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German Pages 502 [504] Year 1977
Emil Angehrn Freiheit und System bei Hegel
Emil Angehrn
Freiheit und System bei Hegel
w DE
G 1977
Walter de Gruyter · Berlin · New York
CIP-Kurtfiielaufnähme
der Deutschen Bibliothek
Angetan, Emil Freiheit und System bei Hegel. — Berlin, New York : de Gruyter, 1977. ISBN 3-11-006969-5
1977 by Waltei de Gruyter Si Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung · J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung · Georg Reimer · Karl J. Trübner · Veit & Comp. Berlin 30 Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdruckliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen. Printed in Germany Satz und Druck: Walter de Gruyter & Co., Berlin Einband: LUderitz & Bauer, Berlin
Diese Arbeit wurde im Wintersemester 1975/76 der PhilosophischHistorischen Fakultät der Universität Heidelberg als Dissertation vorgelegt. Meinem Lehrer, Prof. Michael Theunissen, spreche ich für die stete Förderung meinen aufrichtigen Dank aus. Ebenso danke ich der Heinrich-Heine-Stiftung (Freiburg i. Br.), deren Stipendium es mir ermöglichte, mich ganz dieser Arbeit zu widmen. Heidelberg, März 1977
E. A.
Inhaltsverzeichnis Einleitung
Erster Teil: Logische Systematik und Freiheit 1. Die Hauptbestimmungen der Logik A. Zum Anfang der Logik
9 11 14
Logischer Anfang und Freiheit 14 - Verschiedene Extension des Anfangs 17 - Sein und Nichts 17 - Beziehung auf sich. „Negative" Freiheit 18 „Positive" Freiheit 20 - Unfreiheit 20 - Möglichkeit von Freiheit. IdealAbstraktion 21 - Abstraktheit des Anfangs 22 - Idealität der Abstraktion 23 - Unmittelbarkeit als ansichseiende Freiheit 25 - Anfangskonstellation. 2 Bedeutungsmomente 26 - Vorerst einseitige Weiterentwicklung des Anfangs. Qualität 27 Exkurs I: Die Realabstraktion der Ware als erste Bestimmung der Kapitalslogik 31
B. Die Beziehung von Sein und Wesen am Anfang der Wesenslogik 35 Wesen als Wahrheit des Seins 35 - Einfache und negative Selbstbeziehung 36 - Die Reflexion 37 - Die Reflexionsbestimmungen 39 - Das Wesen als Grund 43 - Freiheitsperspektive. Aufhebung des Seins 46 Das Wesen als Sphäre der Differenz und des Widerspruchs 48 — Freiheitsgehalt des Wesens 49 Exkurs II: Die ambivalente Nachbildung der Wesensstruktur im Verhältnis von Kapital und Ware 51
C. Der Übergang von der Wesens- zur Begriffslogik Notwendigkeit und Freiheit 57 - Wirklichkeit 58 - Notwendigkeit 60 Notwendigkeit „blind" 61 — Substantialitätsverhältnis. Formelle Macht 63 — Kausalität. Reale Macht 65 — Gewalt 66 — Manifestation, Macht, Gewalt 67 - Wechselwirkung. Übergang zum Begriff 68 - Begriff, Urteil, Schluß 70 — Freiheitsaspekte. Freiheit/Notwendigkeit 73 — Fremdbezug/ Selbständigkeit 75 - Freiheit und Anerkennung 77 - Begriff/Macht 79 „Wirkliche" Freiheit 81 Exkurs III: Die Reproduktion des Kapitals 82
56
VIII
Inhaltsverzeichnis
D. Die absolute Idee und die Methode
86
Thema des Schlußabschnitts 86 - Absolute Form 87 - Form/Inhalt-Dialektik 89 - Deren Explikation am Beispiel des Anfangs 90 - Ansichsein/ Gesetztsein 93 - Form/Inhalt. Gegenstand/Methode 94 - subjektive/objektive Dialektik 95 - System und Totalität 97 - Freiheitsdimension 99 Spezifische Freiheitsbestimmung der absoluten Idee 101 - Letzte Stufe der Wahrhcits- und Freiheitsbestimmung 102 — Zusammenfassende Darstellung des Freiheitsbegriffs auf den vier Bestimmungsstufen der Logik 104 - Logische Systematik/Freiheit 105 - Übergang zur Natur 107 - Freiheitstheoretische Deutung dieses Übergangs 108 Exkurs IV: Der Abschluß der Kapitalslogik 110
2. Die Logik als Ganzes
114
A. Formbestimmtheit des Logischen: Dialektik und Spekulation 114 Freiheit und logische „Form" 114 - Dialektik/Spekulation 115 - Dialektik 117 - Illustration des Dialektikbegriffs 120 - Das Spekulative 121 Spekulativer Satz 123 - Einheit von Dialektik und Spekulation 124 Illustration des Spekulationsbegriffs 127 - Dialektik/Spekulation bei Marx 128 - „Inhaltlichkeit" der spekulativen Dialektik 130
B. Die Inhaltlichkeit der Logik
131
Inhaltlichkeit/Wirklichkeitsbezug 131 1. Wirklichkeitsbezug des Logischen 132 - Logik/Natur 133 - Logik/ Subjektivitätstheorie 135 - Logik/Gesellschaft/Geschichte 137 2. Inhaltlichkeit der Logik 138 - Inhaltliche Aussage über die Wirklichkeit. Freiheitsdimension 140 - Verunmöglichung des Freiheitsbezugs. Geschlossenheit 141 - Identitätsphilosophie 143 - Inhaltlichkeit als konkreter Wirklichkeitsbezug. Darstellung/Kritik 145 - Logik/Geistesphilosophie 148
Zweiter Teil: Die Verwirklichung der Freiheit: Die Theorie des objektiven Geistes 151 1. Einleitung: Allgemeine Kennzeichnung der „Praktischen Philosophie" Hegels 153 A. Systematischer Ort der Philosophie des objektiven Geistes innerhalb des Hegeischen Systems - Geistesphilosophie/Naturphilosophie 153 - Dimension des Geistes 154 - Defizienz des unmittelbaren Geistes 155 Anthropologie/Phänomenologie 157 - Psychologie 158 - Der freie Geist als Abschlußbestimmung des subjektiven Geistes 159 - „Formalität" des „freien Geistes" 160 B. Spezifische Dimension der Philosophie des objektiven Geistes — Geist/ Freiheit/Recht 162 - Freiheit/Recht. Zweifacher Zusammenhang 163 Doppelte Positivität des Rechts 164
Inhaltsverzeichnis
IX
C. Philosophiegeschichtlicher und systematischer Hintergrund der Hegelschen Rechtsphilosophie - Antike 166 - Neuzeit 168 - Wolff, Kant 169 Praktische Philosophie als Theorie des objektiven Geistes 170 — Naturrecht 172 - Nationalökonomie 173 - Arbeit/Handeln in der Jenaer Philosophie 175 (Anm.) D. Geschichtsphilosophie/Moralphilosophie. Faktizität/Normativität 177 Logik der Rechtsphilosophie 179
2. Die Hauptbestimmungen des objektiven Geistes A. Das abstrakte Recht
180 181
Abstraktes Recht als Anfangsbestimmung 181 - Begriff der Person 182 Idealität der anfänglichen Unmittelbarkeit 183 - Negativer Aspekt. Recht als bloße Möglichkeit von Freiheit 183 - Sachlichkeit, Äußerlichkeit 184 - Sachlichkeit der Selbstbeziehung 185 - Spezifische Natur der Ware Arbeitskraft 186 - Sachlichkeit der Intersubjektivität 187 Abstraktheit des Eigentums. Wert 188 - Positiver Aspekt. Sachlichkeit als Realität der abstrakten Freiheit 188 — Beschränkung auf Sachlichkeit als Freisetzung der Subjektivität 190 - Idealität des Rechts. Moment und Gestalt 192 - Die römische Welt: real-abstrakte Allgemeinheit 194 Übergang zum Christentum: Analogie zur Überwindung der Rechtssphäre 195 - Reale Abstraktheit im Kapital 196 - Das Allgemeine als Partikulares. Unrecht 197 - Zwei Aspekte der Kritik am abstrakten Recht 198
B. Die Moralität
199
Unrecht und Strafe 199 - Moralische Subjektivität 201 - Setzen des Vorausgesetzten 202 — Analogie zum Wesensbegriff. Stufe der Differenz 202 - Subjektive Freiheit als Grundlage auch des Rechts 204 - Zurücknahme des Unmittelbaren in die Subjektivität: Vorsatz, Absicht, Gewissen 204 — Positive Setzung von Bestimmtheit 206 — Notwendigkeit des Sollens 208 - Formalismus des Sollens 209 - Freiheitskriterium/Freiheitsbestimmung 210 - Rückfall in Willkür und Zufälligkeit 211 - Kritik an Kant. Verfehlen des Ethischen 212 - Kritik am Subjektivismus 212 Historische Illustration: Französische Revolution 231 - Umschlagen der moralischen Intention. Das Böse. Ironie 213 - Übergang zur Sittlichkeit 215
C. Die Sittlichkeit
217
Politische und systematische Fragestellung 217 - Modell der griechischen Sittlichkeit 218 - Institutionelle Ethik 220 - Recht/Pflicht 222 Problematik des Hegeischen Konzepts 223 - Momente der Sittlichkeit. Familie 224 - Notwendigkeit der Differenz 225 - Bürgerliche Gesellschaft als System der Besonderheit 226 — Bürgerliche Gesellschaft/Abstraktes Recht 227 - Bürgerliche Gesellschaft als eigene „Abstraktion" der Sittlichkeit 230 - Bildung 231 - Defizienz der bürgerlichen Gesellschaft 232 - Übergang zum Staat 234 - Einheit in der Entzweiung. Freie Macht 235 - Allgemeines/Besonderes/Einzelnes 237 - Institutionelle Wirklichkeit und Freiheit 238 - Gesamtzusammenhang 239
X
Inhaltsverzeichnis
3. Geschichte und Geschichtsphilosophie
241
Problematik der Geschichtsphilosophie 241 A. Geschichte als Abschluß der Rechtsphilosophie. Analogie mit der Logik - Äußeres Staatsrecht/Geschichte 244 - Weltgeschichte/Weltgeist 245 - Staat/Geschichte 246 - Geschichte/Staat 248 - Vergleich mit der Logik. Geschichte/absolute Idee 248 - Geschichte als Wahrheit der Dimension des objektiven Geistes 250 - Resultat als inhaltlicher Grund der vorangehenden Bewegung 251 B. Geschichte/Natur 252 - Naturgebundenheit des einzelnen Volks 253 Systematischer Ort der Geschichtsphilosophie. Naturvermittlung 254 Geschichtliche Veränderung des Naturverhältnisses 256 - Naturbeherrschung/Befreiung der Natur 257 C. Innere Struktur des geschichtlichen Prozesses - Volk/Weltgeist 259 Alibibedarf 261 - Der Einzelne und das Allgemeine 261 - vom Standpunkt des Einzelnen 264 - vom Standpunkt des Allgemeinen 266 - Von der Macht zur Manifestation 266 - Form/Inhalt 269 - Ansichsein/Fürsichsein 270 - Arbeit/Handeln 271 - Freiheit/Geschichte 273 - Freiheit/Freiheitsbewußtsein 274 - Freiheit als absoluter Gehalt 276 D. Geschichte/Philosophie/Theodizee — Gegen O. Marquard 277 - „Theodizee". Positive Bestimmung 278 - Wirklichkeit, Idee, Vernunft 279 Philosophie/Geschichte 281 - Vernunft in der Geschichte 283 - Freiheit/ Unfreiheit. Negative Dialektik 284 - Philosophie und das Begreifen des Wirklichen 285 - Religion und Philosophie als Instanzen des objektiven Geistes 286 - Übergang vom objektiven zum absoluten Geist 288
Dritter Teil: Die sich selbst erfassende Freiheit: Die Theorie des absoluten Geistes 291 1. Einleitung A. Fragestellungen - Geschichte/Philosophie 293 - Problematik der Theorie des absoluten Geistes. Mögliche Gegenpositionen 294 - Marx 295 Sartre 297 - Kant 298 B. Die Ebene des absoluten Geistes im allgemeinen - Der Übergang als sittliches Motiv. Religion als Moment der Sittlichkeit 299 - Spezifische Ebene des absoluten Geistes 300 - Endlichkeit/Unendlichkeit 300 Spekulative Umkehrung. Gottesbeweise 302 C. Systematische Gesichtspunkte - Ethik/Ontologie 303 - Analogie zur Logik. Idee des Guten/absolute Idee 303 - Endlicher/unendlicher Geist 304 - Logik/Geistesphilosophie. Idee/Geist 306 - Neue Qualifikation der Freiheit 308 - Systematische Notwendigkeit im Hinblick auf die Freiheitstheorie. Gegen den subjektiven Formalismus 309 - im Hinblick auf das System selber 310 D. Die Stufen des absoluten Geistes 311 - Geschichtliche Genese 312 Geschichtliche Sukzession der Stufen 313 - Geschichte innerhalb der einzelnen Stufen 313 - Logische Sukzession 315
293
Inhaltsverzeichnis
2. Kunst und Kunstphilosophie
XI
317
Kunst in der Fortsetzung der Sittlichkeit. Gegen die Naturnachahmung 317 - Unmittelbarkeit. Ideal 318 - Kunstformen. Symbolik, Klassik 320 Romantische Kunst 321 - Deren Defizienz. Vergangenheit der Kunst 322 - Nach-Kunst 324 - Probleme der Hegeischen Ästhetik. Kunst heute 325 — Standpunkt der ästhetischen Rezeption. Marcuse 326 - Standpunkt der ästhetischen Produktion. Kunst als nicht-entfremdete Arbeit 329 Standpunkt des Kunstwerks 329
3. Die Religion
332
Religion, Kunst, Philosophie 332 - Übergang Kunst/Religion 333 Offenbarung 333 - Religion/Ethik 334 - Inhaltliche Bestimmung des Gegenstandes der Religion. Geschichtliche/logische Entfaltung 337 Zwei Hauptstufen, in Analogie zum Freiheitsbegriff. Bestimmte Religion, Macht 339 — Naturreligion. Ansichseiende Macht, Substanz 339 — Religion der geistigen Individualität. Gesetzte Macht, Subjekt 341 - Absolute Religion, Manifestation 342 — Offenbarung als höchste Bestimmung des absoluten Geistes 344 - Spekulative Instanz 346 - Logische Form der Religion 347 - Religion als Vorstellung. Reflexionsbestimmungen/Geschichte 349 — Voraussetzendes Denken 350 Doppelte Notwendigkeit des religiösen Standpunkts 352 - Vorstellung/ Andacht 353 - Notwendigkeit des Übergangs zur Philosophie. Bestimmung der Form 354 - Denken als Freiheit der Form und dem Inhalt nach 356
4. Die Philosophie
359
Sonderstellung der Philosophie. Gestalt des absoluten Geistes und ganzes System 359 — Philosophie/Religion. Philosophie als Theologie 360 — Erhebung der Religion ins Denken 361 — Stufen dieser Erhebung 363 — Philosophie als „freies Denken" 364 - Begriff der Philosophie im Rückblick auf Kunst und Religion 367 — Philosophie als Rechtfertigung der religiösen Form 370 - des Inhalts 371 - Der Inhalt als absolute Form 372 Die absolute Form als Denken 374 - Philosophie in der geschichtlichen Nachfolge der Religion 375 „Gehalt" der Philosophie. Spekulative Umkehrung, absolute Voraussetzung 377 - Absolutes Setzen. Identität beider 378 - Vorschlag Theunissen 380 - Weder ontologischer noch religiöser Inhalt. Teilweise Übereinstimmung mit der „religiösen" Deutung 382 - Abhebung von der „religiösen" Deutung. Nicht-Gebundenheit an Faktizität 384 - Absolute Form/Freiheit des Geistes. „Inhaltlicher" Abschluß des Systems 385 als inhaltliche Wahrheit über die logische Wahrheit 387 - Inhaltlich: die Sache der Freiheit 389 — Status der abschließenden Instanz 391 — Spezifische Art der Abgeschlossenheit des Systems 392 - (Exkurs: Das Paradigma der idealen Sprechsituation bei Habermas 393) - Philosophie/ Religion. Fazit 394 Die drei Schlüsse. Zusammenführung von Freiheit und System 397 Rektifizierung des Systembaus durch die drei Schlüsse 398 - Bezug der drei Schlüsse auf die „Enzyklopädie". Gegen Puntel 400 - Ursprünglichkeit der Freiheit 403 - Geschichtliche Dimension 405
XII
Inhaltsverzeichnis
Vierter Teil: System und Freiheit
407
Übergang Philosophie/System 409 - Neufassung der Fragestellung 409 Form/Inhalt 410 - System/Systematizität 411
1. System und Freiheit
413
A. Verschiedene Aspekte des Philosophiebegriffs 413 - Verschiedene Aspekte des Freiheitsbezugs 414 - Freiheit als Thema des Systems als ganzen: Freiheit/System 415 - System auf Freiheit ausgerichtet: System/ Freiheit 418 - Philosophie als praktische Philosophie 419 B. Freiheitstheorie als Philosophie der Geschichte 420 - a) in der Logik 421 - analog: Rechtsphilosophie und „Kapital" 422 - b) im System 424 - in der Philosophie selber 425 C. Freiheitstheorie als Philosophie des absoluten Geistes 425 - Gesichtspunkt des Inhalts 426 - der Form 428 D. „Abgeschlossenheit des Denkens" 430 - Logik/Realphilosophie 431 Theorie/Praxis 433 - Geschlossenheit/Offenheit 434 - System/Enzyklopädie 435
2. Systematizität und Freiheit
439
A. Die drei Dimensionen: Logik/objektiver Geist/absoluter Geist 439 - Die Philosophie als Abschluß. Übergang zum System als ganzen 441 B. Frage des systematischen Gesamtzusammenhangs. Problematik der Natur 442 - Natur als Außersichsein 444 - Freiheit als das Übergreifende 445 - Einschätzung der Naturphilosophie 447 C. Das Böse und das Unfreie 449 - Böses/Freiheit 450 - Positive/Negative Dialektik 452 - Dialektik/Spekulation 458 - Darstellung/Kritik 460 D. Abgeschlossenheit/Freiheit 463 - Systemcharakter 464 - Totalitätscharakter. Außersichgehen/Insichgehen 465 - Individuum/Ganzes 466 Systematizität als Freiheitsbestimmung 467
3. Schlußbetrachtung
469
Stimmigkeit der prinzipiellen Fragestellung 469 - Falschheit und Ideologie bei Hegel 470 - „Ideologische" Momente der Rechtsphilosophie 472 - Systematische Schwäche 474 - Inadäquate Fassung des spekulativen Abschlusses 474 - in der Logik/im System 476
Bibliographie a) Textausgaben b) Literaturverzeichnis
481 481 482
Namenregister
486
Sachregister
488
Einleitung Eine Untersuchung zur Hegeischen Philosophie unter den Titel „Freiheit und System" zu stellen, bedarf der Erklärung und der Rechtfertigung : letzteres angesichts der Fülle der Hegel-Literatur, die sich im Umkreis dieser Problematik ansiedelt; ersteres, weil die einfache Korrelation von Freiheits- und Systembegriff nicht selber schon darüber Auskunft gibt, in welchem Sinne sie zu verstehen ist. Die im Titel angedeutete Problemstellung scheint zu implizieren, daß die Hegeische Philosophie, und zwar insofern sie systematische Philosophie ist (oder sein will), in irgendeiner Weise mit dem Freiheitsgedanken zu tun hat — sei es in positiver oder negativer Hinsicht. Nach keiner Seite aber besteht im heutigen Hegel-Verständnis ein Konsensus über die Beschaffenheit dieses Zusammenhangs. Weder darf als ausgemacht gelten, was bei Hegel Systematik bedeutet, noch herrscht Einigkeit darüber, wie innerhalb der Hegeischen Philosophie der Freiheitsgedanke zu bestimmen sei. Vollends kontrovers aber ist die Frage, ob Freiheit, wenn sie bei Hegel überhaupt soll gedacht werden können, in Verbindung mit dem Systemcharakter aufzugreifen oder nicht vielmehr gegen diesen zur Geltung zu bringen ist. Und schließlich, wie auch immer diese letzte Frage beantwortet werden mag, so bleibt die Unklarheit darüber, auf welche Weise denn beide Aspekte überhaupt in Beziehung zu bringen und über ihre Konkordanz oder Unverträglichkeit zu entscheiden sei. 1. Auch wenn diese Beziehung als solche vorerst in ihrer Unbestimmtheit belassen wird, so scheint doch die Literatur zumindest über deren eine Seite Aufschluß geben zu müssen, darüber nämlich, wie der Hegeische FreiheitsbegrifF zu bestimmen und zu werten sei. Zahllos sind in der Hegel-Literatur die Äußerungen, welche die Freiheit, in positiver oder negativer Hinsicht, sei's zum Schlüssel des ganzen Systems, sei's zum Grundbegriff bestimmter Theoriebereiche erklären. Indes scheint auch die Vielzahl der Publikationen, welche — zentral oder peripher — mit Hegels Freiheitsbegriff befaßt sind, eher Indiz einer ungelösten Schwierigkeit als einer Einhelligkeit zu sein. Verwirrend ist dabei nicht nur — und nicht einmal primär —, daß Hegels Philosophie von der
2
Einleitung
theoretischen Rechtfertigung der preußischen Restauration bis 2ur erklärten Philosophie der Revolution im Urteil der Interpreten so ziemlich alle Einstufungen erfährt. Gravierender erscheint die Ungeklärtheit der Frage, wie denn überhaupt darüber zu entscheiden sei, was hier Philosophie der Freiheit heißen kann. In dieser Frage lassen sich zwei grundlegende Aspekte unterscheiden: sie betreffen, abstrakt formuliert, erstens den Ort, an welchem innerhalb des Hegeischen Systems die Frage nach der Freiheitsproblematik zu lokalisieren sei, und zweitens die Art, wie diese Frage selber gestellt werden soll. Überblickt man die Literatur zur Hegeischen Freiheitslehre, so scheint die Antwort auf die erste Frage auf der Hand zu liegen. Freiheit ist da zu erörtern, wo sie von Hegel selber zum Thema gemacht wurde. Von Anfang an schien hier die Rechtsphilosophie einen bevorzugten Platz einzunehmen, ist sie doch die explizite Darstellung der Verwirklichung der Freiheit in Gesellschaft und Geschichte. Aber auch die Phänomenologie des Geistes wurde, besonders im Zuge des französischen Existentialismus, zur grundlegenden Darstellung der menschlichen Auseinandersetzung mit Natur und Gesellschaft und damit zum Fundament jeglicher Freiheitstheorie erklärt. Ähnliches gilt, in geringerem Maße, von fast allen Teilen des Hegeischen Systems, angefangen von den Jugendschriften mit ihrem religiös-politischen Impuls bis hin zu den Berliner Vorlesungen über Geschichte, Ästhetik und Religion. An all diesen Interpretationen aber, die sich einzelnen Schriften, sogar einzelnen Stellen zuwenden, rächt sich der Charakter eines Systems, welches seine Wahrheit gerade als Ganzes beansprucht. Unklar bleiben dabei die gegenseitigen Implikationen der Systemteile, unklar ebenso der Ursprungsort gewisser Bestimmungen wie die formale Bestimmtheit vage beschriebener Sachverhalte. Diesem Mangel wird meist nicht schon abgeholfen durch die sukzessive Miteinbeziehung mehrerer Systemteile in eine Art globaler Darstellung des Freiheitsbegriffs in der ganzen Hegeischen Philosophie. Entweder wird dann das System durchgängig nach einem bestimmten Grundmuster oder in Funktion eines bestimmten Grundbegriffs erklärt, durch welchen sowohl die Einheitlichkeit wie der Freiheitscharakter des Ganzen sichergestellt werden sollten1; oder es wird, um der dadurch bedingten Perspektivenreduzierung zu entgehen, das ganze Hegeische System gemäß seinem eigenen Duktus und Reichtum durchschritten, um alle seine Teile als verschiedene Dimensionen der 1
So z. B. Roettges anhand des Begriffs der Idealität.
Einleitung
3
Freiheit darzustellen2. Beide Deutungsmodi aber sind mit spezifischen, komplementären Schwierigkeiten behaftet. Während der erste Versuch oft die Rechenschaft darüber schuldig bleibt, inwiefern das von ihm als Basis postulierte Grundmodell auch tatsächlich die tragenden Intentionen des Systembaus trifft, läuft der zweite Gefahr, das System als solches gar nicht mehr in Frage stellen zu können und in der Sorge um die Systematizität des Ganzen die im Einzelnen aufzugreifenden Probleme zu verdrängen; zudem wird der darin als notwendig unterstellte Bezug des Freiheitsgedankens auf das System durch die einfache Parallelisierung beider Ebenen noch keineswegs begründet oder verständlich gemacht. Eine Vermeidung dieser Schwierigkeiten und einen privilegierten Einstieg scheint demgegenüber eine Thematisierung der Freiheit innerhalb der Wissenschaft der Logik zu bieten. Erhebt doch die Behandlung der Denkbestimmungen den spezifischen Anspruch, die grundlegenden Formen und Maßstäbe für die Philosophie überhaupt zu bestimmen und darin zugleich einen Abriß und das — wie immer noch zu präzisierende — Fundament des ganzen Systems darzustellen. Zudem enthält die Logik innerhalb ihrer sozusagen einen spezifischen Ort der Freiheitsbestimmung — im Übergang von der Wesens- zur Begriffslogik. So scheint es angemessen, hier jene Struktur zu entnehmen, welche den Maßstab abgeben soll zugleich für jede reale Freiheitsbestimmung wie für die Kohärenz des ganzen Systems im Horizont des Freiheitsgedankens3. Jedoch reproduzieren sich hier ähnliche Schwierigkeiten wie bei der Untersuchung anderer Systemteile. Auch wenn der Freiheitsbegriff nicht nur an seinem spezifischen Ort, sondern in seiner Entstehung und seiner Bedingtheit durch die vorangehende Entwicklung aufgenommen wird, so bleibt eine solche Untersuchung doch innerhalb des Gesamtrahmens befangen, innerhalb dessen in der Logik überhaupt Bestimmungen zur Geltung kommen können, und der von ihr nicht mehr befragt werden kann. Zudem charakterisiert sich die Hegeische Logik durch die Eigenart, daß Bestimmungen, welche in ihr an einer bestimmten Stelle inhaltlich zu Worte kommen, zugleich als Momente der Form als solcher die logische Gesamtstruktur mitbestimmen. Freiheit wird nicht nur beim Übergang zum Begriff als „thematische" Bestimmung aufgenommen, sie soll auch das Denken als ganzes — welches erst im Abschluß der Logik sich vollständig expliziert — definieren. Und auch hier wird diese 2 3
So z. B. Seeberger, Hegel oder die Entwicklung des Geistes %ur Freiheit. So z. B. Reisinger, Die logischen Voraussetzungen des Begriffs der Freiheit bei Kant und Hegel.
4
Einleitung
Schwierigkeit nicht schon dadurch abgefangen, daß in einer ausführlichen Rekonstruktion der gesamten Logik deren sämtliche Bestimmungen von Anfang an mit einer inhaltlichen Freiheitsdeutung belegt werden4. Betrachtet man das Hegeische System im Hinblick auf den Freiheitsgedanken, so fällt eine eigenartige Diskrepanz auf. Freiheit bildet in der Hegeischen Philosophie, auch nach deren Selbstverständnis, einen (wenn nicht: den) Hauptgegenstand. Gleichwohl scheint es, im Gegensatz zu ändern zentralen Kategorien, im System keinen eindeutig festlegbaren Ort zu geben, an welchem es explizit um die Bestimmung der Freiheit ginge. Gerade als Hauptgegenstand ist Freiheit eine Art Metathema, sowohl für die einzelnen Teile wie auch, in anderer Hinsicht, für das Ganze. Sie ist ein ebenso zentrales und zugleich umfassendes Thema wie die Bestimmung der Philosophie selber. Die Frage nach der Freiheit kann deshalb nur in Koextensivität mit der Frage nach der Philosophie selber erörtert werden. Das aber bedeutet, daß die Frage nach dem „Ort" der Thematisierung der Freiheit sekundär wird. 2. In den Vordergrund tritt damit die Frage nach der Art und dem spezifischen Gesichtspunkt der Fragestellung; erst von ihr aus kann die Freiheitsproblematik im System auch „geortet" werden. — Ein erstes Erfordernis ist hierbei allgemeiner Natur, noch nicht durch die spezifische Beschaffenheit der Hegeischen Philosophie bedingt: es verlangt, daß die Nachzeichnung der „formalen" Bestimmung des Freiheitsbegriffs auch immer über dessen „inhaltliche" Seite zu vermitteln sei. Es kann nicht genügen, die logischen Voraussetzungen des Hegeischen Freiheitsbegriffs, wie sie tatsächlich in der Logik expliziert sind, ans Licht zu bringen, oder auch die realen Momente, welche den freien Geist kennzeichnen, schematisch zu erfassen. Immer muß auch gefragt werden, ob denn auf Grund eines solchen Konzepts überhaupt so etwas wie Freiheit zu fassen ist: die Frage muß auch die nach einem möglichen Freiheitsbegriff überhaupt sein. Die kritische Darstellung des Hegeischen Freiheitsbegriffs hat nicht nur dessen Nicht-Widersprüchlichkeit und formale Kohärenz zur Diskussion zu stellen, sondern auch danach zu fragen, ob eine bestimmte Freiheitsauffassung formal sinnvoll und inhaltlich gerechtfertigt erscheint. Ist die Struktur, welche zur Definition von Freiheit taugen soll, dazu auch wirklich in der Lage, oder siedelt sie Freiheit, vielleicht wider Willen aber zwangsmäßig, unter oder über 4
So z. B. Lakebrink, Die europäische Idee der Freiheit. Hegels Logik und die Tradition der Selbstbestimmung.
Einleitung
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ihrem eigenen Niveau an: als Freiheit des Gottes, des Herrn, des Knechts ? Wie aber soll eine solche simultane Erarbeitung von „formaler" und „inhaltlicher" Bestimmung des Freiheitsbegriffs überhaupt möglich sein, und dies mit Rücksicht auf den spezifischen Ansatz dialektischer Philosophie ? Wenn Freiheit in „Koextensivität" mit der Philosophie selber thematisch zu machen ist, so ist nach deren eigenem Konstttutionsprinzip zu fragen. Die Ebene, auf welcher philosophisches Denken bei Hegel seinen Wahrheitsanspruch erhebt, ist die Ebene des Systems. Als System bringt die Philosophie zur Darstellung, als was sowohl sie selber wie auch die in ihr verhandelten Sachverhalte in Wahrheit zu betrachten sind. Wollte man aber zunächst den systematischen Ansatz im allgemeinen umreißen, um von da zur Betrachtung einzelner Sachgebiete überzugehen, so geriete man in ähnliche Verlegenheit wie beim Versuch einer „direkten" Thematisierung der Freiheitsbestimmung. Im Gegensatz zu ändern Wissenschaften entbehrt die Philosophie nach Hegel des Vorteils, ihren Gegenstand wie ihre Methode voraussetzen zu können. Beides muß selber Thema der wissenschaftlichen Abhandlung werden und kann erst als deren Resultat in voller Bestimmtheit hervortreten. Die Nachzeichnung dessen, was bei Hegel System heißt, hat sich dem Prozeß seiner Selbsterfassung anzupassen und das System gerade im Akt dieser Selbsterfassung vor Augen zu führen — welcher Akt für das System nicht redundante Selbstdarstellung, sondern selber konstitutiv ist. Im Nachvollzug dieser Systemkonstitution ist sowohl deren eigener „Freiheitsgehalt" wie auch die Verfassung der Freiheit an ihr selber herauszuarbeiten. Zu untersuchen ist die Systematizität des Hegeischen Systems und darin spezifisch jenes Moment — das selber nicht Teilmoment, sondern das Ganze ist —, welches Freiheit oder Unfreiheit zu indizieren scheint. Es ist kein Zufall, daß eine solche Betrachtung in die Nähe jener im Namen der Freiheit gegen Hegels Philosophie gerichteten Einwände führt, welche zwar nicht immer auf der detailliertesten Textanalyse beruhen, die aber der zugrundeliegenden Problematik am nächsten zu kommen und sie an ihrem tiefsten Punkt aufzugreifen scheinen. Es sei nur auf Namen wie Adorno, Bloch, Marx, Löwith, Cohn, Litt u. a., oder auf die bekannten Streitpunkte verwiesen, welche mit den Begriffen Identitätsphilosophie, Abgeschlossenheit, Ungeschichtlichkeit, Panlogismus, Zwangszusammenhang, Kreisdenken usw. angezeigt werden. Es kommen darin Motive zur Sprache, die nicht nur logischsystematischer, sondern ebenso ethisch-praktischer Natur sind.
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Einleitung
3. Damit hat sich die Fragestellung modifiziert. Die Frage nach der Freiheit bei Hegel führt zur Einsicht, daß Freiheit nur im Rahmen des Systems und auf dem Hintergrund seines Konstitutionsprinzips angemessen dargestellt werden kann. Über dieses aber kann nicht unmittelbar verfügt werden. Die Beschaffenheit des Systems macht es erforderlich, die Frage nach der Freiheit in Verbindung mit jener nach dem System selber zu stellen; beide Gesichtspunkte sind gleichzeitig zu erarbeiten und zu konkretisieren. Die Ausgangsfrage wird so zur gedoppelten: sie fragt einerseits, wie überhaupt nach Hegelschem Verständnis wahr zu denken ist, oder was die Wahrheit an ihr selber ausmacht; anderseits, was der absolute Gehalt des philosophischen Denkens ist, und wie die Freiheit, die sich als eben dieser Inhalt herausstellen soll, zu bestimmen ist. Das Resultat, zu dem die Untersuchung führen wird, daß nämlich der Freiheitsbegriff ebenso wesentlich vom Systemgedanken her bestimmt ist wie das System vom Freiheitsgedanken her, ist selber, indem es noch eigenes Thema der abschließenden Systembestimmung wird, erst als Resultat erfaßbar. Die angedeutete Perspektivenverschiebung ist selber eine, die sich in dieser Explizitheit erst als Konsequenz einer zunächst primär am Freiheitsgedanken orientierten Untersuchung ergeben hat. Sie wird sich naturgemäß auch in der Darstellung tendenziell geltend machen, an deren Anfang ja kein bestimmtes Verständnis vom Systemganzen noch von dessen Beziehung zum Freiheitsbegriff vorgegeben sein kann. Wenn sich als spezifisches Demonstrandum schließlich eine noch genauer zu bestimmende systematische „Gleichwertigkeit" — als aufeinander Verwiesen- und durcheinander Definiertsein — von Freiheits- und Systemgedanken herausstellt, so bedeutet dies allerdings nicht, daß im Verfolg dieser Problemstellung nicht auch Gründe und Plausibilitäten für jede der beiden Seiten beizubringen sind, für die Einsichtigkeit des Systembaus und die Überzeugungskraft des darin explizierten Freiheitsbegriffs selber. In bezug auf die Hegel-Literatur bezieht die Untersuchung so eine doppelte Frontstellung. Gegen den Großteil jener Interpretationen, welche den Freiheitsbegriff innerhalb der Hegeischen Philosophie zum Thema haben, ist die Notwendigkeit zu betonen, jenen im Kontext der Systematik selber aufzugreifen; und gegen jene Deutungen, welche gerade auf die Unverträglichkeit des Systemgedankens (bei Hegel oder überhaupt) mit der Freiheit abheben, soll versucht werden, die prinzipielle — zwar nicht in allen Aspekten aufzuweisende und nicht in der integralen systematischen Durchführung durchzuhaltende, wohl aber im theoretischen
Einleitung
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Grundkonzept einsichtig zu machende — „positive" Korrelation von System und Freiheit zur Darstellung zu bringen. Schließlich wird es auch darum gehen müssen, im System selber jene Punkte ausfindig zu machen, wo die Konvergenz der systematischen Intention mit dem Ausgerichtetsein auf Freiheit selber in den Vordergrund rückt. Als solche Konvergenzpunkte werden sich in allen drei hier abgehandelten Bereichen — in deren Ganzem dieser Zusammenhang immer implizit mitthematisch ist — die jeweiligen Schlußbestimmungen erweisen. Wie der spekulative Freiheitsbegriff nur mit Bezug auf den Systemgedanken in voller Bestimmtheit darzulegen ist, so wird sich Freiheit ihrerseits als eine wesentliche, nicht nur interpretative Bestimmung des dialektischen Systems erweisen. In der Herausarbeitung dieses Zusammenhangs hofft die Untersuchung, einen bestimmten Gesichtspunkt zur Klärung des Gesamtzusammenhangs des Hegeischen Systems beizutragen; diese Klärung bleibt, trotz der gegenwärtigen Insistenz auf der Notwendigkeit einer „buchstabierenden" Kleinanalyse, „immer noch eine fundamentale und dringende Aufgabe der Hegel-Interpretation"5. Gleichzeitig soll darin einer grundlegenden Intention des Hegeischen Philosophierens gefolgt werden: jener Freiheit, um die es dem Denken wie der geschichtlichen Praxis geht, zur Klarheit über sich selbst zu verhelfen. Denn daß Freiheit „ein unendlich vieldeutiges Wort ist, daß sie, indem sie da Höchste ist, unendlich viele Mißverständnisse, Verwirrungen und Irrtümer mit sich führt und alle möglichen Ausschweifungen in sich begreift, dies ist etwas was man nie besser gewußt und erfahren hat als in jetziger Zeit" (Ph. Gesch. 33). Hegels Gegenwart ist in dieser Hinsicht ebenso die unsere. 4. Der Zusammenhang von Freiheit und Systematik soll auf vier Ebenen dargelegt werden. Zuerst ist er schwerpunktmäßig von jedem der beiden in ihm enthaltenen Hauptgesichtspunkte aus zu beleuchten: in der Nachzeichnung der Theorie des Logischen und des Systems des objektiven Geistes. In beiden Bereichen wird zugleich mit der Erarbeitung des jeweils spezifischen Theoriegegenstandes die Beziehung beider Dimensionen zu Wort kommen und ihre gegenseitige Verweisung sich mit umgekehrter Prävalenz geltend machen. Die im dritten Teil aufzunehmende Theorie des absoluten Geistes steht sowohl in der Kontinuität des im objektiven Geist ausgemachten Freiheitspotentials, wie sie auch, insbesondere in ihrer abschließenden Selbsterfassung als Theorie der 5
Puntel, Darstellung, Methode und Struktur, 22.
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Einleitung
Philosophie, den Zusammenhang beider Sphären selber thematisch macht. Diese drei Ebenen, auf denen der für die ganze Hegeische Philosophie schlechthin fundamentale Zusammenhang von Freiheit und Systematik zu erörtern ist, werden sich einerseits als drei grundlegende Dimensionen erweisen, welche sozusagen in koextensiver Darstellung das Gleiche zur Darstellung bringen. Anderseits bildet ihre Sukzession selber einen sich vertiefenden und sich auf seinen Grund hin explizierenden Zusammenhang; die Folge der hier aufzugreif enden Instanzen zeichnet selber die Stufenfolge einer Form nach, die sich zugleich als Grundmodell von Freiheit und von Wahrheit erweisen wird. Diesem Grundmodell wird sich die Untersuchung auch noch in ihrem vierten Teil implizit anschließen, in welchem der Zusammenhang von System und Freiheit an ihm selber und nunmehr mit Bezug auf die ganze Hegelsche Theorie zur Sprache kommt. In der Nachzeichnung des Hegeischen Systems unter dem Gesichtspunkt der Freiheit wird zuweilen ein sozusagen alternierender Rhythmus unvermeidlich sein, welcher teils mehr den eigenen Duktus des Hegelschen Gedankengangs, teils mehr den darin aufzuweisenden Zusammenhang von Freiheit und Systematik in den Vordergrund rückt. Da sich die Interpretation so nahe wie möglich an die Hegeische Theorie halten möchte, wird sie zeitweise in mehr oder weniger immanenter Texterschließung das „Material" des Hegeischen Systems auszubreiten haben; da aber der hier verfolgte Gesichtspunkt, der zwar nach der These dieser Untersuchung für die Hegeische Systematik schlechthin fundamental ist, doch nicht zugleich — zumindest nicht durchgehend — derjenige ist, der in der expliziten Systemgestalt die strukturierende Grundlage darstellt, wird dazwischen in Phasen der inhaltlichen Deutung das eigene „Formalobjekt" der Untersuchung für sich selber herauszuarbeiten sein. Anzustreben ist allerdings die größtmögliche Durchdringung beider Gesichtspunkte, die denn auch in der äußeren Darstellung meist nicht separat für sich hervortreten, sondern in gegenseitiger Vermittlung gleichzeitig zu erarbeiten sein werden.
Erster Teil Logische Systematik und Freiheit
1. Die Hauptbestimmungen der Logik Spekulative Dialektik1 ist der Titel, welcher in allgemeinster Weise das spezifische Merkmal Hegelscher Logik benennt. Von verschiedenster Art sind die Interpretationen, welche Dialektik in der Hegeischen Logik zu bestimmen versuchen, und sie scheinen sich allesamt zwischen zwei grundsätzlich verschiedenen Annäherungsweisen anzusiedeln. Zum einen kann versucht werden, die Art, wie Hegel von einer Bestimmung zu einer ändern fortschreitet, genau zu analysieren und mittels der Erhellung dieses Übergangs Dialektik im allgemeinen zu fassen2. Diese Beschreibung der Schritte dialektischer Entwicklung müßte sich idealiter an jedem einzelnen Übergang in der Logik anstellen oder auch überprüfen lassen, der Standort der Analyse bliebe dabei notwendigerweise indifferent. Den diametral entgegengesetzten Weg schlagen jene Deutungen ein, welche die Gesamtstruktur der Logik selber in den Griff zu bekommen versuchen, jene Struktur, welche in der Entfaltung von Seinsüber Wesens- zu Begriffslogik ausgebreitet und im abschließenden Methodenabschnitt in ihrer allgemeinen Form zusammengefaßt ist. Eine ausführliche Deutung des Methodenabschnitts wird zu zeigen haben, wie hier das Allgemeine jener Form zur Sprache kommt, welche immer schon in den einzelnen Formbestimmungen tätig ist und somit auch deren Umschlag und Übergängen zugrundeliegt. Der „zweite Weg" würde sich damit als grundlegend auch für ein angemessenes Verständnis des ersten erweisen. Er ist es auch, der hier aufgegriffen werden soll. Zugrunde liegt die zweifache Überzeugung, daß es nötig ist, die wesentlichen Strukturen von Dialektik dort aufzugreifen, wo diese in der Logik selber zum Thema gemacht werden — und nicht nur „instrumentell" oder operativ fungierend vorkommen —, und daß dies aber zugleich möglich ist ohne 1
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Auf die eigenen Fragen, die sich mit der Problematik dieses Doppelbegriffs verbinden, soll weiter unten (I. 2. A.) zurückgekommen werden. Ebenso wird vorläufig abgesehen von der ganzen Debatte über subjektive und objektive, reale und methodologische Bestimmung der Dialektik. Sie kann erst von einem späteren Standpunkt aus sinnvoll geführt werden. Z.B.: H. F. Fulda, Unzulängliche Bemerkungen %ur Dialektik.
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Logische Systematik und Freiheit
ausführliche Interpretation sämtlicher Teile der Logik, sondern anhand der Deutung einzelner wichtiger Stellen, in deren systematischem Zusammenhang das Ganze von Dialektik sich zu verkörpern scheint. In diesem Sinn sollen thematisiert werden: (A) der Anfang mit der abstrakten Unmittelbarkeit des Seins, (B) die Vermittlung des Unmittelbaren und seine Aufnahme in die Reflexion-in-sich des Wesens, (C) der Übergang zur Begriffslogik als Übergang von der Relationalität zur Selbstidentität und von der Notwendigkeit zur Freiheit, (D) der Übergang von der Formenlehre zur Methodenlehre als Übergang von der Dialektik der Formbestimmungen zur Dialektik der Form selber als letzter Grundlage3. Zugleich mit der Erarbeitung dessen, was die spekulative Dialektik ihrer reinen Form nach ausmacht, soll in diesen vier Abschnitten eine erste Präzisierung jenes Zusammenhangs zwischen System und Freiheit erfolgen, der den leitenden Gesichtspunkt der ganzen Arbeit ausmacht. Es ist offensichtlich, daß im Logischen als der ersten zu analysierenden Dimension, und insbesondere in deren ersten Bestimmungen, sowohl bezüglich der grundsätzlichen Charakterisierung des Systemcharakters wie auch im Hinblick auf dessen möglichen Zusammenhang mit dem Freiheitsgedanken noch kein bestimmtes Verständnis vorgegeben ist. Die Absicht, den Freiheitsbegriff im System und in selber systematischer Beziehung zur Hegeischen Systematik zu prüfen, gibt als solche noch keine konkrete Anweisung darüber, wie dies zu geschehen habe und wie im Logischen der Freiheitsgedanke aufzugreifen sei. Die Struktur der Hegeischen Denkfigur macht es erforderlich, den von ihr als voraussetzungslos statuierten Anfang* in ebenso unvoreingenommener Weise nachzuvollziehen; was dialektisches Denken ist, soll selber erst Resultat des erkennenden Denkens sein. Anderseits ist ebenso deutlich, daß eine 3
Die Festlegung des Gesamtduktus der Logik auf vier Etappen bedeutet natürlich von vornherein, daß die folgenden Erörterungen nicht den Anspruch einer fundierten Interpretation der Logik überhaupt erheben können, in welcher über Recht oder Unrecht des ganzen logischen Entwicklungsgangs wirklich argumentativ und mit Gründen zu entscheiden wäre. Gleichwohl ist vielleicht die Hoffnung nicht unberechtigt, daß sich in der schwerpunktmäßigen Ausarbeitung einzelner Stellen und in der Erarbeitung von deren systematischem Zusammenhang ein Gesamtbild herstellen läßt, in welchem wirklich dasjenige, was Anliegen der Logik ist und in dieser faktisch abgehandelt wird, in seinen Grundzügen (und nicht nur als „Schema", sondern in seiner innern „Logik") sich zusammengefaßt findet.
* Keine inhaltliche Bestimmung darf vorausgesetzt werden; „nur der Entschluß, den man auch für eine Willkür ansehen kann, nämlich, daß man das Denken als solches betrachten wolle, ist vorhanden" (L I 68). In Wahrheit wird sich allerdings gerade das Erste und Anfängliche als das ursprünglich Vorausgesetzte erweisen.
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implizite Verständigung über den Gang des Gedankens und die Intention seiner Nachzeichnung vonnöten ist, damit das Demonstrandum überhaupt in Klarheit hervortreten kann. Gegenstand der logischen Untersuchung ist die Form des wahren Denkens, die gleichermaßen Form der Wahrheit oder, in Hegelscher Terminologie, die Wahrheit an ihr selber ist. Die vier Stufen, auf denen der Argumentationsgang der Logik aufgenommen wird, sollen diese Form an ihr selber umreißen; in ihnen soll klar werden, wie spekulative Dialektik an ihr selber zu kennzeichnen ist, was den Systemcharakter als Merkmal des reinen Denkens ausmacht. Wenn aber der Freiheitsgedanke in irgendeiner Weise mit den Grundlagen des Hegeischen Systems überhaupt zu tun haben soll, so wird es von Anfang an erforderlich sein, zugleich mit der Fortbestimmung des Wahrheitsbegriffs auf jene Bestimmungen zu achten, in denen sich so etwas wie Freiheit abzuzeichnen scheint. Ein vorläufiges, wie auch immer un- oder unterbestimmtes Verständnis von Freiheit ist zu einem solchen Vorhaben ebenso notwendig mitzubringen wie ein Vorbegriff von Wahrheit. Im Argumentationsgang wird alternierend die eine oder die andere Perspektive zeitweise stärker in den Vordergrund treten müssen. Vorerst wird es darauf ankommen, die Plausibilität des rein logischen Gedankengangs zu eruieren. Gleichzeitig aber soll versucht werden, der impliziten „inhaltlichen" Selbstinterpretation der Logik zum Ausdruck zu verhelfen. Wenn, aufs Ganze gesehen, Freiheit und Systematik sich als gleichursprünglich und von gleicher Reichweite erweisen sollen, so muß dies schon dort in Erscheinung treten, wo die Deduktion der Form von Wahrheit sich im Medium des reinen Gedankens vollzieht. Zur Durchsichtigmachung des Logischen auf seinen Freiheitsgrund hin mag es behilflich sein, dem Hegeischen Konzept die von Marx entwickelte und dem „Kapital" zugrundegelegte Logik gegenüberzustellen. Das Marxsche „Kapital" folgt in der Tat einem logischen Aufbau, dessen Nähe zur Hegeischen Logik die Konfrontation nicht nur ermöglicht, sondern geradezu herausfordert. Es ist offenkundig, daß Marx sowohl in seinem Hauptwerk von 1867 wie im Rohentwurf von 1857/58, den sogenannten „Grundrissen der Kritik der Politischen Ökonomie", sich an den Grundstrukturen der Hegeischen Logik orientiert; noch mehr als die — in den „Grundrissen" noch zahlreicheren — terminologischen Bezugnahmen auf Hegel belegen dies die grundlegenden Denkfiguren selber. Besonderes Interesse gewinnt der Vergleich im vorliegenden Zusammenhang gerade deshalb, weil es Marx in seiner dialektischen Darstellung um die Kritik eines Zustandes geht, der in seiner Totalität
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Logische Systematik und Freiheit
als Zustand der Unfreiheit gebrandmarkt werden soll. Sein „Gebrauch" der dialektischen Denkweise bewegt sich so — gewissermaßen mit umgekehrten Vorzeichen — im gleichen Spannungsfeld der Freiheitsproblematik, in das sich auch das Hegeische System hineinbegibt. Als Folie, auf der die freiheitsmäßige „Selbstwertung" der spekulativen Logik mit größerer Deutlichkeit hervortreten kann, sollen parallel zu den vier Hauptstufen, die in der Logik aufgegriffen werden, die entsprechenden Bestimmungen der Kapitalslogik in Exkursen erörtert werden5.
A. Zum Anfang der Logik Die erste Bestimmung der Logik, das reine Sein, charakterisiert sich durch ihre Doppelstellung, einerseits Resultat der Geschichte des Bewußtseins in der Phänomenologie des Geistes, anderseits Anfang der logischen Darstellung des Begriffs zu sein. In beiden Hinsichten kommt 5
Die Beschränkung auf die unter diesem Gesichtspunkt wesentlichen Bestimmungen bedeutet, daß keineswegs der Versuch eines prinzipiellen Systemvergleichs unternommen werden soll, wenn auch für einen solchen hier interessante Perspektiven resultieren können. Anderseits ist der Vergleich auch nicht so gemeint, daß nur durch ihn Eindeutigkeit in der Interpretation des Hegeischen Textes zu gewinnen sei; dieser muß aus ihm selber schlüssig gedeutet werden können. — Man könnte der Meinung sein, daß für eine Gegenüberstellung von Hegel und Marx nicht die Logik, sondern die dem „Kapital" entsprechende Realabhandlung, etwa die Rechtsphilosophie, den geeigneteren Ansatzpunkt böte; auch die HegelKritik des frühen Marx richtet sich in erster Linie gegen die Philosophie des Rechts. Gewiß hätte eine allgemeine Gegenüberstellung beider Autoren auch — und vordringlich — Hegels Realphilosophien zu berücksichtigen; die hier vorgenommene Einschränkung auf den logischen Bereich ergibt sich aus dem leitenden Interesse der Untersuchung. Indem als erstes das Grundmodell der Hegelschen Logik mit dem „Gegenmodell" der Kapitalslogik konfrontiert wird, eröffnet und verdeutlicht sich sowohl in der Logik selber die Perspektive für eine freiheits-theoretische und kritische Erörterung der logischen Dimension, wie auch für die Realphilosophie nicht nur eine formale Struktur, sondern ein Spannungsfeld vorgegeben wird, innerhalb dessen reale Freiheit zu thematisieren ist und für welches umgekehrt die reale Freiheit des Geistes selber den Grund abgeben wird. Die Kontrastierung von Logik und Kapital intendiert keinen „inhaltlichen", sondern einen „systematischen" Vergleich; die „systematische" Verwandtschaft der Marxschen Theorie mit der „Wissenschaft der Logik" ist sinnfälliger und auch grundlegender als jene mit der Rechtsphilosophie; das „Kapital" selber präsentiert sich in eminenter Weise als die „materiale" Logik der Gesellschaft. — Es werden in diesem Zusammenhang ohne Unterscheidung das „Kapital" und die „Grundrisse" zitiert; dahinter steht die Meinung, daß in den hier aufzugreifenden Punkten der Logik des existenten Kapitals zwischen den beiden Büchern keine wesentlichen Differenzen bestehen.
Zum Anfang der Logik
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ihr, in je verschiedener, wenn auch gegenseitig bedingter Weise, ein wesentlicher Freiheitscharakter zu: einerseits bezüglich des Elements, welches mit der phänomenologischen Entwicklung erreicht ist und in welchem fortan die Darstellung stattfinden soll, dem reinen Denken, anderseits — und dies ist hier der wichtigere Aspekt — bezüglich der Sache selbst, welche zur Darstellung kommen soll, und die hier in ihrer abstraktesten Form schon vorhanden ist: der Begriff. Das absolute Wissen, als Überwindung der Subjekt-Objekt-Beziehung des Bewußtseins, stellt den Standpunkt her, auf welchem es erst möglich wird, die Sache an ihr selbst zu betrachten6. Sein Element, das reine Wissen, ist das „Beisichsein überhaupt", und der Inhalt erhält in ihm die „wesentlichste Gestalt der Freiheit (des Apriorischen) des Denkens" (E § 12 A). Die Freiheit, welche der Bestimmtheit in ihrer Qualität als reine Bestimmtheit zugesprochen wird, ist aber die nur formelle Freiheit der Partizipation an der Form des Gedankens überhaupt als des reinen Beisichseins in der Sphäre der Allgemeinheit7; insofern hat an ihr auch der abstrakte Gedanke, die losgelöste Formbestimmung teil. Der wirklich „freie und wahrhafte Gedanke" aber ist „in sich konkret" (E § 14). Diese höhere Freiheit, welche dem Gedanken nicht durch seinen bloßen Status, sondern durch seine inhaltliche Bestimmtheit zukommt, wird später für sich selbst zur Sprache kommen müssen: sie erweist sich als identisch mit der Freiheit der Sache selbst des Begriffs. Jedoch ist auch diese inhaltliche Freiheit, welche der konkreten Idee zukommt, bereits hier, in defizienter Form, zu thematisieren: in der abstrakten Allgemeinheit als Anfangsbestimmung der Logik. Die hierbei sich aufdrängende Frage ist folgende: wie muß der Anfang in sich selber beschaffen sein, damit er als Grundlage der Entfaltung des konkreten und freien Begriffs fungieren kann? Oder: welche Momente am Hegeischen Konzept des Anfangs gewährleisten — oder verhindern —, daß in seinem Elemente so etwa wie Darstellung konkreter und freier Totalität möglich ist? 6
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Vgl. L I 43: „Die reine Wissenschaft setzt somit die Befreiung von dem Gegensatze des Bewußtseins voraus. Sie enthält den Gedanken, insofern er ebensosehr die Sache an sich selbst ist, oder die Sache an sich selbst, insofern sie ebensosehr der reine Gedanke ist":; vgl. L I 67. Das Element der Logik ist somit die „Gewißheit, die nach der einen Seite dem Gegenstand nicht mehr gegenüber ist, sondern ihn innerlich gemacht hat, ihn als sich selbst weiß, — und die auf der ändern Seite das Wissen von sich als von einem, das dem Gegenständlichen gegenüber und nur dessen Vernichtung sei, aufgegeben (hat), dieser Subjektivität entäußert und Einheit mit seiner Entäußerung ist" (L 167 f.).
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Logische Systematik und Freiheit
Diese Frage scheint um so dringlicher, als der Anfang mit einer Bestimmung gemacht wird, deren Unwahrheit und Unvollkommenheit nicht nur explizit hervorgehoben, sondern auch für die Darstellung des Konkreten als notwendig behauptet wird: Die Methode der Wahrheit weiß das „Unvollkommene überhaupt als ein Notwendiges, weil die Wahrheit nur das Zu-sich-selbst-kommen durch die Negativität der Unmittelbarkeit ist" (L II571), Wahrheit nicht unmittelbar als solche auftreten kann, sondern „eben als solche sich zu bewähren hat" (E § 83 Z)8. Zugleich aber soll, wie der absolute Geist die „konkrete und letzte höchste Wahrheit alles Seins" (L I 70), so die leere Abstraktion des Seins der Begriff „an sich" (E § 84), das Allgemeine des Anfangs „an sich die konkrete Totalität, aber sie noch nicht gesetzt, noch nicht für sich" sein (L II 555). Mit diesen Hinweisen wird die Frage aber erst präzisiert, und ein Zusammentragen der zahlreichen Textstellen ähnlichen Inhalts könnte im jetzigen Stadium des Verständnisses nur eine zirkelhafte Begründung liefern: das, womit die Darstellung der freien Totalität begonnen wird, ist ipso facto das, was eine solche Darstellung formal und inhaltlich ermöglicht. Es soll versucht werden, jene Momente zu bestimmen, durch welche der Anfang, wie er in Hegels Logik gemacht wird, dieser Aufgabe genügen kann. Ein erstes Moment ist allgemeinerer Natur und wäre auf jede Kategorie der Logik anwendbar. Es besteht darin, daß jede Bestimmung nicht nur als reine Denkbestimmung, sondern spezifischer als logische gefaßt ist. Das letztere beruht zwar auf dem erstem — und es ist auch jede reine Denkbestimmung, in ihrer Wahrheit aufgefaßt, zugleich logische —, meint aber mehr oder ist spezifischer. „Das Logische", oft verwendeter Ausdruck bei Hegel, bezeichnet dasjenige an einer Begriffsbestimmung, wodurch diese zugleich Moment der absoluten Form ist und nur durch deren Dialektik sich bewegt. Die Selbstbewegung der absoluten Form aber, die Methode, hat eine Struktur, welche, zumindest der Hegeischen Fassung dieses Terminus gemäß, mit dem Titel der Freiheit belegt ist. Dieser Punkt wird in der Diskussion des Schlußabschnitts der Logik genauer zu fassen sein. Vordringlicher ist hier die Klärung der ändern, für den Anfang spezifischen Momente: Wie kennzeichnet sich das Sein sowohl in Beziehung auf die Entwicklung der Form des Wahren wie bezüglich des Spannungsfeldes, das durch die Freiheitsdimension des 8
Vgl. L 179: Das Absolute sei in der Vorstellung „so reich, als es wolle, so ist die Bestimmung, die ins Wissen querst hervortritt, ein Einfaches"; vgl. L II 520.
Zum Anfang der Logik
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Begriffs eröffnet wird ? Wie verschränken sich im Anfang Wahrheit und Unwahrheit einerseits, Freiheit und Unfreiheit anderseits? Das Sein, mit welchem der Anfang zu machen ist, kann in verschiedener Extension verstanden werden (L 179 f.). Als erste Bestimmung innerhalb des Gangs der Logik kann einmal deren ganze erste Sphäre, die Logik des Seins, verstanden werden; in eingeschränkterem Sinne wird der Anfang durch jenes Sein umrissen, das seiner Bestimmtheit gegenüber noch nicht in Differenz getreten, mit ihr noch unmittelbar identisch ist: die Qualität; und schließlich kann der Begriff des reinen Seins betrachtet werden, wie er den Anfang des Denkens, das schlechthin Anfängliche überhaupt ausmacht. Was alle diese Bestimmungen als erste und anfängliche auszeichnet, ist das Merkmal der Unmittelbarkeit. Indem diese ihrerseits in ihrer absoluten Fassung durch die Kategorie des reinen Seins thematisiert wird, so wird in dessen Erörterung auch die Qualität und die Seinslogik insgesamt implizit mitbestimmt. Es geht um die erste Erfassung dessen, was auf jeder Stufe und letztlich in bezug auf den WahrheitsbegrifF als ganzen das Moment der Unmittelbarkeit konstituiert; dieses soll hier selber unmittelbar, in seiner zugleich radikalsten und abstraktesten Form zum Ausdruck gelangen. Noch die in sich vermitteltsten Bestimmungen der Seinssphäre bleiben der Unmittelbarkeit verhaftet, und im besondern sind innerhalb der Dimension der Qualität noch die gegen das Unmittelbare gerichteten Formen der Negation — vorerst die einfache als Dasein, sodann die gedoppelte als Fürsichsein — selber nur „seiende", unmittelbare. Was aber, so ist zu fragen, ist mit dieser Unmittelbarkeit für die betreffenden Bestimmungen, hinsichtlich ihres Wahrheits- wie ihres „Freiheits"-Gehalts, ausgesagt? Das Sein ist das unbestimmte Unmittelbare. Gerade als dies Einfache und Leere ist es „schlechthin der Anfang der Philosophie" (L 179). Der Anfang wird nicht gemacht mit einem, welches nur nebenbei unmittelbar ist, oder welches zwar vermittelt ist, hier aber als unmittelbares auftritt, sondern mit dem, was sich gerade durch den Ausschluß jeglicher Vermittlung definiert. In seiner Unmittelbarkeit spricht es nicht einmal seine Nicht-Vermittlung aus, es ist nur. Für das logische Denken, das noch dieses Unbestimmte in seiner Bestimmtheit fassen will, hat es „den Sinn und die Form abstrakter Allgemeinheit" (L II 553). Als Absehen von jeglicher konkreten Inhaltsbestimmung kann es identischerweise das „Nichts" genannt werden, das „Absolut-Negative" (E § 87), das ebensowenig wie jenes Vermittlung enthält, weder seine Bestimmung noch seine (via negationis definierte) Unbestimmtheit ausspricht, sondern nur ist.
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Logische Systematik und Freiheit
Den Anfang des Denkens bildet somit das Sein, welches identischerweise Nichts ist, wobei die Identität beider ebenso unmittelbar und identischerweise ihr irreduzibler Unterschied ist. Auf das selber unmittelbare Verhältnis der beiden Quasibestimmungen von Sein und Nichts verweist der Ausdruck, daß nicht das eine ins andere übergehe, sondern übergegangen sei. Als Anfangsbestimmung im eigentlichen Sinn zeigt sich somit das Werden, das nicht wirklich ein Drittes zu jenen ist, sondern in dem sich nur ausdrückt, daß das Sein, mit welchem anzufangen ist, identischerweise Nichts ist. Das Sein, und zwar gerade insofern es den radikal unvermittelten Anfang bilden soll, kann vom Denken nur so gedacht werden, daß es zugleich in seiner Negativität offenbar wird. Während die Eleaten im „abstrakten Verstand, daß nur das Sein ist", verharren, wird für Heraklit „das Moment der Negativität immanent". Erst mit ihm fängt im Grunde das philosophische Denken an: indem er „das erste Konkrete" ausspricht, begründet Heraklit „die philosophische Idee in ihrer spekulativen Form"9. Durch diese seine „Negativität", sein unmittelbares Identischsein mit dem Nichts, wird das reine Sein überhaupt erst in die Lage versetzt, Anfang zu sein, Anfang einer Entwicklung nämlich, aus welcher das Konkrete und Bestimmte hervorgehen soll. Es ist gar nicht möglich, das reine Sein am Anfang gegen das reine Nichts auszuspielen; wiewohl sie als schlechthin differente auftreten, enthält keines irgendwelche Bestimmtheit gegen das andere; was gedacht werden kann, ist allein das mit dem Nichts identische Sein oder das mit den Sein identische Nichts. In dieser „Doppelheit", die ebensosehr nicht nur Ungetrenntheit, sondern reine Identität ist, tun sich auch jene Bestimmungen kund, welche den Anfang in „inhaltlicher" Hinsicht auszeichnen und ihn zum Ausgangspunkt — oder Nullpunkt — von Freiheit machen. Die reine Unmittelbarkeit, welche als solche die Unmöglichkeit jeglicher Konkretisierung und Weiterentwicklung zu verkörpern scheint, wird durch ihre immanente Negativität in ihrem auf-sich-Zurückgeworfensein zur Urform von Selbstbeziehung und Bestimmung überhaupt. Die Gleichheit nur mit sich ist zugleich einfache Beziehung auf sich10. Es kann dabei für unsere Belange gleichgültig bleiben, ob diese Selbstbeziehung für Hegel schon aus der eigenen Bedeutung des reinen Seins folgt, oder ob sie erst als auf höherer Stufe „wiederhergestellte" dem Anfang retrospektiv zuzuspre9 10
„Hier sehen wir Land; es ist kein Satz des Heraklit, den ich nicht in meine Logik aufgenommen"; Gesch. Ph. I 323, 326, 320. Vgl. u. a. L1128, 151, 166, 199; II 554, 566, 572; E § 112, § 193A; Rel II 369.
Zum Anfang der Logik
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chen ist. Hervorzuheben ist die „inhaltliche" Bedeutung dessen, was hier als einfache Beziehung auf sich anvisiert wird — als Selbstbeziehung, die selber völlig unartikuliert und unmittelbar, ja mit dem reinen Sein oder der reinen Unmittelbarkeit identisch ist. Während die Unmittelbarkeit als solche in keiner Weise einen Ausgangspunkt für das Werden zur Freiheit darzubieten scheint, ist gerade in der unbestimmten Allgemeinheit, durch welche sich jene näher bestimmt, ein erstes Moment dessen berührt, was dem üblichen Verständnis als Freiheit gut. Die elementare Tatsache, daß etwas überhaupt ist, wird von Hegel so gefaßt, daß bereits darin ein minimales Selbstsein ausgesprochen ist; gerade insofern nichts weiter denn das Sein ausgesagt wird, rückt in der impliziten Negation des durch-anderes-Bestimmtsein das nur-mit-sich-Befaßtsein in den Vordergrund. „Sein kann bestimmt werden als Ich = Ich, als die absolute Indifferen% oder Identität" (E § 86 A). Noch die dürftigste Gedankenbestimmung, die sich diesseits aller bestimmten Bestimmtheit ansiedelt, erfaßt Wirklichkeit in gewissem Sinn als positiv in sich beruhende (vgl. LII216); indem das Denken überhaupt ansetzt, eröffnet es den Raum, in dem Wirkliches als bestimmtes auftreten kann, und der als Grundlage von Konkretion im weitesten Sinn zugleich das allgemeine Element von Freiheit darstellt. Mit diesem allgemeinen Element wird zugleich eine erste Bestimmung des FreiheitsbegrifFs selber thematisch: die Fähigkeit zur totalen Abstraktion von allem und zum reinen Selbstbezug. In diesem Sinne nennt die Einleitung zur Rechtsphilosophie als erstes Moment des freien Willens „das Element der reinen Unbestimmtheit oder der reinen Reflexion des Ich in sich, in welcher jede Beschränkung, jeder ... unmittelbar vorhandene oder, wodurch es sei, gegebene und bestimmte Inhalt aufgelöst ist; die schrankenlose Unendlichkeit der absoluten Abstraktion oder Allgemeinheit, das reine Denken seiner selbst" (R §5; vgl. § 25). Als Grundlage jeglicher Konkretion ist „die Unbestimmtheit des Willens selbst, als das Neutrale, aber unendlich befruchtete, der Urkeim alles Daseins" (R § 12 A). An ihm selber betrachtet, bildet dieses Moment der unbestimmten Allgemeinheit die Elementarform negativer Freiheit, der Freiheit des nur mit sich Zusammengeschlossenseins. Der Ausgang vom abstrakt Allgemeinen ist „wie als die allererste theoretische so auch sogar praktische Forderung anzusehen" (L 191); das Absehen von aller besondern Bestimmtheit ist erste Bedingung für die Autonomie des Geistes, sie erst stellt den Boden her, auf welchem Bestimmung als selber freiheitliche denkbar ist. Wird dieses erste Moment verabsolutiert und das Unbestimmte für sich zum Ganzen gemacht, so resultiert daraus die
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„Freiheit der Leere", der „Fanatismus" der reinen Destruktion (R § 5 A; vgl. E § 87 A). Mit dieser einen Seite fällt aber im einfachen Allgemeinen unmittelbar die andere zusammen, nach welcher das auf sich selbst bezogene Unbestimmte ebenso unmittelbar mit allem identisch ist. Was noch keine Differenz, weder in sich noch in bezug auf anderes, enthält, dessen Selbstgleichheit ist identischerweise Gleichheit mit allem. Es kommt hier die „positive" Bedeutung zur Geltung, die sich üblicherweise mit dem Terminus „Sein" verbindet, und die in ihrer absoluten Fassung das Sein als das schlechthin Affirmative, als „Inbegriff aller Realitäten" (E § 86 A) meint. Dabei ist es nicht so, daß die beiden Momente oder Elementarformen von „positiver" und „negativer" Freiheit in der ursprünglichen Einheit von Sein und Nichts jeweils nur der einen Seite zuzusprechen wären; vielmehr ist es gerade deren Identität — die Tatsache nämlich, daß Sein und Nichts hier erst in ihrer absoluten Abstraktheit vorhanden sind und in dieser, als absolut unterschiedene, unmittelbar zusammenfallen —, welche beide „Freiheits"-momente fundiert — auch wenn diese schwerpunktmäßig zwei verschiedenen (obwohl ebenso untrennbaren) Bedeutungsmomenten des spekulativen Anfangs selber entsprechen: der unbestimmten Unmittelbarkeit als Abstraktion und als Allgemeinheit. Was solcherart im absolut Unmittelbaren als Freiheitselement hervorgehoben werden kann, bezeichnet allerdings nur die generelle Dimension, in welche die Betrachtung der Denkformen ihren Gegenstand von vornherein hineinstellt. In keiner Weise werden damit „reale" Freiheitsmerkmale, die sich wahrhaft als solche ausweisen ließen, dem Unmittelbaren zugesprochen. Ebenso ungetrennt wie „positiver" und „negativer" Aspekt sind im unbestimmten Anfang Freiheit und Unfreiheit selber. Unmittelbarkeit und Freiheit treten zunächst als inkompatible Größen auf. Zwar hat der Geist in seiner Unmittelbarkeit das Außersichsein der Natur überwunden und ist er als einfache Allgemeinheit zur Identität mit sich gelangt, in welcher er ebenso „der Möglichkeit nach Alles ist" (E § 389). Aber als unmittelbarer ist er seiner geistigen Natur gegenüber keineswegs Selbstidentität: das unmittelbare Beisichsein ist selber, mißt es sich an dem, was zu sein es beansprucht und intendiert, auf neuer Stufe ein Außersichsein11. Der unvermittelte Selbstbezug, der identischerweise Nicht-Abgeschiedenheit vom Ganzen und potentielle Identität mit allem ist, ist gleichermaßen Fremdbeziehung, 11
VgL R § 66N: „Was ich nur an sich bin, bin ich äußerlich."
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von dieser gar nicht zu unterscheiden. Das Nur-Subjektive ist genauso das Nur-Objektive, das nur Innerliche fällt mit dem nur Äußerlichen zusammen. Sofern die beiden Momente des Freiseins — das im-andernSein und das Beisichsein — sich im Unmittelbaren durch keine angebbare Bestimmung voneinander abheben lassen, fallen sie ebenso bloß auseinander wie ineins zusammen. In ihrer Verhältnislosigkeit können sie sich nicht zu einer konkreten Freiheitsbestimmung ergänzen; im Gegenteil ist jede Seite die Aufhebung des Freiheitspotentials der ihr entgegengesetzten. Was sich so als absolut erste Voraussetzung von Freiheit zu realisieren schien, die reine Selbstbezogenheit und Losgelöstheit von aller äußern Determinierung, stellt sich in seiner immanenten Leere und Abstraktheit als Mangel jeglicher wirklichen Selbstbeziehung und als absolute Fremdbeziehung heraus. Was erst der Möglichkeit nach frei ist und in dieser Möglichkeit verharrt, ist seiner Wirklichkeit nach unfrei. So bildet im abstrakten Recht die „Sache" — das an und für sich Äußerliche — die unmittelbare Wirklichkeit der formellen Freiheit der Person. Weil deren eigene freie Selbstbeziehung noch nicht in sich konkret gefaßt ist, ist sie unmittelbar auf ihr Entgegengesetztes, die Äußerlichkeit, verwiesen12; diese Verwiesenheit ist selber nur Symptom jener Selbstäußerlichkeit, in der die unmittelbare, abstrakte Freiheit dadurch verhaftet bleibt, daß ihr die eigene Substanz, sittliche Freiheit, fremd gegenübersteht. Die in sich unbestimmte Bestimmung der „Gleichheit"13 vermag noch keinen sinnvollen Freiheitsbegriff zu konstituieren14; in ihrer seinsmäßigen Abstraktheit läuft sie vielmehr auf das Gegenteil von Freiheit hinaus. Angesichts dieser ersten Kennzeichnung des anfänglichen Seins ist die bereits gestellte Frage wieder aufzunehmen, wie im Ausgang von diesen Bestimmungen eine konkretisierende Weiterentwicklung denkbar ist, und was diese für den mit der Seinskategorie eröffneten, aber in seiner Unmittelbarkeit noch in sich verkehrten Freiheitsraum bedeutet. Wenn aus logischen Gründen der Anfang mit dem unbestimmten Unmittelbaren zu machen ist, wie ist dann überhaupt über dieses hinauszukommen; und wenn die Unmittelbarkeit als solche den ihr verhafteten Bestimmungen das Siegel der Unfreiheit aufdrückt, anderseits aber alle 12
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Die Realität des unmittelbaren Geistes ist „notwendig eine noch unvermittelte, noch nicht gesetzte, folglich eine seiende, ihm äußerliche, eine durch die Natur gegebene" (E §3872). Vgl. Gesch. Ph. I 297: „Sein ist die Gleichheit, ausgesprochen als unmittelbar". So führen auch die in der bürgerlichen Gesellschaft „gang und gäben Begriffe von Freiheit doch nur auf Gleichheit zurück" (E § 539 A).
