, 3, 6. 1158 Tac. ann. 14, 17. Die Krawalle sind auf einem Fresko aus Pompeji dargestellt, jetzt im Archäologischen Museum in Neapel, Reg. 1, 3, 25. s. Bianchi-Bandinelli (1970), S. 64 Abb. 70. 1159 Zu ihm Fluss, Art. Livineius (4), RE XIII 1, 1926, Sp. 809 und Petersen, Art. Livineius (291), PIR V, 1, 1970, S. 70. s. a. L’Année Épigraphique, 1967, 87 u. 1991, 307. 1160 Stadt in Campanien zwischen Salerno und Pompeji. Zu ihr Philipp, Art. Nuceria, RE XVII 1, 1936, Sp. 1235 – 1237, Colonna, Nuceria Alfaterna (1974), S. 379 – 385 und Albore Livadie, Nuceria (1985), S. 207 – 211. 1153 1154

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peji. Die Beteiligten bewarfen sich mit Steinen und griffen zu Waffen, wobei viele verletzt und getötet wurden. Die Angelegenheit wurde vom Senat untersucht. Für die Pompejaner wurde verfügt, zehn Jahre lang derartige Veranstaltungen zu meiden. Regulus und die anderen Mitverantwortlichen wurden mit Verbannung bestraft: Livineius et qui alii seditionem conciverant exilio multati sunt.1161 Ob bloße Ausweisung oder Festsetzung angeordnet wurde, bleibt undeutlich.1162 aa) Die Strafe für seditio Vorgeworfen wurde ihnen also seditio, Aufruhr. Bei seditio scheinen je nach Erscheinungsform verschiedene Strafgesetze einschlägig gewesen zu sein. War sie auf die Ermordung von Personen ausgerichtet, kam die lex Cornelia de sicariis et veneficiis zur Anwendung.1163 Hatte sie von vornherein politische Beweggründe und war gegen den Staat gerichtet, unterfiel sie dem Majestätsgesetz.1164 Führte jemand lediglich eine Menschenansammlung herbei, bei der es dann zu Gewalttätigkeiten in der Öffentlichkeit kam, wurde seditio nach der lex Iulia de vi1165 bestraft.1166 Die von Regulus veranstalteten Spiele arteten in Gewalttätigkeiten der Massen aus. Weder ein politischer Beweggrund noch eine anfängliche Absicht, jemanden zu töten, ist erkennbar, so dass Regulus und die anderen Beteiligten nach der lex Iulia de vi verurteilt worden sein müssen.1167 Nach Ulpian1168 und Marcian1169 ist seditio der vis publica zuzuordnen, so dass als gesetzliche Strafe aqua et igni interdictio gelten würde.1170 Demgegenüber 1161 Tac. ann. 14, 17 i. f.: Livineius und die anderen am Aufruhr Beteiligten wurden mit Verbannung bestraft. 1162 Zum Begriff exilium bei Tacitus s. o. A.III.2.b)aa)(1)(h). 1163 Vgl. Marc. 14 inst. D. 48, 8, 3, 4. 1164 Vgl. Ulp. 7 de off. procons. D. 48, 4, 4, 1. s. a. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 562 – 565, Pugliese, Appunti (1939), S. 57 f. 1165 s. zu dieser lex oben B.II.10.b). 1166 Vgl. Marcian 14 inst. D. 48, 6, 3 pr. u. § 2 und PS 5, 26, 3. Später scheint sich das Delikt seditio zu einem selbständigen Verbrechen entwickelt zu haben. Die Paulussentenzen enthalten einen eigenen Titel de seditiosis (5, 22), worin sämtliche Sanktionen, angefangen bei allen Arten der Zwangsarbeit in Staatsbetrieben und Verbannung bis hin zum Tod, begegnen. Auch Callistrat 6 de cogn. D. 48, 19, 28, 3 stellt seditio unabhängig von der lex Iulia de vi dar und nennt als Sanktionen körperliche Züchtigung, Verbannung und Todesstrafe. 1167 So schon Rein, Criminalrecht (1844), S. 762, auch Pékary, Seditio (1987), S. 139. Einen Majestätsprozess nehmen ohne zwingende Gründe Mommsen, Strafrecht (1899), S. 564 und Coroi, violence (1915), S. 248 u. 305 an. 1168 68 ad ed. D. 48, 6, 10. 1169 14 institutionum D. 48, 6, 3 pr. u. § 2. 1170 s. o. B.II.10.b).

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scheint in den Paulussentenzen seditio der vis privata zugeordnet zu sein: lege Iulia de vi privata tenetur, qui . . . seditione . . . fecerit.1171 Für vis privata sah die lex Iulia de vi lediglich Konfiskation eines Drittels des Vermögens und Ausschluss von öffentlichen Ämtern vor.1172 Zur Strafe äußert sich der Sentenzenverfasser im Anschluss indessen folgendermaßen: si honestiores sunt, tertia pars bonorum eripitur et in insulam relegantur: humiliores in metallum damnantur.1173 Wenn er uns hier auch nicht die gesetzliche Strafe der lex Iulia de vi referiert,1174 scheint er dennoch von ursprünglich kapitaler Bestrafung der seditio auszugehen. Das macht ihre anfängliche Zuordnung zur vis publica jedenfalls wahrscheinlich,1175 wofür die lex Iulia als gesetzliche Strafe aqua et igni interdictio vorsah.1176 bb) Ergebnis Die Anklage gegen Regulus ist womöglich die erste Anklage wegen seditio vor dem Senatsgericht, jedenfalls aber der erste aus der Kaiserzeit überlieferte Strafprozess wegen Aufruhrs. Anders als bei anderen Delikten konnten die Senatoren hier nicht auf eine eingefahrene außerordentliche Strafpraxis zurückgreifen. So hielten sie sich an die gesetzliche Strafe der aqua et igni interdictio und verbannten den Angeklagten. c) Ein Fälschungsprozess von 61 n. Chr.1177 Der betagte ehemalige Prätor Domitius Balbus war reich und kinderlos. Einer seiner Verwandten, Valerius Fabianus,1178 unterschob ihm ein Testament zu seinen Gunsten. Er bediente sich dabei mehrerer Senatoren und Ritter1179 als Testaments1171 PS 5, 26, 3: Nach der lex Iulia de vi privata wird bestraft, wer . . . einen Aufruhr . . . verursacht hat. 1172 s. o. B.II.10.b). 1173 Wenn es honestiores sind, wird ihnen ein Drittel ihres Vermögens genommen und werden sie auf eine Insel verbannt; humiliores werden zu Bergwerksarbeit verurteilt. 1174 Die unterschiedliche Bestrafung von honestiores und humiliores ist nicht schon augusteisch, sondern tritt erst in späterer Zeit auf, s.o. B.I.2.a) mit Fn. 80. Verurteilung zu Zwangsarbeit in Staatsbetrieben begegnet erstmals unter Caligula, s. o. B.III.2. Auch relegatio war keine Strafe der Strafgesetze, s. o. A.III.2.b). 1175 Vgl. Pugliese, Appunti (1939), S. 57 und Vitzthum, lex Plautia und lex Iulia de vi (1966), S. 71 – 73. 1176 s. o. B.II.10.b). 1177 Tac. ann. 14, 40 f. Vgl. dazu Garnsey, Social Status and Legal Privilege (1970), S. 27 – 30. 1178 Zu Domitius und Valerius ist weiter nichts bekannt, s. Groag, Art. Domitius (37), RE V 1, 1903, Sp. 1419 und ders., Art. Domitius (136), PIR III, 1943, S. 42 bzw. Lambertz, Art. Valerius (152), RE VIII A 1, 1955, Sp. 1. 1179 Die Senatoren Antonius Primus (zu ihm v. Rohden, Art. Antonius (89), RE I 2, 1894, Sp. 2635 – 2637 und Groag, Art. Antonius (866), PIR I, 1933, S. 168 f.), Asinius Marcellus

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zeugen. Fabianus und die anderen Beteiligten wurden vor dem Senat der Testamentsfälschung angeklagt und nach dem Cornelischen Fälschungsgesetz verurteilt. Tacitus belässt es in den Annalen bei der Auskunft, Fabianus und seine Mitwisser1180 seien vor dem Senat der Testamentsfälschung angeklagt und nach der lex Cornelia testamentaria nummaria verurteilt worden. Welche Strafen ausgesprochen wurden, sagt er nicht. Für Antonius Primus,1181 einen der beteiligten Senatoren, ergeben andere Quellen jedoch, dass er verbannt wurde.1182 Nicht erweislich ist, ob die anderen die gleiche Strafe erlitten, doch liegt dies angesichts der für alle Beteiligten einheitlichen Schilderung in den Annalen nahe: quod apud patres convictum et Fabianus Antoniusque cum Rufino et Terentio lege Cornelia damnantur.1183 Für Verbannung aller Beteiligten spricht auch die anschließende Bestrafung des Pompeius Aelianus.1184 Ihm wurde noch am selben Tag Beteiligung am Verbrechen des Fabianus nachgewiesen, was Ausweisung aus Italien und seinem Geburtsland Spanien zur Folge hatte: Italia et Hispania in qua ortus erat interdictum est.1185 Poena legis der lex Cornelia testamentaria nummaria war Todesstrafe.1186 Sie wurde im Prozess gegen Valerius Fabianus und die anderen an der Testamentsfälschung Beteiligten zu Verbannung abgemildert. In den Fällen gesetzlich angeordneter Todesstrafe wurde sie bislang in der Regel auch verhängt.1187 Hier wich (zu ihm Klebs, Art. Asinius (18), RE II 2, 1896, Sp. 1588 und Groag, Art. Asinius (1232), PIR I, 1933, S. 249) und Pompeius Aelianus (zu ihm Lambertz, Art. Pompeius (65), RE XXI 2, 1952, Sp. 2268 und Wachtel, Art. Pompeius (589), PIR VI, 1998, S. 256) und die Ritter Vinicius Rufinus (zu ihm Hanslik, Art. Vinicius (10), RE IX A 1, 1961, Sp. 120) und Terentius Lentinus (zu ihm Stein, Art. Ternetius (54), RE V A 1, 1934, Sp. 664). 1180 Lediglich Asinius Marcellus schützte das Andenken an seine Vorfahren und die Fürsprache des Kaisers vor Strafe, aber nicht vor Schande: poenae magis quam infamiae exemere. Der Begriff infamia ist aufgrund des Gegensatzes zu poena nicht im Rechtssinne als rechtliche Bescholtenheit (dazu oben B.II.15.a)), sondern hier untechnisch als ,Schimpf und Schande‘ zu verstehen. 1181 Ihm wurde 69 n. Chr. von Galba gestattet, aus dem Exil zurückzukehren. Er schloss sich den Flaviern an, erhielt den Oberbefehl über die Truppen in Pannonien und Mösien und kämpfte erfolgreich gegen Vitellius. Zu ihm v. Rohden, Art. Antonius (89), RE, art. cit., Sp. 2635 – 2637 und Groag, Art. Antonius (866), PIR, art. cit., S. 168 f. 1182 Vgl. Dio Exc. Val. 65, 9, 3: Antonius Primus . . . , einen Mann, der unter Nero zu Verbannung verurteilt (jõãüíôá), von Galba aber zuru¨ckberufen worden war. Die Wortwahl verra¨t nicht, ob Festsetzung oder bloße Ausweisung ausgesprochen wurde, s. o. A.III.2.b) aa)(1)(k). s. a. Tac. hist. 2, 86. 1183 Tac. ann. 14, 40 i. f.: Sie wurden von den Senatoren dieser Tat überführt und Fabianus und Antonius wurden zusammen mit Rufinus und Terentius nach der lex Cornelia verurteilt. s. a. Schiller, Geschichte (1872), S. 152. 1184 Zu ihm Lambertz, Art. Pompeius (65), RE XXI 2, 1952, Sp. 2268 und Wachtel, Art. Pompeius (589), PIR VI, 1998, S. 256. 1185 Tac. ann. 14, 41 init.: Ihm wurde Italien und Spanien, wo er geboren war, verboten. 1186 s. o. B.II.7. a. E. 1187 Vgl. oben B.I.7., II.1., 2., 19. (Sejan und Livilla), 20.c) und d) (Aemilius) und IV.7. Im Prozess B.II.4. wurde die gesetzlich angeordnete Todesstrafe lediglich aus politischen Grün-

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man von der poena legis ab und verurteilte die Testamentsfälscher lediglich zu Verbannung. Schon im ersten überlieferten Prozess unter Nero hatten sich Anhaltspunkte für eine am Stand des Angeklagten orientierte Strafungleichheit ergeben.1188 Beide Fälle könnten die Anfänge der grundsätzlich milderen Bestrafung von Standespersonen markieren.1189 Kurze Zeit nach dem Prozess wird der freimütige und kaiserkritische Thrasea1190 fordern, für einen Senator solle als äußerste Strafe Verbannung gelten.1191 Ein spätklassisches Digestenfragment erklärt schließlich, Freien drohe bei Fälschung Verbannung, während Sklaven mit dem Tode bestraft würden: Poena falsi . . . deportatio est et omnium bonorum publicatio: et si servus eorum quid admiserit, ultimo supplicio adfici iubetur.1192 Ersteres ist die im vorliegenden Prozess gegenüber Standespersonen verhängte Strafe, letzteres die ursprüngliche poena legis der lex Cornelia testamentaria nummaria.

d) Die Ermordung des Stadtpräfekten Pedanius Secundus (61 n. Chr.)1193 Pedanius Secundus1194 war von einem seiner Sklaven ermordet worden. Angeblich nach altem Brauch (vetere ex more),1195 in Wahrheit jedoch nach einem erst 10 n. Chr. ergangenen Senatsbeschluss, dem SC Silanianum,1196 sollten darauf alle unter demselben Dach wohnenden Sklaven, die nicht nachweisen konnten, ihrem Herrn zu Hilfe gekommen zu sein, zusammen mit dem Mörder hingerichtet werden zu Verbannung abgemildert, während der Angeklagte von Beginn an umgebracht werden sollte, was später auch geschah. Lediglich einmal wurde die Todesstrafe der lex Cornelia de sicariis et veneficiis zu Verbannung auf eine Insel abgemildert, was besondere Gründe hatte, s. o. B.V.3.a). 1188 s. o. B.V.1.a). 1189 Zur Strafungleichheit vgl. oben B.I.2.a) m. w. N. zur Literatur in Fn. 80. 1190 Zu ihm ausführlich Kunnert, Art. Clodius (58), RE IV 1, 1900, Sp. 99 – 103 und Stein, Art. Clodius (1187), PIR II, 1936, S. 283 f. 1191 Vgl. Dio Petr. Patr. Exc. Vat. 62, 15, 1a (63 n. Chr.). 1192 Macer 14 inst. D. 48, 10, 1, 13: Strafe für Fälschung . . . ist deportatio und Verlust des gesamten Vermögens: und wenn ein Sklave etwas derartiges begangen hat, muss er mit dem Tode bestraft werden. Ebenso Inst. 4, 18, 7. s. a. PS 5, 25, 1. 1193 Tac. ann. 14, 42 – 45. s. dazu Kuhn, Die Kreuzesstrafe (1982), S. 692 f., Nörr, C. Cassius Longinus (1983), S. 187 – 198, Wolf, Das Senatusconsultum Silanianum (1988), bes. S. 9 – 18, Bauman, Lawyers and Politics (1989), S. 92 – 107, dres., Crime and Punishment (1996), S. 81 – 83, Dowling, Clemency (2006), S. 211 f. 1194 Er war 43 n. Chr. Suffektkonsul und noch unter Claudius Statthalter der Provinz Asia. Zur Zeit seiner Ermordung war er Stadtpräfekt in Rom. Zu ihm Groag, Art. Pedanius (9), RE XIX 1, 1937, Sp. 23 – 25 und Wachtel, Art. Pedanius (202), PIR VI, 1998, S. 73 – 75. 1195 Tac. ann. 14, 42. 1196 s. dazu Mommsen, Strafrecht (1899), S. 630 f., Dalla, Senatus Consultum Silanianum (1980), Nörr, C. Cassius Longinus (1983), S. 188 f., Wolf, Das Senatusconsultum Silanianum (1988), S. 10 – 13, Robinson, Slaves and the Criminal Law (1981), S. 233 – 235.

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den. Dies wurde 57 n. Chr. durch einen weiteren Senatsbeschluss noch dahingehend verschärft, dass außer den Sklaven auch die testamentarisch Freigelassenen, die im Haus des Freilassers gewesen waren, hinzurichten waren,1197 waren sie doch erst durch die Tat frei geworden. Es handelte sich insgesamt um 400 Personen. Wegen der großen Zahl erregte die Angelegenheit großes Aufsehen und Tacitus berichtet wohl auch deshalb davon. Über die Verurteilung der Sklaven und Freigelassenen wurde vor dem Senat verhandelt.1198 Die Verhandlung fand unter großem Druck der Öffentlichkeit statt, denn die Plebs hatte sich zusammengerottet, um die Verurteilung so vieler offensichtlich Unschuldiger gewaltsam zu verhindern. Unter den Senatoren wurde diskutiert, ob man die alte Vorschrift anwenden oder in diesem Fall davon abweichen und lediglich den Mörder, der offenbar ohne Mitwisser gehandelt hatte, nach der lex Cornelia de sicariis et veneficiis zum Tode verurteilen sollte. Die Diskussion verrät einiges über Gesichtspunkte, die unter den Senatoren für die Strafzumessung eine Rolle spielten. Besonders gewichtig war die Meinungsäußerung des Juristen C. Cassius,1199 die Tacitus angeblich wörtlich überliefert. Cassius wandte sich gegen eine Abmilderung des geltenden Rechts im konkreten Fall. Die ungeschmälerte Anwendung Tac. ann. 13, 32. Umstritten ist, ob es bei der Senatssitzung um die Verurteilung der Sklaven ging oder ob diese bereits verurteilt waren und man nun über ihre Begnadigung verhandelte. Für ersteres sprechen sich aus de Marini-Avonzo, Funzione Giurisdizionale (1957), S. 76 und d’Ippolito, Ideologia (1969), S. 48. Eine vorangegangene Verurteilung durch einen Prätor und nunmehr eine Verhandlung über Begnadigung nehmen mit Verweis auf Pap. 1 quaestionum D. 1, 21, 1 pr. i. f., Ulp. 50 ad ed. D. 29, 5, 1 pr. und den Begriff impunitas bei Tac. ann. 14, 43 an Nörr, C. Cassius Longinus (1983), S. 192 und Wolf, Das Senatusconsultum Silanianum (1988), S. 16. Die Digestenstellen zeigen, dass das SC Silanianum in derartigen Fällen eine Verhandlung vor einem Prätor vorschrieb. Daraus folgt jedoch noch nicht, dass dieses Verfahren auch im vorliegenden Fall beachtet wurde. Es kann sich um einen der vielen außerordentlichen Strafprozesse der Zeit handeln. Zudem kann impunitas zwar ,Begnadigung‘ bedeuten (vgl. Cic. Phil. 8, 32 i. f.: impunitatem dare, und Quint. decl. min. 249, 5: impunitatem mereri), doch benutzt Tacitus in den Annalen hierfür den Ausdruck venia, was neben indulgentia auch sonst das vorherrschende Wort ist (dazu ausführlich Waldstein, Begnadigungsrecht (1964), S. 97 – 100). Ann. 14, 43 heißt es deshalb nicht impunitatem dare oder impunitatem mereri, sondern lässt Tacitus Cassius sagen: decernite hercule impunitatem. Das Wort decernere legt nahe, dass es hier um eine Entscheidung über Bestrafung oder Freispruch ging, nicht um die Gewährung eines Straferlasses. Das zeigt auch der Antrag Varros, Tac. ann. 14, 45 i. f.: Censuerat Cingonius Varro ut liberti quoque, qui sub eodem tecto fuissent, Italia deportarentur (Cingonius Varro hatte beantragt, auch die Freigelassenen, die unter demselben Dach gewesen waren, aus Italien zu verbannen). Dass die Beteiligten zuvor in einem Strafverfahren vor einem Prätor verurteilt worden wären, ergibt sich aus der Darstellung in den Annalen also nicht. 1199 Väterlicherseits ein Nachfahre des gleichnamigen Caesarmörders, mütterlicherseits der Juristen Aelius Tubero und Servius Sulpicius Rufus. Er gehörte zur Nero verhassten Senatsaristokratie und genoss im Senat großes Ansehen. Juristisch war er sowohl als Rechtslehrer als auch als Schriftsteller aktiv. Zu ihm Jörs, Art. Cassius (60), RE III 2, 1899, Sp. 1736 – 1738, Kunkel, Herkunft (1952), S. 130 f. 1197 1198

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auch harter Rechtssätze schrecke andere ab. Allein das gewähre künftig Sicherheit: decernite hercule impunitatem: at quem dignitas sua defendet, cum praefecto urbis non profuerit? quem numerus servorum tuebitur, cum Pedanium Secundum quadringenti non protexerint? cui familia opem feret, quae ne in metu quidem pericula nostra advertit?1200 habet aliquid ex iniquo omne magnum exemplum quod contra singulos utilitate publica rependitur.1201 Seine Auffassung gewann die Oberhand. Alle Sklaven und Freigelassenen wurden zum Tode verurteilt und hingerichtet, wahrscheinlich durch Kreuzigung.1202 Diejenigen, die sich gegen eine Hinrichtung wandten, werden den Abschreckungsgedanken: Verhinderung künftiger Taten durch harte Bestrafung jetzt, nicht zurückgewiesen haben, doch überwog bei ihnen das Mitleid mit Alter, Geschlecht und unzweifelhafter Unschuld des größten Teils der Angeklagten: aetatem aut sexum ac plurimorum indubiam innocentiam miserantium.1203 Mit aetas dürfte besonders hohes und besonders geringes Alter einiger Angeklagter, mit sexum weibliches Geschlecht gemeint sein. Die genannten Gesichtspunkte hatten auch bisher eine Rolle bei der Ausübung richterlichen Ermessens gespielt.1204 Ihre Bedeutung für die Strafzumessung zeigt sich in diesem Fall erneut, wenn sie schließlich auch nicht berücksichtigt wurden. Später scheint die alte Strafvorschrift von der Praxis relativiert worden zu sein und wurden offensichtlich Unschuldige nicht mehr bestraft.1205 Das Verfahren hätte für Nero eine gute Gelegenheit geboten, sich als milder Herrscher zu profilieren, indem er der Forderung der Bevölkerung nachgegeben hätte. Doch scheint auch für ihn die Sorge der Aristokratie um ihre künftige Sicherheit zunächst wichtiger gewesen zu sein, als durch clementia große Anerkennung im Volk zu gewinnen. Am Ende des Prozesses schaffte er es dennoch, sich als princeps clemens zu präsentieren und verhinderte die Bestrafung auch der im Haus des Ermordeten lebenden schon vorher Freigelassenen: id a principe prohibitum est.1206 1200 Tac. ann. 14, 43: Erkennt meinetwegen auf Straflosigkeit: aber wen wird künftig seine Würde schützen, wenn sie dem Stadtpräfekten nichts genützt hat? Wen wird die Zahl seiner Sklaven schützen, wenn Pedanius Secundus 400 nicht schützten? Wem wird seine familia Beistand leisten, die nicht einmal aus Furcht auf Gefahren, die uns drohen, achtet? 1201 Tac. ann. 14, 44 i. f.: Jedes große Exempel hat etwas Unbilliges gegenüber einzelnen, das aber durch den Nutzen für die Allgemeinheit wieder aufgewogen wird. Dieser Gesichtspunkt wird später auch von Ulpian betont, 50 ad ed. D. 29, 5, 1 pr. 1202 Vgl. dazu Kuhn, Die Kreuzesstrafe (1982), S. 692 f. 1203 Tac. ann. 14, 45 init.: Sie bekundeten Mitleid mit dem Alter, dem Geschlecht und der unbezweifelbaren Unschuld der meisten. 1204 Zum Gedanken der Prävention vgl. B.II.20.f) und IV.8. Zu Milderungen wegen hohem und geringem Alter und zur milderen Bestrafung von Frauen vgl. oben B.II.7., 12. (Sosia), 13., 17., III.5., 6., IV.7. u. 8. und auch V.1.b). 1205 Vgl. Ulpian 50 ad ed. D. 29, 5, 3, 7 – 11. 1206 Tac. ann. 14, 45 i. f.

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e) Der Prozess gegen Antistius Sosianus und die übrigen Majestätsverfahren vor der pisonischen Verschwörung Der Prozess gegen den Prätor Antistius Sosianus1207 ist der erste überlieferte Majestätsprozess unter Nero.1208 Seneca hatte dem Kaiser zu Beginn seiner Regierung empfohlen, keine Strafverfahren wegen crimen maiestatis anzustrengen bzw. zuzulassen.1209 62 n. Chr. war der Einfluss des Philosophen bereits gesunken und wenig später bat er den immer exzentrischeren Kaiser, sich ins Privatleben zurückziehen zu dürfen. Es überrascht nicht, dass in dieser Zeit eine Serie von Majestätsprozessen beginnt, die bis zu Neros Ermordung nicht mehr abreißen sollte. Doch für die Zeit vor der pisonischen Verschwörung scheinen die Bemühungen Senecas wenigstens in einem Punkt noch Früchte getragen zu haben: die Urteile sind mit Verbannung überraschend mild, was schlechthin mit clementia begründet wird. Sosianus hatte Schmähgedichte auf Nero verfasst und diese bei einer abendlichen Gesellschaft bei Ostorius Scapula1210 vorgetragen. Er wurde von Cossutianus Capito1211 wegen crimen maiestatis vor dem Senat angeklagt. Trotz des entlastenden Zeugnisses des Gastgebers Ostorius Scapula glaubte man gegenteiligen Aussagen und entschloss sich für eine Verurteilung des Sosianus. Über die Strafe wurde heftig debattiert. Der designierte Konsul Iunius Marullus beantragte Todesstrafe, was der Praxis in Majestätsverfahren entsprach und zunächst viel Zustimmung erhielt. Dagegen wandte sich der freimütige Paetus Thrasea.1212 Er warnte die Senatoren vor richterlicher Grausamkeit und ermahnte sie, sich bei der Strafzumessung an der gesetzlichen Strafe zu orientieren.1213 Gesetzliche Strafe der lex Iulia maiestatis war Ausweisung aus Rom und Italien, verbunden mit Verlust des Bürgerrechts und des halben Vermögens.1214 Der Strafvorschlag, den Thrasea dann machte, orientierte sich zwar an dieser poena legis, ging aber doch über sie hinaus: er empfahl, das gesamte Vermögen des Sosianus einzuziehen und ihn auf eine Insel zu verbannen.1215 Daneben nennt er einen weiteren, das Ermessen leitenden Gesichtspunkt: wenn man Sosianus am Leben ließe, werde er ein allen sichtbares Bei1207 Zu ihm v. Rohden, Art. Antistius (42), RE I 2, 1894, Sp. 2558, Köstermann, Tacitus IV (1968), S. 115 – 120 u. 360 – 364, Martin, Tacitus (1981), S. 176, Rutledge, Imperial Inquisitions (2001), S. 190 f. 1208 Zum Prozess Tac. ann. 14, 48; 16, 21 u. Tac. hist. 4, 44. Dazu Baldwin, Punishment (1967), S. 435 ff. und Shotter, Nero Caesar Augustus (2008), S. 128 u. 142. 1209 Vgl. Sen. de clem. 1, 20, 3. 1210 Zu ihm Hoffmann, Art. Ostorius (3), RE XVIII 2, 1942, Sp. 1670 und Wachtel, Art. Ostorius (162), PIR VI, 1998, S. 466 f. 1211 Zu ihm bereits oben B.V.2. 1212 Zu ihm bereits oben B.V.3.c). 1213 Tac. ann. 14, 48 i. f. 1214 s. o. B.I.2.b). 1215 Tac. ann. 14, 48 i. f.

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spiel staatlicher Milde sein, publicae clementiae maximum exemplum. Bislang begegneten ausdrücklich auf clementia gestützte Milderungen vor dem Senatsgericht nur in Form der mildernden kaiserlichen Einflussnahme.1216 Am Prozess gegen Sosianus war der Kaiser jedoch nicht beteiligt. Es ist das erste Strafverfahren, in dem der Senat die Tugend der clementia für sich selbst in Anspruch nimmt. Senecas Schrift De clementia dürfte dabei nicht ohne Einfluss gewesen sein. Damit beginnt die Übertragung der clementia auf die allgemeine Strafpraxis. Später wird es eine der Maximen jeden Redners sein, an die clementia des Richters zu appellieren.1217 Schon im Prozess gegen Clutorius Priscus1218 unter Tiberius hatte ein Senator zu clementia aufgefordert und eine mildere Strafe für den Angeklagten beantragt, doch scheint die Zeit für die Inanspruchnahme der originär kaiserlichen Tugend durch den Senat damals noch nicht reif gewesen zu sein. Ein einziger Senator hatte seinerzeit für die mildere Strafe votiert. Der milde Vorschlag Thraseas fand im Senat hingegen breite Zustimmung. Nachdem Nero brieflich nach seiner Einschätzung gefragt worden war und geantwortet hatte, dass ihm eine derart gelinde Bestrafung des Sosianus zwar nicht genehm sei, er aber gegen die Entscheidung des Senats nichts einwenden werde, beschloss der Senat, Sosianus nach Konfiskation seines Vermögens auf eine Insel zu verbannen. Nero störte sich wahrscheinlich weniger an der milden Strafe als am selbstbewussten Agieren des Senats. Als princeps clemens wäre er lieber selbst Urheber der Milderung gewesen. Die Senatoren fällten in diesem ersten Majestätsprozess unter Nero entgegen der unter früheren Kaisern üblichen Bestrafung in Majestätsprozessen ein mildes Urteil. In ihre Überlegungen floss ein, dass durch die Art der Bestrafung weitere Vergehen des Sosianus verhindert werden mussten. Zur Verwirklichung dieses Präventionsgedankens musste die gesetzliche Strafe verschärft werden. Auf Betreiben Thraseas geschah dies jedoch auf die mildest mögliche Weise. Die Senatoren sahen von der Todesstrafe ab und verbannten den Angeklagten nach Einziehung seines Vermögens auf eine Insel, wodurch Sosianus jede Möglichkeit zu weiteren Umtrieben genommen war. Der Prozess scheint richtungweisend für künftige Verfahren wegen Schmähschriften geworden zu sein. Todesstrafe wurde für dieses Vergehen nicht wieder aufgenommen, wie bereits der von Tacitus im Anschluss1219 berichtete Fall zeigt:1220 Fabricius Veiento1221 wurde beschuldigt, in seinen Schriften Beschimp1216 s. dazu B.I.5., II.3., 4., 7., 8., 9., 10.d) u. 15. und IV.1. Auch später kamen mildernde Interventionen seitens des Kaisers vor dem Senat vor, s. B.VII.1.c). 1217 Vgl. Quint. inst. 5, 13, 6; 7, 4, 18, Quint. decl. mai. 5, 5 f.; 6, 10; 14, 2; 16, 1 und 17, 1. Dazu näher Dowling, Clemency (2006), S. 239 – 241. 1218 s. o. B.II.8. 1219 Tac. ann. 14, 50. 1220 Ebenso wurden der Kyniker Isidorus und der Schauspieler Dotus für ihre Schmähreden lediglich aus Rom und Italien ausgewiesen, allerdings ohne Strafprozess. Auch auf die-

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fungen gegen Senatoren und Magistrate erhoben und mit Geschenken des Kaisers Handel getrieben zu haben, weswegen er vom Kaiser aus Italien verbannt wurde. Der Handel wurde als Majestätsverbrechen angesehen. Aber auch der erste Vorwurf wurde wohl nach der lex Iulia maiestatis bestraft, wie die Wortwahl zu Beginn des Abschnitts nahe legt, die sich auf den zuvor beschriebenen Majestätsprozess bezieht: Haud dispari crimine.1222 Doch nicht nur im Fall von Schmähschriften scheint sich der Kaiser vor der pisonischen Verschwörung in Majestätsprozessen mit harten Urteilen zurückgehalten zu haben. Aus der Zeit vor 65 n. Chr. kennen wir noch das Urteil in einem weiteren Majestätsprozess, nämlich aus dem Strafverfahren gegen D. Iunius Silanus.1223 Dieser gehörte einer hochadligen Familie an und stammte mütterlicherseits von Augustus ab.1224 Nach Ausschaltung des Faustus Cornelius Sulla und des Rubellius Plautus1225 war er neben seinem Neffen L. Iunius Silanus der einzige mit dem Kaiserhaus noch blutsverwandte potentielle Konkurrent Neros.1226 Deshalb wurde gegen ihn 64 n. Chr. eine seltsame Anklage wegen crimen maiestatis erhoben: ein Mensch, der sein Vermögen derart verschwende wie Silanus, könne nur vom Umsturz sein Heil erwarten. Überdies wurde ihm zur Last gelegt, er übe schon, indem er Staatsämter kopiere und seine Freigelassenen ab epistulis, a libellis und a rationibus nenne.1227 Noch bevor Nero1228 ein Urteil fällte, nahm sich Silanus das Leben. Darauf erklärte Nero, wie er das offenbar öfter tat, ex more, dass er sich bei sen kaiserlichen Machtspruch könnte das Urteil gegen Antistius Sosianus limitierend gewirkt haben, denn dieser bei Suet. Nero 39, 3 überlieferte Fall muss sich nach dem Jahr 65 n. Chr. ereignet haben, weil der Hinweis auf den Senat auf Suet. Nero 37, 3 Bezug nimmt, wo über Ereignisse aus der Zeit nach 65 n. Chr. berichtet wird, wie der dort angesprochene Prozess gegen Cassius zeigt. Zu ihm unten B.V.5. Zum Verzicht auf Todesstrafe vgl. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 801. s. a. Kunnert, Art. Clodius (58), RE, art. cit., Sp. 100 und PS 5, 4, 17. 1221 Zu ihm Groag, Art. Fabricius (15), RE VI, 2, 1909, Sp. 1938 – 1942, Eck, Senatoren (1970), S. 58 – 62, McDermott, Fabricius Veiento (1970), S. 124 – 148, Goetz, Freunde und Feinde des Kaisers Domitian (1978), S. 18 – 32, Rudich, Political Dissidence (1993), S. 58 – 60, Rutledge, Imperial Inquisitions (2001), S. 229 – 232. 1222 Vgl. auch Quint. inst. 5, 8, 39: iniuriam fecisti, sed quia magistratui, maiestatis actio est (du hast eine Injurie begangen, aber weil sie gegen einen Magistrat verübt wurde, ist sie ein Majestätsverbrechen). 1223 Vgl. Tac. ann. 15, 35 und Dio Exc. Val. 62, 27, 2. Zum Prozess Cogitore, Conspirations (2002), S. 236 f. 1224 Zu ihm Hohl, Art. Iunius (182), RE X 1, 1917, Sp. 1104 f. und Stein / Petersen, Art. Iunius (837), PIR IV, 1966, S. 355 f. 1225 Vgl. Tac. ann. 13, 47 u. 14, 57 (Sulla) und Tac. ann. 14, 22 u. 14, 59 (Rubellius). Dazu Cogitore, Conspirations (2002), S. 228 – 234. 1226 Vgl. Rogers, Heirs and Rivals to Nero (1955), S. 195 f., Meise, Untersuchungen (1969), S. 191 ff. 1227 Tac. ann. 15, 35. s. a. Dio Exc. Val. 62, 27, 2. 1228 Dass der Prozess vor dem Kaisergericht stattgefunden haben muss, ergibt sich daraus, dass sich Nero als iudex bezeichnet, Tac. ann. 15, 35 i. f.

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der Strafzumessung von Milde hätte leiten lassen und der Angeklagte am Leben geblieben wäre: secutaque Neronis oratio ex more, quamvis sontem et defensioni merito diffisum victurum tamen fuisse si clementiam iudicis expectasset.1229 Nicht aufgrund besonderer sachlicher Erwägungen, sondern allein aufgrund kaiserlicher Milde hätte er die übliche Todesstrafe nicht ausgesprochen. Nach taciteischer Darstellung ist die Beteuerung Neros freilich kein Fall echter Milde, sondern bloße Werbung um Anerkennung. f) Die Verbannung Octavias und des Anicetus (62 n. Chr.)1230 Unter dem Vorwand der Unfruchtbarkeit verstieß Nero 62 n. Chr. seine Gattin Octavia.1231 In Wahrheit wollte er seine langjährige Geliebte Poppaea Sabina1232 heiraten, was er kurz nach der Scheidung auch tat. Die von vornherein geplante Beseitigung Octavias gelang zunächst nicht. Auf den Vorwurf des Ehebruchs mit einem Sklaven konnte keine Verurteilung gestützt werden, weil die Sklavinnen Octavias trotz Anwendung von Folter keine hinreichend belastenden Aussagen machten. Doch Poppaea schürte in Nero die Furcht, Octavia sei gefährlich. Zur Beseitigung seiner ehemaligen Gattin konnte der Kaiser daraufhin den Flottenpräfekten Anicetus1233 gewinnen, der ihm bereits bei der Ermordung seiner Mutter behilflich gewesen war.1234 Er sollte bekennen, Ehebruch mit Octavia getrieben zu haben, die ihn verführt habe, um die Flotte zu gewinnen. Ihm wurden eine hohe Belohnung und ein angenehmer Aufenthaltsort in Aussicht gestellt. Sollte er sich weigern, würde er umgebracht. Anicetus legte darauf vor dem Kaisergericht1235 ein entsprechendes Geständnis ab und wurde nach Sardinien verbannt, wo er als reicher Mann bis zu seinem natürlichen Tod lebte. Octavia dagegen wurde in Abwesenheit 1229 Tac. ann. 15, 35 i. f.: Und es folgte wie gewöhnlich Neros Rede, dass er, wie schuldig er auch war und wie verdienstvoll das Abstehen von einer Verteidigung gewesen sei, dennoch am Leben geblieben wäre, wenn er die Milde des Richter abgewartet hätte. 1230 Tac. ann. 14, 59 i. f. – 64; 15, 67. s. a. Juvenal 8, 217 – 219, Suet. Nero 35, 2 u. 57, 1, Dio Zonaras 62, 13, 1, Sen. Octavia 131 – 133, 970 – 972. Dazu Eck, Die iulisch-claudische Familie (2002), S. 157 – 159 und Shotter, Nero Caesar Augustus (2008), S. 85. 1231 Zu ihr Brassloff, Art. Claudius (428), RE III 2, 1899, Sp. 2893 – 2898 und Stein, Art. Claudia (1110), PIR II, 1936, S. 266 f. 1232 Sie stammte aus vornehmer Familie und war stets darauf bedacht, durch geschickte Eheschließungen Einfluss zu gewinnen. Zu ihr Hanslik, Art. Poppaeus (4), RE XXII 1, 1953, Sp. 85 – 91, Wachtel, Art. Poppaea (850), PIR VI, 1998, S. 363 – 365 und Eck, Die iulischclaudische Familie (2002), S. 156 – 163. 1233 Zu ihm v. Rohden, Art. Aniketos (5), RE I 2, 1894, Sp. 2210 und Stein, Art. Anicetus (589), PIR I, 1933, S. 97. 1234 s. Tac. ann. 14, 8. 1235 Tac. ann. 14, 62 i. f.: fateturque apud amicos quos velut consilio adhibuerat princeps (und er legte im Kreis der Freunde, die der Kaiser wie ein consilium beigezogen hatte, ein Geständnis ab).

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verurteilt. Nero gab in einem Edikt bekannt, sie werde auf die Insel Pandateria verbannt: edicto memorat insulaque Pandateria Octaviam claudit.1236 Zwar waren die Vorwürfe erdichtet und das gesamte Strafverfahren fingiert. Dennoch verrät der Prozess einiges über die Strafzumessung des Kaisergerichts. Einerseits gewahrt man den weiten Ermessensspielraum des Kaisers. Nero füllt ihn hier missbräuchlich aus, indem er die beiden Angeklagten ungleich behandelt. Anicetus wurde ein angenehmer Aufenthaltsort angewiesen,1237 Octavia dagegen auf eine unwirtliche Insel verbannt, wo ein Überleben ohne fremde Hilfe kaum möglich war.1238 Das Vermögen des Anicetus wurde nicht konfisziert, sondern von Nero sogar vermehrt. Octavias Vermögen dürfte hingegen eingezogen worden sein. Andererseits zeigt der Fall jedoch, dass nicht einmal der Kaiser bei der Strafzumessung völlig frei war. An sich sollte Anicetus straflos bleiben, Octavia dagegen umgebracht werden. Beides konnte erst im Nachhinein erreicht werden, indem Anicetus auf Sardinien ein angenehmes Leben ermöglicht, Octavia dagegen nach kurzer Zeit auf Pandateria ermordet wurde. Im Wege eines Ehebruchsprozesses, der vor dem Kaisergericht zwar nicht öffentlich stattgefunden haben wird, aber dennoch unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit, konnte Nero das nicht erreichen. Er fühlte sich offenbar an die Ehebruchsstrafe der außerordentlichen Gerichtspraxis gebunden und fällte formell ein entsprechendes Urteil, das er in Form eines Edikts veröffentlichte: edicto memorat.1239 Er orientierte sich bei der Strafzumessung also an der für Ehebruch geltenden Strafe. g) Der Prozess gegen den Apostel Paulus (63 n. Chr.)1240 Der Apostel Paulus wurde 58 n. Chr. in Jerusalem verhaftet. Man warf ihm vor, Aufruhr verursacht zu haben, und stellte ihn in Caesarea vor das Gericht des Statthalters. Sein römisches Bürgerrecht ermöglichte ihm die Appellation an den Kaiser,1241 die er vor einem Urteil einlegte, weil der Statthalter erwog, ihm in JerusaTac. ann. 14, 63 init. Zwar war das Klima Sardiniens nicht besonders gut, doch war die Insel bereits im 3. Jh. v. Chr. recht dicht besiedelt, reich an Bodenschätzen und bebaubarem Land. Vgl. Philipp, Art. Sardinia, RE I A 2, 1920, Sp. 2480 – 2495 und Meloni, La Sardegna romana (1975) und ders., Sardegna (1988), S. 541 – 551. 1238 Zur Insel Pandateria s. o. B.I.2.c). 1239 Tac. ann. 14, 63 init. 1240 Acta apostolorum 21 – 26, Laktanz de mort. persec. 2, 6, Euseb hist. 2, 25, 5 f., Sulp. Severus chron. 2, 29, 3. Aus der modernen Literatur Mommsen, Die Rechtsverhältnisse des Apostels Paulus (1901), S. 81 – 96, Cadbury, Trial of Paul (1932), S. 297 – 338, Sherwin-White, New Testament (1963), S. 71 – 119, Tajra, Trial of St. Paul (1989), Omerzu, Der Prozeß des Paulus (2002), S. 309 – 501, Kirner, Strafgewalt und Provinzialherrschaft (2005), S. 292 ff., Liebs, Vor den Richtern (2007), S. 113, Giglio, Il problema dell’iniziativa (2009), S. 155 – 166. 1241 s. zur appellatio Mommsen, Strafrecht (1899), S. 468 ff., Perrot, L’appel (1907), S. 124 ff., Pugliese, Appunti (1939), S. 63 ff., Orestano, L’appello (1953), S. 186 ff., Jones, I appeal unto 1236 1237

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lem den Prozess zu machen. Daraufhin wurde er nach Rom gebracht. Dort wurde er zwei Jahre später vom Kaisergericht zum Tode verurteilt und enthauptet.1242 In der Apostelgeschichte lautet der Vorwurf óôÜóéò,1243 was Aufstand oder Aufruhr bedeutet und der lateinischen seditio entspricht.1244 Dem Aufruhr, der bei Gelegenheit eines Tempelbesuchs in Jerusalem entstanden war, lag kein politisches, gegen den Staat gerichtetes Motiv zugrunde und er war auch nicht auf die Ermordung von Menschen angelegt, so dass sich die Strafbarkeit weder aus der lex Iulia maiestatis noch der lex Cornelia de sicariis et veneficiis ergab, sondern aus der lex Iulia de vi.1245 Die Quellen über die Hinrichtung des Apostels1246 berichten nicht, worauf der Kaiser sein Urteil stützte. Wegen der Appellation liegt es allerdings nahe, dass die Verurteilung auf denselben Tatsachen beruhte, die Gegenstand des Prozesses in Caesarea waren und auf die hin appelliert worden war, also auf seditio. Die lex Iulia de vi schrieb hierfür, wie gesagt, aqua et igni interdictio vor.1247 Im Prozess gegen Regulus hatte sich der Senat an die gesetzliche Strafe für seditio gehalten.1248 Nero verschärfte sie nun zu Todesstrafe. Über die Gründe der Verschärfung kann nur spekuliert werden. Im Gegensatz zu Regulus, ein ehemaliger Senator,1249 gehörte Paulus in Rom nicht zur führenden Schicht.1250 Die ungleiche Bestrafung von Angeklagten unterschiedlicher Stände begegnete unter Nero bereits zweimal.1251 Sie mag auch hier eine Rolle gespielt und den Kaiser die poena legis unbedenklich haben verschärfen lassen.1252 Ein weiterer Grund für die harte Bestrafung könnte auch Antipathie gegenüber Christen gewesen sein. Der Tatbestand der seditio scheint sich in der weiteren Entwicklung des außerordentlichen Strafrechts von dem der vis gelöst und verselbständigt zu haben. In den Paulussentenzen zeigt sich das im Titel 5, 22, de seditiosis, der auf vis und die Ceasar (1953), S. 918 – 930, ders., Imperial and Senatorial Jurisdiction (1955), S. 484 ff., Villers, Appel (1956), S. 381 ff., Kelly, Princeps iudex (1957), S. 91 ff., Bleicken, Senatsgericht (1962), S. 124 ff., Garnsey, The Lex Iulia and Appeal (1966), S. 167 ff., Jones, Criminal Courts (1972), S. 101 ff., Lintott, Provocatio (1972), S. 263 ff., De Martino, Storia (1972 – 75), S. 512 ff. 1242 Laktanz de mort. persec. 2, 6, Euseb hist. 2, 25, 6, Sulp. Severus chron. 2, 29, 3. 1243 Acta apostolorum 24, 5. 1244 Vgl. Omerzu, Der Prozeß des Paulus (2002), S. 429 – 433, s. a. S. 439, 451 u. 456. 1245 s. o. B.V.3.b)aa). 1246 Laktanz de mort. persec. 2, 6, Euseb hist. 2, 25, 6, Sulp. Severus chron. 2, 29, 3. 1247 s. o. B.II.10.b) und V.3.b)aa). 1248 s. o. B.V.3.b). 1249 Vgl. Tac. ann. 14, 17. 1250 Mag er in seiner Heimat auch zur Oberschicht gehört haben, s. Omerzu, Der Prozeß des Paulus (2002), S. 45 – 47. 1251 s. o. B.V.1.a) u. 3.c). 1252 Ähnlich Garnsey, Social Status and Legal Privilege (1970), S. 75 f.

