Philosophie als Wissenschaft: Status und Makrologik wissenschaftlichen Philosophierens bei Hegel [Reprint 2012 ed.] 9783110852073, 9783110086409


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German Pages 356 [360] Year 1982

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Table of contents :
Einleitung
1. Die Philosophie Hegels allgemein im Lichte ihrer Rezeption und das Unternehmen der vorliegenden Untersuchung
2. Der systematische Charakter der Hegeischen Philosophie in seiner Bedeutung für ihre Interpretation
3. Die Anstrengung des Begriffs allgemein und in Hinsicht auf die „Grundlinien der Philosophie des Rechts“ von 1820
4. Die „Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse“ von 1830 als die gültigste wissenschaftliche Darstellung des Ganzen der Hegelschen Philosophie
5. Fragestellungen und thematischer Aufbau im Grundriß
6. Arbeitstechnische Hinweise und Abkürzungen
Philosophie als Wissenschaft
Status und Makrologik wissenschaftlichen Philosophierens bei Hegel
1. Hegels System der philosophischen Wissenschaften als Enzyklopädie (Vorbegriff)
1.1. Philosophie und System
1.2. Die fragwürdigen Beziehungen der Teilwissenschaften innerhalb des Ganzen der Philosophie durch dessen Darstellung im enzyklopädischen System
1.3. Die enzyklopädische Systemkonzeption im Horizont ihrer Anfangs- und Einleitungsproblematik
1.4. Überleitung
2. Die „Phänomenologie des Geistes“ (1807) als Vorbereitung des Standpunktes der Wissenschaft
2.1. Das Unternehmen der „Phänomenologie des Geistes“ unter dem Aspekt seiner Funktion für das enzyklopädische System
2.2. Der Standpunkt der Wissenschaft
3. Die „Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften“ als das System des ideellen Denkens
3.1. Die Idealität der Wissenschaft
3.2. Das System der Idee
3.3. Die Realität der Idealität
4. Die „Wissenschaft der Logik“ in ihrem Verhältnis zu den realsystematischen Disziplinen des enzyklopädischen Systems
4.1. Allgemeine Formprinzipien der logisch-spekulativen Methode
4.2. Die Methode der Logik und die Logik der Methode
Literaturverzeichnis
Personenregister
Sachregister
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Philosophie als Wissenschaft: Status und Makrologik wissenschaftlichen Philosophierens bei Hegel [Reprint 2012 ed.]
 9783110852073, 9783110086409

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Christian Topp Philosophie als Wissenschaft

Christian Topp

Philosophie als Wissenschaft Status und Makrologik wissenschaftlichen Philosophierens bei Hegel

w DE

G

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1982

CIP-Kurztitelaufnahme

der Deutseben

Bibliothek

Topp, Christian: Philosophie als Wissenschaft : Status u. Makrologik wissenschaftl. Philosophierens bei Hegel / Christian Topp. — Berlin ; New York : de Gruyter, 1982. ISBN 3-11-008640-9

© 1982 by Walter de G r u y t e r & C o . , vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung · J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer · Karl J. Trübner · Veit & Comp., Berlin 30, Genthiner Str. 13 Printed in Germany Alle Rechte, insbesondere das der Ubersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie, Xerokopie) zu vervielfältigen. Satz und Druck: Arthur Collignon, Berlin · Einband: Lüderitz & Bauer, Berlin

Vorwort Im Bereich der Hegeischen Philosophie noch Forschungsarbeit leisten zu wollen, scheint angesichts der bereits vorliegenden, unermeßlichen Fülle an Literatur zu und über Hegel ein recht merkwürdiges Anliegen zu sein und weckt den Verdacht, daß sich hier möglicherweise jemand für „besser" als alle anderen hält, oder aber aus einer Unkenntnis der Hegel-Forschung heraus bloß vermeint, „Neues" zu entdecken. Dieser äußere Schein eines nahezu abgerundeten Standes der Hegel-Forschung verblaßt jedoch bei näherem Hinsehen. Seit etwa fünfzehn Jahren hat sich in der HegelForschung eine neue Tendenz des Umgangs mit dem Hegeischen Denken stark gemacht, die zum einen zwar schon sehr beachtliche Erfolge vorzuweisen hat, die zum anderen aber auch noch keinesfalls als abgeschlossen gelten kann. Diese Neuere Hegel-Forschung gründet in der Uberzeugung, daß ein fundamentales Verständnis der Hegeischen Philosophie einzig über eine detaillierte Analyse des Zusammenhangs der logisch-systematischen Konstruktionsprinzipien dieser Philosophie mit deren Gehalten zu erreichen ist, d. h. einzig über eine detaillierte Analyse des Zusammenhangs zwischen der spezifischen wissenschaftlichen Methodik des Hegeischen Denkens und dem Gegenstandsbereich, auf den diese Methodik abzielt und den sie absolut abzudecken beansprucht. Unser ganzes Unternehmen, das hier zunächst in seinem ersten Teil vorliegt, entspricht dieser Tendenz der Neueren Hegel-Forschung. Es hat zum Ziel, die Konstruktionsprinzipien der Hegeischen Rechtsphilosophie, die von Hegel selber zum einen als an sich einsichtig, zum anderen aber durch einen Verweis auf seine „Wissenschaft der Logik" als bereits bekannt vorausgesetzt werden, explizit herauszustellen und zu diskutieren, um über die so gewonnene, solide methodische und streng wissenschaftliche Basis allererst einmal den Gehalt dieser Rechtsphilosophie an sich selber zu Wort kommen zu lassen. Gerade für den Bereich Hegels politischer Philosophie ist eine so streng gehaltene Hegel-Immanenz zunächst einmal notwendig, da jene bisher vornehmlich entweder nur als eine Apologie des Preußischen Staates, oder aber einzig als ein Indiz eines grundsätzlich fortschrittlichen oder auch reaktionären Hegel zur Geltung kam, d. h. nur daran gemessen

VI

Vorwort

wurde, inwieweit sie dem eigenen politischen Standpunkt entgegenkommt oder aber diesem zuwiderläuft. Letztentscheidungen hierüber sind jedoch nur möglich und vor allem auch nur zulässig, wenn der Gehalt der Hegelschen Rechtsphilosophie an sich allererst einmal von daher begriffen ist, von woher er sich als eben dieser bestimmte manifestiert: nämlich von seiner bestimmten Integration in ein bestimmtes philosophisches System und der damit für ihn konstitutiv werdenden Logik her. Dieser Gesichtspunkt hat zwei Voraussetzungen zur Folge: I. Die allgemeinen Konstruktionsprinzipien des Hegeischen Systems der Philosophie überhaupt wie das konkrete Ganze dieses Systems sind begriffen; das betrifft Hegels enzyklopädische Wissenschaftskonzeption. II. Die Logik der Hegeischen „Rechtsphilosophie" ist begriffen. Unsere nähere Auseinandersetzung mit der zweiten Voraussetzung eröffnete den Sachverhalt, daß die Logik dieser Rechtsphilosophie nicht nur rein innerhalb der „Grundlinien der Philosophie des Rechts" begründet und zu begründen ist, daß diese vielmehr auch a) von der bestimmten Integration dieser philosophischen Teildisziplin (Objektiver Geist) in das Gesamte des Hegeischen Systems der Philosophie überhaupt, und b) von der für dieses System allgemein grundlegenden methodischen Bedeutung der „Wissenschaft der Logik" her näher bestimmt ist. So wurde es für unser Unternehmen einer Analyse der kategorialen Grundstruktur der Hegelschen Rechtsphilosophie erforderlich, auch der hier genannten ersten Voraussetzung Rechnung zu tragen. Da die Neuere Hegel-Forschung bis dato nur Einzelaspekte und Teilanalysen gesamtsystematisch relevanter Probleme der Hegeischen Konzeption einer ,Philosophie als Wissenschaft* vorgelegt hat, stellte sich uns zunächst die Aufgabe, unter effektivierender Berücksichtigung des bisher Geleisteten eine grundlegende Bestimmung des Ganzen der Hegeischen Konzeption wissenschaftlichen Philosophierens überhaupt zu erarbeiten, d. i. eine grundlegende Bestimmung sowohl des allgemeinen Status' als auch der bestimmteren innersystematischen Organisation Hegels enzyklopädischen Systems der philosophischen Wissenschaften. Das vorliegende Buch steht in dem Anspruch, letzteres zu leisten. Es stellt damit den I. Teil eines größeren, im ganzen dreiteiligen Werkes zur Hegeischen Philosophie dar. Der II. Teil wird die Analyse der spezifischen logischen Struktur der „Rechtsphilosophie" vornehmen. In einem III. Teil schließlich sollen — im Anschluß an Hegels Vorrede zur „Rechtsphilosophie" — die Fragen nach der Aktualität der Hegeischen Philosophie sowie

VII

Vorwort

nach dem Spezifikum einer aktuellen Philosophie überhaupt Beantwortung finden. Dieser II. und III. Teil sind noch in Arbeit; jedoch sei darauf hingewiesen, daß die Einleitung des vorliegenden Buches allgemein wie auch einige (jeweils ausgewiesene) Textstellen innerhalb desselben selbst bereits Bezug nehmen auf das ganze hier vorgestellte Unternehmen. Die vorliegende Schrift wurde im Sommer 1980 von der Philosophischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität zu Münch'en als Dissertation angenommen, unter dem Titel: Stellenwert und Logik von G . W . F. Hegels „Grundlinien der Philosophie des Rechts" in seinem enzyklopädischen System der Philosophie Teil I : Der Status und die logisch-spekulative Makrostruktur von Hegels enzyklopädischem System der Philosophie überhaupt Gedankt sei dem Geist der Zeit, der, wenn auch einer rein kontemplativen Tätigkeit nicht gerade förderlich und hold, so doch immerhin den Raum für eine so zeitintensive Versenkung in die „Stille der nur denkenden Erkenntnis" offenhielt, die ernsthaftes philosophisches Arbeiten verlangt. Dank gesagt sei in diesem Zusammenhang auch Herrn Prof. D r . R . Spaemann für die stets feinfühlige und wohlwollende Betreuung meiner Dissertation, auch für die so oft am Rande geführten, stets erfrischenden und ermutigenden Gespräche während und nach ihrer Fertigstellung. Ihm und Herrn Prof. Dr. H . Wenzel gilt auch noch mein besonderer Dank für ihren persönlichen Einsatz, der die Drucklegung dieser Dissertation ermöglichte, sowie diesbezüglich auch meinem verehrten Vater für die großzügige Gewährung des Druckkostenzuschusses. Zuletzt doch nicht am wenigsten danken möchte ich auch meiner Gefährtin Inge für die stetige, konkrete und ideelle Unterstützung meiner Arbeit und für ihr Verständnis den Entbehrungen gegenüber, die das Walten des wissenschaftlichen Eros ihr abverlangte. München, Oktober 1981 Christian Topp

Inhaltsverzeichnis Einleitung 1. Die Philosophie Hegels allgemein im Lichte ihrer Rezeption und das Unternehmen der vorliegenden Untersuchung XV 2. Der systematische Charakter der Hegeischen Philosophie in seiner Bedeutung für ihre Interpretation XXVI 3. Die Anstrengung des Begriffs allgemein und in Hinsicht auf die „Grundlinien der Philosophie des Rechts" von 1820 Exkurs : K . - H . ILTING'S Edition von Hegels Vorlesungen über Rechtsphilosophie 1818— 1831 XXIX 4. Die „Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse" von 1830 als die gültigste wissenschaftliche Darstellung des Ganzen der Hegelschen Philosophie XXXVII 5. Fragestellungen und thematischer Aufbau im Grundriß XXXVIII 6. Arbeitstechnische Hinweise und Abkürzungen XLIII

Philosophie als Wissenschaft Status und Makrologik wissenschaftlichen Philosophierens bei Hegel 1. Hegels System der philosophischen

Wissenschaften als Enzyklopädie

(Vorbegriff)

. . .

1.1. Philosophie und System 1.2. Die fragwürdigen Beziehungen der Teilwissenschaften innerhalb des Ganzen der Philosophie durch dessen Darstellung im enzyklopädischen System 1.3. Die enzyklopädische Systemkonzeption im Horizont ihrer Anfangs- und Einleitungsproblematik 1.3.1. Die „Phänomenologie des Geistes" und der Anfang der Philosophie . . . 1.3.1.1. Das Problem der Einleitung 1.3.1.2. Das Verhältnis der Einleitung zur Darstellung der Philosophie als Ganzes 1.3.2. Der Anfang des enzyklopädischen Systems mit der „Wissenschaft der Logik" 1.3.2.1. Das Methodenproblem der philosophischen Wissenschaft im allgemeinen und bei Hegel im besonderen 1.3.2.2. Das Verhältnis der wissenschaftlichen Methode zur realsystematischen Dimension der Wissenschaft

1 2 6 11 12 13 16 24 25 27

χ

Inhaltsverzeichnis 1.3.3. Differierende Darstellungen des Ganzen der Philosophie („Phänomenologie des Geistes" und „Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften") 1.4. Uberleitung

2. Die „Phänomenologie Wissenschaft

des Geistes" (1807) als Vorbereitung

des Standpunktes

der 32

2.1. Das Unternehmen der „Phänomenologie des Geistes" unter dem Aspekt seiner Funktion für das enzyklopädische System 2.1.1. Die bestimmte Vorwissenschaftlichkeit der „Phänomenologie" 2.1.2. Die Bedeutung des Resultats der „Phänomenologie" für das enzyklopädische System 2.1.2.1. Der Standpunkt des Selbstbewußtseins 2.1.2.2. Die Entwicklung der Substanz zum Subjekt 2.2. Der Standpunkt der Wissenschaft 2.2.1. Philosophie und Wissenschaft 2.2.1.1. Das Wissen und die Wissenschaft 2.2.1.2. Wissenschaft als System 2.2.2. Die wissenschaftliche Wahrheitskonzeption 2.2.2.1. Die Vernünftigkeit der Wahrheit 2.2.2.11 Verstand und Vernunft 2.2.2.12 Das Verstehen der Vernunft 2.2.2.2. Der spekulative Wahrheitsbegriff 3. Die „Enzyklopädie Denkens

der philosophischen

29 31

Wissenschaften"

32 33 45 50 59 62 63 64 67 71 72 76 86 87

als das System des ideellen 97

3.1. Die Idealität der Wissenschaft 3.2. Das System der Idee 3.2.1. Die Logik 3.2.1.1. Der Inhalt der Logik 3.2.1.2. Der Anfang der Logik 3.2.1.3. Sein - Wesen - Begriff 3.2.1.4. Allgemeine Prinzipien der Einteilung der Logik 3.2.2. Die Naturphilosophie 3.2.3. Die Philosophie des Geistes 3.2.3.1. Die substantielle Idee des Geistes überhaupt 3.2.3.2. Subjektiver — objektiver — absoluter Geist 3.2.3.3. Das Resultat der Philosophie des Geistes in seiner gesamtwissenschaftlichen Relevanz Exkurs: Die phänomeno-logische und die spekulativ-logische Darstellung des Ganzen der Philosophie 3.3. Die Realität der Idealität 4. Die „Wissenschaft der Logik" in ihrem Verhältnis zu den realsystematischen des enzyklopädischen Systems 4.1. Allgemeine Formprinzipien der logisch-spekulativen Methode

102 111 112 112 120 125 141 147 154 155 160 171

177 181

Disziplinen 191 192

Inhaltsverzeichnis 4.1.1. Die spekulative Dialektik 4.1.1.1. Das dialektische Schema 4.1.1.2. Die Negativität 4.1.1.3. Die absolute Aufhebung 4.1.1.4. Das Spekulative 4.1.2. Eigentümlichkeitein der Selbstexplikation der spekulativen Dialektik in der Logik 4.1.2.1. Die Entsprechung zwischen der mikrologischen und der makrologischen Struktur der Logik 4.1.2.2. Die Selbstanwendung der Methode 4.1.2.3. Die relative Umkehrbarkeit von logischer Systematik (Form) und gehaltlicher Faktizität (Inhalt) 4.2. Die Methode der Logik und die Logik der Methode 4.2.1. Das passive und das aktive Moment der absoluten Methode in seiner Ambivalenz 4.2.2. Logik und Realsystematik Literaturverzeichnis Personenregister Sachregister

XI 193 196 209 215 225 241 243 247 253 264 267 278 295 309 311

Der lebendige Geist, der in einer Philosophie wohnt, verlangt, um sich zu enthüllen, durch einen verwandten Geist geboren zu werden. Er streift vor dem geschichtlichen Vernehmen, das aus irgendeinem Interesse auf Kenntnisse von Meinungen auszieht, als ein fremdes Phänomen vorüber und offenbart sein Inneres nicht. Es kann ihm gleichgültig sein, daß er dazu dienen muß, die übrige Kollektion von Mumien und den allgemeinen Haufen der Zufälligkeiten zu vergrößern; denn er selbst ist dem neugierigen Sammeln von Kenntnissen unter den Händen entflohen. (G. W. F. Hegel) ·

1.

Die Philosophie Hegels allgemein im Lichte ihrer Rezeption und das Unternehmen der vorliegenden Untersuchung

Die gewaltige Herausforderung, die die Hegeische Philosophie für das Denken überhaupt bedeutet, hat ihr wie kaum einer anderen philosophischen Geistesrichtung zu dem Ruf verholfen, Prüfstein und Fixpunkt sein zu können, an welchem sich die Geister scheiden. So scheint es nur möglich, sich entweder für oder gegen Hegel auszusprechen, wobei für das erstere allgemein der Vorwurf des bloßen Epigonentums, für das letztere der Vorwurf des Unverstandes bereitliegen. Dieser esoterische Charakter der Hegeischen Philosophie und der daraus resultierende alternativlose Umgang mit Hegel rühren weniger daher, daß die denkerische Kompliziertheit dieser Philosophie ein differenzierteres Verständnis verunmöglicht und ihre Aneignung zu einer Sache des Glaubens oder Unglaubens macht, als vielmehr von der prinzipiellen Weigerung des Denkens selber, auf die Basis Hegeischen Philosophierens einzugehen und sich auf eine Wahrheit in Gestalt der Paradoxie einzulassen. So bietet im allgemeinen die Hegel-Rezeption — von einigen Ausnahmen abgesehen, die in dieser Arbeit gebührende Erwähnung finden werden — das Bild zweier feindlicher Heerlager, von denen das eine über eine Rekapitulation Hegelscher Gedanken zum Zwecke der Unterstützung der eigenen subjektiven Uberzeugungen selten hinauskommt, wogegen das andere an allem, was hegelisch anmutet, sein Feindbild gefunden hat oder daran gar die unplausible Verstiegenheit und Realitätsferne von Philosophie überhaupt demonstriert. Letzterem kommt die neuzeitliche Tendenz der Funktionalisierung und Effektivierung geistiger Gehalte entgegen, die freilich mit dem Modell des Kreises als der Bewegung, die dem Denken in der Erkenntnis des Wahren eigen sein soll, für ihre Vorstellung des linearen Fortschritts nichts anzufangen weiß und bei der „offensichtlichen" Resultatslosigkeit Hegeischen Philosophierens — offensichtlich' insofern, als hier das Resultat über den Anfang nicht hinauszukommen scheint — im Bereich der Hegeischen Philosophie weder ihre an die Philosophie gerichtete

XVI

Einleitung

F o r d e r u n g nach grundlegenden Maximen für die theoretische Entwicklung der speziell wissenschaftlichen Praxis des Menschen, noch auch ihre F o r d e r u n g nach letztgültigen Maximen für die allgemein menschliche Praxis überhaupt eingelöst findet. Kennzeichen aller dieser Aneignungsversuche und Stellungnahmen zur Philosophie Hegels ist das Gemeinsame der Vernachlässigung der Systemgestalt des Hegeischen D e n k e n s : Teilaspekte werden isoliert betrachtet, ohne Problematisierung und Begriff ihres Verhältnisses z u m G a n z e n , so daß Hegel in seiner Erkenntnis des Systems als einzig möglicher Gestalt der Philosophie mit sich alleine bleibt und in der Hegel-Interpretation jene Situation entstanden ist, daß das Bemühen um Hegel in der Tat um Hegel herum geht, ohne ihn im Kern zu treffen. Gerade in neuerer Zeit ist — unter anderem bedingt durch das anwachsende Interesse am wissenschaftlichen Sozialismus und die damit verbundene Reaktualisierung des Wissenschaftlichen und Methodischen der Hegeischen Philosophie — dieser Mangel an methodischer Einsicht im Rahmen der H e g e l - F o r s c h u n g besonders stark empfunden worden und hat seinen Niederschlag nicht nur in der immer häufiger vernehmbaren F o r d e r u n g nach mehr Systematik gefunden, sondern auch in einer Reihe bemerkenswerter Veröffentlichungen, die sich primär mit der Systemgestalt des Hegeischen Denkens auseinandersetzen 1 . Inwieweit von diesem neuen A n s a t z fruchtbare Anregungen sowohl für das bessere Verständnis der Hegeischen Philosophie als auch für ihre N u t z b a r m a c h u n g im Dienste des gegenwärtigen Philosophierens ausgehen, ist noch nicht überschaubar. Daß sich jedoch die Hegel-Forschung nunmehr der ,Anstrengung' und der .Arbeit des Begriffs' unterzieht, obwohl sich diese nicht mehr im , H a u s r o c k e ' machen läßt 2 , und daß erste 1

2

Es seien hier nur einige größere Arbeiten exemplarisch genannt: — H . F. Fulda, Das Problem einer Einleitung in Hegels „Wissenschaft der L o g i k " , Frankf u r t / M . 1965; — P.-J. Labarrière, Structures et mouvement dialectique dans la Phénoménologie de l'Esprit de Hegel, Paris 1968; — K. Harlander, Absolute Subjektivität und kategoriale Anschauung, Meisenheim/Glan 1969; — M. Theunissen, Hegels Lehre vom absoluten Geist als theologisch-politischer Traktat, Berlin 1970; — L . B. Puntel, Darstellung, Methode und Struktur, Bonn 1973; — J . Heinrichs, Die Logik der „Phänomenologie des Geistes", Bonn 1974; — E. Angehrn, Freiheit und System bei Hegel, Berlin 1977. Eine ausführliche Übersicht über Veröffentlichungen zu Hegels Philosophie, die deren Systemgestalt und Logik zum Zentrum ihrer Untersuchungen gemacht haben, ist anhand des Literaturverzeichnisses am Ende dieser Arbeit leicht zu erstellen. Vgl. Phän, 48 u. 57.

Die Philosophie Hegels in ihrer Rezeption und die vorliegende Untersuchung

XVII

Versuche unternommen worden sind, Hegel zu buchstabieren' 3 , läßt auf Resultate hoffen, die dem Denken Hegels über Legitimationsprobleme ideologischer Interessen hinaus Bedeutung verleihen und die Möglichkeit schaffen, in der Philosophie als Wissenschaft auch nach Hegel noch wissenschaftlich tätig sein zu können. Bei dieser neuen, systematisch orientierten Ausrichtung der Hegel-Forschung handelt es sich keinesfalls um einen weiteren Versuch, die Hegeische Philosophie von außen zu klassifizieren oder gar zu aktualisieren. Die Klassifikation und Aktualität dieser Philosophie können erst dann zur Entscheidung kommen, wenn diese Philosophie im ganzen begriffen ist, d.h. wenn ihre in den bisherigen Interpretationen meistens ausgesparte systematisch-logische Struktur in das entsprechende Verhältnis zu ihren Gehalten gesetzt wird. Es ist zu erwarten, daß die Bestimmungen dieser Gehalte durch die Einbeziehung sowohl der rein logisch-systematischen wie auch der gesamtsystematischen Gestalt derselben sich mit deren bis dahin primär inhaltlichem Verständnis nur selten decken werden. Wenn E. Hirsch 1924 die dringendste und schwierigste Aufgabe der HegelForschung noch so formulierte, daß es gelte, „das Werden Hegels vom Ende der Frankfurter Zeit bis hin zur Phänomenologie zu erhellen" 4 , somit das Denken Hegels vor seiner Ausreifung zum System zu analysieren, so liegt heute die Aufgabe der Hegel-Forschung gerade darin, selbst ein ausgereiftes Verhältnis zum Systematischen der Hegeischen Philosophie zu gewinnen und den Inhalt derselben in der Verbindung und aus der Verbindung mit der Form seiner Darstellung zu begreifen. Das bedeutet: Dominanz der systematischen Schriften Hegels. Damit rückt die Darstellungsproblematik des Hegeischen Denkens in den Blickpunkt des wissenschaftlich philosophischen Interesses an Hegel, mit all den thematischen Implikationen, die auch schon bei Hegel selbst ihre Reflexion erfahren haben, wie z . B . : das Problem einer Einleitung in das System; das Problem des Anfangs des Systems; das Verhältnis von Teil und Ganzem, von Anfang und Resultat; das Problem der Geschlossenheit oder Offenheit des Systems (Problem der Vollständigkeit) usw.. Bei dem allgemeinen Grad der Ungewohntheit, mit einem solchen, dem systematischen Denken überhaupt immanenten Fragenkomplex im Rahmen der Hegeischen Philosophie zu operieren, kann die Hegel-Forschung zur Zeit erst zu einem 3

4

Dieser Ausdruck ist von H . - G . Gadamer geprägt worden (vgl. Hegel-Studien, Beiheft 1 — 1964 - , 337). E . H i r s c h , Die Beisetzung der Romantiker in Hegels Phänomenologie, in: D V J S 1924, zit. in: H . Schmidt, Verheißung und Schrecken der Freiheit, Stuttgart-Berlin 1964, 14.

XVIII

Einleitung

Niveau gelangen, das noch mehr mit Hegel als über Hegel denkt, seinem Geist mehr ,verwandt', als ein bereits qualifizierter Richter über seinen Geist ist 5 . Zunächst einmal gilt es, Hegel wiederzuentdecken 6 , dann erst kann über ihn hinausgegangen werden. Daß eine solche Wiederentdeckung überhaupt „lohnend" ist, folgt aus unserem Verständnis der Hegeischen Philosophie ganz zwangsläufig: wir sehen in ihr die in der Neuzeit wohl maßgeblichste Philosophie, der eine genialische Synthese zwischen wissenschaftlicher Akribie des Gedankens und der Selbstüberantwortung an ein absolutes Denken und seine Inhalte gelungen ist, d. h. zwischen absoluter Beherrschung des philosophischen Handwerks und dem Mut, sich im Vollbesitz dieses Handwerks dem absoluten Gegenstand der Philosophie gegenüber zu verantworten, — d.i. nicht nur bei Hegel, sondern überhaupt in der Philosophie, „die Wahrheit, wie sie ohne Hülle an und für sich selbst ist", oder auch die „Darstellung Gottes" (WL I, 31). Gerade aber an dem Mut zum letzteren fehlt es immer wieder in einem rein akademischen Philosophie-Betrieb, — das hat dann eine Resignation vor einem scheinbar bloß pluralistischen Wahrheitsangebot in der Philosophie zur Folge und führt unter dem Zwang, daß ein Philosoph nun einmal „Philosophie" treiben muß, zu einer Beschränkung auf eine rein philisterhafte Gründlichkeit im Philosophieren, aus der im Grunde keine letztgültige Erkenntnis resultieren darf, weil aus diesem Blickwinkel heraus eine solche immer nur als eine Doktrin, das heißt dann: als eine unwissenschaftliche oder wenigstens wissenschaftlich nicht haltbare Anmaßung des philosophierenden Subjekts, zu erscheinen vermag (dem sind die immer wieder vernehmbaren Beteuerungen jener wissenschaftlichen Selbstbespiegelung eigen, daß man in der wissenschaftlichen Forschung noch nicht weit genug sei, um Resultate vorlegen zu können, und jene Verschleierung, daß man nie so weit sein wird, weil man nie so weit sein darf, um sich nicht sogleich selbst der Unwissenschaftlichkeit zu überführen; von daher erscheinen dann alle vorgelegten, wissenschaftlichen Leistungen als ein nur erst vorläufig Geleistetes, bloß als ein Beitrag zu allererst noch Zuleistendem) — , wohingegen gerade eine nichtakademische, bloß schwärmerische Handhabung philosophischer Gegenstände, das bloß schwärmerische Hantieren mit philosophischen „Einsichten", es gerade an philosophischer Fertigkeit, an gründlichem Denken fehlen läßt und in dem reinen 5 6

Vgl. unsere Präambel. Siehe in diesem Sinne auch L. B. Puntel, Darstellung, Methode und Struktur, 13: „Jeder Versuch einer anderen, neuen, angemessenen Interpretation Hegels kann daher nur als Korrektur und Wiederentdeckung unternommen werden".

Die Philosophie Hegels in ihrer Rezeption und die vorliegende Untersuchung

XIX

und ungetrübten Umgang mit bloßen Resultaten von in der Philosophie bereits Vorgedachtem die Philosophie überhaupt zu einem bloß rein geistigen oder auch nur schöngeistigen Äther der „gebildeten" Einsicht verklärt. Indem wir im Horizont unserer Untersuchung zu Hegels Philosophie das Anliegen Hegels, zu zeigen, daß es sich tatsächlich weder im einen noch im anderen Fall überhaupt um Philosophie handelt, auch zu unserem Anliegen machen, versteht sich die vorliegende Arbeit nicht nur als „noch ein Beitrag" zur Hegel-Forschung, sondern steht damit zugleich auch in dem Anspruch, im Zusammenhang mit der Hegeischen Philosophie einen für das ernsthafte Philosophieren überhaupt — und damit eben auch einen für das ernsthafte zeitgenössische Philosophieren überhaupt — allgemein verbindlichen Begriff von Philosophie herauszustellen. Hegel bereits zum größten Teil als bekannt vorauszusetzen, hat in der Geschichte der Aneignung seiner Philosophie dazu geführt, daß sich durch die einseitig inhaltliche Ausrichtung alle beliebigen, konträren und kontradiktorischen Standpunkte mit einem gewissen Recht auf Hegel berufen konnten, was in der Tat kein Kunststück ist bei einem Denken, das die Widersprüchlichkeit zu einer zentralen Kategorie seiner eigenen Entfaltung gemacht hat. Das hat dieser Philosophie den Ruf eingebracht, daß sie zu Allem und Nichts dienen könne, und daß vor allen Dingen auch die in ihr entwickelte Methode, ihre Dialektik, nichts als eine Verwirrmethode sei. Die Berechtigung der Annahme, mit logisch-systematischen Fragestellungen dem tatsächlichen Gehalt der Hegeischen Philosophie selber und auch ihres weiteren Umkreises näher zu kommen, stützt sich nicht allein auf den nur scheinbar lapidaren Einwand Hegels gegen das übliche philosophische Geschäft, das nur auf Resultate aus ist und den Weg der Darstellung derselben für unwesentlich hält 7 , noch allein auf seine Behauptung, daß Philosophie nur als System wirklich sei 8 ; vielmehr gründet sie im absoluten Ernstnehmen des Hegeischen Denkens selber, im Ernstnehmen dessen, daß dieses Denken in seiner reifsten Form einzig die Gestalt des Systems als seine Darstellung annehmen konnte und nur sie als wirkliche Philosophie verstand 9 . 7

8 9

Phän, 9: „Auch weil die Philosophie wesentlich im Elemente der Allgemeinheit ist, die das Besondere in sich schließt, so findet bei ihr mehr als bei anderen Wissenschaften der Schein statt, als ob in dem Zwecke oder den letzten Resultaten die Sache selbst und sogar in ihrem vollkommenen Wesen ausgedrückt wäre, gegen welches die Ausführung eigentlich das Unwesentliche sei". Vgl. Phän, 12 u. 23f; ferner auch Enz, § 14 einschl. HZus. Vgl. M. Theunissen, a. a. O . . Er formuliert ganz in diesem Sinne in seiner Einleitung (VIII): „ I m Fortgang der Arbeit hat sich meine Uberzeugung befestigt, daß das Wesen des Hegel-

XX

Einleitung

Insbesondere die bis heute vorliegende Rezeption der p o l i t i s c h e n P h i l o s o p h i e Hegels demonstriert am eindrucksvollsten, zu welcher Vielzahl unterschiedlichster Interpretationsansätze es führen kann, wenn bei der Auseinandersetzung mit Hegels Denken die methodischen Probleme der Darstellung seiner Gehalte zu wenig oder überhaupt keine Berücksichtigung finden. So beschränkt sich diese politische Auseinandersetzung mit Hegel bisher auf den Versuch einer Ortung seiner politischen Ansichten, seines politischen Standpunktes, vor allem auch auf die Frage nach einem möglichen Gesinnungswandel und seiner Begründung. Zur Debatte steht der Vergleich von Hegels Ausführungen in den politischen Schriften vor seiner Berliner Zeit mit den Ausführungen in seinen „Grundlinien der Philosophie des Rechts" von 1820 10 . Vor diesem Horizont wird heftig diskutiert um einen im Prinzip fortschrittlichen Hegel, um einen reaktionär gewordenen und angepaßten, oder um einen nur scheinbar angepaßten Hegel, um den verkennenden oder verkannten Hegel. Anlaß zu Differenzen bietet Hegels Begriff des Eigentums, der bürgerlichen Gesellschaft und des Staates, seine Stellungnahmen zur Monarchie und zur Französischen Revolution sowie der Streitpunkt, ob Hegel mit seinem Staatsbegriff die Freiheit des Individuums zugunsten des Staates unzulässig beschränkt, oder ob er durch die Individualisierung des Staates im Monarchen das allgemeine Wesen des Politischen maßgeblich verfehlt. Hegels Vorrede zu den „Grundlinien der Philosophie des Rechts" wird dabei allgemein von den streitenden Parteien als Provokation angenommen und erhält je nach der Weise ihrer Interpretation den Status eines Bekenntnischarakters zur eigenen politischen Position und ihrem Verständnis von Geschichte. Trotz oder gerade wegen eines nahezu unüberschaubaren Angebotes an Literatur über Hegels politische Philosophie ist es bisher nicht gelungen, auch nur einen Vorschlag der methodischen Vorgehensweise für ihre Interpretation zu erarbeiten, der einen Konsens der unterschiedlichen Ausgangspunkte für sich in Anspruch nehmen könnte. Jedoch ist auch hier

10

sehen Denkens zu einer vom Aufbau seiner literarischen Dokumentation geleiteten Analyse zwingt". Auf dem Titelblatt der „Grundlinien der Philosophie des Rechts" wurde vom Verlag das Erscheinungsjahr 1821 angegeben, obwohl diese Edition bereits im Oktober 1820 vorlag und erhältlich war. Es hat sich in der Hegel-Forschung mittlerweile durchgesetzt, das Verlagsinteresse, das mit dieser unrichtigen Angabe verbunden gewesen sein mag, zu ignorieren und die „Rechtsphilosophie" auf das Datum ihrer endgültigen Fertigstellung zu beziehen, also auf den Herbst 1820.

Die Philosophie Hegels in ihrer Rezeption und die vorliegende Untersuchung

XXI

in der neueren Hegel-Forschung die Forderung nach logisch-systematischen Untersuchungen nicht mehr zu ignorieren, und das Bemühen wird spürbar, das Versäumnis der Vergangenheit nachzuholen und diese politische Philosophie zunächst einmal jenseits eigener politischer Uberzeugungen auf den Begriff zu bringen. Die hier vorliegende Arbeit unterstellt sich dieser neuen Tendenz und versucht, einen ersten umfangreicheren „Beitrag" zu einer Diskussion zu liefern, die sich der Systemgestalt und der Logik von Hegels politischem Denken widmet, um auf dieser Begriffsbasis befähigt zu sein, den Gehalt dieses Denkens unter Einbeziehung der Form seiner Darstellung vollständiger, und somit angemessener zu erfassen. Ein solches Unternehmen verlangt, daß das Politische allererst einmal als die Gestalt des objektiven Geistes im Gesamtsystem der Hegeischen Philosophie durchsichtig wird. Dieser gesamtsystematische Aspekt unseres Ansatzes impliziert, daß zunächst in einem ersten Schritt einerseits die Bestimmung der allgemeinen erkenntnistheoretischen Basis dieses Systems überhaupt, d. i. — schon mehr auf das Selbstverständnis dieses Systems zugeschnitten — die Bestimmung der allgemeinen fundamentalen Selbststatuierung desselben zur wissenschaftlichen Philosophie, andererseits die allgemeine Entwicklung der bestimmteren innersystematischen Organisation dieses Systems zum wissenschaftlichen Ganzen des philosophischen Geistes überhaupt geleistet werden; beides bleibt nicht nur für das Formale, sondern auch für den Umfang des Inhaltlichen der Darstellung seiner Teildisziplin „Politische Philosophie" oder auch „Objektiver Geist" absolut verbindlich. Ein solches Unternehmen verlangt fernerhin, daß in einem zweiten Schritt die Logik dieses Politischen selber zum thematischen Gegenstand wird, und zwar vor dem Horizont des Wissens um die gesamtwissenschaftlichen Voraussetzungen derselben. Es gilt somit zu entwickeln: I. die Einsicht in den wissenschaftlichen Status und in die Gesamtstruktur der Hegeischen Philosophie als System, beides in Hinsicht auf seine systematisch-methodische Bedeutung für die Darstellung des Politischen als objektiver Geist (Teil I); II. die Einsicht in die immanente Logik der Darstellungsstruktur der politischen Philosophie selber als Teil des Ganzen von Philosophie (Teil II). Als gültigste Darstellung von Hegels Philosophie als System legt diese Arbeit seine „Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse" von 1830 zugrunde, sowie für die ausgeführte Darstellung des

XXII

Einleitung

Politischen als objektiver Geist seine „Grundlinien der Philosophie des Rechts" von 182011. Die Berücksichtigung der gesamtsystematischen Struktur von Hegels philosophischem Denken bei der Analyse des Systematischen und Logischen der „Rechtsphilosophie"12 entspringt keiner subjektiven Laune des Verfassers, sondern der im und durch den Gang der Arbeit begründeten Überzeugung, daß die hoch differenzierte und inhaltlich reiche, kategoriale Bestimmtheit der Sphäre des Geistes, in der eben dieser Geist sich als Philosophie des Rechts objektiviert, nicht durch eine ausschließlich immanent logische Analyse der „Rechtsphilosophie" adäquat begriffen werden kann. Das bedeutet nicht, daß hier nur von einem der „Rechtsphilosophie" äußerlichen Standpunkt aus über die „Rechtsphilosophie" argumentiert und der Schwerpunkt ihrer Methode allein auf die Struktur des Gesamtsystems der Hegeischen Philosophie verlagert werden soll. Im Gegenteil: wir sind zu unserer primären Abhandlung gesamtsystematischer Fragestellungen überhaupt nur teils durch explizite Hinweise in der „Rechtsphilosophie" selbst auf ihre gesamtsystematischen Voraussetzungen, oder auch teils durch entsprechende Implikationen, die als dieser Rechtsphilosophie eigen auftreten, motiviert worden. Der enge Bezug, den diese Abhandlung somit zur „Rechtsphilosophie" hat, steckt zugleich ihr Ausmaß ab. So wird der Gefahr begegnet, daß unsere gesamtsystematischen Fragestellungen sich allzusehr verselbständigen, und daß etwa bei der späteren Analyse der Logik der „Rechtsphilosophie" das Eigentümliche der Struktur derselben verfehlt wird zugunsten der Stimmigkeit des Gesamtsystems. Es liegt jedoch in der Natur der Sache, daß das Spezifische der rechtsphilosophischen Logik nur dann in seiner Eigentümlichkeit zur Darstellung gebracht werden kann, wenn eine Einsicht in Logik und Syste11 12

Siehe die näheren Ausführungen dazu in Punkt 3. und 4. dieser Einleitung. Im folgenden Verlauf dieser Arbeit meint — der Einfachheit halber — die Bezeichnung „Rechtsphilosophie" Hegels „Grundlinien der Philosophie des Rechts" von 1820; sofern das W o r t Rechtsphilosophie ohne Anführungszeichen auftritt, ist immer allgemein die Disziplin der Philosophie angesprochen, die sich thematisch mit dem Begriff des Rechts auseinandersetzt. In gleicher Weise werden wir auch bei den Bezeichnungen „Enzyklopädie" ( = „Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse" von 1830) und „Phänomenologie" ( = „Phänomenologie des Geistes" von 1807) verfahren. Lediglich Hegels „Wissenschaft der Logik" wird einfach nur als Logik (ohne Anführungszeichen) bezeichnet werden; hier erschließt der jeweilige textuale Zusammenhang, ob etwa Hegels Wissenschaft der Logik ganz allgemein angesprochen ist, oder spezieller seine Große Nürnberger Logik von 1 8 1 2 f f , oder der erste Teil der „Enzyklopädie", oder auch einfach nur das Logische im Philosophischen überhaupt.

Die Philosophie Hegels in ihrer Rezeption und die vorliegende Untersuchung X X I I I

matik von Philosophie überhaupt vorliegt; d . h . für unser konkretes Untersuchungsobjekt: nur wenn die Struktur des Ganzen der Philosophie als System, wie es uns bei Hegel in seiner geschlossenen Gestalt als Enzyklopädie vorliegt, begriffen ist, kann das Spezifische der Struktur der „Rechtsphilosophie" als Teil dieses Systems erarbeitet werden 1 3 . Aus dem noch unzureichenden Stand an systematischer Forschung innerhalb der Hegeischen Philosophie resultiert, daß in der hier vorgenommenen Untersuchung auf keinen bereits vorliegenden gesamtsystematischen Entwurf zurückgegriffen werden kann, der nur in seiner Fruchtbarkeit für die Analyse der logischen Struktur der „Rechtsphilosophie" ausgewiesen werden brauchte. Insofern gilt es, zunächst einen solchen zu erstellen; dieser müßte — insofern er auf das Ganze der Hegeischen Philosophie aus ist — trotz seines spezifischen Bezugs auf die „Rechtsphilosophie" auch über letztere hinaus für die anderen Disziplinen dieser Philosophie Verbindlichkeit haben. Wie weit diese Verbindlichkeit in der Tat reicht, kann vor dem ohnehin sehr weit gesteckten Horizont der Fragestellungen dieser Arbeit nicht überprüft werden und bleibt der Bemühung einer sich weiterhin auf das Systematische der Hegeischen Philosophie beziehenden Forschung überlassen. Unserem Ansatz inhäriert fernerhin, daß sich eine Erwartung in Hinsicht auf inhaltliche Stellungnahmen zu den Gehalten der „Rechtsphilosophie" weitgehend enttäuscht finden muß. Im Vordergrund einer logischsystematischen Untersuchung steht das Interesse an der Struktur von Argumentationsgängen und ihrer immanenten Methodik, nicht das Interesse an den inhaltlichen Aussagen dieser Argumente. Da aber Hegels Dialektik von Form und Inhalt nicht ignoriert und auf einen einseitigen Formalismus verengt werden darf, kann von Inhaltlichkeit nicht überhaupt abgesehen werden, sondern es muß das Ganze der spekulativen Dialektik von Form und Inhalt, so wie es sich in der Bestimmtheit des objektiven Geistes 13

Die Dialektik von Teil und Ganzem pflegt in der Regel so ausgetragen zu werden, daß eine dieser beiden „ G r ö ß e n " zu kurz kommt, die andere aber zu dominant wird (ζ. B . bei politischen Auseinandersetzungen in der prinzipiellen Entscheidung für das Individuum und gegen die Gesellschaft — oder umgekehrt —, trotz des allgemein herrschenden Konsens über die gesellschaftliche Bestimmtheit des Individuellen und die individuelle Bestimmtheit des Gesellschaftlichen, d. h. trotz der hier allgemein und zugegebenermaßen konstatierbaren, wesentlichen Dialektik von Teil und Ganzem). Es sei hier noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, daß diese Arbeit das Ganze des philosophischen Systems von Hegel nur in Hinsicht auf seine Notwendigkeit für die Analyse der Struktur der „Rechtsphilosophie" thematisch werden läßt, und daß sie somit bemüht ist, im Spannungsverhältnis von Ganzem und Teil derart zu verharren, daß beide „ G r ö ß e n " sich gegenseitig gleichwertig ergänzen und korrigieren können.

XXIV

Einleitung

darstellt, als eine formal und inhaltlich absolut vermittelte Totalität von Wissen stets im Blick bleiben, — in einer logisch-systematischen Analyse dieser bestimmten Totalität jedoch unter der Hinsicht der Gestalt des Vermittlungszusammenhangs, der es hier als Ganzes konstituiert. Somit richtet sich das Augenmerk unseres Unternehmens auf die Bewegung, die der Begriff in Hegels Philosophie des Rechts unternimmt, d. h. speziell auf die Vermittlung der Ubergänge der unterschiedenen logischen Sphären und den Stellenwert der inhaltlichen Aussagen im Begründungszusammenhang, sowie auf die Einsicht in die fundamentalen Kategorien dieser philosophischen Disziplin und deren Bedeutung für die Struktur ihrer Entwicklung. Erst wenn hierüber einiges an Erkenntnissen gewonnen ist, kann u. E. eine Interpretation des Gehaltes der „Rechtsphilosophie" versucht werden, die diesem Gerechtigkeit widerfahren läßt. Das gilt auch für die Beantwortung jener Fragen, die die Herkunft und Klassifizierung Hegels politischer Begriffe und Bewertungen betreffen, insbesondere aber für jene aktualisierenden Fragen nach der wahren oder unwahren Sicht Hegels vom Wesen des Politischen und dessen Repräsentation in der geschichtlichen und empirischen Realität der Staatsverfassungen 14 . Die Beschränkung der hier vorliegenden Untersuchung auf die Analyse des Logisch-Systematischen des Hegeischen Denkens hat einen bestimmten Umgang mit der Sekundärliteratur zu Hegel und deren Interpretationsangeboten zur Folge. Weil jene hauptsächlich inhaltlich orientiert ist, kann sie zur Entwicklung der Argumentationszusammenhänge eines wesentlich logisch-systematisch geleiteten Interesses nur wenig beitragen. So wird hier vor allem keine Systematisierung oder klassifizierende „Lager"-Einteilung der zur „Rechtsphilosophie" oder zu Hegels politischer Philosophie überhaupt angebotenen Literatur unternommen, sondern der Versuch, Hegel selber sprechen zu lassen und mit Hegel zu sprechen. Im Gefolge der engen Orientierung an der Selbstdarstellung dieses Denkens stellt sich im nachhinein so gut wie von selber die Haltbarkeit oder Unhaltbarkeit der 14

Die „ R e d u k t i o n " der Hegeischen Rechtsphilosophie auf das Formale scheint nicht nur ein verkürzendes methodisches Prinzip spezialwissenschaftlichen Interesses zu sein, sondern ein adäquates Ubernehmen des eigenen Anspruchs dieser Rechtsphilosophie, insofern es sich hier nur um die Grundlinien einer Philosophie des Rechts, nicht um eine ausgeführte Rechtsphilosophie handelt. Sie bereitet offensichtlich nur das Fundament zu einer inhaltlich differenzierter darzustellenden Philosophie des Rechts vor, bleibt somit wesentlich dem Formalen ihrer Begrifflichkeit verhaftet und kann von daher nur von einem eben solchen „ F o r m a l i s m u s " angemessen interpretiert werden; inwieweit überhaupt inhaltliche Fragestellungen im Rahmen der „Rechtsphilosophie" Berechtigung erfahren und zugelassen werden können, wird im zweiten Teil dieser Arbeit zu erörtern sein.

Die Philosophie Hegels in ihrer Rezeption und die vorliegende Untersuchung

XXV

unterschiedlichen Argumenttypen der Interpreten ein, deren Aufteilung in die verschiedenen „ L a g e r " politischer Grundüberzeugungen außerdem in nahezu jeder größeren Arbeit zur „Rechtsphilosophie" zu finden i s t i s . Neben der Gefahr solcher Zuordnungen zu vergröbernder Generalisierung der einzelnen differenzierteren Standpunkte tragen sie auch selten zur Klärung der eigentlich gestellten Probleme in Hinsicht auf Hegel bei. Sie dienen meistens nur auf der Basis einer Verketzerung der „anderen" zur Legitimation des wissenschaftstheoretischen oder des in subjektiven politischen Orientierungen verhafteten eigenen Ansatzes, haben von daher mehr Bekenntnis- als Wahrheitscharakter und sind mehr eine Angelegenheit des Glaubens und des guten Willens als des Wissens, und somit mehr ein Indiz für das, was sein soll, als für das, was ist. Nach Hegel besteht die Aufgabe der Philosophie gerade in der Einsicht in ihre Verflechtung mit dem Sein, welche der Philosophie als tätigem Selbstbewußtsein des Geistes zur Verpflichtung (Sollen) wird. Eine derartige Verpflichtung hat mit dem Wesen eines äußerlich an die Philosophie und ihre Resultate herangetragenen Sollens nichts gemein und erfährt nur durch den eigenen Vollzug von Philosophie in dieser selbst Realität. Der Nutzen einer solchen philosophischen Selbstbespiegelung des Geistes kann nicht im vorhinein durch die Beteuerung der Aktualität ihres Ergebnisses vorweggenommen werden, sondern muß durch den Gang ihrer Darstellung hindurch sich selbst als solcher erweisen. Allein so gewinnt Philosophie über den Zeitgeschmack und über Forderungen hinaus, die an sie nur von außen gestellt werden, wesentliche Aktualität 1 6 . Dem Umstand, daß ein Maximum an Auseinandersetzung mit Autoren zu Hegel meistens auf Kosten der eigenen Beschäftigung mit Hegel geht 1 7 , wird in der vorliegenden Untersuchung Rechnung getragen, indem diese den Nachvollzug der Entwicklung des Hegeischen Denkens selber im Spannungsverhältnis von Theorie und Wirklichkeit zu ihrer Methode gemacht hat. Sie unterliegt dabei nicht dem Wahn, endlich einmal die letztgültige Wahrheit über die Hegeische Philosophie für alle Zeiten zu offenbaren, sondern versteht sich als selber philosophische Tätigkeit wenigstens 15

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Gerade in jüngerer Zeit ist wieder eine größere Arbeit vorgelegt worden, die sich im ganzen als ein Literaturbericht zu den verschiedenen „ L a g e r n " der Rezeption der politischen Philosophie Hegels präsentiert: H . Ottmann, Individuum und Gemeinschaft bei Hegel, Band I. Hegel im Spiegel der Interpretationen, Berlin 1977. Der Versuch einer solchen Bestimmung wesentlicher Aktualität von Philosophie wird im Teil III dieser Arbeit unternommen werden, und zwar im Anschluß an Hegels Vorrede zur „Rechtsphilosophie" (siehe dazu unsere Vorbemerkungen im Punkt 5. dieser Einleitung). Vgl. A . Hager, Subjektivität und Sein, Freiburg-München 1974 , 295.

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Einleitung

der Möglichkeit exponiert, ihren thematischen Gegenstand letztlich auch verfehlen zu können 1 8 . Jedoch enthebt sie sich der scheinbar daraus resultierenden Willkür des Meinens, insofern sie sich — nicht nur angesichts der mangelhaften systematischen Hegel-Forschung — ihrer Selbstverantwortung Hegel gegenüber stets bewußt geblieben ist 1 9 , und insofern sie, trotz einer möglicherweise noch immer ausstehenden letzten ,Diagnose', ihre Bemühungen für eine in Zukunft redliche Aneignung der Philosophie Hegels überhaupt und im besonderen seiner politischen Philosophie für unerläßlich hält.

2.

Der systematische Charakter der Hegeischen Philosophie in seiner Bedeutung für ihre Interpretation

Die von uns vorgenommene Reduktion von Hegels politischer Philosophie auf die „Rechtsphilosophie" und ihr Verständnis über ihren Stellenwert im enzyklopädischen System mutet wie ein beliebiger Ausschnitt an, der gerade im Bereich dieser speziellen philosophischen Thematik scheinbar nur ein Bruchstück Hegeischen Denkens zu erfassen 18

In diesem Bekenntnis liegt für T h . W . A d o r n o , dem wir uns in diesem Punkt anschließen wollen, die Voraussetzung dafür, daß das Philosophieren überhaupt mehr als nur ,Betrieb' ist (vgl. Negative Dialektik, F r a n k f u r t / M . 1966, 28). Wenn es aber stimmt, was A d o r n o als charakteristisch für diesen ,Betrieb' anführt, nämlich daß dieser generell durch eine „traditionell erschlichene absolute Sicherheit" im Philosophieren gekennzeichnet ist (ibid.), so muß doch — von einigen Ausnahmen, wie z . B . R . H a y m , einmal abgesehen — für die Hegel-Forschung allgemein und gerade auch bei dem wachsenden Problembewußtsein der Neueren Hegel-Forschung im besonderen für letztere angemerkt werden, daß sie von diesem ,Betrieb' doch recht weit entfernt ist, denn hier hat sich im Grunde an der traditionellen Unsicherheit im Umgang mit Hegels Philosophie und dem Eindruck einer noch weitestgehenden Verkennung derselben auch in der Neuzeit nicht viel geändert, so daß das, was G . Lasson 1931 für die Hegel-Forschung formulierte, auch heute noch in hohem Maße Gültigkeit hat: „ W e n n also hier am Schluß unserer Betrachtungen über Hegel und die Gegenwart unser Urteil dahin laufen m u ß , daß der Gegenwart der innerste Kern des Hegeischen Denkens kaum, vielleicht dürfen wir sagen, noch nicht zugänglich ist, so liegt darin keineswegs ein Anlaß, unsere Betrachtungen überhaupt für unfruchtbar zu halten" (Hegel und die Gegenwart, in: Kant-Studien 36, Berlin 1931, 2 6 2 - 2 7 6 , 276).

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D . Henrich, Hegel im K o n t e x t , F r a n k f u r t / M . 1 9 7 1 , 7 : „ W e r Hegel verstehen will, ist noch immer mit sich allein. . . . W i r wissen, daß wir noch immer nicht sagen können, was eigentlich vorgeht in Hegels D e n k e n , — dem letzten, das es vermöchte, Theorie der Wissenschaft, der Gesellschaft, des Bewußtseins und der Welt in einem zu sein. An seiner Bedeutung zweifelt niemand. Seine Diagnose steht a u s " .

Der systematische Charakter der Hegeischen Philosophie

XXVII

vermag, da sich unter Hegels vorsystematischen Arbeiten im besonderen Maße politische Schriften befinden. Dieser Eindruck entsteht aber nur dort, wo der systematische Charakter der Hegeischen Philosophie nur als eine Möglichkeit, nicht als die Notwendigkeit der Darstellung ihrer Wahrheit verstanden wird. In der Tat ist so unsere „Reduktion" nur quantitativer, nicht qualitativer Art und kann trotz ihrer Beschränkung auf den „systematischen Hegel" für sich den Anspruch geltend machen, sein politisches Denken in seinem Wesen zu erfassen — freilich nur, unter der hier gestellten Thematik, hinsichtlich der logisch-systematischen Struktur desselben —, indem sie sich dessen letztgültiger und wahrster Gestalt zuwendet. Für Hegel gilt gerade nicht — was für eine Reihe anderer Autoren durchaus richtig sein mag —, daß er in seinem Alterswerk nicht mehr ganz zurechnungsfähig und von seinem eigentlichen Anliegen abgerückt sei. Vielmehr hat Hegel erst in seinen reiferen Jahren einen Weg der Philosophie gefunden, der alle seine früheren Versuche als unwahrer und nicht auf der Höhe des Begriffs zurückläßt 20 . Eine Einsicht in wirklich gültige Resultate seines Denkens ist somit nur unter primärer Berücksichtigung seines Spätwerks, d. h. unter Aspekten der Formierung seines Denkens zum enzyklopädischen System der Philosophie zu gewinnen. Daraus folgt im besonderen eine Umkehrung der bisher im Bereich von Hegels politischer Philosophie praktizierten Vorgehensweise der Hegel-Forschung, sofern diese nicht auf entwicklungsgeschichtliche Fragestellungen, sondern auf letztgültige Stellungnahmen zu seinem politischen Denken aus ist: nicht die „Rechtsphilosophie" muß sich vor dem Horizont der Frühschriften rechtfertigen, vielmehr letztere vor dem Horizont der „Rechtsphilosophie" 21 . Das Postulat H. F. Fuldas, daß „jede Untersuchung zu Hegel vom Systemgrundriß ausgehen" und auf ihn „hinauslaufen sollte" 2 2 , hat mit dem von uns unternommenen Ansatz den Standpunkt gemein, die Bemühungen des frühen Hegel in ihrer 20

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22

Ein entsprechendes Dokument zu dieser eigenen philosophischen Entwicklung hinterließ Hegel in der interessanten Notiz zu einer kurz vor seinem Tode geplanten Neuauflage der „Phänomenologie des Geistes" von 1807, in der er sich gegen eine Umarbeitung aussprach, weil damals eben nur „das abstrakte Absolute herrschte" und er diesem Werk offensichtlich gerade als einem Dokument der unzureichenden Bedingungen seiner Entstehungszeit Bestand geben wollte. - Diese N o t i z ist von Hoffmeister abgedruckt in Phän, 578. Die Auffassung, daß die „Rechtsphilosophie" mehr Hegels Anpassung an den Preußischen Staat als seine eigentlichen Gedanken wiedergibt, steht an einem späteren Punkt dieser Arbeit zur Diskussion (Teil II). Unsere Verneinung dieser Auffassung läßt sich schon daran ablesen, wie die „Rechtsphilosophie" hier ernst genommen wird, kann jedoch zunächst nur unbegründet für den Gang dieser Arbeit vorausgesetzt werden. Das Problem einer Einleitung, 175.

XXVIII

Einleitung

Vorläufigkeit und noch nicht absoluten Gestalt von der Basis seiner späteren Systemkonzeption her begreifen zu wollen, und nicht umgekehrt, das System aus seinen Frühschriften zu erklären. Die Einsicht in den Anfang der Philosophie von ihrem Resultat her, die von Hegel im Rahmen systemimmanenter Darstellungsprobleme diskutiert und begründet wird, erhält auf diese Weise allgemeine Verbindlichkeit für das Ganze des Hegeischen Philosophierens und darf wohl somit als ein ihm angemessenes Verfahren gewertet werden. Freilich bleiben bei diesem Ansatz die historische Herkunft der von Hegel verwendeten Begriffe und Doktrinen sowie deren entwicklungsgeschichtlicher Wandel in seinem Denken unberücksichtigt, aber nicht, weil solche Untersuchungen überhaupt als überflüssig zu erachten sind, sondern weil sie im Grunde erst dann sinnvoll werden, wenn eine Erkenntnis darüber vorliegt, was Hegels Begriffe meinen und wohin sie sich letztlich entwickelt haben, — eine Erkenntnis, die nur über die Auseinandersetzung mit seiner systematischen Philosophie zu gewinnen ist. Insofern sich die vorliegende Untersuchung dieser Auseinandersetzung ganz konkret im Bereich seiner politischen Philosophie stellt, bereitet sie allererst das Fundament für solche Arbeiten vor, die primär an den Quellen Hegels politischer Uberzeugungen, deren Querverbindungen zu anderen Autoren, ihrer bei Hegel selbst erfahrenden Wandlung oder dem Grad ihrer Widerspiegelung faktischer Gegebenheiten interessiert sind 2 3 . Besonders die linkshegelianisch orientierte Aneignung Hegels findet — von einigen Ausnahmen abgesehen — hauptsächlich über entwicklungsgeschichtliche Fragestellungen zu seinem Denken statt und ignoriert in einem unzulässigen Maße methodische Probleme seiner Philosophie. Sie pflegt Hegel seit seiner Anstellung in Berlin in politischer Hinsicht nicht mehr ernst zu nehmen und spielt gerne den „späten" Hegel gegen seine Äußerungen in den Frühschriften aus. K . - H . Nusser weist ganz richtig darauf hin, daß dem eine „Gleichsetzung von jung und kritisch bzw. gereift und deshalb versöhnt" 2 4 zugrunde liegt, aus der dann die Ansicht resultiert, bei Hegel sei mit der Uberwindung der Jugend auch die Fähigkeit zur Kritik überwunden gewesen. Gestalt angenommen hat diese Ansicht in dem bekannten Bild Hegels als Philosophen der Restauration, der sich im Alter in sein System versteigt, um mit der Wirklichkeit nichts mehr zu tun 23

24

Für eine Ubersicht über entwicklungsgeschichtliche Arbeiten zu Hegel bietet sich die ausführliche Literaturliste von C. Lacorte in seinem Buch „II primo Hegel" an (Firenze 1961). Hegels Dialektik und das Prinzip der Revolution, München u. Salzburg 1973, 157 A n m . 15.

Die Anstrengung des Begriffs und die „Rechtsphilosophie"

XXIX

haben zu müssen 25 . Dem entspricht ein Begriff von systematischer Philosophie, der sie zu einem unwirklichen, nur geistigen Konstrukt und dieses zur Gewaltanwendung gegen die Wirklichkeit macht. Wie sehr sich solche Uberzeugungen den Zugang zu Hegel selber versperren, wird vor allem durch unsere Ausführungen zum fundamentalen Status seiner systematischen Philosophie im ersten Teil der vorliegenden Arbeit ersichtlich werden.

3.

Die Anstrengung des Begriffs allgemein und in Hinsicht auf die „Grundlinien der Philosophie des Rechts" von

1820 Exkurs: K . - H . I L T I N G ' s Edition von Hegels Vorlesungen über Rechtsphilosophie 1 8 1 8 - 1 8 3 1 Der Nachvollzug der logisch-systematischen Struktur von Hegels ausgereifter Philosophie kann als Grundbedingung einer ihr angemessenen Interpretationsbasis den Anspruch geltend machen, sich dem immanenten Prinzip Hegelscher Philosophie und ihrer Anstrengung des Begriffs zu stellen. Indem dieser Ansatz in unserer Untersuchung konkret für die „Grundlinien der Philosophie des Rechts" von 1820 als der letztgültigen Darstellung von Hegels politischer Philosophie verbindlich wird, wirft sich angesichts der von K . - H . Iking veranstalteten Edition Hegelscher Vorlesungen über Rechtsphilosophie im Zeitraum von 18 1 8—1831 2 6 und der in 25

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E. Bloch muß hier als die Ausnahme angesehen werden, die die Regel bestätigt. Er schreibt in seinem Hegel-Werk „Subjekt - O b j e k t " , Frankfurt/M. 1971, 51: „Den jungen Hegel zu überschätzen, liegt freilich nach wie vor kein Anlaß vor, auch marxistisch nicht. Seine Arbeit fiel ja später, trotz der Dämpfung politischer und religiöser Kühnheiten, fast an keinem Punkte hinter die Jugendschriften zurück". G . W. F. Hegel. Vorlesungen über Rechtsphilosophie 1818—1831. Edition und Kommentar in sechs Bänden von Karl-Heinz Ilting, Stuttgart-Bad Cannstatt 1973 ff. Erster Band: Der objektive Geist aus der Heidelberger Enzyklopädie 1817 mit Hegels Vorlesungsnotizen 1818 bis 1819 — Naturrecht und Staatswissenschaft nach der Nachschrift von C . G. Homeyer 1818/19 — Zeitgenössische Rezensionen der „Rechtsphilosophie", 603 Seiten. Zweiter Band: Die „Rechtsphilosophie" von 1820 mit Hegels Vorlesungsnotizen 1 8 2 1 - 1 8 2 5 , 816 Seiten. Dritter Band: Philosophie des Rechts. Nach der Vorlesungsnachschrift von H. G. Hotho 1822/23, 841 Seiten. Vierter Band: Philosophie des Rechts nach der Vorlesungsnachschrift K. G. v. Griesheims 1824/25 — Der objektive Geist aus der Berliner Enzyklopädie 2. u. 3. Aufl. (1827 u. 1830) — Philosophie des Rechts

XXX

Einleitung

ihr vorgenommenen Relativierung der Rechtsphilosophie von 1820 die Frage auf, ob unsere Untersuchung sich nicht dem falschen Objekt widmet und nicht lieber eine Analyse der Vorlesungsnachschrift von K. G. v. Griesheim zu Hegels Vorlesung über Rechtsphilosophie aus dem Wintersemester 1824/25 leisten sollte, weil diese Vorlesung nach Iking wohl als Hegels „reifste Darstellung dieses Gegenstandes" bezeichnet werden darf 2 7 . Es ist in der Hegel-Forschung, soweit wir sie überblicken, bisher noch nie eine solche Schmälerung der Bedeutung der „Rechtsphilosophie" für die Erkenntnis Hegels politischer Philosophie unternommen worden, wie sie Ilting in seinen Einleitungen und Vorbemerkungen zu den einzelnen Editionen vorlegt. Bei dem zu erwartenden Echo, das Ikings Veröffentlichung zukünftig in der Hegel-Forschung finden wird 28 , und bei der sich bereits jetzt schon manifestierenden Ansicht, daß wohl in Zukunft „die Diskussion um Hegels Rechtsphilosophie . . . ohne Rückgriff auf diese nicht mehr geführt werden könne" 2 9 , ergibt sich für den Ansatz unserer Untersuchung die Notwendigkeit, zu begründen, warum Ikings Edition in ihr so wenig Berücksichtigung erfährt, und warum sie ohne ,Rückgriff auf diese' auskommen kann, indem sie gegen Ikings Auffassung die „Grundlinien der Philosophie des Rechts" von 1820 als vorrangiges und legitimes Zeugnis der ausgereiften politischen Philosophie Hegels ansieht und dieses Zeugnis zu der Grundlage macht, auf welcher über die Debatten um einen fortschrittlich oder reaktionär sein sollenden Hegel hinaus sein politisches Denken auf den Begriff gebracht werden kann. Ikings Argumentationsweise steht und fällt mit der bei ihm vielseitig begründeten These, daß die Nachschriften von Hegels Vorlesungen über Rechtsphilosophie die Authentizität Hegelscher Gedankengänge und

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nach der Vorlesungsnachschrift von D . F. Strauss 1831 mit Hegels Vorlesungsnotizen, 925 Seiten. Ibid., Bd. IV, 69. Siehe die ersten Ansätze bei I. Fetscher, Hegel in der Sicht der neueren Forschung, Darmstadt 1973, I X : „Inzwischen hat die Publikation der Vorlesungsnachschriften zur Hegeischen Rechtsphilosophie durch Karl-Heinz Ilting den Beweis geliefert, daß die Druckfassung der Rechtsphilosophie (1821) vom Verfasser mit Rücksicht auf die einsetzende .Demagogenverfolgung' im Ton (Hervorhebung v. Verf.) erheblich modifiziert und durch jene Vorrede ergänzt wurde, die meist als Beweis für Hegels reaktionäre Staatsverherrlichung zitiert wird. Der berühmt-berüchtigte Satz ,das Vernünftige ist wirklich und das Wirkliche vernünftig' muß demnach in den früheren (und vielleicht auch in späteren) Vorlesungen so geklungen haben, daß man deutlich heraushören konnte ,das Vernünftige solle sein' (verwirkliche sich kraft eigener Stärke)". K . - H . N u s s e r : Hegel, ein Philosoph in der Verfolgung? in: Phil. Jahrb. 83 (Rezension von K . - H . Ikings Edition), München 1976, 2 2 1 - 2 3 0 , 230.

Die Anstrengung des Begriffs und die „Rechtsphilosophie"

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Äußerungen verbürgen und insofern dem von Hegel selbst herausgegebenen Text seiner Rechtsphilosophie in dieser Hinsicht nichts nachstünden 30 , sondern im Gegenteil die Reinheit seiner Lehre besser wiedergäben, — letzteres aufgrund des geringeren Drucks aktueller politischer Verhältnisse. Auf dieser Basis kommt Ilting zu dem Schluß, „daß die Rechtsphilosophie' von 1820 in einer Ausnahmesituation entstanden ist und daher nicht als einzige und wirklich authentische Darstellung der politischen Philosophie Hegels genommen werden darf" 31 . Sie kann nur noch „als ein Werk, das uns in mehreren Fassungen vorliegt, verstanden werden. In diesem Gesamtkomplex erhält natürlich die .Rechtsphilosophie' von 1820 eine ganz besondere Bedeutung dadurch, daß sie die einzige von Hegel selbst stammende schriftliche Ausarbeitung ist. . . . Aber auch die .Rechtsphilosophie' von 1820 ist im Grunde nur eine besondere Fassung der Hegeischen Rechtsphilosophie' neben anderen. Da sie unter ganz ungewöhnlichen Bedingungen entstanden ist . . ., kann sie keinesfalls länger als die maßgebliche Darstellung angesehen werden" 32 . Für die Hegel-Forschung war es bisher gar keine Frage, der „Rechtsphilosophie" als der einzig vorliegenden, ausführlichen Ausarbeitung von Hegels politischer Philosophie eine hervorragende Bedeutung für die Darstellung dieser Philosophie zuzuschreiben. Auch Ilting hält im wesentlichen daran fest, räumt dieser Darstellung aber gerade eine negative Sonderstellung ein, insofern sie seiner Meinung nach mehr Zeugnis von Hegels Taktik und Anpassung an die Gegebenheiten einer brisanten politischen Situation ablegt, als Zeugnis seiner eigentlichen politischen Intentionen zu sein. Ilting stützt diese Auffassung hauptsächlich auf den mithin allgemein bekannten Umstand, daß Hegel wegen der angespannten politischen Situation seine Rechtsphilosophie nicht gleich nach ihrer Fertigstellung zum Druck gab, sondern noch Umarbeitungen an ihr vornahm, die sich wohl am eklatantesten in ihrer Vorrede niederschlugen und Hegel den Ruf einbrachten, Preußischer Staatsphilosoph zu sein. So werden bei Ilting die Vernünftigkeit des Wirklichen, die Eule der Minerva und das Grau in Grau der Philosophie, kurz: primär die Vorrede zur „Rechtsphilosophie", zu einem Indiz, daß die hier vorfindbaren Konzessionen Hegels an die 30

31 32

Vgl. K.-H. Nusser, ibid., 222: „Für alle diese Thesen setzt Ilting die Zuverlässigkeit der Vorlesungsnachschriften voraus. Leugnet man die Gleichstellung von Vorlesungsnachschriften, von Briefstellen von und über Hegel mit dem Urtext, d. h. dem von Hegel selbst edierten Text der Rechtsphilosophie, dann ist keine der Thesen verbindlich aufzuzeigen". K . - H . Ilting, a . a . O . , Bd. I, 9. Ibid., 113.

XXXII

Einleitung

herrschenden Verhältnisse sich auch entsprechend in der ganzen Organisation der Durchführung dieser Rechtsphilosophie widerspiegeln 33 und diese somit zu einer minder gültigen Darstellung seiner politischen Philosophie abstempeln. Er schreibt: „Eine Analyse der fünf erhaltenen Vorreden zur Rechtsphilosophie' von 1818 bis 1831 läßt erst in vollem Umfang erkennen, in welchem Ausmaß Hegel 1820 unter dem Eindruck der Karlsbader Beschlüsse hinter seinen im wesentlichen unveränderten Intentionen zurückgeblieben ist. . . . Für die zukünftige Beschäftigung mit Hegels politischer Philosophie bedeutet dies, daß jede gründliche Interpretation der Rechtsphilosophie' auf einem Vergleich des gesamten vorliegenden Materials beruhen muß und keineswegs mehr ausschließlich von der Rechtsphilosophie' von 1820 ausgehen darf. Wenn die 1820 veröffentlichte Fassung auch insofern als die authentische Fassung der Rechtsphilosophie' gelten muß, als sie von Hegel selbst verfaßt und herausgegeben worden ist, so ist im Hinblick auf eine unverfälschte Darstellung seiner politischen Philosophie gerade dieser Fassung die Authentizität abzusprechen. In dieser Beziehung sind vielmehr die übrigen erhalten gebliebenen Fassungen . . . bei weitem vorzuziehen" 3 4 .

Iking geht in seiner Bewertung der politischen Situation zum Zeitpunkt der Drucklegung der „Rechtsphilosophie" für das Ausmaß ihrer Einflußnahme auf deren Ausführung sogar soweit, die Vorrede von 1820 quasi als ein Stück un-Hegelsche Philosophie ganz zu streichen oder sie so zu interpretieren, daß sie mit ihrem Wortlaut nichts mehr gemein hat 3 5 . Diese seine Beurteilung der Vorrede resultiert allerdings nicht aus einer gründlichen Auseinandersetzung mit Hegels Begriff von Philosophie und dem Verhältnis dieser Philosophie zur vorfindbaren und an sich seienden Wirklichkeit, sondern allein aus seinem axiomatisch anmutenden Hegel-Bild vom fortschrittlich-liberalen Weltphilosophen, in das eine Vorrede sich freilich nicht fügen möchte, aus der er nichts als „quietistische Proklamationen . . ., in denen die Philosophie auf die Erkenntnis des Bestehenden beschränkt wurde" 3 6 , und „eine philosophische Einsegnung der bestehenden Verhältnisse" 37 herauszulesen weiß. Auch seine Einsichten in den „progressiven Grundcharakter der Hegeischen Philosophie" 3 8 und 33

Als Beleg dafür weiß Iking allerdings nur Hegels Verhältnis zur Monarchie anzugeben, und das auf eine solche Weise, die mehr Iltings Verständnis von Hegels politischer Philosophie als Hegels Äußerungen zur Monarchie bezeugt: „ D i e Lehre vom monarchischen Prinzip ist mit der naturrechtlichen Grundkonzeption der politischen Philosophie Hegels letztlich nicht vereinbar. Dies aber scheint die einzige Konzession (Hervorhebung v. Verf.) zu sein, die die einheitliche liberal-progressive Grundkonzeption der Rechtsphilosophie' in der Fassung von 1818/19 und derjenigen von 1820 stört" (ibid., 108).

34

Ibid., 119f (vgl. auch ibid., 126). Vgl. ibid., 1 1 4 - 1 2 0 . Ibid., 115. Ibid., 82. Ibid., Bd. I V , 62.

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Die Anstrengung des Begriffs und die „Rechtsphilosophie"

XXXIII

in den „liberalen und progressiven Grundbestand" der „Rechtsphilosophie" von 1820 — bemerkenswerterweise trotz „Hegels Akkommodation an die herrschenden Verhältnisse" 39 — sind weniger ein Ergebnis der Anstrengung des Begriffs als seiner Uberzeugung, daß Hegel sich nur „im Interesse der Verwirklichung der Freiheit in der Geschichte ,akkommodierte'" 4 0 . Wie sehr Uting auf der Suche nach dem, was bei Hegel sein soll, den Blick für das verliert, was in der Tat bei Hegel ist, sei an jenem Beispiel demonstriert, wo Iking eine Passage aus Hegels „Vorlesungen über die Philosophie der Religion" (Ed. 18402) „progressiv" interpretiert, die im Grunde genau der Auffassung von der Angelegenheit der Philosophie' entspricht, die Hegel in der Vorrede der „Rechtsphilosophie" formuliert und in dem Bild der Eule der Minerva umschrieben hat: „Die Philosophie ist in dieser Beziehung ein abgesondertes Heiligtum, und ihre Diener bilden einen isolierten Priesterstand, der mit der Welt nicht zusammen gehen darf und das Besitztum der Wahrheit zu hüten hat. Wie sich die zeitliche, empirische Gegenwart aus ihrem Zwiespalt herausfinde, wie sie sich gestalte, ist ihr zu überlassen und ist nicht die unmittelbare Sache und Angelegenheit der Philosophie".

Iking macht daraus: „Mittelbar sollte dieser ,isolierte Priesterstand' der Philosophen . . . durchaus für die Gestaltung der zeitlichen, empirischen Gegenwart wirken und ihre Widersprüche auflösen helfen" 4 1 . Es könnten noch eine ganze Reihe weiterer Beispiele für Ikings Versuch angegeben werden, die „Rechtsphilosophie" von 1820 wegen ihrer vermeintlichen „Einsegnung" des Bestehenden als letztgültige Darstellung der politischen Philosophie Hegels zu relativieren. Gelingen kann das immer nur durch eine Uberbewertung der äußerlichen Gegebenheiten zur Zeit der Abfassung der „Rechtsphilosophie" und durch eine eingleisige Interpretation der Vorrede derselben. Iking weiß sehr wohl um den Mangel an Werkimmanenz in seinen Argumenten, ja letztlich sogar darum, daß diese Argumente sich nur schwerlich oder teils auch gar nicht bei einer Analyse der tatsächlichen Durchführung der „Rechtsphilosophie" bestätigen lassen. Er erwehrt sich daher ausdrücklich des Eindrucks — abgesehen von der Stellungnahme zu Hegels Verhältnis zur Monarchie 42 —, daß er Hegels Konzessionen an die Zeitumstände auch überall in der eigentlich inhalt39 40 41

42

Ibid., Bd. I, 108. Ibid., Bd. III, 50. Ibid., Bd. IV, 61; vgl. auch Ikings weitere Ausführungen über die „missionierende Kraft der Hegeischen Philosophie", ibid. 61 f. Vgl. oben, Anm. 33.

XXXIV

Einleitung

lichen Ausführung der „Rechtsphilosophie" wiederfinden wolle, und teilt mit T. M. Knox die Ansicht, daß „es keinen Grund für die Annahme gibt, daß Hegel in Preußen begonnen hätte, seine Staatsphilosophie zu rekonstruieren und sie der Denk- und Handlungsweise seiner neuen Herren anzupassen" 4 3 . Der enormen Schwächung, die Ikings Position durch dieses Zugeständnis an die gleichbleibende Grundkonzeption von Hegels politischer Philosophie hinnehmen muß, versucht er durch den Hinweis auszuweichen, daß die Vorlesungsnachschriften nach 1820 jedoch eine bessere Ausarbeitung der logischen Struktur derselben enthalten, die ja von Hegel selbst in seiner „Rechtsphilosophie" von 1820 nachweislich noch als ungenügend einsichtig empfunden wurde 4 4 . Das Beispiel, das Ilting hier für eine Mehreinsicht an kategorialer Bestimmtheit aus der Nachschrift von Griesheim's anzuführen weiß 4 5 , deutet allerdings weniger auf eine Bestätigung seiner These hin, als vielmehr auf den Umstand, daß Ilting sich mehr mit einer Analyse der äußeren Gegebenheiten der „Rechtsphilosophie" von 1820 auseinandergesetzt hat, als mit deren immanenter Struktur 4 6 : was er hier an logischen Erkenntnissen für Hegels Darstellung des „Abstrakten Rechts" und der Funktion des Eigentums in dieser kategorialen Sphäre zu gewinnen glaubt, ist auch — wie die vorliegende Arbeit beweisen wird — durch eine bloß auf die „Rechtsphilosophie" von 1820 beschränkte Untersuchung zu erzielen, sofern sich nämlich diese eben auch vor allem an die hier stattfindende Entwicklung des Begriffs hält. Daß nicht überhaupt im Umgang mit Hegels Philosophie auf eine solche ,Anstrengung des Begriffs' Verzicht geleistet werden kann, belegt Ilting 43

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45 46

T. M. K n o x , Hegel and Prussianism (1940); zit. v. K . - H . Ilting, a . a . O . , Bd. I, 104; vgl. überhaupt die mit T. M. K n o x konform gehenden Ausführungen Ikings, ibid. 103 — 105 u. 82. Vgl. dazu auch ferner: K . - H . Nusser, Hegel, ein Philosoph in der Verfolgung? (IltingRezension), a . a . O . , 227; J. d'Hondt, Hegel in seiner Zeit, Berlin 1973, 83. Vgl. Ilting, a. a. O . , Bd. II, 1 1 . Beflissentlich überliest Ilting freilich den zweiten Teil seines Hegel-Zitates, in welchem Hegel eine genauere Ausarbeitung der „logischen Fortleitung" f ü r überflüssig erachtet, teils wegen der „vorausgesetzten Bekanntschaft mit der wissenschaftlichen Methode", teils weil diese sich bei der Lektüre von selbst ergibt. Bei einer erneuten Zitation dieser Textstelle (ibid., Bd. IV, 73) läßt Ilting diesen zweiten Teil sogar ganz weg, um die Vorlesungsnachschrift der Rechtsphilosophie von 1824/25 als eine auch in logisch-systematischer Hinsicht der „Rechtsphilosophie" von 1820 überlegene und gerade den Hegeischen Wunsch nach vollkommener Entsprechung von Form und Inhalt einlösende Fassung anpreisen zu können. Ibid., Bd. IV, 7 1 - 7 3 ; siehe auch Bd. II, 23. A u s diesem Grunde können auch die im zweiten Band seiner Edition unternommene Gliederung der „Rechtsphilosophie" von 1820 und die Wahl seiner Uberschriften nur mit äußerster Vorsicht als außer-Hegelsche Orientierungshilfen verstanden werden, zumal sie ohnehin mehr inhaltlich als logisch-systematisch ausgerichtet sind. (Vgl. auch Nusser, Ilting-Rezension, a . a . O . , 223.)

Die Anstrengung des Begriffs und die „Rechtsphilosophie"

XXXV

durch seine Edition selber, insofern er trotz mühsamer Durcharbeitung des gesamten Materials, das zu Hegels Rechtsphilosophie vorliegt, noch zu keinem endgültigen Ergebnis dahin gehend gekommen zu sein scheint, ob Hegels Staatsphilosophie nun den Preußischen Staat beschreibt, oder ob sie die begriffliche Darstellung von Staat überhaupt zum Thema hat. So entscheidet er sich vorläufig für beides: „Bereits in der .Rechtsphilosophie' von 1820 hatte Hegel seiner politischen Philosophie den Charakter einer .Staatsphilosophie' in der doppelten Bedeutung einer allgemeinen Staatslehre und einer philosophischen Begründung desjenigen Staats, in dem er lehrte, zu geben versucht" 4 7 . „Schon von Thaden hatte an Hegel mit Recht die Frage gerichtet, für welchen Staat seine Darlegungen in der .Rechtsphilosophie' eigentlich gelten sollen . . . Wenigstens für die politische Philosophie der Rechtsphilosophie' von 1820 läßt sich so bestätigen, was Ferdinand Tönnies in den Eindruck zusammenfaßte :,(Hegels) Wesen war Zweideutigkeit — er konnte so, er konnte auch anders' " 4 8 .

Wie nützlich Ikings Edition für ein entwicklungsgeschichtlich orientiertes Interesse an Hegels Denken auch immer sein mag, sie ersetzt keinesfalls die noch ausstehende Bemühung, Hegels politische Philosophie auf den Begriff zu bringen, — ja muß dafür selbst als ein recht unwesentlicher Beitrag angesehen werden, insofern sie mehr von den politischen Zuständen auf Hegel als von Hegel aus argumentiert. Letzteres Argumentieren muß sich aber — gegen Ikings Einwände — noch immer an die von Hegel selbst herausgegebene „Rechtsphilosophie" von 1820 als die letztgültige Darstellungsweise seiner politischen Philosophie halten, nicht nur weil sie gesicherte Authentizität von Hegelschem Gedankengut insofern garantiert, als sie eben von Hegel selber publiziert wurde, sondern auch weil Hegel in der Folgezeit keine Änderung an ihrer Gesamtkonzeption und ihrem logischen Aufbau vorgenommen, vielmehr sie auch zur absoluten Grundlage seiner weiteren Vorlesungen 49 wie der Ausführungen über den „Objektiven Geist" der Enzyklopädien von 1827 und 1830 gemacht hat. Wenn somit gerade die Struktur dieser Darstellung der Hegeischen Rechtsphilosophie zum Gegenstand der vorliegenden Untersuchung wird, kann mit Recht der Anspruch erhoben werden, sich im Zentrum von Hegels politischer Philosophie überhaupt zu bewegen und nicht einer „Anpassungsschrift" zum Opfer gefallen zu sein. 47 48

49

Ibid., Bd. III, 39. Ibid., Bd. I, 11 Of. Es bleibt freilich für eine gerechte Beurteilung von Ikings Interpretationsangeboten das Erscheinen des fünften und sechsten Bandes seiner Edition abzuwarten, für die er eine Auswertung des in den bisher erschienenen vier Bänden vorgelegten Materials angekündigt hat. Noch am 10. 11. 1831, vier Tage vor Hegels Tod, von ihm selber ausgesprochen; belegt in K . - H . Iking, ibid., Bd. IV, 917.

XXXVI

Einleitung

Unsere Analyse des logisch-systematischen Aufbaus der „Rechtsphilosophie" von 1820 wird dieser Schrift mehr Gerechtigkeit widerfahren lassen, als es bei Ikings Ansatz der Fall sein kann, weil Hegel es „vornehmlich von dieser Seite möchte, daß diese Abhandlung gefaßt und beurteilt würde" (Rph, 4); ferner wird sie nachweisen, daß sich bei Hegel überall dort, wo er sich auf den Begriff beruft, wesentlich mehr „ankündigt" als nur „die Proklamation der Vernunft und des Vernunftrechts als der entscheidenden Legitimationsinstanz gegen kirchliche Autoritäten und feudale Privilegien" 5 0 : nämlich das innerste Wesen von dem, was Hegel überhaupt für Philosophie hält, denn für ihn haben grundsätzlich die überhaupt „kein Recht in der Philosophie mitzureden, die ohne Begriff reden wollen" (Rph, § 141 HZus). So besteht in Hinsicht auf Hegels politische Philosophie noch immer „das Verlangen, über Sprache, Aufbau und Methode der Rechtsphilosophie eine fundiertere Einsicht zu gewinnen, als bisher zur Verfügung steht. . . . Daß die hierzu nötigen Vorarbeiten fehlen, daß insbesondere die Entwicklungsgeschichte der Rechtsphilosophie51 und die Grundlagen ihrer Methodik, der Zusammenhang von Logik und Politik bei Hegel (Hervorhebungen v. Verf.) noch weitgehend unaufgehellt sind, tritt in der Retrospektive auf den gegenwärtigen Stand der Auseinandersetzung mit einem der Klassiker der politischen Philosophie nur allzu deutlich zutage" 5 2 . Da die vorliegende Untersuchung sich gerade den methodischen Grundlagen von Hegels „Rechtsphilosophie" widmet, ist zu erwarten, daß sie — in einer anderen Hinsicht als Ikings Edition — einen wesentlichen Beitrag dazu leistet, „die Diskussion um die Hegeische Rechtsphilosophie ein neues Niveau erreichen" zu lassen 5 3 .

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52

53

K . - H . Illing, ibid., Bd. IV, 911. Für eine solche Untersuchung hat inzwischen Ikings Edition durchaus den Weg geebnet und wird wahrscheinlich in ihrem fünften und sechsten Band zu ersten Ergebnissen kommen. M . Riedel, in: (ders.; Hrsg.) Materialien zu Hegels Rechtsphilosophie, Bd. I, Frankfurt/M. 1975, Einl. 39f. K . - H . N u s s e r , Ilting-Rezension, a . a . O . , 221.

Die „ E n z y k l o p ä d i e " von 1830 als das gültigste Ganze der Hegeischen Philosophie X X X V I I

4.

Die „Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse" von 1830 als die gültigste wissenschaftliche Darstellung des Ganzen der Hegeischen Philosophie

Die methodischen Grundlagen der „Rechtsphilosophie" lassen sich nicht allein durch eine Analyse der diesem Werk selbst immanenten Logik gewinnen; vielmehr ist letztere in ihrem Vollsinne nur einsichtig, wenn man sie vor dem Horizont ihrer gesamtsystematischen Implikationen zu begreifen versteht (vgl. oben, X X I f f ) . Dieser Horizont beinhaltet zum einen den steten Blick auf das Ganze der allgemeinen wissenschaftlichen Voraussetzungen der „Rechtsphilosophie", d. h. auf den Umstand, daß allein schon deren Integration in das Systemganze streng wissenschaftlichen Denkens für ihre Methodik überhaupt signifikant wird, und zum anderen den steten Blick auf das Spezifische einer Logik, in der sich der Geist als objektiver zu erkennen weiß 5 4 . Wenn die vorliegende Arbeit sich gerade in ihrem ersten Teil um diese gesamtsystematischen Aspekte der rechtsphilosophischen Logik bemüht und für dieses Bemühen Hegels enzyklopädisches System der philosophischen Wissenschaften als den Grundriß des Ganzen seiner Philosophie zugrunde legt, so beruht das nicht nur darauf, daß in diesem System eben die „Rechtsphilosophie" in ihrer Grundkonzeption als objektiver Geist enthalten ist, sondern ganz einfach darauf, daß Hegel nur diesen Entwurf des Ganzen seiner Philosophie als einen wissenschaftlich gültigen vorgelegt hat, und daß er bis zu seinem Tode an ihm festhielt und ihn durch zwei erneute Editionen in seiner Gültigkeit 54

Die methodischen Grundlagen der „Rechtsphilosophie" sind somit in einer dreifachen Weise „ v o r b e s t i m m t " : 1. durch ihre allgemeine Wissenschaftlichkeit überhaupt; 2. durch die Auswirkungen, die sich für sie aus der besonderen Stellung der „Rechtsphilosophie" innerhalb des Gesamtsystems der philosophischen Wissenschaft ergeben; 3. durch die relative Eigengesetzlichkeit des Gegenstandsbereichs der „Rechtsphilosophie" selbst. Es sei hier angemerkt, daß darin nicht nur eine Eigenheit der rechtsphilosophischen Methodik gesehen werden darf, denn im Grunde unterliegt die Methodik einer jeden Disziplin der „ E n z y k l o p ä d i e " einer solchen dreifachen „Vorbestimmtheit". Jede Disziplin des enzyklopädischen Systems ist methodisch grundlegend geprägt 1. durch ihren wissenschaftlichen Status überhaupt, 2. durch das Besondere ihres gesamtsystematischen Standortes, und 3. durch die relative Eigengesetzlichkeit ihres Gegenstandsbereiches. Insofern sich die beiden letztgenannten Punkte unmittelbar wechselseitig bedingen, ist die detaillierte Analyse dieser Fundamente für die rechtsphilosophische Methodik im Î1. Teil der vorliegenden Arbeit zusammengefaßt worden.

XXXVIII

Einleitung

bestätigte. Wir wählten für unsere Ausführungen die letzte Fassung der „Enzyklopädie" (1830), weil Hegel hier selbst noch Hand angelegt und eine Fülle von Veränderungen eingebracht hat, und wir diese somit als die letztlich gültigste Fassung des Gesamtsystems seiner Philosophie ansehen 55 . Hierin liegt auch ein Indiz für unsere Absicht, außerhalb von entwicklungsgeschichtlichen Fragestellungen zu einer Einsicht in letztgültige Gehalte des Hegeischen Denkens vorzudringen. Inwieweit selbst dessen enzyklopädische Systemkonzeption von 1830 die letztmögliche und somit auch die letztgültige Gestalt von Philosophie überhaupt darstellt, oder inwieweit diese nur eine bestimmte Stufe einer noch umfassenderen Systemkonzeption von Philosophie repräsentiert, die Hegel selbst nicht mehr zu gestalten vermochte, wird im ersten Teil unserer Arbeit am Rande bedacht, — und auch vorläufig entschieden werden, obwohl dieser Frage im Rahmen unseres vorrangigen Untersuchungsinteresses keine weitläufige Eigenerörterung zugestanden werden kann. Die weitestgehende Beschränkung unserer Arbeit auf das faktisch von Hegel selbst Geleistete dürfte wohl als die allgemeine Vorbedingung einer Entscheidung darüber erachtet werden, was im Horizont Hegelscher Philosophie für das philosophische Denken generell und für den Gedanken des Politischen im besonderen überhaupt leistbar sein kann.

5.

Fragestellungen und thematischer Aufbau im Grundriß

Da unsere Auseinandersetzung mit der politischen Philosophie Hegels allein auf die Analyse der kategorialen Grundstruktur der „Rechtsphilosophie" abzielt und sich bei der konkreten Gewinnung der gesamtsystematischen Implikationen derselben auch einzig auf die „Enzyklopädie" stützt, bringt sie den Vorteil mit sich, daß nicht kreuz und quer im Hegeischen Gesamtwerk zusammengesucht werden braucht, wo hier überall Themen der politischen Philosophie abgehandelt wurden, die dann erst zu einer sinngebenden Einheit geordnet werden müßten, um sodann auf der Grundlage dieser ihrer hergestellten Vollständigkeit als das Ganze einer politischen Philosophie interpretiert werden zu können; andererseits erfolgt durch ihren Bezug auf die Gestalt des Ganzen der Hegeischen Phi55

Zur Entwicklungsgeschichte und zu den allgemeinen Grundgedanken der enzyklopädischen Systemkonzeption der Philosophie bei Hegel überhaupt siehe die ,Einführung' von F. Nicolin u. O . Pöggeler in der „Enzyklopädie" von 1830 (Enz, IX—LH).

Fragestellungen und thematischer Aufbau im Grundriß

XXXIX

losophie auch wieder eine Ausweitung ihres Themas, die sogar in die „schlechte Unendlichkeit" abzugleiten droht. Dieser „schlechten Unendlichkeit" wird in der vorliegenden Arbeit begegnet, da Aspekte des enzyklopädischen Systems nur insoweit Berücksichtigung erfahren, als sie für ein Verständnis der logisch-systematischen Struktur der „Rechtsphilosophie" von Bedeutung sind (vgl. oben, XXII). Die Statthaftigkeit einer solchen Selektion legitimiert sich durch ein Verfahren, das sich bei der Isolierung von Teilproblemen immer seines selektiven Charakters bewußt bleibt und diese vor dem Horizont des Ganzen nicht verselbständigt. N u r eine dermaßen geartete Reduktion des enzyklopädischen Systems auf rechtsphilosophisch relevante Fragestellungen entgeht der Gefahr, die Totalität des Hegeischen Denkens zugunsten ihrer eigenen Intention zu verkürzen 56 , weil sie in ihrer spezifischen Ausrichtung echt verkürzt, d. h. um den Gesamtkomplex stets weiß und ihre Ausschnitte gerade in dem Aus-Heraus problematisiert. Dieses Verfahren erfordert dennoch auch recht weitgehende Stellungnahmen zu Problemen, die zwar dem enzyklopädischen System durchaus eigen zu sein, aber auf den ersten Blick mit der „Rechtsphilosophie" nichts oder nur wenig zu tun zu haben scheinen, wie z.B. die Erörterung der Rolle der „Phänomenologie des Geistes": ist sie eine eigene Darstellung des Ganzen der Philosophie oder nur eine Einleitung in das System? oder Erörterungen zur „Wissenschaft der Logik": ist sie die Darstellung einer Methode? oder das „Ganze" in formaler Hinsicht? ist sie inhaltliche oder formale Logik? Wo und wieweit alle diese Problemstellungen im Rahmen unseres Themas diskutiert werden, sei im folgenden näher skizziert. Die vorliegende Untersuchung hat sich die Aufgabe gestellt: I. die gesamtsystematisch bedingte Bestimmtheit der methodischen Grundlagen der „Rechtsphilosophie" zu erhellen (Teil I), und II. unter Berücksichtigung des bestimmten Standortes der „Rechtsphilosophie" im enzyklopädischen System deren Logik und Aufbau selber zu rekonstruieren und damit die eigentliche Darstellung Hegels politischer Philosophie auf den Begriff zu bringen (Teil II; vgl. oben, XXI).

56

Ein solches Beispiel unstatthafter „Verkürzung" bietet J. Habermas; er schreibt: „Hegels System steht und fällt mit seiner Philosophie des Geistes, zumal des objektiven" (Zu Hegels politischen Schriften, in: Theorie und Praxis, Frankfurt/M. 1974, 148f). Diese globale Auszeichnung eines Elementes vor anderen wird dem Gang der Darstellung des enzyklopädischen Systems keinesfalls gerecht und ist bei Habermas das Resultat seiner Intention, das primär Praktische philosophischer Theorien teils nachzuweisen, teils zu postulieren.

XL

Einleitung

Ihr erster Teil und seine Ergebnisse beruhen auf der Auseinandersetzung mit folgenden Werken Hegels: a) der „Phänomenologie des Geistes" von 1807: dieses Werk interessiert nur in seiner möglichen Bestimmung, eine Einleitung in das streng wissenschaftliche System der Philosophie zu sein, also nur in seiner Funktion oder eben Unfunktionalität für das enzyklopädische System, nicht in seiner eigenen Methodik und Inhaltlichkeit; b) der „Enzyklopädie" von 1830: sie bietet als Darstellung des Ganzen der absoluten Verhältnismäßigkeit des Geistes die Möglichkeit, das wissenschaftliche Niveau im allgemeinen und auch das begriffliche Niveau im besonderen zu definieren, das die Philosophie des Rechts als bestimmte realsystematische Sphäre bei ihrer Darstellung voraussetzt; c) der „Wissenschaft der Logik" (Große Logik): sie wird zum einen über ihre Begründung der absoluten Methode der wissenschaftlichen Philosophie überhaupt, zum anderen in ihrem Verhältnis zur realsystematischen Dimension der Philosophie thematisch. Von der Bestimmung dieses Verhältnisses von Logischem zu Außer-Logischem hängt es ab, inwieweit Hegel sich bei der Darstellung der „Rechtsphilosophie" auf die Logik berufen kann, und was es bei ihm heißt, wenn er die immanente Bewegung des Begriffs auf eine realsystematische Dimension „anwendet". Der zweite Teil unserer Arbeit widmet sich der logischen und systematischen Struktur der „Grundlinien der Philosophie des Rechts", ihrem formalen Aufbau. Hier gilt es zunächst, die konkreten Bedingungen zu klären, denen dieser Aufbau von seiner bestimmten Integration in das systematische Ganze der Hegeischen Philosophie her unterworfen ist, sodann den Zusammenhang der zentralen Begriffè und vor allem auch die Ubergänge der unterschiedlichen Sphären der „Rechtsphilosophie" einsichtig zu machen. Wenn dabei auch nicht eine jede Einzelheit der „Rechtsphilosophie" zur Darstellung gelangt und somit ein restloses ,Buchstabieren' derselben noch weiteren Bemühungen überlassen bleiben muß, so wird jedoch auf jeden Fall allererst einmal das rechtsphilosophische Alphabet eines solchen Buchstabierens bereitgestellt. Die Rezeption der „Rechtsphilosophie" im wissenschaftlichen und außerwissenschaftlichen Bereich wird von uns nur gelegentlich berührt werden, insofern bereits sehr umfang- und aufschlußreiche Arbeiten darüber vorliegen und diese Rezeption wegen ihrer weitestgehenden

Fragestellungen und thematischer Aufbau im Grundriß

XLI

Vernachlässigung logisch-systematischer Fragestellungen für das hier gestellte Thema nicht viel beiträgt. Es wird lediglich an einigen Stellen versucht werden, den durch diese Vernachlässigung bedingten Charakter der Fehlinterpretationen allgemein zu bestimmen (vgl. oben, XXIIIff). In einem dritten Teil wendet sich die vorliegende Untersuchung der Frage nach der Aktualität von Hegels politischer Philosophie und nach dem Spezifischen philosophischer Aktualität überhaupt zu. Dabei wird eine Interpretation der Vorrede der „Rechtsphilosophie" unternommen, die sich von den meisten vorherigen Ansätzen dadurch unterscheidet, daß sie weniger von den äußeren historischen Gegebenheiten auf Hegels politische Philosophie schließt, als vielmehr anhand der eigenen Durchführung derselben selbst die Möglichkeit der Philosophie, politisch-praktisch zu sein oder zu werden, philosophisch erörtert. Der Geist unseres alles und jedes verwertenden Zeitalters mit seiner Forderung nach Praxisnähe, Funktionalität und Wirklichkeit verändernden Kraft von Philosophie wird mit dem Geist einer philosophischen Praxis konfrontiert, die sich gegen „den lauten Lärm des Tages und die betäubende Geschwätzigkeit der Einbildung, die auf denselben sich zu beschränken eitel ist, . . . für die Teilnahme an der leidenschaftslosen Stille der nur denkenden Erkenntnis offen" hält (WL I, 22). O. Negt stellt fest 57 , daß trotz der „Massenproduktion von problemgeschichtlichen und philologischen Einzelanalysen zum Gesamtwerk Hegels nur wenig systematische Ansatzpunkte für Untersuchungen zu finden sind, die die öffentliche Relevanz des Hegeischen Denkens selber thematisieren. Es liegt auf der Hand, daß derartige Untersuchungen dem traditionellen Verständnis des philosophischen Denkens, das sich seine Fragestellungen auf naturwüchsig-immanente Weise vorgeben läßt, widersprechen muß; denn sie hätten eine ideologiekritische Selbstreflexion des historischen Verhältnisses von Philosophie und gesellschaftlicher Wirklichkeit zur Voraussetzung". Wir begegnen also am Schluß unserer Arbeit diesem Mangel, allerdings nicht in der von Negt außer-philosophisch intendierten Weise, sondern durch eine philosophische Reflexion darüber, ob die Entscheidung über die , , ö f f e n t l i c h e Relevanz" einer Philosophie nicht gerade eine immanent philosophische Angelegenheit ist, insofern es gerade die Philosophie auszeichnet, sich über das nur zeitbedingt Aktuelle hinaus Gedanken darüber zu machen, was eigentlich wesentliche Relevanz besitzt 57

Zum Problem der Aktualität Hegels, in: (ders.; H r s g . ) Aktualität und Folgen Philosophie Hegels, F r a n k f u r t / M . 1971, 7 - 2 0 , 8.

der

XLII

Einleitung

und was Relevanz überhaupt heißt. Dadurch allein, daß Philosophie zur „Verjüngung der Wirklichkeit des gegenwärtigen Zeitalters" 58 beitragen soll, ist noch lange kein letztgültiger Maßstab für ihre Beurteilung gesetzt; es bleibt noch immer unausgemacht, 1. ob Philosophie öffentliche Relevanz nicht immer nur über eine Pervertierung ihrer Gehalte erreichen kann; 2. ob Philosophie überhaupt ein geeignetes Mittel zur Veränderung von Wirklichkeit ist und nicht besser geeigneteren Mitteln Platz machen sollte; und 3. ob mit einer Gestalt der Philosophie als Mittel zu einem außer-philosophischen Zweck nicht überhaupt die Philosophie als eine spezifische Praxis des Menschen abgeschafft wird, nämlich spätestens dann, wenn dieser Zweck erreicht ist. Entgegen Negt, der zu dem Schluß kommt, daß „ a u f dem Boden der Hegeischen Philosophie eine Entscheidung über die Aktualität des Hegelschen Denkens nicht möglich ist"59, werden wir uns im Rahmen der hier skizzierten Fragestellungen gerade dieser Aufgabe zuwenden und über diese Auseinandersetzung mit Hegels Philosophie eine Einsicht in das Wesen von Philosophie überhaupt, und damit auch in das Wesen von philosophischer Aktualität überhaupt, zu gewinnen suchen. Bei dem ohnehin sehr umfangreichen Stoff unseres Themas kann letzteres freilich nur im Ansatz formuliert werden und bleibt einer weiteren, ausführlicher begründeten Ausarbeitung unsererseits überlassen.

58 59

Ibid., 9. Ibid., 10.

Arbeitstechnische Hinweise und Abkürzungen

6.

XLIII

Arbeitstechnische Hinweise und Abkürzungen

Die Werke Hegels, die dem Argumentationsgang dieser Arbeit expliziert zugrunde liegen, werden nach ihrer Edition in der „Philosophischen Bibliothek" des Felix Meiner Verlages zitiert. Textstellen aus den am häufigsten zitierten Werken Hegels sind — unter Berücksichtigung des Abkürzungsschlüssels — in der Regel direkt hinter ihrer Zitation in einer Klammer belegt. Desgleichen sind die Verweise in eigener Sache meistens direkt in den Text integriert und nicht gesondert angemerkt worden. Hervorhebungen in zitierten Textstellen sind übernommen worden und stammen grundsätzlich vom zitierten Autor selber. Hervorhebungen vom Verfasser innerhalb von Zitaten sind immer als solche gesondert ausgewiesen. Teilweise sind die Zitationen zur besseren Integration in den textualen Zusammenhang syntaktisch dem Duktus der eigenen Ausführungen angeglichen, jedoch immer unter strenger Beibehaltung der Wendungen der zitierten Autoren selber. Phän WL Enz

— Phänomenologie des Geistes (1807); ed. HOFFMEISTER — Wissenschaft der Logik; ed. LASSON — Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften (1830); ed.

Rph

— Grundlinien der Philosophie des Rechts (1820); ed. HOFFMEI-

NICOLIN/PÖGGELER STER

HZus — Hegels eigene Zusätze zu den Paragraphen der Enz u. Rph H R d b — Hegels eigenhändige Randbemerkungen in seinem Handexemplar der Rechtsphilosophie, zitiert nach ihrer Edition in Rph GZus — Zusätze von E. GANS ZU einigen Paragraphen der Hegeischen Rechtsphilosophie, zitiert nach ihrer Edition in WW WW — G . W. F. Hegel, Sämtliche Werke, Jubiläumsausgabe; ed. GLOCKNER

(Ausführliche Angaben zu den oben genannten Editionen siehe im Literaturverzeichnis)

Philosophie als Wissenschaft Status und Makrologik wissenschaftlichen Philosophierens bei Hegel

1.

Hegels System der philosophischen Wissenschaften als Enzyklopädie (Vorbegriff)

Die wissenschaftliche Ausführung Hegels .Politischer Philosophie' ist als eine philosophische Teildisziplin ein bestimmtes Moment jenes Ganzen seiner Philosophie, das seine Darstellung in Hegels „Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften" gefunden hat. Aufgrund dieser ihrer Integration in dieses Ganze werden die methodischen und inhaltlichen Bestimmtheiten der sinnumgreifenden Struktur der „Enzyklopädie" auch für die eigene Gestaltung dieser politischen Philosophie verbindlich, deren Eigentümlichkeit sich somit im spekulativen, d. h. selbstthematischen Spannungsverhältnis von Teil und Ganzem der Philosophie Dasein geben muß. Unser Anliegen, das Ganze der Hegeischen Philosophie in seiner logisch-spekulativen Struktur vorzustellen, um die Methodik der „Rechtsphilosophie" aus diesem und in diesem Kontext zu begreifen, führt dieselbe Sachunangemessenheit durch, der sich Hegels systematische Darstellung der streng wissenschaftlichen Philosophie (d. i. die „Enzyklopädie") selber unterstellen muß, indem diese gezwungen ist, in einem Nach- und Nebeneinander das zur Sprache zu bringen, was seinem Begriffe nach nur als ein Gleichwertiges und Gleichzeitiges erfaßt werden kann. Infolgedessen werden auch erst am Schluß des Teils I der vorliegenden Untersuchung der Zusammenhang der von uns in relativer Selbständigkeit thematisierten Teilprobleme dieser Philosophiekonzeption überhaupt, sowie im besonderen auch deren allgemeine Bedeutung für die wissenschaftliche Darstellung Hegels politischer Philosophie vollständig einsichtig werden können. Es läßt sich allerdings nicht vermeiden, daß schon vom Anbeginn an immer wieder der Bezug zum begriffenen Ganzen dieser Konzeption hergestellt wird und somit letzteres überhaupt schon immer für den Gang unserer Argumentation Bedeutung erhält, obwohl bei dem jeweiligen Stand der konkreten Ausführungen eine Erkenntnis hierüber noch gar nicht vorliegen und dieser Vor(be)griff erst später in seiner Berechtigung durchsichtig gemacht werden kann; so zielt der erste Teil unserer Arbeit keinesfalls darauf ab, Hegels enzyklopädisches System der Philosophie Schritt für Schritt zu rekonstruieren, sondern auf eine Ubersicht über den erkenntnistheo-

2

Hegels System der philosophischen Wissenschaften als Enzyklopädie

retischen Status und die gesamtwissenschaftliche Fundamentalstruktur desselben überhaupt. Dabei werden ferner auch häufige Wiederholungen gesamtsystematischer Einsichten nicht zu umgehen sein; jedoch wird sich herausstellen, daß es sich nur scheinbar um Wiederholungen handelt, insofern das begriffliche Niveau und seine Begreifbarkeit ständig zunehmen und diesen „Wiederholungen" eine immer reichere Bestimmtheit und somit eine stets veränderte Gestalt verleihen.

1.1.

Philosophie

und System

Die Vielzahl philosophischer Einzelwissenschaften zu einer Einheit zusammenzufassen und diese als das System der Philosophie vorzustellen, unterliegt leicht der Versuchung, die Teildisziplinen der Philosophie unsachgemäß zu gestalten, weil sie der Stimmigkeit des Ganzen gefügig gemacht werden sollen, oder das Ganze nur in subsumierender Äußerlichkeit zu belassen, deren einzige Rückwirkung auf seine Elemente dann allein in der Bereitstellung eines Oberbegriffs bestünde, dem allerdings für diesen Bereich dann auch schon mit dem Wort,Philosophie' voll Genüge geleistet wäre. Ein jeder Versuch, mannigfaltig Gegebenes zu „vereinheitlichen", setzt im Grunde seinen Gegenstand der Gewalt eines bloß subjektiven Beliebens an Verfahrensweisen aus, solange er sich darauf beschränkt, nur das persönliche Anliegen eines Wissenschaftlers und somit einzig ein Resultat der Kreativität desselben zu sein, d . h . : solange er nicht aus der Uberantwortung der eigenen Tätigkeit desselben an die Entwicklung der Sache selbst unternommen wird. Letzteres „weiß" allerdings schon im vorhinein um eine prinzipielle Einheit sachlich selbst konstatierbarer Differenzen und muß so den Beweis der sachlichen Berechtigung dieses Wissens in jeder Phase seines Vollzugs und erst durch den Vollzug erbringen, um ein wirkliches Wissen zu werden. Dieses letztgenannte Verhältnis von Denken und Gegenstand bildet die Basis von Hegels Philosophieren und seinem Verständnis von der Sache der Philosophie. Die Einheit der philosophischen Wissenschaften als das System der Philosophie erscheint für dieses Verständnis von Philosophie nicht als eine bloß subjektiv denkerische Leistung, sondern als die wesentliche Selbstdarstellung des Geistes in der Gestalt seines wahren Elementes, im Begriff. Demzufolge kann es für den Philosophen nur eine seiner Sache angemessene Methode geben: eine Methode, die zum einen bloß phänomenologisch ist, weil sie von den eigenen Konstitutionsprinzipien dieser

Philosophie und System

3

Sache selbst ausgeht und dieselben nur nachzeichnet, die zum anderen aber auch streng logisch konstruktiv ist, weil sie der bestimmten Kondition des wahren Elementes des Geistes, d. h. der bestimmten Kondition der reinen Begrifflichkeit unterliegt, d. i. eine Methode, die sowohl eine passive wie aktive Oberantwortung des Denkens an die Selbstoffenbarung des Wahren fordert, womit dann das wahre philosophische Wissen überhaupt „in dieser scheinbaren Untätigkeit besteht, welche nur betrachtet, wie das Unterschiedne sich an ihm selbst bewegt, und in seine Einheit zurückkehrt" (Phän, 561; Hervorhebung v. Verf.) 1 . Da Philosophie also wesentlich die Einheit des Geistes im Begriff reflektiert, die der Geist sich durch die Mannigfaltigkeit der Welt seines Wissens hindurch zu geben weiß, sind ihre Ausdifferenzierungen in Teilwissenschaften Elemente jener wesentlichen Einheit, die Philosophie an sich ist 2 , und somit deren Zusammenfassung zum System nicht bloß das äußerliche Resultat der Intentionen eines philosophierenden Subjekts 3 , sondern die Bewegung des Geistes selbst nach dem Begriff. Friedrich Nietzsches Bemerkung, daß „der Wille zum System ein Mangel an Rechtschaffenheit" sei 4 , charakterisiert demnach treffend nur alle jene Systematisierungs- und Vereinheitlichungsversuche, die bloß von einem Interesse am System getragen werden, sei es zum Zweck der Vereinfachung von Sachverhalten oder zum Zweck der Erweckung des 1

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Hier wird schon deutlich, warum die Überlegungen zur Bedeutung der „Phänomenologie des Geistes" im Ganzen der Hegeischen Philosophie nicht mit dem bloßen Hinweis auf die Einleitungsfunktion, die dieses Werk für die „Enzyklopädie" überhaupt und respektive deren ersten Teil, für die „Wissenschaft der Logik" erfüllt, schon abgetan oder gar als überhaupt überflüssig erachtet werden können, weil etwa dieses Ganze nach der „Phänomenologie" seine ihm angemessenere Darstellung in der „Enzyklopädie" gefunden habe, die sich nicht mehr nur auf der Höhe des „abstrakt Absoluten" (Phän, 578), sondern auf der Höhe des Absoluten des konkreten Begriffs bewege. Vielmehr beläßt die hier angeführte Ambivalenz des Hegeischen Methodenbegriffs Hegels „Phänomenologie" • auch „nach" seiner „Enzyklopädie" noch im Spannungsfeld der grundsätzlichen Fragen nach der wahren Gestalt der Philosophie (siehe unseren Exkurs unter Punkt 3.2.3.3.). Hierhin gehört auch die in der Hegel-Forschung rege geführte Diskussion um die eigentliche Methode der Hegeischen Philosophie - ob diese eben phänomenologisch oder dialektisch-logisch sei —, die an einem späteren Punkt der vorliegenden Arbeit zur Erörterung gelangt (4.2.1.). Vgl. G. W. F. Hegel, Berliner Schriften, (Hrsg.) J. Hoffmeister, Hamburg 1956, 9: „Die Philosophie ist . . . wie das Universum rund in sich, es ist kein Erstes und kein Letztes — sondern alles ist getragen und gehalten, — gegenseitig und in Einem". Vgl. Th. W. Adorno, Drei Studien zu Hegel, Frankfurt/M. 1963 , 72: „Das System will nicht abstrakt vorgedacht, will kein umfangendes Schema sein, sondern das in den einzelnen Momenten latent wirksame Kraftzentrum". Götzen-Dämmerung, in: F. Nietzsche, Werke in drei Bänden, hrsg. v. K. Schlechta, München 1954 ff, II 946.

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Hegels System der philosophischen Wissenschaften als Enzyklopädie

Scheines von Ernsthaftigkeit oder Wissenschaftlichkeit des Gedankens; auf Hegels System der Philosophie trifft diese Charakterisierung jedoch keinesfalls zu. In ihm ist kein „Wille zum System" tätig, kein bloßer Wunsch nach geordneter Ganzheit, sondern die innere Dynamik des Geistes der wissenschaftlichen Philosophie selber: die Selbstbewegung des Begriffs. Insofern handelt es sich in Hegels enzyklopädischem System der Philosophie auch nicht bloß um einen Entwurf oder einen Versuch zur Systematisierung, schon gar nicht um eine Vereinheitlichung5. Für Hegel ist Philosophie als Wissenschaft systematisches Denken und nur ein solches überhaupt auch zu einer totalen Offenbarung der Wahrheit fähig, damit ein solches überhaupt nur Philosophie. Hierin ruht die gewaltige „systematische Anmaßung", die das Hegeische Denken in den Stand setzt, alle nicht systematischen philosophischen Bemühungen zu disqualifizieren, und die ihm den Ruf des Totalitarismus und mit ihm eine große Gegnerschaft eingebracht hat 6 . Hegels enzyklopädisches System der Philosophie ist von daher nur dann angemessen rezipierbar, wenn man auch für den eigenen philosophischen Standpunkt von vornherein die Gleichung übernimmt, die den Ausführungen dieses Systems zugrunde liegt: Philosophie = differenziertes System = Wissenschaft (philosophisch) = das Wahre in der Gestalt des Wahren = Philosophie 7 . Aus dieser Untrennbarkeit von dargestellter Systematik und Gestalt der Wahrheit resultiert die Unantastbarkeit des Hegeischen Denkvollzugs: denn will man widerlegen, daß dem Wahren überhaupt eine streng syste5

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7

Vgl. die entsprechenden Ausführungen Hegels, Enz § 16 HZus: „Die philosophische Enzyklopädie unterscheidet sich von einer anderen, gewöhnlichen Enzyklopädie dadurch, daß diese etwa ein Aggregat der Wissenschaften sein soll, welche zufälliger- und empirischerweise aufgenommen und worunter auch solche sind, die nur den Namen von Wissenschaften tragen, sonst aber selbst eine bloße Sammlung von Kenntnissen sind. Die Einheit, in welche in solchem Aggregate die Wissenschaften zusammengebracht werden, ist, weil sie äußerlich aufgenommen sind, gleichfalls eine äußerliche, — eine Ordnung. Diese muß aus demselben Grunde, zudem da auch die Materialien zufälliger Natur sind, ein Versuch bleiben und immer unpassende Seiten zeigen". S. Kierkegaard bietet ein Beispiel dafür, daß diese Gegnerschaft zum Teil bemüht war, sich bereits äußerlich als eine solche zu dokumentieren. Er wählte seine Buchtitel ironisierend „antithetisch" aus, um schon durch sie seine Haltung gegen den Totalitätsanspruch der idealistischen System-Philosophie und gegen Philosophie in Form von System überhaupt zum Ausdruck zu bringen, z . B . : „Philosophische Brocken", „Philosophische Brosamen", „Entweder-Oder". Das Gleichheitszeichen, das in der vorliegenden Untersuchung des öfteren in einer solchen Verbindung auftritt, ist als Zeichen der Gleichheit, nicht der Selbigkeit aufzufassen: insofern signalisiert es nur ein Adäquations-, kein Äquivalenzverhältnis.

Philosophie und System

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matische Erfassung angemessen ist, so kann man dies eben gerade nicht systematisch widerlegen, weil man dadurch Systematik als Gestalt des Wahren gerade affirmiert, was man ja eigentlich leugnen wollte; will man andererseits aber diese Widerlegung von vornherein unsystematisch führen, so bleibt dies dem Hegeischen System nur äußerlich und die eigene Argumentation insofern sogar selbst ein Moment dieses Systems: seine Äußerlichkeit. Eine solche Kritik trifft daher nie das Hegeische System als solches, d. h. als Ganzes, sondern höchstens einen seiner Aspekte. Eine derart kritische Position gegenüber dem Hegeischen Denken als einem Systemdenken ist folglich allein durch Systemimmanenz beziehbar; das aber ist ein Paradoxon und als solches ein wesentliches Moment — nämlich die Affirmation des Widerspruchs im Wahren — des Hegeischen Systems selber, somit Nachvollzug des Hegeischen Denkens. N u r die Einsicht in eine solche denkerische Grundposition zu Hegels systematischer Philosophie ermöglicht es, das Wahre vom weniger Wahren in dieser Philosophie zu unterscheiden, weil diese sich nicht nur der „Anstrengung des Begriffs" (Phän, 48), sondern auch der Anstrengung des Systems und zum System unterzieht, somit aber Hegels Anliegen als das ihrige, sowie das andere ihrer selbst in Hegel ermittelt und dadurch sich selber als spekulatives Selbstbewußtsein begreifen lernt und so als „ein verwandter Geist den lebendigen Geist einer Philosophie enthüllen k a n n " 8 . Die Verwandtschaft liegt für den „lebendigen Geist" der Hegeischen Philosophie in dem Zusammentreffen zweier spekulativer „Selbstbewußtseine" und deren bloß scheinbarer Vereinzelung innerhalb einer allgemein identischen Grunddisposition des sich der Wahrheit überantwortenden Geistes. Trotz seines so wenig experimentellen Charakters und seines absolut kompromißlosen Totalitätsanspruchs betreffs der Manifestation dessen, was einzig als Wahrheit angesehen werden und gelten kann, trotz seines so sicher und solide anmutenden Fundamentes bietet das Hegeische Philosophieren jedoch keine Patentrezepte an, wie die Mannigfaltigkeit des Seienden ein für allemal in eine letzte Ordnung zu bringen sei, in der und aus der der Mensch seinen ewigen Sinn und seine Bestimmung gewinnen könnte und somit der Desorientierung in seinem täglichen Sein enthoben wäre. Aus diesem Grunde trifft auch der Einwand, daß eine wie bei Hegel geartete systematische Philosophie durch ihren Totalitätsanspruch die Lebendigkeit des Daseins in ein Korsett zwinge, das im Grunde nur ein 8

Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems der Philosophie (1801), in: G . W. F. Hegel, Jenaer Schriften, ed. Irrlitz, Berlin 1972, 9.

6

Hegels System der philosophischen Wissenschaften als Enzyklopädie

geistiges Konstrukt sei, hier ins Leere. Ein solcher Einwand liebäugelt mit einer chaotischen Grundsituation menschlicher Existenz, die Sinngebungen und Orientierungshilfen nur als „rein menschliche" Eigenleistungen ausgeben will und so den Menschen im Vollzug einer Verantwortlichkeit gegenüber seinen Taten ethisch aufzuwerten glaubt, wogegen Systeme durch die Unterordnung des Einzelnen unter ein übergeordnetes Ganzes den Menschen dieser Selbstverantwortung gerade zu entheben scheinen. Jedoch dieser existentiellen Grundsituation des Menschen, sich endlich orientieren zu müssen, ohne absolut orientiert zu sein, die wir im folgenden als tragisch bezeichnen möchten, oder wie Nietzsche es ausdrückt: das ,nicht festgestellte Tier' zu sein9, wird auch durch und in der Hegeischen Philosophie keinesfalls grundsätzlich eine Absage erteilt. Diese Philosophie unterläßt es nur, diese unsolide Situation als das unbegreifliche Axiom des menschlichen Geistes schlechthin einem jeden Ansinnen philosophischer (d. h. im Grunde immer: auf letztgültige Wahrheit ausseiender) Tätigkeit schon immer vorauszusetzen und damit zu ignorieren, daß ein solches „Axiom" im Grunde bereits aus einer Orientierung heraus erstellt und nur von einer solchen her zu erstellen ist, affirmiert sie somit aber durch den Gang ihrer Darstellung und gerade als deren Resultat, und somit als begriffenen Anfang der Philosophie überhaupt und als gerade in der Philosophie begriffene und überhaupt nur durch die Philosophie zu begreifende Grunddisposition des Menschseins im Lichte der Wahrheit.

1.2.

Die fragwürdigen Beziehungen der Teilwissenschaften des Ganzen der Philosophie durch dessen Darstellung klopädischen System

innerhalb im enzy-

Hegels Philosophieren stand von Anfang an im Bannkreis der systematischen Philosophie und richtete seine Bemühungen schon in den ersten Versuchen auf die Erstellung eines wahren Systems der Philosophie, getragen von der Uberzeugung, daß „das Ganze der Philosophie wahrhaft Eine Wissenschaft ausmacht" (Enz, § 16 HZus), daß das Wahre überhaupt ein Ganzes ist (vgl. Phän, 21), dessen wahre Gestalt allein in einem wissenschaftlichen System der Philosophie zum Ausdruck kommen kann (vgl. ibid., 12). Bevor aber dieses ,Ganze' die ihm angemessene Darstellung in Hegels enzyklopädischem System der philosophischen Wissenschaften 9

Vgl.: Zur Genealogie der Moral, a . a . O . , II 862.

Die fragwürdigen Beziehungen der Teilwissenschaften

7

finden konnte, kündigte Hegel eine Reihe unterschiedlicher Systemkonzeptionen an, die sich jedoch im Verlauf seiner weiteren Arbeiten alle nicht als richtig bestätigten und von ihm wieder fallen gelassen wurden. In Zusammenhang mit Hegels allmählicher Entwicklung der letztgültigen Gestalt seines philosophischen Systems liegt ein Indiz dafür vor, wie berechtigt das Anliegen unserer Untersuchung ist, den systematischen Standort, den die „Rechtsphilosophie" in der Gesamtsystematik von Hegels letzter Systemkonzeption einnimmt, in seiner Bedeutung für die eigene Darstellung dieser philosophischen Teildisziplin zu analysieren. Hegel war sich nämlich selber über deren Stellenwert nicht von vornherein im klaren. Im Sommer 1805 hatte er sein System noch in „spekulative Philosophie" und „Naturrecht" untergliedert, wobei er erstere wiederum in Logik und Metaphysik, Natur- und Geistesphilosophie unterteilt hatte. Im Winter 1805/06 änderte er dieses Konzept. Nun standen der „spekulativen Philosophie", zu der nur noch die Logik und Metaphysik zählten, die Natur- und Geistesphilosophie als „Realphilosophie" gegenüber, wobei das Naturrecht zum Bestandteil der Geistesphilosophie wurde 1 0 . Wenn Hegel später das ganze enzyklopädische System — also Logik, Natur- und Geistesphilosophie, somit Logik und Realphilosophie — als spekulative Philosophie vorstellte und im Zuge damit die Wörter ,Wissenschaft' und ,Philosophie' für die wirkliche Philosophie zu Synonymen machte, so liegt es auf der Hand, daß diese Änderung der allgemeinen Systemkonzeption entsprechend auf ihre Teildisziplinen zurückschlug, und zwar ganz besonders in Hinsicht auf deren formale Gestaltung, insofern nun das Spekulative — das ist nunmehr, weil das wahrhaft Logische, das Wissenschaftliche überhaupt — nicht mehr nur als Vorbereich der Realphilosophie fungiert, sondern in den Ausführungen dieser selbst sich auch ein weiteres Dasein seiner methodischen Universalität verschafft. Das Resultat ist eine je eigene Logik der System-

teile vor dem Horizont einer allgemeinen

logisch-spekulativen

Struktur.

Diese relative Widerspiegelung einer allgemein verbindlichen Logizität, die die einzelnen Teilbereiche des enzyklopädischen Systems je spezifisch betreiben, gilt es bei einer jeden Untersuchung zu berücksichtigen, die sich gerade einem solchen Teilbereich eigens zuwenden will, — somit eben auch bei unserer Analyse der Methodik der „Rechtsphilosophie". Abgesehen von diesen wenigen Bemerkungen zur Entwicklungsgeschichte des Hegeischen Denkens bleibt dieselbe bei uns weiterhin unbe10

Vgl. J . Hoffmeisters Einleitung in die „Phänomenologie des Geistes": Phän, X X X I f f .

8

Hegels System der philosophischen Wissenschaften als Enzyklopädie

rücksichtigt (siehe dazu Punkt 2 unserer Einleitung). Jedoch muß in unsere Untersuchungen zum enzyklopädischen System der Hegeischen Philosophie auch noch die „Phänomenologie des Geistes" von 1807 einbezogen werden, und zwar über die Frage, welche Bedeutung ihr für den Denkansatz dieses Systems zukommt. Sie war ursprünglich überhaupt als erster Teil des Systems der Wissenschaft geplant, hat aber später im enzyklopädischen System in ihrer Ganzheit keine Würdigung mehr erfahren, sondern fungierte hier nur noch als eine Einleitung und Vorbereitung des allgemeinen Standpunktes der Wissenschaft, respektive der Logik. Aufgrund dessen interessiert uns die „Phänomenologie des Geistes" im Rahmen unserer Fragestellungen auch nicht „an sich", vielmehr nur betreffs einer spezifischen Problematik, die sich vom eigenen Gang und dem Selbstverständnis der Darstellung der philosophischen Wissenschaften in der „Enzyklopädie" her stellt. Im Verlauf unserer bisherigen Ausführungen wurde bereits umrissen, welche problematischen Verhältnisse innerhalb des Ganzen der Hegeischen Philosophie in Zusammenhang mit dessen enzyklopädischer Darstellung und Letztkonzeption auftreten: 1. Das problematische Verhältnis von „Phänomenologie des Geistes" (1807) und „Enzyklopädie" in methodischer Hinsicht. Es stellt sich für dieses Verhältnis die Frage, a: ob die phänomenologisch-systematische Darstellung durch die logisch-systematische Darstellung einfach nur überholt und damit abgelöst ist, oder b: ob es sich bei beiden Werken in Wirklichkeit um die Darstellung überhaupt unterschiedlicher Gegenstände handelt. 2. Das problematische Verhältnis der „Phänomenologie des Geistes" (1807) zur „Wissenschaft der Logik" als erstem Teil des enzyklopädischen Systems. Hier fragt es sich, ob die „Phänomenologie" als Hinführung und Einleitung in das reine Denken der Logik verstanden werden muß, was ihr freilich den Status einer Notwendigkeit für die Begründung des Anfangs des enzyklopädischen Systems sichern und sie damit in diese streng wissenschaftliche Systemgestalt selbst einbeziehen würde, was aber eben dem Totalitäts- und Selbstbegründungsanspruch der letzteren zuwiderläuft. 3. Das problematische Verhältnis der „Wissenschaft der Logik" zum Ganzen der „Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften". Ist die Logik als die eigentliche Explikation des Spekulativen die Bereitstellung der absoluten Methode für die ganze enzyklopädische Dar-

Die fragwürdigen Beziehungen der Teilwissenschaften

9

Stellung der Philosophie und behauptet so, da sie selber Teil dieser Darstellung ist, schon für ihre Durchführung die Anwendung der logischen Kategorien auf deren eigene Entwicklung; ist die Logik somit überhaupt, weil selber bereits inhaltlich, schon das Ganze der spekulativen Philosophie? 4. Das problematische Verhältnis der „Wissenschaft der L o g i k " zur Realphilosophie, d. i. zur Natur- und Geistesphilosophie und somit auch zur „Rechtsphilosophie" als Teil der Geistesphilosophie. Das Problem liegt für dieses Verhältnis darin, inwieweit es berechtigt ist, das reine Denken der Logik als die allgemeine Form der philosophischen Wissenschaft anzusehen, die auf die besonderen Inhalte der Realphilosophie angewendet werden kann und muß. 5. Das problematische Verhältnis von „Phänomenologie des Geistes" (1807) und „Enzyklopädie" unter dem Aspekt ihrer Repräsentation des Ganzen der Philosophie. Unklar ist hier, ob die phänomenologischsystematische Ganzheit und die logisch-systematische Ganzheit sich gegenseitig ausschließen, oder ob sie sich zu einer absoluten Totalität ergänzen. (Welche Rolle spielen die drei Schlüsse am Ende der „ E n zyklopädie"?) Zur besseren Ubersicht dieser Zuordnungsprobleme innerhalb der Hegelschen Philosophie seien die obigen fünf Punkte noch einmal schematisch veranschaulicht : Problematische Verhältnisse 11 ENZ

la) (phänbejepölog.systenyüin^tellung — upgultiger ¡ritemversuch ?) N

lb)

(logisch-system. Darstellung als letztgültig?)

nn AU ι nicht ausschließendes Ι Γ Μ 7 PH AN — I Nebeneinander? f " ENZ (logisch-system. (phänomenolog.-system. Darstellung) Darstellung)

Wie wenig die hier skizzierten Probleme auch in der neueren Hegel-Forschung b e j friedigend beantwortet sind, ja teilweise sogar noch gar keine Berücksichtigung finden, läßt sich exemplarisch an dem erst 1975 veröffentlichten Werk Charles Taylors (Hegel, London—New York 1975) ermessen, das noch eine Gesamtübersicht über die Hegeische Philosophie von der „Phänomenologie" bis zum Ende der „Enzyklopädie" erstellen kann, die rein inhaltliche Explikationen anbietet, ohne den formalen und damit auch inhaltlichen

10

Hegels System der philosophischen Wissenschaften als Enzyklopädie

2)

H i n f u h r u n g , Einleitung? PHAN WL (notwendiger Anfang (notwendiger Anfang der Wissenschaft) der Wissenschaft) absolute Methode des Systems — schon das Ganze der spekulativen Philosophie überhaupt?

3)

WL (die eigentlich spekulative Philosophie)

ENZ (Logik, Natur- u n d Geistesphilosophie)

Anwendung? 4)

WL (Form?) (Logik)

5)

REALPHILOSOPHIE (Inhalt?) (Natur- u n d Geistesphilosophie)

Philosophie : PH Α Ν und/oder (das G a n z e (phänomenolog.und system. Ganzheit) das E i n e )

ΕΝΖ (logisch-system. Ganzheit)

Wandel dieser Philosophie aus der immanenten und somit notwendigen Problematik ihrer systematischen Gesamtkonzeption zu begründen. Das Resultat solcher Unternehmungen vermag selten über ein an der Persönlichkeit des Philosophen gemessenes Verständnis von Philosophie hinaus zu kommen, wie es auch bereits 1947 von A. Kojève vorgelegt wurde, und welches bei ihm die Einteilung der Hegeischen Philosophie in eine phänomenologische, metaphysische und ontologische Ebene zur Folge hatte. Siehe dazu A. Kojève, Hegel. Eine Vergegenwärtigung seines Denkens, Kommentar zur „Phänomenologie des Geistes", hrsg. v. I. Fetscher, Stuttgart 1958 (verkürzte, aber autorisierte deutsche Ubersetzung v.: A. Kojève, Introduction à la Lecture de Hegel, Paris 1947), 176 f: „Wie jede wirkliche Philosophie entwickelt sich Hegels Wissenschaft auf drei übereinander liegenden Ebenen. Sie beschreibt zunächst die Totalität des wirklichen Seins, wie es dem der Wirklichkeit angehörenden, in ihr lebenden, tätigen, denkenden und sprechenden wirklichen Menschen ,erscheint' oder sich zeigt (d.i. die .Phänomenologie des Geistes'; Verf.) . . . Der Philosoph fragt sich weiter, wie die Wirklichkeit, d . h . die wirkliche (natürliche und menschliche) Welt beschaffen sein muß, um in der Weise e r scheinen' zu können, in der sie als .Phänomen' tatsächlich ,erscheint'. Antwort auf diese Frage gibt die Metaphysik, die bei Hegel ,Philosophie der Natur' und ,Philosophie des Geistes' heißt (wobei .Geist' ,Mensch' bedeutet). Schließlich verläßt der Philosoph auch die Ebene der metaphysischen Beschreibung und erhebt sich zur ontologischen Ebene, um die Frage zu beantworten: wie muß das Sein selbst als Sein beschaffen sein, um auf die in der Metaphysik beschriebene Weise als natürliche und menschliche Welt, deren Erscheinung in der Phänomenologie beschrieben wird, Wirklichkeit werden oder existieren zu können? Diese Beschreibung der Struktur des Seins als solche geschieht in der Ontologie, die Hegel ,Logik' nennt (und vor der Metaphysik, aber nach der Phänomenologie darstellt)".

Enzyklopädische Systemkonzeption in ihrer Anfangs- und Einleitungsproblematik

11

Sofern die Sache der Philosophie über ihre persönliche Ausprägung hinweg als Eine Wissenschaft und das System der philosophischen Teilwissenschaften in der Gestalt ernstgenommen wird, die Hegel ihr in seiner „Enzyklopädie" gab, kommt der Interpret der Hegeischen Philosophie nicht um Stellungnahmen zu den oben umrissenen Problemen, die mit dieser Gestalt verbunden sind, herum. Eine vorläufige Beantwortungsperspektive dieser Probleme sei im folgenden Punkt versucht, der jedoch nur als eine Ubersicht über noch unbegreifliche Resultate der weiteren Untersuchungen angesehen werden darf, aber dennoch sinnvoll ist, um den inneren Zusammenhang der daran anschließenden expliziten Erörterungen durchsichtig zu machen, besonders auch in Hinsicht auf den Nutzen dieser Erörterungen für die /ogz'sc/?-systematische Analyse der re^Z-philosophischen Dimension „Objektiver Geist", d. h. der „Rechtsphilosophie".

1.3.