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Wirklichkeit in sich eine Seite der Unmittelbarkeit hat, wie ist dann wirkliche Freiheit überhaupt denkbar, und wie kann die solcherart ansetzende Logik zum freien Begriff gelangen, den sie doch darstellen soll ? Es muß zur Beantwortung dieser Frage näher auf den Status des anfänglichen Unmittelbaren eingegangen werden. In der Einleitung zur Logik spricht Hegel einen Grundsatz dialektischen Denkens aus, angesichts dessen das reine Sein zunächst als Ungedanke erscheint: den Grundsatz nämlich, „daß es nichts gibt, nichts im Himmel oder in der Natur oder im Geiste oder wo es sei, was nicht ebenso die Unmittelbarkeit enthält als die Vermittlung" (L I 66). Das hervorgehobene „gibt" wird in der ersten Anmerkung zum „Werden" — bezüglich der Einheit von Sein und Nichts, welche auch in jedem Etwas „im Himmel und auf Erden" enthalten sei — dahingehend präzisiert, daß dabei „von einem irgend Etwas und Wirklichen die Rede wird" (L 186; vgl. 111,171; II555). Das Nur-Unmittelbare wird damit in die Sphäre des Ideellen, nur Abstrakten, noch nicht Daseienden entrückt; dies entspricht seinem Ort als konstitutiver Vorkategorie des Daseins. Wie aber kann über diese Scheidung hinweg ein kohärenter theoretischer Zusammenhang aufgebaut werden, wie die Logik, die doch mit dem reinen Sein einsetzt, als einheitliche gedacht werden ? Welches ist die Funktion dieser „reinen" Unmittelbarkeit für das in sich vermittelte Konkrete ? Wie kommt eine solche anfängliche Idealität überhaupt zustande und welches ist ihr Sinn im Ganzen? Das Anfängliche hatte sich als Abstraktes gekennzeichnet: „unmittelbar und abstrakt sind gleich" (Rel I 307)15. Zugleich aber ist das abstrakte Sein „an sich" der Begriff (E § 84). Nur von diesem her ist nach dialektischer Logik das Erste überhaupt verständlich. „Das abstrakt Unmittelbare ist wohl ein Erstes, als dies Abstrakte ist es aber vielmehr ein Vermitteltes, von dem also, wenn es in seiner Wahrheit gefaßt werden soll, seine Grundlage erst zu suchen ist" (L II245). In Wahrheit ist der Begriff selber — der aber als „Unentwickeltes, Inhaltsloses . . . im Anfange noch nicht wahrhaft erkannt wird" — dasjenige, „was den Anfang macht" (L I 71). Dies muß am Ersten selber einsichtig gemacht werden. Das „abstrakte Allgemeine .. ., nach seiner Wahrheit betrachtet, ist nicht nur das Einfache, sondern als Abstraktes ist es schon gesetzt als mit einer Negation behaftet" (L II555). Zwar wkd im unmittelbaren Sein die „Erinnerung, daß es Resultat der vollkomme15
Vgl. E § 2492: „In einem System ist das Abstrakteste das Erste".
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nen Abstraktion" ist, nicht selber schon explizit gemacht, erst im Wesen wird die Unmittelbarkeit als vermittelte gesetzt; deshalb ist auch die Charakterisierung des Seins als „abstrakte Negativität, Nichts" selber eine unmittelbare, ein immer schon Übergegangensein (L 1104). Gleichwohl ist es notwendig, daß dieses Vermitteltsein dem Anfang zumindest retrospektiv als etwas zugesprochen werden kann, was ihm an ihm selber zukommt, ihn als Anfang auszeichnet. Der in sich konkrete Begriff ist nicht nur selber ein irgendwie in sich Vermitteltes, sondern definiert sich eben dadurch, „daß das Ansichsein nur ein abstraktes, einseitiges Moment ist" (L II 555). Nur dadurch kann das Wahre sich an ihm selber als Wahres erweisen, daß das Abstrakte seine Falschheit, seine Negativität und Angewiesenheit aufs Ganze ebenso an ihm selber aufzeigt. Die Modifikation, die Hegel am traditionellen Abstraktionsbegriff anbringt, besteht darin, daß dieser selber nicht mehr abstrakt gefaßt wird, d. h. daß die in ihm ausgesprochene Trennung nicht Tun einer äußerlichen Reflexion, sondern die notwendige immanente Bewegung des Wirklichen selber ist16. Nur deshalb kann auch der Anfang als abstraktes Moment „an ihm selbst das Mangelhafte und mit dem Triebe begabt sein, sich weiter zu führen" (L II 555; vgl. E § 87 AI). Die Defizienz des Anfangs macht diesen zu einem an ihm selber Negativen; er ist „nicht das reine Nichts, sondern ein Nichts, von dem Etwas ausgehen soll" (L 173). Daß vom Unmittelbaren ein Ausgang zu weiterer Entwicklung genommen werden kann, liegt darin begründet, daß seine Unmittelbarkeit nichts anderes als die vom Konkreten selber gesetzte Abstraktion ist. Weil er das Sein nicht nur in seiner starren Gleichheit, sondern in seiner eigenen Negativität — in Einheit mit dem Nichts als Werden — gedacht hat, bildet Heraklit den bleibenden „Anfang der Existenz der Philosophie ... bis auf den heutigen Tag" (Gesch.Ph. 1336 f.). Indem die Abstraktion hier selber „konkret", d. h. im Zusammenhang des Ganzen und von diesem mit Notwendigkeit ausgehend, gefaßt wird, ist darin auch schon das zweite, distinktive Moment des spekulativen Ersten enthalten, die Idealität. Die Unmittelbarkeit, die als Bestimmung des Begriffs zugleich reale Existenz gewinnen und als selbständige 18
Dies kann als Exempel des in der Hegeischen Logik öfters angewandten Verfahrens gelten, Termini der traditionellen Logik aufzunehmen und sie durch Überwindung ihrer abstrakten Fassung in ihrem wahren Sinn zu restituieren. So hier mit dem Abstraktionsbegriff selber, dessen wahre Bedeutung gerade gegen das abstrakte Verstandes- und Reflexionsdenken gerettet werden soll; vgl. dazu die Behandlung der Einzelheit als „gesetzter Abstraktion" (L II 300f.).
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Gestalt auftreten kann, tut dies doch so, daß sie ihr Dasein zugleich als ideelles offenkundig macht, welches seine Wahrheit in der Einheit der Idee hat. „Weil der Begriff wesentlich als Idee ist", muß seinen Bestimmungen, die „selbst Begriffe" sind, zugleich relative Selbständigkeit zugeordnet werden; die logische Folge der Momente wird dadurch zugleich zu einer „Reihe von Gestaltungen" (R § 32)17. So tritt auch die Bestimmung der abstrakten Unmittelbarkeit im Bereich des objektiven Geistes als die reale Wirklichkeit des abstrakten Rechts auf. Für sie wie für alle Gestalten der wirklichen Freiheit aber ist wesentlich, daß sie zugleich in ihrer „wahrhaften Stellung, nicht vereinzelt, sondern nach ihrer Wahrheit, als Momente der Idee vorkommen"18. Daß die „Momente des Begriffs .. . als für sich verschieden gesetzt" werden, macht gerade das Gegenteil freier Selbstverwirklichung, das Unrecht aus. Zwar ist es die „logische höhere Notwendigkeit" selber, welche den Begriff dazu treibt, die eigene, ideelle Einheit tendenziell zu negieren und zur „abstrakten Realität" überzugehen (R § 81A). Im Real-Abstrakten reflektiert er sozusagen die eigene Grenze, jenes Negative, als dessen absolute Negation er sich selber verstehen muß. Zur Wahrheit des dialektischspekulativen Begriffs jedoch gehört, daß er seine abstrakten Momente, durch die hindurch er seine Bestimmungen entfaltet, zugleich ideell setzt und ins Ganze zurücknimmt; ideell ist eine Bestimmung, die zwar „unterschieden, aber nicht selbständig seiend, sondern als Moment ist" (L 1165; vgl. 113f.). So verhält es sich mit dem reinen Sein des Anfangs, welches, wie das Unendliche in seinem Verhältnis zum Endlichen, „schlechthin nicht ist.. ., allein für sich, ohne sein Anderes an ihm selbst zu haben" (L 1171). Indem das Sein von vornherein als mit seinem Gegenteil zusammengegangen und in seiner Negativität gefaßt wird, tritt in der Idealität der Momente von Anfang an auch die „Idealität" der Idee selber in den Blick, in welcher das abstrakt Unmittelbare seine Selbständigkeit aufgehoben und sich zum Moment des Wahren herabgesetzt hat. Freilich ist dies eine Reflexion, die dem Unmittelbaren selber noch nicht zugänglich ist, in ihm und für es selber nicht offenkundig werden kann. Erst von späterer Stufe aus, wo die Ideell-Setzung des Ersten faktisch vollzogen wird, kann auch die „ansichseiende" Idealität 17 18
Vgl. R § 104; PG 80; LII 549. R §279A; vgl. §273A: die „reelle Vernünftigkeit" und „wahrhafte Gestaltung des sittlichen Lebens" besteht in der „freien Ausbildung, in der die Idee ihre Momente — und nur ihre Momente sind es — als Totalitäten aus sich entläßt und sie eben damit in der idealen Einheit des Begriffs enthält".
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des Anfangs als ein ihm selber Zukommendes explizit gemacht werden (vgl. L1104). Daß das Zweite im Ausgang vom Ersten sich herleiten und dieses als Ideelles setzen kann, läßt die Idealität des Ersten manifest werden; im Zeitpunkt ihres ersten Auftretens macht die Sphäre der Unmittelbarkeit das „Ganze" aus, ist sie die erste „Gestalt" des Wahren und enthält sie ihr eigenes Moment-Werden sozusagen nur der Möglichkeit nach. Bereits diese Möglichkeit aber, die an ihr selber aufweisbar sein muß, kennzeichnet sie in signifikanter Weise und stellt den wesentlichen Unterschied zwischen Ideell- und Realabstraktion in seiner freiheitstheoretischen Relevanz heraus. In diesem Sinne muß auch gesagt werden, daß die hier vorgenommene Hervorhebung des Status des anfänglichen Unmittelbaren selber im impliziten Vorgriff auf die mögliche Freiheitsdimension stand, die mit dem ansichseienden Begriff nach Hegel prinzipiell eröffnet sein soll. Gleichwohl sollte dieser perspektivenmäßige Vorgriff nicht zu einer Verfälschung oder Überbewertung des Anfangs führen, sondern nur dasjenige an ihm hervorheben, was tatsächlich in ihm, in der Reinheit seiner ursprünglichen Abstraktion angelegt ist19. Fragt man sich, was diese „statusmäßige" Präzisierung der anfänglichen Unmittelbarkeit für die Freiheitsbetrachtung eingebracht hat, so ist offenkundig, daß nicht eigentlich der so gefaßte „Status" an ihm selber die nähere Bestimmung anfänglicher Freiheit abgibt. Unter den Titeln von Abstraktion und Idealität wurden vielmehr — teils im Horizont des Ganzen, teils der Momente — nur die Bedingungen dafür freigelegt, daß einerseits am Anfang selber Freiheit — als mögliche — denkbar ist, anderseits im Ausgang von ihm freie Entwicklung, Entwicklung zu realer Freiheit stattfinden kann. D. h. es wurde gezeigt, unter welchen Voraussetzungen die schon im Sein aufweisbaren minimalen Freiheitsmomente — das Beisichsein und das im-andern-Sein — nicht durch die Unmittelbarkeit des Anfangs schlicht in ihr Gegenteil 19
Die Relevanz der „Idealität" wird sowohl im „logikimmanenten" Vergleich mit Marx wie auch in der realphilosophischen Abhandlung des objektiven Geistes deutlicher vor Augen treten. — In seiner Untersuchung Der Begriff der Freiheit in der Philosophie Hegels macht Heinz Roettges den Begriff der Idealität zum Zentralbegriff der Hegeischen Freiheitslehre; Freiheit ist die Gewißheit der menschlichen „Unendlichkeit, der gegenüber alles Seiende, sei es sinnlich oder übersinnlich, nur ideell ist" (174). — Demgegenüber soll hier der Begriff der Idealität zwar in seiner fundamentalen Rolle für die Freiheit hervorgehoben, keineswegs aber aus ihm die ausreichende oder gar höchste Kennzeichnung von Freiheit gemacht werden; Idealität ist als „conditio sine qua non" bloß erstes Moment konkreter Freiheit.
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verkehrt und zu unüberwindbaren Bestimmungen der Unfreiheit werden. In diesem Sinn kann allerdings die Idealität der abstrakten Unmittelbarkeit selber als erstes Moment eines sich konkretisierenden Freiheitsbegriffs aufgefaßt werden. Zusammen mit den beiden „inhaltlichen" Bedeutungsmomenten konstituiert sie so etwas wie den Begriff einer „ansichseienden", potentiellen Freiheit. Es ist klar, daß die Seinslogik und insbesondere deren Anfang, betrachtet man sie von dem her, was ihren spezifischen Gegenstand ausmacht, das erklärte Gegenteil von Freiheit, eine Logik des Unfreien und Notwendigen repräsentieren. Unmittelbarkeit ist nicht Freisein und kann es nicht sein noch sein wollen. Was hier hervorgehoben werden sollte, war nur dies, daß Hegel auch noch das schlicht Unfreie vom übergreifenden Rahmen der Freiheit her konzipiert. Die Art, wie er die logischen Strukturen der Unmittelbarkeit auseinanderlegt, läßt deren Sphäre insgesamt als „Vorstufe" oder „Nullpunkt" zu sich kommender Selbstvermittlung erscheinen. Die Bewegung, welche vom Anfang ausgehen und ihn zu seiner eigenen Wahrheit bringen soll — und welche nichts anderes als das „logische Denken" in seiner Notwendigkeit selber ist (E § 87A1) —, wird meist mit den zwei entgegengesetzten Metaphern des Sichentfaltens und des Insichgehens gefaßt. Die „Fortbestimmung ist in einem ein Heraussetzen und damit Entfalten des an sieb seienden Begriffs und zugleich das Insicbgehen des Seins, ein Vertiefen desselben in sich selbst" (E § 84; vgl. § 159A). „Jede neue Stufe des Außersichgekens, d. h. der weitern Bestimmung ist auch ein In-sich-gehen, und die größere Ausdehnung ebensosehr höhere Intensität" (L II 570). In erster Linie zielen diese Beschreibungen auf die Art des wissenschaftlichen Gedankengangs und die Entwicklung der in ihm verhandelten Denkbestimmungen ab. Von den elementarsten und dürftigsten Kategorien führt der logische Prozeß hinaus zu deren weitern Bestimmungen; die Entfaltung nimmt die Gestalt einer konzentrischen Erweiterung an. Zugleich aber, da das Erste an sich der Begriff und das Ganze ist, erscheint diese Bewegung auch als konzentrische Intensivierung: es ist das Sein selber, welches in den folgenden Bestimmungen näher und konkreter gefaßt wird. Was so als in sich gegenläufige Doppelbewegung der logischen Fortbestimmung auftritt, präsentiert auf der ändern Seite eine auffallende Übereinstimmung mit den „inhaltlichen" Momenten des logischen Gegenstandes selber; so hier mit den beiden entgegengesetzten elementaren Freiheitsaspekten des reinen Seins: der „Beziehung auf sich" und dem universellen Gleichsein mit allem. Diese Analogie, die hier erst festgestellt,
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noch nicht näher analysiert werden kann, wird in der „absoluten Idee" selber thematisch werden müssen. Dort wird sich die „Methode" selber als letztlich im „Inhalt" des Logischen begründet erweisen; der Begriff als absoluter Inhalt und als höchste Form, nach welcher Wirkliches überhaupt erst in seiner Wahrheit darstellbar wird, ist zugleich bestimmend für die „Form" des Prozesses, in welchem er sich selber entfaltet und darstellt. Hier sind die beiden Stränge noch nicht explizit aufeinander beziehbar. Die nähere Bestimmung des Anfangs kann lediglich in einer Art Bestandsaufnahme dessen bestehen, was in ihm angesetzt ist: dazu sollen kurz die beiden Bedeutungskomponenten der anfänglichen (Un-)Freiheit genauer umrissen sowie die Weiterentwicklung skizziert werden, die sich in ihnen andeutet. Der am Anfang vorhandene Doppelaspekt wurde mit den Begriffen von „negativer" und „positiver" Freiheit näher zu bezeichnen versucht. In Wirklichkeit ist jedoch auch diese Korrelation — wie die zwischen Freiheitsmomenten und Grundrichtungen der dialektischen Bewegung — keine strikte. Das Moment der Selbstbeziehung kann an ihm selber in „negativer" oder „positiver" Weise gedeutet werden, je nachdem ob die Freiheit von anderem oder die Verwirklichung des eigenen Selbst in den Vordergrund rückt. Desgleichen ist die Zuteilung der entgegengesetzten Momente auf das reine Sein und das reine Nichts als solche nicht zutreffend; weil diese gerade in ihrer unmittelbaren Einheit den wirklichen Anfang und den ersten Gedanken bilden, muß als Subjekt aller weitern Differenzierung ihre unmittelbare Einheit fungieren. Gleichwohl stehen alle diese Dichotomien nicht berührungslos und indifferent nebeneinander; in ihren offenkundigen Entsprechungen verweisen sie auf einen ihnen zugrundeliegenden Wesenszusammenhang. Ihr Verhältnis, hier noch unmittelbar, wird sich mit der Konkretisierung der einzelnen Aspekte selber explizieren müssen. Als dasjenige, was am Anfang tatsächlich vorhanden ist, kann die Konstellation festgehalten werden, die sich durch das unmittelbare Verhältnis der verschiedenen hier angesetzten Dichotomien ergibt: zwei „Namen" des Unmittelbaren (Sein/Nichts), zwei „Bedeutungen" des Anfänglichen (Beziehung auf sich/in allem sein), zwei Ansätze möglicher Freiheit (positive/negative Freiheit), zwei Wertungen anfänglicher „Freiheit" (Freiheit/Unfreiheit), zwei Richtungen des hier einsetzenden dialektischen Prozesses (Insichgehen/Herausgehen). Wenn im unbestimmten Unmittelbaren die jeweiligen Elemente dieser Beziehungen noch in Indifferenz und ohne Prävalenz gegeneinander verbleiben, so zeigt doch die Art, wie das Sein sich weiter be-
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stimmt, die Richtung an, in welcher die erste Fassung von Freiheit gehen soll. Freiheit soll dadurch Zustandekommen, daß das noch unfreie Unmittelbare sich zum in sich Reflektierten macht und seine Abhängigkeit vom — oder Verflochtensein mit dem — ändern dadurch löst, daß dieses entweder als Fremdes ausgeschlossen oder als voll Angeeignetes absorbiert wird. Im Ausgang von der Unmittelbarkeit, die als solche Nicht-Freiheit im Sinne der Nicht-Selbstverfügung ist, geht der erste Impuls „freiheitlicher" Regung natürlicherweise auf die Vernichtung des Befangenseins im ebenso unverfügbaren Ändern. In diesem Sinn kann die erste Sphäre der Seinslogik, die qualitative Bestimmtheit, verstanden werden. Die „Qualität" definiert jenen Bereich, in welchem sich näher bestimmt, was das Sein ist, wobei diese Bestimmung selber noch schlicht seiende, mit dem Sein identische, „unmittelbare Bestimmtheit" ist; sofern in ihr vom Sein „als solchem" die Rede ist (L I 80f.), kann sie als die unmittelbare Explikation dessen gelten, was im Anfang selber angelegt ist. Die Entfaltung der Sphäre des Qualitativen, der Gang vom Sein über Dasein und Etwas zum Fürsichsein besteht darin, daß sich auf verschiedenen Stufen gegen die unmittelbare Einheit die Negativität geltend macht, welche dann in einem weitern Schritt mit der affirmativen Identität wiederum zusammengebracht, in diese „einbezogen" und integriert wird. Die erste Bestimmung des Wahren ist das Sein, das sich unmittelbar als Nichts gesetzt hat, wobei die Identität und Verschiedenheit beider gleichermaßen unmittelbar sind und einander ebenso unvermittelt gegenüberstehen wie sie ineins zusammenfallen. Das Zusammengehen von Sein und Nichts, das Werden, selber „als seiend" oder in der „Gestalt der einseitigen unmittelbaren Einheit" gedacht, ist das Dasein (L 1113). Sofern in diesem aber „ebensowohl das Nichts als das Sein enthalten" sind, ist es „selbst der Maßstab", an dem sich seine Realitätsform als einseitige erweist; es ist daher „ebensosehr in der Bestimmung des Nichts zu setzen" (L 1118). Zugleich aber ist der Unterschied dieser beiden Daseinsformen, der „Realität" und der „Negation", selber als „nichtig und aufgehoben" zu erkennen, weil das Dasein selber, im Gegensatz zum reinen Sein, beide Bestimmungen an sich hat. Mit der durch Aufhebung dieses Unterschieds realisierten Einheit ist der Begriff des „Etwas" oder des „Daseienden" gegeben: hier erst ist die Ebene erreicht, wo eigentlich „das Faktische", das, was in der Tat „vorhanden ist", in den Blick kommt (L 1123). Dieses Faktische aber erfüllt real jene „Freiheitsstruktur", die — zwar im Stadium des Ansichseins — das eine Bedeutungsmoment des Anfang-
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liehen überhaupt ausgemacht hat: das Dasein ist „Insichsein", als „erste Negation der Negation .. . einfache seiende Beziehung auf sich", „die Vermittlung seiner mit sich selbst" (L II23f.). Indem das Dasein seine Selbstidentität über die Negation der Differenz als „wiederhergestellte" Einheit, als „negative Einheit mit sich" konstituiert, ist es zugleich, wennauch „erst ganz unbestimmt", „der Anfang des Subjekts" (L I 123f.). In ihm vollzieht sich auf einer ersten Stufe jene Selbstwerdung durch Überwindung der Entäußerung, welche im Rahmen der gesamten Hegeischen Philosophie eines der Grundmodelle von Freiheit darstellen wird. Im Etwas aber ist bloß die erste und völlig unmittelbare Bestimmung des Daseienden vorhanden; indem es als das einfache in-sichZurückgegangensein genommen wird, kommt es wiederum nur nach der einen der in ihm enthaltenen Seiten zur Geltung, als Sein. Zur Restitution der an sich vorhandenen Wahrheit auf dieser Ebene gehört, daß ihm die eigene Negativität als äußerliches, ebenso daseiendes Etwas entgegentritt: das Andere. Die Doppelung von Etwas und Anderem ergibt sich an dem Einen selbst als Zweiheit von Ansichsein und Seinfür-Anderes; so sind „jene Bestimmungen als Momente Eines und Desselben gesetzt", „nämlich des Etwas" (L 1128f.). Indem in diesem beide Momente „ungetrennt" sind, muß auch gesagt werden, daß sie in ihm zur Deckung gelangen, daß dasjenige, was das Etwas „an sieb" ist, auch „an ihm", für-anderes ist (L 1129), und daß umgekehrt „die Bestimmtheit . . . auch seinem Ansich" angehört (L 1125). Sofern der Fremdbezug dem Dasein nicht gleichgültig ist, sondern seinem eigenen Sein angehört, ist das Dasein an ihm selber beschränkt, endlich. Indem ihm das Jenseits der Schranke — das Unendliche, dessen Selbstsein nicht mehr durch das äußerliche Bestimmtsein durch anderes bedingt ist — als eigenes Sollen zunächst nur „gegenüber"-steht, gerät es erneut in die Dualitätsbeziehung zweier gleichermaßen Endlicher. Zur wahren Realisierung seiner Bestimmung gelangt das Dasein erst dadurch, daß es sowohl die abstrakte Endlichkeit wie die ebenso abstrakte Unendlichkeit — das durchs-andere-Beschränktsein und das perennierend über-das-andereHinausgehen — zu Momenten seines Selbstbezugs herabsetzt, welche ihre gegenseitige Andersheit aufgehoben haben und in ihrem Je-andersWerden mit sich selber zusammengegangen sind. So macht sich das Dasein zum „wahrhaft" oder „affirmativ" Unendlichen, das die Endlichkeit in sich selber ideell gesetzt hat, und als welches es sich zum Fürsichsein bestimmt. „Im Fürsichsein ist das qualitative Sein vollendet" (L 1174); hier hat sich vollständig bestimmt, was das Sein „als solches"
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ist. Als solches ist das Sein in Einheit mit seiner Bestimmtheit. Diese vorerst unmittelbare Einheit ist im Fürsichsein selber zur explizit gesetzten Übereinstimmung geworden. Indem „die Negation in die Unendlichkeit, in die gesetzte Negation der Negation, übergegangen, ist sie einfache Beziehung auf sich, also an ihr selbst die Ausgleichung mit dem Sein, — absolutes Bestimmtsein" (L 1174). Was vorerst in seiner reinen Unbestimmtheit unmittelbar vorhanden ist, kann nur dann in seiner Wahrheit gedacht werden, wenn „das Andere" an ihm „nur als ein Aufgehobenes, als sein Moment" gedacht wird;. „das Fürsichsein besteht darin, über die Schranke, über sein Anderssein hinausgegangen zu sein, daß es als diese Negation die unendliche Rückkehr in sich ist" (L 1175). — Diese in äußerster Knappheit gehaltene, auf die wesentlichsten Hauptbestimmungen beschränkte Nachzeichnung der Dialektik der Qualität sollte nicht in eine Interpretation des Gangs der Seinslogik einmünden, sondern nur eine minimale Weiterbestimmung dessen geben, womit die Logik einsetzt, und was nach ihr die erste Bestimmung des Wahren ausmacht. Hegel betont ausdrücklich, daß in der Logik mit der Qualität zu beginnen ist, weil diese, und nicht die Quantität, „die der Natur nach erste ist" (L I 80). Sie ist es in dem spezifischen Sinne, daß in ihr als solcher noch kein bestimmtes Verhältnis zwischen dem Sein und dessen Bestimmtheit besteht; ebenso unmittelbar wie das Sein überhaupt ist dessen Beziehung zu dem, als was es inhaltlich oder formal — diese beiden Hinsichten sind hier auch noch ungetrennt — bestimmt ist. Die Entfaltung, die von dieser Unmittelbarkeits-Situation ihren Ausgang nimmt, macht einerseits die Bestimmtheit, sofern sie selber eine bestimmte und in diesem Sinn nicht vom unmittelbaren Sein selber gestiftete ist, als Äußerlichkeit, Negation, Anderssein, Anderes geltend; so wird über das Sein „hinausgegangen". Dieses Hinausgehen realisiert sich zugleich als die kontinuierliche Gegenbewegung des „Insichgehens", durch welche das Sein, entsprechend seiner ursprünglichen Einheit mit der Negativität des Nichts, das ihm vorerst fremd Gegenüberstehende ins Eigene zurückführt, seine Bestimmtheit mit sich selber zum Ausgleich bringt. Die Herstellung der über die Negation der Negation vermittelten Selbstbeziehung findet vorerst, innerhalb der ersten Sphäre des unmittelbaren Bestimmtseins, im Fürsichsein ihren Abschluß. Dieses bildet aber gleichzeitig den Wendepunkt des Übergangs zur Quantität: das Bestreben, sein durch anderes Bestimmtsein so zu reduzieren und ins Selbst zu integrieren, daß dieses nicht mehr
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durch jenes in Frage gestellt oder gefährdet wird, führt zur Gleichgültigkeit zwischen Selbstgleichheit und Bestimmtheit; „aber diese Gleichgültigkeit ist nur die Äußerlichkeit, nicht an sich selbst, sondern in anderem die Bestimmtheit zu haben" (L 1387). Es deutet sich schon hier das auf höherer Stufe radikalisierte — und dort zu thematisierende — Dilemma der auf sich beharrenden Selbstbezüglichkeit an, welche das vermeintlich Überwundene als ausgeschlossenes zum in sich erstarkten Gegenüber und nun erst recht zur Gefährdung des Selbst werden läßt. Hier ging es zunächst nur um die Auslotung der Unmittelbarkeit, mit welcher die Logik einsetzt. Von dieser Unmittelbarkeit, die als solche das Gegenteil jeder Konkretion oder gar Freiheit bedeutet, hat sich gezeigt, daß in ihrer noch formellen Selbstgleichheit sowohl der Selbstbezug wie die universelle Beziehung auf reale Wirklichkeit virtuell angelegt sind. Die erste Konkretisierung der anfänglichen Unbestimmtheit versuchte, beide Bestimmungen so zusammenzubringen, daß in der Zunahme an Bestimmtheit gleichwohl nicht die Identität desjenigen, um dessen Erfassung es geht, verloren geht; dazu ist erforderlich, das Andere nicht als schlicht Anderes dem Einen gegenüberstehen zu lassen, sondern es dessen eigenem Realitätsbereich und Wirkungskreis einzuordnen. Daß aber die Unmittelbarkeit, in welcher das Wahre hier zuerst gefaßt wird, überhaupt überwunden werden kann, dies liegt darin begründet, daß dasjenige, was die Unmittelbarkeit rein als solche ist — wie sie sich im reinen Sein expliziert —, sich als nicht für sich bestehend, als ideell-abstraktes Moment erweist. Die Idealität der Abstraktion wurde zwar als solche und in eigener Instanz nur dem reinen Sein zugesprochen. Sie geht aber ebenso mit ein in die „Freiheitspotentialität" der konkreteren Seinsbestimmungen, sofern diese als qualitative durch eben jene Unmittelbarkeit affiziert sind, welche das reine Sein definiert. Wie das Anfangende selber „allem Folgenden zugrunde liegen bleibt und nicht daraus verschwindet" (L I 71), so bleibt auch die in jenem angelegte Bedingung möglicher Konkretion im Folgenden als erste Grundlage gegenwärtig. Exkurs I: Die Realabstraktion der Ware als erste Bestimmung der Kapitalslogik Gerade dieser zuletzt hervorgehobene Punkt ist es, der das Marxsche „Kapital" in spezifischer Weise von der Hegeischen Logik unterscheidet. Wenn beiden Systemen das dialektische Vorgehen gemeinsam ist, mit dem Unmittelbaren und Abstrakten zu beginnen und von da zum Vermittelten und
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Konkreten, in sich „Wahren" fortzuschreiten, so trennt sie doch die Art und Weise, wie sie das anfängliche Unmittelbare des nähern fassen. Idealität und Realität der Abstraktion können als vorläufige Titel genommen werden, die sowohl Hegel von Marx abheben wie auch den im jeweiligen Anfang angelegten Freiheits- oder Unfreiheitsgehalt auf systematischer Ebene repräsentieren. Der Warenbegriff, mit dem die Kapitalanalyse einsetzt, bezeichnet nicht nur eine historische Vorform, noch eine nur logische Grundform des Kapitals, sondern auch das reale Element, innerhalb dessen das Kapital sich bewegt und auf das sich zu berufen — gerade insofern es ihm faktisch entgegengesetzt ist — für das Kapital von höchstem Interesse ist. In der Bezeichnung der Ware als des „realen Elements" sind bereits Nähe und Ferne zum Anfang der Logik angedeutet: einerseits das Element als abstraktes Allgemeines, welches erst durch seine Besonderung zum Einzelnen und Konkreten wird; anderseits die Realität dieses Abstrakten, welche dessen Weiterentwicklung in spezifischer Weise bestimmen und „verfälschen" wird. Wenn auf der Basis dieses Real-Abstrakten das Kapital als dessen Reflexion oder „Prozessuierung" sich konstituieren soll, so ist schon hier vorauszusehen, daß nicht wirkliche Vermittlung des ursprünglich Unmittelbaren, sondern nur eine Potenzierung der ersten Unmittelbarkeit erreichbar sein wird. Wie aber ist diese Unmittelbarkeit, mit welcher Marx anfängt, des nähern zu kennzeichnen, wodurch sind ihre besondern Merkmale bedingt, und was bedeutet sie konkret für den Anfang der systematischen Totalität des Kapitals ? Im Gegensatz zur Logik beginnt das Kapital nicht mit dem unbestimmten, sondern mit dem bestimmten Unmittelbaren. Ware ist nicht ohne innere (Gebrauchswert und Tauschwert) wie äußere Vermittlung (Produzent) zu denken; sie trägt in sich äußere und innere Bestimmtheit. Sie definiert sich aber gerade dadurch, diesen Vermittlungen gegenüber indifferent zu sein, sie nicht selbst auszusprechen, sondern sich als rein Unmittelbares zu geben. Sie ist Resultat einer realen Abstraktion auf verschiedenen Ebenen. Was ihre innere Vermittlung anbelangt, so bestimmt sich die Ware als Doppelung von Gebrauchswert und Tauschwert. Ware aber ist sie gerade dadurch, daß der Gebrauchswert nicht in seiner eigenen Bestimmtheit, sondern ausschließlich als Träger und Bedingung von Tauschwert fungiert. Dadurch verliert die Ware ihren qualitativen Befund, um sich der Ordnung reiner Quantität zu subsumieren; die Kategorie der quantitativen Unendlichkeit, in welcher sich die Ware als Kapital eine Pseudoqualität zu geben sucht, bildet eine der Grundkategorien der Kapitalslogik. Eine analoge Verdrängung kommt der Ware zu in Beziehung auf ihre äußere Vermittlung, und dies in doppelter Hinsicht; einerseits wird die konkrete Arbeit, welche ihr zugrunde liegt, zugunsten der zu ihrer Produktion gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit eliminiert. Gerade dadurch verliert sie ihre innere qualitative Bestimmtheit, und was ihrer inneren reinen Quantitativität — dem Wert — konstitutiv zugrunde liegt, ist die abstrakte Arbeit, letzlich die reine Quantität der Zeit. Die faktisch vorgenommene Reduktion komplizierter, d. h. aber auch: jeder Art von qualitativ bestimmter Arbeit, auf „potenzierte oder vielmehr multiplizierte einfache Arbeit" (MEW 23, 59) ist
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letztlich auch eine Entleerung des Arbeitsbegriffs selber. Die Arbeit, welche unter gewissen Herrschaftsverhältnissen nur noch als abstrakte fungiert, wird selber zum „Schein einer Tätigkeit". Da sie aber im Produkt „nicht als das erscheinen (kann), was sie dem Wesen nach nicht ist" (MEGA1,3, S. 547), muß auch ihr Produkt zur Widerspiegelung der entleerten Arbeit, zur reinen Quantität werden. Daran schließt sich andererseits eine Unmittelbarkeit der Ware nicht nur gegenüber der konkreten, sondern der Arbeit überhaupt. Obwohl Ware ihrer quantitativen Bestimmtheit nach in Abhängigkeit von der sie konstituierenden Arbeit real fungiert, wird in ihrem bloßen Dasein diese Abhängigkeit selber geleugnet: der Wert scheint der Ware als Ding immanent. Da er, über die Reduktion auf abstrakte Arbeit, „hinter dem Rücken der Produzenten festgesetzt" wird (MEW 23, 59), erscheint die Ware schlußendlich auch außerhalb jeder Subjekt-Objekt-Vermittlung. Die Unmittelbarkeit, welche die erste Kategorie des „Kapitals", die Ware, auszeichnet, ist somit von Anfang an in spezifischer Weise auf Vermittlung bezogen, nicht in abstrakter Entgegensetzung gegen diese gefaßt. Unmittelbarkeit bezeichnet einen Zustand als Resultat einer Tätigkeit, in welchem diese Tätigkeit nicht nur zur Ruhe kommt — dies wäre auch für eine wie immer zu bestimmende „Mittelbarkeit" oder Vermitteltheit der Fall —, sondern als solche verschwindet. Sie geht in die reale Funktion des unmittelbar Seienden zwar ein, aber nur so, daß dieses Unmittelbare in seiner Bestimmtheit gerade von sich aus den Anspruch und das Selbstverständnis ihres Ausschlusses impliziert20. Soll nun die „real-abstrakte" Unmittelbarkeit der Ware in ihrer innern („logischen") Struktur genauer erfaßt werden, so ist näher auf die Bestimmungen von Gebrauchswert und Tauschwert einzugehen. In der ersten Auflage des Kapitals schreibt Marx: „Die Ware ist unmittelbare Einheit von Gebrauchswert und Tauschwert, also zweier Entgegengesetzten. Sie ist daher ein unmittelbarer Widerspruch" (Fischer-Studienausgabe II, 246). Diese Ausdrucksweise wird in der zweiten Auflage zurückgenommen: „Wenn es im Eingang dieses Kapitels in der gang und gäben Manier hieß: die Ware ist Gebrauchswert und Tauschwert, so war dies, genau gesprochen, falsch. Die Ware ist Gebrauchswert oder Gebrauchsgegenstand und „Wert" " (MEW 23, 75). Mit dieser Korrektur wird aber nicht die Behauptung der — zumindest impliziten, an sich seienden — Selbstwidersprüchlichkeit der Ware zurückgenommen, 20
Diese Struktur der Unmittelbarkeit erhellt aus vielen Ausdrücken, die zur Bestimmung wesentlicher Kategorien dienen. So das zur-Ruhe-Kommen und zum-Resultat-Werden der Bewegung: Warenwert als „Gallerte unterschiedsloser menschlicher Arbeit", „Kristalle dieser einen gemeinschaftlichen gesellschaftlichen Substanz", „Residuum der Arbeitsprodukte" (MEW 23, 52, 77), „kristallisierte Arbeitsmasse" (55), „festgeronnene Arbeitszeit" (54, vgl. 65), „aufgehäufte Arbeit" (66), Arbeitszeit in der Form der „Ruhe", „des Resultats" (GR 62). Andererseits das Auslöschen und Unkenntlichwerden der Bewegung im Resultat: in der Ware ist „alle Individualität, Eigenheit negiert und ausgelöscht" (GR 75, vgl. 60; 52; MEW 23, 52).
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sondern sie wird nur — auch wenn sie nicht explizit erwähnt wird — auf ihre richtige Ebene gestellt: erst hier, nicht auf der zuerst genannten, ergibt sich ein Widerspruch. Die Ware ist Gebrauchsgegenstand, insofern sie Produkt konkreter Arbeit ist; sie ist Wert, insofern sie Produkt abstrakter Arbeit ist. Diese beiden Bestimmungen aber schließen sich aus, nicht als zwei inhaltlich verschiedene, sondern als zwei verschiedene logische Stufen einer und derselben Bestimmung. Abstrakte Arbeit konkretisiert sich einerseits in qualitativ bestimmter Arbeit und schafft Gebrauchswerte, anderseits tritt sie als abstrakte in die Realität und erscheint als Tauschwert; beide Funktionen übt sie aus in Bezug auf denselben Gegenstand: die Ware. Diese ist hiermit an sich selber, in der Realität, abstrakte und konkrete (vgl. GR 60). Gebrauchswert und Tauschwert sind nicht zwei Seiten, denen ein gemeinsames Drittes — der Wert — als Genus zugrunde läge. Der Wert ist das im dialektischen Sinn übergreifende Allgemeine, welches es selber und das sein Gegenteil übergreifende Ganze ist: er ist dem Gebrauchswert entgegengesetzt (auf der Ebene der vergegenständlichten Erscheinung: insofern der Tauschwert dem Gebrauchswert entgegensteht), und er „enthält" oder schließt ihn in sich, insofern gerade die abstrakte Arbeit es ist, welche sich in der konkreten qualitativ bestimmt, vereinzelt und zur Realität kommt. Was so als „Widerspruch" der Ware auftritt, zugleich Ausdruck konkreter Arbeit und Erscheinungsort des Abstrakten und Allgemeinen als solchen zu sein, ist eigentlich „der Grundwiderspruch, der im Tauschwert. . . enthalten ist" (GR 151): der Widerspruch des zur Realität gewordenen Abstrakten. Der Tauschwert ist jenes Abstrakte, welches nicht nur als ideelles sich zum Moment eines Konkreten macht, sondern welches selber sich eine Pseudokonkretion gibt und in seiner vollendeten Erscheinungsform, dem Geld, zur wirklichen Existenz kommt21. In der verhärteten Form dieser Unmittelbarkeit ist auch deren Undurchdringlichkeit für das Subjekt angelegt, welche als „Fetischismus" die Gestalt der Umkehrung von Grund und Begründetem annimmt: das über verhüllte Vermittlungen Konstituierte erscheint selber als ursprüngliches Konstitutivum in der „scheinbar transzendentalen Macht des Geldes" (GR 65). Es ist hier nicht näher auf den „Fetischcharakter" der Ware, noch auf dessen gesellschaftliche Komponenten — Ursachen, Motive und Konsequenzen — einzugehen. Lediglich soll festgehalten werden, wie sich Unmittelbarkeit am Anfang des „Kapitals" bestimmt hat. Zwar gibt es auch im Kapital nichts, was nicht ebenso vermittelt wie unmittelbar wäre, aber es gibt etwas — und dies ist zugleich die allgemeine Form des Existierenden —, was sich — trotz seiner Vermitteltheit, oder besser: gerade infolge seiner spezifischen gesellschaftlichen Vermittlung — primär durch Unmittelbarkeit auszeichnet. In ihm findet Vermittlung nur so statt, daß sie sich nicht nur in Unmittelbarkeit wieder aufhebt, sondern daß sie auch selber, als Vermittlung, im Zeichen 21
Als „notwendige Ausdrucksweise oder Erscheinungsform des Werts" (MEW23, 53) ist Geld das „Symbol der Ware als Ware" (GR 63), „die unvergängliche Ware" (GR 67).
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der herrschenden Unmittelbarkeit steht. Dies ist die strukturelle Folge davon, daß Abstraktes nicht als nur ideelles Moment eines Konkreten fungiert, sondern selber als Reales, sogar als das dominierende Moment der Realität überhaupt (als „abstrakte Sphäre des bürgerlichen Gesamtproduktionsprozesses" GR 922) in Erscheinung tritt. Die Vermittlung, welche das Real-Abstrakte zum Resultat hat, ist selber nichts anderes als eine reale Abstraktion (vgl. MEW24, 109: die Bewegung des industriellen Kapitals als „Abstraktion in actu"), Verdrängung wirklicher Konkretion zugunsten einer Pseudokonkretion des absolut Qualitätslosen, der reinen [Quantität. Vergleicht man das „Kapital" mit der Hegeischen Logik, so muß man mithin sagen, daß es nicht nur — anstelle des reinen Seins der Logik — mit dem Dasein als dem „bestimmten" Sein anfängt, sondern spezifischer mit der Sphäre der Quantität als jenem Sein, das seiner („qualitativen") Bestimmtheit gegenüber bereits gleichgültig geworden ist. Indem diese von Anfang an als gleichgültig gesetzt, „verdrängt" ist, wird eines zum Ursprünglichen und Ersten gemacht, von dem aus wahre Vermittlung — und logisch gesehen: Konstitution des Wahren selber — gar nicht mehr denkbar ist. Schon in ihrem Anfang lassen die verschiedenen Ansätze durch die spezifische Fassung des unmittelbaren Ersten jenen Freiheits- oder Unfreiheitsgehalt durchscheinen, um dessen Darstellung es dem Ganzen geht. In beiden Systemen wird zwar der Anfang mit dem Unwahren gemacht, aber gerade die verschiedene Fassung dieses Unwahren ist schon Indiz der Verschiedenheit der Totalität, zu dessen Darstellung über es fortgeschritten werden soll. Der Anfang mit dem Unwahren als ideellem Moment, als notwendige Bedingung für die stringente — selber wahre, weil sich bewährende — Darstellung eines in sich wahren Systems, steht gegen den Anfang mit einem realen Unwahren, in dessen Element notwendig die kritische Darstellung eines selber unwahren Zustandes vorzunehmen ist.
B. Die Beziehung von Sein und Wesen am Anfang der Wesenslogik Das Wesen, als „Wahrheit des Seins" (L II13), ist diejenige Bestimmung, in welcher nicht nur diese erste Kategorie, sondern auch und vor allem die ganze Sphäre des Seins ihre Wahrheit findet. Die Seinssphäre bleibt als ganze gerade insofern noch vorläufig oder unwahr, als sie sich im Umkreis des Seins als solchen entfaltet, im Zeichen jener Unmittelbarkeit, welche zu überwinden das Eigenste des Wesens ist. Als Nachfolgerbegriff bezeichnet der Wesensbegriff nicht ein dem Sein Gegenüberstehendes, sondern das, als was das Sein durch seine eigene Dialektik sich herausgestellt hat: als in sich Vermitteltes, welches jene Unmittelbarkeit, von welcher es auszugehen schien, als sein eigenes Resultat setzt. Das Wesen ist das „durch die Negativität seiner selbst sich mit sich ver-
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mittelnde Sein" (E § 112). Es ist nun zu sehen, wie das Sein, indem es zum Wesen geworden ist, jene Bestimmungen, die ihm ursprünglich in seiner Unmittelbarkeit zugesprochen wurden, bewahrt oder modifiziert hat. In Analogie zur Sphäre des Seins als solchen — der Qualität — soll die erste Sphäre des Wesens — der erste Abschnitt der Wesenslogik: das Wesen der Reflexion in sich selbst — auf die Neubestimmung jenes Spannungsfeldes hin befragt werden, in welches sich die Logik mit ihrem ersten Schritt hineinbegeben hatte: das Spannungsfeld von Selbstidentität und Anderssein, innerhalb dessen sowohl der Wahrheitsbegriff wie der Freiheitsbegriff ursprünglich angesetzt sind22. Als erstes muß bemerkt werden, daß das Sein im Wesen „nicht verschwunden" (E § 112), sondern in seiner Aufhebung dadurch bewahrt ist, daß es auf neuer Ebene wiederhergestellt wird. Indem das Wesen durch Zurückbeugung der seinsmäßigen Fremdbeziehung zur mit sich identischen Reflexion geworden ist, konvergiert es mit der Unmittelbarkeit des Seins: „Beide sind dieselben Abstraktionen der Beziehung-aufsich" (E § 113). Das Wesen ist „das in sich gegangene oder in sich seiende Sein" (E § 112 A)23. Jedoch ist die Wiederherstellung der „einfachen Einheit" nur die eine Seite des Wesens (L 1446); auf sie beschränkt, wäre es nicht eigentlich Wesen, sondern nur dessen unmittelbare, selbst noch seinsmäßige Vorstufe: absolute Indifferenz. Für das Wesen jedoch ist entscheidend, daß es nicht „den Unterschied als äußerlichen" (L I 456), nur durch äußere Reflexion bestimmten, an sich hat, sondern daß seine Bestimmtheit ihm in eigener Instanz zuerkannt wird. Wie die Aufhebung der bloß unmittelbaren Seinsbestimmungen der eigenen Negativität des Seins entspringt, so dürfen umgekehrt die dem Wesen zuzusprechenden Bestimmungen nicht einfach als seiende „hervortreten", sondern nur durch die Selbstbeziehung des Wesens gesetzte, von ihm erzeugte sein (L 1457). In der Tat ist das Wesen, wie es sich aus dem Sein herausgearbeitet hat, mehr als bloße Indifferenz und mehr als Rückkehr zur Un22
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Zur Unterteilung der Abschnitte der Wesenslogik — und besonders zu deren erstem Abschnitt — kann schon hier angemerkt werden, daß sowohl die Heidelberger Enzyklopädie (1817) wie auch die dritte Auflage der Enzyklopädie (1830) in beträchtlichem Maß von der Fassung der Wissenschaft der Logik (1813) abweichen. Man mag darin auch ein Indiz der Schwierigkeiten sehen, mit welchen „dieser (der schwerste) Teil der Logik" (E § 114A) das Denken konfrontiert. — Hier werden wir uns gleichwohl an die Gliederung des einzigen ausführlich argumentierenden Textes, der „Großen Logik" halten. Vgl. L II13: es zeigte sich am Sein, „daß es durch seine Natur sich erinnert und durch dies Insichgehen zum Wesen wird".
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mittelbarkeit des Seins: es ist nicht nur Selbstgleichheit qua Selbstbeziehung, sondern als über die Negation vermittelte Gleichheit oder als Selbstbeziehung des Negativen ist sie zugleich sich negierende, negative Selbstbeziehung. So stellt sich auf der Ebene des Wesens jene Doppelung wieder her, welche sich im Anfang nur als unmittelbare und noch unbestimmte Identität von Sein und Nichts, als deren ineinander Übergegangensein aussprechen ließ; sowohl die beiden Seiten wie deren Bezogenheit finden in der Wesensstruktur ihre Neuformulierung. Nicht nur soll das reine Sein als solches in den Selbstbezug des Wesens erhoben, die abstrakte Unmittelbarkeit des Anfangs als selber noch erzeugte aufgedeckt werden, sondern es soll die Wahrheit jenes Seins erkannt werden, welches identischerweise Nichts ist. Die eigene Negativität des Seins, die sich zunächst als unmittelbare Verwiesenheit auf das Andere bestimmte, soll hier auf die ihr — der Negativität als solchen — angemessene Ebene gehoben, in den Wirkungsbereich des „Zugrundeliegenden" selber einbezogen werden. Nicht nur das „Sein" als erste Instanz, sondern die — noch nicht wirklich so zu nennende — ganze „Verhältnisweise" des Seins soll in ihrer Wahrheit erkannt werden: was im Übergang zum Wesen wirklich „gesetzt ist, ist daß das Übergehen überhaupt sich aufhebt" (Heilb.Enz. § 03)24. Indem die Unmittelbarkeit des Anfänglichen aufgehoben wird, wird ebensosehr die Unmittelbarkeit des Verhältnisses von Sein und Nichts, von Unmittelbarkeit und Bestimmtheit aufgehoben. An Stelle des „Übergehens" als jener Grundbeziehung, die in Wirklichkeit noch Beziehungslosigkeit ist, tritt die wesentliche Bezogenheit, die Relationalität. Diese ist die spezifische Kennzeichnung des Wesens als Reflexion. In seinem ersten Auftreten scheint das Wesen dem Sein, aus dem es herkommt, bloß „gegenüber zu stehen" (L II17). Als die erste Negation des Seins expliziert sich die Selbstbeziehung des Wesens zuerst ebenfalls als bloß seiende Beziehung auf das Erste, als Gegenspiel von Wesentlichem und Unwesentlichem. Weil aber das Wesen in Wahrheit nicht nur erste Negation, sondern „die absolute Negativität des Seins" ist, kann sich dieses nicht als anderes gegenüber dem Wesen erhalten, sondern ist es „das an und für sich nichtige Unmittelbare..., der Schein" (L II19). Von diesem wird nun gezeigt, daß eben diejenigen Momente, die ihngegen das Wesen auszeichnen sollten, Momente des Wesens selbst sind; seine Nichtigkeit ist „die negative Natur des Wesens selbst"t seine Unmittelbarkeit „das 24
Vgl. L II 25f.: „Die Reflexion ist Übergehen als Aufheben des Übergehens".
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eigene absolute Ansichsein des Wesens" (L II21). Der Schein insgesamt ist das Wesen selber als „Scheinen seiner in sich selbst" (L II23). Dieses in sich Scheinen ist die allgemeinste Umschreibung des Reflexionscharakters des Wesens. Die Reflexionsbewegung stellt jene Selbstbeziehung her, in welcher Vermittlung und Unmittelbarkeit sich miteinander vermitteln und zur Einheit gelangen, und dies so, daß die Vermittlung zum Übergreifenden und die Unmittelbarkeit zur Funktion des Vermittelten wird. Was vorhanden ist, ist die „sich auf sich beziehende Negativität" (L II25), die beides in einem ist: einerseits Selbstvermittlung als Herstellung der Einheit und Gleichheit mit sich — in diesem Sinn ist sie die wesenslogische Neufassung der Unmittelbarkeit des Seins —; anderseits sich negierende Selbstgleichheit, „Abstoßen seiner von sich" (L II15), Setzen von Bestimmtheit, welche nun nicht mehr als bloß Negatives dem Selbstgleichen gegenübersteht oder über es kommt, sondern mit ihm in Kontinuität steht. Indem die Differenzsetzung und „das Bestimmen. . . innerhalb dieser Einheit" bleiben (L II15), heben sich auch die beiden Grundrichtungen der Selbstbeziehung nicht in Entgegensetzung voneinander ab, sondern bilden sie die „absolute Einheit des An- und Fürsichseins" (ebd.). Die Reflexionsbewegung, die sich als „absoluter Gegenstoß in sich selbst" (L II27) darstellt, nimmt in der Sphäre des Wesens jene Doppelbewegung wieder auf, welche vom allerersten Anfang an den Inhalt wie die Form des Logischen kennzeichnete. Als Reflexion expliziert sie sich nun näher in der Dialektik von Setzen und Voraussetzen. Die Unmittelbarkeit, die als das erste erschien und von der auch „die reflektierende Bewegung anzufangen schien", hat sich als durch die Selbstbeziehung der Reflexion erzeugte erwiesen; als wesentlich von anderem dependierend, ist sie „sich aufhebende Unmittelbarkeit", „Rückkehr aus einem", „Geset%tsein" (L II26). Sofern die Selbstgleichheit der Reflexion jedoch ein „Zusammengehen des Negativen mit sich selbst ist", ist die „doppelte" ebensosehr „dreifache" Negation, „Negation des Negativen als des Negativen" (ebd.): es wird negiert, daß das Andere nichtig oder aufgehoben sei. So ist die Reflexion „Aufheben des Setzens in ihrem Setzen" (L II27) und damit „wesentlich das Voraussetzen dessen, aus dem sie die Rückkehr ist" (L II27). Das Vorausgesetzte seinerseits ist nur das Negative der Reflexion und nur in Beziehung auf diese; seine Unmittelbarkeit ist nur „die aufgehobene Unmittelbarkeit." So wird die Bewegung der Reflexion zur in sich gegenläufigen, die sich „als Fortgehen unmittelbar in ihr selbst umfwendet]." Ihr „Ankommen bei sich" ist die „sich selbst abstoßende, voraussetzende
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Reflexion, und ihr Abstoßen von sich ist das Ankommen bei sich selbst"; oder die „setzende Reflexion [ist] voraussetzende, aber als voraussetzende Reflexion schlechthin setzende" (L 27f.). Der Primat des Setzens, das Einholen des — zwar als Moment notwendig mitgesetzten — Voraussetzens in den Bereich der umfassenden Selbstvermittlung zeichnet die Reflexion „als solche" oder „als absolute Reflexion" (L II28) aus. Die Reflexion ist diese Eine Bewegung, die sich selber und ihr Entgegengesetztes als Momente übergreift. Diese in sich gedoppelte Natur der Reflexion findet ihre nähere Ausführung auf der Ebene der Bestimmtheit der Reflexion, in der Entfaltung der Reflexionsbestimmungen. Um dahin zu gelangen, muß allerdings die Sphäre der in sich bleibenden Reflexion verlassen werden; diese für sich ist gar nicht in der Lage, „bestimmte" Bestimmungen ihrer selbst zu setzen, ihr bloßes Gesetztsein ist nur auf die übergreifende Rückkehr-in-sich bezogen, nicht selber Reflexion-in-sich und feste Bestimmtheit. Indes hat sich die „reine" Reflexion bereits an ihr selber als einseitig erwiesen. Da sie zugleich ihr Gegenteil ist, muß sie sich ebensosehr als aufgehobene voraussetzen. So wird sie zur „realen" oder „äußerlichen" Reflexion. An dieser aber, die sich insgesamt als voraussetzende bestimmt, macht sich erneut der allgemeine Charakter der Reflexion überhaupt geltend: das Voraussetzen ist wesentlich Setzen des Vorausgesetzten. So wird das Unmittelbare „nicht nur an sich . . . dasselbe., was die Reflexion ist, sondern es ist gesetzt, daß es dasselbe ist"; die äußere Reflexion ist ebenso „immanente Reflexion der Unmittelbarkeit selbst" (L II 29). Die Einheit beider ist die Reflexion als bestimmende. Die von dieser gesetzten Bestimmungen sind nun nicht mehr bloß negative, gesetzte, sondern, da die Reflexion als ganze in ihrer Negation mit sich identisch ist, so ist auch „ihr Negiertsein. . . selbst Reflexion in sich" (L II 33). Als in-sich-reflektiertes „fixiert" sich das Gesetztsein zur wesentlichen Bestimmung. Die Reflexionsbestimmung drückt auf der Ebene der Bestimmtheit das Wesen als ganzes aus; sofern in ihr das Gesetztsein „zugleich Reflexion in sich selbst ist, so ist die Reflexionsbestimmtheit die Beziehung auf ihr Anderssein an ihr selbst''1 (L II 35). Sie geht nicht mehr wie die Qualität „durch ihre Beziehung in anderes über", sondern bleibt in ihrer Bestimmtheit Selbstbeziehung und wird so zur „Wesenheit" (L II 35). Wie das Sein im Dasein zu seiner Bestimmtheit gelangte, so stellt sich in der Entfaltung der Reflexionsbestimmungen das Wesen als „bestimmtes Wesen" dar (L II 35). Die „Natur" des Wesens, die bisher in der Nachzeichnung seines Reflexionscharakters umrissen wurde, wird nun in der Sphäre der von der Reflexion
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selber gesetzten Bestimmtheit neu gefaßt; was bisher das Wesen überhaupt und das ihm eigene Verhältnis von Selbstgleichheit und Bestimmtheit auszeichnete, dies wird nun als Merkmal dieser Bestimmtheit selber untersucht. Die Auseinanderlegung der Formen dieser Bestimmtheit ist zugleich die radikale Explikation dessen, was das Wesen, seiner Natur nach als Reflexion gefaßt, in Wahrheit ist25. Die erste und allgemeinste Bestimmung des Wesens bestand darin, alle Unmittelbarkeit des Seins und alles dadurch bedingte Anderssein aufgelöst und sich in absoluter Selbstvermittlung rein mit sich zusammengeschlossen zu haben. Dies in seiner Bestimmtheit gedacht, ergibt die Reflexionsbestimmung der Identität, die als Kennzeichnung dieser Selbstgleichheit eigentlich noch keine Bestimmtheit, sondern „überhaupt dasselbe als das Wesen" (L II 39) und insofern „vielmehr Bestimmungslosigkeit" (L II36) ist. Identisch mit sich zu sein ist die erste logische Bestimmung des Wesens, wie die Selbstgleichheit die erste Bestimmung des Seins war; beide sind, auf je verschiedener Ebene, Bezeichnung jener ersten, noch unbestimmten Form, innerhalb derer das Denken überhaupt ansetzen muß; auch für den dialektischen Wahrheitsbegriff ist erstes Erfordernis, daß alles als mit sich identisch gedacht werde. Die Identität, welche die Selbstgleichheit des Wesens ausmacht, ist allerdings nicht mehr unmittelbare, sondern sich selber „zur Einheit herstellende" (L II 39). Von diesem „reinen Herstellen aus und in sich selbst" (ebd.), welches definiens der wesentlichen Identität ist, muß nun allerdings gesagt werden, daß es nicht nur einen Innern Unterschied impliziert, sondern geradezu durch den Unterschied konstituiert ist, daß es absoluter Unterschied ist: Identität ist nichts anderes als „die Negation, die unmittelbar sich selbst negiert", „absolute Negation" (L II40). Was 25
So kann auch die Heidelberger Enzyklopädie (1817) den ganzen ersten Teil der Wesenslogik — in welchem das Wesen in ihm selbst, vor seinem Eintritt in die Erscheinung behandelt wird — unter den Titel „die reinen Reflexionsbestimmungen" stellen, während in der Großen Logik die Behandlung der Reflexionsbestimmungen nur den Mittelteil des ersten Abschnitts ausmacht. Bei näherem Zusehen ist die Differenz beider Fassungen weniger einschneidend, da in der Fassung von 1817 (im Gegensatz zu 1813) zum einen der Widerspruch unter den „Unterschied" subsumiert ist — der ja nach der Logik „die eigentliche Bestimmung ist" (L II 36) —, zum ändern der Grund als letzte Reflexionsbestimmung — als „letzte" Bestimmung, die „vielmehr nur die .. . aufgehobene Bestimmung ist" (L II 80) — eingeordnet ist, und schließlich auch nach der Großen Logik die erste Bestimmung, die reine Identität, noch nicht wirkliche Bestimmung, sondern „vielmehr Bestimmungslosigkeit" und „zunächst das Wesen selbst" ist (L II 36, 40).
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somit den Ausgangspunkt der Bestimmungen des Wesens ausmacht, ist weder die Identität noch der Unterschied für sich genommen, sondern die Identität, welche identischerweise Unterschied ist. Offenkundig ist darin die Analogie zum Anfang der Seinslogik: zum Sein, welches identischerweise Nichts ist. Nicht nur wird in den ersten beiden Reflexionsbestimmungen die Wahrheit über jene beiden Elementarbestimmungen des Seins ausgesagt, sondern auch die Wahrheit und der Grund ihrer unmittelbaren Identität dargelegt. Daß das Sein ebensosehr Nichts ist — die eigene Negativität des Seins —, zeigt sich auf der Stufe des Wesens darin begründet, daß die reine Unmittelbarkeit und Selbstgleichheit immer schon eine konstituierte, „hergestellte" und von diesem Hergestelltsein selber gar nicht ablösbare und bestimmt unterscheidbare ist. Erst indem sich im Wesen diese Beziehung der Selbstgleichheit auf die eigene Negativität expliziert, läßt sich das Wesen in seiner Bestimmtheit wirklich erfassen. Der Unterschied, der „die eigentliche Bestimmung" (L II 36) des Wesens ist, erhält seine Bestimmtheit gerade aus diesem Spannungsfeld, das sich aus der „Einheit seiner und der Identität" ergibt (L II47); nicht schon sind absolute Identität oder absoluter Unterschied wirklich bestimmte Kennzeichnungen des Wesens. Was im Kapitel über die Reflexionsbestimmungen weiterhin folgt — Verschiedenheit, Gegensatz und Widerspruch —, ist die nähere Explikation dessen, was es für das Wesen heißt, gleichermaßen Identität und Unterschied zu sein. Fürs erste wird die Koextensivität der beiden Begriffe so gefaßt, daß sowohl jedes das Ganze ist und in dieser Funktion das andere zum Moment seiner selbst herabsetzt, wie auch jedes sich selber als bestimmtes, vom ändern unterschiedenes auffaßt und sich so selber zum Moment der Ganzheit macht: „der Unterschied ist das Ganze und sein eigenes Moment, wie die Identität ebensosehr ihr Ganzes und ihr Moment ist"; diese Konstellation macht nach Hegel „die wesentliche Natur der Reflexion" aus (L II47). Weil aber Identität und Unterschied, ebenso wie sie sich als bestimmte Momente entgegensetzen, jedes für sich das in sich reflektierte Ganze ist, fallen sie als gleichgültige auseinander, denen die unterscheidende Beziehung auf das andere äußerlich ist: so sind sie als verschiedene bestimmt, ihre Beziehung ist die Vergleichung. Dies bedeutet, daß die innere Dualität des Wesens — Identität und Unterschied zu sein — ihrer ersten „Bestimmtheit" nach als schlichte Zweiheit auftritt, deren nähere Qualifizierung als Gleichheitsoder Ungleichheitsbeziehung nur von der äußeren Reflexion und in bezug auf ein Drittes geleistet werden kann: das Wesen ist so an ihm
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selbst „Verschiedenheit" oder „das Verschiedene." In Wahrheit aber sind die Verschiedenen nicht nur in sich reflektierte Gleichgültige gegeneinander, sondern ebenso Momente der Einen Reflexion, die sich hinsichtlich ihrer als bestimmter Unterschied konstituiert. Die Verschiedenheit wird dadurch zum „Unterschied an sich selbst" (E § 118), und seine Momente, die „Verschiedenen", zu solchen, die ihre Unterscheidung und ihre Beziehung auf das andere an ihnen selbst haben: so sind sie „Entgegengesetzte". Im Gegensatz als der „Einheit der Identität und der Verschiedenheit" (L II55) ist beides vorhanden: in sich Reflektiertsein und für sich Bestehen einerseits, wesentlich aufs andere Bezogensein und das andere als Moment der eigenen negativen Reflexion in sich Haben anderseits; „sie enthalten einander als Momente und schließen einander aus als Totalitäten"26. Erst in diesem Stadium der Wesensbestimmung nimmt die Beziehung der Andersheit Bestimmtheit an: im Gegensatz hat „das Unterschiedene nicht ein Anderes überhaupt, sondern sein Anderes sich gegenüber" (E § 119). Nach der verschiedenen Art, sich auf ihr Anderes zu beziehen, unterscheiden sich die Entgegengesetzten, vorerst nur „Entgegengesetzte überhaupt" (L II 57), nun als Positives und Negatives. Beide sind sie zwar als entgegengesetzte wesentlich auf ihr Anderes bezogen, dies aber zugleich mir der Differenz, daß das Positive sich als „aufgehobenes" oder „mit sich identisches" Gesetztsein bestimmt, somit „das Nichtentgegengesetzte, der aufgehobene Gegensatz" (L II58 f.) ist, während das Negative zwar gleichfalls selbständige Beziehung auf sich sein soll, aber „zugleich als Negatives schlechthin diese seine Beziehung auf sich, sein Positives, nur im Anderen" hat (E § 120); so ist es „das für sich bestehende Entgegengesetzte", „der auf sich beruhende gansg Gegensat^' (L II 59): das eine ist die in sich reflektierte Bestimmung der Gleichheit, das andere die der Ungleichheit. Jedes der Entgegengesetzten verhält sich zum ändern so, daß es dieses sowohl einschließt wie ausschließt; beides ist notwendig für die Selbständigkeit des einen. Die zunächst gemachte Unterscheidung der Hinsichten — Moment und Totalität — läßt sich in Wahrheit nicht durchhalten: es ist das gleiche Andere, auf welches das eine zur Erlangung seiner Selbständigkeit verwiesen ist, und das es zugleich als ein entgegengesetztes Nichtsein von sich ausschließen soll. Dies zeigt sich unmittelbar am Negativen, das sich als absoluter, „sich nicht auf anderes beziehender Unterschied" (L II 66) stabilisieren will: gerade durch Ausschluß der 86
Theunissen, Krise der Macht 321.
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Identität mit sich identisch sein zu wollen bedeutet für das Negative, im ändern sich selber auszuschließen. Das Gleiche aber gilt für das Positive: das Setzen der Selbstidentität durch Ausschließen des ändern und Aufhebung des Gesetztseins macht gerade dies Identische selber „zu einem Geset^tsein", zum „Negativen von einem" (L II 65); die Selbstsetzung des einen gerät so unmittelbar zur Setzung des ändern, es ausschließenden. So gilt für das Entgegengesetzte überhaupt, daß die Reflexion als „ausschließende" zur „sich selbst ausschließenden Reflexion" wird (L 65, 67)27. Daß die Konstitution der eigenen Selbständigkeit vom Ausschluß des ändern zum Ausschluß seiner selbst verkommt, definiert den gesetzten „Widerspruch". Dessen Resultat ist zunächst schlichte Destruktion, seine „nächste Einheit" die „Null" (L II 67). Die Entgegengesetzten, die sich nach dem Modus des gesetzten Widerspruchs aufeinander beziehen, können gar nicht anders als sich gegenseitig — und darin jedes sich selbst — zugrunderichten. Was jedoch in diesem Prozeß zugrundegeht, ist nicht das Vorhandene — das Wesen — schlechthin, sondern nur das an diesem im strikten Sinn Widersprüchliche. In Wirklichkeit ist in der Entgegensetzungsstruktur, die zum gesetzten Widerspruch führte, mehr angelegt als die notwendige Verkehrung der Selbstsetzung zum Selbstausschluß. Indem sich die ausschließende Selbständigkeit des einen zum Negativen des ändern macht, so wird sie zwar selber zum Gesetztsein; dieses „Geset^tsein der Selbständigkeit" ist es auch, das „in Wahrheit im Widerspruch zugrund geht" (L II 67). Das Gesetztsein, in welches die Selbständigkeit gerät, ist aber nicht einfach wieder bloßes „Gesetztsein als das Negative eines Ändern"; sofern es gerade aus der Negation des Gesetztseins und gegen dieses erwächst, ist es ebensosehr „aufgehobenes Gesetztsein" (L II 68). Die Hervorhebung dieser Seite ist nicht eine Rückgängigmachung jener ändern, destruktiven Seite des Widerspruchs; im Gegenteil soll hier gerade ernst genommen werden, „daß der Gegensatz oder das Gesetztsein.. . nur als Gesetztsein ist"; gerade hierin ist es „ein aufgehobenes" (L II 69). Im Widerspruch wird die Nichtigkeit der auf der Entgegensetzung beruhenden Selbständigkeit offenbar. Von dieser 27
Je nachdem das Positive und das Negative als Entgegengesetzte überhaupt, oder aber in ihrer spezifischen Bedeutung gegeneinander (und somit nur das Negative als das „für sich bestehende Entgegengesetzte"; LII 59) genommen werden, kann auch gesagt werden, daß entweder beide „der gesetzte Widerspruch" sind (E § 120), oder daß das Positive „nur an sich dieser Widerspruch, das Negative dagegen der geseifte Widerspruch" ist (L II 66).
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wird gezeigt, daß sie „die nur gesetzte, bestimmte Selbständigkeit des Wesens" (ebd.), somit aber sich aufhebende Selbständigkeit ist: Indem die „zunächst selbständigen Bestimmungen" zu solchen herabgesetzt werden, die »nur Bestimmungen sind", und so wirklich „das Gesetztsein zum Gesetztsein gemacht wird", ist das Wesen als das „in seiner Bestimmtheit in sich reflektierte" Wesen zur „Einheit mit sich zurückgekehrt"; so ist es das Wesen als Grund (68f.). Vorbedingung für die wahre Selbständigkeit ist die Vernichtung der allein durch gegenseitige Setzung gestifteten Selbständigkeit. Weil diese gleichwohl ein „Extrem" darstellt, durch welches das Wesen, sofern seine Identität gleichermaßen absoluter Unterschied ist, idealiter gehen muß, so ist „der Gegensatz und sein Widerspruch. . . im Grunde so sehr aufgehoben als erhalten" (L II 69)28. Hierin terminiert die Beschreibung des Verhältnisses, in welchem das Wesen zu seinem ändern, zu seiner Bestimmtheit steht; die Dialektik der Reflexionsbestimmungen und die Beziehungen, in welche sich diese gegenseitig versetzen, definieren die eigene Verhältnis weise des Wesens. Indem die entgegengesetzte Selbständigkeit durch sich selber zugrundegeht, verliert auch die Reflexionsbestimmung als solche ihre Selbständigkeit gegenüber dem Wesen. Während im Sein die Bestimmtheit sowohl unmittelbar mit dem Sein identisch wie auch unmittelbar gegen dasselbe bestimmt ist, kommt im Wesen das andere sowohl als gegenüber der Reflexion selbständiges wie auch als mit ihr wirklich identisch gesetztes zur Geltung. Es ist das Wesen selbst, das „als Grund sieb von sich selbst" ausschließt und sich so „setzt"; das gesetzte Selbständige, „geseift als Negatives", ist aber „ein sich selbst Widersprechendes, das daher unmittelbar im Wesen als seinem Grunde bleibt" (L II 69). Erst indem das Wesen sich selber als das andere setzt und „durch die Negation nicht eines Ändern", sondern seiner selbst in sich zurückkehrt (L II 68), kommt es gegen seine Bestimmung zur Ausgleichung, kann es sich wirklich als bestimmtes Wesen — oder als wesentlich bestimmtes — stabilisieren. „Im Gegensatz ist die Bestimmung zur Selbständigkeit gediehen" (L II 69); seine Seiten, das Positive und das Negative sind „die selbständigen Re~ 28
Nicht zufällig ist die Analogie zur Anerkennungsproblematik: das Bewußtsein gelangt nur dadurch zur „absoluten Selbständigkeit", daß es von seinem ersten Versuch zur Erlangung der Selbständigkeit, dem Kampf auf Leben und Tod abläßt und „das andere anerkennt und es frei weiß" (E § 436). Gleichwohl kann dies nur dann geschehen, wenn es vorgängig in diesen Kampf um die Herrschaft eingetreten ist; die tendenzielle Vernichtung des ändern, die ebenso Aufhebung des eigenen Selbst ist, gehört als aufgehobenes, ideelles Moment notwendig zum Anerkennungsprozeß. Vgl. Theunissen, Krise der Macht.
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flexionsbestimmungen" (L II64; vgl. 58, 80). In ihrer Selbständigkeit gegeneinander bilden sie die Selbständigkeit des Wesens gegen seine Bestimmung und dieser gegen jenes ab. Thema der Entfaltung der Reflexionsbestimmungen ist das zugrundeliegende Wesen selber, auch da, wo sich deren Dialektik losgelöst vom Wesen zu vollziehen scheint. Von der aus dem Gegensatz gewonnenen Selbständigkeit aber hat sich gezeigt, daß sie in den Widerspruch und die Selbstauflösung gerät. Indem sich das Wesen als Grund bestimmt, nimmt es diese Selbständigkeit der Bestimmung gegen das Wesen zurück: der Grund ist als letzte Reflexionsbestimmung „vielmehr nur die Bestimmung, daß sie aufgehobene Bestimmung ist" (L II 80); als aufgelöster Widerspruch ist das Wesen „der Grund, der seine Bestimmungen enthält und trägt" (L II 79). In ihm realisiert sich dasjenige, was sich als Struktur der reinen Reflexion ergeben hatte, in Einheit mit der realen Bestimmtheit, die es sich selber gegeben und aus sich herausgesetzt hatte. Wie die Reflexion „die reine Vermittlung überhaupt", so ist der Grund „die reale Vermittlung des Wesens mit sich. . . weil er die Reflexion als aufgehobene Reflexion enthält; er ist das durch sein Nichtsein in sich zurückkehrende und sich setzende Wesen" (L II 81 f.)29. Im Grund vollendet sich die Explikation dessen, was das Wesen in ihm selber ist. Die beiden Hauptmomente des Wesens, die Identität mit sich selber und die absolute Negativität, die in der reinen Reflexion zunächst noch „in unmittelbarer Einheit" waren (L II 80), haben sich in der Dialektik der Reflexionsbestimmungen gegeneinander bestimmt und sind im Grund in ihre konkrete „Einheit" und „Wahrheit" zurückgekehrt (E § 121). In ihrem Zugrundegehen erhält die Reflexionsbestimmung „ihre wahrhafte Bedeutung, der absolute Gegenstoß ihrer in sich selbst zu sein" (L II 80). Jene Doppelbewegung, welche der Reflexion als solcher auf Grund ihrer unmittelbaren Einheit von Identität und Differenz zugesprochen wurde, reproduziert sich auf der Ebene der Bestimmtheit als eine Doppelung, die nicht mehr nur über das Wesen kommt oder unmittelbar mit ihm identisch ist, sondern die von ihm selber gesetzt und als eigene Bestimmung sich zugesprochen wird. Als „die Reflexion-in-sich, die ebensosehr Reflexion-in-Anderes und umgekehrt ist" (E § 121), ist der Grund das bestimmte Wesen, dessen Bestimmtheit mit seinem Ansichsein — der Reflexion als solchen — in Einheit gesetzt ist. — 29
Vgl. Rel 1176: die „offenbare" oder „gesetzte Nichtigkeit ist zugleich die aufgehobene und die Rückkehr %um Positiven".