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lex Iulia keinen Bezug mehr nimmt und für Standespersonen Verbannung auf eine Insel, für Personen niederen Standes dagegen Todesstrafe anordnet: Auctores seditionis . . . pro qualitate dignitatis aut in crucem tolluntur aut bestiis obiciuntur aut in insulam deportantur.1253 Der Paulusprozess könnte die Anfänge dieser Entwicklung markieren. h) Die Christenprozesse unter Nero (64 n. Chr.)1254 64 n. Chr. wurden große Teile Roms durch einen verheerenden Brand zerstört. Das Gerücht kam auf, Nero habe den Brand selbst legen lassen, um Raum für den Bau seiner gewaltigen domus aurea zu schaffen. Um diesen Verdacht auszuräumen, beschuldigte er die Christen, das Feuer entfacht zu haben, und verurteilte alle, die ihre Zugehörigkeit zu dieser Religionsgemeinschaft bekannten, zum Tode,1255 darunter schließlich wohl auch den Apostel Petrus.1256 Diese Prozesse sollten große religionsgeschichtliche Bedeutung erlangen.1257 Angeklagt wurden sie wegen Brandstiftung,1258 was nach der lex Cornelia de sicariis et veneficiis mit dem Tode bedroht war.1259 Nero verurteilte die Angeklag1253 PS 5, 22, 1: Urheber eines Aufruhrs werden je nach Stand entweder gekreuzigt, wilden Tieren vorgeworfen oder auf eine Insel verbannt. 1254 Tac. ann. 15, 44, Suet. Nero 16, 2, Tertullian apol. 4, 4 u. 5, 3, Laktanz de mort. persec. 2, 5 f., Euseb hist. 2, 25, 5 – 7. Aus der modernen Literatur etwa Fuchs, Tacitus über die Christen (1950), S. 65 – 93, Saumagne, incendiaires (1962), S. 337 – 360, Capocci, Christiana I (1962), S. 65 – 99 und Christiana II (1970), S. 21 – 123, Champlin, Nero (2003), S. 121 – 128, Nogrady, Römisches Strafrecht nach Ulpian (2006), S. 42 – 47, Liebs, Vor den Richtern (2007), S. 105 – 113. 1255 Tac. ann. 15, 44. 1256 Vgl. Liebs, Vor den Richtern (2007), S. 113. 1257 Von nun an reichte es für ein Todesurteil aus, sich zum Christentum zu bekennen. Vgl. Liebs, Vor den Richtern (2007), S. 112. 1258 Sueton und die späteren christlichen Autoren nennen als Urteilsgrund schlicht die Zugehörigkeit zur Christengemeinde. Tacitus ist genauer, bleibt aber dennoch undeutlich, Tac. ann. 15, 44: haud proinde in crimine incendii quam odio humani generis convicti sunt (sie wurden nicht so sehr der Brandstiftung, sondern des Hasses gegen das Menschengeschlecht für schuldig befunden). Das ist so zu verstehen, dass nur die Zugehörigkeit zum Christenglauben, jedoch nicht die Brandlegung bewiesen werden konnte, woraus Nero aber den Schluss zog, dass ihnen jedes Verbrechen zuzutrauen war, auch Brandstiftung, die sie dementsprechend auch begangen haben mussten. Nero war sich bewusst, dass Urteilsgrund Brandstiftung sein musste. Nur so konnte er den Verdacht von sich lenken. Vgl. dazu Liebs, Vor den Richtern (2007), S. 106 u. 109 f. 1259 Brandstiftung wurde wohl bereits in den XII Tafeln dem Mord gleichgestellt und mit dem Tode bestraft, s. XII Tafeln 8, 10 = Gaius 4 ad leg. XII Tab. D. 47, 9, 9. Sulla regelte dann auch die Brandstiftung in der lex Cornelia de sicariis et veneficiis, vgl. Ulp. 8 de off. proc. Coll. 12, 5, Marc. 14 inst. D. 48, 8, 1 pr., C. 9, 1, 11. s. a. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 646 und Martínez, incendio (2005), S. 386 – 373. Zur Todesstrafe als poena legis der lex Cornelia de sicariis et veneficiis s. o. B.I.7.a)aa).

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ten zum Teil zu Kreuzigung, ging aber auch über die hergebrachten Formen1260 der Todesstrafe hinaus und verurteilte sie dazu, in Tierfelle gehüllt von Jagdhunden zerfleischt zu werden oder als lebendige Fackeln zu dienen, bis sie verbrannt waren. Diese Strafen erinnern an die von Caligula eingeführte Verurteilung zum Kampf mit wilden Tieren und zu Verbrennung bei lebendigem Leib und sind insofern nicht neu,1261 doch haben sie hier noch weitergehende mythologische Bedeutung.1262 Nero verschärfte die gesetzliche Strafe, was in der strafgerichtlichen Praxis nicht unüblich war. Schließlich war halb Rom abgebrannt. Die harten Strafen dürfte der Kaiser als wirksames Mittel angesehen haben, die angeblichen Brandstifter öffentlichkeitswirksam an den Pranger zu stellen und so das Gerücht aus der Welt zu schaffen, er selbst habe den Brand verursacht. Das war hier der tiefere Grund für die Verschärfung der gesetzlichen Strafe. Das Feuer des Jahres 64 war die größte Brandkatastrophe Roms. Die damit verbundenen Strafverfahren dürften die prominentesten Brandstiftungsprozesse der Antike gewesen sein. Wahrscheinlich wirkten sie auch hinsichtlich der Brandstiftungsstrafe rechtsfortbildend. Die verhängten Strafen begegnen später in den juristischen Quellen als die für Brandstiftung üblichen Strafen.1263 i) Die Kreuzigung eines Römers durch Galba (zwischen 60 und 64 n. Chr.)1264 Ser. Sulpicius Galba, der spätere Kaiser Galba, verwaltete zwischen 60 und 68 n. Chr. als Statthalter die Provinz Hispania Tarraconensis.1265 Dort verurteilte1266 er einen Vormund, der seinem Mündel zum Beierben bestimmt war und dieses deshalb vergiftet hatte, zum Tod durch Kreuzigung. Der Verurteilte erinnerte an sein Bürgerrecht, womit er sich wohl auf die, jedenfalls früher anerkannte, Unzulässigkeit der Kreuzigung römischer Bürger berief,1267 vielleicht gar eine Appellation an den Kaiser einleiten wollte.1268 Doch entging er der Hinrichtung nicht. Galba ließ Kreuzigung und Enthauptung, dazu oben A.III.1. s. o. B.III.2.a). 1262 Dazu Liebs, Vor den Richtern (2007), S. 110 f. m. w. N. 1263 Ulp. 8 de off. proc. Coll. 12, 5 nennt für Angeklagte niederen Standes Verurteilung zum Kampf mit wilden Tieren. Der Feuertod begegnet bei Gaius 4 ad leg. XII Tab. D. 47, 9, 9 und Callistrat 5 de cogn. D. 48, 19, 28, 12. 1264 Suet. Galba 9, 1. Dazu Kuhn, Die Kreuzesstrafe (1982), S. 703 f., Bonet, La Iurisdictio (1987), S. 241 und Aubert, A Double Standard (2002), S. 117. 1265 Zu ihm Münzer, Art. Sulpicius (63), RE IV A 1, 1931, Sp. 772 – 808 und Krieckhaus, Art. Sulpicius (1003), PIR VII, 2, 2006, S. 366 – 371. 1266 Aus den Worten cruce adfecit bei Suet. Galba 9, 1 ergibt sich noch nicht, dass es sich um ein Strafverfahren handelte, doch legt das der nachfolgende Begriff poena nahe. 1267 Näher oben A.III.1. mit Fn. 65. 1268 Zur Appellation gegen Urteile des Provinzstatthalters s. o. B.V.3.g). 1260 1261

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ihm sein Kreuz lediglich durch eines austauschen, das weiß angestrichen und höher war als die der anderen ebenfalls zu kreuzigenden Straftäter. Die poena legis der lex Cornelia de sicariis et veneficiis war schlicht Todesstrafe. Für römische Bürger bedeutete das jedenfalls in republikanischer Zeit Enthauptung mit dem Beil, für Sklaven und Nichtbürger Kreuzigung.1269 Wann sich diese Trennung aufzulösen begann und ob sich diese Grenze vielleicht schon verwischt hatte, ist mangels Quellen nicht zu sagen.1270 Weswegen Galba auf die härtere Kreuzigung erkannte, ist ebenso wenig überliefert. Nach Sueton lagen dieser Strafzumessung keine besonderen Erwägungen zugrunde. Galba habe ohne viel zu überlegen das Maß überschritten: immodicus.1271 Zwar ist aus keiner Zeit eine Norm überliefert, die Kreuzigungen römischer Bürger verboten hätte. Die Äußerung des Kaiserbiographen zeigt jedoch, dass die Kreuzigung eines Römers auch in den 60er Jahren des ersten nachchristlichen Jahrhunderts, womöglich sogar noch zu Suetons Zeit, als Bruch jedenfalls mit der Strafpraxis empfunden wurde.

4. Die pisonische Verschwörung (65 n. Chr.)1272 Der große Raum, den der Bericht über die pisonische Verschwörung in Tacitus’ Annalen einnimmt, spiegelt das Ausmaß des Ereignisses.1273 C. Calpurnius Piso1274 hatte zusammen mit vielen anderen eine Verschwörung zum Sturz Neros geplant. Sie wollten den Kaiser am 19. April 65 n. Chr. bei den Ludi Ceriales im Circus ermorden und Piso ins Prätorianerlager bringen, um ihn zum neuen Kaiser ausrufen zu lassen. Doch am Tag des geplanten Mordes wurde das Komplott dem Kaiser verraten und scheiterte. Nero ließ Mitwisser unter Folter befragen, um alle Namen zu erfahren. Als Piso genannt war und ein Trupp Soldaten zu seinem Haus geschickt wurde, nahm dieser sich das Leben.1275 Ohne Strafverfahren öffnete sich auf Befehl Neros auch Seneca s. dazu oben A.III.1. Vgl. Kuhn, Die Kreuzesstrafe (1982), S. 727 – 740. 1271 Suet. Galba 9, 1 init. 1272 Dazu Henderson, Nero (1968), S. 257 – 288, Corsi Zoli, congiura pisoniana (1972), S. 329 – 339, Eck, Epaphroditus (1976), S. 381 – 384, Grant, Nero (1978), S. 174 – 178, Griffin, Nero (1984), S. 232 f., Christ, Geschichte (1988), S. 237, Champlin, Piso (1989), S. 101 – 124, Cogitore, Conspirations (2002), S. 249 – 263, Champlin, Nero (2003), S. 217 f., Pagán, Conspiracy Narratives (2004), S. 68 – 90. 1273 Tac. ann. 14, 65; 15, 48 – 74 u. 16, 17 – 19. Andere Autoren berichten von dem Ereignis nur kurz, vgl. Dio Xiphil. 62, 24 ff. s. a. Suet. vita Lucani u. SHA Pesc. Niger 9, 2. 1274 Er war von Caligula 37 n. Chr. in einem Ehebruchsprozess verbannt (s. o. B.III.1. m. w. N.), von Claudius jedoch bereits 41 n. Chr. zurückgeholt worden. Unter Claudius war er Konsul und später Statthalter in Dalmatien. 1275 Tac. ann. 15, 59. 1269 1270

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die Adern und starb.1276 Der designierte Konsul Plautius Lateranus wurde ohne Prozess auf Befehl des Kaisers von einem Tribunen getötet.1277 In den folgenden Tagen fand vor dem Kaisergericht ein Prozess gegen die übrigen Beteiligten statt, in dem alle Anklagen zusammengefasst wurden.1278 Nero sprach die unterschiedlichsten Urteile. Wenige wurden freigesprochen.1279 Die meisten wurden zum Tode verurteilt,1280 was der außerordentlichen Praxis in Majestätsprozessen entsprach. Annaeus Lucanus, ein berühmter Dichter und Neffe Senecas, durfte seine Todesart frei wählen.1281 Warum er im Gegensatz zu anderen selbst entscheiden durfte, berichtet Tacitus nicht. Im ersten überlieferten Fall des liberum mortis arbitrium war diese Strafmilderung Ausfluss kaiserlicher clementia gewesen.1282 Hier käme als Milderungsgrund auch Rücksicht auf den Gelehrten in Betracht, wie sie schon öfter begegnete.1283 Auch Seneca, der ohne Prozess in den Tod getrieben worden war, war es freigestellt gewesen, sich auf seine Weise das Leben zu nehmen.1284 Neben den zum Tode Verurteilten wurden einzelne verbannt, wobei in manchen Fällen Gründe für die mildere Bestrafung erkennbar sind. Glitius Gallus und Annius Pollio wurden auf Inseln verbannt.1285 Einen möglichen Grund für die mildere 1276 Tac. ann. 15, 63 f., Dio Xiphil. 62, 25, 1. Zur Frage seiner Beteiligung an der Verschwörung vgl. Henderson, Nero (1968), S. 274 – 283. 1277 Tac. ann. 15, 60. 1278 Tac. ann. 15, 66 – 72. s. a. Suet. Nero 36, 2. 1279 Freigesprochen wurden die beiden Tribunen der Prätorianerkohorten Gavius Silvanus und Statius Proxumus, s. Tac. ann. 15, 50 u. 71. Die Anklage gegen Acilia, Mutter des Dichters Lucanus, wurde nicht weiterverfolgt, s. Tac. ann. 15, 71 i. f. 1280 Der Tribun der Prätorianerkohorte Subrius Flavus wurde zum Tode verurteilt und enthauptet, Tac. ann. 15, 67, Dio Xiphil. 62, 24, 1 f. Die Zenturionen Sulpicius Asper, Maximus Scaurus und Venetus Paulus wurden zum Tode verurteilt und hingerichtet, Tac. ann. 15, 50; 67 u. 68, Dio Xiphil. 62, 24, 1 f., ebenso der Ritter Claudius Senecio, Tac. ann. 15, 50 u. 70, und die Senatoren Afranius Quintianus und Flavius Scaevinus, Tac. ann. 15, 49 u. 70, wohl auch der Prätorianerpräfekt Faenius Rufus, Tac. ann. 15, 50 u. 67 i. f., Dio Xiphil. 62, 24, 1; 62, 25, 1, schließlich die übrigen Mitverschworenen, Tac. ann. 15, 70 (damit meint Tacitus die übrigen zuvor genannten Ritter (Tac. ann. 15, 50), die er nun nicht mehr namentlich aufzählt). 1281 Tac. ann. 15, 49 u. 70, Suet. vita Lucani i. f.: Impetrato autem mortis arbitrio libero . . . brachia ad scandas venas praebuit medico (als man ihm die freie Wahl des Todes gewährte, ließ er sich durch einen Arzt die Adern öffnen). Sein Vater wurde wenig später ebenfalls wegen Beteiligung an der pisonischen Verschwörung angeklagt. Er kam dem Todesurteil durch Selbstmord zuvor, vgl. Tac. ann. 16, 17. 1282 s. o. B.IV.5. 1283 s. o. B.I.4. u. 5., II.13., 20.a), III.4. und IV.1. 1284 s. Tac. ann. 15, 61 u. 63. 1285 Tac. ann. 15, 71 heißt es lediglich data exilia. Aus der Inschrift IG XII 5, 757 ergibt sich jedoch, dass Glitius auf die Insel Andros verbannt worden sein muss, vgl. dazu Groag, Art. Glitius (2), RE Suppl. III, 1918, Sp. 789 f. und Stein / Petersen, Art. Glitius (184), PIR IV, 1966, S. 35. Für Annius ist die Verbannung auf eine Insel nicht nachweisbar, liegt jedoch des-

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Bestrafung gibt Tacitus selbst an: infamatis magis quam convictis.1286 Sie hatten also eher einen schlechten Ruf, als dass sie überführt wurden. Er könnte damit haben sagen wollen, dass die Beweislage bei diesen beiden Verurteilungen unbefriedigend war. Das wurde bereits in einem anderen Fall mildernd berücksichtigt.1287 Rufrius Crispinus wurde nach Sardinien verbannt.1288 Offizieller Grund war zwar die Beteiligung an der Verschwörung,1289 wahres Motiv allerdings, dass er früher mit der jetzigen Kaisergattin Poppaea verheiratet gewesen war, weswegen Nero ihn hasste und nun eine Gelegenheit sah, ihn zugrunde zu richten.1290 Umgekehrt bewahrte ihn womöglich seine frühere Verbindung mit Poppaea vor der Todesstrafe. Alsbald nach ihrem Tod erhielt er den Befehl, sich umzubringen.1291 Sowohl die Verurteilung als auch die milde Bestrafung beruhten also auf sachfremden Erwägungen. Andere Angeklagte1292 wurden auf eine Insel des ägäischen Meeres verbannt. Warum bei ihnen auf Todesstrafe verzichtet wurde, ist nicht zu ermitteln. Bei Glitius und Annius waren die Beweise vielleicht nicht unbezweifelbar. Cadica, die Gattin des zum Tode verurteilten und hingerichteten Scaevinus, wurde lediglich aus Rom und Italien ausgewiesen.1293 Sie ist die einzige Frau, die aufgrund der pisonischen Verschwörung verurteilt wurde. Das könnte der Grund für die Milde sein.1294 Warum Caesennius Maximus lediglich aus Rom und Italien ausgewiesen wurde, bleibt unklar. Eingehende Schilderungen von Strafverfahren vor dem Senatsgericht gab es schon.1295 Die Schilderung eines Prozesses vor dem Kaisergericht in dieser Ausführlichkeit ist dagegen einzigartig. Sie ergibt, dass auch dieser Kaiser die Umstände des Einzelfalles in die Strafzumessung eingehen ließ und sein Ermessen an der Eigenart der Straftat orientierte. Dabei waren Gesichtspunkte von Bedeutung, halb nahe, weil er ohne Unterschied zusammen mit Glitius genannt wird und Tacitus am Ende des Abschnitts bei einzelnen Angeklagten im Gegensatz hierzu betont, sie seien lediglich ausgewiesen worden (Tac. ann. 15, 71 i. f.: at . . . Italia prohibentur). 1286 Tac. ann. 15, 71. 1287 Wenn das auch nur ein inoffizieller Milderungsgrund sein konnte. Näher oben B.II.7. und unten C.XII. 1288 Vgl. Tac. ann. 15, 71 u. 16, 17. 1289 Vgl. Tac. ann. 16, 17: crimine coniurationis. 1290 Tac. ann. 15, 71: pellitur et Rufrius Crispinus occasione coniurationis, sed Neroni invisus quod Poppaeam quondam matrimonio tenuerat (bei Gelegenheit der Verschwörung wurde auch Rufrius Crispinus ausgewiesen, doch war er Nero verhasst, weil er früher einmal mit Poppaea verheiratet gewesen war). 1291 Tac. ann. 16, 17. s. a. Schiller, Geschichte (1872), S. 192 u. 226. 1292 Cluvidienus Quietus, Iulius Agrippa, Blitius Catulinus, Petronius Priscus und Iulius Altinus, s. Tac. ann. 15, 71 i. f. 1293 Tac. ann. 15, 71 i. f.: Italia prohibentur. 1294 Zur Bedeutung des Geschlechts bei der Strafzumessung s. B.II.7., 12. (Sosia), III.5., IV.7. und V.3.d). 1295 s. o. B.II.6., 8., 9., 10.d), IV.1., V.3.d) und e) (Antistius).

V. Nero

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die auch in der bisherigen außerordentlichen Strafrechtsprechung eine Rolle gespielt hatten.

5. Die Prozesse nach der pisonischen Verschwörung Das restliche Jahr 65 und das Jahr 66 n. Chr. sind die letzten, zu denen die Annalen erhalten sind. Für Tacitus ist die pisonische Verschwörung der Wendepunkt zum Schlimmsten. Aus der Zeit danach berichtet er nur noch von unzähligen erdichteten Majestätsanklagen, mit denen dem Kaiser unliebsame Personen durch pauschale Todesurteile ausgeschaltet wurden. Die Darstellung deckt sich mit den Berichten Suetons und Dios, welche ihrerseits bis Neros Tod 68 n. Chr. reichen. Auch hier begegnen aus der Zeit nach der pisonischen Verschwörung nur noch Majestätsprozesse, keine Strafverfahren wegen anderer Vergehen. Hier ist davon nur auf diejenigen Prozesse einzugehen, die unter dem Gesichtspunkt der Strafzumessung von Bedeutung1296 sind. Auch Cassius, Silanus und Lepida wurde der Prozess gemacht.1297 Nachdem sein Onkel in den Tod getrieben worden war,1298 war nur noch L. Iunius Silanus1299 mit dem Kaiserhaus blutsverwandt und somit ein möglicher Konkurrent Neros.1300 Das war für diesen Grund genug, ihn zusammen mit seiner Tante Iunia Lepida1301 und ihrem Gatten C. Cassius,1302 in deren Haus Silanus aufgewachsen 1296 Fast alle der aus dieser Zeit überlieferten Strafverfahren sind fingierte Majestätsprozesse, die von vornherein mit einem Todesurteil enden mussten und insofern zum richterlichen Ermessen nichts aussagen. 66 n. Chr. wurde Ser. Cornelius Scipio Salvidienus Orfitus in einem Majestätsprozess (dazu und zur Datierung s. Stein, Art. Cornelius (359), RE IV 1, 1900, Sp. 1506 f.) verurteilt und hingerichtet, vgl. Suet. Nero 37, 1, Dio Xiphil. 62, 27, 1. Im selben Jahr wurden P. Anteius Rufus und M. Ostorius Scapula wegen Majestätsverbrechens angeklagt; sie nahmen sich vor dem Todesurteil das Leben, s. Tac. ann. 16, 24 f. Nach Dio Xiphil. 63, 17, 3 f. ließ Nero die Brüder P. Sulpicius Scribonius Proculus und Sulpicius Scribonius Rufus 67 n. Chr. auf die zu dieser Zeit übliche Weise (also wegen crimen maiestatis) anklagen. Sie erhielten keine Gelegenheit zu Stellungnahme und Verteidigung und brachten sich vor dem Todesurteil um. Im selben Jahr wurden Q. Sulpicius Camerinus und sein Sohn wegen crimen maiestatis (dazu Miltner, Art. Sulpicius (30), RE IV A 1, 1931, Sp. 745 f. und Krieckhaus, Art. Sulpicius (990), PIR VII, 2, 2006, S. 362 f.) angeklagt und hingerichtet, Dio Xiphil. 63, 18, 2, s. a. Plin. ep. 1, 5, 3. Ebenfalls wohl 67 n. Chr. wurden die nicht näher überlieferten Beteiligten an der Vinicianischen Verschwörung zum Tode verurteilt und hingerichtet, Suet. Nero 36, 2, vgl. Klebs, Art. Annius (98), RE I 2, 1894, Sp. 2309 f. 1297 Tac. ann. 16, 7 – 9. Dazu Lengle, Römisches Strafrecht (1934), S. 70 f. und McAlindon, Senatorial Opposition (1956), S. 122 f. 1298 s. o. B.V.3.e) (Iunius). 1299 Zu ihm Hohl, Art. Iunius (183), RE X 1, 1917, Sp. 1105 f. und Stein / Petersen, Art. Iunius (838), PIR IV, 1966, S. 356 f. 1300 Vgl. Rogers, Heirs and Rivals to Nero (1955), S. 195 f., Meise, Untersuchungen (1969), S. 191 ff. 1301 Zu ihr Hohl, Art. Iunius (203), RE X 1, 1918, Sp. 1113 und Stein / Petersen, Art. Iunia (861), PIR IV, 1966, S. 361.

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war, 65 n. Chr. in einen Senatsprozess zu verwickeln. Cassius wurde Majestätsverbrechen vorgeworfen: er habe in seinem Haus ein Bild des Caesarmörders Cassius aufgestellt und beabsichtige einen Bürgerkrieg. Silanus wurden die gleichen Vorwürfe gemacht wie im Jahr zuvor seinem Onkel: er sinne auf Umsturz, verteile bereits Regierungsgeschäfte und schon jetzt unter seinen Freigelassenen die höchsten Staatsämter. Außerdem wurde er des Inzests mit seiner Tante Iunia Lepida beschuldigt, der man zudem Zauberei unterstellte. Der Senat verbannte Cassius nach Sardinien,1303 Silanus auf die Insel Naxos.1304 Über Lepida sollte auf Beschluss des Senats der Kaiser entscheiden. Wie er entschied, ist nicht überliefert. Inzest war mit Todesstrafe bedroht, wohl durch Sturz vom Tarpeiischen Felsen.1305 Auch in Majestätsprozessen wurde in der Regel auf Todesstrafe erkannt. Demgegenüber erscheinen diese Urteile äußerst mild. Warum man sich bei Cassius mit Verbannung auf eine Insel begnügte, anstatt ihn mit dem Tode zu bestrafen, deutet Tacitus an: et senectus eius expectabatur.1306 Cassius war bereits sehr alt und obendrein erblindet,1307 weswegen man seinen baldigen Tod in der Verbannung erwartete. Wieder beeinflusste hohes Alter das Strafmaß.1308 Gründe für die verhältnismäßig milde Strafe des Silanus nennt Tacitus dagegen nicht. Mit dem Urteil scheint Nero auch nicht zufrieden gewesen zu sein. Auf dem Weg nach Ostia wurde Silanus jedenfalls gefangengenommen und im Gefängnis auf Befehl des Kaisers ermordet. Im Jahr darauf folgte ein Majestätsprozess gegen einige der letzten freimütigen und kaiserkritischen Personen der Zeit:1309 Thrasea Paetus,1310 Barea Soranus1311 und dessen Tochter Servilia.1312 Ihnen wurden Umsturzabsichten1313 vorgeworfen. 1302 Zu ihm Jörs, Art. Cassius (60), RE III 2, 1899, Sp. 1736 – 1738, Kunkel, Herkunft (1952), S. 130 f. s. a. bereits oben B.V.3.d. 1303 Zu Sardinien s. o. B.V.3.f). 1304 Vgl. zu dieser Kykladeninsel Herbst, Art. Naxos, RE XVI 2, 1935, Sp. 2079 – 2095 und Kaletsch, Art. Naxos, Lauffer, Griechenland (1989), S. 461 – 465. 1305 s. o. B.II.20.c)aa). 1306 Tac. ann. 16, 9 init. 1307 s. Jörs, Art. Cassius (60), RE, art. cit., Sp. 1737. 1308 s. bereits oben B.II.13 u. V.1.b). 1309 Tac. ann. 16, 21 – 35. s. a. Dio Xiphil. 62, 26 und Suet. Nero 37, 1 f. s. dazu Lengle, Römisches Strafrecht (1934), S. 71 f., Bauman, Impietas in Principem (1974), S. 153 – 157, ders., Lawyers and Politics (1989), S. 111 – 113, Barghop, Der Fall des Thrasea Paetus (1996), S. 21 – 33, Cogitore, Conspirations (2002), S. 78 – 85 und Ronning, Konflikt (2006), S. 343 – 348. 1310 s. zu ihm oben B.V.3.b). 1311 Zu ihm Henze, Art. Barea (2), RE III 1, 1899, Sp. 12 f. und Groag, Art. Barea (55), PIR II, 1936, S.XIX. 1312 Zu ihr Fluss, Art. Servilius (105), RE II A 2, 1923, Sp. 1823 und Wachtel, Art. Sevilia (606), PIR VII, 2, 2006, S. 237.

V. Nero

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Der Prozessbericht nimmt in den Annalen breiten Raum ein. Tacitus nutzt die Darstellung des Strafverfahrens, um zu zeigen, wie unfrei die Senatoren geworden waren und wie Nero den Senat instrumentalisierte, um die letzten Freigeister zu stürzen: ad postremum Nero virtutem ipsam excindere concupivit interfecto Thrasea Paeto et Barea Sorano.1314 In einem Senatssaal, der von kaiserlichen Soldaten umstellt war,1315 blieb den Senatoren nichts anderes übrig, als die vom Kaiser befohlenen Todesurteile auszusprechen. Allerdings wurde den Angeklagten die Wahl der Todesart freigestellt: datur mortis arbitrium,1316 wohl eine geheuchelte Milde des Kaisers. Thrasea ließ sich die Pulsadern öffnen.1317 Welche Todesart die anderen wählten, ist nicht überliefert. Der letzte zu besprechende Fall steht mit Neros Plan von 66 n. Chr. in Verbindung, ein Werk über die Leistungen der Römer zu schreiben. Der Kaiser zog Annaeus Cornutus zu Rate, einen stoischen Philosophen aus Griechenland, der wegen seiner Gelehrsamkeit berühmt war.1318 Als dieser äußerte, die vorgeschlagenen 400 Bücher seien zu viel und kein Mensch werde sie lesen, wurde er vom Kaiser wegen crimen maiestatis verurteilt.1319 Bemerkenswert ist, dass der Kaiser zunächst ein Todesurteil erwogen hatte, ihn letztendlich jedoch nur auf eine Insel verbannte. Der Bericht ist zu wenig ausführlich, um die Gründe dieser Milderung auszumachen. Allerdings war es schon öfter vorgekommen, dass Gelehrte milder bestraft wurden.1320 Dieser Umstand könnte die Strafzumessung durch den Kaiser auch hier wieder beeinflusst haben.

6. Zusammenfassung Mit diesen Prozessen sind die für unsere Untersuchung brauchbaren Nachrichten1321 erschöpft. Unter Nero begegneten Gesichtspunkte der Strafzumessung, die auch schon früher eine Rolle gespielt hatten, doch auch neue, die jetzt anscheinend 1313 Vgl. für Thrasea Tac. ann. 16, 22: nova cupientibus, Tac. ann. 16, 28: proditorem palam et hostem, für Soranus vgl. Tac. ann. 16, 23: spes novas. Servilia warf man vor, Magier über das Schicksal des Kaisers befragt zu haben, vgl. Tac. ann. 16, 30 u. Dio Xiphil. 62, 26, 3. 1314 Tac. ann. 16, 21 init.: Schließlich gelüstete es Nero, durch die Ermordung des Thrasea Paetus und des Barea Soranus die Tugend selbst auszurotten. 1315 Vgl. Tac. ann. 16, 27 init. 1316 Tac. ann. 16, 33. 1317 Tac. ann. 16, 35, Dio Xiphil. 62, 26, 4. 1318 Vgl. zu ihm v. Arnim, Art. Annaeus (5), RE I 2, 1894, Sp. 2225 f. und Stein, Art. Annaeus (609), PIR I, 1933, S. 100. 1319 Zum Prozess Dio Xiphil. 62, 29, 1. 1320 s. o. B.I.4. u. 5., II.13., 20.a), III.4., IV.1. und V.4. 1321 Daneben ist aus der Regierungszeit Neros zum Strafrecht noch einiges überliefert, das nicht über die Strafzumessung informiert. s. dazu Anhang III.

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erstmals berücksichtigt wurden. In Neros ersten Regierungsjahren orientierten sich sowohl der Kaiser als auch der Senat bei der Strafzumessung an der bisherigen Strafpraxis bzw. an der gesetzlichen Strafe.1322 Das verhinderte in der Regel ausufernd harte Strafen, konnte im Einzelfall aber auch eine unverhältnismäßige Härte bedeuten, wie die Hinrichtung der 400 Sklaven zeigte.1323 Beibehalten wird die härtere Bestrafung des Wiederholungstäters,1324 die mildernde Berücksichtigung weiblichen Geschlechts,1325 hohen Alters,1326 der familiären Situation,1327 der unbefriedigenden Beweislage,1328 der Bildung des Angeklagten1329 und des Handelns aus Leidenschaft.1330 Nach wie vor spielt der Abschreckungsgedanke: künftige Straftaten durch Verhängung harter Strafen zu verhindern, eine Rolle.1331 Die von Caligula eingeführte Verurteilung zu Zwangsarbeit wird von Nero aufgenommen.1332 Erneut begegnet das liberum mortis arbitrium.1333 Erstmals zeigte sich unterschiedliche Bestrafung von Personen verschiedenen Standes, wenn auch nur in Einzelfällen 1334 – ein Prinzip, von dem das kaiserzeitliche Strafrecht später geprägt sein wird. Auch clementia spielte weiterhin eine Rolle, bei der Strafrechtsprechung des Kaisers und erstmals bei der des Senats.1335 Seneca hatte Nero mit seiner Schrift De clementia Empfehlungen für eine milde Ausübung der Herrschaft an die Hand gegeben.1336 Als sich der Einfluss des Philosophen verringerte, lebten zwar Majestätsprozesse wieder auf. Doch scheint Senecas Nachwirkung jedenfalls für die Zeit vor der pisonischen Verschwörung allzu harte Urteile verhindert zu haben. Als Strafe für crimen maiestatis begegnet nur Verbannung. Dennoch ist echte Milde in 1322 Deutlich in den Verfahren wegen Ankläger- und Repetundenvergehen, B.V.1. u. 2. Auch in den Prozessen wegen Ehebruchs, B.V.3.f), Aufruhrs, 3.b), und im Majestätsverfahren wegen Schmähgedichten, 3.e). 1323 s. o. B.V.3.d). 1324 s. o. B.V.1.b). Zu früheren Fällen vgl. oben B.I.5. u. II.13. 1325 s. o. B.V.3.d) und 4. Zu früheren Fällen vgl. oben B.II.7. u. 12. (Sosia), III.5., IV.7. 1326 s. o. B.V.1.b), 3.d) u. 5. (Cassius). Zu früheren Fällen vgl. oben B.II.13. Zur Berücksichtigung sowohl hohen als auch geringen Alters im Rahmen der Strafzumessung unter Nero vgl. Sen. de clem. 1, 1, 4 u. 2, 7, 2: aetatem eius emendabilem intuens (im Hinblick auf sein besserungsfähiges Alter). 1327 s. o. B.V.1.b). Zu früheren Fällen vgl. oben B.II.7. 1328 s. o. B.V.4. Zu früheren Fällen vgl. oben B.II.7. 1329 s. o. B.V.4. u. 5. (Annaeus). Zu früheren Fällen vgl. oben B.I.4. u. 5., II.13. u. 20.a), III.4. und IV.1. 1330 s. o. B.V.3.a). Ein früherer Fall oben B.II.5. 1331 s. die Äußerung des Juristen C. Cassius, oben B.V.3.d). 1332 s. Suet. Nero 31, 3. 1333 s. o. B.V.4. u. 5. (Paetus, Barea, Servilia). Zum liberum mortis arbitrium s. o. B.IV.5.a). 1334 s. o. B.V.1.a) (Ankläger Agrippinas), 3.c) und 3.g). 1335 s. o. B.VI.3.d) und e). 1336 Dazu oben A.II.1.

VI. Von Galba bis Titus (68 – 81 n. Chr.)

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Neros Strafrechtsprechung nirgends erkennbar. Wo clementia vorkommt, scheint sie politisches Programm zu sein. Tacitus charakterisiert das treffend, indem er über Neros Reaktion auf den Selbstmord eines Angeklagten schreibt: secutaque Neronis oratio ex more, quamvis sontem et defensioni merito diffisum victurum tamen fuisse si clementiam iudicis expectasset.1337

VI. Von Galba bis Titus (68 – 81 n. Chr.): Die Jahre spärlicher Überlieferung Für die Zeit nach Tacitus’ Annalen berichten die an sie anschließenden Historien besonders ausführlich, doch befassen sich die erhaltenen Teile nur mit dem Bürgerkrieg und dem Kampf um die Macht im Staat.1338 Berichte über Strafprozesse finden sich nur vereinzelt. Auch Suetons Kaiserbiographien und Dios Römische Geschichte liefern einige Informationen zu Gerichtsverfahren. Trotz dieser kargen Quellenlage gewähren die Auskünfte immerhin einen Einblick in die Strafpraxis der Zeit. 1. Der Kalumnienprozess gegen Annius Faustus (Anfang 69 n. Chr.)1339 Der Ritter Annius Faustus1340 wurde unter Galba von Vibius Crispus1341 vor dem Senat wegen calumnia angeklagt. Faustus hatte unter Nero den Bruder des Crispus denunziert, worauf dieser in einem Repetundenprozess zu Ausweisung aus Italien verurteilt worden war.1342 Nun wollte Crispus den Denunzianten seines Bruders zu Fall bringen. Der Prozess endete wohl mit einem Todesurteil. Zwar schreibt Tacitus am Ende lediglich damnatus. Doch verzeichnet er zuvor zwei Meinungen unter den Richtern: ein Großteil sprach sich für ein sofortiges Todesurteil aus, andere wollten Faustus zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Letztere setzten sich zunächst durch: et valuere primo. Das im nächsten Satz folgende mox damnatus est Faustus bezieht sich aber auf das geforderte Todesurteil. Seine Verteidigung scheint ihm nichts genutzt zu haben. Tac. ann. 15, 35 i. f. Zu diesem Satz bereits oben B.V.3.e). Das gleiche gilt für Plutarchs Galba- und Othobiographie, in denen sich nichts zum Strafrecht findet. 1339 Tac. hist. 2, 10. 1340 Zu ihm ist weiter nichts bekannt, vgl. v. Rohden, Art. Annius (41), RE I 2, 1894, Sp. 2265 und Stein, Art. Annius (645), PIR I, 1933, S. 109. 1341 Zu ihm Hanslik, Art. Vibius (28), RE VIII A 2, 1958, Sp. 1968 – 1970, Vogel-Weidemann, Vibius Crispus Proconsul (1975), S. 149 – 153, Goetz, Freunde und Feinde des Kaisers Domitian (1978), S. 32 – 35, Rudich, Political Dissidence (1993), S. 185 u. 306 f., Rutledge, Imperial Inquisitions (2001), S. 278 – 282. 1342 s. o. B.V.2. 1337 1338

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B. Die einzelnen Prozesse bis Trajan

Die Anwendung der Todesstrafe ist bemerkenswert. Gesetzliche Strafe für calumnia waren bloße Ehrenstrafen, die in der cognitio extra ordinem im Allgemeinen zu Verbannung verschärft wurden.1343 Bislang war lediglich in einem Kalumnienprozess gegen einen der Beteiligten Todesstrafe verhängt worden. Grund hierfür war der niedere Stand des Angeklagten.1344 Nun wird in einem Kalumnienprozess gegen einen Ritter1345 die Todesstrafe verhängt. Das Urteil scheint aber nicht als Präzedenz aufgefasst worden zu sein. Vielmehr legt Domitian nicht viel später Verbannung als Kalumnienstrafe fest: ut accusatori qui causam non teneret exsilium poena esset .1346 Zu erklären ist das harte Urteil durch die besonderen Umstände des Falles. Der Ankläger Crispus war sehr reich und besaß großen Einfluss,1347 wodurch er bereits seinen Bruder vor einer härteren Strafe als Ausweisung hatte bewahren können.1348 Um seinen Bruder zu rächen, ging er besonders beharrlich vor: et propria vi Crispus incuberat delatorem fratris sui pervertere,1349 und forderte die härteste in Betracht kommende Strafe. Diesem energischen Vorgehen stand ein geschwächter und eingeschüchterter Senat gegenüber, der in jüngster Zeit oft nur Spielball der Machtinteressen des Herrschers gewesen war. Den Senatoren muss klar gewesen sein, dass ein Todesurteil der Praxis in Kalumnienverfahren widersprechen würde. 2. Majestätsprozesse unter Vitellius (Frühjahr 69 n. Chr.)1350 Aus der kurzen Regierungszeit des Vitellius ist zum Strafrecht praktisch nichts bekannt. Die einzigen Strafprozesse, von denen sowohl das angeklagte Verbrechen als auch die ausgeurteilte Strafe bekannt sind, sind Majestätsprozesse:1351 Gleich zu Beginn seines Regierungsantritts ließ Vitellius diejenigen, die bei Otho aufgrund ihrer Beteiligung an der Ermordung Galbas eine Belohnung erbeten hatten, wegen crimen maiestatis in einem Massenprozess zum Tode verurteilen.1352 Es handelte sich um 120 Personen. Vitellius orientierte sich bei der Strafzumessung also an der in der Strafpraxis für crimen maiestatis mittlerweile üblichen Strafe und nicht an der milderen poena legis. Vgl. oben B.V.1. s. o. B.V.1.a). 1345 Tac. hist. 2, 10: equestris ordinis. 1346 Suet. Dom. 9, 2. Zu dieser Stelle bereits oben B.V.1. 1347 Dazu Hanslik, Art. Vibius (28), RE, art. cit., Sp. 1969. 1348 Vgl. Tac. ann. 14, 28 i. f. 1349 Tac. hist. 2, 10: Und mit dem Gewicht seiner ganzen Persönlichkeit hatte es sich Crispus zum Ziel gesetzt, den Denunzianten seines Bruders zu stürzen. 1350 Suet. Vitell. 10, 1. 1351 s. im Übrigen die Nachweise in Anhang III. 1352 So wird man die wie üblich knappe Auskunft Suetons verstehen dürfen: et supplicio adfici imperavit. 1343 1344

VI. Von Galba bis Titus (68 – 81 n. Chr.)

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3. Prozesse unter Vespasian Nach den Wirren um die Nachfolge Neros kehrte in Rom erst wieder mit Vespasian Ruhe ein. Aus seiner Regierungszeit (Dezember 69 bis 79 n. Chr.) sind verhältnismäßig viele Strafprozesse überliefert, darunter auch zur Strafzumessung interessante. Anfang 70 n. Chr. stand Publius Celer1353 vor dem Senatsgericht.1354 Er hatte im Majestätsprozess gegen Soranus1355 durch sein falsches Zeugnis ein Todesurteil herbeigeführt. Deswegen1356 wurde er nun von Musonius Rufus1357 angeklagt. Verteidigt wurde er vom Kyniker Demetrius.1358 Wer als falscher Zeuge in einem Kapitalprozess ausgesagt hatte, wurde bereits nach älterem Recht einem Mörder gleichgestellt. 1359 Auch in die lex Cornelia de sicariis et veneficiis scheint das aufgenommen worden zu sein.1360 Dem falschen Zeugen drohte also ein Todesurteil. Das Senatsgericht hielt sich an diese gesetzliche Vorgabe und verurteilte Celer zum Tode.1361 Das harte Urteil erscheint auf den ersten Blick insofern unausgewogen, als Celer, wäre er falscher Ankläger gewesen, lediglich Verbannung wegen calumnia gedroht hätte. Todesurteile in Kalumnienverfahren bildeten die Ausnahme. Unter Vespasian kehrte der Senat zur Strafpraxis in Kalumnienverfahren zurück.1362 Aber das Todesurteil gegen Celer widerspricht der Praxis in Kalumnienverfahren nicht wirklich. Die Senatoren wandten auf den falschen Zeugen den alten Rechtssatz nicht unflexibel an, denn zwischen falschem Ankläger und falschem Zeugen besteht ein qualitativer Unterschied, den die Senatoren beachtet haben werden. Während der falsche Ankläger den Angeklagten nur der Gefahr einer Verurteilung aussetzt, da jeder weiß, dass er Partei ist, kann ein falscher Zeuge eine 1353 Zu ihm v. Arnim, Art. Egnatius (16), RE V 2, 1905, Sp. 1996 und Stein, Art. Egnatius (19), PIR III, 1943, S. 70. 1354 Tac. hist. 4, 10 u. 40, ann. 16, 32. 1355 Dazu oben B.V.5. 1356 Dass er im Prozess gegen Soranus auch delator war, so v. Fritz, Art. Musonius (1), RE XVI 1, 1935, Sp. 893 – 897, Sp. 894, ihm somit eine Anklage wegen calumnia gedroht hätte, ergibt sich aus den Quellen nicht. Tac. hist. 4, 10 u. 40 nennt als Grund der Anklage nur das falsche Zeugnis. Tac. ann. 16, 32, wo es um den Prozess gegen Soranus geht, ist er nur testis. 1357 Zu ihm v. Fritz, Art. Musonius (1), RE, art. cit., Sp. 893 – 897 und Petersen, Art. Musonius (753), PIR V, 2, 1983, S. 324 f. 1358 Zu ihm und seiner Verbannung unten B.VI.3. 1359 Vgl. Liv. ab urbe 3, 24 u. 4, 21. 1360 Vgl. Marc. 14 inst. D. 48, 8, 1, 1. s. a. PS 5, 23, 1 = Coll. 8, 4, 1. 1361 Tac. hist. 4, 40 heißt es: damnatusque Publius et Sorani manibus satis factum (Publius wurde verurteilt und den Manen des Soranus Genugtuung geleistet). Genugtuung für die Totengeister des Soranus wird man nur durch ein Todesurteil erreicht haben. Ein solches nimmt auch v. Arnim, Art. Egnatius (16), RE, art. cit., Sp. 1996 an. 1362 s. die Kalumnienprozesse unten B.VI.3.