Die enzyklopädische Systemkonzeption und Einleitungsproblematik

im Horizont ihrer

Anfangs-

Die „Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften" wird von Hegel als die systematische und einzig wissenschaftliche Selbstdarstellung des Ganzen der Philosophie vorgestellt. Die damit beanspruchte, bestimmt organisierte Vollständigkeit dieser Darstellung, d. i. deren Totalitätsanspruch, nötigt die Frage auf, wie und wo hier eigentlich angesetzt wird, und warum nur so, wie hier angesetzt wird, das philosophische Denken überhaupt ansetzen kann. Zum einen wird dieser Ansatz mit der Logik als dem notwendig ersten Teil der „Enzyklopädie" als systemimmanent bestimmt ausgewiesen und somit als systemextern und vorweg nicht antizipierbar herausgestellt; zum anderen erleidet er aber eine erhebliche Relativierung dieser seiner innersystematischen Selbstgenügsamkeit dadurch, daß seine rein logische Natur sich auch von der „Phänomenologie" her begründen läßt, womit dann eben nicht mehr die Logik, sondern die „Phänomenologie" den Anfang der Philosophie stellen würde. Dieser auf den ersten Blick doppelte Anfang der Philosophie bei Hegel ist allein durch den Hinweis auf eine spätere Änderung seines Systemkonzepts — oder gar durch den Verweis auf eine veränderte Disposition des „philosophierenden Subjekts" 1 2 — nicht schon ausreichend erklärt und als Problem aus dem Weg 12

Vgl. K . Rosenkranz, G . W . F. Hegels Leben, Nachdr. Darmstadt 1963, 206: „ D i e Doppelheit des Anfangs liegt in dem Unterschied des Anfangs, welchen das philosophierende Subjekt macht, das an die Spekulation erst herangeht und, wie Hegel scherzhaft sagt,

12

Hegels System der philosophischen Wissenschaften als Enzyklopädie

geräumt. Vielmehr erhält sich dieses Problem auch in der wissenschaftlichen Philosophie überhaupt als das Problem der Einleitung in die Wissenschaft und der Hinführung zur Wissenschaft, d. h. — vor dem allgemeinen Hintergrund des Aspekts einer philosophischen Propädeutik, welcher an sich dem Totalitätscharakter des Hegeischen Systemgedankens grundsätzlich zuwiderläuft — konkreter in der Frage, ob die Einleitung als ein Teil der Wissenschaft im Grunde keine Einleitung, sondern schon der bestimmte Anfang der Wissenschaft ist, oder ob die Einleitung als eine selbst unwissenschaftliche Hinführung zum Anfang der Wissenschaft der Wissenschaft generell bloß äußerlich bleibt. Vor dem Horizont dieser Fragestellung verliert die „Phänomenologie des Geistes" nie ihre Bedeutung als mögliche oder unmögliche Einleitung in Hegels wissenschaftliches Philosophieren — auch nach dessen Darstellung im enzyklopädischen System nicht — und muß in Reflexionen, die die ganzheitliche Gestalt des letzteren betreffen, miteinbezogen werden. Auch die Frage nach der alleinigen und absoluten Methode der philosophischen Wissenschaft ist mit dieser Einleitungsproblematik berührt; denn läßt die Philosophie tatsächlich stets noch eine ihrer jeweiligen Ausführung selbst äußerliche Methode der Begründung ihres bestimmten Verfahrens zu, dann wäre eben auch Hegels enzyklopädische Darstellung der Philosophie nicht als deren einzig mögliche Gestaltwerdung anzusehen, diese daraufhin eben auch nicht das Eine und Ganze der Philosophie überhaupt. Die damit auftretende, allgemeine Relativierung der „Enzyklopädie" fände freilich auch ihre Entsprechung in der jeweiligen Relativierung der einzelnen Systemteile derselben, die somit keinerlei Anrecht mehr auf eine allein angemessene Darstellung ihrer jeweiligen Gegenstandsbereiche geltend machen könnten. Um dem zu begegnen, muß der bestimmte Anfang des enzyklopädischen Systems auch innersystematisch als der absolute Anfang der Philosophie überhaupt zu setzen und damit Hegels enzyklopädische Systemkonzeption derselben auch nur von dorther zu begründen sein. 1.3.1.

Die „Phänomenologie des Geistes" und der Anfang der Philosophie

Die „Phänomenologie des Geistes" wurde von Hegel selbst nach ihrer Vollendung als die Vorbereitung des Standpunktes der streng wissenschafterst auf den Kopf gestellt werden muß, und desjenigen Anfangs, welchen die Idee an und für sich als Selbstentwicklung macht und in welchem der objektive Begriff des Anfangs überhaupt, d . h . die Identität von Sein und Nichtsein, enthalten sein muß".

Enzyklopädische Systemkonzeption in ihrer Anfangs- und Einleitungsproblematik

13

liehen Philosophie und insbesondere deren ersten Teils, der Logik, ausgegeben. Damit spielt bei ihm die „Phänomenologie" die Rolle einer vorwissenschaftlichen oder auch unwissenschaftlichen Hinführung zum wissenschaftlichen Philosophieren und wird überhaupt als philosophische Schrift disqualifiziert, wenn die für das enzyklopädische System aufgestellte Gleichung von Philosophie = Wissenschaft (vgl. oben, 4) volle Gültigkeit hat. Wie eine demnach „unphilosophische" Abhandlung eine Einleitung in die Philosophie sein kann, muß sich im Rahmen der Begründung des Systemanfangs der eigentlichen Philosophie herausstellen.

1.3.1.1. Das Problem der Einleitung Schon die Tatsache, daß Hegel das Problem des Anfangs der Wissenschaft in einer gesonderten Erörterung der „Wissenschaft der Logik" voranstellte 13 , deutet darauf hin, daß es sich hierbei nicht nur um ein .pädagogisches Bedürfnis' 14 , sondern um eine fundamentalere, die Philosophie als Wissenschaft überhaupt betreffende Problematik handelt 15 . Auch das schwerfällige Beginnen der „Enzyklopädie" von 1830 kann als äußeres Indiz eines dem wissenschaftlichen System immanenten Begründungsnotstandes seines Anfangs gewertet werden: nach den drei „Vorreden" folgt die „Einleitung" in das enzyklopädische System, sodann der „Vorbegriff" der „Wissenschaft der Logik" und der „Nähere Begriff und Einteilung der Logik", dann erst kommt der erste Teil des Systems, die Logik, zur Darstellung. Alle diese von Hegel angebotenen „Einleitungen" verfolgen den selben Zweck: sie sind der „Versuch, das natürliche Bewußtsein in einer durch die Wissenschaft seihst organisierten Gestaltenfolge (Hervorhebung v. Verf.) auf den Standpunkt der Wissenschaft zu nötigen" 1 6 ; mit anderen Worten: die Einleitungen stehen in Hegels Schriften zwar den eigentlich wissenschaftlichen Ausführungen voran, im Kern ihrer Argumentation können sie aber nur vom Gang und dem Resultat dieser Ausführungen her voll eingesehen 13 14

15

16

Siehe WL I, 5 1 - 6 4 : „Womit muß der Anfang der Wissenschaft gemacht werden?" Vgl. Nicolin/Pöggeler, Zur Einführung in die „Enzyklopädie" (1830), Enz XXXV: „So vielfach Hegel deutlich zu machen sucht, daß es keine eigentliche Einleitung in das philosophische System und somit in seine Enzyklopädie gebe, so stark fühlt er selbst das pädagogische Bedürfnis, seine Leser und Hörer an die Philosophie heranzuführen". Vgl. H . F. Fulda, Das Problem einer Einleitung in Hegels „Wissenschaft der Logik", Frankfurt/M. 1965, 57. H . F. Fulda, ibid., 19.

14

Hegels System der philosophischen Wissenschaften als Enzyklopädie

werden, weil sie nicht der selbständigen Entwicklung unwissenschaftlicher Gedanken überlassen, sondern von vornherein durch die Intention der Nötigung des Denkens zur Wissenschaft von dieser selbst her — also von deren eigentlicher Ausführung selbst her — determiniert sind 17 . Von daher haben sie auch nie als Einleitungen bereits Plausibilität. Sie basieren immer schon auf der Einsicht in „die konsequente Vermittlung (Hervorhebung v. Verf.) des ,Standpunktes der Wissenschaft' für ein gewöhnliches Bewußtsein, das durch seine eigenen Voraussetzungen (d. i. bei Hegel: ein defizienter Modus der Wissenschaft selber zu sein; Verf.) auf den Weg zur Wissenschaft genötigt wird" 1 8 . Dieser Nötigung des Vorwissenschaftlichen zur Wissenschaft durch die Wissenschaft selbst — ermöglicht aufgrund des wesentlich Wissenschaftlichen vorwissenschaftlicher Standpunkte des Denkens — inhäriert bereits der Aspekt einer prinzipiellen Selbstvermittlung des philosophisch wissenschaftlichen Denkens, welche Hegel tatsächlich der Philosophie überhaupt und damit auch seinem System der philosophischen Wissenschaften unabdingbar zugrunde legt 19 . So ist für Hegel dann auch überhaupt der „ A n f a n g , den die Philosophie zu machen hat, . . . . der freie Akt des Denkens, sich auf den Standpunkt zu stellen, wo es für sich selber ist und sich hiemit seinen Gegenstand selbst erzeugt und gibt" (Enz, § 17); letzteres aber findet absolut in der Logik statt, insofern in ihr das Denken sowohl Gegenstand als auch in der begreifenden Entwicklung dieses Gegenstands erst die Ausführung seiner als wirkliches Denken ist, d. h.: insofern in der Logik Methode und Gegenstand überhaupt auf absolut rein identische Weise zusammenfallen (vgl. WL I, 23). Aus diesem Grunde zeichnet sich auch die Logik als die philosophische Disziplin aus, die den eigenen wissenschaftlichen Anfang des enzyklopädischen Systems zu stellen hat. Welche Rolle kann aber da die „Phänomenologie des Geistes" noch spielen, wenn die Philosophie sich in der Ausführung der Logik wissenschaftlich mit ihrem Anfang vermittelt und somit keiner weiteren, vor allen Dingen unwissenschaftlichen Begründung mehr zu bedürfen scheint, wenn es also „in der Natur des 17

18 19

Dieser Charakter von ,Einleitung' wird später bei der Bestimmung der Funktion der „Einleitung" der „Rechtsphilosophie" für deren Darstellungsstruktur von großer Bedeutung sein. Auch für diese Einleitung gilt, daß sie in bestimmter Hinsicht das Ganze der darauffolgenden Ausführungen vorwegnimmt, und zwar in Form der reinen Abstraktion der Struktur der rechtsphilosophischen Inhalte. H . F. Fulda, a . a . O . , 18. Vgl. H . F. Fulda, ibid., 9: „Jede Thematisierung der Einleitung, die das in dieser enthaltene Geltungsproblem nicht mit dem Problem der absoluten Selbstvermittlung der Wissenschaft zusammenbringt, verfehlt daher ihren Gegenstand".

Enzyklopädische Systemkonzeption in ihrer Anfangs- und Einleitungsproblematik

15

Anfangs selbst liegt, daß er das Sein sei und sonst nichts. Es bedarf daher keiner sonstigen Vorbereitungen, um in die Philosophie hineinzukommen, noch anderweitiger Reflexionen und Anknüpfungspunkte" (ibid., 57). Diese letzte Frage hat in der neueren Hegel-Forschung in einigen bedeutenden Arbeiten, in denen ein durchgängiges Verständnis des Systems der Hegeischen Philosophie angestrebt wurde, eine gründliche Diskussion erfahren und ist in ihrer Bedeutsamkeit für den Stellenwert der enzyklopädischen Darstellung innerhalb der ganzen Philosophie Hegels erkannt und bestätigt worden 2 0 . Wenn an diesem Punkt der vorliegenden Untersuchung auch noch nicht detailliert auf diese Diskussion eingegangen und diese Frage bestimmt entschieden werden kann, so deutet sich hier doch schon an, wie eng in der Philosophie das Einleitungsproblem mit der Begründung ihres Ansatzes, d . h . mit der Begründung ihres bestimmten Anfangs, verknüpft ist, was überhaupt nicht nur als eine eigentümliche Besonderheit der Hegeischen Philosophie anzusehen ist, sondern von Philosophie überhaupt, wo diese sich als ein Ganzes selbst zu vermitteln trachtet und damit einer jeden weiteren, in ihr selbst nicht gegenständlich werdenden Begründung ihres Unternehmens, worauf gemeinhin die Einleitungen nicht-philosophischer Wissenschaften abzielen, entsagt 2 1 . Die Besonderheit für die Hegeische Philosophie liegt nur darin, daß hier die Konzeption dieses Ganzen mehrfach ansetzt, daß hier sowohl ein phänomenologischer wie ein logischer Anfang der Philosophie vorgelegt werden, beide Anfänge aber nicht als sich gegenseitig absolut ausschließend, sondern auch noch als sich wechselseitig bedingend begriffen werden sollen. Hegel wollte zwar später die „Phänomenologie" von 1807 nicht mehr als Moment des streng wissenschaftlichen Systems der Philosophie und nicht mehr als dessen eigentlichen Anfang, wohl aber noch als Einleitung in die Wissenschaft und als Hinführung zum wissenschaftlichen Standpunkt des Philosophierens verstanden wissen 2 2 , was eben zur Folge hat, daß das Ganze seiner Philosophie unter einer doppelten Perspektive steht: nämlich daß hier das wissen20

Neben dem bereits genannten Werk H . F. Fuldas sei hier exemplarisch noch auf einige weitere Arbeiten hingewiesen: K . Harlander, Meisenhei'm/Glan 1969, Absolute Subjektivität und kategoriale Anschauung, Teil I: D a s System des späteren Hegel und die Phänomenologie des Geistes von 1807; J . Heinrichs, Die Logik der „Phänomenologie des G e i s t e s " , Bonn 1974; L . B . Puntel, Darstellung, Methode und Struktur, Bonn 1973, Teil D : Die „Phänomenologie des G e i s t e s " (1807) im System. Puntel nimmt mehrfach in seinem Werk explizit zu Fuldas Ausführungen Stellung. Vgl. ferner auch die Rezension von Fuldas Werk von R. K . Maurer: Der fast integrierte Hegel, in: Philosophische Rundschau X I V , Tübingen 1967, 2 0 8 - 2 2 0 .

21

Vgl. Fulda, a . a . O . , 2 f . Vgl. Fulda, ibid.: 8f, 12f, 52, 112f, 160f.

22

16

Hegels System der philosophischen Wissenschaften als Enzyklopädie

schaftliche Prius nicht schon überhaupt mit seiner faktischen Prämisse identisch ist, was sich an einem späteren Punkt unserer Untersuchungen als das entscheidende Charakteristikum der allgemein methodisch ambivalenten Struktur dieses Ganzen (zum einen — selbst nur passiv bleibend — allein vom Gegenstand auszugehen, zum anderen - aktiv eingreifend — denselben logisch zu konstruieren) erweisen wird. Zunächst einmal wird unter der Möglichkeit dieser doppelten Perspektive nur offenbar, daß mit Hegels Konzeptionswandel des Anfangs seiner Philosophie zwangsläufig auch der Wandel des Weges zur Philosophie und des eigenen Weges der Philosophie verbunden ist; dem inhäriert, daß das Einleitungsproblem der Philosophie nicht von deren tatsächlicher Durchführung überhaupt isoliert, sondern nur im Zusammenhang mit derselben diskutiert werden kann.

1.3.1.2. Das Verhältnis der Einleitung zur Darstellung der Philosophie als Ganzes Die bisherigen Ausführungen bekunden, daß im Hegeischen Philosophieren ein explizites Spannungsverhältnis zwischen Systemeinleitung und autonomer Selbstvermittlung seines Systems der wissenschaftlichen Philosophie vorliegt, in welchem sich beide als sich wechselseitig bestimmend behaupten und sich von dem jeweiligen anderen ihrer selbst begründen lassen. Ein solches Verhältnis aber spiegelt dieselbe dialektische Bestimmung seiner Elemente wider, die an sich prinzipiell und im Konkreten der ganzen Eigenentwicklung des wahrhaften Begriffs der Philosophie überhaupt zukommt, und erscheint somit gegen den ersten Anschein seiner System-Äußerlichkeit und seiner primär tw-systematischen Problematik selber als ein Teil der innersystematischen Entwicklung des Geistes nach seinem Begriff, d. h. Hegels enzyklopädischen Systems der Philosophie. Die sich hiermit andeutende wesentliche Vermittlung von Einleitung in das System („Phänomenologie") und diesem eingeleiteten System („Enzyklopädie") läßt diese beiden Verhältnispole als Isolierte, Gegenübergestellte und Vereinzelte in einem unwesentlicheren Licht erscheinen, als es eine beide grundsätzlich voneinander abisolieren wollende Betrachtung sehen möchte, indem diese Vermittlung beide als jeweils vereinzelt Eigenständige nur negativ bestimmt und nur ihrem Verhältnis letztlich Positivität abgewinnt. Die Negativität dieser Einleitung liegt in ihrer prinzipiellen Begrenztheit durch das, was eingeleitet werden soll, also in ihrer Unselbständigkeit und

Enzyklopädische Systemkonzeption in ihrer Anfangs- und Einleitungsproblematik

17

Verpflichtung gegenüber dem System, dessen Einleitung sie ist 23 . Eine system-externe Einleitung in ein System ist allgemein überhaupt nur dann auch wirklich eine Einleitung in eben dieses System, wenn sie in bestimmter, nicht beliebiger Weise extern ist. Diese ihre Bestimmtheit aber rührt von dem System her, das sie eigentlich erst einleiten soll, und macht als ihre Bestimmung ihr Wesen aus; d. h. aber: die Einleitung ist wesentlich selbst systembedingt, obwohl sie gerade als eine Systemäußerlichkeit allererst die Vorbereitung der Bedingungen des Systems leisten soll. Damit ist die Einleitung jedoch nicht nur ein durch das System Begrenztes, sondern auch ein die Bedingungen des Systems selbst Begrenzendes, und somit dessen eigene Negativität, die man auch so ausdrücken könnte, daß die Negativität des Systems darin beruht, daß dieses nicht ohne Einleitung auskommen kann, daß es einer Vorbereitung seines Standpunktes bedarf. Das System als von der Einleitung Unterschiedenes und selbst Negatives der Einleitung (d. i. in der Einleitung noch nicht System zu sein) wird demnach seinem Anspruch auf Vollständigkeit und wesentliche Integration des Ganzen seines Gegenstandes nicht gerecht, solange diesem Gegenstand noch eine Hinführung zu seiner systematischen Darstellung gemäß ist, oder mit anderen Worten: solange das System seine Endlichkeit (Grenze) an dem externen Charakter seiner Einleitung hat. Indem diese Endlichkeit des Systems sich aber gerade als seine Endlichkeit qualifiziert — denn es handelt sich ja nicht um irgendeine Einleitung, sondern um eine bestimmte Einleitung in ein bestimmtes System —, verbleibt sie im Bereich systemimmanenter Bestimmtheit und affirmiert als die Äußerlichkeit des Systems gerade dessen Totalitätsanspruch einer vollständigen und unendlichen Erfassung seines Gegenstandes. Diese nicht nur dialektische, sondern auch spekulative Grundstruktur des Verhältnisses von Einleitung und Eingeleitetem führt zwangsläufig zu Reflexionen über das Ganze der Hegeischen Philosophie, die im Augenblick noch spektakulär anmuten, weil sie ihre Begründung erst in der ausführlichen Problematisierung der Beziehung von Anfang und Resultat und deren Bedeutung für die Gestalt dieser Philosophie erfahren können, was aber einem späteren Komplex der vorliegenden Untersuchung vorbehalten bleibt. 23

Auf der wesentlichen Negativität des Einleitenden beruht auch die in der „Enzyklopädie" angegebene Möglichkeit der Philosophie, mit der negativen Struktur des skeptischen Denkens ihren Anfang nehmen zu können, wie auch die Möglichkeit, die „Phänomenologie" überhaupt als Hinführung zur wissenschaftlichen Philosophie in Betracht zu ziehen, da sie die Entwicklung des in seiner Negativität verhafteten Geistes, d. i. die Entwicklung des Bewußtseins zum Selbstbewußtsein, darstellt und demnach an sich selbst als die Erscheinung eines falschen Wissens aufgefaßt werden kann (vgl. Phän, 33 f).

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Hegels System der philosophischen Wissenschaften als Enzyklopädie

Ein dialektisch-spekulatives Verhältnis ist (seinem konkreten Auftreten in der eigentlichen Wissenschaft der Philosophie nach) der wesentliche Ausdruck seiner Verhältnispole, oder anders: das, was die Pole in Wahrheit sind. Ein solches Verhältnis isoliert die Pole in ihrer scheinbaren Wirklichkeit und vermittelt sie in ihrer wahrhaften Wirklichkeit, besser noch: ihre Vermittlung ist ihre wahrhafte Wirklichkeit, ohne die sie auch einzeln nicht sind, was sie hier vorgeben zu sein. Aus der Anwendung dieser Verhältnisstruktur auf das Verhältnis von Einleitung und System folgt: 1. bei einer Gewichtung der Pole: Es gibt zum einen eine Einleitung und zum anderen ein System. Ihre Zuordnung ist ebenso problematisch wie ihr Auffinden überhaupt, weil es in Wahrheit (in Wirklichkeit) beide gerade nicht gibt, oder besser noch: weil es beide gerade nicht in Wahrheit gibt. 2. bei einer Gewichtung des Verhältnisses: Es gibt in Wahrheit weder eine Einleitung in das System, noch das System selber; letzteres insofern, da keine wahrhafte — d. i. stringent notwendige — Hinführung zum System möglich ist und somit auch in Wahrheit kein stringent notwendiges System, wenn Notwendigkeit überhaupt nicht nur als etwas Formallogisches, sondern als eine Faktizität des Geistes verstanden werden soll. Es lag nahe, die Einleitungsproblematik des Hegeischen Systems der Philosophie nur als ein spezifisches Problem der plausiblen Begründung des bestimmten Anfangs desselben anzusehen, das bei dessen weiterer Darstellung keine Rolle mehr spielt und insofern auch keiner Berücksichtigung mehr bedarf. Jedoch stellt sich nun heraus, daß die Bedenken, die sich bei der Frage nach der Möglichkeit einer Einleitung in dieses System erheben, auch für den Geltungsanspruch dieses Systems selber eine fundamentale Bedeutung erlangen. Folglich können die Erörterungen der Einleitungsproblematik auch nicht als eine eigentlich nur vor-philosophische Angelegenheit angesehen werden, sondern müssen als das eigene Anliegen einer Philosophie, die die Darstellung ihres Ganzen nach seinem Begriff zum Gegenstand hat, schon deren allgemeine Charakteristika widerspiegeln. Was Hegel überhaupt gegen die Idee einer Einleitung in die Philosophie geltend macht, ist das Argument, daß eine „vorläufige Explikation der Notwendigkeit und Wahrheit philosophischer Erkenntnis" 24 im Grunde 24

H . F. Fulda, a . a . O . , 21.

Enzyklopädische Systemkonzeption in ihrer Anfangs- und Einleitungsproblematik

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keine Einleitung in die Philosophie sein kann, wenn sie in der Tat nur vorläufig bleibt, denn sie kann als vorläufige Explikation keine letztlich gültigen Begründungen anbieten, begründet somit auch gar nicht, was sie einleiten soll, und leitet daher auch gar nichts ein. Das läßt sich auch noch anhand der Frage nach der Möglichkeit einer unwissenschaftlichen Hinführung zur Philosophie als Wissenschaft spezifizieren: wie kann ein unwissenschaftliches Denken das wissenschaftliche begründen und den Sprung in die Wissenschaft als notwendig ausweisen, wo doch die Notwendigkeit selbst eine Kategorie des Wissenschaftlichen ist? Aber auch wenn die vorläufige Explikation philosophischer Erkenntnis nicht als nur vor-philosophisch, sondern schon als eine eigene Angelegenheit der Philosophie angesehen wird, kann dieser nicht der Status einer Einleitung zugesprochen werden, insofern so die Philosophie in ihrer Einleitung auch nur bei sich selbst bleibt und nur philosophisch zur Philosophie führt, d. h. auch so im Grunde gar nicht eingeleitet wird (vgl. Enz, § .10). Demzufolge scheint überhaupt eine Einleitung in die Philosophie nicht denkbar zu sein, jedenfalls nicht als eine an deren Anfang stehende Vorbereitung des wissenschaftlichen Verfahrens derselben 25 . Dieser Sachverhalt sei noch einmal veranschaulicht: 1. Möglichkeit: vor-philosophische Einleitung 2. Möglichkeit: philosophische Einleitung

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Philosophie Philosophie

zu 1 : Der Sprung der außer-philosophischen in die philosophische Ebene kann nicht von der Einleitung her als notwendiger eingesehen werden, da die Einleitung als nur philosophische Vorläufigkeit zu dieser Begründung Kategorien benötigen würde, die erst der Wissenschaft der Philosophie eigen sind. Im Grunde ist ein solcher notwendiger Sprung also erst von der eigentlichen Philosophie, dem Eingeleiteten her begründbar: daher leitet diese Einleitung nichts ein. 25

Diese Uberzeugung von der prinzipiellen Unmöglichkeit einer Einleitung in Hegels Philosophie vertraten schon Schelling, C h . H . Weisse, I. H . Fichte, Κ . Ph. Fischer, Ulrici, Chalybäus, Husserl und Heidegger. In letzter Zeit ist sie erneut vorgetragen worden von H . H . Ottmann in seinem Buch: Das Scheitern einer Einleitung in Hegels Philosophie. Eine Analyse der „Phänomenologie des Geistes", München und Salzburg 1973 (s.a. die Rezension dieses Buches von K . - H . Nusser in: Philosophische Rundschau, 22. Jahrg. Heft 1/2, Tübingen 1975).

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Hegels System der philosophischen Wissenschaften als Enzyklopädie

zu 2: Das „Verhältnis" ist nur ein Schein und zeigt nur scheinbar eine Fortentwicklung von der Einleitung in die eingeleitete Philosophie an, da die Philosophie in Wahrheit in ihrer „Einleitung" bei sich selber bleibt: daher leitet diese Einleitung nichts ein. Nun ist zum einen aber festzustellen, daß gewöhnlich bei Hegel geradezu ein Uberangebot an Einleitungen seinen jeweiligen eigentlichen Ausführungen vorangeht (vgl. oben, 13), daß zum anderen aber auch nicht zu leugnen ist, daß die Hegeische Philosophie durch das Ausmaß ihres Totalitätsanspruchs eine jede Möglichkeit ihrer Einleitung zunichte macht 26 . Wie ist dieser Widerstreit von faktischer Gegebenheit und denkerischer Unmöglichkeit in der Philosophie Hegels zu lösen? Der Schlüssel hierfür liegt in der dialektisch-spekulativen Natur des Ausdrucks Vor-läufigkeit. Die Einleitung als vor-läufige Explikation philosophischer Erkenntnis vollzieht in ihrer Begrifflichkeit und in dem Verhältnis ihres Ganzen zum Ganzen der Philosophie dieselbe dialektisch-spekulative Bewegung des Begriffs, die das innerste Prinzip der Entwicklung der eigentlichen Darstellung der Philosophie ausmacht. So ist sie hinsichtlich des für ihre Durchführung benötigten „Instrumentariums" (der Methode) letztenendes absolut an und in das explizierte Ganze der Philosophie gebunden, hinsichtlich der Explizierbarkeit des bestimmten Reifeniveaus ihres Gegenstandsbereiches (des Inhalts) kann sie jedoch erst als ein uneigentlicher — weil antizipatorisch impliziter — Anfang der Philosophie bestehen. Diese dialektisch-spekulative Bestimmung von Form und Inhalt in dem Verhältnis von Einleitung und Eingeleitetem ermöglicht es, die Einleitung in die Philosophie sowohl als im Grunde schon philosophische wie auch als im Grunde noch nicht philosophische Angelegenheit zu betrachten, insofern eine solche Verhältnisbestimmung sich einerseits an einer entsprechenden Systemstelle innerhalb der eigentlichen Philosophie selber als in Wahrheit für das philosophische Denken faktisch immer gegeben qualifiziert und so die Qualifikation der Einleitung selber schon Sache der eingeleiteten Philosophie ist, andererseits aber gerade durch die Vorlage der eigentlichen Philosophie die in deren Einleitung konkret vorliegende Bestimmtheit des spekulativen Gedankens als nur vor-philosophisch erkannt wird. Dieser Sachverhalt findet in der Vor-läufigkeit der Einleitung in die Philosophie seine angemessene Charakterisierung. Dem26

Respektive letzteres dient Ottmann als ein Beleg für die Unhaltbarkeit der Einleitungsidee bei Hegel, denn es sei unmöglich, Einleitung in das System (Systemexternität) und Abgeschlossenheit des Systems (keine Externität) zugleich zu propagieren (vgl. a . a . O . , 38).

Enzyklopädische Systemkonzeption in ihrer Anfangs- und Einleitungsproblematik

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nach ist festzuhalten, daß Hegel sich gegen eine Einleitung ausspricht, sofern vorläufig einzig im nicht-spekulativen Sinn: von schon vorne am Anfang fixierbare und ausreichend gültige Vorwegnahme des Philosophischen, von vollständiger Antizipation der Philosophie, von bequemem Einstreichen der philosophischen Wahrheit als einer hier schon voll „ausgeprägten Münze" (Phän, 33), von Philosophie „wie aus der Pistole" geschossen (ibid., 26) 2 7 , verstanden wird, daß er aber für eine Einleitung Stellung nimmt, wenn vor-läufig im spekulativen Sinn als zu-nächst (das Naheliegende einer unvollkommenen Gestalt des philosophischen Denkens) und als noch-nicbt (nach dem vollen Begriff) aufgefaßt wird. Die spekulative Vorläufigkeit stellt bei Hegel, wie bereits erwähnt, nicht nur ein Charakteristikum der Einleitung in seine Philosophie, sondern darüber hinaus auch ein fundamentales Gestaltungsprinzip der innersystematischen Entwicklung dieser Philosophie selber, quasi deren immanenten Gang. Hegels wissenschaftliches System der Philosophie ist überhaupt im ganzen eine vor-läufige Explikation philosophischer Erkenntnis, eine kreisförmige Explikation, in der eine jede konkrete Bestimmung grundsätzlich nach vorne läuft, sowohl zu einem weiteren Resultat ihrer selbst wie auch zu einer anfänglichen Grundlegung ihrer selbst hin. Demnach ist es zwar richtig, daß ebenso wie der eigentlich wissenschaftliche Anfang dieser Philosophie selbst, auch deren faktischer, vor-wissenschaftlicher Anfang mit einer Einleitung erst von deren Ende her in vollem Umfang begriffen werden kann, aber es wäre zu einseitig, wollte man die Bedeutung übersehen, die auch diese einleitende Anfänglichkeit derselben für deren Gesamtstatus überhaupt hat, und zwar gerade unter der Perspektive ihrer Wissenschaftsimmanenz, gerade unter der Perspektive ihrer bestimmten Teilhabe an der allgemeinen Vorläufigkeit der wissenschaftlichen Philosophie. Hier ist ein Punkt erreicht, wo sich aus der anfangs nur behaupteten, wechselseitigen Bestimmung von Einleitung und dargestellter Philosophie und aus der bisher nur formal erörterten, beidseitigen Eingrenzung und Negation die ersten Konsequenzen für die Gehalte und den Gesamtstatus von Philosophie überhaupt sowie der Hegeischen Philosophie abzeichnen, — Konsequenzen, die freilich erst im Laufe der weiteren Untersuchungen ihre vollständige Begründung erfahren können, aber dennoch schon jetzt skizziert werden sollen, um die Relevanz der philosophischen Einleitungs27

Vgl. ibid., 16: „So wenig ein Gebäude fertig ist, wenn sein Grund gelegt worden, so wenig ist der erreichte Begriff des Ganzen das Ganze selbst" (vgl. auch ibid., 23).

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Hegels System der philosophischen Wissenschaften als Enzyklopädie

Problematik für das Ganze der Hegeischen Philosophie vorzuführen und die nachfolgenden Ausführungen zu erleichtern. Wenn die Einleitung in die Philosophie allgemein davon profitiert, in ihrer Sachlichkeit grundsätzlich schon von der eigentlichen Ausführung der Philosophie her bestimmt zu sein, weil die Philosophie selbst in ihr bereits in gewisser Weise überhaupt bei sich selber ist, weil die Philosophie sich in ihrer Einleitung als immer schon eingeleitete Sache selbst voraussetzt, dann erleidet dadurch auch das Ganze der Philosophie eine empfindliche Relativierung seiner Letztgültigkeit, wenn diesem Ganzen überhaupt nicht nur die wesentliche Begründung seines Ansatzes inhärieren, sondern dieses als die eigentliche Ausführung desselben angesehen werden soll, wenn dieses Ganze in seinem Fortgang überhaupt nur als eine weitere Bestimmung seines Anfangs zu betrachten sein und somit vor allem in der Einsicht resultieren soll, daß sein ,Erstes' im Grunde auch schon sein ,Letztes' und sein ,Letztes' im Grunde nichts anderes ist, als sein ,Erstes' schon war (vgl. WL I, 56), d. h. wenn es sich auch in seinem Resultat wieder zu seinem Anfang umwenden soll, einem Anfang, der aber nichts mehr als ein bloßes, seiner Sache nicht voll angemessenes Zunächst des Wissens darstellte. Damit aber bleibt selbst auf der Basis eines höheren, wahreren Niveaus des Geistes, das das Denken in den eigentlichen Ausführungen der Philosophie gewonnen hat, die Philosophie als Ganzes, — eben weil sie einerseits ihren Ansatz nicht als einen solchen, sondern letztenendes nur über ihr Resultat wissenschaftlich begründen kann (es gibt keine Einleitung in die eigentliche Philosophie, . . . . ) , weil sie andererseits aber auch gerade ihren Begriff von Wissenschaftlichkeit in dieser und von dieser selbst unwissenschaftlichen Begründung ihres Ansatzes ableitet und sogar in ihrem Resultat selbst wieder zu dieser hinleitet (. . . ., weil die Philosophie im ganzen eine Einleitung in das Eigentliche gibt) —, überhaupt mit dem Mangel einer gewissen Anfänglichkeit des Wissens behaftet. Aus ihr resultieren so nie voll einsichtige, letztgültig wahre Ergebnisse; sie ist vielmehr immer nur eine sachliche Einleitung in das eigentlich Wesentliche der Sache der Philosophie, d. h. eine qualifizierte Hinführung zur Wahrheit, zum Absoluten, zum Sinn von Sein, zu Gott, somit die Realisation einer wesentlichen Unvollkommenheit des Geistes, wobei letztere, da sie nicht von einem nur zeitgebundenen oder subjektiven Mangel eines vereinzelten Denkens oder nur von der Unzulänglichkeit eines bestimmten „Zeitgeistes" herrühren, sondern allgemein im Wesen von Philosophie gründen soll, der Philosophie prinzipiell nur die Möglichkeit offenhält, das (An-)Denken an die Wahrheit zu bewahren, nie diese selber voll handhaben, oder gar absolut zur Hand haben und als ein

Enzyklopädische Systemkonzeption in ihrer Anfangs- und Einleitungsproblematik

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Fertiges den nicht-philosophischen Geistern an die Hand geben und zur Verfügung stellen zu können 28 . Dem hier explizierten un-endlichen Grundzug philosophischer Tätigkeit inhäriert die Absage an eine jede These, die mit, gegen oder in der Philosophie einen Endzustand des Geistes beschwören möchte, ganz gleich, ob diese einen solchen für bereits gegeben oder auch nur für möglich hält 29 . Aber ganz so bescheiden, wie es hier aussieht, braucht die Philosophie denn doch nicht aufzutreten, insbesondere nicht die Philosophie Hegels. Es ist ebenso einseitig wie falsch, einerseits die bloße Vorläufigkeit der anfänglichen Begründung eines Ansatzes der Philosophie, die Un-gründlichkeit einer philosophischen Propädeutik bereits als eigentliche Philosophie auszugeben, wie andererseits auch die eigentliche Philosophie in ihrem Ganzen nur unter dem propädeutischen Aspekt einer Hinführung zur Wahrheit und dessen unzureichender Gründung in der Wahrheit zu betrachten. In dem Verhältnis von propädeutischer Begründung des wissenschaftlichen Standpunktes der Philosophie (Einleitung) und wissenschaftlicher Begründung des propädeutischen Standpunktes in der Philosophie (die eigentliche Ausführung der Philosophie als Wissenschaft) kommt es keinesfalls in erster Linie auf eine Verkehrung der Funktionen der Exponenten dieses Verhältnisses an, vielmehr auf das Erkennen der grundsätzlich problematischen Struktur dieses Verhältnisses selber, insofern ein solches schon eine fundamentale Einsicht in das wahrhafte Wesen von Philosophie manifestiert: nämlich daß die Philosophie nicht unter der Perspektive eines Entweder-Oder — entweder endgültige Verfertigung, Bereitstellung, verfügbare Zubereitung der Wahrheit, oder: bloße Hinführung zur Wahrheit, bloße Annäherung an die Wahrheit — angemessen begriffen werden kann, da sie sich selber einzig als ein Sowohl-Als auch, als der eigentliche Vollzug des Spannungsverhältnisses zwischen diesen beiden Möglichkeiten zu verstehen weiß. Da Hegel gerade in der denkerischen Realisation dieses Spannungsverhältnisses das Absolute der geistigen und überhaupt menschlichen Möglichkeiten erblickt und er in seiner Philosophie auch zum ersten Mal dieses für ihn allgemein fundamentale Selbst-

28

Hierin liegt die Wurzel dessen, das wir später als das Tragische philosophischer Tätigkeit ausweisen. Wie wenig diese Tätigkeit gegen allen Anschein unserer Ausführungen mit der bloßen „ L i e b e zum Wissen" (Phän, 12) zu tun hat, gegen die sich Hegel in seiner und mit seiner Philosophie so entschieden verwahrt hat, kann erst im Teil III unserer Untersuchung eigens erörtert werden.

29

Bezeichnenderweise wird die Kategorie der Endlichkeit Sphäre des Begriffs abgehandelt.

in Hegels Logik in der

negativen

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Hegels System der philosophischen Wissenschaften als Enzyklopädie

Verständnis des Philosophischen tatsächlich verwirklicht zu sehen glaubt, steht gerade seine Philosophie in dem Anspruch, „das Wahre in der Form des Wahren" (Phän, 33) auch konkret zur Darstellung zu bringen, aber eben aufgrund dessen, daß sie sich vor allen anderen Philosophien dadurch auszeichnet, die spekulative Vorläufigkeit geistiger Manifestationen auch als eine solche auszuführen, nicht das Unsolide des Wissens um das Absolute und die Wahrheit wegphilosophieren und damit die absolute Natur des Wissens überhaupt ignorieren und wegrationalisieren zu wollen, sondern diese allererst einmal als eine solche zu begreifen und somit auch allererst einmal den Geist und seine Möglichkeiten positiv „auszuhalten". Die wechselseitige Beeinflussung, Begründung und — unter Vorbehalten — sogar gewisse Identität von Philosophie und deren Einleitung hat in einer Erweiterung dieser Problematik für die Philosophie Hegels die Frage aufgeworfen, ob Hegels Logik als der innerwissenschaftliche ,große Anfang' seines Systems der Philosophie, ob die logische Begründung seines Verfahrens nicht bereits das Ganze seiner spekulativen Philosophie schon vorwegnimmt. Zu dieser Problematik werden wir in den folgenden Ausführungen einen Vorbegriff vermitteln.

1.3.2.

Der Anfang des enzyklopädischen Systems mit der „Wissenschaft der Logik"

Hegels enzyklopädisches System der philosophischen Wissenschaften als das Ganze der Philosophie nach seinem Begriff nimmt seinen Anfang mit der Logik, und zwar nicht beliebig, sondern notwendig. Vor dem Horizont der bisher allgemein erörterten Einleitungsproblematik der Hegeischen Philosophie bleibt fragwürdig, wie und von woher sich dieser bestimmte Anfang als Anfang begründen läßt. Kann und muß er außerhalb dieses Systems als notwendig ausgewiesen werden? Oder wiederholt er in einer systemimmanenten Begründung seiner selbst als Anfang dasselbe spekulative Verhältnis innerhalb dieses Systems, das bei Hegel auch schon die Beziehung von vorsystematischer Einleitung zur Philosophie als System kennzeichnete? Ist vielleicht überhaupt auch noch ein anderer Anfang der Philosophie denkbar — etwa der Anfang der „Phänomenologie des Geistes" von 1807 — und demnach deren bestimmte enzyklopädische Darstellung nur das Resultat der Möglichkeit, mit der Logik zu beginnen? Alle diese Fragestellungen machen deutlich, daß die Suche nach einer Letztbegründung dieser Systemkonzeption im Grunde in die Frage mündet, wie deren An-

Enzyklopädische Systemkonzeption in ihrer Anfangs- und Einleitungsproblematik

25

satz sich als die absolute Methode der Philosophie zu rechtfertigen unternimmt.

1.3.2.1. Das Methodenproblem der philosophischen Wissenschaft im allgemeinen und bei Hegel im besonderen Die Legitimation wissenschaftlicher Methoden fällt in letzter Instanz in den Aufgabenbereich der Philosophie. Daher kann eine jede nicht philosophische Wissenschaft die Letztbegründung ihrer Methode außerhalb ihres eigenen Tätigkeitsbereiches voraussetzen und von dieser Voraussetzung her ihren Ansatz als bereits extern gerechtfertigt, oder wenigstens als überhaupt zu rechtfertigen, betrachten. Die Möglichkeit, daß ihre Methode ihrem Gegenstand nicht angemessen und somit ihr Aufbau und ihr Verfahren prinzipiell unwahr sein könnten, läßt ihre Forschung solange unberührt, solange diese nicht von einer anderen Seite oder auch durch ihre eigene Ineffizienz zu einer Revision ihrer methodischen Basis genötigt wird. Eine solche Revision erfolgt meistens nur aufgrund des äußerlichen Umstandes, daß der Erfahrungshorizont dieser Forschung eine Erweiterung und Differenzierung erfahren hat, die es erforderlich machen, die Methoden entsprechend anzupassen. In der philosophischen Wissenschaft jedoch sieht das ganz anders aus. Diese entbehrt nicht nur „des Vorteils, der den anderen Wissenschaften zu Gute kommt, ihre Gegenstände, als unmittelbar von der Vorstellung zugegeben" (Enz, §1), voraussetzen zu können, sondern auch noch des anderen Vorteils, „die Methode des Erkennens für Anfang und Fortgang, als bereits angenommen, voraussetzen zu können" (ibid.), d.h. sie muß innerhalb ihrer Durchführung selbst die Begründung der ihr eigenen Methode leisten 30 . Was aber ist das für eine Begründung, wenn diese allein mit der Anwendung eben dieser Methode durchzuführen ist? Für die streng wissenschaftliche Gestalt der Hegeischen Philosophie stellt sich dieses Problem in der Form, daß die Methode ihrer Darstellung 30

Vgl. E. Angehrn, Freiheit und System bei Hegel, B e r l i n - N e w Y o r k 1977, 5: „Im Gegensatz zu anderen Wissenschaften entbehrt die Philosophie nach Hegel des Vorteils, ihren Gegenstand wie ihre Methode voraussetzen zu können. Beides muß selber Thema der wissenschaftlichen Abhandlung werden und kann erst als deren Resultat in voller Bestimmtheit hervortreten. Die Nachzeichnung dessen, was bei Hegel System heißt, hat sich dem Prozeß seiner Selbsterfassung anzupassen und das System gerade im A k t dieser Selbsterfassung vor Augen zu führen — welcher A k t f ü r das System nicht redundante Selbstdarstellung, sondern selber konstitutiv ist".

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Hegels System der philosophischen Wissenschaften als Enzyklopädie

erfordert, daß hier überhaupt mit der Logik und in dieser mit dem Sein in der Bestimmung der ,unbestimmten Unmittelbarkeit' anzufangen sei, daß die Einsicht in diese Notwendigkeit aber erst am absoluten Systemende dieser Darstellung, bzw. in einer eingeschränkten Form (in der Einschränkung auf ihre Reinheit) auch schon am Ende der Logik vermittelt werden kann; d.h. jedoch: immer nachdem diese Methode bereits eine Anwendung gefunden hat, sei es nun im engeren Bereich ihrer eigentlichen Explikation als Methode selbst (in der „Wissenschaft der Logik"), oder gar auch schon im Ganzen der „Enzyklopädie" überhaupt. Insofern die explizite Darstellung dessen, was Hegel generell unter der absoluten Methode der Philosophie verstanden wissen will, den spezifischen Gegenstand seiner Logik ausmacht, die Methodik dieser Darstellung selbst aber nicht von außerhalb derselben oder gar in einem Vorweg schon begründbar ist, sondern selber bereits absolut den methodischen Prinzipien unterliegt, die im Gang ihrer Explikation als die einzig wahrhaften und überhaupt absoluten Prinzipien des philosophisch wissenschaftlichen Denkens ausgewiesen werden und somit — da es sich eben hier selber um ein solches handelt — auch hier schon voll zum Tragen kommen, muß gefolgert werden, daß Hegels Logik sich als die absolute Methode der Philosophie einzig aufgrund der Anwendung und gerade wegen der Anwendung methodischer Prinzipien auf sich selbst auszuführen vermag, welche in ihr selbst als die absoluten Prinzipien wissenschaftlicher Philosophie überhaupt eigens entwickelt werden 3 1 . In gewisser Weise realisiert so diese Logik jedoch bereits das wahrhafte Ganze von Philosophie überhaupt, denn sie stellt nicht vors erste nur eine „reine" Methode bereit, deren sachliche Gültigkeit sich allererst noch bei ihrer Anwendung auf einen Gegenstand zu bewähren hätte, vielmehr führt sie schon eine solche sachliche Anwendung und bewährte Gültigkeit an sich selber vor, indem sie sich in ihrer eigenen Explikation als Methode schon selbst gegenständlich wird, d.h. an sich selbst als „reine" Methode schon einen Gegenstand hat, wobei sich auch noch diese Gegenständlichkeit als der Gegenstand der Philosophie überhaupt (d.i. die Idee des Absoluten) zu erkennen gibt. Für Hegels ganzes Unternehmen der enzyklopädischen Systemerstellung der philosophischen Wissenschaften erhebt sich somit die 31

Dieser Selbstanwendungscharakter ist der Hegeischen Logik häufig zum Vorwurf gemacht worden. In einem späteren Teil dieser Arbeit (1,4.1.2.2.) wird sich herausstellen, daß dieser Selbstanwendungscharakter eine notwendige Bedingung dafür ist, den Anspruch dieser Logik auf Inhaltlichkeit auch an deren eigener Darstellung einlösen zu können und diesen somit nicht nur aus der realsystematischen Dimension der „ E n z y k l o p ä d i e " belegen zu müssen.

Enzyklopädische Systemkonzeption in ihrer Anfangs- und Einleitungsproblematik

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Frage, ob dieser Sachverhalt nur hinsichtlich der rein formalen Struktur dieses Systems in Betracht kommt — dann eben wäre die Logik „der Bau des Ganzen in seiner reinen Wesenheit" (Phän, 40) —, oder ob die Logik dieses System im ganzen und überhaupt vorwegnimmt, zumal dieses an seinem Ende ohnehin wieder in die Logik zurückkehren, und zumal seine realsystematische Dimension ohnehin nur eine weitere Explikation seiner logischen Idee sein soll. Die Beantwortung dieser Frage verlangt eine Bestimmung des Verhältnisses der Logik zur realsystematischen Dimension der „Enzyklopädie".

1.3.2.2. Das Verhältnis der wissenschaftlichen Methode zur realsystematischen Dimension der Wissenschaft Wenn Hegels Logik als die Analyse und Gesamtschau der Denkformen angesehen werden dürfte, in deren Rahmen sich die philosophische Interpretation der Wirklichkeit zu bewegen hätte, sofern diese als Wissenschaft auftreten wolle, so wäre das Verhältnis von Logik und Realphilosophie in der „Enzyklopädie" im wissenschaftsüblichen Sinne als ein Verhältnis von Form (rein methodisches Verfahren) und Inhalt (Gegenstand) zunächst ausreichend charakterisiert. Eine nähere Bestimmung dieses Verhältnisses lieferten Reflexionen über die hier vorliegende konkrete und spezifische Gestalt der Beziehung der Form zu und des Verfahrens der Form mit ihrem Inhalt. Hegels Logik verweigert sich jedoch einer solchen Zuordnung zur realphilosophischen Dimension der „Enzyklopädie" einerseits schon durch den Anspruch, nicht nur eine formale, sondern auch an ihr selber schon inhaltliche Logik zu sein, andererseits aber auch schon überhaupt durch die Unmöglichkeit des Gedankens einer bloßen „Anwendung" ihrer Kategorien auf „reale" Gegenstände, da sie selber schon ein Teil der vernünftigen Wissenschaft ist, in welcher die Opposition von bloß gedachter Form (Methode) und realem Inhalt (Gegenstand) allgemein keine Gültigkeit hat. Aus diesem Grunde ist sie an und für sich selbst schon die absolute Einheit von Methode (Form) und Gegenstand (Inhalt) in der vernünftigen Philosophie und kann so bereits als eine absolute Realisation derselben auftreten. Wie aber ist das mit ihrer Beschränkung auf eine bestimmte Systemstelle innerhalb des Ganzen dieser Philosophie vereinbar? Zwischen beiden Positionen kann vermittelt werden. Hegels Logik ist einerseits gerade als die absolute Methode seines ganzen Systems der Philosophie eben dieses Ganze, insofern das enzyklopädische System nichts

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Hegels System der philosophischen Wissenschaften als Enzyklopädie

anderes als die Darstellung der Philosophie nach dem Begriff unternimmt, die Logik aber als die Wissenschaft der vollständigen Explikation des Begriffs in diesem System somit nie als nur anfänglich zu isolieren und als vor der Realphilosophie bereits abgehandelt und überwunden betrachtet werden kann, sondern sich im Grunde in den übrigen Systemteilen immer nur selber näher ausführt, dieselben nur eine weitere Explikation der logischen Idee sind. Andererseits ist die Logik jedoch auch nur ein Teil dieses Systems, weil ihre Vollständigkeit sich auf die spezifische Vollständigkeit des reinen Denkens und dessen rein kategorialer Form beschränkt, die Philosophie im ganzen aber über diese absolute Reinheit ihres Gegenstandes und über diesen kategorialen Formalismus noch hinausgeht. Demnach ist die Logik das Ganze der Philosophie, wenn Philosophie nur Wissenschaft nach dem Begriff, nur eine rein begriffliche Wissenschaft ist, eine Teildisziplin der Philosophie, wenn überhaupt der Begriff der Philosophie die ganze Wissenschaft ist. Aus dieser Dialektik von Teil und Ganzem resultiert für die Darstellung der realsystematischen Sphären des enzyklopädischen Systems, daß sie zwar als Reproduktion der Logik vollzogen werden, aber nicht rein, sondern unter Berücksichtigung des jeweiligen systematischen Stands der Entwicklung des Ganzen der Philosophie, d.h. unter Berücksichtigung ihres Stellenwertes im enzyklopädischen System 32 . Die Methode des Hegeischen Philosophierens ist folglich nicht ein für allemal in der „Wissenschaft der Logik" schon absolut fest-gelegt. Von daher kann die Struktur der Logik auch nicht einfach nur schematisch auf die Darstellung der anderen Gegenstandsbereiche dieses Philosophierens übertragen werden; sie wird vielmehr jeweils der spezifischen Eigenart des Gegenstandes, der sie im einzelnen gilt, entsprechend „angepaßt" und modifiziert. Ganz allgemein ist somit für die Methodik des enzyklopädischen Systems festzuhalten: 1. Die „Wissenschaft der Logik" liefert trotz ihrer Eigenschaft, die Methode zu explizieren, kein Schema, nach welchem sich alle Disziplinen der „Enzyklopädie" exakt zu gestalten haben. 2. Jeder Systemteil hat eine eigene spezifische Logik. 32

Selbst eine Analyse der Methode der „Wissenschaft der Logik" kann nicht durchgeführt werden, ohne den innersystematischen Stellenwert der Logik in ihre Reflexionen mit einzubeziehen. Zwar gestaltet sich die Darstellung der Logik nach der immanenten Entwicklung des Begriffs, dieser kann aber nur aufgrund dessen, daß die Logik am Anfang des Systems steht, mit seiner vollständigen Unbestimmtheit beginnen, die andererseits freilich auch wieder ein Indiz dafür ist, daß das System gerade mit der Logik seinen Anfang nehmen muß.

Enzyklopädische Systemkonzeption in ihrer Anfangs- und Einleitungsproblematik

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3. Die spezifische Logik der Systemteile beruht: a) auf deren jeweiligem innersystematischen Stellenwert, b) auf der jeweiligen Eigenbestimmtheit ihres bestimmten Gegenstandsbereiches, wie c) jedoch auf der allgemeinen Verbindlichkeit der bestimmten Entwicklung des Begriffs in der „Wissenschaft der Logik". Die zwar durchgängige, jedoch nicht schematische Bestimmtheit des enzyklopädischen Systems der Hegeischen Philosophie durch die „Wissenschaft der Logik" bedingt und ermöglicht, daß dieses System an seinem Ende wieder auf eine bestimmte Weise zu seinem Anfang zurückkehrt (vgl. Enz, § 574), daß es sich in seinem Resultat wieder mit seinem Anfang zusammenschließt (die Grundbedingung für die Geschlossenheit und den Totalitätsanspruch dieses Systems), daß somit in diesem überhaupt „der Fortgang . . . . von dem, was den Anfang macht, nur als eine weitere Bestimmung desselben zu betrachten ist, so daß das Anfangende allem Folgenden zugrunde liegen bleibt und nicht daraus verschwindet" (WL I, 56), daß somit „der Anfang der Philosophie die in allen folgenden Entwicklungen gegenwärtige und sich erhaltende Grundlage, das seinen weitern Bestimmungen durchaus immanent Bleibende ist" (ibid.). Ist aber so diese enzyklopädische Darstellung der Philosophie nicht nur an ihren Anfang gebunden und eine andere Darstellung des Ganzen der Philosophie durchaus denkbar, wenn diese einen anderen Anfang, nicht den Anfang mit dieser Logik nehmen würde?

1.3.3.

Differierende Darstellungen des Ganzen der Philosophie („Phänomenologie des Geistes" und, „Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften")

Die Probleme des Anfangs der philosophischen Wissenschaft, die sich sowohl im Horizont einer wissenschaftsinternen Begründung desselben als auch vor dem Horizont der Begründung desselben durch eine „externe" Einleitung der Wissenschaft stellen, relativieren Hegels enzyklopädisches System dieser Wissenschaft in der Bedeutung, die einzig mögliche Organisation des Ganzen der Philosophie darzustellen. Ein expliziter Hinweis auf andere Möglichkeiten der Darstellung könnte in den letzten drei Paragraphen der „Enzyklopädie" liegen, wonach dann die „Phänomenologie des Geistes" über ihren Einleitungsstatus in die Wissenschaft hinaus zur zweiten Gestalt des Ganzen der Philosophie aufgewertet würde. Daraus würde

30

Hegels System der philosophischen Wissenschaften als Enzyklopädie

überhaupt eine Doppelrolle des Phänomenolgischen resultieren: dieses wäre sowohl die Einleitung in die streng wissenschaftliche Darstellung der Philosophie als auch selber — als das Resultat dieser Darstellung — deren Fortsetzung in veränderter Form. Daß hier nicht unbedingt eine Ungereimtheit im Hegeischen Denken, sondern möglicherweise eine immanente Notwendigkeit der Realisation des spekulativen Prinzips desselben vorliegt, dafür bietet dasselbe insofern einen Anhaltspunkt, als hier das faktisch Erste durchaus als das dem Begriff nach Zweite und das dem Begriff nach Erste durchaus als das faktische Zweite auftreten können 33 . Demnach wäre das Phänomenologische überhaupt als der faktische Beginn des philosophischen Denkens mit dem Bewußtsein, d.h. mit der Trennung von Denken und Gegenstand, einzustufen. Jedoch b e g r i f f e n wird diese Trennung erst, wenn sie aus der prinzipiellen Einheit von Denken und Gegenstand resultiert, die den Geist als absolut selbstbewußten voraussetzt, wenn diesen auch zunächst nur in der Abstraktion seines Begriffs, — also nach dem enzyklopädischen System; erst jetzt ist eine wirkliche Trennung möglich, in welcher sich — eben nach dem Begriff — die Getrennten nicht mehr wahrhaft wirklich verlieren können. Diese das Ganze von Philosophie überhaupt betreffende Bestimmung des Verhältnisses von „Phänomenologie" und „Enzyklopädie" erfordert freilich einen ganz anderen Aufwand an Begründung und Auseinandersetzung, als hier mit dem innerwissenschaftlichen Vermerk der dem spekulativen Prinzip des Hegeischen Denkens inhärierenden Eigentümlichkeit, eben jener relativen Umkehrbarkeit der systematischen Stufen I und II, angeboten wird. Eine ausführliche Analyse dieser Problematik würde jedoch den Rahmen unseres Themas sprengen. Dennoch ist eine gewisse Präsentation dieser Problematik für unser Unternehmen insoweit bedeutsam, als sich mit ihr eine prinzipielle Relativierung des enzyklopädischen Systems und damit auch dessen einzelner Systemteile ankündigt, die selbst noch innerhalb des Horizontes der Hegeischen Philosophie die Frage aufwirft, ob die vorliegende Darstellung der Philosophie des Rechts als die diesem 33

Wichtig wird diese relative Umkehrbarkeit von Faktizität und Systematizität bei unserer Analyse der Struktur der „Rechtsphilosophie", insofern der faktische Anfang politischer Gemeinschaft wohl kaum im abstrakten Recht, sondern eher in der Verbindlichkeit familiärer, religiös-sittlicher und im allgemeinsten Sinne kultureller Bestimmtheiten zu suchen ist, die in der „Rechtsphilosophie" jedoch dem Begriff nach, d.i. der wissenschaftlich systematischen Darstellung nach, erst „später" in Erscheinung treten. (Vgl. dazu etwa Enz, § 433 HZus: hier setzt Hegel den äußerlichen oder erscheinenden Anfang der Staaten in der Gewalt an, was aber eben nicht als deren substantieller Anfang oder gar als deren substantielles Prinzip angesehen werden darf.)

Uberleitung

31

Gegenstand einzig mögliche angesehen werden darf, oder ob diese primär von ihrer Integration in das enzyklopädische System der Philosophie, d . h . insbesondere methodisch konkret: primär von ihrer logischen Vorlage her, bestimmt ist.

1.4.

Überleitung

Die obigen Ausführungen sollten veranschaulichen, daß das Problem der Einleitung in das System der philosophischen Wissenschaften für H e gels Philosophie eine Bedeutung hat, die nicht nur deren Anfang, sondern darüber hinaus die ganze Systemkonzeption dieser Philosophie betrifft 3 4 . Nicht allein, daß die für diese Systemkonzeption so fundamentalen, dialektisch-spekulativen Verhältnisse wie Anfang — Resultat und Form —Inhalt bereits in der Beziehung der Einleitung zum Ganzen derselben ihre erste Konkretion erfahren, auch die Frage nach einer möglichen Begründung der absoluten Methode der Philosophie, d . h . die Frage nach dem Status der „Wissenschaft der Logik" im enzyklopädischen System, ist engstens mit dessen Einleitungsproblematik verbunden und hat je nach ihrer Beantwortung die entsprechenden Auswirkungen auf das Verhältnis von Logik und Realsystematik, d . h . auf die Beurteilung der gesamten enzyklopädischen Darstellung der Hegeischen Philosophie überhaupt. Daraus ist die Konsequenz zu ziehen, daß eine Analyse der innersten Gestaltungsprinzipien des enzyklopädischen Systems nicht ohne die Berücksichtigung der „Phänomenologie des Geistes" unter dem Gesichtspunkt ihrer Möglichkeit, eine Einleitung in die philosophische Wissenschaft zu sein, auskommen kann; besonders dann nicht, wenn diese Analyse — wie in der vorliegenden Untersuchung — methodische Einsichten in den Vordergrund ihres Interesses stellt.

34

Vgl. auch H . F. Fulda, a . a . O . , 55.

2.

Die „Phänomenologie des Geistes" (1807) als Vorbereitung des Standpunktes der Wissenschaft

Eine letztenendes positive Würdigung der „Phänomenologie des Geistes" von 1807 in dem Verhältnis „Phänomenologie"- enzyklopädisches System der Philosophie würde eine wesentlich gründlichere Auseinandersetzung mit der „Phänomenologie" erfordern, als es im Bereich der unserer Untersuchung zugrunde liegenden Intentionen möglich ist, die doch primär auf ein Verständnis der enzyklopädischen Systemkonzeption der Hegelschen Philosophie abzielen. Von daher kommt die „Phänomenologie" nicht an sich in den Blick, sondern nur unter der bestimmten Perspektive ihrer möglichen oder unmöglichen Funktionen für die Darstellung der Philosophie als Wissenschaft, d.h.: die „Phänomenologie" wird von der Vollendung des enzyklopädischen Systems her bedacht. Es wird sich zeigen, daß so an der im weitesten Sinne systematischen Negativität der „Phänomenologie" sehr wohl deutlich wird, was die philosophische Wissenschaft nicht mehr und in ihrer Abgrenzung zur „Phänomenologie" gerade ist, daß aber das originäre Unternehmen der „Phänomenologie" selbst dadurch noch keineswegs letztgültig abgehandelt ist.

2.1.

Das Unternehmen der „Phänomenologie des Geistes" unter dem Aspekt seiner Funktion für das enzyklopädische System

Was oben (1.3.) vor dem Horizont der Einleitungs- und Anfangsproblematik der Hegeischen Philosophie allgemein erörtert wurde, erfährt nun eine bestimmte Konkretisierung am Verhältnis: „Phänomenologie" (Einleitung) und „Wissenschaft der Logik" (Anfang des enzyklopädischen Systems); somit sind die obigen Fragestellungen und Erkenntnisse für die folgenden Ausführungen Voraussetzung und Hintergrund. Eine vollständige Stellungnahme zu der hier dargestellten Diskussion um diese Problematik in der Hegel-Forschung kann allerdings an diesem Ort noch nicht erfolgen, da diese eine Einsicht in die enzyklopädische Systemkonzeption verlangt, die erst nach einer gewissen Auseinandersetzung mit der „Wissen-

Seine Funktion für das enzyklopädische System

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schaft der L o g i k " und deren Funktion für diese Systemkonzeption vorausgesetzt werden kann. Zunächst genügt es, aus der Hegeischen Begründungsproblematik der philosophischen Wissenschaft die zentralen Kategorien zu gewinnen, die für deren Darstellung in der „Enzyklopädie" konstitutiv sind.

2.1.1.

Die bestimmte Vorwissenschaftlichkeit der „Phänomenologie"

Die „Phänomenologie des Geistes" hat in der Literatur ein so weit gespanntes Spektrum an Beurteilungen erfahren, wie es von den anderen Schriften Hegels wohl nur noch der „Rechtsphilosophie" eigen ist. Wo für den einen die „Phänomenologie" die verständlichste Darstellung der Hegelschen Philosophie verkörpert, da ist sie für den anderen bereits ein Dokument Hegelscher Sprachakrobatik und dialektischer Magie 3 5 . Besonders der Umstand, daß die „Phänomenologie" schon alles das zu enthalten scheint, was für Hegel zeit seines Lebens Gegenstand des Philosophierens geblieben ist, zeichnet dieses Werk vor anderen bei jenen Autoren aus, die an einer möglichst bequemen Gesamtschau der Gehalte dieser Philosophie interessiert sind und logisch-systematische Fragestellungen in der Philosophie überhaupt nur als eine Formsache betrachten. So stellt für F. Wiedmann die „Phänomenologie" „den Höhepunkt der philosophischen Entwicklung Hegels dar, und alle späteren Schriften sind, abgesehen von ihrer eigenen Bedeutung (Hervorhebung v. Verf.), im Grunde lediglich eine sorgfältige Ausführung mit strafferer Gliederung und systematischer Vertiefung des in der Phänomenologie des Geistes Angelegten" 3 6 . Auch Ernst Bloch sieht die 35

Siehe z . B . den Buchrücken von Werner Beckers „ H e g e l s Phänomenologie des Geistes'. Eine Interpretation", Stuttgart 1971: Beckers Interpretation sei „der Versuch einer kritischen Entzauberung des dialektischen Magiers H e g e l " . (Siehe zu diesem Buch Beckers die Rezension von K . - H . N u s s e r , Hegels Phänomenologie des Geistes in der Kritik, in: Philos. Rundschau, 22. Jahrgang H e f t 1/2, Tübingen 1975.)

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F. Wiedmann, G . W. F. Hegel in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbeck bei H a m b u r g 1965, 34. Einen wunderbar schwärmerischen Niederschlag fand dieses Verständnis der „Phänomenologie" bei D . Fr. Strauß, Ges. Schriften X , 224: „ D i e Phänomenologie kann man . . . das A und O der Hegeischen Werke nennen; hier zuerst lief Hegel mit eigenen Schiffen aus und umsegelte, freilich in Odysseischer Fahrt, die Welt; während seine folgenden Expeditionen, wenn auch besser geleitet, sich nur gleichsam in Binnenmeeren bewegten. Alle späteren Schriften und Vorlesungen Hegels sind nur Ausschnitte aus der Phänomenologie, deren Reichtum auch in der Enzyklopädie nur unvollständig, und jedenfalls in getrocknetem Zustande aufbewahrt ist; Ausschnitte, die aber, wenn wir etwa die Logik ausnehmen, getrennt von der durchdringenden Grundidee, hinter den weitgesteckten Zielen um vieles zurückbleiben, die in dem früheren umfas-

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Die „Phänomenologie des Geistes" (1807)

„Phänomenologie" bereits als eine Vorwegnahme der die ganze Hegeische Philosophie leitenden Prinzipien an, welche überhaupt in ihrer weiteren Ausführung keine wesentliche Modifikation mehr erfahren haben sollen. Für ihn dokumentiert sich schon hier der Hegeische Idealismus und die Vernichtung der Objektivität durch dessen unzulässige Überhöhung des subjektiven Wissens 37 . Nicht nur, daß die „Phänomenologie" allzu leicht und unkritisch für ein Kompendium der Philosophie Hegels gehalten wird; auch der Versuch ihrer fundamentalen Zuordnung zu einer bestimmten Kategorie von Philosophie und somit der Bestimmung ihres Grundes und Inhaltes wird häufig nur intuitiv unternommen und läßt das Werk so im Ganzen seiner inneren Organisation im Unklaren 38 . Was die „Phänomenologie" für ein derart allgemein gehaltenes Interesse an der Hegeischen Philosophie an Erleichterungen zu bieten scheint — besonders in begrifflicher Hinsicht —, das macht sie für die logisch-systematisch orientierte Hegel-Forschung — im

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senden Werke in Aussicht genommen waren. In der Phänomenologie steht Hegels Genius auf seiner Höhe" (zit. von J . Hoffmeister in seiner Einleitung zur „Phänomenologie", Phän X V I ; auch Hoffmeister schließt sich übrigens dieser Auffassung an). E. Bloch, Subjekt-Objekt, Frankfurt/M. 1971, 99: „Klar wird schon hier (an der Phänomenologie'; Verf.), daß all das nur im betrachtenden Kopf erscheint und damit als erledigt gilt . . . Draußen mag eine neue Welt in Anfahrt sein: das absolute Wissen hat alles erinnernd hinter sich, erinnernd in sich". A. Kojève kommt auf diesem Weg zu der Uberzeugung, daß es sich bei der „Phänomenologie" um eine phänomenologische Anthropologie handelt, was aber Hegel selber verkannt habe (vgl. a . a . O . , 56). Diese Einschätzung Kojèves rührt von seiner Uberstrapazierung des Herr-Knecht-Verhältnisses her, das er als die Elementarstruktur der „Phänomenologie" ausgibt, und von dem her und auf das hin er das Hegeische Denken überhaupt bestimmt sieht. So kann er allgemein bei Hegel den Aufruf zur Befreiung der Knechte, die Aufforderung zur Abschaffung der Knechtschaft vernehmen, denn für Hegel ist die Zukunft des Geistes im Prinzip der Knechtschaft bereits als deren Uberwindung angelegt. Im Grunde sind für Kojève die Tage der Herrschaft schon gezählt, sonst hätte Hegel den knechtischen Geist als letzte Konsequenz der Geschichte in diesem Sinne noch gar nicht beschwören können. Daher gelte es, Hegels Appell in die Tat umzusetzen und das Knechtsein aufzuheben. Weil das Knechtsein aber allgemein aufgehoben werden soll, ist auch Herrschaft allgemein verunmöglicht und so mit der Erhebung der Knechte diese Dialektik überhaupt zum Stillstand gebracht. Dieser Zustand aber sei das Ende der Geschichte und das Paradies auf Erden, nicht nur für Kojève, sondern auch für Hegel. (Siehe dazu die ausgezeichnete Auseinandersetzung mit Kojève von R. K. Maurer in seinem Buch: Hegel und das Ende der Geschichte, Stuttgart 1965, § 10; besonders auch die auf S. 140 von Maurer geleistete Zusammenfassung der wichtigsten Thesen Kojèves.) Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch R. Hayms polemische Beurteilung der „Phänomenologie" wegen ihrer totalen Verfehlung dieses Werkes: „Die Phänomenologie ist eine durch die Geschichte in Verwirrung und Unordnung gebrachte Psychologie und eine durch die Psychologie in Zerrüttung gebrachte Geschichte" (Hegel und seine Zeit, Neudruck Darmstadt 1962, 243).

Seine Funktion für das enzyklopädische System

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Grunde den einzig legitimen Zugang zu Hegel 3 9 — gerade so undefinierbar im Gesamtkomplex Hegels philosophischer Wissenschaft. In der Nürnberger Logik von Hegel noch als Einleitung und Vorbereitung der philosophischen Wissenschaft ausgewiesen, bleibt sie später für den Anfang des enzyklopädischen Systems unbedeutend 40 . Insofern aber die Logik den ersten Teil dieses Systems bildet, scheint es der bloßen Meinung überlassen, die „Phänomenologie" als Einleitung in das System anzusehen, soweit sie eben die Vorbereitung des Standpunktes der Logik ist, oder sie als Einleitung zu disqualifizieren, weil Hegel sie am Anfang der „Enzyklopädie" nicht als eine solche bestätigt hat 4 1 . Es sind genügend Hinweise dafür zu finden, daß Hegel selber sehr wohl um diesen dunklen Punkt seines Systems wußte, den er aber letztlich nicht aufzulösen gedachte, — oder vielleicht auch nicht vermochte 4 2 . So ist man sich angesichts des Gesamten der Hegeischen Philosophie noch nicht im klaren, was Hegel in der „Phänomenologie" eigentlich unternommen hat und wie im Endeffekt dieses Werk einzustufen sei, d . h . : ob die „Phänomenologie" nur als Einleitung in das System oder darüber hinaus eine eigenständige Bedeutung hat. H . - G . Gadamer z . B . bestreitet 39 40

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Vgl. W. Becker, a . a . O . , 7. An dieser Tatsache vermag auch H. F. Fulda nichts zu ändern, selbst wenn oder eben: gerade weil er zu zeigen versucht, „daß die ,Einleitung' zur Encyclopädie voller Bezugnahme auf die Thematik der Phänomenologie von 1807 ist, und daß dort der Zweck, dem diese diente, nicht für überflüssig erklärt wird" ( a . a . O . , 12). Das Bedürfnis nach einem solchen Nachweis resultiert ja ausschließlich daraus, „daß die Encyclopädie eine andere ,Einleitung' hat als die Gestalt, die die Phänomenologie von 1807 und die Logik für verbindlich erklärten, und daß die Phänomenologie von 1807 darin nur noch Gegenstand einer Anmerkung ist" (ibid.). Vgl. L. B. Puntel, a. a. O . , 49 Anm. 71 : „Jedenfalls in der , Wissenschaft der Logik' ist die ,Phänomenologie des Geistes' die notwendige Voraussetzung des logischen Standpunktes; in der ,Enzyklopädie' wird die Phänomenologie' in ihrer Gestalt von 1807 nur noch als ein früher unternommener Aufweis des Standpunktes der Wissenschaft erwähnt" (vgl. auch ibid., 308ff). Vgl. Puntel, ibid., 30: „Wenn auch der spätere Hegel dieses Werk (die .Phänomenologie'; Verf.) nicht zurücknahm, so ließ er doch die Stellung des Werkes im System im unklaren" (ebenso ibid., 40f). Ähnlich formuliert auch H. F. Fulda, a. a. O . , 23: „Daß Hegel sie (die Phänomenologie'; Verf.) nicht verwarf, schließt nicht aus, daß er ihr Verhältnis zur Logik und zum ganzen System modifizierte". Wie wenig es sich bei der Erörterung des Systemverhältnisses der „Phänomenologie" nur um eine bedeutungslose und „sterile" Sophisterei handelt, die sich ausschließlich im Vorhof des Systems der Hegeischen Philosophie abspielt, sondern um eine grundlegende Problematik ihrer Systemkonzeption (vgl. Fulda, ibid., 56), wird deutlich, wenn man sich noch einmal in Erinnerung ruft, daß das Spekulative des Hegeischen Systems dessen Einleitung nicht nur von dessen Resultat her, vielmehr dieses Resultat auch von dessen Einleitung her bestimmbar macht.

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Die „Phänomenologie des Geistes" (1807)

generell den E i n l e i t u n g s c h a r a k t e r der „ P h ä n o m e n o l o g i e " u n d läßt n u r den E n t s c h l u ß , rein d e n k e n z u w o l l e n , als A u s g a n g s p u n k t H e g e l s p h i l o s o p h i scher W i s s e n s c h a f t g e l t e n 4 3 . K . H a r l a n d e r k o m m t z u der A n s i c h t ,

daß

H e g e l sein K o n z e p t d e r a r t änderte, d a ß die „ P h ä n o m e n o l o g i e " z w a r n o c h für die N ü r n b e r g e r L o g i k als Einleitung fungierte, später aber als Einleitungswissenschaft v e r w o r f e n w u r d e u n d für das eigentlich wissenschaftliche S y s t e m ü b e r h a u p t keine B e d e u t u n g m e h r h a t t e 4 4 . F u l d a w i e d e r u m glaubt, d a ß es „ ä u ß e r s t s c h w e r zu erweisen sein dürfte, d a ß die P h ä n o m e n o l o g i e als Einleitung für das ganze S y s t e m nicht n o t w e n d i g sei, w e n n a n g e n o m m e n w i r d , d a ß ihre M a t e r i e der an ihm selbst n o t w e n d i g e Inhalt u n d ihr B e w e i s z i e l die N o t w e n d i g k e i t des Standpunktes der W i s s e n s c h a f t sein s o l l " 4 5 . F ü r F u l d a s A u f f a s s u n g s p r e c h e n freilich zahlreiche Ä u ß e r u n gen H e g e l s , n a c h denen „ d a s I n d i v i d u u m das R e c h t hat z u f o r d e r n " , d a ß ihm eine „ L e i t e r " z u m S t a n d p u n k t der W i s s e n s c h a f t gereicht w e r d e ( P h ä n , 2 5 ) , u n d d a ß es gerade die A u f g a b e der „ P h ä n o m e n o l o g i e " sei, die F u n k tion einer s o l c h e n „ L e i t e r " z u erfüllen: „Dies Werden der Wissenschaft überhaupt oder des Wissens ist es, was diese Phänomenologie des Geistes darstellt. Das Wissen, wie es zuerst ist, oder der unmittelbare Geist ist das Geistlose, das sinnliche Bewußtsein. Um zum eigentlichen Wissen zu werden, oder das Element der Wissenschaft, das ihr reiner Begriff selbst ist, zu erzeugen, hat es durch einen langen Weg sich hindurch zu arbeiten" (Phän, 26). „Die Reihe seiner Gestaltungen, welche das Bewußtsein auf diesem Wege durchläuft, ist vielmehr die ausführliche Geschichte der Bildung des Bewußtseins selbst zur Wissenschaft" (ibid., 67) 46 . 43

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Vgl. H.-G. Gadamer, Hegel und die antike Dialektik, in: Hegel-Studien Bd. 1, Bonn 1961, 173-199, 179. Vgl. K. Harlander, a. a. O., 4 ff. Vgl. dagegen H. F. Fulda, Zur Logik der Phänomenologie von 1807, in: I. Fetscher (Hrsg.), Hegel in der Sicht der neueren Forschung, Darmstadt 1973 , 3 — 34, 12: „Man darf die im Verlauf der Phänomenologie vorgenommene Umdeutung ihrer Grundbegriffe nicht eo ipso als Index für einen Konzeptionswandel nehmen, sondern als notwendiges Moment der Konzeption". Zur Erörterung der Möglichkeit eines Konzeptionswandels bei Hegel siehe: J. Heinrichs, Die Logik der „Phänomenologie des Geistes", 51 Iff; Th. Haering, Die Entstehungsgeschichte der „Phänomenologie des Geistes", in: Verhandlungen zum 3. Hegel-Kongreß, Tübingen—Haarlem 1934; O. Pöggeler, Zur Deutung der Phänomenologie des Geistes, in: Hegel-Studien Bd. 1, 255—294; O. Pöggeler, Die Komposition der Phänomenologie des Geistes, in: HegelStudien Beiheft 3, Bonn 1966, 27—74; ferner die Einleitungen in die „Phänomenologie" der Herausgeber G. Lasson und J. Hoffmeister. H. F. Fulda, Das Problem einer Einleitung, 27. Vgl. auch: ibid., 17; Enz, § 25 HZus; WL I, 29f u. 53. Aufgrund all dieser Hegeischen Belege zur Einleitungsfunktion der „Phänomenologie" besteht auch für R. Aschenberg überhaupt „kein Zweifel daran", daß „die primäre Funktion der PhdG die einer Einleitung ist" (Der Wahrheitsbegriff in Hegels Phänomenologie des Geistes', in: K. Hartmann — Hrsg. —, Die ontologische Option, Berlin—New York 1976, 211—303, 268; siehe zur Einleitungsfrage im Zusammenhang mit der „Phänomenologie" überhaupt ibid. : ,V: Zur Funktion und Einheit der PhdG', 263-290).

Seine Funktion für das enzyklopädische System

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Aber so das ,Voraus der Wissenschaft' 47 als der „Weg des natürlichen Bewußtseins, das zum wahren Wissen dringt" (Phän, 67) 4 8 , bleibt die „Phänomenologie" dennoch in der Antwort ambivalent, inwieweit sie in der Tat nur als Vorbereitung des eigentlichen Systems der philosophischen Wissenschaft oder bereits als dessen Teil betrachtet werden muß, da zum einen ihr Beweisziel zwar die aufgewiesene Notwendigkeit des Standpunktes der Wissenschaft sein soll, zum anderen aber diese Notwendigkeit — eine innersystematische Kategorie der Hegeischen Wissenschaft selbst — im Vorwissenschaftlichen im Grunde noch gar nicht herrschen und somit die „Phänomenologie" den Sprung des unwissenschaftlichen in das wissenschaftliche Wissen auch gar nicht notwendig begründen kann (s. ο., 18ff). Soll sie demnach tatsächlich eine ,Leiter' zur Wissenschaft sein, so liegt es nahe, sie auch bereits als eine Wissenschaft zu begreifen; möglicherweise als eine besondere Art von Wissenschaft, die auf Grundlagen beruht, welche von denen des enzyklopädischen Systems unterschieden sind, die die „Phänomenologie" jedoch zur Emleitungs-wissenschaft prädestinieren können. Solche Grundlagen sind das Bewußtsein und der Verstand. Die „Phänomenologie" als „Wissenschaft des Bewußtseins" (WL I, 53) oder auch als „Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseins" (Phän, 74) stellt „die verständige Form (Hervorhebung v. Verf.) der Wissenschaft" vor, die auf dem Verstand als dem „Gemeinschaftlichen der Wissenschaft und des unwissenschaftlichen Bewußtseins" (ibid., 17) beruht. Insofern aber die Entwicklung des verständigen Wissens zum vernünftigen Wissen in der immanenten Notwendigkeit des Verstandes selbst gründet, ist der Verstand nicht nur äußerliches Bindeglied von Wissenschaft und unwissenschaftlichem Bewußtsein, sondern das eigentümliche wissenschaftliche Prinzip des unwissenschaftlichen Bewußtseins selber 4 9 und die Notwendigkeit seiner Entwicklung der Grund dafür, daß der Weg des Bewußtseins zur eigentlichen Wissenschaft (auf Vernunftbasis),selbst schon Wissenschaft' (vgl. Phän, 74) sein kann 5 0 . Freilich bietet diese Wissenschaftlichkeit der „Phänomenologie" noch nicht das Bild der „freien, in ihrer eigentümlichen Gestalt sich bewegenden Wissenschaft" (Phän, 67). „Ihr Auftreten ist noch nicht sie in 47 48

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Vgl. Hegels späte Notiz vom Herbst 1831, abgedruckt in Phän 578. Vgl. auch E. Bloch, a. a. O . , 59; ferner G. Lukács, Der junge Hegel, 2 Bde., Frankfurt/M. 1973, 443 u. 687. Vgl. unten, 73 f; ferner J . Heinrichs, a. a. O . , 77: „Die phänomenologische Logizität ist eine solche des reflektierenden Verstandes, der jedoch auf seiner eigenen Ebene (Hervorhebung v. Verf.) zum spekulativen Standpunkt geführt werden soll". Vgl. Fulda: er bezeichnet die „Phänomenologie" als „Wissenschaft des Werdens der Wissenschaft" (Das Probi, e. Einl., 94).

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Die „Phänomenologie des Geistes" (1807)

ihrer Wahrheit ausgeführt und ausgebreitet" (ibid., 66), ihre Zugehörigkeit zum wahrhaften Ganzen der wissenschaftlichen Philosophie vollzieht sich sozusagen noch ,hinter ihrem Rücken' (vgl. ibid., 74), noch unbegriffen; von daher erscheint der Begriff der Wissenchaft in der „Phänomenologie" auch nur als deren Resultat, obwohl das Erscheinen der Wissenschaft (die Phänomenologie) in Wahrheit allein von deren Begriff her als solches gedeutet werden kann. Somit erfolgt die vollständige Eingliederung der „Phänomenologie" in das eigentlich wissenschaftliche Philosophieren im Grunde erst dann, wenn eingesehen werden kann, daß das Bewußtsein als eine besondere Gestalt des Selbstbewußtseins und der Verstand als eine besondere Gestalt der Vernunft — letztere beide die Fundamente des eigentlich wissenschaftlichen Systems der Philosophie, d.i. der „Enzyklopädie" — das „eigene Element des Geistes" (ibid., 24) nicht verlassen, daß sie eben in einer bestimmten Weise durchaus als dessen Vorbereitung angesehen werden dürfen und sogar müssen, da dieses Element einer Vorbereitung offensichtlich bedarf, „weil das Bewußtsein sich der Zeit nach (Hervorhebung v. Verf.) Vorstellungen von Gegenständen früher als Begriffe von denselben macht, der denkende Geist sogar nur durchs Vorstellen hindurch und auf dasselbe sich wendend zum denkenden Erkennen und Begreifen fortgeht" (Enz, § l) 5 1 . Indem so die „Phänomenologie" der Zeit nach als das Voraus der Wissenschaft auftritt, der Geist der Wissenschaft nach seinem Begriff aber ihr Fundament und im Grunde das wahrhaft Erste der Philosophie ausmacht, erhält die „Phänomenologie des Geistes" im Systemganzen der Hegeischen Philosophie die doppelte Stellung, Einleitung wie auch eine bestimmte Darstellung des Ganzen der philosophischen Gegenstände zu sein 52 , eine Stellung, die nicht von ihr selbst, sondern erst von der wahrhaften Wissenschaftlichkeit der Ausführungen des enzyklopädischen Sy-

51

52

Vgl. auch Enz, § 25 HZus: „Die Entwicklung des Gehalts, der Gegenstände eigentümlicher Teile der philosophischen Wissenschaft, fällt . . . zugleich in jene zunächst nur auf das Formelle beschränkt scheinende Entwicklung des Bewußtseins; hinter dessen Rücken jene Entwicklung sozusagen vorgehen muß, insofern sich der Inhalt als das Ansich zum Bewußtsein verhält. Die Darstellung wird dadurch verwickelter, und was den konkreten Teilen angehört, fällt zum Teil schon mit in jene Einleitung". Vgl. oben, 1.3.3.; ferner die wenn auch nicht streng systematisch begriffene, dennoch treffende Bemerkung G. Lukács', a. a. O . , 688: „Für Hegel . . . ist die Philosophie immer und überall dieselbe: das Aussprechen der wesentlichen Inhaltlichkeit der Wirklichkeit in ihrer dialektischen Selbstbewegung. Darum muß auch die Einleitung in die Philosophie genau dieselben Inhalte umfassen, wie die Philosophie selbst. . . Der Weg zur Philosophie wird also bei Hegel innerhalb der Philosophie zurückgelegt".

Seine Funktion für das enzyklopädische System

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stems her begriffen werden kann 5 3 . Diese systematisch-formale wie inhaltliche Ambivalenz der „Phänomenologie" bietet die Möglichkeit zu erklären, wieso dieses Werk in der enzyklopädischen Darstellung der Philosophie keinerlei Berücksichtigung oder gar Integration erfuhr, ja nicht einmal erfahren durfte 5 4 , wieso es aber andererseits denkbar ist, daß der zweite Schluß am Ende der „Enzyklopädie" einen affirmativen Verweis auf die „Phänomenologie" beinhalten kann 5 5 , der dieses Werk nicht nur philosophisch wissenschaftlich rehabilitieren, sondern als nächst höhere Stufe der Selbstentwicklung des Geistes gar dem enzyklopädischen System in einem bestimmten Sinne (nämlich hinsichtlich einer „primären" Konkretheit) überheben würde. Isoliert man nämlich die „Phänomenologie" auf ihre Funktion, nur Einleitung der Wissenschaft und somit an ihr selbst unwissenschaftlich oder eben vorwissenschaftlich zu sein, so disqualifiziert sie sich nach dem Hegeischen Verständnis als philosophisches Unternehmen überhaupt (vgl. oben, 12 f), nachdem sich der Geist in ihrem Resultat in „deft Äther des reinen Selbsterkennens" (Phän, 24) erhoben und die Dichotomie des Bewußtseins von Denken und Gegenstand überwunden hat im Bewußtsein seiner selbst im Gegenstand. Unter diesem Gesichtspunkt muß die „Phänomenologie" sogar als Einleitung in das wissenschaftliche System der Philosophie fallen gelassen werden, weil sie den Sprung des Unwissenschaftlichen in das Wissenschaftliche nicht erklären kann, insofern es dazu der wissenschaftlichen Kategorie der logischen Notwendigkeit bedarf, d. h. daß dieses System seinen Anfang nur von sich selber her notwendig zu begründen vermag. Betrachtet man aber die „Phänomenologie" von ihrem Resultat her als eine bestimmte Form der philosophischen Wissenschaft selber, so erweist sich ihr zeitliches Voraus als die dem Begriff nach zweite Darstellung des Ganzen der Philosophie, insofern die reine Wissenschaft — das enzyklopädische System — auf die absolute Einheit des Geistes mit sich hinausläuft, welche aber im ganzen als 53

54

ss

Vgl. Puntel, a. a. O., 269: „In welchem Sinne das Werk von 1807 als eine Darstellung des Ganzen zu betrachten ist, kann nur im Hinblick auf das spätere System ermittelt werden . . . Es wird sich herausstellen, daß erst eine Interpretation der Phänomenologie des Geistes im Hinblick auf das spätere System bzw. vom späteren System her sowohl den Sinn und die Originalität des Werkes von 1807 als auch die ganze Breite der Problematik um die Einheit der (späteren) systematischen Philosophie Hegels zu enthüllen vermag". Auch H. F. Fulda kommt zu diesem Schluß. Er schreibt a.a.O., 13: „Daß Hegel die Phänomenologie in der Encyclopädie nicht mehr als ersten Teil des Systems versteht, erscheint als konsequente Modifikation, die nicht bloß eine Äußerlichkeit korrigiert, sondern das die Systematik organisierende Prinzip allererst voll zur Geltung bringt (Hervorhebung v. Verf.)". Siehe dazu die Ausführungen von Puntel, a.a.O., 324ff.

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Die „Phänomenologie des Geistes" (1807)

absolute (d. h. vollbestimmte) Unmittelbarkeit, somit als eine Hoch- und Höchstform von Abstraktheit angesehen werden kann und von daher auf der Basis einer unumstößlichen Selbstgewißheit des Geistes nach einer Konkretion und Gegenständlichkeit drängt, wie sie der phänomenologischen Darstellung eigen ist, bei der aber nunmehr der Ausgangspunkt begriffen da genommen würde, worin die „Phänomenologie" von 1807 erst resultiert: bei dem Selbstbewußtsein des Geistes, an der Gegenständlichkeit nur ein bestimmtes Gegenüber seiner selbst zu haben 56 . Dieser Ubergang des enzyklopädisch-systematischen Standpunktes in den phänomenologisch-systematischen — aufgrund der ausschließlichen Reinheit der Wissenschaft nach dem Begriff von dieser selbst her gefordert — wird jedoch erst nach der Ausführung des enzyklopädischen Systems, — besonders in Konfrontation mit der spezifisch begrifflichen Realität seiner realsystematischen Dimension —, plausibel und vor allem notwendig und geht über das eigentümliche phänomenologische Unternehmen des Werkes von 1807 weit hinaus (siehe dazu den Exkurs unter Punkt 3.2.3.3.). Für dieses selbst ist von seinem Resultat her zunächst nur einsichtig, daß seine Begründung des Begriffs der "Wissenschaft es selber negativ bestimmt 57 , 56

Einige Formulierungen am Ende der „Phänomenologie" scheinen eine solche gesamtsystematische Spekulation im Rahmen der Hegeischen Philosophie zu berechtigen. Dort heißt es (563): „Die Wissenschaft enthält in ihr selbst die Notwendigkeit, der Form des reinen Begriffs sich zu entäußern, und den Ubergang des Begriffes ins Bewußtsein. Denn der sich selbst wissende Geist, ebendarum daß er seinen Begriff erfaßt, ist er die unmittelbare Gleichheit mit sich selbst, welche in ihrem Unterschiede die Gewißheit vom Unmittelbaren ist, oder das sinnliche Bewußtsein, — der Anfang, von dem wir ausgegangen; dieses Entlassen seiner aus der Form seines Selbst ist die höchste Freiheit und Sicherheit seines Wissens von sich". Ebenso äußert Hegel einige Sätze vorher (562), daß „jedem abstrakten Momente der Wissenschaft eine Gestalt des erscheinenden Geistes entspricht". Vgl. zu diesen Äußerungen Hegels auch die Ausführungen Fuldas, a . a . O . , 90: „Zunächst (d. i. am Ende der Phän; Verf.) bestimmt sich die Wissenschaft mit Bezug auf ihr Gegenteil, die Phänomenologie. Während diese die Momente der Begriffsbewegung als bestimmte Gestalten des Bewußtseins darstellt, in denen jedes Moment den Unterschied des Wissens und der Wahrheit setzt und aufhebt, entfaltet die Wissenschaft den Inhalt in der selbstischen Form des Begriffs. Von der Aufhebung jener Gestalten kommen ,wir' her. Die Wissenschaft andererseits geht zu ihnen fort. Sie enthält in ihr selbst die Notwendigkeit, der Form des reinen Begriffs sich zu entäußern, und den Ubergang des Begriffs ins Bewußtsein (Ph 563,1). Die Wissenschaft und die Phänomenologie des Geistes gehen also auseinander hervor. Diese vereinfacht sich zur Form des reinen Begriffs, jene entäußert sich zur Gewißheit vom Unmittelbaren".

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Vgl. Phän, 67: „Das natürliche Bewußtsein wird sich erweisen, nur Begriff des Wissens oder nicht reales Wissen zu sein. Indem es aber unmittelbar sich vielmehr für das reale Wissen hält, so hat dieser Weg für es negative Bedeutung und ihm gilt das vielmehr für Verlust seiner selbst (Hervorhebungen v. Verf.), was die Realisierung des Begriffs ist; denn es verliert auf diesem Wege seine Wahrheit". Dieser Weg aber „ist die bewußte Einsicht in

Seine Funktion für das enzyklopädische System

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wodurch es sich eben gerade durch diese seine Negativität bloß als eine Einleitung in das eigentlich wissenschaftliche System der Philosophie qualifiziert. Die Bestimmung, das Negative der Wissenschaft zu sein, ist aber gerade eine Bestimmung, die von der Wissenschaft herkommt, und somit die eigene wissenschaftliche Bestimmung der „Phänomenologie" selber und demnach deren bestimmte Integration in das wissenschaftliche Ganze der Philosophie. Die Bedeutung der „Phänomenologie" im Gesamtzusammenhang des Hegeischen Philosophierens ist folglich nur angemessen zu begreifen, wenn man dieses Werk sowohl als bloße Einleitung in das eigentlich Wissenschaftliche von Philosophie als auch als eine bestimmte Form bereits wissenschaftlichen Philosophierens selber versteht 58 . Diese gewisse Teilhabe der phänomenologischen Darstellung an der wissenschaftlichen Form von Philosophie überhaupt wirft jedoch die Frage nach deren spezifischer Methode auf, die ja nach der nunmehr gewonnenen Erkenntnis mit den innersten Prinzipien der „Wissenschaft der Logik" — als der reinen Form der späteren Wissenschaft — zwar Gemeinsamkeiten aufweisen, sich aber dennoch in bestimmter Weise von dieser Form unterscheiden muß. Da

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die Unwahrheit des erscheinenden Wissens (also der .Phänomenologie'; Verf.), dem dasjenige das Reellste ist, was in Wahrheit vielmehr nur der nichtrealisierte Begriff ist" (ibid.). Siehe auch Puntel, a. a. O . , 162: „Die Vernunft als die tätige Macht des Begriffs ist also in der Phänomenologie nur als die Macht des Negativen, als der Antrieb der Selbstaufhebung jeder einzelnen Stufe gegenwärtig". Fulda sieht die prinzipielle Negativität der „Phänomenologie" in ihrer Verwandtschaft mit dem Skeptizismus als möglicher Einleitung in das wissenschaftlich philosophische Denken: „Der Sinn, in dem die Phänomenologie vorausging, konnte nur der einer Einleitung sein, wie der Skeptizismus gleichfalls eine wäre. Die Tatsache, daß die einleitende Phänomenologie mit dem Skeptizismus gleichgestellt wird, macht es unmöglich, ihr die Bedeutung eines Positiven im Verhältnis zum System zu geben" (a. a. O . , 113; vgl. oben, 16f einschl. Anm. 23). Vgl. Puntel, a. a. O . , 311 : „Die //¿«führung des unwahren Wissens oder Bewußtseins zur Wissenschaft ist die /Iwiführung der Wissenschaft. Das Charakteristische der Phänomenologie des Geistes ist gerade die Thematisierung des unwahren - d.h. des inadäquaten Wissens oder Bewußtseins als der konkreten, noch inadäquaten Gestalt der Wissenschaft". Was dagegen eine nur an der Entstehungsgeschichte der „Phänomenologie" orientierte Hegel-Forschung mit dem dialektisch-spekulativen Verhältnis dieses Werkes zu Hegels enzyklopädischem System der eigentlichen Wissenschaft der Philosophie für Schwierigkeiten hat, zeigt sich bei Th. Haering, a . a . O . , 133: „Entweder ist die Phänomenologie eine Einleitung oder sie ist ein Stück des Systems selbst. Anfangs sollte sie trotz allem (trotz wessen?; Verf.) eine Einleitung werden, unter der Hand wurde sie das zweite". Gegen dieses Entweder—Oder Haerings — dem sich in neuerer Zeit wieder H. H. Ottmann angeschlossen hat (siehe a . a . O . , 1%) — vgl. auch R. Aschenberg, a . a . O . , 302: „Die von Haering aufgestellte Alternative (Einleitung ins System oder Teil des Systems) lößt sich . . . so auf, daß die PhdG als Einleitung ins System im engeren Sinn wegen der zu fordernden methodischen Vollständigkeit der Transzendentalphilosophie zugleich Teil des Systems im weiteren Sinn sein muß. Die phänomenologische Theorie der Erfahrung bildet das unerläßliche Komplement (Hervorhebung v. Verf.) der kategorialen Geltungslogik".

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Die „Phänomenologie des Geistes" (1807)

die Bestimmung dieses Unterschieds allererst einmal eine Auseinandersetzung mit eben dieser reinen Form der Wissenschaft voraussetzt, muß dieselbe einem späteren Teil der vorliegenden Untersuchung vorbehalten bleiben (2.2.2.2. u. 4 . 2 . I . ) 5 9 und soll hier zunächst nur auf den Aufweis ihres allgemeinen Problemhorizontes und vor allem auf einen Uberblick über ihren Diskussionsstand in der Hegel-Forschung beschränkt bleiben. Für H . F . Fulda beruht die phänomenologische Darstellung bereits auf der Grundlage des reinen Wissens der späteren Wissenschaft und damit auch auf der Struktur, die dieses Wissen in der „Wissenschaft der L o g i k " angenommen hat. Für ihn ist die „Phänomenologie" „die spekulative Idee einer Wissenschaft, die sich im Elemente des Bewußtseins vollzieht und darum auch dem natürlichen Wissen zugänglich ist, deren Grund und Boden und ,Äther' aber dennoch bereits das reine Wissen bildet" 6 0 . R . K. Maurer erklärt aus diesem Umstand überhaupt die Möglichkeit der „Phänomenologie", in die Logik überzugehen 6 1 . Eine „Doppelheit von hermeneutischer und spekulativer Dialektik" in der „Phänomenologie" ist wiederum nach der Meinung J . Heinrichs 6 2 daran schuld, daß Schluß und Vorrede dieses Werkes fälschlicherweise immer als Indiz eines späteren Wandels des Hegeischen Denkens von der hermeneutisch-phänomenologischen zur dialektisch-spekulativen Methode genommen werden 6 3 . R . Wiehl dagegen versucht nachzuweisen, daß die Darstellung der sinnlichen Gewißheit als der ersten Unmittelbarkeit des Bewußtseins in der „Phänomenologie" schon auf der absolut begriffenen Vermittlung von Konkretem und Allgemeinem und auf der reflexiven Struktur und

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Generell sei angemerkt, daß überhaupt im Interesse unseres Unternehmens grundsätzlich nur der Unterschied des Phänomenologischen zum Logisch-Spekulativen liegt, keinesfalls eine eigene positive Bestimmung und Würdigung der Methode der „Phänomenologie", denn an diesem Unterschied soll einzig verdeutlicht werden, auf welchen Grundprinzipien die logisch-spekulative Darstellung der Philosophie — d. i. die „Enzyklopädie" — beruht, weil diese Grundprinzipien eben auch für die Teildisziplinen des enzyklopädischen Systems konstitutiv sind.

60

Zur Logik der Phänomenologie von 1807, a. a. O . , 4; so auch K. Harlander, a. a. Ο . , 1 f. Hegel und das Ende der Geschichte, 160: „Die ,Phän' ist . . . ein System auf moderner (kantischer), reflexionsphilosophischer Basis. Sie trägt den Dualismus Bewußtsein — Außenwelt (res cogitans — res extensa) philosophisch aus und erweist ihn als durch die gegriffene Geschichte' aufgehoben. Dabei bliebe sie jedoch, hätte sie nicht eine ,Logik' zum Hintergrund".

61

62 63

A . a . O . , 57 Anm. 39. So z. B. von O . Pöggeler, Zur Deutung der Phänomenologie des Geistes, 289. Gegen diese Ansicht vom Wandel des Hegeischen Denkens setzt Heinrichs die Gleichursprünglichkeit und Nebenordnung beider Methoden (vgl. dazu die Ausführungen unten, 4 . 2 . 1 . ) .

Seine Funktion für das enzyklopädische System

43

spezifischen Negativität der Entwicklung des logischen Begriffs basiert 64 . G . Stiehler geht jedoch zu weit, wenn er für dieses Werk von 1807 schon ein Anwendungsverhältnis der dialektischen Methode, die in der Nürnberger Logik vorgelegt wird, konstruieren will 6 5 , — abgesehen von der Unsinnigkeit, von einem Anwendungsverhältnis der Logik innerhalb der Hegeischen Philosophie überhaupt so undifferenziert zu sprechen, schon deshalb, weil die Methode dieser Philosophie nicht einfach nur auf die Logik zu beschränken ist, sondern „ d i e Natur des Erkennens überhaupt sowohl innerhalb der Wissenschaft der Logik betrachtet wird, als dasselbe in seiner weitern konkreten Form in die Wissenschaft vom Geiste und in die Phänomenologie desselben fällt" (WL I, 52; Hervorhebungen v. Verf.). So sicher auch in der phänomenologischen Darstellung des Geistes Wesensmerkmale der logisch-spekulativen Dialektik nicht nur auszumachen sind, sondern in ihr eine bestimmte Konkretion haben — darin sind sich wohl alle Hegel-Interpreten einig —, so unklar und problematisch bleibt jedoch, was diese (— und warum gerade diese? —) zur Gestaltwerdung in einer phänomeno-logischen Wissenschaft treibt und wo sie in letzterer zu lokalisieren wären, oder auch umgekehrt: wo die phänomeno-logische Wissenschaft dem Begriff ihrer Methode nach im Ganzen der sich absolut begreifenden Methode der philosophischen Wissenschaft überhaupt (d. i. in der Logik) zu lokalisieren wäre. O . Pöggeler erwägt in seinem Aufsatz „Die Komposition der Phänomenologie des Geistes" die Möglichkeit, daß die Gliederung der „Phänomenologie" entweder der ganzen Gliederung der Logik oder einem ihrer Teile entspreche. Fulda dagegen versucht zu belegen, daß nur die Hauptmomente des Logischen eine Entsprechung in der phänomenologischen Darstellung haben, die angesichts ihrer unterschiedlichen Konkretisierungsmöglichkeiten keinesfalls etwa eine Parallelisierung der Gliederungen von phänomenologischem — logischem oder auch phänomenologischem — enzyklopädischem System zulassen 66 . Die Frage nun, welche Hauptmomente des Logischen denn in der „Phänomenologie" ihre „Anwendung" finden, leitet Heinrichs zu der

64

R . Wiehl, Ü b e r den Sinn der sinnlichen Gewißheit in Hegels „ P h ä n o m e n o l o g i e des G e i s t e s " (1964), in: Hegel-Studien Beiheft 3, 1 0 3 - 1 3 4 (auch in: I. Fetscher, Hegel in der Sicht der neueren Forschung, 35 — 72).

65

G . Stiehler, D i e Dialektik in Hegels „Phänomenologie des G e i s t e s " , Berlin 1964, 7: D i e „ P h ä n o m e n o l o g i e " sei „jenes W e r k , in welchem Hegel zum erstenmal in umfassender und bewußter Weise die dialektische Methode angewendet h a b e " . (Siehe dazu überhaupt ibid.,

66

7 ff·) Zur Logik der Phänomenologie von 1807, a . a . O . , 8 f f .

44

Die „Phänomenologie des Geistes" (1807)

Auffassung, daß die „Phänomenologie" als Wissenschaft von dem erscheinenden Wissen einen ausgezeichneten Bezug zur Wesenslogik habe, da die Erscheinung eine Kategorie der Wesenslogik verkörpert, und zumal, da die „kleine Phänomenologie" in der „Enzyklopädie" auch an der systematischen Stelle II (d. i. auch im Ganzen der Logik die Sphäre des Wesens) abgehandelt wird 6 7 . Wie auch immer eine Entscheidung über die Methode, Gliederung und überhaupt über das ganze Unternehmen der „Phänomenologie" getroffen werden mag, eine solche verbleibt, wie sich hier zeigt, immer im Spannungsfeld des Verhältnisses von „Phänomenologie" und „Enzyklopädie" und damit auch immer im Spannungsfeld von einem Mehr oder 67

J . Heinrichs, a . a . O . , 11: „Der Erscheinungsbegriff gehört in der späteren Logik Hegels der Wesenslogik an. Ist daraus zu folgern, daß die ganze Phänomenologie des Geistes' eine besondere oder gar ausschließliche Beziehung zur Wesenslogik habe?" Vgl. dazu auch Enz, § 4 1 3 : „Das Bewußtsein macht die Stufe der Reflexion oder des Verhältnisses des Geistes, seiner als Erscheinung, aus". Für Heinrichs birgt diese Einsicht die Konsequenz, daß „die phänomenologische Logizität" als „eine solche des reflektierenden Verstandes" aufzufassen sei, und daß es von daher „auch für die .große' PhdG zutreffe, daß sie als ganze der Sphäre der Reflexion, des Verhältnisses, der Stufe des Wesens (in Hegels späterer logischer Terminologie) angehöre, wie dies von der ,kleinen' Phänomenologie gesagt werde" (ibid., 77). Die Beurteilung der „Phänomenologie" von 1807 von der Phänomenologie des Geistes als der II. Stufe des subjektiven Geistes im enzyklopädischen System her kann auf eine reiche und mannigfaltige Vergangenheit in der Hegel-Rezeption zurückblicken. Entgegen C. L. Michelet, der in seinem Buch „Anthropologie und Psychologie oder die Philosophie des subjektiven Geistes" (Berlin 1840) die Ansicht vertrat, daß die Phänomenologie des Geistes als Moment des subjektiven Geistes' überhaupt falsch sei, insofern sie als Vorwissenschaft der Logik im wissenschaftlichen System gar nicht mehr in Erscheinung treten dürfe, war die Überzeugung verbreiteter, daß die Phänomenologie doch eigentlich in die Sphäre des subjektiven Geistes gehöre (s. dazu Fulda, Das Problem einer Einleitung, 6; Fulda gibt hier für die letztgenannte Ansicht von der Phänomenologie mehrere Autoren und ihre Werke an). Diese Uberzeugung bestärkte in den weiteren Hegel-Interpretationen die Meinung, daß die eigentliche Phänomenologie des Geistes mit dem Vernunft-Kapitel abzuschließen sei, daß jedoch das Werk von 1807 Hegel unter den Händen zu einer „halb unfreiwilligen Vorwegnahme" des Gesamtsystems seiner Philosophie ausuferte, wie es auch Th. Haering in seinem Buch „Hegel. Sein Wollen und sein Werk" schon beschrieben hat (vgl. Nachdruck Aalen 1963, Bd. 2, 479—486); so in diesem Sinne auch: (ders.) Die Entstehungsgeschichte der Phänomenologie des Geistes', a. a. O . ; J . Koch, Die Beziehung von Vernunft und Wirklichkeit in der Philosophie Hegels, Diss. Erlangen 1950; siehe ferner zu Haerings Thesen: J . Hoffmeisters „Einleitung" in die „Phänomenologie", Phän, X X V I I I ff, sowie gegen Haering: H. Schmitz, Die Vorbereitung von Hegels „Phänomenologie des Geistes" in seiner „Jenenser Logik", in: Zeitschr. f. philosoph. Forschung 14, Meisenheim a. Glan 1960, 16—39. (Eine ausgezeichnete Zusammenfassung und Beurteilung der Rezeptionsgeschichte der „Phänomenologie" von 1807 bietet der § 9 in R. K. Maurers Buch „Hegel und das Ende der Geschichte", sowie H. F. Fulda in seinem Kapitel „Deutungen der Phänomenologie und Einleitungskonzeptionen in der Hegelliteratur", a.a.O., 57-78.).

Seine Funktion für das enzyklopädische System

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Weniger an Letztgültigkeit und Wahrheit in Hegels Konzeption einer systematischen Philosophie. So wenig auf diese Weise — nämlich angesichts der wahren Wissenschaftlichkeit der „ E n z y k l o p ä d i e " — auch letztenendes für die „ P h ä n o m e n o l o g i e " selber und an sich irgendeine absolut gesicherte Positivität zu gewinnen ist, die dieser Darstellung schon selber inhärierende Abgrenzung dessen, was es zum wahrhaft wissenschaftlichen Philosophieren und zu dessen Selbstdarstellung bedarf, ermöglicht die Einsicht in die allgemeinen Fundamente Hegels enzyklopädischer Systemkonzeption der Philosophie und bestätigt von daher das Unternehmen der „Phänomenologie" selbst nach dessen „ U b e r w i n d u n g " noch als durchaus sinnvoll, weil aus ihm jene Verfassung des Wissens resultiert, wo dieses mit seinem Gegenstand derart vermittelt ist, daß es in ihm sich selber und in sich den Gegenstand zum Thema hat, und nun sich selber als Wissenschaft in Begriffen widmen kann, ohne Gefahr zu laufen, sich in einer bloß gedachten, abstrakten Wirklichkeit zu verlieren. Die Durchsichtigkeit dieser allgemein objektiven Selbstgewißheit des Geistes ist als das Anliegen der „ P h ä n o m e n o l o g i e " die Realisation der reinen Wissenschaftlichkeit des enzyklopädischen Systems der Hegeischen Philosophie und erfüllt für dieses somit ganz bestimmte Funktionen.

2.1.2.

Die Bedeutung des Resultats der „ P h ä n o m e n o l o g i e " für das enzyklopädische System

Die obigen Ausführungen haben gezeigt, daß Hegels „Phänomenologie des G e i s t e s " selbst dann, wenn sie als eine eigene wissenschaftliche Darstellung des Ganzen der Philosophie neben das enzyklopädische System gestellt wird, in der Gestalt des Werkes von 1807 unbedingt eine Einleitungsfunktion für das rein wissenschaftliche Philosophieren erfüllt. Was die „ P h ä n o m e n o l o g i e " nun für die Erhebung des Denkens z u m Standpunkt der späteren Wissenschaft leistet, kann — aufgrund ihrer Vernachlässigung am Anfang des enzyklopädischen Systems — nur aus ihrem Verhältnis zur „Wissenschaft der L o g i k " abgelesen und von dorther für die ganze enzyklopädische ( = wahrhaft wissenschaftliche) Darstellung der Philosophie fruchtbar gemacht werden, was jedoch keine bedauernswerte Restriktion der gesamtwissenschaftlichen Funktion der „ P h ä n o m e n o l o g i e " bedeutet, insofern dieser Logik gerade eine solche Funktion auch selber zueigen ist, — und somit auch der „ P h ä n o m e n o l o g i e " über den U m w e g ihrer bestimmten Begründung dieser Logik.

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Die „Phänomenologie des Geistes" (1807)

H. F. Fulda scheint einem solchen Unterfangen überhaupt seine Berechtigung abzusprechen, wenn er sich dagegen wehrt, daß „immer wieder gutgemeinte Versuche, die Anfangsproblematik der Logik zu bewältigen, auf die Phänomenologie rekurrieren, als sei es selbstverständlich, daß man den logischen Anfang als Resultat der Phänomenologie explizieren darf, um ihn zu verstehen. Aus der Stellung, die die Phänomenologie als Einleitung zum System einnimmt, ergibt sich dagegen, daß dies unzulässig ist" 6 8 . Wenn man jedoch Fulda seine eigenen Ausführungen entgegenhält, nach denen er die „Phänomenologie" als „die Entfaltung eines Erkennens, das dem logischen Begreifen vorausgeht (Hervorhebung v. Verf.)" 6 9 , verstanden wissen will und glaubt, daß es „äußerst schwer zu erweisen sein dürfte, daß die Phänomenologie als Einleitung für das ganze System nicht notwendig sei" 7 0 , dann fragt man sich, warum der Anfang der Logik, der doch einen bestimmten Teil des ganzen Systems ausmacht, von dieser einleitenden Notwendigkeit so ausgenommen sein soll. Es ist freilich aufgrund der bestimmten, innerwissenschaftlichen Selbstbegründung des enzyklopädischen Systems überhaupt und respektive auch der Logik selber nicht möglich, den Anfang der Logik mit dem Sein in der Gestalt der unbestimmten Unmittelbarkeit als das exakte Resultat der „Phänomenologie" zu explizieren, jedoch basiert auch dieser Anfang auf denselben allgemeinen Grundlagen, die das Spezifische der logisch-spekulativen Wissenschaft überhaupt ausmachen und über die „Phänomenologie" bereitgestellt werden, so daß an dem Verhältnis „Phänomenologie" - Anfang der Nürnberger Logik durchaus die allgemeinen Fundamente der enzyklopädischen Systematik einsichtig werden, wenngleich auch eine Vollbestimmung des logischen Anfangs allein aus diesem Verhältnis heraus noch nicht erbracht werden kann. Das hat zur Folge, daß die „Phänomenologie" so trotz ihres unzweifelhaft auch gerade am Anfang der Logik ausgewiesenen, propädeutischen Charakters nicht als eine rein logische Propädeutik angesehen werden darf 71 , wiewohl sie überhaupt keine einseitige Interpretation 68 69 70 71

Das Problem einer Einleitung, 3. Zur Logik der Phänomenologie von 1807, 15. Das Problem einer Einleitung, 27. Als eine solche von J . Heinrichs ausgewiesen: „Die Einleitungsfunktion, die der Idee der PhdG als Wissenschaft der Erfahrung und des erscheinenden Wissens entspricht, ist die propädeutische·. Die PhdG ist nach dieser Seite hin (Hervorhebung v. Verf.) Einübung in die Logik, halbes Rekonstruieren als Exercitium für ganzes Rekonstruieren" ( a . a . O . , 508). Allerdings ist dies bei Heinrichs auch nur ein Aspekt der „Phänomenologie"; nach deren weiteren ist diese im ganzen eben gerade nicht nur als logische Propädeutik zu verstehen, sondern da muß vielmehr ein Verhältnis der Gleichursprünglichkeit von „Phänomenologie" und Logik angesetzt werden: „Das Verhältnis von Logik und PhdG läßt sich nicht

Seine Funktion für das enzyklopädische System

47

dahin gehend erfahren sollte, daß in ihr nur ein Entgegenkommen des Autors Hegel an das philosophierende Subjekt gesehen wird, diesem aus einem pädagogischen Bedürfnis' heraus (vgl. oben, 13) die ,Leiter' zur Wissenschaft zu reichen 72 . Wenn also „die Phänomenologie ihre Stellung am Anfang der Wissenschaft nicht einer beiläufigen Reflexion auf dialektische Erfordernisse der philosophischen Mitteilung verdankt" 7 3 , dann fragt es sich, welche grundlegenden Voraussetzungen dieser Wissenschaft eigentlich von der „Phänomenologie" her mitgegeben sind.

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73

durch die einsinnige Alternative ,entweder die eine Voraussetzung der anderen oder umgekehrt' bestimmen, sondern nur im Sinne eines Sowohl-als-auch. Es ist der Zirkel von Gewißheit und Wahrheit, der in dieser Hinsicht das gleichursprüngliche Verhältnis beider .ersten' Wissenschaften kennzeichnet" (ibid., 509; vgl. auch ibid., 507). Eine solche Auffassung des phänomenologischen Unternehmens ergibt sich ζ. B. als Konsequenz aus dem bei Heinrichs ( a . a . O . ) vorliegenden methodischen Verständnis der „Phänomenologie", wenn er in ihrer spekulativen Logizität den Standpunkt des Autors, in ihrer phänomenologischen Logizität den Standpunkt des philosophisch gebildeten Lesers und in ihren teilweise vor- und un-wissenschaftlichen Ausführungen das natürliche (d. i. das gewöhnliche) Bewußtsein gekennzeichnet sieht. Demnach bezweckt der Autor Hegel — selber bereits auf der Höhe des logisch-spekulativen Wissens — mit der Abfassung dieses Werkes von 1807, den philosophisch interessierten Leser auf den Standpunkt emporzuheben, wo ihm die rein logisch-spekulative Wissenschaft der Philosophie zugänglich wird. Schon bei P.-J. Labarrière läßt sich diese Auffassung finden (Structures et mouvement dialectique dans la Phénoménologie de l'Esprit de Hegel, Paris 1968, 265 ff), die über Heinrichs hinaus auch von S. Blasche in seiner Dissertation „Bedürfnis und Vernunft" (Erlangen-Nürnberg 1974, Maschinenschr.) aufs neue bestätigt wurde: „Für denjenigen, der die Wissenschaft erst noch zu lernen hat, ist die Phänomenologie nichts anderes (Hervorhebung v. Verf.) als ein Lehrstück, das ihn zur Philosophie erst noch bringen soll; mag sie immerhin für denjenigen, der .wissenschaftlich' sich den Gegenständen schon zu nähern vermag, auch selbst zur Wissenschaft schon zu zählen sein" (21 Anm. 46). Dieser dominant pädagogische Aspekt des phänomenologischen Unternehmens, der den Autor Hegel zum Lehrer und den Leser zum Schüler bestimmt (vgl. Blasche, ibid., 22), ist symptomatisch für die Sicht der „Phänomenologie" in der neueren HegelForschung. Die ältere Hegel-Forschung sah dagegen in ihr eher ein Dokument Hegels eigener Entwicklung zum rein logisch-spekulativen Standpunkt des Wissens - „eine Art Erwachsenentaufe durch Weltgeist" (E. Bloch, Subjekt-Objekt, 78) - , und somit in ihr speziell eine Funktion für die Durchführung der „Wissenschaft der Logik". (Siehe zu dem Verhältnis von „Phänomenologie" und „Wissenschaft der Logik" neben den bereits genannten Arbeiten ferner: G. Schmidt, Hegel in Nürnberg. Untersuchungen zum Problem der philosophischen Propädeutik, Tübingen 1960; H. Wagner, Hegels Lehre vom Anfang der Wissenschaft, in: Zeitschr. f. philosophische Forschung 23, Meisenheim a. Glan 1969, 339—348; Werner Marx, Hegels Phänomenologie des Geistes. Die Bestimmung ihrer Idee in .Vorrede' und .Einleitung', Frankfurt/Main 1971; M. Clark, Logic and System. A Study of the Transition from .Vorstellung' to Thought in the Philosophy of Hegel, The Hague 1971; St. Rosen, G. W. F. Hegel — besonders der Abschnitt: ,The Relation between the Phenomenology of Spirit and the Sdence of Logic', 124—130 - , New Haven and London 1974; J . H. Trede, Phänomenologie und Logik. Zu den Grundlagen einer Diskussion, in: Hegel-Studien 10, Bonn 1975, 1 7 3 - 2 0 9 . ) H. F. Fulda, Das Problem einer Einleitung, 104.

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Die „Phänomenologie des Geistes" (1807)

Es ist dies — noch ganz abstrakt formuliert — vor allem das Wissen um die substantielle Einheit von Denken und Gegenstand, um die Faktizität einer absoluten Entsprechung von Wissen und Wahrheit überhaupt, das als Resultat der „Phänomenologie" die Grundbedingung des rein wissenschaftlichen Systems der Hegeischen Philosophie ausmacht. Wenn von Hegel dieses Resultat auch nur im engeren Sinne in seinem Verhältnis zur Logik expliziert wird, so hat es dennoch aufgrund der in diesem System sich eigens geltend machenden, spekulativen Begriindungsstruktur von Anfang und Resultat auch über die Logik hinaus für das ganze enzyklopädische System Verbindlichkeit, ohnehin dann, wenn die Logik als die Methode dieses Systems „nichts anderes ist als der Bau des Ganzen in seiner reinen Wesenheit aufgestellt" (Phän, 40), wenn die Logik in einer gewissen Weise bereits das Ganze dieses Systems vorwegnimmt (vgl. oben, 1.3.2.). Dieses System nimmt so im ganzen seinen Ausgang damit, daß „der Geist sein Dasein seinem Wesen gleich gemacht hat (Hervorhebung v. Verf.); er ist sich Gegenstand, wie er ist, und das abstrakte Element der Unmittelbarkeit und der Trennung des Wissens und der Wahrheit ist überwunden. Das Sein ist absolut vermittelt; — es ist substantieller Inhalt, der ebenso unmittelbar Eigentum des Ichs, selbstisch oder der Begriff ist. Hiemit beschließt sich die Phänomenologie des Geistes. Was er in ihr sich bereitet, ist das Element des Wissens. In diesem breiten sich nun die Momente des Geistes in der Form der Einfachheit aus, die ihren Gegenstand als sich selbst weiß. Sie fallen nicht mehr in den Gegensatz des Seins und Wissens auseinander, sondern bleiben in der Einfachheit des Wissens, sind das Wahre in der Form des Wahren, und ihre Verschiedenheit ist nur Verschiedenheit des Inhalts. Ihre Bewegung (Hervorhebung v. Verf.), die sich in diesem Elemente zum Ganzen organisiert, ist die Logik oder spekulative Philosophie" (Phän, 32 f).

Mit anderen zentralen Termini der Hegeischen Philosophie ausgedrückt heißt das: seine streng wissenschaftliche Philosophie, in der allererst ,das Wahre in der Form des Wahren' (d. i. nach seinem Begriff) zur Darstellung gelangt, zeichnet sich gegenüber einer jeden anderen Konzeption von Philosophie generell dadurch aus, daß in ihr die Dichotomien des Bewußtseins ( = Verstandeserkenntnis) von Anfang an prinzipiell überwunden sind, daß hier von Anfang an das Selbstbewußtsein und die Vernunft als begriffene Ausgangsbasis und als begriffenes Konstituens ihrer Gestaltwerdung fungieren 7 4 . Beide letzteren aber repräsentieren eine Denkstruktur, die ihre Geistnatur dahin gehend affirmiert, daß die Bestimmung der wahren Wirklichkeit überhaupt nur als eine Bestimmtheit des absoluten Denkens gegenständlich wird, oder anders ausgedrückt: nur ideell, d. h. 74

Vgl. Puntel, a. a. O . , 208: Man müsse bedenken, „daß der Einstieg in die Logik schon die grundsätzliche Überwindung jedes nicht aus der Vernunft (Hervorhebung v. Verf.) begriffenen oder zumindest begreifbaren Gegensatz von Subjekt und Objekt, .Begriff' und Realität usw. voraussetzt".

Seine Funktion für das enzyklopädische System

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begriffene Wirklichkeit bleibt. Wenn die phänomenologische Darstellung des Geistes im ganzen noch auf der Entwicklung des Bewußtseins beruhte 7 5 , so kommt nunmehr die enzyklopädische, d. i. die streng wissenschaftliche Darstellung desselben im ganzen als die Entwicklung des selbstbewußten Geistes zur Geltung 7 6 . Hegel formuliert entsprechend im Vorspann der Nürnberger Logik: „In der Phänomenologie des Geistes (Bamb. und Wiirzb. 1807) habe ich das Bewußtsein in seiner Fortbewegung von dem ersten unmittelbaren Gegensatz seiner und des Gegenstandes bis zum absoluten Wissen dargestellt. Dieser Weg geht durch alle Formen des Verhältnisses des Bewußtseins zum Objekte durch und hat den Begriff der Wissenschaft zu seinem Resultate. Dieser Begriff bedarf also (abgesehen davon, daß er innerhalb der Logik selbst hervorgeht) hier keiner Rechtfertigung, weil er sie daselbst erhalten hat; und er ist keiner andern Rechtfertigung fähig als nur dieser Hervorbringung desselben durch das Bewußtsein, dem sich seine eignen Gestalten alle in denselben als in die Wahrheit auflösen (nämlich in Wahrheit bestimmte Strukturen einer Einheit, des seiner selbst bewußten Wissens, zu sein; letzte Hervorhebung wie letzter Zusatz in Klammern v. Verf.)" (WL I, 29).

Und an anderer Stelle: „In der Logik ist dasjenige die Voraussetzung, was aus jener Betrachtung (der Phänomenologie des Geistes'; Verf.) sich als das Resultat erwiesen hatte, — die Idee als reines Wissen Diese Idee aber hat sich in jenem Resultate dahin bestimmt, die zur Wahrheit gewordene Gewißheit zu sein, die Gewißheit, die nach der einen Seite dem Gegenstande nicht mehr gegenüber ist, sondern ihn innerlich gemacht hat, ihn als sich selbst weiß, — und die auf der anderen Seite das Wissen von sich als von einem, das dem Gegenständlichen gegenüber und nur dessen Vernichtung sei, aufgegeben hat, dieser Subjektivität entäußert und Einheit mit seiner Entäußerung ist" (ibid., 53) 7 7 .

Insofern nun „die Wahrheit als Wissenschaft das reine sich entwickelnde Selbstbewußtsein ist" ( W L I, 30) und dieses „die Befreiung von dem

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Vgl. WL I, 53: „Es ist in der Einleitung bemerkt, daß die Phänomenologie des Geistes die Wissenschaft des Bewußtseins (Hervorhebung v. Verf.), die Darstellung davon ist, daß das Bewußtsein den Begriff der Wissenschaft, d.i. das reine Wissen, zum Resultate hat". Insofern ist hier auch erst „das reine Wissen die letzte, absolute Wahrheit des Bewußtseins" (ibid.), oder anders: „das absolute Wissen die Wahrheit aller Weisen des Bewußtseins (Hervorhebung v. Verf.)" (ibid., 30; vgl. auch ibid., 35 u. WL II, 223). Diese Zuordnung des Bewußtseins und Selbstbewußtseins zu bestimmten Gestalten von Philosophie und somit zu bestimmten Geistesverfassungen derselben findet sich bei Hegel u. a. als Mittel eingesetzt, die Philosophien anderer Denker generell zu charakterisieren und hiermit auch zu schematisieren, wie a. B. Kants, Enz § 415 HZus: „Die Kantische Philosophie kann am bestimmtesten so betrachtet werden, daß sie den Geist als Bewußtsein aufgefaßt hat und ganz nur Bestimmungen der Phänomenologie, nicht der Philosophie desselben enthält . . . . Es ist daher für einen richtigen Sinn dieser Philosophie anzusehen, daß sie von Reinhold als eine Theorie des Bewußtseins, unter dem Namen Vorstellungsvermögen, aufgefaßt worden ist". Vgl. auch die Ausführungen ibid.: 7, 25 u. 30f; sowie Hegels spätere Notiz vom Herbst 1831: „Logik hinter dem Bewußtsein" (abgedruckt in Phän, 578).

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Die „Phänomenologie des Geistes" (1807)

Gegensatze des Bewußtseins voraussetzt" (ibid.; vgl. auch ibid., 32), sind in der streng wissenschaftlichen Darstellung der Philosophie — d. h. in der „Enzyklopädie" — Reflexionsverhältnisse des Denkens prinzipiell ausgeschlossen, die noch und vor allem nur in der phänomenologischen Entgegensetzung von Denken und Gegenstand verharren 78 , woraufhin auch überhaupt die Gegenständlichkeit und Objektivität des Denkens, wie sie im enzyklopädischen System auftreten, hier eine entsprechend andere Bestimmung ihrer Konkretheit haben, als ihnen in der „Phänomenologie" eigen ist. Zwar treten die Wissenschaften der Natur und des Geistes, „diese konkreten Wissenschaften, zu einer reellem Form der Idee heraus als die Logik, aber zugleich nicht so, daß sie zu jener Realität sich wieder umwendeten, welche das über seine Erscheinung zur Wissenschaft erhobene Bewußtsein aufgegeben hat" (WL II, 231) 79 . Was bei Hegel in der Struktur des Selbstbewußtseins an konkreten Voraussetzungen für die enzyklopädische Darstellung der Philosophie liegt und über die „Phänomenologie" für diese gewonnen wird, wird Gegenstand unserer Untersuchung unter Punkt 2.2. sein. Zunächst jedoch besteht das Erfordernis, den Standpunkt des Selbstbewußtseins hinsichtlich seiner gesamtmethodischen und gesamtsystematischen Relevanz allgemein zu erschließen. 2.1.2.1. Der Standpunkt des Selbstbewußtseins Was in unserer Untersuchung unter dem Standpunkt des Selbstbewußtseins anvisiert wird, muß sich zunächst vor der Vorstellung verwahren, daß es sich hierbei um die Übertragung dessen, was bei Hegel im Kapitel ,Selbstbewußtsein' in der „Phänomenologie" ausgeführt wird, auf die 78

Aus diesem Sachverhalt heraus ist auch die Rückbindung der Logik an ihren eigenen Anfang, wie auch die Rückbindung des enzyklopädischen Systems an die Logik und nicht an die „Phänomenologie" zu erklären, obwohl letztere in bestimmter Hinsicht als Voraussetzung beider auftritt, aber eben unter der bestimmten Hinsicht des Denkens nach Begriffen als eine falsche Voraussetzung. Auch H. F. Fulda zieht ganz richtig hieraus die Begründung der Vernachlässigung des phänomenologischen Standpunktes in der Logik: „Indem der Anfang der reinen Wissenschaft aufhört, ein Reflexionsverhältnis (Verhältnis der Entgegensetzung; Verf.) zum Anfang des Systems zu haben, hat auch ihr Ende dieses Verhältnis nicht mehr zu bestimmen. So läuft das Ende der Logik . . . . nur noch in ihren eigenen Anfang, nicht mehr in denjenigen der Phänomenologie zurück" (Das Problem einer Einleitung, 113f). - Vgl. auch unten, 174f.

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Das hat freilich eine entscheidende Konsequenz für die Bestimmung der Objektivität, die sich der Geist in der Philosophie des Rechts als einem Teil des enzyklopädischen Systems gibt.

Seine Funktion für das enzyklopädische System

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ganze Logik und darüber hinaus auch auf die ganze Darstellung des enzyklopädischen Systems handelt. Wenn gesagt wird, daß die „Phänomenologie" im ganzen als eine „wissenschaftliche" Gestalt des philosophierenden Bewußtseins angesehen werden muß 8 0 und daß deren Resultat die Logik und mit ihr das enzyklopädische System im ganzen zu der Wissenschaft des philosophierenden Selbstbewußtseins (oder auch des selbstbewußten Geistes) bestimmt, dann sind damit Grundverfassungen des Denkens angesprochen, die über die konkrete phänomenologische Analyse der Begriffe ,Bewußtsein' und ,Selbstbewußtsein' hinausgehen, — ja diese Analyse selbst noch einmal als eine spezifisch phänomenologische zu begründen vermögen. Zwar beruht das Selbst-Bewußtsein, wie es in der phänomenologischen Darstellung erscheint, bereits auf der Struktur des Se/fci-Bewußtseins, die ihm nach seinem Begriffe eigen ist, aber diese ist ihm noch nicht als eine solche thematisch und vollbringt sich — wie es überhaupt bei allen Momenten der phänomenologischen Wissenschaft der Fall ist — erst „hinter seinem Rücken" (Phän, 74). Expliziert wird das Selbstbewußtsein hier nur als eine „besondere Gestalt des Bewußtseins" (Phän, 553) und bleibt von daher als eine bloß weitere Bestimmung des Bewußtseins prinzipiell in dessen Dichotomie von Wissen-von-etwas und Wissenvon-sich-selbst befangen 81 , wird so als Selbstbewußtsein zum „unglücklichen Bewußtsein" (Phän, 158ff). Diese Befangenheit der an und für sich wahren Struktur des Geistes im Phänomenologischen, die die „Phänomenologie" von 1807 zur noch nicht „freien, in ihrer eigentümlichen Gestalt sich bewegenden Wissenschaft" (ibid., 67) macht 82 , basiert darauf, daß diese „wissenschaftliche" Gestalt ihren Ausgang mit dem Bewußtsein nimmt und somit dessen Bindung an den Schein der Entgegensetzung in einem jeden ihrer Momente reproduziert 83 , wohingegen die wahre Wissen80

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R. Aschenberg will, da sowohl das Wissen wie auch das Bewußtsein Gegenstand der phänomenologischen Untersuchung bei Hegel seien, die „Phänomenologie" überhaupt als „Bewußtseinskritik" lesen (Der Wahrheitsbegriff in Hegels „Phänomenologie des Geistes", a . a . O . , 230 Anm. 9). Zur Dichotomie des Bewußtseins siehe u. a. Phän: 25, 32, 70, 72, 423; ferner WL I: 42, 45, 148, 150; Enz, §416 u. §423. Vgl. Puntel, a. a. O . , 152: „Das Phänomenologische ist der Bereich der Erscheinung als die Darstellung des Geistes-in-Beziehung, wobei dieses In-Beziehung-Stehen im strengen Gegensatz zum Geist in seinem Anundfürsichsein zu nehmen ist. Als Erscheinung ist der Geist in Beziehung, ohne dabei sein Selbst-in(als)-Beziehung erfassen oder begreifen zu können". Dieses unbegriffene /»-sein macht die Unfreiheit des Geistes in seiner phänomenologischen Darstellung aus. Vgl. Phän, 74 f: „Die Erfahrung, welche das Bewußtsein über sich macht, kann ihrem Begriffe nach nichts weniger in sich begreifen als das ganze System desselben, oder das ganze

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Die „Phänomenologie des Geistes" (1807)

schaft in der ihr eigentümlichen Gestalt — d. i. das enzyklopädische System — „die Befreiung von dem Gegensatze des Bewußtseins voraussetzt (Hervorhebung v. Verf.)" und „die Gestalt des Selbst hat" (WL I, 30). Dieses Selbst aber ist als reflektierte (— Resultat der „Phänomenologie" —) und reflektierende (— der Gang der „Enzyklopädie" —) Identität nicht ununterschiedene Einheit, sondern als Wissen um diese Einheit gerade als tätige Affirmation ihrer selbst in ihrer Entäußerung zu denken 84 , von daher dann auch die wahre Wissenschaft als das sich entwickelnde Selbst-bewußtsein (vgl. WL I, 30) zu fassen. Hegels allgemeinste Formel für diese selbstbewußte und identische Wissensstruktur ist ,die Identität der Identität und Nichtidentität' und als gleichsam ein Charakteristikum des Absoluten, des Begriffs, des Geistes überhaupt, des Ichs etc., für eine nähere Bestimmung des Ausgangspunktes seines enzyklopädischen Systems noch völlig inhaltsleer und unbrauchbar. Eine inhaltliche Spezifizierung derselben soll auch erst im folgenden Punkt 2.2. unternommen werden. Uns kommt es hier zunächst darauf an, einsichtig zu machen, daß £¿«Áe¿ís-bestimmungen in der „Phänomenologie" als Resultate des wesentlichen Unterschieds des bewußten Geistes angesehen werden müssen, so daß der Fortgang der phänomenologischen Darstellung auf dem Rückfall dieser Einheiten in den Unterschied beruht, wogegen in der enzyklopädischen Darstellung Unterschieds-bestimmungen als Resultate der Selbstkonstitution des seiner selbst bewußten Geistes begriffen und an dessen prinzipielles Mit-sich-identischsein im Unterschied rückgebunden werden müssen, was dementsprechend die Methode dieser Darstellung allgemein konstituiert und grundsätzlich die Erhebung des Unterschieds überhaupt (= Widerspruch an sich; vgl. WL II, 49) in den absoluten Widerspruch und darin die (Auf-)Bewahrung des Widerspruchs überhaupt in wesentlicher Einheit bedeutet (siehe dazu

84

Reich der Wahrheit des Geistes, so daß die Momente derselben in dieser eigentümlichen Bestimmtheit sich darstellen (Hervorhebung v. Verf.), nicht abstrakte, reine Momente zu sein, sondern so, wie sie für das Bewußtsein sind (Hervorhebung v. Verf.), oder wie dieses selbst in seiner Beziehung auf sie auftritt, wodurch die Momente des Ganzen Gestalten des Bewußtseins sind. Indem es zu seiner wahren Existenz sich forttreibt, wird es einen Punkt erreichen, auf welchem es seinen Schein ablegt, mit Fremdartigem, das nur für es und als ein anderes ist, behaftet zu sein, oder wo die Erscheinung dem Wesen gleich wird". Vgl. auch die strukturalen Entsprechungen zu dieser Fassung des Selbstbewußtseins in H . - G . Gadamers Ausführungen über den Begriff des Selbstbewußtseins in „Wahrheit und Methode", Tübingen 1972 (3. Auflage), 239: „Dessen Sein (des Selbstbewußtseins; Verf.) besteht darin, daß es alles und jedes zum Gegenstand seines Wissens zu machen weiß und dennoch in allem und jedem, das es weiß, sich selber weiß. Es ist also als Wissen ein Sich-von-sich-unterscheiden und als Selbstbewußtsein zugleich ein Ubergreifen, in dem es sich mit sich selbst zusammenschließt".

Seine Funktion für das enzyklopädische System

53

unten, 4.1.1.3.). Das heißt keinesfalls, daß Gegensätzlichkeit und Äußerlichkeit aus der enzyklopädischen Gestalt der philosophischen Wissenschaft aufgrund deren allgemeinen Prinzips der wesentlichen Einheit der Selbstgewißheit des Geistes in einer jeden seiner Bestimmungen überhaupt gänzlich ausgeschlossen wären, als ob dieser Geist etwa „Angst vor seiner Entäußerung hätte" (Phän, 561), jedoch erscheinen hier nun seine bewußtseinsmäßigen Strukturen als Momente seines Selbstbewußtseins 85 , wohingegen selbstbewußte Strukturen in der „Phänomenologie" überhaupt nur als Momente des Bewußtseins auftraten 86 . Hier wird nunmehr offenbar, daß das Verhältnis Bewußtsein — Selbstbewußtsein in Wahrheit fundamental von der Primärstruktur des Selbstbewußtseins bestimmt wird, nicht umgekehrt, wie J. Hyppolite es zu bestimmen versucht 8 7 , und wie es der faktischen Erscheinung einer allererst sekundären Entwicklung des Begriffs des Selbstbewußtseins, die sowohl innerhalb der „Phänomenologie" selbst (hier ist das Bewußtsein das faktische wie systematische Prius der Darstellung) als auch im Zusammenhang der tatsächlichen Konstitution des Verhältnisses von „Phänomenologie" (die Bewußtseinswissenschaft als eine Vorbereitung . . . .) und „En85

Diese Erkenntnis steht nicht in Widerstreit zu unseren obigen Ausführungen (49 f), wo behauptet wurde, daß in der „Enzyklopädie" Reflexionsverhältnisse des Denkens prinzipiell ausgeschlossen seien, die noch in der phänomenologischen Entgegensetzung von Denken und Gegenstand verharren, d. h. die Struktur des Bewußtseins verkörpern. In der Tat hat im absoluten Wissen — dem Ausgangspunkt der Logik und somit auch des enzyklopädischen Systems - „der Geist die Bewegung seines Gestaltens beschlossen, insofern dasselbe mit dem (nunmehr; Verf.) überwundenen Unterschiede des Bewußtseins behaftet ist" (Phän, 561), aber damit hat sich der Geist weder als „das Zurückziehen des Selbstbewußtseins in seine reine Innerlichkeit", noch als „die bloße Versenkung desselben in das Nichtsein seines Unterschiedes gezeigt" (ibid.). Auch der selbstbewußte Geist bleibt auf Entgegensetzung verwiesen, ist aber im Gegensatz zu seiner bloßen Bewußtseinsgestalt in der Lage, diese Verweisung selber als seine eigene Tätigkeit thematisch werden zu lassen (vgl. oben, Anm. 82).