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Diese auf wenige Hauptbestimmungen beschränkte Nachzeichnung des ersten Teils der Wesenslogik — die sich in keiner Weise als wirklich argumentierender Kommentar verstehen konnte — sollte sozusagen nur das Material bereitstellen, anhand dessen nun zu prüfen ist, welche neuen Gesichtspunkte sich auf der Stufe des Wesens für die hier verfolgte Problemstellung des Zusammenhangs von System und Freiheit ergeben. Als erstes ist festzuhalten, daß die Weiterbestimmung der logischen Form im WesensbegrifFeben jene Momente des Seins aufnimmt und konkretisiert, durch welche das Logische von seinem allerersten Anfang an eine Dimension von Freiheit zu eröffnen schien; als logische „Wahrheit des Seins" ist das Wesen auch die Weiterführung der in jenem angesetzten „inhaltlichen" Perspektiven. Was im Sein selber die Aktualisierung seiner potentiellen Freiheitsmomente verhinderte oder in ihr Gegenteil verkehrte, war die ihnen anhaftende Unmittelbarkeit. Daß gleichwohl zumindest von ansichseiender Freiheit die Rede sein konnte, d. h. daß gleichwohl im Sein so etwas wie ein Ausgangs- oder Nullpunkt von Freiheit auszumachen war, zeigte sich in der Idealität jener anfänglichen Unmittelbarkeit begründet. Diese Idealität des abstrakten Ersten ist aber selber gewissermaßen nur „an sich", sie zeigt sich „an ihm", ist nicht selber als solche explizit gemacht oder gesetzt; was am Anfang vorhanden ist, ist nur das Unmittelbare. Daß diese Unmittelbarkeit selber schon eine „an sich aufgehobene" oder „an sich gesetzte" ist, zeigt nur die Reflexion über sie. Im Wesen nun ist diese Idealität selber gesetzt, das Sein und seine Unmittelbarkeit als aufgehobene, vermittelte gesetzt: die erste und elementarste Bestimmung des Wesens, „die Identität", ist „das Sein als Idealität" (E § 115 Z)30. Indem das Wesen als reine Selbstbeziehung das anfängliche Unmittelbare in Vermitteltheit auflöst, wird es hier auch möglich, die zunächst in ihrem Ansichsein befangenen auf Freiheit ausgerichteten „inhaltlichen" Momente des Logischen zu weiterer Entfaltung und Konkretisierung zu bringen. Vornehmlich werden die beiden „Grundbestimmungen" des Seins, die desgleichen zwei „Grundrichtungen" der von ihm ausgehenden Bewegung bedingen, aus der Unmittelbarkeit befreit, die sie je für sich affizierte und zu unbestimmten machte wie auch ihr Verhältnis als ein nicht näher differenzierbares Zusammen- und Auseinanderfallen erscheinen ließ. Im Wesen werden sie, die ursprünglich als reines Sein und reines Nichts auftraten, 30
Eine ähnliche Beziehung wird sich im Bereich des objektiven Geistes zwischen abstraktem Recht und Moralität herstellen.
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zum einen in ihrer jeweiligen, „wesentlichen" Bestimmtheit gegeneinander gefaßt — zunächst als Identität und Unterschied, in ihrer letztmöglichen Fassung als Positives und Negatives —; zum ändern wird ihre Beziehung zum Wesen, das sie näher auszeichnen sollen, in bestimmter Weise gefaßt — sie sind die von der (bestimmenden) Reflexion des Wesens explizit gesetzten und von diesem sich selber zugesprochenen Bestimmungen; und drittens wird ihre gegenseitige Beziehung der Unmittelbarkeit entnommen und zum bestimmten Verhältnis gemacht, wobei sich die Form ihrer Entgegensetzung selber als in der innern Doppelung der Natur des Wesens — absoluter Gegenstoß in sich zu sein — fundiert erweist. Was im Sein als elementarste „Vorform" von Freiheit erschien, war die einfache Beziehung auf sich, welche sich sozusagen als Urform von Selbstsein darstellt. Diese ursprüngliche Selbstidentität enthält in ihrer Abstraktheit sogleich die beiden Momente der Gleichheit mit sich und des noch nicht von anderem Abgeschiedenseins ; die Gleichheit mit sich ist in diesem Sinne „Gleichheit überhaupt", das Selbstsein gleicherweise Allessein. Sofern aber die Beziehung zu anderem keine positive, bestimmte, sondern nur schlichtes Ununterschiedensein und Zusammenfallen ist, ist sie im gleichen Maß bloßes Auseinanderfallen, Beziehungslosigkeit. Ebenso bleibt die Beziehung dieser beiden Seiten im Unmittelbaren selber beziehungslos und unbestimmt. Sofern die unmittelbare Bezogenheit zwischen dem Sein und seiner Negativität aber als bestimmte gedacht wird, entsteht die seinsmäßige Beziehung der Andersheit; die Bestimmtheit wird für das Sein zur Beziehung eines ändern, eines Nichtseins, sie ist seine Grenze; sein Selbstsein konstituiert sich in negativer Abhebung gegen das Anderssein. Die Dialektik der Seinsbestimmtheit — deren Zentrum das Verhältnis von Endlichkeit und Unendlichkeit bildet — besteht darin, die Fremdheit, die durch die qualitative Bestimmtheit über das Seiende kommt und dieses dem Übergang und der Veränderung aussetzt, aufzuheben und das Sein als eines zu konzipieren, das seine Beziehung auf anders in sich „zurückbeugt" und in sich selber enthält. Diese erste „Versöhnung" mit dem Anderssein bleibt jedoch weiterhin in der Dimension des Seins, der Unmittelbarkeit befangen. Demgegenüber versteht sich das Wesen von vornherein als eine Selbstbeziehung, welche das Andere als eigenes Konstituens in sich enthält; ihre Negation steht ihr nicht mehr als bloß seiende fremd gegenüber, sondern ist „Beziehung, Unterschied, Geset^tsein, Vermitteltsein" (E § 116). Die Bestimmungen des Wesens sind schlechthin gesetzte, relative; die „Relativität" macht in der Sphäre des
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Wesens „die herrschende Bestimmung aus" (Heidelb. Enz. § 65). Innerhalb der so sich herstellenden Selbstbeziehung der Reflexion kann dann die Explikation des Wesens die im Sein beziehungslosen Seiten wie auch deren „Beziehung" neu formulieren; die Wesensrelationalität ist die retrospektive Fundierung des seinsmäßigen Übergehens — oder unmittelbaren Übergegangenseins —; sie ist die Wahrheit des Seins, das identischerweise Nichts ist, sowohl bezüglich der Einheit wie der Differenz beider. Wenn das Wesen dem Sein gegenüber insgesamt als Sphäre der höhern Einheit auftritt, so kann es von anderer Seite her mit ebensolchem Recht als Stufe der fundamentalen Differenz aufgefaßt werden. Dies ist schon darin ausgesprochen, daß seine Einheit sich als relationale herstellt. Das Wesen versteht sich nicht bloß als Selbstvermittlung oder Selbstbeziehung; seine Vermittlung soll ebenso das übergreifende Allgemeine sein, in dem sich auch die Unmittelbarkeit des Anfangs und die notwendige Verwiesenheit beider begründen. Im Wesen wird sowohl die abstrakte Unmittelbarkeit des reinen Seins in ihrer Idealität erhellt wie auch die Behauptung der Einleitung deutlicher, daß jedes wirklich Seiende sowohl unmittelbar wie vermittelt sei. Sofern gerade die Zusammengehörigkeit beider Bestimmungen das erste Thema der Reflexionslogik ist, erweist sich das Hinausgehen über die Unbestimmtheit der anfänglichen Einheit zugleich als Hineingehen in deren immanente Differenz, als Festmachen des Unterschieds, durch den sich erst Einheit auf der Stufe des Wesens konstituieren kann. Der Unterschied hat sich als „die eigentliche Bestimmung" (L II36) des Wesens gezeigt. Erst auf der Stufe der Wesensbestimmung ist es möglich, den Unterschied zu „stabilisieren", die Unterschiedenen wirklich zu bestimmen und sie als solche gegeneinander festzuhalten. In diesem Sinn kann die Wesenslogik ihrem spezifischen Gegenstand nach als Dialektik des Verstandes betrachtet werden, ihr Gegenstand sind „die Kategorien der Metaphysik und der Wissenschaften überhaupt, — als Erzeugnisse des reflektierenden Verstandes, der die Unterschiede als selbständig annimmt und zugleich auch ihre Relativität setzt, beides aber nur neben- oder nacheinander durch ein Auch verbindet und diese Gedanken nicht zusammenbringt" (E § 114A). Die dialektisch-spekulative Behandlung der Verstandeskategorien ist gerade der Nachweis der Aporie, in welche jene, stringent gedacht, mit Notwendigkeit geraten; im Scheitern der verstandesmäßigen Reflexion wird auch die verstandesmäßige Freiheitsauffassung ihrer Nichtigkeit überführt. Dahin gelangt das Denken deshalb, weil ihm die bloße Ver-
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schiedenartigkeit der Bestimmungen keinen Halt bietet: es kann nicht einfach die Identität des Wesens auf der einen, seinen Unterschied auf der ändern Seite als gegeneinander gleichgültige Bestimmungen aussagen, sondern hat gerade deren wesenhaftes Verhältnis und somit den „wesentlichen Unterschied" zu erkennen, den „abgestumpften Unterschied des Verschiedenen.. . 2um Gegensätze" zuzuspitzen (L II 78) und diesen zum gesetzten Widerspruch voranzutreiben. Sofern in diesem nicht einfach das Verhältnis beliebiger Verstandeskategorien zu seinem Abschluß gelangt, sondern die Dialektik der Reflexionsbestimmungen, und das heißt: der Bestimmungen dessen, was das Wesen qua Reflexion selber ist, terminiert, kann die Sphäre des Wesens überhaupt als „die Sphäre des gesetzten Widerspruchs" (E § 114) bezeichnet werden. Den Widerspruch in sich zu enthalten, soll aber nicht nur die sozusagen „negative" Auszeichnung des Wesens sein, nicht nur soll dadurch etwas in die Krise und Selbstaufhebung geraten; im Gegenteil spricht sich darin ebenso die Vertiefung des Selbstseins aus, durch welche sich das Wesen auszeichnet. Den Widerspruch nicht zu leugnen, sondern ihn „auszuhalten" und „in ihm sich selbst" in seiner Einheit festzuhalten, soll ja nach einer der ersten Thesen der dialektischen Philosophie Bedingung des spekulativen Denkens überhaupt sein (L II76). Zur wahren Auffassung der Sache selbst — des Subjekts, des Begriffs — gehört, daß diese ebensosehr in ihrem Selbstwiderspruch wie darin, daß sie diesen als aufgelösten in sich enthält, zur Geltung kommt. Es ist also ententscheidend, auseinanderzuhalten, was im Wesen tatsächlich in den Widerspruch gerät und wie sich anderseits das Wesen, das diesen als aufgehobenen enthält und Grund geworden ist, näher bestimmt. Rückgängig gemacht wird durch den Widerspruch nicht der Selbstbeziehungscharakter des Wesens, noch auch die Selbständigkeit, die das Wesen durch Einholung seiner seinsmäßigen Voraussetzungen erlangt. Was in die Aporie getrieben wird ist dies, daß sich diese Selbständigkeit auf der Ebene der Bestimmtheit zunächst so geltend macht, daß sie als Einheit gegen die Differenz aufrechterhalten wird, und die Selbstbeziehung schließlich als eine auftritt, die sich durch Ausschluß des Ändern — welcher Ausschluß gleichermaßen totaler Einschluß, Subsumtion ist — zu konstituieren sucht. Die Identität, die sich gegen die Differenz — durch deren totale Unterordnung — stabilisieren will, wird selber zur absoluten, nicht mehr überbrückbaren Differenz des gesetzten Widerspruchs. Der Grund, der diesen Widerspruch als aufgehobenen in sich enthält, ist der Ort, an welchem die Identität und der Unterschied des Wesens sich
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wieder zur Einheit vermittelt haben (E § 121), wo sich demgemäß die Doppelstruktur der Reflexion — setzende und voraussetzende, oder an ihr selbst ihr Gegenteil zu sein — wiederhergestellt hat; dies aber nicht so, daß von der Ebene der Bestimmtheit, wo sich die Bestimmungen in ihrer Selbständigkeit gegeneinander (und gegen das Wesen) geltend gemacht haben, zum einfachen Insichsein der reinen Reflexion zurückgekehrt würde, sondern unter Anerkennung der Selbständigkeit der Entgegengesetzten, die nun allerdings nicht mehr als gegenseitig sich gleichermaßen ein- und ausschließende gefaßt sind, sondern die sich als wirklich „andere" freilassen und im Zusammengehen mit diesen ändern die eigene, höhere Selbständigkeit erreichen. In diese Dialektik des „Verstandes" gerät das Wesen, weil es zunächst nur das Andere zum unmittelbaren Sein ist, dieses zwar in der eigenen Vermittlungsform enthält, aber in „einer noch unvollkommenen Verknüpfung der Unmittelbarkeit und der Vermittlung" (E § 114). Indem diese Verknüpfung ihre innere Dualität mit der zugrundeliegenden Einheit vermittelt — die Dialektik der Reflexionsbestimmungen sich ideell vollzieht —, wird im Übergang zum Grund bereits jener des Wesens zum Begriff vorgeformt; in der Entfaltung der Wesensrelationalität beginnt „die Einheit des Begriffs gesetzt zu werden" (L II281). Faßt man diese logischen Konstellationen von ihrem freiheitstheoretischen Gehalt her zusammen, so zeigt sich im Wesen als erstes die Weiterbildung (und gewissermaßen Vollendung) des einen der im Sein enthaltenen Momente, der Freiheit als reiner Selbstbeziehung. Als solche konstituiert sich das Wesen durch Einholung seiner Voraussetzungen, durch Vermittlung des Unmittelbaren. Dieser Aspekt wird in der Widerspruchsdialektik auf seine Spitze getrieben, wo er zugleich in seiner Exklusivität zugrundegeht: seine Spitze ist zugleich Wendepunkt, und sofern dieser das Zentrum der Reflexionslogik ausmacht, kann das Wesen überhaupt als Sphäre des gesetzten Widerspruchs bezeichnet werden (E § 114). Die ganze Entfaltung des Wesens in ihm selbst stellt die Vertiefung der freien Selbstbeziehung dar, die gerade in ihrer radikalen Fassung über die eigene Abstraktheit hinausgetrieben wird und zur Freiheit einer nicht mehr ausschließenden, sondern sich selbst zum ändern machenden Selbstbeziehung wird. Es machen sich somit im Wesen beide im reinen Sein angelegten Freiheitsmomente geltend, aber sozusagen mit Phasenverschiebung. Indem der Hauptstrang der Entwicklung vom Sein zum Wesen das erste Moment, die Selbstbeziehung, betont, stellt der immanente Wendepunkt des Wesens zugleich den
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Wendepunkt der ganzen Logik dar. Die Fortentwicklung zum Begriff wird gerade in der Überwindung der wesensspezifischen Einheitsform der Relationalität bestehen, in welcher die Bestimmtheit nur „gesetzt, nicht frei" (L II15), der Begriff selber nur „gesetzter Begriff" (E § 112) ist31.
Exkurs II: Die ambivalente Nachbildung der Wesensstruktur im Verhältnis von Kapital und Ware Zahlreich sind in der Literatur die Hinweise auf die Ähnlichkeit des Übergangs vom Sein zum Wesen mit jenem von der Ware zum Kapital. Kapital ist wesentlich gesetzt als Selbstvermittlung. Seine erste Erscheinung, der Warenverkehr, zeigt sich als durch es selber gesetzt und ist nur „auf Grundlage einer ganz spezifischen, der kapitalistischen Produktionsweise" (MEW 23, 184) universell herrschende und „typische Produktionsform" (ebd. 613). Bis in die Terminologie klingt die Hegeische Provenienz des sich selbst verwertenden Werts in seiner Beziehung zur unmittelbaren Sphäre der Warenzirkulation an: „Sein Eingehn in die Zirkulation muß selbst ein Moment seines Beisichbleibens, und sein Beisichbleiben ein Eingehn in die Zirkulation sein" (GR 931). Der Wert tritt so „als Subjekt auf" (GR218), der Tauschwert wird „Verhalten zu sich selbst durch den Prozeß der Zirkulation" (GR 931). Was vorerst nur die regulierende Vermittlung vorausgesetzter Extreme ist, wird zur Selbstvermittlung und erscheint schließlich als das Ursprüngliche, als „Höhere Potenz gegenüber den Extremen selbst": „als das Subjekt, dessen Momente nur die Extreme sind, deren selbständige Voraussetzung es aufhebt, um sich durch ihre Aufhebung selbst als das allein Selbständige zu setzen" (GR 237). Relevanter aber als die offenkundigen Parallelen — und in der Literatur auch weniger beachtet — scheinen für unsere Belange gerade jene Momente dieser Dialektik zu sein, durch welche sich die Marxsche Konstruktion von der Wesenslogik abhebt. Die logische Form des Kapitals kann gar nicht wirklich jene des Wesens nachbilden, weil bereits ihre Voraussetzung eine andere ist: die spezifische Unmittelbarkeit der Warensphäre ist eine, die im Medium der Selbstbeziehung oder „Selbstvermittlung" gerade zur eigenen Verhärtung und Potenzierung führen muß. Indem die Warenzirkulation bereits im Element der reinen Quantität — als verdrängter Qualität — ansetzt, bleibt auch die Kapitalsstruktur in der seinsmäßigen, quantitativen Unendlichkeit befangen: die „Maßlosigkeit des Werts als solchen" (GR308; MEW 23, 167) begründet die Endlosigkeit des immergleichen Selbstvermehrungsprozesses 31
Auch die Naturphilosophie betont den Zusammenhang von Widerspruch und Gesetztsein: „Die Natur ist an sich, in der Idee göttlich, aber wie sie Ar/, entspricht ihr Sein ihrem Begriffe nicht; sie ist vielmehr der unaufgelöste Widerspruch. Ihre Eigentümlichkeit ist das Geset^tsein, das Negative . . ." (E § 248 A).
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(GR 181 f., 240, 937). Die Vermittlung, zu welcher das Wesen qua Kapital gelangt, bleibt eine im höchsten Sinn ambivalente. — Unter den verschiedenen Punkten, die zum systematischen Vergleich von Wesens- und Kapitalslogik zu erörtern wären32, soll hier nur einer hervorgehoben werden, der sich an das Thematisierte anschließt: die Dialektik von Setzen und Voraussetzen. R. Bubner macht in seinem Aufsatz „Logik und Kapital" darauf aufmerksam, daß der Begriff des Kapitals „nach dem Schema der Hegeischen Wesenslogik in der Struktur der Einholung von Voraussetzungen erklärt wird" (87). In der Tat finden sich sowohl in den „Grundrissen" wie auch im „Kapital" genügend Stellen, wo diese Parallele nicht nur verbal, sondern auch strukturell zum Ausdruck kommt. Allgemeine Voraussetzung der Kaptialentfaltung ist die universelle Geltung der Gesetze der Warenproduktion und des Warentausches — wie die historische Vorbedingung der Kapitalgenese in einer gewissen Ausbreitung des Warenhandels liegt. Genauer muß gesagt werden, daß Bedingung für das Kapital jene Verallgemeinerung der Warengesetze ist, durch welche die Arbeitskraft selber, ungeachtet ihrer spezifischen Natur, unter den Warenbegriff subsumiert wird — historisch entspricht dem dieExistenz eines Proletariats, welches in dem doppelten Sinne frei ist, daß es einerseits über die formelle Freiheit der juristischen Person verfügt, somit seine Arbeitskraft zu verkaufen befähigt ist, anderseits frei vom Besitz an Produktionsmitteln, somit zu diesem Handel genötigt ist. Die so vorausgesetzte Universalität der Tausch- und Warengesetze, in der Darstellung des Kapitals vorerst in ihrer Unmittelbarkeit aufgenommen33, erweist sich sodann als in der Realität durch das Kapital selber gesetzt. Allgemeiner gesagt: die Warensphäre oder „die Zirkulation, die also als das unmittelbar Vorhandne an der Oberfläche der bürgerlichen Gesellschaft erscheint, ist nur, sofern sie beständig vermittelt wird .. . Ihr unmittelbares Sein ist daher reiner Schein. Sie ist das Phänomen eines hinter ihr vorgehenden Prozesses" (GR 166). Diese Parallelisierung mit der wesenslogischen Struktur des Einholens von Voraussetzungen ist jedoch nur die halbe Wahrheit; interessant wird der Vergleich erst durch die Erarbeitung der Eigenart der Marxschen Konstruktion. Die Einholung von Voraussetzungen ist hier prinzipiell eine ambivalente. „Sobald das Kapital als solches geworden ist, schafft es seine eignen Voraussetzungen, nämlich den Besitz der realen Bedingungen für Schöpfung von Neuwerten ohne Austausch — durch seinen eigenen Produktionsprozeß. Diese Voraussetzungen, die ursprünglich als Bedingungen seines Werdens ererschienen, . . . erscheinen jetzt als Resultat seiner eigenen Verwirklichung, Wirklichkeit, als gesetzt von ihm — nicht als Bedingungen seines Entstehens, sondern als Resultat seines Daseins" (GR 364). Hier wird deutlich, daß zwar jene Be32
33
Für einen Vergleich der Dialektik der Reflexionsbestimmungen in der „Logik" und im „Kapital" vgl. Theunissen, Krise der Macht. Thesen %ur Theorie des dialektischen Widerspruchs. Die Frage, wodurch diese Voraussetzungen ihrerseits bedingt sind, wird vom Kapitalisten nicht gestellt, geradezu verdrängt, „und einstweilen interessiert sie uns ebensowenig. Wir halten theoretisch an der Tatsache fest, wie der Geldbesitzer praktisch" (MEW23,183).
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dingungen, welche das Eingehen des formellen Subsumtionsverhältnisse der Arbeit unter das Kapital gestatten, in der Tat durch die reale Subsumtion vom Kapital selber gesetzt werden, jedoch gerade so, daß sie zugleich negiert sind: gesetzt werden die Bedingungen für die Aneignung von Neuwerten ohne Austausch, also gerade die Bedingungen für die Verletzung der Warengesetze. Daß diese Bedingungen dennoch so gesetzt werden, daß sie als die universelle Geltung dieser Gesetze erscheinen, daß also die Setzung der realen zugleich die Negation der formalen Bedingungen ist34, aber so, daß diese Verkehrung selber wieder verschleiert wird, diese Doppelung ist nicht nur ein Paradox, sondern eine noch zu erklärende Notwendigkeit für das Kapital. Ebenso wichtig ist die umgekehrte Erkenntnis, daß diese Verschleierung in der vollen Realisierung des vorerst formellen Kapitalverhältnisses sich gegen sich selber wendet und „bei der weitren Entwicklung des Kapitals auch der Schein aufgehoben (wird), als ob das Kapital gegen das Arbeitsvermögen etwas andres eintauschte, als seine eigne vergegenständlichte Arbeit; also überhaupt etwas gegen es eintauschte" (GR 566). Der notwendige „Umschlag der Eigentumsgesetze der Warenproduktion in Gesetze der kapitalistischen Aneignung" (MEW 23, 605) ist Indiz für die dem Kapital wesentliche Inadäquanz von eigenem Begriff und Realität, und die zu seiner Beschreibung erheischte Doppellogik, gemäß welcher Kapital nur so sich verwirklicht, daß es seine eigenen Voraussetzungen widerruft, ist die adäquate Form der Darstellung eines an sich selber Unwahren. Nicht nur geht es um die Substitution gewisser Voraussetzungen durch andere, sondern diese Ersetzung muß gleichzeitig so geschehen, daß sie als solche immer sich rückgängig zu machen sucht, weil das Kapital nur durch Berufung auf seine formellen Voraussetzungen — wesentlich durch Berufung auf die im Tausch implizit gesetzte Gleichheit — sich zu rechtfertigen vermag: die Setzung der realen Voraussetzungen ist ebenso notwendig wie die Setzung des realen Scheins der formellen. Denn seinem Anspruch nach ist Kapital nichts anderes als entfaltete Warenproduktion. Diese selbstnegatorische Doppelung liegt im Begriffe seiner. Wie aber gelingt es dem Kapital, diesen Schein der Angemessenheit an die Warengesetze real zu erzeugen? Die Leistung, welche dahinter steckt, ist keine andere als jene, welche schon für den in der Ware hervorgehobenen Charakter maßgebend war: die reale Abstraktion. Auf das gegenwärtige Problem angewendet heißt das: durch Trennung des ersten Prozesses, des Verkaufs der Ware Arbeitskraft — d. h. der formellen Subsumtion —, vom zweiten Prozeß, der Produktion selber — d. h. der realen Subsumtion, der wirklichen Verwendung der Arbeitskraft im Produktionsprozeß, in welchem die Arbeitskraft dem Selbstzweck der Mehrwertproduktion erst wirklich unterworfen und selber zum Mittel eines objektiven Prozesses herabgesetzt wird, welcher seinerseits im Hinblick auf die aus ihm freigesetzte Eigenteleologie des Tauschwerts revolutioniert wird. Erst die Isolierung der beiden Prozesse gestattet es, einerseits das Tauschverhältnis, das im Kauf und Ver84
GR362: „Die völlige Trennung zwischen Eigentum und noch mehr Reichtum und Arbeit erscheint jetzt als Konsequenz des Gesetzes, das von ihrer Identität ausging."
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kauf der Arbeitskraft statthat, mit dem Schein eines gewöhnlichen — ipso facto „gerechten" — Tauschverhältnisses auszustatten, und andererseits diesem ersten Prozeß zugleich den scheinhaften Primat über den ändern zu verleihen, somit die Einsicht in den Gesamtzusammenhang zu verhindern. „Um also zu beweisen, daß das Verhältnis zwischen Kapitalist und Arbeiter durchaus nichts als ein Verhältnis zwischen Warenbesitzern ist, die zu ihrem wechselseitigen Vorteil und durch einen freien Kontrakt Geld und Ware miteinander austauschen, genügt es, den ersten Prozeß zu isolieren und an seinem formellen Charakter festzuhalten. Dies einfache Kunststück ist keine Hexerei, aber es bildet den ganzen Weisheitsvorrat der Vulgärökonomie" (Res. 29). Daß dieses Kunststück der Vulgärökonomie vorab eines des realen Kapitalverhältnisses ist — welches sich in der wirklichen Reproduktion dieses Verhältnisses allerdings gegen sich selber wendet —, ist eine wesentliche Einsicht der Kapitalanalyse. Es kann hier nicht die Freilegung jener Mechanismen unternommen werden, mittels derer der reale Schein dieser Trennung sowie dessen eigene Tendenz zur Selbstaufhebung entstehen. Lediglich soll auf jene Momente hingewiesen werden, durch welche die Kapitalanalyse sich an die Darstellung der Warenstruktur anschließt und welche auch die Konfrontation mit der Hegeischen Wesenslogik innerhalb unseres Themenbereichs anschaulicher werden lassen. „Daß in der Erscheinung die Dinge sich oft verkehrt darstellen, ist ziemlich allen Wissenschaften bekannt, außer der politischen Ökonomie" (MEW 23, 559). Man könnte vorerst versucht sein, diese Verkehrung, welche im zweideutigen Verhältnis von Selbstbeziehung und Fremdbeziehung besteht, in Analogie zur Wesenslogik zu begreifen. Auch dort ist Thema die Scheinhaftigkeit, allgemeiner: die Relationalität, in welcher das Wesen als solches und seine Dialektik von Selbstbezug und Beziehung zu anderem befangen bleiben. Erst im „absoluten Verhältnis" zerrinnt der Schein der „innern Äußerlichkeit" und geht der Begriff als absolutes Selbstverhältnis, als eine Relation, welche keine mehr ist, hervor; ähnlich wird ja auch in der Reproduktion des Kapitals der Schein der Trennung der Sphären sukzessiv überwunden — dieser Punkt wird bei der Erörterung des Übergangs zur Begriffslogik näher zu fassen sein. Eine gewichtige Differenz muß aber schon jetzt festgehalten werden: die Trennung wird im realen Kapitalverhältnis nur so überwunden, daß sie immer auch bestehen bleibt, und zwar nicht nur als ideelle Trennung innerhalb seiner, sondern als realer, verhärteter Schein, den zu produzieren und immer von neuem zu erzeugen eine wesentliche Aufgabe des Kapitals darstellt. Der Übergang zur Reproduktion zeigt gegenüber jenem zum Begriff eine ähnliche Ambivalenz wie die Entstehung des Kapitalbegriffs gegenüber dem Wesensbegriff, und an beiden Orten scheint nicht das eingeholt zu werden, was die Hegeische Logik vorzeichnet. Die Falschheit der Erscheinung ist nicht eine, welche als nichtiger Schein ins Wesen selber zurückgenommen würde; sie bleibt bestehen und als solche Indiz für die Falschheit eines Wesens, welches die notwendige Inadäquanz seines Begriffs zu seiner eigenen Verwirklichung impliziert. Die Herrschaft des Kapitals über die Arbeit, als einseitiger Akt des Übergreifens, ist angewiesen auf die reale Abstraktheit als ihre Er-
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scheinungssphäre. Ihre Tätigkeit, formal als reale Abstraktion aufzufassen, muß auch noch in ihrer eigenen Reproduktion, somit in der auch für sie selber werdenen Einheit der Sphären — indem die Produktion auch für sie selber zum übergreifenden Allgemeinen wird — auf der Isolierung beharren. Die reale Abstraktheit der Warensphäre zeigt sich somit als durch den faktischen Herrschaftsanspruch des Kapitals selber bedingt, die Darstellung, die vom ersten zum zweiten fortschreitet, als dem Hegeischen Modell gemäß, aber in entgegengesetzter Absicht angelegt. Wie der Weg der realen Konstitution vom eingehüllten Widerspruch der Ware — vom einseitigen Übergreifen des Tauschwerts über den Gebrauchswert — zum gesetzten Widerspruch der Herrschaft des Kapitals über die Arbeit führt (analog dem Verhältnis von Sein und Wesen: E § 114), so schreitet die Darstellung von der Abstraktheit der unmittelbaren Warensphäre zur selber falschen, wenn auch vermittelten, Abstraktheit des Kapitalverhältnisses fort. Wenn dieser Weg auch, analog dem Hegeischen, als ein Einholen von Voraussetzungen beschrieben werden kann, so bleibt doch das Kapital in anderem und härterem Sinne voraussetzend als das Wesen; wichtig ist, gerade seine Differenz gegenüber dem Selbstbezug freier Reflexion, den Unterschied zwischen der zwar auch reflexiven Konstituierung des Pseudosubjekts Kapital und der anfangenden Herstellung wirklicher Subjektivität festzuhalten. Versucht man, diesen beiden Ansätzen gerecht zu werden und sie gegeneinander abzuwägen, so wird man nicht einfach das Hegeische Vermittlungsmodell als Maßstab hinnehmen dürfen, sondern die Einlösbarkeit von dessen Anspruch auf „absolute" Vermittlung — der zwar hier, wo erst die „unvollkommene Verknüpfung der Unmittelbarkeit und der Vermittlung' (E § 114) vorhanden ist, noch nicht in dieser Form erhoben wird — zu überprüfen haben35. Schon auf der Stufe des Wesens klingen jene Vorwürfe der Identitätsphilosophie, der Naturverachtung u. ä. an, die weiter unten im Rahmen der Gesamtlogik zu diskutieren sein werden. Bekannt ist der Vorwurf, Hegels Philosophie schalte von vornherein das wirklich Andere aus, das nur als das „andere seiner selbst" auftrete36; demgegenüber finde gerade bei Marx, in der nicht so glatt verlaufenden Vermittlungsstruktur, so etwas wie der Einbruch von Geschichte in das Logische selber statt. Es wird anhand der spätem Bestimmung der Logik darüber zu urteilen sein, ob bei Hegel tatsächlich eine Vermittlungsstruktur in dieser verabsolutierten Fassung, wie sie oft unterstellt wird, vorhanden ist, und ob in ihr etwas über das Verhältnis von Logik 35 36
Vgl. Richli, Neuere Literatur ?u Hegels Wissenschaft der Logik, 218. Z.B. F.W.Schmidt, Zum Begriff der Negativität bei Schelling und Hegel, S. 2: „Wate es Hegel wirklich ernst mit dem Schmerz, der Geduld und Arbeit des Negativen, so könnte die Selbstvermittlung der Subjektivität durch Anderes und Entfremdung hindurch nicht auf die Struktur der Reflexion reduziert und unter dieser Prämisse auf die ändern Medien von Vermittlung übertragen werden." Der in der Terminologie der Frühschriften (Liebe, Leben, Arbeit, Werkzeug etc.) mitgesetzte „latente Primat des Anderen . . . weicht in den folgenden systematischen Schriften einer wachsenden Formalisierung, derzufolge die Bewegung der Vermittlung selber zum Absoluten wird".
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und Geschichte auszumachen ist. Vorläufig ist noch keineswegs entschieden, ob der strukturelle Unterschied zwischen Logik und Kapital tatsächlich auf einer solchen Perspektivendifferenz beruht, ob eine Struktur wie die der Wesenslogik, wie oft gegen sie ins Feld geführt, wirklich vor faktischer Geschichte immer schon resigniert hat, ob nicht in ihr, in anderer Art, gerade dasselbe zur Sprache kommt wie bei Marx, ob die Verschiedenheit der formalen Struktur tatsächlich als Indiz für den Ausschluß oder die Miteinbeziehung gesellschaftlicher und geschichtlicher Realität zu deuten ist, und ob schließlich nur die eine dieser beiden Fassungen den Namen der Dialektik zu Recht beansprucht, oder ob Dialektik umgekehrt gerade das ihnen Gemeinsame bezeichnet. Einstweilen mag als Resultat festgehalten werden: Logik und Kapital weisen auf den beiden ersten Stufen eine grundsätzliche Analogie auf, welche allerdings innerhalb ihrer differente Strukturen beinhaltet, eine Art negativer Entsprechung bildet. Beide Systeme zeichen sich durch eine einsichtige, je verschiedene, Kohärenz aus. Gleichzeitig ist festzuhalten die Verschiedenheit der Intentionen, welche einerseits auf die — hier noch unvollkommene — Beschreibung der Form eines in sich wahren und freien Zustandes, anderseits auf die formale Verfassung realer Unfreiheit gerichtet sind. Wie weit diese Intentionen — die impliziten Selbstdeutungen der logischen Strukturen — mit jenen formalen Bestimmungen notwendigerweise verbunden sind, muß später entschieden werden, wenn auch eine gewisse Plausibilität schon im jetzigen Zeitpunkt, besonders im Falle des Kapitals, nicht von der Hand zu weisen ist: die Insistenz auf der Formalität der Freiheit wendet sich in ihrer realen Abstrakheit gegen sich selber und enthüllt sich als Erscheinungsform wirklicher Unfreiheit.
C. Der Übergang von der Wesens- %ur Begriffslogik Der Übergang von der Wesens- 2ur Begriffslogik scheint im Kontext dieser Untersuchung von besonderem Interesse zu sein, und dies in zweifacher Hinsicht. Einerseits geht es hier, grob gesagt, um die Zurückführung von Sein und Wesen zur Einheit, somit um die Grundlegung dessen, was die Einheit und Abgeschlossenheit des logischen Systems gewährleistet, wenn diese auch noch keineswegs vollzogen sind. Was sich bisher sowohl für die logische Bestimmung des Wahren wie für die Erarbeitung eines im Systematischen fundierten Freiheitsbegriffs unter verschiedenen, ja entgegengesetzten Perspektiven ergeben hat, soll hier in der Einheit, welche seine Wahrheit ausmacht, zur Sprache kommen. Zum ändern — und dies mag damit zusammenhängen — ist hier auch der Ort, wo Hegel in besonderer Weise gerade jene „inhaltlichen" Seiten des Logischen betont, die auf den Freiheits- (oder Un-
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freiheits-)gehalt der Logik zu verweisen scheinen: es werden hier Termini wie Notwendigkeit, Macht, Gewalt, Freiheit selber eingeführt und in ihrem Verhältnis dargestellt. Auch wenn damit möglicherweise Sachverhalte benannt sind, welche die Logik in ihrer Gesamtheit betreffen, so gehört es doch zur Spezifizität dieses Übergangs, gerade die um den Freiheitsbegriff gravitierende Inhaltlichkeit, welche nach der These dieser Untersuchung die Inhaltlichkeit der Logik ist, explizit hervortreten zu lassen. Allerdings ist im ersten Auftreten des Begriffs weder die formale Bestimmung von Wahrheit und Freiheit vollendet, noch wird deren gegenseitige Verweisung in abschließender Weise thematisch; erst der Schlußabschnitt der Logik — die hier als „vierte" Stufe untersuchte „absolute Idee" — wird diesen beiden Aspekten Genüge tun. — Es soll nun im gerafften Nachvollzug des Übergangs zum Begriff sowohl dessen eigene Ebene, wie sie sich an ihr selber darstellt, umrissen werden, wie auch präzisiert werden, wie sich darin die bisher hervorgehobenen „formalen" wie „inhaltlichen" Seiten der logischen Entfaltung neu bestimmen. Zur Situierung dessen, was am Ende der Wesenslogik erreicht ist und was sozusagen die Basis für den Übergang zur Begriffslogik darstellt, kann mit dem Begriff der Notwendigkeit eingesetzt werden. Der Übergang von der Substanz — die in ihrer Bewegung „durch die Kausalität und Wechselwirkung hindurch" die letztmögliche Bestimmung des Wesens darstellt — zum Begriff wird von Hegel ebenso unter dem Aspekt der jeweiligen „Verhältnisweisen" betrachtet: als Übergang von der Notwendigkeit zur Freiheit (L II 246). Wie allerdings schon der Notwendigkeitsbegriff selber als „sehr schwer" (E § 147A), so wird auch der „Übergang von der Notwendigkeit zur Freiheit" als „der härteste" bezeichnet (E § 159A). Zu diesem Übergang, in welchem sich „die Freiheit als die Wahrheit der Notwendigkeit" (L II246) zeigen soll, läßt sich sogleich zweierlei anmerken; beides wird an späterer Stelle seine fundierte Ausführung erfahren. /. Zum einen werden darin von vornherein zwei mögliche „Freiheitsbegriffe" ausgeschlossen, deren erster auf die zwanghafte Vereinigung, der zweite auf die schlichte Entgegensetzung von Freiheit und Notwendigkeit hinausläuft. Wenn sich auch die Formel von der Freiheit als „Einsicht in die Notwendigkeit"37 ihrem Wortlaut nach auf Hegel berufen kann38, so meint bei diesem Freiheit doch alles andere und mehr als die Subordination unter 17
Vgl. Engels, Anti-Dühring, ME W 20, 106. ·· Vgl. LII239, 251; E §467.
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den Determinismus der Natur zwecks deren besserer Beherrschung. Als „Wahrheit" der Notwendigkeit ist Freiheit zwar auf jene bezogen, aber ah Freiheit auf prinzipiell anderer Ebene anzusiedeln; von ihr ist die Notwendigkeit ebenso unterschieden wie der Begriff von der Substanz. Anderseits aber sind Notwendigkeit und Freiheit nicht logische Korrelativa und als solche in einfacher Entgegensetzung zueinander: Freiheit läuft ebensowenig wie auf Fatalismus auf Indeterminismus hinaus. Durch seinen wesentlichen Bezug auf Notwendigkeit begibt sich der dialektische FreiheitsbegrifF von Anfang an außerhalb des Feldes bloßer Willkür- oder Wahlfreiheit (vgl. Berl. Sehr. 373). Im Gegenteil wird nicht nur die Notwendigkeit sich als logisches Konstituens des Freiheitsbegriffs erweisen, sondern auch im Bereich des realen, geschichtlichen Daseins die Herausarbeitung von Freiheitsbestimmungen sich auf die immanente Notwendigkeit des Geschehens, der Natur des Geistes u. ä., berufen müssen. Logischer „Gegenbegriff" der Notwendigkeit ist nicht die Freiheit, sondern die Zufälligkeit, während anderseits Freiheit im emphatischen Sinn nicht in der Notwendigkeit, sondern in einer im Kontext des Ganzen noch genauer zu definierenden „Unfreiheit" ihren Gegensatz findet. 2. Darin zeigt sich auch schon eine gewisse Ambivalenz der in der Logik vorgenommenen Gegenüberstellung von Notwendigkeit und Freiheit. Auch wenn diese beiden Begriffe in der erforderlichen Art sowohl voneinander abgehoben wie aufeinander bezogen werden, so bleibt ihr Verhältnis doch insofern von besonderer Art, als Freiheit nicht im gleichen Sinn eine „logische" Kategorie darstellt wie der NotwendigkeitsbegrifF. Zwar wird mit der Überwindung der Notwendigkeit und der Eröffnung der Begriffssphäre der logische Boden des freien Beisichseins betreten — „im Begriffe hat sich daher das Reich der Freiheit eröffnet" (L II 251) —, und in diesem Sinne kann auch dieser Übergang als spezifischer Ort für die Betrachtung der Freiheit erscheinen. Gleichwohl geht es hier nicht eigentlich um eine logische Erörterung des Freiheitsbegriffs als solchen. Dieser wird hier herangezogen, um das spezifisch Neue des Begriffs gegenüber der Wesensrelationalität zu kennzeichnen; seine wirkliche und vollständige Explikation kann er nur im Kontext der Logik als ganzer, in Koextensivität mit dem logischen Begriff überhaupt und nicht als eine seiner Bestimmungen finden; sein „spezifischer" Ort, wäre ein solcher innerhalb der Logik zu benennen, ist die „absolute Idee". Im Rückblick auf die beiden erörterten Bestimmungen des Seins und des Wesens scheint in der absoluten Notwendigkeit zum ersten Mal so
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etwas wie deren absolute Einheit gegeben zu sein. Die absolute Notwendigkeit ist, „wie sich ergeben hat, das Sein, das in seiner Negation, im Wesen, sich auf sich bezieht und Sein ist. Sie ist ebensosehr einfache Unmittelbarkeit oder reines Sei», als einfache Reflexion-in-sich oder reines Wesen; sie ist dies, daß dies beides ein und dasselbe ist" (L II 215). Wie aber kommt es zu dieser Vereinigung, und zunächst: was ist in dieser Behauptung überhaupt des nähern enthalten? Die absolute Notwendigkeit ist die „Form" (L II215) und „die Auslegerin des Absoluten" (L II 218); in ihr legt sich in bestimmter Weise auseinander, als was sich das Absolute ergeben hat. Das Absolute als solches bezeichnet das Wesen, das aus seinem in-sich-Bestimmtsein in die Erscheinung herausgetreten ist und sich ebenso aus dieser in sich zurückgenommen hat: das mit seiner Erscheinung einsseiende Wesen, die Wirklichkeit. Das Wesen, das sich seit seinem ersten Auftreten von seinem Bezug auf das Sein her verstand — und dessen nähere Bestimmungen (die „Reflexionsbestimmungen") wesentlich Bestimmungen dieses Verhältnisses waren —, ist als „Wirklichkeit" mit dem Sein in Ausgleichung gekommen; das Absolute überhaupt ist diese gesetzte Einheit von Sein und Reflexion. Das Verhältnis von Selbstsein und Bestimmtsein, von Innerlichkeit und Äußerlichkeit ist im Wirklichen weder äußerliche Entgegensetzung und Übergang in die Andersheit, noch Absorption realer Äußerlichkeit in den formalen Selbstbezug. „Die Äußerung des Wirklichen ist das Wirkliche selbst, so daß es in ihr ebenso Wesentliches bleibt und nur insofern Wesentliches ist, als es in unmittelbarer äußerlicher Existenz ist" (E § 142). Indem das Wirkliche in seiner Bestimmtheit nicht „in die Sphäre der Veränderung gezogen" wird noch nur „Scheinen seiner in einem Ändern" ist, sondern in seiner Äußerung in sich reflektiert bleibt und sich selber offenbart, ist es „Manifestation" (L II201); sofern seine eigene Formbestimmtheit die Inhaltlichkeit nicht mehr außer sich hat, sondern sie selber setzt und ist, ist das Wirkliche „absolute Form" (ebd.). Es enthält bereits an sich die Struktur des Begriffs, in welcher Ansichsein und Gesetztsein zur vollständigen Deckung gelangen und darin jedes Moment „selbst die Totalität" ist (L II188). Allerdings ist diese an sich begriffliche Struktur hier erst in ihrer wesenslogischen Form realisiert, welche sich in den sogenannten Modalitäten — Zufälligkeit, Möglichkeit, Notwendigkeit — näher bestimmt. Diese explizieren die Wirklichkeit ihrer formellen, realen und absoluten Bestimmung nach; in ihnen reproduziert sich innerhalb der Darlegung der Wirklichkeit die ideelle Stufenfolge der Gesichtspunkte von Sein, Wesen und der hier
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möglichen Zusammenführung beider. Die Wirklichkeit, die bloß aufgrund ihrer formelle Möglichkeit, der „Identität überhaupt" (E § 143), wirklich ist, ist formelle Notwendigkeit, Zufälligkeit; dem gegenüber gründet die reale Möglichkeit — entsprechend der „relativen Notwendigkeit" — in der Bestimmtheit ihres Inhalts; die dritte Stufe bringt in der Form der „absoluten Notwendigkeit" sozusagen auf den Begriff, als was Wirklichkeit, wie sie sich hier ergeben hat, in Wahrheit zu denken ist. In der absoluten Notwendigkeit „hat die Form in ihrer Realisierung alle ihre Unterschiede durchdrungen und sich durchsichtig gemacht und ist ... nur diese einfache Identität des Seins in seiner Negation oder in dem Wesen mit sich selbst"; sie ist „einfache Unmittelbarkeit, welche absolute Negativität ist" (L II 214f.). Wenn Wirkliches in seiner immanenten Notwendigkeit explizit gemacht wkd, so wird es als eines erkannt, dessen unmittelbares Dasein ebenso in seinem in-sich-Reflektiertsein fundiert, seine Bestimmtheit in seiner negativen Selbstbestimmung gesetzt ist, wie umgekehrt sein Selbstsein sich zu realer Bestimmtheit gestaltet und in dieser nichts als die eigene absolute Natur zum Ausdruck bringt. In der Form absoluter Notwendigkeit bekundet das Wirkliche nicht nur, daß es ebenso reines Sein und auch reines Wesen ist, sondern gerade die gesetzte Einheit beider Seiten, „dies, daß dies beides ein und dasselbe ist" (L II215). Die beiden Aspekte von seinsmäßiger Unmittelbarkeit und wesensmäßiger Vermitteltheit, von Ansichsein und Gesetztsein, sind hier sowohl im Gleichgewicht wie in ihrer jeweiligen „Absolutheit" vorhanden. Näher besehen, werden darin nicht nur die abstrakten Pole von reinem Sein und reinem Wesen zusammengeführt und in ihre Einheit aufgehoben; überwunden wkd die je entgegengesetzte Einseitigkeit, welche die grundlegende Verhältnisweise beider Sphären affizierte, das Übergehen des Werdens und die Relationalität der Reflexion. Wie die Dialektik der „bestimmten" Reflexionsbestimmungen (Verschiedenheit, Gegensatz, Widerspruch) das Verhältnis von Identität und Unterschied auf der Ebene des Wesens entwickelte, so stellen die Bestimmungen der formellen, relativen und absoluten Notwendigkeit die hier mögliche Entwicklung des Verhältnisses von Wirklichkeit und Möglichkeit dar. Was in der Zusammenführung von „Sein" und „Wesen" seine Abstraktheit verliert, ist die Art, wie sich das Ansichsein zu seinem Bestimmtsein, das Selbstsein zum Anderssein, das Eine zu seinem Ändern verhält. Seins- und Wesenslogik stellten die zwei Entwicklungsstränge dar, in denen sich dieses Grundverhältnis mit Betonung jeweils der einen Seite auseinanderlegte.
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Indem sich in der absoluten Notwendigkeit diese Einseitigkeit aufhebt, verliert das Verhältnis auch seinen Relationscharakter; es wird zum Verhältnis, welches keines mehr ist, 2um absoluten Verhältnis: „Das Notwendige ist in sich absolutes Verhältnis, d. i. der ... Prozeß, in welchem das Verhältnis sich ebenso zur absoluten Identität aufhebt" (E § 150). Die absolute Notwendigkeit überwindet sowohl jene elementare Struktur, in welcher die Bestimmtheit des Selbstseins unmittelbar zum Fremdsein verkommt, wie auch jene entgegengesetzte Form von Selbstsein, welcher das andere zum bloßen Schein herabsinkt, sowie schließlich dies, daß diese beiden Seiten sich als bloß entgegengesetzte ausschließen oder doch die eine nur als subordiniertes Moment der ändern Geltung erlangt. Zum ersten Mal ist hier ·— mit einer sogleich noch anzubringenden Einschränkung allerdings — die allgemeine Struktur von Freiheit, das im-andern-bei-sich-Sein in seiner Reinheit verwirklicht. Es kommt darin jene Doppelbestimmung zum Ausgleich, die sowohl in inhaltlicher wie formaler Hinsicht den Duktus der logischen Entfaltung von ihrem Anfang an strukturierte. Die Momente, die schon die Anfangs konstellation der logischen Wahrheit ausmachten und die in den verschiedenen Phasen der weitern Entwicklung alternativ zur Geltung kamen, sind hier sowohl in ihrer eigenen Stringenz gefaßt wie in ihre Einheit zusammengeführt: die logischen Bestimmungen des sich-selber-Seins und des nicht-von-anderem-Abgeschiedenseins, die Seiten der Doppelbewegung von Übergehen ins andere und Rückkehr in sich, Ausbreitung und Zusammenfassung, die Momente von negativer und positiver Freiheit, die affirmative Freiheitsbestimmung wiederum gefaßt als Selbstsein und im-andern-Sein. In ihrer Zusammenführung im Notwendigkeitsbegriff konstituieren diese Elemente so etwas wie einen ersten Begriff des Wahren, der im spezifisch „begrifflichen" Denken unabdingbare Grundlage bleiben muß, wie auch im Praktischen die so umrissene Notwendigkeit Vorbedingung, ja teilweise definiens von Freiheit bleibt. Nicht nur bedarf das dialektische Verstehen zur adäquaten Erfassung des Wirklichen methodologischer Notwendigkeit; ebenso muß im Wirklichen selber, auch und gerade wenn es zur Realität des freien Geistes gestaltet werden soll, der unerläßliche Kern an Notwendigkeit ausgemacht werden, soll Freiheit nicht zur einseitigen, leeren Willkür verkommen. Die Notwendigkeit als unmittelbare Vorstufe des freien Begriffs ist selber schon an sich das Wahre, sie ist „der Begriff selbst" (E § 147A). Im Notwendigen haben sich Unmittelbarkeit und Vermittlung ineinander aufgehoben, hat sich der Unterschied von Ansichsein und Gesetzt-
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sein aufgelöst: das Notwendige ist das absolut, aber durch sich selber, Begründete. Indes ist es noch nicht wirklich der Begriff. Was ihm als Mangel anhaftet, ist die Einfachheit und Unmittelbarkeit der in ihm realisierten Einheit von Sein und Wesen; in der oft wiederkehrenden Metapher ausgedrückt: „Die absolute Notwendigkeit ist daher blind" (L II 215f.). Sie ist dies nicht nur in dem Sinne, daß im Prozeß des Notwendigen, im Gegensatz zur zweckmäßigen Handlung, „der Zweck, noch nicht als solcher für sich vorhanden ist" (E § 147Z), sondern in der direkteren Bedeutung, daß das Notwendige für sich selber noch nicht durchsichtig geworden, ein „Selbstloses" ist. Das Zusammengehen in seinem ändern mit sich ist in seiner ersten Realisation noch nicht sich selber transparente, für sich selbst werdende Einheit. Die Aufgabe der Logik, die Notwendigkeit zu „erkennen", fällt für sie ineins mit der Durchleuchtung jenes Prozesses, durch welchen das Notwendige selber seine Wesensstruktur realisiert und zur Erscheinung bringt. Das Notwendige als solches ist zunächst selber ein seinsmäßiges; sein „Wesen", welches seine absolute Notwendigkeit ausmacht, „ist das Lichtscheue" (L II 216). Weil jedoch auch die Unmittelbarkeit seines Zusammenhangs selber in der Reflexion fundiert, seine „Einfachheit" selber „die absolute Negativität" und so „das Sein durch dies sein Wesen der Widerspruch mit sich selbst ist" (ebd.), muß sich auch diese negative Natur an ihm Geltung verschaffen. Sie „bricht" an ihm „hervor", vorerst wiederum nur „gegen dies Sein in der Form des Seins" (L II216). Indes muß auch dieses Hervorbrechen, als solches Übergang in anderes und Vergehen des Seins in Nichts, die wesensmäßige Natur des Notwendigen enthalten, sein „Werden" ebenso als „Reflexion oder Scheinen" (L II 217) auftreten. So realisiert sich das Notwendige als Notwendiges, bringt es in seiner Realisierung die Natur seiner Notwendigkeit, seine absolute Natur zum Ausdruck; „das blinde Übergehen der Notwendigkeit ist vielmehr die eigene Auslegung des Absoluten" (L II217). Was des weitern unter dem Titel des „absoluten Verhältnisses" beschrieben wird, die Verhältnisse der Substantialität, Kausalität und Wechselwirkung, ist die nähere Art dieser Realisierung und Offenlegung der Form der Notwendigkeit. Durch diese Manifestation des ursprünglichen Zusammenhangs der „Sache" mit sich selbst, durch die „Enthüllung" der Notwendigkeit und die Überführung der ansichseienden in eine gesetzte Identität transformiert sich das Verhältnis der Notwendigkeit zur Form der Freiheit. Der Begriff der Notwendigkeit erheischt an ihm selber diesen Übergang und diese Manifestation; sowohl zum Begriff des
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Wahren wie zum Begriff des Freien — welche beide im Konzept der Notwendigkeit bereits angelegt, ja „an sich" erfüllt sind — gehört unabdingbar die Transparenz für sich selbst, das Fürsichwerden. Nur so läßt sich ein vernünftiges Selbstverhältnis denken, daß dieses auch für das sich zu sich Verhaltende als ein Verhältnis %u sich selbst offenbar, das sich zu sich Verhaltende selber explizites und selbstbewußtes Selbstverhältnis werde. Der dialektische Notwendigkeitsbegriff, für sich selber festgehalten, stellt so etwas wie die äußerste Spitze der (wesenslogischen) Relationalität dar, etwas, in dem — in emphatischerem Sinne als bei ändern Bestimmungen, von denen Ähnliches zu sagen wäre — mehr enthalten und „an sich" auch schon mehr ausgesprochen ist, als im expliziten Bestimmungsgehalt zum Ausdruck kommt39. Es ist nun zu untersuchen, wie in der Realisierung der Notwendigkeit deren innere Form enthüllt und als solche gesetzt wird. Gleichzeitig werden darin auch die „Freiheits"-Merkmale plastischer aufgefaßt werden können, welche die logischen Bestimmungen des Wahren von Anfang an begleiteten und die nun sukzessiv zur expliziten Bestimmung des Wahren heraustreten und sich zu einem „wirklichen" Freiheitsbegriff oder einem Begriff wirklicher Freiheit konkretisieren. Das absolute Verhältnis ist „in seiner unmittelbaren Form . . . das Verhältnis der Substantiality und Ak^identalität" (E § 150). Dieses ist die erste und unmittelbare Wirklichkeit des absoluten Verhältnisses der Notwendigkeit, der absoluten Einheit von Sein und Wesen oder des Seins als „absoluter Vermittlung seiner mit sich selbst" (L II219). Die Unmittelbarkeit des Verhältnisses bedingt, daß in ihm „noch kein realer Unterschied" (L II221) der Bezogenen, noch kein bestimmter Unterschied zwischen Ansichsein und Gesetztsein vorhanden ist. Die absolute Identität mit sich selber macht die Bestimmung der Substanz als des „an und fürsichseienden Bestehens", des „Seins in allem Sein" aus (L II 219); das mit sich identische Gesetztsein ist die Akzidentalität. Diese erhält ihren Wirklichkeitsgehalt nur von jener her; es ist die Substanz, die sich 39
Zu einem analogen Sachverhalt im Bereich des erkennenden Denkens (die Verhältnisse Verstand/Vernunft, Dialektik/Spekulation) s. weiter unten. Diese Verhältnisse haben zwar in gewissem Sinn beim Übergang vom Wesen zum Begriff ihren spezifischen Ort, insofern hier im Bereich des Logischen der notwendige Übergang zum eigentlich „vernünftigen" Begreifen demonstriert werden soll. Indes betreffen sie allesamt die Logik in ihrer Ganzheit; auf keinen Fall können sie auf die verschiedenen Teile der Logik so aufgeteilt werden, daß jedem Teil einer der drei Grundtypen der „Methode" zugeordnet würde. Die spekulative Dialektik bildet die Methode der ganzen Logik.
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in den Akzidenzen hervorbringt und erhält. Der „Wechsel der Akzidenzen", ihr Entstehen und Vergehen, ist die Offenbarung der Formtätigkeit der Substanz als schaffender und zerstörender Macht. Die Notwendigkeit als Vermittlungsform des Zusammenhangs der Substantialität tritt hier als „absolute Macht" der Substanz auf (L II 220): Mächtigkeit ist die hier realisierte „Freiheitsform" des Wirklichen40. Sie bezeichnet die Verhältnisweise, in welcher das eine sich so im ändern zur Geltung bringt und erhält, daß dieses noch gar nicht nach seiner eigenen Bestimmung gegen jenes Bestand hat; wohl realisiert sich hierin die Struktur des Beisichseins-im-andern, aber in einseitiger Weise, zugunsten des einen und auf Kosten des ändern. Macht ist die erste Realisationsform der Natur des Absoluten, absolute Form, Manifestation zu sein (vgl. LII 194, 201). Inhalt „der absoluten Macht" ist „die reine Manifestation oder Notwendigkeit" (L II225). Manifestation ist die grundlegende Verhältnisweise, die, in der Notwendigkeit auf ihren wesenslogischen Begriff gebracht, nun in ihren verschiedenen Realisationsstufen — als formelle Macht, reale Macht, Gewalt, Manifestation — zur Darstellung gelangt. Manifestation als solche benennt die absolute Verfassung der Freiheit, im ändern bei sich, in der Entzweiung schlechthin identisch mit sich zu sein. Sie ist notwendigerweise reflexiver Natur: was in ihr manifestiert wird, ist eben dies, daß das Absolute sich manifestiert, ihr Inhalt ist die Manifestation selber. Dies ist auch in der Rede von der absoluten Form angedeutet, welche nicht mehr einem Inhalt gegenübersteht, sondern gerade die eigene Absolutheit als „Inhalt" hat und zum Ausdruck bringt. Substantialität, Kausalität und Wechselwirkung stellen nun die Hauptstufen dar, auf denen diese absolute Verfassung des Wirklichen sich realisiert und in dieser Realisierung zugleich sich „läutert", ihre wesenslogische Fassung als Notwendigkeit durch Offenbarung des in ihr angelegten Wahrheitsgehalts in die Freiheit des Begriffs überführt41. Es wurde schon angedeutet, in welchem Sinn die Realisation des absoluten Verhältnisses in der Substantialität als solcher defizient bleibt. Zwar realisiert die Substanz in der Exklusivität ihres 40
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Eine Analyse des Machtbegriffs im Kontext der Hegeischen Dialektik insgesamt enthalten die Aufsätze von Theunissen, Begriff und Realität. Hegels Aufbebung des metaphysischen Wahrheitsbegriffsy und: Krise der Macht. Thesen %ur Theorie des dialektischen Widerspruchs. Von der in diesen Aufsätzen gegebenen Deutung des Machtbegriffs weicht die hier vorgelegte Interpretation insbesondere in der Frage der Letztgültigkeit des Machtmodells für die dialektische Gedankenfigur ab. Es kann hier angemerkt werden, daß auch die Erfassung der Freiheit des Geistes — sowohl im Geschichtsbegriff wie in der Entfaltung der Religion — der hier vorgeführten logischen Entwicklung des Freiheitsbegriffs implizit folgen wird.
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Machtanspruchs und der Nichtigkeit der Akzidenzen so etwas wie die Offenbarung ihrer Allmacht, doch bleibt ihre Manifestation selber leer, gewissermaßen irreal. Sofern die „Extreme" der Beziehung „kein eigentümliches Bestehen" für sich haben, ist das Substantialitätsverhältnis „nur das Verhältnis als unmittelbar verschwindend" (L II 222), nicht „eigentliches Verhältnis" (E § 152). Ihre Macht ist bloß „formelle Macht" (L II222). Erst indem sie sich in der Form nicht nur „ihrer Identität", sondern auch „ihres negativen Wesens" setzt, indem die Akzidenzen nicht nur „an der Substan^' und durch die Macht „an sich Substanz", sondern als solche gesetzt sind, ist auch die Substanz „als Substanz", als „für-sichseiende, mächtige Substan^' vorhanden (L II 222). So sich stabilisierend, wird das Verhältnis der Macht zur Beziehung von Ursache und Wirkung, zum Verhältnis der Kausalität. In diesem ist die in der Substanz angelegte Ungleichheitsbeziehung fixiert und gesetzt. Indem die Substanz „gegen ihr Übergehen in die Akzidentalität in sich reflektiert" (E § 153) ist, ist sie Ursache; die durch ihre negative Selbstbeziehung gesetzte Wirklichkeit ist ihre Wirkung. Als reale, in sich bestimmte Substanz bringt die Ursache auch ihre Macht selber zur realen Erscheinung; in ihrer „Aktuosität" realisiert sich das Notwendigkeitsverhältnis so, daß darin die Macht der Substanz zur Manifestation kommt. Als Kausalität legt die substantielle Macht ihre Formalität ab und wird zur realen, bestimmten Macht; so halten sich denn auch die Vorstellung und die „Verstandesreflexion" in ihrer Auffassung der Notwendigkeit „vornehmlich [an] das Kausalitätsverhältnis" (E § 153Z). Die Verfestigung des Machtverhältnisses verhindert nun keineswegs die Dependent der mächtigen Substanz von der durch sie gesetzten Wirkung; im Gegenteil wird gerade in der Realwerdung des Machtverhältnisses auch die Rückbindung des Ansichseins an das Gesetztsein zum Tragen gebracht. Wie die Wirkung nur durch die Ursache, so ist auch diese nur durch jene; nur in der Wirkung hat auch die Ursache Wirklichkeit. Die erste Fassung dieser gegenseitigen Gebundenheit nach den Kategorien der Endlichkeit führt zum beiderseitigen unendlichen Regreß. Sofern aber das Gesetztsein selber „Reflexion-in-sich und Unmittelbarkeit" ist, ist auch das Setzen der Ursache „zugleich Voraussetzen", ihr Gegenüber „eine andere Substan^', welche zwar, als vorausgesetzte, zunächst nur passiv, zugleich „aber als Substanz . . . ebenso aktiv" ist und gegen jene erste „reagiert" (E § 154). Das einfache Verhältnis der Ursächlichkeit wird zur Beziehung von Wirkung und Gegenwirkung.
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Im Übergreifensverhältnis der aktiven über die ihr gegenüberstehende, an sich gleichwertige, passive Substanz erhält das Machtverhältnis seine letztmögliche „machtmäßige" Bestimmung: als Gewalt. „Die Gewalt ist die Erscheinung der Macht oder die Macht als Äußerliches. Äußerliches aber ist die Macht nur, insofern die ursachliche Substanz in ihrem Wirken, d. h. im Setzen ihrer selbst zugleich voraussetzend ist, d. h. sich als Aufgehobenes setzt" (L II235). Sofern das Andere das aufgehobene Eine ist, ist auch die Beziehung beider als Voraussetzen eine der aufgehobenen Identität; die passive Substanz ist zum realen Ändern der aktiven geworden. Die Ausübung der Notwendigkeit, der Zusammenschluß der passiven Substanz mit der aktiven geschieht „äußerlich an ihr" (L II235). Die Art, wie sich die ursächliche Substanz über die passive mit sich selber zusammenschließt, ist dadurch gewaltsam, daß das andere zwar ein „an sich schon mit der wirkenden Ursache Identisches" (L II234) ist, hier aber nicht nach dieser Identität, sondern nur in der Unmittelbarkeit seines Vorausgesetztseins zur Geltung kommt. Der Zusammenhang der Notwendigkeit, der an sich ebensosehr der Zusammenhang des einen wie des ändern (oder der Zusammenhang beider in ihrer Identität erkannt) ist, tritt hier als einer auf, der nur die eigene Natur des Setzenden, nicht jene des Vorausgesetzten konstituiert; für dieses bleibt er ein „Fremdes", nicht seine „eigene Beziehung auf sich" (L II420 f.)42. Die Struktur dieses gewaltsamen Übergreifens stellt insofern eine letztmögliche Fassung wesenslogischer Relationalität dar, als in ihr die an sich schon nicht mehr relationale Natur des Absoluten, Manifestation zu sein, noch in letzter Gestalt als ungleichseitige Zweierrelation sich zu verwirklichen sucht. In der Verhärtung der Macht zur Gewalt wird mit dem Realwerden jenes einseitigen Subsumtionsverhältnisses indes auch der Widerspruch zwischen Manifestationsform und dem zu Manifestierenden offenbar; seine Auflösung wird — ähnlich wie im reflexionslogischen Widerspruch oder auch in der Dialektik von Herrschaft und Knechtschaft — durch die Zurücknahme des Herrschaftsanspruchs bedingt sein, welcher über die Unfreiheit des ändern die eigene Freiheit zu erfüllen sucht. 42
Die Verwirklichung dieses Gewaltverhältnisses im „realen mechanischen Prozeß" läßt diese Ungleichheit näher hervortreten: „Die Macht wird dadurch zur Gewalt, daß sie, eine objektive Allgemeinheit, mit der Natur des Objekts identisch ist, aber ihre Bestimmtheit oder Negativität nicht dessen eigene negative Reflexion in sich ist, nach welcher es ein Einzelnes ist. Insofern die Negativität des Objekts nicht an der Macht sich in sich reflektiert, die Macht nicht dessen eigene Be-
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Ein kurzer Rückblick kann den logischen Ort des Gewaltbegriffs und den in ihm angelegten Übergang besser veranschaulichen. Das Zugrundeliegende, das in der Entfaltung des absoluten Verhältnisses zu seiner Realisierung gelangen sollte, ist die in der Notwendigkeit auf ihren bestimmten Begriff gebrachte Natur des Absoluten, Manifestation zu sein. In dieser ist bereits so etwas wie der ansichseiende Endpunkt der Entfaltung der spezifischen Wesensrelation und deren Rückführung in die — in ihrem ersten Auftreten seinsmäßige — Unmittelbarkeit des Selbstverhältnisses gegeben. Die Manifestation bezeichnet die reine Form des Beisichseins-im-andern, in welchem das Selbstsein mit dem Bestimmtsein in Ausgleich gekommen und darin das unvermittelte Übergehen des Seins mit dem bestimmten Unterscheiden der Reflexion vermittelt ist, sowohl bezüglich der in ihnen gesetzten Differenz wie der über diese sich realisierenden Einheit. Die noch wesensmäßige Verwirklichung dieses „absoluten" Verhältnisses — welche zugleich die eigene „Auslegung" des Absoluten ist — führt die vorerst nur innerliche Einheit so zu ihrer realen Manifestation, daß die an sich „ausgeglichene" Beziehung sich zunächst in der Gestalt der asymmetrischen Wesensbeziehung realisiert, bis das wachsende Ungleichgewicht in der Radikalisierung des Machtanspruchs auch die gleichwertige Selbständigkeit des Beherrschten zur Erscheinung bringt und darin die Nichtigkeit des gewaltsamen Übergreifens aufweist. Als zunächst formelle, dann reale Macht bringt die Substanz zwar bereits ihr wahres Ansichsein zum Ausdruck: „Inhalt" der Macht ist „die reine Manifestation", weil die Macht „in ihrer Wahrheit als Manifestation" bestimmt ist (L II225, 223); etwas anderes kann die Macht gar nicht manifestieren. Jedoch bleibt ihre Manifestationsform ihrem Inhalt gegenüber defizient, weil das andere, in welchem sie sich offenbart und sich Wirklichkeit gibt, noch nicht in sich konsolidiert, sondern nur ihr eigenes Gesetztsein ist. Ihre Äußerung bleibt, auch in der Realität der „Wirkung", dem Auszusagenden gegenüber formell und abstrakt. Die Gewalt kommt über diesen Mangel einerseits hinaus, indem dasjenige, in welchem die Manifestation reale Gestalt erlangt, nun selber als Substanz bestimmt und so grundsätzlich in der Lage ist, der Macht der Notwendigkeit Konsistenz zu verleihen und sie sichtbar werden zu lassen; im Passiven realisiert die „gewaltige Ursache ... die Manifestation ihrer selbst" (L II 235). Auf der ändern Seite Ziehung auf sich ist, ist sie gegen dieselbe nur abstrakte Negativität, deren Manifestation der Untergang ist" (L II 420f.; vgl. 451 f., 237).
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kommt aber gerade hier die Unangemessenheit der Macht gegenüber der durch sie zu manifestierenden logischen Wahrheit zum Ausbruch. In dieser Unangemessenheit erweist sich die Notwendigkeit der Überwindung des Wesens überhaupt. Die in der Gewalt kulminierende Machtstruktur bringt den latenten Gewaltcharakter der Wesensrelation als solcher zum Vorschein, die Selbstverwirklichung in der Relation vollzieht sich zunächst als Behauptung des einen durch Niederhalten des ändern; noch hierin ist eine Konsequenz aus der Genese des Wesens zu sehen, welche das Wesen in Opposition gegen das Sein, als Wesentliches gegen das Unwesentliche entstehen ließ. Nunmehr aber ist diese Verhältnisweise sich selber gegenüber schon völlig unwahr und diese Unwahrheit in der Erscheinung der Gewalt manifest geworden. Was zunächst in der Form der Macht zur Existenz kommt, muß sich nach jener Form realisieren, die seine wahre Natur konstituiert und die der Macht und Gewalt zugrundeliegt: die absolute Form als Manifestation. Die Manifestation realisiert sich als Manifestation, indem sie sich und ihre „Verhältnisweise" manifestiert: darin bricht sie die Schranken der Wesenslogik und eröffnet sie das Reich des Begriffs. In der Gewalt als letzter Spitze des Machtverhältnisses sind diese Umkehrung und dieser Übergang bereits angesetzt. Das von der Gewalt Beherrschte wird nicht nur gegen das erste niedergehalten, sondern auch, indem sein „Widerstand .. . überwältigt" wird (L II420), der Gemeinschaft mit jenem gewaltsam einverleibt. Eben in der Herstellung der erzwungenen Identität tritt aber das Unterjochte auch in seiner Gleichwertigkeit mit der Herrschaft, in seiner eigenen Ursprünglichkeit zutage. Dies ist der Grund, weshalb Hegel hier in der etwas eigenartigen Formulierung sagen kann, daß demjenigen, „dem Gewalt geschieht", diese Gewalt auch angetan werden „muß", oder daß „der passiven Substanz . . . durch die Einwirkung einer ändern Gewalt nur ihr Recht angetan" wird (L II235). Denn „die passive Substanz wird durch die Gewalt nur gesetzt als das, was sie in Wahrheit ist", nämlich „nur ein Gesetzes zu sein"; indem sie aber „in ihrer eigenen Bestimmung gesetzt wird", geht sie „so nur mit sich selbst zusammen und ist also in ihrem Bestimmtwerden Ursprünglichkeit'''' (L II235 f.). Die Reflexion auf die eigene Ursprünglichkeit der bestimmten Substanz ermöglicht die Substitution der einseitigen Kausalität durch die gegenseitige Wechselwirkung, in welcher das anfangs „geradlinige Hinausgehen von Ursachen zu Wirkungen und von Wirkungen zu Ursachen in sich um- und ^urückgebogen" und darin der unendliche „Progreß auf wahrhafte Weise
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aufgehoben" ist (E § 154A). Indem die Wirkung nicht nur selber Ursache wird, sondern als Gegenwirkung sich gegen die erste Ursache wendet, wird die Gleichheit der beiden, zugleich aktiven und passiven Substanzen gesetzt; Ursprünglichkeit und Gesetztsein sind nicht mehr bloß unterschiedene in sich beharrende, sondern sich über ihr Gegenteil vermittelnde Bestimmungen. Indem ihr Unterschied aber zum „völlig durchsichtigen Schein" geworden, ist auch die Wechselwirkung selber „nur noch leere Art und Weise, und es bedarf bloß noch eines äußern Zusammenfassens dessen, was bereits sowohl an sich als gesetzt ist" (L II238). Dieses Zusammenfassen, das vom Prozeß der Wechselwirkung selber bewirkt wird, führt zur Aufhebung der spezifischen Bestimmungen von Substantialität, Kausalität und Notwendigkeit. Zwar sind alle diese Bestimmungen in der höhern Bestimmung des freien Begriffs, in welche sie überführt werden, an sich noch enthalten: gedacht werden soll ja „die unmittelbare Identität als Zusammenhang und Beziehung und die absolute Substantiality der Unterschiedenen ..., die ursprüngliche Einheit substantieller Verschiedenheit", also der „absolute Widerspruch" (L II 239). Aber weil jene Bestimmungen hier in ihrer Wahrheit — in dem, was ihre Einheit überhaupt konstituiert — gedacht sind, bleiben sie nicht mehr als solche im Begriff vorhanden. Indem die Bewegung von Kausalität und Wechselwirkung die vorerst nur innere Identität von Sein und Wesen, Ansichsein und Gesetztsein, in ihrem logischen Zusammenhang expliziert und zur Erscheinung bringt, „verliert sich die Substantialität der im Verhältnisse stehenden Seiten, und die Notwendigkeit enthüllt sich" (L II 239). In diesem „Enthüllen" geht die Notwendigkeit in Freiheit über; sie wird frei nicht dadurch, „daß sie verschwindet, sondern daß nur ihre noch innre Identität manifestiert wird" (ebd.). In der Form der Freiheit werden die internen Verhältnisweisen von Sein und Wesen überwunden und in ihrer Einheit durchsichtig gemacht. Die Einheit von Ansichsein und Bestimmtsein, auf der Stufe der Wirklichkeit als Verhältnis von Möglichkeit und Wirklichkeit gefaßt, wird dort zunächst unter den grundlegenden Modi von Zufälligkeit und Notwendigkeit in ihren beiden Schwerpunkten gefaßt, als absolute Selbständigkeit und als absolute Identität ihrer Bestimmungen. Die Überwindung der Notwendigkeit ist zugleich Überwindung der Zufälligkeit, insofern sich im freien Begriffsverhältnis sowohl die Selbständigkeit in der Identität als auch diese in jener fundiert erweist. Die neue, spezifische „Verhältnisweise" des Begriffs besteht nun darin, daß die Totalität sich in ihre Bestimmungen unterscheidet „als in einen vollkommen
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durchsichtigen Unterschied" (L II240), in welchem sowohl die Identität der Bestimmungen untereinander wie ihre Identität mit der Totalität gesetzt ist. Die „Bestimmungen", in welche sich der Begriff auseinanderlegt, sind einerseits die Totalität, die in ihrem Gesetztsein „als identisch .. . mit sich gesetzt ist, das Allgemeine", anderseits die Totalität, die ebenfalls als „mit sich identische Bestimmtheit. .., aber als die mit sich identische Negativität gesetzt ist: das Einzelne" (L II240). Weil es aber die gleiche und identische Reflexion ist, welche sich in ihrer negativen Selbstbeziehung in diesen beiden Bestimmungen setzt, sind auch diese selber identisch, die Allgemeinheit „dieselbe Negativität, welche die Einzelheit ist", und die Einzelheit „dieselbe Identität, welche die Allgemeinheit ist. Diese ihre einfache Identität ist die Besonderheit" (L II240). Letztere meint somit nicht einfach eine „dritte" Bestimmung neben den beiden ändern, sondern deren wesentlichen Zusammenhang, der gerade dadurch bedingt ist, daß sie Bestimmungen des Begriffs sind43. In der Überwindung — als Erfüllung oder Enthüllung — des Substantialitätsverhältnisses erlangt nun auch die zugrundeliegende absolute Form des Absoluten nach ihrer wahren Beschaffenheit Wirklichkeitsgeltung: als Manifestation. Damit ist die Grundlage gegeben, auf welcher sich das Reich des Begriffs, „der Subjektivität oder der Freiheit" (L II240) aufbaut. Es soll nun zunächst skizzenhaft angedeutet werden44, wie sich diese manifestierte Manifestation näher auseinanderlegt, wie der Begriff die Identität, als welche er aus dem absoluten Verhältnis entstanden ist, als „seine eigene" Bestimmung setzt (L II270), um nachher im Hinblick 43
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So ist auch die Rede von der spe2ifisch begrifflichen als einer „dreigliedrigen" Relation als solche nicht aufschlußreich. Sie kann zwar mit gewissem Recht verwendet werden, insofern hier mit der abschließenden Bestimmung der „Glieder" der Relation auch diese selber (zum ersten Mal) in ihrem adäquaten Verständnis ins Licht rückt — worin sie eben nicht mehr eine Relation „außerhalb" der Glieder ist, sondern mit diesen gewissermaßen auf „gleiche Stufe" rückt; gleichwohl handelt es sich nicht einfach um eine Relation zwischen drei Bestimmungen. Vgl. L II288: „Allgemeinheit, Besonderheit und Einzelheit sind nach dem Bisherigen die drei bestimmten Begriffe, wenn man sie nämlich Bohlen will. Es ist schon früher gezeigt worden, daß die Zahl eine unpassende Form ist, um Begriffsbestimmungen darin zu fassen, aber am unpassendsten vollends für die Bestimmungen des Begriffs selbst" (vgl. L II 298, 299, 252). — Eine analoge Überlegung wird sich bei der Behandlung der hier als „vierte" Stufe eingeführten Instanzen (absolute Idee, Geschichte, Philosophie) aufdrängen (vgl. Schlußbetrachtung). Für unsere Zwecke mag hier — in Analogie zu den ersten beiden erörterten Texten — ein schematischer Abriß über den ersten Abschnitt der Begriffslogik genügen.