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B. Die einzelnen Prozesse bis Trajan

feste Grundlage für ein Todesurteil liefern. Für diesen ist die härtere Strafe deshalb angemessen. Um dieselbe Zeit wurden auch Sariolenus Vocula1363 und Paccius Africanus1364 vor dem Senatsgericht angeklagt.1365 Sie waren wegen ihrer Denunziationen unter Nero berüchtigt, ersterer auch wegen seiner falschen Anklagen unter Vitellius. Sie wurden deswegen in einem Kalumnienprozess1366 vor dem Senatsgericht angeklagt und mit dem Verlust ihres senatorischen Ranges bestraft.1367 Die Senatoren milderten die in Kalumnienverfahren mittlerweile üblicherweise ausgesprochene Verbannung und hielten sich an die gesetzliche Strafe für schikanöse Anklagen. Offenbar sahen sie die früheren Denunziationen der Angeklagten nicht als besonders schwerwiegend an. Gesetzestreue bewiesen die Senatoren auch im Repetundenprozess gegen Antonius Flamma,1368 der Anfang 70 n. Chr. von den Bürgern von Kyrene angeklagt wurde.1369 Ihm wurden schwere Repetundenvergehen vorgeworfen.1370 Die Senatoren bestraften ihn mit Verbannung,1371 was für derartige Fälle von repetundae gesetzlich vorgeschrieben war und in der Strafpraxis auch meist eingehalten wurde.1372 Aus dem darauffolgenden Jahr ist ein Majestätsprozess vor dem Kaisergericht überliefert.1373 Neben anderen Philosophen wurden der Stoiker Hostilianus1374 und der Kyniker Demetrius1375 wegen crimen maiestatis1376 vom Kaiser1377 verur1363 Zu ihm ist weiter nichts bekannt, vgl. Eck, Art. Sariolenus Vocula, RE Suppl. XIV, 1974, Sp. 598, Rutledge, Imperial Inquisitions (2001), S. 265 f., Heil, Art. Sariolenus Vocula (189), PIR VII, 2, 2006, S. 75 f. 1364 Hofmann, Art. Paccius (11), RE XVIII 2, 1942, Sp. 2064 f. und Rutledge, Imperial Inquisitions (2001), S. 252. 1365 Tac. hist. 4, 41. 1366 Dass es eine Anklage gab und es sich um einen regelrechten Prozess handelte, berichtet Tacitus nicht ausdrücklich. Doch stellt er die Geschehnisse während der Senatssitzung wie ein Gerichtsverfahren dar und spricht in Bezug auf Sariolenus von einem crimen, was einen Strafprozess nahe legt. 1367 Tacitus beschränkt sich auf die Beschreibung der tatsächlichen Vorgänge: . . . donec curiae excederet und eum quoque proturbant, was jeweils als Ausschluss aus dem Senat zu verstehen ist. 1368 Zu ihm v. Rohden, Art. Antonius Flamma, RE I 2, 1894, Sp. 2618 und Groag, Art. Antonius (831), PIR I, 1933, S. 158 f. 1369 Tac. hist. 4, 45. Dazu Bleicken, Senatsgericht (1962), S. 162. 1370 Tac. hist. 4, 45 i. f.: ob saevitiam. 1371 Ob er lediglich ausgewiesen oder festgesetzt wurde, ist der Wortwahl bei Tacitus (exilium) nicht zu entnehmen. Vgl. dazu oben A.III.2.b)aa)(1)(h). 1372 s. o. B.I.1.a). 1373 Tac. hist. 4, 40, Dio Xiphil. 65, 13, 1 f., Suet. Vesp. 13, Schol. Juvenal 1, 33. 1374 Zu ihm Stein, Art. Hostilianus (1), RE VIII 2, 1913, Sp. 2501 und Stein / Petersen, Art. Hostilianus (222), PIR IV, 1966, S. 101. 1375 Zu ihm v. Arnim, Art. Demetrios (91), RE IV 2, 1901, Sp. 2843 f. und Stein, Art. Demetrius (39), PIR III, 1943, S. 9 f.

VI. Von Galba bis Titus (68 – 81 n. Chr.)

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teilt. Diese wurden auf Inseln verbannt,1378 die übrigen möglicherweise nur ausgewiesen.1379 Auffällig ist die Abweichung von der in Majestätsprozessen mittlerweile üblichen Todesstrafe. Die mildere Bestrafung von Philosophen und Gelehrten begegnete bereits öfter. Der Kaiser scheint sich daran orientiert zu haben und setzte diese Praxis fort.1380 Danach klafft in der Überlieferung eine Lücke. Erst aus dem Jahr 76 n. Chr. ist wieder ein Prozess bekannt, wiederum ein Majestätsprozess.1381 A. Caecina Alienus1382 und Eprius Marcellus1383 hatten eine Verschwörung gegen Vespasian geplant. Alienus wurde nach einem Gastmahl im kaiserlichen Palast ohne Prozess ermordet, Marcellus dagegen vor dem Senat in einem Majestätsprozess angeklagt und zum Tode verurteilt. Bevor das Urteil vollstreckt wurde, nahm er sich das Leben. Hier sprach der Senat die in der Strafpraxis für crimen maiestatis übliche Strafe aus.

4. Kalumnienprozesse unter Titus (79 – 81 n. Chr.) Für die Regierungszeit des Kaisers Titus gibt es nur sehr wenige Nachrichten zum Strafrecht. Allgemein wird gesagt, er habe während seiner Regierungszeit keinen Mord begangen, keinen Senator hinrichten, keine Majestätsprozesse anstrengen lassen und auf Verschwörungen gelassen reagiert.1384 Dazu passt, dass er gegen Denunzianten hart vorging. Kalumnienprozesse vor dem Kaisergericht gegen nicht namentlich bezeichnete Angeklagte sind die einzigen Strafverfahren, die aus seiner Regierungszeit bekannt sind.1385 Dabei begeg1376 Dass der Vorwurf auf crimen maiestatis lautete, ergibt sich aus Dio Xiphil. 66, 13, 1 f., wonach sie mannigfache, den bestehenden Verhältnissen widersprechende Auffassungen vertraten und Hostilianus nach seiner Verbannung die Monarchie noch viel heftiger angriff. Ob es sich um regelrechte Gerichtsverfahren handelte, erhellt aus dem Bericht in Dios römischer Geschichte nicht, ergibt sich jedoch wohl aus Suet. Vesp. 13: post damnationem. 1377 Vom Kaisergericht ist in keiner der Quellen ausdrücklich die Rede. Bei Dio ist jedoch deutlich Vespasian der Akteur. Die bei Sueton geschilderte Begegnung zwischen Vespasian und Demetrius an dessen Verbannungsort legt ebenfalls das Kaisergericht nahe. 1378 Dio Xiphil. 65, 13, 2. 1379 Vgl. Dio Xiphil. 65, 13, 1 i. f., wonach Mucianus den Kaiser überredete, all diese 7 7 Leute aus der Stadt zu werfen (7k ôçò ðüëåùò 7kâáëåé í). 1380 s. o. B.I.4. u. 5., II.13., 20.a), III.4., IV.1., V.4. und 5. (Annaeus). 1381 Suet. Tit. 6, Dio Xiphil. 65, 16, 3 f. 1382 Zu ihm Groag, Art. Caecina (10), RE V 1, 1903, Sp. 1238 – 1240 und ders., Art. Caecina (99), PIR II, 1936, S. 17 f. 1383 Zu ihm Kappelmacher, Art. Eprius, RE VI 1, 1909, Sp. 261 – 264 und Groag, Art. Eprius (84), PIR III, 1943, S. 82 – 84. 1384 Dio Xiphil. 66, 18 f., Suet. Tit. 9. 1385 Suet. Tit. 8, 5, Dio Xiphil. 66, 19, 3 i. f. und Martial de spect. 4.

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nen zwei verschiedene Strafen.1386 In manchen Fällen griff er die Strafpraxis früherer Kalumnienprozesse auf und verurteilte die Angeklagten zu Verbannung, wobei er allerdings die härtere Form der Verbannung auf Inseln wählte, noch dazu besonders unwirtliche. In anderen Fällen verschärfte er die übliche Strafe, indem er den Denunzianten die Freiheit nahm und sie als Sklaven verkaufen ließ.1387 Als selbständige Strafe begegnete die Überführung in die Sklaverei im römischen Strafrecht bislang nicht. Auch dem späteren Strafrecht wird sie unbekannt bleiben.1388 Der Verlust der Freiheit wird aber Begleitstrafe einer Verurteilung in metallum.1389 Vielleicht ist gerade die Existenz der Bergwerksstrafe der Grund, weswegen die Urteile des Kaisers Titus keine Nachahmung fanden und die Überführung in die Sklaverei nicht zu einer selbständigen Strafe weiterentwickelt wurde. Der Verkauf auf dem Sklavenmarkt war mit Aufwand verbunden. Deswegen dürfte es näher gelegen haben, Straftäter unmittelbar zu Zwangsarbeit in staatlichen Bergwerken zu verurteilen, zumal der Bedarf an Sklaven in den Bergwerken seit dem 1. Jh. n. Chr. groß war.1390 Was Titus in einigen der überlieferten Kalumnienverfahren dazu bewog, dennoch auf Überführung in die Sklaverei zu erkennen und die Verurteilten als Sklaven verkaufen zu lassen, lässt sich allenfalls ahnen. Vielleicht eigneten sie sich nicht zu Bergwerksarbeit. Möglicherweise fand er diese in den konkreten Fällen auch allzu hart.

5. Zusammenfassung Die Anzahl der überlieferten Fälle1391 ist zu gering, um tragfähige Aussagen zur Strafzumessung in dieser Zeit zu treffen. Einiges kann dennoch festgehalten wer1386 Verbannung und Verkauf in die Sklaverei. Dazu Suet. Tit. 8, 5. Zur Verbannung s. a. Martial de spect. 4. Die bei Sueton geschilderte vorherige Prügelung, Geißelung und Vorführung im Amphitheater ist nicht als eigene Strafe, sondern als Begleitstrafe zur Verbannung bzw. zum Verkauf in die Sklaverei zu verstehen. Zur Geißelung als Begleitstrafe vgl. oben B.III.2.a). 1387 So wird man Sueton verstehen dürfen, wenn er schreibt: partim subici ac venire imperavit, partim in asperrimas insularum avehi (zum Teil befahl er, dass sie in die Sklaverei verkauft, zum Teil, dass sie auf die unwirtlichsten Inseln verbannt würden), vgl. Rolfe, Suetonius (1914), Graves, The Twelve Caesars (1957). s. a. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 495 Fn. 4 und Fortuna, L’Imperatore Tito (1955), S. 110. 1388 Vgl. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 945 – 948, Kaser, Privatrecht I (1971), S. 292 f., Robinson, Summary (1991 / 92), S. 95. s. a. Zilletti, servitus poenae (1968), S. 38 – 53 und Burdon, Slavery (1988), S. 68 – 85. Zu Suet. Tit. 8 s. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 495 Fn. 4. 1389 Vgl. PS 3, 6, 29, Gaius 17 ad ed. prov. D. 28, 1, 8, 4, Ulp. 8 ad Sabinum D. 29, 2, 25, 3, Marc. 11 inst. D. 34, 8, 3 pr., Ulp. 9 de off. proc. D. 48, 19, 8, 4 u. 8, Marc. 1 inst. D. 48, 19, 17 pr., Hermog. 1 iuris. epit. D. 48, 19, 36, Callistr. 6 de cogn. D. 49, 14, 12. 1390 Vgl. Weisgerber, Art. Bergbau, NP 2, 1997, Sp. 568 – 573, Sp. 582 m. w. N. 1391 Daneben existieren Auskünfte, die für unsere Untersuchung nichts hergeben. s. dazu Anhang III.

VII. Domitian

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den. Der Senat orientierte sich jetzt oft an der poena legis, was zum Teil der Strafpraxis entsprach,1392 teilweise ihr gegenüber aber auch milder war.1393 Einmal bedeutete die poena legis ein hartes Urteil, das mit gutem Grund so gefällt worden zu sein scheint.1394 Die erhebliche Verschärfung der gesetzlichen Strafe in einem Kalumnienprozess fiel in die Zeit nach Neros Tod.1395 Der Kaiser dagegen orientierte sich eher an der mittlerweile eingefahrenen Strafpraxis als an der gesetzlichen Strafe.1396 Einmal wich er auch davon ab und ersann eine neue Strafe.1397 Majestätsprozesse liefen meist auf Todesstrafe hinaus, sowohl vor dem Kaiser-1398 als auch vor dem Senatsgericht.1399 Lediglich bei Gelehrten fiel das Urteil wie üblich milder aus.1400

VII. Domitian: Scheinbare Gesetzestreue und correctio morum Für die Regierungszeit Domitians (81 – 96 n. Chr.) bietet die Überlieferung wieder reichere Ausbeute. Wir hören von den verschiedensten Verbrechen. Aber nur bei Majestätsprozessen, den Vestalinnenprozessen, einem Repetunden- und einem Fälschungsprozess sind sowohl das vorgeworfene Verbrechen als auch die verhängte Strafe überliefert. 1. Majestätsprozesse Etwa zwei Drittel der überlieferten Prozesse unter Domitian sind Majestätsprozesse. Meist fällte der Kaiser pauschal Todesurteile, ohne dass irgendwelche Ermessenserwägungen erkennbar wären. Hier sind nur die Strafverfahren näher zu untersuchen, die Anhaltspunkte zur Strafzumessung liefern.1401 1392 1393 1394 1395 1396 1397 1398 1399 1400

B.VI.3. (Antonius Flamma). B.VI.3. (Kalumnienprozesse). B.VI.3. (Publius Celer). B.VI.1. B.VI.2., 3. (Demetrius und Hostilianus) und 4. B.VI.4. B.VI.2. B.VI.7. (Marcellus). Zu früheren Fällen vgl. oben B.I.4. u. 5., II.13. u. 20.a), III.4., IV.1., V.4. und 5. (An-

naeus). 1401 Pauschale Todesurteile finden sich in einer ganzen Reihe von Prozessen. Aelius Lamia, dem Domitian die Gattin weggenommen hatte, machte darüber später Witze, wurde deswegen von Domitian zum Tode verurteilt und hingerichtet, Suet. Dom. 10, 2, Juvenal 4, 154 (zw. 81 u. 83 n. Chr.). Salvius Cocceianus, der Neffe des Kaisers Otho, hatte angeblich dessen Geburtstag gefeiert, weswegen ihn Domitian verurteilte und hinrichten ließ. Otho hatte ihn durch Adoption zu seinem Nachfolger bestimmen wollen, was erklärt, dass er Domitian gefährlich zu

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B. Die einzelnen Prozesse bis Trajan

a) Verbannungsurteile Interessant sind die wenigen Majestätsprozesse, in denen lediglich auf Verbannung erkannt wurde. Der erste Fall ist der des Mettius Pompusianus1402 91 n. Chr.1403 Ihm war unter Vespasian prophezeit worden, er werde einmal Kaiser werden. Das machte ihn Domitian verdächtig. Offiziell wurde ihm vorgeworfen, er trage eine Weltkarte und Reden der Könige und Feldherren aus dem Geschichtswerk des Livius mit sich herum. In einem Majestätsprozess verbannte Domitian ihn nach Korsika, wo er wenig später umgebracht wurde. Mit dem Strafurteil hatte das aber nichts zu tun. Ähnlich erging es Acilius Glabrio.1404 Er war 91 n. Chr. zusammen mit Trajan Konsul. Nach seinem Konsulat wurde er wegen crimen maiestatis vor dem Kaisergericht angeklagt, verbannt1405 und später ohne Prozess getötet. Was ihm als Majestätsverbrechen vorgeworfen wurde, ist unbekannt. 93 n. Chr. wurden Salvidienus Orfitus,1406 der spätere Kaiser Nerva1407 und ein gewisser Rufus1408 der Verschwörung gegen Domitian beschuldigt.1409 Sie wurden sein schien, Suet. Dom. 10, 3, Plut. Otho 16 (um 81 n. Chr.). Sallustius Lucullus war einer der Nachfolger Agricolas als Legat in Britannien. Ihm wurde vorgeworfen, er habe Lanzen einer neuen Form ,lukullische‘ genannt. In Wahrheit wird Domitian den Abfall des Heerführers gefürchtet haben. Er wurde zum Tode verurteilt und hingerichtet, Suet. Dom. 10, 3 (nach 83 n. Chr.). C. Vettulenus Civica Cerialis war Statthalter der Provinz Asia. Noch während seiner Statthalterschaft wurde ihm ein geplanter Umsturz vorgeworfen. Er wurde vom Kaiser zum Tode verurteilt und hingerichtet, Suet. Dom. 10, 2, Tac. Agr. 42 init. (88 n. Chr.). Flavius Sabinus wurde vom Herold am Tag der Konsulwahlen irrtümlich nicht als designierter Konsul, sondern als Kaiser bekannt gemacht. Deswegen verurteilte ihn der Kaiser zum Tode, Suet. Dom. 10, 4, Plin. ep. 3, 11, 3 (89 n. Chr.). In Wahrheit sah ihn Domitian als Rivalen in der Herrschaft an; dazu und zur Datierung Stein, Art. Flavius (169), RE VI 2, 1909, Sp. 2614 f. und Groag, Art. Sabinus (355), PIR III, 1943, S. 169 f. Der Sophist Maternus wurde beschuldigt, in einer Redeübung etwas gegen Tyrannen gesagt zu haben. Er wurde zum Tode verurteilt und hingerichtet, Dio Xiphil. Zonaras 67, 12, 5 (91 n. Chr.). Im selben Jahr wurde einer Frau vorgeworfen, sie habe sich vor einem Bild des Kaisers entkleidet. Einem Mann wurde der Verkehr mit Astrologen unterstellt. Beide wurden zum Tode verurteilt und hingerichtet, Dio Xiphil. Zonaras 67, 12, 2. Der Astrologe Larginus Proculus hatte in Germanien öffentlich den Todestag Domitians vorausgesagt. Der dortige Statthalter ließ ihn nach Rom bringen, wo er vom Kaiser zum Tode verurteilt wurde, Dio Xiphil. 67, 16, 2, Suet. Dom. 16, 1 (96 n. Chr.). 1402 Zu ihm Lambertz, Art. L. Pompusius Mettius, RE XXI 2, 1952, Sp. 2424 und Petersen, Art. Mettius (570), PIR V, 2, 1983, S. 278. 1403 Suet. Dom. 10, 3, Dio Xiphil. Zonaras 67, 12, 2 f. 1404 Zu ihm v. Rohden, Art. Acilius (40), RE I 1, 1894, Sp. 257 und Groag, Art. Acilius (67), PIR I, 1933, S. 9 f. 1405 Suet. Dom. 10, 2, Dio Xiphil. Zonaras 67, 14, 3, Juvenal 4, 94. Ob er auf eine Insel verbannt oder lediglich ausgewiesen wurde, ist der Wortwahl nicht zu entnehmen. Sueton schreibt lediglich exilium. Zu den Begriffen und ihrer Verwendung bei Sueton vgl. oben A.III.2.b)aa)(1)(i). 1406 Zu ihm Stein, Art. Cornelius (360), RE IV 1, 1900, Sp. 1507 und Groag, Art. Cornelius (1445), PIR II, 1936, S. 358. 1407 Zu ihm Stein, Art. Cocceius (16), RE IV 1, 1900, Sp. 134 – 154 und ders., Art. Cocceius (1227), PIR II, 1936, S. 292 – 294.

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in einem Majestätsprozess1410 vom Kaiser verurteilt1411 und auf Inseln verbannt. Salvidienus wurde später auf seiner Insel ermordet, ohne dass die Justiz eingeschaltet wurde. Rufus scheint dem Tod entgangen zu sein und Nerva kehrte sogar noch zu Lebzeiten Domitians nach Rom zurück. Zwei Jahre später stand Epaphroditus1412 vor dem Kaisergericht.1413 Er war ein Freigelassener Neros, zählte zu dessen engsten Vertrauten und war ihm auch beim Selbstmord behilflich. Domitian machte ihn zu seinem Sekretär. Unter dem Vorwand, er habe an seinen kaiserlichen Herrn, Nero, wenn auch mit dessen Einwilligung, Hand angelegt, verurteilte Domitian ihn in einem Majestätsprozess. Der wahre Anlass seiner Verurteilung ist unbekannt. Er wurde verbannt1414 und später ohne Prozess getötet. b) Gründe der Milderungen Bemerkenswert ist die Abweichung von der in Majestätsprozessen üblich gewordenen Todesstrafe. Gründe sind nicht genannt, doch lassen sich Vermutungen anstellen. Die Prozesse gegen Salvidienus Orfitus, Nerva und Rufus erinnern an frühere Strafverfahren, in denen Philosophen und Gelehrte im Vergleich zur Strafpraxis milder bestraft wurden.1415 Alle drei scheinen Philosophen oder doch philosophisch gebildet gewesen zu sein.1416 Allerdings erlegte sich Domitian Philosophen gegenüber durchaus nicht immer diese Zurückhaltung auf, verurteilte er auch etliche zum Tode.1417 1408 Zu ihm Stein, Art. Rufus (5), RE I A 1, 1914, Sp. 1205 und Heil, Art. Rufus (184), PIR VII, 1, 1999, S. 110. 1409 Suet. Dom. 10, 2, Philostr. Apoll. 7, 8 – 11 u. 33. 1410 Dass sie wegen crimen maiestatis angeklagt waren, ergibt sich aus Philostr. Apoll. 7, 11, 3 init. 1411 Dass ein regelrechtes Strafverfahren stattfand, zeigt Philostr. Apoll. 7, 11, 2 i. f. 1412 Zu ihm Stein, Art. Epaphroditos, RE V 2, 1905, Sp. 2710 f. und ders., Art. Epaphroditus (69), PIR III, 1943, S. 80. 1413 Dio Xiphil. Zonaras 67, 14, 4, Suet. Dom. 14, 4. 1414 Dio Xiphil. Zonaras 67, 14, 4. 1415 s. o. B.I.4. u. 5., II.13., 20.a), III.4., IV.1., V.4. u. 5. (Annaeus) und VI.3. (Demetrius und Hostilianus). 1416 Während Vespasians und Titus’ Regierung waren sie mit dem pythagoreischen Philosophen Apollonius befreundet und tauschten sich mit ihm über philosophische Themen aus, vgl. Philostrat. Apoll. 7, 8, 1. In einem Gespräch zwischen Apollonius und dem Philosophen Demetrius ging es unter anderem darum, dass mittlerweile bloße Weisheit für eine Anklage wegen crimen maiestatis ausreiche. Dabei wurde die Verurteilung der drei mit dem Majestätsprozess gegen Demetrius (dazu oben B.VI.3.) und Apollonius in eine Reihe gestellt, vgl. Philostr. Apoll. 7, 11, 2. 1417 So den Sophisten Maternus, vgl. oben Fn. 1401, und den Stoiker Iunius Rusticus Arulenus, vgl. unten B.VII.1.c). s. allgemein zu Todesurteilen gegenüber Philosophen unter Domitian Dio Xiphil. Zonaras 67, 13, 3.

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B. Die einzelnen Prozesse bis Trajan

Doch die Verfahren eint noch ein anderes Element: bei vielen Angeklagten scheint der Tod von Anfang an geplant gewesen zu sein. Sie wurden aber nicht zum Tode, sondern zur gesetzlichen Verbannung verurteilt und in der Verbannung ohne Umstände umgebracht. Dio berichtet unabhängig von den hier dargestellten Fällen, Domitian sei öfter so vorgegangen.1418 Die Verbannung des Epaphroditus zeigt, dass machtpolitische Erwägungen hinter dieser Methode steckten. Er war einer der engsten Mitarbeiter des Kaisers und ein Beispiel für Loyalität und Integrität. Ein Todesurteil und seine Hinrichtung wären ein Skandal gewesen. Fernab von den Augen der Öffentlichkeit ließ er sich dagegen problemlos und unbemerkt aus dem Weg räumen, wobei der Kaiser durch ein scheinbar mildes Urteil noch etwas für sein Ansehen als princeps clemens tun konnte. Ähnliches dürfte für die übrigen Fälle gelten.

c) Die übrigen Majestätsprozesse Gegen Ende des Jahres 93 n. Chr. fanden vor dem Senatsgericht drei Majestätsprozesse statt, die offiziell verschiedene Vorwürfe zum Gegenstand hatten, womöglich jedoch miteinander zusammen hingen.1419 Dem Stoiker Iunius Rusticus Arulenus1420 wurde vorgeworfen, er habe Lobreden auf die unter Nero bzw. Vespasian verurteilten Philosophen Thrasea Paetus1421 und Helvidius Priscus1422 veröffentlicht. Er wurde in einem Majestätsprozess vom Senat zum Tode verurteilt und hingerichtet.1423 Der Schriftsteller Helvidius,1424 Sohn des Philosophen Helvidius Priscus, wurde beschuldigt, in einem Schauspiel auf Domitians Scheidung von seiner Frau Do1418 Dio Exc. Val. 67, 3, 42. Dio ist gegenüber Sueton oft genauer und berichtet von einem Verbannungsurteil und der anschließenden Ermordung am Verbannungsort, während sich Sueton auf die Auskunft beschränkt, der Kaiser habe den entsprechende Straftäter getötet (vgl. etwa den Fall des Mettius Pompusianus, Suet. Dom. 10, 3 gegenüber der ausführlicheren Nachricht Dio Xiphil. Zonaras 67, 12, 2 f.). Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Strafurteil auch in anderen Fällen, in denen Sueton von der Tötung eines Straftäters berichtet, in Wahrheit auf Verbannung lautete. 1419 Vgl. dazu Rogers, Domitianic Treason-Trials (1960), S. 19 – 23. Rogers will den inneren Zusammenhang zwischen den Prozessen in einer gemeinsamen Verschwörung erkennen. Die offiziellen Gründe seien nur vorgeschoben. Das ist nicht ausgeschlossen, bleibt mangels hinreichender Nachweise jedoch Hypothese. 1420 Zu ihm Kroll, Art. Iunius (149), RE X 1, 1917, Sp. 1083 f. und Stein / Petersen, Art. Iunius (730), PIR IV, 1966, S. 328 f. 1421 Zu diesem oben B.V.3.c) und 5. 1422 Zu dessen Verbannung und seiner unter Vespasian angeordneten Ermordung vgl. Suet. Vesp. 15. s. a. Malitz, Senatsopposition (1985), S. 242 f. 1423 Tac. Agr. 45, Plin ep. 1, 5, 2; 3, 11, 3 und Dio Xiphil. Zonaras 67, 13, 2. 1424 Zu ihm Gaheis, Art. Helvidius (4), RE VIII 1, 1912, Sp. 221 f. und Stein / Petersen, Art. Helvidius (60), PIR IV, 1966, S. 61.

VII. Domitian

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mitia angespielt zu haben. Auch er wurde vom Senat zum Tode verurteilt und hingerichtet.1425 Herennius Senecio1426 machte man zum Vorwurf, eine Biographie des unter Vespasian ermordeten Stoikers Helvidius Priscus verfasst zu haben. Die Senatoren verurteilten auch ihn zum Tode.1427 Fannia,1428 die Witwe des Priscus, gab zu, Herennius um die Abfassung dieser Biographie gebeten zu haben. Der Senat verurteilte sie zu Vermögenseinziehung und Ausweisung aus Rom und Italien.1429 Im Gegensatz zum Kaiser sprach der Senat die in Majestätsverfahren mittlerweile übliche Todesstrafe aus. Lediglich Fannia wurde mit Verbannung milder bestraft. Auch damit könnte sich der Senat an die bisherige Strafpraxis gehalten haben. Zum einen hatte sie die Biographie nicht selbst abgefasst, sondern Herennius zur Abfassung angestiftet, war sie also an der Tat in geringerem Umfang beteiligt, was bei der Strafzumessung schon bisher mildernde Berücksichtigung fand.1430 Auch die mildere Bestrafung von Frauen begegnete schon öfter1431 und kehrt hier wie im folgenden Fall wieder: 95 n. Chr. wurde dem Konsul Flavius Clemens,1432 einem Vetter Domitians, und seiner Frau Flavia Domitilla,1433 ebenfalls eine Verwandte des Kaisers, Verleugnung der römischen Staatsreligion und Pflege jüdischer oder vielmehr christlicher1434 Bräuche vorgeworfen.1435 Die Strafbarkeit der Verleugnung der römischen Staatsreligion wurde auf die lex Iulia maiestatis gestützt.1436 Flavius wurde vom Kaiser zum Tode verurteilt und hingerichtet, seine Frau auf die Insel Pandateria verbannt.1437 Tac. Agr. 45, Suet. Dom. 10, 4 und Plin. ep. 3, 11, 3. Zu ihm Gaheis, Art. Herennius (44), RE VIII 1, 1912, Sp. 678 und Stein / Petersen, Art. Herennius (128), PIR IV, 1966, S. 78 f. 1427 Tac. Agr. 2 u. 45, Plin. ep. 1, 5, 3; 3, 11, 3; 7, 19, 5 und Dio Xiphil. Zonaras 67, 13, 2. 1428 Zu ihr Kappelmacher, Art. Fannius (22), RE VI 2, 1909, Sp. 1995 und Groag, Art. Fannia (118), PIR III, 1943, S. 118. 1429 Plin. ep. 7, 19, 6: publicatis bonis, ep. 7, 19, 4: relegata. Zur Bedeutung des Wortes relegare bei Plinius s. o. A.III.2.b)aa)(1)(j). 1430 Vgl. oben B.I.4., II.6., 20.e) und III.5. 1431 s. o. B.II.7. u. 12. (Sosia), III.5., IV.7., V.3.d) und 4. 1432 Zu ihm Stein, Art. Flavius (62), RE VI 2, 1909, Sp. 2536 – 2539 und Groag, Art. Flavius (240), PIR III, 1943, S. 142 f. 1433 Zu ihr Stein, Art. Flavius (227), RE VI 2, 1909, Sp. 2732 – 2735 und ders., Art. Flavia (418), PIR III, 1943, S. 188 f. 1434 Zur Frage, ob die Nachricht Dios, der vom Vorwurf der Pflege jüdischer Bräuche berichtet, zu korrigieren ist und vielmehr vom Vorwurf der Pflege christlicher Bräuche auszugehen ist, s. Stein, Art. Flavius (62), RE, art. cit., Sp. 2538 f. m. w. N. und ders., Art. Flavius (227), RE, art. cit., Sp. 2734 f. 1435 Zum Prozess Suet. Dom. 15, 1, Dio Xiphil. Zonaras 67, 14, 1 f. s. a. Euseb hist. 3, 18, 4. 1436 Vgl. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 569 – 574. 1437 Die erste überlieferte Verbannung auf eine Insel war die Verbannung der älteren Julia (s. o. B.I.2.). Sie war ebenfalls nach Pandateria verbannt worden. Zu dieser Insel oben B.I.2.c). 1425 1426

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B. Die einzelnen Prozesse bis Trajan

Den am ausführlichsten überlieferten Majestätsprozess unter Domitian schildert Sueton.1438 Er fand vor dem Senat statt, doch traf in Wahrheit der Kaiser die Entscheidungen; er lenkte das Ermessen des Senatsgerichts. Zunächst setzte er den Beschluss durch, die Angeklagten zum Tode more maiorum zu verurteilten, was bedeutete hätte, dass sie zu Tode gegeißelt worden wären.1439 Dann gab er vor, die Härte der Strafe erschrecke ihn, und bat die Senatoren, die Strafe abzumildern und die Verurteilten ihre Todesart frei wählen zu lassen: ut damnatis liberum mortis arbitrium indulgeatis.1440 In diesem Sinn wird der Senat schließlich entschieden haben. Die gegenüber der Strafpraxis milderen Todesurteile beruhten auf politischen Erwägungen des Kaisers, der den Fall dazu nutzen wollte, seine Milde zur Schau zu stellen: ad leniendam invidiam intercessit.1441 Zuvor hieß es sarkastisch: numquam tristiorem sententiam sine praefatione clementiae pronuntiavit.1442

2. Die Vestalinnenprozesse1443 Die Vestalinnen versahen in Rom den Kult der Göttin Vesta. Sie wurden im Alter von sechs bis zehn Jahren vom pontifex maximus bestimmt, in ihr Amt eingeführt und gehörten meist patrizischen Familien an. Ihre Hauptaufgabe war die Hütung des ewigen Feuers im Hause der Vesta auf dem Forum. Der Dienst dauerte 30 Jahre. Während dieser Zeit mussten sie enthaltsam leben. Wenn eine Vestalin Geschlechtsverkehr mit einem Mann hatte und ihre Jungfräulichkeit verlor, was incestum genannt wurde,1444 so wurde sie seit alters dazu verurteilt, lebendig begraben zu werden. Sie wurde auf einer Totenbahre zu einem eigens dafür unterhaltenen Grabgang getragen und musste über eine Leiter in ihr Grab hinuntersteigen. Da1438 Suet. Dom. 11, 2 f. Der Prozess ist nicht datierbar und auch sonst sind nirgends weitere Einzelheiten überliefert. Dazu Bauman, Crime and Punishment (1996), S. 98 f. 1439 Vgl. oben B.II.2. u. 10.d). 1440 Suet. Dom. 11, 3: Dass ihr die Verurteilten ihre Todesart frei wählen lasst. Zum liberum mortis arbitrium s. o. B.IV.5.a). 1441 Vgl. Suet. Dom. 11, 3: er schritt ein, um die Erbitterung zu mildern. 1442 Suet. Dom. 11, 2: Nie verkündete er ein besonders strenges Urteil, ohne vorher auf seine Milde hinzuweisen. 1443 Suet. Dom. 8, 3 f., Plin. ep. 4, 11, Dio Xiphil. 67, 3, 32 und Dio Exc. Val. 67, 3, 4, Juvenal 4, 8 – 10, Philostr. Apoll. 7, 6. Vgl. dazu Mommsen, Strafrecht (1899), S. 928 f., Koch, Art. Vesta, RE VIII A 2, 1958, Sp. 1717 – 1776, Sp. 1747 – 1752, Rawson, Religion and Politics (1974), S. 207 – 211, Beard, The Sexual Status of Vestal Virgins (1980), S. 12 – 27, Cornell, Crimen Incesti (1981), S. 27 – 37, Fraschetti, sepoltura (1984), S. 102 – 109, Cantarella, Supplizi Capitali (1991), S. 136 – 140 u. 211 – 213, Bauman, Crime and Punishment (1996), S. 92 – 97, Harries, Law and Crime (2007), S. 91 ff. 1444 Vgl. Suet. Dom. 8, 3 i. f., Plin. ep. 4, 11, 6, Juvenal 4, 9. Die Vestalinnen wurden als Töchter der Gesellschaft und Schwestern jeden Mannes angesehen, vgl. Bauman, Crime and Punishment (1996), S. 93 Fn. 4.

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nach wurde der Eingang verschlossen. Ihr Verführer wurde auf dem Comitium zu Tode gegeißelt.1445 Unter Domitian begegnen zwei Vestalinnenprozesse, die ersten seit der späten Republik überlieferten.1446 a) Der Prozess des Jahres 82 n. Chr.1447 Zunächst waren vier Vestalinnen des Inzests angeklagt, die Schwestern Oculata, eine gewisse Varronilla1448 und die Oberpriesterin Cornelia.1449 Domitian, als Kaiser pontifex maximus, hielt in dieser Funktion Gericht.1450 Die beiden Schwestern und Varronilla wurden zum Tode verurteilt, sollten ihre Todesart jedoch frei wählen dürfen: liberum mortis permisisset arbitrium.1451 Cornelia dagegen wurde aus unbekannten Gründen freigesprochen. Womöglich reichten die Beweise nicht hin. Die am Inzest beteiligten Männer wurden lediglich verbannt.1452 Die ausgesprochenen Strafen liegen weit unter der hergebrachten Strafe. Die Quellen geben einen Anhaltspunkt, was der Grund für die Milderungen gewesen sein könnte: Domitian habe sich darauf etwas zugute gehalten, dass er die Vestalinnen nicht lebend begraben ließ.1453 Offenbar wollte er, wie in anderen Fällen auch,1454 dieses sehr öffentlichkeitswirksame Strafverfahren dazu nutzen, sich als milden Herrscher zu präsentieren.

1445 Vgl. zu alledem Koch, Art. Vesta, RE, art. cit., Sp. 1732 ff., Mommsen, Strafrecht (1899), S. 928 f. und Cantarella, Supplizi Capitali (1991), S. 136 ff. und 211 ff., jeweils m. w. N. 1446 Suet. Dom. 8, 3 ist angedeutet, dass es Inzestvergehen der Vestalinnen unter Vespasian und Titus gab, dass sie jedoch nicht verfolgt wurden. 1447 s. bes. Suet. Dom. 8, 3 f. und Dio Exc. Val. 67, 3, 41. Zur Datierung ausführlich Grelle, correctio morum (1980), S. 345 Fn. 21. 1448 Zu ihnen ist weiter nichts bekannt, vgl. Hanslik, Art. Varronilla, RE VIII A 1, 1955, Sp. 416. 1449 Zu ihr Groag, Artt. Cornelia (425 u. 426), RE IV 1, 1900, Sp. 1598 und ders., Art. Cornelia (1481), PIR II, 1936, S. 369. 1450 Dass es sich dennoch um profane Strafgerichtsbarkeit handelte, hat Koch, Art. Vesta, RE, art. cit., Sp. 1747 – 1750 gezeigt. 1451 Suet. Dom. 8, 4 init. 1452 Sueton Dom. 8, 4 schreibt: relegasset. Daraus lässt sich nicht schließen, ob sie lediglich ausgewiesen oder an einem bestimmten Ort festgesetzt wurden. Zu den Begriffen und ihrer Verwendung bei Sueton vgl. oben A.III.2.b)aa)(1)(i). 1453 Dio Exc. Val. 67, 3, 41. 1454 Vgl. den bei Sueton überlieferten Majestätsprozess, oben B.VII.1.c).

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B. Die einzelnen Prozesse bis Trajan

b) Der zweite Prozess (zwischen 89 und 91 n. Chr.)1455 Die Verschonung Cornelias währte nicht lange. Wenige Jahre später wurde sie erneut des Inzests beschuldigt. Diesmal traf die Beteiligten die ganze Härte der alten Strafe. Cornelia wurde lebendig begraben. Ihre Verführer, darunter der Ritter Celer,1456 wurden auf dem Comitium zu Tode gegeißelt. Nur Valerius Licinianus1457 erlitt eine mildere Strafe. Ein Teil seines Vermögens wurde eingezogen und er wurde außerhalb Italiens, aber an einem angenehmen Ort festgesetzt.1458 Gründe für die mildere Bestrafung des Licinianus sind in den Quellen zum Teil genannt, zum Teil angedeutet. Er scheint am Inzest in geringerem Umfang als die anderen beteiligt, vielleicht nur Helfer gewesen zu sein.1459 Zudem war er von höherem Stand als die anderen Beteiligten.1460 Auch scheint Licinianus ein gebildeter Mann und berühmter Gerichtsredner gewesen zu sein.1461 Alle drei Gesichtspunkte waren bereits bisher mildernd berücksichtigt worden.1462 Neu ist ein weiterer Aspekt, der bislang noch nicht begegnete und der sowohl von Sueton als auch von Plinius als wesentlicher Grund der Strafmilderung herausgestellt wird. Freunde des Licinianus hatten ihm geraten, den Kaiser durch ein Geständnis zu beschwichtigen und ihn dadurch zu einer milderen Strafe zu bewegen. Das gelang.1463 Spannender ist die Frage, weshalb der Kaiser bei allen übrigen Beteiligten von seiner früheren Entscheidung in dem nur wenige Jahre zurückliegenden Prozesses abwich und die alten harten Strafen wieder aufleben ließ. Auch dazu äußern sich 1455 s. bes. Suet. Dom. 8, 3 f. und Plin. ep. 4, 11. Zur Datierung vgl. Bauman, Crime and Punishment (1996), S. 93 Fn. 9 m. w. N. 1456 Vgl. Plin. ep. 4, 11, 10. Zu ihm ist weiter nichts bekannt, vgl. Stein, Art. Celer (4), RE III 2, 1899, Sp. 1869 und ders., Art. Celer (621), PIR II, 1934, S. 143. 1457 Zu ihm Hanslik, Art. Valerius (219), RE VIII A 1, 1955, Sp. 52. 1458 Der Zusatz, es habe sich um ein angenehmes Exil gehandelt (exilium molle, Plin. ep. 4, 11, 13), kann sich nur auf den ihm angewiesenen Aufenthaltsort beziehen. Licinianus muss demnach an einem bestimmten Ort festgesetzt worden sein. Dafür spricht auch die Wortwahl im nachfolgenden Satz, Plin ep. 4, 11, 14: ex quo (exilio) . . . translatus est in Siciliam (er wurde aus der Verbannung nach Sizilien gebracht). 1459 Plinius (ep. 4, 11, 11) berichtet, Grund der Anklage wegen Inzests sei gewesen, dass er auf seinen Landgütern eine Freigelassene Cornelias versteckt habe. Sueton handelt über ihn knapper als Plinius und zählt ihn pauschal zu den stupratores, Dom. 8, 4. 1460 Licinianus war Senator (vgl. Plin. ep. 4, 11, 1). Sueton (Dom. 8, 4) nennt ihn in Abgrenzung zu den anderen praetorius vir. 1461 Dazu Schanz / Hosius, Geschichte der Römischen Literatur II (1935), S. 744. 1462 Zur Berücksichtigung des Umfangs der Beteiligung s. B.I.4., II.6., 20.e), III.5., VII.1.c) und C.VI. Zur Strafungleichheit von Beteiligten unterschiedlichen Standes s. B.V.1.a), 3.c), g) und C.III. Zur milderen Bestrafung von Gelehrten s. o. B.I.4. u. 5., II.13., 20.a), III.4., IV.1., V.4. u. 5. (Annaeus), VI.3. (Demetrius und Hostilianus) und VII.1.b). 1463 Suet. Dom. 8, 4 i. f., Plin. ep. 4, 11, 5 u. 11 – 13. Trotz der Aufmerksamkeit, die der Fall erregt haben muss, scheint sich das Geständnis nicht als Strafmilderungsgrund etabliert zu haben. Vgl. zum Geständnis Mommsen, Strafrecht (1899), S. 437 ff. Zur Frage, ob ein Geständnis für eine Verurteilung erforderlich war, s. o. B.I.7.a)bb).