86

Analog gestaltet sich das Verhältnis von Verstand und Vernunft in beiden Darstellungen der philosophischen Wissenschaft: die Vernunft ist in der „Phänomenologie" nur als ein Moment des Verstandes expliziert, als Resultat des wesentlichen Unterschiedes der Verstandesbestimmungen, wohingegen in der „Enzyklopädie" die Vernünftigkeit des Gedankens Voraussetzung ist und somit verständige Formen desselben in ihr nur vor dem Horizont ihrer wesentlichen Vernünftigkeit erscheinen (siehe unten, 2.2.2.12), — einer Vernünftigkeit, die zwar im Grunde immer auch schon im Verstände liegt, die aber in der phänomenologischen Darstellung des Geistes zunächst nur ,hinterrücks' wirksam wird.

87

Genèse et Structure de la Phénoménologie de l'esprit de Hegel, Paris 1946, 567: „La logique est aussi une théorie de la connaissance parce qu'elle est vraiment une ,connaissance de s o i ' " . Siehe dagegen Enz, § 424: „Die Wahrheit des Bewußtseins ist das Selbstbewußtsein, und dieses der Grund von jenem, so daß in der Existenz alles Bewußtsein eines andern Gegenstandes Selbstbewußtsein ist" (vgl. auch WL I, 150).

54

Die „Phänomenologie des Geistes" (1807)

zyklopädie" (. . . . der Wissenschaft des Selbstbewußtseins) statthat, entsprechen würde. Diese Verkehrung des Erscheinungsbildes von Bewußtsein und Selbstbewußtsein findet sachlich darin seine Berechtigung, daß die „Enzyklopädie" (die Wissenschaft des Selbstbewußtseins) für sich überhaupt eine Vorrangstellung gegenüber der „Phänomenologie" (der Wissenschaft des Bewußtseins) geltend zu machen vermag, da gerade sie es ist, die die Darstellung des Geistes so unternimmt, wie dieser in Wahrheit sein Dasein hat — d . h . nach dem Begriff und nicht nach der Erscheinung desselben — , und daß der Notwendigkeit des Übergangs der „Phänomenologie" in die „Enzyklopädie" überhaupt schon inhäriert, daß die Wissenschaftsgestalt des Bewußtseins sich im Grunde selbst nur als ein vorläufiges Moment, nur als eine bloße Durchgangsstufe des an sich selbstbewußten Geistes auf dessen Weg zu der adäquateren Erfassung seiner selbst im wahrhaft wissenschaftlichen System der „Enzyklopädie" begreift 88 , was am Ende die Bedingung der Integration des Phänomenologischen in wissenschaftliches Philosophieren überhaupt ausmacht und auch die bereits angesprochene Möglichkeit plausibel macht, an die enzyklopädische Darstellung des Ganzen der Philosophie noch eine phänomenologische anzuschließen, die den Erfordernissen der Wissenschaft voll Genüge leisten würde, da nach der vollständigen Erfassung des Geistes als Selbstbewußtsein in der „Enzyklopädie" dieser sich nunmehr in eine mehr bewußtseinsmäßige — und damit gemeinhin konkreter erscheinende — Dimension entlassen könnte, die sich von vornherein.— nicht mehr nur hinterrücks — als wesentliches Moment selbstbewußter Geistigkeit verstünde, — eine Einsicht, die das Werk von 1807 erst als Resultat formulieren konnte (vgl. oben, 38ff). Bewußtsein und Selbstbewußtsein bezeichnen also bei Hegel Grundverfassungen des Geistes, die sowohl in der phänomenologischen wie enzyklopädischen Systematik seiner Philosophie von tragender, methodischer Relevanz sind, in beiden jeweils mit umgekehrten Vorzeichen. Sarlemijn gibt diesem Verhältnis eine nähere Charakterisierung an dem Begriff der Negation: „Der Widerspruch der Realität, die erste Negation, bildet den Ausgangspunkt der Phänomenologie; die Logik hingegen fängt mit dem Widerspruch der abstrakten Idealität — der zweiten Negation — an. In beiden Wissenschaften richtet sich die dialektische Forschung nach 88

Von daher läßt sich auch gerade aus dem Prinzip des Selbstbewußtseins „die .Rechtfertigung' begründen, die diese ,vorbereitende' und ,einleitende' Wissenschaft (die Phän; Verf.) ausmacht"; denn die Idee der „Phänomenologie" liegt im Grunde und in Wahrheit „im Prinzip des Selbstbewußtseins" (Werner Marx, a . a . O . , 113).

Seine Funktion für das enzyklopädische System

55

der doppelten Negation und bleibt nicht bei einer einfachen stehen. Der Gegensatz ihrer Methode liegt nur im Ausgangspunkt" 89 .

Aus der Anwendung der Kategorie der Negativität auf unsere Ausführungen folgt eine weitere Spezifizierung des Verhältnisses Bewußtsein — Selbstbewußtsein und somit der methodischen Grundlagen wahrhaft philosophischer Wissenschaft bei Hegel: der Ausgangspunkt der „Phänomenologie " ist das Bewußtsein als einfache Negation, als endlich negatives und bloß verständiges Verhältnis des Wissens zu seinem Gegenstand; der Ausgangspunkt der Logik (der „Enzyklopädie") ist das Selbstbewußtsein als negiertes Negatives des Bewußtseins, somit nicht als Negation des Bewußtseins überhaupt, sondern als eine bestimmte Form des Bewußtseins selber, die sich aber in Wahrheit als dessen Grund erweist. Das Selbstbewußtsein, indem es das Negative am Bewußtsein negiert, affirmiert so das Bewußtsein selbst, gleichsam als vom Negativen „gereinigtes". Selbstbewußtsein heißt also nicht nur irrtümlich einseitig, daß sich das Selbst — möglicherweise noch als ein jeder Objektivität entsagendes Ich oder auch nur als „cogito" gedacht — seiner bewußt ist, sondern auch, daß in ihm das Selbst des Bewußtseins erreicht ist 90 , eines Bewußtseins, das als bloßes Bewußtsein verhaftet bleibt in den endlichen Differenzen der Welt des Verstandes als einseitig negative, noch nicht spekulativ negative Vernunft. Aufgrund dieser „Doppelstruktur" des Selbstbewußtseins — Selbstidentität als Selbst des Bewußtseins (= wesentliche Differenz) zu sein — ist mit ihm als Ausgangspunkt des enzyklopädischen Systems keine Reduktion des in der „Phänomenologie" bereits entfalteten, sich auf real-weltliche Mannigfaltigkeit und konkrete Gegebenheiten einlassenden Denkens auf das reine Denken des Gedankens im isolierten Ich vorgenommen, vielmehr bleibt diese wesentliche Bezogenheit des Denkens auf das gegen-Ständliche, bleibt überhaupt substantielles und materiales Denken auch für die selbstbewußten Strukturen des Geistes konstitutiv (vgl.: Enz, § 9 HZus; Phän, Das absolute Wissen, 549ff).

89

90

A . Sarlemijn, Hegeische Dialektik, Berlin-New York 1971, 13. Auf dieser methodisch gleichen Grundverfassung von „Phänomenologie" und Logik — jedoch mit umgekehrten Vorzeichen — ist auch die Gleichursprünglichkeit beider Werke bei J. Heinrichs konzipiert (vgl.: Die Logik der Phänomenologie des Geistes', 71 ff). Vgl. N. Hartmann, Hegel und das Problem der Realdialektik, in: ders., Kleinere Schriften Bd. II, Berlin 1957, 3 2 3 - 3 4 6 , 330: „Die .Phänomenologie des Geistes' ist der Weg, auf dem das Bewußtsein sich selbst erfährt, zum Selbstbewußtsein wird. Es ist hier sein eigener Gegenstand. Es faßt sich aber nicht unmittelbar in seinem Kern und Wesen, sondern von außen her; d.h. vom Objekt her".

56

Die „Phänomenologie des Geistes" (1807)

Insofern sich so das Selbstbewußtsein als ,das Bewußtsein in seinem Grunde genommen' und daher als das Hinausgehen des Bewußtseins aus dem Beschränkten der nur endlichen Bestimmungen des verständigen Geistes, somit als Hinausgehen des Bewußtseins über sich selbst — eine Gewalt, die das Bewußtsein im übrigen von sich selbst her erleidet (vgl. Phän, 69) — erweist, ist für Hegel mit dem Selbstbewußtsein als Ausgangspunkt der enzyklopädisch wissenschaftlichen Systematik seiner Philosophie zwar die ,Form der Einfachheit der Momente des Geistes' gegeben (vgl. Phän, 33), jedoch keine £¿w-fachheit im Sinne differenzloser Identität, sondern ganz im Gegenteil (—in der Aufhebung der wesentlichen Differenz des Bewußtseins liegt eben nicht nur die Negation, vielmehr auch die Affirmation und Bewahrung von Differenz — ): die Identität absoluter Differenz (vgl. oben, 52 f). Wenn also für die wahre Gestalt der Philosophie überhaupt festgehalten werden kann, daß diese sich generell von der Basis der Prinzipien einer selbstbewußten Geistesverfassung «us konstituiert, so kann zugleich auch gesagt werden, daß, „indem die Philosophie es allerdings mit der Einheit überhaupt, aber nicht mit der abstrakten, der bloßen Identität und dem leeren Absoluten, sondern mit der konkreten Einheit (dem Begriffe) zu tun und in ihrem ganzen Verlaufe ganz allein es damit zu tun hat, — daß jede Stufe des Fortgangs eine eigentümliche Bestimmung dieser konkreten Einheit ist, und die tiefste und letzte der Bestimmungen der Einheit die des absoluten Geistes ist" (Enz, § 573 HZus — S. 459 — ) 91 . Hierin gründet auch das Eigentümliche des Anfangs der Logik mit der Identität der absoluten Differenz von Sein und Nichts, der nunmehr, trotz seiner absoluten £¿w-heit, folgerichtig — in seiner unbestimmten Unmittelbarkeit als im Grunde zum einen wesentlich in diese Bestimmung gesetzter und nur mit dem Schein von Unmittelbarkeit behafteter Anfang (als Resultat seines nur anfänglichen Gesetztseins innerhalb der wahren Wissenschaft selbst), als zum anderen aber auch noch als Resultat und in Reichheit vollständiger Vermittlung von Denken und Gegenstand seiender Anfang (als Resultat der „Phänomenologie des Geistes") - die Möglichkeit der Entfaltung der Mannigfaltigkeit des Geistes beinhaltet, woraufhin einsichtig wird, wieso die absolute Idee der Logik — diese Reichheit an Bestimmtheit — das Resultat der Explikation ihres scheinbar doch so „armen" Anfangs und damit überhaupt auch die ganze „Enzyklopädie" eine Explikation ihres Anfangs und eine Rückkehr 91

Vgl. auch: M. Heidegger, Der Satz der Identität, in: Identität und Differenz, Pfullingen 1976, 9 - 3 0 , 12; H . Wein, Realdialektik. Von Hegelscher Dialektik zu dialektischer Anthropologie, München 1957, 87.

Seine Funktion für das enzyklopädische System

57

zu ihrem Anfang in der Logik sein kann 9 2 . Wenn nun die enzyklopädische Darstellung der wissenschaftlichen Philosophie als das System selbstbewußter Geistigkeit angesprochen wird, so liegt darin die Bedingung, daß in ihm echte Einfachheit und Isolation sowie faktische Unmittelbarkeit von Denkbestimmungen prinzipiell ausgeschlossen sind, weil es seinen Ausgang bereits bei einer geistigen Verfassung nimmt, die sich im vorhinein als Resultat ihrer Erscheinung wie auch im nachhinein als Resultat nach ihrem Begriff voraus setzt93. Auf diesem Sachverhalt beruht freilich auch Hegels Problem einer Einleitung in dieses System, da dessen Anfang sich in der Gestalt der Identität eines sich seiner prinzipiell selbst bewußten Wissens ( = „unmittelbares" Selbstbewußtsein) als das Resultat (dialektisch schematische Stufe III der Synthesis) wesentlicher Differenz von Wissen und Gewußtem (dialektisch schematische Stufe II der antithetischen Setzung) erkennt, und so ein echter Anfang (dialektisch schematische Stufe I der Thesis) gar nicht denkbar zu sein scheint. Somit erfährt über die Einleitungsproblematik der Hegeischen Philosophie, die von uns bisher nur unter dem Aspekt der innerwissenschaftlichen Selbstbegründung und des Totalitätsanspruchs dieser Philosophie thematisiert wurde (vgl. oben, 92

Diese „Doppelstruktur" des logischen Anfangs — einerseits in absoluter Unmittelbarkeit und andererseits als ein gesetztes Resultat und somit in absoluter Vermittlung zu sein — ist das entscheidende Argument gegen Ottmanns These von dem prinzipiellen Scheitern einer Einleitung in Hegels Philosophie, die er u.a. darauf gründet, daß Hegel den Anfang der Logik gleichzeitig als Resultat der „Phänomenologie" und in der Bestimmung der unbestimmten Unmittelbarkeit expliziere, daß aber beides zusammen nicht sein könne (Das Scheitern einer Einleitung, 30 ff). Die von Ottmann für den logischen Anfang geforderte „echte" Unbestimmtheit und Unmittelbarkeit, die nicht in Wahrheit Schein wäre, käme nie über diese ihre Bestimmung, das schlechthin Unbestimmte zu sein, hinaus — jedenfalls nicht aus eigener Kraft — und würde es unsinnig machen, das Resultat der Logik — die absolute Idee — als die eigene Entfaltung seines Anfangs explizieren zu wollen.

93

Siehe dazu unsere Ausführungen unter 2.2.2.2. u. 3.2.1.2.. Diese grundsätzliche Absenz von wahrhaft ein-fachen Bestimmungen im enzyklopädischen System, welche sich noch nicht bewußt sein sollen, Momente einer Relation und in diese Einfachheit wesentlich gesetzt zu sein, wird sich im Rahmen der Analyse des .Objektiven Geistes' bewähren, insofern das Anstößige der Hegeischen Formulierung von der Vernünftigkeit des Wirklichen und der Wirklichkeit des Vernünftigen immer wieder nur darin beruht, daß Denkinhalte (,Vernunft') von faktischen Gegebenheiten in der „Realität" (.Wirklichkeit") isoliert und diesen gegenübergestellt, und so nicht zur Deckung gebracht werden können - was Hegels Formulierung dann freilich Lügen straft —, obwohl eine solche Opposition bereits am Anfang der Logik, wo es sich „offensichtlich" sogar nur um das reine Denken handeln soll, prinzipiell ausgeschlossen ist und in der ganzen „Enzyklopädie" auch ausgeschlossen bleibt. Der Rückfall in diese Dichotomie des Bewußtseins muß den Status verkennen, den die Hegeische Philosophie in ihrer enzyklopädischen Gestalt und somit auch die „Rechtsphilosophie" im Reich der Wirklichkeit einnehmen, solange dieser Rückfall sich nicht als scheinbare, sondern als absolute Verhältnismäßigkeit des Geistes begreift.

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Die „Phänomenologie des Geistes" (1807)

1.3.1.), auch der Wissenschaftsbegriff derselben überhaupt eine weitere Spezifikation durch die Wiederholung dieser Problematik in dem Verhältnis von Bewußtsein und Selbstbewußtsein: die Wissenschaftlichkeit Hegels enzyklopädischer Darstellung der Philosophie basiert nunmehr darauf, daß in ihr der Geist sich als Selbstbewußtsein entfaltet und der Gang dieser Darstellung von daher in dem Sich-seiner-als-Geist-bewußt-werden des an sich selbstbewußten Geistes gründet, d. h. daß die Philosophie dann Wissenschaft ist, wenn ihren Gegenstandsbereich der Geist selber bildet und seine Objektbezogenheit nichts anderes als die ihm selbst immanente Äußerlichkeit, d. h. nichts anderes als eine geistige Äußerlichkeit darstellt. Für das gewöhnliche Verständnis von Philosophie bedeutet das die U m stellung auf den Kopf, gilt doch gemeinhin als Indiz von Wissenschaftlichkeit in der Philosophie der Grad des Vermögens derselben, unter plausibler Beweisführung richtige Aussagen besonders über den nichtgeistigen Bereich ihrer Objekte mit Hilfe des Geistes (d. h. über die richtige Anwendung des Denkens) zu machen, wohingegen Hegel den Grad an Wissenschaftlichkeit von Philosophie gerade daran bemißt, inwieweit diese befähigt ist, in ihren Gegenständen sich selbst und so die Gegenstände durch sich (hindurch) zu erkennen. Keinesfalls darf jedoch diese prinzipielle Bindung wissenschaftlichen Philosophierens an die Struktur des Selbstbewußtseins dahin gehend interpretiert werden, daß hiermit ein genereller und absoluter Verzicht auf Gegenstandsbezogenheit von Philosophie überhaupt zugunsten der subjektiven Selbstbespiegelung eines nur denkenden Individuums in der Gestalt eines weltentrückten Ichs geleistet würde (vgl. oben, 52f u. 55; unten, Anm. 190). Eine solche Interpretation würde das Selbstbewußtsein als Resultat des Bewußtseins und damit als Bergung (auch im Sinne von ,Hebung') von dessen Gegenständlichkeit ignorieren. ,Selbstbewußtsein' bezeichnet bei Hegel im gesamtwissenschaftlichen Rahmen seines enzyklopädischen Systems der Philosophie, ebenso wie Subjektivität', eine spekulative Grundverfassung des Geistes, die sich innerhalb dieses Rahmens nicht mehr darauf reduzieren läßt, nur das Moment (Relat) eines Verhältnisses (etwa von Denken und Gegenstand) zu verkörpern, sondern den Anspruch erhebt, als der allgemeine Grund dieses Rahmens selbst das prinzipielle Ganze und ganzheitliche Moment wahrer Verhältnismäßigkeit überhaupt, somit selbst das Ganze der Relation (d. i. die Relationalität und die Relate der Relation in einem) zu sein. Bevor dieser allgemeine Grund im folgenden konkretisiert wird, sollen noch einige Bemerkungen zu den Parallelen angeschlossen werden, die sich beim Ubergang der „Phänomenologie" in die streng wissenschaftliche Gestalt

Seine Funktion für das enzyklopädische System

59

der Philosophie zwischen der Entwicklung des Bewußtseins zum Selbstbewußtsein und der entsprechenden Entwicklung der Substanz zum Subjekt anbieten.

2.1.2.2. Die Entwicklung der Substanz zum Subjekt Hegels Formulierung in der Vorrede zur „Phänomenologie", daß „alles darauf ankomme, das Wahre nicht als Substanz, sondern eben so sehr (Hervorhebung v. Verf.) als Subjekt aufzufassen und auszudrücken" (Phän, 19), wird gerne als Relikt einer Hegeischen Jugendkonzeption von einem philosophischen Programm angesehen, als ein Relikt, das trotz seiner von Hegel betonten methodischen Implikationen (vgl. ibid.) schon selbst für die phänomenologische Darstellung unbedeutend bleibt, welches aber über die enzyklopädische Systemgestalt der Hegeischen Philosophie überhaupt keine Einsicht mehr zu vermitteln vermag. So richtig es ist, daß mit Hilfe des Begriffspaares Substanz — Subjekt keine ins Einzelne gehende Rekonstruktion philosophischer Systematik bei Hegel durchgeführt werden kann, so leistet dieses dennoch ganz allgemein — aufgrund seiner Eigenschaft, das Verhältnis Bewußtsein — Selbstbewußtsein näher zu charakterisieren —, den Gesamtstatus eines philosophischen Systems zu bestimmen 9 4 und spielt von daher im besonderen eine Rolle bei der Frage nach der Möglichkeit differierender Systeme des Ganzen der Hegeischen Philosophie. Analog zur Entwicklung des Bewußtseins zum Selbstbewußtsein in der „Phänomenologie" kennzeichnet auch die Entwicklung der Substanz zum Subjekt das ,Werden der Wissenschaft', insofern mit dieser Entwicklung gleichermaßen die Tendenz des zur Wahrheit drängenden Geistes angesprochen ist, die ihm beharrlich unterstellten und in und mit ihm scheinbar fest gestellten (sub-stare) Begrenzungen von Denken und Gegenstand (die Dichotomien des Bewußtseins . . . .) in die Spekulation eines sich selbst unter die Bedingungen seiner Gegenständlichkeit setzenden und sich allein diesen Bedingungen unterwerfenden (sub-icere) Denkens (. . . . in die wiederhergestellte Identität der Bewußtseinsdichotomien im Selbstbewußt94

Es läßt sich bei Hegel in der Tat, in Analogie zu seiner Klassifikation bestimmter Philosophien und philosophischer Systeme durch die Termini ,Bewußtsein' und Selbstbewußtsein' ( s . o . , Anm. 76), auch eine entsprechende Klassifikation derselben finden, die auf dem Unterschied von ,Substanz' und ,Subjekt' beruht (siehe z . B . E n z , § 573 H Z u s - S . 458f—).

60

Die „Phänomenologie des Geistes" (1807)

sein) zu überführen. Somit beinhaltet bei Hegel die Bewußtseinsstruktur des Geistes bloß substantielles Denken (prinzipielles Verharren und Beharren - Statik — in endlicher Bestimmtheit), und die Struktur des Selbstbewußtseins das Wissen des Denkens um seine substantielle Sub-jektivität (die Gegenstandsbestimmung als die Bewegung der Entäußerung und Rückgewinnung des Selbst, die un-endliche Selbstbestimmung des Denkens in seiner Gegenständlichkeit)95. Dieser Zusammenhang findet sich am Ende der „Phänomenologie" in seiner Bedeutung für das Werden der Philosophie zu der ihr angemessenen Gestalt — methodisch wie historisch — formuliert: „Die Zeit e r s c h e i n t . . . . als das Schicksal und die Notwendigkeit des Geistes, der nicht in sich vollendet ist, — die Notwendigkeit, den Anteil, den das Selbstbewußtsein an dem Bewußtsein hat, zu bereichem (Hervorhebung v. Verf.), die Unmittelbarkeit des Ansich — die Form, in der die Substanz im Bewußtsein ist, - in Bewegung zu setzen oder umgekehrt das Ansich als das Innerliche genommen, das was erst innerlich ist, zu realisieren und zu offenbaren, d. h. es der Gewißheit seiner selbst zu vindizieren (Hervorhebung v. Verf.) Diese Substanz aber, die der Geist ist, ist das Werden seiner zu dem, was er an sich ist; und erst als dies sich in sich reflektierende Werden ist er an sich in Wahrheit der Geist. Er ist an sich die Bewegung, die das Erkennen ist, — die Verwandlung jenes Ansich in das Fürsich, der Substanz in das Subjekt, des Gegenstands des Bewußtseins in Gegenstand des Selbstbewußtseins, d. h. in ebensosehr aufgehobnen Gegenstand, oder in den Begriff (558f).

So wenig jedoch bei der Erfassung und Explikation des Geistes als eines prinzipiell selbstbewußten Bewußtseinsstrukturen überhaupt ausgeschlossen bleiben (vgl. oben, 55f), so wenig leistet die Selbstreflexion sub-jektiven Denkens einen generellen Verzicht auf Substantialität ihrer Gehalte. Das Wahre soll ja doch als ebenso Subjekt wie Substanz und nicht einseitig als Subjektivität — das wäre Subjektivismus — erfaßt werden, und kann auch einzig durch dieses ,ebenso' nur als wahres erfaßt werden, schon weil überhaupt die „Substanz wesentlich Subjekt ist" (Phän, 24) 9 6 . Obwohl also — richtiger wäre jetzt: gerade weil — Hegels enzyklopädische Darstellung der Philosophie ihren Ausgang mit einer subjektiven Wissensstruktur nimmt, und obwohl (weil) diese ihre Durchführung entscheidend und grundsätzlich bestimmt, bleibt Substantialität des Denkens (d. i. hier: Objektivität) wesentliches Moment dieser Darstellung, — gerade wesent95

96

Aufgrund dieser Entsprechung zwischen den Begriffspaaren Bewußtsein—Selbstbewußtsein und Substanz—Subjekt ist es Hegel gestattet, in der „Phänomenologie" häufig .Substanz' durch ,Bewußtsein' und Subjektivität' durch ,Selbstbewußtsein' zu ersetzen, so ζ. B. ibid., 13: Aufgabe der Philosophie sei es, „die Verschlossenheit der Substanz aufzuschließen und diese zum Selbstbewußtsein zu erheben" (Hervorhebungen v. Verf.). Vgl. auch ibid.: 20, 27, 32, 45, 546, 556ff, 560, u. öfter.

Seine Funktion für das enzyklopädische System

61

liches Moment, weil sie sich nun als gesetzte, als sub-iectus zu begreifen vermag. Diese Ausführungen weisen schon darauf hin, daß mit der hier angesprochenen Subjektivität nicht das vereinzelte Subjekt der gewöhnlichen Vorstellung als denkendes Individuum oder die Reduktion des Denkens auf eine bloß subjektivistische Ich-Konzeption gemeint sein können 97 . Beide Vorstellungen rekurrieren auf das übliche Bild einer endgültigen Gegenübersetzung von Subjektivität und Objektivität, wohingegen sich der hier explizierte Standpunkt der Subjektivität gerade dadurch als wahrhafte Basis philosophischer Wissenschaft auszeichnet, die absolute Vermittlung von Subjekt und Objekt bereits geleistet und das gewöhnliche Bewußtsein von deren Trennung schon hinter sich gelassen zu haben, d. h.: in dieser subjektiven Wissensstruktur sind Subjekt und Objekt gleichermaßen Sub-jekt ihrer Vermittlung (nicht mehr vorgefundene, sondern tätige Entgegensetzung) und so aus Differenz zurückgekehrte Identität, nunmehr gewußt als von dieser selbst ursprünglich als Außersichgehen gesetzt. Es hat sich im Laufe unserer Darstellung des Überganges der „Phänomenologie" in die Logik und somit in die enzyklopädische Systematik der Hegeischen Philosophie — oder auch des Übergangs einer vor-wissenschaftlichen in die wissenschaftliche Gestalt von Philosophie — ein Zusammenhang von Wissenschaftlichkeit, Selbstbewußtsein und Subjektivität hergestellt, der für Hegel als das Kriterium und die Voraussetzung der angemessenen Selbstdarstellung des Geistes — d. i. die Philosophie — angesehen werden muß. Im folgenden soll dieser Zusammenhang nun konkretisiert werden, um über eine weitere Erkenntnis dieses fundamentalen Horizontes der Hegeischen Philosophie auch noch weitere Kriterien zu gewinnen, die für die Gestaltung ihrer Teildisziplinen und damit eben auch für die Disziplin ,Objektiver Geist', d. h. für die „Rechtsphilosophie", überhaupt und allgemein konstitutiv sind. 97

Keinesfalls dürfen Äußerungen wie die, daß Hegels spekulative Logik am angemessensten „als Theorie des Selbstbewußtseins oder der Subjektivität (Hervorhebung v. Verf.) aufgefaßt und schon die Beziehung der Phänomenologie des Geistes zur Logik in diese Richtung gedeutet werden" könne (E. Angehrn, Freiheit und System bei Hegel, 135), in diesem mißlichen Sinne interpretiert, oder gar auf der Grundlage dieser Einsicht etwa die Philosophie Hegels in ihrer wissenschaftlichen Gestalt überhaupt gänzlich zu einer Anthropologie umstilisiert werden, was ja am eindrucksvollsten bekanntlich Kojève zu unternehmen versuchte: „Wenn Hegel sagt, daß seine ganze Philosophie nichts anderes als ein Versuch ist, die Substanz als Subjekt aufzufassen, dann will er damit also sagen, daß diese Philosophie vor allem darauf abzielt, vom Dasein des Menschen in der natürlichen Welt zu berichten" (A. Kojève, a . a . O . , 224).

62

Die „Phänomenologie des Geistes" (1807)

2.2.

Der Standpunkt

der Wissenschaft

Die Auseinandersetzung mit der „Phänomenologie", unter dem Aspekt der Frage nach der Möglichkeit geführt, inwieweit diese eine Einleitungsfunktion innerhalb des Ganzen der Hegeischen Philosophie zu erfüllen vermag, hat die Einsicht in eine Grundverfassung des Gedankens gewährt, die für die enzyklopädische Gestalt dieser Philosophie als allgemeine Voraussetzung und somit als Implikat eines jeden ihrer Momente angesehen werden muß; Wissenschaftlichkeit ist ein ebenso bloß allgemeines Charakteristikum dieser gedanklichen Grundverfassung, wie auch jenes Kriterium dieser Wissenschaftlichkeit im engeren Sinne, einzig eine Wissenschaft nach der Organisation des Begriffes zu sein (vgl. oben, 45), nur in der Allgemeinheit verharrt, sofern mit diesem nichts als die prinzipielle Identität von Denken und Gegenstand (von Subjekt und Objekt) oder die Identität der Identität und Nichtidentität für die Systemkonzeption der „Enzyklopädie" mitgegeben ist. Eben weil im Resultat der „Phänomenologie" erst die Bedingung der „freien, in ihrer eigentümlichen Gestalt sich bewegenden Wissenschaft" (Phän, 67) und noch nicht diese selbst „in ihrer Wahrheit ausgeführt und ausgebreitet" (ibid., 66) vorliegt, besteht das Erfordernis, diese Bedingung als die Ermöglichung „des Wahren in der Form des Wahren" (ibid., 33) dahin gehend zu konkretisieren, daß die Struktur der Entfaltung der nunmehr wahren Wissenschaft aus ihren Fundamenten begreiflich wird. Wenn angesichts dieser Bedingung u. a. die Hegeische Formel der wechselseitigen Determination von Anfang und Resultat — jenes Absolutheitsspezifikum philosophischer Wissenschaft — auch schon an Inhaltlichkeit gewinnt, so bedingt gerade dieses dialektisch-spekulative Verhältnis von Anfang und Resultat, daß die vollständige Transparenz der wissenschaftlichen Fundamente (des absoluten Anfangs) von Philosophie den Gegenstand der eigentlichen Ausführung derselben selber bildet und demnach auch deren transparente Vollständigkeit nur im Durchgang durch die wissenschaftliche Philosophie selbst — also im nachhinein (im Resultat) — zu gewinnen ist 98 . Aufgrund dessen kommt die Bestimmung des Standpunktes der Wissenschaft aus dem Ubergang der „Phänomenologie" in die „Enzyklopädie" noch nicht darüber hinaus, diesen Standpunkt vorerst nur als ein Prinzip 98

Vgl. Enz, § 17; ferner auch die entsprechenden, auf das Unternehmen der Logik bezogenen Bemerkungen Hegels, WL I, 23: „Nicht nur aber die Angabe der wissenschaftlichen Methode, sondern auch der Begriff selbst der Wissenschaft überhaupt gehört zu ihrem (der Logik; Verf.) Inhalte, und zwar macht er ihr letztes Resultat aus; was sie ist,

Der Standpunkt der Wissenschaft

63

wissenschaftlicher Philosophie zu erweisen, das seine „Konkretisierung" zunächst einzig durch seine Abgrenzung gegen das Prinzip einer vorwissenschaftlichen Gestalt von Philosophie erlangt, d. h. durch eine Konkretion, die keinesfalls für das Konkrete seines eigentlichen Selbst gehalten werden darf. Die „Konkretisierung" des Fundamentes der enzyklopädischen Systematik — d. i. das Selbstbewußtsein des Geistes, die substantielle Subjektivität, die ideelle Identität, der Begriff, die Vernunft — muß somit anfänglich aus den Erfahrungen des Bewußtseins und vom Verstand her negativ unternommen w e r d e n " , bevor sich dieses Fundament als die Voraussetzung von , Philosophie im eigentlichen Sinne' auf dem ihm gemäßen Niveau — d. h. philosophisch — positiv bestätigen kann.

2.2.1.

Philosophie und Wissenschaft

Mit der Gewinnung des Standpunktes der philosophischen Wissenschaft und dessen Uberwindung des bloß Phänomenologischen des Geistes sind für Hegel nicht nur ein bestimmtes philosophisches Verfahren unter anderen, sondern der Ausgangspunkt der Philosophie und die Voraussetzung für die Darstellung „des Wahren in der Form des Wahren" (Phän, 33) überhaupt gewonnen. Aufgrund dessen kann Hegel ζ. B . der Kantischen Philosophie, die — nach der Hegeischen Terminologie — den Geist nur als Bewußtsein aufzufassen und so über die Phänomenologie des Geistes nicht hinaus zu kommen vermochte, den allgemeinen Vorwurf machen, daß sie überhaupt zur Philosophie nicht vorgedrungen sei 1 0 0 . Allerdings kennt Hegel neben dieser strengen Zuordnung der Bezeichnung ,Philosophie' zu der Geistesgestalt, die er in seiner enzyklopädischen Systematik der Philosophie selber vorgelegt hat, auch den allgemein üblichen Gebrauch dieses Wortes; anderenfalls wäre es ihm ja gänzlich unmöglich, „so etwas wie die Kantische Philosophie" überhaupt als Philosophie anzusprechen. Jedoch bietet ihm seine Doppelbödigkeit im Wortgebrauch von Philosophie die kann sie daher nicht voraussagen, sondern ihre ganze Abhandlung bringt dies Wissen von ihr selbst erst als ihr Letztes und als ihre Vollendung hervor" (vgl. auch Enz, § 19 HZus). 99 Vgl. unsere Ausführungen über die wesentliche Negativität einer jeden Einleitung in Hegels wissenschaftliche Philosophie: oben, 16f u. 40f. 100 Vgl. oben, Anm. 76. Auf diese philosophische Disqualifizierung des Phänomenologischen stützen sich unsere Bemerkungen, daß die „Phänomenologie des Geistes" von 1807, in der die „Momente des Ganzen Gestalten des Bewußtseins sind" (Phän, 75), im strengen Wortsinne nach Hegel nicht als eine philosophische Schrift angesehen werden kann (vgl. oben, 12f. u. 39).

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Die „Phänomenologie des Geistes" (1807)

Möglichkeit, suggestiv allen Philosophien außer der seinigen den Status von Philosophie quasi abzusprechen, da sich ja auch einzig nur die seinige über die hier explizierten, wahrhaften Voraussetzungen von Philosophie im klaren ist, und so das philosophierende Subjekt tatsächlich auf den Standpunkt zu nötigen, den er vor dem Horizont der „Enzyklopädie" für wahrhaftes Philosophieren generell als verbindlich erachtet (vgl. oben, 4f). Wenn folglich bei Hegel mit seinem wissenschaftlichen Philosophieren die Philosophie an sich in ihrem Element ist 101 , so gilt es zu eruieren, was für die Philosophie dadurch, daß sie in der Art Hegels wissenschaftlich getrieben wird, eigentlich gewonnen ist, was sie daraufhin zu leisten vermag, welche effiziente Geistesverfassung Hegel mit der Wissenschaftlichkeit verbindet, die berechtigterweise als philosophisch bezeichnet werden darf. Insofern global bereits die Struktur des Selbstbewußtseins als das Fundament der angemessenen Selbsterfassung des Geistes ausgewiesen wurde (2.1.2.1.), dient auch die weitere Bestimmung des Hegeischen Wissenschaftsbegriffes der näheren „Konkretisierung" eben dieses Selbstbewußtseins, wie auch umgekehrt dieses stets allgemein Indiz dafür ist, wo und wann im eigentlichen Sinne — also wissenschaftlich — konkret philosophiert wird.

2.2.1.1. Das Wissen und die Wissenschaft Das absolute Wissen — Resultat der „Darstellung des nur erscheinenden Wissens" (Phän, 66), der bloßen Phänomenologie des Geistes — ist als die „Wahrheit aller Weisen des Bewußtseins" (WL I, 30) die Uberwindung von dessen Dichotomien und damit die Bereitstellung des Begriffs der Wissenschaft, — jenes geistigen Elementes, welches in dieser Wissenschaft als das Medium eines Wissens auftritt, das in seinem Gegenstand sich selbst weiß (vgl. Phän, 32f) und sich „über" diesen nur selber thematisiert, oder richtiger: welches seine eigene Gegenständlichkeit zum Thema hat, d. h. prinzipiell .Einheit von Denken und Gegenstand' oder auch ,Identität der Identität und Nichtidentität des Denkens' ist (vgl. oben: 45, 57f, 2.1.2.2.). In diesem Prinzip des wissenschaftlichen Wissens „hat sich die Trennung des Gegenstandes von der Gewißheit seiner selbst vollkommen aufgelöst" (WL I, 30) und die Wahrheit der Gewißheit gleich gemacht; darin aber 101

Zur Bedeutungsgleichheit von Philosophie und Wissenschaft bei Hegel vgl. auch M. Heidegger, Hegels Begriff der Erfahrung, in: (ders.) Holzwege, Frankfurt/M. 1963, 105-192, 121 f.

Der Standpunkt der Wissenschaft

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gründet die Sachangemessenheit dieses Wissens 1 0 2 . Es leuchtet ein, daß die Philosophie erst dann als Wissenschaft auftreten kann, wenn sie in ihren Ausführungen Sachangemessenheit zu verbürgen vermag. Das Spezifische der philosophischen Sachangemessenheit liegt allerdings im Spezifikum von Philosophie überhaupt, wonach im Gegensatz zu den übrigen Wissenschaften diese sich in ihrer Sache nur selbst wiederfindet und somit die Sache der Philosophie als philosophische Sache verbleibt. Wenn nun die Philosophie als Wissenschaft von einem Wissen als „Prinzip, wodurch die Substanz Geist ist" (Enz, § 564), ihren Ausgang nimmt, so ist die Sache der Philosophie mit der Substanz des Geistes allgemein umschrieben, — und bereits näher charakterisiert dadurch, daß es sich in ihr um ein Wissen handelt und somit um die Rückkehr des Denkens aus der bloßen Gegenstands-bezogenheit in sein wesentlich geistiges Element, welches nunmehr als aus der Gegenständlichkeit zurück-gekehrt auch diese Gegenständlichkeit als wesentliches Moment seines Selbst zu begreifen vermag. Die Entfaltung dieses Begreifens — über das bloß Prinzipielle hinweg — leitet den Gang der wissenschaftlichen Darstellung dieses Wissens, das als „begreifendes Wissen" nichts anderes als „der sich in Geistsgestalt wissende Geist" (Phän, 556) — d. i. der seiner selbst bewußte Geist — ist. Von daher muß die Wahrheit ( = Sachangemessenheit des Wissens) als Wissenschaft als das reine sich entwickelnde Selbstbewußtsein in der Gestalt des Selbst aufgefaßt (vgl. W L I, 30) und damit der Philosophie als dem Ort der Entwicklung dieser Gestalt zugestanden werden, ihre Inhaltlichkeit nur als eine Äußerung des Geistes selber und nur unter dieser Hinsicht zu affirmieren (vgl. oben, 57f). Was hier als eine Reduktion des philosophischen Geschäfts* anmutet, bringt im Hegeischen Verständnis von Philosophie diese gerade in ihr Element, d . i . auf den Begriff: indem der Geist seinem Inhalt die Form des Selbst gibt und so auch und gerade an seinem Inhalt das Bewußtsein seiner selbst erfährt (vgl. Phän, 561 f), ist er überhaupt die Realisation des Begriffs (vgl. ibid., 556); im Begriff aber ist er im „reinen Element seines Daseins" (ibid., 561) 1 0 3 , und darin „dem Bewußtsein erscheinend, oder was hier dasselbe ist, darin von ihm hervorgebracht, ist er die Wissenschaft" (ibid., 102 Ygi £ Angehrn, a . a . O . , 15: „Das absolute Wissen, als Überwindung der SubjektObjekt-Beziehung des Bewußtseins, stellt den Standpunkt her, auf welchem es erst möglich wird, die Sache an ihr selbst zu betrachten" (vgl. dazu W L I, 3 0 f ) . 103

Die eigentliche Explikation von Hegels Begriff des Begriffs fällt erst in unsere Erörterungen über die „Wissenschaft der Logik' ', im besonderen unter die Punkte 3 . 2 . 1 . 3 . u. 4 . 1 . .

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Die „Phänomenologie des Geistes" (1807)

556). Aus diesem Grunde kann die Entfaltung des philosophischen Wissens oder auch der Wahrheit, d. h. die Entwicklung der vollständigen Sacherfassung dieses Wissens, von der Gestalt des Geistes nicht getrennt werden, die dieser sich im Begriff zu geben weiß, und tritt demnach nicht nur als das sich begreifende Selbstbewußtsein, sondern auch als die „Selbstbewegung des Begriffs" (ibid., 57) in Erscheinung104; denn: „wahre Gedanken und wissenschaftliche Einsicht ist nur in der Arbeit des Begriffes zu gewinnen. Er allein kann die Allgemeinheit des Wissens hervorbringen, welche weder die gemeine Unbestimmtheit und Dürftigkeit des gemeinen Menschenverstandes, sondern gebildete und vollständige Erkenntnis, noch die ungemeine Allgemeinheit der durch Trägheit und Eigendünkel von Genie sich verderbenden Anlage der Vernunft, sondern die zu ihrer einheimischen Form gediehene Wahrheit, — welche fähig ist, das Eigentum aller selbstbewußten Vernunft zu sein" (Phän, 57). „Indem also der Geist den Begriff gewonnen, entfaltet er das Dasein und Bewegung in diesem Äther seines Lebens, und ist Wissenschaft. Die Momente seiner Bewegung stellen sich in ihr nicht mehr als bestimmte Gestalten des Bewußtseins dar, sondern indem der Unterschied desselben in das Selbst zurückgegangen, als bestimmte Begriffe, und als die organische in sich selbst gegründete Bewegung derselben. Wenn in der Phänomenologie des Geistes jedes Moment der Unterschied des Wissens und der Wahrheit, und die Bewegung ist, in welcher er sich aufhebt, so enthält dagegen die Wissenschaft diesen Unterschied und dessen Aufheben nicht, sondern indem das Moment die Form des Begriffs bat, vereinigt es die gegenständliche Form der Wahrheit und des wissenden Selhsts in unmittelbarer Einheit" (ibid., 562; letzte Hervorhebung v. Verf.).

Wenn ein jedes Moment der Phänomenologie des Geistes durch die Bewegung zwischen Wissen und Wahrheit gekennzeichnet ist, so scheint dagegen die streng wissenschaftliche Verfassung des Geistes dadurch, daß in ihr ein jedes Moment in der Form des Begriffs und somit wenigstens allgemein in der Ununterschiedenheit von Wissen und Wahrheit ruht, einzig „in dieser scheinbaren Untätigkeit zu bestehen, welche nur betrachtet, wie das Unterschiedne sich an ihm selbst bewegt, und in seine Einheit zurückkehrt" (Phän, 561). Jedoch wurde bereits mehrmals darauf hingewiesen, daß eben so wenig wie das Selbstbewußtsein der Bewußtseinsstrukturen, oder die Subjektivität der Substantialität, oder die Vernunft des Verstandes gänzlich entbehren, auch der Geist, indem er philosophische Wissenschaft nur als eine Explikation seines Selbst zuläßt, keinen generellen Verzicht auf Objektivität und Gegenständlichkeit überhaupt leistet (vgl. oben: 52f einschl. Anm. 85, 55), sondern nur auf eine solche, „welche das 104 Vgl. z u Jem Zusammenhang von Wissenschaft und Begriffsgestalt des Geistes u. a. : Phän, 16, 24, 31 ff, 67, sowie das Kapitel VIII der Phän: „Das absolute Wissen", 549-564; Enz, S. 19; Rph, S. 9, § 141 HZus. Wenn die Idee als der Begriff des Begriffs später als der Inbegriff der wahrhaften Methode der Philosophie expliziert werden muß (3.1.), so wird dann ohnehin klar, daß die Entwicklung der Philosophie als einer Wissenschaft nach eben dieser Methode grundsätzlich nicht von der Entwicklung des Begriffs, nicht von der .Selbstbewegung' der Idee dieses Begriffs getrennt werden kann.

Der Standpunkt der Wissenschaft

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über seine Erscheinung zur Wissenschaft erhobene Bewußtsein aufgegeben hat" (WL II, 231; vgl. auch ibid.: 226 u. 432f), d. i. eine solche, die nur als vom Geist vorgefundene und nicht als in Objektivität seiender und setzender Geist aufgefaßt werden darf. „Soll das Wort Geist vollends einen Sinn haben, so enthält derselbe" auch „das Offenbaren seiner" (Enz, § 564 HZus) und somit das Entzweien seiner prinzipiellen Selbstgewißheit in das wissende Selbst und die wesentliche Ungeistigkeit; denn „nicht das Leben, das sich vor dem Tode scheut und von der Verwüstung rein bewahrt, sondern das ihn erträgt und in ihm sich erhält, ist das Leben des Geistes. Er gewinnt seine Wahrheit nur, indem er in der absoluten Zerrissenheit sich selbst findet. Diese Macht ist er nicht als das Positive, welches von dem Negativen wegsieht, wie wenn wir von etwas sagen, dies ist nichts oder falsch, und nun, damit fertig, davon weg zu irgend etwas anderem übergehen: sondern er ist diese Macht nur, indem er dem Negativen ins Angesicht schaut, bei ihm verweilt" (Phän, 29 f). 1 0 5

Das Begreifen dieser absoluten Zerrissenheit aber, in der der Geist „seinen Begriff ebenso realisiert, als er in dieser Realisierung in seinem Begriffe bleibt" (Phän, 556), ist die „organische in sich selbst gegründete Bewegung der bestimmten Begriffe" (Phän, 562) und als solche: Wissenschaft als das System der Selbstentfaltung des Geistes nach der eigentümlichen Organisation seines wahren Elementes, nach dem Begriff.

2.2.1.2. Wissenschaft als System Daß bei Hegel — wie es hier offenbar wird — dem Prinzip der totalen Selbstentfaltung und Sichselbstgleichheit des Geistes in der Philosophie keine „harmonistische Neigung", daß seiner wissenschaftlichen Philosophie als dem wahren Ganzen des Geistes und sonst nichts nicht nur eine allseitig mit sich versöhnte Gestalt des Wissens inhäriert, vielmehr gerade auch die Notwendigkeit, daß jene Identität und Sichselbstgleichheit, in der der Geist am Ende der „Phänomenologie" sich als die absolute Grundlage der Entfaltung des wahren Wissens affirmiert, überschritten und wieder entzweit werden 106 , damit der Geist sich auch wahrhaft als das realisiert, als Vgl. auch ibid., 15: „Die Kraft des Geistes ist nur so groß als ihre Äußerung, seine Tiefe nur so tief, als er in seiner Auslegung sich auszubreiten und sich zu verlieren getraut". 106 Vgl. Adorno, Drei Studien zu Hegel, 16: Hegels Ganzes „ist überhaupt nur als Inbegriff der je über sich hinausweisenden und sich auseinander hervorbringenden Teilmomente; nichts jenseits von ihnen. Darauf zielt seine Kategorie der Totalität. Sie ist unvereinbar mit jeglicher harmonistischer Neigung, mag immer auch der spätere Hegel subjektiv solche Neigungen gehegt haben". 105

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Die „Phänomenologie des Geistes" (1807)

was er sich hier zunächst nur prinzipiell begreift, liegt bei Hegel überhaupt schon allgemein in der Konzeption seines Begriffes von ,Sichselbstgleichheit' und ,Einheit' und wird auch im besonderen vollends nachvollziehbar, wenn man sich die am Anfang seiner eigentlich wissenschaftlichen Philosophie vors erste nur antizipierte Selbstbewußtseins-, Einheits- oder auch Identitätskonzeption des Wissens noch einmal in ihrer eigentümlichen Bestimmtheit vor Augen führt, nämlich das Resultat der Erfahrungen des Bewußtseins zu sein, d. h. auch das Ganze der Dichotomien des Verstandes in sich zu bergen und so an und für sich die Identität absoluter Differenz zu meinen (siehe oben, 2.1.2.1.). Hegel führt allgemein aus: „Die Einheit, von welcher gesagt zu werden pflegt, daß der Unterschied nicht aus ihr herauskommen könne, ist in der Tat selbst nur das Eine Moment der Entzweiung; sie ist die Abstraktion der Einfachheit, welche dem Unterschiede gegenüber ist. Aber indem sie die Abstraktion, nur das Eine der Entgegengesetzten ist, so ist es schon gesagt, daß sie das Entzweien ist; denn ist die Einheit ein Negatives, ein Entgegengesetztes, so ist sie eben gesetzt als das, welches die Entgegensetzung an ihm hat. Die Unterschiede von Entzweiung und Sichselbstgleichwerden sind darum ebenso nur diese Bewegung des sich Aufhebens; denn indem das Sichselbstgleiche, welches sich erst entzweien oder zu seinem Gegenteile werden soll, eine Abstraktion oder schon selbst ein Entzweites ist, so ist sein Entzweien hiemit ein Aufheben dessen, was es ist, und also das Aufheben seines Entzweitseins. Das Sichselbstgleichwerden ist ebenso ein Entzweien; was sich selbst gleich wird, tritt damit der Entzweiung gegenüber; d. h. es stellt selbst sich damit auf die Seite, oder es wird vielmehr ein Entzweites" (Phän, 126).

Beim Ubergang der „Wissenschaft" des Bewußtseins in die Wissenschaft des Selbstbewußtseins am Ende der „Phänomenologie" ist also das fundamentale Prinzip wissenschaftlichen Philosophierens zwar schon vorweg begriffen, aber doch eben nur erst selbst prinzipiell, dieses noch nicht in seinem eigenen Elemente auch schon entwickelt. Von daher ist das Auftreten des Begriffs der Wissenschaft im ,absoluten Wissen' auch noch nicht überhaupt die Wissenschaft „in ihrer Wahrheit ausgeführt und ausgebreitet" (vgl. Phän, 66); denn: „so wenig ein Gebäude fertig ist, wenn sein Grund gelegt worden, so wenig ist der erreichte Begriff des Ganzen das Ganze selbst" und „die Wissenschaft, die Krone einer Welt des Geistes, nicht in ihrem Anfange vollendet" (ibid., 16), vielmehr ist gerade „ein sogenannter Grundsatz oder Prinzip der Philosophie, wenn er wahr ist, schon darum auch falsch, insofern er nur (Hervorhebung v. Verf.) als Grundsatz oder Prinzip ist" (ibid., 23). Hegel hat als Verifikation seines Prinzips wissenschaftlichen Philosophierens dessen systematische Entfaltung in der „Enzyklopädie" vorgelegt und damit nicht nur die Notwendigkeit der Systemgestalt wissenschaftlicher (= wahrhafter) Philosophie gefordert, sondern auch selber demonstriert. Indem aber für Hegel die Philosophie in Systemgestalt nicht nur in

Der Standpunkt der Wissenschaft

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irgendeiner, sondern in ihrer einzig wahren Gestalt auftritt, ist deren Systemgestalt überhaupt — ebensowenig wie es auch deren fundamentale Prinzipien sind — nicht darauf zu reduzieren, bloß hegelisch zu sein, sondern beansprucht generelle Gültigkeit für jede Philosophie überhaupt, die sich als eine solche verstanden wissen will. Philosophie ist systematisches Philosophieren und als solches die totale Wissenschaft vom Geiste in seinem Elemente101. Uber die für Hegel notwendige Verbindung von Philosophie und Systemgedanke und den damit zusammenhängenden Totalitätsanspruch der Hegeischen Philosophie sind bereits oben (1.1.) die erforderlichen Ausführungen gemacht 108 , so daß sich hier dieser Sachverhalt nur dahin gehend weiter konkretisieren läßt, daß mit ihm nunmehr der selbstbewußte Geist nach seinem Begriff als der Gegenstand der Philosophie gegeben ist 1 0 9 , und daß mit diesem Gegenstand die Philosophie sich als die wahre Wissenschaft oder die Wissenschaft der Wahrheit in der Gestalt der Wahrheit, d. h. als die dem Ganzen der Wahrheit überhaupt auch total angemessene Wissenschaft und damit ihre systematische Totalität als die Sachangemessenheit des philosophischen Wissens überhaupt begründet, insofern so die Philosophie in ihrem Gegenstand sowohl prinzipiell als auch konkret in ihren jeweiligen Teildisziplinen nur sich selbst zum Thema hat und generell auf dem „schlechthin mit sich identischen Denken" = der Idee basiert 110 , Ein Indiz für die absolute Berechtigung dieser These über Philosophie stellt die Befähigung des spekulativen Wahrheitsbegriffs der Hegeischen Systemphilosophie, alle übrigen Konzeptionen von Wahrheit als defiziente Modi dieses Wahrheitsbegriffs selbst integrieren zu können (vgl. unten, 91 f u. 97ff). ios Yg] d a z u vor allen Dingen auch Hegels Ausführungen: Enz § 14 einschl. HZus; Phän: 12, 23, 24. 109 W e n n E. Angehrn in seinem Buch „Freiheit und System bei Hegel" die Freiheit „als die Inhaltlichkeit oder als .Gehalt' der Systematik selber" (105) und so Freiheit als „Inhalt philosophischen Denkens" überhaupt (6) versteht, dann gelingt ihm das nur dadurch, daß er den Freiheitsbegriff derart auf die allgemein formale Struktur des Begriffes überhaupt reduziert, nämlich auf das bloße Zusammenschließen desselben mit sich selbst im Anderen, daß mit ihm nichts mehr als eine allgemeine Grundstruktur spekulativer Dialektik ausgesagt ist, die freilich — weil eben Grundstruktur — für jedes Moment des Systems konstitutiv und damit auch in jedem Moment repräsentiert ist. Dann freilich kann auch der Freiheitsgedanke vom Systemgedanken nicht getrennt werden (vgl. ibid. : 6f, 13, 480, u. öfter). 107

110

Vgl. Enz, § 18: „Die Idee aber erweist sich als das schlechthin mit sich identische Denken und dies zugleich als die Tätigkeit, sich selbst, um für sich zu sein, sich gegenüber zu stellen und in diesem Andern nur bei sich selbst zu sein. So zerfällt die Wissenschaft in die drei Teile: I. Die Logik, die Wissenschaft der Idee an und für sich, II. Die Naturphilosophie als die Wissenschaft der Idee in ihrem Anderssein, III. Die Philosophie des Geistes, als der Idee, die aus ihrem Anderssein in sich zurückkehrt".

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Die „Phänomenologie des Geistes" (1807)

d. h. auf der prinzipiellen Uberwundenheit der Dichotomien des Bewußtseins im Selbstbewußtsein, welche der Idee ihres fundamentalen Identitätsprinzips zunächst von der „Phänomenologie" her inhäriert. Ebensowenig wie diese Grundsatzerklärungen zu der Systemgestalt Hegels philosophischer Wissenschaft wahr sind, wenn diese nur als deren bloße Fundierung fungieren (vgl. oben), ebensowenig indiziert deren explizite Reaffirmation im Resultat der systematisch wissenschaftlichen Entfaltung dieser Philosophie, daß es sich hierbei überhaupt nur um Postulate handelt, denn „in Wirklichkeit ist diese ,Annahme' (d. i. die Annahme von der notwendigen Systemgestalt der Philosophie und damit von einer notwendig systematischen Erfassung des Ganzen der Wahrheit; Verf.) bei Hegel der allgemeine Ausdruck, nicht einer nur angekündigten oder behaupteten, sondern der tatsächlich ausgeführten Wissenschaft (Hervorhebung v. Verf.) Die These von der notwendigen Systemgestalt besagt also, daß die Wahrheit des Einzelnen nur im Gesamtzusammenhang, nur auf der ,Ebene' des Ganzen aufgehen kann" 111 . Der Standpunkt des Denkens am Ausgangspunkt des enzyklopädischen Systems der Hegeischen Philosophie offenbart einen notwendigen Zusammenhang von philosophischer Wissenschaft und systematischem Denken, expliziert diesen aber auch schon näher als einen notwendigen Zusammenhang von Systematizität, Selbstbewußtsein, Subjektivität und Vernunft, von Systematizität und Begriff. Dieser Standpunkt stellt sich darüber hinaus noch in den Anspruch, der dem ureigensten Wesen der Wahrheit und dessen begründender und beweisender Darstellung einzig angemessene Standpunkt zu sein, d. h.: mit dem hier entwickelten Begriff der absoluten Gestalt der philosophischen Wissenschaft und deren Bedingungen geht unmittelbar die Entwicklung eines bestimmten Begriffs von absoluter Wahrheit in eins. Die fundamentalen Bedingungen Hegels streng wissenschaftlicher Wahrheitskonzeption sollen im folgenden eigens erörtert

111

HZus: „Oben § 15 ist bemerkt, daß die Unterschiede der besonderen philosophischen Wissenschaften nur Bestimmungen der Idee selbst sind, und diese es nur ist, die sich in diesen verschiedenen Elementen darstellt" (vgl. dazu unsere Ausführungen unten, 3.1·)· Die Bestimmung der Philosophie als Wissenschaft, im ganzen „nur" ideell zu sein (vgl. auch oben, 48f), eröffnet — einmal abgesehen davon, daß diese Bestimmung hier nur erst ganz abstrakt vorliegt — bereits eine entscheidende Konsequenz für die Rezeption der „Rechtsphilosophie", insofern diese ganz offensichtlich als eine Darstellung der Idee in einem besonderen Elemente, als eine innerphilosophisch gesetzte Besonderung der philosophischen Idee selber, nicht als eine Subsumption außerphilosophischer Gegebenheiten unter eine philosophische Idee verstanden werden muß. Puntel, a . a . O . , 41.

Der Standpunkt der Wissenschaft

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werden; diese Erörterung kann jedoch, ebenso wie die vorläufige Antizipation von Hegels fundamentalen Prinzipien der absoluten Philosophie, zunächst nur vor-wissenschaftlich und „negativ" erfolgen, den Wahrheitsbegriff der „Enzyklopädie" zunächst nur im Horizont dessen allgemeiner Abgrenzung gegen jenen Begriff von Wahrheit, der für die „wissenschaftliche" Phänomenologie des Geistes konstitutiv ist, bedenken, d. h.: die Wahrheit der Vernunft zunächst nur von der Wahrheit des Verstandes grundsätzlich absetzen und so die erstere noch nicht an sich selbst und aus sich selbst entwickeln.

2.2.2.

Die wissenschaftliche Wahrheitskonzeption

Hegel sah durch die Verknüpfung der Wahrheit mit dem Selbstbewußtsein, die er für die Philosophie seit Descartes überhaupt als verbindlich erachtete, eine philosophische Periode das „Land" gewinnen, das als heimisches Element der Philosophie angesehen werden darf, insofern nunmehr das philosophische Wissen die Bergung des Gedankens im Begriff nicht mehr unter dem Zeichen des Makels eines nur-Gedachten dem wahrhaften Sein gegenübersetzt, sondern in dieser Bergung das Begriffene als das absolute Sein selber zu wissen unternimmt und so die Möglichkeit für die Philosophie schafft, ihre bloße Liebe zur Wahrheit abzulegen und wirkliches Wissen, Philosophie in Wirklichkeit zu werden (vgl. dazu Hegels Vorlesung über die Geschichte der neueren Philosophie, W W X I X , 328ff) 1 1 2 . Wenn sich uns die Darstellung dieser „wirklichen" Philosophie bei Hegel auch schon prinzipiell als das System der wissenschaftlichen Selbsterfassung des Geistes erschlossen hat, so blieb doch noch weitestgehend ungeklärt, welche Konzeption von Wahrheit dieser prinzipiell sich selbst gleichen Grundverfassung des Geistes und der aus dem Wissen um diese resultierenden Selbständigkeit und Vernünftigkeit der Philosophie (vgl. WW, ibid.) inhäriert. Im folgenden soll daher die Sachangemessenheit der Wissenschaft des Selbstbewußtseins, der „Enzyklopädie" 1 1 3 , eine weitere Explikation erfahren. 112

113

Siehe dazu Heideggers Ausführungen in seinem Aufsatz „Hegels Begriff der Erfahrung", a . a . O . , 117ff; vgl. ferner H . - G . Gadamer, Hegel und die antike Dialektik, in: (ders.) Hegels Dialektik. Fünf hermeneutische Studien, Tübingen 1971, 7—30, 13. Der Hinweis Puntéis, daß im ersten Teil der „Enzyklopädie" — also in der Logikdarstellung — kein expliziter Bezug mehr auf das Selbstbewußtsein genommen wird (a. a. O . , 201 Anm. 193), spricht nicht gegen die Fundierung dieser Philosophiegestalt in der Struktur des Selbstbewußtseins, wenn die „Enzyklopädie" im ganzen als die Unmittelbarkeit der

72

Die „Phänomenologie des G e i s t e s " (1807)

2.2.2.1. Die Vernünftigkeit der Wahrheit Das Eigentümliche philosophischer Wissenschaft, in ihrem Vollzug die Begründung ihrer Methode selbst zum Gegenstand zu haben (vgl. oben, 1.3.2.1.), beinhaltet die Relation zwischen Sachangemessenheit philosophischen Wissens und dessen konkreter Darstellungsform 114 . Folglich ist bei Hegel mit dem auf der Uberwindung der Bewußtseinsdichotomien im selbstbewußten Wissen basierenden Wandel der Darstellung des Geistes vom Phänomenologischen zur Begriffsgestalt desselben auch ein entsprechender Wandel des Kriteriums der Sachangemessenheit beider Darstellungen verbunden, — aber eben nicht nur ein bloßer Wandel, sondern eine Höherentwicklung in dem absoluten Sinne, daß von Sachangemessenheit des Wissens eigentlich erst dort gesprochen werden kann, wo dieses sich nach seinem Begriff organisiert; denn erst dem Wissen selbstbewußter Geistigkeit ist es möglich, die vollständige Erfassung seines Gegenstandes und somit im Grunde auch erst faktische Sachangemessenheit zu verbürgen, insofern der Geist nunmehr in die Reflexion dieses Wissens selbst seine Gegenständlichkeit setzt (s. dazu oben, 2.2.1.1.). Damit aber ist die Identität von Subjekt und Objekt des Wissens und mit ihr die Bedingung der Möglichkeit der totalen Zueignung von Wissen und Gewußtem gegeben (ohne Restbestand eines für das Wissen unerreichbaren Jenseits, eines Dinges-an-sich o. ä . ) l l s , oder mit anderen Worten: die Voraussetzung des Sichselbstgleichheit des Geistes im Begriff aufgefaßt wird, die als eine solche ihren Anfang nur von einer weiteren, zweiten Wissenschaft her als ein in den Schein der Unmittelbarkeit gesetztes Resultat zugänglich machen und somit „ e x t e r n " begründen ( = voraussetzen) könnte, d. h. wenn das enzyklopädische System nicht als die einzige der Hegeischen Philosophie angemessene Gestalt, sondern nur als eine, deren erste und unmittelbarste nach dem Begriff, angesehen wird — in der T a t ein Puntelscher Gedankengang (siehe dazu oben, 38 ff; ferner unsere Ausführungen im Exkurs unter Punkt 3 . 2 . 3 . 3 . ) . 114

115

Vgl. unsere Ausführungen über die nämliche Relation zwischen der Einleitung in die Philosophie und der eigentlichen Darstellung der philosophischen Wissenschaft: oben, 1.3.1.2.. Hegels Totalitätsperspektive des Identischen von Subjekt und O b j e k t — die Grundlage wahrer Philosophie - ist von seinen Interpreten nur selten akzeptiert und aufrechterhalten, vielmehr immer wieder zur einen oder anderen Seite ausgelegt worden: so sah z . B . Kierkegaard generell die Subjektivität zu kurz k o m m e n , da Hegel sie dem Objektiven des Weltgeistes unterstelle, wohingegen B l o c h die Vermittlung von Subjekt und O b j e k t gerade zugunsten des Subjektes bei Hegel vollzogen, ja das Subjekt durch sein Sichselbstgleichsein im O b j e k t die Objektivität quasi „ f r e s s e n " , sich „einverleiben" sah, — ein Eindruck, den Hegel vermutlich aus Blochs „Zärtlichkeit für die weltlichen D i n g e " ( E n z , § 48 H Z u s ) zu deuten gewußt hätte. V o r einer allgemeinen Disqualifizierung derartiger kritischer Standpunkte zur Philosophie Hegels wäre freilich im einzelnen zu untersuchen, inwieweit sie von einem Rückfall des Denkens in die alten D i c h o t o m i e n des Bewußtseins oder tat-

D e r Standpunkt der Wissenschaft

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wahren oder auch des absoluten Wissens erschlossen. Mit dem Uberschreiten der phänomenologischen Systematik geht der Geist nicht einfach in eine andere Gestalt über, sondern schreitet fort zur „Wissenschaft des Wahren, das in der Gestalt des Wahren ist" (Phän, 33; vgl. oben, 63), schreitet fort zur Selbstdarstellung seines Anundfiirsichseins (vgl. Enz, § 415 HZus) und weist somit den Standpunkt des Selbstbewußtseins überhaupt als „das einheimische Reich der Wahrheit" aus (Phän, 134; vgl. auch WL I, 30f) 1 1 6 ; denn erst wenn „die Ungleichheit, die im Bewußtsein zwischen dem Ich und der Substanz, die sein Gegenstand ist, stattfindet", sich ebensosehr als die „Ungleichheit der Substanz zu sich selbst" vollkommen gezeigt hat ( - Resultat der „Phänomenologie" —), „hat der Geist sein Dasein seinem Wesen gleich gemacht" und „ist sich Gegenstand, wie er ist, und das abstrakte Element der Unmittelbarkeit und der Trennung des Wissens und der Wahrheit ist überwunden. Das Sein ist absolut vermittelt (Hervorhebung v. Verf.); — es ist substantieller Inhalt, der ebenso unmittelbar Eigentum des Ichs, selbstisch oder der Begriff ist " (Phän, 32 f). Zum wahren Wissen dringt die Philosophie demnach erst dann vor, wenn sie ihr Fundament in dem Geist, als einem sichselbstgleichen in ihrem gegenständlichen Wissen, zu erkennen vermag; auch dann erst ist die Philosophie tatsächlich Wissen-schaf(f)t und als solche identisch mit der Philosophie überhaupt. Allerdings müssen hier einige Einschränkungen dahin gehend gemacht werden, daß doch nicht einzig die im strengen Sinne wissenschaftliche Philosophie nur imstande ist, überhaupt wahr zu sein, so daß eine jede andere, dieser wissenschaftlichen Norm nicht Genüge leistende Philosophiegestalt nur noch generell falsch sein könnte; schon in der „Phänomenologie des Geistes" gibt sich die Wahrheit der philosophischen Wissenschaft in einer bestimmten Hinsicht Präsenz, auch diese ist ja schließlich schon eine bestimmte (Vor-)Form von Philosophie, wenn auch noch eine solche, deren Selbst sich ,hinter dem Rücken' des Wissens vollzieht. In der Tat ist die Wahrheit in der ihr angemessenen Gestalt (in der ,Gestalt des Wahren') allein Gegenstand der Philosophie nach der Organisation des Begriffs, sozu-

116

sächlich von der Ü b e r n a h m e der Gestalt Hegels streng philosophischen D e n k e n s geleitet werden. Vgl. W e r n e r Marx, Hegels Phänomenologie des Geistes, 113 (u. ff): „ W e i l das Selbstbewußtsein als Prinzip Begriffsnatur hat, vermag es z u n e h m e n d den in seiner jeweiligen Gestalt liegenden Gegensatz von Wissen u n d Gegenständlichkeit zu ü b e r w i n d e n , sich von allem Gegebensein u n d aller Fremdheit dieser Gegenständlichkeit zu ,reinigen', sich m e h r u n d m e h r der Identität dieses Seins mit seinem D e n k e r b e w u ß t zu w e r d e n . Das Selbstbewußtsein kann wahres, wissenschaftliches, absolutes Wissen sein".

74

Die „Phänomenologie des Geistes" (1807)

sagen „stilles" Thema aber bereits im System des Geistes nach seiner Erscheinung. Die Wahrheit der phänomenologischen Darstellung des Geistes beruht gerade im Verweilen dieser Systematik im Horizont der Dichotomien von Subjekt und Objekt und kann prinzipiell als die Sachangemessenheit der Verstandeserkenntnis definiert werden (vgl. oben, 37f), wohingegen die Sachangemessenheit der eigentlichen Wissenschaft des Geistes in der erkennenden und erkannten Vernunft gründet. Wenn bei Hegel folglich die Struktur des Bewußtseins als die Grundlage des Verstandes und entsprechend die Struktur des Selbstbewußtseins als die Grundlage der Vernunft ausgewiesen werden, so ist nach dem bisher Ausgeführten leicht einzusehen, daß ebenso wie das Selbstbewußtsein die eigentliche Basis des Bewußtseins ausmacht (vgl. oben, 53f), dann auch die Vernunft als die eigentliche Basis des Verstandes betrachtet werden muß (vgl. oben, Anm. 86) — daß letzterer also im Grunde genommen Vernunft ist —, und daß somit die „Phänomenologie" im ganzen nicht nur als eine bestimmte — nämlich uneigentliche — Äußerungsform des Selbstbewußtseins, sondern auch der Vernunft zu verstehen ist, und zwar als eine unvernünftige Form letzterer, die in ihrer negativen Bestimmtheit an sich in der Bestimmung der Vernunft verbleibt 117 . In dieser Integration des bedingt Wahren in den Horizont dessen total adäquater Offenbarung liegt die Duplizität des Hegeischen Wahrheitsbegriffs : Wahrheit ist einerseits — „in Wahrheit" — die absolute Vermittlung von Form und Inhalt des Wissens und als solche nur in der wissenschaftlichen Gestalt der Philosophie explizierter· Gegenstand (vgl. WL I, 30 f), andererseits aber auch in die Erscheinung der wesentlichen Differenz des Wissens gesetzt 118 . Die Relativierung der phänomenologischen Wahrheit im absoluten Wissen heißt eben nicht, daß das Phänomenologische überhaupt falsch sei und für das Denken generell gestrichen werden könne 119 ; vielmehr relativiert das absolute Wissen als ,die Wahrheit aller Weisen des Bewußtseins' — somit im Grunde als die höchste Stufe der Unwahrheit — derart, daß es die im phänomenologischen Bereich des Wissens vorliegende Beschränkung der Wahrheit auf ihren Gegenstand in Beziehung zu ihrer eigenen Methode bringt und darin die Endlichkeit dieser Beschrän117

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Aufgrund dieses ,Αη-sich-Vernünftigen' des Verstandes kann Hegel von einer „bloßen Verstandes-Ansicht der Vernunft-Gegenstände" sprechen und diese Ansicht auch als Philosophieren betrachten, obwohl das wahrhafte Philosophieren den Standpunkt der Vernunft voraussetzt (vgl. Enz, § 27). Eine hervorragende Analyse des einen Wahrheitsbegriffes, des phänomenologischen, bietet die Arbeit von R. Aschenberg: Der Wahrheitsbegriff in Hegels „Phänomenologie des Geistes", a.a.O. (siehe dazu unsere Ausführungen unter Punkt 2.2.2.2.). Vgl. dazu die Ausführungen Hegels, Phän 33 ff.

Der Standpunkt der Wissenschaft

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kung gerade als methodisches Element affirmiert (vgl. unten, 92 f). Wenn mit dem Standpunkt des wissenschaftlichen Wissens demnach ein „zweiter" Wahrheitsbegriff auftaucht, mit dessen Auftauchen die „erste" (phänomenologische) Wahrheit allererst in ihrer wesentlichen Relativität erscheint, so ist mit diesem Standpunkt eben nicht die e«¿-gültige Klärung dessen, was Wahrheit ist, gegeben, sondern im Gegenteil: die ««-endliche Relativität der Wahrheit allgemein erkannt. Diese unendliche Relativität der Wahrheit im Horizont der „zweiten" Wahrheit ist somit nicht nur rückwirkend für das phänomenologische Unternehmen bedeutsam, sondern zugleich ein fundamentaler Verweis auf das Prinzip der Sachangemessenheit der Philosophie und hat in der Relationalität der Darstellungsform derselben — als spekulative Selbsterfassung des Geistes — in dieser ihre methodische Entsprechung. Mit der relationalen Relativität ist folglich erst das Wahre in der Gestalt des Wahren, ist dieses Wahre erst absolut dargestellt, oder: die spekulative Philosophie die wahre Darstellung des Absoluten (vgl. unten, 92). Obwohl demnach der Standpunkt der Wissenschaft das Phänomenologische des Geistes nie gänzlich ad acta legt, so schließt er dennoch für seine Entfaltung selbst den Rückfall des Wissens in die bloß gegenständliche Beschränkung seiner Wahrheit aus (vgl. oben, 49f) und setzt somit mit der prinzipiellen Überwindung der Bewußtseinsdichotomien im Selbstbewußtsein, mit der Uberwindung der Endlichkeit der Relationsmomente derselben, die Überwindung der bloß endlichen Verstandeserkenntnis, d.h. den Standpunkt der Vernunft in eins; denn „diese Ansichten über das Verhältnis des Subjekts und Objekts zueinander (gemeint sind die Ansichten, die beide nur in ihrer gegenseitigen Beschränkung erfassen können; Verf.) drücken die Bestimmungen aus, welche die Natur unsers gewöhnlichen, des erscheinenden Bewußtseins ausmachen; aber diese Vorurteile, in die Vernunft übertragen, als ob in ihr dasselbe Verhältnis stattfinde, als ob dieses Verhältnis an und für sich Wahrheit habe, so sind sie die Irrtümer, deren durch alle Teile des geistigen und natürlichen Universums durchgeführte Widerlegung die Philosophie ist, oder die vielmehr, weil sie den Eingang in die Philosophie versperren, vor derselben abzulegen sind" ( W L I, 25).

Dieser über die Verknüpfung der an und für sich seienden Wahrheit mit dem wissenschaftlichen Wissen (mit der Philosophie) formulierte Zusammenhang von Wahrheit und Vernunft soll im folgenden dahin gehend spezifiziert werden, daß die in der Uberwindung des Verstandes durch die Vernunft liegenden strukturalen Implikationen des wissenschaftlichen Wahrheitsbegriffs deutlich werden können.

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Die „Phänomenologie des Geistes" (1807)

2.2.2.11 Verstand und Vernunft Für Hegel ist der Verstand als eine ,Weise des Bewußtseins' (vgl. Phän, 129) ein bestimmtes Denkvermögen, welches in seiner Tätigkeit die Dichotomien des Bewußtseins in ihrer gegenseitigen Beschränkung affirmiert, um über die so für diese gewonnenen endlichen Bestimmtheiten zu einer vollständigen Gegenstandserfassung und somit zur Erkenntnis der Wahrheit des Gegenstandes zu gelangen. Diese „Tätigkeit des Scheidens", die „Kraft und Arbeit des Verstandes" (Phän, 29), charakterisiert das Denken, das „nur endliche Bestimmungen hervorbringt und in solchen sich b e w e g t . . . . Näher ist die Endlichkeit der Denkbestimmungen auf die gedoppelte Weise aufzufassen, die eine, daß sie nur subjektiv sind und den bleibenden Gegensatz am Objektiven haben, die andere, daß sie als beschränkten Inhaltes überhaupt sowohl gegeneinander als noch mehr gegen das Absolute im Gegensatze verharren" (Enz, § 25). Diese Beschränkung des Verstandes auf die Erkenntnis einer nur endlich bestimmten Gegenständlichkeit gilt diesem jedoch nicht als sein Mangel, sondern im Gegenteil: gerade als seine Tugend 1 2 0 , beruht aber in Wahrheit auf seiner Unfähigkeit, die endliche Bestimmtheit seines Inhalts als die gesetzte Bestimmung seiner selbst zu reflektieren, d . h . (hegelisch): einerseits auf seiner Weigerung und andererseits auf seiner Unfähigkeit zur Spekulation 1 2 1 ; der Verstand ist nur „das Vermögen des bestimmten Begriffes, welcher durch die Abstraktion und Form der Allgemeinheit für sich festgehalten wird" ( W L II, 308). Somit sieht das verständige Denken oder der Gedanke des Verstandes — sich selber als nur subjektiv betrachtend — sich einer Objektivität gegenübergesetzt, die ihm zunächst als das an sich Ungeistige erscheint (vgl. Enz, § 24 HZus) und vom Geist bereits als Bestimmtheit vorgefunden wird 1 2 2 . Das Bewußtwerden 120 Vgl. E n z , § 386 H Z u s : „Die Bestimmung der Endlichkeit wird vornehmlich vom Verstände in der Beziehung auf den Geist und die Vernunft fixiert; es gilt dabei nicht nur für eine Sache des Verstandes, sondern auch für eine moralische und religiöse Angelegenheit, den Standpunkt der Endlichkeit als einen letzten festzuhalten, sowie dagegen für eine Vermessenheit des Denkens, ja für eine Verrücktheit desselben, über ihn hinausgehen zu wollen". Vgl. Rph, § 7 H Z u s : „Das Wahre und Spekulative (und alles Wahre, insofern es begriffen wird, kann nur spekulativ gedacht werden) ist es, in welches einzugehen sich der Verstand weigert, der immer gerade den Begriff das Unbegreifliche nennt". 122 v g l . A . Kojève, a . a . O . , 160: „ F ü r den Verstand bleibt jede wirkliche Wesenheit immer mit sich identisch; sie hat ein für allemal ihre feste Bestimmtheit und unterscheidet sich deutlich, fest und beständig von allen anderen wirklichen Wesenheiten, die ebenso fest und beständig sind wie sie. Kurz, es handelt sich um eine gegebene Wesenheit, die man weder hervorbringen noch zerstören, noch in irgendeiner Hinsicht verändern kann. Darum kann 121

D e r Standpunkt der Wissenschaft

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der Gegenständlichkeit der Erscheinung muß demnach (analog zu den Formulierungen über den „kosmischen O r t " der spekulativen Wissenschaft) als der Verstandestätigkeit einheimisch angesehen werden 1 2 3 , einer Tätigkeit, die genauer gefaßt werden kann als Tätigkeit des nur reflektierenden Verstandes, worunter der „abstrahierende und damit trennende Verstand zu verstehen ist, der in seinen Trennungen beharrt. Gegen die Vernunft gekehrt beträgt er sich als gemeiner Menschenverstand und macht seine Ansicht geltend, daß die Wahrheit auf sinnlicher Realität beruhe, daß die Gedanken nur Gedanken seien in dem Sinne, daß erst die sinnliche Wahrnehmung ihnen Gehalt und Realität gebe, daß die Vernunft, insofern sie an und für sich bleibe, nur Hirngespinste erzeuge. In diesem Verzichttun der Vernunft auf sich selbst geht der Begriff der Wahrheit verloren (Hervorhebung v. Verf.), sie ist darauf eingeschränkt, nur subjektive Wahrheit, nur die Erscheinung zu erkennen, nur etwas, dem die Natur der Sache selbst nicht entspreche; das Wissen ist zur Meinung zurückgefallen" (WL I, 26) 1 2 4 . man sagen, daß sie für sich da ist, d . h . unabhängig vom übrigen daseienden Sein und insbesondere unabhängig von dem sie denkenden D e n k e n " . 123 124

Vgl. E n z , § 422; ferner oben, 37 u. 74. Hinsichtlich der Charakterisierung des reflektierenden Verstandes ist anzumerken, daß Hegel den Begriff der Reflexion doppeldeutig verwendet: erstens im pejorativen Sinne als die Reflexion des Verstandes, wie sie vor dem H o r i z o n t des nur bewußten Denkens sich ihr Dasein gibt und grundsätzlich in der Trennung und Selbständigkeit der bestimmten U n t e r schiede ihrer M o m e n t e verharrt; zweitens im Sinne der Reflexion, wie sie in der Wesenslogik zur Darstellung k o m m t , und die trotz ihrer Analogien zur bloß verständigen Reflexion im ganzen als die Reflexion der Vernunft angesehen werden muß, weil die in ihr vorhandenen differenten M o m e n t e in ihrem Unterschied sich als in den Unterschied gesetzt und daher zugleich in ihrem identischen G r u n d miterfassen, — oder mit anderen W o r t e n : weil diese Reflexion nur Unterschiedsbestimmungen des prinzipiell selbstbewußten Denkens und somit der spekulativen Wissenschaft zu Momenten hat. In der Wesenslogik nämlich „ s o l l e n die Reflexionsbestimmungen jede für sich, abgesondert von der entgegengesetzten, gefaßt werden und gelten" ( E n z , § 164), — werden also nicht in der Isolation vorgefunden, sondern in diese gesetzt — , und sind insofern „ E r z e u g n i s s e " ( E n z , § 114 H Z u s ; Hervorhebung v. Verf.) eines Denkens, das „zugleich die Unterschiede als selbständig annimmt und zugleich auch ihre Relativität setzt; - beides aber nur neben- oder nacheinander durch ein Auch verbindet und diese Gedanken nicht zusammenbringt, sie nicht zum Begriffe vereint" (ibid.). Die noch unvollkommene Verknüpfung der in der Sphäre des Wesens unterschiedenen M o m e n t e des Denkens (vgl. E n z , § 114) bringt die Reflexivität dieses Teils der Logik zwar in die N ä h e der einfachen Verstandesreflexion (daher kann Hegel auch mit einem gewissen Recht die Reflexionsbestimmungen des Wesens „als Erzeugnisse des reflektierenden Verstandes" bezeichnen; vgl. ibid. H Z u s ) , darf aber keinesfalls mit dieser identifiziert werden, denn bei ihr handelt es sich nicht um das Gegenüber zunächst unmittelbar Unvermittelter, sondern um eine noch erst „ u n vollkommene Verknüpfung der Unmittelbarkeit und der Vermittlung" ( E n z , § 114). In der Sphäre des Wesens ist demnach „alles so gesetzt, daß es sich auf sich bezieht und daß

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Die „Phänomenologie des Geistes" (1807) Fortsetzung d. Fußnote 124 zugleich darüber hinausgegangen ist (Hervorhebung v. Verf.), — als ein Sein der Reflexion, ein Sein, in dem ein Anderes scheint, und das in einem Andern scheint. — Sie ist daher auch die Sphäre des gesetzten Widerspruches" (ibid.). Dieses Gesetztsein des Widerspruchs in der wesentlichen Reflexivität überhebt diese generell der nur verständigen Reflexion, die sich einzig im Widerstreit ihrer Bestimmungen zu verstricken und nicht zur Einsicht von dessen Notwendigkeit zu gelangen weiß. Zwischen der Reflexion des Verstandes und der des Wesens — oder auch nach der Begriffsunterscheidung, die die Bezeichnung ,Reflexion' allein für die wesentlich vernünftige Tätigkeit des Denkens reserviert (für diese Begriffsunterscheidung exemplarisch genannt sei J. Kopper, Reflexion und Identität in der Hegelschen Philosophie, in: I. Fetscher, Hegel in der Sicht der neueren Forschung, 207-235): zwischen Räsonnement und Reflexion - eine Entsprechung zu setzen, die es erlaubt, den logischen Ubergang vom Wesen zum Begriff mit dem Übergang des Verstandes zur Vernunft, zum „eigentlich vernünftigen' Begreifen im Bereich des Logischen" (so z.B. E. Angehrn, Freiheit und System bei Hegel, 63 Anm. 39; vgl. auch S. 48), zu identifizieren — eine allgemein recht beliebte Selbstverständlichkeit der Hegel-Interpreten bis heute —, vermag folglich nur als Resultat einer unzulässigen Reduktion der-Momente des Wesens auf das Niveau des Verstandes einzuleuchten. (Allerdings muß E. Angehrn insoweit rehabilitiert werden, als er mit der Zuordnung methodischer „Grundtypen", wie Verstand und Vernunft es sind, auf die verschiedenen Teile der Logik zugleich die Unzulässigkeit eines solchen Unterfangens mitausspricht, siehe ibid.: 63 Anm. 39.) Wie überhaupt bei der Uberführung des Denkens in seine wahre Gestalt die Vernunft sich als der höhere Begriff des Verstandes und somit auch den Verstand als ein Moment der Vernunft, als Vernunft in der Gestalt der Unvernünftigkeit, erweist, so findet auch die Reflexion des Verstandes in den Reflexionsbestimmungen der Vernunft, in der Wesenslogik, zum Wesen ihrer Reflexivität und kann von diesem „höheren" Standpunkt aus ihre erste einfaehe Gestalt nunmehr als einen defizienten Modus ihrer selbst erfassen, — oder in einer positiven Wendung: als notwendige Durchgangsstufe zu ihrer Wahrheit über den Weg der Einsicht in die Notwendigkeit des Widerstreits ihrer Bestimmungen; denn die Reflexion des Verstandes ist zwar dies, „über das konkrete Unmittelbare hinaus zu gehen und dasselbe zu bestimmen und zu trennen, aber sie muß ebensosehr über diese ihre trennenden Bestimmungen hinausgehen und sie zunächst beziehen. Auf dem Standpunkt dieses Beziehens tritt der Widerstreit derselben hervor. Dieses Beziehen der Reflexion gehört an sich der Vernunft an (Hervorhebung v. Verf.); die Erhebung über jene Bestimmungen, die zur Einsicht des Widerstreits derselben gelangt, ist der große negative Schritt zum wahrhaften Begriffe der Vernunft" (WL I, 26). In der vernünftigen Reflexion sind also die vom Verstand als getrennt erkannten Bestimmungen in eine solche Beziehung gesetzt, in der gerade nicht ihr Widerstreit getilgt, sondern im Gegenteil, erst endgültig affirmiert wird. Die Vernunft e-liminiert die Verstandesreflexion folglich derart, daß die Auflösung der Beschränkung des Verstandes auf die Isolation seiner Momente im wesentlichen Widerspruch ihrer selbst resultiert (vgl. WL I, 27), und so die Identität der Identität und Nichtidentität in der Reflexion an sich gesetzt ist (vgl. oben, 52), d. h. daß auch die Reflexion des Verstandes als (bedingt) bestimmtes Moment der Vernunft eingeholt werden kann. Entsprechend sieht G. Lukács die Reflexionsbestimmungen in der Ambivalenz, bei Hegel sowohl als Indiz „einer bloßen Etappe der dialektischen Bewältigung der Erkenntnis der Wirklichkeit" zu gelten, wie auch zugleich „ein notwendiger Bestandteil der Dialektik" selbst zu sein, denn das „Hinausgehen über die Antinomien des nur reflektierenden Verstandes hebt dessen Widersprüche nur auf, um Widersprüche einer höheren, entfalteteren, reicheren Stufe, der Stufe der spekulativen Vernunft aufzudecken. Die Hegeische Charakteristik des reflektierenden Verstandes, des Absolutmachens der bloß relativ berechtigten Momente, erscheint als ein notwendiges Moment der dialektischen Methode selbst" (Der junge Hegel, 268f; vgl. auch ibid., 307).

Der Standpunkt der Wissenschaft D i e vermeintliche T u g e n d des V e r s t a n d e s , den

79 Erkenntnisgegenstand

n u r i m H o r i z o n t endlicher B e s t i m m u n g e n z u erfassen u n d nicht im U n e n d lichen z u „ s p e k u l i e r e n " , beinhaltet s o m i t eine K o n s e q u e n z für den Status der Verstandestätigkeit, die der V e r s t a n d in dieser seiner Selbstbeschränk u n g gerade nicht intendiert h a t t e . D a s D e n k e n setzt m i t d e r E n d l i c h k e i t seines G e g e n s t a n d e s sich diesen prinzipiell gegenüber u n d d a m i t sich selbst gegenüber diesem in die B e s c h r ä n k u n g eines n u r subjektiven V e r m ö g e n s des I c h , einer n u r subjektiven Verfassung des G e d a n k e n s , u n d verfehlt s o ausg e r e c h n e t das, w a s Sinn seiner B e s c h r ä n k u n g w a r : nämlich die d u r c h die feste E i n g r e n z u n g des G e g e n s t a n d e s v e r m u t e t e M ö g l i c h k e i t v o n dessen vollständiger

E r f a s s u n g , die Wahrheit.

V i e l m e h r m u ß sich das D e n k e n n u n -

m e h r als b l o ß subjektiv seiendes in d e m grundsätzlichen U n v e r m ö g e n b e greifen, keine w a h r h a f t e G e g e n s t a n d s e r f a s s u n g leisten zu k ö n n e n , s o n d e r n n u r als b e s t i m m t e r R e z i p i e n t einer E r s c h e i n u n g s w e l t z u fungieren, n u r eine A n s c h a u u n g v o n der Sache z u h a b e n , der ,die N a t u r der Sache selbst nicht e n t s p r i c h t ' , n u r in der , L i e b e ' z u r Sache, nicht im wirklichen W i s s e n u m die Sache z u v e r h a r r e n (vgl. P h ä n , 1 2 ) 1 2 5 . D i e s e r W i d e r s p r u c h , in den das verständige D e n k e n in seinem T u n gerät, einerseits w a h r h a f t e G e g e n s t a n d s b e s t i m m u n g leisten z u w o l l e n , sie andererseits aber nicht leisten z u k ö n n e n , ist an sich das V e r n ü n f t i g e a m Dieses zwiefache Vermögen der Reflexion, einerseits „alle Trennungen und Beschränkungen zu setzen", andererseits „sich selbst als den bloß trennenden und beschränkenden Verstand zu vernichten und sich so zur Vernunft zu erheben, welche das Absolute in der ihm angemessenen Form begreift" (Nicolin/Pöggeler, Einführung in die Enz, XV), hat Hegel schon 1801 in seiner Differenzschrift unter dem Gesichtspunkt seiner Funktion für das Werden der Philosophie zur Wissenschaft beschrieben, ist nach seinem Begriff aber erst Bestandteil der Wesenslogik. Infolgedessen darf die sich im Widerspruch begreifende Reflexion der Vernunft nicht von vornherein mit ihrer bloß verständigen Vorstufe identifiziert werden, vielmehr muß besonders beim Ubergang des Denkens zu seiner wahren Gestalt für den Hegeischen Wortgebrauch von Reflexion von Fall zu Fall entschieden werden, ob die nur erst verständige, oder bereits die vernünftige Reflexion angesprochen sein soll. 125

Für Hegel liegt diese Beschränktheit des Denkens in expliziertester Form in der Kantischen und Fichteschen Philosophie vor, die er infolgedessen nur als bloße Reflexions-, Verstandes· oder Bewußtseinsphilosophie aufzufassen vermag (vgl. dazu: Nicolin/Pöggeler, Enz XIHf; G. Lukács, a.a.O., 268f; Enz, § 415 HZus u. öfter). Auch das Denken, das Hegel als das nur vorstellende kennzeichnet, ist dieser unvollkommenen Gestalt des nur verständigen Geistes zuzurechnen (vgl. Puntel, a . a . O . , 44 Anm. 57, sowie überhaupt seine Ausführungen zu dem „Verhältnis zwischen den Vorstufen und den Unterstufen des Denkens": ibid., 191 ff). Bewußtsein, einfache Reflexion, Verstand und Vorstellung sind bei Hegel differente Termini eines bestimmten geistigen Niveaus, und zwar dessen, das die „Gedankenlosigkeit" begeht, das ,nur-Gedachte' als Idealität einer Realität derart gegenüberzusetzen, daß diese Uber-Setzung der Realität nicht entspricht (vgl. Enz, § 261 HZus u. § 20 HZus).

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Die „Phänomenologie des Geistes" (1807)

Verstand und qualifiziert, sofern er im Verstand ausgehalten und kompromißlos ausgetragen wird, die Verständigkeit als das Werden, das die Vernünftigkeit ist 1 2 6 . Einzig der Verstand also, der in seiner Widersprüchlichkeit das Wesen seiner Bestimmung zu erblicken vermag, ist in der Lage, sich als ein solches ,Verzichttun der Vernunft auf sich selbst' zu begreifen, das allgemein in der Vernünftigkeit und somit im Horizont der Wahrheit verharrt; einzig dieser Verstand auch ist es, der in Hegels „Phänomenologie des Geistes" zur Darstellung gebracht ist, und der diese zu einer Vorbereitung des vernünftigen Standpunktes des wahren Wissens befähigt. Die Erhebung der Vernunft über die Beschränkungen des Verstandes bedeutet also nicht, daß dessen Widersprüchlichkeit gänzlich liquidiert, sondern im Gegenteil, deren Notwendigkeit eingesehen und somit der Widerspruch gerade als Wahrheitskriterium affirmiert wird. Die Vernunft beläßt demnach die Exponenten des Verstandes, das Denken selber (Subjekt) wie auch den gedachten Gegenstand (Objekt), nicht nur in ihrer endlich gegeneinander bestimmten Gestalt, — sozusagen mit dem einzigen Unterschied zum Verstand, an der Unangemessenheit dieses Verhältnisses nicht mehr zu leiden —, sondern will beide gerade darein gesetzt wissen127. Damit ist die Möglichkeit einer nur subjektiven oder nur objektiven Wahrheit prinzipiell versperrt und Wahrheit allein in der Angemessenheit des Vollzugs der un-endlich bestimmten Differenz von Subjekt und Objekt „lokalisiert" (diesen Vollzug vollführt bei Hegel konkret das 126 Vgl. Phän, 47; vgl. auch Wolfgang Marx, Spekulative Wissenschaft und geschichtliche Kontinuität, in: I. Fetscher, Hegel in der Sicht der neueren Forschung, 236—254, 237: „Die Paradoxie denken bedeutet die Vernunft am Verstände entdecken. Wenn man voraussetzt, daß der Verstand erst in der Vernunft seine Wahrheit erfährt, so muß er dennoch gedacht werden als die Gleichgültigkeit gegen die Dimension, in der er seinen Begriff und somit Verständlichkeit allein haben kann. Zugleich aber ist er nur in dieser Gleichgültigkeit das, was er ist, der Verstand, unmittelbare Reflexion". 127

Der Drang des Verstandes nach einer endgültigen Lösung der Widersprüche im Denken, nach der subjektiven oder objektiven Seite hin, läßt diesen — im Gegensatz zur Vernunft — die Positivität, die an sich im Widerspruch liegt, übersehen und prädestiniert ihn so, im Versuch einer einseitigen Auflösung der Widersprüchlichkeit und Nichtidentität, eher zu einer entfremdeten, als zu einer mit sich ausgesöhnten Grundverfassung des Geistes, weil „die Entzweiung . . . dann zur Entfremdung führt, wenn diese Nichtidentität beiseite gebracht und die eine oder die andere Seite zum Ganzen gemacht wird, während die jeweils andere Seite ins Nichtsein verdrängt wird. . . . Während die Entzweiung an sich die Funktion hat, in den Entzweiten zusammen die Einheit zu erhalten, wird sie zur Entfremdung, wenn ihr Widerspruch beseitigt und eine widerspruchsfreie Einheit hergestellt wird (Hervorhebungen v. Verf.). Daher erhält die Philosophie bei Hegel die Aufgabe, die Entfremdung dadurch aufzuheben, daß sie die Positivität der Entzweiung als Form der Einheit aus ihr zurückgewinnt" (J. Ritter, Hegel und die französische Revolution, Frankfurt/M. 1972, 102 Anm. 25).

Der Standpunkt der Wissenschaft

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System der spekulativen Verhältnismäßigkeit des absoluten Wissens, die „Enzyklopädie", in reiner Form: die „Wissenschaft der Logik"). Dem Verstand aber, der einzig darauf aus ist, sich in der Endlichkeit seiner Momente (in der aufrechterhaltenen Trennung von Subjekt und Objekt) Wahrheit zu verschaffen, und der somit seine immanente Widersprüchlichkeit nur als Unvollkommenheit und Makel des Denkens zu begreifen vermag 1 2 8 , ist es ein leichtes, dem absolut widersprüchlichen, vernünftigen Denken Widersprüche nicht nur nachzuweisen, sondern auch vorzuhalten. In der Tat kommt für diesen Verstand auch die Vernunft zu keinen wahren Resultaten und bezeugt selbst ihre Untauglichkeit zur wahren Erkenntnis 1 2 9 . Allerdings kann dieser Verstand als selbst wesentlich Dieser Sachverhalt kennzeichnet den „nur gewöhnlichen abstrakten Verstand, der die Bestimmungen von Unmittelbarkeit und von Vermittlung, jede für sich, als absolut nimmt und an ihnen etwas Festes von Unterscheidung zu haben meint; so erzeugt er sich die unüberwindliche Schwierigkeit, sie zu vereinigen" (Enz, § 70). 129 Vg] Enz, § 214 HZus: „Der Verstand hat leichte Arbeit, alles, was von der Idee (dies ist die eigentliche philosophische Bedeutung für Vernunft·, ibid., Verf.) gesagt wird als in sich widersprechend aufzuzeigen . . . Wenn der Verstand zeigt, daß die Idee sich selbst widerspreche, weil ζ. B. das Subjektive nur subjektiv und das Objektive demselben vielmehr entgegengesetzt, das Sein etwas ganz anderes als der Begriff sei und daher nicht aus demselben herausgeklaubt werden könne, ebenso das Endliche nur endlich und gerade das Gegenteil vom Unendlichen, also nicht mit demselben identisch sei, und so fort durch alle Bestimmungen hindurch, so zeigt vielmehr die Logik das Entgegengesetzte auf, daß nämlich das Subjektive, das nur subjektiv, das Endliche, das nur endlich, das Unendliche, das nur unendlich sein soll usf., keine Wahrheit hat, sich widerspricht und in sein Gegenteil übergeht, womit dies Ubergehen und die Einheit, in welcher die Extreme als aufgehobene, als ein Scheinen oder als Momente sind, sich als ihre Wahrheit offenbart.

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Der Verstand, welcher sich an die Idee macht, ist der doppelte Mißverstand, daß er erstlich die Extreme der Idee, sie mögen ausgedrückt werden, wie sie wollen, insofern sie in ihrer Einheit sind, noch in dem Sinne und der Bestimmung nimmt, insofern sie nicht in ihrer konkreten Einheit, sondern noch Abstraktionen außerhalb derselben sind. Nicht weniger verkennt er die Beziehung, selbst auch wenn sie schon ausdrücklich gesetzt ist." „Auf solche Weise geschieht es, daß sogleich die Idee der spekulativen Philosophie in ihrer abstrakten Definition festgehalten wird, in der Meinung, daß eine Definition für sich klar und ausgemacht erscheinen müsse und nur an vorausgesetzten Vorstellungen ihren Regulator und Prüfstein habe, wenigstens in der Unwissenheit, daß der Sinn wie der notwendige Beweis der Definition allein in ihrer Entwicklung und darin liegt, daß sie aus dieser als Resultat hervorgeht. Indem nun näher die Idee überhaupt die konkrete, geistige Einheit ist, der Verstand aber darin besteht, die Begriffsbestimmungen nur in ihrer Abstraktion und damit in ihrer Einseitigkeit und Endlichkeit aufzufassen, so wird jene Einheit zur abstrakten geistlosen Identität gemacht, in welcher hiemit der Unterschied nicht vorhanden, sondern Alles Eins, unter anderem auch das Gute und Böse einerlei sei . . . Und doch ist der Fall mit dem Auffassen der philosophischen Idee diese gewaltsame Halbierung, so daß, um es nicht mißverstehen zu können, wie die Identität, welche der Versicherung nach das Prinzip der spekulativen Philosophie sei, beschaffen sei, die ausdrückliche Belehrung und respektive Widerlegung folgt, etwa daß das Subjekt vom Objekt verschieden sei, ingleichen das Endliche vom Unendlichen usf., als ob die konkrete geistige

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widersprüchlich für sich keinen Triumph über die Vernunft verbuchen und fällt so gewöhnlich in die Verzweiflung über das Erkennen überhaupt und auf den Standpunkt der Gefühlsidentität zurück, wo die Welt noch in Ordnung scheint (ein Standpunkt, der sich für Hegel als Stand-Punkt selbst erledigt 130 ): „Das wichtige negative Resultat, in welchem sich der Verstand der allgemeinen wissenschaftlichen Bildung befindet, daß auf dem Wege des endlichen Begriffs keine Vermittlung mit der Wahrheit möglich sei (Hervorhebung v. Verf.), pflegt nämlich die entgegengesetzte Folge von der zu haben, welche unmittelbar darin liegt. Jene Überzeugung hat nämlich das Interesse an der Untersuchung der Kategorien und die Aufmerksamkeit und Vorsicht in der Anwendung derselben vielmehr aufgehoben, statt die Entfernung der endlichen Verhältnisse aus dem Erkennen zu bewirken; der Gebrauch derselben ist, wie in einem Zustande der Verzweiflung, nur um so unverhohlener, bewußtloser und unkritischer geworden. Aus dem Mißverstande, daß die Unzureichenheit der endlichen Kategorien zur Wahrheit die Unmöglichkeit objektiver Erkenntnis mit sich bringe, wird die·Berechtigung, aus dem Gefühle und der subjektiven Meinung zu sprechen und abzusprechen, gefolgert, und an die Stelle des Beweisens treten Versicherungen und die Erzählung von dem, was sich in dem Bewußtsein (Hervorhebung v. Verf.) für Tatsachen vorfinden, welches für um so reiner gehalten wird, je unkritischer es ist" (Enz, S. 4 f ) 1 3 1 . „Allein jener unkritische Verstand beweist sich ebenso ungetreu im nackten Auffassen der bestimmt ausgeprochenen Idee, er hat so wenig Arges oder Zweifel an den festen Voraussetzungen, die er enthält, daß er sogar unfähig ist, das bare Faktum der philosophischen Idee nachzusprechen. Dieser Verstand vereinigt Wunderbarerweise das Gedoppelte in sich, daß ihm an der Idee die völlige Abweichung und selbst der ausdrückliche Widerspruch gegen seinen Gebrauch der Kategorien auffällt, und daß ihm zugleich kein Verdacht kommt, daß eine andere Denkweise vorhanden sei und ausgeübt werde als die seinige, und er hiemit anders als sonst denkend sich hier verhalten müsse" (Enz, S. 6). „Statt von hier aus den letzten Schritt in die Höhe zu tun, ist die Erkenntnis von dem Unbefriedigenden der Verstandesbestimmungen zu der sinnlichen Existenz zurückgeflohen, an derselben das Feste und Einige zu haben vermeinend. Indem aber auf der anderen Seite diese Erkenntnis sich als die Erkenntnis nur von Erscheinendem weiß, wird das Unbefriedigende derselben eingestanden, aber zugleich vorausgesetzt, als ob zwar nicht die Dinge an sich, aber doch innerhalb der Sphäre der Erscheinung richtig erkannt würde, als ob dabei gleichsam nur die Art der Gegenstände verschieden wäre, und die eine Art, nämlich die Dinge an sich zwar nicht, aber doch die andere A n , nämlich die Erscheinungen in die Erkenntnis fielen. Wie wenn einem Manne richtige Einsicht beigemessen würde mit dem Zusatz, daß er jedoch nichts Wahres, sondern nur Unwahres einzusehen fähig sei. So ungereimt das letztere wäre, so ungereimt ist

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Einheit in sich bestimmungslos wäre und nicht selbst den Unterschied in sich enthielte, als ob irgend ein Mensch es nicht wüßte, daß das Subjekt von dem Objekte, das Unendliche von dem Endlichen verschieden sei, oder die Philosophie, in ihre Schulweisheit sich vertiefend, daran zu erinnern wäre, daß es außer der Schule die Weisheit gebe, welcher jene Verschiedenheit etwas Bekanntes sei" (Enz, S. 6f). „Wenn ein Mensch sich über etwas nicht auf die Natur und den Begriff der Sache oder wenigstens auf Gründe, die Verstandesallgemeinheit, sondern auf sein Gefühl beruft, so ist nichts anderes zu tun, als ihn stehen zu lassen (letzte Hervorhebung v. Verf.), weil er sich dadurch der Gemeinschaft der Vernünftigkeit verweigert, sich in - seine isolierte Subjektivität, die Partikularität, abschließt" (Enz, § 447 HZus). Vgl. auch Enz, § 11 HZus u. § 77, sowie überhaupt die drei Stellungen des Gedankens zur Objektivität, Enz §§ 1 9 - 7 8 .

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eine wahre Erkenntnis, die den Gegenstand nicht erkannte, wie er an sich ist" (WL I, 27; vgl. auch WL II, 441).

Die Gestalt des Wahrheitsproblems, in welcher das Denken sich mit sich selber derart verwickelt, daß ihm, wenn es ehrlich ist, die Aporie, Aphasie und Apathie in seinem eigenen Tun als Resultat verbleibt 132 , ist die Konsequenz des Verstandes, der den „Gegensatz von einer selbständigen Unmittelbarkeit des Inhalts oder Wissens und einer dagegen ebenso selbständigen Vermittlung" (Enz, § 78) derart fixiert, daß Unmittelbarkeit und Vermittlung unvereinbar sind und bleiben. Für die Wahrheit heißt das, daß sie entweder unmittelbar da ist, als solche aber nicht vermittelt werden kann, oder insofern die Vermittlung wahr ist, daß in dieser nichts Wahres vermittelt, sondern nur wahrhaft vermittelt wird; das aber bedeutet für das Wissen und die Erkenntnis den Verlust des Begriffs der Wahrheit überhaupt. Der besagte Gegensatz von Unmittelbarkeit und Vermittlung kann folglich nicht in die Wissenschaft übertragen werden, die beansprucht, das Wahre in der Gestalt des Wahren auch zum Gegenstand zu haben, sondern muß „bei dem Eintritt" in dieselbe „aufgegeben" werden, schon „weil er eine bloße Voraussetzung und beliebige Versicherung ist" (ibid.); „denn es ist die Wissenschaft, in welcher alle dergleichen Bestimmungen erst untersucht und, was an ihnen und ihren Gegensätzen sei, erkannt werden soll" (ibid.). Damit will und kann die Erhebung der Wissenschaft über die „einseitigen Abstraktionen des Verstandes" (Enz, §471 HZus) ebensowenig, wie die Systemgestalt der Wahrheit als bloßes Postulat Gültigkeit haben kann — und in der Hegeischen Philosophie als solches auch nicht hat, sondern vielmehr ihre Ausführung voraussetzt (vgl. oben, 2.2.1.2.) —, sich nicht mit reinen „Versicherungen" über das höhere Denkniveau begnügen, sondern verlangt eine geistige Konkretion, die sowohl den eigenen Ausgang wie auch die Defizienz der Verstandesbestimmungen einholt, d. h. die sowohl an sich spekulativ vernünftig wie auch integrativ verständig ist. Als eine solche ist Hegels enzyklopädisches System der wissenschaftlichen Philosophie anzusehen 133 . Es organisiert sich nicht mehr nach den Modi der 132

Es handelt sich hier um eine Formulierung, die sich bewußt an den Nonsensmonolog Lucky's in S. Beckett's „Warten auf G o d o t " (Frankfurt/M. 1966, 5 2 - 5 5 ) anlehnt, insofern dieser Monolog im ganzen — mit Hegeischen Kategorien gemessen — die Darstellung des Absurden der bloßen Verstandeswissenschaft unternimmt, — der Wissenschaft, die durch Präzision und technische Vervollkommnung die Sicherung endlicher Ergebnisse versucht, sich aber mit der Repetition des „ m a n weiß nicht w a r u m " zur Stammelei erschöpft. 133 Yg| Enz, § 75: „ V o n dem Faktum aber solchen Erkennens, das weder in einseitiger Unmittelbarkeit noch in einseitiger Vermittlung fortgeht, ist die Logik selbst und die ganze Philosophie das Beispiel".

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Erkenntnis des Verstandes, sondern tritt als Selbstdarstellung eines vernünftigen Erkennens, ja eigentlich als die Darstellung der Vernunft selbst auf, welche zum einen als Ausdruck selbstbewußter Geistigkeit (vgl. Enz, § 439) sowohl absolut spekulativer Natur ist, in der zum anderen aber auch „alle Verhältnisse des Verstandes, aber in ihrer unendlichen Rückkehr und Identität in sich enthalten sind" (Enz, § 2 1 4 ) : „Der Verstand bestimmt und hält die Bestimmungen fest; die Vernunft ist negativ und dialektisch, weil sie die Bestimmungen des Verstandes in Nichts auflöst; sie ist positiv, weil sie das Allgemeine erzeugt (letzte Hervorhebung v. Verf.), und das Besondere darin begreift (Hervorhebung v. Verf.). Wie der Verstand als etwas Getrenntes von der Vernunft überhaupt, so pflegt auch die dialektische Vernunft als etwas Getrenntes von der positiven Vernunft genommen zu werden. Aber in ihrer Wahrheit ist die Vernunft Geist, der höher als beides, verständige Vernunft oder vernünftiger Verstand ist" ( W L I, 6 ) . 1 3 4

Wußte der Verstand in seiner endlichen Gegenübersetzung von Realem und bloß gedachtem Ideellen sich selber auch nur als das Vermögen dieses Ideellen zu begreifen und darin nur eine restringierte Objektivität für sein Tun zu beanspruchen (vgl. oben, 79), so bedingt die Integration und Verflüssigung aller Momente des Verstandes in der Vernunft die Aufhebung dieses so bestimmten Gegensatzes und damit ebensowohl Idealität wie Realität des vernünftigen Erkennens. Die Erhebung der Vernunft über den Verstand ist demnach nicht als eine solche Vergeistigung zu betrachten, die gegenüber letzterem mehr in den reinen Äther abstrakter Verklärung entgleitet, sondern ganz im Gegenteil: als Zunahme konkreter Wirklichkeit überhaupt 1 3 5 . Demzufolge kann die Vernunft auf der Höhe ihres Begriffs, d.h. in ihrer „eigentlichen philosophischen Bedeutung" als Idee, „gefaßt werden als das Subjekt-Objekt, als die Einheit des Ideelen und Reellen, des Endlichen und Unendlichen, der Seele und des Leibs, als die Möglichkeit, die ihre Wirklichkeit an ihr selbst hat, als das, dessen Natur nur als existierend begriffen werden kann usf." (Enz, §214). Dieser Gewinn an Wirklichkeit im vernünftigen Erkennen darf jedoch keinesfalls mit einer Anreicherung ontischer Mannigfaltigkeit im Denken identifiziert werden; 134 V g l J l e ausführlichere Erörterung der hier von Hegel vorgenommenen Begriffsdifferenzierungen in E n z , §§ 79—82. Aufschlußreich ist der dort gemachte Hinweis, daß das Positiv-Vernünftige der spekulativen Logik die bloße Verstandes-Logik auf die Weise enthalte, daß aus ersterer letztere „sogleich gemacht werden könne; es bedarf dazu nichts, als daraus das Dialektische und Vernünftige wegzulassen; so wird sie zu dem, was die gewöhnliche Logik ist, eine Historie von mancherlei zusammengestellten Gedankenbestimmungen, die in ihrer Endlichkeit als etwas Unendliches gelten" (§ 82 H Z u s ) . 135

Vgl. Rph, § 308 H Z u s : „Die vernünftige Betrachtung, das Bewußtsein der Idee, ist konkret und trifft insofern mit dem wahrhaften praktischen Sinne, der selbst nichts anderes als der vernünftige Sinn, der Sinn der Idee ist, zusammen".

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es liegt in ihm vielmehr eine qualitative Bestimmung wissenschaftlicher Philosophie dahin gehend, das, was gemeinhin im Begriff Wirklichkeit impliziert und als in mannigfaltigen Erscheinungen gegeben vorgestellt wird, auf seinen Kern, auf seinen wirklichen Kern, auf sein wirkliches Wesen hin, zu „reduzieren" (vgl. unten, 100ff). Eine solche wesentliche Reduktion des „Wirklichen" kann freilich nicht — weil sie eben auf das wirkliche Wesen hin reduziert — in die Unwirklichkeit, sondern nur in einen vollkommeneren Begriff von Wirklichkeit führen. Die Bindung wissenschaftlichen Denkens an die Vernunft setzt folglich die Philosophie in den Anspruch, die „Wirklichkeit" wirklicher zu machen und in diesem Tun selbst die Darstellung des Wirklichen der „Wirklichkeit", dessen, was an der „Wirklichkeit" wahrhaft wirklich ist, zu unternehmen 136 . Das so behauptete, höhere Wirklichkeitsniveau auf dem Standpunkt der Wissenschaft wehrt von vornherein die landläufige These von der Unwirklichkeit philosophischen Wissens, von der wirklichkeitsenthobenen Gedankenspielerei insbesondere der spekulativen Philosophie ab und verknüpft die Wirklichkeits- mit der Wahrheitsgewinnung dort, wo dieses Wissen sich der Subjekt-Objekt-Spaltung des Verstandes überhoben, sich als Vernunft und im Begriffe weiß 137 ; denn „die an und für sich seiende Wahrheit, welche die Vernunft ist, ist die einfache Identität der Subjektivität des Begriffs und seiner Objektivität und Allgemeinheit. Die Allgemeinheit der Vernunft hat daher ebensosehr die Bedeutung des im Bewußtsein als solchem nur gegebenen, aber nun selbst allgemeinen, das Ich durchdringenden und befassenden Objekts, als des reinen Ich, der über das Objekt übergreifenden und es in sich befassenden reinen Form" (Enz, § 438). In dieser „einfachen Identität" ist die Vernunft das Selbstbewußtsein in der prinzipiellen Gewißheit, „daß seine Bestimmungen ebensosehr gegenständlich, Bestimmungen des Wesens der Dinge, als seine eigenen Gedanken sind", ist sie „nicht nur die absolute Substanz, sondern die Wahrheit als Wissen" (ibid., §439). 136

137

Daß bei Hegel innerhalb der Wirklichkeit überhaupt Differenzierungen und Nivellierungen von Wirklichkeitsgraden möglich sind, wirft ein mehr als bedeutsames Licht auf die von Hegel behauptete Vernünftigkeit des Wirklichen; diese bleibt so einer innerphilosophisch bestimmten Problematik von Wirklichkeit verpflichtet und höchstens philosophisch fragwürdig, von allen trivialen Versuchen, über die Evidenz der Unvernunft in weltlich-aktuellen Zuständen widerlegt zu werden, jedoch unberührt (vgl. auch oben, Anm. 93; ferner Enz, § 6 HZus). Vgl. H . Marcuse, Vernunft und Revolution, Darmstadt und Neuwied 1972, 33: „Wahrheit ist nicht nur mit Lehrsätzen und Urteilen verknüpft; sie ist, kurz gesagt, nicht nur ein Attribut des Denkens, sondern der im Prozeß stehenden Wirklichkeit. Etwas ist dann wahr, wenn es ist, was es sein kann, indem es alle seine objektiven Möglichkeiten verwirklicht. In Hegels Sprache ist es dann mit seinem .Begriff' identisch".

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Allerdings kann die Vernunft nicht bei dieser , einfachen Identität' stehen bleiben; als eine solche „versichert sie nur, alle Realität zu sein, begreift dies aber selbst nicht" (Phän, 177). Um wirkliches Wissen zu sein, muß sie die absolute Differenz ihrer Sichselbstgleichheit realisieren, somit diese auch verlassen und zum Verstehen kommen.

2.2.2.12 Das Verstehen der Vernunft Es ist bereits oben (2.1.2.1.) ausgeführt worden, daß die Verankerung des eigentlich wissenschaftlichen Wissens in der Struktur des Selbstbewußtseins nicht bedeutet, daß die Gegenstandswelt des phänomenologischen Wissens ignoriert und angesichts des nunmehr höheren Erkenntnisniveaus als dem philosophischen Geist überhaupt unwürdig deklariert wird, sondern daß vielmehr diese Gegenstandswelt auch in der eigentlich wissenschaftlichen Darstellung der Philosophie einerseits absolut geborgen bleibt, wie andererseits allererst absolut geborgen wird, insofern das phänomenologische Wissen in dieser einzig zu dem wird, was es für sich schon zu sein schien, oder wie bereits formuliert wurde: insofern im Selbstbewußtsein (Vernunft) das Bewußtsein (Verstand) allererst sein Selbst erreicht (vgl. oben, 55 f). Demzufolge waren bewußtseinsmäßige Strukturen des Wissens als bestimmt integriertes Moment der Wissenschaft des Selbstbewußtseins und in dieser Bestimmung als die Notwendigkeit letzterer, die unmittelbare Identitätsgewißheit ihres Wissens zu objektivieren, ausgewiesen worden. Aufgrund der Realisation von Bewußtsein und Selbstbewußtsein in den jeweils entsprechenden Erkenntnismodi des Verstandes und der Vernunft ist somit die verstandesmäßige Entgegensetzung von Subjekt und Objekt für das an sich vernünftige System der Philosophie, die „Enzyklopädie", nicht nur einfach auch zugelassen — weil eben auch das Selbstbewußtsein das Bewußtsein noch zuläßt —, sondern für dieses geradezu gefordert, geradezu gefordert für eine Entfaltung der Vernunft, die über die bloße Versicherung des in ihr prinzipiell erreichten Identitätsstandpunktes von Wissen und Gewußtem hinausgeht 138 . Will die Vernunft überhaupt etwas verstehen, so muß sie, die alle Verhältnisse des Verstandes enthält (vgl. Enz, § 214), diese Verhältnisse aus dem unmittelbaren Einheitsprinzip, welches an sich die Vernunft ist, entlassen und sich in diesen Verhältnissen und über diese Ver138

Ein Beispiel hierfür ist u. a. in der an und für sich vernünftigen „Wissenschaft der Logik" dort gegeben, wo die Vernunft selbst in der absoluten Bestimmung der Idee wieder als Verstand tätig werden muß, im „Erkennen" (vgl. Enz, § 226).

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hältnisse mit sich selbst vermitteln, und zwar so, daß sie sich als die Wahrheit des Verstandes zwar in diese Verhältnisse setzt, jedoch ohne auch grundsätzlich deren rein verständige Mangelhaftigkeit zu reproduzieren 139 . Die Selbstgewißheit des vernünftigen Denkens in einer jeden Bestimmung beruht eben nicht — wie oben schon mehrmals ausgeführt wurde (Anm.: 124 u. 127; S. 79ff) — auf der einfachen Negation von Entgegensetzung 140 , sondern auf deren Unterstellung unter das Primat einer vernünftigen Totalität, die am Anfang der Wissenschaft - als zunächst nur unmittelbar dem Wissen der Vernunft vorausgesetzte — als das endlich Eine neben anderem, als bloße Denkmöglichkeit verbleibt (vgl. Enz, §441), die aber, insofern die Vernunft „die ewige Bewegung ist, diese Unmittelbarkeit aufzuheben, sich selbst zu begreifen und Wissen der Vernunft zu sein" (ibid.; Hervorhebung v. Verf.), im Verlauf der Wissenschaft zu der Totalität des Wissens sich absolut vermittelt, die im Alleinanspruch von Wahrheit steht: „ W e n n die V e r n u n f t als Reflexion aus dieser entgegengesetzten Gewißheit auftritt, tritt ihre Behauptung von sich nicht n u r als Gewißheit und Versicherung, sondern als Wahrheit auf; u n d nicht neben andern, sondern als die einzige" (Phän, 177f).

2.2.2.2. Der spekulative Wahrheitsbegriff Das Reich der Wahrheit, in dem „sie ohne Hülle an und für sich selbst ist", kündigt Hegel mit der „Wissenschaft der Logik" an (vgl. WL I, 31). Die Wahrheit bleibt aber nicht allein auf ihre logische Gestalt beschränkt: wenn sie sich der ,ihr angemessenen Form als ganze Wahrheit überantwor139

Vgl. Wolfgang Marx, Spekulative Wissenschaft u n d geschichtliche Kontinuität, a . a . O . , 247: „Welche Bedingungen m u ß die Vernunft erfüllen, u m den Verstand als eine Weise der V e r n u n f t interpretieren zu können? Erstens: sie darf nicht das abstrakte Verhältnis, das dem Mangel der Beziehung von theoretischem Selbstverständnis u n d Sachangemessenheit zugrunde liegt, wiederholen; sie m u ß sich also zu der aufzuhebenden Differenz des Abstraktallgemeinen von der empirischen Besonderung so in Beziehung setzen, daß sie selbst diese Differenz als ein M o d u s ihrer enthält. Sie m u ß sich als aufhebende Vernunft den .Gegenstand' ihrer F u n k t i o n selbst geben, d . h . sie muß sich als Vernunft im Modus des Verstandes setzen ( H e r v o r h e b u n g v. Verf.). Zweitens: die Logik der absoluten Vernunft m u ß sich demnach als die Aufgabe verstehen, das ,Sich-Ubersetzen in den abstrakten Verstand' zu sein; so erst kann sie sich als ,ewige' V e r n u n f t vermitteln (Enz, § 214)".

140

Z u r D i f f e r e n z , die Konstituens bereits des abstrakten Begriffs der Sichselbstgleichheit ist, siehe P h ä n , 126. Hegel geht sogar so weit, zu bemerken, daß „die verschiedenen Teile der Wissenschaft n u r durch das Element u n d die F o r m des Gegensatzes" (Enz, § 467 H Z u s ) , also höchstens durch ein M e h r oder Weniger an Entgegensetzung, keinesfalls aber durch ein generelles Fehlen letzterer an irgend einem O r t der Wissenschaft, voneinander unterschieden sind (vgl. unten, 92ff einschl. A n m . 153).

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tet, wird sie zum allgegenwärtigen Gegenstand der Philosophie überhaupt, genauer: zum ganz allgemeinen Gegenstand der streng wissenschaftlichen Philosophie (vgl. Enz, § 571). Wo die Wahrheit einen so breiten Entfaltungsraum beansprucht, verwehrt sie, als einfaches Resultat philosophischen Denkens abziehbar und verfügbar zu sein. Die Uberwindung und zugleich Begründung der phänomenologischen Wahrheit beim Eintritt des Denkens in seine wissenschaftliche Gestalt kann demnach nur auf dem Boden axiomatisch anmutender Reflexionen bedacht werden und setzt zuvörderst nur ein fundamentales Prinzip des wahren Wissens der Wissenschaft frei, dessen Verifikation in die eigentliche Durchführung der Wissenschaft selbst fällt (vgl. oben, 62 f). Eine ausführliche Analyse des Wahrheitsbegriffs, der in der „Phänomenologie des Geistes" die Sachangemessenheit der Erfahrungen des Bewußtseins ontologisch statuiert, ist in neuerer Zeit in der von uns bereits mehrfach zitierten Arbeit von R. Aschenberg 141 vorgelegt worden, die insoweit, als sie eine Abgrenzung zu dem und somit erste Bestimmung dessen beinhaltet, was in der spekulativen Wissenschaft als Wahrheitsstruktur zur Geltung kommt, den folgenden Ausführungen zugrunde gelegt werden soll. Aschenberg unterscheidet bei Hegel eine vierfache Verwendung des Begriffs ,Wahrheit': 142 1. Wahrheit in Bedeutungsidentität mit dem Absoluten, bzw. mit Gott. 2. Wahrheit im pejorativen Sinne als „die Ubereinstimmung des Denkens mit dem Gegenstande" gemäß der traditionellen adaequatio-Konzeption, nach welcher „das Denken sich nach dem Gegenstande fügen und bequemen soll, um diese Ubereinstimmung, die nicht an und für sich vorhanden ist, hervorzubringen" (WL I, 25). Diese Konzeption basiert auf der Voraussetzung, „daß das Objekt ein für sich Vollendetes, Fertiges sei, das des Denkens zu seiner Wirklichkeit vollkommen entbehren könne, da hingegen das Denken etwas Mangelhaftes sei, das sich erst an einem Stoffe zu vervollständigen, und zwar als eine weiche unbestimmte Form sich seiner Materie angemessen zu machen habe" (ibid.). Für Hegel jedoch wird die auf diese Weise vom Denken zu erzielende Sachangemessenheit nur fälschlicherweise mit Wahrheit identifiziert und wäre treffender mit ,bloß formeller Wahrheit* oder ,Richtigkeit'1*3 be141 142 143

Der Wahrheitsbegriff in Hegels „Phänomenologie des Geistes", s.o. Anm. 118. Vgl. ibid., 220-223. Zu dem spezifisch Hegeischen Gebrauch des Begriffs ,Richtigkeit' und der von Hegel vorgenommenen Uminterpretation seiner herkömmlichen Bedeutung s. Aschenberg, ibid. 221 Anm. 10.

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zeichnet. Aschenberg nennt den diese Erkenntniskonzeption leitenden Wahrheitsbegriff den erkenntnistheoretischen Wahrheitsbegriff. 3. Wahrheit in der Bedeutung des Objektiven, des Ansich des Wissens. Der Gegenstand des Wissens tritt hier als Instanz, als „Maßstab" der subjektiven Erkenntnisverfassung auf und indiziert den Grad der Sachangemessenheit dieses Wissens. Das Wissen (Subjektivität) hat sich so noch nicht der Wahrheit (Objektivität) gleich gemacht (vgl. o., 2.2.1.1.), vielmehr steht diese ihm noch als das Andere gegenüber. Wahrheit in dieser Bedeutung wird von Aschenberg unter dem phänomenologischen 1 4 4 Wahrheitsbegriff gefaßt . Obwohl die Subjekt-Objekt-Differenz in diesem noch voll zum Tragen kommt, so wird sie, — entgegen der erkenntnistheoretischen Bestimmung dieser Differenz —, keinesfalls als absolut real, als Tatsache für das Denken, sondern als relativ real, als Denktatsache vorgefunden, d.h. genauer: als eine bestimmte Gestalt des Wissens, als die Wissensgestalt des Bewußtseins konstatiert 1 4 5 . 4. Wahrheit in der Bestimmung, der das eigentlich wissenschaftliche Philosophieren nach Hegel verpflichtet ist. Sie ist in der begriffenen, prinzipiellen Identität des Denkens mit seinem Gegenstand, oder des Denkens mit sich selber in seinem Gegenstand, oder des Gegenstandes mit sich selber in seinem Begriff, wie in der Entfaltung endlicher Bestimmungen im Horizont reflektierter Relationalität anzutreffen. Differenz weiß sich in dieser Dimension von Wahrheit grundsätzlich als eine solche gesetzt, nicht vorgefunden; sie ist Resultat der dem Geist immanenten Notwendigkeit, sich in Unterscheidungen seiner selbst einzulassen, will er seine unmittelbare Selbstgewißheit auch wirklich als solche begreifen. Diesen spezifisch Hegeischen Wahrheitsbegriff nennt Aschenberg den spekulativen oder kategorialen Wahrheitsbegriff.

144

Aschenberg unterscheidet einen expliziten und einen impliziten phänomenologischen Wahrheitsbegriff, eine Unterscheidung, die als Kernstück seiner Arbeit hier nicht mit wenigen Worten begründend nachvollzogen werden kann und auch nicht soll. Stark vereinfachend kann der implizite phänomenologische Wahrheitsbegriff als die reflektierte Form der explizierten Wahrheit des phänomenologischen Wissens und so als Bestimmungsfaktor der allgemeinen Wissenschaftlichkeit der „Phänomenologie" aufgefaßt werden; vgl. Aschenberg, ibid. 292 f. Von daher ist dieser für unsere Charakterisierung der Fundamentalstruktur der eigentlich wahren Wissenschaft vornehmlich von Bedeutung.

145

Vgl. Aschenberg, ibid. 228: „Wahrheit erscheint in der PhdG nicht als Relation, sondern als ein Glied einer Relation, also als Relat. Das Korrelat dieses Relats heißt ,Wissen', und die Korrelation von .Wahrheit' und ,Wissen', ihre Totalität, heißt ,Bewußtsein'". „Eine Bewußtseinsgestalt ist demnach, formal definiert, die Totalität der korrelativen Totalitäten Wissen und Wahrheit" (ibid., 229).

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Die „Phänomenologie des Geistes" (1807)

Den ersten Wahrheitsbegriff ordnet Aschenberg als einen Sonderfall, „nämlich den der vollkommenen oder eben absoluten Übereinstimmung eines Inhalts mit sich selbst"' 1 4 6 , dem kategorialen Wahrheitsbegriff unter. Insofern bietet sich dieser nicht für eine nähere Kennzeichnung des spekulativen Standpunktes des Wissens an; anders jedoch der erkenntnistheoretische und phänomenologische Wahrheitsbegriff. Aschenberg hebt hervor 147 , daß Hegel trotz der Polemik, die er gegen die traditionelle adaequatio-Konzeption der Wahrheit auch immer aufbietet, grundsätzlich am adaequatioGedanken festhält 148 , allerdings diesen entscheidend verändert: während der erkenntnistheoretische Wahrheitsbegriff die Adäquation dimensionsdifferenter und prinzipiell heterogener Relate, d. h. die Adäquation einer bloß subjektiven Erkenntnisstruktur auf der einen Seite mit einer dieser gegenüber objektiv und selbständig vorgefundenen Gegenstandswelt, als Ziel postuliert, liegt sowohl dem (impliziten) phänomenologischen als auch dem kategorialen Wahrheitsbegriff die Adäquation dimensionsidentischer Relate zugrunde. Obwohl so bereits im (impliziten) phänomenologischen Wahrheitsbegriff die erkenntnistheoretische Differenz von Subjekt und Objekt überwunden und der wahre Standpunkt der Wissenschaft vom Wahren vorbereitet wird 1 4 9 , unterscheidet sich dieser Wahrheitsbegriff vom kategorialen noch dadurch, „daß die identische Dimensión, der dem impliziten phänomenologischen Wahrheitsbegriff gemäß die beiden Relate angehören, eine an ihr selbst durch prinzipielle Differenz gekennzeichnete Dimension ist: das Bewußtsein. Die Différenz, welche das Bewußtsein charakterisiert, heißt bewußtseinstheoretische Differenz (sie bestimmt die Welt des Verstandes; Verf.). Eben diese bewußtseinstheoretische Differenz ist aber auf dem dem kategorialen Wahrheitsbegriff korrespondierenden spekulativen Standpunkt prinzipiell aufgehoben: im Fall des kategorialen Wahrheitsbegriffs ist die Dimension, in deren Immanenz die beiden differenten Relate fallen, nicht die des an ihm selbst prinzipiell differenten Bewußtseins, sondern die des an ihm selbst prinzipiell identischen Denkens. Dem impliziten phänomenologischen Wahrheitsbegriff gemäß heißt Wahrheit die Adäquation differenter Relate innerhalb der durch prinzipielle Differenz (Heterogeneität) charakterisierten Dimensionsidentität des Be146 147 148

149

Ibid., 222. Ibid., 223. So z. B. Enz, § 213 H Z u s . : „Wahrheit ist dies, daß die Objektivität dem Begriffe entspricht" . Aschenberg weist der „Phänomenologie" eine methodologisch propädeutische Aufgabe zu; vgl. ibid.: 219, 230 A n m . 9, 292f.

D e r Standpunkt der Wissenschaft

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wußtseins; dem kategorialen Wahrheitsbegriff gemäß heißt Wahrheit die Adäquation differenter Relate innerhalb der durch prinzipielle Identität (Homogeneität) charakterisierten Dimensionsidentität des Denkens" 1 5 0 . Different sind die Relate hier nur „innerhalb der prinzipiell homogenen Immanenz prinzipiell kategorialer Spekulation"1S1. Aufgrund dieser „Identitätsgarantie" des spekulativen Standpunktes ist erst der kategoriale Wahrheitsbegriff imstande, das, was zur Wahrheit gefordert wird, „die Zweiheit in der Einheit" (WL II, 233), nicht nur zu erkennen — das leistet schon die Dimensionsidentität des Bewußtseins innerhalb der phänomenologischen Wahrheitskonzeption —, vielmehr diese auch als notwendiges Attribut der Wahrheit plausibel zu machen, d. h. ihren identischen Grund zu reflektieren. Waren die Relate des Wissens gemäß der erkenntnistheoretischen Wahrheitskonzeption in einer endlich gegeneinander bestimmten Gestalt vorgefunden und im (expliziten) Phänomenologischen noch in dieser vorgestellt, so weist der spekulative Standpunkt gerade die Unwahrheit solcher Bestimmungen nach, indem er an diesen das Moment, das Bestimmte einer Relation zu sein, hervorhebt und so diese auf ihre wesentliche (immanente) Relationalität zurückführt. Im Gegensatz zu den beiden anderen Wahrheitsbegriffen setzt der kategoriale Wahrheitsbegriff demnach Wahrheit nicht in eines der Relate, weder auf die subjektive noch auf die objektive Seite, sondern allein in deren Beziehung oder deren an sich seiende Relationalität, d. h. in deren Gesetztsein als Relate. Die Adäquation selbst, und damit eben die Wahrheit an ihr selbst, kommt folglich erst in ihrer spekulativen Dimension zur Sprache, — ein Sachverhalt, der diese

150

Ibid., 250. Aschenbergs Opposition von ,Bewußtsein' und .Denken' zum Zwecke der Unterscheidung methodischer Grundtypen Hegelscher Wissenschaftskonzeptionen ist von uns bereits als Opposition von .Bewußtsein' und ,Selbstbewußtsein' und von .Verstand' und .Vernunft' durchgeführt worden. O b w o h l Aschenbergs ausschließliche Zuordnung des Terminus .Denken' zum spekulativen Standpunkt des Wissens durchaus einer bei Hegel vielerorts anzutreffenden Explikation dieses Terminus entspricht (so z . B . Phän, 45 f), verkürzt sie dennoch unzulässig dessen Bedeutung, insofern .Denken' — im Ganzen der Hegeischen Philosophie gesehen — als die Allgemeinheit und das „ Z e n t r u m " aller wissenschaftstheoretischen Konzeptionen von Wahrheit zu betrachten und nicht nur einer zuzurechnen ist (vgl. Puntel, a . a . O . , 149; ferner E n z , §§ 467 HZus u. 571 HZus). Darüber hinaus meldet Hegel anderenorts gerade Bedenken dagegen an, das Tätigkeitszentrum der eigentlich spekulativen Wissenschaft als Denken zu benennen, da gerade sie es ist, die den überkommenen Gegensatz von Subjekt und Objekt überwunden hat, der Ausdruck .Denken' aber immer wieder den Schein von bloßer Subjektivität aufkommen läßt (vgl. W L I, 45 f; Enz, § 24 HZus), — ein Umstand, dem freilich auch die Termini ,Selbstbewußtsein' und .Vernunft' in gleicher Weise ausgesetzt sind.

151

Ibid., 223.

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Dimension befähigt, alle übrigen adaequatio-Konzeptionen zu subsumieren 152 . ,Spekulativ wahr' heißt somit: Relational wahr'; das dieser Wahrheitskonzeption korrespondierende System ist das System der Verhältnisse (Relationalität) des Subjektiven und Objektiven 153 . Selbst dort, wo diese Wahrheit in der Bestimmtheit (Endlichkeit) des Absoluten (Unendlichkeit) auftritt, ist sie nichts anderes als der Inbegriff ihrer Relationalität, — einer Relationalität, die endliche Bestimmungen nur insoweit zuläßt, als diese eben nicht verabsolutiert, sondern einzig als bestimmte Konkretionen einer kohärenten Wissensverfassung, oder anders ausgedrückt: als bestimmte Präsenz der Totalität des Wahren, verstanden werden; so an und für sich nur bedingt wahr, müssen sie zwar als „Stationen" der Wahrheit auf dem Weg zu sich selbst begriffen, in ihrer relativen Wahrheit somit affirmiert und dadurch als „Elemente" spekulativer Wahrheit ausgewiesen werden, dürfen niemals aber als der Ort der Wahrheit selbst gelten 154 . Was nur in einer ez»-fachen Gestalt anzutreffen sein soll, was die Uberantwortung seines Sobestimmtseins an eine andere, ebenso falsche oder gar wahrere Bestimmung nicht mitenthalten, kurz: was absolut als Nichtsein von Relationalität oder als wesentlich nicht-relationales Sein vorgestellt sein soll, dem bleibt der Eingang in das System der spekulativen Wahrheit prinzipiell versperrt 155 ; infolgedessen ist eine solcherart bestimmte £¿«-fachheit (Identität) innerhalb dieses Systems auch nirgendwo anzutreffen, — sogar nicht einmal dort, wo es sich um dessen erste und „einfachste" (ärmste) Bestimmungen handelt, denn die Bergung der Wahrheit in Relationalität ist nicht bloß ein Resultat spekulativer Wissenschaft, sondern bereits an deren 152 153

154

155

Vgl. oben, 83f. Ferner: Aschenberg, a. a. O . , 223; Enz, §§ 9 H Z u s u. 14 H Z u s . Daher sind die verschiedenen Teile dieses Systems, die Teile der spekulativen Wissenschaft auch „nur durch das Element und die Form des Gegensatzes verschieden" (Enz, § 467 H Z u s ; vgl. auch oben, Anm. 140), oder mit unseren Worten: durch die jeweils andere, systemstufenabhängige, je spezifische Bestimmung des Subjekt-Objekt-Verhältnisses. Die Aufgabe des II. Teils der vorliegenden Untersuchung wird sein, eine spezifische Bestimmtheit dieses Verhältnisses als den ,objektiven Geist' herauszuarbeiten. Aschenberg spricht in Betracht der relativen Wahrheit, die den meisten Bestimmungen als bloßer , Durchgangsstufe' zu wahreren oder gar absolut wahren Bestimmungen zukommt, von einem „ , K o m p a r a t i v ' der Wahrheit" bei Hegel ( a . a . O . , 222 Anm. 13). A n und für sich besteht hier das Erfordernis, auf das Wesen der Spekulation, auf die Vorläufigkeit von Wahrheit, k u r z : auf das Wesen der Dialektik allgemein einzugehen. Diese Erörterung wollen wir aber dem Logikteil unserer Arbeit vorbehalten (s. u., 4.1.1.). Vgl. hierzu unsere obigen Ausführungen über das Verhältnis der Vernunft zum Verstand, im besonderen 75 u. 83; ferner Th. W. Adorno, Drei Studien zu Hegel, 70: „Hegels Ansatz steht insgesamt quer zum Programm unmittelbaren Hinnehmens des sogenannten Gegebenen als unverrückbarer Basis von Erkenntnis".