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auf die schon auf den frühern Stufen thematisierte Fragestellung darzulegen, wie sich darin mit der Fortbestimmung der logischen Wahrheit zugleich die dieser korrelierten Freiheitsmomente neu bestimmen. — Das Spezifische an der Bestimmung des Begriffs soll sein, daß diese nicht mehr an ihm wird., sondern von ihm selber als „seine freie Bestimmung" gesetzt wird (L II 270). Die Elemente seiner Bestimmung sind nicht mehr nur ideelle Momente eines sie umfassenden Ganzen, in welchem allein sie Geltung hätten; die Relation steht nicht mehr als das negativ Übergreifende den Relata gegenüber, sondern jedes der Bezogenen ist zugleich die ganze Beziehung selbst, „jedes der Momente [ist] das Gan%e" (E § 160). Der Begriff ist als „Tofatifät" bestimmt (ebd.), deren jedes Moment „so sehr ganzer Begriff als bestimmter Begriff und als eine Bestimmung des Begriffs" ist (L II273). In der gegenseitigen Transparenz und Klarheit realisieren die Momente von Allgemeinheit, Besonderheit und Einzelheit die spezifische Einheit des Begriffs, in welcher sie sowohl ihre Untrennbarkeit voneinander wie ihre jeweilige Identität mit dem Ganzen erweisen. Als dieses an und für sich Bestimmte, als welches der Begriff in seinem Anundfürsichsein zugleich Prinzip aller Bestimmung ist, ist er „das schlechthin Konkrete, das Subjekt als solches" (E § 164A). Die schlechthinnige Konkretion, in welcher die unterschiedenen Bestimmungen nicht mehr in Absonderung voneinander (oder gar in Entgegensetzung gegeneinander) zu fassen sind, bildet auch die Basis, von der her erst die wahre Natur der Abstraktion und somit auch der bisherigen abstrakten Begriffsbestimmungen45 erkannt werden kann. In eigener Instanz wird diese Konkretion des Begriffs durch seine Einzelheit repräsentiert, in welcher sowohl „die Untrennbarkeit der Begriffsbestimmungen gesetzt" (L II299) wie auch der Begriff selber „der als Totalität gesetzte Begriff" ist (E § 163 A). Die Einzelheit expliziert die wahre Natur des Begriffs überhaupt, im selben sich selbst gleich und absolute Negativität zu sein, nicht nur das eine und das andere, sondern dies zu sein, daß „das Geset^tsein das An-und Fürsichsein ist" (L II 299). Diese Rückführung der negativen Selbstbewegung in die Unmittelbarkeit der Identität mit sich — zugleich die Fundierung dieser Selbstidentität in jener Negativität — wird zwar auch in den Momenten des Allgemeinen und des Besondern ausgesprochen, sofern diese spezifische Bestimmungen des Begriffs sind, aber sozusagen mit Betonung jeweils der einen Seite des 45
Vgl. E § 162A: „Die vorhergehenden logischen Bestimmungen, die Bestimmungen des Seins und Wesens, sind . . . nur bestimmte Begriffe, Begriffe an sich oder, was dasselbe ist, für uns."
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Zusammenhangs; in der Einzelheit hingegen, welche die ausdrückliche „Symmetrie" des Zusammenhangs thematisiert, wird „gesetzt," was jene „an und für sich sind" (L II 297). Zugleich aber ist es nach Hegelschem Verständnis die gleiche Bestimmung der Einzelheit, welche sowohl die Einheit des Begriffs mit sich selber setzt, wie sie auch, als dialektische Einheit, Quelle der Unterscheidung und des Verhältnisses ist. Sie ist „nicht nur die Rückkehr des Begriffes in sich selbst, sondern unmittelbar sein Verlust" (L II299). Wie in der begrifflichen Totalität das scheinbar losgelöste Bestimmungsmoment, „das Abstrakte selbst. . . als Konkretes" sich erweist (L II298), so ist umgekehrt der konkrete Begriff an ihm selber das „Abstrahieren" und „Gegeneinanderstellen seiner Bestimmungen" (L II 301). Weil die Einheit des Begriffs sich nur als eine verstehen kann, welche in sich selber Verhältnis ist, so muß sie auch ihre Bestimmungen, die im Begriff als solchem zunächst ihre Identität herausstellen, zur relativen Selbständigkeit entlassen und ins bestimmte Verhältnis zueinander setzen. Die Bestimmung des Begriffs selber in seiner absoluten Konkretion führt dazu, daß sich dieser als Verhältnis fassen muß, als Allgemeines, welches Einzelnes ist, oder als Einzelnes, welches Allgemeines ist. Gerade die Herstellung dieser absoluten Einheit ist das Aufstellen einer Beziehung von in sich „bestimmten" Bestimmungen; die Rückkehr des Begriffs ist gleichermaßen die „ursprüngliche Teilung seiner> oder als Einzelheit ist er als Urteil gesetzt" (L II 301). So ist auch die nähere Entfaltung des Verhältnisses dieser Bestimmungen nichts anderes als die eigene Bestimmtheit des Begriffs. Während der Begriff als solcher sozusagen noch in der Allgemeinheit seiner Identität mit sich verbleibt, ist das Urteil seine „wahrhafte Besonderheit" (E § 166 A) oder „die am Begriffe selbst gesetzte Bestimmtheit desselben" (L II 301). Die Besonderung meint die Bestimmtheit, sofern sie Allgemeinheit bleibt; in ihr werden die Seiten des Begriffs in ihrer Bestimmtheit gegeneinander und gleichzeitig ihre Identität innerhalb der Totalität des Begriffs zum Ausdruck gebracht. Die grundlegende Konstellation, von welcher die Entfaltung der Urteilsformen auszugehen hat, ist die den Begriff konstituierende Identität von Einzelheit und Allgemeinheit. Die Identität, die sich in der Kopula „ist"46 ausdrückt und die gerade den begrifflichen Zusammenhang der Bestimmungen leisten soll, ist vorerst formell und abstrakt. Ihre „Erfüllung", welche den Zusammenschluß der selb46
Vgl. E § 166A: „Die früheren Reflexionsbestimmtheiten haben in ihren Verhältnissen auch die Beziehung aufeinander, aber ihr Zusammenhang ist nur das Haben, nicht das Sein, die als solche gesetzte Identität oder die Allgemeinheit."
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ständigen Bestimmungen zu einem selber begriffsmäßigen emporheben soll, folgt naturgemäß den im Begriff aufgehobenen Sphären und deren spezifischen Verhältnisweisen, die nun „aber in der einfachen Beziehung des Begriffs gesetzt" sind (E § 171 A): als Urteil des Daseins, der Reflexion, der Notwendigkeit, des Begriffs. Der Zielpunkt dieser Entwicklung findet sich dort, wo der Begriff aus seinem „Anderssein" (L II306) in sich zurückkehrt, d. h. wo die Beziehung von Subjekt und Prädikat selber als begriffliche — oder als Begriff — gefaßt ist. Als solches enthält und bezeichnet das Urteil die Form der Wahrheit selber: als Entsprechung von Begriff und Realität. Das Gebrochensein in Sollen und Sein ist „das absolute Urteil über alle Wirklichkeit" (L II350); in der „Entsprechung" wird die Bezogenheit beider Seiten in ihrer absoluten Bestimmung gefaßt. Durch die „Erfüllung der Copula" (L II 351) hat sich die ursprüngliche Teilung in den ursprünglichen Zusammenschluß des Begriffs mit sich selber transformiert, ist das Urteil zum Schluß geworden. Dessen weitere Entwicklung besteht teils in der Auseinanderlegung der verschiedenen Figuren des Schlusses, in welchen „jede Bestimmtheit des Begriffs einzeln als die Mitte" fungiert, teils im Durchlaufen der verschiedenen Gattungen der Schlüsse, welche „die Stufen der Erfüllung oder Konkretion der Mitte" darstellen (L II400). Der Begriff, der seinen Zusammenschluß mit sich in der begrifflichen Form des Vernunftschlusses faßt, ist aus der Entzweiung des Urteils in die vollendete Einheit mit sich zurückgekehrt und hat sich als „Begriff überhaupt realisiert" (L II401). Als Herstellung dieser Einheit ist der Schluß „das Vernünftige und alles Vernünftige" (E § 181). — Freiheit, so hat sich gezeigt, soll die spezifische Verhältnisweise des so sich explizierenden Begriffs sein. Es bleibt nun zu präzisieren, wie diese Behauptung zu verstehen ist, und zwar sowohl im Hinblick auf die Hauptbestimmungen, die den logischen Duktus bisher geprägt hatten und die nun in neuer Fassung auch den Begriff auszeichnen, wie auch im Rückblick auf die im Sein und Wesen in verschiedenen Konstellationen herausgearbeiteten Freiheitsmomente, deren Weiterbildung mit der Entfaltung des Wahrheitsbegriffs einherzugehen schien. Im Hinblick auf diese beiden Seiten wird zu klären sein, wieso hier zum ersten (und einzigen) Mal der Freiheitsbegriff als expliziter Begriff in den logischen Gang eingeführt werden kann, und inwiefern die hier vorhandene logische Figur tatsächlich so etwas wie eine Definition von Freiheit darstellt. — Das Resultat, das sich aus der Darstellung des Begriffs für die Freiheitsproblematik ergeben hat, kann dahingehend zusammengefaßt
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werden, daß in der Vereinigung von Sein und Wesen sowohl jene grundlegende Dualität sich aufhebt, deren Fortbestimmung die logische Entwicklung strukturierte, wie auch die parallel da2u — und ebenfalls dual — auftretenden „Freiheitsmomente" zur Einheit zusammengeführt werden. Der Begriff ist nicht nur die seiende Einheit von Sein und Reflexion — so würde er sich nicht von der Notwendigkeit unterscheiden —, sondern deren gesetzte, explizite Einheit; er hat zum Thema gerade dies, „daß das An-und Fürsichsein erst dadurch ist, daß es ebensosehr Reflexion oder Geset^tsein ist, und daß das Geset^tsein das An-und Fürsichsein ist" (L II 246). Die Reflexion auf diese Identität oder die Einsicht in die notwendige Einheit der beiden Bestimmungen, das „Denken der Notwendigkeit" (E § 159 A), ist nicht mehr die Notwendigkeit selber, sondern „ein Höheres"47. Es ist gerade diese Erhebung einer ansichseienden Struktur zur Selbsttransparenz, welche den Unterschied ums Ganze ausmacht, umgekehrt aber auch die absolute Verwiesenheit wirklicher Freiheit auf die Notwendigkeit bedingt. Wenn bereits auf der Stufe der Notwendigkeit nicht einfach eines mit einem ändern, sondern mit seinem eigenen Setzen innerlich verbunden ist, so wird doch ein freies Selbstverhältnis erst dadurch ermöglicht, daß für es selber gesetzt und offenbar ist, daß es im ändern als durch es selber gesetzt ist. Das „Denken" der Notwendigkeit ist nicht die tautologische Reduplikation derselben, sondern gerade dadurch die „Autlösung" ihrer „Härte" (E § 159 A), daß durch es eine prinzipiell neue Verhältnisweise begründet werden soll. Das Wissen, daß das Eine allein in der Identität mit dem Ändern die eigene Wirklichkeit und Selbständigkeit bewahrt und überhaupt erst erhält, ist ein prinzipiell anderes und „Höheres" als dieser Zusammenhang an ihm selber. Die Notwendigkeit ist als „Zusammengehen ihrer mit sich selbst" Freiheit, aber „nur die ansichseiende, formelle Freiheit" (Rel II 29 f.) Erst in der bewußten Aneignung dieses Zusammenhangs ist das Zusammengehen mit sich ein wirkliches Verhalten zu sich selbst, ein sich zu sich Befreien. Die Bedeutung dieses Fürsichwerdens wird im Begriff der Manifestation ausgesprochen, welcher den Realisationsmodus dieses Selbstverhältnisses kennzeichnen soll48. Freiheit entsteht aber nicht im Fürsichwerden oder 47
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L II 248f.: „Diese unendliche Reflexion in sich selbst, daß das An- und Fürsichsein erst dadurch ist, daß es Gesetztsein ist, ist die Vollendung der Substan^. Aber diese Vollendung ist nicht mehr die Substanz selber, sondern ein Höheres, der Begriff, das Subjekt." Auf höherer Ebene wird der gleiche Begriff zur absoluten Bestimmung des Geistes in Religion und Philosophie von Relevanz sein.
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„Denken" eines beliebigen, sondern jenes spezifischen Verhältnisses, welches die Form der Wahrheit definiert, oder welches das ansichseiende Wahre ist. Legitimität erhält das vernünftige Denken — nicht nur im Hegeischen Sinn — durch die ihm innewohnende Notwendigkeit. Das Verpflichtetsein der Freiheit auf die Notwendigkeit der Wahrheit ist auch der Grund dafür, daß im Bereich der geschichtlich-realen Existenz der Geist seine Freiheit nicht gegen die Notwendigkeit, sondern nur gemäß der Notwendigkeit, welche in seiner eigenen Natur gründet, verwirklichen kann. So verbinden sich in der Figur der „gedachten" Notwendigkeit die beiden eingangs erwähnten Aspekte: die Abhebung der Freiheit von der Notwendigkeit — die wirkliche „Befreiung" — vollzieht sich im gleichen mit der Rückbindung des sich Befreienden an die in der Notwendigkeit niedergelegte Form des Wahren (oder Wirklichen). Mit der Beschreibung des A^erhältnisses von Notwendigkeit und Freiheit ist indes noch nicht geklärt, worin denn die „inhaltliche" Bestimmtheit des daraus resultierenden Freiheitsbegriffs bestehen soll. Es kann zu diesem Zweck auf die bei der Erörterung von Sein und Wesen hervorgehobenen Aspekte zurückgegriffen werden. Der logische Fortgang hatte sich dort als eine Konkretisierung und sukzessive Weiterbestimmung zweier Grundaspekte in einem sich selber fortbildenden und verschiebenden Kräfteverhältnis erwiesen. In ihrer ersten seinsmäßigen Ortung wurden sie als einfache Beziehung auf sich und als nicht-Abgeschiedensein vom Ganzen umschrieben. Damit verbanden sich im weitern zwei Grundbedeutungen all dessen, was in irgendeiner Weise als Sein zu bezeichnen ist, sozusagen zwei Grundelemente von Wahrheit oder Wirklichkeit überhaupt: auf der einen Seite die noch vage Vorstellung von Selbstsein, von Identischsein mit sich, überhaupt das zu sein, was man ist; auf der ändern Seite die Vorstellung, ein Bestimmtes zu sein, in dem, was man ist, nicht mit anderem verwechselbar, auf anderes beziehbar zu sein. Schon im Sein als solchem, in seiner Quasi-Selbstbeziehung und seiner Undifferenziertheit gegenüber anderem, waren trotz der begrifflichen Unbestimmtheit und Leere diese embryonalen Denkbestimmungen von Selbstsein und Bestimmtsein auszumachen. Werden die beiden Dichotomien aufeinander bezogen, so konnte dies für das Sein nur bedeuten — da seine unbestimmte Unabgeschiedenheit von anderem identischerweise Beziehungslosigkeit ist —, daß die Bestimmtheit für es das Gegenteil von Selbstbezug, nämlich Fremdbezug, Affiziertheit von außen, Übergang in anderes meint. Da das Selbstsein aber seine eigene Leere und Nichtigkeit auch nur in der Setzung von
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Bestimmtheit zu überwinden vermag, ist es in der Sphäre der Unmittelbarkeit selber unmittelbar auf das Anderssein verwiesen. Die Entwicklung des Seins, sein sich Herausarbeiten aus der Unmittelbarkeit sucht demgegenüber ein Selbstverhältnis herzustellen, das nicht mehr unmittelbar Entfremdung meint, sondern das in sich selbst sich als Bestimmtes zu setzen und das andere als Moment des eigenen Selbstbezugs zu integrieren in der Lage sein soll. Für die Reflexion des Wesens, in welche sich das Übergehen zurückgebeugt hat, bildet die Unmittelbarkeit die aufgehobene und eingeholte Voraussetzung, auf die es in seiner negativen Selbstidentität gleichwohl bezogen bleibt. Die auf der Basis des wesentlichen Selbstbezugs einsetzende Bewegung, in welcher die Selbständigkeit sich gegen die Abhängigkeit von anderem und mit Ausschluß (oder totaler Subsumtion) des ändern zu realisieren trachtet, führt zum absoluten Widerspruch, zur Selbstbehauptung als Selbstauflösung; als dieser Gipfelpunkt bildet der Widerspruch das Zentrum und den Wendepunkt der Logik insgesamt. Die darauf folgende Fortbestimmung des Wesens zum Begriff hin ist die Ausführung jener entgegengesetzten Bewegung, durch die das Wesen in seinen Grund zurückgegangen ist. Im Begriff selber sollen nun die beiden Richtungen in ihrer Konvergenz, die beiden Bestimmungsmomente in ihrer absoluten Einheit und Identität offenbar werden; dies meint die Rede von der Identität von Anundfürsichsein und Gesetztsein. Ihre Identität bedeutet nicht nur ihr aufeinander Angewiesensein — ein solches hat sich auch schon an früherer Stelle ergeben —, sondern ihr durcheinander Vermittelt- und Konstituiertsein. Die Selbständigkeit des Subjekts erhält erst dadurch Konsistenz, daß sie im ändern, in der „Natur der Sache," durch welche sie sich zunächst bedingt und begrenzt fühlt, ihr eigenes Wesen und Setzen wiedererkennt, dadurch, daß Selbstsein und Bestimmtsein ihre Fremdheit gegeneinander verlieren und in ihrer Identität offenbar werden. Freiheit, ihrem Begriffe nach gefaßt — welcher der Begriff ist —, meint nicht die Radikalisierung des Selbstseins durch Tilgung aller (naturgemäß mit der Äußerlichkeit befaßten oder von dieser affizierten) Bestimmtheit — so schlüge sie ins radikal Unfreie des „Bösen" um (vgl. R §§ 139 f.). Vielmehr sollen in ihr gerade die beiden Hauptstränge der bisherigen Bewegung, das sich Zurückwenden auf das eigene Selbst und das sich Zuwenden zu dem, was schlechthin da ist, zusammengebracht werden. In der Erhebung zum Begriff verliert allerdings auch die als Äußerlichkeit auftretende Objektivität die Bedeutung des schlechthin Fremden, dem Selbst Gegenüberstehenden. Im Gegenteil wird hier offenkundig, daß dasjenige, was dem
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Selbst unverfügbar gegenüberstand, über es kam oder von ihm abgewehrt werden sollte, aus dem gleichen Grund konstituiert ist wie das Ich selbst, aus dem Grund des Begriffs, welcher Freiheit ist: dies Offenkundigwerden meint die Einsicht in die Notwendigkeit, in die Wahrheit dessen, was da ist. So vereinigen sich in der begrifflichen Version der Freiheitsidee deren „positiver" und „negativer" Aspekt. Die wahre Selbständigkeit und Unabhängigkeit erreicht Freiheit gerade dadurch, daß sie sich nicht gegen anderes versteht und realisiert, sondern die Wirklichkeit selber in ihrer „Vernünftigkeit", unter der Form der Vernunft, begreift, weil Wirklichkeit gar nicht anders wahr zu denken ist, ja weil überhaupt Denken nicht anders wahr sein kann. Die so umrissene Vereinigung von Selbstsein und Bestimmtsein im Begriff gibt die Figur ab, nach welcher auch die Geistesphilosophie die Freiheit des Willens als „Selbstbestimmung des Ich" faßt, welche darin besteht, „in einem sich als das Negative seiner selbst, nämlich als bestimmt, beschränkt zu setzen und bei sich, d. i. in seiner Identität mit sich und Allgemeinheit zu bleiben, und in der Bestimmung, sich nur mit sich selbst zusammenzuschließen" (R § 7). Die Dialektik von Allgemeinheit, Besonderheit und Einzelheit ist die weitere begriffliche Ausführung des mit dem Begriff erreichten „Freiheitsniveaus". Sie ist es auch, welche das nähere Explikationsmuster für die spezifisch „begriffliche" Realisierung der Freiheit in der Sittlichkeit liefert49. In dieser sollen das abstrakte Prinzip der „reinen Gewißheit seiner selbst" mit der ebenso „abstrakten Allgemeinheit" des objektiv Guten „zur absoluten Identität" zusammengeführt werden (R § 141). Daß das Einzelne im Allgemeinen die eigene Selbständigkeit behaupten und auch erst realisieren kann, ist nur dadurch gewährleistet, daß dieses Allgemeine ihm als mit dem eigenen Prinzip der Freiheit identisch, als durch dieses konstituiert begreifbar wird; erst die bewußte Aneigung der ansichseienden Identität vermag das Subjekt zu „befreien", es mit geschichtlicher Wirklichkeit zu „versöhnen". Zwar gehört so zur Bestimmung von Freiheit die Leistung des Denkens, daß das „Subjekt" in der „Objektivität" zu sich selber findet und Einsicht gewinnt in deren mit seiner eigenen Freiheit konvergierende vernünftige oder begriffliche Verfassung. Gleichwohl fällt es schwer, darin schlicht so etwas wie ein Selbstbewußtsein totaler Aneigung zu sehen, in welchem sich gesellschaftliche Wirklichkeit ideell widerspiegelt und ideologisch zu recht49
Vgl. Teil II.
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fertigen sucht50. Im Gegenteil wäre eher zu sagen, daß die hier gezeichnete Struktur des Begriffs ein Verhältnis der Anerkennung im weitesten Sinn beinhaltet. Die Vereinigung von An- und Fürsichsein und Gesetztsein soll nicht nur die Abführung des Fremden ins Eigene, sie soll auch erst das Setzen des wirklichen Anundfürsichseins, der „Objektivität" (L II255) sein. Der „Anerkennungscharakter" der Begriffsstruktur kann vielleicht sogar in dem spezifischeren Verständnis genommen werden, daß die Verhältnisweise des Begriffs ein freies Verhältnis zu anderem, welches selber als frei gewußt wird, impliziert. In der Versöhnung des Einzelnen mit dem Allgemeinen, in welcher sich erst die wahre Allgemeinheit realisiert, scheint auch so etwas wie ein realer Intersubjektivitätshorizont eröffnet zu werden. Erst dadurch, daß das Einzelne im Ändern nicht mehr seine Selbständigkeit bedroht sieht, vermag es auch das Andere als wirklich selbständiges anzuerkennen. In der Rehabilitierung der Objektivität und der damit einhergehenden Schaffung wahrer Allgemeinheit wird Raum geschaffen für die Begegnung selbständiger Einzelner, die nun in analoger Weise ihre Selbstbehauptung nicht mehr in Ausschluß- oder Subsumtionsverhältnissen suchen müssen. Auch ist die Allgemeinheit, in welcher sich das einzelne Subjekt bewegt, eine notwendigerweise intersubjektiv konstituierte. Auf diese Zusammenhänge verweist die Geistesphilosophie, wenn sie das freie Anerkennungsverhältnis dort einsetzen läßt, wo das Selbstbewußtsein sich zur Allgemeinheit emporgearbeitet hat, zum „allgemeinen Selbstbewußtsein" geworden ist (vgl. E § 436). Auch der Anerkennungsbegriff selber scheint dort Ähnliches ins Auge zu fassen wie die logische Erhebung zum Begriff: es geht darum, der Selbständigkeit des Selbst durch sein Ge50
So sieht Marcuse in der Hegeischen Konstruktion eine Freiheitsauffassung niedergelegt, in der „Freiheit im Selbstbewußtsein völliger Aneignung terminiert". „Der Begriff der Freiheit in der Philosophie des Rechts weist auf die wesentliche Beziehung zwischen Freiheit und Denken, wie sie in der Logik dargestellt wird, zurück. Die Wurzel jener Beziehung wird jetzt in der Gesellschaftsstruktur bloßgelegt, womit zugleich der Zusammenhang zwischen dem Idealismus und dem Prinzip des Eigentums enthüllt wird. Bei der Durchführung der Analyse verliert die Hegeische Auffassung ihren kritischen Inhalt und dient schließlich Zu einer metaphysischen Rechtfertigung des Privateigentums" (Vernunft und Revolution 204; 170). — Wenn fraglich ist, ob schon die „inhaltliche" Interpretation der logischen Strukturen selber zutrifft, so bleibt noch mehr die (auch in ähnlichen Kritiken anderer Autoren) verfolgte Methode zweifelhaft, die ideologische Entlarvung der Rechtsphilosophie durch den Aufweis vager Strukturanalogien und verbale Kongruenzen leisten zu wollen. — Vgl. auch Herbert Schnädelbach, Zum Verhältnis von Logik und Gesellschaftstheorie bei Hegel; ähnlich Sohn-Rethel zur Kantischen Philosophie.
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wußtsein im ändern wirkliche Konsistenz zu verleihen, dem Selbst zu ermöglichen, sich selber als freies zu manifestieren, zu wissen und bestätigt zu finden, um es so zur „Wahrheit der Gewißheit seiner selbst" zu führen. Trotz alledem kann nicht gesagt werden, daß die spezifischen Momente, welche die begriffliche Fassung der Freiheit ausmachen, ihrer „inhaltlichen" Bedeutung nach in erster Linie IntersubjektivitätsVerhältnisse anvisierten. Was vom Begriff primär expliziert wird, ist der Freiheitsbegriff als solcher, in seiner wesentlichen Funktion wirklicher Selbstbestimmung; die logische Explikation von InterSubjektivität, welche selbstverständlich auch in der Begriffsform ihr Zentrum zu suchen hat, ist selber zunächst Folge oder Moment des umfassenderen Freiheitsbegriffs, der im Begriff zur Sprache kommen soll. Dieser Freiheitsbegriff bleibt als Erkennen oder Denken des Notwendigen auch auf einen umfassenderen (als den spezifisch intersubjektiven) Anerkennungsbegriff verpflichtet, der Voraussetzung des Beisichseins-im-andern überhaupt ist. Die Anerkennungsproblematik scheint dem Begriffsverhältnis auch insofern nahezuliegen, als in ihm die einseitigen Macht- und Gewaltverhältnisse, in welche die Substantialität geführt hatte, überwunden sind. 50 lautete zumindest das Fazit der bisherigen Deutung. Wie aber sind nun jene Stellen zu verstehen, wo Hegel auch im Kontext des Begriffs von Macht spricht, ja den Machtbegriff mit dem Begriff selber in Verbindung zu bringen scheint ? Bleibt das, was bisher unter dem Titel der Macht erörtert wurde, auch für den Begriff zutreffend, oder erhält es gar erst hier seine volle Geltung51? Dazu ist als erstes zu sagen, daß die Macht, wo sie vom Begriff ausgesagt wird, meistens mit einer nähern Qualifikation genannt wird; die Macht als solche bezeichnet die Ausübung der Notwendigkeit und bleibt spezifisches Merkmal der Substanz. Im Kontext des Begriffs wird sie in Zuordnung zur Allgemeinheit die „freie Macht" (L II 277) oder auch die „schöpferische Macht" (L II279) genannt, der Begriff selber als die „für sie seiende substantielle Macht" (E § 160), „die absolute reine Macht" (Jen. Realph. II 267) oder als „für sich die Macht der Notwendigkeit" (E § 159A) bezeichnet. Im Gegensatz zu Theunissen, für den in der Rede vom „machthabenden Begriffe" (L II466) „das Attribut Erläuterung des Sinnes sein [möchte], der analytisch im Subjekt liegt"52, und der den so spezifizierten Begriff mit dem 51 52
Vgl. zu dieser Problematik: Theunissen, Begriff und Realität (besonders Teil V), und: Krise der Macht. Begriff und Realität 192.
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„Begriff schlechthin" gleichsetzt53, soll hier die These vertreten werden, daß Macht zwar dem Begriff innewohnt, aber nicht seine höchste noch spezifische Bestimmung ausmacht. Sie bleibt konstitutives BegrifFsmoment, indem sie gerade als bloße Macht überwunden, aufgehoben und in ihre eigene Wahrheit, die Manifestation, integriert ist. Gerade dies meint die Rede vom „Fürsichsein", „Gesetztsein", oder von der „Freiheit" der Macht, welche in eben dem Sinne zu verstehen ist, in welchem sich die Aufhebung der Notwendigkeit als „Enthüllung", als Fürsichwerden oder Gesetztwerden zeigte. Die „freie Macht" (L II 277)54 hebt nicht primär auf die Machtkomponente des allgemeinen Begriffs ab, sondern auf den Freiheitscharakter der in diesem enthaltenen Macht. Gerade in dieser Modifikation kann sie sich als ein nicht „Gewaltsames" (ebd.) realisieren, braucht sie nicht wie die Macht als solche notwendigerweise in Gewalt zu terminieren, weil sie sich im „Übergreifen" auf eines bezieht, dessen Subordination bereits aufgehoben ist, und das in seinem Gesetztsein sich bereits als identisch mit dem Ansichsein erwiesen hat55. Macht bewegt sich hier in einer Konstellation, in der sie selber schon nicht mehr als Macht mit ihrem latenten Gewaltcharakter zur Ausübung gelangt. Freie oder für sich gewordene Macht enthält in sich, als „gewußtes" Moment, den Prozeß ihrer Entfaltung, der sie gerade auf dem Paroxysmus des Ubergreifens zur Ohnmacht werden ließ und die Gleichwertigkeit der bezogenen Selbständigen offenbarte. Wie die vollendete Substanz aber, so ist auch die „gesetzte" oder „freie" Macht — als Macht, die so den Prozeß ihrer Entfaltung in sich vollendet hat — nicht mehr die Macht selber, „sondern ... ein Höheres" (L II249). Gewiß bleibt auch der Begriff, dessen Verhältnisweise ihren spezifisch „machtmäßigen" Charakter überwunden hat, insofern „mächtig", als er die Kraft zur Selbstverwirklichung als „Macht" über das andere besitzt, als die Kraft, im ändern sich selber zu realisieren; doch bleibt dies, solange es nicht durch den spezifisch begrifflichen Modus der Selbstrealisation ergänzt wird, ein selber nur subordiniertes Moment seiner Wahrheit56. 63 54 55
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Krise der Macht 318. Von Hegel so betont. Man könnte hinzufügen, daß der Machtaspekt an dieser Stelle (L II 277) dadurch hereinkommt, daß von der spezifischen Bestimmung des Allgemeinen die Rede ist, welches gerade die Seite des im-andern-^«'-j-/V/i'-Seins, die Herstellung der eigenen Selbstidentität betont. In diesem Sinn kann auch die Rede vom „machthabenden Begriffe" (L II 466) verstanden werden, die sich gerade auf die absolute Minimalaussage bezieht, daß
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Zusammenfassend kann gesagt werden, daß sich im logischen Übergang vom Wesen zum Begriff die Genese einer Struktur vollzieht, welche plausiblerweise als Form des Subjekts, des Ich, der Freiheit bezeichnet werden kann. Hegel selber macht auf die Konvergenz zwischen Begriff überhaupt und Ich-Begriff aufmerksam. Die im Begriff vollzogene Befreiung „als für sieb existierend'''' (E § 159A) ist „nichts anderes als Ich oder das reine Selbstbewußtsein" (L II253). Ich meint sowohl das absolute Selbstverhältnis, das reine Beisichsein — die Allgemeinheit — wie das absolute in sich Bestimmtsein, die „individuelle Persönlichkeit1'' (ebd.) — die Einzelheit. Genau die begriffsmäßige Identität der beiden Bestimmungen — daß das Anundfürsichsein schlechthin Gesetztsein ist und umgekehrt — definiert „die Natur des Ich"; vom Begriffe wie vom Ich „ist nichts zu begreifen, wenn nicht die angegebenen beiden Momente zugleich in ihrer Abstraktion und zugleich in ihrer vollkommenen Einheit aufgefaßt werden" (L II253). Die Natur des Ich ist zugleich die Natur des begreifenden Denkens. Einen Gegenstand begreifen heißt für das Ich, ihn „in seine eigene Form, d. i. in die Allgemeinheit, welche unmittelbar Bestimmtheit, oder Bestimmtheit, welche unmittelbar Allgemeinheit ist", zu bringen (L II255); denn die „eigene" Form ist als die des Begriffs die Form der Wahrheit. Im Denken erst ist der Gegenstand, wie er an und für sich ist, in seiner Wahrheit erfaßt, und zugleich die interne Struktur, welche dieses Wahrsein ausmacht, als die eigene Natur des Ich gewußt. So wird das Denken als solches zu einem Verhältnis der Freiheit; das Ich weiß sich in dem, was die Wahrheit des Wirklichen ausmacht, mit seinem innersten Grund zusammengeschlossen. Die begriffliche Figur, welche diesen Grund wie diesen Zusammenschluß nachzeichnet, bildet die Grundfigur von Freiheit überhaupt. Im Fürsichwerden der „Macht der Notwendigkeit", im Innewerden der Identität des eigensten Selbst mit dem Ansichsein der Objektivität, in der begreifenden Einsicht in die innere Natur des Wahren — in all dem, was unter dem Begriff der Manifestation zusammengefaßt wurde, gibt der Begriff ein Bild „wirklicher Freiheit" (E § 159A). Wirklichkeit — oder Wahrheit — erlangt die Freiheit eben durch die „Manifestation": dadurch, daß sie nicht nur faktische Selbstverwirklichung im ändern ist, sondern daß sie sich selber als frei weiß, realisiert und bestätigt findet. Wirklich frei kann nur der sein, der weiß, auch noch das Schlechteste, solange es überhaupt ein an ihm selber Bestimmtes ist, seinem Begriff irgendwie entspricht.
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daß er frei ist, dem es in der Verwirklichung seiner Freiheit um diese Freiheit geht. Wirkliche Freiheit fordert das Ausgerichtetsein auf Freiheit. Diese Selbstreflexion im Beisichsein zu realisieren, ist die Errungenschaft der „Selbsttransparenz" des Begriffs. Gleichwohl ist mit dem Eintritt in die Sphäre des Begriffs das Reich der Freiheit erst „eröffnet" (L II251), noch nicht erfüllt. Die weitere Entfaltung dieser „Freiheit, die den Inhalt und Zweck der Freiheit hat" (E § 482A), bildet den „Inhalt" der ausgeführten Begriffslogik. Ihren Abschluß findet sie dort, wo Freiheit in ihrer Selbstbezüglichkeit zugleich zur letzten Verständigung über sich gelangt. Das Wissen, was Freiheit ist, ist im Wissen, daß Freiheit ist, zwar an sich enthalten und angesetzt, nicht aber in seiner vollen Bestimmtheit expliziert. Die Freiheit, die nicht mehr nur sich selber intendiert, sondern die zudem weiß, was sie will, indem sie die Freiheit will, bildet den letzten, nicht mehr überbietbaren Freiheitsbegriff. Zugleich wird darin die logische Bestimmung des Wahren zu ihrer letzten Selbstaufklärung gelangt sein.
Exkurs III: Die Reproduktion des Kapitals Um den Horizont für die Freiheitsdimension der Logizität des Begriffs zu erweitern, soll erneut das Marxsche Kapital als Kontrastpunkt herbeigezogen werden. Wir sind bereits auf eine grundsätzliche Analogie gestoßen in der Tatsache, daß ähnlich wie im Begriff der Schein der Andersheit, welcher dem Wesen noch anhaftet, ganz in die Selbstbeziehung zurückgenommen wird, so in der Reproduktion des Kapitals der Schein zurückgenommen wird, als würde das Kapital in der Warensphäre der Zirkulation auf ein ihm Fremdes angewiesen sein; die Mehrwertproduktion setzt sich für sich selber als übergreifendes Ganzes. Gerade durch diese Zurücknahme des Vorausgesetzten ins eigene Setzen wird das Kapital reale Totalität und Subjekt. Wenn dieser letzte Charakter allerdings als Pseudosubjektivität angesprochen wurde, so ist damit bereits auf jenes Moment angespielt, wodurch sich die Kapitalkonstitution von der Herausarbeitung des Begriffs unterscheidet. Weil das „Wesen" des Kapitals nicht Wesen im Sinn der Logik ist, kann auch seine Erhebung zum „Begriff" nicht jene Forderungen erfüllen, welche der logische Übergang zum Begriff vorzeichnet; ja, wie die Wesensstruktur des Kapitals sich als eine gegenüber der Wesenslogik verkehrte — oder auch eine in sich selber, gegen die eigene Wahrheit verkehrte — erwies, so wird in der „Reproduktion" zwar einerseits das intendiert und auf der Ebene realer Unwahrheit verwirklicht, was die Struktur des reinen Begriffs vorbildet, dies aber doch so, daß sich darin die Ambivalenz des Wesens radikalisiert zur schlichten Unwahrheit des Begriffs, der als in sich verkehrter zum Unbegriff wird.
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Die Ambivalenz des Wesens bestand in der Zweideutigkeit, mit welcher dieses seine Voraussetzungen einholte. Die „unmittelbare" Voraussetzung des Kapitals, das Vorhandensein eines freien Warenmarktes, wird von ihm so eingeholt, daß sie als Resultat seiner eigenen Realisierung gesetzt wird, nun aber nicht mehr als universelle Geltung des Tauschgesetzes, sondern gerade als Bedingung für die Aneignung ohne Austausch. Gleichwohl muß das Kapital ebenso wesentlich den Schein jener Geltung erzeugen, auf die es sich zu berufen hat. Dies wurde als „Leistung" der „realen Abstraktion" verstanden, welche die Trennung von Zirkulationssphäre und Produktionssphäre so erhält, daß jene trotz ihrer faktischen Subordinierung unter diese in ihrer Intaktheit bewahrt scheint, ja daß sie gerade als das Ganze, als Prinzip der kapitalsmäßigen Aneignung selber erschien. Ebenso hat sich gezeigt, daß dieser Schein gleichwohl in der „realen Subsumtion" — in der Transformation der in den „Tausch" eintretenden „Arbeitskraft" durch die Eigengesetzlichkeit der Produktion — aufgehoben wird und sich gegen sich selber wendet. Vollends soll dies nun in der Reproduktion offenbar werden, die nicht mehr nur eine „Ware", sondern das Kapitalverhältnis selber zum Produkt hat. Die Produktionssphäre hat sich hier all das integriert, im Gegensatz wozu sie sich ursprünglich faßte, und es zum bloßen Moment ihrer selbst gemacht: Konsumtionssphäre (MEW 23, 417), ZirkulationsSphäre (GR 311), die Person des Arbeiters selbst. Die ideologische Trennung der Gesichtspunkte wird vom realen Prozeß selber zunichte gemacht, die Selbständigkeit der Zirkulation noch in der Erscheinung negiert; die „fictio juris des Kontrakts" (MEW 23, 599) ist als Fiktion offenbar, das „Verhältnis des Austausches . . . gänzlich weggefallen" und „bloßer Schein" geworden (GR 362, vgl. Res. 86). So scheint in der Tat das Kapital in ähnlicher Weise wie der Begriff ein „Selbstverhältnis im ändern" zu erreichen. Indem das Kapital auch in seiner erscheinenden Realität zum übergreifenden Allgemeinen wird, löst es die Relationalität des „Wesens" auf, überwindet es die Gebundenheit an das andere, das als sein „eigenes" Moment in die Identität mit ihm zurückkehrt. Jedoch ist dieses „Selbstverhältnis" eines, das weder sein kann noch sein darf, und zwar beides aus dem gleichen Grund: weil es ein durch Macht erzwungenes und seine „Vereinigung" total gewordene Herrschaft ist. Nicht sind es, wie bei Hegel, zwei Totalitäten, welche sich als nur je in der ändern ihr Wesen besitzende offenbaren. Das Kapital ist gerade dasjenige, welches sich auf Kosten der es konstituierenden Arbeit und durch die vollständige Herrschaft über sie verselbständigen und zum alleinigen Ganzen machen will. Sein reales Funktionieren ist das Einverleiben und Unterdrücken der ändern, es konstituierenden Totalität. Gleichwohl darf es nicht als Herrschaft auftreten, darf es nicht in deren Gestalt seine Ganzheit realisieren. Zwar setzt es sich faktisch als Ganzes, aber so, daß es seinen Gegensatz zur Formalität der Zirkulationssphäre — aus der es die Arbeit bezieht — stets aufs neue setzt und gerade dies sein Gegenüber als das Ganze ausgeben will. Der Schein, der ihm zum „bloßen" Schein herabsinkt, bleibt für das Kapital nichtsdestoweniger ein „notwendiger Schein" (GR 409). Zu den Existenzbedingungen des Kapitals gehört wesentlich, reale Macht zu verschleiern und damit Gegenmacht tendenziell zu entkräften. Im Gegensatz zur Erhebung der Substanz in den
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Begriff findet hier alles andere als eine Enthüllung oder Manifestation statt; anstelle dessen, daß die noch innere Identität und Gleichwertigkeit zweier selbständiger Totalitäten gesetzt und offenbart würde, wird sie gerade radikal verdeckt und ihr Ausbruch verunmöglicht. Der Abbruch von Vermittlungen und die daraus resultierende Undurchsichtigkeit der realen Verhältnisse, wie sie durch die reale Abstraktheit der Warensphäre bedingt war, werden hier nicht in die Transparenz subjektiver Selbstverhältnisse aufgehoben, sondern in der völügen Subjekt-Objekt-Verkehrung radikalisiert. Die in der Warenproduktion angelegte Entsubjektivierung des Individuums wird damit total. In der Warenproduktion blieb das Individuum Ursprung der Wertschöpfung, wenn auch diese nur vermittelt über ihm äußerliche Mächte sich vollziehen kann. Hier nun verselbständigen sich diese Mächte und spielen sich selber zum Erzeugungsgrund des Werts auf; es wird nicht mehr nur die Vermittlung des Werts durch qualitativ bestimmte, sondern durch Arbeit überhaupt unterschlagen: „Es tritt auch die dem Kapitalverhältnis immanente Mystifikation ein. Die Werterhaltende Kraft der Arbeit erscheint als Selbsterhaltungskraft des Kapitals, die Wertschöpferische Kraft der Arbeit als Selbstverwertende Kraft des Kapitals, und im Ganzen, dem Begriff nach, die vergegenständlichte Arbeit als Anwender der lebendigen" (Res. 47; vgl. MEW 23, 169, 454). „Alle Kräfte der Arbeit projektieren sich als Kräfte des Kapitals" (MEW 23, 634; vgl. 381; GR 706). Je mehr das Kapital seine innere Natur entfaltet und sich seinem Begriff annähert, desto mehr schwindet jede Möglichkeit von Transparenz (vgl. MEW 25, 58). In seiner letzten Gestalt als „zinstragendes" Kapital erreicht es „seine äußerlichste und fetischartigste Form" (MEW 25, 404): Geld als Kapital wird von sich aus wertschaffend. Das Kapital „verhält sich als Grund zum Mehrwert als dem von ihm Begründeten. Seine Bewegung besteht darin, indem es sich produziert, sich zugleich als Grund von sich als Begründetem, als vorausgesetzter Wert zu sich selbst als Mehrwert oder zu dem Mehrwert als von ihm gesetztem zu verhalten" (GR 631). Damit gewinnt es jene PseudoSubjektivität der reinen Selbstbeziehung: „das Kapital als Verhältnis sich selbst" (MEW 25, 58). Als erzwungenes ist dieses „subjektive" Selbstverhältnis in keiner Weise Versöhnung von Subjekt und Objekt, sondern absolute Herrschaft der Objektivität. Die Herstellung des „begriffsmäßigen" Selbstbezugs führt im Kapital gerade nicht über jene Macht- und Gewaltverhältnisse hinaus, die im Begriff des Begriffs überwunden sein sollten. Die angedeutete Ambivalenz des „Wesens" ist im Begriff radikalisiert. Das Kapital stellt sich zwar nach außen hin als das Ganze dar. In Wahrheit aber ist es selber als Ganzes durch sein real Anderes, von ihm Beherrschtes, durch die Arbeit konstituiert. Um diese reale Verkehrtheit nicht erscheinen zu lassen, erzeugt es auf der Formebene erneut den Schein, als ganzes nicht Aneignung, sondern Tausch zu sein, d. h. sein Prinzip nicht in der (kapitalistisch spezifizierten) Produktion, sondern in den Gesetzen der Zirkulation zu haben. Das ewige Erzeugen des realen Scheins der Freiheit und dessen unabläßiges Überwinden in der Subsumtion unter die Produktion ist das notwendige Schicksal des Kapitals. Im Gegensatz zur internen Entgegensetzung des Begriffs, der ja auch „den härtesten Gegensat^ in sich. . . ewig erzeugt und ewig überwindet" (L II 468), ist dieser Prozeß
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für das Kapital nicht Ausübung der eigenen Souveränität, sondern unverfügbares Fatum, Unfreiheit; weil sein real Anderes nicht als anerkanntes, sondern als unterdrücktes in den Zusammenschluß mit sich integriert ist, gelangt das Kapital auch nicht zur „Ruhe", „Sicherheit und Gewißheit" des Begriffs (ebd.), sondern bleibt sein „im-andern-Beisichsein" höchste Gefährdung. Die Relationalität wird in der Vollendung des Kapitalbegriffs nicht überwunden, sondern bleibt in höchster Form bestehen: Kapital kann sich nur reproduzieren durch sein Anderes, dem es sich ebenso wesentlich als das es Beherrschende entgegensetzt. Es mögen noch zwei Punkte angedeutet werden, welche die Differenz dieser falschen Totalität, die sich durch Unterdrückung der wahren etabliert, gegenüber der spezifischen Verhältnisweise des Begriffs markieren. Der erste betrifft die Beziehung von Allgemeinheit und Einzelheit und näher die Unmöglichkeit, im Kapitalverhältnis einen spekulativen oder konkreten Begriff vom Allgemeinen zu entwickeln. Die reale Abstraktheit des Anfangs macht sich im Fortgang so geltend, daß die Allgemeinheit nicht nur mit dem Einzelnen unversöhnt bleibt, sondern sich ihm gegenüber immer mehr entfremdet. Wie der abstrakte Tauschwert durch seine Reflexion in sich — und nicht durch Vermittlung über seinen verdrängten Ursprung, die konkrete Arbeit — sich zum Kapital etabliert, so wächst im gesellschaftlichen System der Zwang des Allgemeinen über den Einzelnen: der Fetischcharakter, der schon mit der Warensphäre als solcher gesetzt ist, erhöht sich in den konkreten Erscheinungsformen des Kapitals für die unter es Subsumierten. Es folgt aus der Logik dieser abstrakten Allgemeinheit, daß diese letztlich nur in pervertierter Form, als selber Partikulares, auftreten kann und gerade auf die wirklichen Bedürfnisse der Individuen als wahre Instanzen des Allgemeinen rekurriert werden muß57. Die Vormacht des Allgemeinen verhindert die wirkliche Konkretion des Begriffs. Abstraktion wird darin nicht zum (selber konkreten) Moment der absoluten Konkretion der Einzelheit. Wie die Verschleierung der wirklichen Verhältnisse durch fiktive Trennung, als „Abstraktion in actu" (MEW 24, 109) zustande kam, so wird der „Begriff" als das Gesetztsein dieser Verschleierung — in welcher zugleich das absolute Gewaltverhältnis, selber auf absoluter Trennung beruhend, radikalisiert wird — zum schlechthin Abstrakten58. Der zweite Punkt bezieht sich auf die in der Idee erreichte „absolute Einheit des Begriffs und der Objektivität" (E § 213). Die Divergenz von «· 87
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Vgl. Horkheimer, Kritische Theorie II 251': „Die Überwindung [des Widerspruchs von Individuum und Gesellschaft] vollzieht sich im realen historischen Kampf, zwischen jenen Individuen, welche die Bedürfnisse und Fähigkeiten, das heißt die Allgemeinheit, und jenen ändern, welche die erstarrten Formen, das heißt partikulare Interessen vertreten." Die hier dargelegte Real-Abstraktheit wird in der Erörterung der Rechtsphilosophie mit jenem Abstrakt-Allgemeinen in Beziehung zu setzen sein, das Hegel der Reflexionsphilosophie, besonders in ihrer ethischen Dimension (Gegenüberstellung von Einzelnem und Gesetz etc.), vorwirft, das aber seine Wurzeln selber im unangemessenen Verständnis des logischen Zusammenhangs von Allgemeinem und Einzelnem hat.
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Wesen und Erscheinung vertieft sich zum absoluten Selbstwiderspruch des Begriffs. Der Kapitalsbegriff ist ein solcher, der die Unmöglichkeit seiner Verwirklichung impliziert; Kapital existiert, aber nicht als das, was zu sein es beansprucht. Weil ihm aber der Schein selber sozusagen begrifflich notwendig ist und es sich gar nicht als das realisieren und offenkundig machen kann noch darf, was es in Wahrheit ist, muß umgekehrt auch gesagt werden, daß das Kapital gerade in seiner Nicht-Entsprechung seinem Begriff entspricht. Diese Doppelseitigkeit, welche als solche die Unwahrheit alles Endlichen kennzeichnet59, indiziert in ihrer Verhärtung die absolute Unwahrheit des Kapitals. Das Kapital ist das sich fälschlicherweise zur Posivität aufwerfende rein Negative, das sich in seiner vollen Verwirklichung zu überwinden hat. Dieses Merkmal, auch als „Dysteleologie" beschrieben60, ist es, was das Kapital selber zum „Wendepunkt", zu einer nur „gegensätzlichen Form der Entwicklung" macht (GR 26)ei. Nicht nur soll hier die Abhebung gegen Hegel eine Differenz zwischen Kapitalbegriff und „logischem" Begriffsmodell festmachen; es ist der eigene Begriff von sich selber, den das Kapital negiert und tendenziell destruiert. In diesem absoluten Widerspruch festgehalten, ist das Kapital schlichter Unbegriff.
D. Die absolute Idee und die Methode Nicht selten kann in Kommentaren zur Hegeischen Logik eine gewisse Verlegenheit gegenüber dem Schlußkapitel — welches dann meist als Methodentraktat umschrieben wird — festgestellt werden. Sie rührt daher, daß gar nicht zur Klärung kommt, was eigentlich Gegenstand dieses Abschnittes ist, und eine rein methodologische Erörterung im üblichen Sinn nach dem vorausgehenden stringenten Aufbau wohl kaum mehr als ein Anhängsel sein dürfte. Wenn auch hier ein spezifischer Ort ist, an den sich eine Diskussion der Methode der Logik — unter anderem — wenden muß, so ist doch eigentliches Thema dieser Methodenerörterung nicht die Darstellungsweise der Logik selber, „sondern das, was in ihr zur Darstellung kommt"62. Es soll deshalb auch hier nicht primär eine inhaltliche Nachzeichnung der Methode, wie sie in diesen Abschnitten zur Sprache kommt, sondern vor allem eine Präzisierung dessen, was in ihrer Erörterung selber Thema wird, sowie seiner ausgezeichneten Stellung am Ende der Logik unternommen werden. 59
Vgl. Theunissen, Begriff und Realität 180. Z. B. bei K. Hartmann, Die Marxscbe Theorie. 81 Vgl. R § 358: die „absolute Negativität" als der „an und für sich seiende Wendepunkt". 82 Henrich, Hegel im Kontext 103. 60
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„Der einzige Gegenstand und Inhalt der Philosophie", schreibt Hegel, ist die absolute Idee. „Indem sie alle Bestimmtheit in sich enthält, und ihr Wesen dies ist, durch ihre Selbstbestimmung oder Besonderung zu sich zurückzukehren, so hat sie verschiedene Gestaltungen, und das Geschäft der Philosophie ist, sie in diesen zu erkennen" (L II 549). Wie ihre Erkenntnis in der Gestalt der Natur und des Geistes nun „Geschäft der besonderen philosophischen Wissenschaften" ist, so besteht das Geschäft der Logik darin, sie als „logische Idee", als „sie selbst in ihrem reinen Wesen" zu erkennen (L II549f.). Dies soll nun im Schlußabschnitt der Logik in letztgültiger Fassung geschehen. Daß die absolute Idee als alleiniger Inhalt der Philosophie überhaupt bezeichnet werden kann, beruht auf dem doppelten Tatbestand, daß erstens das Logische sich als Grundlage und Wahrheit der „Sache" oder des Wirklichen schlechthin erwiesen hat, und daß anderseits die absolute Idee als letzte „Bestimmung" des Begriffs auch dessen ganze Wahrheit, die Wahrheit des Logischen überhaupt ausdrückt. Mit der ersten Beziehung werden wir uns bei der Betrachtung der Logik als ganzer noch zu beschäftigen haben (I.2.B.); die Klärung der zweiten bildet die spezifische Aufgabe der Erörterung der absoluten Idee. Wie muß diese beschaffen sein, damit sie die abschließende Bestimmung des Wahren, dessen letzte denkmögliche Form überhaupt, und imgleichen die Wahrheit aller bisherigen Denkformen darstellen kann? Im Rückblick auf diese soll die absolute Idee sowohl darüber aufklären, was der letzte Grund der dialektischen Bewegung des so sich fortbestimmenden Gedankens ist, wie auch darüber, was die „eigene" Wahrheit der besondern Gedankenbestimmungen ausmacht, inwiefern diese sozusagen an der absoluten Wahrheit partizipieren. Das Licht, das die absolute Idee so auf die einzelnen Begriffsbestimmungen wirft, ist gar nicht unterschieden von dem, was den eigenen Gehalt und die eigene Wahrheit der absoluten Idee bildet; ihr Inhalt ist vielmehr die vollständig realisierte Transparenz des Logischen überhaupt. Diese Konstellation ist durch Klärung der „Natur" der absoluten Idee näher zu explizieren und zu begründen. Die Idee als solche ist der Begriff, der sich völlig in die Objektivität eingebildet — oder diese sich vollständig angemessen gemacht — hat, sie ist der „adäquate Begriff, das objektive Wahre oder das Wahre als solches" (L II462; vgl. 271). Die absolute Idee nun ist dieser adäquate Begriff, der sich selber in adäquater Weise realisiert hat und für sich geworden ist, das Wahre oder die Idee in ihrem vollen Gesetzt- und
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Erkanntsein, die „sich wissende Wahrheit" (L II 549) oder „die sich selbst denkende Idee" (E § 236). In ihrer absoluten Selbstadäquation enthält die Idee in sich keine Trennung mehr von Ansichsein und Gesetztsein, von explizitem und implizitem Aussagegehalt, von Unbestimmtheit und Bestimmtsein, von Selbstbestimmung und kontextgebundener Fremdbestimmung; alles was die absolute Idee irgendwie ist, ist sie durch sich selber. Sie enthält dadurch „alle Bestimmtheit in sich" (L II 549), daß sie sich für sich selber als Prinzip jeglicher Bestimmung manifestiert hat; ja sie hat gerade dies zu ihrem Inhalt, daß jegliche Bestimmtheit des Begriffs eine durch dessen absolute Selbstbestimmung gesetzte ist, m. a. W. „daß die Bestimmtheit nicht die Gestalt eines Inhalts hat, sondern schlechthin als Form" ist (L II 550). Indem die absolute Idee aus dem „Verlauf dieser Bestimmtheit . . . für sich hervorgegangen ist" (L II 550), offenbart sie sich als „die reine Form des Begriffs, die ihren Inhalt als sich selber anschaut" (E § 237). Sie ist an ihr selber die „unendliche" oder „absolute Form" (L II 550; 568); auch die Logik kann in diesem Sinne als „Wissenschaft der absoluten Form" bezeichnet werden, welche „an ihr selbst ihren Inhalt oder Realität" hat (L II265). Schon im noch wesensmäßig affizierten Absoluten hatte sich die Natur des Wahren als absolute Form herausgestellt; im Übergang zum Begriff wurde diese an sich vorhandene Natur real gesetzt, zur Manifestation gebracht. Hier nun ist das Wahre dazu gelangt, sich selber als diese absolute Form zu wissen, welche in allem ist und die Wahrheit eines jeden ausmacht. Dieser Übergang zur letzten Selbsterfassung hat sich ebenso notwendig wie jener erste aus der Natur des an sich seienden Wahren ergeben. Wahrheit — dieses allgemeinste „Ansich", mit dessen Explikation die gesamte Logik befaßt ist — ist erst da vollständig dargestellt, wo sie an ihr selber die Einsicht in den Grund und das Konstitutionsprinzip ihrer selbst enthält. An ihrem Abschluß hat die Logik nicht mehr mit irgendwie bestimmten oder besonderten Inhalten, sondern mit dem Grund aller möglichen Inhaltlichkeit überhaupt zu tun. „Was also hier noch zu betrachten kommt, ist somit nicht ein Inhalt als solcher, sondern das Allgemeine seiner Form, — d. i. die Methode" (L II 550)63. Sofern die absolute Idee vom sich-Wissen des „Wie" der Wahrheit handelt, ist es in der Tat naheliegend, sie mit dem Titel der Methode zu belegen. Als das Allgemeine der Form, man könnte sagen: als die Form aller Formbestimmtheit überhaupt, ist die Methode weder 68
Vgl. E § 237: „Als Form bleibt hier der Idee nichts als die Methode dieses Inhalts."
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ein Inhalt unter ändern, noch meint ihre Behandlung eine rückschauende Verfahrensreflexion; vielmehr kommt in ihr der einzige Inhalt der ganzen Logik, wie er in sich selber ist, zur Darstellung: der Begriff „als der sich selbst wissende, sich als das Absolute, sowohl Subjektive als Objektive, %um Gegenstande habende Begriff" (L II 55l)64. Weil der so explizierte Begriff die Wahrheit schlechthin oder die Wahrheit an ihr selber darstellt, hat auch jede andere logische oder reale Bestimmung nur dadurch Wahrheit, daß sie vom Gesichtspunkt dieser absoluten Wahrheit zur Geltung gebracht wird; als absolute Form ist die Methode die „Seele und Substan^' eines jeden Seienden, und dieses ist nur insofern „begriffen und in seiner Wahrheit gewußt, als es der Methode vollkommen unterworfen ist". Denn die Methode als die „höchste Kraft oder vielmehr einzige und absolute Kraft der Vernunft", somit als die „allgemeine absolute Tätigkeit", ist zugleich die „eigene Methode jeder Sache selbst" (L 551 f.); eine andere „Methode" oder ein anderes Kriterium, nach welchem das Wirkliche sich auseinanderzulegen hätte, ist schlechthin nicht denkbar. „Alles übrige", sagt Hegel, d. h. alle Wirklichkeit, sofern in ihr nicht der absolute Grund des Wahren zum Scheinen gebracht wird, „ist Irrtum, Trübheit, Meinung, Streben, Willkür und Vergänglichkeit" (L 549). Diese in ihrem letzten Grund metaphysischen Thesen sind nun in ihrem rein logischen Gehalt zu präzisieren. Es muß zu diesem Zweck näher auf die Form/Inhalt-Dialektik eingegangen werden, die in der spekulativen Entwicklung der Begriffsbestimmungen ins Spiel kommt. Indem diese „in der Bedeutung als Bestimmungen der Methode nun zu betrachten sind" (L II 553), ist zu prüfen, wie aller Inhalt „seine Wahrheit allein in der Form hat" (L II 551). Wenn die absolute Idee, wie sie sich hier ergeben hat, als die absolute Form bezeichnet wurde, so können die einzelnen Bestimmungen, in welche sie sich im Laufe der Logik auseinanderlegt, Formbestimmungen genannt werden (analog: Begriff und Begriffsbestimmungen). Jede dieser Bestimmungen aber, indem sie selber im Laufe einer Entwicklung auftritt, zwar als Resultat durch die ihr vorausliegenden Bestimmungen vermittelt ist, aber als positives Resultat selber eine neue Bestimmung unmittelbar darstellt, '* Vgl. Fichte, Werke I 51 f.: „Der absolut-erste Grundsatz alles Wissens [bestimmt] seine Form schlechthin durch seinen Inhalt, und seinen Inhalt schlechthin durch seine Form . . . Mithin müßte . . . der Gehalt dieses Grundsatzes derjenige sein, der allen möglichen Gehalt in sich enthielte, selbst aber in keinem anderen enthalten wäre. Es wäre der Gehalt schlechthin, der absolute Gehalt."
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ist mit der Doppelung von Form und Inhalt behaftet. Damit soll zunächst nicht mehr angedeutet sein als die Spannung zwischen dem Eingebettetsein in einen Vermittlungsprozeß, in dessen Kontext eine Begriffsbestimmung erzeugt wird, und der Unmittelbarkeit der Inhaltlichkeit, sofern die neue Bestimmung trotz ihres Vermitteltseins eine gegenüber dem Vorausgehenden „neue" und andere ist. Allein die letzte aller möglichen Denkbestimmungen ist dieser Spannung enthoben — sie definiert sich gerade dadurch als letzte — oder hat diese Identität selber zu ihrem einzigen Inhalt. Es steht zu vermuten, daß dieses Form/Inhalt-Verhältnis — zumindest in der Art seines Auftretens — je nach dem Ort einer bestimmten Kategorie innerhalb der Logik differieren wird65. Wie es prinzipiell zu fassen ist, kann exemplarisch am ersten Moment jeder Begriffsbestimmung als solcher, an der Unmittelbarkeit, untersucht werden. Diese kommt dort zur Sprache, wo Hegel die erste Bestimmung des Begriffs selber, den Anfang, thematisiert. Vom Anfang sagt Hegel, sein Inhalt sei „ein Unmittelbares, aber ein solches, das den Sinn und die Form abstrakter Allgemeinheit hat. Er sei sonst ein Inhalt des Seins oder des Wesens oder des Begriffs, so ist er insofern ein Aufgenommenes, Vorgefundenes, Assertorisches, als er ein Unmittelbares ist" (553). Es ist das Schicksal jeder Begriffsbestimmung, vorerst als unmittelbare aufzutreten. Dies macht sozusagen die Seite ihres Inhalts aus, den Namen den sie trägt, oder das, was sie von sich aus unmittelbar zu sein beansprucht. Was schon eingangs der Logik von jedem Seienden behauptet wurde, daß es nämlich ebensosehr ein Vermitteltes als ein Unmittelbares sei, dies bewahrt, in nunmehr konkreterem Verständnis, seine Gültigkeit auch im Horizont des Begriffs. Als unmittelbar wird eines aufgenommen, sofern von dem Prozeß seiner Entstehung und von der nähern Art und Weise seines Auftretens abstrahiert wird. Diese Abstraktion ist kein willkürlicher Reflexionsakt, sondern folgt mit Notwendigkeit aus der Natur des dialektischen Entwicklungsgangs und des in ihm sich Offenbarenden. Sofern dessen Entwicklung wirklich ein Fortgang ist, muß vom einen zum ändern weitergegangen werden, muß Neues, noch nicht Erkanntes sich ergeben; dies ist die Seite, nach der jede 65
So schreibt Hegel in einer Anmerkung zur Logik der Erscheinung (E § 133A): „An-sich ist hier vorhanden das absolute Verhältnis des Inhalts und der Form, nämlich das Umschlagen derselben ineinander, so daß der Inhalt nichts ist als das Umschlagen der Form in Inhalt, die Form nichts als Umschlagen des Inhalts in Form . . . Gesetzt aber ist dies erst im absoluten Verhältnis."
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Gestalt, wiewohl durch eine vorausgehende Entwicklung er2eugt und gerade auf deren Grund auftretend, doch eben auftreten, in ihrer neuen Bestimmtheit zum ersten Mal ins Spiel kommen muß. Plastisch zeigt sich dies im Werdegang sowohl des Bewußtseins (Phänomenologie des Geistes) wie des objektiven Geistes (Weltgeschichte): indem die neue Gestalt die Prinzipien der vorausgehenden in eine neue Figur und Bestimmung zusammenfaßt, entwirft sie ihren eigenen Begriff, der als solcher zunächst unentwickelt ist und den real auszuführen und zu erfüllen ihre Aufgabe bildet. Im Logischen wird die Seite der Unmittelbarkeit fürs erste durch den Namen vertreten. Die Verhältnisweisen, welche einen bestimmten Begriffsinhalt konstituieren, werden im Argumentationsgang zu einer neuen Bestimmung fortgebildet, die nun auch mit einer neuen Benennung zu belegen ist; dazu ist auf die Sprache zu rekurrieren, deren Ausdrücke ihre Inhaltlichkeit aus der geschichtlichen Entstehung und der Vorstellung beziehen. Im logischen Kontext tritt der Name vorerst als „etwas Unbestimmtes" (L II 302) auf, das seinerseits in der Reflexion auf seine Genese mit seiner begrifflichen Bestimmtheit zu vermitteln ist; erst dadurch wird der Name selber zum bestimmten Begriff, zur besondern logischen Bestimmung des einen und umfassenden Begriffs66. Die so zu vermittelnde Unmittelbarkeit macht insgesamt die Seite des Inhalts aus, die Seite dessen, was eine Bestimmung ist, als was sie sich ausgibt und was sie zu enthalten ausspricht; als begrifflich explizierter hat sich dieser Inhalt selber schon als durch die Form vermittelt erwiesen. Soll nun die Form für sich gefaßt werden, so muß in ihr ausgedrückt sein, wie sich der unmittelbare Inhalt innerhalb eines Kontextes präsentiert, die Art, wie er aus vorausgehenden VermittlunVgl. zu dieser Problematik z. B. L 1174f.: „Der allgemeine Begriff des Fürsichseins hat sich ergeben. Es käme nur darauf an, nachzuweisen, daß jenem Begriffe die Vorstellung entspricht, die wir mit dem Ausdrucke Fürsichsein verbinden, um berechtigt zu sein, denselben für jenen Begriff zu gebrauchen." LII 302: „Es ist daher passend und Bedürfnis, für die Urteilsbestimmungen diese Namen, Subjekt und Prädikat, zu haben; als Namen sind sie etwas Unbestimmtes, das erst noch seine Bestimmung erhalten soll; und mehr als Namen sind sie daher nicht." LII 560: „Der Gegenstand, wie er ohne das Denken und den Begriff ist, ist eine Vorstellung oder auch ein Name." — Vgl. Puntel, Darstellung, Methode und Struktur 254f.: „Wie ist die Bestimmung (das konkrete Begreifen) der neuen Sphäre zu verstehen? Wie ist das Umschlagen der Negativität in Positivität zu erklären? Die Antwort darauf lautet schlicht so: das Umschlagen in Positivität geschieht dadurch, daß eben neu angefangen wird, das heißt: daß ein Vorgefundenes, Gegebenes oder Empirisches aufgenommen, daß es genannt und bezeichnet wird . . . Ohne diese Vermittlung durch die Empirie ist die Deduktion der Gesamtheit der realsystematischen bzw. logischen Sphären nicht erklärbar."
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gen entstanden ist und wie er nun, als unmittelbar auftretender, an sich selber noch in defizienter Gestalt existiert. So steht aber die Form nicht einfach dem Inhalt gegenüber; sie steht nur insofern im Gegensatz zu ihm, „als dieser die in sich gegangene und in der Identität aufgehobene Formbestimmung so ist, daß diese konkrete Identität gegenüber der als Form entwickelten steht" (L II 550)67. Indem die Form eine Bestimmtheit dadurch in ihrer Wahrheit auffassen läßt, daß sie sie vom Standpunkt der alleinigen Wahrheit, des Begriffs oder der Methode, thematisiert, ist sie auch dasjenige, was die einzelne BegrifFsbestimmung über sich hinaustreibt. Im Kontext des Logischen bedeutet dies, daß durch die Formbetrachtung die unmittelbare Bestimmung einerseits in ihrer Eigenschaft als Denkbestimmung, somit als abstrakte und allgemeine offenbar wird, anderseits von vornherein im Horizont des sich zur Wahrheit läuternden Begriffs als solchen auftritt; so ist ihre Abstraktion ein an ihr selber Mangelhaftes, ist sie „schon gesetzt als mit einer Negation behaftet" (L II555). Der Zusammenhang zwischen der Form/Inhalt-Relation der einzelnen Begriffsbestimmungen und der eingangs zitierten Behauptung, die Methode sei die allgemeine — somit einzige — Tätigkeit, wird gerade dahingehend klargemacht, daß die Form der einzelnen Begriffsbestimmung sich in der Tat als jenes Moment an ihr erweist, durch welches sich die Begriffsbestimmung als eine Bestimmung der absoluten Form, des Begriffs selber darstellt. Weil die einzelne Bestimmung in Wirklichkeit eine Bestimmung des absoluten Begriffs ist — so kann im nachhinein gesagt werden —, hat sie selber die Doppelung in sich, durch welche sie sich der Defizienz ihrer Besonderheit bewußt wird. So ist im Verhältnis zum abstrakten Anfang der gesetzte Begriff „eben dies, daß das Ansichsein nur ein abstraktes, einseitiges Moment ist" (L II 555), so ist auch die Methode, als das Bewußtsein des Begriffs von sich selber, zugleich die „eigene Methode" (L II 552) der einzelnen Bestimmung, diese umgekehrt ein „Beseeltes der Methode" (L II 571). An ihr selbst ist die absolute Idee jene „Bestimmung", welche gerade die Tatsache, daß das Abstrakte mangelhaft und nur das Ganze die Wahrheit ist, zum eigenen Inhalt hat. Zugleich ist sie damit dasjenige, was schon von allem Anfang an „wirksam" ist, dasjenige, was in der einzelnen Bestimmung über die Form/Inhalt-Dialektik als jene Spannung sich äußert, 87
Vgl. LII 567: Der Inhalt ist als „die in die Einfachheit zurückgegangene Negativität die aufgehobene Form".
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durch welche diese Bestimmung an ihr selbst das „Mangelhafte und mit dem Triebe begabt [ist], sich weiter zu führen"; dies ist ihre Funktion als die „objektive, immanente Form" aller Bestimmung überhaupt (L II 555; vgl. 75f.). Die logische Figur der Wahrheit bildet hierin das Modell der Entfaltung des Geistes vor — der sich später selber als letzter Grund der logischen Entfaltung herausstellen wird —: auch die ärmste Bestimmung des Wahren ist „an sich" das Ganze und kann nur aus dem immer schon Ubergriffensein durch dieses verstanden werden68. Die so auseinandergelegte Dialektik von Form und Inhalt setzt auch den Schlußpunkt der logischen Entwicklung fest, dort nämlich, wo eines nicht mehr über sich hinauszugehen braucht, weil sein eigener Inhalt, was zu sein es ausspricht, nichts anderes ist als was vom Standpunkt der Wahrheit aus es wirklich ist. Zwar können auch hier noch Form und Inhalt abstrakt getrennt werden, der „Inhalt" ist dann „das System des Logischen", die „Form" die Methode als „das bestimmte Wissen von der Währung" der Momente der Idee (E § 237). Es hat sich jedoch ergeben, daß das „System des Logischen", sofern es nicht mehr in seiner Entfaltung, sondern als für sich Ganzes genommen wird, gerade nichts anderes ist als seine Form selber. In diesem Transparentwerden einer jeden Bestimmung auf den Begriff hin, welches durch die absolute Form realisiert wird, findet auch jene andere, die ganze logische Entfaltung begleitende und strukturierende Doppelung ihren Grund und Abschluß: die Doppelung von Ansichsein und Gesetztsein (oder Ansichsein und Fürsichsein). In gewissem Sinn beschreiben beide Dichotomien — Inhalt/Form und Ansichsein/ Gesetztsein — einen und denselben Sachverhalt. Alles was eine Bestimmung hat, hat diese Bestimmung nicht in Wahrheit, solange es sie nicht auch für sich selber besitzt. Schon die Erhebung in den Begriff wurde durch die prinzipielle Einsicht in die absolute Identität von Ansichsein und Gesetztsein geleistet. In der absoluten Idee ist diese Identität nicht nur als solche offenbar, sondern als von der Tätigkeit der Form bewirkte in ihrer Notwendigkeit begriffen. Die Tilgung jeglicher seinsmäßigen Affiziertheit durch die Unmittelbarkeit des Ansichseins geht am Schluß 68
L II 555: Das anfängliche Allgemeine ist „an sieb die konkrete Totalität"; vgl. Ästh 1133: „An sich nämlich, seinem Begriffe nach, ist das Subjekt das Totale, nicht das Innere allein, sondern ebenso auch die Realisation dieses Inneren am Äußeren und in demselben." Deshalb erweist sich auch die „einseitige Form des Subjektiven ... zugleich als eine Unruhe, ein Schmerz, als etwas Negatives, das sich als Negatives aufzuheben hat".