VII. Domitian

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Sueton und Plinius. Ersterer ordnet den Vestalinnenprozess unter die Maßnahmen von Domitians correctio morum ein, seiner Verbesserung bzw. Wiederherstellung der Sitten.1464 Nach Plinius habe der Kaiser gemeint, er könne seiner Zeit durch solche Maßnahmen Glanz verleihen.1465 Wollte Domitian den früheren Vestalinnenprozess dazu nutzen, sich durch seine Milde zu profilieren, so sollte ihm dieses Strafverfahren nun als Bühne seiner correctio morum dienen. Hier wie dort ging es ihm um Herrscherpropaganda, die aber ganz unterschiedlich ausfiel, von einem Extrem ins andere überging. Über hundert Jahre später, unter Caracalla (211 – 217 n. Chr.), sollte unkeuschen Vestalinnen noch einmal der Prozess gemacht werden. Drei wurden wegen Inzests verurteilt und lebendig begraben.1466

3. Der Repetundenprozess gegen Baebius Massa (vor 93 n. Chr.)1467 Baebius Massa1468 war Statthalter der Provinz Baetica1469 gewesen. Er hatte sich Repetundenvergehen zuschulden kommen lassen und wurde deshalb vor dem Senatsgericht angeklagt. Vertreter der Provinz waren Plinius d. J. und Herennius Senecio. Er wurde zum Tode verurteilt und hingerichtet.1470 Bis dahin hatte sich das Senatsgericht insoweit an die Vorgaben der lex Iulia repetundarum gehalten und sollte das auch in Zukunft tun.1471 Die Todesstrafe für Repetunden war bisher erst einmal vorgekommen1472 und begegnet später nicht 1464 Suet. Dom. 8, 3 init.: suscepta correctione morum (er unternahm Maßnahmen zur Verbesserung der Sitten). Vgl. dazu Grelle, correctio morum (1980), S. 347 – 352. 1465 Plin. ep. 4, 11, 6 init. Ähnlich auch Philostr. Apoll. 7, 6. 1466 Vgl. Dio Xiphil. Exc. Val. 78, 16, 1 – 3. 1467 Tac. Agr. 45, Martial epigr. 12, 29, 2, Schol. Juvenal 1, 35, Plin. ep. 3, 4, 4 u. 6; 6, 29, 8; 7, 33, 4 – 8. Dazu Bleicken, Senatsgericht (1962), S. 162, Garnsey, Social Status and Legal Privilege (1970), S. 57 f. 1468 Zu ihm v. Rohden, Art. Baebius (38), RE II 2, 1896, Sp. 2731, Stein, Art. Baebius (26), PIR I, 1933, S. 348 und Rutledge, Imperial Inquisitions (2001), S. 202 – 204. 1469 Baetica war eine senatorische Provinz im Süden Spaniens mit der Hauptstadt Corduba, vgl. Schulten, Art. Hispania, RE VIII 2, 1913, Sp. 1965 – 2046, bes. 2034 – 2040 und Castillo Garcia, Baetica (1975), S. 601 – 654. 1470 Das berichtet jedenfalls Schol. Juvenal 1, 35. Plinius hält sich bedeckt und schreibt ep. 7, 33, 4: damnatoque Massa censuerat (senatus), ut bona eius publice custodirentur (nachdem Massa verurteilt war, beschloss der Senat, sein Vermögen in staatliche Verwaltung zu geben). Womöglich beließ er es bei der allgemeinen Wendung damnatus, weil er im Nachhinein nicht besonders stolz darauf war, mitverantwortlich für ein Todesurteil zu sein. Rutledge, Imperial Inquisitions (2001), S. 203 nimmt an, Massa sei lediglich verbannt worden und will seine Hinrichtung auf einen späteren Zeitpunkt datieren. Dafür gibt es jedoch keine Anhaltspunkte. 1471 s. o. B.V.2. Zu den Repetundenprozessen unter Trajan s. u. VIII.1. u. 2. 1472 s.o. B.II.20.d).

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B. Die einzelnen Prozesse bis Trajan

mehr. Gründe für die Strafschärfung sind nicht genannt, doch stimmt das Urteil mit der Tendenz zu harten Strafen unter Domitian überein.

4. Ein Fälschungsprozess1473 Die aus Domitians Regierungszeit zu besprechenden Fälle beschließt der Fälschungsprozess gegen den Philosophen Flavius Archippus.1474 Er wurde von Velius Paulus,1475 damals Statthalter der Provinz Bithynien, wegen einer nicht näher bezeichneten Fälschung zu Bergwerksarbeit verurteilt: crimine falsi damnatus in metallum.1476 Nicht lange danach wurde er von Domitian begnadigt. Fälschungen wurden nach der lex Cornelia testamentaria nummaria bestraft, gesetzliche Strafe war Todesstrafe.1477 Nachdem diese in der späten Republik nicht mehr vollstreckt worden war, scheint sie für das crimen falsi zunächst auch in der Kaiserzeit nicht wieder aufgekommen zu sein. In den bisher überlieferten beiden Fälschungsprozessen wurden die Täter nur verbannt.1478 Gegenüber dieser Praxis stellt das Urteil gegen Flavius eine Verschärfung dar. In den späteren Juristenschriften begegnet metallum als Fälschungsstrafe dann öfter, allerdings nur für humiliores.1479 5. Zusammenfassung Die Überlieferung lässt für die Regierungszeit Domitians eine rege judizielle Tätigkeit sowohl des Kaiser- als auch des Senatsgerichts erkennen.1480 Beide Gerichte nahmen einen weiten Ermessensspielraum in Anspruch, wobei die Strafzumessung auch des Senatsgerichts in Wahrheit vom Kaiser gelenkt wurde. Gesichtspunkte, die in anderen Strafverfahren der frühen Kaiserzeit bereits eine Rolle gespielt hatten, galten auch hier.1481 Erneut begegnete das liberum mortis Plin. ep. 10, 58. Der Fall ist nicht näher datierbar. Zu ihm Stein, Art. Flavius (41), RE VI 2, 1909, Sp. 2533 und ders., Art. Flavius (216), PIR III, 1943, S. 137. 1475 Zu ihm Hanslik, Art. Velius (5), RE VIII A 1, 1955, Sp. 628 f., Eck, Jahres- und Provinzialfasten (1982), S. 302 f. und ders., Art. Velius (4), NP 12, 1, 2002, Sp. 1168. 1476 Plin. ep. 10, 58, 3. 1477 s. o. B.II.7. i. f. 1478 s. o. B.II.7. und V.3.c). 1479 Vgl. PS 5, 25, 7 (= Paul. 5 sentent. D. 48, 19, 38, 7), PS 5, 25, 9 (= Paul. 5 sentent. D. 48, 19, 38, 9), PS 5, 25, 10. 1480 Neben den besprochenen Verfahren ist auch sonst einiges von strafrechtlicher Relevanz überliefert. Zum Teil handelt es sich dabei allerdings nicht um regelrechte Strafverfahren oder fehlen die für unsere Untersuchung entscheidenden Informationen. s. dazu Anhang III. 1481 Die Berücksichtigung des Geschlechts (B.VII.1.c)), des Grades der Beteiligung (B.VII.1.c) u. 2.b)), des Standes und die mildere Bestrafung des Gelehrten (B.VII.2.b)). 1473 1474

VIII. Trajan (98 – 117 n. Chr.)

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arbitrium als Ausfluss kaiserlicher clementia.1482 Neu war die mildernde Berücksichtigung eines Geständnisses. Von einzelnen Willkürakten und pauschalen Todesurteilen abgesehen, orientierten sich insgesamt überraschend viele Strafurteile an der poena legis oder milderten die hergebrachte Strafe sogar ab, was man bei einem Kaiser, der für Grausamkeit und Willkür berüchtigt war,1483 nicht erwartet hätte. Sowohl Milde als auch Gesetzestreue waren jedoch Fassade, hinter der sich das Bestreben, die eigene Macht zu sichern, verbarg. In Majestätsverfahren gegen unliebsame Kritiker waren vor den Augen der Öffentlichkeit milde Verbannungsurteile gefällt worden, um die Verurteilten dann an ihren Verbannungsorten ohne Strafverfahren unbemerkt zu ermorden. In den Vestalinnenprozessen wurden die Beteiligten trotz zweifelhafter Beweislage1484 auf alte grausame Weise hingerichtet, um als Beispiele einer Politik der correctio morum zu erscheinen.

VIII. Trajan (98 – 117 n. Chr.): Strafzumessung unter dem Optimus Princeps Aus der Regierungszeit von Trajans Vorgänger Nerva, der nach Domitians Tod nach einem guten Jahr im Amt starb, ist zum Strafrecht kaum etwas bekannt.1485 Allerdings wird berichtet, dass er die Untaten seines Vorgängers soweit als möglich bereinigte. Er habe alle schwebenden Majestätsprozesse eingestellt, wegen crimen maiestatis Verbannte aus der Verbannung zurückgeholt und sei hart gegen Denunzianten vorgegangen.1486 Zudem habe er keine Majestätsprozesse anstrengen lassen und sich im Senat dazu verpflichtet, keinen Senator zu töten.1487 Abgesehen von den Todesurteilen über Denunzianten wohl hauptsächlich aus der Zeit Domitians, darunter den Philosophen Seras,1488 alles Kalumnienprozesse mit spiegelnder Strafe,1489 sind keine weiteren Prozesse überliefert.1490 Für die B.VII.1.c) u. 2.a). Zu den Todesurteilen in Majestätsverfahren s. o. Fn. 1401. Vgl. allgemein Suet. Dom. 3, 2 i. f., 10 u. 11, Plin. paneg. 46 und Dio Xiphil. Exc. Val. 67, 1, 1. s. a. Bengtson, Die Flavier (1979), S. 189 – 193 u. 249 – 252. 1484 Vgl. Plin. ep. 4, 11, 5. 8. 10, Dio Xiphil. 67, 3, 32 und Dio Exc. Val. 67, 3, 41. 1485 Zu den wenigen Quellen, die über diese Zeit informieren, vgl. Garzetti, Nerva (1950), S. 4 – 13. Zum Strafrecht s. S. 46 – 55. 1486 Dio Xiphil. 68, 1, 2. 1487 Dio Xiphil. 68, 1, 2 u. 68, 2, 3. 1488 Dio Xiphil. 68, 1, 2. 1489 Das war zuvor in einem Kalumnienprozess erst einmal unter Otho geschehen, vgl. oben B.VI.1. 1490 Bei der Plin. ep. 9, 13 erwähnten Senatsverhandlung handelte es sich nicht um einen Strafprozess. Publicius wurde nicht angeklagt und gegen ihn erging auch kein Urteil, vgl. Eck, Art. Publicius (II 1), NP 10, 2001, Sp. 580. 1482 1483

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B. Die einzelnen Prozesse bis Trajan

anschließende trajanische Epoche ist das dann wieder anders. Hier informieren insbesondere Pliniusbriefe über einzelne Strafverfahren und die Strafpraxis der Zeit. 1. Die Prozesse wegen der Verbrechen des Marius Priscus (98 – Januar 100 n. Chr.)1491 a) Der Repetundenprozess gegen Marius Priscus und Flavius Marcianus1492 Im zweiten Buch seiner Briefsammlung schildert Plinius ausführlich einen Repetundenprozess vor dem Senatsgericht. Er selbst und der Historiker Tacitus hatten für die Bewohner der Provinz Africa die Anklage übernommen. Angeklagt waren der ehemalige Statthalter von Africa Marius Priscus,1493 ferner Vitellius Honoratus und Flavius Marcianus.1494 Zunächst gelangte der Fall vor eine aus Senatoren gebildete Rekuperatorenkommission. Deren Zuständigkeit beschränkte sich darauf, über den von den Provinzialen gegen den Amtswalter vorgebrachten Rückforderungsanspruch zu entscheiden.1495 Sie entschieden zugunsten der Bewohner der Provinz.1496 Als vor den Rekuperatoren Einzelheiten über schwere Repetundenvergehen ans Licht kamen, die die Kompetenz der Kommission überstiegen, leiteten Plinius und Tacitus ein Strafverfahren vor dem Senat ein. Priscus wurde beschuldigt, für die Verurteilung und Hinrichtung Unschuldiger von den anderen beiden Angeklagten Geld angenommen zu haben. Den Vorsitz vor dem Senatsgerichts führte Kaiser Trajan, der in diesem Jahr Konsul war. Vitellius Honoratus starb noch während des Prozesses, so dass sich die Anklage nunmehr auf Priscus und Marcianus beschränkte. Ersterer wurde von Salvius 1491 s. dazu Bleicken, Senatsgericht (1962), S. 163 f., Garnsey, Social Status and Legal Privilege (1970), S. 54 f., Talbert, Senate (1984), S. 500 f. u. 504 f., Bauman, Human Rights (2000), S. 93 f. und Robinson, Penal Practice (2007), S. 82 – 85. Zur Datierung s. Otto, Plinius (1919), S. 70 ff. m. w. N. 1492 Plin. ep. 2, 11. s. a. Plin. ep. 3, 9, 2 – 4 u. 6, 29 und Juvenal 1, 49 u. 8, 119 – 125. 1493 Zu ihm Miltner, Art. Marius (59), RE XIV 2, 1930, Sp. 1836 f. und Petersen, Art. Marius (315), PIR V, 2, 1983, S. 210. 1494 Vgl. Schuster, Art. Vitellius (6), RE IX A 1, 1961, Sp. 391, der ihn irrtümlich für den Prokonsul hält (s. Sherwin-White, The letters of Pliny (1966), S. 170), und Stein, Art. Flavius (127), RE VI 2, 1909, Sp. 2605 und ders., Art. Flavius (313), PIR III, 1943, S. 159. 1495 Vgl. dazu das im Edikt von Kyrene inschriftlich überlieferte SC Calvisianum, s. o. B.I.1.a). 1496 So ist es wohl zu verstehen, wenn Plinius den nunmehr im Senat anzuklagenden Priscus ep. 2, 11, 13 damnatum nennt. Die etwas später im selben Satz erwähnte damnatio kann nur diese Verurteilung durch die Rekuperatorenkommission meinen. Dafür spricht auch Plin. ep. 2, 11, 20 i. f.: Marium repetundarum poenae, quam iam passus esset, censuit relinquendum (er meinte, bei Marius solle man sich auf die Strafe der Rückerstattung beschränken, mit der er schon belegt worden war).

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Liberalis und Fronto Catius,1497 letzterer von Claudius Marcellinus1498 verteidigt. Die Anklage- und Verteidigungsreden nahmen zwei Verhandlungstage in Anspruch, so dass erst am folgenden dritten Tag über die Strafen abgestimmt wurde. Zunächst stellte der designierte Konsul Cornutus Tertullus1499 den Antrag, die 700 000 Sesterzen, die Priscus angenommen hatte, dem Aerarium zuzuführen und Priscus aus Rom und Italien zu verbannen. Marcianus solle zudem aus Africa verbannt werden. Dagegen beantragte Pompeius Collega,1500 bei Priscus solle man sich auf die Strafe der Rückerstattung der 700 000 Sesterzen beschränken, mit der er von der Rekuperatorenkommission schon belegt worden war. Marcianus solle fünf Jahre lang verbannt werden. Zunächst fand dieser mildere Antrag großen Beifall, doch schließlich entschieden sich die Senatoren für den Antrag des Cornutus. Der Fall zeigt, wie ausführlich im Senat nicht nur die Tatfragen zur Sprache kamen, sondern wie sehr den Senatoren auch die Strafzumessung ein Anliegen war. Ähnlich detailliert sind Verhandlungen vor dem Senatsgericht unter Tiberius, Nero und Domitian überliefert.1501 Und dort zeigte sich oft, dass der Kaiser das Ermessen der Senatoren beeinflusste. Nach Plinius’ Darstellung scheinen sie hier dagegen, obwohl der Kaiser den Vorsitz hatte, frei zu entscheiden. Möglicherweise verschweigt er uns eine vielleicht zwangsläufige Beeinflussung jedoch. Er nennt zwar keinen Grund, weswegen der mildere Antrag, der zunächst mehr Anhänger für sich hatte, schließlich unterlag, sagt aber, dass der Umschwung von den Sitzen der Konsuln ausging, deren einer Trajan war. Der Kaiser scheint dem strengeren Antrag zugeneigt zu haben, was die Senatoren zu einer entsprechenden Entscheidung bewogen haben wird. Es würde zu Plinius’ Idealisierung Trajans passen, dass er dies nur andeutet. Auch in diesem Repetundenverfahren1502 orientierte sich das Senatsgericht an der gesetzlichen Strafe der lex Iulia repetundarum, die bei schweren Repetundenvergehen wie dem vorliegenden die Einziehung des halben Vermögens und Verbannung in Form der Ausweisung aus Rom und Italien vorschrieb.1503 Priscus und Marcianus wurden beide aus Rom und Italien ausgewiesen. Der Ermessensspiel1497 Zu ihnen ausführlich Groag, Art. Salvius (15), RE I A 2, 1920, Sp. 2026 – 2029 und Wachtel, Art. Salvius (138), PIR VII, 2, 2006, S. 48 f. bzw. Stein, Art. Catius (4), RE III 2, 1899, Sp. 1792 f. und Groag, Art. Catius (194), PIR II, 1936, S. 39 f. 1498 Zu ihm ist weiter nichts bekannt, vgl. Groag, Art. Claudius (213), RE III 2, 1899, Sp. 2731 und ders., Art. Claudius (920), PIR II, 1934, S. 212. 1499 Zu ihm Groag, Art. Iulius (196), RE X 1, 1917, Sp. 570 – 576 und Stein / Petersen, Art. Iulius (273), PIR IV, 1966, S. 201 f. 1500 Zu ihm Vidman, Art. Sex. Pompeius Collega (601), PIR VI, 1998, S. 259 f. 1501 B.II.6., 8., 9., 10.b), V.3.d), 3.e) (Antistius), 5. (Paetus, Barea, Servilia). 1502 In schwereren Fällen hatten die Senatoren auch bislang auf Verbannung, B.I.1., 6., II.9., 14., III.3., IV.3. und V.2. (Vibius), in leichteren auf bloße Ehrenstrafen erkannt, B.IV.9., V.2. (Cossutianus, Pedius Blaesus und Scaevinus Paquius). Nur zweimal verschärften sie die gesetzliche Strafe zur Todesstrafe, B.II.20.d) und VII.3. 1503 s. dazu oben B.I.1.a).

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raum ermöglichte es dem Senatsgericht, letzteren auch aus Africa auszuweisen, was seine Heimatprovinz gewesen sein wird, und so die Sanktion des Repetundengesetzes sinngemäß fortzuentwickeln. Die caesarische lex Iulia repetundarum hatte die Möglichkeit, dass die Heimat des Angeklagten außerhalb Italiens lag, nicht bedacht. b) Der Repetundenprozess gegen Hostilius Firminus1504 Hostilius Firminus1505 war in Africa Legat des Marius Priscus gewesen und wurde in der folgenden Senatssitzung angeklagt. Ihm wurde vorgeworfen, Priscus bei seinen Verbrechen Hilfe geleistet und von Marcianus 50 000 Denare verlangt zu haben. Von Priscus habe er 10 000 Sesterzen erhalten. Worum es genau ging, sagt Plinius an dieser Stelle nicht, doch muss es sich um den Fall eines von Marcianus erkauften Strafurteils gehandelt haben.1506 Der designierte Konsul Cornutus Tertullus beantragte, ihn mit dem Verlust seines senatorischen Ranges zu bestrafen. Dagegen stellte Acutius Nerva1507 den Antrag, ihn nur von der Losung der Provinzen auszuschließen. Die Senatoren entschieden sich für den milderen Vorschlag des Nerva. Beide Vorschläge blieben unter der poena legis und waren erheblich milder als die Strafen, die in derselben Angelegenheit Priscus und Marcianus getroffen hatten. Grund hierfür muss der geringere Umfang der Beteiligung des Firminus gewesen sein. Er scheint an weniger Fällen mitgewirkt zu haben, denn während es im Vorprozess um eine Summe von insgesamt 700 000 Sesterzen ging, geht es hier nur um 50 000 Denare und 10 000 Sesterzen. Im konkreten Fall scheint er überdies nur Helfer gewesen zu sein. Die Tendenz, milder zu bestrafen, wenn der Angeklagte nicht der Haupttäter, sondern am Verbrechen nur beteiligt war, setzte sich in diesem Fall fort.1508

Plin. ep. 2, 12. Zu ihm ist weiter nichts bekannt, vgl. Kadlec, Art. Hostilius (14), RE VIII 2, 1913, Sp. 2506 und Stein / Petersen, Art. Hostilius (225), PIR IV, 1966, S. 101. 1506 Die Verurteilung und Hinrichtung Unschuldiger durch Priscus aufgrund von Geldzahlungen des Marcianus ist Gegenstand des Senatsverfahrens gegen diese beiden, vgl. Plin. ep. 2, 11, 2 u. 8. Worum es im Verfahren gegen Hostilius Firminus genau ging, muss Plinius deshalb nicht mehr ausführen, weil der Brief, in dem er den Prozess schildert, an dieselbe Person gerichtet ist, an die auch der vorhergehende adressiert war. 1507 Zu ihm ist weiter nichts bekannt, vgl. v. Rohden, Art. Acutius (2), RE I 1, 1894, Sp. 338 f. und Groag, Art. Acutius (101), PIR I, 1933, S. 16. 1508 Frühere Fälle oben B.I.4., II.6., 20.e), III.5., VII.1.c), 2.b). 1504 1505

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2. Der Repetundenprozess gegen Caecilius Classicus und seine Helfer (98 / 99 n. Chr.)1509 Nach seinem Prokonsulat in der Provinz Baetica wurde Caecilius Classicus1510 im Senat wegen repetundae angeklagt. Ihm wurden Unterschlagungen und Bestechlichkeit als Richter vorgeworfen, wodurch er insgesamt vier Millionen Sesterzen ergaunert hatte.1511 Die Provinz hatte sich Lucceius Albinus1512 und wiederum1513 Plinius als Ankläger ausgesucht. Dieser berichtet über den Prozess ausführlich im dritten Buch seiner Briefsammlung. Verteidiger war Claudius Restitutus.1514 Classicus starb noch vor Eröffnung des Prozesses. Ob eines natürlichen Todes oder durch Selbstmord, war unklar.1515 Die Provinz bestand dennoch auf Fortführung der Anklage gegen den Verstorbenen. Es ging ihr darum, auf das Vermögen des Classicus zugreifen1516 und seine Helfer belangen zu können, wofür die Feststellung der Schuld des Classicus erforderlich war.1517 Von den Helfern des Classicus wurden Baebius Probus und Fabius Hispanus zu fünfjähriger Verbannung verurteilt, der Schwiegersohn des Classicus, Stilonius Priscus,1518 zu zweijähriger.1519 Claudius Fuscus,1520 die Tochter und die Ehefrau des 1509 Plin. ep. 3, 4, 2. 4; 3, 9 und 6, 29, 8. s. dazu Bleicken, Senatsgericht (1962), S. 164, Garnsey, Social Status and Legal Privilege (1970), S. 52 f., Bauman, Human Rights (2000), S. 94 f. und Robinson, Penal Practice (2007), S. 86 – 89. Zur Datierung Groag, Art. Salvius (15), RE I A 2, 1920, Sp. 2026 – 2029, Sp. 2028 m. w. N. s. a. Bleicken, Senatsgericht (1962), S. 164. 1510 Zu ihm Groag, Art. Caecilius (42), RE III 1, 1897, Sp. 1199 f. und ders., Art. Caecilius (32), PIR II, 1966, S. 5. 1511 Vgl. Plin. ep. 3, 9, 13. 1512 Zu ihm Fluss, Art. Lucceius (12), RE XIII 2, 1927, Sp. 1561 und Petersen, Art. Lucceius (355), PIR V, 1, 1970, S. 95. 1513 Plinius hatte bereits im Repetundenprozess gegen Baebius Massa (s. o. B.VII.3.) die Anklage der Provinz Baetica vertreten. 1514 Zu ihm ist weiter nichts bekannt, vgl. Groag, Art. Claudius (313), RE V 2, 1897, Sp. 2862 und ders., Art. Claudius (995), PIR II, 1936, S. 242. 1515 Vgl. Plin. ep. 3, 9, 5. 1516 Plin. ep. 3, 9, 17. 1517 Plin. ep. 3, 9, 12. s. a. Plin. ep. 3, 9, 6. 1518 Zu ihm und zu den beiden vorigen ist weiter nichts bekannt, vgl. v. Rohden, Art. Baebius (39), RE II 2, 1896, Sp. 2731, Stein, Art. Baebius (27), PIR I, 1933, S. 348, ders., Art. Fabius (85), RE VI 2, 1909, Sp. 1772, ders., Art. Fabius (36), PIR III, 1943, S. 101, ders., Art. Stilonius, RE III A 2, 1929, Sp. 2525 und Krieckhaus, Art. Stilonius (918), PIR VII, 2, 2006, S. 341. 1519 Zu letzterem heißt es Plin. ep. 3, 9, 18: in biennium Italia interdictum (ihm wurde Italien für zwei Jahre verboten), was bloße Ausweisung aus Italien bedeutet. Zu den anderen beiden schreibt Plinius in quinquennium relegati (ep. 3, 9, 17). Sie wurden also wohl ebenfalls lediglich ausgewiesen. Zur Bedeutung des Wortes relegare bei Plinius vgl. oben A.III.2.b)aa)(1)(j).

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Classicus wurden freigesprochen.1521 Von anderen Angeklagten, die nicht namentlich genannt sind, wurden einige freigesprochen, die Mehrzahl aber zu Verbannung verurteilt, die einen auf Zeit, die anderen für immer.1522 Vom Vermögen des Classicus wurde der Teil abgesondert, den er schon vor seiner Tätigkeit in der Provinz besessen hatte, und seiner Tochter überlassen. Der Rest ging an die Geschädigten.1523 Das Senatsgericht orientierte sich im Wesentlichen an der poena legis des Repetundengesetzes, wich hier und dort jedoch von der gesetzlichen Bestimmung ab. Zwar wurde der Haupttäter für schuldig befunden, konnte jedoch nicht mehr bestraft werden, weil er verstorben war. Vermutlich hätten ihn die Senatoren gemäß der gesetzlichen Strafe für immer verbannt. Die Helfer wurden aufgrund ihrer geringeren Beteiligung milder bestraft und nur zeitig verbannt. Wer sich mehr hatte zuschulden kommen lassen, für länger, wer weniger, weniger lang. Wieder war der Umfang der Beteiligung Maßstab der Strafzumessung. An sich hätte das halbe Vermögen des Classicus eingezogen werden müssen, und zwar auch die Hälfte dessen, was er vor seinem Prokonsulat in Baetica bereits besaß, denn das, was er dort ergaunert hatte, war er ohnehin zurückzugeben verpflichtet. Zugunsten seiner Tochter wich der Senat jedoch von dieser gesetzlichen Vorschrift ab und überließ ihr das ursprüngliche Vermögen in vollem Umfang. Das mag das Verdienst des Plinius gewesen sein, der ihre Unschuld am Ende seiner Anklagerede unterstrichen hatte.1524 Bereits in einem Strafverfahren unter Tiberius1525 und einem anderen unter Nero1526 hatten die Senatoren die familiäre Situation des Angeklagten bei der Vermögenskonfiskation berücksichtigt und zugunsten der Nachkommen des Verurteilten einmal das gesamte, das andere mal einen Teil des Vermögens von der Konfiskation ausgenommen. Schließlich ist für die Strafzumessung noch ein anderer Aspekt von Bedeutung, der bei Plinius nur am Rande erwähnt wird. Er erklärt, er habe seine Anklage bewusst so aufgebaut, dass er zunächst die Vorwürfe gegen prominente Personen vorbrachte, damit sich für die Richter nicht ganz unbedeutende Angeklagte als Exempel harter Urteile anboten und die Hauptschuldigen mit milderen Strafen davonkämen.1527 Die Rechnung ging auf und Plinius erreichte für die Hauptschuldigen Urteile von angemessener Härte. Dass von den minores rei,1528 den weniger bedeutenden Angeklagten, zu denen Plinius danach überging, einige dann doch härter, 1520 Zu ihm ist weiter nichts bekannt, vgl. Groag, Art. Claudius (159), RE V 2, 1897, Sp. 2723 und ders., Art. Claudius (877), PIR II, 1936, S. 204. 1521 Plin. ep. 3, 9, 18 – 20. 1522 Plin. ep. 3, 9, 19 u. 22. 1523 Plin. ep. 3, 9, 17. 1524 Plin. ep. 3, 9, 20. 1525 s. o. B.II.7. 1526 s. o. B.V.1.b). 1527 Plin. ep. 3, 9, 9 i. f. und 3, 9, 10. 1528 Plin. ep. 3, 9, 19.

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nämlich mit immerwährender Verbannung bestraft wurden, scheint Plinius nicht weiter gekümmert zu haben. Er erwähnt es am Ende des Berichts in einem Nebensatz: Hic . . . causae terminus fuit quibusdam absolutis, pluribus damnatis atque etiam relegatis, aliis in tempus aliis in perpetuum.1529 Die härter bestraften minores rei waren wohl von niedrigerem Stand als die anderen Angeklagten. Strafungleichheit wegen ungleichen Standes war bereits in früheren Strafverfahren praktiziert worden.1530 Die Entscheidungen im Prozess gegen Caecilius Classicus und seine Helfer sind die letzten überlieferten Verurteilungen wegen repetundae aus Trajans Regierungszeit. Doch zeigt ein weiteres Senatsverfahren, dass sich die Senatoren bei der Strafzumessung auch später noch an der gesetzlichen Strafe für Repetunden orientierten. Nach seiner Statthalterschaft in der Provinz Bithynien wurde Iulius Bassus1531 103 n. Chr. von dieser Provinz vor dem Senatsgericht wegen repetundae angeklagt.1532 Ihm wurde vorgeworfen, von den Provinzialen Geschenke angenommen zu haben, was gegen die lex Iulia repetundarum verstieß.1533 Plinius und Lucceius Albinus verteidigten ihn. Obwohl der Verstoß erwiesen war, wurde er freigesprochen, weil man angesichts eines harten Schicksals, großer Verdienste um die Provinz und relativ geringen Wertes der Geschenke, die noch dazu durch Gegengeschenke ausgeglichen worden waren, Gnade walten ließ. Dennoch ist bekannt, welche Strafe der Senat für ihn erwogen hatte: er sollte seinen senatorischen Rang verlieren,1534 also die Strafe, welche die lex Iulia für leichtere Repetundenvergehen vorsah.

3. Der Prozess gegen Norbanus Licinianus wegen praevaricatio (98 / 99 n. Chr.)1535 Die Verurteilung des Norbanus Licinianus1536 erfolgte im Rahmen des Prozesses gegen Caecilius Classicus. Er war Teil der Gesandtschaft der Provinz Baetica, die 1529 Plin. ep. 3, 9, 22: Das war das Ende des Prozesses, in dem einige freigesprochen, die meisten aber verurteilt und auch verbannt wurden, die einen auf Zeit, die anderen für immer. 1530 s. o. B.V.1.a) (Ankläger Agrippinas), 3.c), 3.g) und VII.2.b). 1531 Zu ihm Fluss, Art. Iulius (118), RE X 1, 1917, Sp. 177 f. und Stein / Petersen, Art. Iulius (205), PIR IV, 1966, S. 153. 1532 Plin. ep. 4, 9, s. a. 5, 20, 1 und 6, 29, 10. Dazu Bleicken, Senatsgericht (1962), S. 164 f., Garnsey, Social Status and Legal Privilege (1970), S. 55, Talbert, Senate (1970), S. 501 f., Robinson, Penal Practice (2007), S. 91 – 94. Zur Datierung Mommsen, Plinius (1869), S. 45. 1533 Plin. ep. 4, 9, 6 f. 1534 Plin. ep. 6, 29, 10: remansit in senatu. s. a. Plin. ep. 4, 9, 16: salva dignitate und 4, 9, 19 i. f.: retinere in senatu. 1535 Plin. ep. 3, 9, 29 – 34. Dazu Jones, The Emperor Domitian (1992), S. 189 f., de Marini Avonzo, Funzione Giurisdizionale (1957), S. 92 f. 1536 Zu ihm ist weiter nichts bekannt, vgl. Stein, Art. Norbanus (11), RE XVII 1, 1936, Sp. 935, Eck, Jahres- und Provinzialfasten (1982), S. 328, Rutledge, Imperial Inquisitions (2001), S. 250 f.

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die Anklage gegen Classicus nach Rom überbrachte. Man konnte ihm nachweisen, die Frau des Classicus, die mit angeklagt war, heimlich begünstigt zu haben, um sie der Verurteilung zu entziehen. Anlass mögen persönliche Sympathien gewesen sein, wozu allerdings nichts überliefert ist. Wie für calumnia waren die gesetzlichen Strafen für praevaricatio bloße Ehrenstrafen.1537 Diese wurden bald nicht mehr als ausreichend erachtet, weswegen die Gerichte die Strafe verschärften und bei Anklägervergehen üblicherweise auf Verbannung erkannten.1538 Der vorliegende Fall ist seit Beginn des Prinzipats der dritte bekannte Prozess wegen praevaricatio. Im ersten Fall wurden die Angeklagten auf Inseln verbannt,1539 im zweiten Fall wurde der Angeklagte aus Rom und Italien ausgewiesen.1540 Norbanus wurde vom Senat auf eine Insel verbannt, er verschärfte also, an diese Strafpraxis anknüpfend, die gesetzliche Strafe noch einmal. 4. Der Prozess wegen des Todes des Konsuls Afranius Dexter (106 n. Chr.)1541 Der Konsul Afranius Dexter1542 war in seinem Haus tot aufgefunden worden. Zweifelhaft war, ob er sich selbst umgebracht hatte oder von seinen Sklaven umgebracht worden war. Im Senat wurde über die Bestrafung der Freigelassenen und Sklaven verhandelt. Nach dem SC Silanianum aus dem Jahr 10 n. Chr.1543 waren in solch einem Fall alle mit dem Herrn unter demselben Dach lebenden Sklaven, die nicht nachweisen konnten, ihm zu Hilfe gekommen zu sein, zum Tode zu verurteilen und mit dem Mörder hinzurichten. Durch einen Senatsbeschluss des Jahres 57 n. Chr. wurde die Strafbarkeit auf die im Haus des Ermordeten weilenden in seinem Testament Freigelassenen erstreckt,1544 die also erst durch den Mord frei geworden waren. Der letzte bekannte Fall lag fast ein halbes Jahrhundert zurück.1545 Gegen gewichtige Bedenken gegenüber der Anwendung des strengen Rechtssatzes und der Hinrichtung zahlloser offensichtlich Unschuldiger hatte damals der Jurist C. Cassius die Ansicht vertreten, künftige Taten dieser Art könnten nur dadurch verhindert werden, dass man die Vorschrift in ihrer ganzen Härte anwende und ein abZur praevaricatio s. o. B.II.23.b). Dazu oben B.V.1. 1539 s. o. B.II.23.b) (34 n. Chr.). 1540 s. o. B.V.1.c) (61 n. Chr.). 1541 Plin. ep. 8, 14, 12 – 26. Zur Datierung s. Otto, Plinius (1919), S. 40. 1542 Zu ihm v. Rohden, Art. Afranius (9), RE I 1, 1894, Sp. 713 und Groag, Art. Afranius (442), PIR I, 1933, S. 74 f. 1543 Dazu oben B.V.3.d). 1544 s. dazu oben B.V.3.d). 1545 s. o. B.V.3.d). 1537 1538

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schreckendes Beispiel liefere. Das war schließlich beschlossen und alle Sklaven waren hingerichtet worden. In dem hier behandelten Verfahren zeigen die Senatoren bei der Beratung einen flexibleren Umgang mit ihrer Ermessensfreiheit. Die Vorschläge beschränkten sich nicht darauf, die harte Bestimmung entweder anzuwenden oder sie unangewendet zu lassen. Vielmehr wurde neben der Todesstrafe erwogen, die Norm abzumildern und die Angeklagten lediglich zu Verbannung auf eine Insel zu verurteilen. Der Überlegung mögen dieselben Erwägungen zugrunde gelegen haben wie seinerzeit der Ansicht des Cassius. Zum einen sollten an dem Mord eventuell beteiligte Personen unschädlich gemacht werden, zum anderen sollte ihre Bestrafung andere vor der Begehung ähnlicher Taten abschrecken und zu ihrer vorsorglichen Verhinderung anspornen. Doch sollte beides nunmehr durch ein möglichst mildes Urteil erreicht werden, wofür nur Verbannung auf eine Insel in Betracht kam.1546 Nachdem das Senatsgericht die Tugend der clementia bereits unter Nero für sich in Anspruch genommen hatte,1547 scheinen diese Erwägungen ein weiteres Beispiel echter clementia auch des Senats zu sein. Zu einer Bestrafung der Sklaven und Freigelassenen kam es jedoch nicht. Plinius hatte nach dem Verhör Freispruch beantragt, was gegenüber den anderen Vorschlägen die Oberhand gewann.1548 Man scheint erhebliche Zweifel gehabt zu haben, ob sich Dexter nicht doch selbst umgebracht hatte.

5. Der Kalumnienprozess gegen Montanius Atticinus (vor 107 n. Chr.)1549 Am folgenden Kalumnienprozess vor dem Kaisergericht war Plinius als Mitglied des kaiserlichen consilium beteiligt. Lustricius Bruttianus, zuvor Statthalter von Africa,1550 wurde von Montanius Atticinus,1551 einem seiner engsten Vertrauten, verschiedener, in den Quellen nicht näher bezeichneter Verbrechen an1546 Bloße Ausweisung hätte keine Kontrollierbarkeit der Täter gewährleistet und Freiheitsstrafen standen nicht zur Debatte. 1547 Vgl. den Prozess gegen Antistius Sosianus (62 n. Chr.), s. o. B.V.3.e). 1548 Plin. ep. 8, 14, 12 und 8, 14, 24 i. f. – 26. s. dazu Robinson, Penal Practice (2007), S. 96 f. 1549 Plin. ep. 6, 22. Der Brief ist an Calestrius Tiro gerichtet. Plinius schrieb ihm, weil dieser für das Prokonsulat der Provinz Baetica ausgelost worden war, ep. 6, 22, 7. Tiro verwaltete diese Provinz 107 / 108 n. Chr., woraus sich ein terminus ante quem für den Prozess ergibt. 1550 Zu ihm Miltner, Art. Lustricius, RE XIII 2, 1927, Sp. 2039, Syme, People in Pliny (1968), S. 149 und Petersen, Art. Lustricius (446), PIR V, 1, 1970, S.l15. 1551 Zu ihm ist weiter nichts bekannt, vgl. Stein, Art. Montanius Atticinus, RE XVI 1, 1933, Sp. 204, Syme, People in Pliny (1968), S. 149 f. und Petersen, Art. Montanius (680), PIR V, 2, 1983, S. 307.

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B. Die einzelnen Prozesse bis Trajan

geklagt, die mit seiner Amtsführung in Verbindung standen. Er habe aus dem offiziellen Protokoll der Provinz die Seiten, die das belegt hätten, herausgetrennt. In Wahrheit hatte Atticinus selbst die Seiten durch einen Sklaven heraustrennen lassen, um Beweise für seine eigenen Verbrechen zu vernichten. Als er von Bruttianus bei der Begehung weiterer Verbrechen ertappt wurde, versuchte er, die Gefahr einer Anklage dadurch abzuwenden, dass er diesen durch ein Strafverfahren unschädlich machte, indem er ihm die von ihm selbst begangenen Taten andichtete.1552 In der Verhandlung wurde alles aufgedeckt. Trajan sprach Bruttianus frei und verurteilte Atticinus wegen calumnia zu Verbannung auf eine Insel. Er ging damit über die gesetzliche Strafe der lex Remmia hinaus, die für schikanöse Anklagen bloße Ehrenstrafen vorsah,1553 orientierte sich aber an der bisherigen Praxis der cognitio extra ordinem, die falsche Ankläger in der Regel mit Verbannung bestrafte,1554 und an einer Konstitution Domitians, die Verbannung als Regelstrafe für schikanöse Anklagen festgeschrieben hatte.1555 Die härtere Form der Verbannung auf eine Insel legte das besonders ruchlose Vorgehen des Atticinus nahe. Die Schwere einer Tat war ein anerkannter Gesichtspunkt bei der Strafzumessung.1556 Doch auch sonst scheint Trajan gegen falsche Ankläger hart vorgegangen zu sein und auch in anderen Kalumnienprozessen häufig Verbannungen auf Inseln ausgesprochen zu haben.1557

1552 So ist es wohl zu verstehen, wenn Plinius ep. 6, 22, 4 i. f. schreibt: corrupto enim scribae servo interceperat commentarios intercideratque ac per summum nefas utebatur adversus amicum crimine suo (nachdem er den Sklaven eines Schreibers bestochen hatte, hatte er die Tagebücher (der Provinz) an sich genommen und Teile davon herausgetrennt und als Gipfel seiner Ruchlosigkeit benutzte er sein eigenes Verbrechen gegen seinen Freund). Die Vernichtung von offiziellen Aufzeichnungen ist als solche nicht strafbar. Montanius muss seine Anklage also auf angebliche Verbrechen des Lustricius gestützt haben. 1553 s. o. B.II.15.a). 1554 Dazu oben B.V.1. 1555 Suet. Dom. 9, 2. Auch dazu oben B.V.1. 1556 s. o. B.IV.4. u. 6. s. a. unten C.V. 1557 Zu diesen Prozessen sind keine Einzelheiten überliefert. Plin. paneg. 34 f. berichtet lediglich vom strikten Vorgehen des neuen Kaisers gegen das Heer von Delatoren, die unter Domitian Angst und Schrecken verbreitet hatten. Sie wurden auf Inseln verbannt, Plin. paneg. 35, 2: . . . cum isdem quibus antea cautibus innocentissimus quisque, tunc nocentissimus adfigeretur, cumque insulas omnes, quas modo senatorum, iam delatorum turba compleret (denn auf dieselben Felsen, auf die früher jeder Unschuldige verbannt wurde, wurde nun der größte Verbrecher verbannt, und alle Inseln, die einst voll von Senatoren waren, waren nun voll von Delatoren).

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6. Ein Ehebruchsprozess vor dem Kaisergericht (um 107 n. Chr.)1558 In Buch sechs seiner Briefsammlung berichtet Plinius von einem Ehebruchsprozess vor dem Kaiser. Trajan hielt Gericht in Centumcellae 1559 und hatte Plinius hierzu in sein consilium berufen. Eine Frau namens Gallitta1560 war des Ehebruchs mit einem Centurio angeklagt. Der Centurio wurde aus dem Militärdienst entlassen und aus Italien ausgewiesen.1561 Das hätte Gallittas Ehemann, der die Anklage führte, genügt. Doch Trajan forderte ihn auf, die Anklage zu Ende zu führen. So wurde auch seine Frau verurteilt und erlitt die Strafen des Ehebruchsgesetzes: sed illam damnari etiam invito accussatore necesse erat: damnata et Iuliae legis poenis relicta est.1562 Sie wurde also ebenfalls ausgewiesen und verlor ein Drittel ihres Vermögens und die Hälfte ihrer Mitgift.1563 Orientierung an der Strafpraxis hätte Verbannung auf eine Insel bedeutet. Die Verschärfung der Ehebruchsstrafe zu Verbannung auf eine Insel ging auf die Juliaprozesse zurück. Augustus hatte die neue Strafe ersonnen, um Personen, die ihm politisch gefährlich geworden waren, unter Kontrolle zu stellen. Trajan sah im Falle Gallittas offenbar keinen Grund, daran anzuknüpfen. Stattdessen hielt er sich an die gesetzliche Strafe und erkannte schlicht auf Ausweisung aus Italien. Dabei verzichtete er auch auf Vorkehrungen gegen die Möglichkeit, dass sich das Paar außerhalb Italiens wiederfindet,1564 was freilich allenfalls zu nichtehelicher Lebensgemeinschaft möglich gewesen wäre. 7. Die Christenprozesse unter Trajan (nach 109 n. Chr.)1565 Plinius wurde um das Jahr 109 n. Chr. Statthalter von Bithynien. In einem Briefwechsel zwischen ihm und Kaiser Trajan ist sein Vorgehen gegen Christen überliefert. 1558 Plin. ep. 6, 31, 1 – 6. Aus ep. 6, 31, 8 f. ergibt sich, dass die Gerichtstage in Centumcellae nicht lange nach der Rückkehr Trajans aus Dacien stattfanden, also wohl im Jahre 107 n. Chr. 1559 Eine Hafenstadt nördlich von Ostia, vgl. Hülsen, Art. Centum Cellae, RE III 2, 1899, Sp. 1934 und Bastianelli, Centumcellae (1954). 1560 Zu ihr ist weiter nichts bekannt, vgl. Stein, Art. Gallitta (1), RE VII 1, 1910, Sp. 671 und Stein / Petersen, Art. Gallitta (42), PIR IV, 1966, S. 10. 1561 Plin. ep. 6, 31, 5: relegavit. Zur Bedeutung des Begriffs relegare bei Plinius vgl. oben A.III.2.b)aa)(1)(j). 1562 Plin. ep. 6, 31, 6: Aber jene musste auch gegen den Willen des Anklägers verurteilt werden: sie wurde verurteilt und erlitt die Strafen der lex Iulia. 1563 Zur poena legis des Ehebruchsgesetzes s. o. B.I.2.a). 1564 Später sollte der Strafrichter auch darauf zu achten haben, vgl. PS 2, 26, 14. 1565 Plin. ep. 10, 96 f. Vgl. dazu Mayer-Maly, Christenbriefe (1956), S. 311 – 328, Babel, Briefwechsel (1961), Sherwin-White, The letters of Pliny (1966), S. 691 – 712 u. 772 – 787, Schillinger-Häfele, Plinius, ep. 10, 96 und 97 (1979), S. 383 – 392, Nogrady, Römisches Strafrecht nach Ulpian (2006), S. 48 – 56, Liebs, Vor den Richtern (2007), S. 115 – 126, Giglio, Il problema dell’iniziativa (2009), S. 53 – 80.