Der Standpunkt der Wissenschaft

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Anfang gewiß und wirklich, und an einem jeden Ort der Entfaltung dieser Wissenschaft thematisch. In die Hegeische Terminologie gewendet heißt das, daß innerhalb der Dimension des kategorialen Wahrheitsbegriffs so etwas wie echte Unmittelbarkeit (d. i. primäre Absenz von Vermitteltheit) nirgends herrscht 156 . Wahrheit ist hier ausschließlich „das Zu-sich-selbstkommen durch die Negativität der Unmittelbarkeit" (WL II, 503), das Wahre ausschließlich eine „sich wiederherstellende Gleichheit oder die Reflexion im Anderssein in sich selbst — nicht eine ursprüngliche Einheit als solche, oder unmittelbare als solche" (Phän, 20). Ursprüngliche oder unmittelbare Einheit gilt dieser Konzeption einzig als das Unwahre und kann nicht einmal negativer Bestandteil der Wissenschaft sein, die beansprucht, das Wahre in der Gestalt des Wahren zur Darstellung zu bringen, weil dieser Anspruch die Selbstdarstellung des Wahren allein über wahre (ursprünglich relationale) Elemente impliziert. Ein-heit jedoch gefaßt als „sich wiederherstellende Gleichheit", oder als aus Differenz resultierende Identität, oder als die Identität der Differenz, wird dieser Wissenschaft thematisch, insofern sie als Resultat von Vermittlung in ihrer „Einfachheit" (Unmittelbarkeit) deren Bedingtheit mitreflektiert und so als an und für sich unwahr bestimmte den Ubergang in ihre wahre Gestalt (d. i. die Form der Vermittlung) an ihr selbst fordert, d. h. an und für sich wahr nur im Horizont der primären Totalität unendlicher Vermitteltheit ist, somit im Grunde gar keine Ein-heitsbestimmung vorliegt. War insbesondere die erkenntnistheoretische Wahrheitskonzeption durch ein Ringen um die Vermittlung an und für sich wahrer selbständiger Erkenntnisobjekte mit dem Erkenntnisvermögen des Subjekts, durch ein Ringen um die Vermittlung unmittelbarer Gegebenheiten, um die Verunendlichung der Gewißheit der Endlichkeiten gekennzeichnet, so ringt das spekulative Denken gerade um die Fixierung unmittelbarer Aspekte der Gegebenheit universaler Vermittlung, um Verendlichung der gewußten Unendlichkeit zwecks Konkretisierung des Konkret-Allgemeinen. 156

Schon die Gebundenheit der wahren Wissenschaft in die Struktur des Selbstbewußtseins konnte diesen Sachverhalt explizieren (s. oben, 56ff einschl. Anm. 92), der bei der eigenen Analyse des kategorialen Wahrheitsbegriffs folgerichtig wieder aufgegriffen wird, weil „die Wahrheit als Wissenschaft das reine sich entwickelnde Selbstbewußtsein ist" (WL I, 30). Selbst die unbestimmte Unmittelbarkeit am Anfang der Logik darf demnach keinesfalls als eine „so dürre Kategorie, wie die Unmittelbarkeit ist" (Enz, 5), aufgefaßt, sondern muß als Bestimmung der abstraktesten und differenziertesten Identität der logischen Konkretion der Trias Sein-Nichts-Werden begriffen werden (vgl. unten, 123 ff); andernfalls wäre auch die Rückbindung des logischen Resultats an seinen Anfang nicht wirklich einzulösen.

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Die „Phänomenologie des Geistes" (1807)

Eine solche Fixierung ist der Begriff157; die systematische Konkretisierung der spekulativen Wahrheit ( = Totalität unendlicher Vermittlung) entsprechend das System der Begriffe. Der Begriff ist die konkret-allgemeine Identität der an und für sich seienden Differenz (nicht die „triviale, leere Identität", W.L II, 231), oder in etwas herkömmlicheren und anschaulicheren Termini ausgedrückt: das wahrhaft Konkrete und somit bestimmte Allgemeine der Subjekt-Objekt-Beziehung. Diese Identität, die der Begriff als Ausdruck einer Beziehung hat, ist entgegen der gemeinhin herrschenden Vorstellung von Begriffsidentität der O r t wesentlich relationalen Seins 1 5 8 und somit in ihr die Relationalität der spekulativen Wahrheit — „und alles Wahre, insofern es begriffen wird, kann nur spekulativ gedacht werden" (Rph, § 7 HZus) — auf den Begriff gebracht.

Hegels Lokalisierung der Wahrheit in der Vermittlung—selbst

der end-

lichen Bestimmungen entzieht Wahrheit einem einfachen und end-gültigen Zugriff und setzt sie in die Gesamtheit vielfältiger Vermittlung, weil eine jede konkrete Vermittlung, ist sie erst einmal begriffen, wieder als eine endliche Bestimmung verbleibt und so an sich selbst auf das Ganze als das an und für sich Wahre verweist, d. h. über ihre Besonderheit die Allgemeinheit miterschließt. Wahrheit wird somit einzig in der und über die Totalität der relativen Wahrheit bestimmter Verhältnisse manifest. Sie ist in ihrer wahren Gestalt allein das Ganze des wissenschaftlichen Systems der Philosophie (vgl. Phän, 12), nicht an irgend einem O r t dieses Ganzen ein für allemal „abziehbares" Resultat. Sie ist demnach neben ihrer Bestimmung, Vermittlungstotalität zu sein, ebensosehr als der W e g 1 5 9 , als „die Bewegung (Hervorhebung v. Verf.) ihrer an ihr selbst" (Phän, 40) und als „der absolute Gegenstand, nicht b l o ß " als „das Ziel der Philosophie" (Enz, § 25) bestimmt; „denn die Sache ist nicht in ihrem Zwecke erschöpft, sondern in ihrer Ausführung, noch ist das Resultat das wirkliche Ganze, sondern es zusammen mit seinem Werden; der Zweck für sich ist das unlebendige Allgemeine, wie die Tendenz das bloße Treiben, das seiner Wirklichkeit noch entbehrt; und das nackte Resultat ist der Leichnam, der die Tendenz hinter sich gelassen" (Phän, 11).

Hegel nennt den Begriff sogar eine Manifestation (vgl. W L II, 229 u. öfter). Zum Begriff vgl. unten, 134ff. 1 5 8 „Was gewöhnlich unter Begriffen verstanden wird, sind Verstandes-Bestimmungen, auch nur allgemeine Vorstellungen: daher überhaupt endliche Bestimmungen" (Enz, § 162 H Z u s ; vgl. ibid., § 62). 159 Vgl. D Henrich, Hegel im Kontext, 31: „Was Hegel früh und alle Zeit festhalten wollte: die Wahrheit ist der W e g " . 157

D e r Standpunkt der Wissenschaft

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Aber nicht nur die nahezu unüberschaubare Komplexität, die mit der Unzulässigkeit der Isolierung des Resultats von seinem Werden als Wahrheit gegeben ist, verhindert, daß die Wahrheit als „eine ausgeprägte Münze fertig gegeben und so eingestrichen werden kann" (Phän, 33). Indem Hegels Wahrheitsbegriff in der Uberantwortung an die Relation, an den Seinsgrund der Relate des Wissens gründet und ihm somit die Bestimmung der Wahrheit als Relationalität an sich inhäriert, entzieht er sich schon prinzipiell von seinem Begriff her der Möglichkeit, über Wahrheit end-gültig zu verfügen, und kennt eine jede endliche Gestalt von Wahrheit bloß als bedingtes Resultat jeweils näher zu bestimmender Zusammenhänge, einzig als prinzipiell relativ (vgl. oben, 92ff). Da sich diese Fassung des Wahrheitsbegriffs nicht nur als eine ,allein hegelische Pointe' versteht, muß daraus die Konsequenz gezogen werden, daß es so ganz allgemein für wahrhaftes Denken „keine Lehre gibt, die nicht unter gewissen Umständen Wahrheit wäre, kein Gebot, das nicht unter gewissen Umständen Pflicht wäre, denn auch dasjenige, was allgemein als lauterste Wahrheit gelten mag, erfordert um seiner Allgemeinheit willen, in den besonderen Umständen der Anwendung, Einschränkung, d. h. hat nicht unter allen Umständen unbedingte Wahrheit*' 1 6 0 . Eine Wissenschaft, die ihren Gegenstand in einer solchen Wahrheit sieht, welche weder einzig im Bedingten des Allgemeingültigen (das wäre Relativismus) noch einzig im Allgemeingültigen des Bedingten (das wäre das Ewig-Eine im Mannigfaltigen), sondern allein im Spannungsfeld der Beziehung beider Wahrheitsbestimmungen aufeinander wirklich und als Wahrheit wird, löst keinerorts die Erwartungen ein, die gemeinhin mit der Wahrheitsfrage verbunden und der allgemeine Ausdruck des gewöhnlichen Verhältnisses des Nicht-Philosophischen zur Philosophie sind, — Erwartungen von Belehrung über ewig gültige Gesetze des Menschseins, von unumstößlichen Orientierungshilfen, die in jeder Lebenslage Anwendung finden und Halt vermitteln können, von hui-klärung über die dunkle, ver161 borgene Wirklichkeit des Seins usw Vielmehr scheint das 160 Hegel, Die Positivität der christlichen Religion, in: H . N o h l (Hrsg.), Hegels theologische Jugendschriften, F r a n k f u r t / M . 1966, 1 3 7 - 2 4 0 , 143. 161

Beredtes Zeugnis dieses enttäuschenden Zuges und der geringen „ E r b a u l i c h k e i t " des Philosophierens (vgl. Phän, 14) legen die sämtlichen Vorreden und Einleitungen ab, die Hegel seinen Werken voranstellt. Alles, was dort manifest wird, muß als Konsequenz des innersten Prinzips dieses Philosophierens äußerst ernst genommen werden. D a ß trotz der Hegeischen Bemühungen dem Bedürfnis nach Erbaulichkeit in der Philosophie bis heute noch nicht beizukommen war, bezeugte sich z . B . neuerlich erst wieder in den Pressestimmen zum Internationalen Philosophiekongreß in Düsseldorf (1978). Vgl. z . B . : K ö l n . - S t a d t - A n z . , N r . 197/37 v. 2. 9. 78.

96

Die „Phänomenologie des Geistes" (1807)

A n l i e g e n dieser Wissenschaft eher darin zu bestehen, das, w a s bisher an K l a r h e i t über W a h r h e i t vorliegt, zu verunsichern u n d W a h r h e i t ü b e r h a u p t in der Unsicherheit u n d U n k l a r h e i t des K l a r e n belassen u n d damit die W a h r h e i t s f r a g e m e h r v e r k o m p l i z i e r e n als v e r - e m - f a c h e n , die A u f g a b e n eher s c h w e r e r , anstatt die Lösungen leichter machen zu w o l l e n 1 6 2 . In der Tat findet sich f ü r Hegel das D e n k e n notwendig

v o r diese er-

schwerten A u f g a b e n gestellt, sobald ihm die G r e n z e n der Verstandeserkenntnis thematisch und gewissermaßen verflüssigt w e r d e n , und seine n u n m e h r erweiterten Gehalte sich über keine andere Gestalt als der spekulativen m e h r darzustellen v e r m ö g e n . Diese Darstellung u n t e r n i m m t die „ E n z y k l o pädie der philosophischen Wissenschaften". Sie ist das System des w a h r haften D e n k e n s , in w e l c h e m sich dasselbe in der E n t w i c k l u n g seiner Idealität als der k o n k r e t e philosophische Geist erfaßt.

162

Vgl. R. Spaemann, Die zwei Grundbegriffe der Moral, in: Philosophisches Jahrbuch 74/2, Freiburg—München 1967, 368—384, 381: „Sache der Philosophie kann es nicht sein, die Lösungen leichter, sondern die Aufgaben schwerer zu machen". Es ist an dieser Stelle gegeben, auf die verwunderliche Nähe des Heideggerschen Wahrheitsbegriffs zu Hegels spekulativem Wahrheitsbegriff aufmerksam zu machen, — verwunderlich daher, weil Heidegger bekanntlich immer bemüht war, sich gegen eine allzugroße Hegeische Verwandtschaft zu verwahren. Heidegger (Der Ursprung des Kunstwerkes, in: (ders.) Holzwege, 7—68, 42f): „Unverborgenheit (= Wahrheit; Verf.) des Seienden, das ist nie ein nur vorhandener Zustand, sondern ein Geschehnis. Unverborgenheit (Wahrheit) ist weder eine Eigenschaft der Sachen im Sinne des Seienden, noch eine solche der Sätze". (Letzteres wäre nach der Hegeischen Terminologie nur .Richtigkeit', nicht ,Wahrheit'.) „Im nächsten Umkreis des Seienden glauben wir uns heimisch. Das Seiende ist vertraut, verläßlich, geheuer. Gleichwohl zieht durch die Lichtung ein ständiges Verbergen in der Doppelgestalt des Versagens und des Verstellens. Das Geheure ist im Gründe nicht geheuer, es ist un-geheuer". Hegel drückt diesen Sachverhalt folgendermaßen aus: „Das Bekannte überhaupt ist darum, weil es bekannt ist, nicht erkannt" (Phän, 28). Heidegger weiter: „Das Wesen der Wahrheit, d.h. der Unverborgenheit, wird von einer Verweigerung durchwaltet. Dieses Verweigern ist jedoch kein Mangel und Fehler, als sei die Wahrheit eitel Unverborgenheit, die sich alles Verborgenen entledigt hat. Könnte sie dieses, dann wäre sie nicht mehr sie selbst. Zum Wesen der Wahrheit als der Unverborgenheit gehört dieses Verweigern in der Weise des zwiefachen Verbergens . . . Die Wahrheit west gerade als sie selbst, sofern das verbergende Verweigern als Versagen erst aller Lichtung die ständige Herkunft, als Verstellen jedoch aller Lichtung die unnachläßliche Schärfe der Beirrung zumißt". Dieses ,Verstellen' repräsentiert bei Hegel jene Vernunft, die als bloßer Verstand auf sich selbst Verzicht tut und so den Begriff der Wahrheit überhaupt verliert (vgl. WL I, 26). Heidegger weiter: „Mit dem verbergenden Verweigern soll im Wesen der Wahrheit jenes Gegenwendige genannt sein, das im Wesen der Wahrheit zwischen Lichtung und Verbergung besteht. Das ist das Gegeneinander des ursprünglichen (Hervorhebung v. Verf.) Streites. Das Wesen der Wahrheit ist in sich selbst der Urstreit, in dem jene offene Mitte (Hervorhebung v. Verf.) erstritten wird, in die das Seiende hereinsteht und aus der es sich in sich selbst zurückstellt".

3.

Die „Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften" als das System des ideellen Denkens

Wie wenig Hegels Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften mit dem gemein hat, was die gewöhnliche Vorstellung von einer Enzyklopädie als einer bloßen Sammlung und somit als einer bloß äußerlichen Ordnung von Teilwissenschaften der Philosophie begleitet, hat sich über Hegels Beteuerung dieser eigentümlichen Sachlage hinaus (vgl. Enz, § 16 HZus) bereits im Horizont der Einleitungs- und Anfangsproblematik der „Enzyklopädie", d. h. gewissermaßen vor-wissenschaftlich, bestätigen und konkretisieren lassen. In diesem Horizont konnte die „Enzyklopädie" als eine ganz bestimmte, spezifisch hegelisch zu nennende Konzeption von philosophischer Wissenschaft geltend gemacht werden, die als die Darstellung der systematischen Totalität der spekulativen oder auch kategorialen Wissensverfassung angesehen werden muß; der spekulativen oder kategorialen Wissensverfassung aus dem Grunde, weil nach Hegel diese Wissensverfassung von jeher und überhaupt der Grunddisposition von Philosophie zuzurechnen ist und somit in einer jeden Philosophie auf je verschiedene Weise an sich re-präsentiert wird, wenn sie auch in der Geschichte der Philosophie bisher noch nie absolut thematisch werden, d. h. eigentlich begriffen werden konnte. Indem Hegel gerade diese Wissensverfassung zu dem Gegenstandsbereich seiner Philosophie erklärt, realisiert seine Konzeption von Philosophie kein besonderes Wissen, sondern vielmehr ein Allgemeingut philosophischer Wissenschaft schlechthin und hat von daher — nach Hegel — nicht den Status eines nur besonderen Falls von Philosophie, sondern den Status der Philosophie in ihrem allgemeinsten Fall, — den Status der Einen Philosophie, die allein als wahrhaft philosophisch und als Philosophie der Philosophie angesprochen werden kann (vgl. oben, 68f). Sie als spezifisch hegelisch zu bezeichnen, darf demnach höchstens als eine äußerlich historische, keinesfalls aber als eine sie beschränkende, im Kern ihrer Allgemeingültigkeit reduzierende Eigentümlichkeit ihrer Gestaltwerdung gewertet werden. Damit erhebt sie mit ihrer Ausführung in der Gestalt des enzyklopädischen Systems den Anspruch, die einzig angemessene Darstellung der Philosophie als Philosophie, d. h.

98

Die „Enzyklopädie" als System ideellen Denkens

nach ihrem Begriff, und somit die Philosophie überhaupt zu sein; — und damit auch die philosophische Wissenschaft schlechthin zu sein, da für Hegel Philosophie treiben ohnehin nur wissenschaftlich philosophieren heißen kann, eine vor allen anderen ausgezeichnete Wissenschaftlichkeit aber gerade dort herrscht, wo dieses Philosophieren sich im Philosophieren selbst zum Gegenstand wird, d. i. wo das Wissen prinzipiell mit seinem Gegenstand identisch ist und von daher eine absolute Sachvertrautheit und -angemessenheit — und die Kurzdefinition von Wissenschaft lautet bei Hegel: der Sache angemessenes Wissen in Systemgestalt — zu verbürgen vermag. Als identischer „Erkenntnisgrund" (Enz, § 16 HZus) der Bestimmungen wissenschaftlicher Philosophie, sozusagen als Garant von Wissenschaftlichkeit nach Hegel, konnte von uns das Selbstbewußtsein — wie auch mit einigem Vorbehalt das Denken163 — ausgemacht werden; als beiden korrespondierender allgemeiner Erkenntnismodus ließ sich Hegels Begriff der Vernunft explizieren. Diese Statuierung der wahrhaft wissenschaftlichen Verfassung von Philosophie bei Hegel erfolgte — unseren Fragestellungen gemäß — zunächst über eine vor-systematische Fundierung der erkenntnistheoretischen Grundlagen dieser Verfassung. Dabei wurde das Verhältnis der „Phänomenologie des Geistes" von 1807 zum Unternehmen der „Enzyklopädie" thematisch, — und zwar unter dem Aspekt, inwieweit die „Phänomenologie" für letzteres eine Vorbereitungsfunktion erfüllen könne und in der Tat erfüllt. Wenn auch die prinzipielle Immanenz der sich selbst explizierenden Totalität, die das System der „Enzyklopädie" ist, im strengen Sinne keine dieses System spezifizierende Externität zuläßt und aus diesem Grunde auch keine stringente Uberleitung von der „Phänomenologie" in den Anfang dieses Systems erstellt werden konnte 164 , so bot doch die a) an der eigentlichen Durchführung der wissenschaftlichen Philosophie, wie b) an ihr selbst gemessene Negativität des phänomenologischen Unternehmens die Möglichkeit, nicht nur a) die Position wissenschaftlichen Philosophierens überhaupt, sondern auch b) die Notwendigkeit dieser Position in der reflexiven und so sich selber problematisch werdenden Negativität eines nur phänomenologischen Wissens aufzudecken 165 . Es ließ sich zeigen, daß 163

Dazu siehe oben, 90 f einschl. Anm. 150. Als eine solche stringente Uberleitung wäre einzig eine notwendige Verknüpfung des ,absoluten Wissens' der „Phänomenologie" mit dem ,Sein' am Anfang der „Wissenschaft der Logik" anzusehen. íes Vgl. WL II, 225f. Positiv kann die Begründung dieser Position aufgrund des bereits angesprochenen, spezifischen Totalitätsprinzips von Hegels Philosophie auf dem Standpunkt der Wissenschaft allein in den Ausführungen der Wissenschaft selber und vollständig erst 164

Die „Enzyklopädie" als System ideellen Denkens

99

diese Negativität auf der allgemeinen Negativität der nur bewußtseins- und verstandesmäßig konzipierten Erkenntnis beruht, der ein dichotomisches Verhältnis des Denkens zu seinem Gegenstand inhäriert, welches in der prinzipiell unüberwindbaren, gegenseitigen Begrenzung von Subjekt und Objekt der Erkenntnis beharrt. Negativität liegt in dem gewissermaßen apriorischen Scheitern von wahrhafter Erkenntnis überhaupt, das mit dieser Erkenntniskonzeption insofern einhergeht, als sie Wahrheit allein in der objektiven Faktizkät einer entweder subjektiven oder objektiven Gebundenheit des Wissens gegeben sieht und somit den Erkenntnisakt selber als das Uberschreiten dieser Gebundenheit, das er wesentlich ist, nur negativ, nur als unwahr zu begreifen vermag; da sie aber auf diese Weise das Erkennen als Erkennen disqualifiziert, geht sie nicht allein des Begriffs von Wahrheit überhaupt, vielmehr auch ihres Anrechts, überhaupt eine Konzeption von Erkenntnis zu sein, verlustig (vgl. W L I , 27). Wenn Hegel demnach seiner Konzeption von Wissenschaft eine Erkenntnisverfassung zugrunde legt, die die Darstellung der Wahrheit „in der Gestalt der Wahrheit" ermöglicht, so setzt diese das phänomenologisch oder gar erkenntnistheoretisch dichotomische Verhältnis von Subjekt und Objekt (vgl. dazu oben, 2.2.2.2.) für sich prinzipiell außer Geltung; prinzipiell heißt hier, daß sie einerseits dieses Verhältnis in der Identitätsgestalt, in welcher Subjekt und Objekt wesentlich sind, für den Anfang ihrer Entfaltung bereits voraussetzt, wie sie andererseits in dieser Entfaltung selbst auch ständig die konkrete und systematische Bestimmung dieser Identität erst vollzieht 166 . Sie verhindert zwar durch das ihr eigentümliche Prinzip, wie sie die Differenz von Subjekt und Objekt „aufhebt" und diese auch in deren Identitätsgestalt als Differenz erhält, den Kurzschluß, daß für das Philosophieren Hegels Subjekt und Objekt ein und dasselbe seien, nimmt in ihrem Gefolge jedoch beiden Bestimmungen endgültig die Bedeutung, die die gewöhnliche Vorstellung ihnen beimißt, nach welcher das Subjekt einzig als das Konkrete des Ich-Seins und des Denkens und das Objekt einzig als das Konkrete der dem Ich gegen- oder gar über-geordneten Ungeistigkeit aufzufassen seien. Was daher Subjekt und Objekt in ihr an fester Bestimmtheit einbüßen, geht dementsprechend auch der herkömmlichen Bestimmung

166

in ihrem Resultat eingelöst werden; die von Hegel immer wieder betonte Kreisgestalt der Philosophie hat hierin ihren Ursprung (vgl. Enz, § 17). Uber den allgemeinen Charakter dieser Identität, eben nicht „einfache, formelle Einheit, sondern Einheit unterschiedener Bestimmungen" (Enz, § 82 HZui) zu sein, sind schon die erforderlichen Ausführungen von uns gemacht worden: vgl. 56ff einschl. Anm. 93, 92ff.

100

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von Konkretheit als einer objektiven oder bloß subjektiven verloren 167 . Das gilt für Hegel jedoch keinesfalls als Indiz eines generellen Mangels an Konkretheit oder Sachhaltigkeit seiner Konzeption von Wissenschaft; im Gegenteil: sie erst ist die eigentliche, wahrhafte Überantwortung an die Sache, in ihr erst kommt diese hinsichtlich ihrer subjektiven Seite, als Sache des Subjekts, wie hinsichtlich ihrer objektiven Seite, als Sache des Objekts, — mit der herkömmlichen Terminologie ausgedrückt — in ihrem objektiven und wirklichen Sein, d. h. angemessen, zur Sprache. . Die „Enzyklopädie" garantiert demnach in ihren Bestimmungen nicht nur einen ausgezeichnet hohen Grad an Sachangemessenheit, sondern auch an Sachhaltigkeit, an Objektbezogenheit, an Konkretheit (vgl. oben, 84f) 1 6 8 . Sie ist nicht nur die Wahrheit der Dinge in der wahren Gestalt, sondern auch in ihrer Wirklichkeit; ja ihr muß — allem Anschein zum Trotz — gegenüber der viel realitätsbezogener erscheinenden „Phänomenologie", die im ganzen nur als abstrakt zu statuieren wäre 169 , allgemein der Status einer konkreten Wissenschaft zugesprochen werden 170 , allerdings in einem ganz besonderen Sinne von konkret. Konkret heißt hier nicht, daß die „Enzyklopädie" die Mannigfaltigkeit ihrer Disziplinen besonders ausführlich und ins Detail gehend, sowie diese Disziplinen selbst besonders sachbezogen zur Darstellung brächte. Sie beschränkt sich ganz im Gegenteil nur „auf die Anfänge und die Grundbegriffe der besondern Wissenschaften" (Enz, § 16) und ist überhaupt gegenüber einer jeden besonderen Wissenschaft primär an deren Allgemeinheit und Kategorialität 167

Für L. Feuerbach geht damit der Verlust der Wahrheit überhaupt in eins: „Die Einheit des Subjektiven und Objektiven . . . diese Einheit ist für die Philosophie ein ebenso unfruchtbares wie verderbliches Prinzip, weil sie ja auch im Besonderen die Unterscheidung zwischen dem Subjektiven und Objektiven aufhebt, das genetisch-kritische, das konditioneile Denken, die Frage nach der Wahrheit vereitelt" (Zur Kritik der Hegeischen Philosophie, in: Sämtliche Werke Bd. 2, neu hrsg. v. W. Bolin u. Fr. Jodl, Stuttgart 1959 - 2. Aufl. - , 1 5 8 - 2 0 4 , 195).

168

„Mit bloßen Abstraktionen oder formellen Gedanken hat es darum überhaupt die Philosophie ganz und gar nicht zu tun, sondern allein mit konkreten Gedanken" (Enz, § 82 HZus). Vgl. Hegels späte Notiz zur geplanten Neuauflage der „Phänomenologie", abgedruckt in Phän, 578. Hierin gründet auch der allgemeine Status der W L , selbst als Darstellung der absoluten Form der Wahrheit nicht der Inhaltlichkeit zu entbehren; denn als eine Dimension der enzyklopädischen Systemkonzeption der Wissenschaft hat sie vollen Anteil an der generellen Materialität derselben. Aus diesem Grunde ist sie selbst als Logik eine bestimmte Präsentation des objektiven Denkens, das diese ganze Wissenschaft kennzeichnet (vgl. dazu unten, Anm. 197; ferner: W L I, 31; Enz, § 24 einschl. HZus, § 25 u. öfter; zum Zusammenhang von Totalitätsprinzip und Konkretheit der Wissenschaft vgl. Enz, § 14 einschl. HZus).

169

170

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101

interessiert (vgl. Enz, § 9 HZus), läßt dabei freilich nicht deren „empirischen Inhalt auf der Seite, sondern erkennt ihn an und gebraucht ihn" (ibid.), versteht sich selber aber wesentlich nur der Form dieses Inhaltes in der ihr eigentümlichen Allgemeinheit — dem Begriff — verpflichtet 171 . Insofern sie es fernerhin unterläßt, dieses Allgemeine „in die empirische Einzelnheit und Wirklichkeit herunterzuführen" (Enz, § 16 HZus), kann ihre Konkretheit nicht auf der Konkretheit der in ihr dargestellten Gegenstände des Wissens, sondern vielmehr auf dem Konkreten des Wissens von deren Gegenständlichkeit beruhen, ist diese Konkretheit weniger ein Attribut der Wirklichkeit der vereinzelten Sache, als vielmehr ein Attribut ihrer allgemeinen Wirklichkeit als Sache, ihrer Kategorie 1 7 2 . An dieser Bestimmung von Konkretheit in der philosophischen Wissenschaft liegt es, daß deren vollständige Entfaltung „nur" die Totalität der konkreten Kategorialität des Wissens, welche Hegel die Idee oder das Absolute nennt, zum Resultate hat 1 7 3 und nicht — mit Verlaub — die Welt im Kopfe, sondern bestenfalls den Kopf in die Welt trägt, den Marx bekanntlich auf die Füße stellen wollte; — und daran liegt es, daß die „Enzyklopädie", obwohl sie als konkrete Wissenschaft angesehen werden muß, im ganzen „nur" ideell verbleibt (vgl. oben, 4 8 f u. Anm. 110) und, wie eine jede wahrhafte Philosophie nach Hegel nur sein kann, dementsprechend Idealismus ist. „Der Idealismus der Philosophie besteht in nichts Anderem als darin, das Endliche nicht als ein wahrhaft Seiendes anzuerkennen. Jede Philosophie ist wesentlich Idealismus oder hat Vgl. W L II, 225f: „Die Philosophie aber gibt die begriffene Einsicht, was es mit der Realität des sinnlichen Seins für eine Bewandtnis habe, und schickt jene Stufen des Gefühls und der Anschauung, des sinnlichen Bewußtseins usf. insofern dem Verstände voraus, als sie in dessen Werden seine Bedingungen, aber nur so sind, daß der Begriff aus ihrer Dialektik und Nichtigkeit als ihr Grund hervorgeht, nicht aber, daß er durch ihre Realität bedingt wäre. Das abstrahierende Denken ist daher nicht als bloßes Auf-die-Seite-stellen des sinnlichen Stoffes zu betrachten, welcher dadurch in seiner Realität keinen Eintrag leide, sondern es ist vielmehr das Aufheben und die Reduktion desselben als bloßer Erscheinung auf das Wesentliche, welches nur im Begriffe sich manifestiert". Vgl. auch Enz, § 9. 172 Vgl Adorno, Negative Dialektik, 36: „Entäußerte wirklich der Gedanke sich an die Sache, gälte er dieser, nicht ihrer Kategorie, so begänne das Objekt unter dem verweilenden Blick des Gedankens selber zu reden". 173 v g l . £ n Z j ξ 14 ; ferner auch die Einführung von Nicolin/Pöggeler in die „Enzyklopädie", Enz X X f : „Daß die Philosophie System ist, kann aber für Hegel nicht heißen, daß das Denken auf ihm äußerlich bleibende Gegenstände reflektiert und seine Reflexionen dann zu einer umfassenden intellektuellen Konstruktion verfestigt. So bliebe ja ein entscheidender Gegensatz unüberwunden, nämlich der Gegensatz zwischen dem Denken und seinem Gegenstand . . . Philosophie bildet nicht in Systemkonstruktionen eine Totalität von Gegenständen ab, sondern ist Teilnahme an der Selbstvermittlung des Absoluten".

171

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Die „Enzyklopädie" als System ideellen Denkens

denselben wenigstens zu ihrem Prinzip, und die Frage ist dann nur, inwiefern dasselbe wirklich durchgeführt ist . . . . Der Gegensatz von idealistischer und realistischer Philosophie ist daher ohne Bedeutung. Eine Philosophie, welche dem endlichen Dasein als solchem wahrhaftes, letztes, absolutes Sein zuschriebe, verdiente den Namen Philosophie nicht" (WL I, 145). 174

Die hiermit von Hegel ausgesprochene Universalverbindlichkeit von Idealität für ein jedes philosophisches Wissen, das wirklich wahr sein will, sowie der Anspruch seiner Philosophie, diese Universalverbindlichkeit zum ersten Mal in der Geschichte der Philosophie rein und absolut zur Darstellung gebracht zu haben, d. h. einen vor allen anderen ausgezeichneten, spezifischen Idealismus zu repräsentieren, machen es erforderlich, Hegels Begriff von Idealität (3.1.), wie das Gestaltungsprinzip dieser Idealität zu ihrer systematischen Totalität (3.2.), wie auch das Wesen der Dimension, welche dieser Idealität als Realdimension inhäriert (3.3.), näher zu bestimmen.

3.1.

Die Idealität der Wissenschaft

Wenn Hegel die universale Bestimmung des philosophischen Wissens, als Philosophie immer und überall eine Form von Idealismus zu sein, mit seiner enzyklopädischen Systemkonzeption der philosophischen Wissenschaft vorlegt, so ist damit nicht allein in einer provokativen Pointe eben dieser Konzeption — die ganz unzweifelhaft darin liegt und von Hegel auch beabsichtigt ist — der philosophische Horizont des Denkens allgemein abgesteckt und „wissenschaftlich" begründet 175 . Bedeutsam ist vor allem die erkenntnistheoretische Konsequenz, die mit einer solchen Bestimmung ein174

175

Vgl. auch Enz, § 95 HZus; ferner Adorno, Drei Studien zu Hegel, 18: „Gut Hegelisch dürfte man sagen, . . . es werde gerade die Konstruktion des absoluten Subjekts bei ihm einer in Subjektivität unauflöslichen Objektivität gerecht. Erst der absolute Idealismus gibt, paradox genug, historisch die Methode frei, welche in der Einleitung der Phänomenologie das ,bloße Zusehen' heißt. Nur darum vermag Hegel von der Sache aus zu denken, ihrem eigenen Gehalt gleichsam passiv sich zu überantworten, weil sie kraft des Systems bezogen wird auf ihre Identität mit dem absoluten Subjekt". — Vgl. dazu auch oben, 66f. Unter einer solchen wissenschaftlichen Begründung der Grenzen philosophischer Denkrelevanz ist hier zu verstehen, daß sich die Philosophie von ihr selbst her, aus dem Wissen um ihre eigensten Gehalte, einer „philosophischen" Ausweitung all derer Wissensbereiche enthält, die imstande sind, ihre philosophische Handhabung nur der Lächerlichkeit preiszugeben, weil ihre Inhalte sich als an sich unphilosophisch, als einer philosophischen Reflexion nicht wesentlich angemessen zu zeigen vermögen. So kann Hegel sich ζ. B. über Piatons wohlgemeinte Ratschläge für Ammen nur ebenso mokieren, wie ihn Fichtes Einmischung in Paßangelegenheiten amüsiert (vgl. Rph, 15).

Die Idealität der Wissenschaft

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hergeht; denn diese Bestimmung hat zur Voraussetzung, daß sich eine identische Wissensverfassung durch alle Philosophien hindurch, gleich welcher Gestalt, Geltung verschafft, — und zwar solchermaßen fundamental, daß sie die je einzelnen Philosophien in allen ihren Bereichen so wesentlich konstituiert, daß diese Philosophien im ganzen als Idealismus bezeichnet werden können und sogar müssen, und daß fernerhin einzig diese Wissensverfassung es ist, die eine Vielfalt von Wissen in die Einheit bindet, die es gestattet, diese Vielfalt der einen Wissenschaft einzugliedern, die Philosophie heißt. Diese Wissensverfassung liegt in ihrer Allgemeinheit und Reinheit, d. i. als Verfassung des Wissens, für Hegel im Begriff der Idee, wie darüber hinaus die ausgeführte Philosophie für ihn nichts anderes als eine bestimmte Konkretion eben dieser Wissensverfassung darstellt. Hegels Selbstverständnis nun, an einem geistigen Zeitpunkt zu philosophieren, an welchem die Philosophie zum ersten Mal in der Geschichte des Geistes in der Lage ist, sich ihrer totalen Uberantwortung an diese fundamentale Wissensverfassung bewußt zu werden, diese vollendet begreifen und vollendend (absolut) realisieren zu können, sowie sein Anspruch, in seiner Konzeption von Wissenschaft diese Philosophie zum Leben erweckt zu sehen, haben zur Folge, daß ein jeder Teil der gemäß dieser Konzeption ausgeführten Wissenschaft nur über den Horizont seiner Bindung an die Idee, seiner Verpflichtung auf die Idee, wahrhaft zugänglich gemacht werden kann. Selbst die Selbständigkeit, in welcher einige dieser Teile gegen die Idee aufzutreten scheinen (wie etwa die ganze Naturphilosophie), verbleibt dergestalt, nichts als eine bestimmte Relation der Idee, nichts als die Relation des Entäußerungsaktes der Idee selber zu sein, innerhalb der universalen Idealität dieser Wissenschaft. Es wäre demnach falsch, nur ein Verhältnis ihrer verschiedenen Teile oder gar nur einen — wenn auch expliziten — Bezug dieser zur Idee ansetzen zu wollen. In der Tat handelt es sich nicht um ein „allgemeines Verhältnis" oder einen „allgemeinen Bezug" aller Bestimmungen zur Kategorie der Idee, die das Einheitsprinzip dieser Wissenschaftskonzeption stiften, sondern es ist das Einheitsprinzip, das die Idee selber ist, welches sich hier in einer systematischen Totalität zur Wissenschaft ausbildet (vgl. Enz, § 15). In diesem Sinne sind die verschiedenen Teile dieser Wissenschaft auch eigentlich nicht auf die Idee „verpflichtet", sondern prinzipiell nur bestimmte Gestalten der Idee selber. Demnach hat es die philosophische Wissenschaft überhaupt „nur mit der Idee zu tun" (Enz, § 6 HZus); denn die absolute Idee ist „der einzige Gegenstand und Inhalt der Philosophie. Indem sie alle Bestimmtheit in sich enthält, und ihr Wesen dies ist, durch ihre Selbstbestimmung oder Beson-

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Die „Enzyklopädie" als System ideellen Denkens

derung zu sich zurückzukehren, so hat sie verschiedene Gestaltungen, und das Geschäft der Philosophie ist, sie in diesen zu erkennen" (WL II, 484). Aus diesem Grunde präsentieren sich die drei großen Teile der „Enzyklopädie", die Logik wie auch die realsystematische Dimension der Naturund Geistphilosophie, in der einheitlichen Gestalt, je verschiedene Weisen der Selbstdarstellung der Idee zu sein176. Diese Schlüsselfunktion, die die Idee hiermit für das enzyklopädische System erfüllt, dokumentiert sich entsprechend durch den bestimmten Ort, an welchem sie ihrem Begriff gemäß in diesem System zur Darstellung gelangt: an der „Nahtstelle" zwischen der logischen und der realsystematischen Dimension derselben angesiedelt, deutet sie schon äußerlich auf ihre wesentliche Aufgabe hin, die allgemeine Vermittlung dieser Dimensionen zu der Einheit zu offenbaren, die diese Dimensionen als besondere Teile der einen Wissenschaft auszuweisen imstande ist. Dieser Aufgabe vermag die Idee insofern gerecht zu werden, als sie einerseits in ihrer ausdrücklich logikimmanenten Bedeutung bereits einen Stellenwert hat, der darüber weit hinausgeht, sie nur als eine Kategorie (wenn auch die letzte und „höchste") unter Kategorien zu lokalisieren. Sie eröffnet vielmehr in ihrer logisch absoluten Bestimmung den wesentlichen Sachverhalt, „als Rück-sicht auf das Ganze der Logik, auf das logische Ganze" zu fungieren. „In dieser Bestimmtheit enthüllt sich die absolute Idee als Methode" 177 . Als diese Methode aber ist sie der Inbegriff der logischen Idee schlechthin und in ihr als solcher nicht nur eine Kategorie des Denkens, sondern dessen Kategorialität überhaupt begriffen. Daraus resultiert, daß die Idee über ihre endliche Fixierung am Schluß der Logik hinaus eine die ganze Logik übergreifende Funktion erhält, nach welcher sie als das schon von Anfang an eigentlich treibende Prinzip der „Selbste-Entwicklung der logischen Bestimmungen, als Methode der logischen Methode, verstanden und somit als die Basis genommen werden muß, auf welcher das logische Unternehmen im ganzen ruht 178 . Dementsprechend kann eine jede logische 176

177 178

Vgl.: Enz, § 18 einschl. HZus; WL II, 230f u. 484; ferner: Puntel, a . a . O . , 43: „In der enzyklopädischen Darstellung zerfällt die Wissenschaft in drei Teile, die nacheinander dargestellt werden. Sie sind nur Bestimmungen der Idee selbst, so daß ,diese es nur ist, die sich in diesen verschiedenen Elementen darstellt'. (Enzykl. § 18 A.) Das Ganze der Wissenschaft ist somit das Ganze der Darstellung der Idee (Hervorhebung v. Verf.); die Einheit der Wissenschaft ist die Einheit der Idee" (s. auch ibid. 119). Diese Einheit benennt auch das formale wie inhaltliche Fundament der Rückbindung des Resultats dieser Wissenschaft in seinen Anfang (vgl. Enz, § 574). Puntel, a . a . O . , 224; siehe dazu: Enz, §§ 237 u. 243; WL II, 485ff. Vgl. Puntel, ibid., 220: „Der Begriff in dieser Sphäre seiner Entwicklung (gemeint ist die Sphäre .absolute Idee'; Verf.) ist in einer mit anderen Stufen des logischen Ganges nicht

Die Idealität der Wissenschaft

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Dimension in ihrer Besonderheit nur über ihren ideellen Kern (d. h. mit anderen Worten: nur vor dem Horizont des Ganzen der logischen Idee) angemessen begründet werden 179 . Obwohl die Idee zwar, als „das an und für sich Wahre, wesentlich Gegenstand der Logik" (WL II, 414) bleibt, so ist andererseits aber gerade durch ihre fundamental methodische Funktion für die Logik ihre logikexterne Bedeutung insofern mitgegeben, als „die Natur der Sache es mit sich bringt, daß der logische Zusammenhang die Grundlage" (Enz, 3) auch der realsystematischen Dimension der Wissenschaft bleiben muß, weil „das Logische die allgemeine Weise ist, in der alle besonderen aufgehoben und eingehüllt sind" (WL II, 484f). Folglich geht mit dem innersystematischen Spezifikum der enzyklopädischen Wissenschaftskonzeption, daß sich die Logik als die universale Methode der ganzen Wissenschaft — als „Bau des Ganzen in seiner reinen Wesenheit" (Phän, 40) — erweist, ebenso die gesamtwissenschaftliche „Verpflichtung" auf die Methode einher, die die Idee ist; oder umgekehrt — was richtiger ist — : weil die Idee als universale Methode eben auch die logische Methode ist, kann letztere überhaupt die „konkreteren Wissenschaften" (WL II, 231) fundieren, denn diese treten überhaupt nur „zu einer reelleren Form der Idee heraus" (ibid.; Hervorhebung v. Verf.), als es die Logik ist. Hegels vielseitige Formulierungen zur Abgrenzung seines Wissenschaftskonzepts gegen das Allgemeinverständnis und die übliche Handhabung von Philosophie, wie etwa, daß der Gang der Wissenschaft „die kalt fortschreitende Notwendigkeit der Sache" (Phän, 13) sei, und daß sich die Wissenschaft „nur durch das eigne Leben des Begriffs organisieren dürfe" (ibid., 44), schon einfach aus dem Grunde, weil diese Sache „ f ü r uns nichts anderes als unsere Begriffe von ihr sein könne" (WL I, 15; vgl. auch Enz, § 65 u. öfter), und daß somit auch die konkreten Wissenschaften immer „das Logische oder den Begriff zum innern Bildner haben und behalten" (WL II, 231) müßten, erscheinen nunmehr im Lichte des ein und selben Sachverhaltes : nämlich daß dieses Konzept sich auf der Basis der Wissensstruktur gestaltet, die in der Kategorie der Idee vollständig und angemessen zur Darstellung gelangt. Die Idee in ihrer logisch absoluten Bestimmung,

179

vergleichbaren Weise der In-begriff des logischen Ganzen, das Letzte als die dem ganzen logischen Verlauf zugrundeliegende Einheit im Sinne der ursprünglichen Elementarstruktur". Von daher liegt eine nachträgliche Begründung der Gliederung der Logik in ihre drei großen Teile vom Standpunkt der absoluten Idee aus nahe, wie sie Hegel auch tatsächlich vorgelegt hat: Enz §§ 238-243.

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Die „ E n z y k l o p ä d i e " als System ideellen Denkens

der Begriff des Begriffs zu sein, ist demnach als der Ort der absolut rein begriffenen Selbststatuierung der wissenschaftlichen Philosophie — d. i. der Philosophie nach der Organisation des Begriffs (vgl. oben, 2.2.1.1.) — anzusehen, — einer Statuierung, welche als einziger Zweck, einziges Tun und Ziel der Wissenschaft als Wissenschaft zu gelten hat (vgl. Enz, § 17). Mit dieser Idee ist somit erstmals eine innersystematische Fundamentalkategorie der enzyklopädischen Wissenschaftskonzeption gewonnen, die alle bisherigen vor-systematischen Statuierungsversuche dieser Konzeption wissenschaftsintern überholt und auf den Begriff bringt 1 8 0 , und die somit auch das bisher nur vor-wissenschaftlich behauptete Selbstverständnis der Wissenschaft, aufgrund ihres sich selbst thematisch werdenden Totalitätscharakters ihre wahrhafte Begründung, d. h. hier: ihre wissenschaftliche Begründung, nur innerhalb ihrer selbst leisten zu können (vgl. oben, 62f), faktisch einzulösen unternimmt. Die gesamtwissenschaftliche Relevanz, die der Idee hiermit zukommt, hat zum Ursprung, daß sich die Idee nicht schon in der Beschränkung auf ihren logischen Stellenwert erschöpft, und zum Resultat, daß die Idee sich über diesen Stellenwert hinaus nur im Gesamtzusammenhang der Wissenschaft vollständig darzustellen vermag. Insofern die Idee so auch in den „außerlogischen" Bereichen der Wissenschaft eine weitere Bestimmung ihrer selbst erfährt, kann diese ihre gesamtwissenschaftliche Relevanz nicht dahin gehend interpretiert werden, daß die Idee als ein fertiges methodisches Instrument in den konkreteren Wissenschaften eben universal zur Anwendung kommt. Ein solches Anwendungsverhältnis entspräche zwar einem allgemein verbreiteten Verständnis von Methode, nach welchem der Begriff ,Methode' eine fest umgrenzte, allgemeine Verfahrensweise bezeichnet, nach der bestimmte Denkprozesse oder Handlungsabläufe durchgeführt werden 1 8 1 , nicht aber einem Verständnis der Methode, die die Idee ist 1 8 2 ; denn ein solches Anwendungsverhältnis würde Im Rückblick auf die von uns im Rahmen einer solchen vor-systematischen Fundamentalstatuierung der Hegeischen Wissenschaft bereits entwickelte Terminologie entspricht die absolute Idee dem reinen Selbstbewußtsein des selbstbewußten Geistes, oder auch der rein vernünftigen Vernunft, oder damit eben auch dem reinen Wissen der Wahrheit um seine Wahrheit. 1 8 1 Vgl. Stichwort ,Methode' (Friedrich Rapp), in: „ H a n d b u c h philosophischer Grundbegriffe", Bde. 1—6, hrsg. v. H . Krings, H . M . Baumgartner u. Chr. Wild, München 1973 - 74, Bd. 4, 913. 182 wenig die Idee als Methode mit einem solch toten Form-Ding gemein hat, für das die Methode normalerweise gehalten wird, zeigt sich schon äußerlich an der für das Gemeinverständnis von Methode unbegreiflichen Tatsache, daß die Kategorie ,Leben' als ein Moment ihrer Begriffsnatur auftritt (vgl. E n z , §§ 2 1 6 - 2 2 2 ; W L II, 4 1 3 - 4 2 9 ) . Hegel schreibt dazu: „ D i e Idee des Lebens betrifft einen so konkreten und, wenn man will, reellen Gegenstand, daß mit derselben nach der gewöhnlichen Vorstellung der Logik ihr Gebiet 180

Die Idealität der Wissenschaft

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die Idee bereits in ihrer logischen Gestalt als abgeschlossen voraussetzen u n d w i d e r s p r ä c h e dem Sachverhalt, daß die k o n k r e t e r e n Wissenschaften n u r „ z u einer reelleren F o r m der Idee heraustreten" (s. o.) u n d somit nicht mittels der Idee begriffen w e r d e n , sondern selbst Mittel des Selbstbegreifens der Idee s i n d 1 8 3 . Andererseits aber ist nicht zu leugnen, daß die Idee tatsächlich in der Logik zu einer gewissen Abgeschlossenheit gel a n g t 1 8 4 . Infolge dieses „ D o p p e l a s p e k t e s " der Idee stellt sich die Frage, w o r a u f h i n diese eigentlich ihre in der Logik ausdrücklich absolut erreichte Bestimmung w i e d e r überschreiten m u ß , w a s imstande ist, diese absolute Bestimmung w i e d e r zu relativieren. D e r Schlüssel z u r B e a n t w o r t u n g dieser Frage liegt einerseits in dem „Schicksal", das die Idee als eine Bestimmung innerhalb der Wissenschaft mit allen übrigen Bestimmungen teilt: das Schicksal, daß eine jede Bestimmtheit das Uberschreiten derselben mitenthält. A l s absolute Idee ist die Idee daher das A l l g e m e i n e der ideellen Wissensverfassung n u r in einem Einzelfall, n u r logisch o d e r rein, das A l l g e m e i n e n u r f ü r sich u n d somit n u r in Gestalt einer bestimmten Einseitigkeit u n d E n d l i c h k e i t 1 8 5 . A n d e r e r s e i t s überschritten zu werden scheinen kann. Sollte die Logik freilich nichts als leere, tote Gedankenformen enthalten, so könnte in ihr überhaupt von keinem solchen Inhalte, wie die Idee oder das Leben ist, die Rede sein" (WL II, 413). 183 Dieser Sachverhalt rührt an den großen Komplex des problematischen Verhältnisses von Logik und Realsystematik innerhalb der Hegeischen Wissenschaft, auf das aber erst in einem späteren Teil unserer Untersuchung ausführlich eingegangen werden soll (s. 1,4.2.). Allerdings kann hier schon angemerkt werden, daß die Möglichkeit, das Resultat der Wissenschaft als eine weitere Explikation des Anfangs derselben anzusehen, ganz wesentlich darauf beruht, daß die Methode des Denkens nicht ein für allemal in der Logik abgeschlossen ist, sondern sich außerhalb ihrer eigens logischen Abhandlung auch in der realsystematischen Dimension der Wissenschaft weiterbestimmt (vgl. oben, Anm. 176 u. Punkt 1.3.2.2.). - Vgl. auch unten, 175ff u. 3.3. 184 Vgl. E. Angehrn, a.a.O., 103: „Erst wenn die Bestimmung der Idee eine ist, die nicht mehr ihren .bestimmten' Platz innerhalb des Ganzen hat, sondern sich spezifisch auf dieses als Ganzes bezieht, ist Wahrheit nach ihrem eigenen Begriff gegenwärtig geworden. Gleichzeitig ist allerdings die komplementäre Seite zu betonen, daß die absolute Idee die letztmögliche und auch Jetztnotwendige' Bestimmung des Begriffs darstellt, nicht einfach über diesen hinausschießt und als Methodenbetrachtung zusammenfassende Rückschau ist; das Aufgehobensein der Bestimmtheit der Form bildet deren eigene, unerläßliche und letzte Bestimmung". 185 Vgl. Enz: §§ 236, 237 u. 243; WL II: 231, 412, 435, 437f, 484f u. 505; dazu D. Henrich, Hegel im Kontext, 164 f: „Hegels Versuch, den Ubergang des Begriffs in die Natur zu konstruieren, beruht auf dem Gedanken, daß die am Ende der Entwicklung der reinen Gedankenbestimmungen erreichte Idee insofern selbst noch mit einer Einseitigkeit behaftet ist, als sie alle in ihr aufgehobenen Momente des Gedankens in der Form der Einheit, der Allgemeinheit enthält. Als absolute Idee mangelt ihr damit noch das Moment der Besonderheit, das begrifflich der Einheit entgegensteht. So ist ihre Absolutheit noch unvollkommen".

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Die „Enzyklopädie" als System ideellen Denkens

relativiert die Idee sich am Begriff ihrer selbst: nach diesem ist das Uberschreiten einer nur endlichen Bestimmung der Idee an dieser selbst verlangt, weil die Idee eben wesentlich zu einer Allgemeinheit bestimmt ist, die dieser — wie schon ausgeführt wurde — einen vor allen anderen Bestimmungen der Logik ausgezeichneten Status zu sichern vermag: den Status, die Methode, welche die Logik überhaupt zur Darstellung bringt, sowie auch das diese Darstellung selbst organisierende Prinzip zu sein. Mit diesem Status aber muß die Idee als Inbegriff der dialektischen Spekulation 186 , als Inbegriff der letztlichen Unhaltbarkeit endlicher Bestimmungen des Wissens begriffen werden (sofern dieses auf Wahrheit aus ist), — eine Begriffsverfassung, welche von uns bereits als Kern der spekulativen Wahrheitskonzeption ausgewiesen wurde (s. o. 92ff). Die Idee erweist sich damit in ihrer absoluten Bestimmung als der innersystematische konkrete „ O r t " dieser Wahrheitskonzeption, als der Begriff der reinen Wahrheit überhaupt, und ist aufgrund dessen, gewissermaßen gegen ihre endliche Bestimmtheit am Ende der Logik, gerade im Ubergehen selbst, in der Relationalität bestimmter Wissensgehalte in ihrer eigensten und wahrsten Bestimmung. Sie ist so der Prozeß selbst, den das Wissen in seiner systematischen Gestalt als Wissenschaft durchläuft 187 , kein bestimmtes Wissen; ihre Materiatur ist das Werden dieses Wissens zur Wissenschaft (vgl. WL II, 411), selbst in scheinbar nicht an und für sich ideellen Bereichen der Wissenschaft, wie ζ. B. im Bereich der Naturphilosophie, dem Bereich des absoluten Andersseins des Ideellen 188 . Da die Idee so nicht eigentlich als ein Element unter anderen innerhalb der spekulativen Wissenschaft lokalisierbar bleibt, sondern das Elementare der Selbstdarstellung dieser Wissenschaft repräsentiert, ist sie die Bestimmung, die das Selbstsein der Elemente dieser Wissenschaft im Anderssein in seinem Grunde offenbart und selbst nur als dieser Grund begriffen ist, oder anders ausgedrückt: die Idee ist der Begriff der dialektischen Spekulation selbst (vgl. Enz, § 214 HZus). Als solcher hat sie zu gelten als eine bestimmte (die logisch absolute) Manifestation des identischen Denkens (vgl. oben, 102ff) und der

186 Vgl. auch Wolfgang Marx, Spekulative Wissenschaft und geschichtliche a . a . O . , 237f.

Kontinuität,

Vgl. E n z : § 18 H Z u s u. § 215 einschl. H Z u s ; W L II, 412. 188 Vg] Wolfgang Marx, a . a . O . , 2 3 7 f : „Die Idee ,tiefer und konkreter' zu fassen heißt, die Idee als eine Reflexion darstellen, die aus sich heraus allein die Besonderung und Abstraktion von Inhalten zu denken gestattet, aber so, daß die entlassene Besonderung der Bereich des Ideellen bleibt, auch wenn diese die Präsenz der Idee nicht unmittelbar zeigt oder sogar bestimmt ist, indifferent zu sein gegen ihre höhere Wahrheit". 187

Die Idealität der Wissenschaft

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Tätigkeit desselben, „sich selbst, um für sich zu sein, sich gegenüber zu stellen und in diesem Andern nur bei sich selbst zu sein" (Enz, § 18). Insofern dieses identische Denken von uns bereits systemextem als das den Gang der wahren Wissenschaft bestimmende Charakteristikum einer selbstbewußten und vernünftigen Wissensstruktur und als die Voraussetzung dieser Wissenschaft expliziert werden konnte, erscheint die Idee nunmehr als der diesem Charakteristikum entsprechende systeminterne Begriff, oder mit anderen Worten: als wissenschaftliches Korrelat aller propädeutischen Bemühungen um den Status dieser Wissenschaft, und somit als das begrifflich eingeholte Wissen um die Vernünftigkeit der Wissenschaft des selbstbewußten Geistes 189 . Ebensowenig aber wie das einmal erlangte Selbstbewußtsein des Denkens, in seinen Gegenständen sich selbst und seine Vernunft wahrhaft wiedererkennen zu können, sich in seiner Entfaltung wieder zum Bewußtsein der bloßen Verstandeserkenntnis umwendet, ebensowenig rekurriert die Idee als absolut rein identisches Denken bei ihrem Übergang in die konkreteren Sphären der realsystema189

Aus diesem Grunde wird das der enzyklopädischen Wissenschaftskonzeption eigentümliche, spekulative Verhältnis von Denken und Gegenstand, von Subjekt und Objekt, das als selbstbewußte und vernünftige Seinsverfassung des Wissens bisher der Wissenschaft vom Wahren „in der Form des Wahren" (Phän, 33) nur vorausgesetzt werden konnte, in der Idee wieder thematisch, und zwar auf dem eigensten „Niveau" des begreifenden Denkens, d.h.: nunmehr nicht mit Hilfe einer Abgrenzung dieses Denkens gegen nichtspekulative Wissenskonzeptionen vor dem Einstieg in die eigentliche Ausführung der spekulativen Wissenschaft, sondern eben wissenschaftsintern, so daß eine solche Abgrenzung nicht mehr als Voraussetzung, sondern als Resultat der wahren Wissenschaft aufzutreten vermag. Die Idee aber zeigt sich hier als die formal vollendetste Gestalt und als Inbegriff der spekulativ identischen Beziehung der Momente des spezifischen SubjektObjekt-Verhältnisses, das diese Wissenschaft in all ihren Bereichen konstituiert. Weil die Idee infolgedessen als synonym mit dem Vernünftigen überhaupt (vgl. WL II, 408; Rph, 15) oder auch als die „bewußte Identität" von Form und Inhalt der Vernunft angesehen werden muß (vgl. Rph, 16f), die Vernunft aber das Selbstbewußtsein in der Gewißheit, „daß seine Bestimmungen ebensosehr gegenständlich, Bestimmungen des Wesens der Dinge, als seine eigenen Gedanken sind" (Enz, § 439), und als solcherart sich wissende Wahrheit der Geist ist (vgl. ibid.; WL I, 6), ist damit, daß Hegel den Gegenstand der wahrhaften Philosophie entweder mit der Idee (vgl. Enz, § 6 HZus; WL II, 484), oder mit der Wahrheit (vgl. Enz, § 571), oder mit dem selbstbewußten Geist (vgl. oben, 64f u. unten 3.2.3.) benennt, nur ein und derselbe Sachverhalt berührt (wenn auch auf einem je eigenen „Niveau"): nämlich der, daß das identische Denken immer und überall ureigenster Gegenstand dieser Philosophie und ihrer Bestimmungen bleibt. Da dieses identische Denken im Rahmen unserer Fundamentalstatuierung der enzyklopädischen Wissenschaftskonzeption bereits näher ausgeführt wurde (s. oben, 2.2.), sei hier nur auf die entsprechenden Textstellen verwiesen, an denen dieses — dem wissenschaftsexternen Vorgriff gemäß — im Bereich der logischen Idee seine wissenschaftlich begründete, wie Wissenschaft begründende Konkretisierung erfährt: Enz, §§ 212, 213 u. 214 (einschl. HZusätze), 236; WL I, 53 u. 150; WL II, 232, 237, 4 0 7 - 4 1 2 , 430, 441, 4 8 3 - 4 8 7 .

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Die „Enzyklopädie" als System ideellen Denkens

tischen Dimension der Wissenschaft wieder auf eine Realität oder Konkretheit, die gewissermaßen „ v o r " der Logik (d. h. „ v o r " der Wissenschaftlichkeit des Denkens) angesiedelt ist und bleibt (vgl. W L II, 230f u. 505f), und die der schon für den Anfang der Logik vorausgesetzten, dem identischen Denken spezifisch eigenen Vermittlung von Subjekt und Objekt nicht entspricht, — oder kurz: die nicht ideell ist 1 9 0 . So wird die Idee in 190

Hier sei noch einmal darauf hingewiesen, daß die generelle Idealität des identischen Denkens innerhalb der Wissenschaft keinesfalls mit einem bloß subjektiven Standpunkt des Wissens, mit einer reinen Ich-Bestimmtheit der Gegenstände dieser Wissenschaft ineins gesetzt werden darf (vgl. oben: 55, 60f einschl. Anm. 97, 58). Zwar ist die Manifestation dieses Denkens im Begriff wie auch die Idee als der sich selbst so begreifende Begriff „nichts anderes als Ich oder das reine Selbstbewußtsein" (WL II, 220) und steht insofern in einem ausgezeichneten Bezug zu dem, was gemeinhin als Subjektivität bezeichnet wird und auch bezeichnet werden kann (vgl. Enz: § 213 HZus u. § 215 HZus; WL I, 47; WL II, 437f), jedoch darf das Subjekt hier nicht als „fester Punkt angenommen" werden, „an den als ihren Halt die Prädikate geheftet sind, durch eine Bewegung, die dem von ihm Wissenden angehört und die auch nicht dafür angesehen wird, dem Punkte selbst anzugehören" (Phän, 23). Eine solche Bestimmung des Subjekts und des Ichs ist Sache des Verstandes, der eine bloß subjektive Erkenntnisverfassung, eine bloß subjektive Gewißheit in der Erkenntnis einer wie auch immer gearteten Objektivität gegenübersetzt und die jeweilige Gestalt des Erkenntnisvermögens nur unter bestimmte Eigenschaften des Ichs zu subsumieren versteht. Dieser Verstand „bleibt bei der bloßen Vorstellung des Ich stehen, wie sie unserm gewöhnlichen Bewußtsein vorschwebt", nach welcher „Ich nur das einfache Ding ist, welches auch Seele genannt wird, dem der Begriff als ein Besitz oder Eigenschaft inhäriert. Diese Vorstellung, welche sich nicht damit einläßt, weder Ich noch den Begriff zu begreifen, kann nicht dazu dienen, das Begreifen des Begriffs zu erleichtern oder näher zu bringen" (WL II, 222f). Da somit diese — dem Verstand eigene — bloße Vorstellung vom Ich nichts begreift und sich infolgedessen nicht nur der Möglichkeit zu wahrer Erkenntnis verschließt, sondern sich damit auch der Möglichkeit beraubt, eine Konzeption von Erkenntnis überhaupt begründen zu können (vgl. oben, 79), verlangt die wahre Wissenschaft in Gestalt des enzyklopädischen Systems, daß vor dem Eintritt in dieselbe „jene endliche Bestimmtheit, in der die Form (des Erkennens; Verf.) als Ich, Bewußtsein ist, noch abgestreift werde. Die Form, so in ihre Reinheit herausgedacht, enthält es dann in sich selbst, sich zu bestimmen, d.i. sich Inhalt zu geben, und zwar denselben in seiner Notwendigkeit, — als System der Denkbestimmungen" (WL I, 46). Insofern hat die „Enzyklopädie" selbst als das System des identischen Denkens, d. h. als allgemein ideell bestimmte Darstellung des Erkennens, nichts zu tun mit einer nur verstandesmäßigen und endlichen, bloß subjektiven Gewißheit im Denken; vielmehr tritt in ihr als vernünftiger Wissenschaft das Denken entgegen seiner Verstandeskonzeption als objektives Denken auf (s. oben lOOff einschl. Anm. 170), weil in ihr erst „im Denken der Gegenstand, wie er an und für sich ist, in seiner Wahrheit erfaßt, und zugleich die interne Struktur, welche dieses Wahrsein ausmacht, als die eigene Natur des Ich gewußt ist. So wird das Denken als solches zu einem Verhältnis der Freiheit; das Ich weiß sich in dem, was die Wahrheit des Wirklichen ausmacht, mit seinem innersten Grund zusammengeschlossen" (E. Angehrn, a . a . O . , 81). Da wir nur unserer Aufgabe zurechnen, das Spezifikum der Idealität und seine „hegelischen" Implikationen für die enzyklopädische Wissenschaftskonzeption zu sichern, nicht aber eine detaillierte Abgrenzung gegen andere Erkenntniskonzeptionen innerhalb der Philosophiegeschichte zu leisten, sei im folgenden nur auf einige entscheidende Text-

Das System der Idee

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ihrer „außerlogischen" Fortbestimmung zwar konkreter, diese verbleibt aber strikt im Rahmen der bestimmten Konkretheit der Idealität der enzyklopädischen Wissenschaftskonzeption (s. oben, lOOff u. Anm. 188), oder was dasselbe ist: im Rahmen der prinzipiell selbstbewußten und vernünftigen Erkenntnisverfassung des Denkens in der Wissenschaft des Geistes, welche von daher als nichts anderes als die Entwicklung des identischen Denkens durch alle seine Bestimmungen hindurch betrachtet werden muß. Damit aber stellt sich die Frage, wie das System der Idee, das diese Wissenschaft ist, sich im einzelnen gliedert, und als was dessen Teile zu begreifen sind.

3.2.

Das System der Idee

Mit der immanenten Selbststatuierung der enzyklopädischen Konzeption der philosophischen Wissenschaft in der Kategorie der Idee hat sich auch der Grund und die Begründung offenbart, warum diese Konzeption im ganzen auf dem Begriff der Methode basiert, deren eigene Darstellung in die „Wissenschaft der Logik" fällt und dort im Begriff der absoluten Idee zu einer gewissen Abgeschlossenheit gelangt. Diese Wissenschaft nun in ihrer Gesamtheit als das System der Idee vorzustellen, d. h. den sie leitenden Zusammenhang von der identischen Idealität all ihrer Gegenstandsbereiche her begreiflich zu machen, verlangt demnach in erster Linie, das Verhältnis ihrer logischen Teilwissenschaft zu ihren konkreteren Wissenschaften zu klären (s. ο.: 1.3.2.2., 104f), — und zwar dahin gehend, daß einsichtig wird, inwiefern sich dieses Verhältnis gegen die Interpretation gemäß der üblichen Vorstellung von einer bestimmten methodischen Verfahrensweise mit entsprechend bestimmbarem Anwendungshorizont sperrt, aber dennoch die Logik als das den ganzen Gehalt dieser Wissenschaft organisierende Fundament und die allgemeine (wenn auch je spezifische) Präsenz des Logischen in deren außerlogischen Bereichen zu begründen unternehmen kann. Die Behandlung dieser Problematik setzt einige Verständnisgrundlagen zur Methode der passagen hingewiesen, in denen sich Hegel gerade diesem Problemkreis widmet. Zur Konzeption des Ichs und der philosophischen Erkenntnis: WL I, 3—64; WL II, 219—223 u. 429-438; Enz, §§ 2 6 - 7 8 (die drei „Stellungen des Gedankens zur Objektivität"); — zum Verhältnis ,identisches Denken — objektives Denken': Enz, §§ 20—25; - spezielle Stellungnahmen zur Cartesischen cogito-Konzeption: Enz, § 64 HZus, §§ 76 u. 77; WL I, 60-62.

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Die „Enzyklopädie" als System ideellen Denkens

dialektischen Spekulation selbst voraus, die innerhalb unserer bisherigen Ausführungen nur anklingen, nicht aber fundiert werden konnten. Sie bedürfen einer eigenen Erörterung, soll die gesamtwissenschaftliche Relevanz der Logik nicht nur postuliert, sondern an der Logik selbst begriffen werden. Diesen Aufgaben wird sich aber erst der Punkt 4. der vorliegenden Untersuchung eigens zuwenden. Hier kommt es uns zunächst darauf an, erst einmal den wissenschaftlichen Gesamtkomplex der ideellen Systematik so präsent zu machen, wie er uns von Hegel in seiner organischen Selbstentwicklung vor Augen geführt wird 1 9 1 ; denn allein vor dem Hintergrund dieser gesamtwissenschaftlich konkreten Be-währung (d. i. Bewahrheitung) der spekulativen Methode wird es möglich, sowohl einzelne Aspekte ihres bestimmten Verfahrens als auch sie selbst als Ganzes zu isolieren, und dabei weder rein formalistischen Prinzipien zu verfallen, noch wieder diesen alten erkenntnistheoretischen Dualismus von Methode und Anwendung zu reproduzieren, nach welchem die identische Konstitution des Denkens in der spekulativen Wissenschaft nicht gefaßt werden kann.

3.2.1.

Die Logik

Als erster Teil des Systems, welches als „Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften" im ganzen die Darstellung des „schlechthin mit sich identischen Denkens" (Enz, § 18) unternimmt, das — seinem Begriff nach - die Idee ist, wird die Logik als „die Wissenschaft der Idee an und für sich" (ibid.) vorgestellt.

3.2.1.1. Der Inhalt der Logik Die Wissenschaft der Logik macht als ihr allgemeinstes Spezifikum den Zustand der Reinheit für alle ihre Elemente geltend 192 , welcher darauf beruht, daß sich das identische Denken in seiner ,rein' logischen Dimension, in der es Logik ist, zur Sphäre einer solcherart „vollständigen Ab191

192

Daß dabei diese Systematik nur in einer sehr groben Struktur zur Sprache kommt, liegt im Interesse dieses I. Teils unserer Untersuchung. Im II. Teil wird die logische Analyse der „Rechtsphilosophie" eine detailliertere „Anwendung" der hier gewonnenen Ergebnisse demonstrieren. Vgl. W L I: 7, 3 0 f f , 42, 53; W L II: 223, 414, 437, 5 0 5 f ; Enz: § 19 (einschl. HZus), § 243; Phän, 4 0 ; u. öfter.

Das System der Idee

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straktion" ( W L I, 13) bestimmt, in welcher es sich einzig als die Reflexion seines identischen Selbstseins entwickeln, d. h. konkretisieren läßt, und somit einzig in Form der Begründung seiner selbst durch sich selbst als „Gegen"-stand dieser Wissenschaft verbleibt 1 9 3 . Indem so das Denken innerhalb seiner allgemeinen Sichselbstgleichheit, die die spekulative Wissenschaft überhaupt konstituiert, sich als Logik auf ein abstraktes Sichselbst-gleich-sein beschränkt und damit sich als ,gegensatzloses Element' zur Logik ausführt (vgl. Enz, § 467 HZus), ist es als logisches „erst an sich" (ibid.) und auf den „reinen Gedanken" reduziert 1 9 4 . Die Logik erscheint dementsprechend als die „Wissenschaft des reinen Denkens, die zu ihrem Prinzip das reine Wissen habe" ( W L I, 42), oder auch als das eigentliche „Reich des Gedankens" (ibid., 9), genauer: des „reinen Gedankens" (s. o.). Sie umfaßt als solchermaßen Lehre von dem Gedanken überhaupt (vgl. Enz, § 83) „alle Gedanken, wie sie noch in der Form von Gedanken sind" (Enz, § 85; Hervorhebung v. Verf.). Die so von ihr als sich selbst denkender Denklehre spezifisch (abstrakt und formal) realisierte FormInhalt-Identität macht sie zum Darstellungsort einer spezifischen Wahrheit insofern, als sich diese Identität bereits im Horizont der spekulativen Wissenschaftskonzeption ganz allgemein als Grundstruktur für wahrhaftes Wissen und als prinzipieller Garant für dessen angemessene Darstellung in der Ausführung eben dieser Wissenschaft zu erweisen vermochte: und zwar unternimmt sie — dem Spezifikum ihrer vollständigen Abstraktheit gemäß : der Faktizität identischer Selbstreflexion rein logischer Denkrelationen — die Darstellung „der absoluten Form der Wahrheit und noch mehr als dies, auch der reinen Wahrheit selbst" 1 9 5 , oder auch „der Wahrheit, wie sie ohne Hülle an und für sich selbst ist" ( W L I, 31). Läßt sich die „Wissenschaft der Logik" auf diese Weise zum O r t der Wahrheit als Wahrheit oder auch der rein absoluten Identität der Form-Inhalt-Identität des Gedankens 193

Vgl. E . Angehrn, a. a. O . , 135: „Indem die Logik den Begriff des an und für sich Wahren auseinanderlegt, entwickelt sie identischerweise die reine F o r m des Denkens, in dessen höchster Selbstbezogenheit die logische Verfassung des Ich oder des Subjekts überhaupt sich darstellt. Es ist für Hegel schlechterdings nicht möglich, für das Selbstbewußtsein oder das Denken eine andere, von der F o r m der reinen Idee verschiedene Logik zu konzipieren; die beiden Aspekte sind im logischen Duktus nicht voneinander zu trennen". (Zur Konzeption des Ichs und des Subjekts im Horizont der enzyklopädischen Wissenschaftskonzeption siehe oben, Anm. 190.)

194

Vgl. Enz, § 19 H Z u s ; W L I, 7 u. 3 1 ; W L II, 4 8 5 ; u. öfter.

195

E n z , § 19 HZus (Hervorhebungen v. Verf.); vgl. auch W L II, 231 u. 2 3 3 ; ferner E . Angehrn, a . a . O . , 13: „Gegenstand der logischen Untersuchung ist die Form des wahren Denkens, die gleichermaßen F o r m der Wahrheit oder, in Hegelscher Terminologie, die Wahrheit an ihr selber ist".

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Die „Enzyklopädie" als System ideellen Denkens

bestimmen, so muß, den Implikationen entsprechend, die der spekulativen Fassung des Wahrheitsbegriffs inhärieren (s. oben, 2.2.2.2.), die Bewegung im wahrhaften Wissen selbst (vgl. Phän, 32f), oder anders: die Relationalität dieses Wissens selbst (d. i. das abstrakt allgemeine Verhältnis des Subjektiven und Objektiven; vgl. oben, 92), oder auch: die Verfassung dieses Wissens (d. i. in ihrer Totalität die Kate gorialität des spekulativen Denkens selbst, nicht dessen Anwendung) oder kurz: die reine Idee und somit der Begriff der dialektischen Spekulation selbst (s. oben, 107f), als der ihr eigenste Gegenstand ausgewiesen werden 196 . Obwohl Hegel damit, daß er die Logik als die „Wissenschaft der reinen Idee" (Enz, § 19) auffaßt, diese als die philosophische Disziplin verstanden wissen will, die die Idee (das identische Denken, die Idealität des Wissens) „im abstrakten Elemente des Denkens" (ibid.; erste Hervorhebung v. Verf.) entwickelt, — was sie insofern zur schwersten Wissenschaft macht, „als sie es nicht mit Anschauungen, nicht einmal wie die Geometrie mit abstrakten sinnlichen Vorstellungen, sondern mit reinen Abstraktionen zu tun hat und eine Kraft und Geübtheit erfordert, sich in den reinen Gedanken zurückzuziehen, ihn festzuhalten und in solchem sich zu bewegen" (Enz, § 19 HZus; vgl. auch WL I, 41) - , darf diese ihre Abstraktheit keinesfalls für ein Indiz genereller Ermangelung an Materialität in ihren Bestimmungen gehalten werden. Auch der Umstand, daß die spekulative Logik „nur" zur Darstellung der Form der Wahrheit gelangt, deutet keinesfalls darauf hin, daß hier das System eines nur formalistischen und somit inhaltsleeren Denkens vorliegt. So wenig der Begriff der Abstraktion für Hegel überhaupt etwas mit Leerheit und Inhaltslosigkeit zu tun hat (vgl. WL II, 225f u. 249f), so wenig kann die Logik als eine Teildisziplin der Philosophie, die es ausdrücklich „mit bloßen Abstraktionen oder formellen Gedanken ganz und gar nicht zu tun hat, sondern allein mit konkreten Gedanken" (Enz, § 82 HZus), nämlich des spekulativen Wissenschaftssystems, wieder auf eine solche „bloße" Leerheit und Abstraktheit reduziert werden, wo sich dieses System doch durch die wahrhaft objektive Struktur seiner durchweg selbstbewußten Geistigkeit, wie durch seine prinzipielle Vernünftigkeit, wie auch durch die bestimmte Konkretheit seines Idealismus, im ganzen als das System des objektiven und somit gegenständlichen und konkreten Denkens zu statuieren vermochte, — und damit eben auch seine Logik (s. oben, Anm. 170). Die Sichselbstgleichheit des identischen 196

Rph, § 7 HZus: „Der Erweis und die nähere Erörterung dieses Innersten der Spekulation . . . gehört der Logik als der rein spekulativen Philosophie an".

Das System der Idee

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Denkens (der Idee) in seiner logischen Dimension als die einfache Einheit der „bloßen Form" oder der nur „formalen Bedingungen wahrhafter Erkenntnis" aufzufassen, der das „sogenannte zweite Bestandstück, das zu einer Erkenntnis gehöre, die Materie" fehle und demnach „anderswoher gegeben werden müsse" (vgl. WL I, 24), ist Sache des Verstandes und beruht auf der in der Elementarstruktur des nur bewußten Denkens gründenden, „ein für allemal vorausgesetzten Trennung des Inhalts der Erkenntnis und der Form derselben, oder der Wahrheit und der Gewißheit" (ibid.), oder auch der Trennung „des Gegenstandes von der Gewißheit seiner selbst" (ibid., 30; vgl. oben, 81 f einschl. Anm. 128 u. 129). Da aber - wie sich zeigen ließ — ein derart einfacher Einheitsbegriff innerhalb der spekulativen Wissenschaft nirgendwo anzutreffen ist, weil er dem Begriff des spekulativen Denkens an sich nicht zukommt, ja diesen überhaupt verunmöglicht (s. oben, 92ff einschl. Anm. 155 u. 156), und somit auch die obigen Irrtümer des Geistes auf seinem Verstandes- und Bewußtseinsstandpunkt vor dem Eintritt in diese Wissenschaft abzulegen sind (vgl. WL I, 25), muß die Einheit (Sichselbstgleichheit) des identischen Denkens, die ,Gegensatzlosigkeit' dieses Elementes in allen Bereichen der spekulativen Logik, auf dem Standpunkt des spekulativen Wissens anders gefaßt werden: und zwar bestimmt sich diese Einheit danach als die „nicht abstrakte, sondern dadurch konkrete lebendige Einheit, daß in ihr der Gegensatz des Bewußtseins von einem subjektiv für sich Seienden und einem zweiten solchen Seienden, einem Objektiven, als überwunden, und das Sein als reiner Begriff an sich selbst, und der reine Begriff als das wahrhafte Sein gewußt wird. Dies sind sonach die beiden Momente, welche im Logischen enthalten sind. Aber sie werden nun als untrennbar seiend gewußt, nicht wie im Bewußtsein jedes auch als für sich seiend·, dadurch allein, daß sie zugleich als unterschiedene (jedoch nicht für sich seiende) gewußt werden, ist ihre Einheit nicht abstrakt, tot, unbewegend, sondern konkret" (WL I, 42f). Da somit die „früher (auf dem Wege zur Wahrheit) für sich seienden Bestimmungen, wie ein Subjektives und Objektives, oder auch Denken und Sein oder Begriff und Realität, wie sie in irgendeiner Rücksicht bestimmt worden sein mögen" (ibid., 43), innerhalb der spekulativen Logik gerade nicht isoliert oder gar getilgt, sondern vielmehr gerade aus dem Wissen um ihre Untrennbarkeit identischer Gegenstand ihrer Selbstdarstellung werden, begreift die Sichselbstgleichheit der Idee in ihrer logischen Dimension sich als ein Selbst in der Gestalt, in welcher „das an und für sich Seiende gewußter Begriff der Begriff als solcher aber das an und für sich Seiende ist" (ibid., 30f), und ihre wissenschaftliche Darstellung (trotz deren

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Abstraktheit und Reinheit) als den Ort eines objektiven, das Seiende absolut integrierenden, und daher konkreten und inhaltlichen Denkens, dessen Konkretheit sich über die Bestimmung von Konkretheit noch erhoben weiß, auf die die herkömmliche Vorstellung von Subjektivität und Objektivität, von Begriff und Sein, ihren Anspruch geltend zu machen imstande ist. Folglich ist diese Wissenschaft, obwohl sie reine Denklehre ist, über die Subjekt-Objekt-Differenz der bloß verstandesmäßig konzipierten Erkenntnis nicht zu erfassen und unzulässig verkürzt, wenn sie allein von dieser her gedeutet und ihr eine bloß subjektive Verfassung des Gedankens zugestanden wird, die von der Sache selbst, dem Inhalt des Denkens, vollends abstrahiere 197 . Die wahre Logik (d. i. allein die spekulative Logik) enthält vielmehr „den Gedanken, insofern er ebensosehr die Sache an sich selbst ist, oder die Sache an sich selbst, insofern sie ebensosehr der reine Gedanke ist" (ibid., 30). Mit einem solcherart objektiven Denken nun als ihrem Inhalt ist sie „so wenig formell, entbehrt sie so wenig der Materie zu einer wirklichen und wahren Erkenntnis, daß ihr Inhalt vielmehr allein das absolute Wahre, oder wenn man sich noch des Wortes Materie bedienen wollte, die wahrhafte Materie ist, — eine Materie aber, der die Form nicht ein Äußerliches ist, da diese Materie vielmehr der reine Gedanke, somit die absolute Form selbst ist" (ibid., 31; Hervorhebung v. Verf.). „Nach dem also, was eine Materie genannt zu werden pflegt, brauchte nicht weit gesucht zu werden" (ibid., 29): sie findet sich im Begriff des ideellen (identischen) Denkens selbst, sogar dort, wo dieses sich nur als solches, nur hinsichtlich der Begriffsnatur seiner Form expliziert;

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Hegel weist mit Recht in seiner Einleitung in die „Wissenschaft der Logik" immer wieder darauf hin, daß sich die Begründung der Konkretheit des Logischen nicht einzig innerhalb dieser Wissenschaft selbst durchführt, sondern daß man vor dem Einstieg in dieselbe mit dem Wissen um diese Konkretheit bereits im reinen sein muß. Die Logik realisiert in erster Linie die systematische Darstellung dieser Konkretheit. Die Begründung letzterer aber liegt schon überhaupt in der Integration des Logischen in das System des ideellen Denkens, das generell von einer Verfassung des Denkens seinen Ausgang nimmt, die sich im Resultat der „Phänomenologie des Geistes" bereits vorläufig als konkret zu begründen vermochte (vgl. W L I: 29f, 42, 53; W L II, 224), - und zwar als konkret in der bestimmten Weise, die dem Standpunkt der Idee als reinem Wissen entspricht, auf welchem überhaupt „der Unterschied des Subjektiven und Objektiven verschwunden ist" (WL I, 61) und die Idee sich dahin bestimmt hat, die „zur Wahrheit gewordene Gewißheit zu sein, die Gewißheit, die nach der einen Seite dem Gegenstande nicht mehr gegenüber ist, sondern ihn innerlich gemacht hat, ihn als sich selbst weiß, — und die auf der anderen Seite das Wissen von sich als von einem, das dem Gegenständlichen gegenüber und nur dessen Vernichtung sei, aufgegeben hat, dieser Subjektivität entäußert und Einheit mit seiner Entäußerung ist" (ibid., 53; vgl. Enz, §§ 213 u. 214).

Das System der Idee

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— oder wie Hegel sich ausdrückt: die „logische Vernunft selbst ist das Substantielle oder Reelle" des Logischen (ibid.) 198 . Gerade aber dieser „sich selbst konstruierende Weg" der logischen Wissenschaft 199 , gerade diese absolute Identität, zu der die Form-InhaltDifferenz in der Logik, und die selbst als Gegenstand der Logik bestimmt ist, gerade dieses Spezifikum der logischen Inhaltlichkeit offenbart — bei aller Vermitteltheit von Begriff und Realität, von Gedanke und Sache — die Sphäre der rein identischen Selbstdarstellung des Denkens in der Einseitigkeit, die Idee, das wahrhafte Denken, nur in einer Selbstbestimmung sich „vernehmen" zu lassen, in welcher der „Unterschied noch kein Anderssein, sondern sich vollkommen durchsichtig ist und bleibt" (WL II, 485), und somit nur die systematische Ausführung der Idee insoweit zu leisten, als die Idee sich „als die unendliche Form zu ihrem Inhalte hat" (ibid.), nicht die Idee der philosophischen Wissenschaft überhaupt auszuführen (vgl. ibid., 230f); denn da im Logischen Form und Inhalt der Idee auf die Weise vermittelt sind, daß beide nicht mehr in Hinsicht auf ihren für sich seienden Unterschied, sondern nur erst über und als die Ununterschiedenheit ihrer Bestimmung thematisch werden, bleibt aller Unterschied an für sich seienden Bestimmungen, die auf der Form-InhaltDifferenz basieren, wie Subjektives und Objektives, Denken und Sein, Begriff und Realität etc., hier zunächst in seine einheitliche Begriffsgestalt versenkt und somit zur bloßen Form herabgesetzt, d. h. für sich gegenstandslos (vgl. WL I, 43). Die logische Wissenschaft weiß sich ihrer Materialität also nur prinzipiell dadurch zu versichern, daß sie sich im ganzen als eine Selbstdarstellung der Idee auszuweisen imstande ist. Als die Wissenschaft der Idee nur an und für sich, oder auch der nur reinen Idee, verbleibt sie, — an der Materialität des ideellen Denkens überhaupt gemessen — , jedoch formal in dem Sinne, daß in ihr die Form dieses Denkens „als identisch mit sich, hiemit als Inhalt gesetzt ist, so daß der Begriffes die

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Zur Inhaltlichkeit der Hegeischen Logik und der Auseinandersetzung mit den entsprechenden Interpretationsangeboten in der Hegel-Literatur siehe: E. Angehrn, a. a. O . , „Die Inhaltlichkeit der Logik" (131-149). 199 WL I, 7; vgl. auch: Phän 44, Enz § 17. Es sei hier angemerkt, daß Hegel einen spezifischen Gebrauch des Wortes ,Konstruktion' für sich geltend macht und sich explizit gegen den Mißbrauch dieses Wortes in der Philosophie und den übrigen Wissenschaften wendet. Der ,sich selbst konstruierende Weg' der logischen Wissenschaft kann im Horizont der spekulativen Wissenschaftskonzeption keinesfalls heißen, daß die Logik ihr Begriffssystem etwa auf der Basis nicht einholbarer Voraussetzungen synthetisiere und somit nur a priori konstruiere, nur eine apriorische Konstruktion der Begriffe vorlege (siehe dazu Enz, § 231 einschl. HZus).

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Die „Enzyklopädie" als System ideellen Denkens

Form-Tätigkeit nur sich zum Inhalt hat" (Enz, § 2 1 2) 200 und somit nur das Verhältnis seiner Formen an und für sich selbst sich zum Gegenstand macht 201 . An diesem Gegenstand aber bestimmt sich die Idee des Logischen zum Darstellungsort der Methode des wahrhaften Denkens und seiner Wissenschaft (vgl. Enz, § 237), weil in ihr die für die Wahrheit geforderte Adäquation von Form und Inhalt nicht nur absolut gegeben, sondern von dieser selbst nur als solcher in ihrer reinen Form und noch nicht von „der Wissenschaft überhaupt" und „von deren Verhältnis zur Wahrheit die Rede ist" (WL II, 230); oder anders: daß die Idee sich in der logischen Wissenschaft zu einer Wissenschaftsgestalt ausführt, die sich auf die strukturalen und ontologischen Implikationen ihrer ideellen Wissensverfassung nicht nur prinzipiell, d. h. auf die Weise beruft, daß sie diese als Basis für ihre Gestaltwerdung nur voraussetzt, sondern diese Basis selbst vorerst als eine solche setzt, indem sie das wissenschaftsbegründende Prinzip des Ideellen erst eigens hinsichtlich seines Prinzipiellen begründend entfaltet, bestimmt sie, die Idee des Logischen, zum Inbegriff der Methode spekulativer (d. i. wahrhafter) Wissenschaft überhaupt 2 0 2 . So fällt die „Exposition dessen, was allein die wahrhafte Methode der philosophischen Wissenschaft sein kann, in die Abhandlung der Logik selbst" (WL I, 35); in dieser expliziert die Methode sich als „das Bewußtsein über die Form der inneren Selbstbewegung ihres Inhalts" 2 0 3 . „Die Methode ist auf diese Weise nicht äußerliche Form, sondern die Seele und der Begriff des Inhalts, von welchem sie nur unterschieden ist, insofern die Momente des Begriffs auch an ihnen selbst in ihrer Bestimmtheit dazu kommen, als die Totalität des Begriffs zu erscheinen. Indem diese Bestimmtheit oder der Inhalt sich mit der Form zur Idee zurückführt, so stellt sich diese als systematische Totalität dar, welche nur Eine Idee ist, deren besondere Momente ebensowohl an sich dieselbe sind, als durch die Dialektik des Begriffs das einfache Fürsichsein der Idee hervorbringen" (Enz, § 243).

Insofern ist es „für die Methode gleichgültig, ob die Bestimmtheit als Bestimmtheit der Form oder des Inhalts genommen werde . . . . Denn da sie die absolute Form, der sich selbst und alles als Begriff wissende Begriff ist, so ist kein Inhalt, der ihr gegenüberträte und sie zur einseitigen, 200 Vgl. Enz, § 314: „Die Tätigkeit der Form ist keine andere als die des Begriffs überhaupt, das Identische different und das Differente identisch zu setzen". 201

Vgl. WL I: 28, 32, 39f, 46f. 202 Vgl. E. Angehrn, a. a. O . , 11 : „Spekulative Dialektik ist der Titel, welcher in allgemeinster Weise das spezifische Merkmal Hegelscher Logik benennt". Vgl. auch oben, 104f u. 107f; ferner unten, 4.1.1.4. 203 WL I, 35; vgl. ibid., 36.

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äußerlichen Form bestimmte" (WL II, 501). So ist dem Logischen, obwohl es zwar in seiner systematischen Ausführung durchaus als eine „Realisation" der Idee angesehen werden muß, dennoch eine bloß formale Konkretion des Denkens eigen, eben aufgrund dessen, daß seine Bestimmungen (seine Inhaltlichkeit) ausschließlich .innerhalb derselben Sphäre', nämlich dem Identischen ihrer Begriffsgestalt, der Form, gehalten sind (vgl. ibid., 505). Alle diese aufgeführten Charakteristika der Idee in ihrer logischen Dimension, die Reinheit ihrer Elemente, die aufgrund der hier allgemein noch abstrakten Sichselbstgleichheit des Denkens in all seinen Bestimmungen herrscht, die daraus resultierende Reduktion ihres Gegenstandes auf den reinen Gedanken selbst, der im Horizont des wahrhaften Wissens die Reduktion der für dieses Wissen spezifischen Form-Inhalt-Relation (der spekulativen Adäquation von Form und Inhalt) auf die absolut rein identische Selbstvermittlung der Relationsmomente über deren identische Differenz, auf die absolut reine Form-Inhalt-Identität, gleich kommt, die hierin liegende Bestimmung des Logischen zum Ort der absolut reinen Wahrheit, d. i. zum Ort der Selbstexplikation der sachangemessenen Relationalität des Geistes, in welcher dieser sich auf seinem prinzipiell selbstbewußten und vernünftigen Standpunkt geborgen weiß, — alle diese Charakteristika nun erweisen die Sphäre des Logischen und die logische ,Materie' als ein erst unmittelbares Stadium des Denkens und als dessen erste Gestalt, weil das Denken in diesem Stadium sich zunächst rein für sich und allein als solches vorfindet und betrachtet und allererst zu der Methode ausführt, als welche es seine nur allgemeine Sichselbstgleichheit übergreifen und sich der wahrhaften Entwicklung weiterer Gestalten des Geistes annehmen und zugrunde legen kann. Solchermaßen sich als eine geistige Sphäre bestimmend, in welcher allererst die Basis für wissenschaftliches Philosophieren formiert (s. o. 118), ja der Begriff der Wissenschaft selbst allererst erzeugt wird (vgl. WL 1,23), vermag das Logische seinen Standort innerhalb der wahrhaft wissenschaftlichen Philosophie (d. i. die Philosophie in ihrer enzyklopädischen Systemgestalt) aus der Einsicht in sein innerstes Wesen, d. h. an sich selbst zu begründen: als die Erste Wissenschaft und als den Anfang, mit dem dieses System seinen Ausgang zu nehmen hat, — neben dem äußerlichen Aspekt einer nur formal methodischen oder gewissermaßen arbeitstechnischen Notwendigkeit, daß dort, wo ein philosophisches System sich als eine „neue Bearbeitung der Philosophie nach einer Methode" vorstellt, „welche noch . . . . als die einzig wahrhafte, mit dem Inhalt identische, anerkannt werden wird" (Enz, 20; Her-

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vorhebung v. Verf.), die Exposition dieser Methode auch am Anfang dieses Systems erforderlich wird, zumal dann, wenn dieses System aufgrund seines bestimmten Totalitätsanspruchs keine externe Explikation seiner methodischen Fundamente zuläßt (s. dazu oben, 1.3.1.2.). Nun wird dieser Status der logischen Wissenschaft allerdings entschieden verkürzt, wenn er allein unmittelbar an der Logik selbst nur expliziert werden soll. Vielmehr offenbart die anfängliche „Selbst"-Gründung des enzyklopädischen Systems im Logischen über ihre Unmittelbarkeit hinaus eine vielfältige Vermitteltheit, die einerseits daher rührt, daß man beim Eintritt in die logische Wissenschaft mit deren Begriff bereits insoweit im reinen sein muß, als sich dieser als Resultat einer vorgeordneten ,Wissenschaft', der „Phänomenologie des Geistes", auszuführen weiß 204 , andererseits aber auch auf der strukturalen Immanenz dieses Systems selbst beruht, nach welcher die Idee in ihrer logischen Gestalt sich erst über ihre weiteren, konkreteren Gestalten absolut einsichtig wird (— das wechselseitige Begründungsverhältnis von Logik und Realsystematik — ) und somit ihre Anfangsgestalt erst im Resultat ihrer vollständigen Entwicklung als eine solche erschöpfend bestätigen kann (— die Kreisgestalt der Wissenschaft — ). So schränkt „die erste Bekanntschaft mit der Logik ihre Bedeutung auf sie selbst" (WL I, 40) einzig im Sinne eines Zunächst ein, keinesfalls darf bei dieser Bekanntschaft stehen geblieben werden.

3.2.1.2. Der Anfang der Logik Die Ambivalenz der Logik, als erste Wissenschaft des enzyklopädischen Systems unmittelbar wie vermittelt in einem und somit, obgleich Darstellung des reinen Gedankens, nur scheinbar die unmittelbarste Gestalt des Denkens zu sein, tritt an ihrem Anfang mit dem reinen Sein (d. i. das Sein in der Bestimmung der unbestimmten Unmittelbarkeit) am schärfsten in Erscheinung, insofern einerseits in diesem Anfang, als dem absoluten Anfang der enzyklopädischen Wissenschaftssystematik überhaupt, an sich die größtmögliche Unbestimmtheit und Unmittelbarkeit herrscht, die innerhalb der Ausführung des enzyklopädischen Systefns jemals zu erreichen ist, 204 Vgl. W L I: 2 9 f , 42, 53. Dieser Ausführung widmete sich der Punkt 2. der vorliegenden Untersuchung. Die Faktizität dieser spezifischen Vertnitteltheit der logischen Wissenschaft begründet noch einmal, warum von uns zusätzlich zur Idee als ifinersystematischer Fundamentalstatuierung noch die vorsystematische Statuierung des enzyklopädischen Systems und somit auch seines „reinen" Anfangs in der Logik vorgenommen wurde.

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weil aufgrund der totalen Selbstvermittlung aller Bestimmungen dieses Systems sowohl eine jede systemexterne Vorbereitung und somit Vermittlung, als selbst auch die systemimmanente Selbstvermittlung des bestimmten Systemanfangs hier, wo das System noch zu keinerlei Bestimmtheit entwickelt ist, ausgeschlossen bleibt, — andererseits jedoch dieser Anfang, als das (wenn auch nicht exakte) Resultat der phänomenologischen , Vorwissenschaft', den Ort der Vermittlung des logisch-spekulativen, des enzyklopädischen Systems mit dem phänomenologischen, die ,Nahtstelle* beider Wissenschaftstypen und daher deren Vermitteltheit überhaupt darstellt. So darf der Anfang der Logik nur insoweit „in der Einseitigkeit, das ReinUnmittelbare zu sein, genommen werden" (WL I, 57), als er eben als der Anfang der philosophischen Wissenschaft überhaupt, d. h. als systematisch zunächst unentwickeltste Stufe des Geistes, in Betracht kommt und es in der Natur dieses Anfangs selbst liegt, daß daraus, daß „der Anfang Anfang der Philosophie ist, eigentlich auch keine nähere Bestimmung oder ein positiver Inhalt für denselben genommen werden kann" (ibid.). N u r unter dieser Perspektive ist die erste ,Bestimmung' der Logik, das reine Sein, das „Einfache, das sonst keine weitere Bedeutung hat, dies Leere" (ibid., 63), ein „Nichtanalysierbares, in seiner einfachen unerfüllten Unmittelbarkeit, also als Sein, als das ganz Leere" (ibid., 60), und ein „abstrakter Anfang", der „nichts Voraussetzen darf, durch nichts vermittelt sein, noch einen Grund haben muß" (ibid., 54). Unter einer weiteren Perspektive jedoch zeigt sich die einfache Unmittelbarkeit dieses Anfangs als das in diese Einheit zusammengegangene reine Wissen (vgl. ibid., 54 u. 57f), dieses aber als „Resultat des endlichen Wissens, des Bewußtseins" (ibid., 54), und somit das reine Sein am Anfang der Logik als durch die „Geschichte des Bewußtseins in der Phänomenologie des Geistes" entstanden205, d. h. als durch eine Voraussetzung Vermitteltes206. Nach dieser Seite hin hat „dies Absolut-Unmittelbare" als „ebenso absolut Vermitteltes" zu gelten (ibid., 57), — aber auch von einer anderen, noch viel wesentlicheren Seite her, einer dem enzyklopädischen System selbst immanenten201·, denn ebenso, wie dieses 205

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E. Angehrn, a. a. O . , 14. Hegel spricht in der Tat davon, daß sich das reine Sein unter der phänomenologischen Perspektive seiner Voraussetzung als entstanden darstellt (vgl. WL I, 54). „Logisch ist der Anfang, indem er im Element des frei für sich seienden Denkens, im reinen Wissen gemacht werden soll. Vermittelt ist er hiemit dadurch, daß das reine Wissen die letzte, absolute Wahrheit des Bewußtseins ist" . . . etc. (siehe WL I, 53 f). „Die Beglaubigung des bestimmten Inhalts, mit dem der Anfang gemacht wird, scheint rückwärts desselben zu liegen; in der Tat aber ist sie als Vorwärtsgehen zu betrachten, wenn sie nämlich zum hegreifenden Erkennen gehört" (WL II, 489; letzte Hervorhebung v. Verf.).

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Die „Enzyklopädie" als System ideellen Denkens

System, dem Erfordernis seiner methodischen Selbstbegründung gemäß, gerade über eine systemimmanente Vermittlung den Unmittelbarkeitsstatus seiner Anfangswissenschaft ganz allgemein sichert, — und zwar über sein absolutes Systemresultat (siehe oben, 120; Enz, § 574 u. unten, 3.2.3.3.) —, erfährt über dieses Resultat insbesondere auch die erste konkrete Unmittelbarkeitsbestimmung jener Wissenschaft, das ,reine Sein', ihre allgemeine Rechtfertigung ah absoluter Anfang des wissenschaftlich philosophischen Systems überhaupt. Eine weitere innersystematische Vermitteltheit liegt in dieser Bestimmung insofern, als dieser auch noch vom Resultat des rein logischen Systems, von der absoluten Idee her, eine konkrete Rechtfertigung als logisch bestimmter Anfang zukommt (vgl. Enz, § 238; WL II, 504). So ist die mangelnde „Dürre" der Unmittelbarkeit des reinen Seins (s.o., Anm. 156) nicht allein nur negativ aus der Abgrenzung des logisch-spekulativen Systems gegenüber seiner phänomenologischen Vorbereitung erklärt 208 , — d. h. letztlich nur aus der Integration dieser Bestimmung in das ideelle System des Denkens überhaupt, welches sich als ein System zu präsentieren vermag, in dem die ausschließlich einseitige .Bestimmung von entweder Unmittelbarkeit oder Vermitteltheit nirgendwo anzutreffen ist, folglich auch nicht in der Bestimmung seines Anfangs 209 —, sondern wird in diesem System selbst positiv begründet (vgl. WL I, 6), indem dieses aus dem Wissen um seine ganze Entwicklung und seine ganzheitliche-Struktur, aus der absoluten Einsicht in seine ganzheitliche Entfaltung, seine erste Bestimmung als diese „ein"-fache Unmittelbarkeit des reinen Seins gesetzt weiß, d.h. im Resultat seiner Selbstreflexivität sich gerade in dieser Gestalt seinen Anfang vermittelt210. Zu folgern ist hieraus mit Recht, daß „die Logik als 208

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Denn „das reine Wissen gibt nur diese negative Bestimmung, daß er (der Anfang, Verf.) der abstrakte Anfang sein soll" (WL I, 57). Zur wesentlich negativen Bestimmtheit der Beziehung von System und Systemeinleitung siehe oben: 1.3.1.2., 40f einschl. Anm. 57, 98 f. Vgl. dazu oben: 56ff einschl. Anm. 92 u. 93, 92ff einschl. Anm. 156. Vgl. ferner Enz §§: 65, 66, 70, 74, 75 u. 78 (einschl. HZusätze); WL I, 52. Dieses wechselseitige Begründungsverhältnis von Anfang und Resultat im enzyklopädischen System impliziert die Möglichkeit, einerseits den absoluten Systemanfang als eine bestimmte Repräsentanz (die unmittelbarste) des Systemresultats, wie andererseits den Fortgang des Systems nur als eine weitere Bestimmung seines Anfangs und damit auch das absolute Systemresultat nur als eine bestimmte Repräsentanz (die vollständigste) des Systemanfangs zu betrachten (vgl. WL I, 56). Aufgrund dessen zeigt sich die Frage, ob der Anfang der Philosophie nun „entweder als Resultat auf vermittelte, oder als eigentlicher Anfang auf unmittelbare Weise" (ibid., 52) zu nehmen sei — eine ewige Frage des Verstandes, der beide Bestimmungen nicht zusammenzubringen vermag —, im Horizont dieser Systemkonzeption als recht unbedeutend. Viel wichtiger ist vielmehr die Einsicht in die fundamentale Kreisgestalt derselben: „Das Wesentliche für die Wissenschaft ist nicht

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die totale Darstellung des Sichwissens des Geistes von vornherein und von Anfang an im Bewußtsein ihrer eigenen Definition auftritt, daß sie nämlich die Ausführung einer Dimension des Geistes ist, so daß die Logik sich von vornherein und von Anfang an relativiert, d.h. sich im Verhältnis zur ,Natur', zum ,Selbst' oder zum Vollsinn des Geistes begreift" 2 1 1 . Aus dieser innersystematisch wesentlichen Vermitteltheit des Logischen überhaupt geht der logische Anfang selbst nur in der Bestimmung einer scheinbaren Unmittelbarkeit, als Unmittelbarkeit im Sinne eines bewußt voraus-gesetzten Zunächst des Geistes hervor 2 1 2 , welches in Wahrheit aber im ,Vollsinn' des Absoluten der ganzen Wissenschaft gründet, ja als eine Definition dieses Absoluten selbst begriffen werden kann 2 1 3 . Diese Vielfältigkeit an Hinsichten, denen der Anfang der Logik hiermit untersteht: einerseits als die einfache Einheit des Wissens im Resultat der bewußtseinsmäßigen Entwicklungsgeschichte desselben, wie auch als die einfachste (abstrakteste) Bestimmung der höchsten „Reichheit" der ideellen Wissenschaft selbst, der „Reichheit" sowohl der logischen als auch der gesamtwissenschaftlichen Dimension derselben, wie andererseits als das Nichts des absoluten Wissenschaftsanfangs, als diese höchste „Armut", die dort herrscht, wo die Wissenschaft allererst ihren Ausgang nimmt und noch zu keinerlei Bestimmtheit entwickelt ist, — diese Vielfältigkeit findet ihren entsprechenden Ausdruck in der konkreten Ausführung dieses Anfangs selbst, und zwar darin, daß nicht eine tatsächlich nur ein-fache Ein-

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so sehr, daß ein rein Unmittelbares der Anfang sei, sondern daß das Ganze derselben ein Kreislauf in sich selbst ist, worin das Erste auch das Letzte und das Letzte auch das Erste wird" (ibid., 56). Hieraus offenbart sich dann quasi ganz von selbst „die spekulative Natur des philosophischen Anfangs" (ibid., 55), die eine einzig unmittelbare oder vermittelte Gestalt an sich verbietet, und der es somit ein leichtes wird zu erweisen, daß der Anfang der Philosophie „weder das Eine noch das Andere sein könne" (ibid., 51). Puntel, a . a . O . , 178. Vgl. Enz: §§ 17, 238 u. 242; WL II, 4 8 7 - 4 9 0 . „Die Analyse des Anfangs gäbe somit den Begriff der Einheit des Seins und des Nichtseins, — oder in reflektierterer Form, der Einheit des Unterschieden- und des Nichtunterschiedenseins, — oder der Identität der Identität und Nichtidentität. Dieser Begriff könnte als die erste, reinste, d. i. abstrakteste, Definition des Absoluten angesehen werden" (WL I, 59). „Man kann daher wohl sagen, daß mit dem Absoluten aller Anfang gemacht werden müsse, so wie aller Fortgang nur die Darstellung desselben ist, insofern das Ansichseiende der Begriff ist. Aber darum, weil es nur erst an sich ist, ist es ebensosehr nicht das Absolute, noch der gesetzte Begriff, auch nicht die Idee; denn diese sind eben dies, daß das Ansichsein nur ein abstraktes, einseitiges Moment ist. Der Fortgang ist daher nicht eine Art von Uberfluß; er wäre dies, wenn das Anfangende in Wahrheit schon das Absolute wäre; das Fortgehen besteht vielmehr darin, daß das Allgemeine sich selbst bestimmt und für sich das Allgemeine, d.i. ebensosehr Einzelnes und Subjekt ist. Nur in seiner Vollendung ist es das Absolute" (WL II, 489f).

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heit, sondern eine an sich differenzierte und zu differenzierende Einheit, d.h. im Grunde eine Bestimmungsvielheit, den ganzen Anfang der ideellen Wissenschaft stellt: die triadische Begriffsidentität von Sein-Nichts-Werden (vgl. oben, Anm. 156). Als different läßt sich diese Identität nunmehr dahin gehend analysieren, daß sich das Sein als Anfang unter dem Aspekt der wissenschaflichen Unmittelbarkeit seiner vor- wie innerwissenschaftlichen Vermitteitheit und das Nichts als Anfang unter dem Aspekt der wissenschaftlichen Vermitteith eit seiner Unmittelbarkeit erweisen. Beide Bestimmungen so an sich selber vermittelt wie unmittelbar in einem und als gleichsam Anfang der Wissenschaft von identischer Wertigkeit, realisieren den Anfang der Wissenschaft in seiner wahrhaften Gestalt somit als die „ununterschiedene Einheit" ihrer Differenz (vgl. WL I, 58f), als rein identisches Verhältnis absolut Unterschiedener, d.i.: als dia reine, abstrakte Relationalität der ideellen Wissensverfassung an sich; diese aber ist das reine Werden, das in seiner entwickeltsten Form die absolute Idee ist 214 . Bedeutungslos bleibt daher die Erörterung der Frage, ob der Anfang der ideellen Wissenschaft nun mit der Bezeichnung ,Sein' oder mit dem Nichts der Vorstellung des bloßen Anfángs richtiger getroffen sei (vgl. ibid.). Wesentlich ist vielmehr die Einsicht, daß er als Anfang dieser Wissenschaft weder nur das Eine noch nur das Andere, Weder nur ein Vermitteltes noch nur ein Unmittelbares sein kanri, sondern einzig beides auf rein identische Weise; solcherweise aber die idealste Konkretion des Verhältnisses von Vermittlung und Unmittelbarkeit, leistet er die höchste Komprimierung eines Gegensatztyps, der als das methodische Grundprinzip des Wissefischaftssystems der Idee angesehen werden muß — alle weitere Entgegensetzung in den Identitätsverhältnissen dieser Wissenschaft ist „weicher" 215 —, und 214

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„Werden ist der wahre Ausdruck des Resultats von Sein und Nichts, als die Einheit derselben: es ist flicht nur die Einheit des Seins und Nichts, sondern ist die Unruhe in sich, — die Einheit, die nicht bloß als Beiiehung-auf-sich bewegungslos, sondern durch die Verschiedenheit des Seins und Nichts, die in ihm ist, in sich gegen sich selbst ist" (Enz, § 88 HZus). Vgl. überhaupt Hegels Bestimmung von Sein — Nichts — Werden am Anfang der WL: 66f, sowie die entsprechenden §§ der Enz: 86—88. Vgl. Enz, § 88 HZus: „Der Satz: ,Sein Und Nichts ist dasselbeerscheint für die Vorstellung oder den Verstand als ein so paradoxer Satz, daß sie ihn vielleicht nicht für ernstlich gemeint hält. In der Tat ist er auch von dem Härtesten, was das Denken sich zumutet, denn Sein und Nichts sind der Gegensatz in seiner ganzen Unmittelbarkeit ..." Insoweit, als der Gegensatz sich in seinem entwickelten Ganzen wieder in eine solche absolute Identitätsgestalt setzt, wie sie der Anfang ist, nämlich in die Identitätsgestalt des Begriffs, und somit seine ganze (= vollständige) Unmittelbarkeit im Resultat seiner logischen Entwicklung wiederherstellt, wenn auch im Sinne eines absoluten Vermitteltseins seiner mit sich selbst, reproduziert sich diese anfängliche Härte des Denkens noch einmal auf der Ebene der eigentlichen Begriffslogik (vgl. Enz, § 159 H Z u s ; WL II, 412).

Das System der Idee

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qualifiziert sich so als der einzig mögliche und würdige Anfang dieses Systems, von dem her die Systementfaltung in der Tat als eine Entfächerung und weitere Bestimmung dieser komprimierten Gestalt des identischen Denkens in seinem Anfang angesehen werden muß 2 1 6 .

3.2.1.3. Sein - Wesen - Begriff Von ihrem Anfang aus dirimiert sich die logische Idee in ihre Sphäre des Seins, des Wesens und des Begriffs als solchen. Das heißt keineswegs, daß ,Sein', ,Wesen' und »Begriff' nur auf die jeweilige Sphäre ihrer „eigentlichen" Abhandlung beschränkt blieben, weil sie hier möglicherweise eine endgültige Klärung erfahren würden. Vielmehr transponiert sich die Uneindeutigkeit des Anfangs der logischen Idee wie auch deren relative Geschlossenheit absolut auf die Haüptmomente der konkreten Entfaltung derselben, so daß eine jede logische Sphäre sich sowohl an sich selbst thematisch übergreift (der Teil thematisiert das Ganze), als sie auch gerade aus dem Wissen um ihre Verwiesenheit auf diese übergreifende Thematik ihre Eigentümlichkeit zu setzen und sich zu begrenzen versteht (das Ganze thematisiert den Teil). Aus diesem Grunde ist es nicht verwunderlich, wenn über die Bestimmung des logischen Anfangs selbst hinaus auch die be216

Mit diesem Resultat unserer Ausführungen ist die Anfangsproblematik der enzyklopädischen Philosophiekonzeption bei Hegel freilich keineswegs erschöpfend erörtert. Sie ist für unsere Untersuchung auch nur insoweit interessant, als sich mit ihr eine Konkretisierung der Hegeischen Behauptung von der Kreisgestalt der Wissenschaft einholen sowie unsere Behauptung stützen läßt, daß ein jeder Teil der „Wissenschaft der L o g i k " , - und somit auch der Teil ,Anfang mit dem Sein' —, nur über seinen ideellen Kern und vor dem H o r i z o n t des Ganzen der logischen Idee wahrhaft zugänglich wird (vgl. o b e n , 104 f), — d. h. als sich an ihr offenbart, auf welche Weise das System der Idee seinen methodischen Fundamentalstatus schon dort zu realisieren versteht, w o seine Methode selbst allererst ihren Anfang nimmt. Zu einer weiteren Auseinandersetzung mit dieser Problematik sei insbesondere empfohlen: D . H e n r i c h , Anfang und Methode der L o g i k , in: Hegel im Kontext (ders.), 73—94. Ferner: W . Albrecht, Hegels Gottesbeweis (Eine Studie zur Wissenschaft der Logik), Berlin 1958, 51 ff; H . F . Fulda, Ü b e r den spekulativen Anfang, in: Subjektivität und Metaphysik, Festschr. f. W . Cramer, F r a n k f . / M a i n 1966, 1 0 9 - 1 2 7 ; K . Schrader-Klebert, Das Problem des Anfangs in Hegels Philosophie, in: Uberlieferung und Aufgabe 7 (Hrsg. E . Heintel), Wien—München 1969; H . Wagner, Hegels Lehre vom Anfang der Wissenschaft, in: Zeitschr. f. philos. Forschung 23, 3 3 9 — 3 4 8 ; L . Eley, Z u m Problem des Anfangs in Hegels Logik und Phänomenologie, in: Hegel-Studien 6 (1971), 2 6 7 - 2 9 4 ; s . a . die weitere Literatur, die in unserer Erörterung der Einleitungsproblematik der Hegeischen Philosophie angegeben wurde. Z u m Problem dés Anfangs in der Philosophie überhaupt siehe den Artikel: „ A n f a n g " (W. Dupré), in: H a n d b . philos. Grundbegriffe, B d . 1, 7 9 - 9 0 .

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stimmte Unterteilung der Logik eben jener Mannigfaltigkeit von Perspektiven Raum gibt, die an die Ambivalenz der vor- wie innersystematischen Begründungsmöglichkeit des Hegeischen Systems des wissenschaftlichen Denkens anknüpft217. So erscheint aus dem Blickwinkel der ersteren heraus die Logik zunächst nur über ihre bestimmte Integration in das ideelle System des Denkens als die erste Wissenschaft der Idee, d. i. die Wissenschaft der reinen Idee oder der Idee an und für sich (vgl. Enz, §§ 18 u. 19). Dementsprechend kann ihre Unterteilung auch allererst nur aus dieser allgemeinen Idee des Logischen begriffen werden und ist in dieser Hinsicht „etwas Antizipiertes" (ibid., §18); von daher zeigen sich ihre Hauptmomente — fürs erste gewissermaßen unwissenschaftlich — als bestimmte Diremtionen der Idee in der logischen Dimension derselben (vgl. ibid., §§ 15 u. 18 HZus). Wissenschaftlich aber vermag sich die logische Idee als das identische Denken des rein absoluten Gedankens, welcher der Begriff ist, und somit als der Begriff des Begriffs zu begründen. Diese wissenschaftsintern entwickelte Bestimmung der logischen Idee, nach ihrem Begriff der absolute Begriff zu sein, korrigiert' — nunmehr aus dem systemimmanenten Blickwinkel heraus — die anfänglich ideelle Unterteilung der Logik dahin gehend, in ihrer konkreteren Wahrheit die bestimmte Diremtion des Begriffs in der logischen Dimension desselben zu sein 218 . Demgemäß ist das vorwissenschaftliche Verständnis der logischen Hauptmomente der Idee auf das wissenschaftliche Niveau der Idee hin zu ,korrigieren': die „Lehre vom Sein" expliziert danach nicht die Idee des Seins nach Begriffen, sondern den Begriff in der Sphäre des Seins (vgl. ibid., § 84); entsprechend: die „Lehre vom Wesen" den Begriff in der Sphäre des Wesens (vgl. ibid., § 112), die „Lehre vom Begriff" den Begriff in der Sphäre des Begriffs oder als Begriff (vgl. ibid., § 162). Diese Vorstellung der Einteilung der Logik erzeugt das Unrichtige des Nebeneinanders der einzelnen Sphären (vgl. ibid., § 18 HZus). Daß es sich bei dieser Einteilung aber nur um eine relative Differenzierung handeln kann, deutet sich hier im vorhinein jedoch schon dadurch an, daß sich der Begriff in 217

218

Als Produkt einer jener systemexternen Perspektiven muß die Unterteilung der Logik in eine ,objektive' und eine .subjektive' angesehen werden. Diese wird daher auch in der Logikgliederung der „Enzyklopädie" nicht noch einmal wiederholt; denn die spekulative Wissenschaft ist sich über die Nichtigkeit dieser Entgegensetzung an sich im klaren (s. oben, 2 . 2 . 2 . ) . So weiß Hegel schon in der ,Großen Logik' diese Unterteilung mehr aus der Bindung an die philosophische Tradition und aus der Konzession an deren Begrifflichkeit zu explizieren, als sie innersystematisch zu begründen (s. dazu unten, A n m . 225). Diese Duplizität hinsichtlich der Gliederungsmöglichkeit der Logik findet bei Hegel ihren konkreten Ausdruck in E n z , § 83.

Das System der Idee

127

seiner absoluten Bestimmung als die logische Idee überhaupt offenbart und somit seine Diremtion ständig vor dem allgemeinen Hintergrund des bestimmten Prozeßcharakters des identischen Denkens in der spekulativen Wissenschaft vollzieht, d. h. seine Teilmomente nur als relative Fixpunkte dieses Denkens setzen kann; wie andererseits auch die bestimmte ,Präsenz' des Begriffs in einer jeden logischen Sphäre schon verbietet, daß diese Sphären sich gegen dieses Übergreifen des Begriffs letztgültig abzugrenzen und sich damit ihrer bloß relativen Geschlossenheit zugunsten einer absoluten zu entheben vermögen. Die Spezifizierung der logischen Hauptmomente im einzelnen verlangt infolgedessen den steten Blick auf das logische Ganze (vgl. oben, 104f) und wird diese von daher nur in der Verfassung einer relativen Eindeutigkeit vorfinden, die wir als Durchmischung bezeichnen möchten. Vor dem Horizont dieser gesamtlogischen Durchmischung zeigt sich zunächst die ,Lehre vom Sein' als die Dimension des Begriffs, in welcher derselbe seine Bestimmungen nur unter dem Aspekt der begrenzenden Ausschließlichkeit ihrer Differenz setzt. Seine Bestimmungen sind so „seiende, in ihrem Unterschiede Andre gegeneinander" (Enz, § 84), oder auch der Unterschied im wesentlichen Zustand der Indifferenz219. Der Begriff erscheint somit „nur erst an sich" in den Bestimmungen dieser Sphäre 220 , ist als Begriff in dieser selbst jedoch noch nicht entwickelt 221 . Diese Bestim» » Vgl. WL I, Das Werden des Wesens, 387ff. Vgl. WL I, 109; Enz, §§ 83, 84, 238. 221 w e n n diese Sphäre auch „von der spekulativen Idee aus" schon im Grunde als eine Sphäre des „Selbstbestimmens" dieser Idee verstanden werden muß (vgl. Enz, § 238) und sich somit in ihr auch bereits ein „Sichbestimmen des Begriffs" vollzieht (vgl. WL I, 109), d.h. daß die Sphäre des Seins doch eigentlich schon die Entwicklung des Begriffs betreibt und aus diesem Grunde selbst schon „das Sein, das für den Anfang als solchen als abstrakte Affirmation erscheint", in seiner Wahrheit „vielmehr die Negation, Gesetztsein, Vermitteltsein überhaupt und Vorausgesetztsein ist" (Enz, § 238; vgl. auch WL II, 489), so ist das Sichbestimmen des Begriffs in der ganzen Sphäre des Seins jedoch noch nicht ein Sichbestimmen des „als Begriff gesetzten Begriffs" (Enz, ibid.), sondern zunächst nur ein „Heraussetzen und damit Entfalten des an sich seienden Begriffs" (ibid., § 84) und somit an sich selbst (d. h. aus der eigenen Perspektive, nicht von der übergreifenden Perspektive des logischen Resultats her) vors erste nur „das Insichgehen des Seins, ein Vertiefen desselben in sich selbst" (ibid.).

220

Die Möglichkeit dieser doppelten Perspektive hinsichtlich der Begriffspräsenz in der Sphäre des Seins berechtigt zwar in gewisser Weise dazu, die für diese Sphäre charakteristische Begriffsgestalt (Unmittelbarkeit, abstrakte Identität, etc.) von einer „späteren", „höheren" Begriffsentwicklung her abzuleiten; wenn aber, wie es z . B . J. Kopper in seinem Aufsatz „Reflexion und Identität in der Hegeischen Philosophie" (in: I. Fetscher, Hegel in der Sicht der neueren Forschung, 207—235) unternimmt, diese Begriffsgestalt vornehmlich unter dem Aspekt der Gestalt des Reflexionsbegriffs und somit vornehmlich als eine „Manifestation" desselben (ibid., 221) entschlüsselt und begründet werden soll, so

Die „Enzyklopädie" als System ideellen Denkens

128

m u n g e n finden sich daher — als an sich indifferent

gegeneinander — quasi

n u r gegenseitig v o r u n d h a b e n ihre G r e n z e an i h r e m unmittelbaren sein,

Fürsich-

in w e l c h e m sie als an sich G e g e b e n e m sich affirmieren, d . h . ihre

mittelbarkeit

als ihren Begriff s e t z e n . A u f diese W e i s e gleichsam

bare n a c h i h r e m Begriff, sind sie z u n ä c h s t n u r als Verschiedene

Un-

Unmittelunter-

schieden (vgl. W L II, 4 9 0 ) , das W e s e n t l i c h e ihres U n t e r s c h i e d s bleibt aber an ihnen selbst un-begriffen. D e r Begriff stellt sich s o m i t in der Sphäre des Seins n u r erst in den B e s t i m m u n g e n einer allgemeinen

und „ersten"

U n m i t t e l b a r k e i t des G e d a n k e n s dar (vgl. E n z , § 8 3 ) , d. i. die n o c h nicht an sich reflektierte, s o n d e r n allererst an sich reflektierende

Unmittelbar-

keit der D e n k b e s t i m m u n g e n (vgl. W L I, 1 0 9 ) , — u n d z w a r ausschließlich in d i e s e n 2 2 2 . So bleiben a u c h „ n o c h die in sich vermitteltsten B e s t i m m u n g e n der Seinssphäre der U n m i t t e l b a r k e i t v e r h a f t e t " 2 2 3 . A u c h „ d i e reflektierenden B e s t i m m u n g e n des Seins, w i e E t w a s u n d A n d e r e s , o d e r das E n d l i c h e und

222

223

Unendliche,

ob

sie

gleich

wesentlich

aufeinander

hinweisen

wird gerade das Eigentümliche des Un-begriffenen verfehlt, in welchem sich der Begriff auf seiner ersten Entwicklungsstufe vorfindet. Obschon diese Stufe als ein Vorausgesetztes nicht die faktisch erste Dimension des Denkens enthüllt, so ist sie doch als das Erste des Begriffs nach seinem Begriff gerade innerwissenschaftlich wesentlich bestimmt durch ihre wissenschaftliche Unvermitteltheit, — und somit auch durch das Charakteristikum der Unvermitteltheit, d.i. Unmittelbarkeit, ihrer Bestimmungen (vgl. unten, 4.1.2.3.). Obwohl gerade die Sphäre des Seins im ganzen als eine Darstellung des Begriffs in den unmittelbaren Bestimmungen des reinen Denkens auftritt, ist die Bestimmung der Unmittelbarkeit selbst keinesfalls nur auf die Begriffe der Seinssphäre beschränkt, sondern wird als eine Grundbestimmtheit des Denkens überhaupt im ganzen Verlauf der Logik immer wieder aufs neue re-präsentiert. Den jeweiligen Re-Präsentationen entsprechend wandelt sich freilich die Bedeutung dieser Bestimmung: In der Sphäre des Seins meint Unmittelbarkeit die Unmittelbarkeit gegen die Vermittlung. „Unmittelbares ist gleich nur mit sich, frei von Gleichheit mit oder Ungleichheit gegen Anderes" (D. Henrich, Hegels Logik der Reflexion, in : ders., Hegel im Kontext, 95 — 156, 110). In der Sphäre des Wesens aber erfährt diese anfängliche Bedeutung der Unmittelbarkeit eine entscheidende Erweiterung: hier meint Unmittelbarkeit gerade die Unmittelbarkeit der Vermittlung. Wenn zunächst „Vermittlungslosigkeit schlechthin Unmittelbarkeit zu meinen schien", so zeigt sich nunmehr, „daß auch an der Vermittlung Beziehung auf sich auftritt, als die Selbstbeziehung der Negation. Hegel stellt deshalb auch diese Struktur unter den Titel der Unmittelbarkeit. Damit verschiebt sich aber die Bedeutung dieses Begriffes. Aus der ursprünglichen Bedeutung scheidet aus, daß Unmittelbarkeit stets der Vermittlung indifferent entgegengesetzt ist. Es wird durch eine andere Bestimmung ersetzt: Unmittelbarkeit ist ein Charakter suisuffizienter Vermittlung, ein Charakter der Selbstbeziehung" (ibid., HOf). — Vgl. dazu Hegel: „Die Beziehung-auf-sich im Wesen ist die Form der Identität, der Reflexion-in-sich ; diese ist hier an die Stelle der Unmittelbarkeit des Seins getreten; beide sind dieselben Abstraktionen der Beziehuftg-auf-sich" (Enz, § 113). — Henrich leistet im übrigen in seinem Aufsatz auch eine ausgezeichnete Analyse der Entwicklung der Unmittelbarkeitsbestimmung innerhalb der Wesenslogik selbst. E. Angehrn, a . a . O . , 17.

Das System der Idee

129

oder als Sein-für-Anderes sind, gelten als qualitative für sich bestehend; das Andere ist, das Endliche gilt ebenso als unmittelbar seiend und für sich feststehend wie das Unendliche; ihr Sinn erscheint als vollendet auch ohne ihr Anderes" (WL'I, ibid.). Aus diesem Grunde ist die Bestimmung ihres Verhältnisses zueinander auch nicht ein Bestandteil ihrer eigenen Bestimmtheit. Dieses Verhältnis zeigt sich somit auch nur als ein einfaches Übergehen der einen Bestimmung in eine andere 2 2 4 , — als ein Ubergehen, welches „eigentlich die Kategorien selbst nicht in Bewegung bringt; es handelt sich um eine Bewegung, welche an den Kategorien als an eher statischen (weil abstrakten) Elementen verläuft" 2 2 5 . Es gestaltet sich dementsprechend auch nur als 224 225

Vgl.: Enz, §§ 84, 161, 240; WL I, 109. Gerhart Schmidt, Das Spiel der Modalitäten und die Macht der Notwendigkeit (Zu Hegels Wissenschaft der Logik), in: I. Fetscher, Hegel in der Sicht der neueren Forschung, 1 8 8 - 2 0 6 , 191 f. Das Statische an den Bestimmungen des Seins wie auch ihr fester Unterschied bringt diese ganze Sphäre des Denkens in eine gewisse Verwandtschaft zum Denken als Verstand (vgl. Enz, §§ 79 u. 80). Wenn auch noch an den Bestimmungen des Wesens insbesondere die Unvollkommenheit der Verknüpfung von Unmittelbarkeit und Vermittlung in den Vordergrund gerückt wird, so kann sich auch diese Sphäre des Denkens einer gewissen Verstandesnähe nicht erwehren (vgl. ibid. , § 1 1 4 einschl. HZus; ferner auch unten, 208); denn gerade diese Sphäre ist es im Grunde, die es unternimmt, den Unterschied als wesentlich „zu .stabilisieren', die Unterschiedenen wirklich zu bestimmen und sie als solche gegeneinander festzuhalten. In diesem Sinn kann die Wesenslogik ihrem spezifischen Gegenstand nach als Dialektik des Verstandes betrachtet werden" (E. Angehrn, a . a . O . , 48; vgl. dazu unsere obigen Ausführungen unter Anm. 124). Hierin liegt die Möglichkeit, die eigentliche Hegeische Logik, d. i. die Logik der selbstbewußten Vernunft, erst in den Bestimmungen des Begriffs, in der .subjektiven' Logik anzusetzen, sowie die Sphären .Sein' und .Wesen' wegen ihrer Nähe zur Tradition des philosophischen Erkennens, die Hegel im ganzen als eine Tradition des Verstandes klassifiziert, unter dem Titel ,objektive Logik' zusammenzufassen, insofern sie von dieser Tradition her, — der „ewigen" Verstandesdualität entsprechend —, einerseits als Darstellung der Objektivität der Realität (Sein) und andererseits als Darstellung der Objektivität des Denkens und der Reflexion (Wesen) genommen werden können. Die Unterteilung objektive Logik — subjektive Logik erhält so eine historische Komponente, aufgrund welcher die Hegeische Logik dann überhaupt vornehmlich in jenen Blick gerät, „die zeitgemäße Gestalt der Logik aus dem Uberlieferten zu entwickeln" (R. K. Maurer, Hegel und das Ende der Geschichte, 164; vgl. dazu überhaupt WL I, 43—47), wobei dann auch insbesondere der Teil ,objektive Logik' „an die Stelle der vormaligen Metaphysik" (WL I, 46) zu treten und, — da es sich bei dieser vormaligen Metaphysik ganz allgemein nur um Verstandesmetaphysik handelte, die es auf dem' Hegeischen Standpunkt des Geistes zu überwinden gilt —, vor allem eine ,kritische Funktion' für die eigentliche Exposition des ureigensten Anliegens Hegels zu erfüllen scheint (vgl. Puntel, a . a . O . , 74), letzteres sich aber dann rein allererst im Teil .subjektive Logik' zu erkennen gibt. Dieses Verständnis kann nun ζ. B. näher dahin gehend spezifiziert werden, daß etwa — wenn auch „mit einem dialektischen Vorbehalt" (Maurer, a . a . O . ) — „die Lehre vom Sein der vorkantischen Metaphysik, die Lehre vom Wesen der kritischen Philosophie (Kantischer Art; Verf.), die Lehre vom Begriff der Hegeischen Position entspricht" (ibid.; vgl. auch N . Merker,

130

Die „Enzyklopädie" als System ideellen Denkens

ein gleichgültiges Für- und Gegeneinander der Seinsbestimmungen, das deren je eigene Selbständigkeit und Identität mit sich nicht zu berühren scheint. Als Verharren und Behaupten gegen das Bestimmte des Anderen erweist sich diese Gleichgültigkeit

jedoch in Wahrheit als ein bestimmtes

Resultat der Negation des Anderen, als eine bestimmte Negation,

über die

die unmittelbare Eigenständigkeit der Seinsbestimmungen vermittelt wird. Fragen zur Entstehung der Hegeischen Logik, in: I. Fetscher, Hegel in der Sicht der neueren Forschung, 277—287), oder in einer gröberen Ubersicht: daß ,Sein' und ,Wesen' überhaupt nur einer Verstandessphäre des Denkens, dem Bewußtsein, und die Sphäre der Begriffslogik der eigentlichen Vernunftlehre Hegels und somit dem eigentlichen Standpunkt des Selbstbewußtseins zugerechnet werden (vgl. Wolfgang Marx, Spekulative Wissenschaft und geschichtliche Kontinuität, in: I. Fetscher, ibid.), weil sich in der Tat auch im Ubergang der Wesens- in die Begriffslogik eine gewisse Entsprechung zum Verhältnis Bewußtsein — Selbstbewußtsein finden läßt (vgl. Puntel, a.a.O., 200f). Dieser vornehmlich historisch orientierte Gesichtspunkt der Charakterisierung der einzelnen Systemteile der Hegeischen Logik, unter dem sehr leicht der Teil,objektive Logik' nur zu einem Vehikel gerinnt, um die Erhebung des Hegeischen Denkens über bereits in der Geschichte der Philosophie artikulierte Standpunkte des Geistes in einem helleren Licht erscheinen zu lassen (vgl. z.B. E. J . Fleischmann, Hegels Umgestaltung der Kantischen Logik, in: I. Fetscher, a . a . O . , 129—160), kommt jedoch dem durchgängigen Selbstverständnis der Hegeischen Logik nur wenig näher. Diese Logik ist nicht erst in ihrem dritten Teil vernünftig und auch nicht hier erst eine Gestalt des selbstbewußten Geistes, vielmehr hat sie als eine Disziplin der ideelen Wissenschaft schon von vornherein und von Anfang an einen bestimmten Anteil daran. Für sie ist somit auch schon immer der Gedanke eines absolut konstruktiven Unterschieds von Objektivität und Subjektivität aufzugeben (vgl. Puntel, a. a. O., 208; unten, 182ff). So kommt ζ. B. selbst noch in der Begriffslogik (in der vermeintlich „rein" subjektiven Logik) ein Standpunkt des Denkens vor, der wieder eine gewisse Entsprechung zum bloß verstandesmäßigen Denken (zur verständlichen Objektivität) hat, der hier aber gerade nicht einer objektiven Sphäre, sondern einer bestimmten Subjektivität des Begriffs zugeordnet ist (vgl. WL II, 236 u. 239); fernerhin zeigen sich überhaupt auch schon die Inhalte der Begriffslogik einem herkömmlichen Verständnis ihrer selbst unterworfen, womit diese eben auch schon überhaupt als ein Bestandteil der traditionellen Metaphysik, nicht allein als die eigene genialische „Erfindung" Hegels angesehen werden müssen (vgl. Enz, § 162 HZus). Somit lassen sich auch jene Aspekte der Möglichkeit einer definitiven Absetzung von obj. Logik und subj. Logik an der Selbstexplikation der immanenten Systematik dieser Logik nicht endgültig aufrechterhalten. Für diese gilt vielmehr, gerade auf eine grundsätzliche und ihre Gestalt schon äußerlich übergreifende Klärung des Unterschieds „von Subjektivem und Objektivem, der sich späterhin innerhalb der Logik selbst näher entwickeln wird, kein besonderes Gewicht zu legen" (WL I, 47), denn es ist viel wichtiger, diese Logik gerade nicht auf eine bloß äußerliche, etwa historische oder überhaupt systemexterne Genesis ihres Begriffs festzulegen, sondern die ihr einzig immanente Genesis desselben zu entdecken und von dieser her ihre makrologischen Gliederungsprinzipien zu erschließen (vgl. z.B. WL I, 36; WL II, 219). Da sich gerade die vorliegende Arbeit generell den Grundprinzipien der systemimmanenten Entwicklung der Hegeischen Philosophie widmet, soll auch im folgenden kein besonderes Gewicht mehr auf die Unterteilung objektive-subjektive Logik gelegt werden, ebensowenig wie Hegel selbst noch bei der Integration der .Großen Logik' in das enzyklopädische System seiner Philosophie ein Gewicht darauf legte (vgl. oben, Anm. 217).

Das System der Idee

131

Insofern wird ihre Gleichgültigkeit nicht nur einfach und an sich an ihnen vorgefunden, sondern ist als konstitutives Moment ihrer Selbstbestimmung an ihnen selbst gesetzt; damit aber vollzieht sich diese Selbstbestimmung gerade über wesentliches Gleichgültigsein und damit auch über die wesentliche Gleichgültigkeit gegenüber der eigenen Bestimmtheit. Dieser Widerspruch entwickelt sich in der Sphäre des Seins zur Bestimmung der absoluten Indifferenz, die — s o w o h l . . . als auch — „einfache und unendliche negative Beziehung auf sich, die Unverträglichkeit ihrer mit sich selbst, Abstoßen ihrer von sich selbst ist" (WL I, 397; Hervorhebung v. Verf.). Mit der Erlangung seines Begriffs aber hebt dieser Widerspruch sich als ein solcher auf, — und damit auch die Begriffsentwicklung in der Einheit der indifferenten Selbstkonstitution der Denkbestimmungen. Nunmehr behauptet sich die Selbständigkeit einer Bestimmung dadurch, daß sie „nicht mehr nur die indifferente, sondern die in ihr selbst immanent negative absolute Einheit zum Resultate und Wahrheit hat, welche das Wesen ist" (ibid., 392) 226 . Die ,Lehre vom Wesen' ist nicht einfach als eine neue Dimension des Begriffs zu isolieren, wenn es die Seinsbestimmungen auf der Stufe der absoluten Indifferenz selber sind, die an sich selbst den qualitativen „Sprung" des Seins in das Wesen als qualitativen Wandel ihrer Selbstbestimmung begründen und damit das Wesen als eine spezifische Stufe ihrer Weiterentwicklung vermitteln. Die Sphäre des Wesens eröffnet somit die Eigentümlichkeit der ihr angehörenden Begriffsentwicklung in der Reflexion der Voraus-setzung ihrer Bestimmungen, — eine Eigentümlichkeit, die nicht nur ihren logisch systematischen Stellenwert definiert, sondern zugleich das immanente Prinzip ihrer Fortentwicklung, ihren Gegenstand, der sich daher nicht nur aus Rück-sicht auf das Sein als die Reflexion der Voraussetzung derselben ankündigt, sondern auch aus dem Vorgriff auf sich an sich als die Voraussetzung im Reflexionsverhältnis erscheint. Vom ersteren Aspekt her zeigt sich die Entwicklung des Begriffs in der zweiten logischen Sphäre als „Rückgang in die erste, wie die der ersten ein Ubergang in die zweite ist" (Enz, § 241); unter dem zweiten Aspekt offenbart sie sich als die Entwicklung der Wahrheit des Seins227 und somit als die „Bewegung", die „den Übergang vom Sein in den Begriff ausmacht!" (WL II, 5). Solchermaßen dazu bestimmt, als „Mitte zwischen Sein und Begriff (ibid.) nur 226 Vgl. E n Z j § 111: „Das Sein oder die Unmittelbarkeit, welche durch die Negation ihrer selbst Vermittlung mit sich und Beziehung auf sich selbst ist, somit ebenso Vermittlung, die sich zur Beziehung auf sich, zur Unmittelbarkeit aufhebt, ist das Wesen". ™ Vgl. WL II, 3 - 6 ; Enz, § 112 einschl. HZus.