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zusammen mit der Erhebung aller „Bestimmtheit oder Realität" in die reine Form des Begriffs selbst; die absolute Idee zeichnet sich gerade dadurch als Abschluß der Logik — und zugleich als „absolute Befreiung" — aus, daß für sie „keine unmittelbare Bestimmung mehr ist, die nicht ebensosehr gesetzt und der Begriff ist" (L II 573)69. Bevor die Kennzeichnung der absoluten Idee durch die Beschreibung des System- und Totalitätscharakters abzuschließen und dann im freiheitstheoretischen Rahmen zu interpretieren ist, kann die dargelegte Form/Inhalt-Dialektik noch durch zwei Bemerkungen ergänzt werden. Sie beziehen sich auf zwei traditionelle und zentrale Streitpunkte der dialektischen Philosophie, deren angemessene Klärung erst hier, wo sich die letzte Wahrheit der Logik als absolute Form bestimmt hat, möglich ist. Diese selber erfährt darin zwar keine weitere und neue Bestimmung, wohl aber wird sie in dem, als was sie sich schon ergeben hat, näher expliziert. — Der erste Punkt bezieht sich auf die in „dialektischer" Philosophie im weitesten Sinne viel beschwörte Identität von Inhalt und Form oder, in konkreterer Applikation, von Gegenstand und Methode. Daß von eigentlicher Identität nur in der absoluten Idee selber die Rede sein kann, ist ebenso klar wie die Tatsache, daß in der üblichen Rede nicht diese Identität gemeint ist70. Es müssen hier unterschieden werden: (a) die strenge Identität von Form und Inhalt in der absoluten Idee, (b) die Form/Inhalt-Beziehung in jeder einzelnen Bestimmung, und (c) die Beziehung der absoluten Form — oder der Methode überhaupt — zur einzelnen Formbestimmung. Die meist aufgeworfene Problematik dürfte in (c) angesprochen sein; es hat sich aber gezeigt, daß sie selber — zumindest nach Hegelschem Verständnis — nur über die klare Einsicht in (a) und (b) präzise zu fassen ist. Die zur dialektischen Erkenntnis einer Bestimmung angewendete Methode ist dieser Bestimmung nicht äußerlich, sondern notwendig verbunden, weil diese Bestimmung selber, durch ihr eigenes Formmoment, sich als Bestimmung der Form überhaupt erweist. Wenn hier von einer Identität gesprochen werden soll, dann nur in abgeleiteter Weise, „via partici69
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Ähnlich betont Hegel die Bedeutung der Entwicklung vom Ansichsein zum Fürsichsein in der Weltgeschichte: „Es kommt kein neuer Inhalt heraus; doch ist diese Form ein ungeheurer Unterschied. Auf diesen Unterschied kommt der ganze Unterschied in der Weltgeschichte an" (Gesch. Ph. I 40). Allerdings ist das, was damit gemeint ist, z. B. in großen Teilen der marxistischen Literatur, die sich hier „dialektisch" gegen positivistische oder rationalistische Einwände abzusichern sucht, oft selber nicht völlig klar.
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pationis" könnte man sagen, insofern die Bestimmung als Formbestimmung an der Form überhaupt teilhat und der absoluten Methode unterworfen ist, diese Partizipationsbeziehung hingegen keine Partialität impliziert. Es ist die Form als ganze, welche in jeder ihrer Bestimmungen gegenwärtig ist und diese überhaupt als Formbestimmungen konstituiert. Die so präzisierte „Identität" ist es auch, welche jede Einzelbestimmung zu einer für sich selber defizienten werden läßt und Motor ihrer dialektischen Entwicklung ist71. Der zweite Punkt, der in der im Schlußabschnitt gegebenen Deutung der Methode den spezifischen Ort seiner Klärung finden müßte, ist die Auseinandersetzung um die subjektive oder objektive Auslegung von Dialektik. In der Schilderung der Methode beansprucht Hegel, beide Aspekte vereint zu haben: die Methode ist „sowohl die Art und Weise des Erkennens, des subjektiv sich wissenden Begriffs, als die objektive Art und Weise oder vielmehr die Substantialität der Dinge" (L II 552; vgl. 503f.). Die Übereinstimmung zwischen den Extremen des „Erkennens" und der „Dinge" gründet in der spezifischeren Art, nach welcher die absolute Form zugleich subjektiv und objektiv ist, und letztlich in deren absoluter Subjektivität selber. Daß der subjektive Aspekt der absoluten Idee wesentlich ist, wird in deren spezifischer Differenz gegenüber dem „Begriffe als solchem" deutlich: während dieser das logische System an sich ist, ist die absolute Idee gerade das sich-Wissen dieses Logischen (L II552). Im Subjektivitätscharakter der letzten Bestimmung des Wahren lassen sich tendenziell zwei Bedeutungsmomente unterscheiden. Zum einen meint er jene Seite des logischen Baus, wodurch dieser als Prozeß sich darstellt (das Erzeugtwerden der Kategorien gegenüber ihrem bloßen Verkettetsein innerhalb eines Systems), dieser Prozeß aber selber wiederum als „objektiver" betrachtet. Zum ändern meint er die 71
Die Dialektik von Form und Inhalt stellt in der Hegel- und Marx-Literatur ein zentrales Thema dar. So kennzeichnet Rohs die Hegeische Logik als „Metaphysik der Form" (Form und Grund 11—37), wobei er interessante inhaltliche Erläuterungen auf dem Hintergrund der antiken wie der idealistischen Philosophie beibringt. — Für den orthodoxen Marxismus ist der Inhalt gegenüber der Form die eigentlich „revolutionäre Seite des Gegenstandes", die Form/Inhalt-Dialektik selber nur ein „Beispiel für das Gesetz der Einheit und des Kampfes der Gegensätze", nicht deren grundlegende Dimension (A. M. Minasjan, Zum Problem des Widerspruch! ^wischen Form und Inhalt 317, 307). — Ganz im Gegensatz dazu sieht Cohn in der Dialektik zwischen Form und Inhalt die „letzte Dialektik alles Erkennens" (Theorie der Dialektik 42), wirft aber Hegel gerade deren „Vernachlässigung" vor, indem er, wie später Litt (Hegel 287), die Selbsterzeugung des Inhalts aus der Form kritisiert.
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subjektive Seite des Begriffs selber — der Begriff als absolute Form —, durch welche eben dieser Aspekt der Verknüpfung der Kategorien selber bedingt ist. Daß die logische Sequenz wesentlich prozeßhaft ist, zeigt sich schlußendlich dadurch bedingt, daß der Begriff, um dessen Explikation es geht, selber das in seinen Bestimmungen Wirksame und Tätige ist. Als Methode ist der Prozeß nicht nur „gewußt", sondern zum Gewußten, seiner selbst bewußten Prozeß geworden: die Methode ist nicht nur das Wissen um die Verknüpfung der Bestimmungen, sondern das Wissen um die notwendige Natur dieser Verknüpfung; die „sich wissende Wahrheit" (L II 549) oder „sich selbst denkende Idee" (E § 236) ist das Wissen, wie der Bestimmungsprozeß zustande kommt, welches gleichermaßen letzter systematischer Grund von dessen Erzeugung ist72. Die beiden in sich verschränkten „subjektiven" Aspekte der absoluten Idee drücken deren Natur als absolute Form aus. Deren Absolutheit aber macht den „objektiven" Aspekt der Methode aus, nach welchem sie nicht nur, im Modus der „Reflexionsallgemeinheit", die „Methode für alles" ist (L II 552), sondern als spekulative Allgemeinheit die eigene Methode und den eigenen Selbstbezug einer jeden Bestimmung konstituiert. Die so gefaßte „Objektivität" ist selber in der „Subjektivität" der Form eingefangen und gerade in deren Absolutheit begründet. Die „objektive", aber in ihrer Ganzheit durch die absolute „Subjektivität" des Begriffs erzeugte und gesetzte Bewegung ist es, die Hegel im Auge hat, wenn er von einem zugleich analytischen und synthetischen Verfahren, von einer Verflüssigung der Begriffe, einer Kreisbewegung, einem immanenten Hinausgehen spricht, oder wenn er den methodischen Fortgang als „bloß das Setzen desjenigen, was in einem Begriffe schon enthalten ist", auffaßt (E § 88A). Auch andere Formulierungen, mit denen die Hegelforschung Dialektik deutet, können in diesem Sinne gelesen werden, so z. B. Dialektik als Einschränkung von Vagheit oder als methodische Bedeutungsverschiebung73. Ein ganz anderes jedoch ist es, wenn die „subjektive" Seite dieser Fortbestimmung als Vorgehensart des „suchenden Erkennens" (L II 552), quasi als eine „Logik der Forschung" gedeutet wird. Gegenüber dieser Auffassung der Methode, welche auf die Beschaffenheit eines Vogehens abzielt — die Logik gleichsam „als Werkzeug" (ebd.) —, mittels dessen ein Subjekt sich eines 72 73
Vgl. dazu weiter unten die Deutung des „Freiheitscharakters" der absoluten Idee. Vgl. Fulda, Unzulängliche Bemerkungen %ur Dialektik; Henrich, Hegels Logik der Reflexion.
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ihm gegenüberstehenden Objekts bemächtigen könnte, betont Hegel meist gerade den „objektiven" Sinn der Methode, so wenn er sie schlicht als den „Bau des Ganzen in seiner reinen Wesenheit aufgestellt" definiert (PG 47)74. Es sind somit schließlich drei Bestimmungen der Dialektik festzuhalten: einmal als Methode im üblichen Sinn, dann als subjektive und objektive Seite des selber objektiven „Logischen" (oder analog auch Logik der Darstellung und Logik des Dargestellten); es ist dabei selbstverständlich, daß auch Dialektik als Methode nicht losgelöst von der (im weiten Sinn) objektiven Dimension dialektischer Logik gefaßt werden kann75. Als Methode hat sich die absolute Idee dadurch erwiesen, daß sie absolute Form ist. In dieser Eigenschaft bildet sie auch in zwei weitern Hinsichten die letzte Bestimmung und den Abschluß der Logik, indem sie zwei Grundzüge des logischen Fortgangs explizit macht und begründet: seine Notwendigkeit und seine „Abgeschlossenheit", welche hier unter den Titeln des „Systems" und der „Totalität" zur Sprache kommen. Der Systemcharakter hängt direkt mit der absoluten Form zusammen; er definiert sich dadurch, daß die Inhaltsbestimmtheit „nicht mehr ein bloß Aufgenommenes, sondern Abgeleitetes und Erwiesenes" ist und als solches selber „der Methode angehört" (L II 567). Nicht nur besteht die Formtätigkeit darin, die Unmittelbarkeit eines gegebenen 74
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So unterscheidet Hegel z. B. von der Methode des suchenden Erkennens, welche sich gegebenenfalls als im gewöhnlichen Sinn analytische verstehen kann (vgl. E § 238 A), die „Methode der Wahrheit" (L II 566), welche ebensosehr synthetisch als analytisch ist. — Im Anschluß hieran wäre vielleicht auch die — damit nicht identische — Marxsche Unterscheidung von Methode der Forschung und Methode der Darstellung zu präzisieren (MEW23, 27; vgl. E §246 A). — Im Zusammenhang dieser Problematik könnte auch die Hegeische Unterscheidung zwischen dem „Gang der Geschichte der Philosophie" und ihrem „Gang in sich" (Gesch. Ph. III 79) thematisiert werden. — Vgl. die bei Puntel gemachte Unterscheidung von Methode (Bewegung) und Struktur (Bestimmtheit), die er der bei Rombach angesetzten Differenz von System (statisch) und Struktur (genetisch) entgegenstellt (25f.); „in der absoluten Idee fallen Methode und Struktur schlechterdings zusammen; denn die absolute Idee ist nichts anderes als die Selbigkeit von Bewegung und Bestimmtheit" (229). — Analog faßt Zeleny den Marxschen Begriff des Begriffs als die „logische Form" auf, „die den strukturellen und den genetischen Gesichtspunkt innerlich verbindet" (62). Diese Unterscheidungen bleiben wichtig, wenn es z. B. darum geht, methodische und logische Aspekte der drei Teile der Logik miteinander zu vergleichen, sowie in einer allgemeinen Diskussion von Dialektik und Spekulation. Der Konfusion zwischen Methode und Logik erliegt meines Erachtens z. B. Reisinger in seiner Gleichung: Dialektik = Relationslehre = Methode des Wesenslogik, nicht der ganzen Logik.
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Inhalts aufzulösen und über ihn hinauszugehen, sondern auch darin, seine begriffliche Unbestimmtheit zu überwinden und wahre Inhaltsbestimmtheit — als in sich zurückgegangene, „aufgehobene Form" (ebd.) — zu setzen. Aufs Ganze gesehen bedeutet dies, daß die in der absoluten Form gewonnene Transparenz auch dies meint, daß sich im logischen Argumentationsgang jegliche Angewiesenheit auf Fremdbestimmung in Selbstbestimmung aufgehoben hat, und daß in der Tilgung jeder Kontingent die realisierte Einsicht in die Notwendigkeit der Entwicklung sich hergestellt hat. Indem sowohl jede Einzelbestimmung wie die inhaltliche Bestimmtheit des Ganzen sich als durch den Begriff gesetzte erweisen, ist die Methode zugleich „systematisch", begründet sie die „Systematizität" des Logischen, macht sie dieses zu einem „System". Hierin liegt aber unmittelbar auch das zweite Moment, nach welchem sie ein „System der Totalität" konstituiert (L II 569). Denn nicht nur erzeugt die Form inhaltliche Bestimmtheit überhaupt, sondern, indem ihre ursprüngliche Tätigkeit sich auf das Ganze bezieht und sich in dieser umfassenden Urheberschaft offenbart, leistet sie auch die spezifische Einholung der ersten, absolut vorausgesetzten Unmittelbarkeit. In ihrem Vorwärtsschreiten ist sie zugleich Zurückgehen, in sich gegenläufige Fortbestimmung des Anfangs. Indem der Begriff durch alle Besonderheit hindurch sich zur reinen Selbstidentität emporläutert, gewinnt er jene Unmittelbarkeit wieder, die seinen Anfang ausmachte; die wiederhergestellte Unmittelbar keit konvergiert mit jener ersten, ohne indes, als aufgehobene und vermittelte, mit ihr einfach zusammenzufallen. In der zuletzt erreichten vollständigen Klarheit über die Bestimmungsfunktion des Begriffs wird auch offenbar, daß „der Anfang schon als solcher ein Abgeleitetes" ist (L II 570); die Wiedergewinnung des Anfangs ist die letzte Stufe der Transparentwerdung des Ganzen. Unter dem Aspekt der „Totalität" wird thematisch gemacht, daß die Methode nicht nur den notwendigen Zusammenhang und systematischen Duktus, sondern die spekulative Einheit und den Zusammenschluß des Logischen mit sich selber verbürgt. Die Kohärenz des logischen Systems beschränkt sich weder auf die Nicht-Widersprüchlichkeit noch auf das dialektische Erzeugtwerden der Begriffsbestimmungen; sie stellt erst dann eine ihrem Gegenstand angemessene Einheit dar, wenn der Begriff sich im Modus des subjektiven Selbstbezugs in seiner Bestimmtheit erfaßt, wenn das System sich in seiner Schlußbestimmung mit sich selber „zusammenschließt" und so zu seinem „Abschluß" gelangt. Der so gefaßte Totalitätsaspekt ist nichts anderes als die Konkretisierung dessen,
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was im Systemcharakter selber enthalten ist76; „daß das Wahre nur als System wirklich" ist, wird von Hegel in Parallele zu dem dahinter stehenden Gehalt gebracht, „daß die Substanz wesentlich Subjekt ist" (PG 28). Der in sich zurückkehrende, selbstreferentielle, „subjektive" Charakter des spekulativen Wahren macht dessen Darstellung zu einem in sich geschlossenen System; eben dieser Selbstbezug soll im Bild vom „in sich geschlungenen Kreis" oder vom „Kreis von Kreisen" suggeriert werden (L II 571). Die absolute Idee als letzte Bestimmung der Logik stellt nicht nur den Ort dar, wo sich die Einheit des systematischen Ganzen herausstellt; sie ist diese explizit gewordene Einheit und als diese Einsicht in das Ganze dessen logischer Abschluß. Als letzte Bestimmung, die in dem Ganzen auftritt, ist sie dessen eigene letzte und höchste Bestimmung. Die Dialektik von Form und Inhalt kommt dort zum Abschluß, wo ihre Kongruenz nicht nur in adäquater Weise realisiert, sondern gerade als Kongruenz einziger Bestimmungsinhalt ist, oder wo die Transparenz des Ganzen nicht nur erreicht, sondern selber Thema ist. Die absolute Form, in welcher die Logik sich dadurch selbst erfaßt, daß der Begriff sich als derjenige weiß, der durch seine Bestimmungen hindurch zu sich gelangt, stellt die letztmögliche Denkbestimmung dar. In ihr findet die Aufgabe der Logik, das Wahre zu denken, ihre abschließende Erfüllung. Sie bezeichnet die letzte Verhältnisweise, unter welcher der Wahrheitsbegriff gedacht — unter welcher überhaupt wahr gedacht — werden kann; durch die Bestimmung der absoluten Idee ist die „Dimension" des Logischen erschöpft, jeder weitere Schritt innerhalb ihrer und mit gleichen Mitteln könnte nur mehr redundant sein. — Nachdem die absolute Idee in den Hauptzügen ihrer logischen Form dargelegt ist, ist nun auch in ihr, analog den frühern Stufen, die freiheitstheoretische Dimension ihrer logischen Bestimmtheit hervorzuheben. Der Freiheitsaspekt erweist sich hier in doppelter Hinsicht von besonderer Relevanz. Zum einen wird hier die logische Struktur vorgezeichnet, in welcher auch der Freiheitsbegriff seine letzte Bestimmung und seinen Abschluß findet; erst in diesem aber ist Freiheit im Vollsinn des Wortes wirklich vorhanden, und erst von ihm her werden auch die früheren Stufen als solche der Freiheit offenkundig. Zum ändern bildet die absolute Idee den spezifischen Ort, wo die Freiheitsdimension des Logischen selber explizit wird, wo die in dieser Untersuchung verfolgte 76
wie auch umgekehrt die „Totalität des Begriffs" sich wesentlich als „systematische Totalität" darstellt (E § 243); vgl. E § 14: Die Wissenschaft des Absoluten „ist wesentlich System, weil das Wahre als konkret nur ... als Totalität ist".
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Perspektive, der Konnex von Systematik und Freiheitsgedanke, selber zum Thema des systematischen Denkens wird. Daß Hegel in der Explikation der absoluten Idee auch so etwas wie die letzte Bestimmung von Freiheit geben wollte, wird sowohl aus den Formulierungen wie aus dem logischen Gedanken ersichtlich. Die absolute Idee, die nicht nur Identität von Inhalt und Form ist, sondern diese Identität als reine Form zu ihrem Inhalt hat, zeichnet ein Modell vollständiger Freiheit, oder genauer: „absoluter Befreiung" (L II573); die Vorrede zur Rechtsphilosophie umschreibt die Aufgabe der Philosophie, „das was ist zu begreifen", mit den gleichen Termini und faßt die „ Versöhnung mit der Wirklichkeit" als „Einheit der Form und des Inhalts" (R 26f.). Indem sich in der absoluten Form die logische Struktur des Freiheitsbegriffs vollendet, werden fürs erste jene Momente in Ausgleich gebracht und zur Identität zurückgeführt, deren verschiedene Konstellationen die freiheitsmäßige Dimension der frühern logischen Stufen auszeichneten. Es sind dies im besondern die zwei elementaren Bestimmungen des Freiseins, das sich-selbst-Sein oder in-sich-Sein und das im-andern-Sein; entsprechend ließ sich die Entfaltung des ursprünglichen Ansichseins sowohl als Insichgehen wie als Außersichgehen, als Intensivierung oder als Erweiterung der anfänglichen Bestimmung auslegen. Die beiden Bestimmungsmomente, im reinen Sein noch in ungetrennter Identität vereint, haben sich im Laufe der Logik mit verschiedener Schwerpunktsetzung gegeneinander weiterbestimmt. Ihre vermittelte Einheit, die im Begriff gesetzt ist, bildet in ihrer absoluten Gestalt — als selbstbewußte, ihrer eigenen Notwendigkeit innegewordene — die Form der absoluten Idee. In dieser werden sowohl die beiden Flinsichten — Dualität der Bestimmungen und Dualität der „Richtungen" — wie deren jeweilige Extreme zusammengebracht und in ihrer Identität erkannt. Gerade weil vom Standpunkt der absoluten Form „jede neue Stufe des Außersichgehens, d. h. der weitern Bestimmung" sich nicht nur als Beisichbleiben, sondern als „In-sich-gehen" erweist, „und die größere Ausdehnung ebensosehr höhere Intensität" ist, konvergieren auch die Termini der „Freiheitsbestimmung" des Wahren: „Das Reichste ist daher das Konkreteste und Subjektivste, und das sich in die einfachste Tiefe Zurücknehmende das Mächtigste und Ubergreifendste. Die höchste, zugeschärfteste Spitze ist die reine Persönlichkeit, die allein durch die absolute Dialektik, die ihre Natur ist, ebensosehr alles in sich befaßt und hält, weil sie sich zum Freisten macht" (L II 570). Hier ist die absolute Fassung des Beisichseins-im-andern gegeben, in welcher
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sowohl jede Priorität des einen Moments über das andere aufgehoben, wie jedes für sich in seiner Absolutheit realisiert ist: der Begriff als die absolute „Allgemeinheit" ist gleichermaßen letzte Einzelheit, „undurchdringliche, atome Subjektivität" (L II 549). In der absoluten Identität der vorerst Entgegengesetzten werden aber nicht nur bereits vorhandene Freiheitscharaktere zusammengeführt und summiert; die absolute Idee gewinnt darin eine spezifische, qualitativ neue Freiheitsbestimmung. Die Einheit ist hier nicht nur als vorhandene, realisierte, sondern als Totalität in ihrem Konstitutionsgrund offenbar geworden. Es hat sich gezeigt, wieso das Subjektivste zugleich das Ubergreifendste, die atome Einzelheit zugleich Allgemeinheit ist: weil das Subjekt als absolute Form zugleich absolute Kraft und Tätigkeit, das in allem Wirksame ist — dies aber nicht als bloße Macht, welche das Übergriffene in seiner Unbestimmtheit niederhält und es so dem Allgemeinen integriert, sondern so, daß das Besondere durch die allgemeine Formtätigkeit in seiner eigenen Form aktualisiert und in die Wahrheit der eigenen Bestimmung überführt wird; nur dadurch ist auch die umgekehrte Relation gewährleistet, daß das Übergreifende zugleich spekulative Totalität und konkrete Subjektivität ist. Das Spezifische der Freiheit der absoluten Idee liegt somit in der Qualität, welche hier dem „sich Wissen" des Begriffs — oder der sich denkenden Idee, der sich wissenden Wahrheit — zukommt. Mit diesem sich-Wissen ist keineswegs nur ein sich „Erkennen", oder ein Wissen von sich selber als in sich zurückgebogene, reflexive Intentionalität gemeint; schon der Begriff als solcher geht insofern über alle frühern Stadien des Logischen hinaus, als er weiß, daß er freier Begriff ist, daß das Anundfürsichsein Gesetztsein und das im-andern-Sein Beisichsein ist. Als notwendige Komplementärform des auf sich gerichteten Wissens-d^ und somit als notwendige höhere Freiheitsbestimmung hat sich das Wissen-awj gezeigt: Frei ist erst, wer um die Natur der Freiheit selber weiß, wer weiß, was er will, indem er die Freiheit will. Dieses — ebenfalls reflexive, auf die eigene freie Natur gerichtete — Wissen-was stellt sich nun näher als Wissen-jw heraus: der Begriff erhält dadurch seine endgültige Freiheit, daß er weiß, wie er selber das durch seine Bestimmungen hindurch sich Realisierende ist. Daß Freiheit (oder der Begriff) das Ganze ist und daß es im Ganzen nur um sie (ihn) geht, diese Einsicht gründet letztlich in der Erkenntnis, wie der freie Begriff von Anfang an alleiniger Zweck und alleiniger Motor ist, wie er sich im Ganzen selber hervorgebracht hat und hervorbringt. Gewiß stellt das abschließende Wissen
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auch eine „erkenntnismäßige" Leistung dar, insofern sich in ihm die adäquate Einsicht in das Ganze, in dessen Selbstverhältnis und in den darin sich verwirklichenden Begriff ergibt. Gleichermaßen aber repräsentiert es — und darin gründet noch der Erkenntnisaspekt — ein Können, eine Disposition oder ein Vermögen des als absolute Form tätigen Begriffs: in seiner höchsten Selbsterkenntnis weiß dieser, daß und wie er Grund der Formtätigkeit, des sich-Herstellens der Wahrheit ist. Die Methode ist nicht nur verstehender Nachvollzug der logischen Bewegung, sondern deren Tätigung, „die selbst bestimmende und selbst realisierende Bewegung" (L II 55l)77. Schon als solches hat das so verstandene Sichwissen die Bedeutung des Wissens, wie etwas anzukehren ist, des Verfügens über ein bestimmtes Können; aufs Ganze bezogen und als dasjenige Wissen betrachtet, welches als letzte Bestimmung zugleich die Bestimmung des ganzen Begriffs ist, meint es spezifischer ein über-j/VÄ-Verfügen, die Fähigkeit und Kraft zur Selbstverwirklichung. In diesem Sinn wird der Begriff als Methode die „höchste", „einzige und absolute Kraft der Vernunft" genannt (L II 552), und diese höchste Bestimmung der Freiheit — nicht die Macht als solche, die in eigener Instanz der Substanz zugehört — ist gemeint, wenn vom Begriff gesagt wird, daß er nicht so ohnmächtig sei, es nur bis zum Sollen zu bringen, oder wenn er als die absolute Aktuosität des Selbstvollzugs und als die unendliche Kraft bezeichnet wird, sich in der Realität zu verwirklichen. In der so sich explizierenden absoluten Idee liegt die letzte und höchste begriffliche Bestimmung sowohl der Wahrheit wie der Freiheit. In ihr ist nicht nur der Begriff manifest, sondern ist er/#r sich selber als Manifestation offenkundig geworden: der Begriff weiß, daß und wie er sich im Ganzen seiner Bestimmungen realisiert. Die zusammenfassende Bestimmung des Ganzen ist nichts als dieses Ganze selber, wie es in Wahrheit aufzufassen ist, und gleichzeitig diesem gewissermaßen transzendent, indem sie nicht seine letzte bestimmte Bestimmung, sondern sein Bestimmungsprinzip überhaupt enthält und ausspricht; nur so kann sie das Ganze meinen und dessen Darstellung beschließen. Einerseits ist die Schlußbestimmung nicht so zu verstehen, als ob hier „erst das Rechte kommen" werde; vielmehr ist „das Letzte" gerade „die Einsicht, daß die ganze Entfaltung den Inhalt und das Interesse ausmacht" (E § 237 Z). Anderseits kann in der Bestimmung des Wahren nicht bei dessen letzter 77
Anregungen zu diesen Überlegungen verdanke ich einer Heidelberger Vorlesung von F. Fulda im WS 1973/74.
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„Bestimmtheit", der Idee des Guten, stehengeblieben werden, da diese, als anderem entgegengesetzte, sich noch als einseitige, subjektive und endliche erweist78. Erst wenn die Bestimmung der Idee eine ist, die nicht mehr ihren „bestimmten" Platz innerhalb des Ganzen hat, sondern sich spezifisch auf dieses als Ganzes bezieht, ist Wahrheit nach ihrem eigenen Begriff gegenwärtig geworden. Gleichzeitig ist allerdings die komplementäre Seite zu betonen, daß die absolute Idee die letztmögliche und auch „letztnotwendige" Bestimmung des Begriffs darstellt, nicht einfach über diesen hinausschießt und als Methodenbetrachtung zusammenfassende Rückschau ist; das Aufgehobensein der Bestimmtheit der Form bildet deren eigene, unerläßliche und letzte Bestimmung. Dieser Doppelaspekt der absoluten Form, einerseits über das Ganze hinauszugehen — indem dieses als Ganzes vergegenwärtigt wird — und anderseits nichts als dieses Ganze in seiner letzten Bestimmung zu sein, umschreibt auch unmittelbar die „Freiheitsbestimmung" des logisch Letzten. Es genügt nicht, daß der Begriff — das Beisichsein-im-andern, die Versöhnung — einfach „als solcher" vorhanden sei, er muß in der Ausbreitung seiner Form (und somit seines Inhaltes) gegeben sein79, und zugleich muß dieses Ganze in seiner letzten Bestimmung gewußt und so erkannt sein, daß der Begriff darin seine eigene, von ihm selber ausgehende und in ihm terminierende Entfaltung weiß. Freiheit ist „nicht eine vorgefundene Identität des Bei-sich-Seins", sondern nur diese Identität als „durch das subjektive Selbst gewirkt und vollbracht"80, ja, muß man anfügen, nur diese Identität als in ihrem durch sich selber Vollbrachtsein gewußte. Die beiden Aspekte, das Vorhandensein des — durch den Begriff gewirkten — Ganzen und dessen Erkannt- und Gewußtsein, oder auch: das Letzte als Bestimmung und Erfüllung des Ganzen und als diesem „transzendentes" Wissen vom Ganzen, beides bildet gleichermaßen — und gerade als untrennbare Einheit — die Form der absoluten Idee als des sich wissenden Begriffs. 78
79
80
Analog in der Philosophiegeschichte: „Eine Philosophie, die nicht die absolute, mit dem Inhalt identische Form hat, muß vorübergehen, weil ihre Form nicht die Wahrheit ist" (Gesch. Ph. I 56). „Die absolute Idee ist in dieser Hinsicht dem Greis zu vergleichen, der dieselben Religionssätze ausspricht als das Kind, für welchen dieselben aber die Bedeutung seines ganzen Lebens haben" (E § 237 Z). Lakebrink, Die europäische Idee der Freiheit 492. — Analog ist die geschichtliche Vollendung der Philosophie dadurch gekennzeichnet, „daß die Idee in ihrer Notwendigkeit erkannt, die Seiten ihrer Diremtion, Natur und Geist, jedes als Darstellung der Totalität der Idee und nicht nur als an sich identisch, sondern aus sich selbst diese eine Identität hervorbringend . . . erkannt werde" (Gesch. Ph. III 454f.).
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Es bleibt nun die Aufgabe, in zusammenfassender Weise den Freiheitsbegriff zu formulieren, wie er sich in der Entfaltung der Logik ergeben hat. Als allgemeinste Vorstellung von Freiheit gilt in der ganzen Hegeischen Philosophie das Grundmodell des im-andern-bei-sich-Seins. Es enthält, in noch nicht weiter differenzierter Weise, die Einheit von zwei Grundmerkmalen des Freiseins: das Sichselbstsein und das — im Kontext des ändern, des Ganzen stattfindende — Bestimmtsein; es meint dies, in der bestimmten, äußerlich vermittelten Realisierung seiner selbst sich nicht ans Fremde zu verlieren, in diesem das eigene Selbst zu verwirklichen. Das im-andern-bei-sich-Sein enthält sowohl einen „negativen" wie einen „positiven", oder in anderer Hinsicht: einen „subjektiven" wie einen „objektiven" Freiheitsaspekt81. Es bildet sozusagen den allgemeinen „Vorbegriff" der Freiheit, der im Laufe der Entwicklung seine nähere Bestimmung erhält, wie die Übereinstimmung von Begriff und Realität in ihrer noch unbestimmten, elementaren Form einen Vorbegriff von Wahrheit abgibt, den die Logik immer schon voraussetzt und auf dessen begriffliche Aufhellung und Weiterbestimmung sie insgesamt ausgerichtet ist. Die Nachzeichnung der Entfaltung des Freiheitsbegriffs wurde in vier Schritten vollzogen. 1. Auf der Stufe des Seins ist das im-andern-bei-sich-Sein erst an sich vorhanden. Selbstsein und Fremdbestimmtheit sind im Anfang sowohl unmittelbar identisch wie sie unmittelbar auseinanderfallen. Sofern „Freiheit" in diesem Ansichsein festgehalten und als solche real wird, ist sie das Unvermögen zur Selbstbestimmung, die Realität der Fremdbestimmung. Daß im Sein gleichwohl ein „Ansichsein" von Freiheit festzumachen ist, gründet in der Idealität seiner abstrakten Unmittelbarkeit. 2. Im Wesen ist das im-andern-bei-sichSein auf die Stufe des Fürsichseins, des Gesei^tseins oder der Realität gehoben. Selbstbestimmung und Fremdbestimmtheit treten darin in ein bestimmtes Verhältnis. Indem das Fürsichsein der Freiheit selber einseitig gegen ihr Ansichsein, somit die Selbstbestimmung oder Eigenbestimmtbeit gegen die Fremdbestimmtheit festgehalten wird, schlägt die Selbstbestimmung in Bestimmungslosigkeit, das Niederhalten des Fremden in die Aufhebung des eigenen Selbst um; darin erweist sich die Nichtigkeit der einseitigen Selbstbestimmung und die Notwendigkeit 81
Der Hegeische Freiheitsbegriff ist keineswegs nur „positiv", gerade auf seiner höchsten Stufe erweist er seine gleichermaßen absolut „negative" Seite. Zur Rektifizierung des formal-negativen Freiheitsverständnisses (nicht durch anderes determiniert sein) kann es nicht genügen, dieses durch ein ebenso rein „positives", etwa durch das existentielle Pathos der Selbstaufgabe, des Engagements o. ä. zu ersetzen.
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ihrer Vereinigung mit dem Bestimmtsein. 3. Im Begriff ist das im-andernbei-sich-Sein selber an und für sich oder wirklich vorhanden, oder genauer: ist gesetzt, daß das Ansichsein identisch mit dem Gesetztsein ist. Wirkliche Freiheit impliziert sowohl das reale „Ausgeglichensein" von Sdbstsein und Bestimmtheit, ihre vermittelte Einheit, wie auch die Einsicht in ihre notwendige Identität, die Einsicht, daß das Selbst im ändern bei sich, daß es frei ist. 4. Die absolute Idee bezeichnet die Stufe der absoluten, selbstbewußten, über die eigene Natur verständigten Freiheit. In ihr vollendet sich sowohl die „wirkliche" Freiheit wie die Freiheit überhaupt; die „vierte" Stufe bildet den adäquaten Abschluß sowohl des Begriffs wie der Logik insgesamt. Die absolute Freiheit impliziert die Einsicht in den ganzen Verlauf der eigenen Entwicklung in doppelter Hinsicht: als Wissen, daß sie nicht nur Resultat, sondern von allem Anfang an alleiniger Zweck der ganzen Entwicklung ist, daß es in der logischen Bewegung nur um sie selber, um die Befreiung zur Freiheit hin geht; und als das bestimmte Wissen, daß sie selber Grund und agens der Hervorbringung von Freiheit ist. Sie ist causa sui zugleich als Zweck und Ursache. Als beides weiß sich Freiheit in ihrer vollen Verständigung über sich selber, indem sie weiß, wie sie das Ganze ist. Erst indem Freiheit sich nicht nur in ihrem Dasein, sondern in ihrem Grund, der sie selber ist, in ihrer Ursprünglichkeit erkennt, ist sie wirklich als Freiheit realisiert, ist der Begriff ihrer selbst erfüllt82. Die Vollendung der Bestimmung des Wahren bringt aber nicht nur die Freiheitsbestimmung zu ihrem Abschluß, sie macht darüber hinaus die Verweisung von Freiheit und Systematik selber thematisch. Die Selbstbezüglichkeit des Wahren hat in ihrer höchsten Gestalt eine Form angenommen, deren Beschreibung unmittelbar auf Termini rekurriert, die in die Dimension der Freiheit verweisen: das von sich Herkommen, das auf sich Ausgerichtetsein, das durch sich Verwirklichtsein, das sich in dieser Selbstbezogenheit Wissen. Der Systemcharakter des Logischen leistet nicht nur das Erzeugtwerden der Inhaltsbestimmtheit überhaupt durch die Form, sondern auch spezifischer dies, daß mit bezug auf das Ganze der Inhalt schlechthin offenbar werde: Freiheit als die Inhaltlichkeit oder als „Gehalt" der Systematik selber. Dieser „absolute" Inhalt 82
Die „vierte" Stufe in ihrer spezifischen Bedeutung ist zur Explikation des Hegelschen Freiheitsbegriffs unentbehrlich; dies wäre einzuwenden gegen jene Interpretationen, die das Zentrum des Freiheitsbegriffs an früheren Stellen ansetzen und den Schluß überhaupt nicht oder nur in untergeordneter Funktion thematisieren (z. B. Ebert, Roettges, Reisinger, Lakebrink).
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ist noch Grund jener ersten Beziehung, Grund dafür, daß auf der Ebene der einzelnen Bestimmung die Wahrheit des Inhalts erst in der Offenlegung der ihn konstituierenden Form sich manifestiert; denn diese Form gründet selber in jener absoluten, welche das Ganze ist. In der absoluten Idee gelangen die beiden zuvor gegeneinander abgehobenen — wenn auch aufeinander bezogenen — Hauptstränge der logischen Entfaltung nicht nur zur Deckung, sondern zur expliziten Identität; die Idee der Wahrheit kennzeichnet sich durch den gleichen Entsprechungsmodus von Begriff und Realität, welcher die Freiheit definiert. Was bisher eine Art impliziter Selbstdeutung der logische Struktur darstellte, wird zu deren eigenem Thema. Vom Schluß her werden rückwirkend nicht nur die logischen Kategorien in ihrer Wahrheit und auf ihren Grund — den Begriff — hin durchsichtig, auch ihre implizite freiheitsmäßige Verfassung wird explizit, die Momente des Begriffs werden als Bestimmungen der Freiheit gesetzt. In der Herstellung dieser Transparenz macht die Methode die absolute Voraussetzung offenbar, auf welcher die ganze Logik aufruht. Freiheit als das Wesen der Vernunft ist Voraussetzung dafür, daß der logische Prozeß überhaupt in Gang kommt, wie auch dafür, daß die Art seiner Entfaltung Überzeugungskraft und Plausibilität gewinnt. Nur in der Perspektive der Freiheit ist die Art, wie die logischen Kategorien entwickelt und miteinander verknüpft werden, wirklich einsichtig zu machen; sie ist vorausgesetzt sowohl als „konstruktives" Darstellungsprinzip wie als „hermeneutisches" Prinzip des begreifenden Nachvollzugs. Was im Laufe der Entwicklung als notwendiger Vorgriff — gleichsam als Funktion der äußern Reflexion — erscheinen mag, erweist sich am Schluß als „objektive" Voraussetzung, als Konstitutionsprinzip des Dargestellten selber. Zugleich bedeutet die Freilegung der absoluten Voraussetzung des Logischen deren „Einholung": was sich als Grund der begrifflichen Bewegung kundgibt, ist kein dem Begriff Fremdes, sondern das, was seine eigene Natur ausmacht. Einzige Voraussetzung der Vernunft ist die Vernunft selber. Der Schlußabschnitt der Logik legt dar, wie auch in den abstraktesten und mangelhaftesten Bestimmungen des Begriffs, sofern diese überhaupt in den logischen Duktus aufgenommen werden, der Begriff selber an sich vorhanden und tätig ist, wie auch das Unwahre immer schon vom wahren Begriff übergriffen ist; dieser Rückbezug ist die eigene „freiheitsmäßige" Leistung des Begriffs. In diesem Zusammenschluß mit sich selber findet die Erörterung des Logischen ihren notwendigen und endgültigen Abschluß; in ihm
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terminiert ebenso die logische Bestimmung der Wahrheit und der Freiheit wie sich deren gegenseitige Verweisung offenbart. Die Realphilosophie, die auf der hier erreichten Stufe und somit auf der hier logisch „realisierten" Beziehung von Freiheit und Systematik aufbaut, ist deren reale Durchführung und Erfüllung. Erst der Abschluß des „Systems der Wissenschaft" wird vollständige Klarheit über diesen Zusammenhang, der seiner spezifischen Natur nach einer des Geistes ist, verschaffen können. Nun scheint ja der Übergang zur Realphilosophie selber noch ein Schritt des in sich vollendeten Begriffs zu sein: der Übergang der Idee in die „Form des Andersseins" (E § 247), die Natur, soll gerade aus der Einsicht in die Einseitigkeit und Mangelhaftigkeit des logischen Begriffs entspringen. Die in diesem zurückgewonnene Unmittelbarkeit ist nicht schon selber Natur83. Sofern aber die Idee „noch logisch", „in den reinen Gedanken" und „in die Subjektivität eingeschlossen ist", soll sie auch den „Trieb" (L II 572) zur Aufhebung ihrer Formalität enthalten. Gleichwohl übersteigt diese Aufhebung den eigentlichen Aktionsradius des Begriffs, auch wenn dieser gerade in seiner Abgeschlossenheit noch den Anstoß dazu geben soll; der Übergang selber kann nicht mehr über eine Verhältnisweise der Logik erklärt werden. Bleibt man im Argumentationsrahmen des Logischen, so ist nicht einsichtig zu machen, wieso die in der absoluten Idee verwirklichte Selbsterfassung des Begriffs sich als zu überwindende Beschränktheit herausstellen soll. Dazu ist ein analoger Vorgriff auf das Ganze vonnöten wie am Anfang der Logik. Nur weil es in der Wissenschaft als solcher um die Erfassung der göttlichen Idee geht, sinkt die „Wissenschaft nur des göttlichen Begriffs" (L II 572) zum Moment herab. Als Theorie der Form ist sie nur „das Reich der Schatten" (L I 55), die „Darstellung Gottes. .., wie er in seinem ewigen Wesen vor der Erschaffung der Natur und eines endlichen Geistes ist" (L 144). Erst die Geistesphilosophie wird diese Defizienz des Logischen und seinen Zusammenhang mit der umfassenden Wirklichkeit thematisieren und begründen können; vorest bleibt dem Übergang von der logischen Idee zur Natur ein uneingeholtes „metaphysisches" Moment anhaften. Interessant aber und erhellend ist schon hier der „freiheitstheoretische" Aspekt dieses Übergangs. Der in seiner Form vollständig explizierte und kohärent gemachte Freiheitsbegriff wird hier, als ganzer, unter einem letzten Aspekt beleuchtet und kann darin 83
Vgl. Volkmann-Schluck, Die Entäußerung der Idee %ur Natur.
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von seiner Seite her zum Verständnis des systematischen Übergangs beitragen. Der freie Entschluß des Begriffs, sich „aas sieb %u entlassen" (E § 244), scheint zunächst nichts anderes als einen Verzicht auf Freiheit anzuzeigen. Wie aber ist solches denkbar, nachdem sich doch Freiheit wesentlich als auf sich bezogen, als Freiheit — oder Befreiung — zur Freiheit erwiesen hat? Gerade dies, nichts als die eigene Freiheit zu wollen, soll ja den wirklich freien Geist auszeichnen. Stellt demgegenüber der hier skizzierte Übergang nicht einen unüberbrückbaren Hiatus dar? Und auch wenn dieser Übergang dem dargestellten FreiheitsbegrifF nicht widerspricht, so bleibt die Frage, was sich dadurch an neuer Qualifikation für diesen ergibt, inwiefern das angedeutete freie Entlassen eine nicht nur mögliche, sondern sinnvolle oder gar notwendige Ergänzung der absoluten Selbstgewißheit des Begriffs darstellt. Auf beide Fragen kann im Sinne des Vorausgehenden geantwortet werden. — Wie das sich-aus-sich-Entlassen der logischen Idee ein Werk ihrer „absoluten Freiheit" sein soll (E § 244), so sagt schon die Phänomenologie, daß für den Geist, der seinen Begriff erfaßt hat, das „Entlassen seiner aus der Form seines Selbsts. . . die höchste Freiheit und Sicherheit seines Wissens von sich" ist (PG 590). Das notwendige Ausgerichtetsein der Freiheit auf sich selber schließt nicht ihren möglichen Verzicht auf sich selber aus. Gerade darin ist die Freiheit im höchsten Sinne souverän, daß sie noch zu sich selber ein „freies" Verhältnis hat. Sie kann zwar nichts anderes wollen als sich selber, aber dieses Wollen ist ihr nicht Zwang, sondern selber freier Entschluß, freier Akt der Selbstverfügung. Die letzte Selbstbezogenheit, die in der Struktur der sich wissenden absoluten Idee gezeichnet ist, ist selber noch eine, die im Machtbereich des Begriffs steht: Freisein zur Freiheit ist nicht zur Freiheit Verurteiltsein. Während dieses Freiheit im Bereich einer Notwendigkeit ansiedelt, in welchem jene, soll sie nicht — behelfsweise — durch moralische Prinzipien stabilisiert werden, in Kontingenz zurückfällt, enthält die „Freiheit zur Freiheit" gerade auch dies, daß sie in einem freien Entschluß auf sich verzichten, zur „Freiheit von der Freiheit" gelangen kann. Freiheit ist immer insofern auf sich verpflichtet, als sie in ihrer Aktualisierung nur sich selber meint; sie kann ihren Selbstbezug nicht in dem Sinn suspendieren, daß ihr Unfreiheit zum Ziel würde. Wohl aber kann sie sozusagen von ihrem Wollen zurücktreten, kann sie beschließen, nicht (oder nichts) zu wollen. Hierin drückt sich ihre höchste Freiheit aus, noch zu sich selber als ganzer in einem freien Verhältnis zu stehen; man kann darin die Bedin-
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gung jener Gleichmut und Gelassenheit sehen, mit welcher das wahrhaft souveräne Selbst dem eigenen Nichtsein gegenübersteht84. Doch ist diese Seite nur das eine Moment der vollkommenen Selbstverfügung der Freiheit; es macht nur deutlich, wieso das aus sich Heraustreten dem spekulativen Freiheitsbegriff nicht zu widersprechen braucht. Worum es aber hier in Wahrheit geht, ist nicht der Verzicht, sondern der höhere Übergang zur wirklichen Freiheit; jener stellt für diesen nur die Bedingung der Möglichkeit dar. Gerade das Insichbleiben der freien Subjektivität, das nicht aus sich Herausgehen stellte für Hegel einen „Verzicht" auf Freiheit dar — einen Verzicht allerdings, der nun mit dem Verzichten auf Realität auch das eigene Wesen und die eigene Freiheit zunichte machte. Daß der Übergang vom vollendeten Freiheits^r/^" zu dessen realer Bestimmtheit hier die Gestalt des sich Entschließens und freien Entlassene annimmt, ist ja nichts als die Applikation der in jenem erreichten absoluten Selbstgewißheit: Alles Unwillkürliche, Undurchsichtige der Bestimmtheit ist in der vollen Transparenz des sich wissenden Begriffs getilgt. Es ist die gleiche Absolutheit der Freiheit, welche dieser gestattet, sich als absolute Äußerlichkeit zu entlassen, und welche sie anderseits zu diesem „Verzicht" geradezu nötigt, weil nur dadurch Freiheit sich vor der eigenen Auflösung bewahrt und Konsistenz gewinnt, und weil nur durch die Freiwilligkeit dieser Entäußerung Selbstverwirklichung als nunmehr wahrhaft freie sich vollzieht. Der logische Begriff deutet gerade da, wo er in seiner vollen Wahrheit gegenwärtig geworden ist, den Modus seiner eigenen Überwindung an; er setzt sich implizit durch sich selber zum ersten Moment des Geistes herab. Analog erfährt darin auch der Freiheitsbegriff keine weitere begriffliche Bestimmung mehr, sondern verweist er auf seine Überwindung als Begriff85. 84 85
Wie es etwa Löwith unter dem Titel der „Freiheit zum Tode" beschrieben hat; vgl. Die Freiheit %um Tode, in: Was ist der Todt München 1969. Wenn das erste Moment dieses Übergangs, die „Freiheit zur Freiheit", mit dem — auf anderer Ebene zu situierenden — Sartre'schen „Verurteiltsein zur Freiheit" konfrontiert werden kann, so kann das zweite Moment (und damit der Übergang als ganzer) mit der Schellingschen Idee einer „Contraktion" Gottes verglichen werden; vgl. dazu: Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit und die damit zusammenhängenden Gegenstände, und: Stuttgarter Privatvorlesungen, beide in: Schelling, Ausgewählte Werke, Schriften von 1806—1813, S. 275—360 und 361—428.
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Exkurs IV: Der Abschluß der Kapitalslogik Obwohl dem Abschluß der Logik in der Dialektik des Kapitals eigentlich nichts entspricht, kann gerade hier der Vergleich einiger Momente ein klärendes Licht auf die Kapitalslogik (und zurück auf die Logik) werfen. Auf eine gewisse, zwar selber defiziente und sich auf hebende Entsprechung zur Begriffslogik — die Herstellung der Einheit durch Aufhebung des Scheins der Andersheit — wurde bereits hingewiesen. Hier können nun noch jene Elemente der Logik angeführt werden, welche das Kapital als ganzes in seiner Falschheit erscheinen lassen und über es hinausweisen. Dadurch erfährt auch jene Deutung eine partielle Berechtigung, welche die Logik des Begriffs nicht der Reproduktion, sondern der Aufhebung des Kapitals oder gar der Beschreibung postkapitalistischer Verhältnisse zuordnet: es könnten hier sozusagen jene Strukturen freigelegt werden, welche auch in der Logik des Kapitals gegen die dort existenten durchgesetzt werden müßten, um das im Kapital zwar erzeugte, aber verhinderte Freiheitspotential freizusetzen. Eine vollständige Deutung des Kapitals in diesem Sinne müßte auch zeigen, wie diese gegen das existente Kapital gerichteten Strukturen schon in dessen tatsächlicher Logik implizit mitgesetzt sind, und wie sich von ihrer Verwirklichung aus auch die bisher thematisierten transformieren müßten. Wenn die absolute Idee als absolute Form, d. h. als sich wissender Begriff, letzte Bestimmung der Logik ist, so bildet gerade nicht irgend eine Bestimmung den Abschluß der Logik, sondern die Einsicht in das, was der eigentliche und einzige Inhalt der Logik ist: der Begriff selber. Ähnlich wird auch schon in der Reproduktion offenbar, daß die Produktion, somit die Arbeit selber die Substanz aller Verhältnisse ist. Was aber noch fehlt ist gerade dies, daß diese Einsicht auch für die Arbeit selber real werde, daß die Arbeit auch für sich alleinige Substanz sei: dies aber meint keine ideelle Erkenntnis, sondern ein reales Werden. Ein solches aber ist im Rahmen des Kapitals unmöglich. So ist auch — abgesehen vom prinzipielleren Unterschied einer inhaltlichen und einer reinen Logik — eine ähnliche Abhandlung wie im „Methodenabschnitt" ausgeschlossen. Es kann gar nicht zu einer analogen Erörterung dessen, was letztlicher Inhalt des „Kapital" ist, kommen, weil dieser Inhalt in seiner Verwirklichung, wie sie hier beschrieben wird, gar nicht als er selber, sondern nur in seiner entäußerten Gestalt existiert; das Kapital umgekehrt kann nicht Gegenstand einer solchen Darlegung sein, weil es im Grunde gar nicht es selber, sondern die entfremdete Gestalt eines Ändern ist86. Weil dem so ist, setzt auch das „Kapital" nicht mir der allgemeinsten Bestimmung des Inhalts, der Arbeit überhaupt an, sondern mit deren entäußerten Gestalt, der Ware; denn diese ist Grundlage der Konstitution desjenigen „Subjekts", welches beschrieben wird — und faktisch herrschend ist —, des Kapitals. Von dieser Ambivalenz des Gegenstandes muß auch gezeigt werden können, daß sie der 86
Es ist klar, daß angesichts dieser Verschiedenheit die Thesen vom Zusammenhang von Form und Inhalt, Gegenstand und Methode, nicht undifferenziert von Hegel auf Marx übertragen werden können.
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inhaltliche Grund ist für die eigene logische Struktur des Kapitals, für die seinsmäßige Affiziertheit der Wesenslogik und die Aufbewahrung der Wesensrelationalität in der Begriffs- oder „Subjektivitäts"bestimmung. Wenn somit die Verschiedenheit der beiden logischen Systeme zwar von Anfang an vorhanden ist, so könnte man sagen, daß sie gerade hier, wo das Ganze als solches zur Sprache kommt, selber zum Thema wird. Das „Kapital" fängt nicht wie die Logik mit dem ersten — abstrakten — Wahren, sondern mit dessen Verkehrung, mit dem ersten Unwahren, dem „proton pseudos" an. Dieses auf seine begriffliche Wahrheit hin transparent zu machen heißt gerade, das Kapital als das absolute Negative, als Wendepunkt (vgl. Exkurs III) zu begreifen. Ähnlich wie in der Logik bringt auch der Abschluß des Kapitals jene inhaltliche Bedeutung zum Ausdruck, welche der in sich verkehrten Form entspricht: als Leiden, Nicht-Versöhntsein, Unfreiheit. Gerade die Verschiedenheit des Gegenstandes und seiner Logik ermöglicht — und verlangt — eine Erweiterung der Kapitalslogik, wie sie viele Kritiker auch an Hegel monierten: die nicht-akzidentelle Miteinbeziehung faktischer Geschichte in die Formbetrachtung selber. Marx'Abschlußkapitel über die „ursprüngliche Akkumulation" bildet insofern einen Gegenpart zur absoluten Idee, als in ihm zwar nicht die wahre Substanz aller Verhältnisse in ihrem Fürsichsein dargestellt wird, wohl aber jenes Element angegeben wird, welches gerade dieses Fürsichsein der Substanz verhindert: faktische Gewalt. Der Abschluß des Kapitals stellt den spezifischen „darstellungslogischen" Ort dar, an welchem Geschichte in die „reine" Systematik einbricht (Schmidt, Struktur und Geschichte 72; vgl. 42f., 64f.)87. Die in diesem Abschnitt erfolgende Perspektivenerweiterung ist nicht nur eine vom rein Ökonomischen ins Politische hinein, sondern zugleich — hierin der Logik ähnlich — eine von der Formbetrachtung auf den realen Gehalt hin, in welchem die Spezifizität der Form begründet ist. Auch hierin wäre noch eine Analogie zu Hegel zu sehen, daß, allerdings gerade in umgekehrtem Sinn, am Schluß erst für sich herauskommt, was schon am Anfang vorausgesetzt ist. Der Unterschied wäre allerdings, daß hier nicht der Grund für das mögliche Beisichsein, somit auch nicht das Beisichseiende selber herauskommt, sondern — in beiden Hinsichten — dessen Gegenteil.
Der Kontrast mit der Systematik des Marxschen „Kapital" mag dazu beitragen, die erste, aus der Logik gewonnene Fassung des Zusammenhangs von System und Freiheit zu veranschaulichen. Aufs ganze ge87
Es wird im Verlauf der weiteren Untersuchung zu zeigen sein, inwiefern auch bei Hegel der absolute „Gehalt" des Logischen, die Freiheit, wesentlich geschichtlich ist. Von da aus wird rückwirkend auch die Erörterung der absoluten Idee als „Einbruch" von Geschichte gedeutet werden können, welcher Einbruch sich seinerseits als Einordnung des Logischen selber in die übergreifende Dimension der absoluten Geschichte der Befreiung des Geistes erweisen wird.
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sehen, haben sich im Vergleich zwei in sich kohärente Systeme ergeben» deren je verschiedener Aufbau und logischer Duktus den jeweiligen impliziten Selbstinterpretationen als ideales System der Freiheit und reales System des Zwangs einen hohen Grad an Plausibilität verleiht. Gerade wenn versucht werden soll, Freiheit im Zusammenhang des Systemgedankens als solchen zu erhellen, oder die logische Struktur selber auf ihren Inhalt hin durchsichtig zu machen, so kann es weder genügen, das Ganze nur auf seine innere Nichtwidersprüchlichkeit hin zu prüfen, um dann im Falle der innern Konsistenz auch die Selbstdeutung einer logischen Struktur zu akzeptieren, noch dürfen die inhaltliche Deutung als solche vorausgesetzt und sämtliche Verhältnisse von Anfang an auf sie hin festgelegt werden. Es sollte versucht werden, durch den immanenten Nachvollzug sowohl struktureller Beschreibungen wie auch der inhaltlichen — teilweise impliziten, teilweise expliziten — Selbstinterpretation dieser Formen einen Einblick in die Gesamtstruktur und die sinnvolle oder unbegründete Anwendung darauf bezogener Deutungen zu gewinnen; in der Vermittlung von formaler und inhaltlicher Bestimmung sollte eine erste Annäherung an den selber systematischen Konnex von System und Freiheit ermöglicht werden. Dieser Zusammenhang hat am Schluß der Begriffslogik selber explizite Gestalt angenommen und ist zur „inhaltlichen" Bestimmung der absoluten Idee geworden. Die „Geschlossenheit", welche die Logik in ihrem Abschluß annimmt, hat sich als das formmäßige Äquivalent ihres Freiheitsbezugs herausgestellt; das System hat in seinem „Totalitäts"-charakter gerade die Notwendigkeit des In-sich-Zurückgekehrtseins dargelegt und klargemacht, wie dieses die Denkbedingung von Freiheit — und im gleichen von Wahrheit — darstellt. Weder läßt die Geschlossenheit, wie sie beschrieben wurde, die Logik zur ideellen und verhüllten Reproduktion eines ebenso „geschlossenen" Machtzusammenhangs werden, noch ist sie Resignation vor dem Faktischen oder Indiz der über sie verhängten Gewalt. Gerade die negative Entsprechung zum Marxschen Kapital hat gezeigt, wie die spekulative Totalität als Form der ansichseienden Freiheit auch noch — als nunmehr in sich verkehrte, gebrochene Form — für die Darstellung des Unfreien die unabdingbare Voraussetzung bildet. Der Zusammenhang von Systematik und Freiheit, der bisher in seiner reinen Form oder Idealität zur Sprache gekommen ist, soll nun im System als solchem überprüft und präzisiert werden. Dazu ist er teils in seinem wirklichen Sein (II. Teil), teils im Akt seiner Selbsterfassung (III. Teil) darzustellen. Zuvor aber kann noch in einer zusammenfassen-
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den Betrachtung der Logik als ganzer die Fragestellung erweitert und differenziert werden, auf welche die Erörterung der Geistesphilosophie zu antworten hat. Es sollen einerseits die allgemeinen logischen Grundstrukturen spekulativer Dialektik näher umrissen werden; diese ist der allgemeinste Titel, mit welchem das Spezifische der Hegeischen Philosophie benannt werden kann. Zum ändern soll die Frage nach der prinzipiellen Inhaltlichkeit — oder Inhaltsfremdheit — mit bezug auf das Ganze der logischen Theorie aufgenommen werden; es werden dabei anhand der Hegel-Literatur mögliche Perspektiven ausgebreitet, über deren Angemessenheit teils schon aufgrund der erörterten Dialektik von Logizität und Freiheit, teils erst in der Nachzeichnung der Realphilosophie zu urteilen sein wird.
2. Die Logik als Ganzes A. Formbestimmtheit des Logischen: Dialektik und Spekulation Daß Freiheit nach dem Verständnis Hegels nicht nur an einer bestimmten Stelle innerhalb der Logik abgehandelt wird, sondern sich als Grundthema der Logik überhaupt herausstellen soll, dies bildete die „inhaltliche" Erkenntnis in der Behandlung des Schlußabschnitts. Dieser Aspekt ist nun dadurch zu ergänzen, daß Freiheit nicht nur den Inhalt, sondern auch die ganze „Form" der Logik charakterisieren soll. Dialektische Logik ist die einzig angemessene Art, Freiheit denken und darstellen zu können. Hegel stimmt Jacobis Kritik an der Demonstrationsweise der „vormaligen Metaphysik" zu mit dem Hin weis, Jacobi „habe den Punkt, worauf es ankommt, aufs Lichteste und Tiefste herausgehoben, daß nämlich solche Methode der Demonstration schlechthin in den Kreis der starren Notwendigkeit des Endlichen gebunden ist und die Freiheit, d. i. der Begriff'und damit Alles, was wahrhaft ist, jenseits derselben liegt, und von ihr unerreichbar ist" (L II 539f.). Freiheit darzustellen ist nur möglich im „System", welches vom Abstrakten zum Konkreten fortschreitet und die immanente Entwicklung des Begriffs nachzeichnet. Indem die „Methode", wie sie in der absoluten Idee dargelegt wurde, den sich wissenden Begriff als den einzigen, absoluten Inhalt der Logik herausstellt, gibt sie zugleich eine allgemeine Anweisung für die Vorgehensart des wahren Denkens. Vernünftiges Begreifen muß auch dort auf den Begriff ausgerichtet sein, wo es mit Besonderem befaßt ist und nicht den Begriff als solchen zur Darstellung bringen kann. Freiheit soll nicht nur der umfassende Inhalt sein, der am Schluß der Logik herauskommt — von wo er sich zwar retrospektiv auch als inhaltsmäßige Bestimmung des Vorausgehenden erweist —, sie soll auch die Argumentationsweise der Logik von ihrem Anfang an auszeichnen: nicht nur Bestimmung dessen sein, wovon letztlich die Rede ist, sondern auch spezifische Bestimmung der Art und Weise, wie geredet wird. Von dieser zweiten Seite her ist nun, nachdem die einzelnen Stufen des logischen Begriffs zur Sprache gekommen sind, dessen Ganzes zu themati-
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sieren. Wie und wo aber ist diese allgemeine „Form" des wahren Denkens aufzugreifen und zu erörtern ? Abstrakt gesehen, können mehrere Möglichkeiten erwogen werden. Es kann die dialektische Vorgehens weise sowohl als Charakteristikum des Ganzen wie auch als Merkmal der Struktur einzelner Übergänge thematisiert werden, oder es kann auch das Verhältnis einzelner Übergänge zum Ganzen oder zu den Hauptübergängen Sein/Wesen/Begriff im Vordergrund stehen. Indes hat der „Methodenabschnitt" von Seiten des logischen Inhalts — der Einheit des Begriffs — her nachzuweisen versucht, daß auch bezüglich der Form zwischen der Struktur des Ganzen und der einzelner Bestimmungen und Verhältnisse keine Divergenz besteht. Aus diesem Grund kann sich auch die Untersuchung dieser Form zunächst von neuem der Schlußbetrachtung der Logik zuwenden, um in dieser nunmehr die andere, komplementäre Seite herauszuarbeiten: nicht mehr die sich herstellende Einheit des Begriffs, sondern den darin gründenden „Modus" des Begreifens. Dieser kann als ganzer dadurch näher bestimmt werden, daß versucht wird, über die Begriffe „Dialektik" und „Spekulation" und ihre Funktion innerhalb des Hegeischen Denkens Klarheit zu verschaffen. Dialektik und Spekulation spielen im Bereich der „subjektiven" Logik (die noch nicht die Methode im üblichen Sinn ist) eine ähnlich wesentliche und das Ganze strukturierende Rolle wie das Begriffspaar Form/Inhalt in der „objektiven" Dimension; zusammen mit dem Verstand bilden sie die drei Seiten des Logischen „der Form nach" (E § 79). Es kann hier nicht der Versuch einer Bestimmung von Dialektik überhaupt unternommen werden1. Lediglich sollen die schon des öfteren verwendeten Begriffe von Spekulation und Dialektik in ihrer Funktion als Grundbestimmungen der logischen Entfaltung sowie in ihrer gegenseitigen strukturellen Beziehung erhellt werden. — Es kann noch angemerkt werden, daß die hier zur Sprache kommende Problematik des Zusammenhangs von dialektischem Denken und Freiheit das Denken überhaupt und somit auch 1
Dialektik, „in ihrer eigentümlichen Natur", wird als die wahrhafte Natur der Begriffsbestimmungen wie „des Endlichen überhaupt" definiert (E §81 A). Wenn auch die „metaphysische" Bestimmung von Dialektik als Wahrheit der Endlichkeit oft als grundlegend für die „logische" in Anspruch genommen wird — wo die beiden überhaupt unterschieden werden —, so soll hier doch, im Anschluß an die Erörterung der Logik, nur die letztere, die Bewegung der reinen Denkbestimmungen, zur Diskussion stehen; nur über sie ist auch eine genauere Fassung der erstem möglich. — Den Versuch einer zusammenfassenden Darstellung der verschiedenen Aspekte Hegelscher Dialektik unternimmt A. Sarlemijn in seinem Buch Hegeische Dialektik.
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jenen Fall betrifft, wo nicht eine freie, sondern eine in sich unfreie Totalität zur Darstellung kommen soll. Die negative Zuordnung der Demonstration zum Bereich der Notwendigkeit darf ja wohl nicht umgekehrt gelesen werden, sondern sicher muß nach Hegels Ansicht auch eine wahre Darstellung des Unfreien dialektisch vorgehen. Die Darstellung müßte dann wohl Strukturen enthalten, die in sich selber Unwahrheit verkörpern, und trotzdem die einzig mögliche „wahre" Darstellung des dargestellten Unwahren sein. Gerade die daraus sich ergebende Spannung, ob sie sich nun in der Logizität einzelner Verhältnisse (z. B. Einholen von Voraussetzungen, Vermittlung von Unmittelbarkeit) oder des Ganzen (geschlossene Logik, Logik der Faktizität usw.) äußert, scheint auf ein kritisches Darstellungspotential aufmerksam zu machen, das vielleicht erst ex negative in der positiven Fassung der Koinzidenz aufzufinden ist. Hegel unterscheidet die verschiedenen Seiten des Logischen folgendermaßen: „Der Verstand bestimmt und hält die Bestimmungen fest; die Vernunft ist negativ und dialektisch, weil sie die Bestimmungen des Verstandes in Nichts auflöst; sie ist positiv, weil sie das Allgemeine erzeugt, und das Besondere darin begreift" (L 116); die letzte dieser Bestimmungen wird in der parallelen Erörterung der Enzyklopädie — welche zugleich die ausführlichste eigene Abhandlung dieser Bestimmungen darstellt (E § § 79—82) — als die spekulative bezeichnet. Die Schwierigkeit des Verständnisses wkd dadurch erhöht, daß diese Unterscheidung selber nur vom Standpunkt ihres ersten Moments, des abstrakten Verstandes gemacht ist, dadurch aber diese Bestimmungen gerade „nicht in ihrer Wahrheit betrachtet" werden; in Wahrheit machen sie weder drei trennbare Bestandteile der wahren Betrachtungsweise, noch „drei Teile der Logik aus, sondern sind Momente jedes Logisch-Reellen, das ist jedes Begriffes oder jedes Wahren überhaupt" (E § 79 A). Sie wahr auffassen hieße somit, sie selber von jedem der drei Standpunkte, somit aber letztlich von jenem des Spekulativen aus zu begreifen. Sowohl Spekulation als auch Dialektik werden als jenes Moment der wissenschaftlichen Darstellung bezeichnet, welches dasjenige leistet, was sonst vom — verstandesmäßigen — Beweis verlangt wurde: die Herstellung der innern Notwendigkeit. Sie meinen jene radikale Transformation des Beweises, wodurch dieser seiner Formalität enthoben und dadurch vor dem unendlichen Regreß bewahrt werden soll; erst in seiner dialektischen Fassung vermag der „Beweis" der wirklichen — weil nicht nur formellen — Notwendigkeit zu folgen und wahre — weil inhaltliche —
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Erkenntnis zu verschaffen. „Nachdem aber die Dialektik vom Beweise getrennt wurde, ist in der Tat der Begriff des philosophischen Beweisens verloren gegangen" (PG 61). In der Formalität und der Äußerlichkeit des Allgemeinen gegenüber dem Besondern, wie sie im üblichen Beweise vorhanden sind, „geschieht der Form der Notwendigkeit nicht Genüge. Das Nachdenken, insofern es darauf gerichtet ist, diesem Bedürfnisse Genüge zu leisten, ist das eigentlich philosophische, das spekulative Denken" (E § 9). So ist einerseits „das wahrhaft Dialektische" das, „wodurch sich der Begriff selbst weiter leitet" (L I 51) und „wodurch allein immanenter Zusammenbang und Notwendigkeit in den Inhalt der Wissenschaft kommt" (E § 81 A); anderseits wird dieses Dialektische, wie es in seiner Wahrheit genommen werden muß, gerade als das Spekulative bezeichnet (L 151). Anvisiert sind zwei Aspekte der einen Doppelbewegung, welche in sich „nicht zeitlich, noch auf irgend eine Weise getrennt und unterschieden ist" (E § 214 A). Desgleichen nimmt Hegel auch die erkennende Instanz aus der abstrakten Trennung in die Einheit zurück: „In ihrer Wahrheit ist die Vernunft Geist, der höher als beides, verständige Vernunft oder vernünftiger Verstand ist" (L 117). Es muß nun versucht werden, näher zu bestimmen, auf welche Weise in der zugleich dialektischen und spekulativen Darstellung wissenschaftliche Notwendigkeit zustande kommen soll, um anschließend die Gegenüberstellung von Spekulation und Dialektik selber genauer zu fassen. Zahlreich sind die Äußerungen, welche Dialektik als jene Bewegung kennzeichnen, durch welche eine Bestimmung, ein Inhalt, durch sich selbst fortbewegt und über sich hinausgetrieben wird, sich negiert und in die Einheit mit sich zurückkehrt; und ebenso verschieden sind die Formulierungen und Metaphern, welche diese Bewegung zu umschreiben oder zu fassen suchen. Dialektische Bewegung kann, grob analysiert, als die Einheit von zwei Fortbestimmungsbewegungen gefaßt werden, welche zu ihren Extremen drei Bestimmungen haben, deren mittlere in sich wiederum gedoppelt ist. Die erste Bestimmung, das Unmittelbare, und die von ihr ausgehende Bewegung wurden bereits in der Methodenerörterung nachgezeichnet. Weil die Methode als absolute Form die eigene Form der ersten Bestimmung ist, d. h. weil das erste Unmittelbare, in seiner Wahrheit aufgefaßt, nicht nur durch einen irgendwie bestimmten Inhalt, sondern wesentlich auch durch seine Form, die abstrakte Unmittelbarkeit selber gekennzeichnet ist, zeigt es sich an ihm selber ein Anderes zu sein als das, wofür es sich vorerst auszugeben schien: „als Abstraktes ist es schon gesetzt als mit einer Negation behaftet" (L II 555).
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Dasjenige, was unmittelbar da ist, in seiner Wahrheit auffassen, heißt in ihm die interne Spannung geltend machen, durch die es an sich mehr ist als es in seiner unmittelbaren „Selbstaussage" ausspricht. Der erste „dialektische" Schritt über das Abstrakte hinaus besteht im expliziten Setzen der ansichseienden Negation; er ist „das Hervortreten der Different^' (L II 556), nicht ein von außen her ins Verhältnis Setzen, sondern das „immanente Hinausgehen" (E § 81A), durch welches sich „das Allgemeine in ihm selbst" zum bestimmten macht (L II 556). Das Erste, „an und für sich betrachtet", zeigt sich „als das Andre seiner selbst" (L II561). Die so entstandene zweite Bestimmung, welche „das Negative" der ersten ist (L II561), erweist sich — durch die Spezifizität des Übergangs, welcher zu ihr führte — nicht als das reine Nichts, sondern wesentlich als das „Andere des Ersten", in welchem dieses Erste „aufbewahrt und erhalten" bleibt. „Das Positive in seinem Negativen, dem Inhalt der Voraussetzung, im Resultate festzuhalten, dies ist das Wichtigste im vernünftigen Erkennen" (L II561). Dadurch unterscheidet sich der hier anvisierte Übergang zum einen von der formallogischen Negation und vom nihilistischen Skeptizismus, zum ändern von jener trivialen Deutung der „positiven" Negation, nach welcher gerade deshalb, weil die Negation auf ein Bestimmtes geht, mit dessen Negation alles außer ihm bezeichnet werde, somit Nicht-A selber wieder als positive Kennzeichnung zu verstehen sei2. Es geht hier im Gegenteil gerade darum, das Erste im Zweiten festzuhalten, wodurch sich dieses als ein Vermitteltes, Entstandenes ergibt. Das Zweite ist nicht ein bloß Anderes, sondern das Erste als mit sich selber, nämlich mit seiner Form vermittelt. Hierin ist aber schon die innere Doppelung der zweiten Bestimmung gelegen, nicht nur das Andere des Ersten, sondern zugleich „das Andre an sich selbst" (L II 562), nicht nur vermittelt, sondern auch vermittelnd zu sein. Das Zweite ist zugleich vermittelnd, insofern es selber 2
Es deutet sich hier an, wie dürftig schlußendlich die Formulierungen der hier anvisierten Verhältnisweisen über die Begriffe der Negation, der Andersheit, der doppelten Negation und der Negativität ist. Es mag zugestanden werden, daß vor den tatsächlichen Ausdrucksschwierigkeiten vielleicht keine andere Möglichkeit besteht, als auf solche Termini zu rekurrieren — welche dann in der Tat in ihrem Sinn auch derart modifiziert werden, daß ihre rein formale Primärbedeutung selber als derivierte erscheint. Trotzdem fragt es sich, ob die Insistenz auf dem Negationsbegriif nicht mehr Probleme verschleiert als enthüllt. — Darauf weist Hegel selber schon beim ersten Übergang hin, bei der Negation des Endlichen und dessen Herabsetzung zum ideellen Moment: „Die Idealität hat diese konkretere Bedeutung, welche durch die Negation des Endlichen nicht vollständig ausgedrückt ist" (L 1165).