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B. Die einzelnen Prozesse bis Trajan

Die erste bekannte, größere Verfolgung von Christen hatte unter Nero stattgefunden. Seine Urteile wurden als Präzedenz herangezogen, weshalb es von nun an für ein Todesurteil ausreichte, sich zum Christentum zu bekennen.1566 Daran hielt sich zunächst auch Plinius.1567 Seine Nachforschungen darüber, was es mit dem christlichen Kult unabhängig von allen Gerüchten tatsächlich auf sich hatte, ließen bei ihm allerdings Zweifel aufkommen, ob das bloße Bekenntnis, Christ zu sein, wirklich strafwürdig war.1568 Darauf wandte er sich an den Kaiser. Die Fragen, die er ihm stellte, verraten einiges über Gesichtspunkte, die zu dieser Zeit als für die Strafzumessung wesentlich angesehen wurden. Er wollte wissen, ob das Alter und die physische Verfassung,1569 der Stand und das Geschlecht1570 der Angeklagten bei Bemessung der Strafe zu berücksichtigen seien. Mit Ausnahme der physischen Verfassung wurden all diese Merkmale bereits in früheren Prozessen bei der Strafzumessung berücksichtigt.1571 Trajan antwortete, der Richter habe in Prozessen große Ermessensfreiheit.1572 Wenn er auch nicht auf die einzelnen, angesprochenen Gesichtspunkte der Strafzumessung einging, waren sie dennoch in diese Antwort einbezogen. Deshalb gab er keine bestimmte Strafe an und beließ er es bei der Aussage: puniendi sunt.1573 Es ist anzunehmen, dass Plinius in diesem Sinne weiter verfuhr und die einen mit verschiedenen Formen von Verbannung, die anderen mit verschiedenen Formen der Todesstrafe bestrafte, abhängig von den Umständen des Einzelfalls. Überliefert ist dazu nichts. Die mildernde Berücksichtigung mannigfacher Umstände zeigt Plinius’ Vertrautheit mit der Tugend der clementia. An anderer Stelle preist er die Milde Trajans als Richter.1574 Nachdem der Senat clementia in die allgemeine Strafpraxis übernommen hatte,1575 begegnet sie hier erstmals in einem Prozess vor einem Eins. o. B.V.3.h). Den Ausdruck supplicium gefolgt von der Wendung duci iussi wird man als Todesstrafe und ihren Vollzug zu verstehen haben, vgl. Plin. ep. 10, 96, 3. Dafür spricht auch der nachfolgende Bericht, er habe Angeklagte mit römischem Bürgerrecht nach Rom überstellt, Plin. ep. 10, 96, 4. 1568 Dazu Liebs, Vor den Richtern (2007), S. 122 u. 124. 1569 Plin. ep. 10, 96, 2. Zum Alter auch Plin. ep. 10, 96, 9. 1570 Plin. ep. 10, 96, 9. 1571 Zur Berücksichtigung des Alters B.I.7.b), II.13., 17., III.6., IV.7., V.1.b), 3.d), 5. (Cassius), des Geschlechts B.II.7. u. 12. (Sosia), III.5., IV.7., V.3.d) u. 4., VII.1.c), des Standes B.V.1.a), 3.c), 3.i), VII.2.b) und oben B.VIII.2. Auch die physische Verfassung des Angeklagten mag schon früher berücksichtigt worden sein, doch Fehlen hierzu Belege. 1572 Plin. ep. 10, 97, 1. 1573 Plin. ep. 10, 97, 2. 1574 Vgl. Plin. paneg. 80, 1. 1575 s. o. B.V.3.e) und soeben VIII.4. 1566 1567

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zelrichter, doch mag sie zu dieser Zeit auch hier bereits ihren festen Platz eingenommen gehabt haben.1576 8. Zusammenfassung Die plinianische Überlieferung gewährt tiefe Einblicke in die Gerichtspraxis der Zeit Trajans. Die Berichte sind von einem Zeitzeugen verfasst, der meist auch selbst an den Verfahren beteiligt war, und deshalb besonders wertvoll, wenn sie aus demselben Grund auch nur einen Ausschnitt aus dem damals praktizierten Strafrecht erfassen mögen. Insgesamt stimmt das, was über die Strafzumessung bekannt ist, mit dem positiven Bild überein, das die antiken Historiker von der trajanischen Zeit und Trajan als Optimus Princeps zeichnen.1577 Sechs der neun besprochenen Verfahren1578 fanden vor dem Senatsgericht statt. Die Senatoren hielten möglichst an den gesetzlich vorgeschriebenen Strafen fest, was oft eine Milderung der üblicherweise ausgesprochenen Strafe bedeutete.1579 Nur einmal verschärften sie die poena legis gemäß der mittlerweile gängigen Strafpraxis.1580 Einen ähnlichen Befund lieferten die beiden Prozesse vor dem Kaisergericht. In dem erwähnten Ehebruchsprozess verurteilte Trajan die Angeklagten lediglich zu Ausweisung, obwohl Ehebrecher mittlerweile gewöhnlich auf Inseln verbannt wurden. Die Kalumnienstrafe hingegen verschärfte er gemäß der kaiserzeitlichen Strafpraxis und wohl auch aus persönlicher Abneigung gegenüber Delatoren zu Verbannung. Bei der Strafzumessung kehrten bereits bekannte Gesichtspunkte wieder. Die Schwere der Tat, der Umfang der Beteiligung, der Stand, die familiäre Situation und das Geschlecht wurden in die Ermessensentscheidung einbezogen. Clementia begegnete erneut beim Senatsgericht und erstmals auch beim Einzelrichter. Neu war die Berücksichtigung der physischen Verfassung des Angeklagten.

1576 Zu Beispielen, in denen der Redner direkt die bekannte Milde des Richters anruft, vgl. Quint. decl. mai. 5, 5 f.; 14, 2; 16, 1 und 17, 1. 1577 Vgl. bes. Plin. paneg. 88 f., Fell, Optimus princeps? (1992), bes. S. 1 – 37 und Bennett, Trajan. Optimus Princeps (2001), bes. S. 104 – 117. 1578 Daneben gibt es einige Berichte, die nicht über die Strafzumessung informieren. s. dazu Anhang III. 1579 B.VIII.1.b). 1580 B.VIII.3.

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B. Die einzelnen Prozesse bis Trajan

IX. Weitere Überlieferung bis zu den Severern Mit den Pliniusbriefen endet die verhältnismäßig reiche literarische Überlieferung zu Strafprozessen und zum Strafrecht des frühen Prinzipats. Danach widmen sich nurmehr wenige Autoren dem Kriminalstrafrecht.1581 Deren Berichte über Strafprozesse sind zudem weniger ausführlich und helfen bei unserer Untersuchung nur selten weiter.1582 Nur manchmal kann über Ermessenserwägungen spekuliert werden, doch ergibt sich bis in die severische Zeit im Vergleich zu den bereits bekannten Gesichtspunkten kaum Neues. In Ehebruchsprozessen orientierte man sich weiterhin an der bisherigen Strafpraxis und bestrafte mit Verbannung auf eine Insel.1583 Die mildere Bestrafung von Frauen scheint fortgesetzt1584 und die 1581 Vor allem Dios Römischer Geschichte und der Historia Augusta sind einige wenige Auskünfte zum Strafrecht zu entnehmen (vgl. diesbezüglich zur Historia Augusta Liebs, Alexander Severus und das Strafrecht (1980), S. 115 – 147 und ders., Fiktives Strafrecht in der Historia Augusta (2007), S. 259 – 277). Euseb widmet sich in seiner Ecclesiastica Historia hingegen nur zwei Kategorien von politischen Ereignissen: Verfolgungen der Kirche und den Leiden des jüdischen Volkes seit der Hinrichtung Jesu. Zum Kriminalstrafrecht ist in seiner Kirchengeschichte für die Zeit von Trajan bis zu den Severern nichts enthalten, ebenso wenig in der Epitome de Caesaribus, den Chronica minora und in Eutrops Breviarum ab urbe condita. Auch Aurelius Victor überliefert in den Kapiteln 14 (Hadrian) bis 21 (Caracalla) seines Liber de Caesaribus nichts zum Strafrecht. Lediglich 20, 12 f. berichtet er von der Verfolgung eines geplanten Anschlags unter Septimius Severus durch Machtspruch und Hinrichtung. Das Gleiche gilt für Herodians Geschichte des Kaisertums nach Marc Aurel. Nur 1, 9, 8; 1, 10, 7 und 1, 13, 4 – 6 finden sich kurze Berichte über die Hinrichtung von Verschwörern ohne Gerichtsverfahren. 1582 Unbekannt ist etwa, weswegen Servianus, dessen Enkel Fuscus und der Architekt Apollodoros hingerichtet wurden, Dio Xiphil. 69, 2, 5 und Dio Xiphil. Exc. Val. 69, 4, 1 – 3 (Hadrian). s. a. SHA Hadrian 23, 8 u. 25, 8. Welche Strafe für den unter Antoninus Pius in einem Majestätsprozess angeklagten Priscianus vorgesehen war, ist ebenso wenig überliefert, SHA Pius 7, 4. Weswegen unter Commodus die Konsuln Aemilius Iuncus und Atilius Severus verbannt wurden, ist unbekannt, SHA Commodus 4, 11. Ebenso unbekannt ist, zu welcher Strafe der Statthalter von Africa in einem Repetundenprozess unter Pertinax verurteilt wurde, Dio Exc. Val. 73, 15, 4. Daneben wird von pauschalen Todesurteilen und Hinrichtungen wegen geplanter Anschläge oder Verschwörungen berichtet: Palma, Celsus, Nigrinus und Lusius ließ Hadrian wegen angeblich geplanter Anschläge hinrichten, Dio Xiphil. 69, 2, 5 und SHA Hadrian 7, 2. Die Tötung des aufständischen Avidius Cassius unter Marc Aurel beruhte nicht auf einem Strafverfahren, SHA Marc Aurel 25, 2 u. 26, 10. Einige an diesem Aufstand Beteiligte wurden vom Senatsgericht zum Tode verurteilt. Weswegen andere Beteiligte lediglich mit Verbannung bestraft wurden, ist nicht überliefert, Dio Exc. Val. 71, 28, 2 – 4, SHA Marc Aurel 25, 11. Aus der Regierungszeit des Commodus wird über eine Reihe von Majestätsprozessen mit Todesurteilen berichtet, vgl. Dio Xiphil. 72, 4, 1 f., Dio Xiphil. Exc. Val. 72, 5, 1 – 3 und 72, 6, 1, Dio Xiphil. 72, 7, 3, Dio Xiphil. Exc. Val. 72, 14, 1 – 3, SHA Commodus 4, 4; 4, 8 – 10; 7, 2; 7, 4 – 8; 8, 2; 10, 2 u. 7. 1583 Commodus verbannte seine Gattin Crispina wegen Ehebruchs nach Capri, Dio Xiphil. 72, 4, 5 f., SHA Commodus 5, 9. 1584 Commodus verbannte seine Schwester Lucilla in einem Majestätsprozess nach Capri, statt sie gemäß der Strafpraxis zum Tode zu verurteilen, Dio Xiphil. 72, 4, 5 f. s. a. Herodian 1, 8, 8 und SHA Commodus 5, 7. In einem Majestätsprozess unter Commodus wurde eine

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familiäre Situation des Angeklagten bei der Strafzumessung weiterhin berücksichtigt worden zu sein,1585 ebenso der Stand des Angeklagten.1586 Neu hinzu tritt die ausdrückliche Berücksichtigung des Verschuldensgrades beim Täter,1587 was dem früher bereits berücksichtigten Handeln aus Leidenschaft nahe steht1588 und fortan zum Strafzumessungsgrund pro modo culpae wird.1589

gewisse Lucilla lediglich verbannt, wohingegen die anderen Beteiligten zum Tode verurteilt wurden, SHA Commodus 4, 4. 1585 Dio Xiphil. Exc. Val. 69, 23, 3 (Pius): er pflegte der Kinderzahl entsprechend das Strafmaß zu verringern. s. a. SHA Pius 10, 7. Die Milderung wird sich wie in der Vergangenheit (s. o. B.II.7., V.1.b) und VIII.2.) auf die Vermögenskonfiskation bezogen haben. 1586 Antoninus Pius verbannte einen Vatermörder lediglich auf eine Insel, weil er Senator war, SHA Pius 8, 10. Pertinax bestrafte Denunzianten unterschiedlicher Stände unterschiedlich hart, SHA Pertinax 7, 1. 1587 Die Teilnehmer an einer Zecherei hatten aus Übermut einen Freund mit einem Mantel in die Höhe geschnellt. Beim Wiederauffangen entglitt er ihnen aufgrund der Unachtsamkeit eines gewissen Marius Euaristus, der Freund verletzte sich schwer und starb fünf Tage später. Egnatius verurteilte den Euaristus nicht zum Tode, sondern lediglich zu Ausweisung, und fragte bei Hadrian an, ob die Entscheidung richtig sei. Hadrian antwortete, Egnatius habe die Strafe zutreffend pro modo culpae zugemessen, denn es mache einen Unterschied, ob eine Tat consulto oder casu begangen werde. Vgl. Ulp. 7 de off. proc. Coll. 1, 11. Vgl. dazu Wacke, Fahrlässige Vergehen (1979), S. 525 – 530, ders., Ein Unfall (1980), S. 68 – 95 und Nogrady, Römisches Strafrecht nach Ulpian (2006), S. 173 – 177. 1588 s. o. B.I.7.b), II.5. und V.3.a). 1589 Dazu sogleich C.VII.

C. Die Strafzumessungsgründe im späteren Recht Auch in spät- und nachklassischer Zeit lebt die literarische Überlieferung nicht wieder auf, so dass wir aus dieser Epoche keine Berichte über die Strafzumessung in einzelnen Prozessen haben. Jedoch gibt es aus dieser Zeit eine – wenn auch nicht eben umfangreiche – juristische Überlieferung zum Ermessen im Strafrecht. Ist das Strafrecht in den überlieferten juristischen Quellen bereits verhältnismäßig unterrepräsentiert,1 so gilt das noch mehr für die juristischen Äußerungen zur Strafzumessung. Das mag zum einen daran liegen, dass dieser Gegenstand die Juristen nicht besonders interessierte.2 Andererseits könnten die Kompilatoren auf die Auswahl von Fragmenten dazu weitgehend verzichtet haben, weil zu ihrer Zeit feste Strafen galten, die Strafrichter kein Ermessen mehr hatten.3 Die wenigsten Fragmente äußern sich allgemein zum Ermessen.4 Meist wird die Frage bei Behandlung eines bestimmten Verbrechens erörtert oder auch nur kurz berührt.5 Trotz allem ist dem zur Verfügung stehenden Material aber einiges zu entnehmen. Die einzelnen Strafzumessungsgründe sind entweder tat-6 oder täterbezogen,7 wie im Folgenden ausgeführt.

I. Das Alter des Angeklagten Öfter wurde bei der Strafrechtsprechung auf das Alter des Angeklagten Rücksicht genommen, wurden besonders junge8 und besonders alte9 Angeklagte milder Dazu oben Einleitung I. Vgl. de Robertis, pro modo admissi (1942), S. 543. 3 Zu letzterem vgl. Levy, Gesetz und Richter (1938), S. 162 f., de Robertis, pro modo admissi (1942), S. 661 ff., ders., La variazione della pena (1954), S. 518 ff., Santalucia, Diritto e processo penale (1998), S. 286 ff. 4 Am umfangreichsten Claud. Saturn. lib. sing. de poenis paganorum D. 48, 19, 16. Weniger ausführlich Paul. 54 ad ed. D. 47, 9, 4, 1 i. f. 5 D. 4, 4, 37, 1; 37, 14, 1; 47, 9, 4, 1; 47, 10, 45; 47, 11, 10; 47, 18, 1, 2; 47, 21, 2; 47, 21, 3, 2; 48, 3, 12; 48, 3, 14, 2; 48, 4, 7, 3; 48, 9, 2; 48, 10, 31; 48, 13, 6; 48, 15, 7; 48, 19, 1; 48, 19, 11; 48, 19, 16; 48, 19, 28, 3. 12 u. 16; 49, 16, 3, 9; 49, 16, 5 pr.; 50, 17, 108, Coll. 11, 7, 2, PS 5, 18, 2; 5, 21, 1, C. 6, 1, 4; 10, 20, 1. Zu einzelnen Stellen sogleich. 6 C.V., VI., XI. 7 C.I. – IV. und VII. – X. 8 B.I.7.b), II.17., III.6., IV.7. und VIII.7. 9 B.II.13., V.1.b), 3.d) u. 5. (Cassius) und VIII.7. 1 2

III. Der Stand des Angeklagten

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bestraft. Die Juristen scheinen an diese Praxis anzuknüpfen und erachten den Gesichtspunkt als für die Strafzumessung wesentlich: in eius rei consideratione aetatis quoque ratio habeatur.10

II. Das Geschlecht des Angeklagten In den Strafprozessen hatte sich gezeigt, dass weibliche Angeklagte meist milder bestraft wurden.11 Das wurde von den Juristen übernommen: pro . . . condicione . . . sexus vel severius vel clementius statuere.12 Zwar wird hier sexus nur allgemein als Gesichtspunkt der Strafzumessung genannt, doch kann damit nur gemeint sein, dass Frauen milder als Männer zu bestrafen sind.

III. Der Stand des Angeklagten Der Stand des Angeklagten ist in den juristischen Quellen ein häufig erwähntes Kriterium der Strafzumessung: pro qualitate personae . . . vel severius vel clementius statuere, bzw. ex personarum condicione . . . sunt aestimandae, ne quid aut durius aut remissius constituatur.13 Meist wird angenommen, diese Differenzie10 Claud. Saturn. lib. sing. de poenis paganorum D. 48, 19, 16, 3. Ebenso Ulp. 7 de off. proc. D. 48, 13, 6: pro . . . condicione . . . aetatis . . . vel severius vel clementius statuere. s. a. Tryphonin 3 disputationum D. 4, 4, 37, 1: miseratio aetatis ad mediocrem poenam iudicem produxerit. Dass in der letzten Stelle lediglich jugendliches Alter gemeint ist, ergibt sich aus den Worten minor annis viginti im vorherigen Satz. Zu der am Alter des Angeklagten zu orientierenden Dauer zeitiger Verbannung vgl. Callistrat 3 de cogn. D. 47, 21, 2: possunt in tempus, ut cuiusque patiatur aetas, relegari, id est si iuvenor in longius, si senior, recisius. 11 B.II.7. u. 12. (Sosia), III.5., IV.7. u. 8., V.3.d) u. 4., VIII.7. und die entsprechenden Fälle oben B.IX. 12 Ulp. 7 de off. proc. D. 48, 13, 6. Das ist allerdings die einzige Stelle, die das Geschlecht bei der Strafzumessung zu berücksichtigen heißt; es ging um sacrilegium im Sinne von Tempelraub. 13 Ulp. 7 de off proc. D. 48, 13, 6 und Paul. 54 ad ed. D. 47, 9, 4, 1 i. f. Dass condicio personae den Stand des Abgeklagten meint, ergibt sich aus der im selben Fragment genannten, an der sozialen Stellung orientierten Strafstufung. s. a. Hermog 5 iuris epit. D. 47, 10, 45 (ex . . . persona statui solet) und Callistrat 3 de cogn. D. 47, 21, 2 (= Ulp. 8 de off. proc. Coll. 13, 3, 2) (de poena . . . ex condicione personae . . . magis statui potest), wo ebenfalls eine Abstufung der Strafen danach, ob die Täter Sklaven, Freie niederen oder Freie höheren Standes waren, nachfolgt. Claud. Saturn. lib. sing. de poenis paganorum D. 48, 19, 16 liefert gewissermaßen eine Definition dieses Gesichtspunkts, indem er als Kriterium der Strafzumessung u. a. persona auflistet und erklärt: aliter enim puniuntur ex isdem facinoribus servi quam liberi. Das dürfte auch die Bedeutung von pro persona bei Callistr. 5 de cogn. D. 47, 21, 3, 2 sein. Auch bei Ulp. 9 de off. proc. D. 47, 11, 10 ist mit pro condicione sua die Orientierung am Stand des Angeklagten gemeint. Ebenso Ulp. 8 disput. D. 48, 19, 1 pr. mit condicio eius. s. a. Callistrat 6 de cogn. D. 48, 19, 28, 16. Zu den zahllosen Beispielen, wo für honestiores und humiliores von vornherein unterschiedliche Strafen angegeben sind, vgl. Rilinger, Humiliores – Honestiores (1988), S. 5 und passim.

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C. Die Strafzumessungsgründe im späteren Recht

rung sei erst unter Hadrian oder gar Antoninus Pius aufgekommen, manche meinen jedoch, sie sei schon zu Beginn der Kaiserzeit praktiziert worden, ohne dafür aber Belege anzuführen.14 Die Auswertung der literarischen Nachrichten zum Strafrecht zeigte, dass sie sich jedenfalls unter Nero nachweisen lässt, außerdem unter Trajan.15

IV. Rückfälligkeit Zwar bot die literarische Überlieferung nur wenige Berichte über Fälle, in denen sich ein Straftäter wegen des gleichen oder eines ähnlichen Vergehens erneut verantworten musste. Doch ergaben diese Strafverfahren, dass der Wiederholungstäter härter bestraft wurde.16 Auch in den juristischen Texten finden sich Stellen, die davon ausgehen: divus Hadrianus rescripsit . . . si quis tam notus et tam gravis in abigendo fuit, ut prius ex hoc crimine aliqua poena affectus sit, hunc in metallum dari oportere.17

V. Umstände der Tat: insbesondere Schwere und Ausmaß Eine sehr weite Kategorie unter den Strafzumessungsgründen sind die Umstände der Tat:18 pro rei condicione.19 Dazu gehört, wie brutal die Tat begangen wurde, Dazu ausführlicher oben B.V.1.a). B.V.1.a), 3.c) und 3.i). s. a. B.VIII.2. und die entsprechenden Fälle oben B.IX. 16 B.II.13., 20.b) und V.1.b). 17 Ulp. 8 de off. proc. Coll. 11, 7, 2. s. a. PS 5, 18, 2: atroces . . . abactores plerumque ad gladium vel in metallu, nonumquam autem in opus publicum dantur. atroces autem sunt, qui . . . id saepius . . . faciunt, Ulp. 9 de off. proc. D. 37, 14, 1: castigari eum sub comminatione aliqua severitatis non defuturae, si rursum causam querellae praebuerit, Modestin 12 pandectarum D. 48, 4, 7, 3: et personam spectandam esse, . . . an ante quid fecerit, Callistrat 6 de cogn. D. 48, 19, 28, 3: quod si ita correcti in eisdem deprehendantur, exilio puniendi sunt, nonnumquam capite plectendi, scilicet cum saepius seditiose et turbulente se gesserint et aliquotiens adprehensi tractati clementius in eandem temeritate propositi perseveraverint, idem eo D. 48, 19, 28 10: si saepius . . . hoc admiserunt, Arrius Meneander 2 de re militari D. 49, 16, 5 pr.: habetur ratio . . . anteactae vitae. s. zudem PS 5, 3, 5; 5, 18, 2; 5, 21, 1, C. 6, 1, 4 (317); 10, 20, 1 (400). Eine allgemeinere Äußerung aus früherer Zeit ist Quint. decl. min. 331: qui ter iniuriarum damnatus fuerit, capite puniatur. 18 Eine noch weitere Kategorie ist pro modo delicti, vgl. Hermog. 6 jur. epit. D. 48, 15, 7, was wohl alle anderen, konkreteren Strafzumessungsgründe umfasst. 19 Ulp. 7 de off. proc. D. 48, 13, 6: proque rei condicione . . . vel severius vel clementius statuere. Ebenso ein Reskript Hadrians bei Marcian 14 inst. D. 48, 8, 1, 3 (= Ulp. 7 de off. proc. Coll. 1, 6, 3): et ex re constituendum und Marcian 2 de publ. iudic. D. 48, 19, 11 pr.: prout quaeque res expostulat. Auch das Wort factum bei Callistr. 5 de cogn. D. 47, 21, 3, 2 dürfte die Umstände der Tat bezeichnen. Dass factum und res synonym gebraucht wurden und die Umstände der Tat beschrieben, zeigt ein Vergleich von Ulp. 57 ad ed. D. 47, 10, 7, 8 14 15

V. Umstände der Tat: insbesondere Schwere und Ausmaß

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was meist mit qualitas rerum bezeichnet wird: Qualitate, cum factum vel atrocius vel levius est.20 Ein weiterer Umstand ist das Ausmaß der Tat: pro admissi mensura.21 Während qualitas rei den Grad der Verwerflichkeit der Tatausführung betrifft, meint mensura admissi die absichtlich oder doch absehbar herbeigeführten Folgen. Der sehr schematisch vorgehende Schriftsteller Claudius Saturninus, jedenfalls kein Fachjurist,22 erklärt, bei der Strafzumessung müsse der eventus berücksichtigt werden, und führt aus, dass deshalb bei den Griechen sogar zufällige Handlungen bestraft wurden. Daraus wird man nicht ableiten dürfen, dass die Folgen der Tat verschuldensunabhängig in die Strafzumessung einflossen. Vielmehr dürften schwerere Folgen ein Indiz für größeres Verschulden gewesen sein.23 In den Prozessen der frühen Kaiserzeit wurde die Strafe bei geringer Schwere und weniger schweren Folgen gemildert,24 während sie bei großer Schwere der Tat und schlimmeren Folgen verschärft wurde.25 Diese Praxis scheint in das Strafrecht übernommen worden zu sein, galt jedenfalls noch unter den Severern.

mit Gai. Inst. 3, 225. Es geht jeweils um die Frage, was die schwere von der leichten Injurie unterscheidet. Ulpian schreibt: Atrocem autem iniuriam aut persona aut tempore aut re ipsa fieri Labeo ait. . . . re atrocem iniuriam haberi Labeo ait, ut puta si vulnus illatum vel os alicui percussum. Gaius dagegen: Atrox autem iniuria aestimatur vel ex facto, veluti si quis ab aliquo vulneratus aut verberatus fustibusve caesus fuerit. Zu factum im Zusammenhang mit der atrox iniuria s. a. Ulp. 1 regul. Coll. 2, 2, 1. 20 Claud. Saturn. lib. sing. de poenis paganorum D. 48, 19, 16, 6. Nach Paul. 54 ad ed. D. 47, 9, 4, 1 i. f. ist die Strafe des Raubes bei einem Schiffbruch ex rerum qualitate zu bemessen, womit ebenfalls die Schwere der Tat gemeint ist, wie sich aus der vorangegangenen Beschreibung verschieden schwerer Begehungsweisen ergibt. Verschieden schwere Begehungsweisen mit entsprechend härteren Strafen sind auch Claud. Saturn. lib. sing. de poenis paganorum D. 48, 19, 16, 9 und Callistrat 6 de cogn. D. 48, 19, 28, 12 genannt. Bei Macer 1 iud. publ. D. 48, 11, 7, 3 meint prout admiserint die Schwere der Tat, ebenso bei Ulp. 8 de off. proc. D. 47, 18, 1, 2 prout admissum suggerit. 21 Das Zitat stammt aus Ulp. 9 de off. proc. D. 47, 11, 10, wo es um die Durchstoßung von Nildämmen in Ägypten geht. Das Ausmaß dieser Tat kann sehr unterschiedlich sein, weswegen es besonders einleuchtet, dass der durch die Tat wissentlich herbeigeführte Schaden bei der Strafzumessung berücksichtigt wird. Das Gleiche gilt für Callistrat 3 de cogn. D. 48, 10, 31, wo es um die Strafe desjenigen geht, der falsche Urkunden vorgelegt hat, und Ulp. 30 ad ed. praet. D. 47, 12, 3, 8 beim Grabraub. Auch hier soll im Einzelfall die Strafe pro mensura cuiusque delicti bzw. quatenus intersit festgelegt werden. Zur Verschärfung der Strafe bei schwererer Folge der Tat s. a. Paul. 5 Sentent. D. 48, 19, 38, 5. 22 Vgl. Liebs, Römische Jurisprudenz in Africa (2005), S. 37 f. 23 Claud. Saturn. lib. sing. de poenis paganorum D. 48, 19, 16, 8. 24 B.IV.4. 25 B.IV.6. und VIII.5.

294

C. Die Strafzumessungsgründe im späteren Recht

VI. Der Umfang der Beteiligung Aus der juristischen Überlieferung lassen sich sowohl Aussagen anführen, nach denen bei unterschiedlichen Tatbeiträgen verschieden zu bestrafen sei,26 als auch Stellen, die trotz unterschiedlicher Tatbeiträge dieselbe Strafe vorschreiben.27 Entsprechend geteilt sind die Auffassungen in der modernen Literatur. Die einen meinen, das römische Strafrecht habe alle Tatbeteiligten gleich bestraft,28 andere dagegen, bloße Anstifter und Gehilfen seien milder bestraft worden als die eigentlichen Täter.29 Dabei werden zwei Dinge übergangen. Zum einen kannte das römische Strafrecht die etwa dem geltenden deutschen Strafrecht geläufige Differenzierung zwischen Täter und bloßem Teilnehmer, mit welchem Begriff Anstifter und Gehilfen zusammengefasst wurden, nicht.30 In diesem ohnehin sehr kasuistischen Rechtsgebiet werden immer nur strafbare Verhaltensweisen beschrieben, wobei durchaus die Begriffe ope, consilio, socius, minister, conscius und auctor begegnen,31 aber nicht als technisch systematische Arten der Beteiligung, sondern nur zur Beschreibung konkreter Handlungen.32 Deswegen ist bereits problematisch, nach der Strafbarkeit einerseits eines Täters und andererseits eines Teilnehmers zu fragen. Eine Antwort auf die Frage nach der Strafbarkeit von Tatbeiträgen kann nicht für das römische Strafrecht insgesamt, sondern allenfalls für bestimmte Perioden desselben gefunden werden.33 26 PS 5, 23, 17, Callistrat 2 de cogn. D. 47, 21, 2 zu einem Reskript Hadrians, Paul. 3 decret. D. 48, 19, 40, Scaev. 4 regularum D. 48, 9, 2, C. Th. 9, 32, 2 = C. 9, 38, 1, C. 9, 13, 1, 3; 9, 18, 3 pr. 27 Gai. Inst. 3, 202, Ulp. 57 ad ed. D. 47, 10, 11, 3 und Ulp. 77 ad ed. D. 47, 10, 15, 8 (jeweils zur Injurienstrafbarkeit) und Marcian 14 inst. D. 48, 4, 3 i. f. zur lex Iulia maiestatis. 28 Rein, Criminalrecht (1844), S. 185 f., Costa, Cicerone giureconsulto II (1927), S. 71, Chevallier, complicité (1953), S. 238 – 242, Bloy, Beteiligungsform (1985), S. 48, Robinson, Criminal Law (1995), S. 20 (mit Einschränkungen), Bock, Täterschaft und Teilnahme im römischen Strafrecht (2006), S. 211. 29 Langenbeck, Teilnahme (1868), S. 84, Giuffrè, repressione criminale (1998), S. 151. 30 So zutreffend Mommsen, Strafrecht (1899), S. 99 f. s. a. Garofalo, Rez. z. Bock Täterschaft und Teilnahme im römischen Strafrecht (2008), S. 902 f. 31 Zu den Stellen vgl. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 98 f. 32 Mommsen, Strafrecht (1899), S. 99: ,. . . alle diese Bezeichnungen für das verschiedenartige delictische Zusammenhandeln ermangeln sowohl der scharfen Begrenzung wie der rechtlichen Anwendung und gehören ganz überwiegend der allgemeinen Redeweise an.‘ 33 Mommsen, Strafrecht (1899), S. 99 – 102 trennt immerhin zwischen den Strafgesetzen (S. 99 f.) und dem ,späteren Recht‘ (S. 102), womit er – betrachtet man die für letzteren Zeitraum angeführten Quellen – die Zeit von der Spätklassik bis ins sechste Jahrhundert meint. Aus der eigens angeordneten Strafgleichheit für unterschiedlich Beteiligte in zwei Kaiserkonstitutionen zu speziellen Straftaten möchte er dann allerdings auf grundsätzliche Strafungleichheit in dieser Periode schließen, s. Strafrecht (1899), S. 102 Fn. 1. Dieser Schluss ist nicht zwingend und übergeht, dass innerhalb dieses Zeitraums das richterliche Ermessen verschwand. s. hierzu sogleich im Text.

VII. Das Handeln aus Leidenschaft

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Die spätrepublikanischen und augusteischen leges kannten nur ,die Tat‘ und die poena legis. Im Gesetz wurde genau beschrieben, welche Handlungen unter das Gesetz und die poena legis zu ziehen waren. Auf Beteiligte, die wir heute Gehilfen oder Anstifter nennen würden, sollte also ohne Unterschied dieselbe Strafe angewandt werden wie auf Beteiligte, die wir Täter nennen würden.34 Bedenkt man, dass im Prinzipat bis in die nachklassische Zeit hinein die Strafzumessung richterlichem Ermessen unterlag, dann überrascht es nicht, wenn wir aus dieser Zeit keine klaren Aussagen über die Strafbarkeit unterschiedlicher Tatbeiträge finden.35 Bestraft wurde ex rerum qualitate und pro admissi mensura36 oder sogar noch allgemeiner pro modo delicti.37 Hierbei floss der Umfang der Beteiligung in die Strafzumessung ein, wie die untersuchten Strafprozesse zeigten.38 Mit dem Verschwinden des richterlichen Ermessens verschwand dann auch die Möglichkeit, den Grad der Beteiligung bei der Festlegung der Strafe zu berücksichtigen. Bezeichnenderweise finden sich gerade aus dieser Zeit, als die konkreten Strafen nicht mehr nach Ermessen des Richters gefällt wurden, vermehrt Quellen, die für unterschiedliche Tatbeiträge dieselbe Strafe vorschreiben.39

VII. Das Handeln aus Leidenschaft (impetu) und die Strafzumessung pro modo culpae Im Quästionensystem konnte aufgrund der fixen Strafen das Handeln aus Leidenschaft bei der Bemessung der Strafe nicht berücksichtigt werden, wie Cicero ausdrücklich sagt: nam quae motu animi et perturbatione facta sine ratione sunt, ea defensionem contra crimen legitimis iudiciis non habent.40 Doch fährt er fort: in liberis disceptationibus habere possunt. Dort, wo dem Richter Ermessen eingeräumt war, konnte sich die Tatbegehung impetu also auf die Entscheidung auswirken. In einigen wenigen außerordentlichen Strafprozessen der frühen Kaiserzeit war das Handeln aus Leidenschaft ein Gesichtspunkt der Strafzumessung und führte zu einer milderen Strafe wegen geringerer Schuld.41 In den juristischen Quellen aus späterer Zeit ist der Aspekt als Milderungsgrund für einzelne Delikte Hierzu m. w. N. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 99 f. Wo in Quellen aus dieser Zeit für unterschiedliche Tatbeiträge unterschiedliche Strafen angegeben sind (PS 5, 23, 17, Callistrat 3 de cogn. D. 47, 21, 2, Scaev. 4 regul. D. 48, 9, 2, Paul. 3 decret. D. 48, 19, 40), dürfte sich die Strafpraxis niedergeschlagen haben. 36 Dazu soeben C.V. 37 Hermog. 6 jur. epit. D. 48, 15, 7. 38 B.I.4., II.6., II.20.e), III.5., VIII.1.b) und 2. 39 C. 9, 28, 1 (392), C. Th. 9, 14, 3, 6 = C. 9, 8, 5, 6 (397), C. Th. 9, 24, 1, 5 – 6 und C. 9, 13, 1, 3 (533) = Inst. 4, 18, 8. 40 Cic. or. part. 12, 43. 41 B.I.7.b), II.5. und V.3.a). Zu einem Fall von Strafzumessung pro modo culpae vgl. oben B.IX. i. f. 34 35

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C. Die Strafzumessungsgründe im späteren Recht

genannt,42 woraus sich allerdings noch kein Prinzip ableiten lässt. Der einzige, der sich allgemeiner zur Tatbegehung impetu äußert, ist Marcian: Delinquitur autem aut proposito aut impetu aut casu. proposito delinquunt latrones, qui factiones habent: impetu autem, cum per ebrietatem ad manus aut ad ferrum venitur: casu vero, cum in venando telum in feram missum hominem interfecit.43 Zwar bleibt der Autor bzw. das Fragment zu berichten schuldig, was die Folgen dieser drei unterschiedlichen Arten der Tatbegehung sind. Möglicherweise knüpft er jedoch an ein Reskript Hadrians an, das ebenfalls drei Arten der Begehung nennt und pro modo culpae drei verschieden schwere Strafen vorschlägt.44 Es geht um die Bestrafung eines Wächters, der Gefangene entlaufen ließ. Handelte er wissentlich (sciens), traf ihn die volle Strafe. Handelte er aus Trunkenheit oder Nachlässigkeit (per vinum aut desidiam), wurde er milder bestraft. Konnte er nichts für die Flucht (fortuito), blieb er straffrei. Sciens entspricht dem proposito der Marcianstelle und fortuito der Begehung casu. Im Übrigen heißt es zwar nicht impetu, doch ist im Reskript von Trunkenheit die Rede, was für Marcian später ein Beispiel für impetu ist. Vor diesem Hintergrund lag es für Marcian nahe, zu formulieren, bei Begehung der Tat aus leidenschaftlicher Gemütsstimmung sei milder zu bestrafen, zumal er wenige Sätze zuvor schrieb: perspiciendum est iudicanti, ne quid aut durius aut remissius constituatur, quam causa deposcit: . . . prout quaeque res expostulat, statuendum est.45

VIII. Berücksichtigung der physischen Verfassung Die Überlieferung bot keinen konkreten Strafprozess, bei dem die physische Verfassung des Angeklagten zum Zeitpunkt des Prozesses bei Ausübung des rich42 Im Militärrecht etwa konnte Handeln aus Leidenschaft bei der Selbstverstümmelung mildernd berücksichtigt werden, vgl. Arrius Meneander 3 de re militari D. 49, 16, 6, 7. s. a. PS 5, 31, 6. Zur milderen Bestrafung der Tötung des Ehebrechers oder der Ehebrecherin impetu, vgl. Paul. lib. sing. de adult. Coll. 4, 3, 6, Pap. lib. sing. de adult. Coll. 4, 10, 1, Paul. 2 sententiarum Coll. 4, 12, 4. s. a. Marcian 14 inst. D. 48, 8, 1, 5 u. C. 9, 9, 4. 43 Marcian 2 de publ. iudic. D. 48, 19, 11, 2: Ein Verbrechen wird entweder vorsätzlich, aus Leidenschaft oder zufällig begangen. Vorsätzlich handeln die Straßenräuber, die eine Bande bilden; aus Leidenschaft, wenn in Trunkenheit Tätlichkeiten begangen werden oder zum Schwert gegriffen wird; zufällig, wenn auf der Jagd ein nach einem Wild geschossener Pfeil einen Menschen tötet. 44 Vgl. Callistrat 5 de cogn. D. 48, 3, 12 pr.: . . . pro modo culpae in eos statuendum. Die Bestrafung von Wächtern betrifft auch Herenn. Modest. 4 de poenis D. 48, 3, 14, 2, wonach ebenfalls pro modo culpae zu bestrafen ist. Ulpian 7 de off. proc. Coll. 1, 11, 3 referiert ein Reskript Hadrians, wo es zu einer Strafmilderung heißt: ad modum culpae. Zur Bestrafung pro modo culpae s. a. Gai. 4 ad leg. XII Tab. D. 47, 9, 9, Callistrat 3 de cogn. D. 47, 21, 2 zu einem Reskript Hadrians (= Ulp. 8 de off. proc. Coll. 13, 3, 2), Ulp. 7 de off. proc. D. 48, 19, 5, 2, Callistrat 6 de cogn. D. 48, 19, 28, 12, Paul. lib. sing. de poenis paganorum sub titulo de abigeis Coll. 12, 6, 1, Ulp. 8 de off. proc. Coll. 13, 3, 2 i. f. 45 Marcian 2 de publ. iudic. D. 48, 19, 11 pr.

VIII. Berücksichtigung der physischen Verfassung

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terlichen Ermessens eine Rolle gespielt hätte. Für Plinius lag es allerdings nahe, diese bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Im Zusammenhang mit den Christenprozessen fragte er Kaiser Trajan eigens auch danach.46 Ob dieser Gesichtspunkt in das Recht wirklich Eingang fand, ist jedoch zweifelhaft. Wo es heißt, die condicio personae oder die qualitas personae sei zu berücksichtigen, ist damit der Stand47 oder das Alter48 des Angeklagten gemeint, nicht dessen körperlicher Zustand. Doch gibt es eine Digestenstelle, welche die physische Verfassung des Angeklagten möglicherweise als Strafzumessungsgrund in Betracht zieht. Callistrat 5 de cogn. D. 47, 21, 3, 2 sagt: hi . . . poena plectendi sunt pro persona et condicione et factorum violentia. Persona meint Stand und Alter, violentia factorum die Umstände der Tat, insbesondere das Ausmaß der Gewaltanwendung.49 Das Wort condicio begegnet häufig in Verbindung mit persona als condicio personae.50 Das kann hier aber nicht gemeint sein, da persona als eigenes Kriterium bereits genannt ist. Was könnte condicio dann bedeuten? Callistrat legt in seinem Werk de cognitionibus besonderes Augenmerk auf die Strafzumessung. Die verschiedensten Gesichtspunkte seien zu berücksichtigen: das Ausmaß der Tat (pro mensura delicti),51 der Stand des Angeklagten (pro condicione personae),52 das Ausmaß der Schuld (pro modo culpae)53 und ob der Täter das gleiche Delikt schon einmal begangenen hat.54 Es läge nicht fern, wenn Callistrat – wie Plinius – auch die physische Verfassung des Täters bei der Strafzumessung hätte berücksichtigt wissen wollen, er mit pro condicione also dies meinte. Sicher ist das allerdings nicht. In de cognitionibus begegnen alle bislang besprochenen Strafzumessungsgründe mit Ausnahme des Geschlechts. Callistrat könnte mit condicio auch darauf verweisen. Die einzige Digestenstelle, die diesen Gesichtspunkt nannte, gebrauchte in diesem Zusammenhang ebenfalls das Wort condicio: pro . . . condicione . . . sexus.55

s. o. B.VIII.7. Dazu oben C.III. 48 Vgl. dazu Claud. Saturn. lib. sing. de poenis paganorum D. 48, 19, 16, 3 i. f. 49 Zum Begriff factum für ,Umstände der Tat‘ s. o. C.V. mit Fn. 19. 50 Zu den Stellen oben C.III. 51 Callistrat 3 de cogn. D. 48, 10, 31. 52 Callistrat 3 de cogn. D. 47, 21, 2. 53 Callistrat 5 de cogn. D. 48, 3, 12. Callistrat 3 de cogn. D. 47, 21, 2 heißt es nicht pro modo culpae, sondern pro mente facientis. Es folgt die Unterscheidung nach zufälliger Begehung (fortuito), dem Handeln aus Unwissenheit (per ignorantiam) und dem Handeln als minister. 54 Callistrat 6 de cogn. D. 48, 19, 28, 3. 55 Ulp. 7 de off. proc. D. 48, 13, 6, vgl. oben C.I. 46 47

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C. Die Strafzumessungsgründe im späteren Recht

IX. Die Bildung des Angeklagten Das Prinzip, Gelehrte milder zu bestrafen, durchzieht die aus der frühen Kaiserzeit überlieferten Strafprozesse wie kaum ein anderes.56 Ein derartiger Strafzumessungsgrund findet sich in der juristischen Überlieferung jedoch nicht. Die Strafpraxis der frühen Kaiserzeit dürfte diesbezüglich in der späteren ständischen Strafungleichheit aufgegangen sein.