132

Die „Enzyklopädie" als System ideellen Denkens

erst eine vorläufige Stufe der Begriffswahrheit zu stellen, übernimmt die Sphäre des Wesens die Explikation der in der absoluten Indifferenz der Seinsbestimmungen liegenden, zunächst negativen Selbst-Vermittlung des Begriffs, — und zwar als solcher, d . h . einerseits: die Explikation der „ B e ziehung-auf-sich", der Se/¿síbeziehung des Begriffs, seiner Identität als „Reßexion-in-sich", seiner als seiend gesetzten Unmittelbarkeit (vgl. Enz, § 113), andererseits: die Explikation der Selbstvermittlung dieser Identität, der identischen Vermittlung qua Negation unmittelbaren Identischseins. „ D e r ganze zweite Teil der Logik ist" demnach „Abhandlung der wesentlich sich setzenden Einheit der Unmittelbarkeit und der Vermittlung" im identischen Denken (Enz, § 65 HZus; vgl. ibid., § 111). Das Bestimmen in der Sphäre des Wesens ist folglich „anderer Natur als das Bestimmen in der Sphäre des Seins, und die Bestimmungen des Wesens haben einen anderen Charakter als die Bestimmtheiten des Seins" ( W L II, 5), wenn deren „ursprüngliche Selbständigkeit und Identität mit sich" ( W L I, 398) nunmehr an jenen sich als „resultierendes, unendliches Zusammengehen mit sich" (ibid.) erweist: Der Begriff findet nicht mehr nur an sich seine Bestimmungen in einem Unterschied vor, — einem Unterschied, der dem bestimmten Begriff selbst äußerlich und für die Affirmation seiner Bestimmtheit gleichgültig bleibt —, sondern findet die Bestimmtheit seiner Bestimmungen sowohl durch das Bestimmte ihrer jeweiligen Unterscheidung begründet als auch in dieser Bestimmtheit selbst den Grund bestimmter Unterscheidung. Ersteres ist „ n e g a t i v e Beziehung auf sich" ( W L II, 5), Sichbestimmen über das Negieren des Anderen, „reflektierte Identität mit sich" (Enz, § 115); letzteres ist „Abstoßen seiner von sich oder Gleichgültigkeit gegen sich" ( W L I, 5), „absolute Gleichgültigkeit gegen die G r e n z e " der eigenen Bestimmtheit (ibid.), „sich auf sich beziehende Negativität" (Enz, § 1 1 6 ; Hervorhebung v. Verf.) und damit Setzen des Unterschieds 2 2 8 . Der Begriff ist in dieser Dimension somit in jeder Hinsicht — sowohl im Verhältnis seiner Bestimmungen als auch in seiner jeweiligen Bestimmung selbst — in der Gestalt einer negativen Selbstbeziehung und eines negativen Sichbestimmens 2 2 9 . Aus diesem Grunde entwickelt die Sphäre des Wesens in ihrer Allgemeinheit den reinen Gedanken ausschließlich in der bestimmten Negativität, zu welcher sich dieser dort bestimmt, wo er in seinen Momenten nur die Identität wesentlichen Andersseins vermittelt und diese Vermittlung 228 Vgl. g Angehrn, a. a. O . , 36: „Für das Wesen ist entscheidend, daß es nicht ,den Unterschied als äußerlichen', nur durch äußere Reflexion bestimmten, an sich hat, sondern daß seine Bestimmtheit ihm in eigener Instanz zuerkannt wird". 229

Vgl. E. Angehrn, ibid., 37.

Das System der Idee

133

als seine eigentliche Identität reflektiert, — oder auch den reinen Gedanken ausschließlich „in seiner Reflexion und Vermittlung" (Enz, § 83) 2 3 0 . Dem inhäriert die Entwicklung eines Begriffsverhältnisses, in welchem das eine Moment nicht mehr vom anderen bloß überhaupt verschieden ist, sondern in seinem Unterschied zum anderen die Bestimmung des anderen ebenso vermittelt wie seine eigene. „Der Unterschied des Wesens ist daher die Entgegensetzung, nach welcher das Unterschiedene nicht ein Anderes überhaupt, sondern sein Anderes sich gegenüber hat; d.h. jedes hat seine eigene Bestimmung nur in seiner Beziehung auf das Andere, ist nur in sich reflektiert, als es in das Andere reflektiert ist, und ebenso das Andere; jedes ist so des Andern sein Anderes" 231 .

Auf diese Weise wird — entgegen dem Begriffsverhältnis in der Seinssphäre — in den Bestimmungen des Wesens das Verhältnis selbst der bestimmten Begriffe zueinander wie auch das jeweils Andere des einen Begriffs ein wesentlicher Bestandteil je eigener Bestimmtheit. Die Bestimmtheiten des Wesens sind somit an sich selbst bestimmt als ,,Scheinen in Anderes" (Enz, § 161; Hervorhebung v. Verf.), wie ihre bestimmte Entwicklung als das entwickelte „Scheinen in dem Entgegengesetzten" (ibid., §240) bestimmt ist; der Schein ist so „das eigene Setzen des Wesens" (WL II, 7) 2 3 2 . Folglich haben die wesentlichen Bestimmungen des Begriffs, „so sehr sie auch als isoliert seiend genommen werden, zugleich keinen Sinn ohne einander; es ist an ihnen selbst ihr Scheinen ineinander, das Scheinen seines Andern in jedem, vorhanden" (WL I, 109). Indem aber so ein jeder Begriff in dieser Sphäre „augenblicklich seinen Gegenbegriff auf den Plan ruft" 2 3 3 , besteht hier nicht das Problem wie in der Sphäre des Seins, die Begriffsbestimmungen aus ihrem statischen Gegeneinander überhaupt in Bewegung zu bringen, sondern vielmehr die unruhige Bewegung

230

231

232 233

Zum Begriff der ,Reflexion' und seiner ambivalenten Bedeutung bei Hegel siehe oben, Anm. 124. Dadurch daß das reine Denken in seiner wesentlichen Dimension weniger den Aufweis seiner Bestimmungen als vielmehr die Vermittlungsstruktur seiner selbst (d.h. die Relationalität des spekulativen Wissens als Relationalität) als seinen eigensten Gegenstand erkennt, vermag diese Dimension bereits als der Ort aufzutreten, an dem die eigentliche Explikation der Dialektik vollzogen wird und der somit „an sich schon die Idee ist" (Enz, § 241; vgl. unten, 143f). Enz, § 119; vgl. auch ibid., § 116 HZus: „Das Anderssein ist hier nicht mehr das qualitative, die Bestimmtheit, Grenze; sondern als im Wesen, dem sich auf sich beziehenden, ist die Negation zugleich als Beziehung, Unterschied, Gesetztsein, Vermitteltsein". Vgl. auch Enz, § 112 einschl. HZus u. § 114. G. Schmidt, a . a . O . , 192.

134

Die „Enzyklopädie" als System ideellen Denkens

derselben aufzuhalten, die Bestimmungen zu fixieren 234 . Das Wesen ist zwar „der Begriff als gesetzter Begriff", seine Bestimmungen sind jedoch nur „relative, noch nicht als schlechthin in sich reflektiert"; sie sind „die Beziehung auf sich selbst, nur indem sie Beziehung auf Anderes sind, das aber unmittelbar nicht als Seiendes, sondern als ein Gesetztes und Vermitteltes ist" (Enz, § 112). Aus diesem Grunde nur erst ein relatives Sichbestimmen des Begriffs ermöglichend und nur erst die negative Identität desselben in einer jeden einfachen Bestimmtheit setzend, — d.h. die Vermitteltheit der Begriffsbestimmungen ihrer Unmittelbarkeit gegenüber dominieren zu lassen —, realisiert das Wesen an sich eine „noch unvollkommene Verknüpfung der Unmittelbarkeit und der Vermittlung" des Gedankens (ibid., §114). Dessen am Begriff als unmittelbar seiend vorgefundener Widerspruch von Identität qua Nichtidentität ist in ihm nur gesetzt (vgl. ibid.), am Begriff als wesentlich reflektiert, noch nicht die wesentliche Reflexion des Begriffs selbst, noch nicht der absolute Widerspruch als Wirklichsein des Begriffs. Das Wesen vermeidet in seinen Bestimmungen eine jede „bestimmte Einfachheit" oder „einfache Bestimmtheit" (WL II, 205), weil diese der allein relationalen Wahrheit, die es für die reinen Denkbestimmungen des spekulativen Wissens als wesentlich erkannt hat, entgegenzustehen scheinen. So wird es wegen der Unbestimmtheit seiner Begriffsbestimmungen, wegen der bloß relativen Gültigkeit seiner Begriffe, für die Begriffsentwicklung selbst un-wesentlich und Ubergehen in eine Sphäre, in welcher der Begriff seine Bestimmtheit sich in einem solcherart identischen Selbstbezug zu geben versteht, der als Re-Präsentation seiner sowohl unmittelbaren wie relationalen Voraussetzung die absolute Gültigkeit einer bestimmten Begriffsgestalt ermöglicht. Diese Sphäre ist die Sphäre des Begriffs als Begriff. Ebenso wie die Sphäre des Wesens ist auch die dritte logische Sphäre, die , Lehre vom Begriff, durch die Ambivalenz gekennzeichnet, auf der einen Seite als der Grund ihrer Voraussetzungen die vorangegangenen Begriffsbestimmungen erneut zu reflektieren 235 , wie auch auf der anderen Seite die stringente Weiterentwicklung derselben zu betreiben; und ebenso wie beim Wesen offenbart sich in dieser Ambivalenz auch hier nicht nur eine 234 235

Vgl. Schmidt, ibid. In Beziehung auf das Wesen vgl. z. B. Enz, § 114 HZus: „Es kommen in der Entwicklung des Wesens, weil der Eine Begriff in allem das Substantielle ist, dieselben Bestimmungen vor als in der Entwicklung des Seins, aber in reflektierter Form"; in Beziehung auf den Begriff vgl. z. B. ibid., § 171 HZus: „In Beziehung auf die beiden vorhergegangenen Sphären des Seins und Wesens sind die bestimmten Begriffe als Urteile Reproduktionen dieser Sphären, aber in der einfachen Beziehung des Begriffs gesetzt".

Das System der Idee

135

formal methodische Eigentümlichkeit der Begriffsentwicklung auf einer bestimmten Stufe, sondern die immanente Wesentlichkeit der eigentlichen Begriffsdimension selbst (d.i. die Dimension des sich begreifenden Begriffs). Insofern sich die vorhergehenden logischen Bestimmungen des Seins und des Wesens nicht nur als „bloße Gedankenbestimmungen" sondern bereits als Begriffe erwiesen haben (vgl. Enz, § 162 HZus), liegt es in der Sache der Logik selbst, daß die eigentliche Begriffsexplikation eine Rückschau auf das Begriffliche dieser Bestimmungen leisten können muß. Sie ist dazu aber eben nicht nur „überhaupt" imstande, d . h . etwa nur aufgrund dieser zunächst bloßen Äußerlichkeit, daß die Präsenz des Begriffs in einer jeden Dimension der Logik allgemein und „irgendwie" bestimmt „gegeben ist" — eine Rückschau unter allein diesem Aspekt leistete nichts als eine Rekapitulation bereits überholter Begriffsgestalten, unter Hinzuziehung des Aspekts der Fortentwicklung des Begriffs: nichts als eine bloße Deduktion des vollkommenen Begriffs aus seinen unvollkommenen Voraussetzungen (vgl. ibid., §159 HZus) —, vielmehr erkennt sie in diesen Voraussetzungen wesentliche Setzungen des Begriffs selber und bestätigt diese damit für die sich bestimmende Begriffstotalität gerade nicht als überholte, sondern als in dieser Totalität sich einholende Momente des Begriffs. Der Begriff kommt somit in den Bestimmungen seines absoluten Sichbegreifens sowohl zu einer Affirmation der Unmittelbarkeit des Seins wie auch zu einer Affirmation der Vermittlung des Wesens: erstere verliert nunmehr, da sie als ein bestimmtes Moment der Begriffsentwicklung begriffen wird, absolut den Schein einer einfachen Unmittelbarkeit und zeigt sich als die in diese bestimmte Form der Unmittelbarkeit vermittelte, als die in Wahrheit vermittelte Unmittelbarkeit der logischen Idee 2 3 6 ; letztere verliert durch das nunmehr positive Verhältnis des Begriffs zu seinen Diremtionen ihren nur negativ bestimmten Charakter und zeigt sich als die bestimmte Negation des Begriffs, in welcher derselbe gerade nicht auf seine Bestimmtheit Verzicht leistet, indem er sich ständig nur als deren Anderes zu begreifen sucht und somit als bestimmter Begriff relativiert, son236

Daß hier tatsächlich die Wahrheit der Unmittelbarkeit des Seins begriffen wird und nicht eine neue Bestimmung dieser Sphäre hinzukommt, erhellt daraus, daß diese Sphäre schon in der Statuierung ihrer selbst nicht auf eine einfache Unmittelbarkeit des Gedankens rekurrieren konnte, — sowohl nicht aufgrund dessen, daß sie Resultat des .absoluten Wissens' wie auch die erste wissenschaftliche Gestalt des selbstbewußten und vernünftigen Geistes ist, als auch aufgrund der absoluten Indifferenz ihrer eigenen Bestimmungen, welche sich in ihrer Entwicklung selbst als die bestimmte Form einer bedingten Verhältnismäßigkeit des Begriffs entfaltet, d . h . : welche letztenendes der Begriff des bestimmten Vermittlungsverhältnisses ihrer „unmittelbaren" Bestimmungen untereinander ist.

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Die „Enzyklopädie" als System ideellen Denkens

dem in welcher er durch das bestimmte Negieren des Anderen seiner selbst gerade seine Bestimmtheit gewinnt und diese auch gegen das Andere behauptet, indem er so die Vermitteltheit, die an ihm ist, unmittelbar in eins setzt mit der identischen Bestimmtheit, mit dem Identischsein seiner selbst; — die bloß relative Bestimmtheit der wesentlichen Bestimmungen zeigt sich somit in Wahrheit als die absolute Bestimmung der unmittelbaren Wesentlichkeit (d. i. die an sich seiende Relationalität spekulativer Wissensgehalte) 237 , oder auch: als die Methode absoluter Bestimmung 238 . Auf diese Weise „die Wahrheit des Seins und des Wesens" in der Dimension seiner eigentlichen Entwicklung offenbarend 239 , ist der Begriff „in Beziehung auf Sein und Wesen so bestimmt, das zum Sein als einfacher Unmittelbarkeit zurückgegangene Wesen zu sein, dessen Scheinen dadurch Wirklichkeit hat, und dessen Wirklichkeit zugleich freies Scheinen in sich selbst ist. Das Sein hat der Begriff auf solche Weise als seine einfache Beziehung auf sich oder als die Unmittelbarkeit seiner Einheit in sich selbst" (ibid., § 159 HZus). Als diese Einheit ist er „die Selbständigkeit, welche das sich von sich Abstoßen in unterschiedene Selbständige, als dies Abstoßen identisch mit sich, und diese bei sich selbst bleibende Wechselbewegung nur mit sich ist" (ibid., § 158; vgl. auch ibid., § 159). Damit birgt er in seiner eigensten Entfaltung all das, was für die Entwicklung der beiden vorausgegangenen Sphären des reinen Gedankens charakteristisch war, — sowohl die Selbständigkeit der Bestimmungen desselben als auch das bestimmte Miteinander ihres gegenseitigen Sichabstoßens —, erkennt beides aber nunmehr als die Einheit und in der Einheit einer bestimmten wie bestimmenden Identität seiner selbst 240 . So gelangt er nach der Unrast seiner sich nur negativ erschließenden Bestimmtheit im Wesen, die dann, wenn sie nur ausgesprochen war, immer schon das Andere ihrer selbst meinte, wieder zu einer „einfachen" Gestalt, in welcher er sich allein in Beziehung-auf-sich bestimmt weiß, d.h. in welcher er seine Seinsverfassung wiederherstellt; diese ist als wiederhergestellte allerdings von ganz anderer Qualität als seine anfänglich scheinbar unmittelbare: der Begriff ist danach das „wiederhergestellte Sein, aber als die 237

Die absolute Bestimmung der absoluten Wesentlichkeit wird erst in der „Philosophie des Geistes", dem dritten Teil der „Enzyklopädie" geleistet: vgl. Enz, ξ 377. 238 Aufgrund dieser Wahrheit der Wesenssphäre des Begriffs bietet sich die Möglichkeit an, das Wesen schon als den Ort anzusehen, an dem das Methodische der Dialektik eigens expliziert wird, obwohl die Dialektik allererst auf der entwickeltsten Stufe des Begriffs als die Methode der philosophischen Wissenschaft begründet werden kann; vgl. oben, Anm. 230 u. unten, 143 f. 239 Vgl. Enz, § 159 einschl. HZus; WL II, 213f, 235 u. öfter. 240 vgl. Puntel, a . a . O . , 202ff.

Das System der Idee

137

unendliche Vermittlung und Negativität desselben in sich selbst" (WL 11,235; Hervorhebung v. Verf.). Diese Begriffs Verfassung ist Resultat dessen, daß der Begriff ebenso die Wiederherstellung des Wesens leistet: denn als Sich-bestimmen (wenn auch „ n u r " in Beziehung-auf-sich) enthält er wie dieses das Negieren seiner bloß einfachen Bestimmtheit und das Wesentlichsetzen seiner relativen Identität, ist jedoch als erneutes Negieren, als „zweite Negation" (ibid.), als nicht mehr unmittelbar negatives Selbstverhältnis, Affirmation dieser seiner Relativität (wesentlichen Vermitteltheit) und somit Manifestation seiner positiven Identität (Unmittelbarkeit) in der relationalen Bestimmung seines Seins, d.h. gegenüber seiner bloß wesentlichen Dimension: Ausdruck der vollkommenen Verknüpfung der Unmittelbarkeit und der Vermittlung des reinen Gedankens. Er stellt diesen „in seinem Zurückgekehrtsein in sich selbst und seinem entwickelten Bei-sich-sein" (Enz, § 83) dar und erhebt ihn damit aus seiner bloß relativen Wirklichkeit in die wirkliche Relationalität seiner bestimmten Begrifflichkeit, welche seine Freiheit ausmacht, insofern als in ihr der Ausschluß einer jeden Fremdbestimmtheit absolut gegeben ist: „Der Begriff ist das Freie, als die für sie seiende substantielle Macht, und ist Totalität, indem jedes der Momente das Ganze ist, das er ist, und als ungetrennte Einheit mit ihm gesetzt ist; so ist er in seiner Identität mit sich das an und für sich Bestimmte" (ibid., § 160).

Der Begriff, auf diese Weise das Freie (Unmittelbare) wie das an und für sich Bestimmte (absolut Vermittelte) als Unmittelbar-Eines, ist in seiner Entwicklung in der dritten logischen Sphäre daher nicht mehr allein durch das Setzen, sondern auch durch das Sich-Setzen (= Verharren) des Widerspruchs in einer jeden Einzelnheit bestimmter Begriffsmomente gekennzeichnet 241 , oder anders: diese Entwicklung ist ebensowohl Abstraktion — von wie auch Konkretion der allgemeinen Identität der an und für sich seienden Differenz, welche sich im Begriff der spekulativen Wissenschaft Gestalt gibt (vgl. oben, 94). Die Bestimmungen des Begriffs sind daher hier weder nur Abbreviationen seiner an sich relationalen Wahrheit (wie im Sein), noch nur negative Derivationen aus seiner allein wahr seienden Relationalität (wie im Wesen), sondern jeweilige Präsentationen des ganzen Begriffs, die sich nur darin unterscheiden, daß sie jeweils bestimmte Hinsichten ihrer an und für sich seienden Begriffstotalität herausstellen und 241

Vgl. Enz, § 33 HZus: „Allein der Begriff als Konkretes und selbst jede Bestimmtheit überhaupt ist wesentlich in sich selbst eine Einheit unterschiedener Bestimmungen. Wenn die Wahrheit also weiter nichts wäre als der Mangel des Widerspruchs, so müßte bei jedem Begriffe zuerst betrachtet werden, ob er nicht für sich einen solchen innern Widerspruch enthalte".

138

Die „Enzyklopädie" als System ideellen Denkens

somit vorrangig explizieren; dem inhäriert, daß in dieser Sphäre an und für sich kein Unterschied vorhanden ist. Die Unterschiede des Begriffs „sind

selbst der ganze Begriff; in ihrer Bestimmtheit allgemeine, und identisch mit ihrer Negation" ( W L II, 235). Aus diesem Grunde dirimiert sich hier der Begriff auch eigentlich nicht mehr in differente Momente; seine Diremtion gelangt nur zu jener scheinbaren Differenz, „welche in dem Unterschied des Einzelnen und Allgemeinen als vollkommener Gegensatz erscheint, der aber so sehr Schein ist, daß, indem das eine begriffen und ausgesprochen wird, darin das Andere unmittelbar begriffen und ausgesprochen ist" (ibid., 219; letzte Hervorhebung v. Verf.). Das Verhältnis der „unterschiedlichen" Begriffsbestimmungen betreibt folglich nicht mehr die Entwicklung des Begriffs im eigentlichen Sinne des Wortes, sondern expliziert seinen Zustand als entwickelten Begriff, ist „Bestandsaufnahme" der Entwicklung des Begriffs, — als solche aber gerade die wahrhafte Entwicklung desselben, nämlich: Re-Konstruktion der vorangegangenen logischen Stufen unter dem Aspekt ihrer Integration in die sich explizierende Totalität des Begriffes selbst 2 4 2 ; es ist nicht mehr die Bewegung des Unterschieds, sondern die Manifestation von dessen immanentem Widerspruch, Manifestation der Unterschiedenheit (nunmehr als Unterschiedenheit des Einzelnen und der Allgemeinheit), „welche sich als solche in das von ihr Unterschiedene kontinuiert und als Identität mit ihm ist" (Enz, § 2 4 0 ) 2 4 3 . Diese identische und kontinuierliche Fortbestimmung seiner selbst erzielt der Begriff, indem „das Unterschiedene unmittelbar zugleich als das Identische miteinander und mit dem Ganzen gesetzt, die Bestimmtheit als ein freies Sein des ganzen Begriffes ist" (ibid., § 161). Diesen Begriff seines Selbst hat der Begriff am Anfang seiner eigentlichen Entwicklungssphäre zunächst nur ganz abstrakt, insofern dieser noch in Absehung von der ihm selbst eigenen Entfaltung als Begriff, allein als Wird diese Totalität als die Kategorialität des spekulativen Standpunktes des Denkens angesprochen, so läßt sich dieser Systemzusammenhang, den der Begriff in der Sphäre seiner absoluten Bestimmung herstellt, auch so ausdrücken, daß „die begriffsverbindende P r o gression eine Rekonstruktion aller kategorialen Begriffe unter der Voraussetzung und schließlichen Demonstration ihrer Kategorialität ist. Der abschließende Grund der kategorialen Begriffe ist die Kategorialität selbst als Fülle der kategorialen Unterscheidungen, die zu seiner Aufstellung in ihn eingegangen (in ihm ,aufgehoben') sind" (K. Hartmann, Die ontologische Option, in: ders. (Hrsg.), Die ontologische Option, 1-30,4). 243 Vgl. E . Angehrn, a . a . O . , 71: „In der gegenseitigen Transparenz und Klarheit realisieren die Momente von Allgemeinheit, Besonderheit und Einzelheit die spezifische Einheit des Begriffs, in welcher sie sowohl ihre Untrennbarkeit voneinander wie ihre jeweilige Identität mit dem Ganzen erweisen". 242

Das System der Idee

139

das allgemeine Reflexionsresultat seiner Voraussetzungen bestimmt ist (vgl. W L II, 229f). Er ist so zunächst nur die innere Wahrheit der Momente, die er für sich voraussetzt, — als Manifestation des identischen Denkens entwickelt: zunächst nur dessen innere Wahrheit, die Wahrheit einer wenn auch absoluten, so doch nur absolut subjektiven Selbsterschlossenheit desselben. Damit reduziert der Begriff aber seine Voraussetzungen auf ein nur inneres, nur subjektives Prinzip seiner Hervorbringung und nimmt ihnen auf diese Weise den Status, reale Voraussetzungen seiner selbst zu sein. Da er diese aber gerade als letztere affirmiert, indem er das Wahrhaftsetzen derselben mit der Konkretion der ihm eigensten Bestimmungen identifiziert — anderenfalls wären diese Voraussetzungen nur ein heuristisches Prinzip zum Zwecke der „objektiven" Geltung des Begriffs als der Gestalt des logischen Denkens —, inhäriert der subjektiven Erfassung seiner selbst über diese die Entwicklung der objektiven Geltung seiner Setzungen überhaupt. So birgt die absolute Bestimmung der subjektiven (abstrakten) Geltung des Begriffs unmittelbar die Einsicht in die Einseitigkeit und Unvollständigkeit derselben und damit zugleich die absolute Bestimmung der objektiven (wahrhaft konkreten) Geltung desselben, seiner Realität 244 . Inso244

Daß der Begriff in der Bestimmung seiner Realität sich nicht nur selbst zur Sache seines Begreifens macht und damit als Realität nicht allein in der Immanenz einer bloß subjektiven Erkenntnisverfassung des Geistes verbleibt, sondern mit dieser Bestimmung in eins die „an- und fürsichseiende Sache selbst" (WL II, 236) in ihrer Realität begreift, diese Einheit von subjektiver wie objektiver Geltung des Begriffs ist schon überall dort Gegenstand unserer Erörterungen geworden, wo der wissenschaftliche (d. i. allein der spekulative) Standpunkt des Denkens und mit ihm die Grunddisposition der Wissensverfassung im Horizont der enzyklopädischen Systemkonzeption der Philosophie bei Hegel thematisch wurden; denn „Hegels Affirmation der Geltung des Begriffs von dem, was etwas ist und, umfassend, von dem, was ist, ist eins mit dem spekulativen Standpunkt', der es gestattet, eine Begriffsuntersuchung als Seinsuntersuchung anzusehen, ohne eine das Erkenntnisergebnis mitbestimmende Beziehung zwischen faktischem Subjekt und Objekt — den , Gegensatz des Bewußtseins' — in Rechnung stellen zu müssen" (K. Hartmann, a . a . O . , 2). — (Nach Hartmann sind die Begriffe, die tatsächlich als Einheit von Begriff und Sein gefaßt werden können, Kategorien im Hegeischen Sinne: vgl. ibid. 2 f; dazu W L II, 233 f. Zur Einheit von Begriff und Sache bei Hegel siehe ferner: Puntel, a. a. O . , 250; H. Glockner, Der Begriff in Hegels Philosophie, in: Heidelberger Abhandlungen zur Philosophie und ihrer Geschichte 2, Tübingen 1924.) — Insofern erübrigt es sich, hier noch einmal spezifisch auf die Sachhaltigkeit der logischen Kategorie .Begriff' eigens einzugehen, wo doch einerseits für den ganzen Verlauf der wissenschaftlichen Explikation des Denkens die Sachhaltigkeit der Begriffsgestalt desselben überhaupt und generell vorausgesetzt und als diese Voraussetzung bereits ausgeführt wurde, als andererseits auch Hegels allgemeine Re-Duktion der philosophischen Erkenntnis auf den Begriff dessen Sachhaltigkeit allererst im ganzen Verlauf dieser Explikation, d.h. letztenendes erst im Resultat der „Enzyklopädie", absolut offenbart. So seien hier nur einige Textstellen exemplarisch angemerkt, an denen dieser allgemeine Begriff vom Begriff bei Hegel seinen Ausdruck wie die Abgrenzung gegen sein

140

Die „Enzyklopädie" als System ideellen Denkens

fern der Begriff aber in der Sphäre seiner absoluten Bestimmung sich nur in Momente von solcher Art dirimiert, die an und für sich der ganze Begriff sind, ist die Unterscheidung von einer subjektiven oder objektiven Verfassung der Begriffsbestimmungen auch an und für sich nichtig. Uber die Nichtigkeit dieser Unterschiedenheit erkennt der Begriff sich schon überhaupt als Begriff adäquat begriffen. Dieser sich adäquate Begriff ist die Idee als reine Idee (vgl. WL II, 237 u. 407), die durch die Unterschiedenheit von subjektiver wie objektiver Bestimmtheit absolut entwickelte und bestimmte Identität des abstrakten Begriffs und seiner Realität, die ebensowohl die Wahrheit des Begriffs als auch den Begriff der Wahrheit überhaupt stellt 245 . In dieser seiner wahren Gestalt erfaßt der Begriff die ganze Breite seiner logischen Entwicklung als die entwickelte Identität seiner bestimmten Unterscheidungen in der Allgemeinheit ihres Unterschieds. So kann er in seiner absoluten Bestimmung als Idee als Inbegriff des Entwicklungsprinzips des identischen Denkens überhaupt auftreten und ist als solcher nicht nur die wahrhafte Eröffnung der logischen Methode desselben, sondern darüber hinaus die allgemeine Eröffnung der Methode der ganzen Wissenschaft dieses Denkens 246 .

245

246

gewöhnliches Verständnis findet: WL I, 1 3 - 1 9 , 42f; Enz, § 9 HZus, § 65, § 162 HZus; Rph, § 1 HZus; Phän, 49f, 562. Zu dieser ganzen Entwicklung des Begriffs in der dritten logischen Dimension vgl. die übersichtliche Kurzfassung Hegels: WL II, 236f. Daß die absolute Idee als die Konkretion des Rein-Identischen des Denkens all das einlöst, was für wahrhaftes Denken und für die wissenschaftliche Entfaltung desselben gefordert werden muß, — die Adäquation von Subjekt und Objekt, von Form und Inhalt des Gedankens, von Methode und Gegenstand, die Vernünftigkeit, das Selbstbewußtsein der Selbstreflexivität des Denkens in der Sache, die Relationalität des Wissens und des Gewußten etc. —, ist schon in unserer Statuierung der spekulativen Wissenschaft und in der Explikation ihres Geltungsanspruchs als Wissenschaft der Wahrheit ausführlich erörtert worden (vgl. die obigen Punkte: 2.2.2.2., 3.—3.1.). Dabei erfolgte bereits eine Darstellung dessen, was bei Hegel der Bestimmung ,Idee' inhäriert, so daß hier darauf verzichtet werden kann, die Bestimmtheit des Begriffs als Idee weiter auszuführen. Zu der Frage, ob die absolute Idee als Inbegriff des Logischen nun als eine „Fülle" oder als eine „Abstraktion" zu nehmen sei, siehe die zur Diskussion dieser Frage bei K. Hartmann angegebene Literatur a. a. O . , 4f Anm. 12. Wir berühren diese Frage nicht eigens, weil die von uns herausgearbeitete ideelle Grundverfassung aller Bestimmungen der Hegeischen Philosophie es überhaupt nirgendwo gegeben sein läßt, daß der Opposition von Abstraktion und Fülle irgendwo in dieser Philosophie eine besondere Bedeutung zukommt; ganz abgesehen davon, daß schon überhaupt Hegels Begriff von Abstraktheit nichts mit Inhaltslosigkeit zu tun hat (vgl. oben, 114), sei hier noch einmal daran erinnert, daß die Philosophie, so wie Hegel sie versteht und konzipiert, es „mit bloßen Abstraktionen oder formellen Gedanken ganz und gar nicht zu tun hat, sondern allein mit konkreten Gedanken" (Enz, § 82 HZus).

Das System der Idee

141

3.2.1.4. Allgemeine Prinzipien der Einteilung der Logik Die übergreifende Eröffnung der zunächst rein logischen Entwicklung des identischen Denkens, die der Begriff in seiner letzten Bestimmung als absolute Idee anbietet, offenbart, daß diese Entwicklung in der Tat eine konkrete Weiterbestimmung der Seinsverfassung geleistet hat, die sich am wissenschaftlichen Anfang dieses Denkens als für wahrhaftes Wissen konstitutiv erwies, und somit dem Konzeptionsprinzip von Wissenschaft voll gerecht wird, das sich mit diesem Anfang begründete. Sein, Wesen und Begriff, die Hauptmomente dieser Entwicklung, zeigen sich keinesfalls in der nur endlichen Gestalt eindeutiger Bestimmtheiten und endgültig gegeneinander abgegrenzt, vielmehr in ihrer Eigentümlichkeit untereinander wesentlich bestimmt durch die uneindeutige und relative Differenz, in welcher das spekulative Denken die Realisierung seiner un-endlichen Selbstvermitteltheit setzt und diese konkrete Selbstvermittlung verfaßt, — eine bestimmte Verfassung, die von uns als Durchmischung gekennzeichnet wurde (s. oben, 127): so ist der Begriff des Seins nicht schon in der Seinslogik überhaupt begriffen und auf diese logische Sphäre beschränkt, sondern allererst in der Sphäre des Wesens wahrhaft gesetzt, ja im Grunde allererst in der Sphäre des Begriffs wiederhergestellt; auch das negative Verhältnis der Unmittelbarkeit und der Vermittlung im Wesen erfährt seine positive Begründung allererst in der Begriffslogik, wie das Wesen auch andererseits nichts anderes ist als das Wahrhaftsetzen des Seins; ebenso übergreift der Begriff als die Wahrheit des Seins und des Wesens die Explikation seiner eigentlichen Bestimmungen und enthält als solchermaßen Affirmation seiner unwahren Voraussetzungen die Diremtion seiner selbst in Dimensionen des Denkens, die außerhalb seiner eigentlichen Bestimmung liegen. Aufgrund dieser gesamtlogischen Durchmischung einer jeden logischen Sphäre erscheint es nicht verwunderlich, wenn Hegel eine Mannigfaltigkeit übergeordneter Einteilungsprinzipien der Logik und unterschiedlicher Gewichtungen ihrer Hauptmomente anbietet, und wenn diese sich alle als ebenso richtig wie auch falsch erweisen 247 ; richtig sind sie

247

Für einen logischen Schematismus ist demnach keinerlei Raum gegeben. Daraus folgt, daß auch für das logische Gerüst der realsystematischen Sphären der „Enzyklopädie" von der Logik her kein fertiges Schema angeboten ist, das nur einfach zu übertragen wäre; vielmehr wird es erforderlich, auch in einer jeden dieser Sphären die je spezifische Modifikation der begrifflichen Grundelemente aufzudecken und somit allererst das logische „Schema" zu erstellen, nach welchem sich diese Sphären jeweils verbindlich strukturieren (vgl. unten, 149f u. Anm. 265).

142

Die „Enzyklopädie" als System ideellen Denkens

solange, als sie sich der relativen Berechtigung ihrer Unterscheidungen bewußt bleiben, falsch dann, wenn sie sich als absolut berechtigt verstehen, d.h. ihre Unterscheidungen verabsolutieren. Einige dieser Prinzipien beruhen auf der Unterscheidung der inhaltlichen von der formalen Seite der Logik 2 4 8 . So findet sich z . B . deren Unterteilung in eine objektive und eine subjektive Logik allein aus der Perspektive eines inhaltlichen Gliederungsprinzips heraus begründet, — eine Unterteilung, die, indem einmal von diesen „gewöhnlichen", „unbestimmtesten" und darum „vieldeutigsten Ausdrücken" (WL I, 43) abgesehen wird, den Inhalt der Logik einzig in zwei Sphären des Begriffs gegeben sieht, in denen der Begriff „das eine Mal als seiender Begriff, das andere Mal als Begriff zu betrachten ist . . . . — Die Logik wäre hiernach zunächst in die Logik des Begriffs als Seins, und des Begriffs als Begriffs . . . einzuteilen" (ibid.). In Anbetracht dieser eigentlichen Präsentation des logischen Inhalts in den Sphären Sein (I) und Begriff (III) kommt die Sphäre des Wesens (II) nur als die Sphäre der Vermittlung, nur als Darstellung der Form des Verhältnisses dieser beiden exponierten Dimensionen des Begriffs, zur Geltung (vgl. ibid., 44; WL II, 5). Hieraus folgt die Dominanz von Sein und Begriff gegenüber dem Wesen: SEIN < - Wesen

BEGRIFF

[I

(II)

III]

Sie behauptet sich aufgrund dessen, daß das Denken in den logischen Sphären I und III sein Selbst nur in Gestalt unmittelbarer Sichselbstgleichheit erfährt und somit in diesen Sphären genau das gegeben ist, was für die Entfaltung des rein identischen Denkens und als Inhalt der Logik gefordert wurde: die Darstellung der unmittelbaren Selbstreflexion des Denkens in den Bestimmungen seines Gegenstandes, d.h. die Darstellung seiner absoluten Identität mit demselben. Dieses Entsprechungsverhältnis von Sein und Begriff wird nicht nur dem formal methodischen Prinzip dialektischer Spekulation voll und ganz gerecht, wonach allein die Begriffsstufen I und III absoluter (d.h. hier: rein identischer, von jeglicher Fremdvermitteltheit freier) Bestimmungen fähig sind (vgl. Enz, § 85), sondern löst auch deren inhaltlichen Anspruch auf identisches Wissen vollends ein, indem es selbst noch die Differenz von Sein und Begriff aufhebt und das Sein als „seienden Begriff" (WL I, 43), und den Begriff als „wiederhergestelltes Sein" (WL 248 Vgl. Puntéis Unterscheidung der zwei Weisen von Allgemeinheit des Denkens, der formalen und der inhaltlichen, mit deren Hilfe er den Gang der logischen Entwicklung desselben analysiert: a . a . O . , 186ff (,Das Allgemeine — das Denken — als Form und Gehalt').

143

Das System der Idee

II, 235) bestimmt 249 . Das Wesen scheint demgegenüber durch die wesentliche Differenz und wesentlich negative Selbstvermitteltheit seiner Bestimmungen, durch die unmittelbare Vermittlung seines Andersseins in der Bestimmung seines Selbst, den Erfordernissen der logischen Vernunft nicht standzuhalten und somit nur als ein YiWismittel für die Selbsterfassung derselben, nicht als ein Bestandteil ihrer selbst, in das logische System integriert werden zu können. Es gilt so nur an und für sich als Negation des Logischen. Jedoch gerade diese Unterscheidung der logischen Sphären muß sich eingestehen, daß sie letztenendes genau das zunichte macht, worin sie zu resultieren schien, indem sie nämlich in Wahrheit eine Begründung der Dominanz des Wesens gegenüber Sein und Begriff leistet: Sein

WESENBegriff

[(I)

II—» (III)]

Denn ist die Sphäre des Wesens als Mitte und Vermittlung und in der Funktion einer reinen Form des Verhältnisses der Bestimmungen des an sich und des für sich seienden Begriffs bestimmt, so muß zugegeben werden, daß der logische Inhalt des vernünftigen Denkens gerade in dieser Sphäre zu der einzig angemessenen Realisierung seiner selbst gelangt, wo sich die Logik doch aus der allgemeinen Statuierung ihrer vernünftigen Grundlage heraus als Wissenschaft der reinen Form der Idee verstand und ihren Gegenstand von daher in der Darstellung der Relationalität der spekulativen Wissensgehalte als Relationalität erkannte, d.h. ihren Gegenstand als die Darstellung der reinen Verhältnismäßigkeit der bestimmten Verfassung dieser Gehalte definierte. Genau diese reine Verhältnismäßigkeit zeigt sich aber als die wesentliche Bestimmung der bestimmten Begriffsgestalten in der Sphäre des Wesens. Damit hat diese logische Sphäre tatsächlich keinen bestimmten Gedanken, sondern die reine Formverfassung des Gedankens selbst zu ihrem Inhalt und verwirklicht so in ausgezeichneter Weise die für die spekulative Logik geforderte Form—Inhalt—Identität unter dem Primat der Form. Das Wesen muß infolgedessen als die Dimension der logischen Idee angesehen werden, in welcher diese die Beschränkung auf ihre reine Sichselbstgleichheit im höchsten Maße erzielt. Es ist demnach gerade nicht logisch negativ, sondern positiv zu bestimmen: als der eigentliche Ort der Dialektik und somit der Methode, die die Logik überhaupt 249 Yg] a u c h Enz, § 51 HZus: „Denn der Begriff, wie er sonst bestimmt werde, ist wenigstens die durch Aufhebung der Vermittlung hervorgehende, somit selbst unmittelbare Beziehung auf sich selbst; das Sein ist aber nichts anderes als dieses". — Vgl. auch WL II, 504.

144

Die „Enzyklopädie" als System ideellen Denkens

ist 2 5 0 , d . h . verschärft ausgedrückt: als der eigentliche O r t des Logischen, an dem „ a n sich schon die Idee" präsent ist (Enz, § 2 4 1 ) 2 5 1 . Als dieses logische Zentrum liefert es Erkenntnisse, ohne die „sich eigentlich kein Schritt in der Philosophie tun läßt" ( W L II, 56). Auch die Einteilungsprinzipien, die nicht versuchen, die logischen Hauptmomente durch eine unterschiedliche Gewichtung ihrer logisch formalen oder logisch inhaltlichen Komponenten gegeneinander auszuspielen, sondern mehr darum bemüht sind, diese in der Kontinuität der durchgängigen Entwicklung der logischen Idee irgendwie zu fixieren, kommen zu keinen absolut eindeutigen Ergebnissen. Möglich sind diese Prinzipien überhaupt nur durch die Feststellung eines relativen Mehr oder Weniger an Begriffenheit in den bestimmten Begriffsgestalten, — d.h. indem davon abgesehen wird, daß die ganze Wahrheit der letzteren allein darin liegt, daß sie als bestimmte Gestalten des sich absolut begreifenden Begriffs herausgestellt sind. Eine absolute Geltung ist diesen Prinzipien daher von vornherein verwehrt. Dennoch sind sie insoweit sinnvoll, als in ihnen eine Zuordnung bestimmter Begriffe und bestimmter Begriffs Verhältnisse zu bestimmten kategorialen Dimensionen des spekulativen Denkens erfolgt, über die die Kategorialität der Realdimensionen dieses Denkens entschlüsselt werden kann und muß. Solche relativ gültigen Zuordnungen sind etwa 2 5 2 :

1.

(SEIN)

-

(WESEN)

-

I

-

II

-

2. Ubergehen

— Scheinen

(BEGRIFF) III253

— Entwicklung oder Identität 2 5 4

250 251

Vgl. oben, A n m . 2 3 0 u. 238. Der vielerorts von Hegel gebrauchte Ausdruck, daß die Logik die Darstellung der reinen Wesenheiten des Geistes, der N a t u r der Wissenschaftlichkeit desselben, unternimmt, deutet schon rein sprachlich darauf hin, wie zentral bedeutsam die Reflexionsbestimmungen, die in der Wesenslogik abgehandelt werden, für die ganze logische Entwicklung des Begriffes sind. - Vgl. Phän: 2 0 f , 31, 4 0 ; W L I: 7, 4 0 f .

252

,Etwa' insofern, als hier überhaupt nur einige der ganz allgemeinsten Zuordnungen aufgeführt werden. Im Grunde wäre dadurch, daß der Begriff den allgemeinen und wahren Hintergrund einer jeden Bestimmtheit in der Entwicklung des logischen Denkens stellt, eine jede Bestimmung der Logik fähig, ihren Wandel durch alle logischen Dimensionen hindurch darzustellen und damit ein bestimmtes Gliederungsprinzip zu verkörpern.

253

Vgl. unten, 4 . 1 . 2 . 1 . . Vgl. E n z §§: 161, 162 H Z u s , 2 4 0 ; W L I, 109.

254

145

Das System der Idee

3. Unmittelbarkeit (Allgemeinheit)

Reflexion und Vermittlung (Besonderung)

in sich reflektierte und sich selbst vermittelnde Unmittelbarkeit (Identität von unmittelbarer Vermittlung und vermittelter Unmittelbarkeit, — Einzelnheit) 255

4. Unmittelbarkeit

Negation (erste Negation)

Negation der Negation (zweite Negation) 256

5. Indifferenz (Unbestimmtheit)

Dualität oder Differenz (relative Bestimmtheit)

Einheit (absolute Bestimmtheit) 257

6. Äußerlichkeit der Opposita

wechselseitige Inhärenz der Opposita

Uberwindung des Oppositionsverhältnisses 258 absolute FormInhalt-Identität absolute FormInhalt-Identität 259

8. (a) Ansichsein

Fürsichsein

(b) Fürsichsein

Ansichsein

An- und Fürsichsein 260 An- und Fürsichsein

7. (a) Inhalt (b) Form

oder: Ansichsein des Fürsichseins

Ansichsein des Anund Fürsichseins (wesentliche Differenz)

Fürsichsein des Anund Fürsichseins 261

etc. 255

Vgl. Vgl. 257 Vgl. 258 Vgl. 259 Vgl. 260 Vgl. 261 Vgl. 256

Enz, § 83; WL II, 213 u. 458ff. WL II, 235 u. öfter. B. Heimann, System und Methode in Hegels Philosophie, Leipzig 1927, 296 Anm. 1. K. Hartmann, a . a . O . , 15f. unsere obigen Ausführungen (142ff). Enz, §§ 83 u. 160. WL II, 4 - 6 ; Enz, §242.

146

Die „Enzyklopädie" als System ideellen Denkens

Die in den Punkten 7 und 8 unter (b) gefaßten Einteilungsprinzipien sind aus der gesamtlogischen Perspektive des logischen Resultats heraus erstellt und — aufgrund der zentralen Bedeutsamkeit dieses Resultats für die Systematik der enzyklopädischen Wissenschaftsentfaltung überhaupt — gesamtsystematisch richtig. Sie enthalten eine Umkehrung der Bestimmungen, die sich aus der anfänglichen Sicht des logischen Unternehmens als dessen Gliederungsprinzipien anboten (a). Diese Umkehrung bleibt für die gesamtsystematische Konzeption der Logik wie auch der ganzen „Enzyklopädie" belanglos, weil sie nur auf der Differenz des tatsächlichen Denkvollzugs und der begriffenen Einholung desselben beruht, diese Differenz aber für die ideelle (identische) Wissenschaft nur einen unwesentlichen Sachverhalt der Gestaltwerdung derselben berührt. Es ist jedoch die begriffene Einholung des tatsächlichen Denkvollzugs allein, in welcher die allgemeine Systematik des enzyklopädischen Systems, und somit auch die allgemeine Systematik der Logik, gründet (vgl. unten, 4.1.2.3.). Daß diese Prinzipien alle nur relativ rein gegeneinander abgegrenzt und wesentlich durchmischt sind, läßt sich sehr einfach z.B. an den unter Punkt 8 aufgeführten Prinzipien demonstrieren: so ist das Sein zwar der Begriff an sich (vgl. Enz, §§ 83 u. 84), jedoch ist gerade das Fürsichsein die erste vollendete Bestimmung seines Daseins (vgl. WL I, 1. Abschn. 3. Kap.; Enz, §§96-98). Ebenso ist das Wesen zwar An- und Fürsichsein und als solches „absolutes Ansichsein" und „wesentliches Fürsichsein" — d.i. die Idee — , jedoch dieses nur „in der Bestimmung des Ansichseins" (WL II, 4f) und so nur erst „an sich schon die Idee" (Enz, § 241). Auch in der Begriffslogik ist zwar ganz allgemein das An- und Fürsichsein des Begriffes erreicht (vgl. ibid., §83), jedoch kennt auch hier der Begriff nur an sich seiende und nur für sich seiende Gestalten seiner selbst (vgl. WL II, 236f) und kommt selbst in seiner absoluten Bestimmung wieder nur zu einem Fürsichsein (vgl. Enz, §§ 242 u. 243). Die entwickeltste Gestalt des Begriffs, d.i. die absolute Idee als der Begriff an und für sich, wieder nur als ein Fürsichsein des reinen Denkens zu bestimmen, erfolgt allerdings nicht aus einer innerlogischen, sondern aus der gesamtsystematischen Perspektive der enzyklopädischen Wissenschaftskonzeption und ist dadurch motiviert, daß die Natur innerhalb dieser Konzeption als ein freies Sichentäußern der Idee aus ihrem absolut sich selbst gleichen Dasein, in welchem diese eben nur für sich bleibt, begriffen werden muß, — d.h. durch den Ubergang der Logik in die Naturphilosophie.

Das System der Idee

3.2.2.

147

Die Naturphilosophie

Die Naturphilosophie ist die zweite Wissenschaft innerhalb des ideellen Systems der philosophischen Wissenschaften. Da in diesem System überhaupt „die Unterschiede der besondern philosophischen Wissenschaften nur Bestimmungen der Idee selbst sind", so ist es in der N a t u r „nicht ein Anderes als die Idee, welches erkannt würde" (Enz, § 18 H Z u s ; vgl. ibid., § 15). Die N a t u r wird daher von dieser Wissenschaft nur so weit erfaßt, wie sich in ihr der allgemein ideelle Gehalt ihrer bestimmten Konstitution zu erkennen gibt. Dieser Gehalt wird in seiner allgemeinsten Verfassung von Hegel als die Verfassung der „Idee in ihrem Anderssein" (ibid., § 18) begriffen. Was dadurch, daß Hegel seine Naturphilosophie einzig als eine bestimmte Selbstdarstellung der Idee konzipiert, das gemeinhin übliche Verständnis von Naturwissenschaft und von N a t u r überhaupt unbefriedigt läßt, gründet in den Voraussetzungen, durch die die Entwicklung dieser speziellen Wissenschaft bei Hegel bestimmt ist. Die allgemeinsten Voraussetzungen liegen in ihrer Integration in die „Enzyklopädie" überhaupt. Da letztere sich generell nur „auf die Anfänge und die Grundbegriffe der besonderen Wissenschaften beschränkt", kann sich die Idee der Natur auch nicht in jene „Vereinzelungen" und „Zufälligkeiten" empirischer Naturbestimmungen „verlaufen", die etwa einer „positiven" Naturbetrachtung gegenüber in Erwartung gebracht werden können (vgl. Enz, § 16 einschl. HZus). Insofern sich diese im Horizont der spekulativen Wissenschaft überhaupt bloß als Resultate eines „Erkenntnisgrundes" zu behaupten wissen, der „nicht durch Vernunft bestimmt ist" (ibid.), aber gerade diese Vernunft es ist, die die Basis der enzyklopädischen Wissensentfaltung stellt, zeigt sich der Ausschluß der ,konkreten' Natur aus der Hegeischen Naturphilosophie nicht allein als ein formalistisch-methodisches, sondern insbesondere als ein prinzipiell-methodisches Erfordernis der ihr eigenen Erkenntnisgrundlage 2 6 2 . Uber dieses anfängliche Prinzipielle hinaus legitimiert sich dieses Erfordernis konkreter durch die Notwendigkeit, im System des wahrhaften Wissens die Explikation der Methode (d. i. die Logik) der Explikation des Begriffs der N a t u r vorauszusetzen, d . h . die Naturphilosophie allererst als eine zweite Wissenschaft zu bestimmen. Wird diese Bestimmung nicht nur als ein äußerliches Ordnungsprinzip ernst genommen, so dokumentiert sich in ihr, daß dieses System nicht auf der Systematik des sinnlichen Bewußtseins 262

Vgl. dazu auch Enz: §§ 7 - 9 , 12, 245, 246 (einschl. HZusätze).

148

Die „Enzyklopädie" als System ideellen Denkens

beruht, dem die Natur „als das Erste, Unmittelbare, Seiende erscheint" (Enz, § 248 HZus), sondern auf der Systematik des selbstbewußten Denkens, welches im reinen Gedanken selbst sein Erstes, seine Unmittelbarkeit und sein Zunächst-Seiendes gegeben sieht, so daß ihm die Natur allererst als ein Fernerhin (bestimmter: als ein Fernerhin seines Seins) gegenständlich wird. Daher kann die wissenschaftliche Erfassung der Natur in diesem System nicht wieder zu jener unmittelbaren Konkretheit der Naturgegenstände zurückkehren, die dort herrscht, wo das Denken die Natur nur einfach vorfindet und sich über diese vorgefundene Einfachheit mit ihr vermittelt; vielmehr offenbart die innersystematisch sekundäre Eröffnung der Naturdimension die für die Selbsterfassung des wahrhaften Denkens allgemeine Zweitrangigkeit der Naturbestimmungen, die primär auf der Erkenntnisgrundlage der sinnlichen Anschauung basieren, und setzt — durch die darin liegende, primäre Affirmation der rein gedanklichen Grundlage — zugleich das Primat des Begriffs (der Vernunft, der Idee, etc.) in der wahrhaften Erkenntnis der Natur263. Die Reduktion der Naturbetrachtung auf die Grundlage des Begriffs hat die Hegeische Naturphilosophie mit der theoretischen Physik gemein, welche ebenso „denkende Betrachtung der Natur" ist und sich als solche gleich wesentlich „auf die Erkenntnis des Allgemeinen derselben" ausrichtet; jedoch hat sie gegenüber der theoretischen Physik zwar dasselbe Allgemeine, dieses Allgemeine aber nur „für sich zum Gegenstand und betrachtet es in seiner eigenen, immanenten Notwendigkeit nach der Selbstbestimmung des Begriffs" (Enz, §246). Mit anderen Worten heißt das: in ihren Ergebnissen sind keine real existenten Sachverhalte der Natur, sondern die Natur der Sache der Natur als ein real existentes Selbstverhältnis des Begriffs anzutreffen 264 . In diesem Sinne muß mit Recht eingeräumt werden, daß es „ein unphilosophischer Gedanke wäre, eine Begriffsform so in der Natur vorhanden aufzeigen wollen, daß sie in der Bestimmtheit, wie sie als eine Abstraktion ist, allgemein existieren solle" (ibid., §312 HZus). Der Gegenstand der Naturphilosophie bleibt somit — ebenso wie in der Logik — das begreifende Erkennen. Er ist der Begriff selbst in einer bestimmten Dimension seines Sichbegreif ens. Da dieser Dimension der als 2

« Vgl. Enz, §§ 245 u. 246 einschl. H Z u s ; WL II, 231 u. 505f. Das Spiel mit dem doppelsinnigen Sprachgebrauch von ,Natur', — ,Natur' das eine Mal als natürliches Sein', das andere Mal als ,Natur der Sache' (Wesentliches) —, ist hier ganz bewußt in Anlehnung an Hegel gewählt (vgl. Enz, § 245). Zu Hegels „Spiel" mit diesem Doppelsinn von ,Natur' siehe z.B.: G. W. F. Hegel, Die Vernunft in der Geschichte, (Hrsg.) J. Hoffmeister, Hamburg 1955, 116f.

264

Das System der Idee

149

Idee begriffene Begriff vorausgesetzt ist, setzt die in dieser Idee absolut vermittelte Einheit von Begriff und Realität auch im Begriff der Natur ihre absolute Bestimmung fort (vgl. WL II, 409 u. 484). Die Natur ist nach diesem Begriff überhaupt nur als eine von der Logik verschiedene Weise der Selbstdarstellung der Idee aufzufassen (vgl. ibid., 484): als eine solche Selbstdarstellung derselben, welche zwar „zu einer reellem Form der Idee heraustritt als die Logik, aber zugleich nicht so, daß sie zu jener Realität sich wieder umwendete, welche das über seine Erscheinung zur Wissenschaft erhobene Bewußtsein aufgegeben hat" (ibid., 231), in welcher fernerhin jedoch, — obschon es sich hier um eine reellere Form der Idee handelt —, auch nicht nur eine bloße ,Umwendung' zur und somit Anwendung der rein logischen Realität der Idee statthat, was in ganz besonderem Maße bemerkenswert ist, weil das Entwicklungsprinzip dieser Selbstdarstellung nach seiner substantiellen Seite hin rein ideell verbleibt, d.h. auf der Methode basiert, die ihre absolute Realisation zunächst eben nur in der Entwicklung des rein Logischen selbst ortet 265 . Selbst der „Ubergang" schon, den die absolute Idee in die Natur macht, darf keinesfalls bloß über eine ,Umwendung' zur Logik gedeutet werden, über eine Umwendung etwa zu Begriffsstrukturen und -Verhältnissen, die die Aufhebung der systematisch bedingten Vorläufigkeit ihrer Wahrheit bereits innerhalb der logischen Wissenschaft erfahren haben. So ist das Verhältnis Logik — Natur weder als Übergehen noch als Scheinen, sondern einzig als Freiheit wahrhaft zu bestimmen (vgl. Enz, § 244). Diese Freiheit beruht darauf, daß das sich rein auf sich beschränkende Fürsichsein der Idee am Ende der Logik nicht beinhaltet, daß die Idee ihre absolute Selbstgewißheit etwa wieder relativieren muß, indem sie durch die Negation dieser sich an ihr selbst setzenden Einseitigkeit und Endlichkeit eine neue, nicht mehr nur absolut selbstgewisse Dimension ihres Selbst in der Natur eröffnet, sondern daß sie sich unter Wahrung ihrer vollständigen und wahrhaften Bestimmung, d.h. als absolute Idee, in eine Dimension des ideellen Erkennens selbst entlassen kann, in welcher sich nicht — wie es den Gang der Logik bestimmt — eine weitere, fortlaufende Bestimmung ihrer Idealität, vielmehr eine konkretere Einlösung ihrer bereits absolut wahren Selbsterfassung vollzieht, nämlich: 265

Vgl. WL II, 231 : „Die konkreten Wissenschaften" (d. s. die Wissenschaften der Natur und des Geistes) kehren nicht wieder „zum Gebrauch von Formen zurück, wie die Kategorien und Reflexionsbestimmungen sind, deren Endlichkeit und Unwahrheit sich in der Logik dargestellt hat" (vgl. auch ibid., 505); — ein erneuter Beleg dafür, daß in der Realsystematik der „Enzyklopädie" nicht einfach ein logischer Schematismus seine „Anwendung" findet (s. auch oben, Anm. 247).

150

Die „Enzyklopädie" als System ideellen Denkens

„ d a s den R e i c h t u m des B e s o n d e r n in sich fassende A l l g e m e i n e " z u sein ( W L I, 4 0 ) . I n dieser k o n k r e t e r e n E i n l ö s u n g ihrer absoluten B e s t i m m u n g bleibt die Idee s o m i t grundsätzlich „ i h r e r absolut sicher u n d in sich r u h e n d " ( W L II, 5 0 5 ) 2 6 6 . Diese E i n l ö s u n g erfolgt lediglich aus d e m Trieb,

die reine

Idee des E r k e n n e n s ü b e r die Subjektivität ihrer rein logischen E r f a s s u n g hinaus z u realisieren (vgl. ibid.), — ein T r i e b , der der absoluten B e s t i m m u n g der Idee selbst i n n e w o h n t : kein b e s t i m m t e s W i s s e n , s o n d e r n die R e l a t i o n a lität des w a h r h a f t e n W i s s e n s schlechthin z u sein, d . h . in der absoluten E r f a s s u n g ihres Begriffs als W e r d e n , B e w e g u n g , Verhältnismäßigkeit etc. auch gleich die E n t l a s s u n g ihrer selbst aus diesem Begriff m i t z u e n t h a l t e n u n d das allgemeine W e r d e n der W i s s e n s c h a f t z u sein (vgl. o b e n ,

108).

W e n n daher die Idee ihre rein logische Gestalt ü b e r s c h r e i t e t , so ist d a m i t gerade keine Relativierung ( V e r w i r k u n g ) , s o n d e r n eine Realisierung ( V e r w i r k l i c h u n g ) ihres absoluten Gehaltes gegeben: die Idee N a t u r als das, was sie an sich ist (vgl. E n z , § 2 5 1 )

267

setzt sich in der

. Dieses , S e t z e n ' g r ü n d e t

266 Vgl. auch Puntel, a. a. O., 53: „Die ,weiteren Teile der Philosophie' haben eine noch nicht in der Logik enthaltene ,Realität' (Inhalt) in dem Sinne, daß diese weiteren Teile mit ihrer Realität (Inhalt) eine Intensivierung oder Steigerung jener grundlegenden Identität von Form und Inhalt (Realität), die das Logische .schon' ist, darstellen Die grundsätzliche Identität von Form und Inhalt (Realität) wird nicht mehr aufgegeben, sondern nur erweitert und entwickelt". 267

So schlägt z.B. die ideelle Negativität der Natur nicht wieder auf die Idee zurück. Diese Negativität ist kein relatives Verhältnis der Idee zu ihrer logisch absoluten Bestimmung, kein erneutes Bloß-endlich-setzen und somit Negieren des Absoluten derselben, sondern allein die Negativität der Natur; auch die Äußerlichkeit derselben ist nicht „nur relativ gegen diese Idee . . . . , sondern die Äußerlichkeit macht die Bestimmung aus, in welcher sie (die Natur; Verf.) als Natur ist" (Enz, § 247). Ebenso das Anderssein der Idee in der Natur: dieses ist das Anders-sein der Natur, als die Idee ist; die Idee selbst wird in der Natur kein anderes, als sie in der Logik war. Daher überträgt sich auch die Unfreiheit der Natur keinesfalls auf ihr ideelles Inneres, den Begriff. Die Natur zeigt in ihrem Dasein keine Freiheit (vgl. Enz, § 248), jedoch bleibt die Form der Bestimmung dieses Daseins, der Begriff, in ihr, wenn auch nur prinzipiell, „ebenso schlechthin frei" (WL II, 505), wie er sich im Resultat seiner logischen Entwicklung bestimmt wußte. Daß dennoch die absolute Bestimmung der Idee in der Logik wieder nur als eine logisch absolute Bestimmung der Idee und somit als eine Unvollständigkeit und Einseitigkeit derselben gefaßt und relativiert werden kann, hat aus einer gesamtwissenschaftlichen Perspektive heraus, — aus welcher das Logische überhaupt erst „die Schätzung seines Werts erhält" (WL I, 40; vgl. dazu unten, 175ff) - , eine gewisse Berechtigung (vgl. unten, 182 ff), hm faktischen „Übergang" der Logik in die Natur ist allerdings diese Relativierung der Idee nicht gegeben. Gerade aufgrund dieser seiner Ermangelung an relativer Setzung wirkt dieser Ubergang, wenn er allein aus sich selber verstanden werden soll, leicht konstruiert und uneinsichtig; — vgl. etwa E. Bloch: „Die Dinge sollen nunmehr dort beginnen, wo das reine Denken aufhört. Wieso sie dann beginnen, warum in das freie, einsame logische Ansich plötzlich solch äußerer Lärm hereinfällt, das freilich bleibt dunkel" (Subjekt-Objekt, 203; vgl. auch E. Angehrn, a . a . O . , 107).

Das System der Idee

151

also nicht in der Notwendigkeit, die etwa bloß relative Gültigkeit ihrer logischen Bestimmung durch die Reflexion des ,Relates Natur' absolut einzuholen; vielmehr ist es aufgrund dessen, daß die Idee sich schon in ihrer logischen Gestalt „in der absoluten Wahrheit ihrer selbst" weiß, nur als ein absolut freies Entschließen derselben zu fassen, — als der Entschluß, „das Moment ihrer Besonderheit oder des ersten Bestimmens und Andersseins, die unmittelbare Idee als ihren Widerschein, sich als Natur frei aus sich zu entlassen" (ibid., §244). Die Natur ist ein bestimmter Widerschein der Idee. In dieser Bestimmung der Natur liegt, daß es in der Natur „nicht ein Anderes als die Idee ist, welches erkannt würde, aber sie ist in der Form der Entäußerung" (ibid., § 18 HZus). Jedoch ist diese Form des entäußerten Seins, der Äußerlichkeit und des Andersseins der Idee gerade nicht die Form der Natur, nach welcher sie als Natur begriffen wird, sondern die Form, nach welcher sie als Natur ist. Ihr Begriff ist ihrem natürlichen Sein gegenüber gerade das Innerliche, was die Idee an sich ist. Die Äußerlichkeit kommt der Natur selbst insoweit zu, als sie in ihren konkreten Erscheinungen eben nicht den ideellen Grund derselben reflektiert, sondern diese allein für sich bestimmt findet, d . h . in welchen sie einfach nur als Natur, eben nicht als die Idee der Natur ist 2 6 8 . Aufgrund des Widerscheins dieser Äußerlichkeit im Ideellen haben auch die Begriffsbestimmungen hier nur „den Schein eines gleichgültigen Bestehens und der Vereinzelung gegeneinander" (ibid., §248) und sind dementsprechend ebenso dem unvernünftigen „Spiel der Formen" (ibid., HZus) preisgegeben, wie die unmittelbaren Erscheinungen der Natur selbst, — ein Spiel, das aus der „Ohnmacht der Natur" resultiert, „die Strenge des Begriffs nicht festhalten und darstellen zu können und in diese begrifflose blinde Mannigfaltigkeit sich zu verlaufen" 2 6 9 , in welcher eine „jede Gestalt für sich des Begriffs ihrer selbst entbehrt" (Enz, § 248 HZus). Da es aber in der Philosophie der Natur überhaupt die Idee ist, die dieses ganze Dasein des natürlichen Seins erfaßt, — sowohl seine unvernünftige Äußerlichkeit als auch die ihm immanente Vernunft —, so ist die Idee selbst in diesem Dasein ganz allgemein im Zustand des „unaufgelösten Widerspruchs", einerseits sie selbst zu sein, insoweit das Innerliche der Natur (der Begriff) die ihr angemessene Form allgemein repräsentiert, andererseits der „Abfall von sich selbst" und „in der Unangemessenheit ihrer mit sich selbst" (ibid.) zu sein,

268 269

Zum Ubergang der Logik in die realsystematischen Dimensionen der „Enzyklopädie" vgl. auch unsere Ausführungen oben, 1 0 5 f f ; ferner unten: 3.3. u. 4.2.2.. Vgl. zu diesen Ausführungen Enz, §§ 2 4 7 u. 248 einschl. HZus; s. auch obige A n m . 267. W L II, 247; in diesem Sinne auch Enz, § 250 einschl. HZus.

152

Die „Enzyklopädie" als System ideellen Denkens

insoweit das Äußerliche der Natur nicht den ideellen Grund seiner Besonderheit mitreflektiert, d.h. insoweit die „Zufälligkeit und Bestimmbarkeit von außen in der Sphäre der Natur ihr Recht hat" (ibid., § 250). Es ist dies der Widerspruch, daß die Natur „an sich, in der Idee göttlich ist, aber wie sie ist, ihr Sein ihrem Begriffe nicht entspricht" (ibid., § 248 HZus). Dieser Widerspruch zeigt sich von seiner Idee her als der Widerspruch von Notwendigkeit und Zufälligkeit im Dasein der Natur, wobei die Zufälligkeit dem eigentlich nicht ideellen Bereich dieses Daseins (seiner unmittelbaren Konkretheit) und die Notwendigkeit seinem eigentlich ideellen Bereich (seinem Innerlichen, seinem Begriff) zuzuordnen sind (vgl. ibid., §248 u. §250). Will die Naturphilosophie eine prinzipielle Erkenntnis der Natur entwickeln, so versteht es sich von selbst, daß das Prinzip dieser Entwicklung nicht in der Zufälligkeit des natürlichen Daseins, nicht in der unmittelbaren Konkretheit desselben, sondern allein in der Notwendigkeit, in der bestimmten Vermitteltheit desselben mit seinem Innerlichen, dem Begriff, liegen kann. Die denkende Betrachtung der Natur muß sich daher „solcher nebuloser, im Grunde sinnlicher Vorstellungen entschlagen, wie insbesondere das sogenannte Hervorgehen z.B. der Pflanzen und Tiere aus dem Wasser und dann das Hervorgehen der entwickeitern Tierorganisationen aus den niedrigem usw. ist" (ibid., §249 HZus). Sie betrachtet die einzelnen Stufen der Natur nicht hinsichtlich dessen, wie „die eine aus der anderen natürlich erzeugt" wird, sondern hinsichtlich ihres notwendigen Zusammenhangs, d.h. „in derinnern, den Grund der Natur ausmachenden Idee. Die Metamorphose kommt nur dem Begriffe als solchem zu, da dessen Veränderung allein Entwicklung ist" (ibid., §249). So ist es allein der Begriff, diese Manifestation der ideellen Immanenz der Natur, der diese Stufen fortleitet (vgl. ibid., HZus). Nach ihrem Begriff aber zeigt sich die Fortleitung dieser Stufen als die notwendige Bewegung der Idee, sich als Natur „als das zu setzen, was sie an sich ist"(ibid., §251): — zunächst nur das absolute In-sich-sein in der Unmittelbarkeit ihrer reinen Formtotalität. Die Formen ihrer Entäußerung sind so zunächst nur als Äußerlichkeiten und Vereinzelungen ihrer formalen Einheit bestimmt; von daher bleibt ihr ideeller Grund hier nur ein gesuchter {Mechanik). — Dieser Grund findet seine Realisation, indem an der Realität die ideelle Immanenz als existierend gesetzt ist. Die Besonderheit der Form reflektiert so an sich selbst die ideelle Immanenz ihrer allgemeinen Formbestimmtheit; sie ist als dieses Reflexionsverhältnis die existierende Differenz des Allgemeinen und des Besonderen der Idee der Natur, die Wirklichkeit der natürlichen Entäuße-

Das System der Idee

153

rung der Idee {Physik). — Diese Wirklichkeit wird aber wieder der Gestalt ihrer Besonderheit enthoben, indem sich die Allgemeinheit ihrer realen Differenz wiederum in einer konkreten Einheit gesetzt findet, in welcher die realen Unterschiede die Form ihrer ideellen Einheit unmittelbar konstituieren, so daß die wirkliche Entäußerung zugleich ein Wirklich-werden ihres ideellen In-sich-seins und -bleibens bedeutet. Diese Einheit ist die reelle Totalität des Körpers, die Einzelnheit und das Fürsichsein der natürlichen Subjektivität (Organik) 2 7 0 . Obwohl diese Entwicklung der Naturphilosophie belegt, daß in der Erkenntnis der Natur auch der Begriff durchaus sein Recht hat, ja daß überhaupt ein Prinzip dieser Erkenntnis keinesfalls anschaulich in der Natur gegeben, noch auch nur einer sinnlichen Verifikation fähig ist, sondern allein in der Begriffsimmanenz der ideellen Naturbetrachtung liegt, so ist es doch gerade dieses allein Prinzipielle, das den Begriff in der Dimension des Natürlichen seiner absoluten Bestimmung gegenüber inadäquat erscheinen läßt. "War der Begriff bereits am Ende der Logik in der Adäquation seiner selbst mit der Realität erfaßt, so läßt das Reelle des Natürlichen gerade wieder ein Defizit an Begriffsrealität aufkommen, wenn es in seiner Begriffsform nur das Innerliche seiner selbst bestimmt weiß und dieses Innerliche als seiner Äußerlichkeit gegenüber ,blind' und sich selbst in der ,Ohnmacht' erfährt, sein Innerliches in seiner totalen Realität konkret festzuhalten 271 . Der ,ideelle Widerschein' findet sich in der Natur somit hauptsächlich im Inneren derselben. Jedoch ist das Äußere dieser ihrer Idealität ebenso durch die wesentliche Bezogenheit auf seine innere Notwendigkeit definiert, wie auch ihr Inneres durch die unwesentliche Bezogenheit auf seine äußere Zufälligkeit 272 . Diese ungleichwertige Beziehung zwischen Innen und Außen ist es, in welcher das natürliche Dasein 270

Zu diesem Grundriß der Hegeischen Naturphilosophie vgl. Enz, § 2 5 2 ; ferner die konkreteren Ausführungen der einzelnen Ubergänge, ibid. §§: 271, 272, 336, 337. Es sei hier angemerkt, daß sich nicht nur der allgemeine Übergang der Logik in die N a t u r einem logischen Schematismus querstellt, indem er sich einer Anwendung logischer Begriffsverhältnisse gegenüber sperrt (vgl. oben, 149f), sondern daß auch die Systematik der Naturphilosophie selbst relativ eigene Kriterien ihrer Begriffsentwicklung beansprucht, obwohl sie allgemein auf der logischen Entwicklung des Begriffs beruht. Das offenkundigste Beispiel hierfür ist wohl ihre Umkehrung des Verhältnisses von Qualität und Quantität (vgl. Enz, § 254 HZus).

271

Vgl. Enz, § 250 einschl. H Z u s ; W L II, 224 u. 247f. Nicht nur das Reelle der N a t u r ist ohnmächtig, auch ihr Ideelles ist „ s c h w a c h " . Es liegt an der „Schwäche des Begriffs in der Natur überhaupt", daß dieser „sein Dasein den vielfachen Bedingungen und Umständen der äußern Natur unterwirft und in den ärmlichsten Formen erscheinen k a n n " (Enz, § 368 H Z u s ) .

272

154

Die „Enzyklopädie" als System ideellen Denkens

und die Idee der Natur sich Bestand geben, d.h. sich als solche erhalten. In ihrer wechselseitigen Unangemessenheit gerade eine Affirmation ihrer selbst zu erblicken, dazu kommen sie allerdings erst dort, wo die Idee zu einer Äußerungsform gelangt, die ihr absolut angemessen ist: in der Philosophie des Geistes. Erst wenn die Idee sich überhaupt ein Dasein zu geben versteht, in welchem sie nicht als bloß Innerliches gerade das Andere dieses Daseins ist, erst wenn sich überhaupt die Möglichkeit einer vollkommenen Entäußerung ihrer selbst eröffnet hat, vermag auch ihre unvollkommene Entäußerung als Natur als eine wesentliche Gestalt ihrer Konkretheit zu erscheinen: als eine bestimmte Form der Freiheit ihrer absoluten Selbstgewißheit, durch die Negation der Unmittelbarkeit derselben sich in das Andere ihrer selbst verlieren zu können, ohne dabei Gefahr zu laufen, sich selbst verlieren zu müssen. Wie sich zeigen ließ, erreicht die Idee in der Sphäre der Natur jedoch noch nicht, durch diese Negation die absolute Bestimmung ihrer selbst absolut konkret einzuholen; absolut verbleibt sie vielmehr allein als das innere Bewegungsprinzip der natürlichen Konkretion. Die wirkliche Konkretion ihrer absoluten Bestimmung bleibt der Sphäre des Geistes vorbehalten. Diese löst ein, was die Sphäre der Natur nur erstreben kann 2 7 3 : die Entwicklung der wahren Wirklichkeit der Idee, d. i. die Entwicklung der bestimmten Konkretheit, die der allgemeinen Identität von Begriff und Realität im wahrhaften Wissen entspricht.

3.2.3.

Die Philosophie des Geistes

Die Philosophie des Geistes ist die dritte und letzte Wissenschaft innerhalb des ideellen Systems der Philosophie. Da die Besonderheit der in diesem System unterschiedenen Wissenschaften überhaupt in der bestimmten Entwicklung liegt, die die Idee in einer jeden derselben an sich selbst vollzieht, ist auch die Wissenschaft des Geistes ganz allgemein durch eine spezifische Selbstverfassung der Idee gekennzeichnet: sie ist die Wissenschaft, in welcher die Idee „aus ihrem Anderssein in sich zurückkehrt" (Enz, § 18). Diese Rückkehr der Idee zu sich selbst verweist schon rein von ihrem abstrakten Begriff her auf die beiden Momente, die die Idee in der Sphäre des Geistes an sich selbst unterscheidet: das eine Moment ist ihr Fürsichsein, indem ihre Rückkehr in sich nur die ursprüngliche Identität ihrer 273

Die Sphäre des Geistes ist insofern als die Wahrheit und als der Endzweck sehen; vgl. Enz 251, 376, 381, 388.

der Natur anzu-

Das System der Idee

155

mit sich selbst wieder herstellt; das andere Moment ist ihr An-und-für-sichWerden, indem ihre Rückkehr zu sich eben auch den Prozeß der Wiederherstellung ihrer absoluten Identität beinhaltet (vgl. ibid., HZus). Wie sich zeigt, sind beide Momente darin identisch, daß die Idee sowohl im einen wie auch im anderen ihre vollständige Selbsterfassung absolut einholt; sie sind daher nur als bestimmte Hinsichten ein und derselben ideellen Totalität unterschieden. Es ist diese totale (Re-)Präsentation der Idee in den difieren ten Momenten des geistigen Daseins, die das einheitliche Fundament der Begriffsentwicklung in der Sphäre des Geistes stellt.

3.2.3.1. Die substantielle Idee des Geistes überhaupt A u f g r u n d ihres ideellen Fundamentes löst die Hegeische Geistesphilosophie ebensowenig wie seine Naturphilosophie die konkreten Vorstellungen ein, die sich unmittelbar mit dem Gegenstandsbereich dieser Disziplinen verknüpfen. Auch sie stellt ihren Gegenstand nur insoweit dar, als sich der Begriff in diesem realisiert, — und auch ebenso ausschließlich allein nach dem Prinzip, das der Begriff ihres Gegenstandes von sich aus an die Hand gibt. Ihre Darstellung erfaßt von daher nur das Substantielle des Geistes, nicht den Bereich der zufälligen Existenzen des Geistigen 2 7 4 . Da die Darstellung dieses Substantiellen erst bei einem sehr fortgeschrittenen Stand des spekulativen Erkenntnisvermögens möglich wird, sind für das Begriffsprinzip, das die Entwicklung dieser Darstellung vorantreibt, ganz bestimmte Voraussetzungen geltend zu machen. Die eine Voraussetzung ist das Logische überhaupt, konkreter: die Identität von Begriff und Realität, die sich im Resultat des Logischen, in der logischen Idee, als die allgemeine Grundlage aller Disziplinen der spekulativen Wissenschaft zu erkennen gegeben hat. Sie war hier noch an die abstrakte Gestalt des reinen Denkens gebunden. In ihr liegt daher zunächst nur die abstrakte Voraussetzung der reinen Idealität der Geistesphiloso274

Die Philosophie des Geistes beschäftigt sich nicht „mit den zufälligen, unbedeutenden, unwahren Existenzen des Geistigen" (Enz, § 377). Ebensowenig hat sie „die Bedeutung der sogenannten Menschenkenntnis, welche von anderen Menschen gleichfalls die Besonderheiten, Leidenschaften, Schwächen, diese sogenannten Falten des menschlichen Herzens zu erforschen bemüht ist" (ibid.); denn „der wesentliche Zweck einer Philosophie des Geistes kann nur der sein, den B e g r i f f in die Erkenntnis des Geistes wieder einzuführen" (ibid., § 378; Hervorhebung v. Verf.). - Vgl. dazu auch Enz, § 379 u. § 387 HZus; s. ferner ganz allgemein zu der Reduktion der philosophischen Wissenschaften auf das Wesentliche, das der Begriff in ihnen ist: WL II, 2 2 3 - 2 2 6 .

156

Die „Enzyklopädie" als System ideellen Denkens

phie 275 . Als eine konkretere Voraussetzung derselben offenbart sich die Entwicklung des natürlichen Daseins dieser reinen Idealität, die Entwicklung der Äußerlichkeit der Idee als Natur. Es ist jedoch nicht die konkrete Natur, in der das Substantielle des Geistigen gründet; in dieser ist der Begriff ja nur das Innerliche und als Begriff selbst gar nicht wahrhaft konkret. Es ist vielmehr der Akt der Entäußerung zur Natur, den die Idee in ihrer rein absoluten Selbstgewißheit von sich selbst her frei vollzieht, der das Entwicklungsprinzip der geistigen Substanz grundlegend prägt. In diesem Akt liegt das Bedürfnis, die rein gedanklich absolute Entsprechung von Begriff und Realität in einem Dasein einzulösen und zu bewähren, das konkreter (= „realer") als der reine Begriff ist. Wenn dieses Bedürfnis auch in der Dimension des Natürlichen nicht zu erfüllen ist, weil hier gerade wieder eine Inkongruenz von Begriff (die ideelle Innerlichkeit der Natur) und Realität (das Anders-sein der Natur, als die Idee ist) ihre Berechtigung hat, so führt die sich natürlich fortentwickelnde Notwendigkeit der Einlösung dieses Bedürfnisses dennoch in ihrem Resultat zu einer konkreten Daseinsgestalt, in welcher die absolute Entsprechung von Begriff und Realität tatsächlich wieder gegeben zu sein scheint: d.i. die lebendige Leiblichkeit des Individuums. Mit diesem Resultat aber wird die Dimension des bloß Natürlichen überschritten. Von der nunmehr wiedererlangten Idee her begreift sich das Individuum über die Allgemeinheit seiner leiblichen Einzelnheit hinaus wesentlich näher bestimmt durch die Allgemeinheit, die das Menschsein an und für sich ist. Diese Allgemeinheit eröffnet sich konkret in der Dimension des Geistigen 276 . Das Geistige setzt somit nicht nur den rein logischen Sachverhalt voraus, daß der Mensch in seiner abstrakt für sich seienden Realität seinem Begriff entspricht, sondern eben auch den Sachverhalt der konkreten Wirklichkeit des Menschseins: daß der Mensch sich über die bloß innerlich absolute Gewißheit seiner selbst seinem Begriff gemäß zu äußern versteht, was beinhaltet, daß die Gestalten dieser seiner konkreten Äußerungen auch an seinem Begriff gemessen werden können, ja müssen 277 . Insofern das 275

276

277

Diese Voraussetzung verweist näher auf den Sachverhalt, daß die reine Idee des Geistes bereits innerhalb der Logik abgehandelt wurde, weil sie wesentlich logischer Gegenstand ist (vgl. WL II, 437). Vgl. Enz, §222: „Der Tod der nur unmittelbaren einzelnen Lebendigkeit ist das Hervorgehen des Geistes". Mit dieser geistigen Voraussetzung ist das abstrakteste Fundament mitmenschlicher Kommunikation überhaupt formuliert. Einen Menschen ernst oder nicht ernst nehmen, das beruht grundsätzlich darauf, seine Äußerungen zu seinem reinen Selbstverständnis in ein EntsprechungsVerhältnis der Angemessenheit oder der Nichtangemessenheit zu setzen.

Das System der Idee

157

Geistige in der Philosophie des Geistes allein auf seinen substantiellen Gehalt beschränkt bleibt und auch allein nach dem Prinzip entwickelt wird, das einzig seiner Substantialität angemessen ist — der Idee —, zeigen sich diese seine allgemeinen Voraussetzungen näher als die besonderen Resultate der bestimmten Selbsterkenntnis, in der die Idee als Geist ist, — der konkreten Erkenntnis ihrer selbst gemäß der Verfassung ihrer absoluten Bestimmung: die absolute Identität von Begriff und Realität zu sein (von Subjekt und Objekt, von Innen und Außen, von Form und Inhalt etc.). Entgegen der rein logischen Konkretion dieser Identität, die sich dort nur im reinen Bei-sich-sein des Begriffs im Begriff vollzog, hat die Idee nunmehr die Freiheit gewonnen, den Begriff so konkret zu setzen, daß dieser ein Dasein hat, das seine unmittelbare Identität mit sich übersteigt, aber dennoch ein Dasein in einer dem Begriff entsprechenden Realität ist, — ein Dasein, welches den Begriff zu seinem Dasein hat (der Geist) 2 7 8 . Die Idee löst somit allgemein im Geistigen das absolut ein, was sie in der Natur nur anstrebt: an dem Anderen ihres rein identischen Selbstseins eine konkrete Äußerungsform ihrer selbst zu haben, in welcher sie ebenso total repräsentiert wird wie in ihrem reinen Begriff selbst 2 7 9 . Diese absolute Verfassung ihrer selbst, die prinzipielle Sichselbstgleichheit in einer jeden ihrer Äußerungsformen, hatte die Idee schon einmal auf der Stufe des sich als Begriff begreifenden Begriffs in der dritten logischen Sphäre erreicht. Hier war sie jedoch zunächst nur auf der höchsten Stufe ihrer absoluten Reinheit und konkret nur im reinen Dasein des Begriffs. Auf der dritten und höchsten Stufe ihrer gesamtwissenschaftlichen Entwicklung aber, d.i. die Sphäre der substantiellen Entwicklung des Geistigen, ist sie nunmehr sowohl im Vollbesitz ihres reinen Daseins als Begriff, als auch im Vollbesitz ihrer wahrhaft wirklichen Realität in Daseinsformen, in welchen sich nicht mehr ihre bloß unmittelbare Gestalt manifestiert. Ihre Absolutheit liegt hier nicht mehr allein in ihrer unmitSelbst in den Äußerungen, die seinem Selbstverständnis nicht angemessen erscheinen, ist dieses geistige Prinzip noch wirksam. Daher sind, wie Hegel sich häufig ausdrückt, z . B . die Willkür und das Böse, oder auch — auf einer größeren Ebene — der schlechteste Staat, unendlich höher zu bewerten, als die intakten Gesetzmäßigkeiten reiner Naturzustände, weil die Grundlage all dieser geistigen Verirrungen noch immer die prinzipielle Identität von Begriff und Realität bleibt, — ja weil diese es alleine ist, die den Grad dieser Verirrungen überhaupt bemißt. — Siehe dazu ζ. B . : Enz, § 248 H Z u s ; W L II, 410. 278

279

Vgl. E n z : § § 3 7 6 , 381, 389 H Z u s , 553; s . a . W L 11,409: „ D e r Geist, der nicht Idee, Einheit des Begriffs selbst mit sich, — der Begriff wäre, der den Begriff selbst zu seiner Realität hätte, wäre der tote, geistlose Geist, ein materielles O b j e k t " . Von daher vermag der Geist als „die Wahrheit und der Endzweck der N a t u r " und als „ d i e wahre Wirklichkeit der I d e e " aufzutreten (Enz, § 251; siehe auch oben, 154).

158

Die „Enzyklopädie" als System ideellen Denkens

telbaren Begriffsangemessenheit (wie im Allgemeinen der Logik, wie im Inneren der Natur), sondern in der konkreten Vermittlung ihrer Allgegenwärtigkeit, die eben auch in all jenen Daseins- und Äußerungsformen statthat, in denen sich das Geistige zwar seinem Begriff gemäß, aber eben auch über seinen Begriff hinaus zu realisieren versteht. Daher erleidet die totale Sichselbstgleichheit der Idee in der Dimension des Geistigen prinzipiell keinerlei Einbuße an ihrer Totalität, etwa dadurch, daß sich diese wieder in Relationsmomente dirimiert, die sie an sich selbst unterscheiden muß (s. o., 154f), — ebensowenig wie der reine Begriff die totale Gültigkeit seiner absoluten Wahrheit dadurch einbüßte, daß er die Konkretion derselben einzig über bloß relativ totale Bestimmungen seiner selbst zu gewinnen vermochte. Die Geistesphilosophie (gesamtwissenschaftlich III) weist so entgegen der Naturphilosophie (gesamtwissensehaftlich II), die wesentlich (logisch II) bestimmt war durch die ideelle Differenz der Begriffsnatur überhaupt 2 8 0 , in ihrem Entwicklungsprinzip eine strukturale Analogie zur Begriffslogik (logisch III) auf. Uber das bloß Prinzipielle hinweg findet diese Analogie ihren konkreten Ausdruck in den Verhältnissen, über die der Geist seine absolute Bestimmung begrifflich re-konstruiert. Wie in der Sphäre des Begriffs, so sind auch in der Sphäre des Geistes diese Verhältnisse nur ein Zeichen der selbstgewissen Tätigkeit, die absolute Identität seiner mit sich selbst auch wirklich zu setzen und als wirklich gesetzt aufzuzeigen. Das hat zur Folge, daß der Geist sich in den Bestimmtheiten seiner unterschiedlichen Gestalten immer nur zu sich selbst verhält (vgl. Enz, § 440 einschl. HZus), d. h. daß diese Bestimmtheiten allein als jeweilige Selbstreflexionsmomente seiner ganzen Wahrheit in Betracht kommen. Sie sind somit keine Abbreviaturen, sondern einzig näher bestimmte Zustände, Momente seiner wirklichen Totalität, — die Manifestationen derselben, deren unterschiedliche Gestaltwerdung allein aus einem Mehr oder Weniger an begriffener Selbsteinsicht resultiert, nicht aber aus einem Mehr oder Weniger an geistiger Substanz (vgl. ibid., §§380 u. 383). Aufgrund dieses sich allgemein gleichen Absolut-Wissens des Geistes in einer jeden seiner Bestimmtheiten ist die Beziehung dieser Bestimmtheiten zueinander nicht dadurch gekennzeichnet, daß die eine die andere allererst erzeugt und in diese dann als eine „höhere" übergeht, sondern durch die unterschiedliche Entwicklung, der sich der Geist selbst in einer jeden unterzieht,

280

Es ist ein Kennzeichen der Präsenz bloß wesentlicher Begrifflichkeit, wenn „die Realität als unmittelbar seiend und zugleich als ideell gesetzt ist" (Enz, § 414).

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um die Absolutheit seines Wissens um sich in seinen vielfältigen Manifestationen auch hervorzubringen' 2 8 1 . An der hier als absolut ideell skizzierten Fundamentalstruktur der Geistesphilosophie wird offenbar, daß das formale Prinzip der Entwicklung ihrer konkreten Begrifflichkeit auf dem absoluten Widerspruch beruht, in welchem die Idee des Begriffs sich überhaupt nur die ihrer Wahrheit einzig angemessene Form zu geben versteht. Infolgedessen sind die Erscheinungen des Geistes wesentlich bestimmt durch die Reflexion der absoluten Negativität, die dort herrscht, wo der Begriff in seinen Äußerungen als absolut identisch mit sich gesetzt ist. So hat der Geist sowohl ein negatives Verhältnis zu seiner absoluten Bestimmung, wenn diese im bloßen Fürsichsein ihres reinen Begriffs verharrt, denn von dieser selbst her ist er als sich manifestierender, d.h. sich bestimmt äußernder Geist gefordert 282 , als auch ein negatives Verhältnis zu seinen Manifestationen, insofern sich in diesen nur (von seinem ganzen Begriff her) bestimmte Hinsichten seiner wahrhaften Totalität realisieren. Dieses absolut negative Selbstverhältnis zu seinen Daseinsformen ist aber das, was seine wirkliche Freiheit ausmacht (vgl. ibid., § 382 u. § 389 HZus); denn das Erkennen der Unangemessenheit, in der der Geist seine absolute Bestimmung vorfindet, wenn diese sowohl im reinen Bei-sich-sein ihres abstrakten Begriffs, als auch in ihren bestimmten Manifestationen verharrt, resultiert ja gerade aus dem Wissen um seine wirkliche Absolutheit und beinhaltet insofern über die Negation der defizienten Realisationen seiner selbst gerade die Affirmation seiner absoluten Wirklichkeit. Die defizienten Momente seines Daseins sind so nur „Momente seines Sich-zu-sich-selbst-Hervorbringens, seines Zusammenschließens mit sich" (ibid., §387 HZus), — von daher Indizien der Freiheit, die Schranken seiner selbst nur an sich selbst zu haben (vgl. ibid., § 386), sich in diesen Schranken nicht zu verlieren, sondern sich in der negativen Bestimmung der Selbstbeschränkung allererst zu gewinnen. Indem der Geist sich wesentlich absolut in dieser Freiheit begreift, ist er weder in der beschränkten Wirklichkeit (Welt) seines reinen Fürsichseins als subjektiver oder objektiver Geist, noch in der beschränkten Wirklichkeit (Welt) seiner subjektiven und objektiven Entäußerungen absolut repräsentiert, mag sich letztere auch noch so sehr als eine von ihm gesetzte und gewollte Wirklichkeit (Welt) zu verstehen geben. Es ist vielmehr das Aufheben der Einseitig281

282

Vgl. Enz, §§ 387 HZus u. 442. Zu der dieser geistigen Verfassung entsprechenden Selbstkonstitution des sich absolut erfassenden Begriffs siehe unsere obigen Ausführungen zur Begriffslogik (insbesondere 137 ff). Vgl. dazu oben, 66f einschl. Anm. 105.

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keit beider Wirklichkeiten seiner selbst, das ihn sich gemäß macht, somit die Bewegung des Identisch-Setzens der einen in der anderen, — aber eben so, daß zugleich die Unterschiedenheit beider, die ihr Verhältnis zueinander bestimmt, vollständig bewahrt bleibt. Die absolute Wirklichkeit des Geistes läßt sich demnach nicht in irgendeine Bestimmtheit oder an irgendeinen Inhalt binden, nicht irgendwo fest-machen (vgl. ibid., § 3 83) 283 . Sie liegt allein in der Offenbarung der absoluten Relationalität (Verhältnismäßigkeit) geistiger Konkretionen 284 . Diese sich hier offenbarende Relationalität des Bestimmten ist nicht mehr bloß die Faktizität der Form des wahrhaften Wissens, sondern die Faktizität des allgemeinen Wissens um die ideelle (= wahrhaftige) Wirklichkeit des Menschseins. In ihrer höchsten Form dokumentiert sie sich in der Kunst, in der Religion und in der Philosophie. Als absoluter Ausdruck einer konkreten Relationalität setzen diese Dokumentationen bestimmte Momente ihrer selbst voraus, die in ihnen in eine absolute Beziehung treten können. Die sie allgemein konstituierenden Momente sind das Subjektive und das Objektive in den Sphären des Geistes, in denen dieser zwar seine Absolutheit erfaßt, aber nur endlich konkret begreift, — in den Sphären des subjektiven und des objektiven Geistes (vgl. ibid., §386).

3.2.3.2. Subjektiver — objektiver — absoluter Geist In der Sphäre des subjektiven Geistes ist der Geist zunächst nur in die Absolutheit der leiblichen und geistigen Individualität versenkt, die das konkrete Ich als Allgemeines ist. Er ist hier nur erst „in der Form der Beziehung auf sich selbst, innerhalb seiner ihm die ideelle Totalität der Idee wird" (ibid., §385), seine absolute Identität mit sich und somit seine Freiheit nur erst insoweit, als sie dadurch garantiert wird, daß er in seinen Äußerungen rein bei sich, in der allgemeinen Immanenz des konkreten Ich bleibt. Die Entwicklung dieser Immanenz in der einfachen und unmittelbaren Totalität ihres Ansichseins, als Seele, ist Gegenstand der Anthropologie (vgl. ibid., §§ 387 u. 440). Die Seele ist „die Substanz, so die absolute Grundlage aller Besonderung und Vereinzelung des Geistes, so daß er in ihr 283

284

Abstrakt wird das überhaupt schon daran deutlich, daß diese Wirklichkeit eine absolute Daseinsweise der Idee ist. Als diese Relationalität und aufgrund der relationalen Wirklichkeit seiner Offenbarung ist der Geist mit der Idee und mit dem Begriff die allgemeine Substanz der wahrhaften Entwicklung des spekulativen Wissens (vgl. oben, Anm. 189).

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allen Stoff seiner Bestimmung hat und sie die durchdringende, identische Idealität derselben bleibt. Aber in dieser noch abstrakten Bestimmung ist sie nur der Schlaf des Geistes" (ibid., § 389), — nur erst die Möglichkeit des Ichs, in bestimmten Äußerungsformen einen höheren Begriff seiner selbst zu eröffnen. Das eigentliche Wissen (zunächst die Gewißheit) um diese Möglichkeit und somit zugleich einen näheren Begriff von den ihm angemessenen Formen seiner Äußerung erreicht das Ich erst im Bewußtsein, d.i. die Stufe des Geistes, auf der seine ,identische Idealität' seine Bestimmtheit tatsächlich auch ,durchdringt', in dieser tatsächlich widerscheint (vgl. ibid., § 413). Diese Stufe ist Gegenstand der Phänomenologie des Geistes. Das Ich setzt sich hier in ein Verhältnis zu einer Objektivität, die seine unmittelbare Selbstgewißheit übersteigt, das aber ein Verhältnis der konkreten Vermittlung seiner mit sich selbst, der objektiven Reflexion seiner an sich selbst ist, so daß ihm diese Objektivität nur zu einer Bestätigung dafür wird, daß es auch in seinen Äußerungen in der Freiheit bleibt, allgemein für sich und mit der allgemeinen Substanz des absoluten Zusammenhangs von Subjekt und Objekt, in welchem der Geist erscheint, als Subjekt identisch zu sein 285 . Aufgrund dieser allgemeinen Subjektivität im Phänomenologischen ist es nicht eigentlich die Objektivität, die auf die unmittelbare Selbstgewißheit des Ich übergreift, weil sie diese etwa von sich her überstiege, vielmehr ist gerade das Ich dasjenige, was als objektives Ubergreifen nach dem Objekt greift, und zwar so radikal, daß dieses einzig „als ein an sich aufgehobenes" (ibid., § 413) und nur als „das Seinige des Subjekts" (ibid., § 415) ist. Andererseits soll das Ich hier aber auch über das Objekt eine andere als eine rein identische Bestimmung seiner selbst erfahren, sein Bewußtsein je „verschieden bestimmt erscheinen nach der Verschiedenheit des gegebenen Gegenstandes und seine Fortbildung als eine Veränderung der Bestimmungen seines Objekts" (ibid.), nicht nur seiner selbst. Wegen dieses Widerspruchs erzielt das Ich auf der Basis des Bewußtseins mit seiner Objektivierung nur formell die absolute Identität mit seinem Objekt; denn diesem Objekt bleibt generell noch das Moment einer nicht ideellen Selbständigkeit, ein Restbestand an nicht auch subjektiver Inhaltlichkeit an-

285

Vgl. Enz, § 412: „Dies Fürsichsein der freien Allgemeinheit ist das höhere Erwachen der Seele zum Ich, der abstrakten Allgemeinheit, insofern sie für die abstrakte Allgemeinheit ist, welche so Denken und Subjekt für sich, und zwar bestimmt Subjekt seines Urteils ist, in welchem es die natürliche Totalität seiner Bestimmungen als ein Objekt, eine ihm äußere Welt, von sich ausschließt und sich darauf bezieht, so daß es in derselben unmittelbar in sich reflektiert ist, — das Bewußtsein". Vgl. auch ibid., § 387.

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haften 286 . Was das Ich daher an Konkretheit dadurch gewinnt, daß es sich seiner bewußt wird, ist allererst die Gewißheit von der Gegebenheit einer objektiven Bestimmtheit seiner selbst; d.i. zunächst eben nur die Gewißheit, daß ihm eine solche Bestimmtheit überhaupt und prinzipiell zukommt, — das Bewußtsein ist „nur an sich die Idealität des Ich mit seinem Andern" (ibid., § 443) —, noch nicht die wahrhafte Erfassung derselben. Diese gelingt ihm erst dort, wo es seine subjektive und objektive Konstitution vor dem Horizont der Vernunft bzw. der konkreten Einheit betrachtet, die der Geist für sich ist, wenn er den Inhalt seiner Äußerungen (Produktionen) sowohl als an sich seienden, als auch als das Seinige seiner äußerlichen Freiheit begreift (vgl. ibid.), so daß er sich von diesem Inhalt nicht mehr beschränkt weiß, „nicht im Verhältnis zu ihm als Gegenstand steht", sondern an diesem Inhalt eine Manifestation dessen erkennt, daß er „nur von seinem eigenen Sein anfängt und sich nur zu seinen eigenen Bestimmungen verhält" (ibid., §440). Unter der Perspektive der Unmittelbarkeit dieser „substantiellen, weder subjektiven noch objektiven Totalität" (ibid.) ist das Ich Gegenstand der Psychologie261. Gerade aber damit, daß hier nun eine unmittelbar absolute Ubereinstimmung von bloß innerlichem und sich objektivierendem Ich angesetzt wird, ist in eins die endliche Bedingung gesetzt, die absolute Selbsterfassung des Geistes allein in der ideellen Einzelnheit des Subjekts gegeben zu sehen, in welcher sie ihr Dasein zwar als die konkrete, aber allgemein individuell beschränkte Existenz ihres Begriffes hat. Die wahrhafte Konkretheit des Geistes offenbart sich somit zunächst nur formell als das Allgemeine seiner Absolutheit, inhaltlich aber bleibt der Geist der subjektiven Immanenz seiner Begriffsexistenz verhaftet und so nur das Ansichsein der Idee der menschlichen Wirklichkeit 288 . Über die allgemeine Idealität, die er so überhaupt an sich hat, zeigt sich jedoch die Bestimmtheit seiner rein subjektiven Gestalt in einem ihre einfache Immanenz übergreifenden Äußerungskontext absoluter fundiert und konkreter manifestiert: dieser Kontext ist das Recht, die Sphäre der objektiven, sich absolut vermittelnden Existenz des Geistes. 286

287

288

„Weil das Objekt nur abstrakt als das Seinige bestimmt oder er (der Geist; Verf.) in demselben nur in sich als abstraktes Ich reflektiert ist, so hat diese Existenz noch einen Inhalt, der nicht als der seinige ist" (Enz, § 416). Das Gegenständliche hat so für ihn „auch noch die Form eines Ansichseienden" (WL II, 437). — Vgl. dazu auch unsere obigen Ausführungen zum phänomenologischen Wahrheitsbegriff, 89—92. Zu dem, wie das Ich seine subjektive und objektive Konstitution als das Seiende und als das Seinige in der theoretischen und praktischen Komponente seiner unmittelbaren Totalität aufhebt, siehe Enz § 443. Zur endlichen und formalen Selbstverfassung des subjektiven Geistes vgl.: Enz, §§441, 444, 482; W L II, 437.

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Als objektiver Geist ist der Geist das Absolute nicht mehr nur in der individuellen Immanenz der konkreten Selbstbestimmung des allgemeinen Ichs, sondern ,,in der Form der Realität als einer von ihm hervorzubringenden und hervorgebrachten Welt, in welcher die Freiheit als vorhandene Notwendigkeit ist" (Enz, §385). Seine Konkretheit liegt somit hier nicht mehr allein im Formalen der unmittelbaren Objektivierung der leiblichen und geistigen Individualität des Ichs, nicht mehr allein im Prinzip der rein ideellen Tätigkeit desselben, sich in seinen Äußerungen einen höheren Begriff seiner inneren Bestimmung zu vermitteln, vielmehr einerseits in einer diesem Ich gegenüber äußerlich vorgefundenen Objektivität, in einer Welt der Realitäten, die ihm nicht mehr als die Welt der unmittelbaren Realisierung seiner selbst, nicht mehr als die Wirklichkeit seines reinen Beisichseins und seiner reinen Beziehung auf sich selbst erscheint, andererseits in der Tätigkeit, die Freiheit seiner absoluten Selbstbestimmung auch in dieser Welt absolut realisieren zu wollen, d.i. in dem Willen, in dieser Welt als seinem Produkt die Gestalt der absoluten Vernunft wiederzugewinnen 289 . Sinn und Zweck hat dieser Wille insofern, als der Geist hier — im Begriff der Entwicklung seiner allgemein ideellen Konstitution — sich keinesfalls auf ein ihm schlechthin Äußerliches bezogen, durch eine ihm gänzlich fremde Bestimmtheit prinzipiell der Freiheit seines Sich-einzigselbst-Wollens beraubt sieht, sondern mit diesem Äußerlichen überhaupt nur die konkrete Form seiner absoluten Objektivierung angesprochen weiß, d.h. nur eine solche objektive Welt „vorfindet", die in einer wesentlichen und expliziten Vermittlung zu ihrer geistigen Substanz steht, — oder auch mit Hegels Worten: in der sein Wille, nachdem er sich zum „denkenden Willen" erhoben hat, sich „den Inhalt gibt, den er nur als sich Denkendes haben kann" (ibid., § 469). Der Inhalt dieser objektiven Welt ist so aber von zwei wesentlich unterschiedlichen Seiten seiner Substantialität her angemessen erfaßbar: sowohl von der Seite seiner bloß innerlichen, aber grundlegenden Bestimmtheit, nur eine Form sich materialisierender Willensfreiheit zu sein, als auch von der Seite seiner äußerlich bestimmten Materialität her, auf die der Wille als Sich-materialisieren-wollender-Wille unmittelbar verweist (vgl. ibid., §483). Die Komponente dieser äußerlichen Materialität ist selbst wieder eine gedoppelte: zum einen die äußeren 289

Das Verhältnis subjektiver Geist — objektiver Geist wird im zweiten Teil unserer Untersuchung noch einmal aufgegriffen und bestimmter als hier ausgeführt werden, und zwar als das Verhältnis der allgemeinen Gestalt des Willens als praktischer Geist (subj. G . ) zu der durch die geistige Praxis desselben gestalteten Bestimmtheit der Welt des Rechten (obj. G.).

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Naturdinge, aber eben nur insoweit, als diese ,für das Bewußtsein sind', als sie durch die ,partikulären Bedürfnisse' des sich konkret wissenden und wollenden Ichs vermittelt sind; zum anderen die einzelnen Besonderheiten der sich gegenseitig vorfindenden, leiblichen und geistigen Individualitäten, die sich in einem Verhältnis manifestieren, in welchem diese Individualitäten als das jeweilige ,Selbstbewußtsein ihrer als verschiedener und partikulärer' sind und auf der Basis der gegenseitigen Anerkennung dieser ihrer verschiedenen und partikulären Realität und Realisierung miteinander in Beziehung treten (vgl. ibid., §§483 u. 484). Von seiner geistigen Grunddisposition her ist aber der Wille als sich objektivierender Wille nicht in der unmittelbar selbstgenügsamen Verfassung, seinen Inhalt nur einfach darauf beruhen zu lassen, daß er diesen als das Abstraktum der bloß innerlich absoluten Willentlichkeit einer objektiven Welt weiß, die ohnehin ihm nur insoweit „objektiv" gegenübersteht, inwieweit sie überhaupt einzig durch ein bestimmtes Wollen erschlossen ist; er ist auch nicht in der wesentlich selbstgenügsamen Verfassung, die innerliche und die äußerliche Seite dieser auf seine absolute Selbstrealisation bezogenen objektiven Welt gegeneinander auszuspielen und seinen Inhalt somit einzig als die manifeste Relationalität seiner objektiven Seite zu belassen; vielmehr ist er in der absolut selbstgenügsamen Verfassung, an dieser Welt sein rein innerliches Dasein, das er als die Freiheit der Allgemeinheit seiner absolut immanenten Bestimmtheit begreift, auch äußerlich vollkommen zu verwirklichen, d. h. die reale Absolutheit seines Inhalts auch als die absolute Realität desselben zum Inhalt zu haben 290 . Diese wirkliche Verfassung des Willens und willentliche Verfassung des Wirklichen manifestiert sich als Recht, das nicht nur im Sinne des beschränkten juristischen Rechts, sondern im Sinne des Rechten (das Rechte als das der Wahrheit angemessene Wirkliche), „als das Dasein aller Bestimmungen der Freiheit umfassend zu nehmen ist" (ibid., §486). Indem der Geist so erkennen muß, daß ihm als objektivem Willen tatsächlich ein absolutes Dasein in einer seinem unmittelbaren Dasein zunächst äußerlich erscheinenden Welt zukommt, ja daß er sogar ein Recht auf dieses äußerliche und objektive Dasein der Freiheit seiner absoluten Selbstbestimmung hat, — d.h. zu dieser Welt in einer Beziehung steht, die ihm das Recht nicht nur einräumt, sich seinen wirklichen Inhalt auch in seiner äußerlichen Wirklichkeit zu geben, so daß sich das rein 290

„Die Zwecktätigkeit aber dieses Willens ist, seinen Begriff, die Freiheit, in der äußerlich objektiven Seite zu realisieren, daß sie als eine durch jenen bestimmte Welt sei, so daß er in ihr bei sich selbst, mit sich selbst zusammengeschlossen, der Begriff hiemit zur Idee vollendet sei" (Enz, § 484).

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ideelle Verständnis seiner selbst real manifestiert, sondern in der er dieses Recht fordert —, muß er zugleich einsehen, daß dieses Recht auch ebenso seine Ver-pflichtung beinhaltet, und zwar seine Verpflichtung dahin gehend, sich einerseits nicht mit irgendeinem Dasein seiner selbst zufrieden zu geben, sondern auch wirklich sich ein ihm angemessenes Dasein verschaffen zu wollen und zu verschaffen, andererseits ein anderes, äußerlich „vorgefundenes" Dasein seiner selbst als eine gleichermaßen rechtliche Manifestation der Selbstverwirklichung eines anderen Willens zu respektieren (vgl. ibid., HZus). Angesichts dieser allgemeinen Identität von Recht und Pflicht und von innerlich und äußerlich inhaltlicher Idealität, die für die objektive Realisation des Geistes überhaupt geltend zu machen ist 2 9 1 , erkennt der Geist die Wirklichkeit, die er als objektiver Wille hat, näher: 1. in der Anmessung seines innerlichen Daseins (als bloß unmittelbarer und einzelner Wille) an die Bestimmtheit der ihm zunächst äußerlich erscheinenden Welt der Sachen, — abstraktes Recht·, 2. in der Anmessung seines äußerlichen Daseins an die allgemein bestimmte Innerlichkeit seiner sich partikulär konkret begreifenden Subjektivität, oder anders: in der sich absolut reflektierenden Gesinnung des subjektiven Wollens, - Moralitât (vgl. ibid., § 5 0 3 ) ; 3. in der Angemessenheit seines innerlichen und äußerlichen Daseins, wo die selbstbewußte Freiheit ihm überhaupt zur Natur geworden ist, so daß der allgemeine vernünftige Wille auch als die allgemeine Substanz seiner äußerlichen Wirklichkeit unmittelbar in dieser Wirklichkeit erscheint, wie diese Wirklichkeit auch selbst nur die allgemeine Vermittlung ihrer substantiellen Willentlichkeit konkret manifestiert, — Sittlichkeit (vgl. ibid., § 513) 2 9 2 . In diesem Willensbereich seiner ideellen Realisation ist der Geist jedoch allererst im Begriff, allein im Unbestimmten der allgemeinen Identität selbst, die er durch die wechselseitige Anmessung der innerlichen und äußerlichen Idealität seiner Wirklichkeit erzielt, die Bestimmung seiner absoluten WirkDa „dasselbe, was ein Recht ist, auch eine Pflicht ist, und was eine Pflicht ist, auch ein Recht ist" (Enz, § 486), sind die verschiedenen Sphären des objektiven Geistes nicht nur unterschiedliche Sphären des rechtlichen Daseins des Willens, sondern zugleich auch die Sphären der unterschiedlichen Pflichten desselben (vgl. ibid., HZus u. § 474 HZus). 292 Vgl z u dieser Einteilung der Sphären des objektiven Geistes auch ibid., §§ 486 HZus u. 487. E s ist die eigentliche Aufgabe des II. Teils der vorliegenden Untersuchung, die hier zunächst noch unwahrscheinlich abstrakt verbleibende Untergliederung der Hegeischen Rechtsphilosophie detailliert zu erörtern; daher soll dieser hier zunächst mit dem Abstraktum ihrer ideellen Fundamentalstruktur Genüge geleistet sein. 2,1

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lichkeit zu sehen, eben weil es ihm hier scheint, diese Bestimmung doch endgültig manifestieren zu können: das eine Mal in der endlichen Bestimmtheit seines äußerlichen oder innerlichen Daseins, das andere Mal in der bestimmten Allgemeinheit der absolut gesetzten Ubereinstimmung beider, die in der je zeitlichen und somit bloß endlich gültigen Verfassung der Gesetze und Sitten der verschiedenen Völker ihren Ausdruck findet. Daher erfaßt der Geist hier seine reale Idealität nur, insoweit dieser eine endliche Bestimmtheit zukommt, insoweit er in dieser als endlicher Geist ist 293 . In das Inkonkrete der unendlichen Beziehung seiner innerlich und äußerlich absolut bestimmten Einseitigkeit selbst die konkrete Bestimmung seines absoluten Daseins zu setzen, macht die Eigentümlichkeit des Geistes in den Sphären seiner unendlich ideellen Selbstrealisation aus, — seiner Selbstrealisation als absoluter Geist. Als absoluter Geist ist der Geist das Offenbaren und das Offenbarwerden der grundlegenden Wahrheit seiner substantiellen Absolutheit in Gestalt der Offenbarung selbst, in welcher er sowohl die Gestalt des reinen Begriffs seiner selbst als auch die wesentliche Gestalt seiner absoluten Erscheinungen vollkommen verwirklicht sieht. Er holt somit in der Sphäre, in der er seine absolute Selbsterfassung hinsichtlich des Absoluten selbst entwickelt, nicht nur die Wirklichkeit seiner absoluten Bestimmung (s. oben, 3.2.3.1.), sondern auch das Absolute seiner wirklichen Bestimmtheit konkret und vollständig ein. Aus diesem Grunde vermag die Sphäre des absoluten Geistes als die konkreteste und zugleich allgemeinste Manifestation des Substantiellen des Geistigen aufzutreten und, indem sich über dieses Substantielle nicht nur ein intellektuelles Vermögen, sondern das Menschsein ganz allgemein de-finiert, als die konkreteste und zugleich allgemeinste Manifestation des sich absolut begreifenden Menschseins. Da diese Sphäre selbst, als ein Moment der Geistesphilosophie, hinsichtlich des Gehaltes ihrer Explikationen auch nur auf das Substantielle der geistigen Konkretionen beschränkt bleibt 294 , ist das, was sich in ihr als die absolute Wirklichkeit des Geistes manifestiert, nichts anderes als die Affirmation der allgemein relationalen Fundamentalverfassung (der Idealität) des Wissens in den absoluten Erscheinungen desselben 295 . Diese Affirmation hat statt: 293 294

295

Vgl. E n z § § : 386, 483, 513, 552. Zu Hegels überhaupt nur überaus dürftiger Ausführung der Paragraphen über den absoluten Geist siehe die Ausführungen von Nicolin/Pöggeler in ihrer Einführung in die „Enzyklopädie" (Enz, X X X I X ) . Diese Bestimmung der absoluten Wirklichkeit des Geistes ist gestützt auf und bestätigt durch den Gang der wissenschaftlich entwickelten Erkenntnis desselben, eben dadurch, daß sich für den Geist diese fundamentale Relationalität in der Tat überall dort allgemein

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anschaulich in Form der Kunst, an dem Inhalt der Vorstellungen der geoffenbarten Religion und in dem Begriff, der sich im spekulativen Philosophieren sein Dasein gibt 296 . Ihr inhäriert, daß der Geist sich hier nicht mehr in der scheinbar absoluten Wirklichkeit seiner bestimmten Gehalte (selbst nicht in einer subjektiv und objektiv absoluten Konstitution derselben) als realisiert versteht, sondern allein in der wirklich absoluten Erscheinung der Relationalität, die sich als die sich einheitlich reflektierende Grundlage derselben an denselben einstellt; er ist hier die „ewig sich hervorbringende Einheit der Objektivität des Geistes und seiner Idealität oder seines Begriffs, der Geist in seiner absoluten Wahrheit" (Enz, §385). In seiner absoluten Wahrheit aber als das ewige Hervorbringen seiner absoluten Bestimmung ist er das absolut negative Selbstbewußtsein und -werden seiner selbst an dem von ihm Hervorgebrachten, „das Vereiteln des Eiteln in sich selbst, dieses Vernichtigen des Nichtigen" (ibid., § 386 HZus), — des Nichtigen, als das er sich selbst in den Gestalten seiner realen Manifestation erscheint, selbst wenn diese als absolute Gestalten seiner selbst auftreten. So führt er als absoluter Geist das Dasein, das seinem reinen Begriffe entspricht, das Dasein des absoluten Widerspruchs, sich einerseits als sich manifestierender Geist in dem Bestimmten und Konkreten der realen Gestalten seiner absolut ideellen Erscheinungen zu wissen, andererseits als Manifestation der reinen Idealität dieses Wissens allein im Unbestimmten und Inkonkreten der Offenbarung der unendlichen Relationalität seiner bestimmten Gestalten seine wahrhafte Bestimmung zu erlangen und nur als

296

und überhaupt als die wahrhaft konkrete Grundlage einer jeden seiner bestimmten Gestalten zeigte, wo diese Gestalten sich als absolute Momente seiner selbst zu begreifen wußten. Für Hegel sind diese drei Weisen der Offenbarung des Absoluten ganz allgemein dem religiösen Aspekt dieser Offenbarung einzugliedern (vgl. Enz, § 554), eben weil er die Religion überhaupt in der Bestimmung ortet, das Mittlere (das Ver-mittelte und das Vermittelnde) zwischen Kunst und Philosophie zu sein, die Weise des Wissens um das Absolute, die sowohl die anschauliche wie die begrifflich vermittelte Seite dieses Wissens in gleichem Maße vergegenwärtigt. Theunissen hat in seinem Buch „Hegels Lehre vom absoluten Geist als theologisch-politischer Traktat" eine Analyse der Sphäre des absoluten Geistes vorgelegt, die dieser alle Momente dieser Sphäre übergreifenden Bedeutsamkeit des Hegeischen Religionsbegriffs Rechnung trägt. Zu dem allgemeinen Verhältnis der Kunst zur Religion, wie Hegel es selbst in seiner enzyklopädischen Darstellung des absoluten Geistes ausführt, siehe Enz: § 562 HZus u. § 563, sowie zum Verhältnis der Philosophie zur Religion: ibid. § 573 HZus. Letzteres wird im III. Teil unserer Arbeit kurz zur Sprache kommen. Im II. Teil werden wir fernerhin die bestimmte Funktion, die Hegel der Religion auch im Staate zuerkennt, zu erörtern haben.

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die unendliche Beziehung-selbst zwischen seiner innerlich und äußerlich absolut bestimmten Welt mit sich identisch zu sein (vgl. oben, 159f). Diese absolut widersprüchliche Existenz des Geistes sieht Hegel zum einen in der Kunst, jedenfalls von der Seite ihrer substantiell geistigen Eröffnung her, vollbracht: darin daß die Kunst die Weise ihrer Offenbarung des Absoluten zwar so versteht, dem Absoluten einerseits in dem künstlerischen Subjekt, in dem reinen Selbstbewußtsein des potentiellen Vermögens desselben zur Kunstproduktion und -rezeption, andererseits in dem ,äußerlichen gemeinen Dasein' des Kunstwerks Bestand zu geben, es in diesen beiden Gestalten seines wirklichen Daseins aber nicht endgültig manifestiert sein zu lassen, sondern die höchste Weise seines Offenbarwerdens in die Werktätigkeit des künstlerischen Schaffens, in den unendlichen ,Prozeß' der künstlerischen Praxis selbst zu setzen, in welchem die bestimmten Gestalten des Kunstwerkes ebenso wie die des Künstlers sich allererst hervorbringen und die ,Versöhnung' zwischen Kunstwerk und Künstler geleistet wird 297 . Nämliches macht Hegel zum anderen ebenso für die Religion wie für die Philosophie geltend: in der Religion sind es weder allein das religiöse Selbstbewußtsein des Subjekts noch allein der objektive Inhalt der religiösen Vorstellungen noch allein beides zusammen, die das wahrhafte Wesen des Göttlichen auf absolute Weise bergen; vielmehr geschieht dieses im prozessualen Wesen der praktizierenden Religion selbst, d.h. dort, wo die religiöse Praxis die subjektive und die objektive Komponente ihres absoluten Grundes im Wandel des Geschehens der wechselseitigen Offenbarung dieser ihrer Komponenten vergegenwärtigt, wodurch diese Praxis selbst sich zugleich mitwandelt298. Die ,Versöhnung', die hier geschieht, ist die Versöhnung zwischen Gott-Schöpfer, göttlicher Schöpfung und göttlichem Geschöpf; in der christlichen Religion ist dieser Versöhnung vor allem durch das Werden Gottes zu der Dreieinigkeit von Gott-Vater, GottSohn und Gott-Geist Ausdruck verliehen299. Durch diese allein relational wahrhaftige Wirklichkeit des absoluten Geistes zeichnen sich für die Philosophie Konsequenzen ab, die dem ge297

298

299

Dieser Prozeß ist von seiner dem Absoluten überantworteten Bestimmung her oder auch von seiner übergeordneten Bestimmung her, praktizierte Religion zu sein, als eine eigene Form der Andacht und des Kultus zu bezeichnen. — Vgl. zu diesen Ausführungen Enz, §§ 5 5 5 - 5 6 2 . Daher ist für Hegel nur eine geschichtliche Religion zur absoluten Offenbarung des Göttlichen befähigt, d. i. eine Religion, die sowohl einen geschichtlichen Gehalt als auch selber ihre eigene Geschichte hat. Vgl. zu diesen Ausführungen Enz, §§ 565—570.

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meinhin üblichen Verständnis von dem, was Philosophie eigentlich sein soll oder sein könnte, jedwede Grundlage nehmen, zumal dann, wenn Hegel die Philosophie auch noch als die absolute Sphäre bestimmt, in der die widersprüchliche Struktur und die absolute Negativität der wesentlichen Manifestationen des Geistigen am vollkommensten offenbar werden, weil der Geist sich hier mit diesen Charakteristika seiner Manifestationen nicht nur vor dem Horizont seiner absoluten Bestimmung identifiziert, sondern gerade in der Eigentümlichkeit selbst dieses relativen Identischseins-mit-sich die Manifestation seiner absoluten Bestimmung (d.i. die relationale Realität der ideellen Identität) begreift, als eine Sphäre des Geistes, die sich auch noch von den Einseitigkeiten und Endlichkeiten der künstlerischen und religiösen Wirklichkeit, befreit' und somit das absolute Wesen derselben seinem reinen Begriffe nach zum Gegenstand hat 3 0 0 . So zeigt 300 Vgl. Enz, § 572 u. § 573. Daß hier die philosophische Offenbarung der religiösen Offenbarung des Absoluten übergeordnet ist, steht im Konflikt zu dem, daß für Hegel die Sphäre des absoluten Geistes im allgemeinen als Religion bezeichnet, d. h. der philosophische Aspekt dem religiösen Aspekt dieser Offenbarung eingegliedert werden kann (s. oben, Anm. 296). Selbst wenn man dem Umstand Rechnung trägt, daß in der Dimension der Geistesphilosophie die einzelnen Sphären sich nicht durch ein Mehr oder Weniger an geistiger Substanz unterscheiden (zumal nicht die Momente der Sphäre des absoluten Geistes), die Religion dementsprechend auch nicht hinsichtlich einer Inhaltsdifferenz, sondern allein hinsichtlich einer Formdifferenz in der Vergegenwärtigung dieses Inhalts von der Philosophie abgesetzt ist (vgl. Enz, § 573 HZus), so ist durch diesen allein formalen Unterschied beider jedoch nicht nur ein nebensächlicher Sachverhalt berührt, will man die wechselseitige Form-Inhalt-Bestimmung, die sonst überall in der Hegeischen Philosophie Geltung hat, auch hier zur Geltung bringen. Wenn man auch ,gut hegelisch' sagen könnte, daß die Religion die Wirklichkeit Gottes mehr anschaulich und die Philosophie dieselbe rein begrifflich vermittelt, „in die einfache geistige Anschauung vereint und dann darin zum selhsthewußten Denken erhoben" offenbart (ibid., § 572), so müßte man ebenso ,gut hegelisch' sagen, daß beide, gerade weil sie sich in der Form des Offenbarwerdens ihres absoluten Inhalts unterscheiden, sich auch in diesem Inhalt selbst unterscheiden. Obwohl die ganze Dimension der Geistesphilosophie, wie ja schon mehrfach ausgeführt wurde, nicht einem solchen hierarchischen Ordnungsprinzip unterliegt, daß tatsächlich eine substantielle //öier-entwicklung ihres Gegenstandes in ihren Darstellungssphären angesetzt werden könnte, — die Entwicklung, die hier stattfindet, ist in der Tat nur die je eigene Entwicklung der einzelnen Sphären zur Vollbestimmung des ihnen immanenten Begriffs, d.h. nur eine in den einzelnen Sphären und Momenten dieser Sphären hierarchisch scheinende, im Grunde aber mehr lineare Entwicklung (der subjektive und der objektive Geist sind daher ζ. B. auch nur hinsichtlich der Seite ihrer Ausbildung der Realität oder der Existenz des Geistes als der Weg anzusehen, auf welchem sich der Geist als absoluter Geist hervorbringt, nicht als der Weg der Hervorbringung seiner totalen Idealität überhaupt; vgl. ibid., § 553) - , so daß nicht damit, daß der Geist als absoluter Geist in der Philosophie die eigentliche Versöhnung seines abstrakten Begriffs und seiner Manifestationen erfährt, alle vorgängigen Sphären seiner Selbstrealisierung ad acta gelegt werden können, weil diese der Möglichkeit zur absolut wahrhaften Bestimmung der geistigen Realität, der die absolut wahrhafte Bestimmung des Mensch-

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die Philosophie sich weder in dem philosophischen Selbstbewußtsein des die Philosophie nur innerlich betreibenden Subjekts noch in dem objektiven Bestand philosophischer Einsichten und deren äußerlicher Dokumentation, d.h. weder in der bloß innerlichen Tätigkeit des philosophierenden Ichs noch in den äußerlichen Resultaten dieser Tätigkeit, weder in ihrer Reduktion auf eine rein subjektive Lebensweise des Philosophen noch in ihrer Reduktion auf die Weise ihrer objektiven Manifestation als Philosophie, in einer Verfassung, die sie befähigt, die absolute Wirklichkeit des Geistes so zu offenbaren, daß diese Offenbarung mit der faktischen Selbstkonstitution dieser Wirklichkeit identisch ist. Für Hegel liegt jedoch in letzterem eine unumstößliche Bedingung für die philosophische Gestalt des Geistes, will diese der Anforderung genügen, die der Geist mit seiner Uberantwortung an seine Absolutheit, in welcher er sich eben als der Gegenstand seins inhäriert, ermangeln, — diese Schlußfolgerung führte zu dem blödsinnigen Resultat, daß der Mensch auf der ,Höhe' des wahrhaft philosophischen Standpunktes des Geistes anthropologischer, bewußtseinsmäßiger, psychologischer, rechtlicher, moralischer und sittlicher, künstlerischer und religiöser Komponenten seines Daseins überhaupt enthoben wäre (das wäre nur ,Aufhebung' im Sinne von Tilgung; die ,Aufhebung' hat aber eben gerade in der Dimension der Geistesphilosophie nicht primär die Bedeutung von Tilgung, sondern von Bewahrung des Vorausgesetzten) - , so muß dennoch der Philosophie der Religion gegenüber eine Vorrangstellung eingeräumt werden, weil sie die geoffenbarte und offenbare Wahrheit Gottes auch in der ihr angemessenen Form zum Gegenstand hat (vgl. ibid., § 571), wohingegen die Religion dieser absoluten Form ihres absoluten Gegenstandes nicht mächtig ist: „Es kann nämlich wohl die Philosophie ihre eigenen Formen in den Kategorien der religiösen Vorstellungsweise sowie hiemit ihren eigenen Inhalt in dem religiösen Inhalte erkennen und diesem Gerechtigkeit widerfahren lassen, aber nicht umgekehrt, da die religiöse Vorstellungsweise auf sich selbst nicht die Kritik des Gedankens anwendet und sich nicht begreift, in ihrer Unmittelbarkeit daher ausschließend ist" (ibid., § 573 HZus). Da somit die Philosophie die Religion in sich schließt, nicht aber umgekehrt (vgl. auch ibid., 12), ist es unrichtig, die ganze Sphäre des absoluten Geistes allgemein als Religion zu bezeichnen. Vielmehr liegt in dem Allumfassenden des philosophischen Standpunktes die Notwendigkeit, daß Hegel das innerste Wesen der Kunst und der Religion im allgemeinen als Philosophie faßt, wie es ja auch tatsächlich der Fall ist, indem er dieses dahin gehend bestimmt, sich in dem „denkend erkannten Begriff beider zu begründen (ibid., § 572), d.h. eben von dem Umgreifenden der philosophischen Offenbarungsweise her. Die hier angemerkte „Korrektur" der Bemerkung Hegels im § 554 der „Enzyklopädie" führt zu Reflexionen, die eine ausführliche Erörterung der Hegeischen Sicht des Verhältnisses von Religion und Philosophie nach sich ziehen. Dafür ist jedoch eine so gründliche Auseinandersetzung mit Hegels Religionsphilosophie erforderlich, wie sie nicht Gegenstand unserer Untersuchung sein kann. Daher wollen wir es hier mit der grundsätzlichen Problematisierung dieses Verhältnisses bewenden lassen, — ein für Hegel in der Tat grundsätzlich problematisches Verhältnis, was sich daran zeigt, daß er diesem in allen Vorreden und Einleitungen seiner Werke immer wieder Beachtung schenkt; siehe vor allem die Ausführungen in seiner „Einleitung in die Geschichte der Philosophie", hrsg. v. J . Hoffmeister, Hamburg 1966, 1 6 6 - 2 2 3 .

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der Philosophie ausweist und das Wahre in der Form der Wahrheit ist, für das Denken stellt. Daher sieht Hegel denn auch die Übernahme dieser geistigen Uberantwortung an das Absolute allein in jener philosophischen Praxis gewährleistet und in derselben selbst auch zugleich dieses Absolute realisiert, die über ihre subjektiven und objektiven Manifestationen hinaus den Gegenstand ihrer Tätigkeit in dem Prozeß der gegenständlichen Vermittlung ihrer selbst, sowie in diesem Prozeß in einem die gegenständliche Tätigkeit der allgemeinen Selbstvermittlung des Geistes zu seiner absoluten Totalität als ihren Gegenstand begreift; und er will sowohl die Konzeption als auch die Realisation seines spekulativen Systems der philosophischen Wissenschaften allein im Rahmen der Verwirklichung dieser philosophischen Praxis verstanden wissen. Was die „Enzyklopädie" zu dieser Verwirklichung beiträgt, ist die produktive Bergung der un-endlichen Natur

des Geistes überhaupt in dem Prozeß der Hervorbringung Bestimmung derselben selbst.

der

absoluten

3 . 2 . 3 . 3 . Das Resultat der Philosophie des Geistes in seiner gesamtwissenschaftlichen Relevanz An dem Punkt, an dem der Praxis des spekulativen Philosophierens die totale Entsprechung, die zwischen der Eigenheit ihres Gegenstandes und ihrer bestimmten Weise der Offenbarung dieser Eigenheit herrscht, als absolut und als konkret gegeben begreifbar wird, — im übrigen die Konsequenz der durch die prinzipielle Vernünftigkeit dieser Praxis systematisch realisierten Aufhebung der gewissermaßen apriorischen Form-Inhalt-Differenz der Praxis des philosophierenden Verstandes —, schließt sich diese Praxis mit der ihr zugehörigen ganzheitlichen Manifestation, mit ihrer Manifestation als Philosophie überhaupt zusammen und vereitelt so, obwohl sie hier nunmehr der absoluten Bestimmung ihrer selbst wie ihres Gegenstandes mächtig ist, wiederum eine endgültige und einfache Bestimmung ihres Resultats, — eine Bestimmung, der dieses Resultat im Sinne eines von seiner Entwicklungsgeschichte Abziehbaren, d . h . eines ohne Rück-sicht auf seine Entwicklungsgeschichte Verfügbaren, angehört. Dem inhäriert, daß die spekulative Philosophie als das Ganze dieser Praxis, eben weil sie als spekulative die Entwicklung ihres Gegenstandes mit der Entwicklung ihres eigenen Begriffs identifiziert, ihren Gegenstand aber — seiner absoluten Bestimmung nach — nur in dem Unbestimmten des allgemeinen Prozesses der Hervorbringung seiner unendlichen Natur

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Die „Enzyklopädie" als System ideellen Denkens

erfaßt 3 0 1 , über einen absoluten Begriff ihrer selbst überhaupt nur insoweit verfügt, als mit einem solchen Begriff nichts anderes als das unbestimmte Abstraktum angegeben wird, daß sie die Bewegung und der Prozeß sei, der ihre Vermittlung mit dem Begriff ihrer selbst hervorbringt. Daher kann hier nicht trotz des Umstandes, daß der Geist auf der höchsten Stufe seiner Selbstvermittlung die philosophische Spekulation als die vollkommenste Weise der Vergegenwärtigung seiner wahrhaften Gestalt affirmiert, sondern gerade wegen dieses Umstandes keine definitive Bestimmung von dem gegeben werden, was spekulatives Philosophieren nun eigentlich konkret beinhaltet, — eben weil sein Inhalt sich selbst dieser definitiven Bestimmtheit und Konkretheit schon allein aufgrund dessen entzieht, daß er der Form seiner Manifestation die spekulative Form der Wahrheit zumißt; dieses Philosophieren findet sich vielmehr bereits „definitiv" bestimmt und somit bereits die „Definition" seiner selbst konkret vollbracht durch die Faktizität der Entwicklung seines eigenen Begriffs, so daß eine definitive Bestimmung der faktischen Konstitution des innersten Wesens der spekulativen Philosophie nicht in einem endgültigen Resultat dieses Philosophierens zur Verfügung steht, sondern allein in der retrospektiven Vergegenwärtigung der bestimmten Entwicklungsgeschichte desselben (vgl. Enz, § 573). Hegel hat schon in seinen Vorreden und Einleitungen zur „Wissenschaft der Logik" und zur „Enzyklopädie" immer wieder darauf hingewiesen, daß es eine Eigentümlichkeit der philosophischen Wissenschaft überhaupt — insofern diese jedoch bei ihm zum ersten Mal in ihrer wahrhaften Gestalt realisiert wird — respektive seiner Konzeption dieser Wissenschaft sei, die Bestimmung und die Begründung des Spezifischen ihres Unternehmens in dem konkreten Vollzug desselben selbst zum Gegenstand zu haben. Daher wollte er alle seine dort vorangestellten Ausführungen zur Philosophie nur als etwas Vorläufiges und Antizipiertes verstanden wissen, dessen Gültigkeit sich erst in der konkreten Selbstexplikation dieser Wissenschaft zu bewähren und wahrhaft zu begründen hat. Indem nun auch im Resultat der „Enzyklopädie", d. h. im Resultat der expliziten Ausführung der Philosophie, nichts anderes liegt als der Verweis auf die dieser Ausführung selbst immanenten Vermittlung dessen, was Philosophie ist, bewahrheitet und begründet dieses Resultat nicht allein eine der anfänglich nur vorausgesetzten Bedingungen, die Hegel für wahrhaftes Philosophieren als verbindlich erachtet, — eben die 301

Vgl. Hegel, Einleitung in die Geschichte der Philosophie, lOOf: „Die unendliche Natur des Geistes ist der Prozeß seiner in sich, nicht zu ruhen, wesentlich zu produzieren und zu existieren durch seine Produktion".