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wiederum nicht nur als unmittelbares genommen — so ist es nur das Vermittelte, das Resultierende des Ersten —, sondern auf dieses sein Entstehen zurückreflektiert und mit ihm vermittelt wird. Indem es das Andere seiner selbst oder „der Widerspruch" (L II 562) ist, ist es die Mitte des dialektischen Bestimmungsprozesses, in welchem sowohl die immanente Unterscheidung wie deren notwendige Überwindung explizit zum Ausdruck gebracht werden; so in sich reflektiert, ist die Mittelbestimmung „die gesetzte Dialektik ihrer selbst" (ebd.). Im Ganzen des dialektischen Fortbestimmungsprozesses stellt sie den „Wendungspunkt" dar, in welchem die „Bewegung des Begriffs" sich in sich umkehrt (L II 563), das Setzen des Unterschieds zur „Beziehung des Negativen auf sich selbst" wird (L II 563). Die dialektische Fortbestimmung des Zweiten besteht somit darin, die Einheit seiner mit sich selbst, seiner Bestimmtheit mit seinem Gewordensein — oder seines Inhalts und seiner Form — zu setzen, sich als das Zugleich von Andersheit und Einheit zu setzen, den Widerspruch aufzulösen. Beide Bewegungen, die hier angedeutet wurden — die Setzung des Unterschieds wie der Einheit —, werden von Hegel als dialektische gekennzeichnet: „Weil das Erste oder Unmittelbare der Begriff an sich, daher auch nur an sich das Negative ist, so besteht das dialektische Moment bei ihm darin, daß der Unterschied, den es an sich enthält, in ihm gesetzt wird. Das Zweite hingegen ist selbst das Bestimmte, der Unterschied oder Verhältnis; das dialektische Moment besteht bei ihm daher darin, die Einheit zu setzen, die in ihm enthalten ist" (L II 562). Das Dialektische ist hierbei jenes Moment der Fortbewegung, das schon bei der Methodenerörterung unter dem Aspekt der Form/Inhalt-Dialektik thematisiert wurde: das Setzen dessen, was in einer Bestimmung an sich enthalten ist. Das Dialektische, insgesamt die „negative" Seite der Vernunft, enthält somit bereits an ihm selber ein „negatives" und ein „positives" Moment; die „positive" Seite der Vernunft — das Spekulative — wird vom letztern noch zu unterscheiden und in anderer Weise zu bestimmen sein. Zugleich aber sind auch in jedem dieser „Momente", in jeder der „Teilbewegungen" der dialektischen Bestimmung die beiden entgegengesetzten Hinsichten des Außersichgehens und des Insichgehens vereint; schon der dialektische Modus des ersten Schritts, des „Urteils", ist seine „so sehr synthetische als analytische" Bestimmung (L II 557)3. Dialektik vollzieht und begründet jene Bewegung, die von 3
An späterer Stelle (S. 563) werden die Begriffe .analytisch' und .synthetisch' jeweils nur einer der beiden Bewegungen 2ugeteilt. Diese Zuteilung wird jedoch
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Seiten des Inhalts als die zweifache von Erweiterung und Intensivierung beschrieben wurde. Sie ist Erweiterung insofern, als der explizite Bedeutungsgehalt der Sache, von der die Rede ist, dadurch erweitert wird, daß auch ihr Vermitteltsein, ihre gesetzte Form selber noch in den Gehalt der Bestimmung miteinbezogen wird; und Intensivierung insofern, als die vorerst als Andersheit begriffene Fortbestimmung sich als die eigene Bestimmung der ursprünglichen Sache erweist, diese somit auch das ihr Fremde, das nur an sich mit ihr identisch war, als mit ihr identisch setzt. Gerade diese Doppelseitigkeit macht den „objektiven" und zugleich „positiven" Charakter der Dialektik aus, wodurch sich diese — als die „höhere Dialektik des Begriffs" — von der formellen oder negativen — sowohl antiken wie modernen — Dialektik der Vorstellung und des Verstandes abhebt (R § 31 A; vgl. LII 557ff.). Die im Methodenabschnitt dargelegte Bestimmung der dialektischen Bewegung stellt die begriffliche und strukturelle Basis dar, welche der Rede von Dialektik im weitern Zusammenhang der Hegeischen Philosophie zugrundeliegt; auch die marxistische Verwendung des Dialektikbegriffs kann großenteils als Illustration des von Hegel Anvisierten gelten. Dialektisch ist jene Methode, welche in systematischer Weise die innere Negativität des Wirklichen und zugleich die darin angelegte Verweisung auf das Ganze herausarbeitet. Wenn Marx den Widerspruch als Quelle aller Dialektik bezeichnet, so kann auch von der Dialektik im Hegeischen Sinn gesagt werden, daß sie in der Widersprüchlichkeit des Seienden gründet; dies gilt nicht nur für den offen zutagegetretenen Widerspruch des gesetzten Negativen, sondern auch für den ansichseienden des abstrakt Unmittelbaren. In beiden Fällen macht die dialektische Betrachtung die innere Inadaequanz des Wirklichen, die interne Differenz von Ansichsein und Gesetztsein, von Begriff und Realität sichtbar. Dialektische Erkenntnis vollzieht sich nach der Phänomenologie des Geistes in der Auslotung jener Spannung, welche in der „Ungleichheit der Substanz zu sich selbst" (PG 39) gründet. Die Selbstdenzienz wird vom dialektischen Denken aber zugleich im Horizont der Notwendigkeit ihrer Erfüllung begriffen; Dialektik transzendiert die gegebene Wirklichkeit „auf eine andere, in ihr tendenziell angelegte" Gestalt hin4, sie sieht im Negativen „nicht nur das Elend", „sondern ebenso den Wende-
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an der gleichen Stelle wieder relativiert („obgleich . . ."); sie ist nur sinnvoll, „wenn" diese Bestimmungen „in ihrem Gegensatze gebraucht werden". Marcuse, Zum Begriff des Wesens 37.
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punkt"5. Gerade im dialektischen Vorgriff auf das Ganze wird das Einzelne zum Negativen; nur weil das Faktische von dem ihm innewohnenden Maßstab her begriffen wird, und nur weil der eigene Maßstab des Besonderen6 im absoluten Maßstab des reinen Begriffs gründet — und seine Maßstabfunktion nur von diesem her bezieht —, kann das Negative als das zu Überwindende offenbar werden. Für das dialektische Erkennen bedeutet dies die Anweisung, die Erkenntnis des Einzelnen durch die Einsicht in den Gesamtzusammenhang zu vermitteln7, in der Struktur des Wirklichen die Verhältnisweise der Wahrheit selber aufscheinen zu lassen, oder auch „das unbeirrte Bemühen, kritisches Bewußtsein der Vernunft von sich selbst mit der kritischen Erfahrung der Gegenstände zusammenzuzwingen"8. In diesen Applikationen ist allerdings bereits an sich das Feld des Spekulativen betreten — konsequenterweise, weil Dialektik nach der Hegeischen Konzeption sich gar nicht zu Ende führen oder denken läßt, ohne sich in Spekulation aufzuheben. Diese ist nun in ihrer begrifflichen Form zu explizieren. Die Nachzeichnung der dialektischen Doppelbewegung hat gezeigt, daß nicht schon das Zurückgehen in die Einheit als das Spekulative gefaßt und insofern dem Dialektischen als der Selbstentzweiung entgegengesetzt werden kann. Diese beiden Bewegungen sind vorerst als spezifisch dialektische zu begreif en, insofern sie das gleiche Prinzip der Selbstbewegung und Selbstbestimmung in seiner Notwendigkeit darstellen9. Es kann aber auch nicht — wiewohl dies sich oft so darstellt — das nun folgende Aussprechen der Einheit in der Differenz als der spezifisch spekulative Akt verstanden werden, der somit den beiden dialektischen Bewegungen konsekutiv wäre und als letzter die Bewegung abschlösse. Daß das Verhältnis komplexer ist, zeigt die Analyse dessen, was in der dritten Bestimmung wirklich gesetzt ist. Die dritte Bestimmung ist zwar die Einheit der beiden ersten, des Unmittelbaren und des Vermittelten, „aber diese Formen des Urteils: das Dritte ist Unmittelbarkeit und Vermittlung, oder es ist die Einheit 6 8 7 8 9
Bloch, Subjekt-Objekt 409. Vgl. PG Einleitung. Vgl. Horkheimer, Kritische Theorie 1262. Adorno, Drei Studien %u Hegel 21. So wird auch von der Idee gesagt, sie sei sowohl die „Dialektik, welche ewig das mit sich Identische von dem Differenten . . . ab- und unterscheidet" als auch „die Dialektik, welche dieses Verständige, Verschiedene über seine endliche Natur und den falschen Schein der Selbständigkeit seiner Produktionen wieder verständigt und in die Einheit zurückführt" (E § 214A).
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Logische Systematik und Freiheit
derselben, sind nicht vermögend, es zu fassen, weil es nicht ein ruhendes Drittes, sondern eben als diese Einheit die sich mit sich selbst vermittelnde Bewegung und Tätigkeit ist" (L II565). Das Resultat der dialektischen Bewegung bildet also nicht eigentlich eine neue Bestimmung im Sinne der vorhergehenden, sondern eine Bestimmung, welche sich gerade dadurch auszeichnet, die Einheit der Bewegungen von Entzweiung und Vereinigung zu ihrem einzigen Inhalt zu haben; die Ähnlichkeit zum früher erörterten Verhältnis des Begriffs zu seinen Bestimmungen ist nicht zufällig. Diese nun erreichte Einheit, nicht der Satz, der sie —immer inadäquat — ausspricht, ist das Spekulative. Dies ist nicht ein der dialektischen Bewegung Nachfolgendes, sondern das Ganze dieser Bewegung selber10; man könnte sagen, sie ist die Einheit, deren Entfaltung und Herstellung die Dialektik ist11. Es muß sowohl die eine Seite festgehalten werden, daß nämlich Spekulation — im Hegeischen Verständnis — nur dialektisch begriffen werden kann, wie auch die andere, daß Dialektik nur als spekulative die hier skizzierte Funktion übernehmen kann: denn ihre Entfaltung ordnet sie schon immer ein innerhalb des Ganzen, das darzustellen ihre Bewegung ausmacht. Wenn die abstrakten Momente „eben darum dialektisch sind und durch diese ihre Negativität sich zum Subjekt machen" (L II566), so hat schon die Methodenerörterung gezeigt, daß diese Spezifizität der Abstraktheit, welche das Abstrakte an ihm selbst zum Defizienten und Fortzuentwickelnden macht, darin gründet, daß sie immer schon als die innere-ideelle Abstraktheit einer Totalität gefaßt ist, somit das eigentlich Spekulative sich noch als Motor jenes Dialektischen erweist, das hier beansprucht wird12. Dieses Verhältnis der Bestimmungen — oder genauer: der beiden dialektischen Bewegungen und der Schlußbestimmung — versucht Hegel anhand der Logik des Schlusses genauer zu fassen. Der Schluß ist eben jene logische Figur, welche die Herstellung der Einheit in der entzweiten Totalität, die „Wiederherstellung des Begriffes im Urteile" 10
11 12
In ähnlichem Sinn PG57: „Dagegen . . . gehört im begreifenden Denken das Negative dem Inhalte selber an und ist sowohl als seine immanente Bewegung und Bestimmung, wie als Ganges derselben das Positive"; PG54: „So ist also die Verständigkeit ein Werden, und dies Werden ist die Vernünftigkeit". analog der Gegenüberstellung Methode/Begriff in seiner Entfaltung. Diese Dominanz, welche auch als Priorität der Form über den Inhalt, des Begriffs über die Begriffsbestimmungen, oder als das immer schon Ubergriffenwerden der Realität durch den Begriff gefaßt werden kann, stellt wohl das wesentlichste Element der „idealistischen" Voraussetzungen spekulativer Logik dar. Vgl. Theunissen, Begriff und Realität 191.
Dialektik und Spekulation
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(L II 351) leisten soll. Das Schließen ist wesentlich das sich mit sich Zusammenschließen, und „alles Vernünftige", insofern es sich in dieser Allgemeinheit expliziert, „ist ein Schluß" (ebd.)13. Wenn die erste Negation als die erste Prämisse, „die Beziehung des Negativen auf sich selbst . . . als die ^weite Prämisse des ganzen Schlusses" betrachtet wird (L II 563), so ist das Dritte „der Schlußsatz", in welchem der Begriff „durch seine Negativität mit sich selbst vermittelt, hiermit für sich als das Allgemeine und Identische seiner Momente gesetzt ist" (566). Damit die Rede vom Schlußsatz nun allerdings dasjenige enthülle, was wirklich gemeint ist, muß sie selber nach dialektischer Logik und nicht in ihrer formellen Bedeutung verstanden werden. Der Schlußsatz spricht zwar die Wahrheit der vorausgehenden Vermittlung aus, wird aber selber nur dann in seiner Wahrheit aufgefaßt, wenn er nicht als Satz — als Urteil —, sondern als das Ganze des Schlusses selber verstanden wird. Wie am Ende der Logik der Begriff sich für sich selber manifestiert, der als solcher aber nicht mehr eine Bestimmung neben ändern darstellt, sondern nur im Bezug auf das Ganze verstanden werden kann, so ergibt sich hier der ähnliche Sachverhalt, daß nicht schon das einfache Aussprechen des Resultats die Wahrheit wäre, sondern nur die Darstellung des Resultats, insofern es das Ganze ist. Denn gerade dieses „insofern" ist der Inhalt des Schlußsatzes — oder in der Logik: der absoluten Idee — selber. Das Spekulative kommt nur dadurch zur Geltung, daß die Schlußbestimmung sich zugleich als das Ganze und als Grund der sie erzeugenden Vermittlung erweist. Nur durch diese Doppelbewegung, welche zugleich voran- und in ihren Grund zurückschreitet, kann Konkretion, Wahrheit, Freiheit zur Darstellung gelangen. Dieses Verhältnis ist es auch, welches dem zugrunde liegt, was Hegel in der Rede vom „spekulativen Satz" thematisch macht. Der spekulative Satz, insofern in ihm das Resultat als das Ganze der Vermittlung ausgesprochen werden soll, „zerstört" die Natur des Satzes oder des Urteils; es findet in ihm der Konflikt statt zwischen „der Form eines Satzes überhaupt und der sie zerstörenden Einheit des Begriffs" (PG 59)14. Die in der Vorrede zur Phänomenologie gegebene Darstellung 13
14
So vollzieht sich auch die letzte Bestimmung der philosophischen Wahrheit, der „untrennbare Zusammenhang des allgemeinen, einfachen und ewigen Geistes in sich selbst" (E § 571), in den „Schlüssen" der Philosophie. Vgl. L II 561 f.: „Bei dem Urteile ist gezeigt worden, daß seine Form überhaupt, und am meisten die unmittelbare des positiven Urteils unfähig ist, das Spekulative und die Wahrheit in sich zu fassen"; vgl. 37f.; L I 93f.; Rel II 203, 205; Gesch. Ph. II 397.
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könnte nun vielleicht das Mißverständnis erwecken, als gäbe es gewisse Sätze — „Gott ist das Sein", „Das Wirkliche ist das Allgemeine" —, welche als solche, d. h. als Sätze mit einem gewissen Inhalt, dem allgemeinen Schicksal des Urteils zu entrinnen und an ihnen selbst das Spekulative auszudrücken in der Lage wären. Spekulativ ist jedoch der Satz nur, insofern er ein „philosophischer Satz" ist, dessen „philosophischer Inhalt" das Wissen nötigt, „auf den Satz zurückzukommen und ihn nun anders zu fassen" (PG 60): d. h. insofern er als Satz innerhalb einer dialektisch-notwendigen Darstellung vorkommt, die ihn unter die Logik des Begriffs überhaupt stellt und nur in Bezug auf diese richtig auffassen läßt. Diese richtige Auffassung aber selber im gleichen einen Satz schon unmittelbar mitzusetzen, ist durch dessen eigene Form verwehrt. „Daß die Form des Satzes aufgehoben wird, muß nicht nur auf unmittelbare Weise geschehen, nicht durch den bloßen Inhalt des Satzes. Sondern diese entgegengesetzte Bewegung muß ausgesprochen werden; so muß nicht nur jene innerliche Hemmung, sondern dies Zurückgehen des Begriffs in sich muß dargestellt sein. Diese Bewegung, welche das ausmacht, was sonst der Beweis leisten sollte, ist die dialektische Bewegung des Satzes selbst. Sie allein ist das wirkliche Spekulative" (PG 61). Die Natur des Wahren macht es erforderlich, die „Bewegung und die Umkehrung" des Satzes, „welche das Selbst zum Prädikate herunterbestimmt, und die Substanz zum Subjekte erhebt" (PG 545)15, in der Darstellung zum Ausdruck zu bringen. Die Wissenschaft als ganze ist auf die Form des „spekulativen Satzes" verpflichtet; sie kommt rektifizierend auf die eigene Form zurück und wendet die inhaltlich zur Darstellung gelangende spekulative Verhältnisweise gegen den Modus der Darstellung selber. Spekulative Darstellung ist Nachvollzug der spekulativen Umkehrung, durch welche „das zunächst als Folgendes und Hervorgegangenes Gestellte" sich als „das absolute Prius dessen" erweist, „durch das es als vermittelt erscheint" (E § 522A)16. Diese Ausführungen über die Natur des Spekulativen machen nun auch anschaulicher, was die schon anfangs behauptete Einheit von Dialektik und Spekulation bedeutet. Dialektik und Spekulation sind nicht als konsekutive — etwa als nacheinander auftretende Verfahrens15 16
Vgl. Gesch. Ph. III421: „Die konkrete Einheit kann nur so gefaßt werden, daß sie Prozeß ist und die lebendige Bewegung in einem Satze." Vgl. Puntel, Darstellung, Methode und Struktur 34: „Wie die spekulative Darstellung, indem sie sich durch die nicht-spekulative Form der Sprache vermitteln muß, spekulativ bleibt: darin liegt das ganze Problem der Darstellung bei Hegel."
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weisen oder als nacheinander in Geltung gesetzte logische Verhältnisse — miteinander verbunden, sondern sie stehen in analogem Verhältnis wie der sich entfaltende Begriff und die absolute Idee. Die für sich seiende Einheit, soll sie nicht abstrakt bleiben, kann nur als das sich Verwirklichende, sich Entwickelnde und — im reinen Gedanken wie in der Wirklichkeit — sich Darstellende sein. Ihre Verwirklichung allein ist ihre Wirklichkeit: gerade dies ist ihr Inhalt. Ihre Verwirklichung aber ist im wissenschaftlichen System wie in der Realität ihre Darstellung. Das Dialektische bezeichnet dasjenige, was die notwendige Bedingung ihrer einzig möglichen Darstellung, somit ihrer Verwirklichung ausmacht; das Spekulative bezeichnet diese nur in ihrer Darstellung wirkliche Einheit selber. Die Unterscheidung der beiden Hinsichten ist allerdings eine solche, welche zugleich nur in ihrer Einheit wahr aufgefaßt werden kann: die alleinige Methode der Hegeischen Logik ist die spekulative Dialektik. Diese ist die (subjektive wie objektive) Methode jedes Übergangs und jeder Fortbestimmung des Begriffs. Die drei Seiten der Vernunft sollen nicht drei Teile der Logik, sondern drei „Momente jedes Logisch-Reellen" sein (E § 79A). Nicht bezeichnet spekulative Logik die Art, wie erst am Schluß der Logik vorgegangen würde, sondern sie ist in jeder Bestimmung der ganzen Logik, sofern diese in ihrer Wahrheit — d. h. als Einheit ihrer Bestimmung mit ihrem Gewordensein, somit unter dem Aspekt der absoluten Methode — gefaßt wird, als fundamentales Moment vorhanden17. Wenn das Spekulative nur über das Dialektische wirklich sein kann, so ist es anderseits — vielleicht in einem noch eminenteren Sinn — für das Dialektische selber gründend. Indem Spekulation gerade jenen Tatbestand anvisiert, daß das Einzelne seine Wahrheit nur im Ganzen hat, ist sie es auch, welche über die Dialektik die Notwendigkeit des logischen Fortgangs gewährleistet18. Wie auf der Ebene des logischen Gegenstandes gesagt wurde, daß jede Bestimmung 17
18
So erfordert nicht nur der — auf der Ebene des Begriffs auftretende — Zweckbegriff eine „spekulative Auffassung, als der Begriff, der selbst in der eigenen Einheit und Idealität seiner Bestimmungen das Urteil oder die Negation ... enthält und ebensosehr das Aufheben derselben ist" (E § 204 A), sondern schon in der Einheit von Sein und Nichts ergibt sich das Problem der spekulativen Auffassung einer Einheit in der Verschiedenheit, das Problem des „spekulativen Satzes": „In der Tat läßt sich eine spekulative Bestimmung nicht in Form eines solchen Satzes richtig ausdrücken; es soll die Einheit in der zugleich vorhandenen und gesetzten Verschiedenheit gefaßt werden" (E § 88 A 4). PG 47: „In dieser Natur dessen, was ist, in seinem Sein sein Begriff zu sein, ist es, daß überhaupt die logische Notwendigkeit besteht; sie allein ist das Vernünftige . .. oder sie allein ist das Spekulative"; vgl. E § 9.
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nur dann wahr aufgefaßt ist, wenn sie als Formbestimmung, somit als Bestimmung der Form oder des Begriffs überhaupt gefaßt ist, so kann Hegel hier auf der Ebene der Darstellung sagen: „Die Darstellung muß, der Einsicht in die Natur des Spekulativen getreu, die dialektische Form behalten und nichts hereinnehmen, als insofern es begriffen wird und der Begriff ist" (PG 62). Wenn nun zwar spekulative Dialektik als die Methode der ganzen Logik anzusehen ist, so kann gleichwohl auf eine bestimmte Beziehung zwischen Dialektik und Wesenslogik einerseits, Spekulation und Begriffslogik anderseits aufmerksam gemacht werden. Sie Hegt, grob gesagt, nicht in der Form, sondern im Inhalt. Die Bestimmungen der Wesenslogik, selber zwar nur dialektisch-spekulativ in ihrer Wahrheit gefaßt, stellen „inhaltlich" Formen dar, welche das Stadium des zu sich Kommens, aber noch nicht zu sich Gekommenseins kennzeichnen. Die Begriffslogik hingegen hat zu ihrem Gegenstand die Struktur der Einheit selbst; erst die absolute Idee aber bezeichnet inhaltlich das, was Spekulation meint: die Einheit, welche nichts als ihre Verwirklichung selber ist, die Wahrheit, welche nur als sich offenbarende, als „sich bewährende" wahr ist. Gerade in diesem höchsten Punkt ist somit am allerwenigsten über Dialektik hinausgekommen: denn es ist nichts als die eigene Dialektik, nur in seiner Verwirklichung sich selber zu sein, was den Inhalt der absoluten Idee ausmacht. Analog könnte man sagen, daß das Spekulative, für sich genommen, in nichts anderem als in der Einsicht in die Notwendigkeit des Dialektischen besteht. Diese Feststellungen sind insofern wichtig, als sich Hegel gerade durch diese Bestimmung der Spekulation von der intellektuellen Anschauung und der bloß erbauenden Einsicht ins Absolute absetzen will. „Das Dialektische selbst" ist ein „wesentliches Moment der affirmativen Wissenschaft" (E § 78A), die Reflexion ein „positives Moment des Absoluten": „Sie ist es, die das Wahre zum Resultate macht, aber diesen Gegensatz gegen sein Werden ebenso aufhebt" (PG25)19. Das „Fassen des Entgegengesetzten in seiner Einheit oder des Positiven im Negativen" ist gerade jenes Dialektische, welches die Spekulation ausmacht (L I 52). In alledem klingt das bei Adorno ausführlicher zur Sprache kommende homerische Motiv an: „Dieser Standpunkt der Entzweiung ist demnächst gleichfalls aufzuheben, und der Geist soll durch sich zur Einigkeit zurückkehren. Diese Einigkeit ist dann eine geistige, und das Prinzip jener Zurück19
Vgl. L1168, II 288, 468; E § 78A; R § 140A.
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führung liegt im Denken selbst. Dieses ist es, welches die Wunde schlägt und dieselbe auch heilt" (E § 24Z)20. Nur im Aushalten21 und immanenten Überwinden der Differenz vermag das Denken die ihm anvertraute Aufgabe des Erkennens der Vernunft in der Wirklichkeit zu erfüllen, weil das Wahre „nur durch Unterscheidung und Bestimmung seiner Unterschiede die Notwendigkeit derselben und die Freiheit des Ganzen sein kann" (E § 14). So aber ist es tatsächlich Befreiung und Versöhnung: „Die Versöhnung, die nicht das unbedingte Ursein und dergleichen Abstraktum ist, ist der Gehalt selbst, der die spekulative Idee ist und den sie denkend ausdrückt" (E S. 20). Wenn das dialektische Moment des Denkens in der Sensibilität für die Zerrissenheit und das Leiden des Endlichen besteht, so meint das spekulative die Fähigkeit, im Entzweiten die Vereinigung wahrzunehmen; „spekulatives Denken sucht diese Zerrissenheit als ihrer unbewußte Einheit bewußt zu machen"22. Als spekulatives offenbart das Denken seine Verwiesenheit auf Freiheit, welche schon für seine dialektische „Funktion" die Voraussetzung bildet. Deutlich wird diese Natur des Spekulativen im Bereich des objektiven Geistes, wo die Fähigkeit zur Vereinigung nicht mehr als bloßes Erkenntnisvermögen, sondern als die „wahrhaft unendliche Kraft" auftritt, welche in der realen sittlichen Existenz „den Gegensat^ der Vernunft %u seiner ganzen Stärke auseinandergeben läßt und ihn überwältigt hat, in ihm somit sich erhält und ihn in sich %usammenhält" (R § 185A). Sittliche Praxis vollzieht in unmittelbarer Strukturgleichheit die Leistung des wahren Erkennens nach; die Doppelung von Dialektik und Spekulation ist, weil sie die Natur des Begriffs überhaupt definiert, als „Methoden"-Merkmal auch unmittelbar Grundverfassung des Wirklichen. Daß Freiheit „das Bestimmende" und „der Endzweck" des realen Geistes, oder „daß Vernunft in der Geschichte sei" (E § 549A), dies ist gleichermaßen theoretische Einsicht wie praktisches Anliegen. Die zugleich — als ansichseiende — vorauszusetzende und — 20
21
22
Ähnliche Formulierungen finden sich schon in den frühen Schriften Hegels (z. B. auch in einer Vorlesung aus dem Jahre 1802, Rosenkranz 190 f.) und vor allem in den berühmten Passagen der Phänomenologie des Geistes: „Aber nicht das Leben, das sich vor dem Tode scheut und von der Verwüstung rein bewahrt, sondern das ihn erträgt und in ihm sich erhält, ist das Leben des Geistes. Er gewinnt seine Wahrheit nur, indem er in der absoluten Zerrissenheit sich selbst findet ... Er ist diese Macht nur, indem er dem Negativen ins Angesicht schaut, bei ihm verweilt" (36). L II 76: „Das spekulative Denken besteht nur darin, daß das Denken den Widerspruch und in ihm sich selbst festhält." Schweppenhäuser, Spekulative und Negative Dialektik 83.
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in ihrem Fürsichwerden — intendierte Vereinigung, welche im Spekulativen sich ausspricht, ist für die wissenschaftliche Darstellung auch dort Grundlage, wo es gar nicht um vollendete Versöhnung, sondern um deren Gegenteil geht, sei es um eine noch nicht zu ihrer Befreiung gelangte, sei es um eine sich explizit gegen die Freiheit wendende Totalität. Der Zusammenhang von Dialektik und Spekulation bleibt grundlegend auch in der „negativen" Variante, wo die Kraft oder gar der Wille zur Vereinigung fehlt. Dies läßt sich illustrieren am „spekulativen" Charakter der Marxschen Dialektik. Gewiß würde es dem Großteil der Marx-Interpreten abwegig erscheinen, den dialektischen Charakter der Kapitalslogik gerade von ihrer „spekulativen" Seite her aufhellen zu wollen. Denn eben hierin soll ja „das System der marxistischen dialektischen Logik . .. dem Hegeischen System ... direkt entgegengesetzt" sein, daß es sich gegen dessen spekulativen Anspruch auf „absolute Vollendung" wendet und nicht seinen „metaphysischen", „idealistischen" und „abgeschlossenen" Zug reproduziert23. Gleichwohl scheint gerade die erörterte Spannung von Dialektik und Spekulation für die Kapitalslogik erhellend zu sein, wie diese ihrerseits, als in sich verkehrte Spekulation, die Natur des Spekulativen überhaupt anschaulicher machen kann. Auf die Gründe der Verschiedenheit des Abschlußkapitels in „Logik" und „Kapital" wurde bereits hingewiesen. Es leuchtet ein, daß, wo keine abschließende für-sich-seiende Einheit vorhanden ist, auch nicht von Spekulation, weder im Sinne einer Erkenntnis dieser Einheit noch im Sinne einer Versöhnung mit dem Wirklichen die Rede sein kann. Der interessante Punkt aber sind die der Einheit vorgelagerten Kategorien. In der Hegeischen Logik ist ihre Dialektik selber nur als spekulative verstehbar, insofern — diese Einsicht wird allerdings erst durch den Abschluß der Logik möglich — das Ganze, das sich in ihnen konstituiert, auch der letztliche Grund für ihre Selbstdefizienz und Weiterentwicklung ist. Eine solche Macht des Ganzen auf seine Konstituentien ist nun auch der Marxschen Dialektik nicht abzusprechen, und die aufgewiesene seltsame Gebrochenheit oder Zweideutigkeit mancher Kategorien findet in ihr ihren Grund. Die Gewalt, die sich als reales Wesen des Kapitals herausstellt, ist in analogem Sinne verantwortlich für die spezifische Fortentwicklung und die Beziehung der Kategorien im „Kapital" wie die absolute Form, als Form der Freiheit, für die Bestimmungen der Logik. Daß Termini nicht in ihrer vorerst ein23 Rosental, Die Dialektik in Marx·' Kapital 438f.
Dialektik und Spekulation
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geführten Bedeutung beibehalten werden, sogar als wesentlich zweideutige auftreten (so der Begriff der Ware oder der Voraussetzung), läßt in ihnen selber — dies wiederum erst vom Standpunkt des „Abschlusses" her — das Indiz einer realen Macht sehen, welche gerade das verhindert, was spekulative Dialektik leisten will: das Fürsichwerden des Ansich — letztlich das Fürsichwerden der Arbeit als Grundlage aller Verhältnisse. Indem spekulative Dialektik die Einsicht in die unterdrückte Totalität gewährt, offenbart sich auch das negative Wesen der herrschenden und verweist auf die gegen diese herzustellende. Die Begriffe der Marxschen Dialektik werden unter diesem Gesichtspunkt zu „,ironischen' Begriffen, die ihre eigene Aufhebung enthalten", weil sie tatsächlich, durch ihre Logik, „eine Anklage und eine Forderung" aussprechen24. Allerdings ist die Ironie nur die eine Seite dieser Begriffe; ebensosehr wären sie zynische zu nennen, weil sie nicht nur ihre notwendige Aufhebung, sondern vorerst die über sie verhängte und durch sie auf das Ganze sich ausbreitende Gewalt ausdrücken. Die herrschende Macht des Ganzen ist im Gegensatz zur Logik gerade eine solche, welche nicht nur nicht für sich selber wird, sondern welche auch nicht für sich selber werden soll und die Einsicht in sich prinzipiell zu verwehren sucht. Gleichwohl ist auch ihre dialektische Darstellung (und reale Verwirklichung) „spekulativ": die Einsicht in die unterdrückte Totalität ist der Darstellung verwirklichter Einheit verwandt. Bis in die Doppelung von Dialektik und Spekulation zeigt sich so die Entsprechung von Hegel und Marx, und es scheint gerade diese Doppelung zu sein, welche den gemeinsamen Nenner zwischen beiden Systemen bildet und es gestattet, beide in nicht-äquivoker Weise als dialektische zu bezeichnen; gerade das Spekulative scheint in beiden Zielpunkt der Dialektik zu sein. Die gegenseitige Verwiesenheit beider Momente betrifft die logische Grundverfassung des wahren Denkens — oder Seins — überhaupt und ist als solche indifferent gegenüber der Alternative von realisierter oder verunmöglichter Freiheit. Vielmehr bestätigt sich eben darin, daß Unfreiheit selber nur nach der grundlegenden Logik der Freiheit — in der Gestalt ihrer internen Verkehrung — dargestellt werden kann; die verbotene Einheit kann nur im Horizont der Einheit in den Blick kommen25. 24 25
Marcuse, Zum Begriff des Wesens 37. Vgl. dazu auch die Auseinandersetzung zwischen „spekulativer" und „negativer" Dialektik im Schlußabschnitt. — Die Betonung der Ähnlichkeit sollte nicht die Differenzen zwischen Marx und Hegel überdecken. Gerade durch eine präzisere Fassung der negativen Entsprechung müßte ein Verständnis dessen ermöglicht
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Dieses Zusammenspiel von Dialektik und Spekulation, wie es in beiden Varianten sich ausspricht, scheint auch die prinzipielle „Inhaltlichkeit" des Logischen zum Ausdruck zu bringen. Dialektische Darstellung ist durch die eigene Logik bereits eine Aussage über das Dargestellte. Die Analyse der Kapitalslogik hat ergeben, daß das Interessante an ihrer Dialektik gerade darin besteht, in der formellen Konstruktion Realität selber — als Gewalt, Unrecht — sichtbar werden zu lassen. Es scheint sogar sinnvoll zu sagen, daß Dialektik durch diese Verweisung sich auszeichnet, sowohl daß sie daraus ihre eigenste Bewegung bezieht, wie auch daß sie darin ihre eigenste Erkenntnis- und Darstellungsfunktion erfüllt. Dies hat sich, u. a. über den negativen Vergleich mit Marx, auch für die Hegeische Konstruktion gezeigt. Damit ist nun allerdings noch in keiner Weise über den nähern Status dieser „Inhaltlichkeit" entschieden. Sind die logischen Aussagen, wenn sie an ihnen selber „inhaltlich" sein sollen, schon als „metaphysische" oder „theologische" zu deuten? Stellt die Miteinbeziehung geschichtlicher Faktizität, auf welche Dialektik — möglicherweise oder notwendigerweise — verweist, für diese eine „Grenze" dar26, oder ist umgekehrt die prinzipielle Geschichtlichkeit für die Dialektik als Methode der Wahrheit geradezu konstitutiv ? Ist Dialektik das Allumfassende, oder bleibt sie, gerade auch mit bezug auf ihre „Inhaltlichkeit", auf ein selber dialektisch miteinzubeziehendes „Vordialektisches" oder „Nachdialektisches" verwiesen27 ?
26
27
werden, was es denn, innerhalb der Dialektik und ihrer Strukturen, heißen kann, die Marxsche Methode sei eine wesentlich materialistische, oder der Historismus sei „bei Marx eine überaus wichtige, inhärente Seite der dialektischen Methode" (Rosental 60). — Ebenso sollte in diesem Vergleich nicht behauptet werden, daß Marx ein im gleichen Maß angemessenes methodisches Bewußtsein seiner eigenen Dialektik gehabt hätte wie Hegel. Die hier und früher gemachten Bemerkungen zu Marx hielten sich an die im System der Kritik der Politischen Ökonomie faktisch niedergelegten logischen Strukturen, insbesondere soweit sie im Kontext der primär bei Hegel aufgenommenen Fragestellung von Interesse schienen. Es ist auch klar, daß dabei viele der spezifischen Motive, die Marx in sein Konzept von Dialektik eingebracht hat — und die in einer auf Marx zentrierten Interpretation gewiß stärker im Vordergrund zu stehen hätten — unberücksichtigt bleiben mußten. So etwa Marx bezüglich der Miteinbeziehung der real-historischen Voraussetzungen in die systematische Betrachtung: „Es zeigt sich an diesem Punkt bestimmt, wie die dialektische Form der Darstellung nur richtig ist, wenn sie ihre Grenze kennt" (GR 945). — Hegel scheint demgegenüber die „Grenze des philosophischen Rechts" weiter außen anzusetzen: bei der empirisch-zufälligen Konkretisierung der — geschichtlich — notwendigen Bestimmungen (R § 3 A). Vgl. Kroner, Von Kant bis Hegel'I 513: „Fichte will im absoluten Ich ein über alle Dialektik hinausgehobenes, von aller Dialektik freies, vordialektisches Ich denken,
Inhaltlichkeit der Logik
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Diese und ähnliche Fragen sind nun für sich selber thematisch zu machen. Auf der Grundlage der dargestellten Form der Hegeischen Dialektik soll gefragt werden, worin die im weitesten Sinn verstandene „Inhaltlichkeit" des durch jene Form definierten Logischen besteht. Es ist damit im Logischen selber jener Horizont zu eröffnen, auf dessen Hintergrund die kritische Untersuchung der Realsystematik sich zu situieren hat. B. Die Inhaltlichkeit der Logik Die Rede von der „Inhaltlichkeit" des Logischen ist als solche noch vage und kann zumindest in zwei Bedeutungen verstanden werden. Zum einen — und dies ist auch der diesbezüglich am meisten strittige Punkt in der Hegel-Literatur — kann der Wirklichkeitsbe^ug der logischen Theorie ins Auge gefaßt werden. Wie steht die Logik zum ganzen Bereich realer Wirklichkeit, ist sie als Theorie der reinen Form in der Lage, diesen zu begreifen ? Oder ist sie etwa umgekehrt schon immer so sehr in diesen verwoben, daß ihre Autonomie selber zum fiktiven Schein wird? Diese Fragestellung scheint grundlegend, wenn innerhalb des Systems die Beziehung von Logik und Realphilosophie geklärt werden soll. In eine davon unterscheidbare Richtung zielt die Frage nach der Inhaltlichkeit im strikten Sinn: die Frage danach, was im Logischen über das Wirkliche ausgesagt wird. Die beiden Fragen können auch so gegeneinander abgehoben werden, daß in der ersten gefragt wird, ob das Logische, wie es bei Hegel zur Sprache kommt, sich bereits an ihm selber auf Wirkliches bezieht und worauf es sich dabei gegebenenfalls bezieht, während in der zweiten das Wie dieses Bezugs anvisiert wird; oder auch daß zwischen dem Gegenstand und der spezifischen Art und Weise der Beziehung unterschieden wird. Es können hier zunächst anhand der Literatur mögliche Positionen zum ersten Fragenkomplex erwähnt werden; in ihnen kommt die allgemeine Beziehung Logisches/ „Inhaltliches" in noch relativ abstrakter Weise zur Sprache. Wirkliche das erst im System zum dialektischen wird. Ein solches vordialektisches Glied aber läßt die sich selbst verstehende Dialektik nicht zu; sie kann nicht über sich selbst hinaussteigen; — diese Einsicht ist es, zu der Hegel gelangt, durch die er Fichte überwindet, indem er das dialektische Denken zum allbeherrschenden, zum Denken der sich begreifenden Reflexion macht." — Zu diesem Thema auch wichtige Beiträge im letzten Kapitel bei Cohn, Theorie der Dialektik, 290—353 („Abschluß der Dialektik").
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Klärung über den 2ugrundeliegenden Sachverhalt wird erst die Beantwortung der zweiten Frage gewähren, in welcher auch der erste Frageaspekt konkretere Bedeutung erlangen wird. Die Konfrontation der hier in der Logik herausgearbeiteten Position mit prinzipiellen Ansätzen der Hegel-Deutung oder des traditionellen Hegel-Bildes mag jene deutlicher hervortreten lassen. Es handelt sich hierbei insgesamt um Fragen, welche die Logik als ganze betreffen und deren Klärung, abstrakt gesehen, der Untersuchung der Logik eigentlich vorausgehen müßte. Weil aber die Logik in ihrem Abschluß selber noch die Transparenz des Logischen auf seinen Freiheitsgehalt hin zum Ausdruck bringt, d. h. weil die Frage der Inhaltlichkeit selber noch zum Thema der Logik, und zwar der Logik als ganzer und somit der spezifischen Bestimmung der absoluten Idee wird, ist die vorgängige Analyse der Logik nicht nur Voraussetzung für die mögliche Beantwortung, sondern für die adäquate Fragestellung selber. 1. Bezüglich der Autonomie oder Fremdbestimmtheit der Logizität muß über die beiden Grundfragen entschieden werden, ob (a) die Logik als reine Logik oder als real-inhaltlich kontaminierte aufgefaßt werden soll, und ob (b) im letztern Falle diese Inhaltlichkeit gemäß oder entgegen dem Selbstverständnis Hegels zu interpretieren ist. Die letztere Meinung vertritt mit Emphase Litt, wenn er schreibt, daß Logik und Realphilosophie darin übereinstimmen, „daß jene nicht weniger als diese die rein logischen Bestimmungen mit solchen Aufstellungen vereinigt, die sich auf die reale Welt beziehen. Gleichwohl macht es einen entscheidenden Unterschied aus, daß diese Vereinigung in der Realphilosophie mit vollem Bewußtsein und in Verfolgung des methodischen Ansatzes, in der Logik wider Willen und im Widerspruch zu dem methodischen Vorhaben erfolgt"28. Von den Bestimmungen und Verhältnisweisen der Logik meint er, daß die hinter ihrem Rücken sich vollziehende „Umsetzung von real-geistigen Erfahrungen in logische Bestimmungen"29 diese selber als „dunkel und rätselvoll" erscheinen lasse, „sobald sie als Bindeglied rein logischer Strukturen ihren Dienst tun sollen". Das fehlende Bewußtsein über diese Verquickung hat dann zur Folge, daß nicht nur gequälte „Auslegungskünste"30 ins Spiel gesetzt werden müssen, um gewisse Strukturen als rein logische einsichtig zu machen, sondern daß vor allem damit auch eine Umkehrung 28 29
30
Hegel 252. Ebd. 250. Ebd. 249.
Inhaltlichkeit der Logik
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der Beziehung von Logischem und Real-Geschichtlichem in der theoretischen Darstellung stattfindet, so daß gerade dem Innerzeitlichen und Gegenwärtig-Aktuellen der „Charakter der Ursprünglichkeit" genommen wird31. Wie weit dieser zweite Gesichtspunkt mit dem ersten notwendig zusammenhängt, mag hier dahingestellt bleiben. Interessant ist der Kontrast einer solchen Deutung zu der ebenso (oder noch mehr) verbreiteten Ansicht — wie sie etwa in der schon erwähnten Interpretation von F. W. Schmidt vertreten wird32 —, welche das Charakteristikum der Logik gerade darin sehen will, daß diese einem Grundmodell absoluter Vermittlung und reiner Reflexion folgt, das es ihr verbietet, überhaupt noch so etwas wie Geschichte oder das Andere als Anderes (innerhalb der Logik wie auch in der Beziehung der Logik zum Außerlogischen) strukturell verstehen zu können. — Die zugrundeliegende Fragestellung wird plastischer, wenn kurz die wesentlichsten Dimensionen erwähnt werden, bezüglich derer die Hegel-Deutung der Logik sei's Verquickung, sei's falsche Isolation bescheinigt. Es handelt sich hierbei hauptsächlich um drei sich teilweise überschneidende Bereiche: Subjektivitätstheorie, Geschichte- und Gesellschaftstheorie, und Theorie der Natur und der Materie. Der letzte Bereich scheint den eigenen — zumindest expliziten — Intentionen der Logik am fernsten zu liegen; als außersichseiende Idee ist die Natur zunächst das gerade Gegenteil der logischen, insichseienden Idee. Als prominente Vertreter einer an der Idee der Natur orientierten Hegel-Deutung oder -Kritik wären Bloch und Löwith zu nennen. Wie für andere Interpreten die Logik an ihr selber ihre Affiziertheit durch Geschichte oder durch gesellschaftliche Verhältnisse offenbart, so zeigt auch nach Bloch die Logik des Wesens, „wie (wenn auch nicht, wo) das X des zugrunde gehenden, zu seinem Grunde gehenden Wesens den Most holt"33: in der Materie. Diese Provenienz ist nach Bloch zwar in der Hegeischen Logik selber nachzuweisen, falsifiziert aber deren Selbstverständnis. „Das grundhaft treibende und letztlich inhaltliche Wesen der Welt ist ein Intensives, nicht ein Logisches"34, das „wirkliche Totum", welches zur Darstellung gelangen soll, ist die „pro^essuak, offen gehaltene Materie"**. Diese, nicht der Geist, bildet den „Sauerteig der Dialektik"36, „das geistige Engelreich in seiner Dialektik" bleibt „Selbsttäuschung"37. 31 32
33 34
Ebd. 302. Vgl. I. 1. Anm. (36). Subjekt-Objekt 172. Ebd. 172.
a* Ebd. 409. Ebd. 137. 37 Ebd. 140.
3e
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Wenn Bloch diese Dimension zwar gegen Hegel, aber in seiner Philosophie selber noch geltend machen will, so ist für Löwith die Hegeische Logik gerade durch ihre absolute Naturfeindschaft und -fremdheit zum Irrtum verurteilt. In seiner Philosophie insgesamt sündigt Hegel — wie auch Marx38 — durch die „hochmütige Tiefe seiner Naturverachtung"39. Hegel personifiziert nach Löwith die mit der modernen Ära und dem Christentum erfolgte Säkularisierung der Welt; der moderne Mensch meint „in der geschichtlichen Welt einen selbständigen Sinn zu finden, indem er von der einen und wahrhaft selbständigen Welt abstrahiert"40. Doch auch die von der Logik nahegelegte theologische Interpretation, nach der zwar nicht eine menschlich-autonome, wohl aber eine übernatürliche Geschichte dem Menschen seinen Ort zuweist, bildet nach Löwith keine Alternative für den wahren Ort des Menschen „innerhalb der Natur". „Das ,Buch der Natur'... hat den großen Vorzug, daß es kein vom Menschen erdachtes oder von Gott inspiriertes Buch ist, sondern Natur und doch keineswegs geistlos"41. — Es wird im Schlußteil dieser Arbeit auf die Stellung der Natur im Ganzen der Hegeischen Systematik zurückzukommen sein. Was die rein logische Seite dieser Beziehung angeht, so ist festzuhalten, daß sich als „Realgehalt" des begifflichen Vermittlungsmodells zwar die Idee der Freiheit und Subjektivität herausgestellt hat, dies aber so, daß in ihr zugleich die Grundlage für das Verständnis und die Thematisierung sowohl der in sich verkehrten Freiheit, der Unfreiheit und Gewalt, wie auch der schlichten Nicht-Freiheit, der Nowendigkeit und der Natur, gegeben sein sollte. Allerdings ist offenkundig, daß bei Bloch wie bei Löwith mit dem Begriff der Natur noch ganz andere Motive und Konnotationen sich verbinden als sie im Hegeischen Naturbegriff festzumachen sind. Wieweit jene Motive jedoch sinnvoll gegen das Hegeische Gesamtkonzept zur Geltung zu bringen sind, darüber wird die Untersuchung der Realphilosophie — und gerade nicht primär der Natur-, sondern der Geistesphilosophie— zu befinden haben42. 38
39 40 41 42
Es wäre sogar zu fragen, ob die Vernachlässigung der Natur in Marx' Auffassung des Menschen als eines produzierenden (der Gesellschaft als Produktionsgesellschaft) nicht noch krasser ist als bei Hegel. Hegels Aufhebung der christlichen Religion 233. Der Weltbegriff der neuzeitlichen Philosophie 23. Philosophie der Vernunft und Religion der Offenbarung in H. Cohens Religionsphilosophie 34. Zur These der Naturbeherrschung könnte schon auf logischer Ebene Hegels Theorie des Zufalls und der absoluten Freigabe des Kontingent-Natürlichen erörtert werden.
Inhaltlichkeit der Logik
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Dem expliziten Selbstverständnis Hegels am nächsten dürfte jene „inhaltliche" Interpretation stehen, welche die spekulative Logik als Theorie des Selbstbewußtseins oder der Subjektivität auffaßt. In diese Richtung kann schon die Beziehung der Phänomenologie des Geistes zur Logik gedeutet werden. Das absolute Wissen stellt den Standpunkt her, auf dem die Formen als solche an und für sich betrachtet werden können. Nicht zufällig aber werden sie als Denkbestimmungen bezeichnet : es sind jene Bestimmungen, in welche sich das absolute Wissen oder das reine Denken selber auseinanderlegt. Entsprechend kann die absolute Form, die sich in der absoluten Idee als letztlicher Inhalt der ganzen Logik ergibt, als Subjektivität und „reine Persönlichkeit" beschrieben werden. Indem die Logik den Begriff des an und für sich Wahren auseinanderlegt, entwickelt sie identischerweise die reine Form des Denkens, in dessen höchster Selbstbezogenheit die logische Verfassung des Ich oder des Subjekts überhaupt sich darstellt. Es ist für Hegel schlechterdings nicht möglich, für das Selbstbewußtsein oder das Denken eine andere, von der Form der reinen Idee verschiedene Logik zu konzipieren; die beiden Aspekte sind im logischen Duktus nicht voneinander zu trennen. Die Koimplikation von System der reinen Formen und Theorie der absoluten Subjektivität muß im strengen Sinn gelesen werden. Einerseits ist gerade der Subjektivitätscharakter Grundlage der Systematizität des Systems selber. In der Dimension des Logischen manifestierte sich dies darin, daß das System notwendigerweise Totalitätscharakter annahm; inhaltlich steht dahinter die These, daß die Wirklichkeit, die mit diesen Formen beschrieben werden muß, letztlich Geist ist. „Daß das Wahre nur als System wirklich, oder daß die Substanz wesentlich Subjekt ist, ist in der Vorstellung ausgedrückt, welche das Absolute als Geist ausspricht" (PG 28). Daß das Logische selber an sich ein Geistiges und dies der Grund dafür ist, daß die Logik in ihrer Form den Zusammenschluß des Geistes mit sich antizipiert, dies kann allerdings erst am Ende des ganzen Systems, in der Theorie der Philosophie einsichtig werden. Implizit oder „an sich vorhanden" ist diese Einsicht indes schon hier, und sie wird auch in der vorausgreifenden Sprache der Vorrede und Einleitung zum Ausdruck gebracht (vgl. L117, 41). Auf der ändern Seite hat sich gezeigt, daß gerade der Systemcharakter dafür verantwortlich ist, daß das Wahre als konkretes und das Ganze als Subjekt und freies sich darstellen kann. Das heißt aber nicht weniger als daß letztlich Systematizität und Subjektivität des Systems identisch sind. Es läßt sich auch nicht verkennen, daß viele der hier dem logischen
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Logische Systematik und Freiheit
System zugesprochenen Charaktere mit solchen kongruieren, welche für die vorhegelsche Tradition Subjektivität bestimmten; insbesondere könnte hier ein Vergleich mit Fichte aufschlußreich sein. Interessant ist das Hegeische Konzept der Konvergenz von Subjektivität und Systematizität aber auch in Kontrast mit neueren Theorieansätzen; es kann hier an die sozialtheoretische Auseinandersetzung von Kritischem Rationalismus (oder auch von Strukturalismus, Systemtheorie) und Kritischer Sozialwissenschaft („Kritische Theorie") erinnert werden. Gerade in der scharfen Gegenüberstellung von Motiven, die Hegel in ihrer Einheit zu denken beanspruchte, läßt diese Debatte das Spezifische des Hegeischen Ansatzes hervortreten43. 43
Auf der einen Seite steht der Versuch, Gesellschaft und Subjektivität mittels des Auffindens verborgener Strukturen und Gesetzmäßigkeiten zu bestimmen. Methodischer Ausgangspunkt ist dabei eine Auffassung von systematischer Wissenschaft, die rein aus den Erfordernissen des wissenschaftlichen Zusammenhangs, in keiner Weise von der Spezifizität des zu untersuchenden Gegenstandes, der gesellschaftlichen Subjektivität her gewonnen ist. Dieser „Willkürlichkeit" in der Festlegung wissenschaftlicher Normen gilt der Hauptvorwurf der frühen „Kritischen Theorie". Ausgangspunkt darf nicht einfach — so z. B. bei Parsons — die Vorschrift sein, daß eine Theorie sich als System aufzubauen und auf eine bestimmte logische Geschlossenheit angelegt zu sein habe; diese Geschlossenheit im strengen Sinn verstanden impliziert bereits ein Vorurteil über den zu untersuchenden Bereich — oder über das, was an diesem Bereich überhaupt zur Sprache kommen kann —, dem auch mit der Unterscheidung von Wahrheitsanspruch und Fruchtbarkeit nicht begegnet werden kann. Im Gegenzug will die Kritische Theorie nicht mehr über das System Subjektivität, sondern umgekehrt über die (unterdrückte) Subjektivität das System der Gesellschaft verstehbar machen. Nur dadurch, daß der Ausgangspunkt dezidiert beim Subjekt und dessen expliziten Emanzipationsinteressen angesetzt wird, wird überhaupt Erkenntnis sowohl des Systems als eines Zwangszusammenhangs wie auch der in diesen Zusammenhang verflochtenen Subjektivität möglich. Gerade die Nicht-Beherrschung des Zusammenhangs gebietet es, ihn von seiner Gegeninstanz her aufzuhellen. Allerdings weist gerade die Insistent auf der Antizipation als einzigem Erkenntnisgrund für die Negativität des Bestehenden auf die Schwäche dieses Konzepts hin. Wie ist der „Inbegriff von Tendenzen" zu verstehen, als der Geschichte gelten soll? Solange nicht in der eigenen Logik des bestehenden Systems das festzumachen ist, was sich in ihm als unterdrückte Gegeninstanz manifestiert, bleibt die Antizipation unvermittelt und ethischer Appell. Diese Vermittlung einsichtig gemacht zu haben, scheint der Vorzug des Hegeischen wie des Marxschen Systems zu sein. Um Subjektivität und System denken zu können, muß vielleicht gegen die Stückwerk-Rationalität tatsächlich der „Mythos der absoluten Vernunft" (so der Titel einer Replik H. Alberts auf J. Habermas), wenn auch in seiner defizienten Gestalt, geltend gemacht werden. Nur so kann auch der Anspruch der Systemtheorie, Kritik des Vorhandenen als „immanente Kritik der Systeme" (Luhmann) zu betreiben, dem Vorwurf und der Gefahr entgegentreten, durch ihre Ausgangsposition immer schon tendenziell einem nicht mehr überschauten Zwangszusammenhang sich anzupassen. — (Zu dieser Aus-
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Während die Interpretation der Logik als Subjektivitätstheorie sowohl deren Selbstverständnis zu entsprechen wie auch in der Interpretation sinnvoll nachvollziehbar scheint, ist der Bezug des Logischen zur gesellschaftlich-geschichtlichen Realität weniger explizit und eindeutig. Der Großteil der Interpreten versagt Hegel die Möglichkeit, in seiner Logik Geschichte denken zu können. Wenn nicht gar die unbewußte Vermengung beider Ebenen kritisert wird (Litt), so wird darauf aufmerksam gemacht, daß die vollständige Selbstexplikation in der Logik noch nicht eine wirkliche Selbstvermittlung des Inhalts sei, somit in ihr auch nicht jene Aufhebung der Faktizität stattfinde, welche Freiheit zu definieren habe. So müßte dann Logik als jener abgekapselte Bereich gelten, auf welchen angesichts der Nicht-Bewältigung der Wirklichkeit der Geist sich als auf die bloße Freiheit im Denken zurückzieht: nach Marcuse trägt die Logik den „Stempel der Resignation". Sie besitzt nicht mehr das kritische Potential in sich, das noch der platonischen Idee als dem „Bild der wahren Möglichkeiten" zu eigen war44. Wenn Logik aber nicht mehr auf Wirklichkeit überzugreifen vermag, so kann umgekehrt vermutet werden, daß sie ihrerseits von der übermächtigen Realität übergriffen wird. Statt ein Bild der wahren Wirklichkeit zu entwerfen, produziert die Logik nur mehr das Abbild der falschen Realität, zu deren subordiniertem Moment sie sich unfreiwillig herabsetzt. In diesem Sinne kann dann versucht werden, im Nachweis von Strukturanalogien die Provenienz logischer Formen aus faktischen Gesellschafts- (und Herrschaf ts-) Verhältnis sen zu illustrieren; wieweit einem solchen Nachweis Beweiskraft oder zumindest Plausibilität zukommt, mag dabei großenteils eine Frage der konkreten Durchführung sein46. Im Gegenzug zur Deutung der Logik als einer vor der Wirklichkeit resignierten und ihr untergeordneten Theorie bescheinigt Bloch der Hegeischen Philosophieauffassung gerade das, was ihr nach den Idealismuskritikern abgehen soll: „ante rem" zu stehen und das auszusprechen, „was einer Zeit fehlt"46. Nicht nur soll das Logische de facto und
44 45
46
einandersetzung vgl. Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie. — Auch in der darauffolgenden, differenzierteren und anders orientierten Auseinandersetzung zwischen J. Habermas und N. Luhmann scheinen die Schwerpunkte trotz allem ähnlich gelagert zu sein.) Vernunft und Revolution 150, 148. Vgl. z. B. H. Schnädelbach, Zum Verhältnis von Logik und Gesellscbaftstbeorie bei Hegel; H.-J. Krahl, Zum Verhältnis von Kapital und Hegelseber Wesenslogik; beide in: Negt (ed.), Aktualität und Folgen der Philosophie Hegels. Subjekt-Objekt 376.
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Logische Systematik und Freiheit
gleichsam wider Willen eine Aussage über Geschichte enthalten; es soll dazu prinzipiell befähigt, ja beauftragt sein. Wenn aber das Logische nicht einfach als „das durch die theoretische Untersuchung aufgedeckte Wesen der Wirklichkeit" zu postulieren ist, welches das „Wesentlichste in der Geschichte" herausstellt47, so muß näher gefragt werden, wodurch denn die Logik zu einer solchen Einsicht in der Lage sein soll. Gewiß sind die Denkbestimmungen auch nach Hegels Verständnis nicht abstrakt-unzeitliche Formen; sie sind der Wissenschaft „mit der Bildung einer Zeit und eines Volkes gemeinschaftlich" (Gesch.Ph. 176f.). Das Verwobensein in Geschichte bedeutet aber als solches weder eine wesentliche Geschichtsbezogenheit noch die Fähigkeit, Geschichtliches thematisch werden zu lassen. Daß und inwiefern dem Logischen dieses Vermögen gleichwohl zukommt, darüber kann nur der zweite hier aufzunehmende Frageaspekt Klarheit verschaffen: denn gerade in der Art, wie sich Logisches auf Inhaltlichkeit überhaupt bezieht, liegt der Grund für die mögliche (oder unmögliche) Bezugnahme des Logischen auf faktische Wirklichkeit. Weil die Logik ihrer Grundform nach das Dargestellte an der Richtschnur der Freiheit mißt, ist sie zugleich eine Aussage sowohl über Geschichte überhaupt, die in eben jener Freiheit ihr Konstitutionsprinzip besitzt, wie auch indirekt über die nach solcher Logik dargestellte Faktizität. 2. Hegel rechnet es Kant als Verdienst an, „den Anstoß zur Wiederherstellung der Logik und Dialektik in dem Sinne der Betrachtung der Denkbestimmungen an und für sich gegeben zu haben" (L II 559 f.). Diese sind die Bestimmungen, in welche sich der Begriff auseinanderlegt; der Abschluß der Logik hat den Begriff, der an ihm selber absolute Form ist, als den eigenen und eigentlichen Inhalt der Logik überhaupt wie der einzelnen Begriffsbestimmungen aufgewiesen. Im Gegensatz zu den abstrakten Denkbestimmungen ist im Begriff nicht mehr irgend eine Bestimmung oder Form vorhanden, sondern das, was Bestimmung oder Form als solche überhaupt ausmacht. Als dieses Grundlegende ist die Form zwar nicht inhaltlich bezüglich einzelner Inhalte, wohl aber im Hinblick auf den Inhalt überhaupt: sie ist die Logik dessen, was überhaupt ist, ohne aber schon von sich aus auf Besonderes oder besondere Realitätsbereiche zu verweisen. Indem der Begriff zum Ausdruck bringt, wie in Wahrheit zu denken ist, bestimmt er, was die Wahrheit an ihr selber, oder was in Wahrheit ist; hierin hat er einen absoluten, sui47
Rosental 373 f.
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suffizienten Inhalt. Nicht darf der Begriff als leere Erkenntnisform betrachtet werden, die erst durch die stoffliche Konkretisierung Gehalt und Konsistenz erhielte (L I 36); auf die Frage, „was man sich bei einem Begriffe, der gefaßt worden, denken solle", lautet Hegels schlichte Antwort: „Bei einem Begriffe ist nichts weiter zu denken als der Begriff selbst" (E § 3 A). Gegenüber der abstrakten Form/Inhalt-Trennung der kritischen Philosophie hatte „die ältere Metaphysik . . . in dieser Rücksicht einen höhern Begriff von dem Denken" (L I 38); für sie war der Gedanke „ebensosehr die Sache an sich selbst" (L 143). Für zahlreiche Kommentatoren führt denn auch Hegels Aversion gegen den Formalismus direkt in die metaphysisch-theologische Tradition zurück. „Auch die formalen Kategorien der Logik sind inhaltsvoll; sie bestimmen die wesentliche Form alles dessen, was ist. Hegels Logik ist Onto-logie, sowie diese zugleich Theo-logie ist: Onto-Theo-Logik, oder populärer gesagt: Religionsphilosophie"48. Gleichwohl scheint es möglich — sowohl prinzipiell wie in bezug auf die Hegeische Theorie —, schon innerhalb der Logik eine Inhaltlichkeit festzumachen, die weder erst durch realphilosophische Applikation an die abstrakte Formbestimmung heranzutragen wäre, noch selber schon metaphysischen Charakters zu sein braucht. Sofern das Logische die Wahrheit des Wirklichen ausspricht, hat es an ihm selber absoluten Gehalt und Wirklichkeit, stellt es das Wahre schlechthin dar (vgl. LI36ff.; II264ff.). Dieser Status des in sich selber gehaltvollen Begriffs bildet die thematische Bestimmung der absoluten Idee; diese aber bringt lediglich zum Ausdruck, was an sich schon für jede partikulare Begriffsbestimmung, die ja immer auch selber Begriff ist, zu gelten hatte. Die logische Explikation des Begriffs expliziert identischerweise „das an und für sich Seiende" (L I 43); so übernimmt sie in der Tat die Aufgabe der Metaphysik. Gleichwohl darf die (objektive) Logik nicht einfach Metaphysik sein — eine nach Kant unmögliche Regression —, sie soll „vielmehr" an deren „Stelle" treten (L I 61). Neben ihr läßt sich keine gesonderte Metaphysik mehr denken, weil die Theorie der Form überhaupt zugleich die einzige allgemeine Theorie der existenten Form ist49. Auch wenn das, was philosophische Theologie zu ihrem Inhalt hat, nicht in einem äußerlichen Anwendungs48 49
Löwith, Hegels Aufhebung der christlichen Religion 194. Dies wäre vielleicht die allgemeinste Voraussetzung dessen, was Idealismus oder im weitern Sinn sogar Metaphysik genannt werden könnte; alles ist nur, was es ist, durch seine Form. Allerdings dürfte damit weit mehr abgedeckt sein als was üblicherweise als Idealismus sich ausgibt oder ausgegeben wird.
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Verhältnis zu dieser Form zu stehen braucht, so scheint es doch sinnvoll und nötig, von der Theorie der Form als solcher, der Logik im strengen Sinn, noch die Theorie des Logos als wirklichen abzuheben50. Indes geht der Anspruch der Logik auf Inhaltlichkeit über die selber logische Gehaltsmäßigkeit hinaus. Nicht nur ist die Logik innerhalb ihrer als Theorie der Form zugleich Theorie des Inhalts und die Idee gerade deshalb das Unbedingte, weil sie sich nicht mehr auf eine nicht durch sie selber bestimmte Äußerlichkeit bezieht (L II463), sondern die Logik als ganze erhebt zum einen den Anspruch, in einem nicht-äußerlichen Verhältnis zur Wirklichkeit zu stehen: sowohl das Bewußtsein hat die Denkformen zu seinen „letzten Bestimmungen" (Gesch.Ph. I 77), wie auch die Wirklichkeit nur „kraft dieser Formen" wahrhaft ist (E § 162 A). Zum ändern aber soll das Logische nicht nur mit dem Wirklichen konvergieren, sondern es ausdrücken, über es eine Aussage machen. In der Logizität soll nicht nur die prinzipielle Bezogenhek zu faktischer Wirklichkeit, sondern auch die Verfassung dieser Wirklichkeit selber ihren Ausdruck finden. Zwar ist die Logik als solche noch nicht deckungsgleich mit der Philosophie, welche das „Erfassen des Gegenwärtigen und Wirklichen" zur Aufgabe hat (R 24). Jedoch auch und gerade in dieser Aufgabe sieht sich die Philosophie vorab auf die Logik zurückverwiesen, weil nur in dieser die Begriffe und Mittel bereitgestellt werden, mittels derer die Wirklichkeit als das sich zu erkennen gibt, was sie ist, mittels derer der Gegenstand selber „ist, was er ist". Die Denkbestimmungen sind der „wahrhafte Gegenstand und Inhalt der Vernunft" (L II 560), weil gerade sie „als Form des Begriffs der lebendige Geist des Wirklichen" (E § 162 A), „das schlechthin Wirkende zugleich und auch Wirkliche" (E § 142 Z) sind. So muß auch die von der Philosophie zu leistende Versöhnung, als Einsicht in die „Vernunft als die Rose im Kreuz der Gegenwart" (R 26), ihrer Möglichkeit nach wesentlich schon in der logischen Betrachtung der „Wahrheit dieser Formen für sich selbst" (E § 162 A) angelegt sein. Will man nun näher bestimmen, welcher Art diese höhere, nicht mehr im strikten Sinn „logische" Inhaltlichkeit der Logik ist, so ist als erstes zu betrachten, was das Geltendmachen der logischen Strukturen am Wirklichen zur Erscheinung bringt. Die logische Betrachtung — als Logik überhaupt oder als dialektische 50
Auf die Beziehung der beiden Ebenen scheint Hegel selber anzuspielen, wenn er die Selbstbewegung der absoluten Idee „das ursprüngliche Wort" nennt, „das eine Äußerung ist, aber eine solche, die als Äußeres unmittelbar wieder verschwunden ist, indem sie ist" (L II 550).
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Darstellung eines bestimmten Gegenstandsbereichs — ist der konsequent durchgeführte Versuch, Wirklichkeit überhaupt — oder bestimmte Wirklichkeit — nach dem Maßstab der Wahrheit zur Darstellung zu bringen, Wirkliches im Lichte der Wahrheit sehen zu lassen. Dies aber, so hat die Logik gezeigt, besteht wesentlich darin, im Wirklichen selber seine immanente Verfassung als Idee, als seinem Anspruch nach „Wahres" herauszuarbeiten; das Wirkliche soll den ihm eigenen Maßstab offenbaren und sich an ihm messen. Unter dem Gesichtspunkt der Wahrheit betrachtet, enthüllt das Wirkliche an ihm selber die Doppelung von Begriff und Realität und stellt sich als deren Adaequation oder Diskrepanz dar. Von dieser Struktur der Wahrheit aber hat sich gezeigt, daß sie identischerweise als Form von Freiheit verstanden werden muß. Sofern Wirkliches sich unter der Norm der Wahrheit darstellt, bringt es seine freiheitsmäßige Verfassung zum Ausdruck; noch Unfreies manifestiert sich darin als frei sein sollendes. Die Logik, welche das Darzustellende solcherart unter dem Richtmaß der eigenen Wahrheit zur Darstellung bringt, drückt aus, daß Freiheit der absolute Inhalt des Wirklichen, der Inhalt schlechthin ist; Freiheit erweist sich als die grundlegende Thematik, in deren Horizont überhaupt Wirkliches erst dargestellt werden kann. Sie bildet die höhere, nicht mehr im strikten Sinn logisch zu nennende Inhaltlichkeit des logischen Begriffs. Diese bezieht sich in stärkerem Maße als die erste, „logische" Gehaltsmäßigkeit des Begriffs auf dessen Ganzes. Erst im Zusammenschluß des Begriffs mit sich selber, in der absoluten Idee, wird die Freiheits dimension vom Begriff sich selber zugesprochen; gleichwohl ist auch sie, gerade im Lichte des Abschlusses, als „Inhaltlichkeit" jeder logischen Begriffsbestimmung thematisierbar. Nun ist allerdings dieser grundsätzliche Zusammenhang von Logik und Freiheit, wie er hier als Resultat aus der Analyse der Logik hervorzugehen scheint, keineswegs unumstritten. Viel eher schon müßte die gegenteilige Ansicht als allgemeine Meinung gelten, daß nämlich die Logik ihrer Form nach, wenn nicht die schlechthinnige Verkörperung von Unfreiheit, so doch die Unfähigkeit darstellt, Freiheit zu thematisieren. Es können in diesem Kontext exemplarisch die Stichworte der systematischen „Geschlossenheit" und der „Identitätsphilosophie" angeführt werden. Mit ihnen sollen für einen Großteil der Interpreten zwei Sachverhalte benannt sein, welche die Hegeische Philosophie — und vorab die Logik selber — kennzeichnen und zugleich verbieten, diese als Theorie von Wahrheit und Freiheit zu deuten.
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Blochs schon erwähnter Angriff auf den Panlogismus Hegels findet seine Entsprechung in der Kritik der Abgeschlossenheit der logischen Konstruktion51. Da das wirkliche Totum, auf das die Theorie ausgerichtet ist, ein im Horizont der Zukunft noch ausstehendes ist, bleibt auch das Kreissymbol ein „idealistisch-systemhaftes Postulat"52. Die echte Identifizierung kann nur der noch ausstehende Zusammenschluß mit dem Novum, nicht mit dem Anstoß selber sein. Dementsprechend muß auch das logische Grundmodell nicht eines der Rückkehr, sondern eines der Erfüllung sein: das noch nicht Manifestierte darf nicht kraft der Abgeschlossenheit des logischen Systems unterdrückt werden. Der in sich zurückkehrenden Hegeischen Dialektik, welche nach Bloch ihr Urmodell in der theologischen Lehre von der Dreifaltigkeit hat53, stellt er die — ebenso „theologisch" geprägte — „Expedition" zu jenem „Totum" entgegen, welches „das ausstehende Eigentliche oder das Überhaupt genannt werden kann"54. Logisch gesehen, soll damit gegen die Abgeschlossenheit des Systems das „ungeschlossene dialektische Unterwegs dieser Philosophie" geltend gemacht werden55. Ohne dabei auf die besonders in marxistischer Hegel-Literatur oft herbeibemühte Trennung von System und Methode sich festzulegen56, geht es Bloch darum, Dialektik in ihrer „systemhaften Offenheit" zu erfassen57. Hier trifft er sich mit einem zentralen Anliegen von Jonas Cohn. Gegenüber dem „fertigen" System, dessen Offenheit nur in seinem Platz für Unter- und Einordnung besteht, konzipiert Cohn das dialektische System als ein „wesentlich offenes"68, welches selbst noch systematisch sich gegen seine eigene Form wendet: „Dialektik ist so systematische Auflösung des Systems"59. Trotz ihrer eigenen Gegenbewegung ist die Systemform dem dialektischen Denken notwendig — „dialektische Geisteshaltung und dialektisches System gehören zusammen"60. Durch diese Gegenbewegung bleibt das System immer nur „werdendes System", „aller61 52
53 51 55 58
57 58 89
60
Vgl. auch Kimmerle, Das Problem der Abgeschlossenheit des Denkens. Subjekt-Objekt 186. Ebd. 337. Ebd. 473. Ebd. 426. Vgl. z. B. Marcuse, Vernunft und Revolution 228: „Die Methode jedoch, die in diesem System am Werke war, reichte weiter als die Begriffe, die es zu einem Abschluß brachten." Subjekt-Objekt 472. Theorie der Dialektik 312. Ebd. 316. Ebd. 339.
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dings so, daß dieses Werden die Idee seiner Vollendung in sich trägt"61. Sowohl Systematizität wie Offenheit gründen letztlich — ähnlich wie bei Bloch — in dem, was das Denken anstrebt: im Absoluten. Aber im Gegensatz zu Hegel, bei dem das Absolute selber als Gedachtes Ursprung der Bewegung sein soll, darf nach Cohn das „Absolute" „nur ah Idee die Dialektik regieren"9''2'·. „Alles dialektische Denken ist ein Denken aufs Absolute hin, kein Denken des Absoluten"™. Die „letzte Dialektik zwischen der Dialektik und ihrem Abschluß"64 stellt sich offensichtlich in den Umkreis dessen, was bei Hegel als Verhältnis von Dialektik und Spekulation beschrieben wurde, mit dem Unterschied allerdings, daß Spekulation bei Hegel gerade das zu leisten hätte, was Cohn dem Denken versagt. Die vielleicht konsequenteste und radikalste Auseinandersetzung, die im Horizont dieser Fragen mit Hegel geführt wurde, findet sich in den Schriften Adornos, besonders in seinen Drei Studien %u Hegel und der Negativen Dialektik. Angelpunkt von Adornos Kritik ist der Begriff der Identität. Nach Adorno verletzt Hegel „seinen eigenen Begriff von Dialektik, der gegen ihn zu verteidigen wäre, indem er ihn nicht verletzt, ihn zur obersten widerspruchsfreien Einheit zusammenschließt"65. Zwar räumt Adorno ein, daß Hegels Unwahrheit, „die Verleugnung des Nichtidentischen in der Totale"66, durch die gesellschaftliche Unwahrheit selber diktiert ist. Und er weiß auch, daß Hegels eigener Anspruch gerade darauf geht, in der Identität die Nichtidentität, den „härtesten Gegensat^' (L II 468) mitzudenken. Aber, so Adorno, „bei allem Nachdruck auf Negativität, Entzweiung, Nichtidentität kennt Hegel deren Dimension eigentlich nur um der Identität willen"67. So sündigt die philosophische Identität, indem sie gerade die Geschlossenheit des realen Zwangs als wahre ausgibt, an der erst noch zu verwirklichenden: „Die philosophische Antezipation der Versöhnung frevelt an der realen"68. Gegen ihre Hegeische Gestalt ist Dialektik als das „konsequente Bewußtsein von Nichtidentität" durchzusetzen69. Nur so kann sie der 61
Ebd. 322. Ebd. 347. Ebd. 349. ·« Ebd. 339. 62 63 65
67 68 69
Drei Studie» 165. Ebd. 36. Ebd. 164. Ebd. 39. Negative Dialektik 15.