X. Die familiäre Situation des Angeklagten Öfter wurde bei der Strafzumessung die familiäre Situation des Angeklagten berücksichtigt.57 Doch wurde deswegen nicht etwa auf Todesurteile verzichtet, ein Verbannungsort nahe der Familie oder eine zeitlich begrenzte Verbannung gewählt. Vielmehr beschränkte sich die Berücksichtigung der familiären Situation darauf, die Nachkommen des Verurteilten am konfiszierten Vermögen zu beteiligen. So findet sich dieser Gesichtspunkt in juristischen Quellen nicht als allgemeines Kriterium der Strafzumessung, sondern bleibt das Ermessen diesbezüglich auf den Bereich der Vermögenskonfiskation beschränkt.58 Der spätklassische Jurist Paulus sollte eine Monographie De portionibus quae liberis damnatorum conceduntur verfassen.59 Das spätere Kaiserecht verfestigte dann die Maßstäbe dazu.60

XI. Weitere Ermessensgründe im späteren Recht Wenige Strafzumessungsgründe lassen sich nicht in die frühe Kaiserzeit zurückverfolgen. So nennt Claudius Saturninus in seinem Werk de poenis paganorum im Abschnitt über die Strafzumessungsgründe neben einigen der bereits besprochenen Gesichtspunkte zwei weitere: tempus und locus.61 Tempus meint die Zeit der Tatbegehung, was insbesondere für die Strafzumessung beim Tempelraub,62 beim 56 s. o. B.I.4. u. 5., II.13., 20.a), III.4., IV.1., V.4. u. 5. (Annaeus) und VI.3. (Demetrius und Hostilianus). 57 B.II.7. u. 8. (Clutorius), V.1.b), VIII.2. und die entsprechenden Fälle oben B.IX. 58 Callistrat 1 de iure fisci D. 48, 20, 1. 59 Vgl. Liebs, Art. Iulius Paulus (§ 423), HLL IV, 1997, S. 150 – 175, S. 171. 60 Zu Einzelregelungen vgl. C. Th. 9, 42, 8 und C. 9, 49, 8 (380). C. Th. 9, 42, 24 (= C. 9, 49, 10) (426) bestimmt, dass die Hälfte des Vermögens an die Kinder geht, und enthält weitere detaillierte Regelungen über die bevorzugte Berücksichtigung der Nachkommen verurteilter Dekurionen. 61 Claud. Saturn. lib. sing. de poenis paganorum D. 48, 19, 16, 4 u. 5. 62 Ulp. 7 de off. proc. D. 48, 13, 6 pr.: sacrilegii poenam debebit proconsul pro . . . condicione . . . temporis . . . vel severius vel clementius statuere. Ähnlich PS 5, 19.

XII. Nicht wiederkehrende Gründe

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Diebstahl63 und bei der Injurie64 von Bedeutung war. Locus meint den Ort der Tatbegehung, was ebenfalls beim Diebstahl65 und bei der Injurie66 eine Rolle spielte, doch auch bei Brandstiftung67 und Münzfälschung.68 Daneben beeinflusste in vielen Fällen das Mittel der Tatausführung die Strafzumessung, zumal die Verwendung einer Waffe.69 Wenn diese Gesichtspunkte in den Prozessen der frühen Kaiserzeit nicht vorkamen, so ist daraus noch nicht zu schließen, dass sie damals überhaupt nicht berücksichtigt worden wären. Die Tatbestände, in denen sie eine Rolle spielten, waren zu allen Zeiten häufig vorkommende Straftaten des täglichen Lebens. Unsere diesbezügliche Unkenntnis dürfte dem Darstellungsinteresse der literarischen Überlieferung zuzuschreiben sein, deren Fokus sich auf politische Strafverfahren gegen Angehörige der Oberschicht und des Kaiserhauses beschränkte.70

XII. Nicht wiederkehrende Gründe Umgekehrt kennt das spätere Recht drei Milderungsgründe, die in den untersuchten Prozessen vorkamen, dagegen nicht. Sie begegneten allerdings auch in früherer Zeit nur vereinzelt und hatten zum Teil mehr inoffiziellen Charakter als denjenigen von Prinzipien. Die teilweise oder vollständige Strafbefreiung wegen Denunziation anderer Beteiligter setzte sich als Milderungsgrund nicht durch.71 Sie kam nur einmal vor und wurde wohl bereits in der frühen Kaiserzeit als Rechtsbruch und Verstoß gegen die 63 Claud. Saturn. lib. sing. de poenis paganorum D. 48, 19, 16, 5: tempus discernit . . . efractorem vel furem diurnum a nocturno. Ähnlich Paul. lib. sing. de praef. vigil. D. 47, 18, 2. Zweifelhaft erscheint allerdings, ob der Diebstahl bei Nacht nicht einen anderen Tatbestand darstellt, woraus sich bereits eine unterschiedliche Bestrafung ergeben könnte. Zur Unterscheidung von Tag- und Nachtdieb schon in den XII Tafeln vgl. Ulp. 8 ad ed. Coll. 7, 3, 2. 64 Ulp. 57 ad ed. D. 47, 10, 7, 8 und PS 5, 4, 10. 65 Zur härteren Bestrafung des Diebs im Bade Ulp. 8 de off. proc. Coll. 7, 4, 1 f. Zur Bedeutung des locus bei der Strafe für Diebstahl s. Callistrat 6 de cogn. D. 48, 19, 28, 10. 66 Gai. Inst. 3, 225. 67 Ulp. 8 de off. proc. Coll. 12, 5, 1, Callistrat 6 de cogn. D. 48, 19, 28, 12, Claud. Saturn. lib. sing. de poenis paganorum D. 48, 19, 16, 9. 68 Claud. Saturn. lib. sing. de poenis paganorum D. 48, 19, 16, 9. 69 So bei abiegatus, vgl. Ulp. 8 de off. proc. Coll. 11, 8, 3 f., bei Raub, vgl. Ulp. 30 ad ed. praet. D. 47, 12, 3, 7, bei Diebstahl, vgl. Ulp. 8 de off. proc. D. 47, 17, 1, bei vis, vgl. Paul. 5 sentent. D. 48, 6, 11 pr. u. PS 5, 3, 3, bei Mord, vgl. Marcian 14 inst. D. 48, 8, 1, 3 zu einem Reskript Hadrians, bei Wegelagerei, vgl. Callistrat 6 de cogn. D. 48, 19, 28, 10 und bei Verletzung eines Kameraden durch einen Soldaten, vgl. Arrius Meneander 3 de re militari D. 49, 16, 6, 6. 70 Zum Darstellungsinteresse der römischen Historiker und Biographen näher oben B.I.9. 71 Vgl. Ulp. 8 de off. proc. D. 48, 18, 1, 26 und C. Th. 9, 1, 19, 1 = C. 9, 2, 17, 1.

300

C. Die Strafzumessungsgründe im späteren Recht

römische virtus angesehen.72 Erst in der Spätantike ordnete man für Denunzianten bei Majestätsverbrechen73 und Münzfälschung74 ausnahmsweise Strafbefreiung an. Ähnliches gilt für das Geständnis. Einmal war es vorgekommen, dass der Kaiser einem geständigen Verbrecher eine Strafmilderung gewährt hatte, doch etablierte sich das als Gesichtspunkt der Strafzumessung nicht.75 Dass auf eine zweifelhafte Beweislage kein Urteil, weder ein hartes noch ein mildes, gestützt werden konnte, stellte Kaiser Trajan in einem Reskript klar, das Ulpian überliefert: nec de suspicionibus debere aliquem damnari divus Traianus . . . rescripsit: satius enim esse impunitum relinqui facinus nocentis quam innocentem damnari.76 In der frühen Kaiserzeit war zwar zweimal vorgekommen, dass trotz unsicherer Beweislage verurteilt, die Strafe aber gemildert wurde, doch hatten auch hier die Quellen die zweifelhafte Beweislage allenfalls als inoffiziellen Strafmilderungsgrund genannt.77 Lediglich für das furtum galt bereits im altrömischen Recht etwas anderes, was auch ins klassische Recht übernommen wurde: es wird unterschieden zwischen furtum manifestum und nec manifestum. Konnte der Diebstahl nicht auf althergebrachte Weise mit den alten formalen Mitteln bewiesen werden, lag also ein furtum nec manifestum vor und war der Dieb nicht etwa straflos, sondern lediglich milder zu bestrafen.78

XIII. Zusammenfassung Mit dem Übergang der Strafrechtsprechung auf außerordentliche Gerichte zu Beginn des Prinzipats hatte sich ein weiter Raum für die Fortbildung des Strafrechts eröffnet. Neue Verbrechen und neue Strafen wurden entwickelt. Ein großer Teil davon überdauerte die Zeiten, ein kleinerer nicht. Ebenso verhält es sich mit den Strafzumessungsgründen. Zwar zeigt sich keine vollständige, aber doch eine bemerkenswerte Deckung zwischen der Strafpraxis der frühen Kaiserzeit und den Ausführungen in den späteren juristischen Quellen. Die untersuchten Strafprozesse dürften auch in dieser Hinsicht das spätere Recht in weitem Umfang geprägt haben.

Vgl. oben B.II.20.a) (Sextius Paconianus). Arcadius C. Th. 9, 14, 3, 7 = C. 9, 8, 5, 7 (397). 74 Konstantin C. Th. 9, 21, 2 pr. u. 1 (321). s. a. Konstantin C. Th. 9, 9, 1 (326) zur Anzeige bzw. Anklage im Ehebruchsprozess. Dazu Liebs, Römisches Recht (2004), S. 84 f. 75 Näher oben B.VII.2.b). 76 Ulp.7 de off. proc. D. 48, 19, 5 pr. s. a. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 435 f. 77 s. o. B.II.7. und V.4. 78 Zu alledem Kaser, Privatrecht I (1971), S. 157 – 160 u. 614 – 619. 72 73

Schlussbetrachtung Zum ordentlichen Verfahren, über das wir für die späte Republik gut informiert sind, lässt sich für die Kaiserzeit nur soviel sagen, dass die quaestiones eine ganze Zeit lang weiter existierten. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie nach dem alten Verfahren weiterarbeiteten und also die gesetzlich vorgeschriebenen Strafen anwandten, wenn hierfür auch Belege fehlen. Insbesondere die Alltagsprozesse werden noch lange vor den alten Geschworenenhöfen stattgefunden haben, wenngleich auch hier die außerordentliche Gerichtsbarkeit insbesondere der Präfekten eine immer stärkere Konkurrenz wurde. Senat und Kaiser jedenfalls hätten die Fülle von Prozessen, die es nach wie vor gegeben haben muss, nicht bewältigen können. Bei den uns bekannten Strafverfahren vor dem Kaiser- und dem Senatsgericht handelte es sich um politisch bedeutsame Prozesse gegen bzw. unter Beteiligung Mächtiger und Angehöriger der römischen Oberschicht. Aus der Zeit von Augustus bis Trajan konnten etwas mehr als 120 Strafprozesse besprochen werden.1 Das ist im Durchschnitt nicht einmal ein Prozess pro Jahr, wobei die meisten Verfahren in die Zeit der julisch-claudischen Kaiser fallen. Aus den Jahrzehnten nach Trajans Tod bis in die severische Zeit ist die Überlieferung brauchbarer Strafprozesse äußerst spärlich. Insgesamt aber ist die frühe und auch die hohe Prinzipatszeit verglichen mit anderen Epochen des Altertums verhältnismäßig gut dokumentiert, was auch für die außerordentliche Strafpraxis gilt. Die Erfassung aller bekannten Prozesse, die Informationen zur Strafzumessung enthalten, eröffnete einen guten Einblick in die Arbeit der neuen cognitio extra ordinem. Gemeinhin ging man unter Verweis auf den Pliniussatz senatui . . . licet et mitigare leges et intendere2 von völliger Freiheit des Senats- und zumal des Kaisergerichts bei der Strafzumessung aus; anders als die quaestiones hätten sich die neuen Gerichte nicht an die gesetzlichen Strafen gebunden gefühlt.3 Für den Majestätsprozess, der wie kein anderes Gerichtsverfahren Spiegel machtpolitischer Vorgänge war und wo sich die Instrumentalisierung des Rechts offen zeigte, mag das gelten. Majestätsverbrecher wurden von Beginn an ohne besonderen Grund nicht mit der gesetzlich vorgeschriebenen Verbannung, sondern mit dem Tode bestraft, alsbald noch dazu mit Todesstrafen, die in ihrer Härte dem bisherigen römischen 1 Teilweise unter Beteiligung mehrerer Angeklagter. Dazu kommt eine Reihe von Majestätsprozesse mit pauschalen Todesurteilen, auf die öfter lediglich verwiesen wurde. 2 Plin. ep. 4, 9, 17. 3 Vgl. etwa Mommsen, Strafrecht (1899), S. 1039, Strachan-Davidson, Problems II (1912), S. 159 f., Levy, Gesetz und Richter (1938), S. 76 u. 79, Bauman, Crime and Punishment (1996), S. 5 u. 50, Santalucia, Diritto e processo penale (1998), S. 238 u. 249.

302

Schlussbetrachtung

Strafrecht unbekannt waren. Abweichungen von dieser Praxis waren Fälle ausdrücklicher Milde. Für viele andere Bereiche lieferte die vergleichende Darstellung der außerordentlichen Strafprozesse jedoch einen anderen Befund. Die poena legis war für Kaiser und Senat keineswegs aus dem Blick geraten. Im ersten überlieferten Prozess, dem Repetundenprozess gegen Gallus 26 v. Chr., erkannte der Senat auf die von der lex Iulia repetundarum für schwere Repetundenvergehen vorgeschriebene Verbannung, was in derartigen Verfahren sowohl vor dem Senat als auch vor dem Kaiser fester Pol der Strafzumessung blieb. In leichten Fällen von repetundae begnügte man sich mit den gesetzlich vorgeschriebenen Ehrenstrafen. Die nächsten Prozesse sind die Strafverfahren um die ältere Julia von 2 v. Chr. Sie leiten eine die gesamte frühe Kaiserzeit durchziehende Reihe von Ehebruchsprozessen ein, die in Wahrheit meist der Ausschaltung politischer Gegner dienten. Die lex Iulia de adulteriis hatte als Strafe Ausweisung aus Rom und Italien vorgeschrieben. Die Mächtigen fanden diese freilich zu ineffektiv zur Verfolgung ihrer Zieler. Dennoch wurden die Angeklagten nicht zum Tode verurteilt, sondern blieb das Gesetz Richtschnur. Man entwickelte eine neue Strafe: Verbannung auf eine Insel, was die übliche Ehebruchsstrafe der Kaiserzeit wurde. Daran hielt sich auch der Kaiser selbst, besonders augenfällig in dem inszenierten Ehebruchsprozess gegen die ehemalige Kaisergattin Octavia. Ein Todesurteil kam nicht einmal für Nero in Betracht. Es blieb ihm nur, Octavia gemäß der gängigen Strafpraxis auf eine Insel zu verbannen und sie dort heimlich ermorden zu lassen. In Fällen von Anklägervergehen, calumnia und praevaricatio, hielt man sich nur anfangs an die gesetzlich angeordneten, relativ leichten Ehrenstrafen. Alsbald erachtete man sie als zu wenig abschreckend und verschärfte sie zu Verbannung. Daran orientierte sich dann die weitere Praxis und Domitian legte Verbannung als Regelstrafe fest. Daneben kamen Verschärfungen und Milderungen der gesetzlichen Strafen bzw. der mittlerweile geltenden Praxis bei sämtlichen Verbrechen vor. Willkür war jedoch selten zu beobachten, sieht man von Majestätsprozessen ab. Meist hatten dieGerichte Gründe für eine Abweichung vom Gesetz, die entweder in den Umständen der Tat oder im Täter begründet lagen. Bestimmte Gesichtspunkte kehren immer wieder. Die juristische Überlieferung zeigt, dass die meisten davon zu festen Strafzumessungsgründen wurden. Bei der Berücksichtigung bestimmter Umstände im Rahmen der Strafzumessung ist zwar generell eine Tendenz zur Verschärfung der poena legis erkennbar. Doch hielt man sich bei der Verfolgung von Verbrechen, die mit Verbannung bedroht waren, mit Todesurteilen zurück, verschärfte die vorgeschriebene Ausweisung allenfalls zu Verbannung auf eine Insel. Dahinter steckte keine generelle Abneigung gegen Todesurteile. Vielmehr waren es die poenae legum, die limitierend wirkten. In Majestätsprozessen dagegen schreckte man, wie gesagt, nicht vor der Todesstrafe zurück, und wo schon das Gesetz Todesstrafe vorschrieb, sind nur selten Bemühungen um Milderung erkennbar.

Schlussbetrachtung

303

Die meisten Strafzumessungsgründe sind täterbezogen. Aber auch die ermittelten tatbezogenen Gründe sind solche, die am Täter liegen. War das Strafen in republikanischer Zeit auf utilitas publica ausgerichtet und verfolgte allein einen kollektiven Zweck, rückt nun auch der einzelne Straftäter in das Blickfeld des Strafrechts. Dies ist zum einen Ausdruck einer Veränderung in der Strafrechtsphilosophie der Zeit: Seneca sagt erstmals, dass Strafen auch der Besserung des Straftäters dienten. Zum anderen ist die individuelle Strafzumessung, besonders in Fällen von clementia, Teilaspekt der Herrscherideologie des Prinzipats, was sich bald auf den Senat und später auch auf den Einzelrichter übertrug. Die Herausbildung des richterlichen Ermessens bei der Strafzumessung ist jedoch nicht allein aus diesen beiden Veränderungen zu erklären. Vielmehr konnten sich neue Anschauungen überhaupt erst im freieren Verfahren extra ordinem verwirklichen. Beides steht zueinander im einem Wechselwirkungsverhältnis. Blickt man von den juristischen, vor allem den spätklassischen Quellen zurück, so scheinen gerade die überlieferten politischen Strafverfahren rechtsfortbildend gewirkt und dem neuen Verfahren die prägendsten Impulse gegeben zu haben. Das gilt zum einen hinsichtlich der Ausbildung richterlichen Ermessens bei der Strafzumessung überhaupt, zum anderen hinsichtlich der Ausfüllung dieses Spielraums durch konkrete Strafzumessungsgründe. Zu Alltagsprozessen ist auch aus dem dritten Jahrhundert praktisch nichts bekannt. Dank der Juristenschriften wissen wir jedoch, was für diese Strafverfahren geltendes Recht war. Hier zeigt sich eine bemerkenswerte Deckung mit der vorherigen Gerichtspraxis in politischen Prozessen.

Anhang I: Stammtafel des Julisch-Claudischen Hauses1 Livia (Julia Augusta) a (1) Tiberius Claudius Nero (y 29 p.)

Augustus a (1) Servilia (27 a. – 14 p.) ... (2) Clodia .. (3) Scribonia

(2) Augustus (4) Livia (Julia Augusta) ...... ...... .

A ...... doption ...... ...... ...... ..

......

......

Julia maior a (1) Marcellus (y 14 p.) (2) Agrippa

...... Tiberius a (1) Vipsania Agrippina (14 – 37 p.)

(3) Tiberius

(2) Julia maior ...... .....

Drusus maior a Antonia (y 8 a.)

......

...... Adopt ...... i ...... on ...... ......

......

Julia minor (y 28 p.) a Aemilius Paulus

Gaius Caesar (y 4 p.)

Lucius Caesar (y 12 p.)

Agrippa Postumus (y 14 p.)

Agrippina maior (y 33 p.)

Drusus a minor (y 23 p.)

Livia Livilla (y 31 p.)

......

..... Germanicus (y 19 p.) a Agrippina maior

Livia Livilla

Iulia

Claudius a (1) Messalina (41 – 54 p.) (2) Agrippina maior

Tiberius Gemellus (y 37 p.)

Aemilia Lepida a M. Iunius Silanus

Germanicus (y 23 p.)

Iulia Drusilla (y 43 p.) a (1) Nero (2) Rubellius Blandus (cons. 18 p.)

Nero (y 30 p.)

Drusus (y 33 p.)

Drusilla (y 38 p.)

Agrippina minor a (1) Cn. Domitius

Caligula (y 37 – 41 p.)

Julia Livilla

Britannicus (y 55 p.)

Octavia a Nero

(2) C. Passienus (3) Claudius

M. Silanus D. Silanus (cons. 46 p.) (y 64 p.)

I. Silanus (y 48 p.)

Iunia Lepida a C. Cassius Severus (cons. 31 p.)

Iunia Calvina a L. Vitellius (cons. 48 p.)

Rubellius Plautus (y 62 p.)

Nero (54 – 68 p.)

1 Die Namen der Herrscher sind durch Fettdruck hervorgehoben. a = verheiratet mit. cons. = Konsulatsjahr. y = Todesjahr. - - - = es handelt sich um dieselbe Person.

Anhang II: Übersicht zu den besprochenen Prozessen Angeklagte(r)1

Jahr2

Anklagepunkt(e)

Abudius Ruso

34

calumnia

Acilius Glabrio Aelius Saturninus L. Aelius Seianus Aemilia Lepida

M. Aemilius Lepidus Mamercus Aemilius Scaurus die Sklaven des Afranius Dexter

Strafe

Ausweisung aus Rom und Italien 91 – 95 crimen maiestatis Verbannung 23 crimen maiestatis Tod 31 Mord Tod 20 Kindesunterschie- Ausweisung bung, Ehebruch, Giftmord, crimen maiestatis 39 crimen maiestatis, Tod Ehebruch 34 Ehebruch, Tod Zauberei 106 Mord vorgesehen: Verbannung auf Inseln 65 crimen maiestatis Tod

Afranius Quintianus Agrippina maior

29

Agrippina minor

39

Albucilla

37

Anicetus

62

Ankläger des Eprius Marcellus

57

Verbannung auf eine Insel crimen maiestatis, Verbannung auf Ehebruch eine Insel und Vermögenskonfiskation crimen maiestatis, Tod Ehebruch Ehebruch Verbannung auf eine Insel calumnia Verbannung

mögliche Strafzumessungsgründe

Fundstelle II.20.b)

Geschlecht, familiäre Situation, Beweislage Geschlecht, Grad der Beteiligung

VII.1.a) II.12. II.19. II.7.

III.5. II.20.d)

clementia

VIII.4.

V.4.

Ehebruch

II.17. Geschlecht, Grad der Beteiligung

III.5.

Grad der Beteiligung

II.20.e) V.3.f) V.1.b)

1 In der Übersicht nicht enthalten sind die Fälle pauschaler Todesurteile nach dem Sturz Sejans (zu ihnen oben Fnn. 671 f. in Abschnitt B.II.), nach der pisonischen Verschwörung (zu ihnen oben Fn. 1296 in Abschnitt B.V.) und unter der Regierung Domitians (zu ihnen oben Fn. 1401 in Abschnitt B.VII.). 2 Jahreszahlen ohne nähere Angabe sind solche nach Christus.

306

Anhang II: Übersicht zu den besprochenen Prozessen

Angeklagte(r)

Jahr

Anklagepunkt(e)

Strafe

Ankläger des M. Terentius Annaeus Cornutus

32

calumnia

Tod / Verbannung

66

crimen maiestatis

Annaeus Lucanus

65

crimen maiestatis

Verbannung auf eine Insel liberum mortis arbitrium Verbannung auf eine Insel und teilweise Vermögenskonfiskation Tod Verbannung auf eine Insel Tod Verbannung auf eine Insel und Vermögenskonfiskation Verbannung auf eine Insel Tod

L. Annaeus Seneca 41

Ehebruch

Annius Faustus Annius Pollio

69 65

calumnia crimen maiestatis

Annius Vinicianus Antistius Sosianus

42 62

crimen maiestatis crimen maiestatis

Antistius Vetus

21

crimen maiestatis

Iullus Antonius

Appius Claudius

2 v. Chr. Ehebruch und cirmen maiestatis 70 crimen repetundarum 61 Testamentsfälschung 2 v. Chr. lenocinium

Appuleia Varilla

17

L. Arruntius

37

Furius Arruntius Camillus Scribonianus C. Asinius Gallus Asinius Gallus Asinius Marcellus

42

30 46 61

Atimetus Avillius Flaccus

55 38

Baebius Massa

81 – 93

Antonius Flamma Antonius Primus

Tod Verbannung Ausweisung aus Rom und Italien Tod Verbannung auf eine Insel Tod

Fundstelle II.20.b)

hohe Bildung

V.5.

hohe Bildung, clementia hohe Bildung, clementia

V.4. IV.1.

Beweislage

VI.1. V.4.

clementia

IV.2. V.3.e)

clementia

II.8. I.2.

Verbannung

Ausweisung aus Rom und Italien Verbannung auf eine Insel Ehebruch Ausweisung auf 200 Meilen crimen maiestatis, Tod Ehebruch crimen maiestatis Tod

crimen maiestatis crimen maiestatis Testamentsfälschung calumnia crimen repetundarum crimen repetundarum

mögliche Strafzumessungsgründe

VI.3. Stand

V.3.c) I.2. II.3.

Grad der Beteiligung

II.20.e) IV.2.

Schwere der Tat Stand Stand

II.19. IV.4. V.3.c) V.1.a) III.3. VII.3.

Anhang II: Übersicht zu den besprochenen Prozessen

307

Angeklagte(r)

Jahr

Anklagepunkt(e)

Strafe

mögliche Strafzumessungsgründe

Fundstelle

Baebius Probus

98 / 99

VIII.2.

66

Blitius Catulinus

65

crimen maiestatis

Cadica

65

crimen maiestatis

Cadius Rufus

49

crimen repetundarum crimen repetundarum crimen maiestatis

fünfjährige Verbannung liberum mortis arbitrium Verbannung auf eine Insel Ausweisung aus Rom und Italien Ausschluss aus dem Senat Vermögenskonfiskation Ausweisung aus Rom und Italien Tod

Stand, Grad der Beteiligung

Barea Soranus

crimen repetundarum crimen maiestatis

Caecilius Classicus 98 / 99 Caesennius 65 Maximus Cn. Calpurnius Piso 20 C. Calpurnius Piso

37

Calvisius

55

Carrinas Secundus

39

Carsidius Sacerdos

37

Cassius

65

Cassius Patavinus

vor 14

Cassius Severus

8 – 12

derselbe Cassius Severus

24

Celer Chaerea Christen in Bithynien

89 – 91 41 107

Christen in Rom Claudia Octavia

64 62

Claudius Senecio

65

crimen maiestatis

Verbannung auf eine Insel calumnia Ausweisung aus Rom und Italien crimen maiestatis Ausweisung aus Rom und Italien Ehebruch Verbannung auf eine Insel crimen maiestatis, Verbannung auf Inzest eine Insel crimen maiestatis Ausweisung aus Rom und Italien crimen maiestatis Verbannung auf eine Insel crimen maiestatis Verbannung auf eine Insel

V.5. V.4. Geschlecht

V.4. IV.9.

familiäre Situation

VIII.2. V.4.

Grad der Beteiligung

Ehebruch

II.6. III.2.

Stand

V.1.a)

hohe Bildung

III.4.

Grad der Beteiligung Alter

II.20.e)

clementia

I.8.

hohe Bildung

I.5.

Alter, hohe Bildung, Rückfälligkeit Inzest mit Vestalin zu Tode Geißelung correctio morum crimen maiestatis Tod christliches z. T. Tod, Alter, Stand, Bekenntnis z. T. unbekannt Geschlecht, physische Verfassung, clementia Brandstiftung Tod Ehebruch Verbannung auf eine Insel crimen maiestatis Tod

V.5.

II.13.

VII.2.b) IV.2. VIII.7.

V.3.h) V.3.f) V.4.

308 Angeklagte(r)

Anhang II: Übersicht zu den besprochenen Prozessen Jahr

Anklagepunkt(e)

Strafe

P. Clodius Thrasea 66 Paetus Clutorius Priscus 21 Cluvidienus Quietus 65

crimen maiestatis

Cocceius Nerva

93

crimen maiestatis

Cornelius

34

praevaricatio

liberum mortis arbitrium Tod Verbannung auf eine Insel Verbannung auf eine Insel Verbannung auf eine Insel Verbannung und Vermögenskonfiskation Verbannung auf eine Insel Ausschluss aus dem Senat Tod Verbannung

crimen maiestatis crimen maiestatis

C. Cornelius Gallus 26 v. Chr. crimen repetundarum Cornelius Salvi93 dienus Orfitus Cossutianus Capito 57

crimen maiestatis

mögliche Strafzumessungsgründe

Fundstelle V.5. II.8. V.4. VII.1.a)

Rückfälligkeit

II.20.b) I.1.

VII.1.a)

Cremutius Cordus Decius Mundus

25 19

crimen repetundarum crimen maiestatis mos maiorum

Demetrius

71

crimen maiestatis

Publius Egnatius Celer ein Vormund in Hispania Epaphroditus Eprius Marcellus Fabius Hispanus

70

Mord

Verbannung auf eine Insel Tod

60 – 64

Mord

Tod

V.3.i)

95 76 98 / 99 62

Faenius Rufus Fannia

65 93

crimen maiestatis crimen maiestatis

Firmius Catus

24

calumnia

Flavia Domitilla

95

crimen maiestatis

Flavius Archippus Flavius Clemens

81 – 96 95

crimen falsi crimen maiestatis

Verbannung Tod fünfjährige Verbannung Ausweisung aus Rom und Italien Tod Ausweisung aus Rom und Italien und Vermögenskonfiskation Ausschluss aus dem Senat Verbannung auf eine Insel Bergwerksarbeit Tod

VII.1.a) VI.3. VIII.2.

Fabricius Veiento

crimen maiestatis crimen maiestatis crimen repetundarum crimen maiestatis

V.2.

Handeln aus Leidenschaft hohe Bildung

II.16. II.5. VI.3. VI.3.

Stand, Grad der Beteiligung

V.3.e) V.4. Grad der BeteiVII.1.c) ligung, Geschlecht

II.15. VII.1.c) VII.4. VII.1.c)

Anhang II: Übersicht zu den besprochenen Prozessen

309

Angeklagte(r)

Jahr

Anklagepunkt(e) Strafe

mögliche Strafzumessungsgründe

Fundstelle

Flavius Marcianus

98 – 100

Grad der Beteiligung

VIII.1.a)

Flavius Scaevinus 65 Furius Scribonianus 52

crimen repetundarum crimen maiestatis crimen maiestatis

Gallitta

107

Ehebruch

Glitius Gallus

65

crimen maiestatis

Helvidius Herennius Senecio

93 93

crimen maiestatis crimen maiestatis

Hostilianus

71

crimen maiestatis

Hostilius Firminus

98 – 100

crimen repetundarum

Ide und die Isispriester Iturius

19

mos maiorum

55

calumnia

Iulius Agrippa

65

crimen maiestatis

Iulius Altinus

65

crimen maiestatis

Iulius Bassus

103

crimen repetundarum

Nero Iulius Caesar

29

stuprum

Iunia Calvina

48 / 49

Inzest

Iunia Lepida Iunia Silana

65 55

Inzest, Zauberei calumnia

C. Iunius Appius Silanus Iunius Gallio

42

crimen maiestatis

32

crimen maiestatis

Iunius Lupus

51

calumnia

Ausweisung aus Italien und Africa Tod Ausweisung aus Rom und Italien Ausweisung aus Rom und Italien und teilweise Vermögenskonfiskation Verbannung auf eine Insel Tod Tod Verbannung auf eine Insel Ausschluss von der Losung der Provinzen Tod

clementia

V.4. IV.10. VIII.6.

Beweislage

V.4.

VII.1.c) Grad der BeteiVII.1.c) ligung, Geschlecht hohe Bildung VI.3. Grad der Beteiligung

VIII.1.b)

II.5.

Ausweisung aus Rom und Italien Verbannung auf eine Insel Verbannung auf eine Insel vorgesehen: Ausschluss aus dem Senat Verbannung auf eine Insel Ausweisung aus Rom und Italien unbekannt Ausweisung aus Rom und Italien Tod

Stand

Ausweisung aus Rom und Italien Ausweisung aus Rom und Italien

hohe Bildung

V.1.a) V.4. V.4. VIII.2.

Alter

II.17.

Geschlecht, Alter

IV.7.

Stand

V.5. V.1.a) IV.2. II.20.a) IV.9.

310

Anhang II: Übersicht zu den besprochenen Prozessen

Angeklagte(r)

Jahr

Anklagepunkt(e) Strafe

mögliche Strafzumessungsgründe

Fundstelle

Iunius Novatus Iunius Rusticus Arulenus C. Iunius Silanus

vor 14 93

crimen maiestatis crimen maiestatis

clementia

I.8. VII.1.c)

22

crimen repetundarum

clementia, familiäre Situation

II.9.

L. Iunius Silanus D. Iunius Silanus L. Iunius Silanus

48 / 49 64 65

Geschlecht clementia

IV.7. V.3.e) V.5.

Jesus

30

Julia Livilla

39

Julia Livilla

41

Julia maior

2 v. Chr.

Julia minor

8

Laelius Balbus

37

Livia Livilla Livia Orestilla

31 37

Livineius Regulus Lollia Paulina

59 49

Lucilius Capito

23

Lurius Varus

49

Manlius

17

P. Marcius Sextus Marius Marius Priscus

16 33 98 – 100

Maximus Scaurus

65

Geldstrafe Tod

Verbannung auf eine Insel, teilweise Vermögenskonfiskation Inzest Tod crimen maiestatis keine Todesstrafe crimen maiestatis Verbannung auf eine Insel crimen maiestatis, Tod seditio crimen maiestatis, Verbannung auf Ehebruch eine Insel und Vermögenskonfiskation Ehebruch Verbannung auf eine Insel Ehebruch Verbannung auf eine Insel Ehebruch Verbannung auf eine Insel Ehebruch Ausschluss aus dem Senat Mord Tod Ehebruch Verbannung auf eine Insel seditio Verbannung crimen maiestatis Ausweisung aus Rom und Italien und Vermögenskonfiskation vis publica, crimen Verbannung auf repetundarum eine Insel crimen Ausschluss aus repetundarum dem Senat Ehebruch Ausweisung aus Italien und Africa Zauberei Tod Inzest Tod crimen Ausweisung aus repetundarum Rom und Italien crimen maiestatis Tod

II.18. Geschlecht, Grad der Beteiligung

III.5.

IV.1. I.2. I.3. Grad der Beteiligung

II.20.e) II.19. III.1.

Geschlecht

V.3.b) IV.8.

II.11. IV.9. II.3.

Grad der Beteiligung

II.2. II.20.c) VIII.1.a) V.4.

Anhang II: Übersicht zu den besprochenen Prozessen Angeklagte(r)

Jahr

Anklagepunkt(e)

Strafe

L. Messala Volesus

13

crimen repetundarum crimen maiestatis

Verbannung auf eine Insel Verbannung auf eine Insel Verbannung auf eine Insel Verbannung auf eine Insel Verbannung auf eine Insel Ausweisung aus Rom und Italien Verbannung nach Tomi

Mettius Pompu91 sianus Montanius Atticinus 107

calumnia

Norbanus Licinianus 98 / 99

praevaricatio

Octavius Sagitta

58

Mord

Ofonius Tigellinus

39

Ehebruch

P. Ovidius Naso

8

Anstiftung zum Ehebruch

Paccius Africanus

70

calumnia

Paetus Mutter des Sextus Papinius Paulus die Sklaven des Pedanius Secundus Pedius Blaesus die Ritter Petra Petronius Priscus Petrus L. Pituanius Pompeius Aelianus Pomponius Labeo und seine Frau Pontius Fregellanus Quintius Crispinus Rhescuporis

mögliche Strafzumessungsgründe

311 Fundstelle I.6. VII.1.a)

Schwere der Tat

VIII.5. VIII.3.

Handeln aus Leidenschaft Alter

V.3.a)

Grad der Beteiligung, hohe Bildung Schwere der Tat

I.4.

Ausschluss aus dem Senat 55 calumnia Verbannung 37 unbekannt zehnjährige Ausweisung aus Rom 63 sedtio Tod Stand 61 Mord Tod Alter, Geschlecht, clementia 59 crimen Ausschluss aus repetundarum dem Senat 47 crimen maiestatis, Tod Ehebruch 65 crimen maiestatis Verbannung auf eine Insel 64 Brandstiftung verschärfte Todesstrafen 16 Zauberei Tod 61 TestamentsAusweisung aus Stand fälschung Rom und Italien 34 crimen Tod repetundarum 37 Ehebruch Ausschluss aus Grad der Beteidem Senat ligung 2 v. Chr. lenocinium Verbannung auf eine Insel 19 Mord Verbannung nach Alexandria

III.6.

VI.3. V.1.a) II.20.f) V.3.g) V.3.d) V.2. IV.5. V.4. V.3.h) II.2. V.3.c) II.20.d) II.20.e) I.2. II.4.

312

Anhang II: Übersicht zu den besprochenen Prozessen

Angeklagte(r)

Jahr

Anklagepunkt(e)

Strafe

mögliche Strafzumessungsgründe

Fundstelle

Rufrius Crispinus

65

crimen maiestatis

sachfremde Erwägungen

V.4.

Rufus

93

crimen maiestatis

Sariolenus Vocula

70

calumnia

Scaevinus Paquius

crimen repetundarum 2 v. Chr. lenocinium

Verbannung auf eine Insel Verbannung auf eine Insel Ausschluss aus dem Senat Ausschluss aus dem Senat Verbannung auf eine Insel Tod Verbannung und Vermögenskonfiskation Verbannung auf eine Insel liberum mortis arbitrium Verbannung auf eine Insel keine Todesstrafe

Grad der Beteiligung

Scipio M. Scribonius Libo Drusus Sempronius Bassus

59

16

Zauberei

20

crimen maiestatis

Sempronius Gracchus Servilia

2 v. Chr. lenocinium 66

crimen maiestatis

Servilius

34

praevaricatio

Sextius Paconianus

32

crimen maiestatis

C. Silius C. Silius Sosia Galla

24 48 24

crimen maiestatis Ehebruch crimen maiestatis

Stilonius Priscus

98 / 99

Subrius Flavus P. Suillius

65 24

Suillius Rufus

58

crimen repetundarum crimen maiestatis crimen repetundarum calumnia

Sulpicius Asper Tarius Rufus

65 vor 14

crimen maiestatis Vatermord

Tarquitius Priscus

53

calumnia

Terentius Lentinus

61

Testamentsfälschung

Tod Tod Ausweisung aus Rom und Italien zweijährige Verbannung Tod Ausweisung aus Rom und Italien Verbannung auf eine Insel und teilweise Vermögenskonfiskation Tod Verbannung nach Massalia Ausschluss aus dem Senat Ausweisung aus Rom und Italien

VII.1.a) Schwere der Tat

VI.3. V.2. I.2. II.1. II.6.

I.2. V.5. Rückfälligkeit

II.20.b)

Denunziation anderer Geschlecht Schwere der Tat Geschlecht, familiäre Situation Stand, Grad der Beteiligung

II.20.a) II.12. IV.6. II.12. VIII.2. V.4. II.14.

Rückfälligkeit, Alter, familiäre Situation

Alter, Schuldgrad

V.1.b)

V.4. I.7.b) IV.9.

Stand

V.3.c)

Anhang II: Übersicht zu den besprochenen Prozessen Angeklagte(r)

Jahr

Anklagepunkt(e)

Titius Sabinus Valeria Messalina Valerius Asiaticus

28 48 47

Valerius Fabianus

61

Valerius Licinianus

89 – 91

crimen maiestatis Ehebruch crimen maiestatis, Ehebruch Testamentsfälschung Inzest mit Vestalin

Valerius Ponticus

61

Venetus Paulus die Vestalin Cornelia die Vestalinnen Oculata die Vestalin Varronilla Vestalinnenverführer Vibius Secundus

65 89 – 91

Vibius Serenus

23 / 24

Vinicius Rufinus

61

Visellius Karus

20

crimen repetundarum vis publica, crimen maiestatis Testamentsfälschung crimen maiestatis

Vistilia

19

Ehebruch

Votienus Montanus

25

crimen maiestatis

82 82 82 60

Tod Tod liberum mortis arbitrium Ausweisung aus Rom und Italien Verbannung an einen Ort außerhalb Italiens und Vermögenskonfiskation praevaricatio Ausweisung aus Rom und Italien crimen maiestatis Tod Inzest lebendiges Begraben Inzest liberum mortis arbitrium Inzest liberum mortis arbitrium Inzest mit Vestalin Verbannung

namentlich nicht 107 genannter Centurio namentlich nicht 43 genannter Ritter namentlich nicht 45 genannter Statthalter

Ehebruch

unbekannter Angeklagter

Verwandtenmord

vor 14

Strafe

crimen maiestatis crimen repetundarum

Ausweisung aus Rom und Italien Verbannung auf eine Insel Ausweisung aus Rom und Italien Verbannung und Vermögenskonfiskation Verbannung auf eine Insel Verbannung auf eine Insel Ausweisung aus Rom und Italien Tod Verbannung und Vermögenskonfiskation Tod

mögliche Strafzumessungsgründe

313 Fundstelle

Schwere der Tat clementia

II.16. IV.6. IV.5.

Stand

V.3.c)

Grad der Beteiligung, Stand, hohe Bildung, Geständnis

VII.2.b)

V.1.c)

correctio morum

V.4. VII.2.b)

clementia

VII.2.a)

clementia

VII.2.a)

clementia

VII.2.a) V.2.

clementia

II.10.

Stand

V.3.c)

Grad der Beteiligung

II.6.

II.3. hohe Bildung

II.16. VIII.6. IV.2. IV.3.

clementia

I.7.a)

314

Anhang II: Übersicht zu den besprochenen Prozessen

Angeklagte(r)

Jahr

Anklagepunkt(e)

Strafe

unbekannter Angeklagter unbekannte Angeklagte 120 unbekannte Angeklagte unbekannte Angeklagte

38 – 40

crimen maiestatis

81 – 96

crimen maiestatis

69

crimen maiestatis

verschärfte Todesstrafe liberum mortis arbitrium Tod

79 – 81

calumnia

Verbannung auf Inseln / Überführung in Sklaverei

mögliche Strafzumessungsgründe

Fundstelle III.2.

clementia

VII.1.c) VI.2. VI.4.

Anhang III: Sonstige Prozesse Die literarische Überlieferung bietet neben den besprochenen Fällen noch mannigfache Auskünfte zu Strafprozessen, die allerdings keine Informationen zur Strafzumessung enthalten.

I. Augustus Hinsichtlich der Tac. ann. 1, 10 erwähnten Hinrichtungen ist zu Gerichtsverfahren und Urteilen nichts bekannt. Zu dem Dio 54, 3, 1 überlieferten Majestätsprozess gegen Marcus Priscus kennen wir das Urteil nicht; im Übrigen dürfte es sich um eine Verhandlung vor einer quaestio gehandelt haben. Die Verstoßung des Augustusenkels Agrippa Postumus erfolgte nicht aufgrund eines Strafverfahrens, s. Tac. ann. 1, 3: nepotem unicum, Agrippam Postumum, in insulam Planasiam proiecerit, rudem sane bonarum artium et robore corporis stolide ferocem, nullius tamen flagitii conpertum (er verstieß seinen einzigen noch lebenden Enkel, Agrippa Postumus, der zwar recht ungebildet war und auf seine körperlichen Kräfte dummdreist pochte, dem man jedoch keine einzige ehrlose Handlung nachweisen konnte, auf die Insel Planasia), s. a. Suet. Aug. 65, 1 und 65, 4 und Dio 55, 32, 1 f. Über die bei Suet. Aug. 19, 1; 66, 2 und Dio 55, 4, 3 i.f. erwähnten, von Augustus unterdrückten Umsturzversuche ist nichts näheres über Gerichtsverfahren und Verurteilungen bekannt. Die drei Suet. Aug. 24, 1; 27, 3 u. 27, 4 beschriebenen Fälle und die Suet. Aug. 45, 4 (hierzu Mommsen, Strafrecht (1899), S. 971 Fn. 8); 67, 1 u. 2 und Dio 54, 3, 4 f. und 54, 15 erwähnten Vorkommnisse sind Fälle kaiserlicher Willkür, keine Strafverfahren. Zu Anklagen wegen Testamentsfälschung (Suet. Aug. 33, 2), Giftmordes (Suet. Aug. 56, 3) und Beleidigung (Suet. Aug. 56, 4) sind keine Urteile überliefert. In dem Suet. Aug. 51, 2 erwähnten Majestätsprozess gegen Aemilius Aelianus, über den wir sonst nichts wissen, vgl. v. Rohden, Art. Aemilius (23), RE I 1, 1893, Sp. 545, wird von einem Urteil nichts berichtet; es scheint aber ein Freispruch erfolgt zu sein. Zu den in den Verfahren bei Dio 55, 7, 1 f. vorgesehenen Todesurteilen fehlen Informationen über die angeklagte Straftat. Der 4 n. Chr. wegen crimen maiestatis angeklagte Pompeiusenkel Gnaeus Cornelius wurde freigesprochen, Dio 55, 14, 1; 55, 21, 1; 55, 22, 1. Zu dem Majestätsprozess gegen Fannius Caepio (Suet. Tib. 8) fehlt die Auskunft über den Inhalt des Urteils.