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Bedingung, daß dieses Philosophieren nur allein auf einem „sich selbst konstruierenden Wege" die Befähigung erlangt, „objektive, demonstrierte Wissenschaft zu sein" (WL I, 7) —, sondern bewahrheitet und begründet darüber hinaus die „Enzyklopädie" in ihrem Ganzen als die diesem Philosophieren überhaupt adäquate Manifestation schlechthin, da es die Entwicklung dieses Ganzen mit der absoluten Realisation dieser Bedingung identisch setzt. Das wird noch durch einen weiteren Sachverhalt bestätigt: die „Enzyklopädie" verweist ja in der Weise, wie sie am Schluß den Begriff der Philosophie erfaßt, nicht einfach nur auf die Selbstvermittlung dieses Begriffs in der allgemeinen Ausführung von Philosophie als solcher. Da sie selbst nicht nur einfach Philosophie ist, sondern wissenschaftliche (= systematische) Philosophie, findet sie den Begriff der Philosophie gerade in der bestimmten Weise vermittelt, wie sie sich als Philosophie ausführt, keinesfalls in dem bloßen Tatbestand ihrer Ausführung überhaupt. Der vollständigen konkreten Einholung dieses Begriffs in ihrem Resultat, — und darin allein liegt ja die wahrhafte Begründung und „definitive" Bestimmung desselben —, inhäriert von daher die vollständige und konkrete Rekapitulation ihrer bestimmten Konstruktion' und Konstitution und damit vor allem die Rekapitulation ihres Ausgangspunktes, ihres Anfangs; denn der absolute Geist, ihr Resultat, wird — seiner näheren Bestimmung nach — erkannt „als am Ende der Entwicklung sich mit Freiheit entäußernd und sich zur Gestalt eines unmittelbaren Seins entlassend, — zur Schöpfung einer Welt sich entschließend, welche alles das enthält, was in die Entwicklung, die jenem Resultate vorangegangen, fiel, und das durch diese umgekehrte Stellung mit seinem Anfang in ein von dem Resultate als dem Prinzipe Abhängiges verwandelt wird" (ibid., 55f). Aus diesem Grunde knüpft die „Enzyklopädie" bei der konkreten Bestimmung ihres absoluten Resultats nicht irgendwo an ihren Ausführungen an, sondern an der absoluten Bestimmung ihres konkreten Anfangs. Hiermit aber erfüllt sie, und zwar absolut, eine weitere Bedingung, der die Gestaltwerdung des wahrhaften Philosophierens unterliegt: sie leistet nicht nur die allgemeine Verwirklichung der totalen Selbstvermittlung der Philosophie, sondern realisiert diese in der bestimmten Form der Kreisgestalt, deren Interdependenz von Anfang und Resultat eine bestimmte Geschlossenheit indiziert, die wiederum auf eine systematische Verfahrensweise verweist, so daß die in ihrem Resultat sich absolut begründende kreisförmige Selbstvermittlung der Philosophie zugleich die allgemeine Begründung mitvermittelt, daß einzig eine Gestalt des systematischen ( = wissenschaftlichen) Philosophie-

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Die „Enzyklopädie" als System ideellen Denkens

rens, — und insbesondere Hegels enzyklopädische Gestalt desselben (s. oben, 97f) —, der wahrhaften Entwicklung philosophischer Wissenschaft angemessen ist 302 . Hier wird offenbar, daß am Ende von Hegels enzyklopädischem System der Philosophie die Voraussetzungen nicht nur konkret eingelöst sind, die Hegel für eine Konzeption der Philosophie von vornherein als unabdingbar gewußt wissen wollte, die an sich selbst den Anspruch stellt, die Darstellung des wahren Wissens in der Form der Wahrheit selbst zu vollziehen, d. h. absolute Wissenschaft des Absoluten zu sein; vielmehr verpflichtet dieses System an seinem Ende einerseits sein Ganzes erneut auf diese Voraussetzungen, indem es in seinem Resultat zu einer affirmativen Begründung seines Ausgangspunktes gelangt, und bestätigt andererseits sich selbst in seinem konkreten Ganzen als die Realisation dieser Voraussetzungen, indem dieses sein Resultat selbst eben als sein Resultat durch seine eigene konkrete Entwicklung begründet, d. h. sein Resultat das „wirkliche Ganze" der Sache der Philosophie nur „zusammen mit seinem Werden ist" (Phän, 11) und somit daher rührt, daß diese Voraussetzungen eben im Verlauf der Entwicklung dieser Sache sich allerorts als absolut gültig bewährt, ja mehr noch, für diesen Verlauf selbst als notwendig bewahrheitet haben, oder mit anderen Worten: daß sie allgemeine Prinzipien sind, durch die die konkrete Entwicklung des enzyklopädischen Systems fundamental konditioniert ist. Solche Prinzipien sind jedoch nicht allein die diesem System immanente Selbstvermittlung, oder seine Kreisgestalt, oder seine wissenschaftliche Systematik; darüber hinaus vielmehr auch seine generelle Verpflichtung auf die selbstbewußte Gestalt des Geistes unter dem Primat der sich denkenden Vernunft. Wenn dieses System jedoch an seinem Ende weder auf seine selbstbewußte noch auf seine vernünftige Fundamentalverfassung explizit verweist, so liegt das daran, daß sich diese primär durch eine systemexterne Vermittlung begründet finden, daß dieses System aber nunmehr, da es in einer sich absolut systemimmanent vermittelnden Affirmation seiner anfänglich nur vorausgesetzten Grundlagen selbst 302

Zu dem Zusammenhang von Philosophie, Wissenschaft und System, den Hegel innerhalb seiner Konzeption der Philosophie als eine der Voraussetzungen des absoluten Offenbarwerdens der philosophischen Wahrheit ausweist, siehe unsere obigen Ausführungen unter Punkt 2.2.1.; siehe ferner unsere Erörterung des Problems der Vermittlung des absoluten Anfangs des enzyklopädischen Systems unter Punkt 3.2.1.2., sowie zur Kreisgestalt der philosophischen Wissenschaft die Ausführungen Hegels (z.B.: WL 1,56; WL 11,504; Enz, §§ 15 u. 17) und die sich der methodischen Problematik derselben explizit widmende Arbeit von F. Kümmel: Piaton und Hegel (Zur ontologischen Begründung des Zirkels in der Erkenntnis), Tübingen 1968.

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resultiert, nicht mehr den Mangel an Möglichkeiten zur Selbstbegründung reproduziert, der noch seinen faktischen Anfang beherrschte, wo eben noch keine systemimmanente Konkretion seiner Grundlagen gegeben war, weil ja überhaupt keine innersystematische Entwicklung derselben vorlag und vorliegen konnte. Welche von seinen anfänglichen Voraussetzungen es explizit affirmiert, sind daher allein jene Voraussetzungen, die sich innerhalb seiner selbst als durch es selbst voraus gesetzt realisieren 303 . Einige dieser Voraussetzungen sind bereits genannt worden. Die wesentlichste Voraussetzung des enzyklopädischen Systems blieb noch unerwähnt: die Voraussetzung seiner Idealität, die Voraussetzung, daß es ein System auf der Grundlage des identischen Denkens und der Manifestation desselben im Begriff ist. Da die Entwicklung des reinen Begriffs als solchem allgemeiner Gegenstand seiner logischen Dimension ist, beinhaltet die retrospektive Affirmation seiner Begriffsgestalt ganz allgemein die Affirmation seiner logischen Grundlage in seinem Resultat 3 0 4 , im besonderen aber: die Affirmation des logischen Resultats, des sich als Begriff absolut begreifenden Begriffs, der Idee305. Dieses logische Resultat erfährt dadurch, 303 Yg] t J a z u auch oben, 49f einschl. Anm. 78. 304 305

Vgl. Enz, §§ 573 u. 574; oben, 105ff (vor allem Anm. 183). Die fundamentale Wiedervergegenwärtigung der Idee, die auf der höchsten Entwicklungsstufe des enzyklopädischen Systems, in der Entwicklung des Geistigen als solchem allgemein statthat, offenbarte schon den Geist überhaupt — seinem reinen und abstrakten Begriffe nach — „als die zu ihrem Fürsichsein gelangte Idee, deren Objekt ebensowohl als das Subjekt der Begriff ist" (Enz, § 381). Indem es sich nun aber zeigt, daß auch mit der absoluten Bestimmung der konkreten Wirklichkeit des Geistes wiederum eine absolute Bestimmung der logischen Natur desselben einhergeht, erweist das Geistige nicht nur auch, sondern gerade seinem absoluten Begriffe nach, seine logische Gestalt als die seiner Absolutheit überhaupt angemessene, damit aber eben auch das rein Logische — seinem absoluten Begriffe nach — als eine bestimmte Selbstmanifestation geistiger Wirklichkeit, keinesfalls als eine bloß minderwertige Abbreviatur der geistigen Fülle oder als ein karges Konstrukt derselben; — aus dem Grunde konnte von uns auch der Geist ganz allgemein als der substantielle Inhalt der Hegeischen Philosophie ausgewiesen werden (vgl. oben, 2.2.1.1.). So wird zugleich verständlich, warum etwa der Begriff als solcher nicht einfach nur als ein „Eigentum" des Geistes aufzufassen ist, sondern als „dessen reines Selbst" (WL II, 259), d.h. als eine bestimmte Gestalt des absoluten Geistes selbst. Aber eben auch nur als eine bestimmte: es darf daraus keinesfalls der umgekehrte Schluß gezogen werden, daß der absolute Geist und die Geistesphilosophie überhaupt gar keine ,Fülle' besitzen, nur in der Angemessenheit ihrer logischen Natur verweilen und in diesem System nichts anderes betreiben als die Affirmation des Begriffs, oder der reinen Idee, kurz: ihrer logischen Voraussetzung, so daß beide ihrem allgemeinen Gehalte nach allein auf diese Voraussetzung hinreduziert werden können. Selbst wenn die Geistesphilosophie in ihrem Resultat wiederum zu einer absoluten Affirmation des Logischen gelangt, selbst wenn sie nur das Substantielle des Geistes und die Manifestation desselben im Begriffe offenbart, weil sich eben ihr Gegenstand — seinem abstrakten Begriffe nach — als diese ,zu ihrem Fürsichsein gelangte Idee' ergeben hat (vgl. auch oben, 154f), und selbst wenn auch

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Die „Enzyklopädie" als System ideellen Denkens

daß es auf der höchsten Stufe des Geistes nur in seiner absoluten Gültigkeit und fundamentalen Bedeutung für die Selbstkonstitution und Entwicklung der wahren Gestalt des Absoluten bestätigt werden kann, ja diese Stufe selbst in einer absoluten Re-präsentation dieses Resultats resultiert, eine ,Erhebung' und Aufwertung: Die sich in ihm manifestierende Identität von Begriff und Realität — von Subjektivem und Objektivem, von Ideellem und Reellem etc. (vgl. Enz, §§ 213 u. 214) — war aufgrund ihrer allererst auf das Logische beschränkten Explikation zunächst nur rein ideell verwirklicht, nur anhand ihrer allgemein logischen Bestätigung und Konkretisierung, nur als das allgemeine Identische der logischen Realität, — d. h. nur hinsichtlich ihres begrifflichen Moments, denn ihr reales Moment blieb im Logischen auch nichts anderes als die unmittelbare Realität des Begriffs. Damit aber war diese Identität im Bereich des Logischen unterbestimmt, formal und inhaltlich nur als reine Idee (vgl. ibid., §§ 236 u. 237; W L II, 505); sie ermangelte ihrer über das rein Logische hinausgehenden Realisation, die an und für sich in ihrem Begriffe selbst lag. Die realsystematischen Sphären des enzyklopädischen Systems als die dem Logischen gegenüber realeren und konkreteren Sphären der Selbstdarstellung dieser Identität haben vor allem das nicht mehr nur rein logisch reale Moment derselben entwickelt. Indem aber das Resultat dieser Entwicklung zu zeigen vermag, daß in der Tat auch dieses Moment seiner absoluten Bestimmung nach in einer vollständigen die absolut konkrete Bestimmung ihres Gegenstandes ebenfalls in der Bestimmung des absoluten Fürsichseins gipfelt — nunmehr des Fürsichseins des Geistes (vgl. Enz, § 571 HZus) — und diese daher formal mit dem bestimmten Fürsichsein ihrer rein ideellen Substanz identisch ist, klammert diese Reduktion das reale, konkrete, objektive Moment der Geistesphilosophie unzulässig aus und beschränkt einerseits dieselbe in einem formellen und inhaltslosen Sinne allein darauf, daß sie überhaupt eine Gestalt der Wissenschaft des ideellen Denkens, eine Begriffswissenschaft ist, andererseits aber auch den Begriff des Geistes selbst nur auf seine ,reine unendliche Form', die als Form nur die Subjektivität des Geistes', d.h. nur eine Seite, eben die rein ideelle Seite desselben, erfaßt (vgl. Enz, § 571 HZus u. § 552 HZus —S. 437— ; es sei hier angemerkt, daß mit dieser ideellen Subjektivität keinesfalls die Subjektivität angesprochen ist, die bloß , Sache des Verstandes' ist, — siehe oben, Anm. 190). Der Begriff .Geist' hat bei Hegel jedoch auch noch eine andere, eben eine reale, konkrete und objektive Seite, — diese macht folglich auch mehr als bloß die logische Voraussetzung für sich geltend (s. oben, 155ff) —, die es ζ. B. ermöglicht, in Hegels Geistbegriff ein „Geschehen" zu sehen (H. Marcuse, Hegels Ontologie und die Theorie der Geschichtlichkeit, Frankf./M. 1968, 368), das letztenendes das Geschehen der geschichtlichen Vernunft ist (vgl. hierzu auch die spätere Arbeit von Marcuse: Vernunft und Revolution), oder auch „die Substanz, die Geschichte zur Weltgeschichte macht" (J. Ritter, Hegel und die französische Revolution, 93), und in Hegels Geistesphilosophie ganz allgemein ein Erreichen des „Bodens der realen Freiheit", nicht nur der Freiheit des reinen Begriffs (E. Angehrn, Freiheit und System bei Hegel, 154f). — Siehe dazu auch H . Dreyer: Der Begriff Geist in der deutschen Philosophie von Kant bis Hegel, Kantstudien (Ergänzungsheft 7), Berlin 1908.

Das System der Idee

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Entsprechung zu seiner begrifflichen Realität steht, wird offenbar, daß die ideelle Identität von Begriff und Realität nicht nur ein fundamentales Konstitutionsprinzip des wahrhaften Wissens an sich benennt, sondern die faktische Konstitution der Wirklichkeit dieses Wissens an und für sich ist. Daher findet das logische Resultat und — von der das Ganze der Logik übergreifenden Bedeutsamkeit dieses Resultats her — das Logische überhaupt im Resultat des enzyklopädischen Systems eine umfassende Affirmation seines Anspruchs vor, Manifestation eines totalen Prinzips der subjektiven Erkenntnis und der objektiven Gestalt der Wahrheit zu sein (vgl. oben, 107ff); somit ist es der Form des bloßen Postulats seiner tatsächlichen Bedeutung überhoben und erscheint tatsächlich „mit der Bedeutung, daß es die im konkreten Inhalte als in seiner Wirklichkeit bewährte Allgemeinheit ist" (Enz, § 574) 306 .

Exkurs: Die phänomeno-logische und die spekulativ-logische Darstellung des Ganzen der Philosophie Die Reaktualisierung des Logischen im Resultat des enzyklopädischen Systems betreibt — neben dem bereits erwähnten Positiven — für den allgemeinen Status dieses Systems selbst auch eine wesentliche Einschränkung. Ihr inhäriert die erneute Vergegenwärtigung der prinzipiellen Idealität dieses wissenschaftlichen Systems: daß es sich hier eben um ein System handelt, dessen Teile nur durch die verschiedenen Manifestationsstufen des Wissens um die Idealität des konkreten Wissens unterschieden sind. Daher ist denn auch auf der letzten Stufe dieses Systems der absolute Geist, — der absoluten Bestimmung der Idee nach: das Konkreteste —, wenig konkret, gemessen an dem, was gemeinhin unter die Bestimmung der Konkretheit fällt; denn so sehr auch immer die Entwicklung der Realsphäre dieses Systems an Konkretheit zunehmen mag, sie bleibt doch in allen ihren Punkten der Entwicklung der spezifischen Konkretheit des Ideellen verpflichtet (siehe dazu oben, lOOff u. 109ff), der Entwicklung des identischen Denkens und seiner Gegenständlichkeit, und somit auch einer spezifischen 306

Die von Hegel im Rahmen der Darstellung der „Wissenschaft der Logik" gemachten Bemerkungen zu diesem Sachverhalt, eben daß der Vollsinn des Logischen erst am Ende des Ganzen der ideellen Wissenschaft wahrhaft begreifbar wird (siehe etwa: WL I, 40 f; WL II, 506), antizipieren diese .allgemeine Bewährung' des Logischen (siehe auch oben, 120).

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Die „Enzyklopädie" als System ideellen Denkens

„Subjektivität", die diesem Denken auch dann — oder mehr noch: gerade auch dann — anhaftet, wenn es als ideelles Denken bestimmt ist, d. h. als ein in absolut prinzipieller Identität mit seinem Objekt seiendes. Da diese Identität sich im Begriff manifestiert, ist die Entwicklung dieses Denkens mit der Entwicklung seiner Begrifflichkeit identisch (jedoch keinesfalls mit der Entwicklung seiner reinen Begrifflichkeit bereits abgeschlossen, vgl. oben Anm. 305 u. unten 184). Kennzeichnend für das enzyklopädische System ist aber weniger, daß es ein Begriffssystem oder gar ein Denksystem ist — was wäre systematische Philosophie sonst —, sondern vielmehr daß es ein System ist, das seine Erkenntnisse primär auf der Grundlage und von der Grundlage der Systematik des reinen Begriffs aus, nicht primär von deren gehaltlicher Faktizität aus entwickelt (s. u., 4.1.2.3.). Setzt man nun diese seine grundlegende Verpflichtung auf diese Systematik seiner eigenen Logik aus, so dokumentiert sich in ihr wiederum eine Einseitigkeit, eine Endlichkeit, eine Beschränkung, die darauf drängt, überschritten, negiert, weiterbestimmt zu werden. Somit wäre gerade die methodische absolute Geschlossenheit dieses Systems nicht Indiz für seine unendliche, sondern für seine nur endliche Realisation der absoluten Wahrheit, dafür, daß über es hinausgegangen werden kann — und muß, wenn es um die ganze Wahrheit geht. Insofern es selbst die Wahrheit allein hinsichtlich der Erscheinung ihrer reinen Begriffsnatur zum Gegenstand hat, — was freilich dem Begriff der Wahrheit selbst nach die absolute Entwicklungsform der Wahrheit ist —, wäre auch noch ein anderes System denkbar: ein System, das die faktische Entwicklung der Wahrheit zu der ihr angemessenen Erscheinung im Begriff zum Gegenstand hätte. Ein solches System wäre etwa ein phänomenologisches System der Wahrheit. Als bloß phänomenologische Entwicklung der Gesetzmäßigkeit des Fortschreitens der uneigentlichen zur eigentlichen Offenbarungsweise der Wahrheit wäre es selbst, — der Wirklichkeit einer absoluten Offenbarungsweise der eigentlichen Form der Wahrheit gegenüber, d. i.' dem enzyklopädischen System Hegels gegenüber —, wesentlich negativ bestimmt, Offenbaren defizienter Wahrheitsformen und ihrer Eigengesetzlichkeit, würde jedoch als eben dieses Entwickeln derselben zu ihrer absoluten Gestalt die Möglichkeit bergen, die Positivität des enzyklopädischen Systems grundlegend (im Sinne von: die Realität ihrer begrifflichen Grundlage als entwickelt voraussetzend) zu begründen, was vor allen Dingen in Hinsicht auf die geschichtliche Konkretisierung derselben von Bedeutung wäre. Die Bestätigung, die Hegel selbst dafür gibt, daß seine „Phänomenologie" von 1807 eine gewisse Einleitungsfunktion für sein enzyklopädisches

Das System der Idee

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System der Philosophie ausübt, zeihen unsere Überlegungen als bereits in etwa von Hegel selbst erfüllt, ζ. B . auch betreffs der wesentlichen Negativität des Phänomenologischen (vgl. oben, 98 f) und seiner positiven Begründung der spekulativen Wissenschaft. Aber eben doch nur ,in etwa': denn als ein grundlegendes Merkmal dieser Phänomenologie macht sich geltend, daß die Entwicklung des wahrhaften Elementes des Geistes, des Begriffs, sich in ihr nur „heimlich" vollzieht, .hinter dem Rücken' ihrer Entwicklung eines vordergründigen Elementes desselben, des Bewußtseins. Von daher vermag sie auch nur als eine Vorbereitung des eigentlich wissenschaftlichen Standpunktes des Geistes zu fungieren. Die „Enzyklopädie" geht in ihrem Resultat einzig auf ihren eigenen, streng wissenschaftlichen Anfang zurück. Sie steuert damit zu der Faktizität des sogenannten G e gebenen „ n u r " den Standpunkt der Wissenschaft bei, manifestiert diese Faktizität nicht gemäß ihrer tatsächlich konkreten Erscheinung, sondern gemäß der systematischen Natur der ihrer tatsächlichen Konkretheit wesentlich inhärierenden Wahrheit, welche in ihrem Begriffe liegt. Diese Manifestation hat jedoch als eine erkenntnisgemäße, nicht naturgemäße Gestalt des Denkens teils nur zur Voraussetzung, daß ihr überhaupt eine wahrhafte Realgeltung zukommt, wie sie teils auch beansprucht, die konkrete und eigentlich wissenschaftliche Einlösung dieser Voraussetzung in ihrer systematischen Selbstentwicklung eigens zu leisten, wobei allerdings ihr faktischer Gehalt (Inhalt) durch ihre Systematik (Form) verstellt ist und nur sekundär, zweit-rangig, erst an zweiter Stelle zur Sprache kommt (s. u., 4.1.2.3.). Uberträgt man diese innersystematische Eigentümlichkeit der „Enzyklopädie" auf das Ganze ihrer gesamtwissenschaftlichen Geltung, dann ist auch dieses Ganze zunächst nur ein erstes, in welchem der Gegenstandsbereich der Philosophie allererst und primär nach seinem reinen Begriff zur Sprache kommt, dem somit auch noch ein zweites Ganzes folgen kann und muß, in welchem dieser nunmehr gemäß seiner primär faktischen Eigenrealität zur Darstellung gelangen kann. In Anbetracht dessen zeigt sich die „Enzyklopädie" durch ihr systematisches Verstellen der faktischen Realisation des Geistes als ebenso unvollkommen in einer bestimmten Hinsicht, wie es die „Phänomenologie" von 1807 in einer anderen Hinsicht ist, nämlich dadurch, daß diese nur .hinterrücks' wahrhaft wissenschaftlich ist. Jedoch könnte ein phänomenologisches System des Geistes, das an Hegels spekulatives System desselben anknüpfte, die dem Absoluten des Geistes einzig angemessene Form des Begriffs von Anfang an voraussetzen und als gegenwärtig bewahren, denn dieses dürfte sich ebensowenig, wie das spekulative System in seiner

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Die „Enzyklopädie" als System ideellen Denkens

Realsphäre selbst, wieder bloß zu jener Realität umwenden, welche bereits „das über seine Erscheinung zur Wissenschaft erhobene Bewußtsein aufgegeben hat" ( W L II, 231; vgl. auch W L I, 43). Das hätte eine andere Entwicklungsordnung der defizienten Erscheinungsformen des absoluten Geistes zur Folge. Aufgrund dessen wäre ein solches System, nunmehr als philosophische Wissenschaft gewußt, keinesfalls mit Hegels „Phänomenologie" von 1807 identisch 307 . Es soll hier dieser Spekulation, eben daß der ideellen Geschlossenheit des enzyklopädischen Systems bei Hegel eine Überschreitungsmöglichkeit inhäriert, die als eine sich quasi ,hinter dem Rücken' dieses Systems mehr und mehr manifestierende Wirklichkeit die Darstellung einer erweiterten Realität der rein spekulativen Idealität des Geistigen signalisiert, nicht noch mehr Raum gegeben werden 3 0 8 . Inwieweit man ihr Folge leistet hängt 307 Vgl. oben: 38ff, 53 f (einschl. Anmerkungen). Daß die „Enzyklopädie" selber tatsächlich auch die Möglichkeit einer solchen phänomenologischen Erweiterung ihrer Gehalte eröffnet, dafür vermag der in ihr selbst entwickelte Begriff von der absoluten Methode der Philosophie ein stichhaltiges Indiz zu liefern, denn es zeigt sich hier, daß a) selbst schon die „Phänomenologie" dieser Methode teilhaftig wird (wenn auch nur „heimlich"), b) aber auch im rein Spekulativen das Phänomenologische nicht überhaupt ganz ad acta zu legen ist (was hier auch gar nicht intendiert ist), daß somit aber auch a) selbst die „Phänomenologie" von 1807 überhaupt schon als eine „spekulative Logik in phänomenologischer Gestalt" angesehen werden kann (J. Heinrichs, Die Logik der Phänomenologie des Geistes', 511), und b) dann aber eben umgekehrt auch die „Enzyklopädie" überhaupt unter die Perspektive einer phänomeno-logischen Logik in rein spekulativer Gestalt gestellt werden kann (vgl. unten, 4.2.1.). Aufgrund dieser hier angeführten, mannigfaltigen Verknüpfungsmöglichkeiten und Berührungspunkte von phänomenologischer und rein spekulativer ( = logischer) Systematik bei Hegel muß die These von K . - H . Volkmann-Schluck, daß es Hegel im Grunde nicht gelungen sei, sein System der Philosophie zu verfassen, weil sich seine Phänomenologie des Geistes und seine Philosophie des Geistes nicht zueinander fügen, entschieden verneint werden (vgl.: Metaphysik und Geschichte, Berlin 1963, 9ff). 308

Auch die drei Schlüsse am Ende der „Enzyklopädie" sind einer solchen Spekulation durchaus förderlich. Sie werfen die Frage auf, ob es sich bei ihnen um eine systemimmanente Modifikation der Gesamtsystematik der „Enzyklopädie" (Enz-intern = EI) handelt, oder ob mit ihnen ein über die enzyklopädische Systematik selbst hinausgehender Verweis auf die Möglichkeit weiterer Gesamtdarstellungen der Philosophie (Enz-extern = EE) intendiert ist. Alle unsere Ausführungen zum Verhältnis „Phänomenologie" — „Enzyklopädie" führen letztenendes zu einer Bejahung des letzteren, ohne dabei das erstere ganz verwerfen zu müssen. Siehe dazu auch die in der Literatur zu Hegel geführte Debatte zwischen den folgenden Interpreten: — G. Lasson und seine „Einleitungen" in die einzelnen Disziplinen der Hegeischen Philosophie (1911 ff), - E E — G. Dulckeit, System und Geschichte in Hegels Philosophie, in: Zeitschr. f. deutsche Kulturphilosophie 4 (1938), 2 5 - 6 1 , -EI— J . v. d. Meulen, Hegel. Die gebrochene Mitte, Hamburg 1958, - E E -

Die Realität der Idealität

181

grundsätzlich davon ab, ob man Hegels enzyklopädischem System eine prinzipielle Geschlossenheit oder eine prinzipielle Offenheit zuerkennt. Erst der Teil III der vorliegenden Untersuchung wird sich unter Berücksichtigung dieses Aspektes erneut der hier angesprochenen Problematik widmen. Es bleibt zunächst und vor allen Dingen erst einmal zu erörtern, wie sich eigentlich im Rahmen der allgemeinen Idealität des enzyklopädischen Systems die ideelle Realität der reinen Idealität ihrer logischen Realität gegenüber absetzt, was es eigentlich bedeutet, daß die reine Idee in den realsystematischen Sphären der „Enzyklopädie" konkreter und realer wird.

3.3.

Die Realität der Idealität

Hegel will sein ganzes enzyklopädisches System der Philosophie als wissenschaftliche Darstellung des identischen Denkens verstanden wissen. Dieses Denken wird sich selbst als Denken in der rein logischen Sphäre dieses Systems eigens thematisch und erkennt hier den Begriff als die ureigenste Manifestation der identischen Konstitution des Subjektiven und des Objektiven, einer Konstitution, die der Konkretion seiner reinen Idee selbst entspricht. Jedoch sind auch die anderen Sphären dieses Systems nur Darstellungen einer weiteren Gestalt des Konkreten seiner Idee und somit auch einer weiteren Gestalt seiner Begrifflichkeit. Sie sind aber seiner rein logischen Konkretheit gegenüber als realer und konkreter bestimmt, wenden sich jedoch nicht wieder nach einer Realität oder Konkretheit um, wie sie etwa der Verstand denkt, d. h. nach einer Realität oder Konkretheit, die als das prinzipiell Andere des Denkens oder seines Begriffs auftritt und als ein solches objektives Gegenüber das Denken überhaupt — selbst als identisches bzw. ideelles Denken — nur einem subjektiven Erkenntnisvermögen zurechnet, dem Bewußtsein (vgl. WL II, 231); vielmehr bleiben sie — H . F. Fulda, Das Problem einer Einleitung in Hegels „Wissenschaft der L o g i k " (1965), -EI— R. K . Maurer, Hegel und das Ende der Geschichte (1965), § 8 u. Seiten 159ff, - E E — E. L. Fackenheim, The Religious Dimension in Hegel's Thought, Bloomington/London 1967, -EI— K . Harlander, Absolute Subjektivität und kategoriale Anschauung (1969), -EI— M. Theunissen, Hegels Lehre vom absoluten Geist als theologisch-politischer Traktat (1970), 3 0 8 - 3 2 2 , -EI— L . B . Puntel, Darstellung, Methode und Struktur (1973), - E E — K . Hartmann, Die ontologische Option, a . a . O . (1976), -EI— E . Angehrn, Freiheit und System bei Hegel (1977), 3 9 7 - 4 0 6 , -EI-.

182

Die „Enzyklopädie" als System ideellen Denkens

nicht nur ihrer Gestalt (Form) nach, sondern auch ihrem Gehalt (Inhalt) nach prinzipiell ideell, was eben bedeutet, daß dieser Gehalt selbst in der prinzipiellen Identität mit der logischen Realität dieses Denkens verbleibt (siehe dazu oben, 3.1.). Letztere ist aber bereits in der Logik abgehandelt, und gerade eben nicht als die Realität eines bloß subjektiven Denkens, sondern als die Realität eines grundsätzlich objektiven Denkens, ja als der Begriff der Realität des Objektiven selbst 309 . Wie aber kann dann diese Realität noch eine weitere Konkretisierung erfahren, noch objektiver werden? Was heißt es dann, wenn die realsystematischen Sphären der „Enzyklopädie", obwohl sie keine erneute Aktualisierung der Verstandesrealität betreiben, über die rein logische Realität der Idee konkreter und realer hinausgehen? Gegenstand der Logik ist das Denken selbst, und zwar als selbstbewußtes, vernünftiges, spekulatives, kurz: als identisches (ideelles) Denken. Da die Subjekt-Objekt-Dichotomie des Verstandes für dieses Denken nicht mehr ein fundamentales Konstitutionsprinzip des Wissens noch des Gewußten stellt, ist bereits dieser logische Gegenstand überhaupt ein Gegenstand, ein Objekt und ein Objektives, nicht nur eine subjektive Konstruktion (Formierung) eines solchen zum objektiven Inhalt der Logik, nicht die etwa nur intentionale Objektivierung eines bloßen ,cogito' im Logischen. Daß er sich im Begriff manifestiert, indiziert keinesfalls eine Restriktion seines objektiven Seins, im Gegenteil: „Der Begriff als solcher ist nämlich selbst schon die Identität seiner und der Realität . . . . Diese Identität ist daher mit Recht als das Subjekt-Objekt bestimmt worden, daß sie ebensowohl der formelle oder subjektive Begriff, als sie das Objekt als solches ist" (WL II, 410f) 3 1 °. Damit aber, daß „die in der Logik als ,formeller Wissenschaft' implizierte Differenz von Form und Inhalt (Realität) von einer schon grundsätzlich erreichten und konsequent durchzuführenden Identität von Form und Inhalt (Realität) her zu fassen ist, nicht erst ,diesseits' dieser grundsätzlichen Identität oder erst im Hinblick auf sie" 3 1 1 , vermag bereits die Logik die Idee der spekulativen Wissenschaft überhaupt vollständig zu realisieren. Das konkrete Ganze der ideellen und realen Konstitution dieser Wissenschaft wird somit allein schon in der logischen Dimension derselben vollendet und daher rein logisch schon abgeschlossen. Jedoch diese in der Logik vollzogene und

309 310 311

Vgl. dazu oben: Anm. 170 u. den Punkt 3.2.1.1. (insbesondere hier auch Anra. 197). Zur wesentlichen Materialität der Hegeischen Logik siehe oben, 114 ff. Puntel, a . a . O . , 53.

Die Realität der Idealität

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sich vollziehende Präsentation des Ganzen der spekulativen Wissenschaft erweist — eben über ihr Wissen um die ganze Wirklichkeit dieser Wissenschaft und von ihrer Verwirklichung dieses Wissens her — sich selbst zugleich nur als eine bestimmte Präsenz dieses Ganzen, nur als das Bestimmte der rein logischen (abstrakten, formalen, rein ideellen, rein begrifflichen, etc.) Realisation desselben, und verweist somit zugleich dieses Ganze, und mit demselben zugleich eben auch die „ganz" vollständige Realisation ihrer selbst, auf eine nicht nur rein logisch gehaltene Ganzheit 312 . Die Logik umfaßt zwar alle Gedanken des spekulativen Wissens, aber nur so, wie diese noch in der allgemeinen Form des Gedankens selbst sind (vgl. Enz, § 85), d. h. bloß in der Allgemeinheit überhaupt, gedachte Gedanken zu sein. Aufgrund dessen ist ihr Gegenstand nicht allein nur ein Objekt und ein Objektives; weil es sich zeigt, daß die Form der Erkenntnis dieses Gegenstandes mit dem erkannten Inhalt desselben absolut identisch ist, daß die Entwicklung dieses Gegenstandes in demselben sich selbst Gegenstand ihrer Entwicklung, somit der logische Gedanke an sich gegenstandslos ist, ist dieser Gegenstand zugleich auch nur ein Subjekt und ein Subjektives: die absolute Sichselbstgleichheit des ideellen Denkens in der begrifflichen (rein ideellen) wie gegenständlichen (realen) Seite des Gedachten. Damit bleibt aber nicht nur das logische Denken an sich gegenstandslos, sondern für die ganze Logik überhaupt die Gegenüberstellung von Denken und Gegenstand, von Subjekt und Objekt, von Begriff und Realität etc., an und für sich gegenstandslos (vgl. oben, 117f): der reale Gegenstand der Logik ist nichts anderes als die logische Realisation des Begriffs, das Begreifen desselben selbst nichts anderes als die logische Realisation seiner absoluten Realität (vgl. oben, 176). Daß sich der Begriff und die Realität in der Logik so absolut identisch geben, beruht darauf, daß das ideelle Denken überhaupt nur sein ,gegensatzloses Element' als Logik ent3,2

Zu diesem Doppelaspekt der Logik siehe auch oben, 105 ff. Vgl. fernerhin Puntel, a. a. O . , 141: „Man muß nämlich daran erinnern, daß das Logische eine Dimension des Geistigen ist; von einer Dimension aber kann nur die Rede sein, wenn auch das Ganze des Geistes oder der Geist als das Ganze im Blick behalten wird. Die Dimension hat ihre Eigentümlichkeit und ist gleichzeitig relativ zum Ganzen". Puntel sieht jedoch auch wie wir in dieser Relativierung des Logischen „nicht im geringsten eine Beschränkung dessen, was man den totalen Anspruch oder auch die totale Aufgabe der Logik nennen könnte, nämlich der Begriff — d . h . die Methode und Struktur — des Ganzen zu sein. Im Gegenteil: Die Logik kann diesen totalen Anspruch erheben bzw. die totale Aufgabe erfüllen, nur indem sie sich eben als eine Dimension des Ganzen versteht; denn nur so kann sie auch eine Dimension des Ganzen sein. Ihr totaler Anspruch bzw. ihre totale Aufgabe ist gerade diese ihre dimensionale Relativität zum Ganzen" (ibid., 179). — Vgl. dazu auch Enz, §§ 15 u. 18 HZus.

184

Die „Enzyklopädie" als System ideellen Denkens

wickelt, also überhaupt nur seine reine Wahrheit, d. i. nur den Begriff seiner Wahrheit, dem ja eben diese absolut reine Adäquation ( = Identität) von Begriff und Realität inhäriert (vgl. oben, 112ff). Die Entwicklung der reinen Wahrheit des ideellen Denkens resultiert jedoch in der Verabsolutierung des Identischwerdens und nicht in der bloßen Affirmation des Identischseins von Begriff und Realität. Wenn diese Wahrheit aber — ihrem absoluten Begriffe nach — erst als ihr eigenes Werden gefaßt wird, so wird ihre Absolutheit gerade darin gesehen, daß sie auch in einer Realität, die ihre bloße Reinheit (d. i. ihren bloßen Begriff) übersteigt, die vollständige Vermittlung mit sich herzustellen und sich somit auch über ihre logische Realität hinaus zu bewähren vermag, ja daß sie dieser Bewährung sogar wesentlich bedarf, wenn sich ihre logische Realität nicht nur als ein „abstrakt Allgemeines, sondern als das den Reichtum des Besondern in sich fassende Allgemeine" ( W L I, 40) offenbaren soll 3 1 3 . Daher ist der logische Erweis, daß die prinzipielle Sichselbstgleichheit des ideellen Denkens auch im gegenständlichen Bereich der spekulativen Wissenschaft statthat (dieser Bereich ist selbst nur ein Moment des Herstellens seines Begriffes, eine Gestalt der Idee), zwar zugleich eine ausgeführte Begründung des prinzipiell objektiven Gehaltes des ideellen Denkens überhaupt, aber eben nur eine ausgeführte Begründung des objektiven Prinzips dieses Denkens. Keinesfalls ist jedoch diese Begründung des ,objektiven Denkens' mit der vollständigen Ausführung des objektiven Gehaltes desselben selbst identisch, — d. h. mit anderen Worten: die Logik noch keinesfalls das Ganze der spekulativen Wissenschaft überhaupt. Will die spekulative Wissenschaft den objektiven Gehalt ihrer ideellen Grunddisposition wirklich vollständig als den tatsächlich ideellen Gehalt der Grunddisposition des objektiv Realen selbst vermitteln, was von ihrer logischen Idee her an und für sich gefordert ist, so bedingt das, daß sie diesen objektiven Gehalt nicht in der ,einfachen Identität' mit ihrer logischen Idee bzw. in der unmittelbaren Vermittlung derselben mit sich selbst belassen kann, also quasi nur voraussetzend, daß dem ideellen Denken ein solcher prinzipiell zukommt, sondern daß sich derselbe allererst dadurch bestätigt findet, daß seine scheinbar außerideelle Entwicklung zugleich die reale Konstitution seiner logischen Idee (seines Begriffs) affirmiert und mitentwickelt. Die „außerlogischen" Bereiche der „Enzyklopädie", die Natur- und Geistesphilosophie, leisten nun diese nicht mehr nur prinzipielle bzw. rein ideelle (rein begriffliche, rein logische) Affirmation und Entwicklung des 313

Vgl. dazu auch W L II, 4 8 4 f ; ferner unsere Ausführungen oben, 1 4 9 f u. 176f.

Die Realität der Idealität

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objektiven Gehaltes der spekulativen Wissenschaft (vgl. oben, 176f). Was sie voraussetzen ist, entgegen der Logik, nicht der reale Sachverhalt, daß dem Prinzip der Sichselbstgleichheit des ideellen Denkens im Gegenstand tatsächlich ein objektiver Gehalt zueigen ist, sondern der ideale Sachverhalt, daß dieses ideelle Denken tatsächlich in seinem Gegenstand prinzipiell mit sich gleich ist oder wenigstens werden kann (vgl. auch oben, 118). Ihr Gegenstand ist somit nicht mehr nur — in Anlehnung an Hegels Terminologie — der Begriff der Dinge, die ,Sache' des Begriffs (vgl. WL I, 18), sondern vor allem auch die Dinge des Begriffs, der Begriff der Sache. Diese Sache hat, im Unterschied zur ,Sache* der Logik, noch eine nicht nur rein begriffliche Seite, eine Seite, in der nicht nur die Realität des Begriffs Bestand hat, sondern zugleich auch eine unbegrifflich sachliche Eigenrealität besteht. Demzufolge ist sie, hinsichtlich ihrer substantiellen Materialität, nicht mehr nur ,reiner Gedanke* (vgl. oben, 116f), vielmehr ist das rein Gedankliche in ihr nur der Aspekt der wahrhaften (d. i. rein wissenschaftlichen) Entwicklung ihrer materiellen Substanz. Das wird besonders in der Naturphilosophie deutlich: hier ist der Begriff als Begriff nur das Innerliche der natürlichen Sache, die wesentliche Bestimmung der N a t u r aber gerade in dieses spezifische Defizit an Begriffsangemessenheit gesetzt, das die äußerliche Realität der Natur beherrscht (s. o. 3.2.2.; vgl. auch 156). Die ,Sache' der Geistesphilosophie entspricht zwar ihrem Begriff absolut, sowohl in ihrer äußerlichen wie in ihrer innerlichen Komponente, ist jedoch auch nur letztenendes, nämlich auf dem höchsten Niveau der Sphäre des absoluten Geistes, mit der absoluten Selbstbestimmung des Begriffs identisch; denn sie ist nicht allgemein nur das reine Fürsichsein des Begriffs, sondern im besonderen gerade das An- und Fürsichwerden desselben, d. h. nicht nur der Begriff, der sich ein konkretes Dasein vermittelt, sondern eben auch das konkrete Dasein, das sich seinen Begriff vermittelt (vgl. oben, 154f u. 156f) 3 1 4 . 314

Es sei hier noch einmal darauf hingewiesen, daß in dieser geistigen, nicht m e h r n u r rein identischen Selbstvermittlung des ideellen D e n k e n s in der Sache seines Begriffs, d . h . in dieser Selbstvermittlung des ideellen D e n k e n s über eine daseiende Sache, die nicht m e h r n u r reine Idee oder reiner Begriff ihrer selbst ist, der G r u n d d a f ü r liegt, daß die ganze Dimension der Geistesphilosophie eine B e g r ü n d u n g der Daseinsberechtigung, der Realu n d Sachgültigkeit der rein logischen Dimension dieses D e n k e n s betreibt u n d betreiben kann, was ja eben bei der Entwicklung der letzteren selbst zunächst n u r vorausgesetzt bleiben m u ß t e . A u f g r u n d dessen ist die Sache der Geistesphilosophie, trotz ihrer strukturalen Analogie zur Begriffslogik selbst (s. o . , 157ff) u n d trotz ihrer affirmativen Retrospektive auf die subjektiv wie objektiv, formal wie inhaltlich, begrifflich wie realiter absolute Gültigkeit ihrer logischen Grundlage, keinesfalls mit der Sache der Logik n u r einfach identisch ( s . o . , 3.2.3.1.); vielmehr ist sie als Realisation der sachlichen Voraus-

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D i e „ E n z y k l o p ä d i e " als S y s t e m ideellen D e n k e n s

Dieser unbegriffliche Restbestand der Sache der Natur- und Geistesphilosophie hat, obwohl er sich vor dem Horizont der Vernünftigkeit des spekulativen Wissens und nicht vor dem Horizont einer Verstandesmetaphysik offenbart, durchaus eine Entsprechung zu dem objektiven Moment, das der Verstand der Sache zuerkennt, und zwar als ihr eigentlich sachliches Moment zuerkennt, denn er gründet, wenn auch hier in dem vernünftigen Wissen, so doch immerhin in dem Wissen um eine wesentliche Differenz von Begriff und Sache, von Denken und Realität, von Subjekt und Objekt des Wissens (vgl. auch oben, 2.2.2.12). Jedoch wird er unter dem Primat der Vernunft dahin gehend bestimmt, ein unwesentliches Moment der Sache auszumachen, wohingegen der Verstand gerade in der begriffsunabhängigen, d. h. denk- und subjektunabhängigen Seite der Sache das sieht, was an der Sache wesentlich (weil objektiv) sein soll, was die Sache als Sache ausmachen soll. Aus diesem Grunde wird die Sache der Natur- und Geistesphilosophie in diesen beiden Disziplinen nicht hinsichtlich der Eigengesetzlichkeit ihres Unbegrifflichen entwickelt, — das wäre nur die unwesentliche Entwicklung des Objekts einer Verstandesmetaphysik —, sondern hinsichtlich ihres Begriffsbestandes, einschließlich des Restbestandes an Begrifflichkeit in ihrem unbegrifflichen Moment; letzteres ist miteinbezogen, insoweit es die Realisation des absoluten Begriffs von der Sache selbst betreibt, oder auch, um mit Hegel zu sprechen, insoweit es das aufgehobene Negative seines Begriffs ist (vgl. W L I, 150£). Diese Entwicklung aber vermag nur konkret zu bestätigen, was dem realen Geltungsanspruch der Entfaltung der spekulativen Wissenschaft überhaupt zunächst nur gewissermaßen axiomatisch vorausgesetzt werden konnte: der Begriffsbestand der Sache eröffnet an der Sache genau das, was gemeinhin und überhaupt nur als ihre objektive Bestimmung angesehen werden kann und muß. So findet sich die Sache durch die „ R e d u k t i o n " auf ihr allein begriffliches Moment keinesfalls subjektiv verengt, sondern im Gegenteil von den Formen ihres willkürlichen und zufälligen, und somit subjektiv ends e t z u n g dieser ihrer G r u n d l a g e d e m reinen B e g r i f f ihrer Sache sachlich v o r a u s , als dieses V o r a u s aber zugleich ein Z u r ü c k zu ihrer rein begrifflichen Seite u n d s o m i t die k o n k r e t e E i n l ö s u n g der V o r a u s s e t z u n g ihres absoluten B e g r i f f s , — u n d s o m i t zugleich eben a u c h die k o n k r e t e E i n l ö s u n g der totalen A d ä q u a t i o n v o n ideellem D e n k e n u n d Sache, die die I d e e der spekulativen W i s s e n s c h a f t ü b e r h a u p t , d. h. i n s b e s o n d e r e die M e t h o d e derselben, die reine Idee ihrer L o g i k trägt. W i r h a b e n o b e n gezeigt (175 f f ) , daß gerade im Resultat der G e i s t e s p h i l o s o p h i e , in welchem die Praxis des ideellen D e n k e n s sich mit d e m B e g r i f f ihrer selbst a b s o l u t vermittelt, diese E i n l ö s u n g in ausgezeichneter Weise statthat, s o daß die d a m i t in eins g e h e n d e sachliche A u f w e r t u n g u n d E r h e b u n g der logischen D i m e n s i o n dieser Praxis als d a s R e s u l t a t der G e i s t e s p h i l o s o p h i e ü b e r h a u p t betrachtet w e r d e n kann.

D i e Realität der Idealität

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liehen Daseins befreit und gerade in dem objektiven Sein ihrer Sachlichkeit herausgestellt, in welchem sie als Sache an und für sich für das Denken ist und demselben gegenübersteht, — ihm gegenübersteht nunmehr nicht mehr bloß in Gestalt eines vorgestellten oder gar nur erahnten Denkobjekts, nicht mehr nur als das objektiv konstruierte Resultat eines subjektiven Begriffsvermögens, d. h. letztenendes bloß als die manifestierte Intention eines solchen, sich eine objektreale Geltung zu verschaffen, nicht mehr bloß als der konkrete Ausdruck eines sich selbst versichernden Denkens, daß seiner Begrifflichkeit auch eigentlich so etwas wie ein reales Objekt zukommen müsse, wenn derselben ein Begriff vom Ding, vom Gegenstand, von der Sache inhäriert, sondern in der ganzen Wahrheit ihrer objektiven Sachlichkeit. Indem es aber doch der Begriff der Sache ist, in den diese Wahrheit absolut gebunden bleibt, realisiert sich hier, nunmehr eben nicht mehr nur vom Denken her, sondern sozusagen eben auch von der Sache des Denkens selbst her, das zunächst nur rein ideell, nur rein logisch, nur rein nach seinem Begriff selbst und nur im Denken seines reinen Gedankens nachgewiesene Fundament des Wissens um die allgemeine Seinsverfassung der absoluten Wahrheit überhaupt: nämlich daß das Substantielle der Sache (des Objekts, des Gegenstandes, des Dings) des Denkens immer nur der konkrete Gedanke dieser Sache (dieses Objekts, dieses Gegenstandes, dieses Dings) sein kann und tatsächlich auch immer nur ist 3 1 5 . Infolgedessen muß zuerkannt werden, daß die realsystematischen Sphären des enzyklopädischen Systems vom Wissen um diese Wahrheit in der Tat der doppelten Anforderung voll und ganz Genüge leisten, die an sie von der ihnen vorausgesetzten Methode her gestellt ist, und zwar als absolut verbindlich gestellt ist, wenn ihre Integration in die ,Wissenschaft von der Wahrheit in der Form der Wahrheit' berechtigt sein soll: einerseits erfährt in ihnen die Sache des Begriffs eine sachliche Realisation ihrer reinen Begriffsrealität, andererseits eben auch die Sache selbst die Offenbarung ihrer objektiven Sachlichkeit durch die Realisation der ihr eigenen Begriffsnatur, die wahrhafte Objektivierung ihres an und für sich objektiven Gehaltes 3 1 6 . Für die Methode selbst aber, die der Entwicklung dieser Sphären zugrunde liegt, bedeutet das, daß hier sowohl ihr rein begriffliches (subjektives) als auch ihr rein reales (objektives) Moment eine Konkretisierung seiner rein 315

316

Vgl. hierzu E n z , §§ 21—25 (einschl. H Z u s ä t z e ) ; ferner unsere obigen A u s f ü h r u n g e n z u m Wesen der K o n k r e t h e i t der spekulativen E r k e n n t n i s , lOOff. A u f g r u n d des letzteren v e r m ö g e n diese Sphären auch der A n f o r d e r u n g voll und g a n z G e n ü g e zu leisten, die ihnen v o n ihrer V e r n u n f t n a t u r her ü b e r k o m m t : das Wirkliche wirklicher zu m a c h e n (vgl. o b e n , 8 4 f ) .

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D i e „ E n z y k l o p ä d i e " als System ideellen Denkens

logischen Bestimmtheit erfährt, oder anders formuliert, daß sich hier tatsächlich ihr ideelles Prinzip der identischen Fundamentalverfassung von Denken (Begriff) und Sache (Realität) sowohl prinzipiell als auch realiter konkretisiert, womit sich eben das faktisch eingelöst findet, was sich am Ende der Logik zunächst nur intentional als die ,konkretere und reellere' Weiterentwicklung dieser Methode anzukündigen gewußt hat. Somit kann mit Recht davon gesprochen werden, daß sich in der Entfaltung der realsystematischen Sphären der „Enzyklopädie" eine Fortbestimmung der reinen Idee des spekulativen Wissens vollzieht, was beinhaltet, daß diese Idee hier nicht nur allgemein konkreter und realer, sondern im besonderen überhaupt auch ideeller wird 3 1 7 . Es sei hier noch einmal abschließend zusammengefaßt, welche bestimmten Realitäten der prinzipiell ideellen Entwicklung der spekulativen Wissenschaft inhärieren. In der Logik ist die Realität als Realität nur die Realität des reinen Begriffs ihrer absoluten Idealität. Ihre sich von dem bloßen Begriff als Begriff absetzende Eigenqualifikation ist hier nichts anderes als die Selbstqualifikation des Begriffs zu einem ,objektiven Denken', d. h. zu einem Denken, das sich gerade aufgrund seines sich absolut ideell explizierenden Fundamentes seine Begriffsgestalt als das offenbare und offenbarende Sein der wahrhaften Objektivität des Realen überhaupt vermittelt. Insofern ist für die Logik die Gegenüberstellung von Begriff und Realität, oder mit etwas gröberen Termini ausgedrückt: von Denken und Gegenstand, an und für sich gegenstandslos. Das spekulative Denken führt 317

D e r letzte Bestandteil dieser Aussage ist nicht so ganz unproblematisch. D e r Idee auch in der Entfaltung ihrer realsystematischen Sphären eine Zunahme an Idealität zu bescheinigen, ist jedenfalls für den Bereich der Naturphilosophie wenigstens ebenso falsch, wie es nach einer anderen Seite hin auch wiederum richtig ist. W i r haben in unseren obigen Ausführungen zur Naturphilosophie gezeigt, daß die Idee besonders in der Natur ihre begriffliche wie ihre reale Seite nicht vollständig zu verwirklichen vermag, denn als das bloß Innerliche der Natur entwickelt sie sich hier gerade nur einseitig ideell, und somit eben gerade unvollständig angesichts des Mangels an einer Realität, die ihrer absoluten Bestimmung wahrhaft entsprechen könnte. Die Realität des unmittelbaren Seins der N a t u r , als welche dieselbe im besonderen als Natur ist, ist gerade ein Außerhalb der absoluten Bestimmung ihrer Idee. Insofern wird die Idee hier nicht ohne weiteres im Vollsinn ihres rein ideellen Seins realisiert und konkretisiert, somit eben auch nicht ohne weiteres weiter idealisiert. J e d o c h treibt sie andererseits, selbst als das bloß Innerliche der N a t u r , die E n t wicklung des Begriffs der N a t u r bis zu der Konsequenz, w o sich das von diesem Begriff als nicht ideell Reales erkannte Äußerliche der Natur mit seiner innerlichen Realität versöhnt, w o es sich mit der Natur des Begriffs seiner Natur real vermittelt. Also findet die Idee am Ende der Naturphilosophie doch wieder zu einer konkreten Gestalt, die ihrer absoluten Bestimmung entspricht. Folglich kann doch davon gesprochen werden, daß sich die Idee im Bereich der Naturphilosophie weiter idealisiert, denn letztenendes konkretisiert sie sich auch hier im Vollsinn ihrer identischen Konstitution von Begriff und Realität.

Die Realität der Idealität

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als Denken seiner Logik überhaupt nur das ,gegensatzlose Element' seiner Realität, d. i. der Begriff als Begriff, als real aus. Die Realität der Logik ist somit mit der Realisation des Begriffs als Begriff identisch; infolgedessen ist hier eine absolut reine Adäquation von Begriff und Realität gegeben. Das ist in den realsystematischen Sphären der spekulativen Wissenschaft nicht mehr der Fall, denn hier ist das, was unter die Bestimmung der Realität fällt, zwar hinsichtlich seiner Begriffsbestimmtheit von der Logik absolut vollständig vorgegeben, jedoch auch noch durch eine nicht mehr rein begriffliche Eigenbestimmtheit gekennzeichnet, die sich ihrer bloßen Begriffsnatur gegenüber als ein eigenständig Reales behauptet. Wenn sich auch die Entwicklung der Begriffsnatur, die selbst diesem Realen noch immanent ist, gerade als die Realisation der wahrhaften Realität desselben erweist, so bleibt dennoch dieser seiner Begriffsnatur nicht gänzlich angemessene Restbestand an Eigenrealität auch für seine begriffliche Entwicklung konstitutiv. Selbst als ein bloß unwesentliches Moment seiner wahrhaften Realität beeinflußt er die begriffliche Bestimmung seiner wesentlichen Wahrheit, was ζ. B . in der Naturphilosophie besonders deutlich wird, wo das zufällige und willkürliche Unwesentliche des unmittelbaren Seins der Natur sogar dazu führt, daß der Begriff sich hier der Eigenrealität des Natürlichen gegenüber zum Teil selbst nur als ein Unwesentliches und Äußerliches begreift (vgl. oben, 151 f). Der Gegenstandsbereich (Realität) der Natur- und Geistesphilosophie ist somit durch die Reduktion auf seine allein logische (rein begriffliche, rein ideelle) Realität nicht voll und ganz abgedeckt und auch nicht abzudecken, und insofern auch nicht einfach nur mit dem entwickelten Prinzip der reinen Wahrheit seiner Gegenständlich-

Die Möglichkeit zu diesen beiden angeführten Aspekten gründet in dem , u n a u f g e l ö s t e n Widerspruch', der für das Dasein des Natürlichen überhaupt konstitutiv ist, — und zwar absolut konstitutiv ist (vgl. dazu unsere obigen Ausführungen, 148ff). Es wäre daher ausgesprochen falsch, hier unbedingt eine Entscheidung zugunsten des einen oder des anderen Aspekts herbeiführen zu wollen. Für den Bereich der Geistesphilosophie jedoch bleibt die obige Aussage uneingeschränkt gültig. In diesem Bereich ist die Idee in einer Realität präsent, die zwar mehr ist als bloß die Realität des sich als Begriff begreifenden Begriffs und somit ihre rein ideelle Realität übersteigt, die aber doch prinzipiell dieser Realität absolut angemessen ist und von daher auch in der Entwicklung des Eigenen ihrer Realität nichts anderes als den Vollsinn ihrer absolut ideellen Grunddisposition zu verwirklichen vermag. Demnach kann für die im Bereich der Geistesphilosophie stattfindende Konkretisierung und Realisierung der Idee noch verschärfend formuliert werden, daß diese nicht nur zu einer Steigerung der Idealität der Idee führt, sondern damit in eins auch zu einer Steigerung der Logizität derselben, — und nicht von ungefähr hat diese ja auch die affirmative Retrospektion auf die Verfassung des rein logischen Daseins der Idee zu ihrem konkreten Resultat.

190

Die „Enzyklopädie" als System ideellen Denkens

keit, nicht einfach nur mit dem logischen Bereich seines Seins identisch 318 ; vielmehr geht er darüber hinaus, und zwar in einer Weise, die seine logische Realität selbst wesentlich modifiziert. Aus diesem Grunde betreibt selbst die logische Systematik, die auch die Entwicklung dieser Sphären der spekulativen Wissenschaft ganz wesentlich bestimmt, nicht nur eine einfache Wiederholung ihrer genuin logischen Struktur. Der Möglichkeit der uneingeschränkten Anwendung eines logischen Schematismus ist somit im Horizont der Entfaltung des spekulativen Wissens kein Raum gegeben: ebensowenig wie der Gegenstand dieses Wissens überhaupt in der rein logischen Realität desselben schon voll und ganz aufgeht (vgl. oben, 184), ebensowenig geht auch diese logische Realität als logische in der gegenständlichen Realität desselben überhaupt voll und ganz auf 3 1 9 . Daher zeigt sich denn auch die realsystematische Entwicklung der letzteren ganz fundamental durch das Spannungsverhältnis bestimmt, das zwischen der Eigengesetzlichkeit der in ihr behandelten Sache und der eigenen Gesetzmäßigkeit ihrer Art der Behandlung dieser Sache herrscht. Wie dieses Spannungsverhältnis allgemein strukturiert ist, wird Gegenstand des nächsten Punktes unserer Untersuchung sein; wie es sich im Konkreten bewährt, dafür wird im zweiten Teil dieser Arbeit ein Beispiel gegeben werden.

318

Von daher ist, wie es auch D. Henrich ausführt, der Einwand, den z.B. auch Schelling gegen Hegels Philosophie im allgemeinen geltend zu machen versucht, unbegründet: nämlich daß bei Hegel „die Totalität der im dialektischen Prozeß entwickelten Bestimmungen bloß die Bedeutung eines Gedachten habe und daß unter Mißachtung der alten Unterscheidung zwischen gedachter Wesenheit und reeller Existenz von ihm die Frage nach dem ,Daß' des Seienden und des Denkens selbst unbeantwortet gelassen werde". Dementgegen macht Henrich mit Recht noch einmal grundsätzlich darauf aufmerksam, daß diese Unterscheidung überhaupt von Wesenheit und Existenz „als eine Realdistinktion, die absolute Bedeutung hat, im Idealismus selbst Gegenstand einer radikalen Kritik geworden ist" (s. D. Henrich, Hegels Theorie über den Zufall, in: -ders.- Hegel im Kontext, 157—186, 180). Ebenso unbegründet wie falsch ist somit auch die populärere Wendung dieses Einwands: daß Hegel, im Besitz des enzyklopädischen Systems seiner Philosophie, nicht nur die ganze subjektive sondern auch die ganze objektive Welt im Kopfe trägt. Was er mit diesem Besitz bestenfalls unternimmt ist, den Kopf in diese Welten zu tragen, aber eben nur soweit, wie dieser bereits prinzipiell in denselben ist (siehe auch oben, 101 f).

319

Schon bei Puntel findet sich die daraus ganz zwangsläufig resultierende Schlußfolgerung für das allgemeine Verhältnis von Logik und Realsystematik gezogen: wenn die „in der Enzyklopädie dargestellte realsystematische Reihenfolge nicht einfach den Verlauf der logischen Bestimmungen in der Wissenschaft der Logik wiederholt", so kann z.B. auch nicht einfach „das Aufbauprinzip der Logik am realsystematischen Strukturganzen abgelesen werden" ( a . a . O . , 128).

4.

Die „Wissenschaft der Logik" in ihrem Verhältnis zu den realsystematischen Disziplinen des enzyklopädischen Systems

Hegels enzyklopädisches System der philosophischen Wissenschaften ist durchgängig als das streng wissenschaftliche System des ideellen Denkens vorgestellt worden. Die Verpflichtung dieses ganzen Systems auf das, was sich in ihm als Idee zu erkennen gibt, beinhaltet die Verpflichtung auf die Methode, deren eigene Darstellung als Methode in die „Wissenschaft der Logik" fällt, insofern, als sich die reine Idee dieser Logik als der Inbegriff der Methode des ideellen Denkens überhaupt herausstellt (vgl. oben, 3.1. u. 118). Mit dieser allgemeinen Verpflichtung aller Einzelwissenschaften dieses Systems auf die logische Methode ist die absolute methodische Grundlage derselben definiert, und damit zugleich auch die einheitliche Wissenschaftlichkeit derselben. Ist das enzyklopädische System somit als durchgängig ideelles allgemein statuiert, so ist es in eins als durchgängig logisches konkret methodisch konstituiert. Die Frage nach dem ideellen Zusammenhang seiner Teilwissenschaften, die in der Eröffnung des Zusammenhangs zwischen seinem generellen Verhältnis von Idealität und Realität und dem jeweils bestimmten Verhältnis derselben in seinen einzelnen Teilwissenschaften bereits spezifiziert werden konnte, läßt sich daher in der Frage nach dem Zusammenhang zwischen seiner rein logischen Teildisziplin (seiner generellen reinen Methode) und der Systematik seiner ,realeren' Disziplinen (seiner bestimmt angewandten Methode) konkretisieren, d. i. in der Frage nach dem Zusammenhang zwischen der bestimmten Konstruktion seiner Logik und seiner allgemein logischen Konstruktion im ganzen 320 , oder kurz: in der Frage nach dem Zusammenhang zwischen seiner reinen Logik und seiner Realsystematik (vgl. oben, 111). Erst wenn auch dieser bestimmtere methodische Zusammenhang allgemein geklärt ist, läßt sich etwa die spezifische Logik einer realsystematischen Teilwissenschaft dieses Systems im besonderen begründen, was ja doch im zweiten Teil der vorliegenden Untersuchung für den Bereich 320

Zum wesentlich Unkonstruierten der Hegeischen „ K o n s t r u k t i o n e n " vgl. oben, A n m . 199.

192

Die „Wissenschaft der Logik" und die Realphilosophie

„Objektiver Geist" vorgesehen ist. Bevor jedoch die allgemeinen realsystematischen Modifikationen dessen, was als das durchgängig Methodische des ideellen Denkens überhaupt und seiner systematischen Wissenschaftskonzeption angesehen werden muß, zur Erörterung kommen können (4.2.), ist es erforderlich, sich zunächst einige fundamentale Prinzipien dieses Methodischen von dorther zu vergegenwärtigen, wo dieses noch in seiner reinen Gestalt, d. h. als Methode selbst, zur Darstellung kommt: also von Hegels „Wissenschaft der Logik" her (4.1.).

4.1.

Allgemeine Formprinzipien der logisch-spekulativen

Methode

Wenn sich auch das ideelle Denken hinsichtlich seines Methodischen überhaupt nicht allein nur auf seine rein logische Darstellung von demselben beschränken läßt, weil auch in seinen realeren und konkreteren Wissenschaften, insofern dort ein weiteres Selbstbegreifen seiner Idee überhaupt statthat, zugleich auch ein weiteres Selbstbegreifen seiner Methode überhaupt statthat (vgl. oben, 3.1.), so obliegt doch vor allem und insbesondere dieser Darstellung die Ausführung der prinzipiellen Natur seiner Formen (vgl. oben, 118) wie auch des prinzipiellen Unterschieds dieser Formen ,νοη den Formen der Vorstellung und des reflektierenden Verstandes' (vgl. Enz, § 573 HZus). Unsere sich zunächst nur auf diese Darstellung stützende Vergegenwärtigung seiner rein methodischen Natur ist daher keine unzulässige Verkürzung derselben, solange sie sich nur auf deren rein formale Prinzipien ausrichtet. Dem Irrtum, daß diese Ausrichtung, obgleich sie in der Tat sehr weitgehend formalisiert, generell einem logischen Formalismus bei Hegel einen Weg zu bereiten scheint, dürfte durch alle bisherigen Ausführungen unsererseits, die zu Hegels Logik bereits vorliegen, schon grundsätzlich begegnet sein (vgl. vor allem 3.2.1.1.). Allerdings erfährt diese Logik hier tatsächlich eine echte Reduktion insoweit, als sie nur in dem Maße spezifiziert wird, wie es einerseits für eine grundsätzliche Einsicht in die logisch-spekulative Makrostruktur der „Enzyklopädie" und andererseits für ein Verständnis der allgemeinen methodischen Fundamente der spezifischen Logik der „Rechtsphilosophie" erforderlich ist.

Allgemeine Formprinzipien der logisch-spekulativen Methode

4.1.1.

193

Die spekulative Dialektik

Dialektik ist die allgemeinste Bezeichnung für die methodische Grundlage des Hegeischen Philosophierens. Damit ist allerdings noch nicht viel über dessen Methode ausgesagt, weil Hegel einen ganz eigenen Begriff von Dialektik entwickelt, der sich fundamental von dem unterscheidet, was der gewöhnliche Verstand gemeinhin für Dialektik hält und was auch in der Philosophie bis dato als Dialektik vorgelegt worden ist 321 . Eines der wohl wichtigsten Merkmale, das die Hegeische Dialektik generell dem entzieht, was man sich üblicherweise unter einer Methode überhaupt vorstellt, ist ihr Anspruch, nicht nur die objektive Gestalt einer bestimmten, im Falle Hegels: der einzig wahrhaften Verfahrensweise des denkenden Subjekts, sondern in eins die wahrhafte Nachzeichnung der substantiellen Gestalt des Denkobjektes selbst zu sein. Dialektisch ist somit nicht nur die wahrhafte Gestalt der Sache des Denkens, sondern auch die gedachte Sache selbst in ihrer wahrhaften Gestalt, d. h.: Hegels Methode beansprucht als dialektische nicht nur, die Darstellung der absoluten Realität des Denkens im allgemeinen zu sein, sondern diese Realität steht selbst noch einmal unter dem Anspruch, nichts anderes als die absolut adäquate Widerspiegelung der allgemeinen Dialektik des Realen überhaupt zu sein. Diese Realität ist daher kein dem Realen selbst nur äußerlich bleibendes Tun des Denkens, sondern die Manifestation eines dem Realen selbst innewohnenden Prinzips 3 2 2 , das dort zum Vorschein kommt, wo dieses Reale sich hinsichtlich der Wahrheit seiner Realität selbst gegenständlich wird: im Begriff (vgl. oben, 3.3.). Von daher zeigt sich für Hegel, daß „der ganze Fortgang des Philosophierens als methodischer, d. h. als notwendiger, nichts anderes ist als bloß das Setzen desjenigen, was in einem Begriffe schon enthalten ist" (Enz, § 88 HZus). Insofern aber nicht nur Hegels Begriff vom Begriff die prinzipiell identische Grundverfassung von Denken und Gegenstand inhäriert, sondern in allgemeinerer Weise auch seinem Begriff von Selbstbewußtsein, Vernunft, Idee und Geist, so kann der methodische Fortgang seines Philosophierens nicht nur als ein notwendiges Tun des Begriffes, sondern zugleich auch als „ein notwendiges Tun der Vernunft" (WL I, 38), oder als ein notwendiges Tun des Selbstbewußtseins, der Idee oder des Geistes überhaupt angesehen werden. 321 322

Vgl. dazu Hegels Ausführungen: WL I, 37ff; WL II, 491 ff; Enz, § 81 HZus. Vgl. WL II, 491 : „Die absolute Methode . . . . verhält sich nicht als äußerliche Reflexion, sondern nimmt das Bestimmte aus ihrem Gegenstande selbst, da sie selbst dessen immanentes Prinzip und Seele ist".

194

Die „Wissenschaft der L o g i k " und die Realphilosophie

Gerade aber in diesem Hauptmerkmal der Hegeischen Methode, sich als die Explikation der Realdialektik zu exemplifizieren, liegt auch die Hauptschwierigkeit, sich mit ihr anzufreunden. Hegel selbst weist diese Schwierigkeit allerdings als eine pure Weigerung des Verstandes zurück, vernünftig und wahrhaftig werden zu wollen, denn „in ihrer eigentümlichen Bestimmtheit ist die Dialektik vielmehr die eigene, wahrhafte Natur der Verstandesbestimmungen, der Dinge und des Endlichen überhaupt" (Enz, § 81 HZus; vgl. ibid., § 11 HZus). Diese Weigerung des Verstandes resultiert für Hegel einerseits aus der bereits bedingt vorhandenen Einsicht desselben in seine wahrhafte Natur, darein nämlich, daß bei der Offenbarung derselben alle seine bis dahin festen Bestimmungen und endgültigen Erkenntnisse in Bewegung und ins Wanken geraten, oder mit Hegels Worten: ,verflüssigt' werden, und damit auch seine bis dato gültige Orientierung in der dinglichen Welt, der Verstand aber andererseits von seiner wesentlich oberflächlichen Natur her die Tendenz hat, sich lieber bei Halbwahrheiten zu ,beruhigen', als sich im Lichte der ganzen Wahrheit zu verzehren. Von diesem verständ-lichen Standpunkt aus erscheint dann die Dialektik überhaupt etwa als die bloße Ausgeburt eines hinterhältigen Willens, „das natürliche Bewußtsein zu stören" 3 2 3 , oder etwa auch als eine bloß „äußere Kunst, welche durch Willkür eine Verwirrung in bestimmten Begriffen und einen bloßen Schein von Widersprüchen in ihnen hervorbringt", die aber in Wahrheit „weiter nichts als ein subjektives Schaukelsystem von hin- und herübergehendem Räsonnement" (Enz, § 81 HZus), also nur eine Verwirrmethode mit fälschlich vorgegaukelter objektiv materialer und objektiv rationaler Geltung ist 324 , oder in der Formulierung R. Kroners: die weiter nichts ist als der „zur Methode, der rational gemachte Irrationalismus" 325 . Angesichts dieses fundamentalen Irrationalismus der dialektischen Methode ist es dann nur folgerichtig, wenn man den Eindruck hat, nirgendwo auf einen Menschen treffen zu können, der nicht

3 2 3 H . Radermacher, Artikel „Dialektik", in: Handbuch philosophischer Grundbegriffe, 303. 324 Vgl. auch W L I, 3 7 f : „Gewöhnlich sieht man die Dialektik für ein äußerliches und negatives Tun an, das nicht der Sache selbst angehöre, in bloßer Eitelkeit als einer subjektiven Sucht, sich das Feste und Wahre in Schwanken zu setzen und aufzulösen, seinen Grund habe, oder wenigstens zu nichts führe als zur Eitelkeit des dialektisch behandelten Gegenstandes". E. Bloch entdeckt mit Recht, daß gerade „die Advokatentricks, die man fälschlich dialektische nennt, in Wahrheit das Gegenteil sind: nämlich stabile", sich somit nicht dafür eignen, das Instabile des dialektischen Denkens zu demonstrieren oder gar dieses ganze Denken überhaupt als einen Advokatentrick zu diffamieren (Subjekt — Objekt, 26). 325

Von Kant bis Hegel, zit. in: G. Lukács, Der junge Hegel, 14.

Allgemeine Formprinzipien der logisch-spekulativen Methode

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Humor beweist, indem er behauptet, die Dialektik verstanden zu haben 326 , und wenn man respektive der Hegeischen Dialektik gegenüber — als dem absoluten Irrationalismus des allgemein Irrationalen von Dialektik überhaupt — den Verdacht nicht los wird, daß diese auch ihr Begründer selbst nicht gänzlich zu verstehen vermocht haben dürfte 3 2 7 . Aber auch ganz abgesehen von diesen nur äußerlichen Einwänden zur Dialektik überhaupt und zur Hegeischen Dialektik insbesondere, mit denen man, wie Hegel sagt, bereits vor dem Eintritt in die wahre Wissenschaft im reinen sein muß, bietet die Methode des Hegeischen Philosophierens ihr selbst immanente Schwierigkeiten dort, wo sie in einem allgemeinen Sinne formalisiert werden soll, denn selbst schon hinsichtlich ihres rein Methodischen als inhaltlich bestimmt ist die Isolierung ihrer reinen Form und die Verallgemeinerung derselben zwangsläufig ein Verstellen ihrer ganzen Wahrheit, insofern sie von der bestimmten inhaltlichen Gebundenheit und Bedingtheit der einzelnen Formen absieht und somit gerade das Konkrete derselben verfehlt. Was die Methode Hegels ist, wäre daher, sollte es in seiner ganzen Wahrheit nachvollzogen werden, allein durch den Nachvollzug der ganzen Hegeischen Logik angemessen darzustellen 328 . Es zeigt sich aber an dieser, daß sie selbst in der Darstellung der ganzen Methode gerade das Spannungsverhältnis als Methode entwickelt, das zwischen der bloß formal dialektischen Gestalt der wahren Formen des Denkens und dem Sichselbstverstellen des Konkreten derselben aufgrund dieses Formalismus herrscht, wobei letzteres in der spekulativen Grundverfassung dieser Formen selbst wurzelt, daß somit eine sich selbst reflektierende Inadäquation von rein dialektischem Formalismus und inhaltlichem Aussagegehalt das ureigenste Prinzip der Entfaltung der Hegeischen Methode selbst stellt. Das gilt es im folgenden zu veranschaulichen. 326

327

328

Vgl. B. Brecht, „Flüchtlingsgespräche", Prosa Bd. 2, 236: „Ich habe nämlich noch keinen Menschen ohne H u m o r getroffen, der die Dialektik verstanden hat" (zit. in: I. Fetscher, Hegel - Größe und Grenzen, Stuttgart 1971, 9). Vgl. W. Theimer, Der Marxismus: L e h r e - W i r k u n g - K r i t i k , Samml. Dalp 1950,31: „Ganz verstanden hat die Hegeische Dialektik noch niemand, wahrscheinlich auch ihr Begründer nicht" (zit. in: J. Hommes, Dialektik und Politik, Köln 1968, 183). Diesem Sachverhalt entsprechend bemerkt N . Hartmann sehr richtig, daß infolge dessen, daß „die Einbettung in das Ganze" für eine jede Kategorie der Logik „eine andere" ist, „auch das Ganze von jeder einzelnen aus gesehen ein anderes sein muß. Das bedeutet aber, daß der dialektische Gang, der mit seiner Auflösung der Begriffe dieses jedesmal Andersgeartete der Struktur gleichsam andeutet und durchschimmern läßt, unmöglich auch nur in zwei Fällen ein und derselbe sein kann. Man braucht sich denn auch nur ein wenig tiefer in die Hegeische Logik hineinzulesen, um einzusehen, daß hier jeder einzige dialektische Gang etwas streng einmaliges, in keiner anderen Problemlage wiederkehrendes ist"

196

Die „Wissenschaft der L o g i k " und die Realphilosophie

4.1.1.1. Das dialektische Schema Die triadische Gestalt der Dialektik wird in der Regel durch das wechselseitig vermittelte und sich wechselseitig vermittelnde Zusammenspiel von These, Antithese und Synthese beschrieben. Diese Untergliederung eines dialektischen Denkvorgangs ist für die Hegeische Dialektik uncharakteristisch. Passender ist hierfür die in allgemeinster Hinsicht zu treffende Unterscheidung eines ersten, unmittelbaren Moments (I), eines zweiten, durch Vermitteltheit und Vermittlung gekennzeichneten Moments (II) und eines dritten Moments, in welchem die differenten Bestimmungen der beiden vorangegangenen Momente in eine unmittelbare Einheit gesetzt sind (III) 3 2 9 . Alle drei Momente sind hinsichtlich ihres konkreteren Bedeutungsgehalts innerhalb der Hegeischen Dialektik weiter explizierbar: I ist: — Unmittelbares, — erste und unreflektierte Unmittelbarkeit, — einfache Unmittelbarkeit, — Einfachheit, — Identität als abstrakte Identität, — abstrakte Beziehung auf sich ohne Ableitung, — sich auf sich beziehende Allgemeinheit, — Ansichsein ohne Fürsichsein, — Indifferenz, — Aufgenommenes, — Vorgefundenes, — Assertorisches, — Behauptetes, — Vorausgesetztes, — Begriff an sich; II ist: — Vermitteltes, — Vermitteltsein, — Gesetztsein, — relative Bestimmtheit, — das Bestimmte und das Bestimmen überhaupt, — Nichtidentität und identische Vermittlung qua Negation, — erstes und formelles Negatives, — das Negative des Unmittelbaren, — Reflexion, — Urteil, — Entgegensetzung, — Unterschied, — Widerspruch, — Konflikt, — Kollision, — Differenz, — Dialektik, — N e gation, — Vermittelndes und Vermittlung, — Beziehung, — Verhältnis; III ist: — das zweite Unmittelbare, — Herstellen der ersten Unmittelbarkeit, — erfülltes weil reflektiertes Unmittelbares, — entwickeltes Beisichsein, — Zurückgekehrtsein in sich selbst, — Sichsetzen, —

329

(Aristoteles und Hegel, in: ders., Kleinere Schriften Bd. II, 2 1 4 - 2 5 2 , 227; vgl. dazu auch oben, A n m . 252 und unten, 269). Zum Zwecke einer anschaulichen Formalisierbarkeit werden im weiteren Verlauf unserer Ausführungen diese drei Hauptmomente der Hegeischen Methode häufig nur mit den römischen Ziffern I, II und III bezeichnet werden; das hat darüber hinaus noch den Vorteil, daß die weitere Differenzierung vermieden werden kann, ob es sich hier jeweils wirklich nur um Momente, oder um größere Stufen, Sphären oder gar Dimensionen dieser Methode handelt, eine Differenzierung, die der allgemeinen Einsicht in deren fundamentalste Konstitutionsprinzipien zunächst nur im Wege stehen würde.

Allgemeine Formprinzipien der logisch-spekulativen Methode

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wiederhergestellte Identität, — das Einfache durch Aufheben des Unterschieds, — das Unmittelbare durch Aufheben der Vermittlung, — die Einheit von Unmittelbarkeit und Vermittlung in ihrer Totalität, — Aufheben des Widerspruchs, — das Positive durch Aufheben des Negativen, — Affirmation durch die Negation der Negation, — das Negative des Negativen oder auch das zweite Negative 330 . Da für Hegel die Dialektik nicht darin besteht, partout eine zusammengehörige Triplizität von Begriffsunterscheidungen aufzustellen, sondern eher als jene Bewegung gekennzeichnet werden kann, „durch welche eine Bestimmung, ein Inhalt, durch sich selbst fortbewegt und über sich hinausgetrieben wird, sich negiert und in die Einheit mit sich zurückkehrt" 331 , also als die Bewegung von I über II zu III, so bleibt zu fragen, was eigentlich verursacht, daß die drei oben aufgeführten Momente in die bestimmte Beziehung zueinander treten, die als dialektisch bezeichnet werden muß. Der Grund hierfür liegt darin, daß die Unterscheidung dieser drei Momente selbst nicht absolut, sondern nur durch den relativen Unterschied zustande kommt, durch den allein sich die jeweilige Selbständigkeit eines Momentes gegen die beiden anderen zu behaupten vermag. Infolgedessen ist die je eigene Bestimmtheit eines Momentes bereits das Resultat einer Relation und, insofern für diese Relation immer die beiden jeweils anderen Momente konstitutiv sind, an sich schon Ausdruck einer bestimmten Vermittlungsstruktur der ganzen Relation von I — II — III und damit in eins eine jeweils bestimmte Gestalt des Ganzen der Dialektik überhaupt. Aufgrund dessen wäre es absolut irrig, diese drei Momente etwa schulbuchhaft auseinanderhalten zu wollen 332 . I ist zwar als Unmittelbares bestimmt, also gerade als ein in absolut selbstbezüglicher Selbständigkeit und Unvermitteltheit Seiendes, jedoch inhäriert dem, da sich die ihrer selbst versichernde Affirmation seiner unmittelbaren Gestalt gerade über die Negation seiner Vermitteltheit vollzieht, daß es sich als Unmittelbares gerade negativ mit sich selbst vermittelt über die Negation seines Andersseins, nämlich als Vermitteltes zu sein. Demzufolge ist hier so etwas wie eine „echte" Unmittelbarkeit keinesfalls gegeben, ja überhaupt im Hori330

331 332

Vgl. zu diesen Ausführungen W L II, 488ff. Ferner auch: Puntel, Darstellung, Methode und Struktur, 231 f f ; E . Bloch, a . a . O . , 121 f. E . Angehrn, Freiheit und System bei Hegel, 117. Vgl. E . Bloch, a . a . O . ; ferner W L II, 494.

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Die „Wissenschaft der Logik" und die Realphilosophie

zont dieser Methode nicht einmal denkbar 333 , da diese als die Explikation der fundamentalen Form der Vernunft gerade die Einsicht entwickelt, daß es in Wahrheit weder in der Wirklichkeit noch in Gedanken ein bloß ,Einfaches' und bloß ,Abstraktes', ein bloß Unmittelbares, das nicht schon ,mit einer Negation behaftet' wäre, überhaupt gibt 334 . Daher zeigt sich denn auch I, selbst als Unmittelbares, als ein in Wahrheit bereits Verschiedenes in sich (vgl. WL II, 491), als ein an sich selbst Unterschiedenes und den Unterschied seiner zu sich selbst Setzendes 335 ; es ist bereits als das einfache und allgemeine Erste, „an und für sich betrachtet", schon „das Andere seiner selbst" (ibid., 494). Aus der Abwehr dieses seines Andersseins heraus aber, aus der Abwehr seiner Vermitteltheit, — denn es versteht sich selbst ja gerade als das Unmittelbare —, erweist sich seine Unmittelbarkeit als ein bestimmtes negatives Resultat einer an und für sich an ihm seienden Vermittlungsstruktur und, da es als Unmittelbares und allgemein Erstes in der Negation dieses Resultatscharakters seiner Unmittelbarkeit verharrt und sich gegen denselben absetzt, endlich begrenzt durch das, was sie zwar an sich schon ist, aber noch nicht sein soll: eine bestimmte Gestalt von Vermittlung. So bleibt I, respektive seiner wesentlichen Unmittelbarkeit, jedoch als I der in seiner unmittelbaren Bestimmtheit schon an sich angelegten Vermittlungsstruktur, d . h . seinem immanenten Widerspruch letztenendes indifferent gegenüber: es mag zwar schon ein (Verschiedenes in sich' sein, aber das in ihm Unterschiedene ist zunächst nur ein Verschiedenes überhaupt (vgl. ibid., 490), nur ein irgendwie Anderes, noch nicht das Andere seiner einfachen Selbstbezüglichkeit überhaupt, somit auch nur ein ebenso anderes Einfaches und an diesem so nur ein Reflektieren seiner eigenen Unmittelbarkeit. Das erste Moment der Dialektik wäre von daher vollständiger als nur mit I, eben in Anbetracht der in ihm zwar schon gesetzten Differenz, aber des weder in den Exponenten dieser Differenz noch auch in dieser Differenz selbst bereits reflektierten und manifestierten Charakters 333 334

335

Vgl. oben, 92 ff u. 122. Vgl. WL II, 489; ferner WL I, 52 u. Enz, § 89 HZus. Aus diesem Grunde offenbarte sich auch schon selbst der absolute Anfang dieser Methode in der Bestimmung der unbestimmten Unmittelbarkeit, deren absolut Erstes, als ein nur scheinbar erst Unmittelbares (s. o., 3.2.1.2.). WL I, 54: „Die einfache Unmittelbarkeit ist selbst ein Reflexionsausdruck und bezieht sich auf den Unterschied von dem Vermittelten". Gegen das .Faktum', daß bereits die Bestimmung der Vermittlung in der Unmittelbarkeit selbst,enthalten ist', hat nur der „gewöhnliche abstrakte Verstand" etwas einzuwenden, „der die Bestimmungen von Unmittelbarkeit und von Vermittlung, jede für sich, als absolut nimmt und an ihnen etwas Festes von Unterscheidung zu haben meint; so erzeugt er sich die unüberwindliche Schwierigkeit, sie zu vereinigen" (Enz, § 70; vgl. auch ibid., § 74 u. § 75).

Allgemeine Formprinzipien der logisch-spekulativen Methode

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des Bestimmten dieser Differenz, mit folgender Formel zu veranschaulichen: I = I-

336

Erst in II wird dieses Andere von I, die an sich schon mit ihm gesetzte Vermitteltheit, eigens thematisch. Hier kommt die wesentlich negative Selbstbezogenheit und Eigenbestimmtheit von I nicht mehr nur vor dem Hintergrund einer sich selbst unbestimmt setzenden Unmittelbarkeit, also nicht mehr nur vor dem Hintergrund einer Abwehrhaltung in den Blick, sondern in ihrem eigensten Wesen als Negatives und Negation, als die nur unmittelbar gesetzte Einheit der an und für sich seienden Differenz von Unmittelbarem und Vermitteltem. Damit aber verhält sich I i zu I nicht im Sinne einer bloß „äußerlichen Reflexion" auf I (vgl. W L II, 490f). I wird durch II nicht einfach nur in ein Vermittlungsverhältnis hineingezogen, das ihm selbst als dem bloß Ersten an sich gar nicht zukommt, sondern II entwickelt so allein die in I selbst wesentlich angelegte, aber hier noch nicht — weder an sich selbst noch an ihren Exponenten — reflektierte Differenz von Unmittelbarkeit und Vermittlung, somit I in seinem innersten Wesen gemäß der vollständigeren Wahrheit seiner selbst 3 3 7 . Infolgedessen ist die in II sich als allgemein wesentlich offenbarende Reflexivität von Bestimmtem überhaupt nicht allein ein generelles Negieren und Auflösen von Unmittelbarem überhaupt, vielmehr gerade auch ein Wesentlichsetzen des letzteren in seiner Unmittelbarkeit, ein Bewahren derselben in der wahren Entwicklung ihrer Bestimmtheit, somit nicht schlechterdings nur Entdecken von Negativität, sondern im Bewahrheiten ein Bewahren des Positiven überhaupt in der wesentlich negativen Selbstbezüglichkeit (vgl.: ibid., 494ff; W L I, 3 5 f ) 3 3 8 . Allerdings erfährt diese Unmittelbarkeit hier die weitere, ihr angemessenere Bestimmtheit, die identische Gestalt der in jedem Bestimmten angelegten Entgegensetzung von Unmittelbarkeit und von Vermittlung zu sein 3 3 9 , denn hier wird offenkundig, daß, indem Eines 336 pfeil und Doppelpfeil stehen hier wie im folgenden für Vermittlung, der vertikale Strich für G r e n z e , mindere Bezogenheit, oder auch: A b w e h r von Bezogenheit. 337

338 339

Vgl. W L I I , 494 f; ferner E . Angehrn, a . a . O . , 118: „Dasjenige, was unmittelbar da ist, in seiner Wahrheit auffassen, heißt in ihm die interne Spannung geltend machen, durch die es an sich mehr ist als es in seiner unmittelbaren ,Selbstaussage' ausspricht". Vgl. dazu auch Puntel, a . a . O . , 2 3 4 f f . D a ß die Methode des vernünftigen Erkennens überhaupt „mehrere F o r m e n der Unmittelbarkeit" unterscheidet (vgl. W L I I , 356), will dem Verstand gewöhnlich nicht eingehen, denn für ihn ist etwas nur dann unmittelbar, wenn es nicht weiter bestimmt ist; ist es dieses aber, so ist es eben kein Unmittelbares mehr. D i e Möglichkeit, eine Vielzahl von

200

Die „Wissenschaft der L o g i k " und die Realphilosophie

überhaupt bestimmt ausgesagt wird, ein Anderes als sein bestimmtes Anderes unmittelbar in eins ausgesagt wird und nicht von ihm zu isolieren ist, weil das Bestimmte des Einen in seiner Selbstbezüglichkeit wesentlich Negieren des einfachen Selbst durch Bezüglichkeit und somit im Bestimmen seiner selbst zugleich Bestimmen seines Anderen ist, wiewohl auch das Andere als das bestimmte Andere des Einen in seiner Selbstbestimmtheit zugleich die Bestimmung des Einen als seines Anderen und somit die Bestimmung des Einen zum Anderen überhaupt mitenthält, wiewohl auch in beiden dadurch zugleich noch die Bestimmung ihres Verhältnisses selbst mitenthalten ist. Ist Eines ausgesagt, so ist zugleich auch ein Anderes und damit in eins auch die Beziehung vom Einen zum Anderen ausgesagt: diese konkrete Struktur von unmittelbarer Entgegensetzung im Bestimmten überhaupt ist im engeren, aber eigentlichen Sinne als das zu bezeichnen, was Dialektik heißt. Das Dialektische ist von daher ganz allgemein dort anzutreffen, wo die wesentlich negative Selbstbezüglichkeit des Einfachen in ihrer Negativität, die interne Differenz und Vermitteltheit des Einfachen in ihrer Vermittlungsstruktur, die reflexive Identität des Einfachen in ihrer Nichtidentität, oder auch das Bestimmte des Einfachen in seiner Bestimmtheit überhaupt, d. h. als Gesetztsein in Bestimmtheit einerseits und als Bestimmen des Setzens selbst andererseits, unmittelbar thematisch werden. Da das aber gerade in II gegeben ist, so ist dieses als das eigentlich dialektische Moment der Methode anzusehen (vgl. Enz, §§ 79 u. 81). Jedoch geht hier durch die am Bestimmten selbst sich unmittelbar realisierende Reflexion 340 der allgemein dialektischen Grundstruktur des Bestimmten überhaupt dem Bestimmten generell die ihm durchaus auch wesentliche Einfachheit seiner bestimmten Gestalt verloren: ist eine einfache Bestimmung seiner selbst überhaupt gefunden, so zeigt diese sich unmittelbar wesentlich bestimmt durch das Andere ihrer selbst einerseits und durch den Akt ihres Bestimmens selbst andererseits. Sie ist somit, indem sie aufgestellt wird, unmittelbar ein Anderes, nämlich nichts Bestimmtes, sondern nur das Verhältnis sich negativ auf sich beziehender und

340

Denkformen als unmittelbare zu bestimmen, liegt letztenendes in der spekulativen Grunddisposition der vernünftigen Methode begründet (siehe dazu unten, 4.1.1.4.). Generell nimmt in einer jeden zweiten Sphäre dieser Methode der Terminus .Gesetztsein' den formalen Status der jeweils ersten Unmittelbarkeit an, meint hier aber inhaltlich die Unmittelbarkeit von Entgegensetzung im Bestimmten überhaupt, eine Unmittelbarkeit, „ d i e in sich selbst Entgegensetzung, somit Bestimmtheit hat, die überhaupt nur als diese Entgegensetzung ist" ( D . Henrich, Hegels Logik der Reflexion, in: ders., Hegel im Kontext, 9 5 - 1 5 6 , 118f). - Vgl. dazu oben, 3.2.1.3.; ferner H . Radermacher, Artikel „ D i a l e k t i k " , a . a . O . , 305f. Zum ambivalenten Gebrauch von ,Reflexion' bei Hegel siehe oben, Anm. 124.

Allgemeine Formprinzipien der logisch-spekulativen Methode

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miteinander vermittelnder Bestimmungen. So scheint das Bestimmte von II eher durch ein Mehr an Vermittlung, an Negation der Einfachheit, als durch ein Mehr an bestimmt gesetzter, an sich reflexiver Unmittelbarkeit ausgezeichnet zu sein, wohingegen I, wie ausgeführt wurde, sich durch ein Mehr an noch nicht einmal wahrhaft reflexiver Unmittelbarkeit auszeichnete. Da aber auch diese in II dominierende Vermittlung durchaus fixe Exponenten benötigt, um überhaupt eine Vermittlung sein und etwas vermitteln zu können, erweist II sich durchgängig als ein unruhiges Hin und Her zwischen fixen Bestimmungen, deren Wahrheit an und für sich in ihrer Vermittlung liegt, und der dominanten Fixierung der Vermittlung im Bestimmten, wobei dessen Bestimmtheit überhaupt verloren geht, somit als ein Moment, das die beiden methodischen Fundamentalkategorien Unmittelbarkeit' (relative Einfachheit der Gestalt, I) und ,Vermittlung' (wesentliche Bezüglichkeit der Gestalt, Relationalität, II) nicht gänzlich zusammenbringt, sondern vor allem die Realisation ihres bestimmten Widerspruchs betreibt (vgl. WL II, 495f). II wäre von daher folgendermaßen zu veranschaulichen:

Wenn allererst in III das, was in II zwar schon ,vorhanden' ist, nämlich die Entgegensetzung von relativer Einfachheit und wesentlicher Bezüglichkeit in ,Einer Beziehung' zu denken, hier aber noch ,außereinander' gehalten wird (vgl. ibid., 496), sich nunmehr auch in diese eine Beziehung wirklich gesetzt findet, die seiner identisch dialektischen Grunddisposition an und für sich eigen ist, dann zeigt sich auch III, ebensowenig wie II ein bloß äußerliches Weiterbestimmen von I war, nicht als ein bloß äußerliches Weiterbestimmen von II, sondern als die konkrete Entfaltung der demselben immanenten Wahrheit, gewissermaßen als die Realisierung der Intention von II (vgl. ibid., 496f; ferner auch WL I, 92). Was II noch nicht gelang, ist in III nunmehr vollendet: das Bestimmte ist als an sich unmittelbar Reflexives zusammen mit der Negation seiner unmittelbaren Bestimmtheit, zu der die wahrhafte Erkenntnis und Entwicklung seiner wesentlich negativen Selbstbezüglichkeit führte, wieder in die Einheit einer einfachen Beziehung auf sich gebunden und somit überhaupt wieder bestimmbar, jedoch nunmehr eben so, daß bei dieser seiner fixen Bestimmung die wesentliche Negativität, die ihm selbst als durch sich selbst Vermitteltem angehört, nicht außeracht gelassen werden muß. III erscheint somit zunächst ganz formal als ein Wiederherstellen der ersten Unmittelbarkeit,

202

Die „Wissenschaft der Logik" und die Realphilosophie

als ein zweites Unmittelbares, als ein Positives durch die Negation der Negativität von II (vgl. WL II, 497ff). Jedoch ist es als aus II Resultierendes nicht nur die einfache Aufhebung des in II sich realisierenden Widerspruchs von Unmittelbarkeit und von Vermittlung, sondern als Bewahrheiten von II zugleich auch die wahrhafte Realisation von dessen Widerspruch (vgl. WL I, 35f). Daher ist es nur scheinbar ein Wiederherstellen von I. Seine Unmittelbarkeit ist nicht mehr nur seine Identität gegen die Vermittlung, sondern die Identität von Unmittelbarkeit und Vermittlung überhaupt, ein ,Abgeleitetes' und ,Erwiesenes' (vgl. WL II, 500), somit ein an und für sich Differenziertes und Widersprüchliches, das sich als solches auch vollkommen reflektiert, d. h. reflektiert ist sowohl in seinem Ganzen (d. i. sein Verhältnis von Unmittelbarkeit und von Vermittlung überhaupt) als auch in der Bestimmung seines je Bestimmten selbst (d. i. seine Bestimmung der Unmittelbarkeit und der Vermittlung im einzelnen), — sie ist die Identität der Identität und Nichtidentität. Indem sich in III so einerseits das dominant Identische von I different und das dominant Differente von II identisch gesetzt finden 3 4 1 , muß III als der eigentliche Ort angesehen werden, an dem Bestimmtheit überhaupt den Charakter von positiver Identität gewinnt, denn hier ist die Selbstvermittlung eines Bestimmten als Vermittlung eines identischen Selbst weder nur das Resultat einer ständigen Abkehr von der wahrhaften Nichtidentität der ersten einfachen Unmittelbarkeit dieses Bestimmten, also nicht nur Resultat des Negierens seines an sich negativen Wesens, noch nur die Eröffnung einer allein in wesentlicher Nichtidentität vermittelten und somit auch nur negativ stattfindenden Selbstkonstitution seines identischen Wesens, sondern die positive Affirmation seiner wesentlich negativen Selbstbezüglichkeit durch die Offenbarung, daß diese negative Selbstbezüglichkeit, wenn sie in Wahrheit Beziehung-auf-sich ist, einerseits das Identische in seiner Bestimmtheit überhaupt wie auch andererseits das ihm Identische in der Vermittlung, die von ihm ausgeht, erhält, weil diese Vermittlung auf es zurückgeht und es damit gerade auch in seiner ersten Bestimmtheit affirmiert. Aufgrund dieses inhaltlichen Wandels der ersten Unmittelbarkeit von der bloß abstrakten Selbstbezüglichkeit zur Identität in III, ist III eben nur abstrakt formal ein Zurückkehren zur Einfachheit von I; eben weil diese „Rückkehr" sich über II vermittelt, signalisiert die Aufhebung der Widersprüche von II in III in einer Beziehung, in einer einfachen Bestimmung, nur scheinbar die Tilgung 341

Aufgrund dieses Sachverhalts muß III als die ganz abstrakte Form des Begriffs im allgemeinen gelten, denn es ist die Tätigkeit des Begriffs überhaupt, „ d a s Identische d i f f e r e n t und das Differente identisch zu setzen" (Enz, § 314).

Allgemeine Formprinzipien der logisch-spekulativen M e t h o d e

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vom Widerspruch im Bestimmten überhaupt. Indem III nun wiederum dieses Scheinbare seiner Einfachheit der in demselben selbst gesetzten wahrhaften Bestimmung nach, d. h. der ihm immanenten Widersprüchlichkeit nach, reflektiert, setzt III sich wieder an den Anfang einer neuen, — aufgrund der auch erneuerten Entgegensetzung von Einfachheit und Widersprüchlichkeit — ebenfalls triadisch gegliederten Weiterentwicklung seiner konkreten Bestimmtheit 342 , die sich hiermit als eigentlich wenig konkret bestimmt erweist, denn III mag zwar einfach als ,Einheit von Unmittelbarkeit und Vermittlung' gefaßt sein, aber diese Einheit ist im Grunde „nicht vermögend, es zu fassen", denn sie ist nichts ,Ruhendes', sondern als diese Einheit eben „die sich mit sich selbst vermittelnde Bewegung und Tätigkeit" (WL II, 499) 343 , näher die Bewegung und Tätigkeit von III, einerseits ein rückwärts gehendes Begründen seines Anfangs und auch andererseits ein vorwärts gehendes Weiterbestimmen desselben im Weiterbestimmen seiner selbst zu sein, wodurch sich hier beide Bewegungen und Tätigkeiten überhaupt als Ein und Dasselbe und als generelles Charakteristikum für die dialektische Methode im allgemeinen zu erkennen geben 344 , denn in III hat diese Methode ja den höchsten Stand der Gewahrwerdung der in ihren einzelnen Momenten wahrhaft gründenden Prinzipien erreicht. III wäre von daher — unter Berücksichtigung der von III ausgehenden Weiterentwicklung der Methode — mit der folgenden Formel zu veranschaulichen:

r

/ \ —- L i , — - π ,

in m =/ I —

πι,

i2 —

etc^

J

\ II

342

„ D i e Bestimmtheit, welche Resultat war, ist, wie gezeigt w o r d e n , um der Form der Einfachheit willen, in welche sie zusammengegangen, selbst ein neuer A n f a n g " (WL II, 502; H e r v o r h e b u n g v. Verf.). 343 Vgl. Bloch, a . a . O . , 124: „ D i e Einheit oder Synthesis, die sich jeweils bildet, ist keinesfalls n u r Einheit der Widersprüche, wie das allemal in der früheren Dialektik, bis Hegel, harmonistisch dargestellt w o r d e n war. Vielmehr nennt Hegel diese Einheit, mit einem absichtlich stoßenden A u s d r u c k , ,Einheit der Einheit u n d der Widersprüche', w o d u r c h also, da Einheit der Einheit u n d der W i d e r s p r ü c h e selbst widerspruchsvoll ist, u n d nicht k o n s o n a n t e r Ausgleich, schon dieserhalb der explosive G a n g weitergeht". 344 Vgl. W L II, 503: „Auf diese Weise ist es, daß jeder Schritt des Fortgangs im Weiterbestimmen, indem er von dem unbestimmten Anfang sich entfernt, auch eine Rückannähe-

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Jedoch zeigt diese Gestalt der Formalisierung von III eine im Grunde unzulässige Verkürzung desselben, wenn man ihr das Ganze der von uns bereits vorgelegten Explikationen zu III entgegenhält. III ist ja nicht nur die Bewegung von I über II zu III, also einfach ein nur aus II Resultierendes, sondern zugleich auch der Grund und die Begründung der Rückläufigkeit dieser Bewegung, somit nicht nur die Begründung der „höheren" Wahrheit der in I gesetzten Unmittelbarkeit des Bestimmten, sondern auch die Begründung der „höheren" Wahrheit der bloß negativ vermittelten Bestimmtheit desselben und des bloß Negativen dieser Vermittlung überhaupt, d. h. die Begründung der Realisation von I als II. Daher ist es, als II überwindend, zwar ein Negieren der Negativität desselben, aber dadurch nicht ein Positives schlechthin, sondern auch ein Wahrhaftsetzen der in II realisierten Negativität, nicht nur ein Einfaches, sondern der wahrhafte Widerspruch des Einfachen überhaupt in der ganzen Härte seiner Entgegensetzung. Somit erfährt hier nicht nur I die wahrhafte Begründung seiner einfachen Gestalt, sondern indem durch diese Begründung zunächst II generell zugrunde geht, erfährt zugleich und im besonderen überhaupt hier auch II den Grund der absoluten Negativität, die sowohl in all seinen Bestimmungen als auch in der Vermittlung derselben selbst herrscht (vgl. WL II, 497f) 34S . III ist als die Wahrheit von I und II in einem rückbezüglich auf I wie auch auf II, damit aber nicht nur ein Wahrhaftsetzen beider im einzelnen, sondern darin zugleich auch das Wahrhaftsetzen ihrer eigenen Beziehung zueinander, dem wiederum die Auflösung der durch sie beide endlich gegeneinander abgesetzten Bestimmung von Unmittelbarkeit und Vermittlung inhäriert. In Anbetracht dessen wäre III — unter Ausschluß seiner Funktion als eines neuen Anfangs, rein auf die interne Struktur einer einzelnen methodischen Triade bezogen — richtiger, weil vollständiger, in folgender Gestalt formalisierbar:

III

II

345

rung zu demselben ist, daß somit das, was zunächst als verschieden erscheinen mag, das rückwärts gehende Begründen des Anfangs, und das vorwärts gehende Weiterbestimmen desselben ineinander fällt und dasselbe ist". - Vgl. auch: ibid., 214; WL I, 55; ferner Puntel, a.a.O., 173, 244 u. öfter. Insofern trifft Adornos Kritik an der Hegeischen Fassung der Dialektik nicht ins Schwarze, wenn sie zu gewahren vermeint, daß der Hegeischen Negation des Negativen von II

Allgemeine Formprinzipien der logisch-spekulativen Methode

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Mit dieser Explikation von III ist bereits ein für alle Momente der Dialektik und somit für das Ganze derselben und für das Ganze der Dialektik überhaupt relevanter Sachverhalt mitgenannt: wenn III die Wahrheit der beiden vorangegangenen Momente darstellt, wenn in III damit die beiden vorangegangenen Momente in ihrer Wahrheit gesetzt sind, so geht in III nicht nur die Unwahrheit derselben zugrunde, sondern diese zeigen sich vor dem Horizont ihrer ganzen Wahrheit als ein im Grunde schon bestimmtes Sein von III. Die Fähigkeit von III, die wahrhafte Begründung von I und II zu vollziehen, hat daher nicht nur als ein Ergebnis zu gelten, daß aus seiner sich über diese beiden Momente erstreckenden Vermittlung zwangsläufig resultiert, vielmehr findet sich der Grund hierfür darin, daß diese beiden Momente überhaupt schon wesentlich eine bestimmte Gestalt von III sind, daß die Begründungsbefähigung von I und II in III somit zwar einerseits als ein Resultat der absoluten Vermitteltheit von III angesehen werden muß, andererseits aber auch nur daher statthaben kann, daß III auch schon in den vorangegangenen Momenten eine — wenn auch noch eine unvollkommene — Gestalt seiner selbst erkennt. So ist III nach der einen Seite, nach der Seite des Fortgangs in der Methode, zwar ein Vermitteltes und Abgeleitetes, nach der anderen Seite der Methode aber, nach der Seite des rückwärts gehenden Begründens dieses Fortgangs, das Begründen seiner selbst, als der allgemeine Grund und als die allgemeine Voraussetzung zu sein, von dem her und über die gerade die beiden anderen Momente der Methode als Vermittelte und Abgeleitete erscheinen, somit das absolute Prius der Methode überhaupt zu sein. Es gibt sich in wieder eine .Fetischisierung' der Positivität inhäriere. Vielmehr gilt für diese zweite Negation auch schon in der Hegeischen Dialektik genau das, was A d o r n o generell für die Dialektik festhalten m ö c h t e : in der Negation der Negation findet nicht nur eine Versöhnung im Positiven statt, sondern vor allem und zunächst einmal eine Radikalisierung von Negativität überhaupt; hier wird somit die anfängliche Negativität nicht getilgt, sondern verschärft und darin der Erweis erbracht, daß diese noch „nicht negativ genug w a r " . Das Positive ist so bei Hegel keinesfalls immer nur das Andere des Negativen, vielmehr k o m m t ihm dort, w o es als das Charakteristikum eines jeweiligen I I I ausgesprochen ist, die B e deutung eines auf die Spitze getriebenen Negativen zu, ja es wäre ganz allgemein zu sagen, daß, nachdem überhaupt erst einmal negiert worden ist, diese Negation im ganzen weiteren Verlauf der dialektischen Entwicklung nicht wieder rückgängig zu machen ist und so in diesem Verlauf auch gerade hinsichtlich ihres negativen Gehaltes weiter entwickelt wird; das beinhaltet generell eine Zunahme an Negativität im dialektischen Fortschreiten, damit aber zugleich auch eine positive, oder mit einem anderen W o r t Hegels: eine affirmative Wendung dieser Negativität aufgrund ihres positiven Beitrags zur Entwicklung der Dialektik überhaupt (vgl. dazu A d o r n o , Negative Dialektik, 159f). - Zu den Wandlungen, denen der Begriff der Positivität in Hegels Entwicklung eines erkenntnistheoretischen Begriffs von Positivität unterzogen war, siehe G . Lukács, D e r junge Hegel.

206

Die „Wissenschaft der L o g i k " und die Realphilosophie

seinem Hervorgehen, wie das „Hervorgehen überall im Spekulativen" generell, „die Bedeutung, daß das zunächst als Folgendes und Hervorgegangenes Gestellte vielmehr das absolute Prius dessen ist, durch das es als vermittelt erscheint" (Enz, §552 HZus — S. 432 — ). Aufgrund dessen offenbart sich III als ein Allgemeines überhaupt, das durch alle Momente der Dialektik ,hindurchgeht' (vgl. WL II, 499), in einem jeden Moment aber je spezifisch realisiert ist. Unter Berücksichtigung dieser gesamtmethodischen Relevanz von III wäre die allgemeine Struktur einer vollständigen dialektischen Figur in der folgenden Weise formal zu fassen:

III III

(Freilich kann hier ein jedes I, II oder III dieser Figur wiederum durch das Ganze derselben dargestellt werden, weil ja im Grunde ein „jeder Teil der Philosophie ein philosophisches Ganzes ist" und die ganze Idee der Philosophie „in jedem einzelnen erscheint", so daß sich dann die ganze Methode als ein solcher „Kreis von Kreisen" ergäbe, als welcher sich in der Tat die Darstellung der Hegeischen Philosophie begreift; — vgl. E n z , § 15; W L II, 5 0 4 ; u. öfter.)

Am obigen allgemeinen Modell der Hegeischen Dialektik werden schon einige ganz spezifische Charakteristika derselben deutlich. Zunächst einmal wird das deutlich, was wir ja auch bereits schon ausgeführt haben, nämlich daß der ganze Fortgang ihres Weiterbestimmens immer nur ein Anderssetzen desjenigen ist, was in den vorangegangenen Momenten des Weiteren überhaupt schon angelegt ist (vgl. Enz, § 88 HZus). Allgemein angelegt

Allgemeine Formprinzipien der logisch-spekulativen Methode

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aber findet sich vors erste eine in jedem Moment bereits für die Bestimmtheit desselben konstitutiv werdende Differenziertheit an Bestimmungen und eine je bestimmte Vermittlungsstruktur derselben, so daß selbst schon das erste Moment als ein nur Einfaches, seinem wahrhaften Ursprung nach, als eine Synthesis zur Geltung kommt (vgl. dazu WL II, 227). Die Vermittlung der einzelnen Momente miteinander zeigt sich von daher nicht als ein äußerliches Verknüpfen, sondern als die Entfaltung der sich in ihnen selbst schon intern geltend machenden Vermittlungsstrukturen. Insofern muß für die Hegeische Dialektik im ganzen definitiv festgehalten werden, daß hier bereits die Extreme oder Exponenten einer jeden Beziehung oder Vermittlung, oder auch die Relata einer jeden Beziehung „auch den Begriff der ganzen Beziehung in sich enthalten, und zwar nicht nur als ihre Voraussetzung, sondern als ihre eigene Struktur. Es kann deshalb gesagt werden, daß die Relata die Relation ebenso zu reproduzieren erlauben, wie sie selbst nur durch die Relation bestehen" 346 . Daher ist hier denn auch, was mißverständlich für Dialektik im allgemeinen gern angenommen wird, die Vermittlung überhaupt nicht nur als ein Mittleres zwischen Extremen 347 und somit als ein Drittes bestimmt, das zu den beiden entgegengesetzten Bestimmungen nur hinzukommt 348 , sondern eher zu fassen als „die sich bewegende Sichselbstgleichheit" der Bestimmungen, als deren „Reflexion in sich selbst" (Phän, 21), als ein Werden derselben zu sich selbst durch sich selbst hindurch, dessen Antrieb in der wesentlichen Negativität gründet, die aus ihrer spekulativen Fundamentalverfassung oder auch ihrer fundamentalen Selbstbezüglichkeit resultiert. Diese Selbstbezüglichkeit nimmt freilich in einem jeden Moment der Dialektik eine unterschiedliche Gestalt an: in I ist es die Bezogenheit des Relats auf sich selbst gegen seine Relation; in II ist es die jeweilige Bezogenheit der Relate auf sich selbst in der unmittelbaren Bezogenheit auf ein entgegengesetztes Relat wie darin die mittelbare Selbstbezogenheit der Relation selbst, somit die unvollkommene Verknüpfung von Relat und Relation; in III sind in den Relata sowohl unmittelbar die Relation wie auch in der Relation unmittelbar die Relata ausgesagt, so daß hier der Unterschied von Beziehung und Bezogenem über-

346

D . Henrich, a . a . O . , 129f; in diesem Sinne auch noch formuliert: ibid., 36 u. 98. 347 Vgl. Adorno, Drei Studien zu Hegel, 20: „Vermittlung heißt . . . . bei Hegel niemals, wie das verhängnisvollste Mißverständnis seit Kierkegaard es sich ausmalt, ein Mittleres zwischen den Extremen, sondern die Vermittlung ereignet sich durch die Extreme hindurch in ihnen selber". 348 Vg] -ψ Becker, Hegels Begriff der Dialektik und das Prinzip des Idealismus, Stuttgart 1969, 49.

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Die „Wissenschaft der Logik" und die Realphilosophie

haupt zugrunde geht. Für I macht sich somit die gegenseitige Begrenzung des Vermittelten als Zentrum der Selbstbezüglichkeit desselben geltend (— weil diese endliche Begrenzung an sich vermittelter Bestimmungen für das bloße Verstandesdenken allgemein symptomatisch ist, ist I als das abstrakte oder auch verständige Moment der Methode anzusehen — ); in II setzt sich die Negativität und Vermitteltheit der Selbstbezüglichkeit als dieses Negative und als die Vermittlung selbst zum Zentrum (— II ist von daher als das eigentlich dialektische Moment der Methode anzusehen, das aber zunächst nur negativ-vernünftig verbleibt, weil die für es konstitutive Unvollkommenheit seiner Verknüpfung von Vermittlung und Vermitteltem auch noch eine gewisse Entsprechung zum Verstandesdenken hat — ); in III wird diese Selbstbezüglichkeit in ihrer ganzen Totalität als SelbstBezüglichkeit zum Zentrum, d.h. als Bezügliches des Selbst und auf ein Selbst und als das Selbst der Bezüglichkeit (— III ist von daher als das eigentlich spekulative oder auch positiv-vernünftige Moment der Methode anzusehen - ) 3 4 9 . An dieser ganzen Unterscheidung der Momente der Hegeischen Dialektik mag wohl abzulesen sein, daß diese Dialektik in ihrem dritten Moment zum wahrhaftesten und absoluten Begriff ihres Methodischen überhaupt gelangt, daß somit III zum allgemeinen Kernstück der Methode im allgemeinen erhoben werden muß; jedoch liegt gerade darin, daß in III der Unterschied von Beziehung und Bezogenem als für diese Methode überhaupt nichtig erkannt wird, ein Hindernis, III als den Kern derselben auch zu realisieren. Indem hier weder die Beziehung als das eine noch auch das Bezogene als das andere allein wahrhaftig sind, sondern einzig die Bewegung vom einen zum anderen, ist in III nichts festzumachen, nichts fixierbar, kein 349 v g i . £ n z > §§ 79—82. Hier erhellt, wie wenig ergiebig die triadische Gliederung der Dialektik in Thesis — Antithesis — Synthesis für ein Verständnis der Hegeischen Dialektik ist und warum Hegel sich so häufig gegen das Beharren auf dieser bloß äußerlichen Triplizität in dieser Methode ausspricht, ganz abgesehen davon, daß überhaupt „schon der Ausdruck: Synthesis leicht wieder zur Vorstellung einer äußerlichen Einheit und bloßen Verbindung von solchen, die an und für sich getrennt sind, leitet" (WL II, 227). Mit dem Ausdruck ,Synthesis' ist daher im Umfeld der Hegeischen Dialektik generell nicht zu operieren. Wenn partout an ihm festgehalten werden soll, so wäre bestenfalls die Seite des Weiterbestimmens von Bestimmungen in derselben als synthetisch und die Seite des rückwärtigen Begründens derselben durch ihre Weiterbestimmung als analytisch zu bezeichnen; da aber beide Aktionen in einer jeden Bestimmung der Hegeischen Dialektik unmittelbar zugleich statthaben, ist mit der Entgegensetzung von synthetisch und analytisch für dieselbe nichts Genaues ausgesagt: sie ist überall synthetisch wie analytisch in einem. — Vgl. dazu: W L II, 491 u. 497ff; Enz, §§ 88 HZus, 238 HZus u. 239 HZus; Phän, 41. Ferner auch: N. Hartmann, a . a . O . , 225; E. v. Hartmann, Uber die dialektische Methode, Darmstadt 1963, 37; Puntel, a . a . O . , 48.

Allgemeine Formprinzipien der logisch-spekulativen Methode

209

bestimmtes Wissen, sondern nur das Un-Fixe und die Un-Bestimmtheit als die dem wahrhaften Wissen angemessenste Verfassung des Gedankens ausgesagt. So mag in III zwar die wahrhafte Form dieses Wissens und damit auch die wahre Form der Wahrheit überhaupt ausgesprochen und so angezeigt sein, daß sich Relationen und Relata im Denken nicht nur bloß relativ aufeinander beziehen, wenn diese Beziehung hinsichtlich ihres Wahrheitsgehaltes gedacht wird, daß vielmehr in beiden selbst schon an sich eine absolute Relationalität waltet, die als der allgemeine und identische Grund beider gerade den Grund für die Möglichkeit ihrer absoluten Entsprechung, ihrer totalen Adäquation, und somit den Grund für ihre allein relative Bestimmtheit und Wahrheit wie für so etwas wie Wahrheit in den Denkbestimmungen überhaupt stellt 350 , so zwingt doch der Versuch, die wohl an und für sich seiende Relationalität im Denken überhaupt — über die tautologische Aussage über ihre Relationalität hinaus — irgendwie konkretisieren zu wollen, immer wieder zu einem Rückgriff auf die Unterscheidung konkreter Denkbestimmungen und ihrer Vermittlung, auf die Unterscheidung selbst konkreter Relationen untereinander und die Unterscheidung der verschiedenen Relata derselben, auf die Unterscheidung von Beziehungen und von Bezogenem, kurz: zu einem Rückgriff auf wenn auch absolut miteinander vermittelt sein sollende, so doch immerhin auf bestimmte Bestimmungen des Denkens, oder auch: zu einem Rückgriff auf das zweite Moment der Methode. Vor dem Horizont dieser absoluten Untauglichkeit von III für eine Konkretisierung der Methode scheint sich denn auch II, das dialektische Moment, als die eigentliche Darstellung des Herzstücks und der „bewegenden Seele" der Hegeischen Methode zu erkennen zu geben (vgl. Enz, § 81 HZus).

4.1.1.2. Die Negativität Die allgemeine Einsicht der Vernunft, daß es in Wirklichkeit nichts so Einfaches gibt, das nicht zugleich auch schon Vermitteltes wäre, findet sich bei der Explikation der fundamentalen Prinzipien der vernünftigen Methode des Erkennens konkret bestätigt: ein jedes Moment dieser Methode birgt an sich eine in sich differenzierte und somit schon bestimmte Vielheit an Bestimmungen, deren Vermittlungsstruktur selbst dort schon für es konstitutiv wird, wo es sich noch hinsichtlich des Prinzipiellen einer unbe350 Vgl. dazu unsere obigen Ausführungen zum spekulativen Wahrheitsbegriff (2.2.2.2.).

210

Die „Wissenschaft der Logik" und die Realphilosophie

stimmten Einfachheit selbständig zu entfalten intendiert (vgl. oben, 207). Hierin liegt das allgemeine Fundament für den Wahrheitsgehalt dieser Methode überhaupt, weil sie sich als das systematische Entwickeln dieser in einem jeden Bestimmten, selbst in der bloß einfachen Bestimmtheit desselben intern schon wirksamen Vermittlungsstruktur als die Selbstdarstellung des Bestimmten überhaupt verstehen kann, denn sie tut durch die gesamtsystematische Entdeckung der Vermitteltheit des Bestimmten nichts zu demselben hinzu, das diesem nicht an sich schon zukäme, sondern überführt dasselbe einzig seiner vollständigen Erfassung und damit der absoluten Gestalt, der ganzen Wahrheit seines Selbst 351 . Wenn aber diese in einem jeden Bestimmten unmittelbar wirksame Selbstvermittlung, das ihm immanente sich selbst Entgegengesetztsein, die ihm immanente Differenz, Reflexivität, Negation seiner einfachen Identität, kurz: seine negative Selbstbezüglichkeit in einem engeren Sinne — nämlich hinsichtlich ihrer Konkretheit und Konkretwerdung — als Dialektik zu fassen ist (vgl. oben, 200), so ist es nicht verwunderlich, wenn seine konkrete dialektische Entwicklung als eine Entwicklung seiner allgemein dialektischen Grunddisposition das Konkrete der dem Konkreten seiner eigenen Wirklichkeit einzig angepaßten und somit ihm absolut angemessenen Methode stellt und das Dialektische überhaupt von daher als „die bewegende Seele des wissenschaftlichen Fortgehens" einerseits und als „das Prinzip" andererseits erscheinen kann, „wodurch allein immanenter Zusammenhang und Notwendigkeit in den Inhalt der Wissenschaft kommt" (Enz, § 81 HZus). Wenn jedoch dieses Dialektische hinsichtlich seines methodischen Konkretwerdens darin besteht, die sich an einer Bestimmung selbst setzende Bewegung zu sein, in der diese Bestimmung sich die Vermitteltheit ihrer definitiven Eigenständigkeit selbst vermittelt, in der sie die Bezogenheit ihrer Bestimmtheit auf ein anderes Bestimmtes und damit zugleich ihre Bestimmtheit als ein durch Anderes bestimmt Seiendes entwickelt, wobei sich in dieser Entwicklung dieses Andere als das bestimmte Andere ihrer selbst offenbart, in der sie somit die ihrer eigenständigen Bestimmtheit immanente Negativität als diese wesentliche Negativität ihrer selbst erkennt und anerkennt und als eine solche auch konkretisiert, — wenn also das Dialektische darin besteht, daß etwas ,aus sich selbst' sich ,als das Andere seiner bestimmt' (vgl. WL II, 491) und sich somit durch das,Negative, das es an sich selbst hat, selbst wei-

351

Vgl. dazu: G. Lasson, Hegel und die Gegenwart, in: Kant-Studien 36 (1931), 262—276; H . Ogiermann, Zur Frage nach dem Wahrheitsgehalt von .Dialektik', in: Der beständige Aufbruch (Festschr. f. E. Przywara), hrsg. v. S. Behn, Nürnberg 1959, 106-125.

Allgemeine Formprinzipien der logisch-spekulativen Methode

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terleitet' (vgl. WL I, 37), so muß wohl mit gutem Recht II als der eigentliche Ort der Offenbarung dieses Dialektischen und damit als das Kernstück der konkreten Darstellung der dialektischen Methode überhaupt angesehen werden, denn in II wird ja doch gerade diese interne Negativität eines jeden Bestimmten — und darüber hinaus auch noch das Negative des Negierens im Akt des Bestimmens selbst — einerseits in dem Bestimmten ihrer Negativität und andererseits auch als das Negative der Negation überhaupt eigens thematisch, realisiert sich diese interne Negativität in ihrer ganzen Negativität als die fundamentale Struktur allgemein negativer Selbstbezüglichkeit in einem jeden Bestimmten überhaupt. Insofern ist in II und mit II schon alles — und auch: gerade alles — gegeben, was für das Erkennen und die Anerkennung der Dialektik als der Methode der konkreten Selbstentfaltung der wahren Natur des Denkens (vgl. Enz, § 11 HZus) und der Wahrheit überhaupt gefordert ist: a) Ist ein Bestimmtes ausgesagt, so ist in einem sein Anderes ausgesagt. b) Die unterschiedenen Bestimmungen verhalten sich zueinander als durch sich selbst und wechselseitig in ihrer Bestimmtheit vermittelt. c) Darin liegt zugleich auch die Vermittlung ihrer Selbstvermittlung selbst zu einem gerade durch ihre Bestimmtheit bestimmt Vermitteltem einerseits wie auch andererseits die Einsicht, daß ihre jeweilige Bestimmtheit das Resultat einer jeweils bestimmten Vermittlung ist. d) Letzterem inhäriert die relative Affirmation von einfacher Bestimmtheit überhaupt und damit die Möglichkeit, zu definitiven Aussagen zu gelangen, die als definitive zwar zunächst ihrer wahren relationalen Natur — im Selbstdefinieren unmittelbares Negieren des Definitiven ihrer selbst zu sein — zu trotzen scheinen, die aber dennoch absolut wahr sind, sofern sie relativ richtig sind, d.h. sofern ihre bestimmte Vermitteltheit von deren Vermittlung zwar unterschieden, aber dieser Unterschied für das Bestimmte dieser Vermitteltheit absolut konstitutiv und an demselben und durch dasselbe reflektiert bleibt, oder mit anderen Worten: solange das Definitive dieser Aussagen sich als gesetzt und nicht als unmittelbar vorgefunden, sich einerseits als hergestellte Identität (d. i. Sichsetzen des Definitiven) und andererseits als Herstellen von Identität (d. i. unmittelbares Negieren des Definitiven als Definitivem im Setzen desselben) begreift. e) Die Entdeckung und Konkretisierung der wesentlichen Nichtidentität im Bestimmten überhaupt als das wahrhafte Sein desselben führt weder in ein „abstraktes Nichts" (WL I, 36), noch zu einer generellen Negation

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Die „Wissenschaft der L o g i k " und die Realphilosophie

von Bestimmtem, zu einer generellen Negation identischen Selbstseins, etwa nur zu dem negativen Resultat, daß nichts so ist, wie es ist und damit überhaupt nichts Bestimmtes bestimmt und zu bestimmen ist, sondern gerade zur Affirmation bestimmten Selbstseins, indem dieses sich in seiner Bestimmtheit nicht mehr nur des Resultatscharakters derselben erwehrt — und damit gerade seiner selbst als eines Bestimmten —, sondern die ihm selbst immanente Negativität zu der negativen Immanenz seines Selbst aufgehoben wird. So kommt, was für die wahrhafte Methode gefordert wird, zu der Sichselbstgleichheit eines Bestimmten in seiner Bestimmung durch die neuerliche Bestimmung derselben und die darin liegende Negation seiner einfachen Bestimmtheit, zu seiner Eigenständigkeit nichts Neues hinzu: diese erfährt nur eine Weiterbestimmung dessen, was ihr an sich und abstrakt schon inhäriert, und wird dadurch nur mehr mit sich selbst gleich, eigenständiger. Es zeigt sich hier, daß die in II sich eigens vollziehende eigene Darstellung der internen Negativität eines jeden Bestimmten eine konkrete Entwicklung all jener Prinzipien zur Folge hat, die die Hegeische Dialektik in einem allgemeinen Ausblick auf den Wahrheitsstatus ihres rein Methodischen wie auch ihrer objektiven Gehalte überhaupt immer wieder für sich geltend macht. Damit aber geht hier mit der Entwicklung dieser Negativität zugleich die sich im eigentlichen Fortschreiten der Dialektik vors erste aufdrängende Bedeutung von Negativität überhaupt verloren: als das allererst an zweiter Stelle Entwickelte nur ein methodisch bedingter Sonderfall am Bestimmten zu sein (eben das Bestimmte allererst in seiner zweiten Gestalt zu konstituieren). Die Negativität setzt sich hier in die Bedeutung, das konkrete Fundament und die konkrete Voraussetzung dafür zu sein, daß die dialektische Entwicklung von Bestimmungen überhaupt wahr ist, denn sie erweist sich gerade nicht als ein nur Zweites, als durch das dialektische Verfahren des Negierens eines einfach Bestimmten nur Erzeugtes, sondern umgekehrt: dieses Fortschreiten des Verfahrens selbst als einen nur zweiten Schritt und als nur möglich dadurch, daß dieses Bestimmte an sich schon negativ und in Wahrheit somit nicht einfach ist; eben nur weil eine Bestimmung an sich überhaupt schon negativ ist, kann die Negation ihrer Bestimmtheit ein eigenes Entwickeln ihrer selbst und das Selbstentwickeln ihrer Eigenheit sein, kein bloß äußerlich auf sie angewandtes Verfahren 352 . Mit dieser Offenbarung der für das dialektische Verfahren über352

Zu dieser fundamentalen methodischen Bedeutung von Negativität bei Hegel vgl.: F. Wiplinger, Grundfragen zur Dialektik Hegels. Gedanken zu Vermittlung, Negation

Allgemeine Formprinzipien der logisch-spekulativen Methode

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haupt zentralen Bedeutung der Negativität und mit der konkreten Offenbarung dieses Begriffs von Negativität in II stellt sich für die Hegeische Dialektik eine fundamentale Umkehrung des gemeinhin üblichen Verständnisses von Dialektik und der Art ihrer Anwendung ein, und damit zugleich eine fundamentale Umkehrung des gemeinhin üblichen Verständnisses von Methode überhaupt: die Dialektik erzeugt nicht nach einer rein methodischen Gesetzmäßigkeit Negativität in ihren Bestimmungen, sondern ihre methodische Gesetzmäßigkeit ist selbst durch die in einer jeden Bestimmung schon waltende Negativität erzeugt, sie ist hinsichtlich ihrer methodischen Form nur ein Nachzeichnen der Eigenentwicklung dieser Negativität, die die Wahrheit ihrer „inneren Antriebskraft", der Negation, ausmacht 353 . Da für Hegel auf dem Standpunkt des vernünftigen Erkennens (der Wissenschaft, des ideellen und identischen Denkens) diese fundamentale Negativität nicht mehr allein nur ein Charakteristikum der wahren Formen der Denkbestimmungen sein kann, sondern zugleich auch ihrem Inhalt überhaupt an und für sich inhärieren muß, — denn die Formen des Denkens sind hier von seinem Inhalt nicht mehr prinzipiell zu trennen, es ist überhaupt ,objektives Denken' —, ist die Dialektik überhaupt nur in ihrer Methode ein konkretes Nachzeichnen der in allem Sein gleichermaßen und allgemein waltenden Negativität 354 , des „innersten Quells aller Tätigkeit, lebendiger und geistiger Selbstbewegung" (WL II, 496) und damit „des Prinzips aller natürlichen und geistigen Lebendigkeit überhaupt" (WL I, 38) 3 5 5 . Sie ist

353 354

355

und Nichts in der dialektischen Auslegung der Differenz bei Hegel, in: Wissenschaft und Weltbild 18 (1965), 164-178 u. 257-276; G. Gurvitch, Dialektik und Soziologie, Neuwied/Berlin 1965. Puntel, a . a . O . , 140. Vgl. oben, 193; ferner auch H . Marcuse, Vernunft und Revolution, 35: „Die Dialektik ist insgesamt mit der Auffassung verbunden, daß alle Formen des Seins von einer wesentlichen Negativität durchdrungen sind und daß diese Negativität ihren Inhalt und ihre Bewegung bestimmt". Gerade hinsichtlich dieses Selbstverständnisses der Dialektik melden sich ihr gegenüber die meisten Bedenken an. Daß „diese geistige Bewegung, die sich in ihrer Einfachheit ihre Bestimmtheit, und in dieser ihre Gleichheit mit sich selbst gibt, die somit die immanente Entwicklung des Begriffes ist", zugleich auch „die immanente Seele des Inhaltes selbst" sein soll (WL I, 7), daß „dies Negative", das „zunächst als Ungleichheit des Ichs zum Gegenstande erscheint", nunmehr ebensosehr als „die Ungleichheit der Substanz zu sich selbst" aufgefaßt werden soll (Phän, 32), drängt sich vors erste als die Unlauterkeit des Gedankens auf, die für das Denken und seine bestimmten Gestalten als fundamental und allgemein konstitutiv erkannte Negativität auch seinen Gegenständen selbst und dem Gegenstande überhaupt nur deshalb anhängen zu wollen und auch zu müssen, um sein Postulat von der absoluten Entsprechung von Denken und Gegenstand in der Dialektik aufrechterhalten und auch konkret einlösen zu können. Die somit dann scheinbar „erkannte", negative Grunddisposition allen Seins wäre so nur ein notwendiger Trick, um die absolute,

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Die „Wissenschaft der L o g i k " und die Realphilosophie

somit aber keine Methode mehr im eigentlichen Sinne, denn sie ist kein bestimmtes Denkverfahren mehr, das von dem Gegenstand, auf den dieses sich bezieht, im vorhinein zu isolieren wäre; ihre Funktionalität für wahrhaftes Erkennen ist daher nicht zu postulieren, sondern nur zu realisieren. A u f g r u n d dessen ist sie auch der Möglichkeit einer nochmaligen methodologischen Begründbarkeit und Hinterfragbarkeit entzogen 3 5 6 . Sie ist subjektive und objektive Wahrheitsgeltung der dialektischen Entwicklung der Begriffe zu stützen. Es scheint vors erste nämlich schon in diesem Gedanken von der alles begründenden Negativität die für diesen Gedanken allgemein symptomatische Unlauterkeit in der Unlauterkeit zu liegen, die er seiner eigenen Entwicklung gegenüber zeigt, denn das Denken entdeckt diese in allen seinen Bestimmungen waltende Negativität ja allererst in einem zweiten Schritt, zunächst einmal stehen diese Bestimmungen also nicht gleich in dem Verhältnis eines sich wechselseitigen Negierens zueinander, sind nicht gleich negativ Agierende, sondern sind zunächst nur als Andere unterschieden. Demnach findet sich schon das Denken selbst primär durch die Entwicklung von Andersheit und nicht durch die Selbstentwicklung von Negativität bestimmt; das gilt dann freilich ganz besonders für das Primärverhältnis von Denken und Gegenstand im allgemeinen : das eine ist so zunächst nur das Andere vom Anderen, die vors erste sich einstellende Unterscheidung ihrer Andersheit noch keinesfalls eine Abbreviatur der Primärstruktur ihrer wesentlichen Selbstnegation, sondern letztere ein Resultat ihrer entwickelten, näher bestimmten Andersheit. Somit scheint — auch der eigenen Entwicklung der Dialektik selbst gemäß — generell die Andersheit Priorität vor der Negation zu haben.

356

Diese fundamentale Kritik an der Primärfunktion der Negativität im Erkenntnisprozeß ist weitestgehendst von der Weigerung durchwaltet, das die Dialektik selbst in einem gewissen Sinne noch einmal begründende Prinzip der Spekulation mitzuvollziehen (vgl. dazu unten, 4.1.2.3.). Sie hat im Rahmen einer allgemeinen Auseinandersetzung mit der spekulativen Logik überhaupt im Anschluß an ein Werk von H . Rickert eine ausführliche Diskussion erfahren; siehe dazu: H . Rickert, Das Eine, die Einheit und die Eins. Bemerkungen zur Logik des Zahlbegriffs, Tübingen 1924; R. Kroner, Anschauung und Denken. Kritische Bemerkungen zu Rickerts heterothetischem Denkprinzip, in: Logos XIII (1924/25), 9 0 - 1 2 7 ; W. Flach, Negation und Andersheit. Ein Beitrag zur Problematik der Letztimplikation, München/Basel 1959; R. Wiehl, Rezension zu: W. Flach, Negation und Andersheit, in: Philosoph. Rundschau 10 (1962), 1 2 0 - 1 3 4 ; R. Kroner, Zur Problematik der Hegeischen Dialektik. Bemerkungen im Anschluß an eine Schrift von W. Flach, in: Hegel-Studien 2 (1963), 3 0 3 - 3 1 4 . In Anbetracht dessen gesteht selbst auch W. Becker, im ganzen sonst ein scharfer Kritiker der Dialektik überhaupt, ein, daß von dem methodischen Selbstverständnis der Hegeischen Dialektik her ein Versuch, „die dialektische Logik prinzipiell und definitorisch begründen zu wollen, mit dem Verzicht auf die Konstituierung der Dialektik selber identisch wäre" (a. a. O . , 13). Bei N . Hartmann findet sich dieser Sachverhalt noch radikalisiert: „ D a s Methodenbewußtsein ist, wie überall, . . . . sekundär. Die Methode selbst erwächst in der Arbeit, im Widerspiel von tastendem Versuch, Fehlschlag und glückhaftem Gelingen. Sie ist als arbeitende immer schon da, wenn sie bemerkt wird. Das Wissen um sie folgt nach. Ein vorgreifendes Entwerfen der Methode vor dem Beschreiten des Weges her hat es geschichtlich nie gegeben und ist systematisch ein Ding der Unmöglichkeit. Das schlägt den meisten heutigen Methodologien ins Gesicht. Aber eben hier gilt es umzulernen. Aller Methodologismus ist ein Verweilen beim Sekundären, ein Vorbeigehen am Grundlegenden, epigonenhafter Tiefstand der Philosophie. Auch alle Beschäftigung mit

Allgemeine F o r m p r i n z i p i e n der logisch-spekulativen M e t h o d e

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ihrem Gegenstand so unmittelbar angepaßt, daß die Variationen ihres Gegenstandes, die auf dem Konkretwerden der wahren Gestalt desselben durch die Konkretisierung seiner Negativität in ihr als Methode, d.h. in Hegels Terminologie: die auf der Erfassung des Begriffs des Gegenstandes beruhen, ihre rein formalen, d.h. eigentlich methodischen Prinzipien zugleich mitvariieren; gerade darin liegt ihr alles umfassender Wahrheitsanspruch begründet.

4.1.1.3. Die absolute Aufhebung In II findet sich ein fundamentales Prinzip der Dialektik konkret entwickelt: die Negativität, die ein jedes bestimmtes Seiendes grundlegend konstituiert. Insofern bewahrheitet sich hier die für den Wahrheitsanspruch der dialektischen Entwicklung desselben vorausgesetzte erste Prämisse, daß ein jedes Bestimmtes an sich schon Differenziertheit, Negation, Vermittlung, Widerspruch in seiner Einfachheit enthält. Jedoch ist in II diese sich generell über die Negation ihrer Einfachheit vollziehende Konkretisierung von Selbstbezüglichkeit in Bestimmtheit überhaupt zunächst nur schwerpunktmäßig hinsichtlich der derselben immanenten Negativität realisiert, noch nicht eigens hinsichtlich des Bezugs negativer Selbstbezogenheit auf die konkrete Konstituierung eines Selbst, das als der Ausgangspunkt der negativen Entfaltung seiner selbst einerseits und als das Resultat seiner Selbstnegation andererseits ja gerade das Identische der Negation als Realisation seines relationalen Ansichseins und somit die Grundlage dafür abgibt, daß eben dieses Resultat der Selbstnegation seiner rein eigenständigen Gestalt überhaupt wieder auf eine Gestalt seiner selbst und damit auch dieses Resultat eben selbst auf seinen Ursprung zurückverweist, von dem allein her es als ein Resultat zu betrachten ist, — eine Grundbedingung dafür, daß die entwickelte Negativität nicht als ein dem Bestimmten überhaupt nur Äußerliches, sondern als die Eigenentwicklung desselben angesehen werden kann, d.i. eine Grundbedingung für den Wahrheitsgehalt der Negativität. Gerade aber diese identische Grundlage der Negativität kommt in II erst hinsichtlich ihres identischen Negativen, als die identische Nichtidentität in einem jeden Bestimmten, noch nicht hinsichtlich ihrer

der D i a l e k t i k als M e t h o d e ist u n f r u c h t b a r , s o l a n g e sie nicht auf die Sache zurückleitet, der die M e t h o d e g i l t " ( H e g e l u n d das P r o b l e m der Realdialektik, in: d e r s . , Kleinere Schriften II, 3 2 3 - 3 4 6 , 328).