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allgemeinsten Wahrheitsbedingung genügen: Negativität als solche zu erkennen, „Leiden beredt werden zu lassen"70. Wie Cohn von der systematischen Auflösung, so spricht Adorno — der mit jenem zahlreiche Motive gemein hat — von der „Demontage der Systeme und des Systems"71, Negative Dialektik versteht sich gerade in ihrem systematischen Charakter als „Antisystem"72. Bei aller Insistenz auf der Nichtidentität hat Adorno ein ausgeprägtes Bewußtsein gerade von dem, was schon bei Hegel als Motiv angeklungen ist: daß nämlich Einheit nur über die Entzweiung sich erreichen lasse, die Wunde des Denkens nur durch das Denken zu heilen sei. Dieses Motiv tritt bei Adorno nun allerdings — zumindest terminologisch — in seiner Umkehrung auf: Nichtidentisches ist nur über den Identitätszwang selber in seiner Wahrheit zu erfassen. Totale Immanenz ist nur durch die immanente Kritik ihrer selbst zu brechen73, und „einzig subjektiver Reflexion, und der aufs Subjekt, ist der Vorrang des Objekts erreichbar"74. Antisystematisch kann nur im Durchgang durch das System gedacht werden, Antilogisches nur über das Logische thematisch werden, das Nichtbegriffliche nur über den Begriff zur Sprache kommen. Abgesehen von der Schwierigkeit, wie dieses „nur über" genauer zu fassen ist, wäre zu überprüfen, welches denn die Motive sind, die hierbei tatsächlich gegen Hegel ins Spiel gebracht werden, und inwieweit die hier praktizierte beharrliche Abhebung gegen Hegel nicht diesen auf eine Position festlegt, deren Einseitigkeit zwar in gewissen Hegeischen Formulierungen eine Bestätigung finden mag, im systematischen Grundkonzept aber nicht aufrecht erhalten werden kann. Daß Nichtidentität auch bei Hegel schlußendlich kein subordiniertes Moment, sondern mit der absoluten Identität gleichursprünglich ist, wird auch Adorno einsichtig. Es könnte gefragt werden, ob nicht die leitenden Motive letztlich dahingehend divergieren, daß die messianische Hoffnung auf die noch ausstehende Versöhnung gegen die Überzeugung von der an sich schon vollbrachten und nur mehr in faktischer Geschichte zu verwirklichenden Versöhnung steht. Diese beiden Ansätze, die sich in ihrer Hegelkritik teils an der systematischen Geschlossenheit, teils am Identitätsgedanken ausrichten, 70 71 72 73 74
Ebd. 27. Ebd. 41. Ebd. 8. Ebd. 181. Ebd. 184.
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kommen in der Meinung überein, daß die von Hegel konzipierte Systematik nicht in der Lage ist, so etwas wie Freiheit zu denken, ja daß sie durch ihren Totalitätsanspruch die zu denkende Wahrheit immer schon und grundsätzlich verfälscht. Beide stehen der hier vorgelegten Interpretation insofern diametral entgegen, als diese gerade in der Konvergenz von Systematik und Freiheitsgedanken ihr bestimmendes Motiv hat. Sie sollten hier erwähnt werden, um — analog den zitierten Deutungen, welche die Hegeische Logik im Rahmen der Natur- oder Geistesphilosophie thematisieren — im Bereich der Logizität selber die Perspektiven zu umreißen, innerhalb derer die Hegeische Position ihren bestimmten Platz einnimmt. Es könnten hierbei noch jene Versuche genannt werden, welche die Logik mit deren eigenen Mitteln und Begriffen einer immanenten Korrektur unterziehen wollen, um sie so vor den fatalen Folgen einer abstrakten Geschlossenheit zu bewahren75; auf sie kann hier nicht näher eingegangen werden. Gegenüber den Ansätzen, welche der Hegeischen Systematik die Fähigkeit zum Denken der Freiheit absprechen, ist als Fazit der Logikinterpretation festzuhalten, daß das Logische an ihm selber, neben seiner ersten, strikt logischen Gehaltsmäßigkeit eine zweite, höhere Inhaltlichkeit aufgewiesen hat, welche sich eben als der absolute Inhalt der Freiheit bestimmte. Davon noch zu unterscheiden ist eine dritte Ebene, auf welcher durch die Logizität des Begriffs Inhaltlichkeit hereinkommt: jene Inhaltlichkeit, welche dialektische Darstellung nicht mehr in ihrer allgemeinsten 75
So macht Theunissen den Vorschlag, die „Angewiesenheit des Begriffs auf die Vorstellung ... in den Begriff selber einzuarbeiten". Das absolute Voraussetzen soll dadurch noch innerhalb der Hegeischen Logik denkbar gemacht werden, daß die „Reflexionstheorie von der Wesenslogik auf die Begriffslogik" übertragen wird (Hegels Lehre vom absoluten Geist 53). So würde das von vielen an Hegel Monierte, nämlich „wahre Dialektik selbst mit dem dialektisch nicht zu Vermittelnden" zu vermitteln (56), noch durch das von Hegel selber bereitgestellte Instrumentarium ermöglicht. Auf diese Vorschläge wird in der Diskussion des absoluten Geistes zurückzukommen sein, wo auch der inhaltliche und realphilosophische Hintergrund dieser „Korrektur" zur Sprache kommen wird. — Ein anderes Beispiel wäre die „Gebrochenheit der Mitte", mit der Van der Meulen die Geschlossenheit des Hegeischen Systems aus dessen eigener Konstitution heraus des Scheins überführen will. Diese „sich logisch als die quaternio terminorum des Vernunftschlusses äußernde gebrochene Mitte" (Hegel. Die gebrochene Mute, 5) bricht nach seiner Interpretation auch auf der höchsten Stufe des Hegelschen Denkens wieder auf und stellt gerade eine „Selbstkritik der positiven Dialektik" dar (342). Indem jede Synthesis sich zugleich „als eine unhaltbare, in sich zerbrechende Mitte zeigt" (343), erweist sich ihre Wahrheit als die „kritische, sich ständig von sich unterscheidende und ebenso ständig wieder setzende Mitte, die zu keiner endgültigen und geschlossenen Totalität kommen darf" (345 f.).
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Formulierung als reine Logik, sondern in ihrer Applikation als bestimmte Theorie und mit bezug auf konkrete Wirklichkeitsbereiche enthält. Gerade der ansatzweise Vergleich mit Marx hat auf die Rolle der Darstellung als Kritik hingewiesen. Indem Dialektik das Dargestellte immer schon nach der Formbestimmtheit der Freiheit auffaßt, muß in ihr nicht nur Versöhnung, sondern auch Nicht-versöhnung und Kritik, als Einsicht in die Unvernunft und Widersprüchlichkeit des Wirklichen, enthalten und ausgesprochen sein. Wahre Darstellung ist durch ihre eigene Logik zugleich Kritik und Beurteilung des Dargestellten76, eine Kritik, die sich auf nichts als die immanente Logik des Dargestellten selber beruft. Dialektische Darstellung macht durch sich selber eine Aussage spezifischer Art, eine Art Metaaussage, über den Inhalt. Sie bezeichnet etwas am Inhalt, was über das primär am Gegenstand Thematisierte und dessen „inhaltliche" Beschreibung hinausgeht, umgekehrt aber diese erst richtig zu begreifen gestattet. Dies geschieht dadurch, daß Freiheit nicht einfach als umfassende Thematik oder als letzter Horizont der Darstellung sichtbar wird, sondern daß Freiheit in dialektischer Darstellung als etwas manifest wird, was im Wirklichen selber als absolute Norm anzusetzen ist. Indem Wirklichkeit in ihrer faktischen Gestalt nach dem ihr immanenten und gleichwohl absoluten Maßstab der Freiheit dargestellt wird, wird sie als etwas offenbar, was in sich selber auf einem normativen Fundament aufruht, was in sich selber das Spannungsfeld von Faktizität und Normativität übergreift, oder genauer: was in sich selber faktisch und normativ ist. Sein und Geltung sollen in dialektisch-spekulativer Darstellung in einem erfaßt und beschrieben werden. Diese wird gerade dadurch zur Kritik, daß sie im Wirklichen dessen eigene Geltungsansprüche zur Sprache bringt; das kritische Potential der Darstellung gründet im normativen Fundament der Wirklichkeit selber. Die allgemeine Rede von der Kritik als von einem Aufweis der Widersprüchlichkeit des Wirklichen muß in diesem Sinn spezifiziert werden. Der bloße Aufweis von Widersprüchen ist an sich ebensowenig kritisch wie der Nachweis einer Widerspruchslosigkeit legitimierend. Aber auch die spezifischere Fassung des Widerspruchs als eines Widerspruchs von 76
Vgl. PG 13: „Das leichteste ist, was Gehalt und Gediegenheit hat, zu beurteilen, schwerer, es zu fassen, das schwerste, was beides vereinigt, seine Darstellung hervorzubringen." — Vgl. Marx' Brief vom 22. 2. 1858 an Lassalle: „Die Arbeit, um die es sich . . . handelt, ist Kritik der ökonomischen Kategorien oder . . . das System der bürgerlichen Ökonomie kritisch dargestellt. Es ist zugleich Darstellung des Systems und durch die Darstellung Kritik desselben" (MEW 29, 550).
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Begriff und Realität, und d. h. der Nachweis, daß etwas einen von ihm selber gesetzten Anspruch faktisch nicht erfüllt (oder gar ihm prinzipiell nicht genügen kann), gibt noch nicht die Basis für jene Kritik ab, welche der dialektischen Darstellung zukommen soll. Diese setzt an bei der Erfüllung oder Nichterfüllung nicht eines beliebigen, sondern eines notwendigen und unhintergehbaren Anspruchs, des Anspruchs auf Freiheit. Dieser ist die absolute Norm, die auch den inhaltlich spezifizierten Ansprüchen zugrundeliegen muß, wenn deren Nichterfüllung ein Selbstwiderspruch im strikten Sinn sein soll. Der Anspruch und die Verpflichtung auf Freiheit ist das zugrundeliegende Normative, das von dialektischer Darstellung zum Ausdruck gebracht, ja zum tragenden Fundament aller wissenschaftlichen Darstellung gemacht wird. Was sich darin als Form von Freisein bestimmt, ist nichts anderes als das, was die Logik als die unhintergehbare Form des wahren Denkens und identischerweise damit als Form des Wirklichseins des Wirklichen konzipiert hatte. Wirklichkeit an ihrem Anspruch auf Freiheit bemessen heißt für die spekulative Darstellung nichts anderes als zum Ausdruck bringen, inwieweit das Wirkliche überhaupt „wirklich", inwieweit es „sich selber", oder in Hegelscher Terminologie auch: inwieweit es an ihm selber wahr ist. Das Wirklichsein konvergiert in seinem normativen Charakter mit der Natur des logischen Begriffs. Dieser ist immer schon als Begriff dessen gefaßt, was sein soll, was sich verwirklichen soll; der Begriff der Freiheit — wie der Begriff des Begriffs selber — ist, Idee zu sein (vgl. R § 66 A). Indem die Darstellung sich schon von ihrem eigenen Wahrheitsbegriff her am „normativen" Charakter der Wirklichkeit orientiert, bringt sie in allem Inhalt das zur Erscheinung, was das eigentliche „Thema" oder „Anliegen" der Wirklichkeit ausmacht: wirklich zu sein, frei zu sein. Diese prinzipielle Intention auf Freiheit bleibt als absolute Grundnorm in Geltung, ob ihr im realen Geschehen Genüge getan werde oder nicht; sie hat in diesem Sinn „kontrafaktische" Geltung77. Deshalb hatte sich auch die Beschreibung des Unfreien an einem zugrundeliegenden Freiheitsbegriff zu orientieren, von dem her sie ihr kri77
So definiert ja auch etwa die Soziologie Normen als kontrafaktisch stabilisierte Erwartungen. Gleichwohl kann der Normcharakter nicht schon von der Kontrafaktizität der Geltung her angemessen erfaßt werden — diese kann auch in bloß formeller Konvention gegründet sein, während der Normcharakter im hier anvisierten Sinn wesentlich auf den Inhalt, in welchem er gründet, verweist, auf die Freiheit qua Selbstverwirklichung.
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Logische Systematik und Freiheit
tisches Potential bezog. Die Wahrheit oder Unwahrheit des Gegenstandes erhellt so aus der Eigenart seiner adäquaten Beschreibung. So ließ sich auch die eigenartige Doppeldeutigkeit, welche dem logischen Aufbau des Kapitals anhaftet, selber als Aussage über das dieser Logik Zugrundeliegende verstehen: realer Widerstand gegen die Konstitution von Subjektivität offenbart sich im Widerspruch des Formensystems. Transparenz und Opazität der Logik sind nicht einfach Zeichen ihrer Wirklichkeitsferne oder -nähe, sie sind beide im gleichen Maß Indiz des in ihr anvisierten Zustandes. Die Logik enthält so in ihrer Anwendung als Logizität einer bestimmten Darstellung nicht nur die allgemeine Aussage, daß Freiheit der absolute Inhalt schlechthin ist, sondern sie begründet ein konkretes Urteil über das Dargestellte; sie ist dessen Kritik oder Rechtfertigung. Ihr Urteil ist nicht einfache Prädikation, Zusprechung einer bestimmten Eigenschaft, sondern dasjenige Urteil, welches die Entsprechung oder Nicht-Entsprechung einer Sache mit ihrem eigenen Begriff ausspricht: dialektische Darstellung ist als ganze das „apodiktische", allein „wahrhaft objektive" (L 349) Urteil über die Wirklichkeit. Dialektische Philosophie entwirft im ganzen, rein von der Spezifizität ihrer Logik her, eine Art Metatheorie der Wirklichkeit unter dem Gesichtspunkt der Freiheit. Zugleich erweist sie sich aber darin als die konkrete Theorie der Freiheit, erweist sie Freiheit als das Grundthema der Philosophie überhaupt wie auch als die Sache selbst, um die es der Wirklichkeit in einem absoluten Sinne geht. Gerade indem Freiheit für dialektische Philosophie als das unumgängliche „Metathema" des Wirklichen sich geltend macht, erweist sie sich als das Grundthema schlechthin. Nur deshalb enthält das dialektische System nirgendwo einen Traktat, welcher Freiheit kurz und bündig definierte und abhandelte, und nur deshalb bleibt Freiheit sowohl in der Logik wie in der realphilosophischen Beschreibung von Geschichte und Gesellschaft — darstellungsmäßig — eine Art Metathema, weil sie —· in der Intention und in Wirklichkeit — zugleich das umfassende und zentrale Thema der Philosophie insgesamt ist. Damit aber verweist die Logik, welche das ganze System strukturiert und begründet, nicht mehr nur auf die umfassende Inhaltlichkeit der Freiheit überhaupt, sondern auf jene Wirklichkeit, welche Freiheit zu ihrem eigenen Thema hat: im Lichte der Logik wkd Wirklichkeit nicht nur mit dem Maß der Freiheit gemessen, sondern zeigt sie sich selber als eine, die wesentlich auf die Verwirklichung von Freiheit aus ist. Die Realphilosophie wkd diese Wkklichkeit des nähern als die Realität des
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Geistes bestimmen, welche in der Art ihrer Selbstverwirklichung ihr fundamentales geschichtliches Wesen zum Ausdruck bringt. Die Philosophie beleuchtet das von ihr zu erfassende „Gegenwärtige und Wirkliche", indem sie es nach den Gesetzen dialektischer Logik begreift, unter dem Aspekt seines freiheitsmäßigen-geschichtlichen Wesens, welches sie ihm zugleich als letzte und höchste Bestimmung zuspricht. Dieses Zusprechen ist schon in der reinen Logik dialektischer Darstellung angelegt, es ist eine von der Logik selber gemachte Aussage. Diese stellt eine „dritte," nunmehr konkretere und gehaltvollere „Inhaltlichkeit" des Logischen als solchen dar; sie ist nicht mehr auf das rein „Logische" noch auf die Freiheit als solche, sondern auf die konkrete freie Wirklichkeit ausgerichtet. Damit kehrt die Betrachtung zu ihrem Ausgangspunkt zurück: die „Inhaltlichkeit" der vom Logischen als solchen geleisteten Aussage begründet in ihrer Konkretisierung den „Wirklichkeitsbezug" des Logischen. In der Art, wie die Logik sich immer schon auf ihren Gegenstand bezieht und wie sie ihn, gemäß ihrer eigenen Gesetzmäßigkeit, fortbestimmt, offenbart sich auch die spezifische Wirklichkeitsbezogenheit des Logischen: sein Bezug nämlich auf die Wirklichkeit schlechthin, welche die Geschichte der Befreiung des Geistes ist. Es wurde nun, sowohl im Hinblick auf bestimmte in der Literatur vertretene Ansätze wie auch bezüglich der bei Hegel selber erarbeiteten Position, eine Art Bestandesaufnahme geleistet, welche die verschiedenen Perspektiven zu beleuchten hatte, unter denen die im Logischen selber angelegte Beziehung zur Wirklichkeit zur Geltung kommen kann. Mit der vorläufigen Klärung der Beziehung von Logischem und Wirklichem ist die Grundlage geschaffen für die darstellungsmäßige Überleitung von der Logik zur Realphilosophie; es wurde darin der Hintergrund expliziert, auf welchem dieser Übergang im Horizont der System/FreiheitProblematik nachvollziehbar ist und die Realphilosophie selber sich auf diesen Horizont hin aufschließt.
Zweiter Teil Die Verwirklichung der Freiheit: Die Theorie des objektiven Geistes
1. Einleitung: Allgemeine Kennzeichnung der „Praktischen Philosophie" Hegels A. Die Philosophie des Geistes bildet jenen Teil des Hegeischen Systems, der sich nach traditioneller Vorstellung am ehesten — wenn nicht als einziger — zu einer Theorie der Freiheit eignet. Es kann nicht übersehen werden, daß er auch nach dem Selbstverständnis Hegels das eigentliche Zentrum einer Darstellung der Freiheit bildet — womit allerdings nicht gesagt ist, daß die eingangs gestellten Fragen sich hier am leichtesten (oder gar nur hier) aufnehmen und klären ließen. Wenn weiterhin die Intention befolgt werden soll, Freiheit als Konstituens des ganzen Systems zu erfassen, so muß es vorerst darum gehen, sowohl den Platz der Geistesphilosophie innerhalb des Systems wie auch den Ort der Theorie des objektiven Geistes innerhalb der Geistesphilosophie genau zu bestimmen. Nur dadurch wird sich auch die vorrangige Behandlung der zweiten und dritten Abteilung der Geistesphilosophie für die aufgeworfene Problematik begründen lassen. — Die Naturphilosophie, so meint Hegel, hat zu ihrem Resutltat „den Beweis der Notwendigkeit des Begriffs des Geistes" (E § 381 Z). Als Nachfolgerbegriff ist der Geist die „Wahrheit" der Natur „und damit deren absolut Erstes" (E § 381). Was mit diesem Verhältnis im allgemeinen angesprochen ist, wurde bereits in der Logik erläutert: eine Bestimmung geht in ihre Wahrheit über, indem sie sich für sich als das setzt, was sie an sich bereits ist. Wird dieser „Übergang" auf seinen Wahrheitsgehalt hin reflektiert, so erweist er sich zugleich als „Zurückgehen": die auf Voraussetzung der „ersten" entstandene „zweite" Bestimmung offenbart sich als eine, welche die erste als ihr eigenes Moment setzt (oder immer schon gesetzt hat), sie zu einem Gesetztsein und sich selber zum „Ersten" macht. Dieses allgemeine Verhältnis soll nun nach Hegel auch auf die Beziehung von Natur und Geist Anwendung finden. Wenn die logische Idee als „das unmittelbare, einfache Insichsein" und die Natur als „das Außersicbsein der Idee" definiert sind, so ist „die unterscheidende
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Bestimmtheit des Begriffs des Geistes... die Idealität, d. h. das Aufheben des Andersseins der Idee, das aus ihrem Anderen in sich Zurückkehren und Zurückgekehrtsein derselben" (E § 381 Z). Auch die äußere Natur ist zwar „vernünftig, göttlich, eine Darstellung der Idee" (ebd.), auch sie ist eine SelbstofFenbarung des an sich seienden Geistes (E § 384 Z), aber all dies erst in der Form der Unmittelbarkeit, der Äußerlichkeit gegenüber dem Geist wie gegen sich selber. In ihr ist somit noch nicht das erreicht, was die Logik als Struktur der Freiheit fordert, das Zusammenfallen von Form und Inhalt. Eine SelbstofFenbarung, welche selber unmittelbar bleibt, in selbständige und gegeneinander äußerliche Existenzen zerfällt, kann nicht adäquate Darstellung des vernünftigen Wesens sein. Diese innere Unangemessenheit ist es denn auch, welche den „im Innern" der Natur tätigen Geist zur Aufhebung dieser Unmittelbarkeit bewegt, „weil diese Form seines Daseins mit der Innerlichkeit seines Wesens in Widerspruch steht" (E § 381 Z). Der Fortgang der Naturphilosophie zeigt sich im nachhinein selber als eine Stufe im Gang der Befreiung, aus welcher der Begriff des Geistes als das „Zusichselberkommen des in der Natur außer sich seienden Geistes" hervorgeht (E § 381 Z)1. Der Geist hat sich ergeben „als die zu ihrem Fürsichsein gelangte Idee.. ., deren Objekt ebensowohl als das Subjekt der Begriff ist" (E § 381). Diese Struktureinheit von Subjekt und Objekt gestattet es, „das Wesen des Geistes" „formell" als „die Freiheit, die absolute Negativität des Begriffes als Identität mit sich" zu bezeichnen (E § 382). Die absolute Idee hatte als Abschluß der Logik die absolute Form als Struktur von Freiheit herausgestellt. Gegenüber dieser bloßen „Möglichkeit" (vgl. E § 381 Z) geht es in der Geistesphilosophie um die systematische Darstellung sich verwirklichender Freiheit. Mit dem Übergang von der Natur zum Geist ist nun formell jene Identität erreicht, welche die Existenz der absoluten Form nach einem ihr angemessenen, nämlich mit ihr identi1
Es wird in der Schlußbetrachtung auf die Rolle der Natur innerhalb der ganzen Systematik zurückzukommen sein (IV. 2.). Dort wird zu klären sein, inwiefern die Logik der „Schwere" — sein Zentrum nicht in sich, sondern in einem ändern zu haben, dies explizit als Gegenbegriff zur Freiheit des Geistes gefaßt (vgl. R § 7; Ph. Gesch. 30) — selber als die negative Phase der umfassenden Dialektik der Freiheit, das Außersichsein der Idee selber als interne Verkehrung des Insichseins zu verstehen ist. Als diese „Verkehrung" bleibt die Naturphilosophie für die begriffliche Explikation des Freiheitsbegriffs sekundär und braucht nicht für sich selber analysiert zu werden. — Hier kommt sie vor allem in ihrer Funktion als Vorstufe der Geistesphilosophie zur Sprache.
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sehen, Daseinsmodus charakterisiert; hier ist sozusagen der Boden der realen Freiheit erreicht. Wie aber innerhalb der Logik die Idee erst als Abschluß und somit als das Ganze zu ihrer Wahrheit als absolute Idee gelangt, zugleich aber die mit dem Abschluß eröffnete Dimension sich als die schon von Anfang an allein tragende erweist — als die Ebene des Begriffs —, so kann auch in der adäquaten Verwirklichung der Idee erst ihr Abschluß die wirkliche Angemessenheit des Begriffs und der Realität, somit wirkliche Freiheit sein. Dies ist der Grund für das formelle Moment, welches hier, in der vorwegnehmenden Art einer Einleitung, der mit dem Begriff des Geistes erreichten Freiheit zugesprochen wird. Die Verwirklichung der Freiheit, der Geist, folgt selber der Logik der zugrundeliegenden absoluten Idee. Schon auf der ersten Stufe, welche durch Aufhebung des Außersichseins der Idee entstanden ist, ist der Geist als solcher vorhanden, genau wie schon am Anfang der Logik von nichts anderem als den Bestimmungen des Begriffs die Rede ist. Aber ähnlich wie der logische Begriff kann auch der Geist erst durch den Prozeß seiner Selbstrealisierung hindurch in seiner Wahrheit erkannt werden, und eigentlich ist erst im „absoluten" Geist der Beweis dafür gegeben, daß die ganze Geistessphäre ihren Namen zu Recht trägt. Nur seine Selbstverwirklichung macht die Wirklichkeit und Wahrheit des Geistes aus, wie auch erst sein Verwirklichtsein den ganzen Prozeß gewissermaßen nachträglich ins richtige Licht rückt. Diese Wiederholung spekulativer Verhältnisse der Logik auf höherer Ebene schließt von allem Anfang an die Betrachtungsweise sowohl der „rationellen" wie der „empirischen" Psychologie aus. Einzig die spekulative Betrachtung ist in der Lage, den Geist nicht als „ein Ruhendes, sondern vielmehr [als] das absolut Unruhige, die reine Tätigkeit, das Negieren oder die Idealität aller festen Verstandesbestimmungen" zu erfassen (E § 378 Z). Es geht darum, „die besonderen Stufen und Bestimmungen der Entwicklung" des Begriffs nicht als Gestalten oder „besondere Existenzen" — in welche sie auf der Ebene der Natur noch auseinanderfallen —, sondern wesentlich als „Momente" des Prozesses der Selbstverwirklichung des Geistes zu erkennen; die Notwendigkeit einer solchen Erkenntnis ergibt sich aus der „konkreten Natur" (E § 380) des Geistes, welche auch „die Erkenntnis des Geistes" zur „konkretesten, darum höchsten und schwersten" werden läßt (E § 377). Der Geist bildet „die höchste Definition des Absoluten" (E § 384 A). Doch gerade weil er dies nur als sich hervorbringender, ja weil er seiner Bestimmtheit nach nichts anderes als Manifestation ist (E § 383), bleibt
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sein erstes Hervortreten in die Wirklichkeit seiner Wahrheit gegenüber inadäquat. Das Hervorgehen aus selbstgesetzten Voraussetzungen, die affirmative Selbsterhaltung in der Negativhät der Entzweiung (E § 382), die Selbstoffenbarung —, all diese Merkmale, die insgesamt den Geist auszeichnen, bilden gerade auch in dem Sinn seinen Begriff, daß sie zunächst nur die Aufgabe seiner Selbstbefreiung formulieren. Erst nach dem Durchlaufen der verschiedenen Stufen der Entfaltung werden die hier dem Begriff zugesprochenen Bestimmungen ihre wirkliche Reichweite erhalten. In seiner Unmittelbarkeit hingegen ist der Geist „nur an sich, dem Begriffe oder der Möglichkeit nach, noch nicht der Wirklichkeit nach frei; die wirkliche Freiheit ist also nicht etwas unmittelbar im Geiste Seiendes, sondern etwas durch seine Tätigkeit Hervorzubringendes" (E § 3822). Die Defizienz, welche der ersten Gestalt des Geistes, dem subjektiven Geist, anhaftet, erweist sich innerhalb des Systems des Geistes als eine doppelte Beschränktheit: einerseits als Charakter der Endlichkeit, welche dem subjektiven zusammen mit dem objektiven Geist zukommt, und anderseits als der dem ersteren spezifische Mangel der rein subjektiven Freiheit des Insichbleibens. Subjektiver wie objektiver Geist bleiben im Elemente der Endlichkeit befangen, insofern sie noch nicht zur Einsicht in die Identität des subjektiven Beisichseins mit der objektiv erzeugten Freiheit der sittlichen Welt gelangt sind. Da aber der Geist als die unendliche „Idee" ihre Grundlage bildet, hat die Endlichkeit hier „die Bedeutung der Unangemessenheit des Begriffs und der Realität" (E § 386). Der innere Widerspruch, in den sich der Geist auf diesen beiden Stufen begibt, wird aber von ihm selber aufgelöst: weil der Geist als solcher das Beisichsein der Idee ist, verfällt er nicht mehr der Dialektik, „sein Vergehen durch ein Anderes und in einem Anderen zu haben" (E § 386 A), sondern realisiert jene Dialektik der Schranke, welche die Logik für die spekulative Betrachtung der Endlichkeit vorgezeichnet hatte. Der wahre Geist ist der unendliche, welcher die Endlichkeit zu seinem eigenen Moment herabsetzt. Dieser Eintritt des Geistes in sein wahres Dasein wird beim Übergang des objektiven in den absoluten Geist genauer zu bestimmen sein. Vorher aber muß, um die Dimension des objektiven Geistes genau zu situieren, seine Differenz zum subjektiven Geist herausgearbeitet werden. Es muß gezeigt werden, welche spezifische Defizienz diesem anhaftet und vorerst überwunden werden muß, um das eigentliche Feld der sich verwirklichenden Freiheit und damit den Ort einer realen Freiheitstheorie zu erreichen. Zu diesem Zweck sollen kurz die Hauptschritte
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skizziert werden, in denen sich der Geist in der Sphäre der Subjektivität ausbildet, für sich selber Idee wird, um in der Vollendung 2ugleich seine Beschränkung selber zu überwinden: gerade das Zusichkommen, das dem Geiste wesentlich ist, verlangt die Aufhebung des subjektiven Elements, in dem es sich vorerst vollzieht. Als unmittelbarer steht der Geist selber unter der Form der Natürlichkeit, ist er „Seele oder Naturgeist" (E § 387). „Der Geist ist zwar schon im Anfange der Geist, aber er weiß noch nicht, daß er dies ist" (E § 385 Z). Gerade das Fürsichwerden seines Ansich stellt die Entwicklung dar, durch welche er erst zum wirklichen Geist wird und welche ihn zur Transzendierung seiner geschlossenen Selbstbeziehung nötigen wird. Seine Entfaltung von der Seele über das Bewußtsein zum Geist als solchem zeichnet zugleich den Verlauf der Logik im ganzen nach — als Geist „in der Weise des Seins" (E § 385 Z), Geist auf der „Stufe der Reflexion oder des Verhältnisses" (E § 413) und Geist „als der Begriff" (E § 437 Z) —, wie der sich entfaltende Geist auch, als allgemeiner, besonderer und einzelner, „in seiner Entwicklung die Entwicklung des Begriffes" darstellt (E §387 Z). Entsprechend bezeichnen diese drei Bestimmungen für die philosophische Betrachtung nicht drei in sich ausgebildete Gestalten, sondern wesentlich „Momente der Entwicklung" des Geistes, jede „innerhalb ihrer dieser Prozeß" des Fürsichwerdens des Ansich (E § 387 A). In diesem Sinne schildert die Anthropologie den Gang der Seele von der völligen Gebundenheit an ihre Naturbestimmungen zum abstrakten Fürsichsein, welches durch die Abscheidung von unmittelbaren Sein entstanden ist, und schließlich zur Seele, welche ihre Leiblichkeit durchgebildet und sich zu eigen gemacht hat und sich in ihr auf sich bezieht. Durch diese „vermittelte Einheit mit ihrer Natürlichkeit" entsteht die wirkliche Seele (E §411 Z). Erst als solche gewinnt die Seele ein Verhältnis zu ihrer eigenen Leiblichkeit wie zur äußern Natur, stellt sie sich der ideell gesetzten Natur als freies Fürsichsein gegenüber und gibt sie sich die Gestalt des Ich. „Durch die Reflexion-in-sich vollendet der Geist seine Befreiung von der Form des Seins, gibt sich die Form des Wesens und wird zum Ich" (E § 412Z). In diesem Von-sich-Ausschließen der natürlichen Bestimmungen, auf die es sich gleichzeitig bezieht, konstituiert sich das Ich als Bewußtsein. Die Darstellung des Bewußtseins als der Erscheinung des Geistes macht die Phänomenologie aus2. Die un2
Diese kommt hier ausschließlich als Teillehre von der Entfaltung des subjektiven Geistes, nicht in ihrer Funktion für das System als ganzes (als dessen „Einleitung" oder „erster Teil") in Betracht.
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mittelbare Selbstidentität der Naturseele ist im Ich „zur reinen ideellen Identität mit sich" geworden, in welcher das Ich zur „Gewißheit seiner selbst" gekommen ist (E § 413). Diese Gewißheit, welche sich ihren Gegenstand als äußerlichen gegenüberstellt und alle Bestimmtheit in ihn verlegt, bleibt nur noch rein formelle Selbstbeziehung, „das gan% einfache Subjektive, das gan% abstrakt Freie" (E § 413 Z). Entsprechend entläßt sie „ihre Bestimmtheit, das Naturleben der Seele, als ebenso frei, als selbständiges Objekt, aus sich" (E § 413). Sowohl das Beisichsein wie das freie Entlassen sind jedoch noch völlig abstrakt, noch nicht Freiheitsbestimmungen in jenem emphatischen Sinn, in welchem die gleichen Ausdrücke in konkreterem Kontext wieder auftauchen. Das Objekt ist aber zugleich an sich immer schon ein vom Bewußtsein übergriffenes und mit ihm identisch gesetztes. In der Phänomenologie des Geistes als der Sphäre des Wesens innerhalb des subjektiven Geistes geht es um die Auflösung dieses Widerspruchs „der Selbständigkeit beider Seiten und ihrer Identität" (E § 414). Die rein subjektive Selbstgewißheit des Bewußtseins muß sich über den Gegenstand mit sich vermitteln und zur Wahrheit werden. Was im Bewußtsein an sich vorhanden ist, nämlich daß es sich auf einen nicht von ihm unterschiedenen Gegenstand, auf sich selber bezieht, wird im Selbstbewußtsein für das Subjekt selber. Das vorerst einzelne, abstrakte Ich=Ich, welches das Bewußtsein als sein Negatives außer sich hat, wird über die Dialektik der Begierde und der Anerkennung zum allgemeinen, mit dem Bewußtsein zur Einheit gekommenen Selbstbewußtsein „und wird dadurch zum konkreten Fürsichsem des Ich, zu der in der objektiven Welt sich selbst erkennenden, absolut freien Vernunft" (E § 4172). Diese ist die Wahrheit der anfänglichen Gewißheit, insofern sie das Wissen von der Identität der gegenständlichen Bestimmungen mit den Bestimmungen des Denkens ist. „Diese wissende Wahrheit ist der Geist" (E § 439). Der Geist stellt innerhalb des subjektiven Geistes die Sphäre des Begriffs dar, sein Fortschreiten ist wie das des Begriffs eine „Entwicklung" (E § 442), in der er nicht mehr auf ihm äußerliche Voraussetzungen sich bezieht, sondern „nur von seinem eigenen Sein" anfängt und „sich nur zu seinen eigenen Bestimmungen" verhält (E § 440). Erst hier wird die Dimension eröffnet, in die sich jene Theorie der Freiheit einzeichnet, welche im Hegelschen System an die Stelle der vormaligen Ethik oder Moralphilosophie tritt. Denn Gegenstand der Freiheitstheorie ist nicht mehr das Ich in seiner abstrakten Entscheidungsfreiheit, sondern der Geist in seiner realen Existenz: der objektive Geist. In seinem ersten Auftreten bleibt
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der Geist als die Wahrheit des Bewußtseins jedoch selber noch der Sphäre der Subjektivität verhaftet. Die Freiheit, welche er durch Überwindung seiner „natürlichen Bestimmtheit" wie der „Verwicklung mit einem äußerlichen Gegenstande" (E § 440 A) erreicht hat, bleibt in ihrer Unmittelbarkeit abstrakt, die „formelle Identität des Subjektiven und Objektiven" (E § 440 Z). Hier hat „der Geist seinen eigenen Begriff noch nicht erfaßt, ist er nur vernünftiges Wissen, weiß sich aber noch nicht als solches" (E § 441 Z). Die Psychologie zeigt den Weg der Aufhebung der Form der Subjektivität, mit der der Geist bisher behaftet ist; seine „Vermögen" erscheinen so als verschiedene Stufen der Befreiung des Geistes „%a sich selbst" (E § 442A). Als theoretischer geht der Geist dazu über, das Vernünftige, das seine unmittelbare Bestimmtheit ist, „als das Seinige zu setzen", „die Bestimmtheit subjektiv zu machen" (E § 443). Insofern sich das Denken als das Bestimmende des Inhalts, welcher ebenso als seiend bestimmt ist, weiß, ist es zum Willen geworden. Umgekehrt geht die Dialektik des praktischen Geistes, analog jener des Selbstbewußtseins, auf die „Objektivierung seiner noch mit der Form der Subjektivität behafteten Innerlichkeit aus" (E §469Z). Seine Defizienz besteht darin, „daß sein durch sich Erfülltsein die abstrakte Bestimmtheit, die seinige überhaupt, mit der entwickelten Vernunft nicht identifiziert ist" (E § 469). Zur wirklichen Freiheit des Willens gehört aber, daß er sich selber seinem Begriffe nach, d. h. daß er die Freiheit selber zum Gegenstand seines Wollens mache. Die Vorstellung der Glückseligkeit bildet dazu eine Vorstufe, welche das Vereinzelte und Arbiträre des Gefühls, der Triebe und der Willkür ins Allgemeine erhebt. Aber sie bleibt ihrerseits „nur vorgestellte, abstrakte Allgemeinheit des Inhalts, welche nur sein soll" (E § 480), sie ist nicht der Inhalt, der an ihm selber Übereinstimmung mit seinem Begriff, Idee, ist. Erst der Wille, welcher zu seinem „Inhalt und Zweck nur jene unendliche Bestimmtheit, die Freiheit selbst, hat", ist „wirklich freier Wille" (E § 480). Der „freie Geist" bildet die Schlußfigur der Sphäre des subjektiven Geistes. Er ist somit nicht nur die Aufhebung des gemeinsamen Mangels, welcher dem praktischen wie theoretischen Geist anhaftete — der formelle Charakter der vorhandenen Subjekt/Objekt-Identität (vgl. E § 444 Z) —, sondern zugleich Abschlußbestimmung von Seele, Bewußtsein, Geist, und damit Eröffnung einer neuen Dimension: jener des objektiven Geistes. Wenn die „Psychologie" insgesamt innerhalb des subjektiven Geistes dem logischen Ort des Begriffs entspricht, so stellt der freie Geist, der „sich als frei weiß und sich als diesen seinen Gegenstand
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will" (E § 482), die Idee als Abschlußbestimmung der ganzen Sphäre dar. In ihr widerspiegelt sich die Reflexivität der absoluten Idee, welche als absolute Form allen Inhalt als durch die Form erzeugt gesetzt hat. In ähnlicher Weise nimmt „der freie Wille, der den freien Willen mil1 (R § 27), nicht irgend einen Gegenstand als Inhalt auf, den er zugleich aus sich selbst bestimmte und bei dem er frei bei sich bliebe, sondern indem er „sich selbst, als die unendliche Form zu seinem Inhalte" hat (R § 21), wird ihm dieses Selbstbestimmen der Freiheit selber zum wesentlichen und alleinigen „Gegenstand". Das „Wissen der Menschen, daß ihr Wesen, Zweck und Gegenstand die Freiheit ist", ist „selbst als solches die Wirklichkeit der Menschen, nicht die sie darum haben, sondern [die] sie sind" (E § 482A). Die Parallele zum Abschluß der Logik vermag auch weitere Aspekte im Übergang vom subjektiven zum objektiven Geist zu erhellen. Wie sich in der absoluten Idee offenbart, daß eigentlich einziges Thema von Anfang an der Begriff selber war, und daß auch schon in der Seinslogik jeder Übergang nur deshalb möglich war, weil die dialektische Methode als absolute Form in der Konstitution und im Übergang der Kategorien tätig war, so wird auch hier sozusagen der reale Grund dafür angegeben, daß schon die Seele sich als Widerspruch erwies, der zu seiner Auflösung drängte: sämtliche Gestalten zeigen sich im nachhinein als Stufen der Selbstbefreiung des Geistes; als einziges Subjekt, das von Anfang an, auch in der Dimension der Naturbestimmtheit oder der entgegensetzenden Bewußtseinstätigkeit, am Werk war, zeigt sich der freie Geist selber. Und das, wodurch dieser seine Gestaltungen als Momente im Prozeß seines eigenen Herausarbeitens setzte, ist gerade jene Bestimmung, durch die er sich spezifisch als „freier Geist" konstituierte: seine eigene Freiheit zu wollen. Es bestätigt sich hier, was schon in der Logik angedeutet war, daß nämlich die Bestimmung einer ganzen Sphäre sowie deren Einordnung in einer Stufenfolge höherer Ordnung immer nur im nachhinein, nach Durchlaufen der verschiedenen Bestimmungen, erfolgen kann, ja daß eigentlich die Schlußbestimmung — und dies hat sich als Spezifikum der dialektisch-spekulativen Methode ergeben — in ihrer Wahrheit nichts anderes ist als diese zusammenfassende Bestimmung einer ganzen Sphäre, wobei auch erst vermittels dieser Rückbeziehung alle fortlaufend aufgetretenen Bestimmungen in ihrer Wahrheit erkannt werden. Aber die absolute Idee ist in der Logik bekanntlich nicht nur der Ort, wo „die logische Wissenschaft ihren eigenen Begriff erfaßt", sondern „als letztes Resultat auch der Anfang einer ändern Sphäre und Wissenschaft", dies
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gerade insofern sie selber als Idee „noch logisch", „die Wissenschaft nur des göttlichen Begriffs" ist (L II 572f.). Ähnlich schließt auch der Traktat des subjektiven Geistes: „Aber diese Freiheit, die den Inhalt und Zweck der Freiheit hat, ist selbst zunächst nur Begriff, Prinzip des Geistes und Herzens und sich zur Gegenständlichkeit zu entwickeln bestimmt, zur rechtlichen, sittlichen und religiösen wie wissenschaftlichen Wirklichkeit" (E § 482 A). Gerade dies ist der sozusagen logische Gehalt von Hegels Kritik an der Kantischen Moralphilosophie. Eine wahre Theorie der Freiheit darf nicht bei der Autonomie des Willens und beim kategorischen Imperativ, dem absoluten Wollen der Freiheit durch sich selber, stehen bleiben und, um der absoluten Selbstbegründung der praktischen Philosophie willen, die ganze Problematik der sich in Staat und Gesellschaft verwirklichenden Freiheit in den pragmatisch-technischen Bereich abschieben. Gerade die Absolutheit der Letztbegründung durch das Gesetz der Freiheit muß als formell kritisiert und überwunden werden. Innerhalb der Subjektivität bleiben die „Produktionen" des Geistes, in denen er doch auf nichts als seine eigene Freiheit aus ist, „formell", sie sind als theoretische das Wort und als praktische der Genuß, „noch nicht Tat und Handlung" (E § 444; vgl. §469 Z). Die „Idee", als welche der Geist inhaltlich immer schon existiert, ist mit dem Abschluß des subjektiven Geistes zum Bewußtsein dieser seiner Natur gekommen, ohne daß jedoch seine Existenz selber schon die Form der Idee angenommen hätte: erst im absoluten Geist wird dies der Fall sein. Sein einziger Zweck besteht, gerade als Begriff dieser Idee, darin, seine Freiheit als „wahre Freiheit" (E § 469 A) zu setzen, sich selber zum objektiven Geist zu machen. „Dieser weiß seine Freiheit, erkennt, daß seine Subjektivität in ihrer Wahrheit die absolute Objektivität selbst ausmacht und erfaßt sich nicht bloß in sich als Idee, sondern bringt sich als eine äußerlich vorhandene Welt der Freiheit hervor" (E § 444Z). Hier ist jene Dimension betreten, welche, wenn es innerhalb des Hegeischen Systems überhaupt eine solche Auszeichnung geben kann, sowohl im Zusammenhang seines eigenen Systems wie auch in der Auseinandersetzung Hegels mit der Tradition, den Schwerpunkt einer Theorie der Freiheit bildet3. 8
Was bereits für die Geistesphilosophie im ganzen gesagt wurde, gilt auch für das System des objektiven Geistes im besonderen: daß dieses, auf dem Hintergrund historischer Gegenpositionen, für die Thematisierung der Freiheitsproblematik besonders geeignet scheint, bedeutet nicht schon, daß eine systematische Untersuchung vorzugsweise (oder gar nur) hier anzusetzen habe. Trotzdem läßt sich in dem inhaltlich Angedeuteten ein Grund für die Präferenz dieses Systemteils und die in dieser Untersuchung fast völlige Vernachlässigung der Theorie des
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B. „Die philosophische Rechtswissenschaft hat die Idee des Rechts, den Begriff des Rechts und dessen Verwirklichung zum Gegenstande" (R § 1). Der Satz, mit dem die Einleitung der Rechtsphilosophie beginnt, enthält sowohl die präzise Kennzeichnung des Gegenstandes, mit dem es die Abhandlung zu tun haben wird, wie auch bereits einen impliziten Verweis auf die Methode, nach der jener darzustellen sein wird. Wenn innerhalb der Geistesphilosophie die Sphäre des subjektiven Geistes die Stelle des Begriffs einnimmt, so stellt die Rechtsphilosophie die Dimension der Objektivität dar, welche erst im absoluten Geist in den Begriff zurückgenommen und auf die Ebene der Idee erhoben wird. Innerhalb seiner aber muß der objektive Geist, wie jeder Abschnitt der Realphilosophie — und jeder Bereich des Wirklichen — als Idee aufgefaßt und dargestellt werden, „denn Recht ist durchaus nur als Idee" (R § IN). Die adäquate Darstellung ihrer alsIdee kann aber, nach dem Vorbild der Logik, nur über den „Begriff dieser Idee selbst" (ebd.) und dessen Selbstverwirklichung erfolgen. So bezeichnet das Recht einerseits das „Dasein aller Bestimmungen der Freiheit" (E § 486), das „Dasein des freien Willens" überhaupt, wodurch es zugleich „die Freiheit, als Idee" ist (R § 29). Dies ist die allgemeine Bedeutung des Rechtsbegriffs, in welcher er sowohl im Titel wie in den verschiedensten Passagen der ganzen Abhandlung verwendet wird. Davon unterschieden ist das Recht im engeren Sinn, das „abstrakte Recht", welches den Inhalt der Rechtsphilosophie, wie er „erst seinem Begriffe subjektiven Geistes sehen. Es sollte vorerst scheinen, daß in letzterer am ehesten so etwas wie der Hegeische „Begriff" von Freiheit zu entnehmen wäre: das reine Bild dessen, was für den Menschen an sieb als Freiheit zählen müßte, ungeachtet der Möglichkeit oder Unmöglichkeit seiner Realisierung in faktischer Geschichte. Doch trifft für alle Systemteile zu, was für die Logik gilt: daß der Begriff, von Anfang an vorhanden, doch erst am Schluß unter eigenem Namen auftritt. Dazu kommen Argumente inhaltlicher Art, wie sie im weiteren in der Charakterisierung der Hegeischen praktischen Philosophie als einer Theorie des objektiven Geistes und im Aufweis der darin enthaltenen Kritik an der kantischen Moralphilosophie zur Sprache kommen. Hegel nimmt ja sozusagen auf der Ebene des objektiven Geistes, als die äußerste Zuspitzung von dessen Abstraktheit, die Stufe des subjektiven Geistes insgesamt noch einmal auf und befragt sie, nun selber als reale Gestalt des Geistes betrachtet, auf ihren Freiheits- und Wahrheitsgehalt hin. Die an dieser Stelle erfolgte Kritik ist zugleich eine Bestätigung des Orts, wo Freiheit — nicht nur in ihrer „Realisierung", sondern auch und gerade ihrem Begriffe nach — thematisch gemacht werden soll: nicht dort, wo Freiheit in ihr Ansich eingesperrt, selber „unfrei" ist, sondern dort, wo ihr Ansich sich zugleich als die Notwendigkeit der eigenen Verwirklichung erweist: denn erst da wird sie — auch in ihrem Begriff — adäquat gefaßt.
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nach, oder wie er an sieb ist" (R § 33 A), bezeichnet. In dem einen wie im ändern Sinn ist es die Freiheit, welche die Idee dessen ausmacht, worauf der Begriff tendiert, wie denn auch — so Ritter — die Idee der Freiheit als das Grundelement und der einzige Stoff der Hegeischen Philosophie überhaupt betrachtet werden kann4. Sowohl in der Logik wie in der Erörterung des subjektiven Geistes hat sich gezeigt, daß es ein Spezifikum der Freiheit — oder des Geistes, auch des endlichen — ist, nicht unvermittelt als Gegenstand einer Theorie aufgegriffen und abgehandelt werden zu können; nur über die Darstellung des Gesamtzusammenhangs, in welchem Freiheit (oder Unfreiheit) real vorhanden ist, kann diese überhaupt zur Sprache kommen. Dies ist die darstellungsmäßige Kehrseite des Umstandes, daß der Mensch nicht in seiner bloßen Natürlichkeit als das aufgefaßt werden kann, was er ist, sondern nur im Prozeß des Fürsichwerdens des Ansich, in der Selbstrealisierung auf Grund seines Begriffs. In diesem Sinne wendet sich Hegel gegen die Deduktion der Freiheit des Willens in psychologischen oder ändern Begründungszusammenhängen und erklärt, ein „Beweis" der Freiheit könne „allein im Zusammenhange des Ganzen stattfinden" (R § 4 A); dem entspricht genau der Schluß, der aus der Logik zu ziehen war. Entsprechend muß die Methode die dialektische sein — welche nur „ein immanentes Fortschreiten und Hervorbringen seiner Bestimmungen ist" (R § 31) —, dies umsomehr als hier der Gegenstand, „der Geist in seiner Freiheit", im eminenten Sinn „für sich selbst vernünftig" ist und somit der Wissenschaft nur die Aufgabe der Darstellung bleibt, die „eigene Arbeit der Vernunft der Sache zum Bewußtsein zu bringen" (R § 31 A). Den Boden der Weltgeschichte bildet nicht ein abstraktes Fortschrittsprinzip, sondern die Freiheit in ihrer Realisierung, und konkreter: in ihrem Verhältnis zum Recht5. J. Ritter formuliert diesen Zusammenhang so: die Wissenschaft „begreift Freiheit als Idee des Rechts, nachdem Freiheit zum Begriff des Rechts und zum Gedanken der Zeit geworden ist"6. Das darin angesprochene Verhältnis von Freiheit und Recht kann von zwei Seiten her expliziert werden. Zum einen kann ausgegangen werden vom Versuch einer Darstellung gesellschaftlicher Wirklichkeit. Soll gegenwärtige Gesellschaft in ihrer Bestimmtheit gefaßt werden, muß sie in ihrem Begriff oder auf dasjenige hin verstanden werden, was sie „ihrem Prinzip und Begriff nach"7 zu sein beansprucht. Bürgerliche 4 5 6
Metaphysik und Politik 197. Riedel, System und Geschichte 50. Metaphysik und Politik 259.
» Ebd. 258.
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Gesellschaft aber hat, mehr oder weniger explizit, das Prinzip der Freiheit der Person zu ihrem Maßstab gemacht, auch und gerade da, wo sie in ihrer Realität dessen Erfüllung zu verunmöglichen scheint. Freiheit muß somit in der theoretischen Darstellung als die Idee dessen erscheinen, was unter der Form des Rechts das Wesen gesellschaftlicher Wirklichkeit ausmacht, d. h. als dasjenige, was zugleich Begriff und — gelungene oder mißlungene — Selbstverwirklichung ist. Auf der ändern Seite kann der Freiheitsbegriff selber den Ausgangspunkt bilden und auf die Bedingungen seiner theoretischen Erfassung hin befragt werden. Es hat sich gezeigt, daß er nicht unmittelbar, sondern nur im Zusammenhang des Ganzen thematisierbar ist. Seine Doppelfunktion, Hauptgegenstand und doch gewissermaßen Metathema zu sein, drückt sich darin aus, daß Freiheit — oder Unfreiheit — in der Darstellung als die allgemeinste Form erscheint, durch welche die Daseinsweise einer geschichtlich entstandenen Gesellschaft charakterisiert wkd. In diesem Sinne „Idee" des Ganzen zu sein, beruht darauf, daß die zu untersuchende Wirklichkeit selber ihren Begriff in sich hat, somit aber auch beansprucht, als Idee sich zu verwirklichen. Von diesem systematischen Zusammenhang von Rechtssystem und Freiheitsbegriff hat sich gezeigt, daß er selber noch indifferent ist gegenüber der Frage, ob denn in der Wirklichkeit Freiheit auch real geworden ist. Er stellt primär eine Aussage dar über die gesellschaftliche Welt, welche als geschichtliche und durch den menschlichen Geist geschaffene zu verstehen ist, sowie über die Möglichkeit einer Thematisierung von Freiheit. In erster Linie wendet sich die Hegeische Konstruktion hierin gegen jene Auffassungen, welche Freiheitstheorie mit Moralphilosophie identifizieren, oder welche versuchen, über Begriffe wie „Willkür", „Pflicht", „Autonomie" u. a. Freiheit zu erklären (vgl. R § 29 A). Die Grundgegebenheit darf gerade weder in der Pflicht, dem Gewissen oder Ähnlichem, noch in der bloßen „Anlage der Freiheit" (R § 22 A), der Freiheit qua Vermögen oder bloßer Potentialität gesehen werden; relevant (und wesentlicher Gesichtspunkt für die praktische Philosophie) ist vor allem die Freiheit im Bestreben ihrer geschichtlichen Realisierung. Damit ist nicht nur eine Verschiebung des Themas, sondern auch ein anderer systematischer Gesichtspunkt der Betrachtung angezeigt. Die Realisierung des Geistes, um die es hier geht, besteht in dessen „Fürsichwerden", darin, daß „der Geist dazu kommt, zu wissen, was er ist"; dieses Selbstwissen erlangt er aber nur dadurch, daß er sich zu „dem Anderen seiner selbst macht" (E § 385 Z). Der objektive Geist bildet die
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Sphäre der Realität oder auch der Erscheinung des Geistes, impliziert somit auch jene Merkmale der Äußerlichkeit, welche der Bestimmung des Geistes oder der Freiheit zu widersprechen scheinen — und in ihrer Abstraktheit auch tatsächlich widersprechen. „Die Freiheit, zur Wirklichkeit einer Welt gestaltet, erhält die Form von Notwendigkeit, deren substantieller Zusammenhang das System der Freiheitsbestimmungen und der erscheinende Zusammenhang als die Macht, das Anerkanntsein, d. i. ihr Gelten im Bewußtsein ist" (E § 484). Die Notwendigkeit der objektiven Äußerlichkeit ist selber durch die spezifische Natur des Willens bedingt, nur als konkreter wirklich sein zu können, aus der „absoluten Abstraktion" (R § 5) zum Setzen einer Bestimmung, zur Besonderung übergehen zu müssen. Darin liegt auch die doppelte Positivität des Rechts begründet: einerseits „durch die Form, in einem Staat Gültigkeit zu haben" (R § 3), d. h. als für den einzelnen Willen äußerliche und von ihm unabhängige Autorität gesetzt zu sein, anderseits „dem Inhalte nach" (ebd.), insofern die nähern Bestimmungen des Rechts nicht mehr aus dessen Begriff zu deduzieren, sondern nur aus den geschichtlichen Umständen zu verstehen sind. Während die erste Positivität dem Recht prinzipiell und notwendigerweise zukommt, seinem philosophischen Begriff entspricht — „der Staat, die Gesetze haben selbst diese gedoppelte Seite, in sich vernünftig oder verständig zu sein,... aber auch die Seite, daß sie gelten" (R § 3N) —, stellt die zweite eine „Grenze des philosophischen Rechts" dar (R § 3 A). In ihr deutet sich jener Mangel an, welcher der Sphäre des objektiven Geistes generell anhaftet: Objektivität des Geistes als „nur eine gesetzte" zu sein, welche noch nicht „vom Geiste wieder frei entlassen" und „zugleich als ein unmittelbar Seiendes gefaßt" ist (E §385 Z). Weil das Recht als geschichtlich existierendes sich faktische Realität geben muß, hier aber noch nicht die Ebene der absoluten Identität des vom Begriffe Gesetzten und des Ansichseienden vorhanden ist, muß es sich in den Bereich des empirisch Einzelnen einlassen, in welchem „der Zufall, die Besonderheit ihr ungeheures Recht auszuüben vom Begriff die Macht erhält" (Ph. Gesch. 52f.). Das philosophische Begreifen wird hier zur Anerkennung der eigenen Grenze genötigt, soll es nicht zu jener „Ultraweisheit" verkommen, als die Hegel Fichtes Staatstheorie karikiert (R 25). Der Bereich, der in der Positivität des Rechts „von der Vernunft freigelassen ist", wird gerade nicht als ein in sich bestimmter frei entlassen, mit dem sich das Subjekt frei zusammenschließen könnte, sondern er stellt die „Seite der unendlichen Zufälligkeit", des nicht von der Vernunft Erfaßbaren dar (R § 3N). Das heißt
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aber auch, daß die Objektivität, die sich der Wille im Staat gibt, noch nicht die vollendete Wahrheit der Freiheit sein kann, gerade weil sie nur erst „als eine zweite Natur" (R § 4), noch nicht mit der anundfürsichseienden Wahrheit identisch gesetzt ist.
C. Von ihren Vorstufen im System her gesehen, stellt sich die Rechtsphilosophie als Traktat der existierenden Freiheit dar. Sie stellt sich damit von vornherein in Beziehung — und Konkurrenz — zu ändern überlieferten Disziplinen der Philosophie, wie Ethik, Politik, Ökonomik, welche in verschiedener Weise den gleichen Gegenstand abzuhandeln beanspruchten. Die außerordentliche Spannweite ihres Themenbereichs, die originäre Art der Verbindung der verschiedenen Problemstellungen von einem neu gewonnenen Standpunkt aus, sowie die in der Rechtsphilosophie neu erschlossene Dimension im Ganzen erfordern vorerst eine generelle Bestimmung der Spezifizität des eigenen Standpunkts der Rechtsphilosophie in bezug auf die Hegel vorausgehende philosophische Tradition. Es kann hier versucht werden, einer solchen Bestimmung dadurch näher zu kommen, daß die in der Rechtsphilosophie als grundlegend vorausgesetzte, in ihr aber nicht mehr thematisch abgehandelte Dialektik von „Praxis" und „Poiesis" in ihrer Beziehung zum Freiheitsbegriff zur Sprache gebracht wird. Daß Begriffe wie Arbeit und Handeln, obzwar nicht explizit im Vordergrund, doch inhaltlich im Zentrum stehen, hängt mit dem ändern hier aufzuklärenden Punkt zusammen, daß nämlich, worauf u. a. Riedel aufmerksam gemacht hat, „bei Hegel die Lehre vom objektiven Geist an die Stelle der praktischen Philosophie tritt"8. In der spezifischen Verflechtung dieser beiden Grundmodelle von freier Tätigkeit manifestiert sich die prinzipielle Neufassung der inhaltlichen Problematik der praktischen Philosophie bei Hegel. Diese Konstellation wird klarer in der Abhebung der Rechtsphilosophie von den ihr geschichtlich vorgegebenen Gestalten praktischer Philosophie. Ausgehend von der inhaltlichen Neubestimmung wird dann die Transformation der Fragestellung selber zum Thema zu machen sein. Bei aller Begeisterung, die sich in den Hegeischen Jugendschriften für die griechische Polissittlichkeit ausdrückt, und trotz des großen 8
Studien %tt Hegels Rechtsphilosophie 13; zu dieser ganzen^Problematik vgl. die Artikel von Riedel in: Studien . . ., und: System und Geschichte.
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Anteils des aristotelischen Erbes im Gedankengut der Rechtsphilosophie bestehen wesentliche Unterschiede, durch die sich das Hegeische System inhaltlich und formal von der aristotelischen praktischen Philosophie abhebt. Zum einen gibt es bei Aristoteles „keinen direkten Begründungszusammenhang zwischen Metaphysik und praktischer Philosophie, obwohl die letztere von Theoremen der Metaphysik Gebrauch macht"9. Die Verschiedenheit des Gegenstandes, einerseits das Unveränderliche und Selbständige, anderseits das Unselbständige und Veränderliche, bedingen verschiedene Erkenntnisweisen — episteme undphronesis — und konstitutieren zugleich eine Hierarchie von Wissenschaftstypen. Praktische Philosophie ist zwar als „wesentlicher Teil" der Philosophie anerkannt, „das Philosophische der Philosophie" aber wird „allein in die Metaphysik verlegt" (NR 434). Diese Abtrennung der praktischen Philosophie vom Selbstbegründungszusammenhang und Wahrheitsanspruch der im engen Sinne theoretischen Philosophie bleibt Jahrhunderte bestehen und bildet, problematisch geworden, eine jener Aufgaben der neuen Zeit, welche erst mit Hegel in einer ihrem Ursprung angemessenen Art gelöst werden. „Wir werden", sagt Hegel in seinen Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie, „überhaupt die praktische Philosophie eigentlich nicht spekulativ sehen werden, bis auf die neuesten Zeiten" (Gesch.Ph. 1270). Der generelle „Mangel der Aristotelischen Philosophie", daß nämlich „die Einheit, der absolut sie vereinende Begriff nicht geltend gemacht worden" sei (Gesch.Ph. II244), reproduziert sich in spezifischer Weise innerhalb des hier interessierenden Teils, der praktischen Philosophie. Er findet seinen Ausdruck in der Dualität der Begriffe von Praxis und Poiesis, welche Aristoteles zum erstenmal systematisch voneinander abgehoben und begrifflich fixiert hat, und welche, fast ohne Veränderung ihrer ursprünglichen Bedeutung, in ihrer gegenseitigen Beziehung bis hin zu Hegel und Marx vielleicht die grundlegende Problematik der praktischen Philosophie überhaupt ausmachen. Praxis im engen Sinn, in späterer Terminologie auch als Handeln oder Interaktion wieder aufgenommen, bezeichnet jene Art von Tätigkeit, welche ihr Ziel, ihr Telos, in sich selber hat, während die Poiesis — Herstellung oder Arbeit — ein Werk außerhalb ihrer setzt10. Nach Aristoteles ist das 9 10
Riedel, Studien 14. Zur Präzisierung dieser Begriffe und ihrer Beziehung zur „Theorie" vgl.: Theunissen, Hegels Lehre vom absoluten Geist 338 f.; Habermas, Arbeit und Interaktion.
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Leben als ganzes „ein Handeln und kein Hervorbringen"11, eine sich in sich vollendende Tätigkeit, der alle ändern Tätigkeiten des Menschen unterzuordnen sind. Entsprechend findet aber auch unter diesen einzelnen Tätigkeiten eine Hierarchie statt, wobei ganz generell die Arbeit dem Handeln subordiniert ist und als höchste Tätigkeit dasjenige gilt, „wofür die Griechen den Namen politeuein hatten, was in und mit und für sein Volk leben, ein allgemeines, dem Öffentlichen ganz gehöriges Leben führen ausdrückt, oder das Philosophieren" (NR 489). Daß diese Ordnung nicht nur einem abstrakt philosophischen Gedankengang entspringt, zeigt ein Blick auf das griechische Staatswesen, an dem Aristoteles diese Begriffe denn auch exemplarisch demonstriert. Den beiden Grundmodellen von Tätigkeit entsprechen der Stand der Freien und jener der Sklaven, der systematischen Unterordnung die politische Herrschaft. Die Konstellation der wirklichen Gesellschaft läßt in der Theorie jene strikte Trennung aufkommen, welche das Staatswesen als rein in sich begründetes handeln und darin als absolute Sittlichkeit erscheinen läßt. Die Seite der Arbeit, in der Realität zwar grundlegend, wird aus dem „ethischen" Begriff der Polis und des freien Bürgers eliminiert. Dies ist auch der Grund dafür, daß sowohl bei Aristoteles wie in der nachfolgenden klassischen politischen Philosophie die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft noch nicht systematisch hervortritt: beide bilden „das in sich homogene Herrschaftsgefüge der bürgerlich-politischen Gesellschaft.. ., das auf der ,ökonomischen' Sphäre der häuslichknechtlichen Arbeit, der Sklaverei oder der Leibeigenschaft und des Lohnwesens beruht und von ihr sich abhebt"12. Mit der Überholung dieser Strukturen in der geschichtlichen Wirklichkeit war auch das theoretische Fundament der antiken praktischen Philosophie nicht länger tragfähig geblieben. Die Kongruenz von Gesellschaft und Staat, der Zustand, wo derselbe Wille „der Einzelne und derselbe das Allgemeine", jeder „unmittelbar eins mit dem Allgemeinen" ist, „die schöne glückliche Freiheit der Griechen" (Jen.Realph. II249 f.), all das gehört definitiv der Vergangenheit an. „Ihre Erneuerung, um die es in der Theorie Rousseau (und dem jungen Hegel selbst), in der Wirklichkeit Robespierre ging, erweist sich nicht nur als unverträglich mit den von der Revolution freigesetzten gesellschaftlichen Bedingungen, sondern mit den Bauformen und Elementen des modernen Staatslebens überhaupt"13. Weil sich der Staat in der Wirklichkeit aus der 11 12
Politik 1254a7. Riedel, Studien 144.
13
Riedel, Studien 76.
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bürgerlichen Gesellschaft freigesetzt hat, kann sein Begriff auch nicht aus dem Prinzip des Vertrags abgeleitet werden. Die rationelle Herrschaft über die Natur, welche sich mit dem arbeitsteiligen System der Gesellschaft konstituiert, ist zu einer Vorbedingung des Handelns geworden. Die Freiheit des Staatsbürgers ist nicht mehr eine unmittelbar politische, sondern eine, die ihm als Person zukommt und die ihren unmittelbaren Ausdruck im Besitzverhältnis zu den Sachen findet. Im Gegenzug gegen die Romantik neigt daher die aufkommende Nationalökonomie dazu, die bei Platon und Aristoteles begründete, in der Nachfolge, auch unter veränderten historischen Beingungen, großenteils beibehaltene Hierarchie von Handeln und Arbeit durch ihre einfache Umkehrung zu ersetzen. An dieser partizipiert auch Marx, wenngleich die bei ihm zumindest implizit angesetzte Verabsolutierung der Arbeit durch die Ambivalenz der bürgerlichen Gesellschaft, die auf jener aufbaut, ins Zwielicht gerät und sich selber als Ideologie preisgibt. Gewissermaßen komplementär dazu zeigt sich in der vorhegelschen klassischen Philosophie die Reaktion auf die veränderten Bedingungen der geschichtlichen Welt. Auch hier wird die aristotelische Einheit von ethischer Selbstbestimmung und politischer Existenz aufgelöst. Zwar versucht Christian Wolff noch einmal, den systematischen Zusammenhang der praktischen Philosophie zu erhalten, doch deren Aufteilung in einen „rationalen" — die „philosophia practica universalis" — und einen „empirischen" Teil — seinerseits in Ethik, Politik und Ökonomik untergliedert — ist bereits ein Anzeichen des innern Auseinanderfallens der zugrunde liegenden Problematik. In unzeitgemäßer Weise wird hier die traditionelle Dreiteilung reproduziert, welche ein „Ausdruck der vorrevolutionären Verfassung der europäischen Gesellschaft und ein Spiegel ihres politischen, ökonomischen und ethischen Status" ist, eine Tradition, welche zuerst in England und Frankreich „mit der Emanzipation der modernen Gesellschaft vom Staate in den Revolutionen des 17. und 18. Jahrhunderts zerfällt"14. Während in der „Politik" die Beschaffenheit der noch einmal in Einheit gesetzten bürgerlichen und politischen Gesellschaft betrachtet wird, hat die Ethik die sittliche Verfassung der menschlichen Gattung zum Gegenstand. Als Teil der empirischen Philosophie siedelt sie sich auf jenem Standpunkt an, den Hegel als „psychologische Betrachtungsweise" aus der spekulativen Philosophie ausschließt. Durch die Ausgliederung der institutionellen 14
Riedel, Studien 112.
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oder politischen Dimension aus der Ethik erfolgt jene Wendung zur MoraHtät, welche zugleich den Boden für die Kantische Position vorbereitet. Dieser teilt mit Wolff die „Abstraktheit der MoraHtät", insofern diese „in der Trennung und Ablösung von den Gestaltungen der Sittlichkeit nicht als der Grund und die Substanz der politischen und gesellschaftlichen Institutionen gilt, sondern diese als ein Äußeres außer sich hat"15. Doch Kant begnügt sich nicht mit der „Ethik" noch der „Propädeutik des berühmten Wolff..., nämlich der von ihm so genannten allgemeinen praktischen Weltweisheit", und meint, daß hier „ein ganz neues Feld einzuschlagen sei". Es geht nicht nur darum, „die Handlungen und Bedingungen des menschlichen Wollens überhaupt", sondern „die Idee und die Prinzipien eines möglichen reinen Willens" zu untersuchen16. Nur dieser vermag Grundlage einer Metaphysik der Sitten zu sein, jenes Teils der Philosophie, welcher die Wirklichkeit als unter dem Gesetz der Freiheit stehend betrachtet. Damit geht einher die völlige Ausscheidung von Ethik, Politik und Ökonomik aus dem Bereich der eigentlichen Philosophie. Den Inhalt jener Disziplinen machen „technisch-praktische Regeln" aus, die „nur als Korrolarien zur theoretischen Philosophie gezählt werden" müssen17. „Damit", folgert Ritter, „wird von Kant das von ihm zuerst begriffene Sein der Subjektivität in allen sie bestimmenden religiösen, moralischen, persönlichen Beziehungen auf Innerlichkeit beschränkt. Hier liegt die Einseitigkeit, die für Hegel die kantische Position in ihrer Größe belastet"18. Dieser Dualismus, der alle Handlungen, soweit sie nicht strikt auf der innern Gesetzgebung beruhen, als Willkürhandlungen in die Sphäre des Äußerlichen entlassen muß, bildet zusammen mit seinem Kontrastpunkt, dem „positiven" Naturrecht, einen der Angelpunkte, um die sich die Hegelsche Auseinandersetzung mit der Tradition der praktischen Philosophie von Anfang an dreht. Bringt man diese philosophiehistorische Vergegenwärtigung der vorhegelschen Entfaltung der praktischen Philosophie nun in Verbindung mit Hegels systemimmanenter Hinführung zur Ebene des objektiven Geistes, so ist die Frage zu stellen, wieso und mit welchem Recht Hegel jene Problematik, welche seine Vorgänger, sei's in einer Theorie der politischen Sittlichkeit, sei's von einem moralphilosophischen Ansatz 15 16 17 18
Ritter, Metaphysik und Politik 300. Grundlegung %ur Metaphysik der Sitten B A XI. Kriik der Urteilskraft AB XIII. Metaphysik und Politik 288.
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her zum Thema machten, in die Sphäre des Daseins qua Selbstobjektivation des freien Geistes verlegt. Welches ist das spezifische Ungenügen seiner Vorgänger, das Hegel mit der neuen systematischen Einordnung zu überwinden beansprucht? Und welches sind die Konsequenzen, die sich daraus für die hier zu untersuchende Problematik, den Zusammenhang von System und Freiheitsbegriff, ergeben ? Eine erschöpfende oder abschließende Beantwortung dieser Fragen kann zwar erst nach dem Durchgang durch die Rechtsphilosophie oder durchs ganze System möglich sein — wie sich denn auch zeigen wird, daß die Philosophie des objektiven Geistes zwar einen grundlegenden Teil, nicht aber den Abschluß der Freiheitstheorie bei Hegel darstellt. Die „materiale" Erörterung von objektivem und absolutem Geist wird mit der Ausfächerung der realen Perspektiven, in welche sich die Hegeische „praktische Philosophie" einläßt, zugleich die dieser zugrunde liegende Fragestellung weiterbestimmen und präzisieren müssen. Gleichwohl kann schon hier, auf der Grundlage des Gesagten, die Ausgangslage der Rechtsphilosophie vorläufig und vereinfachend umrissen werden. — Der geschichtliche Kontext verbietet es, die Gegenwart und die in ihr sich verwirklichende — oder unterdrückte — Freiheit nach dem Modell der antiken Sittlichkeit zu begreifen. Die Emanzipation der bürgerlichen Gesellschaft und die darin bestätigte Freiheit des Einzelnen widerstreben dem Begriff der unmittelbaren Einheit im Staate. In diesem Sinne stellt die Dualität, die mit der Kantischen Moralphilosophie gesetzt ist, ein getreueres Abbild der Wirklichkeit dar als das Einheitskonzept der antiken Philosophie. Trotzdem vermag die Moralphilosophie gerade die einer Philsophie der Freiheit zugrunde liegende Intention nicht zu erfüllen, nämlich jene Dimension wirklich zu begreifen, in welcher Freiheit relevant wird: die Geschichte. Zwar kann noch die Geschichtslosigkeit als das historische Spezifikum der bürgerlichen Gesellschaft begriffen und insofern in der Theorie als index veri aufgenommen werden. Aber auch Geschichtslosigkeit kann nicht durch Absenz des geschichtlichen Elements, sondern nur als dessen selber geschichtliche Negation, somit auf Grund des Begriffs von Geschichte in ihrer Wahrheit erfaßt und dargestellt werden. Die Geschichte als Schlußbestimmung der Rechtsphilosophie bezeichnet, analog der absoluten Idee in der Logik, jene Dimension, um die es hier in vorerst abstrakter Darstellung überhaupt geht; die hervorgehobene Stellung des Geschichtsbegriffs verweist auf den inhaltlichen Sinn des systematischen Neuansatzes Hegels gegenüber seinen Vorgängern. Als was und wie die
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Geschichte an ihr selber verstanden werden muß, geht anderseits aus der systemimmanenten Hinführung andeutungsweise hervor: sie ist nichts anderes als der Prozeß der Realisierung — als Selbstvergegenwärtigung — des Geistes. Im ersten Teil des Untertitels bezeichnet Hegel seine Rechtsphilosophie als „Naturrecht" im Grundrisse. Daß damit mehr als eine Anpassung an die Terminologie der Tradition ausgedrückt ist, kann gerade Hegels kritische Anknüpfung an die ihm unmittelbar vorhergehende Philosophie erhellen. Die abstrakte, auf die Innerlichkeit beschränkte Fassung des Problems der freien Selbstbestimmung in der Philosophie von Kant und Fichte ließ, nach Ansicht des frühen Hegel, als Gegenseite eine ebenso leere Abstraktion der Natur entstehen, der „nichts als die tote Schale der Objektivität" übrigblieb (Differenzschrift 78f.). Durch die „absolute Entgegensetzung der Natur und der Vernunft" (ebd. 79) aber ging die idealistische Ethik gerade ihres großen Verdienstes verlustig, nämlich die Fundierung des Rechts dezidiert in die Freiheit der Subjektivität verlegt zu haben. Die absolut für sich gesetzte Subjektivität vermochte in ihrer abstrakten Fassung nicht wirklich über ein negatives Verhältnis zur Natur hinauszukommen und ihre Einheit mit geschichtlich existierender Freiheit einsichtig werden zu lassen. Demgegenüber galt es, an Stelle der nur formellen Allgemeinheit des freien Ich eine positive, konkrete Allgemeinheit geltend zu machen, wie sie in der griechischen Sittlichkeit Modell gestanden hatte, oder auch Momente des früheren, auf einem positiveren Begriff von Natur begründeten Naturrechts aufzunehmen, allerdings nicht ohne gleichzeitig gegen beide Ansätze den mit Kant erreichten Standpunkt geltend zu machen. Die Doppelseitigkeit des Naturbegriffs reflektiert sich teilweise im Bedeutungswandel seiner Verwendung in Hegels Philosophie19. Wurde er in den frühern Schriften emphatischer gebraucht in Absetzung gegen die Moralphilosophie, so tritt er im spätem System immer mehr zurück vor dem Begriff der Freiheit oder des Begriffs selber. Nicht irgendeine anthropologisch oder soziologisch zu erforschende Natur, sondern der Mensch in seinem Begriffe soll Grundlage der im positiven Recht zur Existenz gekommenen Freiheit sein. Dieser „Begriff" zielt allerdings gerade auf das ab, was ehemals mit dem Naturbegriff intendiert war: die Hervorkehrung jener Seite, nach welcher der einzelne Mensch in 19
Vgl. Riedel, Hegels Kritik des Naturrechts, in: Studien %u Hegels Rechtsphilosophie, S. 42—74.