II. Tiberius Zu den drei Majestätsprozessen gegen einen gewissen Falanius, einen gewissen Rubrius und einen Granius Marcellus, Tac. ann. 1, 73 u. 74, sind keine Strafen überliefert. Das Ende des Abschnitts 1, 73, wo Tacitus über die Haltung des Kaisers gegenüber der Anklage berichtet, deutet auf Freispruch in den ersten beiden Fällen. Im dritten Fall ist der Freispruch Tac. ann. 1, 74 i. f. ausdrücklich erwähnt. Zu dem Prozess gegen den kappadokischen König

316

Anhang III: Sonstige Prozesse

Archelaus, Tac. ann. 2, 42, fehlen Auskünfte zum angeklagten Verbrechen und zur vorgesehenen Strafe. Der Fall der Annia Rufilla, Tac. ann. 3, 36, die wegen verübter iniuria von Drusus inhaftiert wurde, ist ein Fall magistratischer Koerzition und kein Strafverfahren (zur Haft vgl. Mommsen, Strafrecht (1899), S. 48 f., 299, 961 ff. und oben Fn. 53 in Abschnitt A.III.). Die Strafe, die die beiden wegen wissentlich grundloser Klageerhebung (calumnia) vom Senat verurteilten Ritter traf, ist nicht zu ermitteln, Tac. ann. 3, 37. Zu welcher Strafe der wegen repetundae angeklagte Caesius Cordus verurteilt wurde, ist nicht überliefert, s. Tac. ann. 3, 38 u. 3, 70. Die Majestätsanklage gegen L. Ennius im Jahre 22 n. Chr. wurde abgelehnt, Tac. ann. 3, 70. Die 23 n. Chr. wegen Unterstützung des aufständischen Staatsfeindes Tacfarinas nach der lex Iulia maiestatis angeklagten Carsidius Sacerdos und C. Gracchus wurden freigesprochen; welche Strafen in Betracht kamen, erfahren wir nicht, Tac. ann. 4, 13. Die Ausweisung der Schauspieler, Tac. ann. 4, 14, scheint eine administrative Maßnahme gewesen zu sein. Das Verfahren gegen den Sohn des 20 n. Chr. zum Tode verurteilten Cn. Calpurnius Piso (oben II.6.), kam wegen des (natürlichen) Todes des Angeklagten nicht bis zur Verhandlung, Tac. ann. 4, 21. Der wegen Mordes vor dem Senat angeklagte Prätor Plautius Silvanus beging vor der Verhandlung Selbstmord; welche Strafe ihn treffen sollte, ist nicht zu ermitteln, Tac. ann. 4, 22. Die wegen Zauberei und Giftmischerei angeklagte Numantia wurde freigesprochen, Tac. ann. 4, 22, ebenso der wegen crimen maiestatis angeklagte C. Cominius, Tac. ann. 4, 31. Ob der Verbannung des Calpurnius Silvanus, Tac. ann. 4, 36, ein Gerichtsverfahren zugrunde lag oder ob es sich um eine koerzitive Maßnahme des Kaisers handelte, erfahren wir von Tacitus nicht; ebenso dunkel bleibt das angeklagte Verbrechen. Das Verfahren gegen die Gemeinde Kyzikos, Tac. ann. 4, 36, ist kein eigentlicher Fall von Kriminaljustiz. Fonteius Capito wurde freigesprochen, Tac. ann. 4, 36. Zu welcher Strafe die wegen Ehebruchs, Giftmischerei und Zauberei angeklagte Claudia Pulchra verurteilt wurde, ist nicht zu ermitteln, Tac. ann. 4, 52. Atilius, der wegen der Katastrophe, die durch den Einsturz eines hölzernen Amphitheaters verursacht worden war, verbannt wurde, Tac. ann. 4, 62 f., wurde ohne Rechtsgrundlage verurteilt, denn eine Strafnorm für sein Verhalten gab es nicht (vgl. Kunkel, Entstehung des Senatsgerichts (1969), S. 318 Fn. 94), so dass sich über die Strafzumessung nichts sagen lässt. Der Prozess gegen Varus Quintilius wurde nicht zu Ende geführt, im Übrigen fehlt in der Überlieferung das angeklagte Verbrechen, Tac. ann. 4, 66. Für die drei bei Dio Xiphil. 57, 24, 7 f. und Dio Xiphil. 58, 4, 5 überlieferten Majestätsprozesse fehlen Auskünfte über die Strafe, ebenso für die Majestätsprozesse bei Suet. Tib. 58 u. 61. Die Ermordung des verstoßenen Augustusenkels Agrippa Postumus, Tac. ann. 1, 6 init. und die Ermordung des aufständischen Sklaven des Agrippa Postumus namens Clemens, Tac. ann. 2, 39 f., sind keine Strafverfahren, sondern Fälle kaiserlicher Willkür, ebenso die Ausweisung der bereits ordentlich verurteilten Aquilia, Tac. ann. 4, 42 i. f., die Hinrichtung eines gewissen Syriacus (Dio Xiphil. 58, 3, 7) wegen seiner Freundschaft mit Asinius Gallus (s. o. B.II.19.), die Tötung der Familie einer gewissen Mucia (Dio Joann. Antioch. 58, 4, 7) und die Suet. Tib. 37; 51 i. f.; 56; 57 u. 60 beschriebenen Maßnahmen.

III. Caligula Wegen welcher Taten die bei Dio 59, 6, 3 (37 n. Chr.), 59, 14, 2 und 59, 18, 3 (38 n. Chr.) erwähnten Angeklagten hingerichtet wurden, ist nicht überliefert. Die Tötung des Tiberiusenkels Tiberius Gemellus, weil dieser angeblich den Tod Caligulas herbeigewünscht habe, erfolgte nicht aufgrund eines Strafverfahrens, sondern ist ein Fall kaiserlicher Willkür, s. Dio 59, 8, 1 (37 n. Chr.), ebenso die Nötigung Macros und seiner Gattin zum Selbstmord,

Anhang III: Sonstige Prozesse

317

Dio 59, 10, 6 f., und die beiden bei Suet. Cal. 32, 2 berichteten Fälle. Der wegen crimen maiestatis vor dem Senat angeklagte Domitius Afer wurde freigesprochen, Dio 59, 19, 1 – 7 (39 n. Chr.). Weswegen Titius Rufus, Iunius Priscus (Dio 59, 18, 5) und Lucius Vitellius (Dio Xiphil. 59, 27, 2 – 6) vom Kaiser zum Tode verurteilt werden sollten, ist nicht überliefert. Unbekannt ist auch, weswegen Calvisius Sabinus und seine Gattin angeklagt wurden (Dio 59, 18, 5). Ebenso wenig ist überliefert, aufgrund welchen Gesetzes Seneca 39 n. Chr. zum Tode verurteilt, dann aber vom Kaiser begnadigt wurde, Dio 59, 19, 7 f. Zu den Verurteilungen, von denen bei Suet. Cal. 38, 3 berichtet ist, fehlen Auskünfte zum angeklagten Verbrechen und zur ausgeurteilten Strafe. Die Anklage wegen Ehebruchs gegen Titus Vinius Rufinus wurde nach dem Tode Caligulas fallengelassen, Tac. hist. 1, 48. Der Prozess vor dem Kaisergericht gegen Pontius Pilatus, den ehemaligen Statthalter von Judäa (Euseb hist. 2, 7 und Oros. hist. 7, 5, 8) ist nicht historisch, vgl. Liebs, Vor den Richtern (2007), S. 102.

IV. Claudius Julia, die Enkelin des Tiberius und Tochter des Drusus, wurde 43 n. Chr. von Suillius angeklagt und in den Tod getrieben; weswegen sie angeklagt war, ist nicht überliefert, vgl. Sen. apoc. 10, 4, Sen. Octavia 944 – 946, Tac. ann. 13, 43, Suet. Claud. 29, 1, Dio 60, 18, 4. Die Ermordung des Crassus, der Scribonia und des Pompeius 47 n. Chr. waren Ausbrüche kaiserlicher Willkür, keine Strafverfahren, vgl. Sen. apoc. 11, 2 u. 5, Tac. hist. 1, 48 init., Suet. Claud. 27, 2; 29, 2, ebenso die Hinrichtung eines kaiserlichen Sklaven, Dio Joann. Antioch. 60, 31, 5a (48 n. Chr.), und die bei Suet. Claud. 37, 1 und 38, 2 überlieferten Hinrichtungen und Verbannungen. Weswegen der von Messalina fälschlicherweise angeklagte Polybios verurteilt wurde, ist nicht überliefert, Dio Exc. Val. Xiphil. Zonaras 60, 31, 1 (48 n. Chr.). Auf welche Rechtsgrundlage die Verbannung Calpurnias gestützt wurde, ist nicht überliefert, Tac. ann. 12, 22, Dio Zonaras 60, 33, 2b (49 n. Chr.). Aufgrund welcher Strafnorm Claudius die Erzieher seines Adoptivsohnes Nero verbannen bzw. hinrichten ließ und ob überhaupt Strafverfahren stattfanden, ist der Überlieferung nicht zu entnehmen, Tac. ann. 12, 41 i. f. (51 n. Chr.). Der wegen crimen maiestatis angeklagte L. Vitellius wurde von Claudius freigesprochen, Tac. ann. 12, 42 i. f. (51 n. Chr.). Weswegen Isidoros und Lampon von Claudius 52 / 53 n. Chr. zum Tode verurteilt wurden, erhellt aus den Quellen nicht, s. BGU 511 / P. Kairo Inv. 10448 ed. Musurillo, Acta Alexandrinorum (1954), S. 18 ff. Der wegen crimen repetundarum und Zauberei im Senat angeklagte Statilius Taurus nahm sich vor dem Urteil das Leben, zudem sollte er offenbar freigesprochen werden, denn im Anschluss wurde gegen seinen Ankläger eine Kalumnienstrafe verhängt (dazu oben B.IV.9.), Tac. ann. 12, 59 (53 n. Chr.). Iunius Cilo, Statthalter von Pontus und Bithynien, nach der lex Iulia repetundarum angeklagt, wurde freigesprochen, Dio Xiphil. 60, 33, 6 (53 n. Chr.). Welche Strafe die nach der lex Cornelia de sicariis et veneficiis verurteilte Giftmischerin Lucusta erlitt, ist nicht bekannt, vgl. Tac. ann. 12, 66 u. 13, 15, ebenso unbekannt ist die Strafe der wegen Zauberei angeklagten Domitia Lepida, Tac. ann. 12, 64 f. (54 n. Chr.). Unter Claudius müssen auch Q. Lutetius Lusius Saturninus und Cornelius Lupus hingerichtet worden sein, vgl. Sen. apoc. 13, 5 u. Tac. ann. 13, 43; weswegen, ist nicht bekannt. Unbekannt ist auch das Urteil in einem Prozess gegen einen Ehebrecher, Suet. Claud. 15, 4. Ebenso unbekannt ist, zu welcher Strafe eine wegen Ehebruchs angeklagte, namentlich nicht bekannte Frau vom Kaiser verurteilt wurde, Suet. Claud. 43. Der vom Kaiser mit dem Tode bestraften Anmaßung des römischen Bürgerrechts, Suet. Claud. 15, 2 u. 25, 3, lag kein Strafgesetz zugrunde; das Verhalten wird hier erstmals kriminalstrafrechtlich beurteilt, vgl. Mommsen, Strafrecht (1899),

318

Anhang III: Sonstige Prozesse

S. 858 f. Was der Grund für die Hinrichtung der Sen. apoc. 13, 4 f. genannten Ritter und Freigelassenen war und ob sie überhaupt aufgrund eines Strafverfahrens erfolgten, verrät die Überlieferung nicht.

V. Nero Die wegen einer angeblichen Verschwörung angeklagte Kaiserinmutter Agrippina minor wurde vom Kaiser freigesprochen, Tac. ann. 13, 19 – 21 (55 n. Chr.). Welche Strafe der in einem Mordprozess angeklagte Ritter Antonius erlitt, ist unbekannt, Dio Xiphil. Exc. Val. 61, 7, 6 (55 n. Chr.). Der Ermordung des Iulius Montanus lag kein Strafverfahren zugrunde, Tac. ann. 13, 25 (56 n. Chr.). Zu welcher Strafe der in einem Repetundenprozess angeklagte Vipsanius Laenas verurteilt wurde, ist ebenso wenig bekannt, Tac. ann. 13, 30 (56 n. Chr.). Der ebenfalls wegen crimen repetundarum angeklagte Cestius Proculus wurde freigesprochen, Tac. ann. 13, 30 (56 n. Chr.). Nach welcher Strafnorm und zu welcher Strafe P. Palpellius Clodius Quirinalis verurteilt werden sollte, ist nicht überliefert, Tac. ann. 13, 30 (56 n. Chr.). P. Celer verstarb aufgrund seines hohen Alters, bevor über ihn ein Urteil nach der lex Iulia repetundarum gesprochen wurde, Tac. ann. 13, 33 (57 n. Chr.). Die Verbannung des Faustus Sulla Felix nach Massilia (Tac. ann. 13, 47; 58 n. Chr.) und seine spätere Ermordung (Tac. ann. 14, 57; 62 n. Chr.) geschahen nicht aufgrund eines Strafprozesses. Sulpicius Camerinus und Pompeius Silvanus wurden wegen Repetundenvergehen angeklagt und freigesprochen, Tac. ann. 13, 52 (58 n. Chr.); ebenfalls freigesprochen wurde Seneca, der des Ehebruchs mit Agrippina angeklagt war, Dio Xiphil. Exc. Val. 61, 10 (58 n. Chr.). Weswegen die 59 n. Chr. zurückgerufenen ehemaligen Prätoren Valerius Capito und Licinius Gabolus verbannt worden waren, ist nicht bekannt, Tac. ann. 14, 12 (59 n. Chr.). Unbekannt ist ferner das Urteil im Repetundenprozess gegen Acilius Strabo, Tac. ann. 14, 18 (59 n. Chr.). Die Ausweisung des Rubellius Plautus (Tac. ann. 14, 22; 60 n. Chr.) und seine spätere Ermordung (Tac. ann. 14, 59; 62 n. Chr.) erfolgten nicht aufgrund eines Strafverfahrens. Die Steinigung von angeblichen Verschwörern durch römische Soldaten geschah ohne Strafverfahren, Dio Xiphil. Exc. Val. 61, 19, 4 (59 n. Chr.). Zu welcher Strafe der wegen crimen repetundarum angeklagte Tarquitius Priscus verurteilt wurde, ist nicht überliefert, Tac. ann. 14, 46 (61 n. Chr.). Unbekannt ist ferner, welches Verbrechen dem vom Senat aus Kreta ausgewiesenen Kreter Claudius Timarchus zur Last gelegt wurde, Tac. ann. 15, 20 (62 n. Chr.). Die Ermordung des Konsuls Vestinus erfolgte ohne strafrechtlichen Grund und ohne Prozess, Tac. ann. 15, 68 f. (65 n. Chr.). Wegen welchen Verbrechens der Rhetor Verginius Flavus und der Philosoph Musonius Rufus verbannt wurden, ist nicht deutlich überliefert, Tac. ann. 15, 71 und Dio Xiphil. 62, 27, 4 (65 n. Chr.). Unbekannt ist, welches Verbrechen man T. Petronius Arbiter vorwarf und welche Strafe er erleiden sollte, Tac. ann. 16, 18 f. (66 n. Chr.). Den bei Tac. ann. 16, 5 i. f. (65 n. Chr.) berichteten Ermordungen waren keine Strafverfahren vorausgegangen. Welches Vergehen man L. Vetus, seiner Schwiegermutter Sextia und seiner Tochter Pollita vorwarf, ist nicht überliefert, Tac. ann. 16, 10 f. (65 n. Chr.), das gleiche gilt für die Verurteilung des Publius Gallus, Tac. ann. 16, 12 init. (65 n. Chr.). Weswegen Rufrius Crispinus und Cerialis Anicius hingerichtet wurden bzw. hingerichtet werden sollten, ist nicht bekannt, Tac. ann. 16, 17 i. f. (66 n. Chr.). Weswegen Silia und der ehemalige Prätor Minucius Thermus verurteilt wurden, ergibt sich aus dem Bericht in den Annalen nicht, Tac. ann. 16, 20 (66 n. Chr.). Aufgrund welcher Strafnorm Cassius Asclepiodotus verbannt wurde, ist unklar, Tac. ann. 16, 33, Dio Xiphil. 62, 26, 2 (66 n. Chr.). Unklar ist ferner der genaue Grund für die Verbannung des Paconius Agrippinus und des Helvidius Priscus, Tac. ann. 16, 33 (66 n. Chr.). Cn. Domitius Corbulo wurde nicht auf einen Strafprozess hin getötet, vgl. Tac. hist. 2, 76,

Anhang III: Sonstige Prozesse

319

Dio Xiphil. 63, 17, 5 f. (67 n. Chr.) und Ammianus Marc. 15, 2, 5 (indemnatus), ebenso wenig Caecina Tuscus, Dio Xiphil. 63, 18, 1, Suet. Nero 35, 3 (67 n. Chr.), Antonia, Tochter des Kaisers Claudius, Suet. Nero, 35, 4 (zwischen 65 u. 68 n. Chr.) und Rufrius Crispinus, Sohn der Poppaea und Stiefsohn Neros, Suet. Nero 35, 3. Die Verbannung des Kynikers Isidorus und des Schauspielers Datus wurde ohne Prozess verhängt, Suet. Nero 39, 3, ebenso die Verstümmelung eines betrügerischen Geldwechslers durch Galba als Statthalter in Spanien, Suet. Galba 9, 1.

VI. Galba bis Titus Zu welcher Strafe der in einem Repetundenprozess angeklagte A. Caecina Alienus verurteilt wurde, ist unbekannt, Tac. hist. 1, 53 (Sommer 68 n. Chr.). Der Kalumnienprozess gegen Eprius Marcellus wurde aus politischen Gründen ausgesetzt und nicht wieder aufgenommen, Tac. hist. 4, 6 (zw. Juni und Dezember 68 n. Chr.). Weswegen der Angeklagte des von Dio Xiphil. Petr. Patr. Exc. Val. 63, 2, 3 überlieferten Strafverfahrens zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde, ist ebenso wenig bekannt (zw. Juni und Dezember 68 n. Chr.). Der Hinrichtung des Helios, des Narcissus, des Patrobius, der Lucusta und anderer, Dio Xiphil. Petr. Patr. Exc. Val. 63, 3, 4 (zw. Juni und Dezember 68 n. Chr.), lag kein Strafverfahren zugrunde, ebenso wenig der Verbannung und Ermordung des Präfekten Cornelius Laco, der Hinrichtung des Icelus, Tac. hist. 1, 46, Plut. Galba 27 (Januar 69 n. Chr.), der Verbannung des Cn. Cornelius Dolabella, Tac. hist. 1, 88, Plut. Otho 5 (zw. Jan. u. April 69 n. Chr.) und der Hinrichtung des Mannes, der sich als Kaiser Nero ausgegeben hatte, Dio Xiphil. Zonaras Exc. Val. 63, 9, 3 (zw. Januar und April 69 n. Chr.). Welche Strafe der in einem Kalumnienverfahren von Vitellius verurteilte kaiserliche Freigelassene Hilarius erlitt, ist auch nicht bekannt, Tac. hist. 2, 65 (Mai / Juni 69 n. Chr.). Die Ausweisung der Astrologen und Zauberer beruhte nicht auf einem Strafverfahren, Dio Xiphil. Zonaras 64, 1, 4 (Juli 69 n. Chr.). Noch bevor es zu einem Majestätsverfahren gegen Iunius Blaesus kam, wurde er auf Veranlassung des Kaisers Vitellius vergiftet, Tac. hist. 3, 38 (November 69 n. Chr.). Die Suet. Vitell. 14 erwähnten Tötungen sind Beispiele kaiserlicher Willkür, denen keine Strafverfahren zugrunde lagen (zw. April und Dezember 69 n. Chr.). Weswegen Iulius Bassus vor dem Senatsgericht angeklagt wurde, ist unbekannt, Plin. ep. 4, 9, 1 (zw. Dezember 69 und 79 n. Chr.). Nonius Attianus und Cestius Severus waren wegen calumnia angeklagt. Welche Strafe über sie ausgesprochen wurde, ist nicht überliefert, vgl. Tac. hist. 4, 41 (Anfang 70 n. Chr.). Genauso unbekannt ist, welche Strafe vom Senat über die in einem Injurienprozess verurteilten Beteiligten ausgesprochen wurde, Tac. hist. 4, 45 (Anfang 70 n. Chr.). Weswegen die Astrologen aus Rom verbannt wurden und ob die Verbannungen auf Strafverfahren beruhten, ist nicht überliefert, Dio Xiphil. 65, 9, 1. Die Auspeitschung des Diogenes und die Hinrichtung des Heras, beide Kyniker, beruhten nicht auf Strafverfahren, Dio Xiphil. 65, 15, 5 (zw. 71 u. 76 n. Chr.). Auch ist nicht bekannt, weswegen ein gewisser Hipparchus angeklagt und zu welcher Strafe er verurteilt wurde, Suet. Vesp. 13, ebenso wenig der Grund für die Verbannung des Helvidius Priscus, Suet. Vesp. 15.

VII. Domitian Weswegen der Philosoph Dion von Prusa verbannt wurde, ist unbekannt, Dio Chrys. orationes 12, 1; 45, 1; 50, 8 (82 n. Chr.). Die Ermordung des Schauspielers Paris wegen eines

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Anhang III: Sonstige Prozesse

angeblichen ehebrecherischen Verhältnisses mit der Kaiserin Domitia und die Verstoßung derselben, Suet. Dom. 3, 1; 13, 1, Dio Xiphil. Zonaras 67, 3, 1 (83 n. Chr.), sowie die Tötung eines seiner Schüler, Suet. Dom. 10, 1, beruhten nicht auf Strafverfahren. Der wegen crimen maiestatis angeklagte Iulius Calavaster wurde freigesprochen, Dio Xiphil. Zonaras 67, 11, 4 (88 / 89 n. Chr.). Welche Strafen in den Dio Xiphil. Zonaras 67, 11, 6 und 67, 12, 1 (91 n. Chr.) erwähnten Mord- und Ehebruchsprozessen ausgesprochen wurden, ist nicht überliefert. Die (noch dazu zweifelhafte, vgl. Tac. Agr. 43) Ermordung des Cn. Iulius Agricola, Schwiegervater des Historikers Tacitus, beruhte jedenfalls nicht auf einem Strafverfahren, Tac. Agr. 43 – 45, Dio Xiphil. 66, 20, 3 (93 n. Chr.). Der in einem Majestätsprozess vor dem Kaisergericht angeklagte Iuventius Celsus wurde freigesprochen, Dio Xiphil. Zonaras 67, 13, 3 f. (93 n. Chr.). Zu welcher Strafe der wegen repetundae vor dem Senatsgericht angeklagte Baebius Massa verurteilt wurde, ist unbekannt, Plin. ep. 7, 33, 4, Tac. Agr. 45 (93 n. Chr.). Was der Grund für die Verbannung der Arria, Witwe des unter Nero hingerichteten Thrasea Paetus, der Verulana Gratilla und des Iunius Mauricus war, ist nicht bekannt, Plin. ep. 1, 5, 10; 3, 11, 3, Tac. Agr. 45 (93 / 94 n. Chr.), ebenso wenig, weswegen Mettius Modestus verbannt wurde, Plin. ep. 1, 5, 5 (93 n. Chr.). Der Philosoph Apollonius scheint in einem Majestätsprozess vom Kaiser freigesprochen worden zu sein, Philostr. Apoll. 7, 1 u. 8, 8 – 10 (zw. 93 u. 96 n. Chr.). Weswegen Iulius Bassus vom Kaiser verbannt wurde, ist unbekannt, Plin. ep. 4, 9, 1. Welche Strafen über einen wegen crimen repetundarum angeklagten Ädil (Suet. Dom. 8, 2) und über nach der lex Scantinia (zu dieser oben B.II.17.) verurteilte Senatoren und Ritter (Suet. Dom. 8, 3) ausgesprochen wurden, ist nicht überliefert. Über die Suet. Dom 9, 3 genannten, in Kalumnienverfahren verurteilten falschen Ankläger heißt es lediglich: magna poena repressit. Die Ermordung des Hermogenes wegen satirischer Anspielungen in seinem Geschichtswerk und die Kreuzigung der Kopisten, die das Werk abgeschrieben hatten, sind Fälle kaiserlicher Willkür und beruhen nicht auf Strafverfahren, Suet. Dom. 10, 1. Das gleiche gilt für einen Zirkusbesucher, der wegen eines Ausspruchs, der dem Kaiser missfiel, sogleich in der Arena den Hunden vorgeworfen wurde, Suet. Dom. 10, 1. Weswegen ein nicht namentlich bezeichneter Finanzbeamter gekreuzigt und Arrecinus Clemens hingerichtet wurde, ist nicht bekannt, Suet. Dom. 11, 1. Die Hinrichtung des Astrologen Ascletarion erfolgte nicht aufgrund eines Strafverfahrens, Suet. Dom. 15, 3, Dio Xiphil. 67, 16, 3. Weswegen und zu welcher Strafe Salvius Liberalis verurteilt wurde, ist nicht überliefert, Plin. ep. 3, 9, 33. Ob der Apostel Johannes strafrechtlich verurteilt wurde und was seine Strafe war, ist unklar, vgl. Euseb hist. 3, 18 und Frey, Art. Iohannes (1), NP 5, 1998, Sp. 1056 – 1058, Sp. 1056.

VIII. Nerva und Trajan Im Repetundenprozess gegen Varenus Rufus vor dem Senatsgericht wurde die Anklage von der Provinz Bithynien schließlich zurückgezogen. Ob sie wieder aufgenommen und Varenus verurteilt wurde, ist unbekannt, Plin. ep. 5, 20; 6, 5; 6, 13; 6, 29, 11; 7, 6, 1 – 7 u. 14; 7, 10 (106 / 107 n. Chr.). Claudius Ariston wurde in einem Prozess vor dem Kaisergericht freigesprochen, Plin. ep. 6, 31, 3 (um 107 n. Chr.). Welches Urteil in dem Plin. ep. 6, 31, 7 – 12 behandelten Fälschungsprozess gefällt wurde, ist nicht überliefert (um 107 n. Chr.), ebenso unbekannt ist der Ausgang des Plin. ep. 7, 6, 8 – 12 erwähnten Fälschungsprozesses. Weswegen die Plin. ep. 10, 56 u. 10, 57 erwähnten Personen aus Bithynien ausgewiesen wurden, ist nicht bekannt (zw. 108 u. 110 n. Chr.).

Quellenregister I. Juristische Quellen Codex Iustinianus 2, 4, 18: 82 2, 11, 16: 163 3, 11, 17: 163 4, 20, 8: 120 4, 20, 9: 120 4, 55, 4: 34 6, 1, 4: 290, 292 6, 24, 1: 60 5, 17, 1: 62 9, 1, 2: 163 9, 1, 11: 250 9, 2, 17, 1: 177, 299 9, 8, 5 pr.: 86 9, 8, 5, 6: 295 9, 8, 5, 7: 178, 300 9, 9, 4: 237, 296 9, 9, 6, 1: 163 9, 9, 9: 81 9, 9, 29, 4: 82 9, 9, 30: 82 9, 12: 150 9, 12, 2: 152 9, 12, 6: 151 9, 12, 7: 151, 162 9, 12, 8: 151 9, 13, 1, 3: 294, 295 9, 17: 109, 111, 113 9, 18, 3 pr.: 294 9, 22, 1: 142 9, 22, 10: 142 9, 28, 1: 295 9, 38, 1: 294 9, 41, 6: 121 9, 41, 7: 121 9, 45, 2: 163 9, 46, 3: 163 9, 46, 7: 162 9, 46, 8, 1: 163 9, 47, 1: 60

9, 47, 5: 191 9, 47, 9: 191 9, 49, 8: 298 9, 49, 10: 298 10, 20, 1: 290, 292 12, 35, 9: 191 Codex Theodosianus 3, 12, 1: 182 7, 1, 1: 192 7, 18, 1: 191 9, 1, 9 : 162 9, 1, 19, 1: 177, 299 9, 7, 2: 82 9, 7, 6: 191 9, 9, 1: 178, 300 9, 10: 150 9, 10, 1: 151 9, 10, 2: 151 9, 10, 3: 151, 162 9, 10, 4: 151 9, 14, 3: 86 9, 14, 3, 6: 295 9, 14, 3, 7: 178, 300 9, 15: 109, 111, 113 9, 15, 1: 108 9, 21, 2 pr.: 178, 300 9, 21, 2, 1: 178 9, 24, 1, 5 – 6: 295 9, 32, 2: 294 9, 42, 8: 298 9, 42, 24: 298 11, 36, 4: 81 Mosaicarum et Romanarum legum collatio 1, 2, 2: 191 1, 3, 1: 111 1, 6, 3: 292 1, 11: 289 1, 11, 2: 34

1, 11, 3: 296 2, 2, 1: 293 4, 3, 6: 237, 296 4, 10, 1: 237, 296 4, 12, 1: 130 4, 12, 4: 296 5, 2, 1: 82 5, 3: 192 7, 3, 2: 299 7, 4, 1: 299 7, 4, 2: 299 8, 4, 1: 192, 261 9, 2: 150 11, 7, 1: 191 11, 7, 2: 290, 292 11, 8, 3: 299 11, 8, 4: 299 12, 5: 250, 251 12, 5, 1: 47, 299 12, 6, 1: 296 13, 3, 2: 291, 295, 296 15, 2: 125, 126 15, 2, 1: 62 15, 2, 5: 22 Digesta Iustiniani 1, 1, 1, 1: 34 1, 5, 18: 145 1, 9, 2: 75 1, 12, 1: 20 1, 12, 1, 8: 120 1, 21, 1 pr.: 242 2, 9, 5: 34 3, 2, 1: 162, 163, 179 3, 2, 2, 3: 82 3, 2, 4, 4: 163 3, 2, 20: 163 4, 4, 37, 1: 290. 291 4, 5, 5 pr.: 62, 66 16, 3, 31 pr.: 34

322 22, 5, 15 pr.: 75 23, 2, 43, 12: 82 28, 1, 8, 4: 264 28, 2, 29, 5: 62 28, 3, 6, 7: 214 29, 1, 34 pr.: 214 29, 2, 25, 3: 264 29, 5, 1 pr.: 242, 243 29, 5, 3, 7 – 11: 243 29, 5, 6, 1: 120 34, 8, 3 pr.: 264 34, 9, 13: 82 37, 1, 13 pr.: 62 37, 14, 1: 51, 290, 292 37, 14, 10: 43 46, 1, 47: 60 47, 2, 57, 1: 230 47, 2, 66: 21 47, 2, 72: 21 47, 2, 74: 21 47, 2, 84: 21 47, 2, 91: 21 47, 2, 92: 21 47, 9, 4, 1: 191, 290, 291, 293 47, 9, 9: 192, 250, 251, 296 47, 10, 7, 8: 292, 299 47, 10, 9, 3: 193 47, 10, 11, 3: 294 47, 10, 15, 8: 294 47, 10, 45: 21, 193, 290, 291 47, 11, 6: 21 47, 11, 10: 290, 291, 293 47, 12, 3, 7: 299 47, 12, 3, 8: 293 47, 14, 1 pr.: 34 47, 15, 6: 162 47, 17, 1: 299 47, 18, 1, 1: 21 47, 18, 1, 2: 290, 293 47, 18, 2: 21, 299 47, 20, 3, 2: 21, 191 47, 21, 2: 22, 191, 193, 290, 291, 294, 295, 296, 297 47, 21, 3, 2: 290, 291, 292, 297 48, 1, 2: 61, 62, 66 48, 1, 8: 20 48, 1, 14: 163 48, 2, 3, 3: 130

Quellenregister 48, 2, 11, 1: 142 48, 2, 20: 77 48, 3, 6, 1: 34 48, 3, 12: 290, 297 48, 3, 12 pr.: 296 48, 3, 14, 2: 290, 296 48, 4, 1: 85 48, 4, 2: 85 48, 4, 3: 85, 294 48, 4, 4: 85 48, 4, 4, 1: 238 48, 4, 7, 3: 290, 292 48, 4, 9: 88 48, 5, 11, 1: 180 48, 5, 11, 2: 130, 131 48, 5, 12, 1: 182 48, 5, 13: 98 48, 5, 15, 2: 79, 130 48, 5, 16 pr.: 79 48, 5, 16, 5: 79 48, 5, 21: 237 48, 5, 23, 4: 237 48, 5, 25 pr.: 237 48, 5, 25, 1: 237 48, 5, 28, 11 – 14: 121 48, 5, 30, 1: 82 48, 5, 31: 79 48, 5, 33 pr.: 237 48, 5, 39, 8: 25, 237 48, 6: 150 48, 6, 3 pr.: 238 48, 6, 3, 2: 238 48, 6, 5, 2: 151 48, 6, 10: 238 48, 6, 10, 2: 62, 84, 151 48, 6, 11 pr.: 299 48, 7: 150 48, 7, 1 pr.: 152 48, 7, 1, 2: 22 48, 7, 8: 152 48, 8, 1 pr.: 250 48, 8, 1, 1: 261 48, 8, 1, 3: 292, 299 48, 8, 1, 5: 237, 296 48, 8, 3, 2: 123 48, 8, 3, 4: 238 48, 8, 3, 5: 21, 47, 74, 192 48, 8, 4, 2: 145 48, 8, 16: 21 48, 9: 110, 113

48, 9, 1: 110, 111 48, 9, 2: 290, 294, 295 48, 9, 5: 22, 110 48, 9, 9: 108, 111 48, 9, 9 pr.: 110 48, 10, 1, 13: 145, 241 48, 10, 19, 1: 142 48, 10, 30, 1: 139, 142 48, 10, 31: 290, 293, 297 48, 11, 3: 160 48, 11, 6, 1: 75 48, 11, 7: 160 48, 11, 7, 3: 21, 47, 73, 76, 293 48, 13, 3: 62, 84, 151 48, 13, 6: 280, 291, 292, 297 48, 13, 6 pr.: 298 48, 13, 10, 1: 22 48, 15, 1 pr.: 228 48, 15, 7: 21, 290, 292, 295 48, 16, 1, 2: 161 48, 18, 1, 5: 120 48, 16, 1, 13: 228 48, 18, 1, 26: 177, 299 48, 18, 4: 180, 181 48, 18, 5: 182 48, 18, 6 pr.: 121, 180 48, 18, 9, 2: 60 48, 18, 17, 3: 121 48, 18, 18, 5: 120 48, 19, 1: 290 48, 19, 1 pr.: 291 48, 19, 2, 1: 45, 62 48, 19, 4: 45 48, 19, 5 pr.: 143, 300 48, 19, 5, 2: 296 48, 19, 6, 1: 34 48, 19, 8, 1: 213, 214 48, 19, 8, 2: 192 48, 19, 8, 3: 193 48, 19, 8, 4: 264 48, 19, 8, 7: 191 48, 19, 8, 8: 191, 264 48, 19, 9, 11: 191 48, 19, 9, 12: 191 48, 19, 10 pr.: 191, 193 48, 19, 11: 290 48, 19, 11 pr.: 34, 292, 296 48, 19, 11, 2: 296 48, 19, 13: 21

I. Juristische Quellen 48, 19, 15: 25 48, 19, 16: 290, 291 48, 19, 16, 3: 291, 297 48, 19, 16, 4: 298 48, 19, 16, 5: 298, 299 48, 19, 16, 6: 293 48, 19, 16, 8: 293 48, 19, 16, 9: 293, 299 48, 19, 16, 10: 34 48, 19, 17 pr.: 264 48, 19, 17, 1: 191 48, 19, 20: 34 48, 19, 21: 145 48, 19, 25, 1: 127 48, 19, 28 pr.: 191 48, 19, 28, 1: 191 48, 19, 28, 3: 238, 290, 292, 297 48, 19, 28, 4: 191, 193 48, 19, 28, 6: 191 48, 19, 28, 7: 22 48, 19, 28, 9: 44, 47 48, 19, 28, 10: 44, 47, 292, 299 48, 19, 28, 11: 47, 192 48, 19, 28, 12: 47, 192, 250, 290, 293, 296, 299 48, 19, 28, 13: 44, 48 48, 19, 28, 14: 61 48, 19, 28, 15: 34, 192 48, 19, 28, 16: 290, 291 48, 19, 30: 22 48, 19, 31: 192 48, 19, 33: 61 48, 19, 34: 61 48, 19, 34 pr.: 191 48, 19, 34, 1: 228 48, 19, 35: 61 48, 19, 36: 61, 264 48, 19, 38, 1: 192 48, 19, 38, 3: 61, 191 48, 19, 38, 5: 191, 293 48, 19, 38, 7: 60, 191, 274 48, 19, 38, 9: 191, 274 48, 19, 38, 10: 61, 160 48, 19, 40: 294, 295 48, 19, 42: 58 48, 20, 1: 298 48, 20, 3: 88 48, 20, 7, 5: 45, 46

48, 22, 1: 46 48, 22, 2: 60 48, 22, 4: 46, 61, 69 48, 22, 5: 61 48, 22, 6 pr.: 45 48, 22, 7, 2: 67 48, 22, 7, 3: 46 48, 22, 7, 4: 46 48, 22, 7 pr.: 45 48, 22, 7, 2: 46, 69 48, 22, 7, 8: 46 48, 22, 7, 17: 45, 46 48, 22, 14, 1: 44, 45, 46, 69 48, 22, 15 pr.: 45 48, 22, 17: 44 48, 22, 17, 1: 46, 69 48, 22, 17, 2: 45 48, 22, 18, 1: 45 49, 14, 12: 264 49, 14, 18, 8: 22 49, 15, 6: 191 49, 16, 3, 1: 191 49, 16, 3, 9: 290 49, 16, 5 pr.: 290, 292 49, 16, 6, 6: 299 49, 16, 6, 7: 296 49, 18, 3: 191, 192 50, 2, 6, 3: 179 50, 13, 5, 3: 191 50, 16, 101 pr.: 80 50, 17, 108: 290 Gaius, Institutiones 3, 189: 43, 126 3, 202: 294 3, 225: 293, 299 Institutiones Iustiniani 1, 12, 2: 46 4, 18, 2: 62 4, 18, 3: 85, 86 4, 18, 4: 81, 169 4, 18, 6: 108, 109, 111, 113 4, 18, 7: 241 4, 18, 8: 151, 152, 295 Lex Iulia municipialis 119: 162, 179 Pauli Sententiae 1, 5, 2: 21

323 1, 12, 3: 120 2, 19, 9: 191 2, 24, 9: 142 2, 26: 80, 130, 180 2, 26, 1: 85 2, 26, 3: 85 2, 26, 12: 82, 169 2, 26, 14: 46, 83, 85, 89, 285 2, 26, 15: 180, 182 3, 4A, 9: 191 3, 6, 29: 264 5, 3, 3: 299 5, 3, 5: 191, 192 5, 4, 4: 21 5, 4, 8: 21, 191 5, 4, 10: 299 5, 4, 11: 61 5, 4, 13: 21 5, 4, 16: 21 5, 4, 17: 21, 246 5, 13, 3: 120 5, 16, 4: 120 5, 16, 8: 121 5, 17, 2 (3): 61, 191 5, 18, 1: 191 5, 18, 2: 290, 292 5, 19: 298 5, 21, 1: 290, 292 5, 22: 238, 249 5, 22, 1: 250 5, 23, 1: 192, 261 5, 23, 4: 60 5, 23, 14: 60 5, 23, 15: 192 5, 23, 16: 192 5, 23, 17: 192, 294, 295 5, 24: 110, 111, 113, 192 5, 25, 1: 60, 241 5, 25, 1b: 142 5, 25, 7: 60, 274 5, 25, 8: 46 5, 25, 9: 60, 274 5, 25, 10: 274 5, 25, 11: 60 5, 26: 150 5, 26, 1: 150 5, 26, 3: 46, 60, 150, 152, 238, 239 5, 28: 73 5, 29: 85, 110

324 5, 29, 1: 62, 85, 86, 192 5, 30, 1: 191 5, 31, 6: 196 Senatus Consultum Calvisianum 97: 75 98: 75 99: 75 100: 75 Senatus Consultum de Cn. Pisone patre 6: 136 7: 136 19: 136 49: 42 50: 42 51: 42 52: 42

Quellenregister 71: 135 73: 137 74: 137 75: 137 76: 137 78: 137 79: 137 80: 137 81: 137 82: 137 83: 137 84: 136 95: 136 96: 136 102: 136 103: 136 110 – 113: 138 120: 136, 137 121: 20, 87, 88, 136, 137

122: 20, 52, 68, 87, 88, 136, 137 123: 86, 136, 137 170 – 173: 134 Thalelaios Schol. ad Basilicorum 11, 2, 35: 81, 82 Ulpian, Epitome 20, 14: 63 XII Tafeln 8: 122 8a: 122 8b: 122 8, 10: 192, 250 8, 13: 126 8, 23:126

II. Literarische Quellen Acta apostolorum 21 – 26: 248 24, 5: 249 Ammianus Marcellinus 15, 2, 5: 319 17, 4, 5: 70, 72 Appian, bella civilia 1, 26: 213 Asconius zu Cicero, In toga candida 78 KS: 179 Asconius zu Cicero, Pro Cornelio de maiestate 52 KS: 179 Augustus, Res gestae 2: 43 Aurelius Victor 4, 10: 215 4, 11: 215 5, 2: 227 14 – 21: 288 20, 12 f.: 288

Ausonius, Epigrammata 92: 168

129: 48 146: 67

Cassiodor, Variae 3, 46: 69

Cicero, De finibus 2, 54: 48 2, 57: 48 2, 73: 31 4, 22: 48 4, 62: 48 5, 53: 48 5, 84: 48, 49

Cicero, Academicae quaestiones 2, 136: 49 2, 144: 49 Cicero, De domo sua 23: 73 33: 67 47: 48 51: 67 52: 48 53: 48 65: 49, 51 68: 43, 66 72: 48 78: 48, 64, 65 82: 48 83: 48 85: 64 86: 48 107: 67

Cicero, De inventione 1, 27, 41: 134 2, 5, 17: 134 Cicero, De legibus 2, 9, 22: 181 Cicero, De natura deorum 3, 66: 48 3, 80: 48 3, 81: 41 Cicero, De officiis 1, 86: 31 1, 88: 31

II. Literarische Quellen 1, 89: 31 2, 38: 48 2, 81: 49 3, 23: 31, 48 3, 112: 49 Cicero, De oratore 1, 177: 48 1, 193: 31 1, 194: 31 Cicero, De provinciis consularibus 7: 73 Cicero, De re publica 1, 6: 48 1, 62: 48 2, 46: 48 2, 54: 192 2, 62: 192 3, 34: 48 Cicero, Divinatio in Caecilium 34: 177 71: 163 Cicero, Epistulae ad Atticum 1, 17, 8: 73 2, 11, 1: 49 3, 4: 67 3, 15, 6: 67 3, 20, 3: 67 5, 10, 2: 73 5, 16, 3: 73 5, 21, 5: 73 6, 7, 2: 73 15, 11, 4: 73 Cicero, Epistulae ad familiares 2, 17, 2: 73 2, 17, 4: 73 4, 3 (4), 3: 35 4, 3 (4), 4: 35 5, 20, 2: 73 7, 3, 3: 48 8, 8, 3: 73

8, 12, 3: 168 8, 14: 168 11, 16, 2: 49 12, 1, 1: 49 13, 19, 2: 68 Cicero, In Catilinam 1, 13: 48 1, 20: 48 1, 22: 48 1, 23: 48 1, 27: 48 2, 13: 48 2, 14: 48 2, 16: 48 3, 17: 48 Cicero, In Pisonem 23: 49 37: 73 50: 73 61: 73 90: 73 Cicero, In Verrem 3, 144: 48 3, 205: 48 4, 30: 48 5, 12: 48 5, 22: 31 5, 44: 48 5, 169: 42 5, 170: 42 Cicero, Orationes Philippicae 1, 3: 49 1, 16 – 26: 87 1, 22: 87 1, 23: 43, 48, 52, 86, 87 1, 24: 48 2, 9: 48 2, 33: 49 2, 91: 49 3, 30: 49 5, 11: 49 5, 12: 49 5, 14: 48 6, 10: 48 7, 15: 49

325 8, 32: 242 10, 6: 49 11, 5: 49 Cicero, Oratoriae partitiones 12, 43: 134, 295 33, 116: 113 Cicero, Paradoxa Stoicorum 4, 31: 101 4, 32: 42 17: 48 18: 48 29: 48 30: 48 31: 48 32: 48 Cicero, Post reditum in senatu 32: 49 Cicero, Pro Archia 14: 48 Cicero, Pro Balbo 29: 48 Cicero, Pro C. Rabirio 1, 2 – 2, 5: 65, 66 3, 10 – 4, 13: 65, 66 5, 16: 65 9, 26: 66 10, 28: 66 11, 31: 66 13, 36: 65, 66 13, 37: 65, 66 16: 48 25: 48 Cicero, Pro Caecina 100: 42, 48, 64, 65 Cicero, Pro Caelio 47: 162 Cicero, Pro Cluentio 29: 42, 48 128: 31

326 147: 112 148: 111 170: 48 175: 48 Cicero, Pro Ligario 10: 35 11: 87 12: 87 13: 48, 87 15: 35 19: 35 29: 35 30: 35 33: 48, 87 Cicero, Pro Marcello 12: 35 31: 48 Cicero, Pro Milone 22, 59: 120 101: 48 Cicero, Pro Murena 43: 66 44: 66 45: 43, 66 46: 66 47: 42, 48, 66, 69 61: 48 89: 48, 62 Cicero, Pro Plancio 8: 48 83: 42, 48, 69 97: 48 100: 48 Cicero, Pro Quinctio 60: 48 86: 48 Cicero, Pro Rabirio Postumo 12: 73 Cicero, Pro rege Deiotaro 1, 3: 120 Cicero, Pro Sestio 29: 49 35: 49