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Die „Wissenschaft der L o g i k " und die Realphilosophie

selbst als identischer, als Identität zur Darstellung. Das ist erst in III der Fall. In dieser Identität liegt aber, wie schon gesagt, gerade die Bedingung der Möglichkeit, die in II entwickelte Negativität als allgemein gültig zu apostrophieren, denn wäre die Selbstnegation eines Bestimmten nicht im Grunde gerade auch die Realisierung einer wenn auch an und für sich differenzierten und widersprüchlichen, so doch immerhin identischen Grunddisposition der Differenz und des Widerspruchs im Bestimmten, dann ginge auch die Konkretisierung einer ihm immanenten Negativität ihrer Bedeutung verloren, die Darstellung einer internen Bezüglichkeit desselben zu sein, die seinem Selbst überhaupt immanent bleibt. Zwar ist II nicht nur ein Negieren schlechthin, sondern als ein bestimmtes Negieren zugleich auch ein Affirmieren von Bestimmtheit überhaupt, erhält so in der Entwicklung der Negativität am Bestimmten gerade auch das positive Moment, das diesem selbst als einem Bestimmten zukommt, ist so als die zwar „insgesamt ,negative' Seite der Vernunft" in eins ein Bewahrheiten eines negativen und eines positiven Momentes im Dialektischen357, jedoch erscheint dieses positive Moment hier doch vornehmlich in der Bedeutung, das Andere zum Negativen, sein ,Gegenteil' und seine ,Schranke', noch keinesfalls das Positive ,der höheren Dialektik des Begriffes' zu sein (vgl. Rph, § 31 HZus). Daß der Konkretisierung der allgemein negativen Grunddisposition alles Bestimmten zugleich auch die Konkretisierung einer allgemein identisch gehaltenen Grunddisposition desselben inhäriert, ist in II somit schon angelegt, aber noch auseinandergehalten und kommt erst in III eigens zur Darstellung und kann auch allererst hier dazu kommen, nachdem die zunächst nur allgemein vorausgesetzte Negativität sich als diese Negativität auch allgemein gesetzt hat. Andererseits zeigt sich auch dieses Allgemeingültigsetzen dieser Negativität gerade durch die Gültigkeit einer allgemeinen Identität begründet, also III zum einen als Resultat von II, und zum anderen als dessen Voraussetzung. Wie sich auch schon II zum einen als Resultat von I, jedoch zum anderen — seiner Wahrheit gemäß — als die Darstellung der ersten Prämisse der dialektischen Methode überhaupt, als die Darstellung eines Prius derselben offenbarte, so offenbart sich nunmehr ebenso auch III in der Bedeutung, ein Resultat von II einerseits, in diesem aber andererseits eine zweite Prämisse dieser Methode darzustellen, die trotz ihrer Entwicklung als einer zweiten dennoch so fundamental ist, daß sie die erste selbst noch einmal zu begründen vermag (vgl. WL II, 496f). Von daher wäre nicht mehr II sondern III als jene die Methode eigent357

Vgl. E. Angehrn, a. a. O . , 119; ferner unsere Ausführungen oben, 199 u. 211 f.

Allgemeine Formprinzipien der logisch-spekulativen Methode

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lieh ,bewegende Seele' und somit als der O r t anzusehen, an dem das Fundament derselben zur Darstellung kommt: die Identität358. Es ist aber nicht mehr nur eine einfache Identität, die sich in III als dieses Fundament realisiert, eine nicht mehr nur an sich negative, sondern eine an und für sich reflexive, eine sich an und für sich widersprechende, negative Identität, ein Resultat der Reflexion des Negativen auf das Allgemeine seiner Negativität, III daher nicht ohne II denkbar. III und das in ihm Konkretisierte ist so ein Vermitteltes und Abgeleitetes und zugleich das absolute Prius von Vermittlung und Ableitung überhaupt in einem (vgl. oben, 205 f). Es ist gerade dieser absolut widersprüchliche Doppelaspekt in III, einerseits die absolute Voraussetzung der Entwicklung der Dialektik und andererseits das absolute Resultat derselben, einerseits das absolut Inkonkrete derselben unter dem Aspekt ihres Anfangs und andererseits ihre höchste und absolute Konkretwerdung unter dem Aspekt ihres Resultats zu sein, der III in die Möglichkeit setzt, neben II auch ein das Ganze der Dialektik umgreifendes Prinzip zu stellen: eben die differenzierte, nicht-identische Identität in einem jeden Bestimmten 3 5 9 . Dieses Prinzip ist — hinsichtlich einer Formalisierung des Ganzen seiner gesamtmethodischen Relevanz — das Spekulative zu nennen. Mit II und III wären somit zwei für die Dialektik gesamtmethodisch relevant werdende Prinzipien gegeben: 1. die die 2. die die

erste Prämisse, das konkrete Prius : die Negativität des Identischen, identische Nichtidentität, die Negativität, das Dialektische·, zweite Prämisse, das absolute Prius: das Identische der Negativität, nicht-identische Identität, die Positivität, das Spekulative.

Beide Prinzipien sind zwar voneinander zu unterscheiden, aber nicht grund-sätzlich gegeneinander auszuspielen. Sie konstituieren als gesamtmethodisch relevante Prinzipien ein jedes Moment der Methode, sind jedoch in einem jeden derselben hinsichtlich eines jeweiligen Mehr oder Weniger ihres Offenbarwerdens verwirklicht. U m ihren Zusammenhang näher veranschaulichen zu können, ist es erforderlich, wie schon die Nega358

359

Vgl. oben, 205 fu. 208 f. Daß in der Tat die Identität das fundamentalste Prinzip der ganzen Konzeption der Hegeischen Philosophie stellt, ist durch alle unsere vorangegangenen Erörterungen derselben immer wieder bestätigt worden. Sie ist die Grundbedingung von deren generellem Selbstverständnis, die Darstellung a) einer Gestalt des selbstbewußten Geistes, b) der Vernunft, c) der Wahrheit, d) der Wissenschaft, e) der Idee ( = des identischen Denkens) zu sein. Es ist hiermit zugleich auch das fundamentale Prinzip des wechselseitigen Begründungsverhältnisses von Anfang und Resultat in der Dialektik benannt, das Prinzip von deren Kreisgestalt.

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Die „Wissenschaft der Logik" und die Realphilosophie

tivität des Dialektischen, nun auch die Identität des Spekulativen noch konkreter zu bestimmen. Dafür gilt es zunächst, III über das bisher Ausgeführte hinaus noch weiter zu spezifizieren. II ist kein bloß äußerliches Dazu zu I, vielmehr im Entwickeln der demselben immanenten Differenz dessen Realisation nach seiner wahren Gestalt hin: darin zum ersten ein Erhalten von I, zum zweiten aber auch sein Negieren als I durch die Negation seiner Unvollkommenheit, darin zum dritten aber auch zugleich ein Höherentwickeln desselben. Ebenso ist III als III und auch als ein neues I kein Rückfall in eine einfache Einheit, sondern zum ersten ein Erhalten der wesentlichen Differenz der mit II gesetzten Negativität, indem es zum zweiten das Negative des dieser Negativität anhaftenden, immanenten Widerspruchs negiert und denselben damit als sich selbst nicht widersprüchlich affirmiert, ihn positiv wendet, darin aber zum dritten zugleich auch ein Höherentwickeln der Eigenbestimmung von II, die Realisation der Intention desselben. Die dialektische Fortentwicklung des einen zum andern Moment wie die Reflexion dieser Fortentwicklung in einem jeden Moment selbst erbringt so ein allgemein Identisches: das Zugleich von Erhaltung, Negation und Weiterentwicklung im dialektischen Verfahren überhaupt wie auch als all-gemeines Konstituens einer jeden Bestimmung, zu der dieses Verfahren gelangt. Die unmittelbare und überall formal identische Vorhandenheit dieser Triplizität in einem jeden dialektischen Akt ist — der fm-fachheit ihres Zugleichs entsprechend — in der Dialektik durch einen ebenso em-fachen Ausdruck gekennzeichnet: die Aufhebung360. Insofern III durch die Aufhebung von II, 360 Hegel selbst hebt den erfreulichen' Umstand hervor, daß die deutsche Sprache für diese Dreieinheit von Erhaltung, Negation und Weiterentwicklung in der Dialektik auch ein Wort bereithält, dem alle drei Bedeutungen auch an sich zukommen, eben die Aufl>ebung, ein Wort, das so schon ,an sich selbst eine spekulative Bedeutung' hat und damit der Schwierigkeit der begrifflichen Manifestation des spekulativen Denkens entgegenkommt (vgl. WL I, 93f; ferner auch ibid., 10). Insbesondere linkshegelianisch orientierte Denker neigen immer wieder dazu, dieses fundamentale Prinzip der Aufhebung in der Dialektik zu verkürzen und in einen progressiven und einen konservativen Bestandteil auseinander zu dividieren, denn das Erhalten des Vorgängigen im Negieren desselben paßt sich zu wenig ihrem Begriff des Fortschritts an. Der dialektische Fortschritt stellt sich dann nurmehr als ein Negieren und Überwinden dar, dem das Überwundene nach Möglichkeit nicht mehr anzusehen sein sollte. Es ist von daher dann nur konsequent und nicht verwunderlich, wenn von diesem Standpunkt aus sich auch Hegel selbst auseinander zu dividieren scheint, und zwar in einen konservativen Bestand, der die ,Treue' zur Tradition hält — als solcher ist Hegel ein „forschender Antiquar" und „ein Fanatiker des substantiellen Gedächtnisses" — , und in einen progressiven Bestand, der mit der Tradition bricht und eine ,Umwälzung' herbeiführt — nur als ein solcher ist er ein wahrhaft „dialektischer Denker" (vgl. E. Bloch, Subjekt—Objekt: 125f, 226f u. öfter). Aus diesem weitestgehenden Ignorieren des bewahrenden Momentes in der Dialektik stellt sich dann

A l l g e m e i n e F o r m p r i n z i p i e n der logisch-spekulativen M e t h o d e

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aufgrund des Aufgehobenen von I in II, mit II zugleich auch I mitaufhebt, macht III sich nicht nur zu einem Ort, an dem allein der Vollsinn von dialektischer Aufhebung überhaupt deutlich, sondern diese Aufhebung auch vollständig verwirklicht ist. Angesichts dieser absoluten Aufhebung von III ist die durch die Entwicklung der beiden vorangegangenen Momente stattfindende Aufhebung nur unvollkommen und noch unvollständig, denn erst in III sind I und II nicht nur in ihrer ganzen Wahrheit reflektiert, sondern auch in dieselbe gesetzt, damit aber auch allererst in III die ganze Wahrheit aller Implikationen von Aufhebung in der Dialektik konkretisiert. Wie ein jedes Moment der Dialektik nach seiner ganzen Wahrheit hin zu fassen und wie die Entwicklung dieser Wahrheit zum Erfassen des Ganzen ihrer selbst selbst noch einmal wahrhaft zu bestimmen ist, wie somit das Ganze eines ganzen dialektischen Schritts wahrhaft konstituiert ist, dies alles — in der Totalität seines diffizilen Zusammenspiels — stellt das Eigene des Inhalts von III und ist in seiner Bestimmung von Identität impliziert. III ist so nicht nur die Realisation der absoluten Aufhebung, sondern durch die Aufhebung derselben selbst zu und in einer einfachen Gestalt darin zugleich die einfache Darstellung der dialektischen Totalität überhaupt, die Selbstmanifestation der Dialektik in ihrer Absolutheit, die Manifestation des Absoluten der Dialektik und in der Dialektik überhaupt. Angesichts der meist inhaltlichen Uberladenheit der bestimmten Vorstellungen, die sich bei dem Gebrauch des Wortes ,das Absolute' gemeinhin unmittelbar einstellen, sei darauf hingewiesen, daß diesem Absoluten hier, wie auch bei Hegel, nicht nur überhaupt, sondern vor allem auch vors erste zunächst nur eine ganz unbestimmte und allgemein gehaltene, aber gesamtmethodisch relevante, formal identische Bedeutung von Absolutheit inhäriert, die Bedeutung von: Totalität, Ganzheit, Vollständigkeit, Vollbestimmung, Vollkommenheit, Vollsinn, Wahrheit überhaupt361. Das Absolute ist nach dieser Bedeutung

361

auch z . B . eine so irrige F o l g e r u n g f ü r die G e s a m t b e u r t e i l u n g der H e g e i s c h e n P h i l o s o p h i e ein, wie sie G . L u k á c s vorgelegt hat, eben daß „ d i e R ü c k k e h r des a b s o l u t e n G e i s t e s zu sich s e l b s t " eine „ R ü c k n a h m e aller G e g e n s t ä n d l i c h k e i t in jenes m y s t i f i z i e r t e S u b j e k t " beinhaltet und „ d i e A u f h e b u n g der G e g e n s t ä n d l i c h k e i t ü b e r h a u p t " betreibt, w o b e i eben d a s Erhalten v o n Gegenständlichkeit in der vollständigen A u f h e b u n g derselben durch den absoluten G e i s t und die M ö g l i c h k e i t der darin liegenden E n t w i c k l u n g eines „ h ö h e r e n " Begriffs v o n G e g e n s t ä n d l i c h k e i t ü b e r h a u p t völlig außer acht gelassen w i r d ( D e r junge H e g e l , 302). — V g l . d a z u auch die R e z e n s i o n beider W e r k e v o n H . L ü b b e , Z u r marxistischen A u s l e g u n g H e g e l s , in: P h i l o s o p h . R u n d s c h a u 2 ( 1 9 5 4 / 5 5 ) , 3 8 - 6 0 ; ferner auch M . Riedel, Fortschritt und D i a l e k t i k in H e g e l s G e s c h i c h t s p h i l o s o p h i e , in: I. F e t s c h e r , H e g e l in der Sicht der neueren F o r s c h u n g , 387—4Ò7. D a in der vollständigen E n t w i c k l u n g aller B e s t i m m u n g e n der D i a l e k t i k mehrere dritte M o m e n t e v o r k o m m e n , ist hier auch, s o m e r k w ü r d i g es scheinen m a g , eine Vielzahl v o n

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Die „Wissenschaft der L o g i k " und die Realphilosophie

hin, trotz deren Abstraktion von konkreter Inhaltlichkeit, keinesfalls als ein „Losgelöstes" von Bestimmtem überhaupt, als ein von jeder näheren Bestimmung und von Bestimmbarkeit überhaupt „Freies" und „Unabhängiges", als ein „Unfaßbares", sondern als das ganze Gegenteil, wesentlich als Resultat aufzufassen (vgl. Phän, 21): es ist das Offenbarwerden der ganzen Komplexität der konkreten Vermittlungsstrukturen am Bestimmten und im Bestimmten, das Offenbarwerden vollständiger Bestimmtheit überhaupt. Dadurch daß sich in III dieses Absolute der Dialektik manifestiert, unterscheidet sich dieses Moment zunächst von den beiden anderen Momenten der Dialektik. Jedoch enthält es als das Wahrhaftsetzen derselben zugleich die Offenbarung, daß das in ihm sich manifestierende Ganze an Vermittlungsstrukturen und Bestimmtheiten in der Dialektik überhaupt auch schon ein jedes dialektisches Moment fundamental konstituiert (s. oben, 205). Wenn so schon an sich ein jedes Moment eine bestimmte Gestalt von III ist, so ist es damit auch zugleich schon eine bestimmte Gestalt dieses Absoluten, das absolut Werden desselben in III von daher in eins ein Relativieren seiner absoluten Absolutheit im Relativieren eines absoluten Unterschieds zwischen allen Momenten der Dialektik (s. oben, 197). Unter dieser Hinsicht ist dieses Absolute von III gerade kein unterscheidendes Merkmal, sondern muß als ein all-gemeines Merkmal aller dialektischen Momente angesehen werden. Das verdeutlicht sich insbesondere schon an I, nicht nur weil ein jedes III mit I insofern schon identisch ist, daß es sich wieder als das I einer neuen dialektischen Triade setzt, sondern auch weil die unmittelbare (einfache) Gestalt von I überhaupt schon immer in formaler Analogie zur Unmittelbarkeit (Einfachheit) von III steht 362 . Da ja aber auch schon in II alles

362

Absolutem anzutreffen. N u r aufgrund der Möglichkeit, das Absolute hinsichtlich seiner Absolutheit nicht endgültig festzulegen, es nicht in einer Bestimmung — eben der letztgültigen - nur absolut und als Absolutes bestimmt zu wissen, nicht nur ein Absolutes zuzulassen, weil etwa durch die Bestimmung von mehreren Absoluten der Begriff des Absoluten überhaupt verloren ginge, somit gar kein Absolutes mehr wäre, sondern daß der Gedanke des Absoluten eine Reduktion der ihm inhärierenden Komplexität auf ein allgemein Identisches in der Bestimmung derselben und somit eine eigene Ausdifferenzierung zuläßt, deren differente Bestimmungen selbst auch immer schon absolut sind, obwohl sie bedingt, d . h . eben gerade nicht absolut sind (— nur so ist im übrigen das Absolute zu konkretisieren und der tautologischen Festlegung enthoben, nur absolut sein zu müssen - ) , vermag Hegels System der Philosophie mehrere ,Definitionen' des Absoluten anzubieten, die trotz der darin liegenden wechselseitigen Relativierung ihres „absoluten" Absolutheitsanspruchs dennoch als das Absolute tatsächlich auch definierend angesehen werden müssen (vgl. z.B. W L I, 59; Enz 87 HZus, 181 HZus, 213 HZus, 384 HZus). Vgl.: Enz, § 8 5 ; Puntel, a . a . O . , 75.

Allgemeine Formprinzipien der logisch-spekulativen Methode

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mitgegeben ist, was für die Dialektik im ganzen konstitutiv ist (s. oben, 4.1.1.2.), ist auch das Absolute in II bereits mit einer bestimmten Präsentation seiner selbst befaßt. Angesichts dieses allgemeinen Anspruchs auf die Manifestation des Absoluten in einem jeden dialektischen Moment ist für die Manifestation des Absoluten in III noch nichts Bestimmtes ausgesagt, was diese Manifestation den anderen gegenüber spezifizieren und besonders qualifizieren könnte, weshalb sie etwa gar den anderen vorzuziehen wäre, denn es gilt festzuhalten, daß überhaupt schon „mit dem Absoluten aller Anfang gemacht werden müsse, so wie aller Fortgang nur die Darstellung desselben ist" (WL II, 490) 363 . Nimmt man diese Einsicht ernst und in einem radikalen Sinne, so scheint aus diesem ,Fortgang' generell nichts anderes und nichts weiteres als nur sein Anfang zu resultieren und dieser , Fortgang' an sich überflüssig zu werden, zumal sich ja auch nunmehr schon sein Anfang im Vollsinn von Absolutheit zu begreifen vermag. Gerade aber diese Präsenz des Vollsinns von Absolutheit im anfänglichen Absoluten beinhaltet die Bestimmung desselben zu der Bewegung, seinen Vollsinn auch konkret zu erschließen, nicht nur abstrakt um ihn zu wissen, denn seinem Vollsinn nach ist das Absolute ja gerade das durch seinen Fortgang Erschlossene, „wesentlich Resultat, erst am Ende das, was es in Wahrheit ist" (Phän, 21). Das erste und auch das zweite Absolute sind daher noch keinesfalls das Absolute der Dialektik überhaupt (vgl. WL II, 489f u. 503f), im Gegenteil: sie kommen als ein Absolutes überhaupt allererst dann in den Blick, wenn sie sich vom absoluten Resultat ihrer Selbstentwicklung her als ein solches affirmieren lassen. Somit ist die Gestaltwerdung von Absolutheit im Resultat des dialektischen Fortgangs die Vorbedingung dafür, in allen diesem Resultat vorgeordneten Gestaltungen desselben auch schon bestimmte Gestalten seines Absoluten zu erkennen, — eine Erkenntnis, die diese Gestalten näher in der Bestimmtheit vorfindet, gerade nur defiziente, nicht vollständige, eben nicht absolute Darstellungen des Absoluten zu sein 364 ; nur weil sich das Absolute gemäß seiner vollständigen absoluten 363 Vgl. auch U. Guzzoni, Werden zu sich. Eine Untersuchung zu Hegels ,Wissenschaft der Logik', Freiburg/München 1963, 18. Es bewahrheitet sich hier, nunmehr auch vom Standpunkt des Absoluten aus, das für den Geltungsanspruch der Dialektik als der einzig wahrhaften Methode immer wieder angeführte Fundament, daß ein jedes Moment der Dialektik an sich schon das Ganze derselben verkörpert, daß seine dialektische Entwicklung somit kein bloß äußerliches Verfahren mit ihm, sondern einzig seine Selbstentwicklung betreibt, daß so das Resultat derselben sich einerseits durch ihren Anfang und andererseits sich dieser Anfang durch ihr Resultat begründen (die Kreis-Gestalt). 364

Es gibt somit innerhalb der Hegeischen Philosophie eine ganze Anzahl von unvollkommenen Absoluten, die dennoch als Absolute definiert sind. Das ist eben daher möglich, daß sie immer nur unter einer ganz bestimmten Hinsicht absolut sind, daß das Bestimmte

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Die „Wissenschaft der L o g i k " und die Realphilosophie

Bestimmung wesentlich als Resultat definiert, vermögen alle vorangegangenen Definitionen des Absoluten sich von dieser letzten her schon als ein Absolutes in bestimmter Hinsicht zu verstehen und überhaupt „in diese zurückzugehen" (Enz, § 213 HZus). Insofern ist die konkrete Entwicklung der allgemeinen Absolutheit von I und II kein überflüssiges Tun dialektischer Selbstbespiegelung des Absoluten und mit III in der Tat ein Mehr an absoluter Bestimmung, ja sogar die vollkommene Totalität derselben erreicht, dadurch aber eben III nun doch wieder hinsichtlich eines ganz wesentlichen Punktes von den ihm vorangegangenen Momenten unterschieden. Diese hier dargestellte Ambivalenz in der Beurteilungsmöglichkeit des Absoluten und seiner Gestaltwerdung in III darf jedoch keinesfalls allein durch den letzten Aspekt dieser Darstellung, d . h . allein durch das fixe Urteil von der wesentlichen Bedeutsamkeit von I I I , als endgültig und einseitig entschieden betrachtet werden. Es ist hiermit weder das letzte Wort zum Vollsinn des Absoluten in der Dialektik noch zur Offenbarung desselben in III gefallen. Die Frage, ob III tatsächlich ein Mehr an Bestimmung und Bestimmtheit gegenüber I und II enthält, muß nach einer Seite hin zwar unbedingt bejaht werden, und zwar nach der Seite hin, daß III als das absolute Aufheben (hier = Negieren, Weiterentwickeln) der Unvollkommenheiten von I und II in der Tat allererst die wahrhafte Konkretisierung beider betreibt, diese Frage muß nach einer anderen Seite hin jedoch auch unbedingt verneint werden, denn III ist als das absolute Aufheben (hier = Bewahren, weiter Entwickeln) dieser Unvollkommenheiten zugleich auch die grundlegende, ja sogar als absolut gesetzte Reaffirmation derselben als eines latenten Fundamentes dialektischen Fortschritts im Bestimmen. Die absolute Aufhebung von I und II in III erscheint so zum einen als ein Mehr, zum anderen aber auch gerade als ein Weniger von I und II, da in III das Ungenügende und Defiziente von I und II noch potenziert dieser Hinsichten ihnen aber auch gerade ihre absolute Geltung nimmt, indem es das Moment ihrer eigenen Negation, nämlich noch nicht das Ganze überhaupt, sondern von einem Anderen wesentlich bestimmt zu sein, somit als Absolute schon über sich selbst hinauszuweisen, schon an sich hat und so ihre eigene Aufhebung in Gang setzt. Es offenbart sich hieran die Paradoxie, die den Hegeischen Begriff des Absoluten überhaupt prägt: daß ein Absolutes immer nur ein Absolutes unter bestimmten Hinsichten, eben kein von jeder Hinsicht Losgelöstes, sondern ein aus bestimmten Hinsichten Resultierendes, ein Vollbestimmtes ist, daraufhin jedoch gerade nicht absolut ist, weil der Vollsinn des Absoluten als Absoluten sich allererst im Ganzen von Hinsichten überhaupt erschließt, dieses absolute Ganze von Hinsichten selbst aber auch immer wieder nur unter bestimmten Hinsichten in seiner vollständigen Bestimmtheit erschlossen werden kann (siehe auch oben, A n m . 361).

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wird, indem es hier als absolut, d.h. als im Vollsinn dialektischer Bestimmung, begründet wird. Letzteres erfährt noch eine Unterstützung durch jenen Aspekt, daß III ja, wenn sein Absolutes gerade darin besteht, I und II „nur" als eine bestimmte Gestalt des Absoluten zu bewahrheiten und „nur" die absolute Vermittlung der beiden zu leisten, im Grunde gar keine Eigenqualifikation für sich geltend machen kann: es ist so an sich selbst als III nur ein Unbestimmtes, dessen Bestimmung allein in einem Verweis auf I und II liegt, nur die unbestimmte Erkenntnis, daß I und II überhaupt miteinander vermittelt sind — eine Vermittlung, die sich ja selbst schon in II konkret auszuführen wußte —, daß überhaupt alles mit allem vermittelt ist, einschließlich der Vermittlung dieser allgemeinen Vermitteltheit (damit wäre dann alles mit III ausgesagt), und darin der Verzicht auf Bestimmtheit überhaupt, weil es selbst eine jede definitive Bestimmtheit als ein bloß Einseitiges, Unvollständiges, Unvollkommenes, Endliches, Defizientes, nicht wahrhaft Reflektiertes und Reflektierendes des Absoluten begründet (damit wäre dann nichts mit III ausgesagt, denn Aussage bedeutet überhaupt: Diremtion des Absoluten in dessen defiziente Momente). Es wäre III so zwar zuzugestehen, daß es schon eine gewisse Eigenleistung erbringt, dadurch daß es die ganze Komplexität der an und für sich seienden Relationalität in einem jeden Bestimmten in einem Begriff faßt und sich damit als der Inbegriff dieser allgemeinen Relationalität herausstellt, aber für eine konkrete Ausführung derselben selbst bleibt es doch wieder auf definitive, bloß relativ gültige Bestimmungen angewiesen, welche angesichts ihrer ganzen Wahrheit — nämlich ihrer absoluten Relationalität — immer doch nur wieder defiziente Gestalten ihrer selbst sein können 365 . Das Absolute der dialektischen Bestimmungen mag daher zwar in III zur Darstellung kommen, und mit ihm auch die ganze Wahrheit derselben, es stellt sich dabei aber auch gleichzeitig dar, daß diesem Absoluten keine absolute Konkretheit, keine Konkretheit als Absolutem eigen ist, sondern seine konkrete Bestimmung allein in seiner defizienten Gestaltwerdung liegt 366 . In Anbetracht 365 366

Vgl. oben, 2 0 8 f ; ferner auch 92. Das wird dort besonders deutlich, w o dieses Absolute zu den absolutesten Definitionen seiner selbst gelangt: in der absoluten Idee und im Absoluten des absoluten Geistes. Beide sind zwar immer als das Konkreteste der ihnen vorangegangenen Entwicklungen bestimmt, wird diese ihre Bestimmung aber selbst wieder hinsichtlich des in ihr konkret Enthaltenen abgefragt, so bleibt sie darin allgemein und verweist die Konkretisierung des mit ihr allgemein Ausgesagten auf das Konkrete des bereits in ihrem Voraus Geleisteten, dessen allgemeine Grundlage zu sein allein ihre Konkretheit ausmache (vgl. oben, 1 0 7 f u. 3 . 2 . 3 . 3 . ) . Werden diese „letzten" Absoluten einzig in dem Sinne interpretiert, nur ,die Summe oder äußerliche Synthese' aller ihnen vorangegangenen Bestimmungen zu sein, so zeichnen sie sich in der Tat durch eine eigene Konkretheit aus, nämlich das absolut Letzte,

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Die „Wissenschaft der L o g i k " und die Realphilosophie

der Offenbarung dieser allgemein identischen Form aller Absolutheit in der Dialektik durch das Offenbarwerden der allgemein identischen Form der absoluten Aufhebung in III muß das Absolute der Dialektik überhaupt, — und mit ihm auch ein jedes drittes Moment der dialektischen Methode überhaupt — , ganz allgemein als dieser höchste und „formellste Widerspruch" begriffen werden, daß einerseits seine „einfache gediegene Identität unbestimmt ist", so daß „das Bestimmen dessen, was das Absolute sei, negativ ausfällt und das Absolute selbst nur als die Negation aller Prädikate und als das Leere erscheint", daß es aber andererseits „ebensosehr als die Position aller Prädikate ausgesprochen werden muß" (WL II, 157), so daß einerseits durch dieses Absolute das Ganze der Dialektik in seiner totalen Komplexität zwar erstellt, dadurch aber andererseits auch gerade dieses Ganze in seiner Konkretheit verstellt ist, weil von diesem Absoluten her die Konkretisierung dieses Ganzen immer nur als ein Verstellen seiner totalen Komplexität und damit eben als ein wesentliches Verstellen seiner als absolut herausgestellten Wahrheit (d. i. der Wahrheit überhaupt) begründet ist. Der Versuch, diesen absoluten Widerspruch zum einen oder anderen Aspekt hin aufzulösen, heißt den Vollsinn jenes für die Dialektik so zentralen Begriffs der Aufhebung ignorieren zu wollen 3 6 7 . Vielmehr muß dieser absolute Widerspruch d.h. der konkrete Abschluß zu sein, auf den die ganze dialektische Entwicklung von Bestimmungen überhaupt konkret hinausläuft, der somit den Sinn und den Zweck des Ganzen überhaupt am konkretesten enthält (vgl. dazu Puntel, Die Einheit der systematischen Philosophie Hegels und das Problem der Abgeschlossenheit des Denkens, a. a. O . , 335—346). Dieser Sinn inhäriert ihnen zwar auch, aber nur unter anderem; sie sind darin nicht gänzlich erschöpft, vielmehr noch ganz fundamental verkannt, denn sie sind ja gerade als der allgemeine Sinn und Zweck der ganzen dialektischen Bewegung nicht nur an deren Ende zu lokalisieren, sondern für das Ganze dieser Bewegung immer schon vorausgesetzt, von daher ein Realisieren und Konkretisieren ihrer selbst im ganzen Prozeß der Dialektik überhaupt gegeben, nicht an dem bestimmten Punkt allein, wo dieser Prozeß zum absoluten Stillstand zu kommen scheint. Eben dadurch vermögen gerade sie die „konkreten Orte" zu sein, an denen der absolute Beweis für die von Hegel immer wieder aufgegriffenen Beteuerungen erbracht wird, daß die Philosophie überhaupt sich nicht allein in ihren Resultaten erschöpft, sondern vor allem auch in dem Weg, der zu ihren Resultaten führt, daß es in der Philosophie nicht allein darum geht zu sagen, worum es geht, sondern vor allem auch zu zeigen, daß das, worum es geht, auch tatsächlich geht. — Vgl. dazu auch: E. Bloch, a . a . O . , 122ff u. 144; N . Hartmann, Aristoteles und Hegel, a . a . O . , 226; Werner Marx, Die Bestimmung der Philosophie im Deutschen Idealismus, Stuttgart 1964, 15 ff. 367

In der Tat führt die Auseinandersetzung mit Hegel bei sehr vielen Interpreten immer wieder zu einer einseitigen Entscheidung in der Kontroverse, ob es der Dialektik nun letztenendes um eine Überwindung des Widerspruchs gehe oder darum, in alles und jedes einen Widerspruch zu setzen und diesen als absolut zu apostrophieren. Wir dagegen haben uns in allen unseren bisherigen Ausführungen zu zeigen bemüht, daß es in der Dialektik sowohl um das eine wie auch um das andere geht, und daß eine jede Tendenz, hier eine

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von seiner eigentlichen Manifestation in III auch noch auf das Gesamte der dialektischen Momente ausgedehnt werden, denn diese sich in III manifestierende Grundstruktur von „Alles und Nichts", oder abgeschwächt: von „Alles und Wenig", gibt sich ja gerade als das allgemeine Absolute der Dialektik überhaupt und so von III her als die generelle Grundlage eines jeden dialektischen Momentes zu erkennen, so daß mit ihr nicht nur eine Eigentümlichkeit von III, sondern mit III das ihr Eigentümliche als ein fundamentales Prinzip der dialektischen Methode überhaupt benannt ist. Dieses Prinzip ist als das Spekulative noch weiter auszuführen.

4.1.1.4. Das Spekulative Das zweite Moment der Dialektik hat die Einfachheit des ersten aufgehoben und dabei den fundamentalen Sachverhalt freigelegt, daß die dialektische Entwicklung eines jeden Bestimmten überhaupt, die sich immer über die Negation der bloß einfachen Bestimmtheit desselben vollzieht, grundsätzlich als die Selbstexplikation desselben und seiner internen Wahrheit angesehen werden muß, weil ein jedes Bestimmtes an sich schon die Negation der definitiven Bestimmung seiner selbst in sich enthält, seine Bestimmung somit hinsichtlich ihrer ganzen Wahrheit darauf hinausläuft, die ihr immanente Negativität auch konkret zu setzen. Das dialektische Verfahren als Methode konnte so jenen Anspruch für sich geltend machen, kein bloß äußerliches Reflektieren auf und über Bestimmtes zu sein, sondern Entscheidung für nur einen Aspekt herbeiführen zu wollen, sich zumindest das Verständnis der Hegeischen Dialektik als einer spekulativen fundamental verstellt. Der Widerspruch wird hier zum einen wohl überwunden, und zwar sofern er nur negativ ist, gerade aber in seiner positiven Wendung wird er als Widerspruch hinsichtlich seiner Widersprüchlichkeit noch radikalisiert, „verschärft". Das dialektische Fortschreiten ist so im ganzen sowohl ein Nivellieren als auch ein Verabsolutieren von Widersprüchen. Dieser Widerspruch ist selbst noch einmal als die nur eine und die selbe Bewegung zu begreifen, die Dialektik konstituiert, also darin selbst noch einmal widersprüchlich. Für die Hegeische Dialektik gilt generell, daß eben an jenem Fundament derselben festgehalten werden muß, daß „jede Bestimmtheit überhaupt wesentlich in sich selbst eine Einheit unterschiedener Bestimmungen ist" (Enz, § 33 HZus), somit immer und überall der Unterschied in der Einheit und die Einheit im Unterschied zugleich und in einem zu denken sind. — Vgl. zu dieser Kontroverse um den Widerspruch in der Dialektik u.a.: W. Bröcker, Dialektik—Positivismus—Mythologie, Frankfurt/M 1958; H. Wagner, Philosophie und Reflexion, München 1959, 117f; G. Stiehler, Hegel und der Marxismus über den Widerspruch, Berlin 1960; ders., Der dialektische Widerspruch. Formen und Funktionen, Berlin 1966; A. Sarlemijn, Hegeische Dialektik, 8 0 - 1 1 9 ; J . Heinrichs, Die Logik der „Phänomenologie des Geistes", 27ff.

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mehr ein „passives" Nachzeichnen der Selbstreflexion negativer Selbstbezüglichkeit im Bestimmten (vgl. oben, 212ff). Von III her fand sich diese fundamentale Einsicht von II positiv überholt und begründet durch den Aufweis, daß aller Nichtidentität und Selbstnegation von Bestimmtheit letztenendes eine Reflexion auf Identität inhäriert, ohne die ein Negieren niemals ein Affirmieren ursprünglicher Sichselbstgleichheit sein könnte, worauf aber II eben gerade einen Anspruch erhebt. In III kam daher nicht nur das negative Moment in der Selbstbezüglichkeit des Bestimmten in den Blick, sondern zugleich auch das positive Moment einer identischen Konstitution seines Selbst, die in der Negation seiner selbst als einer Beziehung auf sich selbst an und für sich beinhaltet ist (vgl. oben, 215f). Beide Momente waren hier in ihrem unmittelbaren Zugleich als die eine und die selbe Grunddisposition eines jeden Bestimmten überhaupt gedacht und damit dessen bestimmte Negativität, das Fundament der dialektischen Wahrheit, noch einmal fundamentaler begründet worden: die Wahrheit dieser Negativität hat zur Vorbedingung ein an sich Differenziertes, das näher aber dahin gehend zu bestimmen ist, durch die Entwicklung seiner internen Differenz sich selbst immanent zu bleiben, dadurch nur für sich zu werden, was es an sich schon ist. Negativität als Selbst und Selbst-Negation setzen somit überhaupt schon Selbst-Bezüglichkeit voraus, d. h. ein Identisches, das nicht nur einfach schon mit sich identisch ist, sondern allererst mit sich identisch wird durch eine Entäußerung seiner selbst, die aber nicht als ein sich schlichtweg Äußerlichwerden seiner selbst, sondern gerade als ein Herstellen der seinem eigenen Begriff von Identität implizierten Sichselbstgleichheit begriffen werden muß. Sich-selbst-gleich-sein und Sich-selbstgleich-werden durch die Negation der Sichselbstgleichheit, diese beiden unterschiedlichen, ja sogar entgegengesetzten Perspektiven manifestieren sich in III als das prinzipiell und unmittelbar Eine von Identität und Nichtidentität, das ein jedes Bestimmtes hinsichtlich der Bestimmung seiner Bestimmtheit überhaupt grundlegend und absolut wahrhaft konstituiert. Ein Bestimmtes ist so als immer (negativ) Selbstbezügliches zum einen an sich wesentlich differenziert, uneinheitlich, zum anderen — und vor allem: zugleich — aber auch die absolute Einheit der Entgegensetzungen, die seine Differenz ausmachen, und somit an sich der absolute Widerspruch, nur über eine Negation seiner selbst in einer mittelbaren Bestimmtheit mit sich vermittelt zu sein, zugleich aber auch die Vermittlung dieser seiner Vermitteltheit durch ein Negatives seiner selbst zu einer identischen Beziehung auf sich, zu seiner unmittelbaren Bestimmtheit zu leisten. Unmittelbarkeit und Vermitteltheit (Vermittlung), oder auch Identität und Nichtidentität

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(Negation) in einer unmittelbaren Einheit als das allgemeine Konstituens eines jeden Bestimmten überhaupt zu denken ist das Denken jenes für die Dialektik so fundamentalen Prinzips des Spekulativen, jener zweiten Prämisse der Dialektik, die im Grunde genommen deren erste ist 3 6 8 . Hier wird offenbar, daß das Spekulative seiner allgemeinsten Bedeutung nach überhaupt schon zu identifizieren ist mit: Selbst-Bezüglichkeit, SelbstTbematisierung, Selbst-Bestimmung, oder wie D. Henrich es umschreibt, mit Prozeß zu sich369. Alle diese Ausdrücke weisen auf ein und denselben Sachverhalt hin, eben daß hier ein Selbst identisch und nichtidentisch in einem ist, weil erst über eine Beziehung, eine Thematisierung, eine Bestimmung, einen Prozeß, d. h. durch ein Uberschreiten seines einfachen Identischseins mit sich, durch eine Nichtidentität, sein Selbst sich als identisch mit sich vermittelt zeigt, wobei nicht nur eine Versöhnung bloß unterschiedlicher Bestimmungen am Selbst, sondern dieses selbst — in seiner Bestimmtheit als Selbst — als jener absolute Widerspruch zutage tritt, der darin liegt, daß mit diesem Sachverhalt im Selbst zugleich alles und nichts ausgesagt ist, denn dieses Uberschreiten des Selbst ist einerseits Setzen seiner Nichtidentität, andererseits als sein eigenes Uberschreiten im Grunde gar kein Uberschreiten seiner selbst (somit ist gar keine Nichtidentität, wenn diese immer nur identisch vermittelt ist), ebenso ist die gesetzte Identität des Selbst als eine durch Vermittlung gesetzte, d. h. als durch Fremdbestimmtheit und Nichtidentisches wesentlich aufrechterhaltene, im Grunde eben nicht seine eigene Identität (somit ist gar keine Identität, wenn diese immer nur nicht-identisch vermittelt ist). Gerade diese Verunsicherung und Beunruhigung, oder auch „Verflüssigung" des Unterschieds an an und für sich Unterschiedenen, diese Entstabilisierung des Widersprüchlichen im Widerspruch charakterisiert das, was das Spekulative der Hegeischen Dialektik ausmacht (vgl. Enz, § 70), oder wie Hegel an anderer Stelle formuliert: das Spekulative besteht „in dem Fassen des

Es wird hier absichtlich vom Spekulativen gesprochen und nicht von Spekulation, weil hier ein ganz formales erkenntnistheoretisches Prinzip der Hegeischen Dialektik zur Darstellung kommt, das W o r t Spekulation' aber besonders heute mit einer weitergehenderen Bedeutung belastet ist, die eine grundlegende Qualifikation eines bestimmten Denktypus und seiner Inhaltlichkeit in bezug auf Realgeltung ausspricht, eben daß es sich hier um „ein gleichsam wildgewordenes und losgelassenes Denken" handelt, „welches ohne jede sachbezogene Bindung eben ,darauflosspekuliert"' ( W . Becker, Aufsatz .Spekulation', in: Handb. philosoph. Grundbegriffe, Bd. 5, 1368; hier findet sich auch eine kurze Abhandlung zur geschichtlichen Entwicklung der Wortbedeutung von Spekulation, s. 1368f). 369 Hegel und Hölderlin, a . a . O . , 9 - 4 0 , 37 u. öfter. 368

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Die „Wissenschaft der Logik" und die Realphilosophie

Entgegengesetzten in seiner E i n h e i t " 3 7 0 . Diese Einheit Entgegengesetzter, diese spekulative Einheit ist überhaupt das, was in der Hegeischen Philosophie als einer gesamtheitlich spekulativen ihrem Begriff von Identität und auch ihrem Begriff von Unmittelbarkeit, die man beide gemeinhin nur als einfache Einheit zu verstehen gewöhnt ist, ganz allgemein und immer schon grundsätzlich inhäriert (vgl. Enz, 6 ff) 3 7 1 . Das Spekulative expliziert sich als das absolute Fundament einer jeden dialektischen Bestimmung, angesichts dessen die Explikation der fundamentalen Negativität eines jeden Bestimmten sich nur als eine noch unvollkommene Darstellung der wahrhaft spekulativen Natur desselben erweist. Von diesem alles übergreifenden Gestaltungsanspruch des Spekulativen her ist es nicht verwunderlich, daß sich gerade I I I als der eigentliche O r t seines Offenbarwerdens zu erkennen gibt, denn III expliziert sich ja selbst nur mit dem Anspruch, nicht nur „ e i n " Resultat seiner dialektischen Entwicklung zu sein, sondern als das Resultat eben gerade auch diese Entwicklung überhaupt in ihrer Totalität, die ganze Wahrheit derselben zu begründen, deren absolute Grundlage überhaupt zu sein 3 7 2 . Daher ist gerade III durch das mit ihm erstellte Absolute des konkreten Ganzen der Dialektik und durch die in ihm aufgezeigte Allgemeinverbindlichkeit desselben für ein jedes dialektisches Moment dazu befähigt, auch die fundamentale Bedeutsamkeit des Spekulativen für die Dialektik überhaupt konkret herauszustellen, oder wie K. Hartmann formuliert: „ D e r spekulative Standpunkt steht mit dem Absoluten als gerechtfertigt d a " 3 7 3 . Da sich somit über III überhaupt ein absolutes Zugleich von Wahrem und Spekulativem, oder auch von Absolutem, Wahrem und Spekulativem einstellt, zeigt sich in der Selbstqualifikation von III auch in eins die Einsicht als gerechtfertigt, daß „alles Wahre, insofern es begriffen wird, nur spekulativ gedacht werden kann" (Rph, § 7 HZus). Ist so das Denken des Wahren immer schon ein Indiz für spekulatives Denken, und auch umgekehrt, das Spekulative überhaupt immer schon ein Indiz für wahrhaftes Denken, dann ist dieses Spekulative auch generell ein Indiz für Wissenschaftlichkeit, wenn Wissenschaftlichkeit überhaupt „die wahre Gestalt der Wahrheit" meint, wenn Wissenschaft überhaupt „die wahre Gestalt ist, in 370 371

372 373

W L I, 38; vgl. auch ibid., 10 u. 142; ferner Enz, § 82. Es hat sich ja bereits gezeigt, daß selbst der absolute Anfang der spekulativen Philosophie als das Unmittelbarste derselben überhaupt, als ein unbestimmtes Unmittelbares, auch schon nur über seine spekulative Natur wahrhaft zu erfassen war (siehe oben, 3.2.1.2. ; vgl. ferner auch oben, 67f). Vgl.: Enz, § 79 u. § 82; Rph, § 7 HZus einschl. HRdb (309). Die ontologische Option, in: ders. (Hrsg.) Die ontologische Option, 1—30, 4.

Allgemeine Formprinzipien der logisch-spekulativen Methode

229

welcher die Wahrheit existiert" (Phän, 12). Hieraus ist zu folgern, daß alles Wissenschaftliche überhaupt eine .spekulative Erkenntnisweise' voraussetzt (vgl. Rph, 4). Damit steht zugleich der Anspruch der Hegeischen Philosophie als absolut gerechtfertigt da, daß sie als die einzig wahrhaft spekulative auch die (einzige) Wissenschaft ist. Fällt mit III die Gewinnung des spekulativen Standpunktes überhaupt in eins, so ist alles das, was III ganz allgemein impliziert, auch allgemein für das Spekulative impliziert. Es zeigt sich hieran jedoch sogleich, daß mit dieser Gewinnung des „höchsten" Standes der dialektischen Entwicklung für das Spekulative nicht nur ein Positives, sondern mitunter auch ein ausgesprochen Negatives für die Gesamtbeurteilung der Dialektik gewonnen ist, denn die Allgemeinverbindlichkeit der spekulativen Implikationen von III für das Ganze der Dialektik stellt dieses Ganze überhaupt in den absoluten Widerspruch, als der sich dessen Absolutes darstellte. So offenbart sich nunmehr eine jede dialektische Bestimmung überhaupt, als an sich spekulativ, auch als an sich identisch mit sich in der Ambivalenz, 1) einerseits ihre absolute Totalität ganz allgemein nicht zu erfassen, weil diese immer in ihrer Bestimmtheit verstellt ist, andererseits aber auch immer schon als ein bestimmtes Erstellen dieser Totalität absolut gesetzt zu sein (eine jede dialektische Bestimmung ist im Grunde immer eine Bestimmung von III, des absoluten Absoluten, aber eben nur im Grunde, faktisch nie; s. o. 205-209), 2) als eine „höhere" Weiterentwicklung und als das Weiterentwickelte ( = Aufhebung als Höherhebung) des ihr Vorangegangenen einerseits eine eigene Qualifikation zu haben, andererseits durch die ,Rückannäherung' an das Vorangegangene, die ihrer Aufhebung ( = Bewahrung) desselben inhäriert, sich „ n u r " als der absolute Grund des Vorangegangenen zu qualifizieren, somit eine konkrete Qualifikation ihrer selbst bereits in einem Voraus gehabt zu haben, selbst wenn dieses durch seine Aufhebung ( = Negation) von ihrem „höheren" Standpunkt aus als ihr gerade nicht angemessen erscheint, d. h. : zwar hinsichtlich des letzteren weder ein wirkliches Resultat, noch auch hinsichtlich des ersteren tatsächlich im Anfang schon zu sein, faktisch aber beides in seiner Totalität und auch die Einheit beider sein zu sollen (das wechselseitige Begründungsverhältnis von Anfang und Resultat als wechselseitiges Relativierungsverhältnis; s. o. 203, 205, 217), d. i. summa summarum 3) an sich ein Absolutes zu sein, im Konkreten aber das ganze Gegenteil, denn: ist sie

230

Die „Wissenschaft der Logik" und die Realphilosophie

α) I oder II, so ist sie a) allererst die Antizipation ihres absoluten Absoluten überhaupt über die Notwendigkeit ihrer Entwicklung zu III (die Ausrichtung auf das Ziel, die Ausrichtung auf den Vollsinn des Absoluten), b) das Verkennen ihres absoluten Grundes, insofern dieser erst in III erkannt wird, c) als im wesentlichen das Setzen dessen, was in ihrem Vorangegangenen schon enthalten ist, die Potenzierung der Unvollkommenheiten desselben, indem sie sich selbst als deren absoluter Grund setzt (die Ausrichtung auf den Anfang, die Ausrichtung auf die Negation aller Prädikate des Absoluten, auf das leere Absolute als der reinen Grundlage); ist sie aber ß) III, so ist sie a) wenn konkret, dann immer nur in defizienten Modi ihrer selbst, denn ihrer reinen Absolutheit gemäß ist sie das Unbestimmte und Unbestimmbare, das Indefinite überhaupt (die mißglückte Ausrichtung auf das Ziel, den Vollsinn des Absoluten zu konkretisieren), b) im Erkennen des absoluten Grundes von I und II zugleich c) dasselbe, was I und II in c) sind (die Dialektik überhaupt als der in allen ihren Momenten sich verwirklichende und wirkende Widerstreit von ,Alles und Nichts', oder von ,Alles und Wenig', oder auch mit den drei Fundamentalkategorien der Hegeischen Logik formuliert: die Dialektik überhaupt als das ,Werden' von ,Sein' und ,Nichts'; s. o. 220—225). Diese ganze, immanent widersprüchliche Vielfalt an Perspektiven in der Selbstkonstitution einer jeden dialektischen Bestimmung ist, ebenso wie durch das Spekulative, noch durch einen anderen, gleichsam ezw-fachen, aber anschaulicheren Ausdruck zu charakterisieren: die Vorläufigkeit. Die ,Vorläufigkeit' hat, wie auch die ,Aufhebung', an sich schon eine spekulative Bedeutung, d. h. sie faßt an sich unterschiedliche Bedeutungen in einer Einheit, nämlich: das Nachvornelaufen sowohl als ein Zurück zum Anfang als auch als ein Weiter zum Ziel hin, darüber hinaus auch noch einen Sinn von ,nur erst einmal', ,nur zunächst', ,nur vorübergehend so seiend', d. i. ein Sinn von Unangemessenheit, Unvollkommenheit, noch nicht im Vollsinn seiend etc. Findet so eine jede dialektische Bestimmung überhaupt ihren Vollsinn in die Offenbarung ihrer spekulativen Natur als ihrer absoluten Natur gesetzt, so zeigt sie sich gemäß ihrer ganzen Wahrheit als absolut identisch mit sich im absoluten Widerspruch ihrer Vorläufigkeit, d. h.: zum ersten vorläufig zu sein in dem Sinne, zunächst einmal ihr Vorangegangenes absolut zu begründen 3 7 4 , zum zweiten auch vorläufig zu 374

Eine jede nächste Bestimmung ist nicht nur immer allein die folgende, sondern auch immer diejenige, die am ehesten in der Nähe der vorangegangenen liegt, die somit immer auch nur

Allgemeine Formprinzipien der logisch-spekulativen Methode

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sein in dem Sinne, immer schon das Uberschreiten ihrer selbst zu sein durch die mit ihr sich manifestierende Antizipation ihres absoluten Zieles, damit aber· eben z u m dritten auch immer nur vorläufig zu sein in einem pejorativen Sinne, denn angesichts dieser ihrer relationalen Komplexität vermag sich ihre definitive Bestimmtheit, die ja eben gerade die eigentlich konkrete Seite ihrer Bestimmung ausmacht, nur noch als relativ gültig, nur als in einer bestimmten Hinsicht und unter einer verkürzten Perspektive richtig, k u r z : eben nur als vorläufig, als zunächst einmal gültig zu begreifen 3 7 5 , oder noch negativer gewendet: als v o m Ganzen her gesehen falsch, oder auch noch radikaler: als absolut falsch 3 7 6 .

37s

376

ein „Zunächstes" ist aufgrund ihrer N ä h e zu den Unvollkommenheiten des ihr Vorangegangenen. Aufgrund dessen haben die Ausdrücke ,Bestimmtheit' und ,Bestimmung' als solche für das spekulative Denken überhaupt schon immer zugleich die Bedeutung von ,Negativität' und ,Negation', denn ihre nur vorläufige Gültigkeit findet sich im Setzen ihrer selbst sogleich mitreflektiert, sie vermittelt immer nur ein relatives, nicht absolutes Bestimmtsein (vgl. W L I, 147). Auch das Wort Voraussetzung' hat, so wie es in Hegels Philosophie zur Geltung kommt, wie ,Aufhebung' und ,Vorläufigkeit', schon eine an sich spekulative Bedeutung, die sich näherhin in der gleichen Weise wie die Bedeutung der Vorläufigkeit explizieren läßt: Eine jede dialektische Bestimmung ist als das Entfalten der eigenen Wahrheit ihres Vorangegangenen zugleich das Offenbaren, daß demselben bereits ein „ h ö h e r e r " Sinn inhärierte, daß mit ihm bereits der ganze Sinn seiner dialektischen Weiterentwicklung vorausgesetzt war, wenn auch erst intentional und als Zielrichtung; andererseits zeigt sich eine jede dialektische Weiterentwicklung im Aufheben ihres Vorangegangenen auch als der wahrhafte Grund desselben, somit als ein im Grunde im voraus schon Gesetztes, durch welches die Bestimmung des Vorangegangenen selbst bedingt, welches so dessen Voraussetzung war; fernerhin ist aber auch, durch diese zwangsläufige Antizipation des absoluten Resultats in einer jeden dialektischen Bestimmung wie auch durch den in ihr selbst noch unausgesprochen bleibenden Grund ihrer selbst, eine jede solche Bestimmung an und für sich immer nur etwas Unvollkommenes, noch nie ihre ganze Wahrheit, eben sowohl angesichts des bloß antizipierten Seins des absoluten Resultats ihrer selbst als auch angesichts der Verborgenheit des in ihr wirksamen absoluten Grundes ihrer selbst; sie ist so immer nur erst einmal im voraus gesetzt, noch nicht endgültig, eben nur ,erst einmal', aber nur, um sogleich wieder überwunden zu werden. Für das Ganze der Hegeischen Philosophie als ein im ganzen spekulatives stellt sich damit eine Konsequenz ein, die an sich selbst noch einmal absolut widersprüchlich ( = spekulativ) ist: diese Philosophie ist, obgleich sie sich über die interne Geschlossenheit ihrer Systematik als eine von außen nicht begründbare, somit voraussetzungslose Philosophie apostrophiert, nicht nur eine Philosophie mit Voraussetzungen, sondern in einem noch viel radikaleren Sinne eine Philosophie, in der sämtliche Bestimmungen Voraussetzungen haben, die in ihnen selbst noch nicht, oder auch dieses radikaler gewendet, die in ihnen nie zum Ausdruck kommen; zum anderen ist sie aber auch, obgleich sie den Standpunkt der Vernunft voraussetzt und damit zugleich auch voraussetzt, daß man mit allem, was dieser Standpunkt allgemein impliziert, vor dem Eintritt in sie selbst bereits im reinen sein muß, eine Philosophie ohne jegliche Voraussetzung, weil eine jede Voraussetzung sich selbst im Verlaufe dieser Philosophie als eine solche expliziert, somit nichts für diese Philosophie vorausgesetzt wird, was nicht in ihr selbst auch Gegenstand würde.

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Die „Wissenschaft der L o g i k " und die Realphilosophie

Wenn das Wahre aber, gerade insofern es begriffen wird, immer nur spekulativ gedacht werden kann, so muß nunmehr auch gesagt werden, daß die Wahrheit überhaupt von der spekulativen Philosophie her immer nur vorläufig gedacht werden kann, eben weil sie hier absolut begriffen wird (s. o., 228f). Gerade dieser Sachverhalt hat dort, wo er allein aus einem kritischen und rationalen Blickwinkel her erkannt wurde, dieser Philosophie den allgemeinen Vorwurf eingebracht, in ihrem Ganzen ein absoluter Irrationalismus zu sein, da sie zum einen beansprucht, was wahr ist, absolut auszusagen, zum anderen aber dabei zu keinen endgültigen Resultaten kommt, ja noch nicht einmal in den einzelnen Bereichen ihrer Entfaltung selbst jemals irgend etwas letztgültig gegeben ist 3 7 7 ; dieser Sachverhalt hat aber auch nach einer anderen Seite hin, wo sein Vollsinn verkürzt und in der Vorläufigkeit der spekulativen Wahrheit nur der „Lauf nach vorne" zum Resultat hin gesehen wurde, zu einem epigonalen Jubel geführt über den Aufschwung, den die Wahrheit im Gang der Hegeischen Philosophie nimmt, indem sie hier Stufe um Stufe erklimmt bis hin zu all jenen Kulminationspunkten, an denen sich dann ein für allemal ihr ewiges Licht rein, endgültig und ungetrübt zu offenbaren scheint. Jedoch auch wiederum diese Reinheit und Ungetrübtheit ist der spekulativen Wahrheit — selbst als der „reinen" Wahrheit — keinesfalls gegeben. Sie ist weder nur ein allgemeines Nichts, noch nur ein konkretes Alles, weder im einen noch im anderen, und zugleich auch sowohl im einen wie auch im anderen in ihrer absoluten Wahrheit; sie ist als spekulative dieser absolute Widerspruch selbst, dessen Konkretisierung allein ihre Realität ausmacht, die sich somit als der Prozeß ihres eigenen Werdens zu diesem absoluten Widerspruch zeigt, wobei durch diese Affirmation des Widersprüchlichen überhaupt der Widerspruch als solcher aufgehoben (d. h. positiv gewendet) wird 378 . Die 377 v g l ψ Becker, Der Begriff der Spekulation und seine Stellung im Rahmen der transzendentalphilosophischen Erkenntnistheorie der Neuzeit, in: (ders.) Selbstbewußtsein und Spekulation. Zur Kritik der Transzendentalphilosophie, Freiburg 1972, 45—65; ferner auch: (ders.) Dialektik als Ideologie. Hegel und Marx, ibid.; (ders.) Aufsatz Spekulation', a.a.O. 378

Beide oben skizzierten Standpunkte sind zwar verständlich, aber mehr auch nicht. Sie sind eben Sache des Verstandes, der grundsätzlich den Widerspruch nicht aushält, den das spekulative Denken „festhält" und in dem es sich selbst „festhält", ohne sich deshalb „von ihm beherrschen und durch ihn sich seine Bestimmungen nur in andere oder in Nichts auflösen zu lassen" ( W L II, 59f). Was beiden Standpunkten gemeinsam ist, ist die Forderung endgültiger Resultate von der Philosophie, mit denen nicht immer gleich schon wieder ein bestimmter Prozeß der Überschreitbarkeit ihrer Endgültigkeit mitangekündigt sein soll. Dieser Forderung inhäriert aber in der Tat das Bestreben, die Philosophie überhaupt durch die Philosophie abschaffen zu können, denn wenn durch die Philosophie erst einmal „alles endgültig geklärt" ist, wird ein weiteres Philosophieren überflüssig. Jedoch argumentiert

Allgemeine Formprinzipien der logisch-spekulativen Methode

233

spekulative Wahrheit ist so nie nur nichts, weil eine jede ihrer konkreten Verstellungen als ein je Bestimmtes ihrer selbst überhaupt immer schon die Bestimmung einer ihr angemesseneren Faktizität, somit eine „ h ö h e r e " Gegebenheit ihrer selbst voraussetzt, ohne die generell kein Verstellen ihrer hierbei jene Forderung gegen sich selbst und ist so gerade selbst der Vollzug jenes Widerspruchs, daß eben darin, daß überhaupt erst noch einmal wahrhaft philosophiert werden soll, bereits ein Indiz dafür liegt, daß das Philosophieren in actu immer ein Uberschreiten philosophischer Fertig-keiten bedeutet, daß somit das Erstellen der absoluten Wahrheit immer auch zugleich ein Verstellen derselben ist, daß daher das Philosophieren überhaupt, wenn es sich aus seiner Überantwortung an das Absolute begreift, immer nur als eine vorläufige Anmaßung eines Noch-Unvollbrachten und Noch-zu-Vollbringenden erscheinen kann. Wo die Philosophie sich diesen Begriff ihrer selbst erzeugt, wie etwa bei Hegel, da zeigt sie sich dann immer unfertig und in ihrer ganzen Wahrheit über ihre nur konkreten Manifestationen erhoben, d.h. letztenendes auch nicht allein abziehbar aus der Uberlieferung ihrer Gehalte, sondern letztere allein in dem komplexeren Zusammenhang mit dem Weg ihrer ,Herstellung' als absolut gültig erstellbar. Aus dieser Sicht stellt die Philosophie sich nicht nur als eine Bücherweisheit dar, sondern als eine bestimmte Lebensweise, als ein Bios. Sie ist so bereits immer schon eine bestimmte Praxis, nicht nur allererst eine theoretische Grundlegung von Praxis; als zugleich die theoretische Selbstbegründung ihrer Praxis leistend ist sie aber auch an sich die allgemeine Nivellierung der in den übrigen Wissenschaften so beliebten Entgegensetzung von Theorie und Praxis (vgl. oben, 168 ff). Findet dieses unsolide Selbstverständnis der Philosophie dann im Prinzip des Spekulativen seinen ihm gemäßen Ausdruck, so ist es nicht verwunderlich, daß eben jene „Tatsache den Spekulanten' (sprich: Philosophen; Verf.) für den ,normalen' Menschen in ein so trübes Licht bringt, daß jener sein Geschäft betreibt im vollen Bewußtsein, daß der Boden stets schwankt, auf welchem er sich bewegt" (W. Becker, Der Begriff der Spekulation . . ., a. a. O . , 45). Daß dieser schwankende Boden dennoch trägt und im Tragen des Absoluten vom Spekulanten auch noch als das absolut Tragende überhaupt erwiesen wird, daß hier gerade absolute Bestimmungen zu gewinnen sein sollen, bleibt dem Normalen und seinem philosophischen Unverstand, d.i. der „realistisch und verständig denkende Mensch" (ibid.), immer ein Geheimnisvolles. So gerinnt ihm die spekulative Wissenschaft zum Mystizismus und zum Irrationalismus, zu einem für das Denken überhaupt Unzugänglichen. Jedoch ist „hierüber zunächst zu bemerken, daß das Mystische allerdings ein Geheimnisvolles ist, jedoch nur für den Verstand und zwar einfach um deswillen, weil die abstrakte Identität das Princip des Verstandes, das Mystische aber (als gleichbedeutend mit dem Spekulativen) die konkrete Einheit derjenigen Bestimmungen ist, welche dem Verstand nur in ihrer Trennung und Entgegensetzung für wahr gelten. Wenn dann diejenigen, welche das Mystische als das Wahrhafte anerkennen, es gleichfalls dabei bewenden lassen, daß dasselbe ein schlechthin Geheimnisvolles sey, so wird damit ihrerseits nur ausgesprochen, daß das Denken für sie gleichfalls nur die Bedeutung des abstrakten Identischsetzens hat, und daß man um deswillen, um zur Wahrheit zu gelangen, auf das Denken verzichten, oder, wie auch gesagt zu werden pflegt, daß man die Vernunft gefangen nehmen müsse. Nun aber ist, wie wir gesehen haben, das abstrakt verständige Denken so wenig ein Festes und Letztes, daß dasselbe sich vielmehr als das beständige Aufheben seiner selbst und als das Umschlagen in sein Entgegengesetztes erweist, wohingegen das Vernünftige als solches gerade darin besteht, die Entgegengesetzten als ideelle Momente in sich zu enthalten. Alles Vernünftige ist somit zugleich als mystisch zu bezeichnen, womit jedoch nur so viel gesagt ist, daß dasselbe über den Verstand hinausgeht, und keineswegs, daß dasselbe überhaupt als dem Denken unzugänglich und unbegreiflich zu betrachten sey" (WW V I I I , Zusatz zu § 82, 198).

234

Die „Wissenschaft der Logik" und die Realphilosophie

selbst und schon gar keine Selbstverstellung möglich wären, sie ist nie schon alles, weil eine jede Definition ihrer selbst, respektive eine jede ihrer absoluten Definitionen, ihr gerade dann in allem entspricht, wenn mit ihr der Vollsinn ihrer Vorläufigkeit ausgesprochen ist, d. h. wenn diese Definition gerade aufgrund dessen absolut wahr ist, daß sie ihr Definitives von sich selbst her überschreitet und an sich eine Mannigfaltigkeit von Perspektiven eröffnet, welche sie selbst nur als , zunächst einmal' und relativ absolut im Kontext ihres Gesamtperspektivischen zu setzen erlaubt. Manifest wird Wahrheit in der spekulativen Philosophie somit allein jeweils in dem Prozeß der konkreten Entwicklung eines Vollkommeneren aus einem Unvollkommeneren; dem inhäriert das Eingeständnis, daß diese Philosophie, solange sie überhaupt Entwicklung ist, nur Unvollkommenes enthält, d. h. daß hier letztenendes nirgendwo vollständig Wahrheit gegeben ist, und selbst dort, wo diese Entwicklung zu gewissen Abschlüssen zu kommen scheint, wo nunmehr ein Vollkommenes, endlich einmal Wahrheit gegeben sein könnte, ist dieses Vollkommene als das absolute Absolute „nur" der Inbegriff der Totalität relationaler Komplexität im Unvollkommenen und als ein solcher an sich jeder definitiven Bestimmung seiner selbst enthoben 379 , ja es findet sogar auch noch in allem ihm unvollkommen Vorangegangenen gerade eine solche bereits vollbracht, so daß sich das Widersinnige ergibt, daß die vollkommene Wahrheit, wo sie aufscheint, ihre wahre Bestimmung bereits in den Unwahrheiten ihres Voraus als gesetzt betrachtet, daß sie sich somit selbst als ein Unvollkommenes setzt, weil sie selbst überhaupt immer nur das Setzen desjenigen ist, was in ihrem Voraus schon enthalten ist (vgl. Enz, § 88 HZus). Für das spekulative Philosophieren ist Wahrheit daher weder ein Abziehbares aus Resultaten, noch auch etwas, das schon im Verlauf der Entwicklung von Resultaten irgendwo abgezogen werden könnte, somit nirgends ein endgültig Auffindbares mit dem Schein des ewigen Lichtes, vielmehr eine Angelegenheit der ,Dämmerung', eines ,Grau in Grau', in welchem sich alle festen Konturen verlieren (vgl. Rph, 17); sie ist so das Instabile eines „bacchantischen Taumels, an dem kein Glied nicht trunken ist", d. h. etwas näher zu der 379

Als ganz hervorragende Definitionsorte dieser absolut relationalen Vollkommenheit müssen der Begriff, die Idee und der Geist überhaupt angesehen werden. Gerade weil insbesondere diese in der absoluten Definition ihrer selbst nicht abzuschließen sind, vermag sich das Ganze der spekulativen Philosophie in allen seinen Teilen als eine nähere und weitere Definition des Begriffs, der Idee und des Geistes darzustellen und sich so mitunter auch in seiner „letztgültigsten" Definition als bereits vollbracht vorzufinden, so daß es nur auf sein Wissen zurückzusehen braucht, um seinen ganzen Begriff erfassen zu können (vgl. Enz, § 573).

Allgemeine Formprinzipien der logisch-spekulativen Methode konkreten

( d . i.

dialektischen)

Gestaltwerdung

dieses T a u m e l s

235 hin

w e n d e t , d a ß hier k e i n G l i e d r i c h t i g ( g e r a d e ) s t e h t , w e n n es v o m

ge-

Ganzen

i s o l i e r t , u n d d a ß h i e r a u c h das G a n z e n i c h t r i c h t i g ( g e r a d e ) s t e h t , w e n n v o n s e i n e r , H e r s t e l l u n g ' a b g e s e h e n w i r d (vgl. P h ä n , 3 9 ) 3 8 0 . „Die Dialektik bleibt so ruhelos durchdringend, bleibt Darstellung der dem Begriff durch seine Negativität immanenten Bewegung. Sie bleibt, wie Hegel in der Vorrede zur Phänomenologie mit ganz erstaunlichem Bild sagt, ,der bacchantische Taumel, an dem kein Glied nicht trunken ist', sie bleibt das Wahre und das Falsche, das Positive und das Negative, die Nacht des Widerspruchs und der Tag der Lösung in immer neuem Resultat. Woraus frisch erhellt, daß die Wahrheit nicht eine ausgeprägte Münze ist, ,die fertig gegeben und so eingestrichen werden kann', sondern die Wahrheit ist ihre dialektische Entwicklung selbst oder der Prozeß". 3 8 1 A l l e die hier e x p l i z i e r t e n I m p l i k a t i o n e n d e r s p e k u l a t i v e n F a s s u n g d e r W a h r h e i t m a c h e n d e u t l i c h , d a ß die k o n k r e t e D a r s t e l l u n g d i e s e r W a h r h e i t in d e r s p e k u l a t i v e n W i s s e n s c h a f t s c h o n rein s p r a c h l i c h P r o b l e m e

aufwirft,

d e n n in d i e s e r m u ß eine jede A u s s a g e d u r c h i h r e z w a n g s l ä u f i g

definite

F o r m sich a u c h i m m e r z w a n g s l ä u f i g als an sich i h r e m v o l l s t ä n d i g e n I n h a l t unangemessen

u n d s o m i t als n u r v o r l ä u f i g g ü l t i g ,

s c h ä r f e n d g e s a g t w e r d e n m u ß , als l e t z t g ü l t i g falsch I n h a l t als ein wahrer

oder wie auch

ver-

erweisen, eben weil ihr

I n h a l t sich a n u n d f ü r sich g r u n d s ä t z l i c h g e g e n ein w i e

a u c h i m m e r g e a r t e t e s D e f i n i t i v e s s p e r r t . D a A u s s a g e in d e r W i s s e n s c h a f t a b e r n u n e i n m a l in b e s t i m m t e S ä t z e e i n g e g r e n z t ist, z e i g t s i c h n i c h t allein d e r S a t z s c h o n ü b e r h a u p t als eine e i n f a c h e K o n k r e t h e i t , s o n d e r n

insbe-

s o n d e r e a u c h die k o n k r e t e F o r m des S a t z e s s c h o n ü b e r h a u p t f ü r die A u s sage d e r s p e k u l a t i v e n W a h r h e i t u n g e e i g n e t , v o r allem d o r t , w o diese F o r m sich n u r g a n z i m h e r k ö m m l i c h e n Sinne ü b e r eine a b s o l u t f i x i e r t e U n t e r 380 Vgl. H. Wein, Realdialektik. Von Hegelscher Dialektik zu dialektischer Anthropologie, München 1957, 84: „Kein einziger Gedanke aus dem Riesenwerk Hegels läßt sich im Grunde verstehen, ohne von seiner Kategorie ,Moment' Gebrauch zu machen, und andererseits läßt sich deren Funktionieren in Hegels dialektischen Denkvollzügen nicht in eine kurze Definition komprimieren. Das ,Ganze' ist nur durch seine ,Momente', aber als Momente des Ganzen sind die Momente ,aufgehoben', nämlich eben in dem Ganzen, dessen ,Momente' sie sind, beziehungsweise, es müßte genauer heißen: geworden sind. Nirgendwo ist ein statisches ,Ganzes' gemeint, sondern immer ja ein erst sich bildendes". 381

E. Bloch, a. a. O . , 122 f. Vgl. auch Wolfgang Marx: Dialektisch denken bedeute, „daß eine Wahrheit begriffen werden muß, die bestimmt ist durch die Abwesenheit ihres eigentlichen Grundes, daß die verborgene Präsenz aber zugleich die Vernünftigkeit der Gedanken garantiert, die noch nicht zur Wahrheit gekommen sind. Die Logik der Wahrheit muß notwendig auch den Schein der Wahrheit entwickeln, und zwar so, daß dieser Schein selbst als ein Logisches auftritt" (Spekulative Wissenschaft und geschichtliche Kontinuität, in: I. Fetscher, Hegel in der Sicht der neueren Forschung, 236—254, 242). — Siehe auch zum konkreten Zusammenhang von ,spekulativ' und ,wahr' im Hegeischen Wahrheitsbegriff unsere Ausführungen oben, 2.2.2.2. u. 171 f.

236

Die „Wissenschaft der L o g i k " und die Realphilosophie

Scheidung und grammatikalische Zuordnung ihrer Hauptelemente Subjekt und Prädikat konstituiert, wobei letztere generell in der nur einfachen Beziehung aufzufassen sind, daß das Prädikat, indem es das Subjekt beurteilt, als dessen Inhalt anzusehen ist, also immer nur in der einfachen Beziehung des Prädikats auf das Subjekt. Wird diese Satzform selbst spekulativ gedacht, wird der Satz auch formal als spekulativer Satz begriffen, indem das Subjekt als Subjekt zugleich auch als eine Prädikation des Prädikates und das Prädikat als Prädikat zugleich auch als eine Substantivierung aufgefaßt und somit beide durch diese Vereinheitlichung ihres Unterschieds an sich selbst „verflüssigt" werden, so ist zwar eine gewisse Annäherung an eine spekulative Darstellungsweise der Wahrheit erreicht, damit aber das rein sprachliche Darstellungsproblem dieser ,verflüssigten Auffassung' für die spekulative Wissenschaft keinesfalls gänzlich aus dem Wege geräumt, denn selbst mit diesem Un-Satz in der Form des Satzes, d. h. mit dem Satz als Satz, bleiben doch immer Subjekt und Prädikat in einem wenn auch an sich spekulativen, so doch in einem jeweilig bestimmten Unterschied auseinander· und festgehalten 3 8 2 . Aufgrund dieser unumgänglich nicht-spekulativen Satzform der Sprache ist die spekulative Wissenschaft ständig gezwungen, „rektifizierend auf die eigene Form zurückzukommen und die inhaltlich zur Darstellung gelangende spekulative Verhältnisweise gegen den Modus der Darstellung selber zu wenden" 3 8 3 ; damit aber gesteht sie ein, daß eine jede Form ihrer Aussage dem wahren Inhalt derselben inadäquat ist und somit von diesem her überschritten werden muß, um seine adäquatere Fassung zu ermöglichen, was formal unmöglich bleibt, — was im Grunde nur das Eingeständnis ihrer allseits spekulativen Natur ist. Dieser Sachverhalt manifestiert sich sprachlich auch im einzelnen in dem für sie so symptomatischen ,als': durch eine jede ihrer Aussagen ist ganz allgemein nur ein Bestimmtes gewonnen, das gewissermaßen immer „nur in diesem Fall", „hier nur", „nur unter dieser Hinsicht", „zunächst und vorläufig einmal", nie schon „überhaupt" und „endgültig", sondern einzig als Dieses oder Jenes sowohl mit dem Modus seines Ausgesagtseins als auch mit seinem ausgesagten Gehalt übereinstimmt und „vollständig" abgedeckt ist. Ein bestimmt Ausgesagtes geht so mit seiner und in seiner Bestimmung nie schon ganz auf, ist mit dieser immer nur erstellt als Dieses oder Jenes 382 Vgl. Puntel, a . a . O . , 34: „ W i e die spekulative Darstellung, indem sie sich durch die nicht-spekulative Form der Sprache vermitteln muß, spekulativ bleibt: darin liegt das ganze Problem der Darstellung bei H e g e l " . — S . a . Hegels Ausführungen zum spekulativen Satz: Phän, 4 9 - 5 4 ; W L I, 76; W L II, 2 4 f ; u. öfter. 383

E. Angehrn, a . a . O . , 124.

Allgemeine Formprinzipien der logisch-spekulativen M e t h o d e

237

unter einer ganz bestimmten Hinsicht, d. h. ist nur relativ gültig erstellt, damit aber eben durch seine Bestimmung verstellt in seinem ganzen Sein und damit gerade nicht absolut abgeschlossen, vollendet und erledigt 384 . Von daher kommt ein jedes solches im Verlauf der spekulativen Wissenschaft mehrmals und immer wieder vor, kann somit nicht irgendwo ad acta gelegt werden, wenn es einmal bestimmt worden ist, treffen auf es mehrere Bestimmungen zu, die alle mehr oder weniger seiner absoluten Wahrheit gerecht werden, je nachdem aus welcher Perspektive sich diese begründen lassen 3 8 5 . Dennoch ist gerade durch das zuletzt Erwähnte damit kein Freibrief für ein willkürliches Spekulieren mit Bestimmungen oder für 384

So finden ζ. B . auch noch nicht einmal das Sein in der Seinslogik, das Wesen in der Wesenslogik oder der Begriff in der Begriffslogik sich schon vollständig bestimmt, obwohl sie hier jeweils als Sein, als W e s e n , als Begriff dargestellt werden, somit eigentlich damit eine adäquate Bestimmung ihres ganzen Selbst durchaus gegeben sein müßte; vielmehr treten auch noch der Begriff als Sein und als Wesen, das Wesen auch noch als Sein und das Sein auch noch als Wesen auf etc., und überhaupt auch in einer größeren D i m e n s i o n : die Idee ζ. B . als N a t u r oder als Geist, die Vernunft als Verstand, der Geist als Begriff usf. (diese als-Verstellungen ließen sich mit einer jeden Bestimmung der Hegeischen Philosophie weiter durchspielen). Was also ein bestimmter Begriff nun wirklich und unverstellt in seinem ureigensten Wesen ist (seine absolute Identität), bleibt so gewissermaßen immer hinter der Maske, oder noch richtiger: hinter den Masken verborgen, in denen er sich im Verlauf dieser spekulativen Philosophie jeweils zu „ e r k e n n e n " gibt. Das rückt diese Philosophie allgemein in die N ä h e zum Theater oder auch zum Kostümfest: für beides ist eine gewisse Entsprechung zwischen ureigenster Identität und Maske gefordert, aber eben nur eine gewisse, endlich bedingte, was ja prinzipiell die Voraussetzung für die Möglichkeit ausmacht, etwa neben der R o l l e stehen und sie überhaupt wieder verlassen zu k ö n n e n ; eine absolute Entsprechung nähme beiden den Sinn. Spätestens hier wird deutlich, wie sehr die Hegeische Philosophie durch einen festlichen Charakter geprägt ist, durch einen fest-lichen Charakter recht unsolider Art allerdings: durch ihre Anmaßung, stellvertretend für Philosophie überhaupt zu sein, scheint mit ihr die Philosophie allgemein den Charakter eines Festes im bacchantischen Taumel, eines Theater- und Kostümfestes zu gewinnen, eines Festes also, bei dem nichts so standhaft und gewiß ist wie das Instabile und Ungewisse. Das sei der Hegeischen Philosophie hier aber keinesfalls in einem negativen, sondern in einem ausgesprochen positiven Sinne angemerkt, denn das enthebt sie dem Philistertum, das gemeinhin die Vorstellung von der philosophischen Weisheitspraxis zu begleiten pflegt. Sie entdeckt so, was wir im Teil I I I der vorliegenden Untersuchung näher ausführen werden, trotz und gerade auch wegen ihrer in der Philosophie wohl kaum noch zu überbietenden wissenschaftlichen Akribie, wieder die sehr alten (im Alten aber noch rein mystischen) Prinzipien der Wahrheit, die wir als die mythischen und tragischen bezeichnen wollen, denn auch ein Fest im Zeichen dieser Prinzipien ist ganz analog zur Hegeischen Philosophie dadurch gekennzeichnet, einerseits die absolute Präsenz des Göttlichen zu erstellen, andererseits aber auch nicht dem W a h n zu unterliegen, in dieser Präsentation des Göttlichen überhaupt habhaft zu werden (vgl. K . Kerényi, V o m Wesen des Festes, in: ders., Antike Religion, Wiesbaden 1978, 4 3 - 6 7 ) .

385

Angesichts dieser Sachlage spricht Henrich etwa von einem „Bedeutungswandel" der Begriffe, oder Blasche von der „Vieldeutigkeit" und „Mehrdeutigkeit" derselben ( B e -

238

Die „Wissenschaft der Logik" und die Realphilosophie

einen puren Pluralismus oder bloßen Relativismus an Bestimmungen ausgesprochen; insbesondere für die spekulative Wissenschaft in der Systemgestalt der Hegeischen Philosophie gilt es vielmehr, bei einer jeden konkreten (= dialektischen) Bestimmung, so relativierbar diese im ganzen auch immer sein mag, die weiteren, schon immer stillschweigend vorausgesetzten Zusammenhänge' 386 (= das Spekulative) mitzudenken, welche bei Hegel etwa die bestimmte Systemgestalt dieser Wissenschaft konstituieren, woraufhin eine jede solche Bestimmung nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer relativen Gültigkeit im Ganzen nie beliebig, austauschbar oder gar überhaupt überflüssig sein kann, sondern immer einen absoluten Wert in dem Ganzen und für das Ganze erhält, eben dadurch, daß sie unter der jeweils bestimmten, aus dem Gesamtzusammenhang absolut begründeten Perspektive, unter der sie erstellt wird (— diese Perspektive hängt bei Hegel immer vom Stand der systematischen Entwicklung der spekulativen Wahrheit ab, von dem bestimmten Systemstandpunkt, den eine Bestimmung jeweils einnimmt — ), nur so und nicht anders ausfallen kann, so daß sie zwar immer absolut gesehen (allgemein spekulativ, relational identisch) nur relativ, aber auch immer zugleich relativ gesehen (konkret dialektisch, negativ identisch) nur absolut sein kann. Die spekulative Wissenschaft manifestiert so in einer jeden Aussage immer ein konkretes Verhältnis zwischen ihrer Gesamtperspektive (hinsichtlich derer ist ihre Bestimmung nur ein „vorläufig als . . . .") und dem Bestimmten der Perspektive ihrer ausgesagten Bestimmtheit (hinsichtlich dessen ist ihre Bestimmung notwendig ein „einzig als . . . .") 387 , oder in Anbetracht der bereits vorliegenden Ausführungen zu den fundamentalen Konstitutions-

386

387

dürfnis und Vernunft), oder auch Aschenberg, nicht ganz so neutral, sondern systematisch gewendet, von einem ,,,Komparativ' der Wahrheit" bei Hegel (s. o., A n m . 154); bei Puntel werden die Begriffe, wie auch bei Hegel selbst, „reicher" im Verlauf der Darstellung ihrer Entwicklung, wodurch sich auch die Möglichkeit einer „niedrigeren Verwendung und eines niedrigen Begreifens" ihrer selbst als ihnen eigen zeigt (vgl. z . B . a . a . O . , 44). Hier ist von uns eine Formulierung Carl Friedrich v. Weizsäckers übernommen worden, mit der dieser sich allgemein gegen den Gedanken des Pluralismus in der Erkenntnis gewendet hat: „Pluralismus ist niemals.wahr, er ist höchstens aufrichtig, als Resignation gegenüber der Aufgabe, die stillschweigend vorausgesetzten Zusammenhänge zu denken" (zit. in: Ohne Chaos keine Erkenntnis, Artikel in „Die Zeit", Nr. 36 v. 27. August 1976). Infolgedessen ist die Bemerkung Β. Heimanns durchaus angebracht, daß in einem gewissen Sinne immer „Hegel zitieren ihn mißverstehen und ihn mißbrauchen heißt", jedenfalls immer dann, wenn mit dieser Zitation nur eine endgültige Festlegung Hegels auf bestimmte Aussagen intendiert ist, wobei das Gesamtperspektivische derselben zwangsläufig außer acht gelassen werden muß, weil dieses ja gerade wieder diesen Aussagen ihre Endgültigkeit nehmen würde, sie nur als relativ gültige zuließe (System und Methode in Hegels Philosophie, XXI).

Allgemeine Formprinzipien der logisch-spekulativen M e t h o d e

239

prinzipien dieser Wissenschaft bei Hegel: immer ein Spekulatives, das die Konkretheit ihrer Aussage absolut relativiert, und immer auch ein Dialektisches, das diese absolute Relativität (= Relationalität) konkretisiert. Wirft man einen Blick zurück auf alle von uns vorgeführten Bestimmungen, Aspekte und Merkmale des Spekulativen, so findet man dieses Spekulative in allem in der Funktion bestätigt, den allgemeinen Grundtenor der Erkenntnismodi und -gehalte des Ganzen der Hegeischen Philosophie fundamental zu bestimmen. Infolgedessen wurde es unabdingbar, bei der Analyse des rein formal Methodischen dieser Philosophie in die dialektischen Grundformen desselben auch das Spekulative miteinzubeziehen. Die Hegeische Philosophie zeigt sich nunmehr in ihrer Methode nicht allein durch das Dialektische, sondern auf eine noch viel fundamentalere Weise vor allem auch durch das Spekulative geleitet. Jedoch hat sich letzteres gerade aufgrund der Offenbarung seiner selbst als des absoluten Grundes dieser Methode als ein an sich bloß inkonkretes Prinzip „hinter" und „in" den konkreten Momenten derselben zu erkennen gegeben. Diese Momente führen sich konkret ( = definitiv) gerade nicht als spekulative sondern als dialektische aus, weil sie ihre wesentliche Bestimmtheit allein dadurch gewinnen, daß diese ihr bloßes Ansichsein, ihre bloß interne Negativität bestimmt setzt durch ein Negatives ihrer puren Immanenz in Gestalt eines jeweils konkreten anderen Bestimmten, welches als ihre Negation eben gerade auch sie selbst als ein Bestimmtes und nicht bloß abstrakt in sich selbst Ruhendes, ihre einfache Bestimmtheit eben als ein bestimmt Konstituiertes erweist. Daß durch diese Selbstnegation der Bestimmtheit das Bestimmte nicht überhaupt seine Bestimmung verliert, daß diese negative Methode der dialektischen Weiterleitung der bestimmten Momente der Methode überhaupt wieder auf deren bestimmtes Sein an sich zurückkommt, dafür aber bleibt gerade das Spekulative die stillschweigende' Voraussetzung; d. h. der dialektischen Methode bleibt vorausgesetzt, daß ihrer konkreten Entfaltung eines prinzipiell nicht-identischen Seins im Bestimmten allgemein ein prinzipiell identisches Sein desselben in seiner Nichtidentität inhäriert. Somit zeichnet sich ein jedes Moment dieser Methode rein formal dadurch aus, durch das Dialektische wie durch das Spekulative derselben gleichursprünglich bestimmt zu sein. Dialektik und Spekulation sind so „nicht als konsekutive — etwa als nacheinander auftretende Verfahrensweisen oder als nacheinander in Geltung gesetzte logische Verhältnisse — miteinander verbunden" 388 (mit dem „ersten" und 388

E . Angehrn, a . a . O . , 1 2 4 f .

240

Die „Wissenschaft der L o g i k " und die Realphilosophie

dem „zweiten" Prius der Methode ist keine Priorität des einen vor dem anderen gesetzt; vgl. oben, 215—217), sondern beide sind nur unterschiedliche Hinsichten im einfachen Verfahren der ein und derselben Methode, die bei Hegel die logische Methode heißt: das eine ist die Hinsicht auf die konkrete, das andere die Hinsicht auf die allgemeine Seite dieser Methode. Diese Methode als das Zugleich beider Seiten ist somit selbst methodisch näher spezifiziert dadurch, daß einerseits die Konkretheit ihrer dialektischen Seite absolut relativiert wird, indem diese spekulativ aufgehoben wird, und daß andererseits die Allgemeinheit ihrer spekulativen Seite konkret manifestiert wird, indem diese dialektisch aufgehoben wird. Wenn so aber „das Spekulative nur über das Dialektische wirklich sein kann" 3 8 9 , oder auch „das Spekulative, für sich genommen, in nichts anderem als in der Einsicht in die Notwendigkeit des Dialektischen besteht" 3 9 0 , wenn andererseits aber eben auch das Dialektische nur spekulativ wahrhaft sein kann 391 , dann ist in der Tat „die Unterscheidung der beiden Hinsichten eine solche, welche zugleich nur in ihrer Einheit wahr aufgefaßt werden kann" 3 9 2 . Daher ist die Methode der Hegeischen Philosophie mit dem alleinigen Kennzeichen ,Dialektik' oder auch Spekulation' nur ungenügend ausgewiesen; vollständiger ist sie mit dialektischer Spekulation oder auch spekulativer Dialektik zu bezeichnen (je nachdem auf welche „Priorität" die jeweilige Perspektive der Bezeichnung abzielt). Daß sie dabei auch noch die logische Methode ist liegt daran, daß die Logik und dementsprechend auch die rein logische Wissenschaft innerhalb der Hegelschen Philosophie die Disziplin des Denkens stellt, in der sich eben gerade dieser ideelle Zusammenhang von Dialektischem und Spekulativem konkret konstituiert als das allgemeine Fundament wahrhaften Denkens überhaupt, in der eben dieser absolute Zusammenhang beider in der wahrhaften Erkenntnis als das Allgemeine derselben überhaupt eigens thematisch und so in Absehung von einer jeden weiteren Inhaltlichkeit dieser Erkenntnis rein als dieser Zusammenhang entwickelt und dargestellt wird, d. h. wo dieser Zusammenhang nur als ein solcher den Gegenstand des Denkens ausmacht,

389 390 391 392

Ibid., 125. Ibid., 126. Vgl. ibid., 122; ferner oben, 215f u. 225ff. Angehrn, ibid., 125. Durch die Einbeziehung des vagen Prinzips des Spekulativen in die Dialektik wird die Entschlüsselung derselben selbst ungemein verkompliziert, fügt die Dialektik, so wenig sie überhaupt „der Einzeldefinition hold ist, so wenig selber sich irgendeiner" (Adorno, Drei Studien zu Hegel, 21; vgl. auch Henrich, Hegels Logik der Reflexion, a . a . O . , 148f).

Allgemeine Formprinzipien der logisch-spekulativen Methode

241

oder auch: wo sich die Methode des Denkens der Wahrheit als diese Methode expliziert und begründet 393 .

4.1.2.

Eigentümlichkeiten der Selbstexplikation der spekulativen Dialektik in der Logik

Hegel stellt seine „Wissenschaft der Logik" als die philosophische Disziplin vor, die das Denken der Wahrheit seiner reinen Methode nach zum Gegenstand hat. Da aber in dieser Logik diese Methode auch allererst entwickelt wird, stellt sich sogleich die Frage, nach welcher Methode dieses Denken denn eigentlich seinen Begriff von der wahrhaften Methode nun selbst entwickelt, oder anders formuliert: welcher Logik eigentlich die Entwicklung der Hegeischen Logik selber noch einmal unterworfen ist. Im Sinne Hegels kann die Antwort nur lauten: ihrer eigenen, denn wäre diese Logik noch einmal methodologisch hinterfragbar und selber noch einmal fundamentaler logisch begründbar, so stellte eben gerade nicht sie die methodische Letztbegründung des wahrhaften Denkens, sie wäre vielmehr nur ein Abgeleitetes, ein Unselbständiges, weil methodisch Fremdvermitteltes, und so bereits eine bestimmte Darstellung der Anwendung methodisch grundlegenderer Prinzipien, in denen das eigentlich Wahrhafte ihres Methodischen, ihrer dann nur sekundär entwickelten Prinzipien der Methode zu suchen wäre. Damit wäre sie nicht nur ihres Ausschließlichkeitsanspruchs und damit auch zugleich des Absolutheitsanspruchs ihrer logischen Letztgültigkeit beraubt, ihr wäre vor allem selbst noch einmal eine Auffassung von Methode unter-stellt, die ihrer eigenen Explikation von Methode absolut zuwiderläuft, denn es wäre Methode so bereits 393

Zusätzlich zu den in unserer Erörterung der spekulativen Dialektik Hegels bereits erwähnten Arbeiten sei hier noch auf einige weitere Arbeiten hingewiesen, die sich der Hegeischen Methode allgemein oder auch unter bestimmteren Aspekten widmen: - H . - G . Gadamer, Hegels Dialektik (1971); - (ders.) Hegels Dialektik des Selbstbewußtseins, in: H . F. Fulda/D. Henrich (Hrsg.), Materialien zu Hegels „Phänomenologie des Geistes", Frankfurt/M. 1973, 217-242; - Wolfgang Marx, Hegels Theorie logischer Vermittlung. Kritik der dialektischen Begriffskonstruktionen in der „Wissenschaft der Logik", Stuttgart 1972; - G. Maluschke, Kritik und absolute Methode in Hegels Dialektik, in: Hegel-Studien, Beiheft 13 (1974); - R. Heiss, Wesen und Form der Dialektik, Köln u. Berlin 1959; - J. Schwarz, Die Denkform der Hegeischen Logik, in: Kant-Studien 50 (1958/59), 37-76; - P. Rohs, Form und Grund. Interpretation eines Kapitels der Hegeischen Wissenschaft der Logik, in: Hegel-Studien, Beiheft 6 (1969).

242

Die „Wissenschaft der L o g i k " und die Realphilosophie

als ein allgemein formales Verfahren mit nämlichem Anwendungscharakter vorausgesetzt, es wäre vorausgesetzt, daß dieses Verfahren eben vorweg und überhaupt von seiner Anwendung zu isolieren wäre, womit dieses aber dann mit derselben und in derselben nur in einer näheren Beziehung zu sich selbst stünde, nicht aber in dieser mit sich selbst als reiner Methode identisch wäre. Das methodische Selbstverständnis der Hegeischen Logik explizierte sich aber über die Darstellung der Selbstbegründung der spekulativen Dialektik als eine Auffassung von Methode, bei der das Methodische gerade nicht darin bestand, ein bestimmtes Verfahren (hier: die Negation) mit Denkbestimmungen zur Anwendung zu bringen, sondern nur im Nachzeichnen der Selbstentwicklung der immanenten Logik einer jeden Denkbestimmung 3 9 4 , d. h. letztlich in einer Un-Methode, wobei sich so etwas wie ein allgemeines und formales Identisches als Methode allererst als ein Resultat einstellte, als das formal Allgemeine des Denkens überhaupt erst im nachhinein erkannt wurde, das dann allerdings aufgrund seiner absoluten Bewährung als des tatsächlich Allgemeinen des Denkens demselben als die wahre Methode vorausgesetzt und so als schon am Anfang der Entwicklung desselben vollgültig — weil mit dieser antizipierten Entwicklung selbst auch mit sich selbst schon absolut identisch — antizipiert werden konnte 3 9 5 . Von daher ist Hegels Logik als eine dialektische und spekulative hinsichtlich der Begründung der ihr selbst immanenten Logik selber noch einmal spekulativ aufzufassen: sie ist einerseits erst die „Konstruktion" der absoluten Methode, andererseits ist aber letztere auch bereits dieser „Konstruktion" faktisch vorausgesetzt, aber eben nicht außerhalb, sondern innerhalb derselben. Die logische Methode „wendet" so sich selbst immer schon in ihrer logischen Entwicklung zur Methode „ a n " , oder anders ausgedrückt: die Entwicklung der spekulativen Dialektik verläuft selbst dialektisch spekulativ. Diese Selbstanwendung der Methode hat neben dem positiven Aspekt, daß eben durch diesen „sich selbst konstruierenden Weg" (WL I, 7) eine absolute Entsprechung von Form und Inhalt in Hegels logischer Wissenschaft gegeben ist, auch einen negativen Aspekt, nämlich daß dieser bestimmten Weise, auf die diese Wissenschaft ihren Begriff der absoluten Methode „entwickelt",

3,4 395

Vgl. oben, 2 1 2 f f ; ferner auch A . Sarlemijn, a. a. 0 . , 1 3 . Vgl. auch Puntel, a . a . O . , 3 8 : „ D e r Anfang enthält die abstraktesten und einfachsten Kategorien, die nicht anders zu begreifen sind als gerade durch die weitere Entwicklung der logischen Darstellung. Die Forderung einer vor jedem weiteren Schritt vorzulegenden Begründung des Anfangs erweist sich als eine falsche ,Gründlichkeit', da die Begründung gerade im Fortgang besteht". Vgl. dazu auch: E n z , § 10 einschl. H Z u s ; W L II, 489.

Allgemeine Formprinzipien der logisch-spekulativen Methode

243

keine Stringenz und Notwendigkeit inhäriert, daß somit aber hier eben gerade nicht die Entwicklung einer absoluten Methode vorliegt, denn aufgrund der immer schon wirksamen Anwendung dieser Methode bei der Entwicklung derselben wird nur eine Scheinentwicklung vorgeführt, deren bestimmter und „notwendiger" Gang — nunmehr im vollen negativen Sinne — nur konstruiert ist, da ja im Grunde schon am Anfang desselben alles gewußt wird, was sich in seinem Verlaufe scheinbar állererst herausstellen soll. Daher mutet es dann als eine unlautere Verstellung des Denkens an, wenn diese Wissenschaft sich den Anschein gibt, sich erst von Stufe zu Stufe ihren vollen Begriff von Methode erstellen zu müssen, obwohl sie über denselben bereits am Anfang schon vollends verfügt, so daß sie an ihrem Anfang eigentlich schon viel weiter fortgeschritten ist als sie vorgibt, d. h. daß sie in der bestimmten systematischen Form, in der sie sich darstellt, faktisch verstellt ist, daß sie entweder mit dem Wesen (dem dialektischen Prinzip der Methode) oder mit dem Begriff (dem spekulativen Prinzip der Methode), nicht aber mit dem Sein (dem unmittelbar einfachen — absolut falschen — Prinzip der Methode) ihren Anfang nehmen müßte.

4.1.2.1. Die Entsprechung zwischen der mikrologischen und der makrologischen Struktur der Logik Setzt man das dialektische Grundschema des Logischen (4.1.1.1.) in ein Verhältnis zu der makrologischen Untergliederung der Logik, welche sich aufgrund der ideellen Strukturierung derselben ergab (3.2.1.3.), so läßt sich eine absolute Entsprechung zwischen den drei Momenten der dialektischen Triade I, II und III und den drei Hauptteilen der Logik Sein, Wesen und Begriff feststellen, d. h.: die mikrologische Struktur der Dialektik entspricht der makrologischen Struktur ihrer Gesamtdarstellung in der Logik, und zwar in der Weise, daß jeweils die ersten, zweiten und dritten Glieder zueinander in korrespondierender Analogie stehen. In der Seinslogik sind die bestimmten Momente dominant als I-Momente unterschieden: Sie sind nur einfach Unmittelbare, Verschiedene untereinander, nicht in sich Verschiedene; ihr Unterschied bleibt ihnen äußerlich, sie bleiben ihrem Unterschied gegenüber indifferent, das Andere ist nur ein gleichsam unmittelbares Anderes, an dem sie ausschließlich die Grenze ihrer einfachen Beziehung-auf-sich haben; sie sind allgemein nur isoliert für sich mit sich identisch, etc. (vgl. oben, 127—131 u. 197—199). In der Wesenslogik hingegen geben die bestimmten Momente als isolierte

244

Die „Wissenschaft der L o g i k " und die Realphilosophie

keinen Sinn, sondern nur miteinander (vgl. W L I, 109), sie sind hier dominant als Ii-Momente dargestellt: Sie sind in sich konkret Vermittelte, die sich als solche auch die Vermittlung ihrer Vermitteltheit vermitteln; sie sind so an und für sich differenziert und reflexiv, negative Beziehung auf sich als Selbstbeziehung, Setzen ihres Unterschieds im unterschiedlich Gesetzten, wodurch das Andere ihrer selbst als ihr Anderes konkret gesetzt wird, der bestimmte Widerspruch der Herstellung von Unmittelbarkeit und Identität qua Negation derselben 3 9 6 , etc. (vgl. oben, 131 — 134 u. 199— 201). Weiterhin finden sich auch die Momente der Begriffslogik dominant in der Bestimmung der III-Momente vor: Sie sind wieder einfache und positive Beziehung auf sich, dabei aber in sich differenziert, so der absolute Widerspruch von Unmittelbarkeit und Vermittlung, wenn beides als unmittelbar identisch gedacht wird, wenn beides in Einem aufgehoben wird; sie sind als einerseits Bestimmte andererseits jeweils das Ganze und die Totalität von Bestimmung überhaupt, denn als das an sich absolut Identische von unmittelbarem und vermitteltem Selbstsein verbleiben sie in einer jeden weiteren Vermittlung als absolut mit sich identisch 3 9 7 ; so sind sie die bestimmte Unruhe des Inbegriffs der wahrhaft relationalen Grundverfassung der Denkbestimmungen überhaupt, etc. (vgl. oben, 1 3 4 - 1 4 0 u. 2 0 1 - 2 0 4 ) . Es wäre grundlegend falsch, wollte man die hier ( angezeigte Entsprechung zwischen der mikro- und der makrologischen Struktur der Hegeischen Logik im Sinne einer Ausschließlichkeit interpretieren, als wenn etwa der Sphäre des Seins im ganzen schlichtweg nur die Bestimmtheit von I, der Sphäre des Wesens im ganzen nur die Bestimmtheit von II und der Sphäre des Begriffs im ganzen nur die Bestimmtheit von III zukämen. Vielmehr zeigte sich bereits bei der ideellen Analyse dieser Sphären, daß eine jede derselben aufgrund dessen, daß sie schon immer als eine bestimmte Darstellung des Begriffs und der absoluten logischen Idee angesehen werden mußte, ihre eigentliche definitive Bestimmung auch schon immer übergreift und so mit und in derselben grundsätzlich schon eine Perspektive des Ganzen der Logik eröffnet, d. h. daß ihr auch immer schon eine gewisse Präsentation des logischen Vollsinns inhäriert, daß sie gerade als ein gewußter Teil des logischen Ganzen über ihr Teilsein zugleich dieses Ganze unter einer bestimmten Perspektive miterschließt. Wir haben daher bei der bestimmten Unterscheidung dieser Sphären von deren ,Ambi396

397

Zur Bedeutung der Unmittelbarkeit in der Wesenslogik s. o. A n m . 222, vor allem aber den Aufsatz von D . Henrich: Hegels Logik der Reflexion, a . a . O . Vgl. Puntel, a . a . O . , 2 0 5 f .

Allgemeine Formprinzipien der logisch-spekulativen Methode

245

valenz' und bloß ,relativer Eindeutigkeit' gesprochen, die beide das Definitive der Unterscheidungsmerkmale nur als ein wesentlich ,Durchmischtes' zuließen 398 . Auch dieser Sachverhalt findet seine Entsprechung im mikrologischen Bereich, denn hier war ganz analog ein jedes Moment fundamental schon als eine bestimmte Verfassung von III ausgewiesen, so daß auch die mikrologischen Momente der Methode ebensowenig wie deren makrologische Momente absolut definitiv außereinander zu halten waren (vgl. oben, 205f). Somit gilt es festzuhalten, daß beide immer einzig in einem jeweils bestimmten, aber auch immer vollständigen Zusammenspiel ihrer differenzierten Triplizität das Definitive eines,jeden Logisch-Reellen' ausmachen (vgl. Enz, § 79 HZus), was die Grundbedingung dafür stellt, daß eine jede mikro- oder makrologische Weiterentwicklung desselben sich nicht als eine bloß äußerliche Reflexion über dasselbe, sondern als das konkret und wahrhaft Setzen der demselben immanent seienden und bleibenden Wahrheit zu verstehen vermag, wobei mit letzterem für beide Bereiche zugleich eine weitere Analogie benannt ist. Aufgrund aller dieser indefiniten Faktoren, durch die beide Bereiche schon jeweils an sich selbst in der Ermittlung ihrer eigenen bestimmten Konstitution gekennzeichnet sind, ist auch ihr für das Ganze der Logik aufgestelltes Entsprechungsverhältnis nicht nur ein bloß einfaches, sondern ein mannigfaltig differenziertes und differenzierbares 399 , zumal eben hier auch noch die Uneindeutigkeit der logischen Hauptmomente mit der Uneindeutigkeit der einzelnen logischen Schritte zusammentrifft. Daher war in diesem Entsprechungsverhältnis auch nur von Dominanz die Rede, keinesfalls davon, daß ein jedes mikrologisches Moment in der ihm zugeordneten makrologischen Sphäre schon ganz aufgeht, mit dieser schon vollständig abgedeckt und vor allem nur durch diese und in dieser vollständig abzudecken ist, was auch umgekehrt für diese Sphären selbst in gleichem Maße gilt. Dennoch stellt gerade diese jeweilige Dominanz an bestimmten mikrologischen Strukturen in den einzelnen Hauptsphären der Logik den qualifizierenden Faktor dieser Sphären. Gesamtmethodisch bedeutsam 398

399

Vgl. oben, 125ff u. 3.2.1.4.; es sei hier in diesem Zusammenhang auch noch einmal angemerkt, daß die bestimmte Untergliederung der logischen Hauptsphären selbst noch einmal differiert, je nachdem ob sie aus einer nur anfänglich logischen oder aus einer gesamtsystematischen Perspektive heraus erfolgt (vgl. oben, 144ff). Dieses Entsprechungsverhältnis hier selbst vollständig auszudifferenzieren und so detailliert im ganzen darzustellen hieße, Hegels Logik noch einmal schreiben oder dieselbe wenigstens schrittweise zu kommentieren, was wir uns allerdings nicht zur Aufgabe gestellt haben (vgl. oben, 192).

246

Die „Wissenschaft der Logik" und die Realphilosophie

wird diese Qualifikation vor allem für die Wesens- und Begriffssphäre. Bei der Dominanz von II im Wesen erscheinen die Implikationen von II gewissermaßen als der bestimmte Qualifikator des Wesens im ganzen; hier ist besonders das eine angesprochen: die bestimmte Negation, die das Dialektische ist. Dementsprechend impliziert der Begriff — bei der Dominanz von III — das Absolute und das Spekulative als seine bestimmte Grundqualifikation 4 0 0 . Wenn man sich auch, wie etwa D . Henrich, angesichts der allgemeinen Durchmischung der Sphären in der Hegeischen Logik dagegen wehren mag, irgendwo in dieser Logik einen Schwerpunkt oder ein Zentrum anzusetzen, an dem gewissermaßen das Eigentliche dieser logischen Methode rein und in komprimierter Form zur Darstellung kommen soll 4 0 1 , so ist dem insoweit zuzustimmen, daß die Untergliederung der Logik in einen objektiven und einen subjektiven Teil, wobei dann erst der subjektive das ausführen soll, was an dieser Logik eigentlich hegelisch ist, dem durchgängigen Verständnis dieser Logik nicht nur hinderlich ist, sondern als ein unhegelisches Verständnis von Methode die Gesamtdarstellung derselben auch absolut falsch zentriert (vgl. oben, Anm. 225); es muß andererseits jedoch auch festgestellt werden, daß gerade aufgrund der angezeigten bestimmten Entsprechungen zwischen mikro- und makrologischen Strukturen in der Hegeischen Logik, die hier unter voller Berücksichtigung und Wahrung der durchgängig spekulativen Gesamtexplikation derselben zur spekulativen Dialektik als der Methode erstellt wurden, d. h. daß gerade aufgrund des jeweils Bestimmten der absoluten Form-Inhalt-Relation in dieser Gesamtexplikation für dieselbe nicht nur gesamtmethodisch relevante Schwerpunkte angesetzt werden können, sondern sogar müssen, soll deren eigene Ausdifferenzierung in ein dialektisches und ein spekulatives Moment nicht überhaupt hinfällig sein, sondern gerade das Eigentümliche ihrer konkreten Selbstexplikation ausmachen, d. h. wenn Hegels logische Methode überhaupt als das Bestimmte begriffen werden soll, als das sie sich selbst expliziert. Daher kann und muß diese Methode durchaus — ohne sie damit sogleich in ihrer Ganzheit zu verfehlen — darauf „fest"-gelegt werden, daß ihre erste Prämisse ( = II), d. h. das, was an ihr eigentlich dialektisch ist, sich vornehmlich in der Wesenslogik, und ihre absolute und zweite Prämisse ( = III), d. h. das, was an ihr eigentlich spekulativ ist, sich vornehmlich in der Begriffslogik ausgeführt finden, oder noch weiter spezifiziert: das Konkrete der Methode, das 400 V g i puntel, a.a.O., 77. 401

Vgl. Henrich, Anfang und Methode der Logik, a . a . O . , 7 3 - 9 4 , 92f.

Allgemeine Formprinzipien der logisch-spekulativen Methode

247

Methodische der Hegeischen Logik in seiner Konkretheit, kommt im Wesen explizit zur Darstellung (somit erweist sich hier nunmehr, warum für Hegel gerade die wesentliche und konkrete Bestimmung eines Bestimmten allein in seiner dialektischen Bestimmung liegen kann), wohingegen das allgemeine Fundament der Methode, das absolut allgemeinste Fundament des Methodischen der Hegeischen Logik, im Begriff explizit zur Darstellung kommt 4 0 2 . Der Begriff zeigt sich gemäß dieser seiner gesamtmethodischen Bedeutung auch überhaupt synonym mit dem Spekulativen: er ist ganz allgemein als .Einheit unterschiedener Bestimmungen' zu fassen (vgl. oben, 94 u. 134ff) und — wie auch das Spekulative — nach seinem Vollsinn, d. i. als absolute Idee, „— in einer Gegenläufigkeit der Prinzipiierung — Prinzip für die Prinzipien, die zu seiner Aufstellung dienten" 4 0 3 , und so der Inbegriff der wahrhaften Methode überhaupt, als solcher aber selbst nicht weiter konkretisierbar, denn ebenso wie auch schon beim absolut rein Spekulativen nichts weiter zu denken ist als nur das Spekulative selbst, muß auch beim absolut reinen Begriffe nichts weiter gedacht werden als nur der Begriff selber (vgl. Enz, § 3 HZus).

4.1.2.2. Die Selbstanwendung der Methode Der Inhalt der Hegeischen Logik ist die spekulative Dialektik in ihrer Darstellung als der Methode des wahrhaften Denkens überhaupt. Diese Darstellung erfolgt selbst dialektisch spekulativ, was beinhaltet, daß in ihr das Ganze dieser Methode sich mit seinen mikro- und makrologischen Strukturen in der Weise absolut vermittelt, daß diese Strukturen selbst nichts anderes sind als die schon immer tätige Methode, obwohl sie erst die Konstitutionsprinzipien derselben konkret ermitteln und so allererst diesen bestimmten Begriff von Methode entwickeln, der als ihr Resultat sie derart absolut begründet. Dieser selbst schon spekulative Sachverhalt in Hegels spekulativer Logik verdeutlicht sich explizit daran, daß diese Logik zum einen erst in ihrem absoluten Resultat eigens einen Begriff von Methode erstellt, wobei sie versucht, die fundamentalsten Prinzipien ihres rein Methodischen abstrakt über die allgemeine Analyse der Gestalt der dialektischen Triade herauszustellen — Hegel selbst spricht hier teils nur von einem Ersten ( = I), Zweiten (= II) und Dritten (= III) der M e t h o d e - , 402 403

Vgl. Angehrn, a . a . O . , 126. K. Hartmann, Die ontologische Option, a . a . O . , 7.

248

Die „Wissenschaft der L o g i k " und die Realphilosophie

was ihr aber zum anderen nicht gelingt, ohne dabei zugleich auch auf ihre bereits geleistete konkrete Ausführung rückzuverweisen und diese selbst auch in ihrer konkreten Gestalt als ein prinzipiell Fundamentales in ihren Begriff von Methode einzubeziehen, d. h. konkreter: ohne die zurückliegende Ausdifferenzierung der Dreieinheit von Sein, Wesen und Begriff zugleich als das Methodische der dialektischen Triade zu begreifen. Daher zeigt sich in diesem Resultat dann auch das Doppelte, daß die absolute Idee der Logik einerseits die konkrete Entwicklung derselben zu ihrem Begriff von der absoluten Methode ist, daß andererseits aber diese Entwicklung selbst immer schon — und vor allem: nur — von diesem Begriff her getragen wird (vgl. oben, 3.1.), oder mehr auf die von uns bereits bereitgestellte, formal-strukturale Terminologie abzielend formuliert: es zeigt sich, daß der Begriff der absoluten Methode nur noch einmal die Einsicht freigibt, daß sich der mikro- und der makrologische Bereich der Logik wechselseitig konstituieren, und zwar in Form eines Zugleich von ,immer schon' und auch ,allererst noch'. Wenn Hegel somit diesen Begriff von Methode als die absolute Idee seiner Logik expliziert, muß hier folglich — was auch tatsächlich der Fall ist (vgl. W L II, 485ff; Enz, §§ 2 3 8 - 2 4 3 ) - eine absolute Adäquation in der rein methodischen Bestimmung der mikro- und der makrologischen Momente der Logik gegeben sein, in der die einen durch die anderen spezifiziert werden, womit, da es sich hier um eine in der Ausführung der Logik bereits bewährte und von daher bereits erfüllte Spezifikation dieser Momente handelt, zugleich auch eine Bestätigung dafür mitgegeben ist, daß ein jedes von der bestimmten Ausführung dieser Logik selbst isoliertes Verständnis ihrer Methodenprinzipien unbegründet ist, wenn es nur antizipiert, und grundlegend falsch ist, wenn es verabsolutiert und so ein ihre Methodenprinzipien überhaupt isolierendes Verständnis angestrebt wird (vgl. Enz, §§ 79 — 82, einschl. HZusätze). Der „sich selbst konstruierende W e g " der philosophischen Wissenschaft bei Hegel (WL I, 7) erweist sich so zugleich ganz wesentlich auch als ein sich selbst explizierender Weg in seiner rein logischen Wissenschaft. Während die übrigen philosophischen Wissenschaften stets die ,Bekanntschaft' mit dem rein methodischen Weg der bestimmten Gestaltung ihres Gegenstandsbereichs schon voraussetzen müssen, um dann diese Bekanntschaft, nicht etwa diesen Weg selbst, noch einmal zu bewähren — was ζ. B. an der „Rechtsphilosophie" besonders deutlich wird (vgl. Rph, 4 u. öfter) —, darf hingegen für die rein logische Wissenschaft nichts vorausgesetzt werden, denn hier ist der Gegenstand oder auch der Inhalt — d. i. die absolute Methode der philosophischen Wissenschaft überhaupt — von seiner

Allgemeine Formprinzipien der logisch-spekulativen Methode

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Darstellungsform nicht zu isolieren, weil diese Darstellungsform selbst eben gerade jene Methode ist, die mit ihr und in ihr als ihr Gegenstand dargestellt wird 4 0 4 . Somit fällt „die Exposition dessen, was allein die wahrhafte Methode der philosophischen Wissenschaft sein kann, in die Abhandlung der Logik selbst" (WL I, 35; Hervorhebungen v. Verf.), weil der Begriff ihres Gegenstandes sich erst „in ihrem Verlaufe erzeugt und somit nicht vorausgeschickt werden kann" (ibid., 23). Mit dieser absoluten Identität von angewandter Methode und dargestellter Methode in der Logik löst die Logik das für das Denken der Wahrheit generell geltende Postulat von einer Form-Inhalt-Adäquation in der Erkenntnis faktisch ein, und zwar nicht nur irgendwie, sondern in der vollendetsten Weise, da ihre Methode als ihre Form überhaupt „von ihrem Gegenstande und Inhalte nichts Unterschiedenes ist" (ibid., 36), womit sie sich zum Darstellungsort der reinen Wahrheit prädestiniert und so den Beweis erbringt, daß einzig die in ihr dargestellte Methode zusammen mit der bestimmten Weise ihrer Darstellung als die absolute methodische Grundlage der wahren Wissenschaft angesehen werden kann, nicht etwa noch ein methodisch wahreres „Dahinter" 4 0 5 . Ein prinzipiell adäquates Verhältnis von Methode und Gegenstand, oder auch von Form und Inhalt, ist allerdings nicht nur ein spezielles Charakteristikum Hegels rein logischer Wissenschaft, sondern das allgemeine Charakteristikum seiner wissenschaftlichen Philosophie überhaupt, insofern es sich bei dieser im ganzen um ein ideelles und somit auch identisches, d. h. letztlich auch logisches System der Philosophie handelt. Dieses Adäquationsverhältnis bleibt jedoch in der Naturphilosophie nur in der Methode, d . h . nur in der Immanenz des Begriffs des Gegenstandes der Naturphilosophie, der als natürlicher Gegenstand dasselbe gerade nicht zu realisieren vermag, und auch in der Geistesphilosophie ist seine Realisation noch immer von einer nicht ganz begrifflichen Eigenqualifikation seiner gegenständlichen Komponente geprägt, d . h . von einer gegenständlichen Qualifikation, deren Eigenes in seinem Methodischen nicht ganz aufgeht; wo dieses aber ganz aufgeht, im Begriff der Philosophie, da bleibt es Inwieweit diese Voraussetzungslosigkeit der Logik nur eine scheinbare ist, hat schon unter der Perspektive unserer Ausführungen zum „reinen" Anfang derselben eine eigene Erörterung erfahren (3.2.1.2.). 405 Vgl. Enz, § 42 HZus: „Wenn das Denken irgend etwas zu beweisen fähig sein soll, wenn die Logik fordern muß, daß Beweise gegeben werden, und wenn sie das Beweisen lehren will, so muß sie doch vor allem ihren eigentümlichsten Inhalt zu beweisen, dessen Notwendigkeit einzusehen, fähig sein". - Zum bestimmten Inhalt der Logik vgl. überhaupt unsere Ausführungen unter Punkt 3.2.1.1. 404

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Die „Wissenschaft der Logik" und die Realphilosophie

auf die Logik verwiesen, weil eben das Logische gegenüber den anderen Disziplinen der philosophischen Wissenschaft einzig die Disziplin stellt, in der Methode und Gegenstand des wahrhaften Denkens in ihrer absolut reinen, restlos vollkommenen Adäquation realisiert werden, oder auch anders formuliert: in der Begriff und Realität nicht zu unterscheiden sind, insofern als hier die Realisation des Begriffs der reinen Methode schon immer methodisch real mit dem reinen Begriff derselben, oder auch der Inhalt der Entwicklung der absoluten Form des Denkens schon immer mit der formalen Entwicklung dieses Inhalts zur absoluten Form desselben zusammenfällt (vgl. dazu oben, 3.3.). Die Logik ist von daher im Verband der ideellen Wissenschaften weiter dahin gehend zu spezifizieren, daß in ihr das besagte Adäquationsverhältnis nicht nur einfach grundsätzlich vorhanden, weil voraus als Grundsatz der wahren Wissenschaft gesetzt ist, sondern daß in ihr dieses gerade als eine gesamtwissenschaftliche Voraussetzung allererst begründet und als eine solche eigens expliziert wird (vgl. oben, 118 u. 184), eben weil die Logik die absolute Kohärenz von Methode und Gegenstand nicht nur als eine bloß mögliche oder etwa auch nur formal logisch mögliche, sondern als eine im Denken der Wahrheit absolut konkret gegebene und somit als eine das wahrhafte Erkennen allgemein notwendig verpflichtende herausstellt, indem sie das Erkennen der Wahrheit einzig an die Methode bindet, die durch die Selbstanwendung der in ihr entwickelten Methode auf ihre Entwicklung selbst sich als Methode realisiert, d. h. indem sie Methode überhaupt als ein immer schon Konkretes und Inhaltliches ausführt und so einen Methodenbegriff exemplifiziert, der Methode nicht mehr als ein von jeglicher Inhaltlichkeit abstrahiertes und isoliertes, inkonkretes und formales Verfahren zuläßt, für welches dann allererst ein ihm gemäßer, konkreter Inhalt aufzufinden sei, sondern als ein Verfahren, das seinem Inhalt schon immer gemäß ist, wo es diesen als seinen Inhalt und mit diesem Inhalt sich als dessen Methode erkennt, womit aufgrund der gesamtwissenschaftlichen Verpflichtung der Hegeischen Philosophie auf diesen Methodenbegriff zum einen die Garantie dafür ausgesprochen ist, daß in dieser Philosophie überhaupt ein konkreter Inhalt — und dieser vor allem auch seiner Wahrheit gemäß — zur Darstellung kommt, solange diese Philosophie methodisch „verfährt", womit aber auch zum anderen ausgesprochen ist, daß sich das Methodische dieser Philosophie nicht einzig nur auf die Logik beschränken läßt, wenn ihr philosophischer Inhalt überhaupt nicht nur auf den Inhalt der Logik beschränkt sein soll. Der sich selbst explizierende Weg der „Selbstkonstruktion" der Hegelschen Philosophie in Form der Selbstanwendung der absoluten — d. i.

Allgemeine Formprinzipien der logisch-spekulativen Methode

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dialektisch spekulativen — Methode auf die Darstellung derselben in der Logik eröffnet, wie sich hier zeigt, eine Mannigfaltigkeit an Perspektiven, die für die Konstitution Hegels wissenschaftlicher Philosophie überhaupt gesamtwissenschaftlich relevant werden, sowohl in rein methodischer als auch in inhaltlicher Hinsicht: 1. Da die reine Selbstanwendung der Methode das ist, was eigentlich das Logische ausmacht, ist sie das entscheidende Merkmal, das die logische Wissenschaft eigens qualifiziert und dieselbe im Verband des Ganzen der philosophischen Wissenschaften als Logik statuiert. 2. Die Selbstanwendung der Methode qualifiziert darüber hinaus diese Logik auch als eine inhaltliche, denn sie impliziert immer schon die Unterscheidung von Methode (Form) und Gegenstand (Inhalt), damit es überhaupt zu einer Anwendung kommen kann, was aber eben besagt, daß in der Logik bereits ein Gegenstand (Inhalt) gegeben sein muß, der noch mehr als eine nur methodische (formale) Realität hat, sonst könnte diese Methode (Form) sich nicht auf „sich" beziehen, sich nicht zur Anwendung bringen 4 0 6 . 3. Der Selbstanwendung der Methode inhäriert aber fernerhin gerade nicht nur das Prinzip der Beziehung, sondern vor allem auch das Prinzip der absoluten Beziehung-auf-szc/? als das Logische und Methodische, so daß in der Logik aufgrund dessen, daß sich hier nur Identisches auf Identisches bezieht, im eigentlichen Sinne gerade keine „methodische Anwendung" vorliegt, sondern ganz im Gegenteil: daß gerade dieser Nicht-Anwendungscharakter ihres Methodischen als das Logische überhaupt und die Un-Methode identischer Selbstbeziehung als das eigentlich logische „Verfahren" ausgewiesen werden. Da dieses logische „Verfahren" die absolute Methode für das Ganze der philosophischen Wissenschaft stellen soll, muß die un-methodische Logik als das allgemeine methodische Fundament der Entwicklung dieses Ganzen überhaupt gelten, als das Allgemeine, in dem alles Besondere „auf-

406

Daß dieser Inhalt der Logik tatsächlich eine nicht nur immer schon rein methodische Konkretheit besitzt, daß ihm ein von dem rein Methodischen selber unterschiedener, überhaupt ein ontologischer Status eigen ist, was für Hegel selbst gar nicht in Frage steht (vgl. WL I, 42f), wird von vielen seiner Interpreten grundweg abgelehnt, vgl. etwa: W. Becker, Hegels Begriff der Dialektik und das Prinzip des Idealismus, 15; K. Harlander, Absolute Subjektivität und kategoriale Anschauung, 57. — Zum Sinn von „Konkretheit" in Hegels Philosophie überhaupt siehe oben, 100 ff.

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Die „Wissenschaft der L o g i k " und die Realphilosophie

gehoben" und „eingehüllt" ist 4 0 7 , d. h. daß in letzterem im Grunde nie eine Methode im Sinne eines ,bestimmten Verfahrens mit bestimmten Inhalten' zur Anwendung kommt, daß somit hier im Grunde überhaupt keine Methode angewandt wird, sondern sich immer nur etwas aus sich selbst und durch sich selbst hindurch entwickelt, wobei das Methodische dann nur aus dem ,Zusehen' bei dieser Entwicklung oder bestenfalls aus dem ,Nachzeichnen' derselben besteht (vgl. oben, 212ff u. 241 f), daß aber damit eben die in der Logik bereits aufgehobene „Dimensionsdifferenz von Logik und Aussagebereich einerseits und dem Bereich des Seienden, Existierenden andererseits" 4 0 8 sich auch als ungültig für die ganze Dimension der philosophischen Wissenschaft erweist 4 0 9 . 4. Aufgrund der Selbstanwendung der Methode in der Logik führt sich das logische Denken in seinem ,gegensatzlosen Elemente' zur Logik aus (vgl. oben, 112 f). Dergestalt begreift sich dieses Denken aber noch nicht als der vollständige Inhalt der Philosophie überhaupt; letzterer ist noch weiter gefaßt. Wenn aber auch alles dieses Weitere allein vor dem Horizont der Selbstanwendung der Methode zu begreifen ist, weil sich eben hiermit die absolute Methode der Philosophie begründet, dann muß auch in diesem Weiteren die Methode sich weiterhin auf sich selbst anwenden und somit in diesem sich auch weiterhin methodisch begründen, d. h. daß „der Anspruch der Logik auf Inhaltlichkeit über die selber logische Gehaltsmäßigkeit hinausgeht" 4 1 0 , daß dieses logisch Weitere eben daher auch nicht nur einen inhaltlich weiteren Aspekt der Logik eröffnet, sondern — bei der absoluten Kohärenz von Inhalt und Methode — zugleich auch einen methodisch weiteren Aspekt der Logik eröffnen muß, daß somit auch der „außerlogische" Bereich der Logik eine Fortentwicklung der logischen Methode leisten, daß auch — auf die bestimmte Systemgestalt der Hegeischen Philosophie bezogen — die Realsystematik die Logik weiter explizieren muß (s. u., 4.2.2.).

Vgl. W L II, 484f; ferner auch: W. Becker, a . a . O . 409 Vgl. dazu oben, 105ff. Dieser sichtspunkt der durchgängigen Fundamentalprinzips in Hegels 4 1 0 Angehrn, a . a . O . , 140. 407

W L I, 40f; oben, 105.

408

ganze Sachverhalt wurde von uns bereits unter dem GeIdealität, des durchgängig identischen Denkens als des philosophischer Wissenschaft näher expliziert.

Allgemeine Formprinzipien der logisch-spekulativen Methode

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4.1.2.3. Die relative Umkehrbarkeit von logischer Systematik (Form) und gehaltlicher Faktizität (Inhalt) "Wird die Selbstanwendung der logischen Methode auf deren Darstellung als Methode in der Logik weniger neutral und nicht so sehr hinsichtlich ihrer gesamtwissenschaftlichen Implikationen, sondern mehr hinsichtlich der Konkretion ihrer innerlogischen Funktion selbst betrachtet, dann gerät die bestimmte Ausgestaltung der Hegeischen Logik in einen kritischen Blickwinkel, aus dem heraus sich ihre Insistenz auf eine ihr immanente Systematik unter Umständen zwar noch allgemein rechtfertigen läßt, aber keinesfalls mehr an der tatsächlich vorgelegten Ausführung derselben. Die Selbstanwendung der Methode bei einer jeden logischen Bestimmung findet sich prinzipiell dadurch bestätigt, daß ein jedes ,Folgendes' und .Hervorgegangenes' sich stets als das ,Prius' dessen erweist, durch das es eigentlich vermittelt erscheint, somit immer schon als die Voraussetzung des jeweils voraus Gesetzten in demselben wirksam und so der wahrhafte Grund desselben und seiner Weiterentwicklung ist (vgl. Enz, § 552 HZus — S. 432 —), d.h. daß eine jede logisch höhere und reichere Bestimmung immer auch schon in niedrigeren Bestimmungen der Logik zur Anwendung kommt, obwohl der Schein erweckt wird, daß hier jeweils ein Mehr an Logizität noch nicht zur Verfügung stehe. Auf die Hauptprinzipien des Logischen bezogen heißt das, daß einer jeden Bestimmung der Logik immer schon sowohl das dialektische Wesen ( = die negative Identität) als auch der spekulative Begriff ( = die selbstbezügliche Identität) des Logischen inhärieren. Diese beiden absoluten Voraussetzungen der logischen Methode sind jedoch in der systematischen Darstellung derselben erst an deren zweiter und dritter Stelle, in der Wesens- und in der Begriffslogik, explizit ausgeführt, womit sich eben diese Systematik selbst einer Unlauterkeit überführt und sich so ihrer eigenen Notwendigkeit und immanenten Stringenz beraubt, wenn sie vorgibt, daß sie sich allererst von der Logizität der Seinsbestimmungen her aufbaut, obwohl sie für diesen Aufbau bereits eine viel fundamentalere Logizität voraussetzt und verwendet. Das System der Logik wäre daher „aufrichtiger" und „ehrlicher" zu gestalten, wenn es tatsächlich auch mit den Kategorien des Wesens oder des Begriffs, nicht aber mit den Kategorien des Seins seinen Anfang nehmen würde. Da der Begriff als das absolute Prius des Logischen das allgemeinste und, wenn so zwar das allgemein spezifischste überhaupt, so darum gerade eben auch das 'im Konkreten unspezifischste Prinzip desselben stellt, wäre allerdings mit der Umstellung der Begriffslogik an den Anfang der Logik nicht viel für

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Die „Wissenschaft der Logik" und die Realphilosophie

die konkrete Explikation der faktisch gültigen Entwicklungsprinzipien dieser Logik gewonnen. Anders verhält es sich jedoch mit der Wesenslogik. Sie expliziert die konkrete Seite der Methode, die Dialektik, d.h. zugleich eben die konkreten Seiten sowohl der abstrakten Logizität des Seins als auch der spekulativen Logizität des Begriffs. Ihr Inhalt umfaßt von daher die Konkretion der fundamentalen Konstitutionsprinzipien der ganzen Methode, ist schon „die Abhandlung der wesentlichen sich setzenden Einheit (III) der Unmittelbarkeit (I) und der Vermittlung (II)" (Enz, §65 HZus; Einfügungen in Klammern v. Verf.) und so „an sich schon die Idee" des Logischen überhaupt (Enz, §241), selbst wenn, nein gerade weil hier die unmittelbare und die vermittelte und vermittelnde Komponente dieser Idee noch nicht absolut zusammengebracht' und in ihrem Unterschied noch als Selbständige angenommen', nur durch ein ,auch' verbunden und so noch bloß,relativ' außereinander gehalten sind (vgl. Enz, § 114 HZus), denn diese noch ständige Inadäquation beider macht ja gerade die reale systematische Entwicklung des Begriffs zum Inbegriff der absoluten Methode in der Logik aus, d.h. im Grunde die konkrete Entwicklung der Logik als Logik, die Realisation des Methodischen der absoluten Methode 411 . Bei dieser absoluten Dominanz des Wesentlichen und Dialektischen im Konkreten der Methode, oder wie Hegel auch selber ausführt: wo es sich zeigt, daß eigentlich „das Dialektische die bewegende Seele des wissenschaftlichen Fortgehens ausmacht und das Prinzip ist, wodurch allein immanenter Zusammenhang und Notwendigkeit in den Inhalt der Wissenschaft kommt" (Enz, § 81 HZus) 4 1 2 , wäre es nur folgerichtig, ja im Grunde zwingend, daß die systematische Darstellung der logischen Methode sich auch explizit in erster Linie auf die Logizität des Wesens, d.h. die Kategorien der Wesenslogik, bezöge, nicht aber die Scheinentwicklung konstruiere, als ob die Dominanz immanenter Negativität und dialektischer Negationsprinzipien sich absolut zwangsläufig aus der Selbstreflexion der Unzulänglichkeit seinskategorialer Logizität von selbst für das Logische als die fundamentalen Konstituentien seiner absoluten Wahrheitsgeltung einstellten, obgleich diese

411

412

Dieser Sachverhalt ist von uns schon mehrfach unter den verschiedensten Perspektiven erörtert und näher bestimmt worden; siehe: Anm. 230 u. Anm. 238, 3.2.1.4., 4.1.1.2., 4.1.1.4. Vgl. auch .Zusatz 1' zu § 81, WW VIII, 190: „Das Dialektische gehörig aufzufassen und zu erkennen, ist von der höchsten Wichtigkeit. Es ist dasselbe überhaupt das Princip aller Bewegung, alles Lebens und aller Bethätigung in der Wirklichkeit. Eben so ist das Dialektische auch die Seele alles wahrhaft wissenschaftlichen Erkennens".

Allgemeine Formprinzipien der logisch-spekulativen Methode

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Wahrheitsgeltung tatsächlich allein darauf beruht, daß das Wesentliche der Logik nur das bestätigt, was ihm schon immer vorausgesetzt war 4 1 3 . Diese hier ausgeführte Verkehrung in der Hegeischen Logik von vorgeführter Systematik und tatsächlichem Gehalt hat gerade wieder in neuerer Zeit bei W. Becker eine fundamentale Kritik erfahren, die hier kurz skizziert sein soll, weil über sie durchaus weitergehende Einsichten über strukturale Eigenheiten der Hegeischen Methode zu gewinnen sind 4 1 4 . Becker stellt fest, daß die im System der Hegeischen Logik als erstes vorgestellten Kategorien nicht tatsächlich auch die ersten und grundlegendsten Kategorien des reinen Denkens sind, daß ihrer Entwicklung vielmehr schon immer eine bestimmte Kategorialität zugrunde liegt, die noch fundamentaler zu denken ist und von deren latenter Anwendung auf diese „ersten" Kategorien allein die scheinbare Eigenentwicklung derselben abhängt. Zwar werden diese fundamentalsten Kategorien zum Teil an jeweils späteren Systemstellen dieser Logik auch eigens thematisch, dabei aber selber gerade nicht hinsichtlich der funktionalen Bedingung ihrer latenten Anwendung innerhalb dieser Logik begründet; daher muß ihnen ein apriorischer Status im logischen Denken zugesprochen werden. Becker unterscheidet so zwei Arten von Kategorien in Hegels Logik: apriorische Kategorien, — das sind solche, die eine ambivalente Funktion erfüllen, die zum einen für die dialektische Entwicklung der Logik von vornherein notwendig und somit derselben immer schon vorausgesetzt, in dieser ihrer vorausgesetzten Funktionalität und Notwendigkeit für die Logik selber aber nicht in derselben begründet sind, weil sie zum anderen zusätzlich nur an einer bestimmten Systemstelle der Logik expliziert und als nur an dieser geltend gesetzt sind —, und aposteriorische Kategorien, — das sind allererst im Gang der Logik auftretende, die apriorische Dialektikstruktur der logischen Begriffsentwicklung affirmierende Kategorien. Den apriorischen Kategorien sind nach Becker Kategorien zuzurechnen wie etwa .Vermittlung' und ,Un413

4,4

Vgl. Gadamer, Die Idee der Hegeischen Logik, in: Hegels Dialektik, 4 9 - 6 9 , 55: Es gibt „einen Unterschied zwischen den operativen Begriffen des Denkens und ihrer Thematisierung. So ist es einleuchtend, daß man die Kategorien des Wesens, z. B. die Reflexionsbestimmungen, immer schon gebrauchen muß, wenn man überhaupt Aussagen machen soll. Man kann nicht einen Satz sagen, ohne darin die Kategorien der Identität und der Verschiedenheit schon ins Spiel zu bringen. Gleichwohl beginnt Hegel seine ,Logik' nicht mit den Kategorien der Identität und des Unterschieds". Dieser Skizze sind vor allem folgende drei Arbeiten Beckers zugrunde gelegt: Hegels Begriff der Dialektik und das Prinzip des Idealismus (1969); Uber den Doppelcharakter der Kategorien der dialektischen Logik (1968), in: (ders.) Selbstbewußtsein u. Spekulation, 124—133; Das Problem der Selbstanwendung im Kategorienverständnis der dialektischen Logik (1971), ibid. 1 3 4 - 1 4 2 .

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Die „Wissenschaft der L o g i k " und die Realphilosophie

mittelbarkeit', ,Gegensatz' und ,Widerspruch', .Identität' und ,Nichtidentität', .Position', .Affirmation' und ,Negation'. Hier wird deutlich, daß diese Kategorien im Grunde alle Hegels wesenslogische Kategorialität widerspiegeln, denn sie sind wohl auseinander zu halten, stellen aber eben Begriffspaare dar, wobei eine Kategorie in ihrer Bestimmtheit jeweils schon immer die andere als ihre bestimmte Negation miterschließt. Aufgrund dessen ist nunmehr das Apriori der Hegeischen Logik noch näher zu bestimmen: es ist die durchgängige Präsenz konträrer und kontradiktorischer Entgegensetzung in einem jeden logischen Begriff, die Vermischung konträrer und kontradiktorischer Gegensätze in einer jeden logischen Sphäre überhaupt, ja selbst an einer jeden Systemstelle der Logik. Von daher kann dann z.B. die bloße ,Andersheit' der seinskategorialen Logizität bei Hegel nur noch als eine fingierte zur Geltung kommen, als eine künstliche Entleerung der seinslogischen Begriffe, die ganz bewußt vorgenommen ist, um diese Begriffe später in „ihrer" Entwicklung füllen zu können und „an sich" reicher werden zu lassen; im Grunde genommen ist aber auch diesen Begriffen in ihrer scheinbar abstrakten Bestimmung schon immer ein viel weitergehenderes Apriori zueigen, sind sie an sich schon immer sich negierende, wo sie für sich nur andere sein sollen 415 . Damit fällt freilich ganz folgerichtig für Becker das in der sonstigen Hegel-Interpretation stets so betonte Stellenwertargument, dem sich ja doch gerade die hier von uns vorgelegte Arbeit — sogar auch noch in ganz besonderem Maße — verpflichtet, völlig flach, denn die Systematik der Hegeischen Logik kann aufgrund dieser Einsichten nun keinesfalls mehr so einfach als die Immanenz der notwendigen Selbstdarstellung des Gegenstandes, dem sie und für den sie gilt, akzeptiert werden; vielmehr erscheint sie so in der Verschleierung ihres Apriori als eine mehr oder weniger gelungene, auf jeden Fall aber willkürliche Konstruktion, die weniger willkürlich konstruiert einzig aufgrund dessen ist, daß Hegel mit ihr die Intention verbindet, ein ganz bestimmtes, logisches Resultat, das von vornherein feststeht, auch logisch zu „beweisen", was ja immerhin eine gewisse Stringenz des Gedankens erfordert. Diese den absoluten Gültigkeitsanspruch der Hegeischen Logik so gründlich relativierenden Erkenntnisse haben insgesamt den einen Mangel, die lineare Darstellungssystematik der konkreten Entwicklung dieser Logik zu verabsolutieren und eine jede bestimmte Systemstelle derselben stets im Ganzen ihres eigenen logischen Gehaltes zu isolieren, somit dieses Ganze nicht schon im Zusammenhang mit einem übergreifenderen Sinn in der 415

Siehe oben, 212ff (insbesondere auch Anm. 355).