Quellenregister 52: 49 56: 48 60: 49 65: 43 73: 43 140: 48 146: 150 Cicero, Pro Sexto Roscio 2: 112 4: 112 11: 112 26: 112 30: 109, 113 42: 49 43: 49 44: 49 46: 49 52: 112 57: 162 72: 109, 113 120: 120 149: 109, 113 Cicero, Pro Sulla 63: 20 74: 48 90: 150 Cicero, Tusculanae dispuationes 2, 20: 49 3, 29: 48 3, 44: 48 3, 81: 48 3, 82: 48 4, 40: 48 5, 16: 48 5, 24: 48 5, 29: 48 5, 106: 48 5, 107: 48 5, 108: 48 5, 109: 48 Cassius Dio, Historia 7, 8, 7: 193 7, 17: 192 36, 38, 4: 31 36, 38, 5: 31

37, 29, 1: 69 38, 14, 4: 43 46, 48: 43, 71 53, 2, 4: 133 53, 23, 5: 70 53, 23, 6: 70 53, 23, 7: 58, 70, 71 54, 3, 1: 315 54, 3, 4: 207, 315 54, 3, 5: 207, 315 54, 6, 6: 133 54, 15: 207, 315 54, 16: 83 54, 16, 3: 80 54, 17, 4: 59 54, 30, 4: 71 55, 4, 3: 315 55, 5: 121 55, 7, 1: 315 55, 7, 2: 315 55, 9, 7: 59 55, 10, 12: 78 55, 10, 13: 78 55, 10, 14: 59, 78 55, 10, 15: 59, 78, 80, 90 55, 10, 16: 78, 80 55, 13, 1a: 59 55, 14 – 22: 105, 114, 137, 145 55, 14, 1: 117, 315 55, 20, 5: 59 55, 21, 1: 117, 315 55, 22, 1: 117, 315 55, 32, 1: 315 55, 32, 2: 59, 315 55, 34: 22 56, 27: 90 56, 27, 1: 103 56, 27, 2: 58, 59, 63, 68, 83, 189, 204 56, 27, 3: 63, 68, 83, 189 56, 27, 4: 83 57, 9, 2: 207 57, 9, 3: 207 57, 10, 1: 129 57, 10, 2: 129 57, 15: 120, 121 57, 15, 4: 119, 120, 122 57, 15, 5: 119, 121, 122 57, 15, 8: 59, 125, 126

II. Literarische Quellen 57, 18, 5a: 59 57, 18, 9: 134 57, 18, 10: 134 57, 19: 121 57, 19, 1: 207 57, 20, 3: 144, 145 57, 20, 4: 144, 145 57, 22, 4: 58, 166, 167 57, 22, 4b: 58 57, 22, 5: 63, 67, 156 57, 23: 155 57, 23, 4: 58, 155 57, 24, 2: 164 57, 24, 3: 164 57, 24, 4: 164 57, 24, 7: 316 57, 24, 8: 153, 154, 316 58, 1, 1b: 165, 166 58, 3, 1: 172 58, 3, 2: 172 58, 3, 3: 172 58, 3, 4 – 6: 172 58, 3, 7: 207, 316 58, 4, 5: 316 58, 4, 7: 207, 316 58, 8 – 11: 173, 207 58, 10, 1: 173 58, 10, 2: 173 58, 10, 3 – 8: 173 58, 10, 5: 173 58, 11: 173 58, 11, 5: 173 58, 12, 2: 193 58, 12, 3: 193 58, 14, 3 – 5: 174 58, 15: 122, 135, 158, 213 58, 18: 176 58, 18, 4: 58, 176 58, 19: 175 58, 19, 5: 178 58, 22, 2: 174, 180 58, 22, 3: 174, 180 58, 24, 3: 140, 174, 182, 183 58, 24, 4: 140, 182 58, 24, 5: 140, 182 58, 25, 2 – 4: 175 58, 27, 4: 184 59, 3, 6: 59, 198 59, 4, 2: 205, 206 59, 4, 3: 205, 206

59, 6, 2: 205, 206 59, 6, 3: 190, 206, 316 59, 8, 1: 207, 316 59, 8, 7: 59, 188 59, 8, 8: 188 59, 10, 4: 190, 207 59, 10, 6: 207, 317 59, 10, 7: 190, 207, 317 59, 10, 8: 190, 207 59, 10, 9: 190, 207 59, 10, 10: 190, 207 59, 11, 6: 190, 206 59, 12, 1: 198 59, 14, 2: 316 59, 18, 1: 197 59, 18, 2: 189, 201 59, 18, 3: 58, 59, 316 59, 18, 5: 317 59, 19, 1 – 7: 201, 317 59, 19, 3: 197 59, 19, 7: 317 59, 19, 8: 317 59, 20, 6: 58, 197, 207 59, 21, 4: 190, 207 59, 22, 5: 198, 199, 207 59, 22, 6: 198, 199, 207 59, 22, 7: 198, 199, 207 59, 22, 8: 56, 59, 198, 199, 207 59, 22, 9: 198, 199, 207 59, 23, 1: 198 59, 23, 7: 198 59, 23, 8: 198 59, 23, 9: 58, 198, 200 59, 25, 5b: 190, 191, 207 59, 27, 2 – 6: 317 60, 3, 3: 206 60, 3, 4: 206, 207, 209 60, 3, 5: 205, 206 60, 3, 6: 205, 206 60, 3, 7: 205, 206 60, 4, 1: 59, 199 60, 4, 3: 209 60, 8, 5: 58, 59, 203, 204, 205 60, 13, 1: 213, 226 60, 14, 2 – 4: 207, 209 60, 15, 1 – 16, 8: 207 60, 15, 1: 209, 210 60, 15, 2: 210

327 60, 15, 3: 210 60, 15, 4: 210 60, 15, 5: 210 60, 15, 6: 208 60, 16, 2: 207 60, 16, 3: 201, 210 60, 18, 3: 58 60, 18, 4: 210, 317 60, 25, 4: 58, 210 60, 27, 5: 59 60, 27, 5 – 28, 1: 211 60, 27, 5: 59, 211 60, 28, 1: 211 60, 29, 4: 212 60, 29, 5: 212 60, 29, 6: 212 60, 29, 6a: 212 60, 31, 1 – 5: 215 60, 31, 1: 219, 317 60, 31, 5: 216 60, 31, 5a: 317 60, 31, 7: 219 60, 31, 8: 219 60, 32, 4: 221 60, 33, 2b: 317 60, 33, 6: 317 61, 7, 6: 318 61, 10: 318 61, 10, 1: 58, 203 61, 10, 2: 203 61, 10, 6: 231 61, 19, 4: 318 61, 33, 2b: 58 62, 13, 1: 59, 247 62, 14, 1: 229 62, 15, 1a: 58, 241 62, 24 ff.: 252 62, 24, 1: 253 62, 24, 2: 253 62, 25, 1: 253 62, 26: 256 62, 26, 2: 58, 318 62, 26, 3: 257 62, 26, 4: 257 62, 27, 1: 255 62, 27, 2: 246 62, 27, 4: 58, 59, 318 62, 29, 1: 257 62, 29, 3: 59 62, 29, 4: 59

328 63, 2, 3: 319 62, 3, 4: 319 63, 9, 3: 319 63, 11, 3: 58, 59 63, 17, 3: 255 63, 17, 4: 255 63, 17, 5: 319 63, 17, 6: 319 63, 18, 1: 59, 319 63, 18, 2: 255 64, 1, 4: 59, 319 64, 9, 3: 58 65, 9, 1: 319 65, 9, 2: 59 65, 9, 3: 240 65, 11, 2: 58, 59 65, 13, 1: 59, 262 65, 13, 2: 262, 263 65, 15, 5: 319 65, 16, 3: 263 65, 16, 4: 263 66, 13, 1: 59, 263 66, 13, 2: 59, 263 66, 18 f.: 263 66, 19, 3: 59, 263 66, 20, 3: 320 67, 1, 1: 275 67, 3, 1: 320 67, 3, 31: 59 67, 3, 32: 270, 275 67, 3, 41: 270, 271, 275 67, 3, 42: 268 67, 11, 4: 320 67, 11, 6: 320 67, 12, 1: 320 67, 12, 2: 266, 268 67, 12, 3: 266, 268 67, 12, 5: 266 67, 13, 2: 268, 269 67, 13, 3: 177, 267, 320 67, 13, 4: 177, 320 67, 14, 1: 269 67, 14, 2: 269 67, 14, 3: 266 67, 14, 4: 43, 59, 267 67, 16, 2: 266 67, 16, 3: 320 68, 1, 2: 275 68, 2, 3: 206, 275 68, 5, 2: 206

Quellenregister 69, 2, 5: 288 69, 4, 1 – 3: 288 69, 23, 3: 289 71, 28, 2 – 4: 288 72, 4, 1: 288 72, 4, 2: 288 72, 4, 5: 288 72, 4, 6: 288 72, 5, 1 – 3: 288 72, 6, 1: 288 72, 7, 3: 288 72, 14, 1 – 3: 288 73, 4, 5: 59 73, 4, 6: 59 73, 15, 4: 288 75, 2, 1: 206 75, 2, 2: 206 76, 5: 69 77, 16, 4: 20 78, 16, 1 – 3: 273 Diodor 36, 10: 192 Dio Chrysostomus, Orationes 12, 1: 319 45, 1: 319 50, 8: 319 Dionysius Halicarn., Antiquitates Romanae 5, 19: 192 7, 34: 42, 126 7, 35: 42 8, 89: 193 9, 40: 193 Dositheus, Hadriani sententiae 6: 69 16: 108 Epitome de Caesaribus 1, 24, 2: 93 Euseb, Historia ecclesiastica 2, 7: 317 2, 25, 5: 248, 250

2, 25, 6: 248, 249, 250 2, 25, 7: 250 3, 18: 320 3, 18, 4: 269 Festus 221: 112 241: 193 278: 45 Gellius, Noctes Atticae 7, 14, 2: 32 7, 14, 3: 31 7, 14, 4: 32 10, 19: 32 11, 18, 8: 126 20, 1, 7: 126 20, 1, 34: 32 20, 1, 53: 32, 126 Herodian 1, 8, 8: 288 1, 9, 8: 288 1, 10, 7: 288 1, 13, 4 – 6: 288 2, 14, 3: 206 2, 14, 4: 206 Hieronymus, Ab Abraham 2033: 93 2048: 159 Horaz, Carmina 4, 5, 21: 80 4, 5, 22: 80 Isidor, Origines 5, 27, 36: 108 Johannesevangelium 18, 33 – 37: 171 18, 37: 171 19, 12: 171 19, 19: 171 Josephus, Antiquitates Iudaicae 18, 54: 134 18, 65 – 80: 132 18, 79: 133

II. Literarische Quellen 18, 80: 133 20, 149: 215 19, 266 – 271: 209 29, 252: 209 Juvenal 1, 49: 276 1, 73: 147, 196 2, 44: 168 4, 8: 270 4, 9: 270 4, 10: 270 4, 94: 266 4, 154: 265 6, 115 – 132: 219 7, 204: 197 7, 205: 197 8, 92 ff.: 234 8, 119 – 125: 276 8, 214: 108 8, 217 – 219: 247 10, 329 – 345: 215 13, 156: 108 Laktanz, De mortibus persecutorum 2, 5: 250 2, 6: 248, 249, 250 Livius, Ab urbe condita 2, 2: 62 2, 41: 67 3, 10, 12: 50 3, 13, 10: 50 3, 24: 261 3, 29: 62 3, 29, 6: 126 3, 58: 62 3, 58, 10: 67 4, 4, 6: 50 4, 13, 11: 31 4, 21: 261 4, 30, 6: 50 5, 24, 5: 50 5, 43: 62 6, 20: 67 7, 19, 2: 31 7, 19, 3: 31 9, 23, 2: 31 9, 26, 4: 50

10, 9, 4: 192 10, 9, 5: 192 22, 57, 3: 193 25, 4, 9: 67 25, 4, 10: 49 25, 5, 11: 50 25, 6, 16: 50 25, 6, 18: 50 26, 2, 16: 50 28, 29, 7: 31 28, 29, 8: 31 40, 41, 10: 50 43, 2: 62 Livius, Epitome 51: 192 68: 109 Lukasevangelium 23, 2: 171 Markusevangelium 15, 2: 171 Martial, De spectaculis 4: 263, 264 4, 4: 163 7: 192 Martial, Epigrammata 6, 7: 80 6, 22: 80 12, 29, 2: 273 Orosius, Historiae 5, 16, 23: 109 7, 5, 8: 317 Ovid, Epistulae ex Ponto 1, 1, 22: 101 1, 1, 61: 101 1, 1, 65: 101 1, 2, 111: 101 1, 7, 42: 50 1, 8, 7: 101 2, 2, 7: 50 2, 3, 92: 94 2, 6, 3: 101 2, 7, 55: 98 2, 7, 56: 98 2, 7, 63: 101

329 2, 7, 67: 101 3, 1: 93 3, 3, 39: 101 4, 13, 40: 50 4, 15, 2: 50 Ovid, Fasti 2, 139: 80 Ovid, Tristia 1, 1, 3: 101 1, 2, 37: 101 1, 2, 74: 101 1, 3, 82: 101 1, 4, 20: 50 1, 1, 65: 94 1, 1, 111: 94 1, 2, 61: 102 1, 2, 98: 96, 97 1, 5, 41: 98 1, 5, 42: 98, 101 1, 5, 66: 101 1, 7, 8: 50 2, 51: 98 2, 52: 98 2, 103: 95, 97 2, 109: 94 2, 127: 102 2, 129: 99 2, 131 – 134: 98 2, 136: 100 2, 137: 50, 100 2, 165 – 168: 97 2, 188: 101 2, 201: 50 2, 207: 94 2, 208: 95 2, 209: 95 2, 210: 95 2, 211: 95 2, 212: 95 2, 577: 101 3, 1, 1: 101 3, 3: 93 3, 3, 36: 101 3, 3, 66: 101 3, 5, 44 – 46: 99 3, 5, 52: 94 3, 11, 35: 101 3, 11, 36: 101

330 3, 12: 93 3, 12, 26: 50 3, 13, 3: 101 4, 1: 93 4, 1, 3: 101 4, 1, 106: 50 4, 3, 49: 101 4, 4, 46: 99 4, 10, 74: 101 5, 2, 9: 100 5, 2, 56: 99 5, 2, 57: 99, 100 5, 2, 58: 100 5, 2, 55: 102 5, 2, 61: 50, 100 5, 2, 62: 101 5, 9, 6: 101 5, 10, 40: 101 5, 11, 2: 101 5, 11, 21: 50, 100 5, 11, 29: 100 Ovid, Ibis 11: 50 113: 101 578: 101 Philo, In Flaccum 1 – 6: 194 7 – 104: 194 55 – 57: 195 77: 195 105 ff.: 195 107: 195 108 – 124: 194 109: 194 125 – 151: 194 125 ff.: 194 126 ff.: 194 128: 194 128 ff.: 195 146 ff.: 194 148 – 151: 195 151: 195 152 – 161: 194 162 – 179: 194 171: 195 172: 195 180 – 191: 194 181: 59, 195

Quellenregister Philostratos, Vita Apollonii 7, 1: 320 7, 6: 270, 273 7, 8 – 11: 267 7, 8, 1: 267 7, 11, 2: 267 7, 11, 3: 267 7, 33: 267 8, 8 – 10: 320 Plinius, Epistulae 1, 5, 2: 268 1, 5, 3: 255, 269 1, 5, 5: 57, 320 1, 5, 10: 57, 320 2, 11: 25, 222, 276 2, 11, 2: 278 2, 11, 8: 278 2, 11, 12: 275 2, 11, 13: 276 2, 11, 19: 57, 63, 69 2, 11, 20: 57, 69, 276 2, 12: 75, 222, 278 3, 4, 2: 279 3, 4, 4: 273, 279 3, 4, 6: 273 3, 9: 279 3, 9, 2 – 4: 276 3, 9, 5: 279 3, 9, 6: 279 3, 9, 9: 280 3, 9, 10: 280 3, 9, 12: 279 3, 9, 13: 279 3, 9, 17: 57, 279, 280 3, 9, 18: 57, 279, 280 3, 9, 19: 280 3, 9, 20: 280 3, 9, 22: 57, 280, 281 3, 9, 29 – 34: 281 3, 9, 31: 57 3, 9, 33: 320 3, 9, 34: 57 3, 11, 2: 57 3, 11, 3: 57, 266, 268, 269, 320 3, 16, 7: 210 4, 9: 281 4, 9, 1: 319, 320 4, 9, 4: 57

4, 9, 6: 281 4, 9, 7: 281 4, 9, 16: 281 4, 9, 17: 24, 25, 300 4, 9, 19: 281 4, 11: 56, 270, 272 4, 11, 1: 272 4, 11, 2: 57 4, 11, 3: 57 4, 11, 5: 272, 275 4, 11, 6: 270, 273 4, 11, 8: 275 4, 11, 10: 272, 275 4, 11, 11: 272 4, 11, 12: 272 4, 11, 13: 58, 272 4, 11, 14: 272 5, 9, 3: 20 5, 20: 320 5, 20, 1: 280 6, 5: 320 6, 13: 320 6, 22: 283 6, 22, 4: 284 6, 22, 5: 57 6, 22, 7: 283 6, 29: 222, 276 6, 29, 8: 273 6, 29, 9: 57, 279 6, 29, 10: 281 6, 29, 11: 320 6, 31: 84 6, 31, 1 – 6: 285 6, 31, 3: 320 6, 31, 5: 57, 84, 285 6, 31, 6: 84, 285 6, 31, 7 – 12: 320 6, 31, 8: 284 6, 31, 9: 284 7, 6, 1 – 7: 320 7, 6, 8 – 12: 320 7, 6, 14: 320 7, 10: 320 7, 19, 4: 57, 58, 269 7, 19, 5: 269 7, 19, 6: 57, 269 7, 33, 4 – 8: 273 7, 33, 4: 273, 320 8, 14: 57 8, 14, 12 – 26: 282

II. Literarische Quellen 8, 14, 12: 57, 283 8, 14, 24: 283 8, 14, 25: 283 8, 14, 26: 283 9, 13: 275 9, 13, 5: 57 10, 29: 22 10, 30: 22 10, 31: 192 10, 56: 57, 69, 320 10, 56, 2: 57 10, 56, 4: 57 10, 57: 57, 58, 320 10, 58: 274 10, 58, 3: 25, 274 10, 96 f.: 285 10, 96, 2: 286 10, 96, 3: 286 10, 96, 4: 286 10, 96, 9: 286 10, 97, 1: 286 10, 97, 2: 286 Plinius, Naturalis Historia 7, 45: 78 7, 149: 90 8, 145: 165 9, 117: 221 9, 118: 221 10, 172: 219 11, 187: 134 29, 20: 173 35, 20: 130 Plinius, Panegyricus 34: 284 35: 284 35, 2: 284 46: 275 80, 1: 286 88: 287 89: 287

Plutarch, Otho 5: 319 16: 266 Plutarch, Romulus 22: 112 Polybius, Historiae 6, 14, 4: 31 6, 14, 7: 41 6, 14, 8: 41 Prudentius, Peristephanon 10, 204: 168, 169 Quintilian, Declamationes maiores 4, 21: 192 5, 5: 245, 287 5, 6: 245, 287 6, 10: 245 14, 2: 245, 287 16, 1: 245, 287 17, 1: 245, 287 Quintilian, Institutio oratoria 4, 2, 69: 169 5, 8, 39: 246 5, 13, 6: 245 6, 1, 14: 234 7, 4, 18: 245 7, 8, 3: 182 7, 8, 5: 182 Quintilian, Declamationes minores 274: 32 249, 5: 242 313, 10: 162 331: 292

Plutarch, Galba 27: 319

Scholion zu Juvenal 1, 33: 262 1, 35: 273 1, 155: 200 5, 109: 188, 189, 203 10, 330 – 336: 215

Plutarch, Gracchus 20: 108

Schrift ad Herennium 1, 20: 75

Plutarch, De exilio 8: 147, 196

331 1, 23: 109 2, 24: 134 2, 39: 134 4, 8, 12: 41 Seneca d. Ä., Controversiae 1, 3 pr.: 182 1, 3, 3: 42, 162 3, 16: 113 5, 4: 108 7, 1, 23: 108 7, 6, 22: 106, 107 Seneca, Ad Helviam 6, 4: 203 6, 5: 203 7, 9: 203 9, 1: 203 10, 2: 203 10, 3: 203 12, 4: 203 Seneca, Ad Marciam 1, 2: 164 22, 4: 164 Seneca, Ad Polybium 13, 1: 203 13, 2: 203 Seneca, Apocolocyntosis 8, 2: 219, 220 10, 4: 203, 204, 219, 317 11, 1: 215 11, 2: 209, 219, 317 11, 5: 209, 215, 219, 317 13, 4: 215, 318 13, 5: 317, 318 Seneca, De beneficiis 3, 37, 4: 53 4, 31, 3:140 6, 32, 1: 52, 78 Seneca, De brevitate vitae 4, 6: 78, 89 Seneca, De clementia 1, 1, 4: 37, 38, 258 1, 1, 5: 38

332 1, 2, 1: 37 1, 2, 2: 37 1, 3, 3: 36 1, 5, 2: 36 1, 8, 6: 37 1, 10, 3: 78 1, 15: 108 1, 15, 2: 115 1, 15, 3: 115 1, 15, 4: 115 1, 15, 5: 115 1, 15, 6: 53, 115 1, 15, 7: 113, 115 1, 17, 3: 38 1, 19, 6: 38 1, 20, 1: 32 1, 20, 3: 108, 208, 244 1, 21, 1: 31 1, 21, 4: 38 1, 22, 1: 32 1, 23, 1: 113 2, 3, 1: 37 2, 3, 2: 36 2, 5, 1: 37 2, 6, 4: 37 2, 7, 1: 37 2, 7, 2: 258 2, 7, 3: 36, 37 Seneca, De ira 1, 6, 1: 32 1, 6, 4: 32 1, 12, 1: 32 1, 12, 2: 32 1, 12, 5: 32 1, 15, 1: 32 1, 15, 3: 32 1, 16, 1: 33 1, 16, 4: 33 1, 19, 5: 32 1, 19, 6: 32 1, 19, 7: 32 1, 20, 7: 32 2, 4, 1: 32 2, 5, 5: 106, 107 2, 31, 8: 32 2, 33, 1: 32 3, 18, 3: 191 3, 19, 2: 32

Quellenregister Seneca, Epigrammata super exilio 1, 1: 52 Seneca, Epistulae 1, 70, 10: 119, 120, 121, 122 6, 1: 32 28, 9: 32 32, 5: 32 55, 5, 3: 53 78, 24, 3: 53 Seneca, Naturales quaestiones 4 praef. 6: 205 4 praef. 15: 205 Seneca, Octavia 131 – 133: 247 257 – 272: 215 944 – 946: 317 946: 204 947: 204 950: 215 951: 215 970 – 972: 247 Scriptores Historiae Augustae Hadrian 7, 2: 288 23, 8: 288 25, 8: 288 Antoninus Pius 7, 4: 288 8, 10: 289 10, 7: 77, 289 Marc Aurel 25, 2: 288 25, 11: 288 26, 10: 288 Commodus 4, 4: 288, 289 4, 8 – 10: 288 4, 11: 288 5, 7: 288 5, 9: 288 7, 2: 288 7, 4 – 8: 288

8, 2: 288 10, 2: 288 10, 7: 288 Pertinax 7, 1: 289 Pescennius Niger 9, 2: 252 Severus 7, 5: 206 Sidonius Apollinaris, Gedichte 23, 158 – 161: 94, 96 Sueton, Caesar 42, 3: 44, 68, 77, 88 43: 75 43, 2: 56 Sueton, Augustus 16: 56 16, 4: 56 19, 1: 92, 315 24, 1: 22, 56, 207, 315 27, 3: 207, 315 27, 4: 207, 315 32, 2: 162 33: 25 33, 1: 108, 113, 114 33, 2: 315 34: 80 34, 1: 151 45, 4: 56, 207, 315 51: 25, 26 51, 1: 116, 124 51, 2: 117, 315 56, 3: 315 56, 4: 315 65, 1: 56, 315 65, 2: 78 65, 3: 56 65, 4: 56, 315 66, 1: 72 66, 2: 70, 71, 315 67, 1: 207, 315 67, 2: 207, 315 72, 3: 92 78, 2: 56 100, 2: 56

II. Literarische Quellen Sueton, Tiberius 8: 20, 315 18, 1: 56 25: 119, 120, 121, 124 35: 56, 130, 131 36: 56, 125 36, 1: 132 37: 56, 207, 316 49: 138, 139 49, 1: 138 50: 78, 89 51: 207, 316 52: 134 53: 56, 166, 167 54: 166, 167 56: 56, 207, 316 57: 207, 316 58: 20, 316 60: 207, 316 61: 316 61, 3: 164 62: 173 64: 167, 170 75, 3: 56 Sueton, Caligula 2: 134 3: 134 7: 166 10: 56 11: 193 15, 4: 190, 216 16, 1: 103 24, 1: 198 24, 3: 198, 199, 207 25: 56 25, 1: 188, 189 25, 2: 188, 189 27, 3: 190, 191 27, 4: 190, 191 28: 56 29: 56 29, 1: 198 30, 2: 190, 207 32, 2: 207, 317 38, 3: 317 39, 1: 56, 199 Sueton, Claudius 6, 1: 56 11, 1: 206, 209

12, 1: 56 13: 210 13, 2: 211 14: 25, 192, 226 15, 1: 213 15, 2: 213, 317 15, 4: 317 23: 56 25, 3: 317 26, 2: 215 27, 2: 219, 317 29, 1: 204, 209, 219, 317 29, 2: 219, 317 29, 3: 215 34, 1: 125 36: 215, 216 37, 1: 317 37, 2: 209 38: 56 38, 2: 207, 317 39, 1: 215 43: 317 Sueton, Nero 6, 3: 56, 198, 199 6, 4: 215 10, 1: 36 16: 56 16, 2: 250 31, 1: 56 31, 3: 258 35, 2: 56, 247 35, 3: 319 35, 4: 319 35, 5: 56 36, 2: 56, 207, 253 37, 1: 255, 256 37, 2: 256 37, 3: 246 39, 3: 56, 246, 319 49, 2: 125 57, 1: 247 Sueton, Galba 9, 1: 251, 252, 319 12, 2: 22 Sueton, Otho 1: 210 2: 75 2, 2: 223

333 Sueton, Vitellius 2: 134 10, 1: 260 14: 319 Sueton, Vespasian 13: 262, 263, 319 15: 56, 268, 319 Sueton, Titus 6: 263 8: 264 8, 5: 45, 56, 263, 264 9: 263 Sueton, Domitian 3, 1: 326 3, 2: 275 8: 168, 169 8, 2: 320 8, 3: 270, 271, 272, 320 8, 4: 56, 193, 213, 270, 271, 272 9, 2: 56, 227, 260 9, 3: 320 10: 275 10, 1: 320 10, 2: 56, 265, 266, 267 10, 3: 56, 266, 268 10, 4: 266, 269 11: 275 11, 1: 320 11, 2: 38, 125, 270 11, 3: 126, 213, 214, 270 13, 1: 320 14, 4: 43, 267 15, 1: 269 15, 3: 320 16, 1: 266 Sueton, De grammaticis 16, 1: 70 16, 2: 70 Sueton, Vita Lucani i.f.: 213, 252, 253 Sulpicius Severus, Chronik 2, 29, 3: 248, 249

334 Tacitus, Agricola 2: 269 42: 266 43: 320 44: 320 45: 268, 269, 273, 320 Tacitus, Annales 1, 3: 53, 207, 315 1, 6: 53, 207, 316 1, 10: 78, 315 1, 11: 129 1, 13: 140 1, 29: 22 1, 44: 22 1, 53: 53 1, 72: 20, 87, 103, 208 1, 73: 315 1, 74: 315 2, 26: 53, 55 2, 27: 119, 120, 122, 124 2, 28: 119, 120, 122, 124 2, 29: 119, 120, 123 2, 30: 119, 120, 121, 122, 123, 140 2, 31: 119, 121, 123 2, 32: 53, 119, 121, 125, 126, 147 2, 39: 207, 316 2, 40: 207, 316 2, 42: 316 2, 50: 53, 84, 127, 128, 146 2, 67: 53, 131 2, 69 – 84: 134 2, 79: 20 2, 85: 53, 130, 132 3, 1 – 10: 134 3, 10: 201 3, 11 – 19: 134 3, 11: 139 3, 12: 20 3, 14: 135, 137 3, 17: 53, 54, 69, 135, 137 3, 18: 135, 137 3, 22: 121, 138, 139, 140, 143 3, 23: 53, 138, 139, 141, 143 3, 24: 25, 53, 78, 80, 84, 89, 92, 95 3, 36: 316

Quellenregister 3, 37: 316 3, 38: 20, 53, 131, 143, 144, 147, 148, 316 3, 48: 141 3, 49: 144, 145 3, 50: 39, 53, 87, 88, 139, 144, 145 3, 51: 144, 146 3, 66: 106, 146, 147 3, 67: 106, 121, 146, 147 3, 68: 53, 55, 106, 107, 146, 147, 148 3, 69: 146, 147, 148, 149 3, 70: 146, 316 4, 2: 232 4, 7: 173 4, 8: 173 4, 9: 173 4, 10: 173 4, 11: 173 4, 12: 169 4, 13: 53, 54, 55, 149, 316 4, 14: 53, 149, 316 4, 15: 155 4, 17: 156, 169 4, 18: 156 4, 19: 156, 157 4, 20: 52, 141, 156, 157 4, 21: 53, 54, 103, 158, 159, 316 4, 22: 316 4, 26: 53, 54, 55 4, 28: 53, 153 4, 29: 53, 54, 121, 149, 153, 154, 155 4, 30: 53, 125, 147, 153, 154, 196 4, 31: 45, 53, 54, 160, 161, 163, 164, 316 4, 34: 87, 164 4, 35: 164 4, 36: 53, 153, 316 4, 42: 53, 165, 207, 316 4, 43: 53 4, 44: 53, 78 4, 52: 170, 316 4, 54: 170 4, 59: 170 4. 62: 316 4, 63: 53, 316

4, 66: 316 4, 67: 170 4, 68: 165 4, 69: 165 4, 70: 165, 166, 170 4, 71: 53, 91, 92, 172 5, 3: 166, 167, 168, 170 5, 4: 166, 170, 202 5, 5: 166, 167, 170 5, 6: 174 5, 7: 174 5, 8: 173, 174, 175 5, 9: 174 6, 2: 173 6, 3: 53, 54, 58, 176, 177 6, 4: 175 6, 5: 141, 175 6, 7: 175 6, 8: 175 6, 9: 53, 140, 175, 178, 183, 209 6, 10: 174, 175 6, 14: 175 6, 16: 20 6, 18: 53, 175 6, 19: 53, 174, 180, 182 6, 23: 167, 170, 172 6, 25: 167, 170 6, 26: 174, 175 6, 29: 122, 135, 140, 158, 174, 175, 182, 183, 213 6, 30: 53, 178, 179 6, 38: 175 6, 39: 175, 177 6, 40: 175 6, 46: 193 6, 47: 174, 175, 184 6, 48: 53, 55, 184, 185 6, 49: 53, 54, 69, 185 11, 1: 212 11, 2: 212, 213 11, 3: 212, 213, 214 11, 4: 215 11, 11: 216 11, 12: 215 11, 26 – 38: 215 11, 26: 217 11, 27: 217 11, 28: 217 11, 29: 217

II. Literarische Quellen 11, 30: 217 11, 31: 216, 217 11, 32: 217 11, 33: 217 11, 34: 217 11, 35: 216, 217, 218 11, 36: 216, 217 11, 37: 217 11, 38: 216, 217 12, 3: 219 12, 4: 219, 220 12, 8: 53, 219, 220 12, 22: 53, 54, 221, 222, 224, 317 12, 41: 53, 317 12, 42: 53, 207, 223, 231, 317 12, 52: 53, 54, 55, 210, 224, 225 12, 59: 224, 317 12, 64: 229, 317 12, 65: 229, 317 12, 66: 317 13, 11: 36 13, 15: 317 13, 19: 228, 229, 318 13, 20: 228, 230, 231, 318 13, 21: 228, 318 13, 22: 53, 55, 228, 229 13, 23: 53, 231 13, 25: 318 13, 26: 53, 54, 55 13, 29: 232 13, 30: 232, 318 13, 32: 32, 222, 223, 242 13, 33: 53, 231, 232, 234, 235, 318 13, 35: 22 13, 42: 53, 203, 233 13, 43: 53, 54, 212, 232, 317 13, 44: 236 13, 45: 212 13, 47: 246, 318 13, 52: 318 14, 8: 227, 247 14, 12: 53, 55, 228, 229, 318 14, 17: 53, 55, 237, 238, 249 14, 18: 235, 318 14, 22: 228, 246, 318

14, 24: 22 14, 28: 53, 232, 236, 260 14, 40: 20, 118, 239, 240 14, 41: 20, 53, 179, 233, 234, 239, 240 14, 42: 241 14, 43: 32, 241, 242, 243 14, 44: 32, 39, 241, 243 14, 45: 53, 55, 241, 242, 243 14, 46: 224, 318 14, 48: 25, 39, 125, 208, 235, 244 14, 49: 25 14, 50: 53, 245 14, 57: 229, 246, 318 14, 58: 229 14, 59: 229, 246, 247, 318 14, 60: 54, 227, 247 14, 61: 227, 247 14, 62: 53, 227, 247 14, 63: 53, 203, 204, 227, 247 14, 64: 247 14, 65: 252 15, 20: 318 15, 35: 246, 247, 259 15, 44: 250 15, 48 – 74: 252 15, 49: 253 15, 50: 253 15, 56: 177 15, 58: 231 15, 59: 252 15, 60: 213, 253 15, 61: 253 15, 63: 253 15, 64: 253 15, 66: 253 15, 67: 247, 253 15, 68: 253, 318 15, 69: 253, 318 15, 70: 177, 253 15, 71: 53, 54, 177, 253, 254, 318 15, 72: 253 15, 74: 202 16, 5: 318 16, 7: 255 16, 8: 255

335 16, 9: 53, 55, 255 16, 10: 318 16, 11: 125, 213, 318 16, 12: 53, 318 16, 14: 53, 54 16, 17: 54, 213, 252, 253, 254, 318 16, 18: 252, 318 16, 19: 252, 318 16, 20: 53, 318 16, 21 – 35: 256 16, 21: 244, 257 16, 22: 257 16, 23: 257 16, 24: 255 16, 25: 255 16, 27: 257 16, 28: 53, 257 16, 30: 53, 257 16, 32: 261 16, 33: 53, 54, 58, 257, 318 16, 35: 53, 54, 213, 257 Tacitus, Dialogus de oratoribus 12, 6: 94 13, 1: 94 Tacitus, Historiae 1, 2: 53, 54 1, 3: 53 1, 4: 53 1, 10: 53 1, 21: 53 1, 38: 53 1, 46: 53, 319 1, 48: 53, 317 1, 53: 319 1, 77: 53, 75, 222, 235 1, 88: 53, 319 1, 89: 210 1, 90: 53 2, 10: 259, 260 2, 65: 319 2, 75: 210 2, 76: 318 2, 86: 240 2, 92: 53 3, 38: 319 4, 6: 53, 54, 319

336 4, 8: 53 4, 10: 261 4, 40: 261, 262 4, 41: 262, 319 4, 42: 53 4, 44: 53, 54, 236, 244 4, 45: 53, 75, 262, 319 Tertullian, Apologeticus 4, 4: 250 5, 3: 250 Tertullian, De monogamia 12: 168, 169

Quellenregister Teophrastus, Historia plantarum 9, 16, 1 – 3: 105 Valerius Maximus 2, 7, 13: 192 4, 1, 1: 192 6, 3, 2: 192 8, 4, 2: 113 9, 2, 2: 41 Velleius Paterculus 2, 15, 4: 51 2, 20, 5: 51 2, 24, 2: 51

2, 44, 2: 51 2, 45, 1: 43, 51, 52 2, 45, 2: 51 2, 45, 3: 51 2, 45, 4: 51 2, 62, 3: 51 2, 64, 2: 51 2, 69, 5: 43, 51 2, 100, 3: 78 2, 100, 4: 78 2, 100, 5: 51, 78, 79 2, 129, 1: 131 2, 130, 3: 119, 120, 122, 134

Literaturverzeichnis Abgekürzt zitierte Zeitschriften entsprechen den Abkürzungen der Année Philologique. Aalders, G. J. D.: De erfopovolging onder het julisch-claudische huis, TG 74 (1961), S. 32 – 41 (erfopovolging) Adam, Traute: Clementia Principis. Der Einfluß hellenistischer Fürstenspiegel auf den Versuch einer rechtlichen Fundierung des Principats durch Seneca, Stuttgart 1970 (Clementia Principis) Albore Livadie, C.: Nuceria, SE 53 (1985), S. 207 – 211 Alföldi, Andreas: Caesar in 44 v. Chr., Studien zu Caesars Monarchie und ihren Wurzeln, Band 1, Bonn 1985, S. 173 – 386 Allison, J. E. / Cloud, J. D.: The Lex Iulia Maiestatis, Latomus 21 (1962), S. 711 – 731 (Lex Iulia Maiestatis) Amarelli, Francesco: Consilia Principum, Napoli 1983 Amarelli, Francesco / Lucrezi, Francesco: Il processo contro Gesù, Napoli 1999 Amiotti, Gabriella: Primi casi di relegazione e deportazione insulare nel mondo Romano, Coercizione e mobilità umana nel mondo antico, Contributi dell’Istituto di storia antica 21, Milano 1995, S. 245 – 258 (Primi casi di relegazione) Anderson, J. G. C.: Augustan Edicts from Cyrene, JRS 17 (1927), S. 33 – 48 (Augustan Edicts) André, Jean-Marie: Sénèque et la peine de mort, Revue des études latines 57 (1979), S. 278 – 297 Andréev, Michail N.: La lex Iulia de adulteriis coercendis, StudClas 5 (1963), S. 165 – 180 (lex Iulia de adulteriis) Arangio-Ruiz, Vincenzo: La legislazione [augustea], in: Augustus. Studi in occasione del bimillenario augusteo, Rom 1938, S. 101 – 146 (Legislazione) – Storia del Diritto Romano, 7. Aufl., Napoli 1957 (Storia) Arcaria, Francesco: Senatus censuit’. Attività giudiziaria ed attività normativa del senato in età imperiale, Milano 1992 – Sul dies a quo della giurisdizione criminale senatoria, Studii in onore di Luigi Labruna, Napoli 2007, S. 183 – 214 – I Crimini ed il Processo di Cornelio Gallo, Quaderni Catanesi di Studi Antichi e Medievali 3 (2004), S. 109 – 226 (Cornelio Gallo) – Crimini, Processo e Morte di Cornelio Gallo, Annali del Seminario Giuridico 7 (2005 / 6), Milano 2007, S. 379 – 408 (Crimini) – Diritto e processo penale in età augustea, Torino 2009 (Diritto e processo penale)

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Sachwortverzeichnis Hauptfundstellen sind kursiv gedruckt adulterium: s. Ehebruch Appellation 248 f., 251 Aufruhr: s. seditio Bergwerksarbeit / Bergwerksstrafe: s. opus metalli Brandstiftung 192, 250 f., 299 calumnia 33, 161 ff., 175, 178 f., 205, 223, 227 ff., 259 ff., 282, 284 clementia 34 ff., 46, 103, 106, 115 ff., 123, 129, 135, 138, 145, 148, 155, 187, 193, 197, 203, 214 f., 225 ff., 243 ff., 258 f., 270, 275, 283, 286 f. Cornelisches Mordgesetz: s. lex Cornelia de sicariis et veneficiis cognitio extra ordinem 19 ff., 33 ff., 74, 91, 99, 108, 187, 202, 265, 289, 301 crimen falsi: s. Testamentsfälschung crimen maiestatis 43, 67, 72 f., 85 ff., 90 f., 99, 102, 104, 114, 117, 122, 127 ff., 135 ff., 143 ff., 164 ff., 178, 194 ff., 217 f., 223 ff., 260 ff. crimen repetundarum 33, 66, 72 ff., 106 f., 146 ff., 157, 182 f., 195, 222, 231 f., 262, 273 ff. crimina repetundarum: s. crimen repetundarum damnatio ad bestias 191 f., 213, 226, 251 Edikt von Kyrene 73 ff., 276 Ehebruch 46, 78 ff., 90 ff., 110, 124 ff., 142 ff., 167, 170, 175, 183 ff., 203 ff., 237, 247 f., 285, 300 Fälschung: siehe Testamentsfälschung Fälschungsgesetz: s. lex Cornelia testamentaria nummaria Felssturz: s. Sturz vom Tarpeiischen Felsen

Feuertod 40, 191 ff., 213, 251 Freiheitsstrafe 40, 165, 172, 174, 283 Giftmord: s. Mord incestum: s. Inzest Inzest 135, 180 ff., 219 f., 156, 270 ff. Kampf mit wilden Tieren: s. damnatio ad bestias Kindesunterschiebung 139, 142 Kuppelei: s. lenocinium leges Caesaris 43, 48, 52 lenocinium 80 f., 130, 215, 217 lex Clodia 42, 43, 51 lex Cornelia de sicariis et veneficiis 21, 40, 47, 74, 76, 109 ff., 123, 131, 142, 173 f., 186, 236 ff., 249 f., 261 lex Cornelia de sicariis: s. lex Cornelia de sicariis et veneficiis lex Cornelia maiestatis 65, 85, 88 lex Cornelia repetundarum 73 ff., 87, 195, 232, 278, 280 lex Cornelia testamentaria nummaria 20, 40, 142, 240 f., 274 lex Fufia de religione 42 lex Iulia de adulteriis coercendis 40, 60, 68, 80 ff., 98 ff., 128, 131, 142, 151 f., 168 f., 181 ff., 200, 215, 218, 237 lex Iulia de adulteriis: s. lex Iulia de adulteriis coercendis lex Iulia de peculatu 151 lex Iulia de vi publica et privata 84, 149 ff., 238 f., 249 lex Iulia de vi: s. lex Iulia de vi publica et privata

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Sachwortverzeichnis

lex Iulia iudiciorum publicorum 20, 70 lex Iulia maiestatis 68, 80, 85 ff., 103 f., 116 f., 135, 142, 151 ff., 163 ff., 184 f., 190, 197, 205 ff., 215, 244, 249, 269 lex Iulia municipialis 162, 179 lex Iulia repetundarum 73 ff., 106 f., 148, 155, 183, 195 f., 210, 222 f., 234 f., 277 f. lex Licinia de sodaliciis 66 lex Pedia de interfectoribus Caesaris 43, 51 lex Pedia: s. lex Pedia de interfectoribus Caesaris lex Plautia de vi 150 f., 239 lex Pompeia de parricidiis 108 ff., 151 lex Pompeia de vi 48 lex Remmia 33, 161 ff., 223 ff., 231, 284 lex Scantinia 168 ff., 320 lex Tullia de ambitu 42 f., 66 Majestätsverbrechen: s. crimen maiestatis Mord 109, 112, 142, 173 f., 205, 236, 241 f., 250, 261, 282 f. more maiorum 110, 125 ff., 153, 192, 270 mos maiorum 133 opus metalli 60 f., 142, 150, 191, 233, 239 f., 264, 274 opus publicum 60 f., 191, 237 ff., 258, 264, 292 parricidium 108 ff., 126, 205, 207 f., 289 praevaricatio 162, 178 f., 233 f., 281 f. provocatio 41, 66, 249 quaestio de adulteriis 20, 24, 134 quaestio de maiestate 19 f., 52, 87, 136 quaestio de sicariis et veneficiis 19 f. quaestio de vi 20 quaestio inter sicarios 112 quaestio repetundarum 19, 76, 107

quaestiones 19 ff., 33 f., 76, 102, 112, 310 quaestiones perpetuae: s. quaestiones repetundae: s. crimen repetundarum Repetundenvergehen: s. crimen repetundarum Repetundengesetz: s. lex Iulia repetundarum Säckung 42, 82, 108 ff., 126 saevitia 106 f., 147, 262 SC de Cn. Pisone patre 20, 52, 59, 68, 87 f., 134 ff. SC Calvisianum 71, 74 ff., 222, 276 SC Silanianum 241 f., 282 SC Turpillianum 179, 228 SC von Larinum 130 schikanöse Anklage: s. calumnia seditio 171, 176, 212, 238 f., 248 ff., 292 Senatus Consultum de Cn. Pisone patre: s. SC de Cn. Pisone patre Senatus Consultum Turpillianum: s. SC Turpillianum stuprum 80, 98, 151, 169, 181, 184 Sturz vom Tarpeiischen Felsen 42, 125 ff., 156, 180, 182, 210, 220, 256 Testamentsfälschung 25, 41, 47, 60, 142, 233, 239 ff., 265, 274 Vatermord: s. parricidium Verbrennung bei lebendigem Leib: s. Feuertod Verwandtenmord: s. parricidium vis privata; vis publica 150 ff., 238 f., 249, 299 Zauberei 119, 122 ff., 158, 183, 224, 256 Zwangsarbeit: s. opus publicum