Allgemeine Formprinzipien der logisch-spekulativen Methode

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Bestimmtheit seines einzelnen systematischen Ortes als ein bestimmtes Ganzes des Logischen überhaupt zu akzeptieren, obwohl es und gerade indem es als ein ,immer schon von solcher Art Seiendes' identifiziert wird. Hegel selbst hat immer wieder betont, daß die ganze leidige Untergliederung und Einteilung der Logik wie auch der philosophischen Wissenschaft überhaupt die falsche Vorstellung erzeugt, als ob es sich hier in der Tat nicht nur um ein bloß äußerliches Nach- und Nebeneinander von Denkbestimmungen handele (vgl. z.B. Enz, § 18 HZus). Allerdings ist die Philosophie nun einmal als eine sprachliche Darstellung ihres Gegenstandes zwangsläufig dem Nach- und Nebeneinander des Aussagens in Sätzen, d.h. einem linearen und isolierenden Sprachduktus angepaßt. Jedoch gilt es insbesondere für das Verständnis der Hegeischen Philosophie, gerade davon auch zu abstrahieren. So ist für diese Philosophie nicht allein die Rektifikation ihrer linearen Gestaltung, sondern vor allem die Einsicht in den zirkulären Aussagegehalt derselben viel wesentlicher und letztenendes auch für die Affirmation der bestimmten Linearität derselben ausschlaggebend (vgl. oben, Anm. 210). Daher ist die Frage, ob im Anfang ihrer Logik nun auch das wirklich Anfängliche ihres logischen Denkens dargestellt sei, ein ihr überhaupt schon unangemessenes Fragen. Selbst ihr absoluter Anfang hat schon nicht den Status eines solchen bloß Anfänglichen; er ist ein solches Anfängliches überhaupt nur, insoweit er einzig als ,der absolute Anfang des Systems und weiter nichts' statuiert sein soll, in Wahrheit aber schon ein Resultierendes aus einer Mannigfaltigkeit von Perspektiven und als ein Absolutes bereits so vollbestimmt, daß sogar alles Weitere dieser Philosophie nur als eine nähere Explikation ihres absoluten Anfangs angesehen werden kann 416 . Infolgedessen läuft auch die weitere Forderung der faktischen Absenz von Vermittlungsstrukturen in ihrer ganzen Unmittelbarkeitssphäre seinslogischer Bestimmungen ins Leere, denn diese Philosophie offenbart gerade, daß es im Grunde „nichts gibt, nichts im Himmel oder in der Natur oder im Geiste oder wo es sei, was nicht ebenso die Unmittelbarkeit enthält als die Vermittlung, so daß sich diese beiden Bestimmungen als ungetrennt und untrennbar und jener Gegensatz sich als ein Nichtiges zeigt" (WL I, 52). Somit kann die Unmittelbarkeit der Seinslogik überhaupt nur als eine im ganzen intentionale gedacht werden, so daß in Wahrheit deren „ursprüngliche Selbständigkeit und Identität mit sich nur als das resultierende, unendliche Zusammengehen mit sich ist" (WL I, 398), sich dafür die Begründung aber findet in der zwar formal systematisch 416

Siehe dazu unsere Ausführungen oben: 2 2 0 f u. Punkt 3 . 2 . 1 . 2 .

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Die „Wissenschaft der Logik" und die Realphilosophie

späteren, jedoch tatsächlich und wirklich früheren, unmittelbaren Faktizität wesenslogischer Kate gorialität im Gedanken, weil dieser sich objektiv und konkret allein als dialektisches ( = wesentliches) Denken erfährt (vgl. oben, Anm. 221). Die Konsequenz liegt auf der Hand: „echte" Unmittelbarkeit ist im System dieser Philosophie nirgendwo gegeben, auch nicht im Anfänglichen ihres rein logischen Systems; sie ist vor allen Dingen hier auch gar nicht bezweckt, vielmehr nur als scheinbare beabsichtigt und auch realisiert, denn es zeigt sich ja gerade innerhalb und an der Entwicklung der reinen Logizität dieses Systems, daß einer jeden als unmittelbar zu begreifenden Denkbestimmung stets und schon immer, konkret und prinzipiell, sowohl interne Negativität und relative Vermittlung (das Konkrete des Dialektischen) als auch in sich differenzierte und selbstreflexive ( = relationale) Identität (das absolute Prinzip des Spekulativen) inhärieren, d.h. daß eine solche schon stets eine Gestalt der logischen Idee dieses Systems überhaupt ist (vgl. W L II, 504). Demnach offenbart der Vorwurf, daß eine jede Bestimmung der Hegelschen Logik immer schon auf eine bestimmte Weise logisch reicher ist, als sie sein dürfte, wenn ihr wirklicher Gehalt schon absolut mit dem systematischen Ort ihrer ureigensten Darstellung zusammentreffen würde, keine Antithese zu Hegels Logik, sondern übernimmt im Gegenteil die eigene These dieser Logik, wendet diese aber selbst noch einmal kritisch über die Analyse des Verhältnisses von Seinslogik (Systematisch-I) und Wesenslogik (Systematisch-II), d.i. über die Analyse der Darstellungsproblematik unmittelbarer und vermittelter Logizität im Denken. Dabei berührt dieser Vorwurf aber in der Tat einen wesentlichen Aspekt des Hegeischen Begriffs von Logik und somit des Hegeischen Methodenbegriffs überhaupt: den Sachverhalt nämlich, daß hier die linear realisierte Systematik der rein logischen Begriffsentwicklung dem faktischen Bestand der Realität des logischen Denkens nicht entspricht, oder noch anders formuliert: daß die konkrete Form der logischen Systematik (d. i. das System der Begriffe) nicht schon immer und überhaupt ständig mit der Faktizität ihres konkreten Gegenstandes (d. i. die Wirklichkeit des Vollsinns desselben in seiner Begriffsnatur), der sie im Grunde gilt, absolut deckungsgleich ist. Aufgrund dessen ist nunmehr freilich das allgemeine und speziell auch methodische Postulat der Hegeischen Philosophie, daß diese eben an sich bloß ein selbst untätiges Nachzeichnen der Selbstentwicklung ihrer Gegenstände sei, differenzierter aufzufassen. Es zeigt sich hier, daß diese Philosophie tatsächlich nicht gänzlich untätig bleibt, daß ihr Wissen grundsätzlich nur „in dieser scheinbaren Untätigkeit besteht, welche nur betrachtet, wie das Unter-

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schiedne sich an ihm selbst bewegt, und in seine Einheit zurückkehrt" (Phän, 561 ; Hervorhebung v. Verf.), d. h. daß sie zu ihrer Gegenstandsentwicklung durchaus auch etwas beiträgt, nämlich die logisch systematische Konstruktion derselben, wobei, — da diese Konstruktion identisch ist mit dem Konstruktionsprinzip, das die Entwicklung ihrer Gegenstände gemäß der internen Begriffsstruktur derselben an die Hand gibt —, sich das begrifflich Spätere nicht generell als das auch faktisch Spätere erweist, der spätere Begriff nicht schon immer auch faktisch ein zeitliches Nachher der Erkenntnis und des Wissens meint. Im Gegenteil: „In der Wirklichkeit ist. . . die wissende Substanz früher da, als die Form oder Begriffsgestalt derselben" (Phän, 557); einzig „in spekulativerem Sinn ist die Weise des Daseins eines Begriffes und seine Bestimmtheit eins und dasselbe. Es ist aber zu bemerken, daß die Momente, deren Resultat eine weiter bestimmte Form ist, ihm als Begriffsbestimmungen in der wissenschaftlichen Entwickelung der Idee vorangehen, aber nicht in der zeitlichen Entwicklung als Gestaltungen ihm vorausgehen" (Rph, § 32 HZus).

Die methodische Untätigkeit der Hegeischen Philosophie ist somit gerade nicht auf Anhieb in der logischen, d.h. begrifflichen, Systematik derselben zu finden; vielmehr stellt deren logische Systematik gerade ihr methodisches Tätigkeitsfeld, in welchem sie ihren Gegenstandsbereich nach der Form seiner Begriffsimmanenz darstellt, d.h. denselben nach den Graden und Hierarchien der kategorialen Implikationen seiner Begrifflichkeit, nicht nach seiner naturwüchsig unmittelbaren Augenscheinlichkeit organisiert. Infolgedessen nimmt auch der Aufbau dieser Organisation seinen Ausgang nicht von einem Unmittelbaren der sinnlichen Anschauung oder der ,VorStellung', sondern von einem Unmittelbaren des ,Denkens', das in Wahrheit immer schon ,Resultat' von faktisch bereits Gedachtem, somit nicht das natürliche Erste des wirklichen Denkverfahrens ist (vgl.: WL II, 488; WL I, 53), denn dieses Denkverfahren obliegt hier nicht dem Mißverstand, „als ob das natürliche Prinzip oder der Anfang, von dem in der natürlichen Entwicklung oder in der Geschichte des sich bildenden Individuums ausgegangen wird, das Wahre und im B e g r i f f e

Erste sei" (WL II, 226).

Dieses ist nur für das bloße Bewußtsein der Fall, jedoch keinesfalls „für den freien Geist, der vom bloßen Bewußtsein wohl unterschieden werden muß" (Rph, § 42 HZus).

In der Tat aber „erscheint nur dem Bewußtsein, das selbst zuerst äußerlich und damit unmittelbar ist, d. i. dem sinnlichen Bewußtsein", überhaupt „die Natur als das Erste, Unmittelbare, Seiende" (Enz, § 248 HZus),

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Die „Wissenschaft der Logik" und die Realphilosophie

weil das Bewußtsein stets darauf insistiert, daß „das Ganze, aber unbegriffene, früher als die Momente ist" (Phän, 558),

wohingegen der Entwicklungsgang de dadurch bestimmt ist,

der begrifflichen

Erkenntnis selbst gera-

daß „in dem Begriffe, der sich als Begriff weiß, die Momente früher auftreten als das erfüllte Ganze, dessen Werden die Bewegung jener Momente ist" (ibid.).

Gegen diesen begrifflichen (d. i. logischen) Gang im Wissenschaftlichen „kann etwa gemeint werden, weil das Anschauen leichter sei als das Erkennen, so sei auch das Anschaubare, also die konkrete Wirklichkeit, zum Anfang der Wissenschaft zu machen, und dieser Gang sei naturgemäßer als der, welcher vom Gegenstand in seiner Abstraktion beginnt und von da umgekehrt zu dessen Besonderung und konkreten Vereinzelung fortgeht. - Indem aber erkannt werden soll, so ist die Vergleichung mit der Anschauung bereits entschieden und aufgegeben, und es kann nur die Frage sein, was innerhalb des Erkennens das Erste und wie die Folge beschaffen sein soll" (WL II, 458f).

Insofern also von der Philosophie überhaupt Erkenntnis gefordert wird, wird zugleich auch ein nicht mehr,naturgemäßer', sondern ein ,erkenntnisgemäßer' Weg der Entwicklung ihres Wissens verlangt (vgl. ibid.). Letzterer ist in der Hegeischen Philosophie mit der bestimmten, in dieser selber konstruierten logischen Organisation des ideellen Denkens des Begriffs identisch und hier als der einzig gangbare Weg für das Erkennen der Wahrheit herausgestellt, der eben — als ein konstruierter und konstruierender — generell Wahrheit nicht schon als einen Naturzustand überhaupt, oder etwa auch als eine urwüchsige Geistigkeit im unmittelbaren Naturzustand, sondern als ein Vermitteltes, als ein Resultat konstruktiver Geistestätigkeit ausweist (vgl. oben, 2 . 2 . 1 . ) ; dem inhäriert, daß auch der absolute Anfang wie auch das allgemein Anfängliche dieser Wahrheitskonzeption überhaupt schon ein Konstruiertes sein muß und somit kein evident Unmittelbares mehr sein kann. Aufgrund dieser Einsicht in das Wahre muß das philosophische Selbstverständnis Hegels zu dem Schluß kommen, daß man allerdings nur dann, „wenn es nicht um die Wahrheit, sondern nur um die Historie zu tun ist, wie es im Vorstellen und dem erscheinenden Denken zugehe, bei der Erzählung stehen bleiben kann, daß wir mit Gefühlen und Anschauungen anfangen und der Verstand aus dem mannigfaltigen derselben eine Allgemeinheit oder ein Abstraktes herausziehe und begreiflich jene Grundlage dafür nötig habe, welche bei diesem Abstrahieren noch in der ganzen Realität, mit welcher sie sich zuerst zeigte, dem Vorstellen stehenbleibe. Aber die Philosophie soll keine Erzählung dessen sein, was geschieht, sondern eine Erkenntnis dessen, was wahr darin ist, und aus dem Wahren soll sie ferner das begreifen, was in der Erzählung als ein bloßes Geschehen erscheint" (vgl. WL II, 226).

Allgemeine Formprinzipien der logisch-spekulativen Methode

261

Von der Basis dieses philosophischen Selbstverständnisses aus ist nunmehr für das allgemein Methodische der konkreten Darstellung der Hegelschen Philosophie und für die objektive Geltung dieser Darstellung das Doppelte zu folgern: 1. Der „Erzählgang" dieser Darstellung ist kein bloßes Nachzeichnen oder Nacherzählen des Faktischen, sondern folgt einer bestimmten Konstruktion, wobei das Faktische durch die begriffliche Systematik derselben, d.h. durch die logische Methode, in seiner unmittelbaren und bloß natürlichen Wirklichkeit verstellt wird 4 1 7 . 2. Da die Hegeische Philosophie dadurch, daß sie von der bloßen Natürlichkeit und ersten unmittelbaren Augenscheinlichkeit ihres Gegenstandsbereiches absieht und denselben auf den ihm immanenten Begriff re-duziert, gerade das zutage fördert, was dem wahren Wissen von Gegenständlichkeit überhaupt und somit auch der Gegenständlichkeit ihres Denkobjektes überhaupt objektiv gegenständlich inhäriert, kommt insbesondere der logischen Konstruktion ihres Gegenstandsbereiches, kommt insofern — und nur insofern — gerade ihrem bestimmten systematischen Verstellen des Faktischen in dessen Begriff die Geltung zu, die absolute Darstellung der wahren Wirklichkeit desselben zu leisten, d.h. in ihrem Logischen auch die eigentümliche Wahrheit ihres faktischen Gegenstandsbereiches, denselben hier auch in seiner objektiven Faktizität absolut zu erstellen (vgl. WL II, 485ff), was eben keinesfalls die irrige Vorstellung beinhaltet, daß hier etwa die Gegenstände allererst in ihrer logischen Entwicklung gewissermaßen erzeugt würden, oder auch umgekehrt: daß hier etwa der Gegenstand aus sich selber heraus logisch zu sprechen begänne und sich so seinen Begriff selber erzeuge 418 . Einzig über die ständige Reflexion und Konkretion des Spannungsfeldes dieses methodologischen Doppelaspekts, Methode zum einen als ein logisch systematisches Konstruieren im Begriffe und zum anderen als ein absolutes Angepaßtsein an die Eigenbestimmtheit der Gegenstandswelt, der sie gilt, zu begreifen, kann die Methode Hegels sich als die allgemeine Natur des Wissenschaftlichen überhaupt, d . h . zugleich: als die Methode der Philoso4,7

Vgl. Adorno, Drei Studien zu Hegel, 70: „Hegels Ansatz steht insgesamt quer zum Programm unmittelbaren Hinnehmens des sogenannten Gegebenen als unverrückbarer Basis von Erkenntnis". — Zur Bedeutung, die dieses Verstellen des Faktischen durch das Systematische sowohl für die bestimmte Organisation der „Rechtsphilosophie" als auch für das Verhältnis von „Phänomenologie" und „Enzyklopädie" erhält, vgl. oben: 1.3.3. (insbesondere hier auch Anm. 33), 38ff u. den Exkurs unter Punkt 3.2.3.3. 418 Vgl. oben, lOOff (insbesondere auch Anm. 172).

262

Die „Wissenschaft der Logik" und die Realphilosophie

phie, behaupten; diese ist so generell und prinzipiell durch das Zwiefache gekennzeichnet, „teils von dem Inhalte ungetrennt zu sein, teils sich durch sich selbst ihren Rhythmus zu bestimmen" (Phän, 47), wodurch sich das philosophische System Hegels ganz allgemein ebensowenig als eine wissenschaftliche Dachorganisation' zeigt, wie es auf der anderen Seite auch nicht nur ein ,Konglomerat genialer Beobachtungen' ist 419 . Dieser hier herausgestellte, die Methode der Hegeischen Philosophie generell konstituierende Sachverhalt, eben daß die logische Systematik derselben keinesfalls schon immer ihrer gehaltlichen Faktizität vollkommen angemessen ist, oder mit Hegeischen Zentraltermini ausgedrückt: daß in ihr nicht die Form ihrer Darstellung mit dem dargestellten Inhalt überhaupt schon immer zusammenfällt und beide so überhaupt allgemein absolut deckungsgleich sind, fordert speziell für das Verständnis der rein logischen Wissenschaft Hegels, daß der in dieser dargestellte Weg der systematischen Entwicklung der Logizität des Denkens nicht mit einem tatsächlich sich auch allererst stufenweise einstellenden Begriff vom logischen Denken überhaupt und seinen kategorialen Fundamentalimplikationen identifiziert wird. Dieser Weg setzt vielmehr den Begriff dieses Denkens faktisch schon voraus : allgemein faktisch teils von seiner phänomenologischen Propädeutik und teils von seiner innersystematischen Zirkelhaftigkeit selbst, d.i. näher von der eigenen Begriffslogik (logisch systematisch III = die zweite Prämisse als das absolute Prius des Spekulativen) her, faktisch konkret von der dialektischen Wirklichkeit des wahrhaften Denkens überhaupt, d. i. näher von der eigenen Wesenslogik (logisch systematisch II = die erste Prämisse als das konkrete Prius des Dialektischen) her (vgl. oben, 246f). Daher ist es nicht verwunderlich, wenn dieser Weg auch anfänglich schon faktisch weiter ist, als er systematisch sein dürfte, wenn er sich insbesondere schon immer über seine dialektische Bestimmtheit konstituiert; denn da er sich über seine Systematik gerade in seiner Konkretheit ausführt, ist auch gerade das wesentlich Dialektische als der Grund dieser Konkretheit sein unmittelbar Konkretes und so auch im Grunde sein faktisch Erstes. Diese sich hier offenbarende, relative Umkehrbarkeit der Systematik der Hegeischen Logik, zum einen unter der Perspektive ihrer rein logischen Grundlegung mit dem Sein, zum anderen unter der Perspektive ihrer faktischen Grundlage mit dem Wesen beginnen zu können, darf keinesfalls zu dem Trugschluß führen,

419

Vgl. Adorno, a . a . O . , 15; ferner auch ibid., 17: „So weit von einem Realismus bei Hegel die Rede sein kann, liegt er im Zug seines Idealismus, ist nicht diesem heterogen".

Allgemeine Formprinzipien der logisch-spekulativen Methode

263

1. als könne hier die eine gegen die andere Perspektive grundsätzlich ausgespielt werden. Das hieße, überhaupt den Vollsinn der Hegeischen Methode zu ignorieren, deren Spannungsverhältnis von logischem Prinzip (Form) und Eigenprinzipiierung des Faktischen (Inhalt) aufzulösen und beides zu isolieren, d . i . aus der spekulativen Logik überhaupt eine Verstandeslogik, „eine Historie von mancherlei zusammengestellten Gedankenbestimmungen, die in ihrer Endlichkeit als etwas unendliches gelten", zu machen (Enz, § 82 HZus), obwohl diese als ein Teil der wahrhaften Philosophie mit Historie und verstehender „ N a c h e r z ä h l u n g " nichts zu tun hat, sondern einzig mit einer konstruktiven Entwicklung der Vernunft, in der gerade das Widersprüchliche und sich wechselseitig Ausschließende in der einzig relationalen Identität seiner endlichen Bestimmtheit untereinander vermittelt w i r d , was beinhaltet, daß weder nur das Sein noch nur das Wesen den wahrhaften Anfang dieser Logik zu stellen vermögen, weil sie im Grunde der Wahrheit ihres Unterschieds immer schon ,Durchmischte' sind. 2. als wäre die Wahl des Ausgangspunktes für die Hegeische Logik überhaupt gleichgültig. Der zweite Aspekt übersieht, daß, weil gerade nicht das faktische, sondern logisch-systematische Prinzip der Gestalt der Hegeischen Philosophie den ureigensten Inhalt der Logik ausmacht und hier die Begründung seiner allgemeinen Verbindlichkeit für die Darstellung der wahren Wissenschaft erfährt, die Reflexion dieses Inhalts in der Form desselben — das absolute Postulat der wahrhaften Methode — in höchstem Maße diese Form selber dazu nötigt 4 2 0 , sich schon von vornherein einer logisch bestimmten, systematisch konstruierten, nicht einer faktisch gegebenen Organisation des Gedankens zu unterwerfen, will sie ihrem Inhalt, der absoluten Begründung der wahren Form des wissenschaftlichen Denkens, nicht die eigene Grundlage entziehen (vgl. oben, 146 u. A n m . 221). Das Stellenwertargument kommt somit innerhalb der Hegeischen Logik und damit auch innerhalb des ganzen Bereichs der Hegeischen Wissenschaft — weil dieser Bereich im ganzen überhaupt ein logischer ist — durchaus zum Tragen 4 2 1 : da 420

421

,In höchstem Maße' insofern, als hier das Formale des Denkens von seinem Inhalt im Grunde überhaupt nicht zu unterscheiden ist, denn dieses wird sich im rein Logischen selbst zum Inhalt (vgl. oben, 3 . 2 . 1 . 1 . ) . Vgl. dazu auch H. F. Fulda, Das Problem einer Einleitung in Hegels .Wissenschaft der Logik', 1 1 1 : „ D e r Hinweis auf die Kreisstruktur, innerhalb deren jede philosophische Wissenschaft ein Glied sein soll, kann . . . nicht besagen, daß die Philosophie nur als anfangs- und endloses Ganzes zu definieren ist. Er muß die Möglichkeit einer Differenz

264

Die „Wissenschaft der L o g i k " und die Realphilosophie

Hegels Logik in der konkreten Explikation der absoluten Methode der Wissenschaft gerade nicht einer urwüchsigen Selbstentfaltung des Denkens Raum gibt, vielmehr mit ihrem systematischen Inhalt selbst den systematischen Bedingungen des Organisationsprinzips unterliegt, dessen bestimmte und bestimmende Darstellung sie sich selber zur Aufgabe gemacht hat, nämlich das Denken als logisches von seinen geringsten kategorialen Implikationen zu seinen umfassenderen und reicheren hin stringent zu entwickeln — wobei sich eben die Stringenz dieser Entwicklung als überhaupt einzig logisch und daher als der einzig gangbare Weg einer wahrhaft wissenschaftlichen Methode, d. h. zugleich des wahrhaft wissenschaftlichen Denkens überhaupt, und damit auch zugleich als die allgemeine Systematik der Hegeischen Wissenschaft, als die logische Form derselben überhaupt erweist —, kann sie allein auch nur mit der noch geringsten, eben allererst noch einzig abstrakten Kategorialität des logischen Systematisch-I, der seinslogischen Kategorialität des reinen Denkens, ihren Ausgang nehmen, obwohl dieser Ausgang gerade aufgrund dessen als „nur" und „rein" abstrakt zu begreifen ist, weil er von einer ihm bereits faktisch vorausgesetzten, reicheren Kategorialität abstrahiert und sich abstrahieren läßt, insofern von dieser überhaupt abstrahiert werden soll, insofern überhaupt ein logischer Anfang sein soll, woraufhin er eben nicht als ein naturwüchsig notwendiges Erstes des Denkens zu nehmen ist, sondern einzig in der Notwendigkeit gründet, die sich dort einstellt, wo sich das Denken aus einem ,freien Akt' dazu bestimmt, ausgehend von seiner abstraktesten Gestalt sich seinen Begriff vom wahren Wissen und dieses Wissen selbst in der ganzen Fülle seiner konkreten Implikationen exakt zu erschließen (vgl. Enz: § 17 u. §78 HZus).

4.2.

Die Methode der Logik und die Logik der Methode

Sowohl Hegels fundamentale Prinzipien als auch sein allgemeiner Begriff der streng wissenschaftlichen und einzig wahrhaften Methode des philosophischen Denkens sind zunächst anhand jener Disziplin seiner Philosophie expliziert worden, in der sich vors erste das Ganze dieser Methode selbst nur den absoluten Begriff seines rein Methodischen vermittelt, — d.i. anhand Hegels rein logischer Wissenschaft, anhand der „Wissenschaft der offen lassen zwischen der Philosophie als bestehendem Kreis, in dem kein Glied vor einem anderen Vorrang hat, und ihr als Kreisgang, in dem es notwendig ein erstes und letztes und eine eindeutig bestimmte Kreisordnung gibt".

Die Methode der Logik und die Logik der Methode

265

Logik". Da diese Logik aber den in ihr sich gründenden und begründeten Begriff von Methode als die allgemeine Grundlage und als das methodisch Universelle des ganzen Wissenschaftssystems der Philosophie auslegt, so ist zumal dann, wenn es sich zusätzlich auch noch von der Ausführung dieses Systems selbst her zeigt, daß es hier eben „die N a t u r der Sache mit sich bringt, daß der logische Zusammenhang die Grundlage bleiben mußte" (Enz, 3), ihr Methodenbegriff überhaupt auch für die gesamte Darstellung dieses Systems konstitutiv. Somit ist die ganze Entwicklung von Hegels enzyklopädischem System der Philosophie durch das sich in der Logik schon manifestierende Spannungsverhältnis von logischer Systematik (bestimmter Form des Begriffs) und gehaltlicher Faktizität (wirklichem Inhalt des bestimmten Gedankens) gekennzeichnet, oder mit den Zentraltermini der ideellen Grundbestimmung dieses Systems ausgedrückt: generell durch das Spannungsverhältnis von Begriff und Realität in der Weise, wie dieses die absolute Idee der Methode des enzyklopädischen Systems überhaupt stellt. Diesem Sachverhalt inhärieren folgende Konsequenzen: wenn es sich bereits bei und auch gerade trotz der Selbstanwendung dieser Methode auf die konkrete Darstellung des rein Methodischen derselben zeigt, daß a) sogar selbst schon hier zwischen dem rein Formalen der logischen Systematik des Begriffs und der Faktizität der rein logischen Realität des Denkens durchaus ein konkretes Verhältnis der Inadäquation zu konstatieren ist, obwohl eben hier gerade ein Unterschied von Begriff und Realität prinzipiell nicht gegeben sein soll (s. oben, 182ff), daß daher b) schon hier expliziert wird, inwiefern sich der Methodenbegriff der wahren Wissenschaft dagegen sperren muß, Methode überhaupt nur im Sinne eines universellen Verfahrens gemäß der Anwendung eines schematischen Formalismus auf faktisch Gegebenes zu denken, dann muß a) die rein logische Systematik des Begriffs als das im ganzen Allgemeine der Formen des wahrhaften Denkens überhaupt sich auch umsomehr einer angemessenen Darstellung der faktischen Realität weiterer, „außerlogischer" (d.h. nicht mehr nur rein logischer) Bereiche dieses Denkens inadäquat zeigen, zumal diese weitere Realität noch eine Eigenqualifikation aufweisen soll, welche nicht allein durch die Prinzipien ihrer Logizität vollständig abzudecken ist (s. oben, 184ff), was eben bedeutet, daß b) die in der Logik entwickelte Systematik der Kategorialität des wahren Denkens zwar als das Allgemeine der wissenschaftlichen Gestaltung des enzyklopädischen Systems aufzufassen ist, aber nicht schon überhaupt ein absolut unmodifizierbares Schema völlig regelmäßiger Methodenprinzipien an die Hand gibt, welches nur auf die Realsystematik dieses Systems zu übertragen und somit hier bloß zur Anwendung zu

266

Die „Wissenschaft der L o g i k " und die Realphilosophie

bringen wäre. Darin liegt ferner die Konsequenz, daß c) das, was Hegel unter Methode überhaupt verstanden wissen will, auch in den realsystematischen Sphären der „ E n z y k l o p ä d i e " eine eigene Weiterbestimmung erfährt, denn deren Entwicklung basiert ja ebenso wie die Entwicklung der Logik selbst auf dem spannungsvollen Verhältnis zwischen einem kategorial konstruierten Ordnungsprinzip und einer faktischen Selbstorganisation ihres Gegenstandsbereiches, d. h. auf jenem ambivalenten Verhältnis, das an sich die Konkretion des Vollsinns der N a t u r der absoluten Methode beinhaltet: wenn die Hegeische Methode sich allgemein dadurch definiert, teils einem eigenen Rhythmus zu unterliegen und teils von dem Inhalt, dem sie gilt, nicht unterschieden zu sein (vgl. Phän, 47), dann trägt auch die Realsystematik der „ E n z y k l o p ä d i e " eine konkrete Erweiterung der allgemeinen Definition dieser Methode und damit eben überhaupt zu einer bestimmten Weiterentwicklung derselben bei, denn sie ist methodisch ebenso ambivalent bestimmt, wie die Bestimmung der Methode in der Logik selbst: sie folgt teils einem eigenen Rhythmus — d . i . das Allgemeine ihrer bestimmten Logizität — , teils den selbstkonstitutiven Implikationen ihres Inhaltes — d. i. das jeweils Besondere ihres bestimmten Gegenstandsbereiches —, ist so nicht nur eine Bereicherung an reelleren und konkreteren Hinsichten dieser Methode, sondern auch eine Bereicherung des rein Methodischen derselben selbst 4 2 2 , d . h . eine Bereicherung der logischen Idee des streng begrifflichen Denkens überhaupt 4 2 3 . Die Realsystematik ist folglich nicht nur aus dem Grunde logisch, weil sie sich etwa rein methodisch bloß von der Systematik der Logik ableiten und von dieser her begründen ließe, sondern weil ihr Methodisches im Grunde eine diese Logik selber betreffende Perspektive, schärfer formuliert: einen Bestandteil dieser Logik selbst eröffnet, was rückwirkend bedeutet, daß auch die rein logische Systematik der L o g i k selbst schon als eine Realsystematik, d . h . die „Wissenschaft der L o g i k " überhaupt schon als eine Gestalt des objektiven Denkens, als eine Wissen422

423

Vgl. oben, 187feinschl. A n m . 317; ferner Puntel, a. a. O . , 243: „ A m Ende der Wissenschaft der Logik zeigt Hegel, daß die Erweiterung der Methode als eine Bereicherung zu fassen ist; denn jeder neue, weitere Anfang enthält ,die ganze Masse' des vorhergehenden Inhalts, so daß durch das dialektische Fortgehen nicht nur nichts verlorengeht, sondern eine wachsende Bereicherung (Bestimmung) des Begriffs erreicht w i r d " . Dieser Sachverhalt ist von uns schon unter dem allgemeinen Aspekt erörtert worden, daß alle Teile der „ E n z y k l o p ä d i e " überhaupt unter dem Primat der Selbstentfaltung der Idee stehen, daß somit die generelle Idealität des Ganzen dieser Wissenschaft nicht etwa nur darauf beruht, daß dieses Ganze seiner allgemeinen Form nach der logischen Struktur des Begriffes bloß „angepaßt" wäre, sondern darauf, daß dieses G a n z e eben auch allgemein inhaltlich nichts anderem als einer Realisation der ideellen Fundamentalverfassung des Geistes gilt (s. oben, 3.1.).

Die Methode der Logik und die Logik der Methode

267

schaft, die sich schon einem realen Gegenstand widmet, angesehen werden muß. Dieses erweiterte, über die rein logische Wissenschaft Hegels hinausgehende Verständnis von Methode erschwert es außerordentlich, für die Hegeische Philosophie überhaupt eine definitive Bestimmung ihrer Methode festzuhalten, obwohl diese Philosophie in ihrer rein logischen Disziplin eigens die Explikation ihrer Methode zum Gegenstand hat. Aber eben dieses „obwohl" macht gerade die Schwierigkeit aus, einerseits ihre Logik von ihrer Realsystematik definitiv unterscheiden zu müssen, andererseits aber auch nicht bei dieser definitiven Unterscheidung stehen bleiben zu dürfen, weil ihre Methode sich in Wahrheit über den Vollsinn des Übergreifenderen Verhältnisses von Logik und Realsystematik als eine absolute definiert.

4.2.1.

Das passive und das aktive Moment der absoluten Methode in seiner Ambivalenz

Hegels in der Logik ausgeführter Methodenbegriff manifestiert zum einen, die Frage nach der Methode seiner Philosophie überhaupt weitgehend unbeantwortet zu lassen, weil sie nicht zu beantworten ist, ohne dabei zugleich das Ganze dieser Philosophie selber noch einmal vollständig zu entwickeln, da in dieser Philosophie Methode und Gegenstand so unmittelbar eng miteinander verbunden sind, daß die Explikation ihrer Methode mit der konkreten Explikation ihres Gegenstandsbereiches überhaupt in eins fällt. Was somit hier als ein nach den allgemeinen Formprinzipien, die einem abstrakt und streng begrifflichen Denken eigen sind, verfahrendes Hantieren mit Gegenständen und logisch-systematisches Methodisieren von Gegenständen erscheinen mag, ist im Grunde nichts anderes als ein bloßes Zusehen des-denkenden Subjekts, nur dessen begrifflich-systematisches Nachzeichnen und Nach(voll)ziehen der Selbstentwicklung der Gegenstände gemäß der diesen selbst immanenten Begriffsstruktur, in welcher die bestimmte Natur ihrer absoluten Gegenständlichkeit sich setzt. Hiermit ist das grundlegende Postulat für eine absolut wahrhafte, vor allem absolut wahrhaft sachliche Erkenntnis realisiert: die wahrhafte Methode kann danach überhaupt einzig in dem „Bewußtsein über die Form der inneren Selbstbewegung ihres Inhalts" (WL I, 35) bestehen, denn für das absolut wahrhafte Erkennen muß generell auch eine absolute Adäquation von Form und Inhalt gegeben, müssen Form (Begriff) und Inhalt (Sache) derart miteinander verknüpft oder wenigstens zu verknüpfen sein, daß die Form (Begriff) überhaupt mit dem ihr geltenden Inhalt (Sache) und

268

Die „Wissenschaft der L o g i k " und die Realphilosophie

der Inhalt (Sache) überhaupt mit der ihm geltenden Form (Begriff) grundsätzlich schon identisch sind oder wenigstens faktisch zum Sein dieser Identität hintendieren. Wenn somit offenbar wird, daß die Denk- und Begriffsbestimmungen dieser Philosophie nicht die Absicht beinhalten, ihre prinzipielle Sachlichkeit gegenüber der eigenprinzipiierten Sachlichkeit ihrer bestimmten Gegenstände durchzusetzen, daß in ihnen vielmehr auch der Gegenstand selbst das ist, was er ist (vgl. WL II, 493) 4 2 4 , so muß es auch keinesfalls mehr bloß „als die Schuld eines Gegenstandes oder des Erkennens genommen werden, daß sie durch die Beschaffenheit und eine äußerliche Verknüpfung sich dialektisch zeigen" (ibid., 494; Hervorhebung v. Verf.), denn beide sind an sich schon dialektisch und tragen in ihrer Verknüpfung nur ihre interne Negativität konkret aus, d. h. sie sind rein methodisch auch nur aufgrund dessen dialektisch aufeinander bezogen, weil einerseits der Gegenstand, wird er ein bestimmter, sich das seiner unmittelbaren Bestimmung gegenüber grundsätzlich andere Moment seiner definitiven Bestimmung als das wesentlich Andere seines unmittelbaren Selbsts — d. i. das Ungegenständliche des Begriffs — vermittelt, und weil andererseits umgekehrt auch der Begriff, wird er ein konkreter, sich gerade nicht im Vollsinn seiner Begrifflichkeit gegenständlich wird, sondern in dem Anderssein seiner selbst, das in der Verstellung seiner spekulativen Absolutheit durch die faktische Gestaltwerdung derselben, eben in seiner konkreten und bestimmten Gestalt selbst gründet, die nie nur er selbst, vielmehr immer er selbst mit und in einem Anderen seiner selbst ist, das seinen Inhalt ausmacht. Die allgemeine Form der dialektischen Fortentwicklung der Begriffe hat in der Hegeischen Philosophie somit nur aus dem Grunde statt, weil hier der Inhalt, sei er nun das reine Denken oder auch ein darüber hinausgehender Gegenstand, sowohl überhaupt allgemein als insbesondere auch konkret immer schon dialektisch ist, weil „es die Dialektik ist, die eran ihm selbst hat, welche ihn fortbewegt" (WL I, 36) 4 2 5 . Siehe dazu überhaupt Hegels Ausführungen ibid., 4 8 5 f f ; vgl. ferner K. Hartmann, Die ontologische Option, a. a. O . , 2 : „Hegels Affirmation der Geltung des Begriffs von dem, was etwas ist und, umfassend, von dem, was ist, ist eins mit dem spekulativen Standpunkt', der es gestattet, eine Begriffsuntersuchung als Seinsuntersuchung anzusehen, ohne eine das Erkenntnisergebnis mitbestimmende Beziehung zwischen faktischem Subjekt und Objekt — dem ,Gegensatz des Bewußtseins' — in Rechnung stellen zu müssen. Dazu muß der Begriff allerdings als Einheit seiner selbst und des Seienden in Anspruch genommen werden k ö n n e n " (s.a. oben, A n m . 244). 425 Vgl. E . Bloch, a . a . O . , 123: „Dialektik will bei Hegel also nicht im mindesten bloße Hebammenkunst des Gesprächs sein und bleiben oder gar eine rabulistische, ganz eigentlich wahrheitsfeindliche Geschicklichkeit, die Begriffe zu wenden und zu drehen. Sondern sie gilt als ,der gediegen fortwaltende Gang der Sache selbst', kurz, als jenes 424

Die Methode der Logik und die Logik der Methode

269

Daher gilt generell für das Methodische dieser Philosophie, gerade keine Methode, sondern eine Un-Methode zu sein, organisatorisch selber untätig zu bleiben, sich allein — selber passiv verweilend — der Selbstorganisation seines Inhaltes zu überantworten und diese nicht durch eine ,bloße Konstruktion' zu „ s t ö r e n " 4 2 6 , seinen Inhalt sich selbst „konstruieren" zu lassen 427 . Für diese Art un-methodischen Philosophierens ist es ein Unding, hier irgendwo eine formale Regelmäßigkeit abisolieren und aus dieser ein allgemein methodisches Verfahren ableiten, d. h. im Grunde: erst eigentlich konstruieren zu wollen. J e nachdem wie der Inhalt dieses Philosophierens sich „konstruiert", ist auch die „Konstruktion" der Methode beschaffen; sie ist so überhaupt keine bestimmte, sondern von Fall zu Fall verschieden in dem Maße, wie sich hier jeweils ein Inhalt von einem anderen unterscheidet. Nach dieser Seite hin wird offenbar, daß die Methode der Hegeischen Philosophie unmöglich auch nur in zwei Fällen ein und dieselbe sein kann 4 2 8 ; vielmehr ist ihre Anpassung an ihren Gegenstand so total, daß die jeweiligen Variationen desselben sie zugleich auch als Methode mitvariieren (vgl. oben, 214f). Da sie so faktisch überhaupt immer nur in Verbindung mit einem konkreten Gegenstand als Methode aufscheint und dabei ihre Bestimmung mit der bestimmten Erscheinung desselben identisch ist, liegt die absolute Begründung ihres formal Methodischen nicht eigentlich in ihrer rein logischen, von einer jeden weiteren Gegenständlichkeit abstrahierenden Struktur, sondern in ihrer phänomeno-logischen Struktur, die auf einer sukzessiven Logik der Phänomene beruht 4 2 9 , was sogleich deutlich macht, warum ihre Trefflichkeit nicht in einem Vorweg vor den Phänomenen, auf die sie zutrifft und mit denen sie zusammentrifft, zu antizipieren ist, d. h. warum sie nicht — gerade als absolute Methode, was gemeinhin heißt: als von allem

Organ der Erfahrung, durch das der Weltinhalt sich selbst erst erfährt". Vgl. dazu ferner: Rph, § 31 H Z u s ; oben: 193ff, 2 1 2 f f ; A . Kojève, a. a. O . : 134f, 142, 2 1 6 u. öfter. 426 Vgl. Ε . v. Hartmann, a. a. O . , 3 7 : „ D a der Begriff die einzige und alleinige Substanz ist, so ist seine Selbstbewegung der einzige und alleinige Prozeß, den es gibt, ebensowohl der objektive Gang der Sache selbst, als der Denkprozeß im Kopfe des Philosophen. Das Subjekt als solches ist mithin beim Philosophieren bloß der Zuschauer dieses objektiv vor seinem Bewußtsein sich abspielenden Prozesses, und seine einzige Aufgabe die, denselben unbeeinflußt gewähren zu lassen und möglichst wenig durch zufällige subjektive Zutaten zu stören". 427 428 429

Vgl. oben: Anm. 174; 241 f, 251 f. Vgl. N . Hartmann, Aristoteles und Hegel, a . a . O . , 225ff. Kojève geht aufgrund dieses Sachverhaltes sogar so weit, der Hegeischen Methode im Grunde überhaupt den Charakter einer Dialektik abzusprechen und diese somit als ,undialektisch' zu diagnostizieren (vgl. a . a . O . : 142f, 1 5 8 f u. öfter).

270

Die „Wissenschaft der Logik" und die Realphilosophie

Bestimmten befreite Methode — wenigstens rein methodisch und formal schon außerphänomenal (d. i. hier: inkonkret, undialektisch) zu begründen ist (vgl. oben: 213f, 241 f, 4.1.2.2.). Jedoch manifestiert Hegels Begriff von Methode zum anderen auch gerade eine diesem „bloß phänomenologischen" Aspekt zunächst kontradiktorisch erscheinende Grundlage dessen, was als die einzig wahrhafte und wissenschaftliche Methode der Philosophie angesehen werden muß. Diese Methode ist gerade nicht mit einem bloß naturgemäßen, bloß von den Phänomenen selbst diktierten Weg der Erkenntnis identisch. Sie verlangt vielmehr, daß das Verhaftetsein des Erkennens mit einem solchen überhaupt aufgegeben und ein wahrhaft erkenntnisgemäßer Weg vom Denken selbst her beschritten wird (vgl. oben, 260). Letzterer ist aber nicht primär dem sogenannten Gegebenen ausgeliefert, kein bloß äußerliches Anhängsel des Faktischen und der naturwüchsigen Erscheinungsstruktur desselben, sondern primär ein ,notwendiges Tun' des denkenden Subjekts selber430, insofern dieses überhaupt auf wissenschaftliches Philosophieren aus, überhaupt das Wesentliche des Wahren zu erkennen bestrebt ist. Für ihn ist gefordert, daß das Denken zunächst einmal völlig von dem unmittelbar Gegebenen abzusehen und sich dieses erst Schritt für Schritt nach dem Muster einer ihm selbst immanenten und ureigenen Begriffsorganisation zu erzeugen hat, somit soetwas wie unmittelbare Gegebenheit überhaupt allererst als ein bestimmtes Resultat seiner wissenschaftlichen Begriffsentwicklung zu setzen, d. h. eben auch sich seine wissenschaftliche Gegebenheit selbst (d. i. seine spekulative Logizität) gerade von seinem Begriffssystem her, nicht aber dieses Begriffssystem von dem Selbstzeugnis der ihm geltenden Gegenstände her, als ein wesentlich Gegebenes zu vermitteln. „Diese Bewegung der reinen Wesenheiten macht die Natur der Wissenschaftlichkeit überhaupt aus. Als der Zusammenhang ihres Inhalts betrachtet, ist sie die Notwendigkeit und Ausbreitung desselben zum organischen Ganzen. D e r Weg, wodurch der Begriff des Wissens erreicht wird, wird durch sie gleichfalls ein notwendiges und vollständiges Werden, so daß diese Vorbereitung aufhört, ein zufälliges Philosophieren zu sein, das sich an diese und jene Gegenstände, Verhältnisse und Gedanken des unvollkommenen Bewußtseins, wie die Zufälligkeit es mit sich bringt, anknüpft, oder durch ein hin und her gehendes Räsonnement, Schließen und Folgern aus bestimmten Gedanken das Wahre zu begründen sucht; sondern dieser Weg wird durch die Bewegung des Begriffs die vollständige Weltlichkeit des Bewußtseins in ihrer Notwendigkeit umfassen" (Phän, 31).

Daher kann diese Methode ihren Ausgang auch nicht mit einem naturwüchsigen Phänomen der sinnlichen Erscheinungswelt nehmen, das dem 430 Vgl. M. Heidegger, Hegel und die Griechen, in: Wegmarken, F r a n k f u r t / M . 2 5 5 - 2 7 2 , 258f.

1967,

Die Methode der Logik und die Logik der Methode

271

erkennen wollenden Subjekt vors erste gegenübersteht und sich faktisch eigenständig gegen dasselbe behauptet, sondern allein mit einem abstrakten Begriff, der ihr Anfang sein soll, und der so einzig aufgrund der Notwendigkeit, daß sie faktisch überhaupt mit einer Bestimmung anzufangen hat, ein anfänglich „Gegebenes", im Grunde aber ein an den Anfang Gesetztes ist 431 , von dem her aber gerade alles "Weitere ihrer selbst, indem es nur als eine nähere Bestimmung dieses Anfangs anzusehen ist (vgl. oben, 257), auch nur als ein weiterhin bloß Gesetztes gemäß einer rein begrifflich orientierten Systematik des Denkens (d. i. gemäß der Grundlage, die das kategoriale System der Hegeischen Logik an die Hand gibt) zur Geltung kommt: eben weil dieser Anfang als ihr absoluter Anfang alles andere ist als eine zu diesem Anfang zwingende Notwendigkeit des faktisch Anfänglichen des Denkens, weil er vielmehr schon eine bestimmte Vorwegnahme des absoluten Resultats ihres bestimmten methodischen Verfahrens überhaupt ist — d. h. im Grunde eine Vorwegnahme ihres Ganzen als Methode selbst wie auch damit des Ganzen des wissenschaftlichen Erkennens überhaupt, sei dessen Resultat nun als der Begriff, die Idee, der Geist oder das Absolute genommen —, woraufhin dann das Beweisen der notwendigen Schritte der Erkenntnis nur noch darin bestehen kann, die frei vom Denken gesetzte Prämisse des wahrhaft wissenschaftlichen Ansatzes der Philosophie auch an ihrem Gegenstandsbereich zu ,bewähren', d. i. diese Prämisse nur scheinbar „von selbst" auch an der konkreten Eigenprinzipiierung dieses Gegenstandsbereiches „bestätigt" zu finden. Nach dieser Seite hin ist die Hegeische Methode gerade nicht phänomenologisch, sondern rein logisch begründet, denn sie folgt nicht der phänomenalen Struktur der Gegenstände der wissenschaftlichen Erkenntnis nach, sondern einzig ihrem eigenen, von ihr selbst — auch selbst von ihr mit Vorbehalten — „abstrakt" entwickelten und „konstruierten", kategorial hierarchischen Ordnungs- und Organisationsprinzip des begrifflich reinen (d. i. ideellen) Denkens, wobei gerade die naturgemäße Faktizität sowohl der erkannten Objekte als auch des erkennenden Subjekts selbst verstellt wird. Dadurch wird jedoch diese Faktizität nicht überhaupt grundsätzlich und für immer verstellt, sondern nur umgestellt nach der Maßgabe der ihr inhärierenden Wahrheit, womit dieses Umstellen sich eben gerade als eine für das wahrhafte Erkennen notwendige Maßnahme am Faktischen 431

Vgl. E . J . Fleischmann, La science universelle ou la logique de Hegel, Paris 1968, 354: „Ainsi, les démarches méthodiques de cette logique s'enchaîneront à partir de la constatation initiale que la seule .donnée' dont dispose l'esprit, c'est la pensée elle-même sous forme d'une totalité d'abord indifférenciée".

272

Die „Wissenschaft der Logik" und die Realphilosophie

e r w e i s t 4 3 2 ; d e n n H e g e l s M e t h o d e steht ja generell u n t e r d e m A n s p r u c h , gerade weil sie keine p h ä n o m e n o - l o g i s c h e m e h r ist u n d das bloß P h ä n o m e n o l o g i s c h e hinter sich gelassen h a t , gerade weil sie eine

spekulativ-

logische,

dialektisch-

logische

o d e r respektive ihrer k o n k r e t e n A u s f o r m u n g : eine

ist, das F a k t i s c h e allererst hinsichtlich seiner w a h r e n Gestalt z u r

D a r s t e l l u n g z u bringen, i n d e m sie n ä m l i c h v o n der ersten A u g e n s c h e i n l i c h keit desselben A b s t a n d n i m m t , nicht dieser verhaftet bleibt u n d sich s o nicht v o n deren S c h e i n - W i r k l i c h k e i t t ä u s c h e n l ä ß t 4 3 3 . D i e s e r

Anspruch

findet seine B e r e c h t i g u n g darin, daß selbst a u c h u n t e r einer p h ä n o m e n o logischen

Betrachtung

der

Gegenstandsbereich

des

philosophischen

W i s s e n s sich ü b e r h a u p t i m m e r dialektisch b e s t i m m t zeigt (vgl. o b e n , 2 6 8 f einschl. A n m . 4 2 5 ) , daß sich s o m i t gerade das dialektische V e r f a h r e n m i t 432

Dieses die Faktizität verstellende Verfahren der Hegeischen Methode liefert für viele Interpreten Hegels immer wieder den fundamentalsten Einwand gegen die Hegeische Dialektik im besonderen, teils auch gegen die Dialektik im allgemeinen. Wir haben diesem Einwand vor allem so, wie er von W. Becker vorgetragen worden ist, schon eine ausführliche Erörterung zuteil werden lassen (s. 4.1.2.3.). Daher sei hier nur noch auf einige Modifikationen dieses Einwandes bei anderen Autoren hingewiesen. Aufgrund dieses Verstelltseins der Realität durch die logisch konstruierte Systematik vermag F. J. Stahl — etwa wie W. Becker — die Hegeische Dialektik und mit ihr das Ganze der Hegeischen Philosophie überhaupt nur als ein „Chamäleon" anzusehen, das sich seine Resultate nur „erschleiche" (Die Philosophie des Rechts, Bd. I: Geschichte der Rechtsphilosophie, Nachdruck Darmstadt 1963, 442—482). Für Lukács (Der junge Hegel) hat Hegel zwar einen zu seiner Zeit von keinem anderen Philosophen überbotenen Realitätsblick, fällt aber durch die bloß ideelle Konstruktion der richtig erkannten Realität mit seinem System selber hinter den eigenen Standpunkt seines realitätsbezogenen Denkens zurück; daher gelte es, Hegels Methode, seine Dialektik, die an sich richtig und fortschrittlich ist, von seinem Gesamtsystem zu lösen, weil dieses falsch, nämlich nur idealistisch ist und einige methodische Konsequenzen (nämlich die fortschrittlichen: das Überwinden und Negieren des Vorangegangenen; vgl. oben, Anm. 360) außer acht läßt, um sich in dem mystischen Nebel des Idealismus verlieren zu können. K. Popper macht aus dieser Lukács-schen Not eine Tugend und sieht diesen mystischen Nebel als ein typisches Produkt der Dialektik überhaupt an, ganz abgesehen davon, daß der allgemeine Universalanspruch der Dialektik grundsätzlich der immer größer werdenden Spezifikation der Wissenschaften, der zunehmenden Spezialisierung der Einzelwissenschaften und damit eben der wachsenden Notwendigkeit der Erstellung ihrer Spezialmethoden nicht Rechnung tragen kann, weshalb für ihn auch die Dialektik als ein allgemeines und darin zugleich auch als ein absolutes Prinzip methodisch überhaupt unbrauchbar, keinesfalls die einzig wahrhafte Methode, ja — aufgrund ihrer Immunität gegen eine jede sie relativierende Kritik — im Grunde nur ein „doppelt verschanzter Dogmatismus" ist (Was ist Dialektik, in: E. Topitsch — Hrsg. —, Logik der Sozialwissenschaften, Köln 1965, 262—290).

433

„Der Gegenstand, wie er ohne das Denken und den Begriff ist, ist eine Vorstellung oder auch ein Name; die Denk- und Begriffsbestimmungen sind es, in denen er ist, was er ist. In der Tat kommt es daher auf sie allein an; sie sind der wahrhafte Gegenstand und Inhalt der Vernunft und ein solches, als man sonst unter Gegenstand und Inhalt im Unterschiede von ihnen versteht, gilt nur durch sie und in ihnen" (WL II, 493f). — Vgl. auch oben: lOOff, 261, 3.3.

Die Methode der Logik und die Logik der Methode

273

demselben als ein der wahrhaften Bestimmung und Selbstbestimmtheit desselben angemessenes Verfahren zu erkennen gibt. So kann hier mit gutem Recht die Gleichung aufgestellt werden, daß eine jede Desorganisation der dialektischen Spekulation — d. i. des ,Logisch-Vernünftigen' — zugleich auch eine Desorganisation der Wirklichkeit bedeutet (vgl. Enz, § 541 HZus). Damit rückt die dialektisch-logische Methode wiederum in die Nähe des Phänomenologischen, denn sie kann so auch nicht als ein bloß äußerliches Methodisieren von Gegenständlichkeit, sondern einzig als die methodische Immanenz der philosophischen Sache selbst begriffen werden. Dennoch hat sie dem rein Phänomenologischen gegenüber, das die konkrete Einsicht in die wesentliche Untrennbarkeit von Faktischem und Methodischem zum Resultat hat, — wobei diesem Resultat zunächst beides in einer wesentlichen Differenz vorausgesetzt zu sein schien, da hier vors erste von einer jeden Methode abgesehen werden sollte —, aufgrund des streng logisch-systematisch ( = kategorial hierarchisch) fundierten Duktus ihrer Explikationsprinzipien, aufgrund ihrer logischen Konstruktion, im Konkreten wiederum eine Differenz und Inadäquation von rein methodischer Systematik und Faktizität zur Folge, obwohl sie bereits die absolute Einsicht in das für das vernünftige (d. i. wahrhafte) Wissen allgemein U n gültige dieser Differenz voraussetzt, was zum einen eben beinhaltet, daß sie sich schon in ihrer rein logischen Explikation, d. h. in ihrer rein logischen Entwicklung zur absoluten Methode selbst schon als ein prinzipiell o b jektives Denken' zu statuieren vermag, ohne sich dabei um eine eventuell mögliche Dimensionsdifferenz von Subjektivität und Objektivität weiter kümmern und dieser irgendwie Rechnung tragen zu müssen, was zum anderen aber eben auch erklärt, daß sie gerade wegen der in ihren Konkretionen vorherrschenden, relativen Differenz von Systematizität (wahrer Form) und Faktizität (wahrem Inhalt) allererst in ihrer gesamtsystematischen Entwicklung die absolute Realisation der prinzipiellen Identität beider auch faktisch zu leisten imstande ist, daß beide auch hier erst absolut konkret das werden, was sie an sich schon sind und allgemein sein sollen: in ihrer spekulativen (relationalen, ideellen) Einheit die absolute Wirklichkeit des Geistes, wo dieser auf Wahrheit und deren konkrete Gestaltung aus ist. Keines der beiden hier erörterten Fundamentalprinzipien der Methode Hegels, weder das Passive und Unkonstruierte ihres Phänomenologischen noch das Aktive ihrer dialektisch-logischen Konstruiertheit, erlaubt es, diese Methode als ein bloß instrumentelles Verfahren des subjektiven Denkens mit objektivem Anwendungscharakter zu interpretieren. Hin-

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Die „Wissenschaft der Logik" und die Realphilosophie

sichtlich des phänomenologischen Bestands dieser Methode leuchtet das unmittelbar ein, denn dieser entzieht sich ja aufgrund seines letztenendes Unmethodischen überhaupt einer jeden instrumenteilen Handhabung von Methode. Aber auch der dialektisch-logische Bestandteil derselben entsagt prinzipiell seiner reinen Reduktion auf ein bloß formelles, bloß gedankliches Instrumentarium des erkennenden Subjekts, indem er seine absolute Begründung gerade nicht auf ein nur intelligibles Fundament, sondern auf das Fundament einer Realdialektik stellt, was jenes Argumentieren Lügen straft, mit dem Aufweis einer in der Hegeischen Philosophie tatsächlich gegebenen, systematischen Konstruiertheit der Gegenstände zugleich auch schon einen Beweis dafür an der Hand zu haben, daß hier grundsätzlich und gar überhaupt Dialektik und Realität voneinander abziehbar seien, daß somit eben faktisch gerade hier ein Anwendungsverhältnis der ersteren auf die letztere konstruierbar und zu konstruieren sei. Es zeigte sich vielmehr, eben weil sich unter der Perspektive des wissenschaftlichen Denkens — d. i. unter der Perspektive der Erkenntnis überhaupt — gerade die dialektische Bestimmung des Realen als die wesentliche Bestimmung der wahrhaften Realität desselben erweist, daß ebenso für das dialektisch-logische Prinzipiensystem der Hegeischen Methode gilt, was auch für deren Phänomenologisches schon galt, nämlich „sich dem Leben des Gegenstandes zu übergeben oder, was dasselbe ist, die innere Notwendigkeit desselben vor sich zu haben und auszusprechen" (Phän, 45). Somit ist die Methode der Hegeischen Philosophie nicht nur einfach auch, sondern insbesondere gerade auch von ihrer dialektisch-logischen Seite her, nicht bloß eine „äußerliche Form, sondern die Seele und der Begriff des Inhalts" (Enz, § 243), denn sie verhält sich überhaupt als absolute Methode des wahren Erkennens „nicht als äußerliche Reflexion, sondern nimmt das Bestimmte aus ihrem Gegenstande selbst, da sie selbst dessen immanentes Prinzip und Seele ist" (WL II, 491) 4 3 4 . Von daher kann für Hegel „beweisen" in der Philosophie — wenn auch nicht faktisch, so doch immerhin prinzipiell (vgl. oben, 271) — nur soviel heißen als „aufzeigen, wie der Gegenstand durch und aus sich selbst sich zu dem macht, was er ist" ( W W VIII, § 83 Zusatz), nicht aber aufzeigen, wie ein zunächst bloß subjektiv richtiges Kategoriensystem des Denkens auch richtig auf eine bloß objektive Gegenstandswelt zur Anwendung zu bringen ist 4 3 5 . Letzteres bleibt dem Bemühen um bloße 434 Vgl. a u c h Heidegger, Hegel und die Griechen, a . a . O . , 259f. 435 Vgl. Puntel, a . a . O . , 64: „Hegels Kritik ist eine Kritik an der Vorstellung einer Anwendung, worin schon ein wichtiger Hinweis auf die Unmöglichkeit zu erblicken ist, das Verhältnis der Hegeischen Logik zur Realsystematik als eine Anwendung aufzufassen. Ein

Die Methode der Logik und die Logik der Methode

275

Verstandeserkenntnis verhaftet und ist so für das vernünftige Erkennen nur das Nichtige, den absoluten Widerspruch zwischen Begriff und Realität weder auszuhalten, noch auch diesen überhaupt wahrhaft austragen zu wollen, vielmehr aus einer „Zärtlichkeit für die weltlichen Dinge" heraus (Enz, § 48 HZus) lieber dem Begriff überhaupt ein Reales abzusprechen, als in diesen die Bestimmung der wahrhaften Realität, d. h. letztlich: als den Geist als das wahrhaft Reale zu setzen und damit die Realität überhaupt zur Aufgabe des Geistes zu machen, anstatt mit dem Prioritätsverdikt der Realität den Geist überhaupt aufzugeben 436 . Die kohärente Ambivalenz, die Hegels Begriff von der absoluten Methode der Philosophie inhäriert, eben daß diese Methode: a) keine Anwendungsstruktur im Verhältnis ihrer formalen und inhaltlichen Bedingungen zuläßt, weil sie sowohl als phänomeno-logische als auch gerade als dialektisch-logische ihrem Inhalt generell so eng anliegt, daß sie grundsätzlich von demselben ,ungetrennt' ist, was ja gerade ihre Sachgemäßheit und Sachhaltigkeit, d. h. somit: ihre Wahrhaftigkeit, ausmacht, b) sehr wohl aber auch eine Anwendung kennt, weil sie ihren Inhalt sich gerade nicht nach seiner unmittelbar naturgemäßen Faktizität entwickeln läßt, sondern denselben methodisch konstruiert und so nach einem erkenntnisgemäßen Weg des Denkens entwickelt, weil sie auch einem ,eigenen Rhythmus' folgt, eben der ,logischen Notwendigkeit' und deren streng kategorialen Konstruktionsprinzipien, auf denen gerade die absolut wahrhafte Darstellung der Inhalte des Wissens um die Wahrheit gründen muß und in denen dieselbe folglich auch gründet 437 , als Anwendung aufgefaßtes Verhältnis setzt eine Grundlage, eben ein Sub-jekt oder Substrat voraus, das von sich aus als außerhalb des Verhältnisses stehend und damit in seinem Eigensein nicht erreichbar vor-gefunden wird. Durch die Anwendung wird dieses Subjekt zwar in ein Verhältnis gebracht, aber dieses der Anwendung entspringende Verhältnis bleibt ihm äußerlich, da ja dadurch das Subjekt als solches nur von außen oder nachträglich an-gegangen oder an-gesprochen wird". 4 3 6 Ganz in diesem Sinne formuliert auch Adorno: „ A u s der N o t der Philosophie, mit Begriffen zu operieren, darf so wenig die Tugend von deren Priorität gemacht werden, wie umgekehrt aus der Kritik dieser Tugend das summarische Verdikt über Philosophie" (Negative Dialektik, 21). 437 v g l . phän, 47: „ I n dieser Natur dessen, was ist, in seinem Sein sein Begriff zu sein, ist es, daß überhaupt die logische Notwendigkeit besteht; sie allein ist das Vernünftige (Hervorhebung v. Verf.) und der Rhythmus des organischen Ganzen, sie ist ebensosehr Wissen des Inhalts, als der Inhalt Begriff (spekulativ; Verf.) und Wesen (dialektisch; Verf.) ist, — oder sie allein ist das Spekulative".

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Die „Wissenschaft der Logik" und die Realphilosophie

die Kohärenz dieser methodischen Ambivalenz eben verweist zum einen darauf, daß a) der „rein" phänomenologische Bestand des Hegeischen Philosophierens nicht grundsätzlich gegen dessen „rein" logischen ( = spekulativ dialektischen) Bestand ausgespielt werden kann 438 , zum anderen aber auch darauf, daß b) für die absolut wahrhafte Gestaltung der philosophischen Wissenschaft gerade der letztere unbedingt verpflichtend wird, was eben auch beinhaltet, daß einerseits die „Phänomenologie" (die primär phänomenologische Systematik der philosophischen Wissenschaft) sehr wohl neben die „Enzyklopädie" (die primär logische Systematik der philosophischen Wissenschaft) gestellt werden kann (hinsichtlich ihres Vollsinns sogar gestellt werden muß), daß andererseits aber gerade auch die „Enzyklopädie" der „Phänomenologie" gegenüber — rein wissenschaftlich gesehen, d. h. hinsichtlich der Wahrheitsgeltung des explizierten Wissens — einen Vorrang hat, und diesen nicht nur, weil die explizite Darstellung der absoluten Methode der Erkenntnis der Wahrheit der eigentlich spekulativen Philosophie, d. h. dem enzyklopädischen System der Hegeischen Philosophie, angehört und hier an erster Stelle, in der „Wissenschaft der Logik", geleistet wird, sondern weil diese Darstellung sich als der überhaupt einzig gangbare Weg des wissenschaftlichen Philosophierens expliziert und somit auch jene stillschweigenden Voraussetzungen der „Phänomenologie" ans Licht bringt, welche die eigene relative Wissenschaftlichkeit derselben nicht explizit, sondern nur „hinterrücks" bedingen. Dieser einzig gangbare Weg wird hier darin erkannt, rein von den kategorialen Implikationen der Begrifflichkeit des philosophischen Denkens auszugehen und diese Begrifflichkeit nach einer logischen Systematik zu konstruieren, in welcher die faktische Gegebenheit derselben umgestellt und nach der Hierarchie eines jeweiligen Mehr oder Weniger an rein kategorialer Voraussetzung in ihrer Bestimmtheit geordnet ist, wobei ihre Faktizität (d. i. ihr konkretes Prius: die Wahrheit ihrer phänomenalen Negativität als das Dialektische) allererst an der zweiten Stelle dieser Systematik (II), deren logische Voraussetzung hingegen (das absolute Prius 438

Siehe dazu: W L I, 7 u. 52; oben, 42ff; H. F. Fulda, Das Problem einer Einleitung in Hegels „Wissenschaft der Logik", 166. Vgl. ferner das von uns schon ständig zitierte Werk Puntéis (Darstellung, Methode und Struktur), in welchem dieser sogar zu dem Nachweis einer elementarstrukturalen Gleichursprünglichkeit von Phänomenologie, Logik und Noologie (d.i. .Psychologie' bei Hegel) in der Hegeischen Methode antritt (vgl. auch oben, Anm. 71), sowie auch die Auseinandersetzung R. K. Maurers mit Kojève, der dahin tendiert, für Hegels Methode überhaupt die Bezeichnung ,Dialektik' aufzugeben und diese generell nur als eine phänomenologische zu charakterisieren (Hegel und das Ende der Geschichte, 143f; vgl. zu Kojève oben, Anm. 429).

Die Methode der Logik und die Logik der Methode

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ihrer Wissenschaftlichkeit: ihre spekulative Identität) aber an der ersten Stelle dieser Systematik (III als I) auftritt, was eben indiziert, daß dieser Weg gerade nicht aus einem bloß passiven Grundzug des philosophischen Wissens, aus der bloßen Untätigkeit desselben quasi von selber entspringt, sondern aus einem aktiven Bemühen um wahre Erkenntnis resultiert und somit über die Reflexion der notwendigen Methodik desselben in seiner logisch-systematischen Bestimmtheit als die allgemeine Grundlage dieser Erkenntnis gesetzt ist. In der Logik wird demnach die absolute Methode der Philosophie gerade darin begriffen, dem Denken nicht seinen freien Lauf zu lassen, sondern diesen Lauf streng logisch zu organisieren, damit gerade nicht ein ,bloßes Zusehen' zu sein, vielmehr sich der ,Anstrengung des Begriffs' zu unterziehen 439 , dabei das bloß Phänomenologische hinter sich zu lassen und dessen nur verstandesmäßige Schein-Wirklichkeit in Vernunft zu überführen 440 , was nicht damit gleichzusetzen ist, daß hier etwa dem Sinnlichen und den empirischen Inhalten des Wissens überhaupt keinerlei Beachtung mehr geschenkt würde (vgl. oben, lOOff) 441 . Daß diese ,Anstrengung des Begriffs', daß diese logische Aktion in Form der Universalisierung der spekulativen Dialektik für die Erkenntnis der Wahrheit ihrem Gegenstand überhaupt angemessen ist und diesen nicht 439

Somit ist die absolute Methode so, wie sie sich selbst zur absoluten Grundlage der Wissenschaft macht, das ganze Gegenteil zum bloß Phänomenologischen und von daher phänomeno-logisch nur insoweit, als dem Gegenstandsbereich dieser Wissenschaft überhaupt eine dialektische Bestimmung zukommt, insoweit die Dialektik überhaupt als die Wahrheit der Phänomenologie des philosophischen Wissens angesehen werden muß, d.h. insoweit die wesentliche Negativität des Dialektischen überhaupt allererst das negative Wesen des Phänomenologischen des philosophischen Wissens wahrhaft zum Ausdruck bringt, oder auch anders formuliert: insoweit dieses Phänomenologische überhaupt in der Erfassung seines Begriffs resultiert und dem Begriff der spekulativen Wissenschaft überhaupt auch eine phänomenale Konkretisierung eigen ist.

440

Unter diesem Aspekt zeigt sich dann die „Phänomenologie" unwissenschaftlich und damit letztenendes nur vor- oder sogar unphilosophisch (vgl. oben: 12f, 39, 48ff, 63 einschl. Anm. 100, 73f). Sie ist es dennoch nicht ganz, weil sie im Grunde auch schon ein „Beispiel" für die absolute Gültigkeit der Logik gibt (vgl. W L I: 7, 35; ferner K. Harlander, Absolute Subjektivität und kategoriale Anschauung, 1). Jedoch erscheint in ihr ihre logische Grundlage nur erst als ihr Resultat, noch nicht explizit an ihrem Anfang als ihre eigene Voraussetzung; diese agiert somit nur .hinter dem Rücken' des methodischen Selbstverständnisses der „Phänomenologie", welches sich primär auf die Phänomenologie der Dichotomien des Bewußtseins und des Verstandes stützt und allererst auf die Einsicht in die Vernunft, auf die Einsicht in die Identität von Gewißheit und Wahrheit, wie diese sich im Begriff der spekulativen Wissenschaft manifestiert, hinausläuft.

441

Man kann sagen, daß auch der Vernunft immer wieder der Verstand — hier in Form der konkreten Entgegensetzungen dialektischer Denkbestimmungen — gewissermaßen in den Rücken fällt (vgl. oben, 66f u. 2.2.2.12), wie auch der Verstand im Grunde immer schon die Vernunft im Rücken hat (vgl. oben, 73 f).

278

Die „Wissenschaft der Logik" und die Realphilosophie

gewissermaßen methodisch indoktriniert, nicht über die Anmaßung einer wissenschaftlichen Dachorganisation' (s. o., 262) bloß eine „gedachte Wirklichkeit aufbaut" 4 4 2 , findet sich teils von der „Phänomenologie" her mit gutem Recht für diese schon vorausgesetzt, da sich hier die wesentlich dialektische Struktur des philosophischen Wissens selbst vorwissenschaftlich bereits als eine Realdialektik zu erweisen vermochte (von daher ist die „Phänomenologie" als eine grundsätzliche Vorbereitung des Standpunktes der Logik wichtig), findet zum anderen aber seine wissenschaftliche Begründung allererst in der eigentlichen Ausführung der „Enzyklopädie" selber und ist somit als wissenschaftlich grundsätzlich vor derselben nicht begründbar, weil der abolut wissenschaftliche Erweis dessen eben gerade ihren Inhalt ausmacht 443 .

4.2.2.

Logik und Realsystematik

Die Ambivalenz dessen, was Hegel allgemein unter der absoluten Methode der Philosophie versteht, manifestiert sich unter dem Aspekt einer spezifischen Problematisierung der gesamtwissenschaftlichen Methodik seiner streng wissenschaftlich systematischen Darstellung der absoluten Philosophie in deren problematischem Verhältnis von Logik und Realsystematik. In der „Wissenschaft der Logik" findet sich zwar die methodische Grundlage des Ganzen der „Enzyklopädie" eigens expliziert und hier auch als absolut verbindlich für die Gestaltungsstruktur dieses Ganzen ausgewiesen, jedoch sperrt sich eben das, was hier als absolute Methode der Philosophie ausgeführt wird, grundsätzlich dagegen, sich die Logik in den ,konkreten Wissenschaften' der „Enzyklopädie", in der Natur- und Geistesphilosophie, sich die rein logische Systematik des wahrhaft philosophischen Gedankens in der Realsystematik der ,reelleren' Disziplinen der philosophischen Wissenschaft einfach nur als angewandt vorzustellen (vgl. WL II, 230f). So ist zwar die ganze „Enzyklopädie" die wissenschaftliche Darstellung der Philosophie gemäß der Grundlage des logischen Zusammenhangs der einzelnen Disziplinen derselben (vgl. Enz, 3), dennoch bleibt aufgrund des eigentümlichen Selbstverständnisses dieser Grundlage — zum einen wohl die Grundlage, doch zum anderen auch keine wissenschaftliche Dachorganisation' zu sein — problematisch, inwieweit 442

443

Von F. Wiedmann übernommen, der fälschlicherweise nur zu diesem Schluß kommt (G. W. F. Hegel in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, 137). Vgl. dazu WL I: 29f, 42f, 52f; ferner oben, 2.1.2.

Die Methode der Logik und die Logik der Methode

279

diese logische Grundlage in dem nicht mehr nur rein logischen Bereich ihrer Geltungssphäre wirklich aktiv wird (das betrifft die normative Vorlage der Konstruktionsprinzipien der wahren Wissenschaft durch die Logik, die Anwendung der Logik in der Realsystematik), oder inwieweit sie hier selbst auch passiv bleibt und sich konstruktiv zurückhält, um die Eigenprinzipiierung der wissenschaftlichen Konstitution der weiteren, über das bloß Logische hinausgehenden Gegenstandsbereiche der Philosophie nicht zu , stören' (das betrifft das Un-Methodische der in der Logik explizierten Methode der wahren Wissenschaft, den Nichtanwendungscharakter der spekulativen Logik). Alle unsere bisherigen Erörterungen zur spekulativen Wahrheitskonzeption der Hegeischen Philosophie wie auch zu den fundamentalen Prinzipien, die die wahrhaft wissenschaftliche Gestaltwerdung dieser Philosophie leiten, haben bereits die Einsicht vorbereitet und auch schon weitestgehend begründet, daß auch für dieses problematische Verhältnis von Logik und Realsystematik kein Entweder-Oder, sondern nur ein Sowohl-Als auch, somit sowohl eine Anwendung als auch eine Nichtanwendung der Logik in der Realsystematik, daß nur die aktive und die passive Komponente dieses Verhältnisses zusammen für seine nähere Bestimmung in Betracht kommen kann 4 4 4 . Gegen eine bloße Anwendung der Logik in der Realsystematik der „Enzyklopädie" sprechen zunächst folgende Sachverhalte: 1. Die „Enzyklopädie" hat im ganzen den Status der philosophischen Wissenschaft. Sie ist generell vom Standpunkt des selbstbewußten Geistes, der Vernunft, des identischen Denkens her konzipiert. Aufgrund dessen bleibt für sie überhaupt eine Opposition von Denken und Gegenstand, von Subjekt und Objekt, von Form und Inhalt, von Idealität und Realität, von reiner Logizität und rein außerlogischer Objektivität etc. in dem Sinne, daß das hier jeweils erste mit dem jeweils zweiten tatsächlich auf eine bestimmte Weise ausschließlich normativ methodisch verfährt, generell ausgeschlossen (vgl. 2.1.2. u. 2.2.). Die Darstellung des reinen Denkens und der reinen Form des Absoluten der Philosophie in der Logik kann demnach keinesfalls heißen, daß sich das philosophierende Subjekt hier allererst im vorhinein ein (rein gedankliches, formelles, ideelles) Instrumentarium bereitstellt, mit dessen Hilfe es sich dann allererst im nachhinein auf reale (gegenständliche, objektive, inhaltliche) Erkenntnis einläßt. 444

Siehe zu den folgenden Ausführungen auch das schon mehrfach zitierte W e r k Puntéis „Darstellung, Methode und S t r u k t u r " .

280

Die „Wissenschaft der Logik" und die Realphilosophie

2. Die „Enzyklopädie" ist im ganzen eine ideelle Wissenschaft in dem Sinne, daß alle ihre Teildisziplinen eine Weiterbestimmung des sich in der Logik unter dem Begriff der Idee erfassenden Absoluten der Philosophie sind (vgl. 3.1.). Die Rückbindung ihres Resultats an ihren Anfang, die Re-Affirmation ihrer rein logischen Idee in ihrem absoluten Systemresultat setzt die Logik zwar in den Stand, das in ihrem Ganzen nunmehr ,bewährte Allgemeine' zu sein, damit aber eben auch in den Stand, nur das Allgemeine dieses Ganzen, nur ein Aspekt desselben selbst zu sein (vgl. 3.2.3.3.), was besagt, daß schon von Anfang an die allgemeine Begründung ihrer logischen Grundlage unter der weiter gespannten und spannungsvollen Perspektive einer wechselseitigen Begründung von Logik und Realsystematik geführt wird (vgl. oben: 120, 122f, 182f einschl. Anm. 312), wobei dann eben auch die letztere den allgemeinen Geltungsanspruch der ersteren mitbegründet, und nicht nur umgekehrt einseitig: der Wahrheitsanspruch der letzteren allein von der ersteren her „schon vollständig" und „einfach nur" abzuleiten ist. Dem inhäriert, daß die Explikation der allgemeinen Prinzipien der wahren Methode der Philosophie zwar eigentlich und eigens in die Logik fällt, daß damit aber noch keinesfalls die Explikation dieser Methode überhaupt schon abgeschlossen ist; vielmehr fällt die vollständige Explikation derselben überhaupt in den ganzen Bereich der wissenschaftlichen Philosophie, ist dieser Bereich im ganzen als die absolute Selbstdarstellung der Idee auch die ganze Selbstdarstellung der absoluten Methode, denn die philosophische Wissenschaft wendet sich bei Hegel in ihren realsystematischen Sphären nicht allein nur nicht mehr nach einer Realität um, die sie grundsätzlich schon bei ihrem Ansatz überhaupt hinter sich gelassen hat, sondern auch nicht mehr nach dem nämlichen .Gebrauch von Formen' des Denkens, den sie in ihrer rein logischen Wissenschaft (unter dieser, das Ganze der „Enzyklopädie" umgreifenden Perspektive der Selbstdarstellung ihrer Methode erscheint die „Wissenschaft der Logik" in der Tat nur als die Darstellung ihrer reinen Logik, keinesfalls schon als die Darstellung ihrer Logik überhaupt; vgl. WL II, 223) demonstriert hat (vgl. ibid., 231; ferner oben: Anm. 247, 149f einschl. Anm. 265, Anm. 270), was eben beinhaltet, daß „außerhalb" der Logik auch keine bloße Anwendung dieser Formen stattfindet, sondern gerade auch eine Weiterentwicklung derselben selbst (vgl. oben, 250ff u. 265ff). Von daher ist mit der reinen Logizität dieser Formen noch kein endgültiges und unmodifizierbares, methodisches Schema für die gesamtwissenschaftlichen Gestaltungsprinzipien der

Die Methode der Logik und die Logik der Methode

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„Enzyklopädie" mitgegeben; vielmehr variiert diese Logizität nach dem Maße, wie ihr absolutes Angepaßtsein an die jeweilige Besonderheit des Gegenstandsbereiches, bei dessen wissenschaftlicher Darstellung sie nur dessen immanentes Wahrheitsprinzip verkörpert, es auch jeweils erfordert (vgl. oben, 213 ff u. 269). 3. Die Logik hat die Explikation der absoluten Methode der wissenschaftlichen Philosophie zu ihrem Gegenstand. Diese absolute Methode wird hier als spekulative Dialektik begründet. Es handelt sich dabei jedoch nicht nur um die Entdeckung der für die Erkenntnis der Wahrheit einzig tauglichen Formen des Denkens, sondern überhaupt um die Entdeckung der Formen, nach welchen allgemein das wesentliche Sein der Wahrheit seinem wahrhaften Begriff zu überführen ist, d. h. nicht nur um die wahrheitstaugliche Konstitution der rein geistigen Verfassung eines philosophierenden Subjekts, sondern um die Explikation der Realdialektik (vgl. oben: 193ff, 212ff, 4.2.1.). Daß die Logik sich sowohl nach ihrer aktiven wie auch nach ihrer passiven Seite hin dialektisch zeigt, liefert ein Indiz dafür, daß es in ihr keinesfalls um die bloße Exposition eines bestimmten Konstruktionsprinzips der philosophischen Wissenschaft geht, vielmehr schon um eine konkrete Ausführung des Sachverhalts, daß der Inhalt dieser Wissenschaft, sei er nun das reine Denken oder auch ein über dasselbe hinausgehender Gegenstand, die Dialektik an sich und objektiv als die seiner wesentlichen Wahrheit einzig angemessene Gestalt des begreifenden Erkennens offenbart, daß somit hier überhaupt die dialektische Form der Erkenntnis von dem Inhalt, dem sie gilt, nichts Unterschiedenes ist (vgl. oben, 273 f). Insofern ist auch diese Logik selbst, obwohl sie die Explikation der reinen Form der Dialektik stellt, nicht von Inhaltlichkeit überhaupt abzuisolieren, ist sie schon immer eine inhaltliche Logik' und ein ,objektives Denken' und, weil so selber schon in sich dem spekulativen Spannungsverhältnis von Form und Inhalt der Wahrheit unterworfen und ausgesetzt, zur Anwendung der in ihr explizierten Formprinzipien der absoluten Methode auf die nämliche Explikation derselben selbst gezwungen (vgl. 4.1.2.2.). Sie exponiert demnach nicht ein methodisches Verfahren vor dessen eigentlicher Anwendung, sondern verfährt selber schon immer nach demselben, wendet dasselbe überhaupt schon immer an. Dem auf diese Weise in ihr entwickelten Methodenbegriff der absoluten Philosophie inhäriert folglich, daß deren Methode überhaupt nicht als ein bloß totes Form-Ding mit nachträglicher Anwendungs- und Belebungsfunktion gedacht werden kann (vgl. Enz, § 162 HZus; oben, Anm. 182), daß es

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für sie vielmehr weder eine Form gibt, der ein Inhalt oder eine Materie nur äußerlich zukäme, noch einen Inhalt, der die Methode zu einer bloß äußerlichen Form bestimmen könnte (vgl. oben, 118 f), daß überhaupt eine Antizipation der Form des Wahren vor der Darstellung desselben unmöglich ist, weil für die absolute Philosophie beides immer schon in eins fällt (vgl. oben: 213 ff, 241 f, 269f). Da die Logik somit an sich schon eine bestimmte Darstellung des Wahren unternimmt, an sich schon an diesem eine bestimmte ,Materie' und in der ihr eigentümlichen Darstellung dieser ,Materie' auch schon die ihr eigentümliche Aufgabe hat (vgl. oben, 182ff u. 3.2.1.1.), kann ihre Funktion nicht ausschließlich darin gesehen werden, sich allererst in den realsystematischen Sphären der „Enzyklopädie" nach einer solchen ,Materie' umzusehen, um an dieser ihre objektive Gültigkeit zu erproben oder gar auch zu beweisen, d. h. zunächst nur einfach irreale Konstruktionsprinzipien der Erkenntnis bereitzustellen, die dann erst späterhin für eine objektive Erkenntnis fruchtbar gemacht werden sollen, mit denen erst späterhin im „Bereich des Realen" operiert werden soll. 4. Die Logik expliziert die absolute Methode der philosophischen Wissenschaft nicht nur als spekulative Dialektik, sondern auch als dialektische Spekulation, und zwar dahin gehend, daß das Spekulative überhaupt ein Fundamentalprinzip (das absolute Prius) dieser Methode stellt. Diesem Fundamentalprinzip ist der absolut unsolide und unfixe Grundzug eines ,bacchantischen Taumels' in der Konstitution der Wahrheit eigen: das Unsolide der spekulativen Vorläufigkeit einer jeden definitiven Aussage, das Unfixe der Elemente des spekulativen Satzes wie der Bestimmungen überhaupt unter dem Zeichen des spekulativen ,als' (vgl. 4.1.1.4.). Aufgrund dessen vermag sich schon die Logik selbst in ihrer eigenen Darstellung nicht definitiv zu bestimmen und auszuführen, folgt selber nicht der Exaktheit eines unverrückbaren methodischen Schemas: die in ihr entwickelten Kategorien haben selbst in ihr schon keinesfalls den Status einer definitiven (End-)Gültigkeit, vielmehr ihre absolute Geltung nur in ihrer vorläufigen Bestimmung, sind immer nur unter bestimmten Hinsichten ,als' Dieses oder Jenes „fest"-zuhalten und so bei einer Mannigfaltigkeit von Hinsichten auch mannigfaltig kombinierbar und modifizierbar, d. h. in Wahrheit nie rein und absolut, sondern immer nur vermischt und ,durchmischt' gegeben (vgl. oben: 125ff, 141 f, Anm. 384), ja ihre Entwicklung selbst ist überhaupt nur vor dem ständig präsent gehaltenen Horizont ihrer wesentlichen Unreinheit, Durchmischung und Verstellung angemessen rezipierbar. Somit ist mit der

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„Bereitstellung" der absoluten Methode in der Logik für die „Enzyklopädie" überhaupt in keiner Hinsicht etwas Festes an Methode zu gewinnen. Von daher ist ebensowenig wie die Logik selbst einem methodischen Schematismus Raum gibt, von dieser her ein solcher für die Realsystematik der „Enzyklopädie" abziehbar (vgl. oben: Anm. 247; 189f, 264ff). Alle die hier angeführten Sachverhalte, die gegen eine bloße Anwendung der Logik in der Realsystematik der „Enzyklopädie" sprechen, können unter einem Gesichtspunkt zusammengefaßt werden: sie sind alle bei Hegel generell Grundbedingung für den durchgängigen Wissenschaftsstatus seines ganzen enzyklopädischen Systems der philosophischen Wissenschaften, ein Garant für dessen durchgängige Wissenschaftlichkeit und damit für dessen im ganzen durchgehaltene Wahrheitsgeltung. Es ist jedoch insbesondere gerade die Logik, die a) die Implikationen dieses Wissenschaftsbegriffs rein an sich selbst und als solche vor allem auch absolut vollständig zur Darstellung bringt, die b) nicht, wie es etwa die Realsphären der „Enzyklopädie" tun, die sich grundsätzlich darauf verlassen und prinzipiell voraussetzen, daß ihr begriffliches Verfahren auch tatsächlich dem Wesentlichen der in ihnen behandelten Realität angemessen ist, nur voraussetzt, was der Wissenschaftlichkeit des philosophischen Geistes inhäriert, sondern diese Voraussetzungen allererst als solche im voraus setzt (vgl. oben: 118, 184, 248—250), die c) so im Grunde die fundamentalen Implikationen des Wissenschaftsbegriffs der spekulativen Philosophie selbst gerade nicht nur impliziert, sondern dieselben als das Fundament dieser Philosophie eigens expliziert, was ermöglicht, diese in deren weiteren und konkreteren Disziplinen tatsächlich als faktisch gültig überhaupt nur implizieren zu können. Unter dieser Perspektive ist die Logik nicht mehr nur eine Disziplin der „Enzyklopädie", sondern die Disziplin, in der die wissenschaftliche Grundlage der „Enzyklopädie" auch als ein solches Grundlegendes und Zugrundeliegendes entwickelt wird, d. h. in der deren absolute Methode zum einen explizit vorgelegt und zum anderen mit dieser Vorlage auch als normativ verpflichtend für deren gesamte Gestalt ausgewiesen wird. Hierin liegt die Notwendigkeit, die Logik als die absolute methodische Vorlage der ganzen „Enzyklopädie" anzusehen und eine bestimmte Anwendung der Logik auf die realsystematischen Sphären derselben festzumachen. Sollen auch diese Sphären Wissenschaft sein, so müssen sie nach der logischen Methode gestaltet sein und dürfen nicht hinter die Logik zurück oder neben die Logik fallen, dann finden sie an und mit der Logik eine absolute Norm vorgelegt,

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dann haben sie im Logischen ihre absolute Normierung; die Funktion der Logik wäre so — unter dem engeren Aspekt deren wissenschaftlicher Funktionalität im realsystematischen Bereich der „Enzyklopädie" — dahin gehend zu bestimmen, diesen Bereich zur Wissenschaft zu machen. Was die Logik für denselben allgemein normativ vorlegt ist (nunmehr muß man sagen: neben den oben bereits genannten, nur „scheinbar" nicht allein rein logischen Voraussetzungen Hegels wissenschaftlichen Systems der Philosophie) folgendes: 1. Die philosophische Wissenschaft ist ein aktives Erkennen. Für sie ist von daher nicht ein naturgemäßer Weg der Darstellung ihrer Gegenstände gefordert, sondern ein erkenntnisgemäßer Weg. 2. Dieser erkenntnisgemäße Weg ist am Begriff und auf den Begriff ausgerichtet. Es gilt demnach, sich in der philosophischen Wissenschaft der ,Anstrengung des Begriffs' zu unterziehen und allein der ,logischen Notwendigkeit' des begreifenden Erkennens zu folgen, d. h. sich ausschließlich der Konstruktion und Konstitution der Begrifflichkeit des faktisch Gegebenen, nicht dessen nur evident augenfälliger Faktizität zu verschreiben. 3. Letzterem inhäriert die „Reduktion" des Gegenstandes der philosophischen Wissenschaft auf dessen wesentliche Wahrheit, nicht auf die Wahrheit des bloßen Erscheinungsbildes, der Schein-Wirklichkeit desselben (die philosophische Wissenschaft ist keine phänomeno-logische, sondern eine spekulativ-logische Wissenschaft). Dabei kommt dieser Gegenstand überhaupt nur insoweit in Betracht, wie er den Begriff überhaupt zum „innern Bildner" und „Vorbildner" hat (WL II, 231), inwieweit seine Realität nicht als ein seinem Begriff selbst schlichtweg nur ,Äußerliches aufgenommen', sondern ,nach wissenschaftlicher Forderung' aus seinem Begriff selber ,abgeleitet' werden muß (vgl. ibid., 225), d. h.: inwieweit sich in ihm sein Begriffsbestand überhaupt zu realisieren vermag 445 . 445 Ygl obej^ 3.2.2. u. 3.3.; ferner auch K. Hartmann, Die ontologische Option, a. a. O . , 18: „Man kann der Ansicht sein, bei der Realphilosophie handle es sich nicht oder nicht nur um Kategorienlehre, sondern um existenzsetzende Metaphysik. Man kann der Ansicht sein, in der Realphilosophie müsse (abgesehen von prinzipientheoretischen Bindungen an eine abstraktere Apriorität) Rekurs genommen werden auf ein Andersprinzipiiertes, das sich nur partiell in Kategorien einfangen lasse . . . Es wäre vorstellendes Denken zu meinen, es müsse ein ,wahrhaft' Anderes, als den Begriff Bestimmendes, in die Deutung der Bestimmtheit des Begriffs vom Realen aufgenommen werden. Die Rekonstruktion, die verlangt ist, kann nur begriffenes Anderes als den Begriff bestimmend einführen, und damit sind wir schon beim Hegeischen Standort".

Die Methode der Logik und die Logik der Methode

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4. Diese Reduktion des Gegenstandes auf das Wesentliche, in dem seine Wahrheit begriffen wird, bringt ein Verstellen der gehaltlichen Faktizität (Inhalt) des Gegenstandes durch die logische Systematik (Form) der philosophischen Wissenschaft mit sich. Wie hier richtig verstellt wird, ohne dabei zugleich auch die , Wahrheit an sich' selbst grundsätzlich zu verstellen, findet sich in der Logik expliziert und von dieser her für das Ganze der Systematik wissenschaftlichen Philosophierens absolut verbindlich vorgezeichnet. Wird die in der Logik geleistete Vorgabe dessen, was die Wissenschaftlichkeit der Philosophie überhaupt konstituiert, nur einseitig zugunsten der Logik verabsolutiert, dann läßt sich einerseits das Verhältnis von Logik und realsystematischen Sphären der „Enzyklopädie" als ein Verhältnis von absoluter Form (Begriff) der Wissenschaft und besonderem Inhalt (Realität) der Wissenschaft spezifizieren 4 4 6 , dann expliziert die Logik allgemein das begriffliche Fundament der absoluten Wissenschaft und bezieht sich in deren späteren Teilen nur noch auf „realere" Dinge in dem Sinne, daß sie an diesen die Wahrheitstauglichkeit ihrer rein begrifflichen Methode beweist, indem sie sich hier in ihrer „realen" ,Erprobung' eben auch ,bewährt' und ,bewahrheitet' 4 4 7 , dann scheint aber andererseits vor allen Dingen die Logik auch schon das eigentliche Ganze der philosophischen Wissenschaft überhaupt zu sein, denn obwohl sie bloß die Darstellung der reinen Form und des reinen Begriffs der Wissenschaft unternimmt, bleibt sie selbst als eine ideelle Wissenschaft an sich nicht nur formell, beinhaltet bereits an sich Realität und Inhalt, hat schon für sich eine Materialität, ist bereits eine inhaltliche Wissenschaft und die Darstellung eines objektiven Denkens, statuiert so bereits ein Exempel, wie die Anwendung der in ihr explizierten 446 Vgl. Puntel, a . a . O . , 56: „Indem Hegel die Logik als formelle Wissenschaft versteht und darlegt, formalisiert er die Idee (d. h. hier vorläufig gesagt: die Sache der Philosophie), d . h . er subsumiert die Idee unter die Reflexionsbestimmungen der Form und des Inhalts. Das Unternehmen der Logik ist selbst diese Formalisierung der Idee. Das Verhältnis der Logik zu ihrem Anderen, d . h . zu den ,realen' (.inhaltlichen', ,konkreten') Wissenschaften, stellt sich somit als Verhältnis von Form und Inhalt dar. Es ist daher offenkundig, daß die Eine Wissenschaft, als die Hegel die Philosophie auffaßt - und zwar auf der Grundlage einer Einteilung in Logik und Realwissenschaften — eine Einheit auf der ,Höhe' oder in der ,Intensität' des Reflexionsverhältnisses von Form und Inhalt ist". 447 Vgl. K. Harlander, a . a . O . , 14: „Ebenso wurde der Grundzug angegeben, wie das Logische sich zur Wirklichkeit verhält. Es nimmt sie auf und formt sie zugleich apriorisch. Dadurch hat sich gezeigt, daß die Kraft der logischen Notwendigkeit im konkreten Inhalt fortwährt zu wirken. Die logische Idee hat damit die Probe bestanden, das Allgemeine, das Wesen alles Natürlichen und Geistigen zu sein, und sie hat diese ihre Bedeutung bewahrheitet".

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Die „Wissenschaft der L o g i k " und die Realphilosophie

Methode auf wirkliche Sachverhalte real „funktioniert". Da sie aber gerade durch die Selbstanwendung der in ihr entwickelten Prinzipien des wahren Denkens auf die prinzipielle Entwicklung desselben selbst zu einer absoluten Adäquation von Denken und Gegenstand vordringt und diese Adäquation in ihrem Verlauf selbst eben auch schon faktisch verwirklicht, scheint mit ihrer Darstellung der reinen Wahrheit der philosophischen Wissenschaft auch schon die Darstellung der ganzen Wahrheit derselben geleistet zu sein, scheint sie auch schon das vollkommene Ganze der spekulativen Philosophie im ganzen nicht nur allgemein oder formell zu antizipieren, sondern in ausgezeichneter Weise überhaupt auch schon konkret auszuführen, zumal sie überhaupt die einzige Wissenschaft im gesamten Wissenschaftsverband dieser Philosophie ist, der es gelingt, das für die spekulative Philosophie verbindliche Postulat von der absoluten Adäquation von Denken und Gegenstand tatsächlich auch absolut einzulösen 448 . Wird diese absolut autonome und autarke Selbstgenügsamkeit der Logik jedoch von jenem Aspekt her relativiert, daß der ganze Verband der unter den Oberbegriff ,Spekulative Philosophie' fallenden Disziplinen des philosophisch wissenschaftlichen Denkens ein ideeller Verband in dem Sinne ist, daß seine gesamte Realisation überhaupt nur als ein Weiterbestimmen seiner Idee statthat, daß jede seiner bestimmten Disziplinen nur eine jeweils bestimmte Realisationsstufe eben dieser Idee darstellt, dann enthält „die Behauptung, daß bei konsequenter Interpretation des Hegeischen Denkens eine einzige allumfassende Wissenschaft anzunehmen wäre", die „zutiefst wahre und fundamentale Einsicht", daß gerade einzig der Gesamtkomplex des Verbandes der ideellen Wissenschaften als diese Eine Wissenschaft angesehen werden kann, und zwar insofern, als hier „Logik und Realsystematik eine originäre Einheit bilden, in der die Differenz der beiden gründet. Die ,einzige, allumfassende Wissenschaft' wäre nicht die Wissenschaft der Logik im Gegensatz zu den realen Wissenschaften oder gar unter ,Aufgehen' dieser in der Logik, sondern die Wissenschaft als die Einheit dieser,Dimensionen'" 4 4 9 . Unter dieser gesamtwissenschaftlichen Perspektive vermag 448 Vgl. Harlander, ibid. 10: Die logische Idee „ist das Wesen alles subjektiv und objektiv Seienden, des Geistes und der Natur. N a c h diesem Gesichtspunkt muß es unmöglich erscheinen, über die logische Idee noch hinauszugehen und für sie eine tiefere Grundlage finden zu wollen. Sie selbst ist das innerste Fundament, und ihre Entfaltung, die Wissenschaft der Logik muß demgemäß als die eigentliche Natur- und Geistphilosophie angesehen werden . . . Schon dadurch, daß und wie sich diese Frage erhebt, ist die Auffassung des Systems, wonach die Logik die vorläufigste Wissenschaft, der Geist aber der letzte Grund des Ganzen wäre, in dieser unmodifizierten F o r m abgewiesen". 449

Puntel, a . a . O . , 108.

Die Methode der Logik und die Logik der Methode

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die Logik sich nur als das methodisch Grund-legende und so als das allgemein Zugrundeliegende der spekulativen Wissenschaft zu behaupten, ist das rein Logische überhaupt nur „das den Reichtum des Besondern in sich fassende Allgemeine" (WL I, 40; Hervorhebung v. Verf.) 450 , und in seiner Se/Z>s£-beschränkung auf die Darstellung der reinen Wahrheit in der Wissenschaft der Logik selbst zugleich auch ein Indiz dafür zu erblicken, daß sein Vollsinn schon an sich auf ein Uberschreiten einer nur einseitigen, rein logisch gehaltenen Realisation seiner selbst verweist 451 , daß von daher aber eben auch die Entwicklung der fundamentalen Prinzipien der spekulativen Wissenschaft in der Logik noch keinesfalls mit der eigentlichen Ausführung derselben identisch ist (vgl. oben: 3.3., insbesondere auch Anm. 312), ja daß vielmehr „ein sogenannter Grundsatz oder Prinzip der Philosophie, wenn er wahr ist, schon darum auch falsch ist, insofern er nur als Grundsatz oder Prinzip ist" (Phän, 23 — Hervorhebung v. Verf. — ; vgl. auch oben, 68). Die „weitere" Entwicklung der Logik in der Realphilosophie ist jedoch nicht einfach nur so aufzufassen, als ob hier etwa neue logische Kategorien eingeführt würden, oder als ob etwa die , Bekanntschaft' der Realphilosophie mit der Logik die Logik selbst als Logik bewähren könnte (dazu ist das rein Logische in der Realsystematik vielzusehr verstellt; vgl. auch oben, 248), sondern erheblich komplizierter: die reine Logizität der Logik bleibt hier zum einen teils prinzipiell unverändert, wie sie zum anderen jedoch teilweise auch grundlegende Modifikationen im Anschluß an Implikationen erfährt, die ihr selbst eigentümlich sind, indem die realsystematischen Sphären der „Enzyklopädie" auf der Grundlage der in ihr erstellten Prinzipien des wahren Denkens gerade jene Realität konkret ausführen, die in ihrer eigenen konkreten Ausführung als Logik zunächst nur mehr impliziert, als realisiert bleiben mußte, weil in der „Wissenschaft der Logik" die ideelle Identität von Begriff und Realität zunächst nur am Begriff des Begriffs selbst demonstriert werden sollte und konnte (vgl. oben, 186ff einschl. Anm. 317). 450 Vgl. Puntel, ibid. 227: „Es ist nun klar, daß die absolute Idee als Methode - d.h. als die hinsichtlich der logischen Bestimmtheiten allgemeine Form — auch hinsichtlich der realsystematischen Gestaltungen allgemein zu nennen ist, wenngleich hinzuzufügen ist, daß diese zweite Allgemeinheit nicht nur der absoluten Idee, sondern allen logischen Bestimmungen zukommt, charakterisiert doch diese Allgemeinheit das Logische als solches und als ganzes". 451

Vgl. Puntel, ibid. 88: „Gerade indem die Bestimmungen der Logik als ,rein' und ,logisch' — d.h. als einer sich selbst de-finierenden und somit als ein-seitig verstehenden Dimension angehören — dargestellt werden, haben sie diese Reinheit bzw. Ein-dimensionalität immer schon aufgehoben. Dies kann der Vollsinn des Logischen genannt werden".

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Die „Wissenschaft der L o g i k " und die Realphilosophie

Es ist nunmehr deutlich geworden, daß sich über die gesamtwissenschaftliche Bestimmung des Verhältnisses von Logik und Realsystematik ein Doppelaspekt für das Verständnis der Logik einstellt, der nur in seiner spekulativen Relativität begriffen werden kann und nur über diese das logische (methodische) Selbstverständnis Hegels enzyklopädischen Systems der philosophischen Wissenschaften eröffnet. Auf der einen Seite ist die Logik nur „eine" Wissenschaft, die Erste Wissenschaft und vor-läufigste Wissenschaft des Systems, als reine Grundlagenwissenschaft nur ein Zunächst von Wissenschaft und bedarf der Grundlegung ihres Vollsinns durch ihr Letztresultat, den absoluten Geist. Die Logik als nur „eine" Hinsicht des Ganzen unterliegt selber der Dialektik von Teil und Ganzem, ist selber in die spekulative Spannung des Absoluten der wahren Wissenschaft absolut eingelassen und kann auch nur durch eine solche Stellung im Ganzen (— hier im aktiven und prädikativen Sinne gemeint — ) , Einleitung' und .Anfang' des Systems sein, sich aber in dieser Funktion erst vom absoluten Ende des Systems her bestätigen lassen. Dem inhäriert auf der anderen Seite, daß sie in der faktischen Konkretion ihrer Entfaltung als Logik am konkreten Systemort weder ,Einleitung' noch ,Anfang' ist, weil sie dort die Legitimation ihres Selbstverständnisses ausschließlich auf ihr eigenes logisches Ende, auf die absolute Idee, stützt, daß sie somit die Wissenschaft ist, indem sie in der Darstellung eines absoluten Selbstverhältnisses des Logischen zu sich selbst die Idee der spekulativen Wissenschaft tatsächlich in einem ,gegensatzlosen Elemente' konkret entwickelt und somit deren Postulat von der absoluten Adäquation von Begriff (Form) und Realität (Inhalt) bereits absolut verifiziert. Nur vor dem Horizont dieser wissenschaftlichen Ambivalenz der Logik wird plausibel, wieso die Logik die Entwicklung des reinen, sich nur auf sich beziehenden Denkens sein, die Darstellung der Kategorien an ihnen selbst vornehmen, völlig von einem Anderen absehen, und dennoch in ihrer vor-läufigen Einseitigkeit zu jenem „ O r t " gelangen kann, wo ihr Anderes auf den Plan tritt, zu ihrem Ubergang in die Realphilosophie. An diesem Punkte sieht die Logik über sich hinaus (notwendigerweise, weil sie sich nunmehr bloß als eine Einseitigkeit — die anderen realphilosophischen Sphären des Systems sind andere Einseitigkeiten — ihres Absoluten begreift) und bringt das Ganze des Systems in ihren Blick. Erst wenn die Logik in die Realphilosophie übergeht, ist sie überhaupt als eine Grundlagenwissenschaft und Erste Wissenschaft wissenschaftlich immanent statuiert, vorher ist sie an sich bereits die letztgültige Realisation des absoluten Selbstverhältnisses des Geistes in seinem Gegenstand. Somit kann die Logik mit Recht jene

Die Methode der Logik und die Logik der Methode

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Paradoxic an ihrem Ende formulieren, daß sie bereits die vollkommene Darstellung des Absoluten sei, über die nicht mehr hinausgegangen werden könne, — d. i. in Absehung von dem Anderen des Logischen her argumentiert, mithin von einem Punkt abgesehen, der anders als das Logische, der „unlogisch" ist —, daß gerade aber auch von diesem un-logischen (weil absoluten) Standpunkt her das Logische als logisches, oder auch: als nur und rein logisches ausweisbar ist, daß somit im Grunde dieses scheinbar der „Wissenschaft der Logik" immanente Argument der Vollendung des Absoluten gerade nicht nur logisch und von daher auch nicht der Logik einzig nur immanent ist. Daraus folgt, daß sich sowohl die absolute logische Immanenz der wahren Erkenntnis wie auch das immanent Logische derselben gerade im Ubergang der „Wissenschaft der Logik" in das „Nichtlogische", in die Realphilosophie, Gestalt gibt. Somit ist es gerade ein ausdrücklich logisches Argument, wenn es sich explizit im logischen Resultat zeigt, daß über die Logik selbst hinausgegangen werden müsse, daß es eben gerade die Logik (absolute Idee) selber sei, die diesen Ubergang in ihr Anderes verlange452. Alle diese Ausführungen zum Verhältnis Logik — Realphilosophie belegen, daß auch das Verhältnis Logik — Realsystematik, obwohl hier die Logik die absolute Methode der Gestaltungsprinzipien für die Realsystematik vorgibt, nicht in der Weise eines einfachen Anwendungsverhältnisses der einen auf die andere gedacht werden kann, sondern erheblich verkompliziert und modifizierbar ist. Weder leitet sich die Realsystematik exakt aus der Logik ab, noch ist die Logik von der Realsystematik her real deduzierbar 453 , wenngleich sie sich auch in dieser realisiert, d. h. : die gesamte Systematik der „Enzyklopädie" unterliegt im konkreten keinem logischen Schematismus, obwohl sie ihrem Ganzen gerade einen solchen allgemein unterlegt. Für sie muß daher unter Berücksichtigung ihrer gesamtwissenschaftlichen Perspektive folgendes grundlegend festgehalten werden:

452 Vgl. 453

zu

diesem Doppelaspekt der Logik auch oben: 105ff, 182ff.

Vgl. oben: 190 einschl. Anm. 319, 264ff. H . Schnädelbach geht hinsichtlich der letztgenannten „Deduktion" sogar soweit zu behaupten, „daß die Hegeische Gestalt der Logik selbst systematisch nicht unabhängig ist von der bürgerlichen Vorstellungswelt über ihre eigenen gesellschaftlichen Verhältnisse", daß von daher dann aber eben auch „die systematische Abhängigkeit der Logik Hegels von der Geltung bürgerlicher Gesellschaftsvorstellungen demonstriert werden" kann (Zum Verhältnis von Logik und Gesellschaftstheorie bei Hegel, in: O . Negt — Hrsg. —, Aktualität und Folgen der Philosophie Hegels, Frankfurt/M. 1971, 6 2 - 8 4 , 63).

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Die „Wissenschaft der L o g i k " und die Realphilosophie

1. Innerhalb ihrer ist kein einheitlicher Universalgebrauch der logischen Kategorien gegeben, vielmehr richtet sich die jeweilige „Verwendung" derselben nach den Erfordernissen der Gegenstandsbereiche, denen diese Kategorien jeweils gelten. 2. Ein jeder Systemteil hat eine eigene spezifische Logik. 3. Die jeweiligen Logiken beruhen: a) allgemein auf dem Begriff des Begriffs, der in der „Wissenschaft der Logik" entwickelt ist; b) im besonderen auf der Eigenprinzipiierung ihrer bestimmten Gegenstandsbereiche; c) im einzelnen auf ihrem gesamtsystematischen Stellenwert innerhalb des Ganzen der spekulativen Philosophie, welcher zum einen von ihrer allgemeinen Komponente (— teils eigener Rhythmus — ), zum anderen von ihrer besonderen Komponente her (— teils vom Inhalte ungetrennt —) bestimmt ist 454 .



Allein vor dem Hintergrund der hier noch einmal herausgestellten Kohärenz der die ganze „Enzyklopädie" leitenden Grundideen ihres gesamtwissenschaftlichen Status, ihrer Methodik und Systematik ist es möglich, eine Analyse einzelner Systemteile derselben durchzuführen, die deren Gehalte im Zusammenhang und unter voller Berücksichtigung ihrer Integration in Hegels streng wissenschaftliche Gestalt der Philosophie und ihrer ihnen damit obliegenden, formalen wie inhaltlichen Fundamentalimplikationen zu begreifen vermag; d. i. die einzige Art einer analytischen Beschäftigung mit Hegelschem Gedankengut, die sich grundsätzlich in der Verfassung befindet, zumindest wenigstens einmal das zu begreifen, von dem Hegel selber schon einen Begriff vorgelegt hat. Im Teil II unserer Arbeit werden wir eine solche Analyse an dem Systemteil „Objektiver Geist", d. i. an Hegels politischer Philosophie in Gestalt der „Rechtsphilosophie", exemplifizieren. Im Verlaufe und anhand der von uns im Teil I unserer Untersuchung bereits fest-gestellten und de-finierten Einsichten zu eben dieser hier noch einmal angesprochenen Kohärenz von gesamtwissenschaftlichem Status und der logisch-spekulativen Makrostruktur Hegels enzyklopädischen Systems der philosophischen Wissenschaften ist schon 454

Vgl. auch oben, 7 u. 28 f.

Die M e t h o d e der Logik u n d die Logik der M e t h o d e

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manifest geworden, was Hegels „Rechtsphilosophie" als ein bestimmter Teil dieses Systems vor dem Eintritt in ihre konkrete Ausführung selbst sowohl für ihre Form als auch für ihren Inhalt schon immer als begriffen, bekannt und anerkannt voraussetzt und voraussetzen muß, was sie schon immer und überhaupt an konstruktiven und konstitutiven „Axiomen" impliziert, indem sie sich selber eben das Wissen darum nur voraussetzt, daß überhaupt und inwiefern „die philosophische Art des Fortschreitens von einer Materie zu einer anderen und des wissenschaftlichen Beweisens, diese spekulative Erkenntnisweise überhaupt, wesentlich sich von anderer Erkenntnisweise unterscheidet" (Rph, 4) 45S : a) Die „Rechtsphilosophie" ist eine Gestalt wissenschaftlicher Philosophie, mithin eine Gestalt des selbstbewußten Geistes und der Vernunft, mithin ideell, eine weitere Selbstdarstellung der Idee; folglich ist sie, obwohl die Darstellung des objektiven Geistes, nicht die Darstellung reiner Objektivität, sowenig die wissenschaftliche Philosophie überhaupt irgendwo bloß die Darstellung reiner Subjektivität ist, vielmehr immer die Darstellung einer bestimmten objektiven, nämlich der wahrhaft wirklichen Vermittlung von Subjekt und Objekt, Denken und Gegenstand, Begriff und Realität etc. (vgl. oben, 279). Die „Rechtsphilosophie" bietet von daher kein ,Konglomerat genialer Beobachtungen' (s. o., 262) im Bereich des Politischen an, noch etwa eine bloße, möglicherweise noch ebenso geniale Subsumption solcher Beobachtungen unter eine bestimmte philosophische Idee (vgl. oben, Anm. 110). b) Ihre bestimmte systematische Gestalt basiert auf der Realdialektik und somit auf Organisationsprinzipien, die dem ihr eigentümlichen Gegenstandsbereich selbst wesentlich inhärieren. Sie bleibt somit bei der systematischen Konstruktion ihres Gegenstandsbereiches (in ihrem ,eigenen Rhythmus' . . .) absolut in der Immanenz der Selbstkonstitution der in demselben selbst intern wirksamen Vermittlungsstrukturen seiner absoluten Wahrheit, in der Immanenz des ,Dranges' desselben nach einer ,Herstellung' des Begreifens seiner Wahrheit (. . . ,vom Inhalte ungetrennt'), obwohl diese ihre systematische Konstruktion gerade den ersten Anschein der wirklichen Konstitution ihres Gegenstandsbereiches 455

Die hier folgende Auflistung dieser „ A x i o m e " hat zunächst n u r den Status einer vorläufigen u n d selbst noch unvollkommenen Antizipation, eines Vor(be)griffs derselben, da deren ,konkrete B e w ä h r u n g ' in der „Rechtsphilosophie" selbst gerade den eigentümlichen Gegenstand des zweiten Teils unserer U n t e r s u c h u n g stellt und somit hier allererst als gegeben vorausgesetzt werden k a n n .

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Die „Wissenschaft der L o g i k " und die Realphilosophie

zerstört, indem sie die naturgemäße Konstitution verstellt.

Faktizität

dieser

wirklichen

c) Sie setzt als eine Wissenschaft, d. h. als eine Gestalt des Denkens nach der absoluten Methode, überhaupt den Begriff des Logischen, die „Wissenschaft der L o g i k " absolut voraus, ohne daran schon das Absolute einer wissenschaftlichen Dachorganisation' (s. o . , 262), ohne daran schon ein exaktes methodisches Schema für den Duktus ihrer eigenen Systematik vorgelegt zu haben; die absolute Voraussetzung, die sie im rein Logischen hat, befreit sie nicht davon, diese allgemeine Voraussetzung den besonderen Erfordernissen ihres Gegenstandsbereiches entsprechend zu modifizieren, auf der absoluten Grundlage ihres logischen Allgemeinen eine eigene, spezifisch „rechtsphilosophische" Logik zu entwickeln. Sie greift somit methodisch nicht einfach nur auf die Logik zurück, sondern treibt an sich selbst auch Logik. d) Die „Rechtsphilosophie" betreibt als eine ideelle Wissenschaft zwar auch eine eigene logische Genesis, sie ist jedoch näher nicht nur allgemein ideell bestimmt, sondern stellt eine ganz bestimmte Selbstrealisation der Idee: sie ist eine bestimmte Wissenschaft der Realphilosophie. Dem inhäriert generell, daß sie über ihr rein Logisches ,konkreter' und ,realer' hinausweist (vgl. W L II, 230f), daß in ihr nicht mehr nur ein rein begrifflich Reales, sondern gerade ein über eine gewisse Begriffsunabhängigkeit verfügendes, für sich selbst und wirklich eigenprinzipiiert scheinendes Reales angesprochen ist (vgl. oben, 163 ff u. 3.3.). Dieses die Realphilosophie allgemein charakterisierende Spannungsverhältnis von Begriff und Realität präzisiert sich in seiner spezifisch objektiv geistigen Bestimmung schon äußerlich formell durch den bestimmten Systemstandort, den die „Rechtsphilosophie" einnimmt: diese stellt die zweite wissenschaftliche Disziplin (II) der gesamtwissenschaftlich dritten Disziplin der „Enzyklopädie", der Geistesphilosophie (III), d. h . : daß sie von ihrer bestimmten Integration in die Geistesphilosophie her (als III in II) in einer näheren Beziehung zur Wesenslogik steht ( = II, Inbegriff des Dialektischen, Relativität, Differenz, Negativität etc.), daß sich somit in ihr überhaupt Begriff und Realität zum einen nur unvollkommen zu vermitteln und zu verknüpfen verstehen, daß sie zum anderen und zugleich aber auch von ihrer allgemeinen Integration in die Geistesphilosophie her (als II in III) in einer sie generell auszeichnenden Analogie zur Begriffslogik steht ( = I I I , Inbegriff des Spekulativen, Relationalität, Identität, Positivität etc.),

Die Methode der Logik und die Logik der Methode

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weil die Geistesphilosophie überhaupt substantiell in einer solchen Analogie steht (vgl. oben, 157ff), so daß in ihr Begriff und Realität an sich auch absolut vermittelt sind, so daß an sich auch hier der Begriff ein Dasein hat, welches den Begriff zu seinem Dasein hat (vgl. oben, 154f u. 156f). Der letzte Aspekt, ihre allgemeine Integration in die Geistesphilosophie, bedingt, daß ihr Organisationsprinzip überhaupt fundamental mehr ein lineares (horizontales) als ein hierarchisches (vertikales) ist (vgl. oben, Anm. 300 u. Punkt 3.2.3.1.). e) Indem die „Rechtsphilosophie" auf Erkenntnis aus ist, d. h. indem sie überhaupt wissenschaftlich und logisch ist, folgt sie keinem naturgemäßen, sondern einem erkenntnisgemäßen Weg des Gedankens, der ,logischen Notwendigkeit' desselben (vgl. oben, 260). Dem inhäriert nicht nur, daß dabei das natürliche Erscheinungsbild des Politischen verstellt wird, sondern vor allem auch, daß es ihr um das substantielle Prinzip des Politischen (vgl. Enz, § 433 HZus), um das Bleibende im Politischen (vgl. Rph, 5), überhaupt um die Idee des Politischen (vgl. ibid., § 1 einschl. HZus), nicht um eine jede äußerliche Einzelheit desselben berücksichtigende Nacherzählung der natürlichen Entwicklung des politischen Geschehens, oder gar um eine Erzählung von den zeitlich aktuellen Zuständen desselben geht (s. oben, 258ff). Diese Vernachlässigung der politischen Realität führt jedoch keinesfalls in einen absolut irrealen, rein geistigen Äther philosophischer (Ver-)Klärung, schon weil die absolute Philosophie bei Hegel überhaupt als „das Ergründen des Vernünftigen" schon immer auch „das Erfassen des Gegenwärtigen und Wirklichen" ist (Rph, 14; vgl. auch oben, 84f): die „Rechtsphilosophie" bleibt aufgrund ihrer Re-duktion des Politischen auf dessen ideelle Substantialität betreffs dessen mannigfaltiger, äußerlich realer Gegebenheiten zwar durchaus mangelhaft und unvollständig und vermag so auch kein politisches Programm zu einer Veränderung konkreter Details dieser Gegebenheiten zu erstellen, birgt jedoch den Vorteil, sich weder nur mit der ,Annäherung' an einen ideellen Status des Politischen zu .begnügen', noch nur mit der „kalten Verzweiflung, die zugibt, daß es in dieser Zeitlichkeit wohl schlecht oder höchstens mittelmäßig zugehe, aber eben in ihr nichts Besseres zu haben und nur darum Frieden mit der Wirklichkeit zu halten sei" (vgl. Rph, 17). Alle die hier skizzierten „Axiome" der „Rechtsphilosophie" vermögen schon vorweg zu offenbaren, wie wenig von Hegels politischer Philosophie

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Die „Wissenschaft der L o g i k " und die Realphilosophie

verstanden wird, wenn diese nur in jenen Blick gerät, der in ihr nur eine Preußische Staatsphilosophie zu gewahren vermeint. Was an einem Mehr an Erkenntnis für diese politische Philosophie dadurch gewonnen ist, daß deren bestimmte Integration in Hegels enzyklopädisches System der philosophischen Wissenschaften berücksichtigt wird, wird sich explizit in dem nachfolgenden, zweiten Teil unserer Untersuchungen finden lassen.

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Personenregister Adorno, Th. W. X X V I , 3, 67, 92, 101, 102, 204f., 207, 240, 261, 262, 275 Albrecht, W . 125 Angehrn, E. X V I , 25, 61, 65, 69, 78, 107, 110, 113, 117, 118, 121, 128, 129, 132, 138, 150, 176, 180f., 197, 199, 216, 236, 239f., 247, 252 Aschenberg, R . 36, 41, 51, 74, 8 8 - 9 2 , 238 Becker, W. 33, 35, 207, 214, 227, 232, 233, 251, 252, 255f., 272 Beckett, S. 83 Blasche, S. 47, 237 Bloch, E. X X I X , 33f., 37, 47, 72, 150, 194, 197, 203, 218, 224, 235, 268f. Brecht, B . 194 f. Bröcker, W . 225 Chalybäus, H . M . Clark, M. 47

19

Descartes, R . 71,111 Dreyer, H . 176 Dulckeit, G . 180 Dupré, W. 125 Eley, L.

125

Fackenheim, E. L. 180f. Fetscher, I. XXX Feuerbach, L. 100 Fichte, I. H . 19 Fichte, J . G . 79, 102 Fischer, K. Ph. 19 Flach, W . 214 Fleischmann, E. J . 130, 271 Fulda, H . F. X V I , X X V I I , 13, 14, 15, 18, 31, 35, 36, 37, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 46, 47, 50, 125, 180f., 263f., 276 Gadamer, H . - G . X V I I , 3 5 f . , 52, 71, 241, 255 Glockner, H . 139

Griesheim, Κ. G. XXXIV Gurvitch, G . 212f. Guzzoni, U . 221

v.

XXIX,

XXX,

Habermas, J . XXXIX Haering, Th. 36, 41, 44 Hager, Α. XXV Harlander, Κ. X V I , 15, 36, 42, 180f., 251, 277, 285, 286 Hartmann, Ε . v. 208, 269 Hartmann, Κ. 138, 139, 140, 145, 180f., 228, 247, 268, 284 Hartmann, Ν . 55, 195, 208, 2 1 4 f „ 224, 269 Haym, R . X X V I , 34 Heidegger, M. 19, 56, 64, 71, 96, 270, 274 Heimann, B. 145, 238 Heinrichs, J . X V I , 15, 36, 37, 42, 4 3 f . , 46f., 55, 180, 225 Heiss, R. 241 Henrich, D . X X V I , 94, 107, 125, 128, 190, 199f., 207, 227, 237, 240, 244, 246 Hirsch, E. X V I I Hoffmeister, J . X X V I I , 7, 34, 36, 44 Homeyer, C. G . XXIX Hondt, J . d' X X X I V Hotho, H . G . XXIX Husserl, E. 19 Hyppolite, J . 53 Ilting, Κ . - Η .

XXIX-XXXVI

Kant, I. 42, 49, 63, 79, 129 Kerényi, Κ. 237 Kierkegaard, S. 4, 72, 207 Knox, T . M. XXXIV Koch, J . 44 Kojève, Α. 10, 34, 61, 76f., 269, 276 Kopper, J . 78, 127 Kroner, R . 194, 214 Kümmel, F. 174

Personenregister

310

Labarrière, P.-J. XVI, 47 Lacorte, C . XXVIII Lasson, G. X X V I , 36, 180, 210 Lübbe, H . 219 Lukács, G. 37, 38, 78, 79, 205, 219, 272 Maluschke, G. 241 Marcuse, H . 85, 176, 213 Marx, K. 101 Marx, Werner 47, 54, 73 , 224 Marx, Wolfgang 80, 87, 108, 130, 235, 241 Maurer, R. Κ. 15, 34, 42, 44, 129, 180f., 276 Merker, Ν . 129f. Meulen, J. v. d. 180 Michelet, C. L. 44 Negt, O . X L I f . Nicolin, F. X X X V I I I , 13, 79, 101, 166 Nietzsche, F. 3, 6 Nusser, K . - H . XXVIII, X X X , X X X I , X X X I V , X X X V I , 19, 33 Ogiermann, H . 210 Ottmann, Η . X X V , 19, 20, 41, 57 Piaton 102 Pöggeler, O .

X X X V I I I , 13, 36, 42, 43, 79,

101, 166

Popper, K. R. 272 Puntel, L. Β. XVI, XVIII, 15, 35, 39, 41, 48, 51, 70, 71 f., 79, 91, 104f„ 122f., 129, 130, 136, 139, 142, 150, 180f., 182, 183, 190, 197, 199, 204, 208, 213, 220, 223f., 236, 238, 242, 244, 246, 266, 274f., 276, 279, 285, 286, 287 Radermacher, H . Rapp, F. 106

194, 200

Reinhold, K. L. 49 Rickert, H . 214 Riedel, M. X X X V I , 219 Ritter, J. 80,176 Rohs, P. 241 Rosen, St. 47 Rosenkranz, K. 11 f. Sarlemijn, A. 5 4 f „ 225, 242 Schelling, F. W . J . 19,190 Schmidt, G. 47, 129, 133 f. Schmitz, H . 44 Schnädelbach, H . 289 Schrader-Klebert, K. 125 Schwarz, J. 241 Spaemann, R. 96 Stahl, F. J . 272 Stiehler, G. 43, 225 Strauss, D. F. X X X , 33f. Taylor, Ch. 9f. Thaden, Ν . ν. X X X V Theimer, W. 195 Theunissen, M. XVI, X I X f . , 167, 180f. Tönnies, F. X X X V Trede, J . H . 47 Ulrici, H.

19

Volkmann-Schluck, K.-H. Wagner, H . 47, 125, 225 Wein, H. 56, 235 Weisse, Ch. H . 19 Weizsäcker, C. F. v. 238 Wiedmann, F. 33, 278 Wiehl, R. 42f., 214 Wiplinger, F. 212f.

180

Sachregister Absolute, das 23, 101, 123, 166ff., 2 1 9 224, 228ff., 246, 289 Abstraktheit (Abstraktion) 77, 81, 100, 1 1 2 - 1 1 4 , 137, 140 adaequatio (Adäquation) 88, 9 0 - 9 2 , 118f., 140, 183f., 186, 209, 248ff., 267, 286 Anfang - der Wissenschaft 1 1 - 3 1 , 39, 116, 119f., 174f., 221, 228, 259f., 263f. - der Logik 46, 56f., 92f., 1 2 0 - 1 2 5 , 242, 257 Anfang - Resultat 22, 35, 56f., 62, 104, 107, 1 2 1 - 1 2 3 , 1 7 1 - 1 7 7 , 221, 229 Anwendung 25ff., 43, 106f., 149, 241 f., 251 f., 265f., 2 7 3 - 2 7 8 , 2 7 8 - 2 8 6 , 289f., Aufhebung 56, 218 f., 222 ff., 229 Begriff 38, 6 5 - 6 7 , 94, 104 f., 117f., 1 2 6 - 1 4 0 , 1 4 1 - 1 4 6 , 193, 234, 2 4 6 f „ 272 - und Realität 101, 115f„ 139, 148 ff., 153f., 156ff., 176f., 183f., 188ff., 265, 267ff., 284, 292f. Begriffslogik 124, 129f., 1 3 4 - 1 4 0 , 1 4 1 146, 157f., 185, 244, 246f., 253f., 262, 292 f. Bewußtsein 36 ff., 40 f., 79, 90 f., 115 Bewußtsein — Selbstbewußtsein (als Fundamentalprinzipien philosophischer Wissenschaft) 38ff., 4 8 - 6 0 , 6 4 - 7 0 , 73ff., 85, 109 f. Dialektik (dialektisch) 118, 133, 136, 143 f., 1 9 3 - 2 4 1 , 246f., 2 5 3 f „ 258, 262, 276, 281, 292 Durchmischung (methodischer Elemente) 126f., 141 f., 244f., 263, 282f. Einleitung 1 2 - 2 2 , 31, 38ff. Empirie (empirisch) 100f., 147 Entwicklung 131, 1 3 4 f „ 137f., 158f., 169, 218 - der Substanz zum Subjekt 5 9 - 6 1 Entzweiung 68, 80

Erkenntniskritik, -theorie 63, 7 6 - 8 4 , 102, 110f„ 115f„ 194, 232, 259f. Erscheinung 79, 82 f. Fortgang

123, 203f., 221 f.

Geist (das Geistige) 2 f . , 38ff., 48ff., 53, 6 5 - 6 9 , 109, 1 5 5 - 1 7 1 , 193, 234, 275 —, subjektiver 160—162 - , objektiver 1 6 3 - 1 6 6 - , absoluter 1 6 6 - 1 7 1 Geistesphilosophie 104, 1 5 4 - 1 7 7 , 184 ff., 249, 292 f. Göttliche, das 22, 152, 168ff., 237 Idealismus 101 f., 103, 190, 262 Idealität - Realität 79, 84, 1 0 9 - 1 1 1 , 153, 181-190 Idee 56f., 81 f., 101, 103, 109, 116, 117f„ 122, 124, 140, 188f., 193, 234 - , als Inbegriff der Methode 66, 104f., 108, 114, 118 - , als Prinzip der Wissenschaft 48f., 6 9 f . , 101 f., 1 0 2 - 1 1 1 , 1 1 1 - 1 9 0 , 192,266, 280, 286f., 291, 293 Identität (Einheit, Einfachheit) 52f., 56f., 66ff., 81 f., 87, 92f., 94, 99, 123f„ 197, 198, 202, 216f., 226ff. Kategorie (Kategorialität) 101, 103f., 114, 138, 195, 255 ff. Konkretheit 39 f., 50, 84 f., 94, 100 f., 1 0 9 - 1 1 1 , 116, 137, 148, 152, 177f., 223f., 246f., 251 Konstruktion 5f., 117, 191, 242f., 2 5 9 f f „ 261, 269, 273 - 2 7 7 Kreisgestalt 98f., 122f., 125, 173f„ 217, 257, 263 Kunst 160, 167 ff. Letztbegründung 24 f., 214 f., 241 f. Linearität 169, 256ff., 293

312

Sachregister

Logik (das Logische) 2 4 - 2 9 , 100, 112— 146, 155f., 175 ff., 1 9 1 - 2 9 0 - , als das Ganze der spekulativen Philosophie 8ff., 26ff., 182, 184, 285ff. - , Form - Inhalt in der 14, 27, 1 1 2 - 1 1 9 , 142f., 182f., 2 4 9 - 2 5 2 , 281 f., 285 —, Gliederungsprinzipien der 125-127, 141-146, 243-245 - , objektive und subjektive 126, 129f., 142, 246 - und Realphilosophie 9 f . , 27ff., 104f., 106f., 109ff., 141, 1 4 7 - 1 5 1 , 176f., 1 8 1 - 1 9 2 , 2 4 8 - 2 5 0 , 252, 2 6 5 - 2 6 7 , 2 7 8 290, 292 Mensch(sein) 5 f . , 155, 156Í., 160 Methode (das Methodische) 12, 2 5 - 2 9 , 42 ff., 102, 1 0 4 - 1 0 8 , 112, 118 ff., 136, 143f., 1 8 7 f „ 1 9 1 - 1 9 5 , 208f., 2 0 9 - 2 1 5 , 239ff., 241 ff., 245ff., 2 4 7 - 2 5 2 , 2 5 3 255, 2 5 8 - 2 9 0 - , Ambivalenz der 2 f . , 15f., 180, 2 5 8 262, 266, 2 6 7 - 2 7 8 Naturphilosophie 103, 104, 108, 1 4 7 - 1 5 4 , 156, 158, 184ff., 249 Negativität (Negation) 16 f., 54 f., 122, 130f„ 132 ff., 135 ff., 150, 159, 198ff., 2 0 4 - 2 0 8 , 2 0 9 - 2 1 7 , 225ff., 268, 277 - des Phänomenologischen 17, 40f., 98 f., 178 f. Nichts 93, 123f., 211f., 230 - und Alles 223, 225, 230, 232 „Phänomenologie des Geistes" — „Enzyklopädie" 3, 8 - 1 7 , 29f., 3 3 - 9 6 , 9 8 - 1 0 0 , 177-181, 276-278 „Phänomenologie des Geistes" — „Wissenschaft der L o g i k " 8, 10, 15, 35f., 4 1 - 5 0 , 116, 120 f. Philosophie - , Hegels Bestimmung der 21—24, 58, 6 5 - 7 0 , 7 2 - 7 5 , 9 5 f „ 9 7 - 1 0 3 , 109, 160, 167ff., 1 7 1 - 1 7 4 , 2 3 2 - 2 3 5 , 237 —, als die ,Eine Wissenschaft' 2 f f . , 6 f . , 103f., 286f. —, Geltungsanspruch der Hegeischen 5f., 23 f., 63 f., 68 f., 97f., 101-103, 1 6 8 - 1 7 1 , 172f., 228f. Positivität 67, 80, 197, 199, 201 f., 204f., 208, 216

Priorität, methodische 15f., 205f., 2 1 5 217, 226f., 239f., 2 5 3 - 2 6 4 , 276 Realdialektik 193ff., 212ff., 2 6 7 - 2 7 8 , 281, 291 f. Rechtsphilosophie 1, 7, 14, 30f., 33, 50, 57, 61, 70, 1 6 3 - 1 6 6 , 248, 2 9 0 - 2 9 4 Reflexion 77ff., 131 ff., 193, 199f., 207 Relationalität (Relation, Relat) 58, 75, 89, 9 0 - 9 5 , 108, 114, 124, 133, 143, 160, 166f., 197, 201, 2 0 7 - 2 0 9 , 234 Religion 160, 167 ff. Satz, spekulativer 2 3 5 - 2 3 9 Schematismus, methodischer 28 f., 141, 149, 153, 265f., 280f., 283, 2 8 9 f „ 292 Sein 26, 93, 121 f., 124, 230 Seinslogik 1 2 7 - 1 3 1 , 1 4 1 - 1 4 6 , 243, 2 5 3 f f „ 262 ff. Selbstanwendung 26, 242f., 247-252, 281 f., 286 Selbstbewußtsein 5 0 - 5 8 , 98, 106, 109f., 193 Spekulative, das 7, 75, 76, 91 f., 108, 114f., 172, 217, 2 2 5 - 2 4 1 , 246f., 253, 258, 262, 277, 282f., 292 Subjekt - Objekt (Denken - Gegenstand / Subjektivität, Ich — Objektivität) 2, 4 8 - 5 0 , 55, 58, 61, 65ff., 7 6 - 8 5 , 8 8 - 9 3 , 9 8 - 1 0 2 , 1 0 9 - 1 1 9 , 129f., 139f., 168ff., 175ff., 1 8 2 - 1 8 8 , 2 1 3 f „ 279, 291 ' Synthese 196, 203, 208 Totalität, als systematische Geschlossenheit l l f . , 20, 69, 98f., 106 Tragische, das 6, 23 Triplizität 197, 208 Umkehrbarkeit, relative (von Faktizität Systematik) 30, 127f., 146, 178ff., 2 5 3 264, 2 7 1 - 2 7 7 , 285, 291 f. Unmittelbarkeit — Vermittlung 56f., 81, 83, 93f., 1 2 0 - 1 2 4 , 1 2 7 - 1 3 7 , 1 9 6 - 2 0 8 , 226f., 243f., 257f. Verstand — Vernunft (als Fundamentalprinzipien philosophischer Wissenschaft) 37f., 48, 53, 66, 7 4 f „ 7 6 - 8 7 , 98, 106, 109f., 115, 171, 186f., 193f., 208, 277 Voraussetzung 118, 121, 184f., 231, 283 Vorläufigkeit 1 8 - 2 1 , 230ff. Vorstellung (Vorstellen) 38, 79, 94, 110, 124

Sachregister Wahrheit (das Wahre) 2 f., 4 ff., 22 ff., 48 ff., 6 4 - 7 0 , 7 2 - 9 6 , 108, 113ff., 135f., 140, 178f., 2 0 4 f . , 2 2 8 f . , 2 3 2 - 2 3 5 W e r d e n 93, 108, 124, 230 Wesenslogik 44, 77ff., 129f., 1 3 1 - 1 3 4 , 136, 1 4 1 - 1 4 6 , 2 4 3 f . , 2 4 6 f „ 2 5 3 f f „ 262f., 292

313

W i d e r s p r u c h 52, 8 0 f f . , 131, 137f., 151 f., 159, 1671., 198, 201, 2 0 2 f „ 204, 216, 224f., 227, 2 3 2 f . Wirklichkeit 57, 84f., 187, 293 Wissen 36, 52, 6 4 - 6 7 , 7 2 - 7 5 , 101 f., 108, 208 f.

Michael Theunissen

Hegels Lehre vom absoluten Geist als theologisch-politischer Traktat Groß-Oktav. XIV, 459 Seiten. 1970. Ganzleinen DM 6 8 , ISBN 3 11 006353 0

Andries Sarlemijn

Hegelsche Dialektik Groß-Oktav. 206 Seiten. 1971. Ganzleinen DM 6 1 , ISBN 3 11 001839 X

Die ontologische Option Studien zu Hegels Propädeutik, Schellings Hegel-Kritik und Hegels Phänomenologie des Geistes Herausgegeben von Klaus Hartmann Mit Beiträgen von Friedhelm Schneider, Klaus Brinkmann und Reinhold Aschenberg Groß-Oktav. VIII, 312 Seiten. 1976. Ganzleinen DM 7 8 , ISBN 3 11 006813 3

Emil Angehrn

Freiheit und System bei Hegel Groß-Oktav. XII, 490 Seiten. 1977. Ganzleinen D M 1 2 4 , ISBN 3 11 006969 5

Hermann Drüe

Psychologie aus dem Begriff Hegels Persönlichkeitstheorie Groß-Oktav. VII, 392 Seiten. 1976. Ganzleinen D M 1 2 4 , ISBN 3 11 004603 2

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