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der Allgemeinheit nicht negiert, sondern bei sich ist, die Vernunft im Element ihrer Äußerlichkeit als Vernunft bestehen bleibt; er nimmt Momente auf, welche Hegel, gegen die moderne Naturabstraktion, teilweise dem traditionellen ideologischen Naturbegriff entnommen und anhand welcher er den Lebensbegriff und sein Grundkonzept von Dialektik geprägt hatte. Der Begriff ist so jene „Natur", welche Hegel des öftern dem „Naturzustand" entgegensetzt: die Freiheit selber. Deren Realisierung im Recht ist keine „in unmittelbarer Naturweise" vorhandene: vom Naturzustand ist „nichts Wahreres" zu sagen, „als daß aus ihm herauszugehen ist". Die Bestimmungen realer Freiheit gründen sich „allein auf die freie Persönlichkeit, eine Selbstbestimmung, welche vielmehr das Gegenteil deiNafurhestimmungist" (E §502 A). Dieser gegenüber darf aber auch nicht auf die „triviale Abstraktion" des modernen Naturrechts verfallen werden, welches den „abstrakten Menschen außer der realen Verbindung" betrachtet (Gesch.Ph. II106, 227). Freiheit gibt sich in ihrem geschichtlichen Dasein positive Existenzformen, ja sie ist — dies hat ihre logische Struktur gezeigt — ihrem Wesen nach nichts anderes als die Notwendigkeit ihrer eigenen Verwirklichung, Manifestation. Gerade das ihr vorerst entgegengesetzt Scheinende, der positive Rechtszustand, zeigt sich seinem Wesen nach als ihre eigene Sedimentierung; Geschichte ist eben jenes Übergreifen der Freiheit über die Notwendigkeit, in welchem die Notwendigkeit allein in der Freiheit begründet wird, Freiheit die Sphäre der Notwendigkeit als ihr eigenes Moment in sich hat, sie zugleich aus sich heraussetzt und dem Elemente der Kontingenz exponiert. Die Einheit von Freiheit und Notwendigkeit aber kann nicht durch die Natur, sondern nur durch die Freiheit selber gewährleistet werden. Der Naturzustand, ob er nun als barbarische Roheit oder romantisierend als entschwundene Vollkommenheit gesehen wird, ist allemal nur „Zustand der bloßen Möglichkeit und so ,abstrakt' und grundsätzlich unfähig, zur Basis der Theorie des Rechts, der Gesellschaft, des Staates zu werden"20. Ihn zu idealisieren, verbietet nicht nur die prinzipielle Einsicht in die Insuffizienz von Natur gegenüber konkreter Geschichte, sondern die spezifische Stufe, auf der die gesellschaftliche Entwicklung angelangt ist. Freiheit ist in keiner Dimension der bürgerlichen Gesellschaft mehr „aus dem Naturstand des Menschen oder aus einem geschichtslosen konstanten Naturbegriff herzuleiten"21, sondern 20 81
Ritter, Metaphysik und Politik 271. Ebd. 270.
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erweist sich selber als wesentlich in der Objektivierung der Natur begründet. Die Notwendigkeit der rationellen Herrschaft über die Natur als Grundlage des abstrakten Rechts und der mit diesem gesetzten Freiheit der Person — sowie die mit der modernen Arbeitsgesellschaft tendenziell ebenso gesetzte Geschichtslosigkeit und Abstraktheit der zwischenmenschlichen Beziehungen — sind Gegebenheiten, über welche die Erörterung des objektiven Geistes, soll sie wirklich die geschichtliche Gegenwart auf ihren Begriff bringen, nicht hinwegsehen kann. Gegen die antike Staatsphilosophie wie gegen die Moralphilosophie ist auf den notwendigen Zusammenhang von Geschichte und Naturauseinandersetzung zu insistieren, gegen die Unmittelbarkeit von Freiheit oder Zwang auf das „Moment der Befreiung, die in der Arbeit liegt" (R § 194), hinzuweisen. Den Anstoß dazu gegeben zu haben, ist teilweise das Verdienst der modernen Nationalökonomie gewesen, die hierin die Gegeninstanz zur praktischen Philosophie der Tradition darstellt. Auch wenn in der Rechtsphilosophie bereits die Einordnung der Arbeit und der bürgerlichen Gesellschaft in die Sphäre der „Sittlichkeit" eine Abwehr gegen den teilweise abstrakten und unhistorischen Arbeitsbegriff der Ökonomie darstellt — gegen welchen Arbeit als zugleich gesellschaftsformierende Naturauseinandersetzung und ethisches Moment geltend gemacht werden muß —, so darf nicht die „positive" Rezeption der Nationalökonomie und deren befruchtende Rolle im Werdegang der praktischen Philosophie Hegels übersehen werden. Die entscheidende Tatsache ist dabei, so Riedel, daß Hegel „die von einem aktuell-politischen Interesse motivierte Rezeption der Nationalökonomie geschichtlich auf die klassische Politik und das moderne Naturrecht zurückbezieht und gerade dadurch genötigt wird, deren Grenzen zu überschreiten"22. Wie das „ökonomische" Moment gegen das unmittelbare politische Handeln die Rolle der Arbeit zur Geltung bringt, so stellt es gegen die abstrakte Moralphilosophie die Miteinbeziehung konkreter geschichtlicher Erfahrung dar. Im Laufe dieser Auseinandersetzung mit antiker Staatsphilosophie, modernem Naturrecht und Politischer Ökonomie werden jene Bestimmungen herausgearbeitet, welche für das systematische Konzept des Geistes und der Freiheit überhaupt grundlegend sind. Eine entwicklungsgeschichtliche Rekonstruktion dieser Auseinandersetzung hätte wohl vor allem die Jenaer Periode zu untersuchen. In diesen Jahren 22
Riedel, Studien 78.
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modifiziert sich auch in signifikanter Weise die hier angesprochene Dialektik von Arbeit und Handeln23. Die inhaltliche Erörterung der 23
In dieser Entwicklung lassen sich drei Hauptstufen unterscheiden: 1. Das „System der Sittlichkeit" (1802) und der Naturrechtsaufsatz (1802/03); 2. Die Vorlesungen von 1803/04 und 1805/06 (die sogenannten „Jenenser Realphilosophien"); 3. Die Dialektik von Herrschaft und Knechtschaft in der Phänomenologie des Geistes (1807). In der ersten Periode wird die Problematik des Zusammenhangs dieser verschiedenen Tätigkeitsarten letztlich als das Problem der „Stände" gefaßt, in deren Zusammenspiel sich der sittliche Organismus des Volks konstituiert. Die Tätigkeit des ersten, „absoluten Standes", der die „absolute reine Sittlichkeit zu seinem Prinzip" hat (SdS 63), ist das politische Handeln, das unmittelbar aufs Ganze geht. Es wird zwar auch „Arbeit" genannt, entbehrt aber des spezifischen Merkmals der Arbeit im engern Sinn; es geht nicht auf ein äußeres Werk (SdS 58), sondern ist „die absolut indifferente" Arbeit: „mit ihr selbst hört ihr Zweck auf und ihr Produkt" (SdS 65, 59). Die spezifische Seite der Arbeit kommt in eigener Instanz dem zweiten Stand, dem „Stand der Recbtschaffenheit" zu (SdS 65), während der dritte Stand, der Bauernstand, in gewisser Weise zwischen beiden steht, sofern er, wenn auch in defizienter Weise, an beider Tätigkeiten zu partizipieren vermag. Der organische Zusammenhang zwischen der „absoluten" und der „relativen" Sittlichkeit wird dadurch hergestellt und erhalten, daß jede Sphäre in ihrem eigenen Recht anerkannt und von der ändern real abgesondert wird. Es ist dies die „Aufführung der Tragödie im Sittlichen, welche das Absolute ewig mit sich selbst spielt" (NR494f.); die Sittlichkeit kann nur dann sich selbst bewahren und zugleich übergreifende Bestimmung des Ganzen sein, wenn sie „ihre Verwicklung mit dem Negativen . . . abwehrt, es sich als objektiv und Schicksal gegenüberstellt und dadurch, daß sie ihm eine Gewalt und ein Reich durch das Opfer eines Teils ihrer selbst mit Bewußtsein einräumt, ihr eigenes Leben davon gereinigt erhält" (NR 530). Der Staat realisiert sich gerade als sittlicher durch diese Aufgabenteilung, durch welche er einen Teil seiner selbst — die spätere „bürgerliche Gesellschaft" — aus dem eigentlichen Bereich der sittlichen Einheit in die „politische Nullität" (NR 494) entläßt. Gleichwohl soll das Konzept der „Tragödie" auf die Einheit der Sphären verweisen: Während die Komödie „die zwei Zonen des Sittlichen so voneinander ab[trennt], daß sie jede rein für sich gewähren läßt", sucht die Tragödie deren Einheit als „das wahrhafte und absolute Verhältnis" zu denken, in welchem jede Seite „im Ernste in die andere scheint" (NR 499). Die Jenaer Realphilosopbien enthalten sowohl eine nähere Bestimmung der beiden Tätigkeitsmodelle wie eine Neufassung ihrer Vermittlung. Arbeit ist das „Sichzum-.D/«£i-Machen" (Realph. II197, vgl. 214), das „Sich-befestigen, (die) sich als Unruhe, als reine Bewegung aufhebende Bewegung" (Realph. II185). Der Vorzug der eigentlichen „Praxis" vor dem Herstellen, nämlich sein Ziel in sich zu haben, kommt tendenziell auch dem Arbeitsprozeß selber zu. Anderseits ist auch das Handeln nicht nur zwischenmenschliche Interaktion oder innere Selbstbestimmung des moralischen Subjekts, sondern in den Prozeß der menschlichen Auseinandersetzung mit der Natur miteinbezogen, ja selbst nach dem Grundmodell des Erzeugens und Formierens gedacht. Der reale Selbstbezug des Geistes führt über die Äußerlichkeit: „Die Vernunft überhaupt existiert nur in ihrem Werke; sie wird nur in ihrem Produkt, schaut sich unmittelbar als ein anderes und sie selbst an" (Realph. I 233). Gerade das sittliche Dasein des Volks ist ein Hervorbringen, und das „Lebendig-Sein des allgemeinen Geistes" das „sittliche
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Rechtsphilosophie wird zeigen, wie das Hegeische Konzept sittlichen Handelns sich gerade darin spezifisch von früheren Ansätzen unterscheidet, daß es Momente des Erzeugens eines Werks systematisch mit der Grundidee der Selbstbeziehung und Selbstverwirklichung zu verbinden sucht. Dies belegen schon Ausdrücke wie „Bildung" und „Arbeit", welche auf die Selbstentfaltung des Geistes oder sogar des Begriffs angewandt werden, und die selbst für logische Grundstrukturen bestimmende Funktion haben. Der Geist — und dies ist der Grundsachverhalt, an den sich eine geschichtlich orientierte Philosophie zu halten hat — „bandelt wesentlich, er macht sich zu dem, was er an sich ist, zu seiner Tat, zu seinem Werk; so wird er sich Gegenstand, so hat er sich als ein Dasein vor sich" (Ph.Gesch. 99). Schon die logische Antizipation des Werk des Volks": „Der Geist des Volks muß sich ewig zum Werke werden, oder er ist nur als ein ewiges Werden zum Geiste" (Realph. I 232f.). Das sittliche Gemeinwesen ist für die partikularen Individuen zwar ein Äußeres, „aber dies Äußere ist ihre Tat; es ist nur zu was sie es gemacht haben" (ebd.). Insgesamt tritt hier der Prozeß der sich in sich zurücknehmenden Entäußerung als die wesentliche Form der Bildung des Geistes in den Vordergrund. Damit kommt die „positive Bedeutung" der Entzweiung (Ritter, Metaphysik und Politik 252) zur Geltung, wie auch die Trennung von Staat und Gesellschaft gegenüber der unmittelbaren Einheit des antiken sittlichen Staatswesens hier „die höhere Entzweiung" genannt wird (Realph. II 250). Auch die Dialektik von Herrschaft und Knechtschaft in der Phänomenologie des Geistes kann „in gewisser Weise auch als eine Dialektik von Arbeit und Handeln betrachtet werden" (Riedel, Studien 31). Zum einen geht es hier um die Darstellung der Aporetik, in welche der reine Interaktionsanspruch der Anerkennung führt, zum ändern um die nähere Bestimmung des Arbeitsprozesses und der in diesem steckenden Möglichkeiten zur Überwindung jener Aporie. Erst im Arbeitsprozeß erlangt das Bewußtsein die reale Gewißheit dessen, „worauf es ihm wahrhaft ankommt" (Gadamer, Hegels Dialektik des Selbstbewußtseins 235). In der Arbeit erhält das Bewußtsein nicht nur äußerliche Existenz im Werk, gelangt es nicht nur „zur Anschauung des selbständigen Seins als seiner selbst", sondern wird ihm auch dieser Selbstbezug selber bewußt, wird „das Fürsichsein als sein eignes für es" und es „hierdurch/Ar sich selbst, ein Fürsichseiendes" (PG 154); beide Momente zusammen machen erst die emanzipatorische Seite der Arbeit aus. Um zur Wahrheit der Gewißheit seiner selbst zu gelangen, muß die Entäußerung als Modus des Beisichbleibens erfahren werden; das Bewußtsein bedarf nicht nur der Bestätigung im ändern, des Gegenständlichwerdens, sondern ebenso der Bestätigung gegen dies andere, der Befreiung von der „Anhänglichkeit an natürliches Dasein" (PG 153). Gleichwohl ist im Duktus der Phänomenologie diese „Befreiung" erst Vorstufe zur verwirklichten Anerkennung, in welcher jedes „im freien anderen sich anerkannt weiß und dies weiß, insofern es das andere anerkennt und es frei weiß" (E § 436). So steht die Arbeit in vermittelnder Stellung zwischen zwei Handlungsmomenten, indem sie einerseits das Dilemma der „reinen" Anerkennung überwindet, anderseits den Boden für das in Staat und Gesellschaft sich vollziehende Handeln abgibt.
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Geistbegriffs macht deutlich, daß es sich hierbei nicht um eine simple Angleichung heterogener Grundmodelle von Tätigkeit handeln kann; es wird gerade darauf ankommen, die Art des Zusammenwirkens beider im System genauer zu bestimmen24.
D, In der Zusammenführung der Grundmodelle von Praxis und Poiesis wie in der Vereinigung der verschiedenen Gesichtspunkte und „Disziplinen" der praktischen Philosophie — Moralität und Legalität, politische Theorie und Moralphilosophie — kommt aber nicht nur eine neue „inhaltliche" Einschätzung realer Freiheit zum Ausdruck. Die Neufassung der Gegenstandsebene bedeutet ebenso eine Veränderung der Fragestellung selber; der spezifische Ansatz der Rechtsphilosophie bestimmt sich nicht nur von dem her, was als relevanter Modus von Freiheit zu thematisieren ist, sondern ebensosehr durch die Art und Weise, wie Freiheit in ihr zur Sprache gebracht werden soll. Auch in dieser Hinsicht versucht Hegel, entgegengesetzte Gesichtspunkte in einem einheitlichen Theoriekonzept zu vereinigen. Die Rechtsphilosophie erhebt den doppelten Anspruch, einerseits eine verstehende Theorie der Geschichte zu sein, welche „das was ist zu begreifen" und „ihre Zeit in 24
Es leuchtet aus dem bereits zur Logik Gesagten ein, daß bei Marx nicht einfach von einer Umkehrung des bei Aristoteles gesetzten Primats der Praxis vor der Poiesis zu einem Primat der Arbeit als höchster Form der Praxis gesprochen werden kann. Wenn die Dominanz der Arbeit in der Theorie auch eine getreue Wiedergabe kapitalistischer Gesellschaftswirklichkeit ist, so läßt die Selbstwidersprüchlichkeit der Kapitalslogik doch gerade die Ambivalenz dieses Vorrangs hervortreten. Wenn Hegel das wahre Leben im Staat so schildert, daß es zwar primär Praxis ist, jedoch eine solche, deren Bestimmung (oder Ansich) gerade die Notwendigkeit ihres Fürsich- oder Zum-Werk-Werdens impliziert, also in sich selber wesentlich und ihrem ganzen Umfang nach ebensosehr „arbeitsmäßig" bestimmt ist, so findet sich bei Marx nicht einfach eine Verschiebung des Schwergewichts auf die Seite der Arbeit oder gar die Elimination des Handlungsaspekts. Die Marxsche Darstellung ist wesentlich Darstellung der Entfremdung und Defizienz, nicht einfache Reduktion. Entfremdete Arbeit bringt im „Kapital" gerade als solche ihr Anderes, die mit gesellschaftlichem Handeln vermittelte Arbeit, als unterdrückte Gegeninstanz und als ihr eigenes Sollen zur Geltung. (Dabei bleibt unentschieden, in welchem Maß die frühen Schriften mit ihrem noch mehr anthropologischen Zug vielleicht in anderem Sinn Praxis als Arbeit zu verstehen suchen, wenn auch die Meinung nicht überzeugt, daß Marx hier „kommunikatives Handeln auf instrumentales" reduziert habe (Habermas, Technik und Wissenschaft als Ideologie 45).)
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Gedanken''' zu erfassen hat (R 26), und anderseits in der Nachfolge der Ethik eine normative Wissenschaft zu sein, welche praktische Geltungsansprüche auf ihre Legitimation hin zu befragen und zu überprüfen hat. Sie soll Darstellung ihrer Gegenwart sein, dieser keine Vorschriften machen, sondern sie in ihrem Dasein begreifen, und gleichwohl kritische Wissenschaft dadurch sein, daß sie im Seienden das Sollen, im Faktischen das Normative zum Ausdruck bringt. Zwar ist sie mit dem Gegenwärtigen, Vorhandenen befaßt, aber als Theorie des sittlichen Handelns nicht einfach Verhaltenswissenschaft. Die Gesetze des Handelns sind kein naturhaft Seiendes oder an sich Geltendes, sondern ein „Gesetztes, vom Menschen Herkommendes" (R 16). Indes bestimmt die Unterscheidung von Natur und Satzung, „Physis" und „Nomos", nicht zureichend die spezifische Geltung ethischer Ansprüche; legale Satzung ist noch keine Basis wirklicher Legitimation. Gegen den Dezisionismus subjektivistischer Willkür ist gerade an der Objektivität des Kriteriums möglicher Rechtferigung festzuhalten. Zwar ist das Subjekt alleiniges Prinzip von Geltung und Rechtfertigung, dies aber nur deshalb, weil sein Maßstab — der Maßstab, den es „in sich" selber hat (ebd.) — kein rein subjektiver ist. Von der ändern Seite her gesehen: es geht um das Erkennen — und auch im starken Sinn: um das Anerkennen — geschichtlicher Realität, aber auch dies nur deshalb, weil diese Realität selber normativer Natur ist, weil sie die Doppelung von Faktizität und Normativität in sich selbst enthält. Die Einheit von Sein und Geltung ist die wirklichkeitsmäßige Entsprechung zu dem, was sich auf der Theorieebene als Einheit von Darstellung und Kritik herausgestellt hatte; das normative Fundament des Wirklichen ist selber der Ermöglichungsgrund für das kritische Potential der Darstellung, beide beruhen gleichermaßen auf der „Natur" der Freiheit. Freiheit ist das konstitutive Grundprinzip sowohl des „moralischen" wie des „realgeschichtlichen" Moments der Rechtsphilosophie. Die kritische Darstellung der Gegenwart orientiert sich an jenem Spannungsfeld von Begriff und Realität, welches dem Wahrheitsbegriff selber und somit auch jeder wahren Darstellung überhaupt zugrunde liegt; sie bemißt die Wirklichkeit an der Erfüllung dessen, was das Normative schlechthin ist: des spezifischen, in sich notwendigen und unhintergehbaren Anspruchs auf Freiheit25. Der umfassende Freiheitsbegriff, welcher der Darstellung des Gesamtbereichs menschlicher Freiheit zugrunde liegt, ist per se eine Kritik aller partiellen, auf partikulare Bestimmungs25
Vgl. oben S. 146 ff.
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momente festgelegten Freiheitskonzepte — wie etwa der Freiheit als Rechtsbestimmung oder als moralische Autonomie. Dieser umfassende Freiheitsbegriff, der im Zusammenhang des Ganzen zur Darstellung gelangt, bedingt die innere Konstruktion der Rechtsphilosophie und ist nur von der logischen Systematik dieser Darstellung her angemessen zu explizieren. Hegel selber bemerkt in der Vorrede zur Rechtsphilosophie, daß in dieser sowohl „das Ganze wie die Ausbildung seiner Glieder auf dem logischen Geiste beruht", und er wünscht, daß die Rechtsphilosophie vornehmlich „von dieser Seite" her „gefaßt und beurteilt" werde (R 12f.). Ähnlich gesteht er den alten Naturrechtslehren zu, daß sie zuweilen, auch ohne den methodischen Erfordernissen der Wissenschaft zu genügen, doch „in dem rein Architektonischen ihrer Darstellung ... das wahrhaft Sittliche auszudrücken" in der Lage waren (NR 450). Dieses „Architektonische" (vgl. R 19) soll nun in der spekulativen Philosophie in seiner adäquaten logischen Form gefaßt und auf seine inhaltliche Bedeutung hin transparent gemacht werden. Gerade indem die Rechtsphilosophie in logisch-systematischer Sicht interpretiert wird, wird ein angemessenes Verständnis auch ihrer inhaltlichen Momente ermöglicht26. 2(5
Zur „Systematik" der Rechtsphilosophie vgl. die Aufsätze von K.-H. Ilting, Die Struktur der Hegelscben Rechtsphilosophie, und: Hegels Auseinandersetzung mit der aristotelischen Politik.
2. Die Hauptbestimmungen des objektiven Geistes Die einleitenden Bemerkungen zur Rechtsphilosophie hatten eine doppelte Funktion. Zum einen sollte der Ort bestimmt werden, den das System des objektiven Geistes innerhalb des Hegeischen Systems der Philosophie einnimmt. Dazu war eine kurze Verständigung über die Stufe des subjektiven Geistes und seine Überleitung zum objektiven Geist vonnöten. Zum ändern ging es um die Vergegenwärtigung jener inhaltlichen Voraussetzungen, welche eine geschichtlich gewordene Gesellschaft so aufzufassen gestatten, wie es in Hegels Rechtsphilosophie geschieht. Nach dieser Vorverständigung muß nun die Rechtsphilosophie selber zu Worte kommen. Selbstverständlich kann es dabei nicht darum gehen, die ganze Rechtsphilosophie in der Vielfalt ihrer Kategorien auch nur annähernd erschöpfend abzuhandeln. Der leitende Gesichtspunkt der ganzen Arbeit, der Zusammenhang des Freiheitsgedankens mit der Systematik der Philosophie, gibt auch die Perspektive für die Untersuchung jenes Theoriebereichs ab, der in der Tradition auch inhaltlich den eigentlichen Ort einer Freiheitstheorie darstellte. Gerade hier wird sich zeigen, daß die mehr „inhaltlichen" Freiheitsbestimmungen keineswegs losgelöst vom Zusammenhang der anhand der Logik erarbeiteten grundlegenden Denkstruktur oder Form von Freiheit zur Geltung gebracht werden. So wird hier auch die präzisere Formulierung dieses Zusammenhangs selber zuweilen thematisch werden müssen. Die Hauptstufen der Entfaltung der logischen Form gibt für die Rechtsphilosophie den methodischen Leitfaden an die Hand: zu untersuchen sind vorerst die spezifischen Merkmale der drei Hauptbereiche — abstraktes Recht, Moralität und Sittlichkeit — und abschließend, analog zur absoluten Idee, die grundlegende und alles Vorhergehende umfassende Dimension der Geschichte.
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A. Das abstrakte Recht Die Logik hat gezeigt, daß der Anfang einer Wissenschaft nicht willkürlich gemacht werden kann. Wahre Darstellung kann nicht direkt mit dem Konkreten und Wahren einsetzen, sondern muß dieses, gerade um es als Konkretes und in sich Wahres zu zeigen, in seiner Vermitteltheit und seinem Gewordensein aufweisen. Einen Gegenstand in seiner Wahrheit auffassen, heißt ihn als Idee auffassen. Das Recht als „Dasein des freien Willens" ist die „Freiheit, als Idee" (R § 29). Gemäß der Struktur der Idee hat die Rechtsphilosophie somit den „Begriff des Rechts und dessen Verwirklichung zum Gegenstande" (R § 1). Das abstrakte Recht repräsentiert den abstrakten Begriff des Rechts überhaupt, insofern es auf der einen Seite die Sphäre der Unmittelbarkeit, der reinen Äußerlichkeit des modernen Gemeinwesens darstellt, auf der ändern Seite in der allgemeinsten und einfachsten Form das Prinzip enthält, nach welchem konkrete Gesellschaft sich konstituiert. Während der RechtsbegrifF in seiner allgemeinen Bedeutung, in welcher „jede Stufe der Entwicklung der Idee der Freiheit ... ihr eigentümliches Recht" hat, das Dasein „der selbstwußten Freiheit" überhaupt meint, so taucht er zuerst in der spezifischeren Gestalt als das nur „erste formelle [Recht] der abstrakten Persönlichkeit" auf (R §30, 30 A). In dieser letzteren Bedeutung, der auch die umgangssprachliche Verwendung entspricht, ist das Recht Ausdruck jenes äußerlichen und noch völlig unbestimmten Zusammenhangs, welcher von aller Besonderheit absieht und sich nur auf den Begriff des freien Individuums als solchen beruft. Sofern aber alle konkretere Bestimmung des Inhalts hier noch ausgeschlossen ist, ist der Inhalt „erst seinem Begriffe nach, oder wie er an sich ist", vorhanden und hat somit „die Gestalt der Unmittelbarkeit oder des Seins" (R § 33 A). In diesem Sinn muß er die Anfangsbestimmung der Analyse bilden, weil er zugleich die noch unbestimmteste, aber auch äußerlichste Form ist, unter der sich geschichtlich existierende Freiheit in der Gegenwart darstellt. Diese Konstruktion enthält bereits in ihrem Ansatz die relevanten Momente für die hier aufzunehmende Problematik. Die vorbereitenden Überlegungen haben schon gezeigt, daß Hegel sich dagegen wehrt, die Gegenüberstellung von positivem Recht und Natur- oder Vernunftrecht als gültige Trennung zu akzeptieren. Nichtsdestoweniger bleibt der Übergang vom an und für sich freien Geist als der Schlußbestimmung des Subjektiven Geistes zum abstrakten Recht als der elementarsten
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Sphäre seiner Selbstvergegenwärtigung frappant. Inhaltlich steht dahinter die Überzeugung, daß es darum geht, Freiheit nicht nur in ihrer Möglichkeit, sondern ihrer geschichtlichen Faktizität aufzugreifen, und daß das abstrakte Recht tatsächlich die grundlegendste und allgemeinste Form ist, unter welcher gegenwärtige Freiheit real ist, weil Freiheit in der Tat den Begriff des positiven Rechts ausmacht. Daß das abstrakte Recht den zu behandelnden Inhalt unter der Form der „Unmittelbarkeit oder des Seins" zur Erscheinung bringt, stellt diesen Anfang einerseits in die Nähe zur Logik und läßt anderseits plausibel erscheinen, daß tatsächlich mit ihm zu beginnen sei, weil er die unmittelbare Art ist, wie sich der Gegenstand von sich aus dem unvoreingenommenen Betrachter präsentiert. Allerdings ist damit noch keineswegs die nach der Analyse der Logik sich aufdrängende Frage beantwortet, auf welche Weise die solcherart maßgebende Abstraktheit und Allgemeinheit auch Grundlage wirklicher Freiheit sein kann. Als erstes muß dazu bemerkt werden, daß der Titel des „abstrakten Rechts" noch nicht eigentlich juristisch fixiertes Recht anvisiert — dieses hat erst in der bürgerlichen Gesellschaft seinen Platz (§§209—229) —, sondern sozusagen nur dessen Grundlage, die freie Person überhaupt zum Thema macht. Die Person ist gerade die „Bestifttmtheit" der ersten anfänglichen Unbestimmtheit (R §34N, Z); sie bezeichnet den an und für sich freien Willen, sofern seine Allgemeinheit noch rein formelle, „inhaltslose einfache Beziehung auf sich in seiner Einzelheit" ist (R § 35). Trotz der negativen Konnotationen, die den Personbegriff auch bei Hegel des öftern begleiten und die seine Defizienz gegenüber realisierter Sittlichkeit indizieren, stellt er ebenso in einem positiven Sinn den Begriff der ganzen Rechtssphäre und des objektiven Geistes überhaupt dar. Die in ihm angesprochene Rechtsfähigkeit des Individuums ist Grundlage freier Existenz überhaupt und macht ihn als abstrakte Grundlage, zum positiven Prinzip des Ganzen. In diesem Sinn kann man sagen, daß der „anfängliche abstrakte Begriff ... nie aufgegeben" wird, sondern, indem er sich in sich weiterbestimmt und „immer in sich reicher" wird, „die Seele bleibt, die alles zusammenhält" (R § 32Z). Die formelle Allgemeinheit ist nicht nur Mangel gegenüber einer erfüllten und auch inhaltlich freien Existenzform, sondern begründet schon in sich selber die Freiheit, welche das „Hohe der Person" und das „Höchste des Menschen" ausmacht (R § 35 N, Z). Insofern ich im Rahmen des rechtlich Geltenden handle und mich darin von ändern Subjekten anerkannt weiß, zählen für den Willen nicht nur die einzelnen
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Handlungszwecke als solche, sondern auch dies, daß er in ihnen nur „sich, seine Freiheit will" (R § 35N). Daß das Realsein solcher Freiheit die gesellschaftliche Anerkennung erfordert, hatte sich bereits in der Theorie des subjektiven Geistes gezeigt und muß von dort als inhaltliche Voraussetzung in den Anfang der Rechtphilosophie übernommen werden. Nur so kann die Verbindung von Freiheit, Person und abstraktem Recht einsichtig gemacht werden. Aber der Hinweis auf den Personbegriffais abstrakteste Formulierung daseiender Freiheit in der modernen Gesellschaft reicht nicht aus, die gestellte Frage zu beantworten. Diese muß nun dahingehend präzisiert werden, daß nicht nur gefragt wird, auf welche Weise der anfängliche Begriff zugleich inhaltlich die positive Bestimmung des Ganzen vorwegnimmt, wie er dem Wirklichen gewissermaßen vorschreibt, „was es sein soll" (L II 518), sondern daß auch zur Frage steht, auf Grund welcher Voraussetzungen aus — und trotz — dieser anfänglichen Abstraktion so etwas wie konkrete Freiheit oder Sittlichkeit real entstehen kann. Man erinnert sich, daß bei einer analogen Frage innerhalb der Logik der Akzent auf die Idealität der anfänglichen Abstraktheit gelegt wurde, welche gestattet hatte, das Sein selber zum Moment herabzusetzen und als im Wesen aufgehobenes zu denken. Das Sein als Indiz der Unmittelbarkeit war gerade als das noch nicht an ihm selber Bestehende gekennzeichnet worden, sondern als ein solches, das nur ein wenn auch unentbehrliches Moment des in Wahrheit Existierenden darstellt. So sagt Hegel auch von den „abstrakten Formen", mit denen die Rechtsphilosophie einsetzt, daß sie „sich nicht als für sich bestehend, sondern als unwahre aufweisen" werden (R § 32 Z). Der freie Wille hat die Verwirklichung seines Begriffes darin, „das Ansichsein und die Form der Unmittelbarkeit, in welcher er zunächst ist und diese als Gestalt am abstrakten Rechte hat, aufzuheben" (R § 104). Welches aber sind die Momente, die schon am abstrakten Recht selber darauf hindeuten, und welche strukturellen Voraussetzungen liefern die Bedingungen dafür — oder verunmöglichen —, daß auf seiner Grundlage konkrete Freiheit entstehen kann? Als erstes muß hier der negative oder privative Charakter der mit dem Personenbegriff gesetzten Freiheit hervorgehoben werden. Freiheit der Person meint die Fähigkeit, im konkreten Dasein bei sich selber zu sein. Doch wird durch das abstrakte Recht keine besondere Art des realisierten Beisichseins festgelegt, sondern lediglich dessen allgemeine Möglichkeit gewährleistet: „In Beziehung auf die konkrete Handlung
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und moralische und sittliche Verhältnisse ist gegen deren weiteren Inhalt das abstrakte Recht nur eine Möglichkeit, die rechtliche Bestimmung daher nur eine Erlaubnis oder Befugnis. Die Notwendigkeit dieses Rechts beschränkt sich aus dem selben Grunde seiner Abstraktion auf das Negative, die Persönlichkeit und das daraus Folgende nicht %u verletstfen" (R § 38). Das eigentlich Rechtliche der einzelnen Rechtsbestimmung ist nur das Allgemeine, die Möglichkeit. Das Moment der Besonderheit insgesamt ist „zwar vorhanden, aber als von der Persönlichkeit, der Bestimmung der Freiheit, noch verschieden" (R § 37), es ist „ein Gleichgültiges" (R §37 Z) und fällt in den Bereich der reinen Zufälligkeit. Zugleich aber ist mit der Logik zu sagen, daß das Mögliche, das formelle „Reflektiertsein in sich", gerade als nur-mögliches auch die „negative Bedeutung" an sich hat, daß es „ein Mangelhaftes ist, auf ein Anderes, die Wirklichkeit, hinweist und an dieser sich ergänzt" (L II203). Es soll nun genauer geklärt werden, inwiefern die Bestimmungen des abstrakten Rechts eine solche Abstraktheit repräsentieren, welche zugleich nach konkreter Freiheit verlangt und diese ermöglicht1. Die ersten Bestimmungen, unter denen die Person im abstrakten Recht auftritt, scheinen deren Entfaltung zur Freiheit eher zu verhindern als zu fördern. „Die Person muß sich eine äußere Sphäre ihrer Freiheit geben, um als Idee zu sein" (R § 41). Da sie aber selber noch nicht mehr als die reine Selbstbeziehung des freien Willens ist, so ist diejenige Realität, in welcher sie sich verwirklicht, zunächst nichts als das unmittelbare Dasein, die „Sache", welche nicht nur „für den freien Geist", sondern auch „an und für sich" äußerlich ist (R § 42A). Die Äußerlichkeit oder Sachlichkeit ist die grundlegende Bestimmung, welche sämtlichen Momente des abstrakten Rechts zukommt und insgesamt ihre Spezifizität ausmacht. Das einzige Dasein, welches hier den Menschen als freien auszeichnet und in welchem er sich von ändern in seiner Rechtsfähigkeit anerkannt weiß, ist der Besitz oder — insofern der freie Wille sich in diesen legt und in ihm gegenständlich wird — das Eigentum. In den Kategorien des Rechts gemessen, gilt das Individuum in der Gesellschaft wesentlich nach dem, was es besitzt. Seine erste Eigenschaft ist, Privateigentümer zu sein. Wie er als freier Besitzer nach eigenem Gutdünken Verträge eingehen kann, so stellt sich ihm auf 1
Vgl. Hegels Vorlesungsnotizen zu § 40 (nach Ilting: § 39): „Dies die Grundbestimmung — abstrakt — Fruchtbarkeit dieses Begriffs im Folgenden — Resultate nur durch sie — ohne sie nichts im Folgenden bestimmen — selbst das Konkrete — Folge von ihnen."
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dieser Ebene die Gesellschaft insgesamt — auch nach ihrem eigenen Verständnis und ihrer eigenen Logik — als „an sich auflösbare Gemeinschaft" und „Sache der Willkür" dar (R § 46)2, welche nur durch den freien Entschluß der vielen Einzelnen sich konstituiert. Wichtig ist nun zu sehen, wie sich diese Versachlichung für das Subjekt genauer darstellt und welche möglichen Folgen sich für es daraus ergeben. Als erstes ist hier die eigene Äußerlichkeit des Individuums, seine faktische Existenz in die Sphäre des Rechts aufzunehmen: „Als Person habe ich zugleich mein Leben und Körper, wie andere Sachen, nur, insofern es mein Wille ist" (R § 47). Dies entspricht der „anthropologischen" Bestimmung, nach welcher der Mensch erst dadurch wirklich frei wird, daß er das, „was er seinem Begriffe nach (als eine Möglichkeit, Vermögen, Anlage) ist, in die Wirklichkeit" setzt. Diese Selbsterfassung des freien Selbstbewußtseins vermittels der „Ausbildung seines eigenen Körpers und Geistes" ist aber in der hier eröffneten Dimension zugleich als eine „Besitznahme" von sich selbst zu verstehen. Erst dadurch wird sein Dasein sowohl „als das Seinige gesetzt, als auch als Gegenstand und vom einfachen Selbstbewußtsein unterschieden und dadurch fähig . . ., die Form der Sache zu erhalten" (R § 57). Den Ausgangspunkt für diese Heraussetzung der Momente der Subjektivität in die Form der Äußerlichkeit bildet die aus der bisherigen Einsicht in die „Natur des Geistes" resultierende Notwendigkeit, die Unmittelbarkeit des nur natürlichen Daseins zu überwinden. Als „nur natürliche" sind die Anlagen des Menschen noch „nicht identisch mit Subjektivität . .., nicht in meiner Gewalt" (R § 57N). Das Formieren, als „Heraussetzen eines Innerlichen" (ebd.), muß sich nicht nur auf die vorgegebene äußere Natur, sondern auch auf die eigene, auf den Menschen selber beziehen, damit dieser als geschichtlich freier existieren kann. Mit dieser These, die als Bestätigung der Naturbeherrschung als unentbehrlichen Moments von Emanzipation unbestreitbar scheint, verbindet sich nun allerdings die formelle Gleichschaltung des juristischen Besitzes an äußerlichen Sachen und an solchen, die erst durch Entäußerung der Subjektivität zu solchen werden. Zwar modifiziert Hegel in einer Randbemerkung die im § 43 vertretene Auffassung, daß „Kenntnisse, Wissenschaften, Talente usf." allein
§46N: „Ich als Einzelner; — Gemeinschaft nur Willkür — So tritt jeder in den Staat — als Freier — als an sich Idee — absolute Voraussetzung jedes Staats — einzelne Gesellschaft von Freien — meine Wirklichkeit ist Privateigentum."
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schon durch die Veräußerung „unter die Bestimmung von Sachen gesetzt werden" (R §43A), indem er anfügt: „Veräußerung ist das Aufgeben eines schon Äußerlichen, das mein Eigentum ist, — nicht erst das Äußern" (ebd.). Indes wird dieser Zwischenschritt, der sich für die Begründung der im folgenden in Erscheinung tretenden Verschiedenheit der Verfügbarkeit über äußere Waren und die spezifische „Ware Arbeitskraft" als wesentlich erweisen dürfte, nicht weiter in die Argumentation miteinbezogen. — Im übrigen müßte Analoges auch für die natürlichen in den Verkehr eintretenden Sachen gefolgert werden: auch sie werden nicht als unmittelbar-natürliche, sondern nur als schon angeeignete gehandelt. Die unterschiedliche Provenienz dieser beiden Kategorien von Sachen, im Eigentum als solchem noch überschlagen, macht sich im Gebrauch und insbesondere in der Entäußerung geltend. — Insofern der Gebrauch „nur ein teilweiser oder temporärer" ist, ist er „vom Eigentume der Sache selbst unterschieden" (R § 62). Umgekehrt ist „die Unterscheidung zwischen dem Rechte auf den ganzen Umfang des Gebrauches und dem abstrakten Eigentum" eine hinfällige und „gehört dem leeren Verstande" an; „als wirkliches Verhältnis" ist sie „das einer leeren Herrenschaft" (R § 62 A) und ihre Funktion eine rein ideologische. Diese Unterscheidung dient nun zur genauen Umgrenzung der möglichen Einbeziehung der Person und ihrer Tätigkeiten in den Bereich des abstrakten Rechts. Während ich eine Sache, die „ihrer Natur nach ein Äußerliches ist" (R § 65), sowohl zum partiellen Gebrauch wie zum uneingeschränkten Besitz einem ändern überlassen kann, können Fähigkeiten und Tätigkeiten der Person nur zum teilweisen oder temporären Gebrauch, nicht „in Bausch und Bogen" (Marx, MEW 23,182) veräußert werden. Denn „die Totalität der Äußerungen einer Kraft ist die Kraft selbst" (R § 67A; vgl. § 124), die Totalität der Tätigkeiten macht die eigene Wirklichkeit einer Person aus, welche nichts von dieser Getrenntes und Abtrennbares ist. Nur durch ihre Besonderheit gegenüber meiner Person — d. h. insofern sie nicht „meine eigenste Person und das allgemeine Wesen meines Selbstbewußtseins ausmachen, wie meine Persönlichkeit überhaupt, meine allgemeine Willensfreiheit, Sittlichkeit, Religion" (R § 66) — sowie durch ihre quantitative Beschränkung erhalten sie jenes „äußerliche Verhältnis zu meiner Totalität und Allgemeinheit"\ das mir ein eigentliches Verfügungsrecht über sie gibt (R § 67). Konsequenterweise kann auch das Verhältnis des Subjekts zu seinem Leben als ganzem kein juristisches, „kein Recht" sein (R § 70).
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Die Selbstbeziehung der Subjektivität als solcher fällt nicht in den Bereich des abstrakten Rechts, welches nur die Sphäre des unmittelbaren, äußeren Daseins des freien Willens umfaßt. Dies ist der eine Aspekt der „Sachlichkeit", welche hier dem Willen in der Realisierung seiner Freiheit anhaftet: die Gegenständlichkeit seines Daseins in der Sache und in seiner eigenen Existenz. Daraus folgt notwendigerweise die Beschränkung auf Äußerlichkeit auch in den „intersubjektiven" Beziehungen, welche in die Dimension des Rechts fallen. Die zugrunde liegende Beziehung für die ganze Sphäre ist die gegenseitige Anerkennung der Personen (vgl. R §71 A), welche füreinander, wie Marx es formuliert, hier nichts weiter als freie Warenbesitzer sind. Insofern sie noch keineswegs nach ihren besonderen Eigenschaften in Erscheinung treten, findet zwischen ihnen noch kein Unterschied statt und ihre Beziehung ist die der Gleichheit — die auf dieser abstrakten Ebene allerdings nichts weiter denn „ein leerer tautologischer Satz" ist (R § 49A; vgl. E § 539 A). Ihre effektive Beziehung ist notwendig über die Äußerlichkeit der Sache vermittelt: der Tausch, oder allgemeiner der Vertrag, in welchem die „Einheit zweier sich anerkennender als freier . .. selbst Dasein" erhält (R § 72N). Wie das Eigentum, so ist auf höherer Stufe der Vertrag durch den Begriff der Freiheit notwendig gesetzt: erst in ihm wird sich der freie Wille nicht nur überhaupt, sondern „als freier Wille objektiv" (R § 73N). „Diese Beziehung von Willen auf Willen ist der eigentümliche und wahrhafte Boden, in welchem die Freiheit Dasein hat" (R § 71). Es wiederholt sich hier auf der Ebene des objektiven Geistes, was schon die Theorie des subjektiven Geistes erwiesen hatte: daß die Konstitution freier Subjektivität notwendigerweise über die intersubjektive Beziehung der Anerkennung führt. Von dieser sagt Hegel, sie sei im Vertrag, da dieser „ein Verhältnis des objektiven Geistes ist", immer schon „enthalten und vorausgesetzt" (R § 71 A). Da der Kontrakt allerdings von der Willkür der unmittelbaren Subjekte ausgeht, kann die in ihm realisierte Gemeinsamkeit in keiner Weise die Stellung des an und für sich Allgemeinen beanspruchen, sondern bleibt selber partikular, über die „einzelne äußerliche Sache" vermittelt (R § 75). Diese Selbstbeschränkung des Kontrakts ist wesentlich, um die Spezifizität der im Staat gesetzten Gemeinschaft von jeder Art von Gesellschaftsvertrag abzuheben. „Die Einmischung dieses, sowie der Verhältnisse des Privateigentums überhaupt, in das Staatsverhältnis hat die größten Verwirrungen im Staatsrecht und in der Wirklichkeit hervorgebracht" (R § 75 A). In alledem
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zeigt sich genauer, was eingangs damit gemeint sein konnte, daß das abstrakte Recht erst die formelle Möglichkeit, nicht die Wirklichkeit der Freiheit beinhalte. Aber der Vertrag bringt nicht nur auf der Subjektseite die schon im Eigentum gesetzte rein formelle Gleichheit der Person zu Geltung; er impliziert auch auf der Objektseite eine analoge Darstellung der Abstraktheit des Eigentums. Dieses kommt im abstrakten Recht nicht als qualitativ besondertes, sondern nur als „Eigentum überhaupt" zur Sprache. Im Tausch stellt sich der einzelne Gegenstand als das Akzidenteile im Eigentumsverhältnis heraus, während das „an sich seiende Eigentum" oder „der Wert" (R § 77) als dessen Substanz erscheint. Bedingung der Möglichkeit des Tausche ist, daß ich zwar mein Besitztum wechseln, darin aber gleichermaßen Eigentümer bleiben kann wie vordem, daß die qualitative Heterogenität zurücktrete vor der quantitativen Meßund Vergleichbarkeit des Eigentums. „So wird es überhaupt als abstrakte, allgemeine Sache gesetzt" (E § 494). So findet auf beiden Seiten die Darstellung — qua Realisierung — der gleichen formellen Allgemeinheit statt, welche das Spezifikum des abstrakten Rechts ausmacht3. Anhand dieser kurzen inhaltlichen Illustration der Hauptbestimmungen des abstrakten Rechts ist nun erneut die Frage aufzunehmen, inwiefern sich in ihnen so etwas wie die gleichzeitige Ermöglichung und 3
Es ist offensichtlich, daß hier Bestimmungen vorliegen, die auch in der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie wiederaufgenommen werden. Allerdings scheint gerade in der Wertproblematik erst die von Marx eingeführte Unterscheidung von Gebrauchs- und Tauschwert das zu Thematisierende adäquat fassen zu können. Bei Hegel ergibt sich der Übergang von der Qualität in die Quantität unmittelbar aus der Allgemeinheit der Qualität selber (eine ähnliche Voraussetzung machen die modernen Grenznutzentheorien in der Fixierung von Präferenzkurven) : die spezifische Brauchbarkeit der Ware „ist zugleich als quantitativ bestimmt vergleichbar mit anderen Sachen von derselben Brauchbarkeit, so wie das spezifische Bedürfnis, dem sie dient, zugleich Bedürfnis überhaupt und darin nach seiner Besonderheit ebenso mit anderen Bedürfnissen vergleichbar ist und danach auch die Sache mit solchen, die für andere Bedürfnisse brauchbar sind" (R § 63). Bei Marx geht die Reduktion einen Schritt weiter, indem sie von der entqualifizierten Ware auf die Arbeit als solche in ihrer Abstraktheit, als reine Arbeitszeit zurückgeht. Zwar fungiert auch bei Hegel die Zeit, „die erforderlich ist, eine Sache hervorzubringen", als ein wertbestimmender Faktor unter anderen (R § 63 N). Aber weil die Unterscheidung von Wert und Preis noch nicht gemacht wird, wird auch die wertbildende Arbeit nicht von ändern preisbestimmenden Faktoren abgehoben, weshalb denn auch gesagt werden kann, der Wert hänge „erst vom Verkauf, Geschmack des Publikums ab" (R § 64N). — Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Marx vorwegnehmende Bestimmung des Geldes: „Was Geld ist, kann nur verstanden werden, wenn man weiß, was Wert ist": Geld ist der Wert „für sich dargestellt" (R § 63N; vgl. § 204, § 299).
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Forderung konkreter Freiheit ausdrückt. Die Reduktion der Natur — einschließlich der eigenen — zur Sache weist auf die grundlegende, geschichtlich entstandene Entzweiung zwischen Mensch und Natur hin, hinter welche die moderne Gesellschaft in ihrer Selbstverwirklichung nicht mehr zurückzugehen vermag. Gegenüber dem Einssein mit der Natur, in welchem auch die Arbeit noch die Qualität des Ungeschiedenen und Unartikulierten behält, ist moderne Freiheit wesentlich durch die Abtrennung und Beherrschung der Natur bedingt. Das „Formieren", in welchem der Mensch dem Gegenstand seine eigene Form auferlegt und in ihm seinen eigenen Willen „objektiv, äußerlich, bleibend" macht, „ist insofern die der Idee angemessenste Besitznahme" (R § 56N, A). Die Arbeit erweist sich somit als zentral für das abstrakte Recht, da sie die Trennung und das Verhältnis der Sachlichkeit erst herstellt, in welchem sich das Recht bewegt. Abstraktes Recht, gerade insofern es die Rechte der Person festlegt, ist „wesentlich Sachenrecht" (R § 40 A). Diese Beschränkung auf die Seite der Gegenständlichkeit, des Eigentums, ist aber gleichzeitig die reale Freisetzung der Subjektivität in ihrer Allgemeinheit und Freiheit, die Bedingung der Realwerdung subjektiver Freiheit im modernen Staat. Sie ist so die geschichtliche Vollendung und Sedimentierung des abstrakten Freiheitsprinzips: „Es ist wohl an die anderthalbtausend Jahre, daß die Freiheit der Person durch das Christentum zu erblühen angefangen hat und unter einem übrigens kleinen Teile des Menschengeschlechts allgemeines Prinzip geworden ist. Die Freiheit des Eigentums aber ist seit gestern, kann man sagen, hier und da als Prinzip anerkannt worden" (R § 62 A). Logisch gesehen entspricht dieser Versachlichung das Prinzip der formellen Allgemeinheit, das sowohl im Person- wie im Wertbegriff zum Ausdruck kommt. „Das Recht", heißt es im Zusatz zum § 49, „ist das, was gleichgültig gegen die Besonderheit bleibt". Wenn auch diese Formalität die Möglichkeit faktischer Ungleichheit enthält, so ist sie trotz ihres „tautologischen" Charakters die unabdingbare Voraussetzung jedes komplexeren, sich als frei verstehenden Gemeinwesens4. Wenn Hegel auch gegen die Idee eines Staatsvertrags polemisiert, so betont er doch die eminente Wichtigkeit, welche dem Prinzip der freien Person für den Staat zukommt. Nur durch Überwindung seiner eigenen Partikularität — d. h. * Gerade dies hatte sich in der Zweideutigkeit des Kapitalbegriffs gezeigt, der zwar den einfachen Warenbegriff negiert, sich aber doch immer auf ihn und die in ihm gesetzte formelle Gleichheit berufen muß, um sich selber rechtfertigen zu können.
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indem er nicht mehr auf faktischen Machtverhältnissen beruht — kann sich der Staat als „Zweck, der an und für sich ist" ausweisen (R § 75N). Die persönliche Freiheit als konstitutives Prinzip des Staats, dies ist die Seite der Wahrheit an der Aussage, daß „Gemeinschaft nur Willkür" sei: „So tritt jeder in den Staat — als Freier — als an sich Idee" (R § 46N). Der Staat, seinem Wesen nach alles andere als ein willkürlicher Zusammenschluß, muß doch sozusagen auch als solcher gedacht werden können, er muß die Seite der abstrakten Wahlfreiheit in sich enthalten, wenn auch gleichzeitig zum ideellen Moment herabgesetzt haben. Einen Hinweis darauf, wie das Recht trotz seiner formellen Abstraktheit zugleich Ausgangspunkt und Grundlage aller konkreteren FreiheitsVerhältnisse zu sein vermag, enthält die Interpretation von J. Ritter. „Die auf Eigentum gegründete Freiheit, die Hegel an den Anfang der Bewegung stellt, die zur Verwirklichung der Freiheit führt, hat alle substantiellen Verhältnisse außer sich." Trotzdem aber, und gerade in dieser Beschaffenheit, wird sie „von Hegel als die Bedingung der Möglichkeit für die Verwirklichung der Freiheit im ganzen Umfang ihrer religiösen, politischen, sittlichen Substanz verstanden"6. Die AufDistanz-Setzung, die in bezug auf die Natur zur Voraussetzung moderner Emanzipation geworden ist, hat ihre Entsprechung im zwischenmenschlichen Bereich und dessen Fixierung auf die sachvermittelte Gemeinschaft. „Das auf Sachen beschränkte Verhältnis von Personen [ist] nicht nur die Bedingung der Befreiung aus der Natur, sondern zugleich positiv der Freiheit der Individuen . . . Die Äußerlichkeit der bürgerlichen Gesellschaft, in welcher sie einerseits das Schauspiel der Ausschweifung und des Elends bietet, ist andererseits für Hegel das Dasein der individuellen Freiheit."6 Die Möglichkeit dieser Doppelseitigkeit sieht Ritter darin begründet, daß gerade die Selbstbeschränkung der Rechtssphäre auf die „Persönlichkeit nur als abstrakte Person und als Eigentümer" den Menschen als Subjekt moralischen und sittlichen Seins freisetzt: „Indem sich die Gesellschaft auf das sachliche, durch Eigentum vermittelte Verhältnis von Personen zueinander beschränkt, gibt sie dem Einzelnen als Persönlichkeit frei, zum Subjekt in allem zu werden, was den Reichtum wie die Tiefe des nun von keiner Versachlichung berührten persönlichen, sittlich geistigen Seins ausmacht".7 5 6
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Ritter, Metaphysik und Politik 266 f. Ebd. 275 f. Ebd. 277. Vgl. Ritter 252.
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Nun ist aber klar, daß Beschränktheit nicht schon Selbstbeschränkung bedeutet. Daß das abstrakte Recht nicht über die Sphäre der Abstraktheit und Äußerlichkeit hinausgeht, heißt noch nicht notwendig, daß es außerhalb seiner eine Sphäre konkreter Sittlichkeit freisetze. Dazu ist des weitem erforderlich, daß Äußerlichkeit zugleich als Entäußerung, als Seite jener Entzweiung verstanden werden kann, durch welche sie selber gesetzt ist8. Die Kapitalanalyse hat gezeigt, wie sehr auch die abstrakte Allgemeinheit in sich die Tendenz haben kann, der eigenen Ideellsetzung in einem politischen Ganzen sich zu widersetzen und, als solche, als alleinige und bestimmende Realitätsform aufzutreten. Hier hingegen geht der Anspruch darauf, eine Allgemeinheit zu entwerfen, welche Grundlage der abstrakten Äußerlichkeit ist, nicht aber selber unter deren Herrschaft fällt. Die Person ist Subjekt, nicht Gegenstand des Rechts. Sie ist dies in Absehung von aller Besonderheit, als reine Selbstbeziehung des freien Willens, nicht durch faktische Machtverhältnisse oder die Zugehörigkeit zu einer Rasse, Religion oder ändern Gemeinschaft. Dies widerspiegelt sich negativ in der zeitlichen und umfangmäßigen Beschränkung des Geltungsbereichs des Rechts in bezug auf Fähigkeiten und Äußerungen des Individuums. Diese Einschränkung ist in der Tat zugleich Freisetzung der Persönlichkeit nicht nur als Prinzip des abstrakten Rechts selber, sondern auch als moralisches und sittliches Subjekt überhaupt. Das abstrakte Recht betrifft das in sich allgemeine Subjekt nicht in Beziehung auf die Totalität seines Daseins, seine Wirklichkeit überhaupt, sondern, so könnte man sagen, in Beziehung auf die bloße Zufälligkeit und Besonderheit seines äußerlichen Daseins. Gerade insofern die Person einfache Selbstbeziehung, das Eigentum ihr unmittelbares einfaches Dasein ist, ist auch die Beziehung beider eine unmittelbare. Das abstrakte — noch nicht juristisch ausdifferenzierte — Recht läßt zwar diese Sphäre äußerlichen Daseins selber noch in ihrer Unbestimmtheit, und insofern sind vor ihm alle Menschen gleich. Trotzdem ist diese Unbestimmtheit nicht eine wirkliche Allgemeinheit, die an und für sich selber Zweck zu sein vermöchte; eher könnte sie die undifferenzierte Generalisierung der Besonderheit genannt werden. Ihre Abstraktheit ist eine, die gerade nicht als solche zum bestimmenden Prinzip der Realität werden darf. Dies ist der Sinn der Einschränkung ihres Geltungsbereichs auf die Besonderheit. Weil die Totalität der Tätigkeiten des Einzelnen dessen eigene Wirklichkeit ausmacht, verhält sich das Subjekt in ihr wesentlich zu sich selber. Das Subjekt hat kein juristisches „Recht" über sein unmittelbares Leben,
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noch über die Totalität seiner Äußerung. Fiele diese selber dem Bereich der Äußerlichkeit anheim, den das abstrakte Recht ausmißt, so wäre kein freies Verhältnis eines Subjekts zu seiner Selbstverwirklichung mehr denkbar, kein Geistesbegriff, der in sich selber Idee ist. Die quantitative Einschränkung ist hier tatsächlich Garant der qualitativen Absetzung des Subjekts in seiner Selbstrealisierung gegenüber den einzelnen Seiten seiner Äußerlichkeit. Sie indiziert jene „Idealität" dieser Äußerlichkeit oder der anfänglichen Allgemeinheit, welche Möglichkeitsbedingung dafür ist, daß das Subjekt diese Äußerlichkeit aufzuheben, in ihr sich selber zu setzen vermag. Obwohl abstraktes Recht eine geschichtlich entstandene Dimension darstellt, zeichnet es sich dadurch aus, in seiner Allgemeinheit diese Geschichtlichkeit nicht zum Ausdruck zu bringen; gerade dadurch ermöglicht es, auf höherer Stufe, das Realwerden eines Geschichtsbegriffs, der über das Partikulare hinausgeht und Geschichte unter der Kategorie der Einzelheit, als die konkrete Totalität des Werdens des Geistes zu fassen vermag. Das Resultat, um dessen Formulierung die vorausgehenden Bemerkungen kreisen, läßt sich somit in Analogie zur Logik fassen. Die abstrakte Allgemeinheit des Rechts kann deshalb die erste Stufe einer sich realisierenden konkreten Freiheit sein, weil sie, ähnlich dem Sein, eine Unmittelbarkeit darstellt, die nicht schon an ihr selber Realität ist, sondern wesentlich die Unmittelbarkeit eines anderen, sie Aufhebenden meint. Es ist dies die Eigenschaft, welche beim reinen Sein als dessen Idealität bezeichnet wurde. So zeigt sich auch im Übergang zur Moralität das Recht als der „Wille an sich", der „unendliche subjektive Wille" hingegen als das „Dasein des Willens" (R § 104N). „Eben der Wille als unendlicher bestimmt — hat idell in sich gesetzt das Ansichseiende" (R § 105N). Es besteht hier eine genaue Entsprechung zum Aufgehobensein des Seins im Wesen, wie auch der Übergang zur Sittlichkeit — analog jenem zum Begriff — darin bestehen wird, die selber nur an sich seiende Identität beider (ebd.} für sich zu setzen. Für beide Übergänge — und spezifisch für den ersten — soll schon im abstrakten Recht selber die Bedingung der Möglichkeit angelegt sein. Die „Idealität" des Rechts, welche durch die Freilassung der Persönlichkeit und die Selbstbeschränkung auf die Sphäre der Sachlichkeit illustriert werden sollte, wird plastischer vor Augen geführt, wenn ihr ein Gesellschaftszustand konfrontiert wird, in welchem das abstrakte Recht zum eigentlich determinierenden Faktor wird. Auch in der von Hegel geschilderten Konstellation des objektiven Geistes kann Idealität
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ja nicht meinen, daß es sich hierbei um etwas schlichtweg Irreelles, Nicht-Daseiendes handle. Im Gegenteil sind „die Bestimmungen in der Entwicklung des Begriffs" des Rechts, „weil der Begriff wesentlich als Idee ist, . . . in der Form des Daseins, und die Reihe der sich ergebenden Begriffe ist damit zugleich eine Reihe von Gestaltungen" (R § 32). Eine komplexe Gesellschaftsformation zeichnet sich gerade dadurch aus, daß ihre verschiedenen Momente, die in geschichtlicher Sukzession entstanden sind und einander teilweise verdrängt haben, in ihr „auch für sich schon als Gestaltungen, als Eigentumsrecht, Vertrag, Moralität usf. vorhanden" sind (R § 32A) — wobei es allerdings „sich fügen kann, daß die Ordnung der Zeit in der wirklichen Erscheinung zum Teil anders ist als die Ordnung des Begriffs" (R § 32 Z)9. Ähnlich sagt Hegel von der absoluten Idee selber: „Indem sie alle Bestimmtheit in sich enthält, und ihr Wesen dies ist, durch ihre Selbstbestimmung oder Besonderung zu sich zurückzukehren, so hat sie verschiedene Gestaltungen, und das Geschäft der Philosophie ist, sie in diesen zu erkennen" (L II 549). In unserem Kontext geht es darum, das abstrakte Recht und seine Bestimmungen, gerade insofern sie real erscheinende Gestalten sind, als Momente des Ganzen, als „Begriffsbestimmtheit des Willens" aufzufassen (R § 104). Jedoch reicht nicht schon der Vorsatz einer solchen im eigentlichen Sinn spekulativen Betrachtungsweise dazu aus, abstraktes Recht als Moment und Bedingung konkreter Freiheit erscheinen zu lassen. Wesentlich bleibt die in diesem selber angelegte und aufzuweisende Selbstbeschränkung seines Geltungsbereichs und Freisetzung menschlicher Subjektivität. Wie wenig selbstverständlich dies ist, zeigt die Gegenüberstellung mit zwei Gesellschaftsmodellen, die beide unter der realen Herrschaft dieser abstrakten Allgemeinheit stehen: die von Hegel selber geschilderte römische Welt und — in anderer Weise — die von Marx analysierte kapitalistische Gesellschaft10. 9
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In diesem Sinne bestätigt auch Marx, daß es in der Kapitalanalyse nicht um die Ordnung der Momente des Kapitals in ihrer geschichtlichen Entstehung, noch „um die Reihenfolge ,in der Idee' . . . (einer verschwimmelten Vorstellung der historischen Bewegung)" geht, „sondern um ihre Gliederung innerhalb der modernen bürgerlichen Gesellschaft" (GR 28). Die beiden Züge, die potentiell im Abstrakt-Allgemeinen enthalten sind und dessen Indienstnahme durch ein System der Freiheit oder des Zwangs ermöglichen, kommen nach Marcuse auch im Hegeischen Rechtskonzept selber zur Geltung. Nach ihm verbinden sich in der Hegeischen Definition des Rechts — als das, „was gleichgültig gegen die Besonderheit bleibt" (R § 49 Z) — „die progressiven und regressiven Züge seiner Rechtsphilosophie miteinander. Gleichgültigkeit gegenüber individuellen Unterschieden ist ... charakteristisch für die abstrakte All-
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Die römische Welt repräsentiert in der geschichtlichen Entfaltung das, was in der modernen Gesellschaft das Moment des abstrakten Rechts ausmacht. Gegenüber der sittlichen Einheit des griechischen Geistes erscheint sie primär als Verfall. „Das Allgemeine in die Atome der absolut vielen Individuen zersplittert, dieser gestorbene Geist ist eine Gleichheit, worin Alle als Jede, als Personen gelten" (PG 355). Es ist das Wirklichwerden dessen, „was dem Stoizismus nur in der Abstraktion des Ansich war" (PG 356). Das „weltgeschichtliche Moment" des römischen Geistes ist „das Abstraktum der Allgemeinheit", die „abstrakte Freiheit, welche einerseits den abstrakten Staat, die Politik und die Gewalt über die konkrete Individualität setzt und diese durchaus unterordnet, andererseits dieser Allgemeinheit gegenüber die Persönlichkeit erschafft" (Ph. Gesch. 340). Sowie die Subjekte nur mehr „dieses spröde Selbst" (PG 355) sind, ist ihr Zusammenhang „die bloße Herrschaft" (Ph. Gesch. 340), ihr Mittelpunkt „gewaltsam und erzwungen" (ebd. 371). Dadurch aber verkehrt sich das Prinzip, das die Freiheit des Einzelnen gewährleisten sollte, in sein Gegenteil: die Individuen, „als Atome gesetzt", stehen zugleich „unter der harten Herrschaft des Einen, welche als monas monadum die Macht über die Privatpersonen ist. Dies Privatrecht ist daher ebenso ein Nichtdasein, ein Nichtanerkennen der Person, und dieser Zustand des Rechts ist vollendete Rechtlosigkeit" (Ph. Gesch. 387). Das innere Prinzip dieses Staatswesens widerspiegelt sich in dessen Beziehung nach außen: als „die kalte Abstraktion der Herrschaft und Gewalt ..., als die reine Selbstsucht des Willens gegen andere, welche keine sittliche Erfüllung in sich hat, sondern nur durch die partikulären Interessen Inhalt gewinnt" (Ph. Gesch. 374). Das Verwiesensein auf die zufällige Partikularität als einziger Bestimmtheit ist die Konsequenz davon, daß „das Konkrete, das die Römer in sich finden, . . . nur diese geistlose Einheit" (ebd. 373), die reine Formalität ist. Wie diese aber im vollendeten System des objektiven Geistes zum abstrakten Moment herabgesetzt und in der substantiellen Sittlichkeit überwunden werden muß, so stellt auch die römische Welt in der Geschichte nur eine vorübergehende Gestalt dar — deren Tragik allerdings darin liegt, nicht für sich selber Moment zu sein, sondern als ganze jene Bestimmtheit gemeinheit des Gesetzes, die ein Minimum von Gleichheit und Vernünftigkeit auf einer Ordnung der Unvernünftigkeit und Ungerechtigkeit errichtet. Anderseits kennzeichnet diese Gleichgültigkeit eine gesellschaftliche Praxis, worin die Erhaltung des Ganzen nur dadurch erreicht wird, daß das menschliche Wesen des Individuums unbeachtet bleibt" (Vernunft und Revolution 174f.).
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zu verkörpern, welche spätere Epochen zur ideellen Unmittelbarkeit herabgesetzt und sich als Moment integriert haben. Wenn die Römer uns mit der Erfindung des Rechtsprinzips „ein großes Geschenk, der Form nach, gemacht haben, so können wir uns dessen bedienen und es genießen, ohne zum Opfer dieses dürren Verstandes zu werden, ohne es für sich als ein Letztes der Weisheit und der Vernunft anzusehen. Sie sind die Opfer gewesen, die darin gelebt, aber für andere haben sie eben damit die Freiheit des Geistes gewonnen, nämlich die innere Freiheit, die dadurch von jenem Gebiete des Endlichen und des Äußerlichen frei geworden ist" (Ph. Gesch. 351). Hierin findet sich auf weltgeschichtlicher Ebene die genaue Widerspiegelung des konstitutiven Verhältnisses der Sphäre des abstrakten Rechts für die Möglichkeit konkreter Freiheit. Die Schilderung des Übergangs von der römischen Welt zum Christentum bestätigt auch in Analogie zur Rechtsphilosophie, was die eigentliche Defizienz dieser abstrakten Rechtsunmittelbarkeit ausmacht und unter welchen Umständen diese zur Grundlage einer höheren Gesellschaftsformation werden kann. Der „Formalismus", der den Hauptcharakter des abstrakten Rechts ausmacht, bemächtigt sich in der römischen Welt sämtlicher Lebensbereiche und findet sich auch in jener Dimension wieder, in welcher sich ein Gemeinwesen die ideelle Vorstellung seiner selbst gibt, in der Religion. Das Heilige, das „hier nur eine inhaltlose Form ist. .., wird in Besitz genommen von dem Subjekt, das seine partikulären Zwecke und Interessen will, während das wahrhaft Göttliche die konkrete Gewalt an ihm selber hat" (Ph. Gesch. 358). Was darin überwunden werden muß, ist die starre und abstrakte Fassung des Allgemeinen, welche nur zur Aufstellung einer Innerlichkeit kommt, dem das Äußerliche „ein Objekt, ein Anderes, ein Geheimnis" bleibt (ebd. 352). Dessen Überwindung führt von einem Subjektbegriff, welcher „sich nur abstrakt als geistlose Persönlichkeit in der Sprödigkeit des Ich zeigte" (ebd. 398), zum Begriff des Geistes; von der bestimmungslosen Innerlichkeit zu einer Unendlichkeit, die zugleich in sich selber Bestimmtheit ist. Der Übergang zu einem Bewußtsein, das sich in seinem Gegenstand mit sich vereint weiß, erfordert allerdings den Umweg über die stoische und skeptische Philosophie, in welcher das Ich „zur Form der Allgemeinheit gereinigt" und „damit der Boden des Gedankens gewonnen" wird (ebd. 398). Erst auf diesem Boden kann der Gedanke des Christentums, daß alle Menschen frei seien, Fuß fassen und zur Überwindung einer Realitätsform beitragen, welche die Aufhebung der innern Be-
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schränkung, in die sich die römische Fassung der Freiheit „im abstrakten Verstande der Endlichkeit" (ebd. 352) verstrickte, verhindert hatte. Auf einer ganz ändern Ebene würde sich jene Realwerdung abstrakter Allgemeinheit situieren, welche, wie Marx in seinem „Kapital" darzustellen sucht, den generellen Charakter einer fortgeschrittenen Gesellschaftsformation, sozusagen deren eigene Regression bezeichnet. Auch hier beginnt die Darstellung mit einer abstrakten Kategorie — der Ware —, die sowohl Grundlage wie Ermöglichung der auf ihr aufbauenden Konstitution des konkreten Kapitalverhältnisses ist. Die im ersten Teil skizzierten Vergleichsansätze des „Kapitals" mit der „Logik" haben gezeigt, daß die Ideellsetzung der anfänglichen Unmittelbarkeit durch das sich reproduzierende Kapitalverhältnis eine Ambivalenz aufweist, die sich selber schon in der realen Abstraktheit der Ware begründet findet. Bei Hegel bleibt das abstrakte Recht insofern abstrakt, als in ihm nur erst das Allgemeine als solches, ohne jegliche Vermittlung über die Besonderheit, festgehalten wird: seine negative Formulierung im Rechtsverbot ist Indiz für den Ausschluß des Konkreten und die wissentliche Selbstbeschränkung auf die bloße Möglichkeit. Deren Erfüllung in der bürgerlichen Gesellschaft ist in der Hegeischen Konstruktion sowohl über die Selbstbeziehung in der Moralität wie über das in der Familie auftauchende substantielle Element der Sittlichkeit selber vermittelt. Das Kapitalverhältnis hingegen bezeichnet eine Konkretion der anfänglichen Unmittelbarkeit sozusagen auf deren eigenen Boden, ohne daß die vorerst nur abstrakte Vermittlung von Subjekt und Gegenstand aus der Sphäre der Äußerlichkeit zurückgenommen würde. Der Übergang zum Kapital als dem „Wesen" führt gerade über die Selbstreflexion des Werts, in welchem sich die Abstraktion der Warensphäre kristallisiert: dessen Selbstreflexion bedeutet die Verabsolutierung des Abstrakten und die Negation des bei Hegel betonten „Triebs" der Unmittelbarkeit, sich selbst aufzuheben. So muß denn auch die „Ideellsetzung" des Ersten durch das Zweite etwas anderes bedeuten als bei Hegel: das Kapital hebt das Wertgesetz auf, insofern es wesentlich und notwendigerweise auf die Negation desselben hintendiert. Zugleich bleibt ihm aber die Geltung des Äquivalententauschs notwendige Prämisse, es setzt sie aus sich heraus, aber gerade nicht in Form eines Aufgehobenen, sondern in jener der Unmittelbarkeit, des ihm wesentlichen Scheins. In der Hegeischen Logik ist das Ideelle „das Endliche, wie es im wahrhaften Unendlichen ist, — als
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eine Bestimmung, Inhalt, der unterschieden, aber nicht selbständig seiend, sondern als Moment ist" (L 1165). Im Kapital setzt sich der Wert als selbständiger, und entsprechend ist das Kapital als in sich reflektierter Wert — so zugleich als Wesen, das die Unmittelbarkeit in sich aufheben sollte — nicht die wahre, sondern die „schlechte" Unendlichkeit des quantitativen, unendlichen Progresses. Die Einseitigkeit des Abstrakten wird nicht aufgehoben, das Unendliche bleibt selber endlich. In beiden Konstruktionen erweisen sich die Kategorien des Anfangs in ihrer Fortentwicklung als unwahre, doch in je verschiedener Weise. Im Kapital werden sie nicht dadurch zu unwahren, daß sie in konkreterer Fassung in ihre Wahrheit aufgehoben und zu deren bloßen Schein herabgesetzt werden. Sie erweisen sich im Gegenteil als für sich bestehende, während das aus ihnen erwachsende Kapitalverhältnis sich an ihm selber als das Unwahre zeigt, das noch für die Falschheit des Anfangs den Grund angibt; gerade in ihrer Unwahrheit ist die abstrakte Unmittelbarkeit noch die Wahrheit des Ganzen. Die Kritik an der realen Abstraktheit ist somit eine Kritik an der falschen Allgemeinheit, genauer: an der Partikularität, die unter dem Anschein der Allgemeinheit auftritt. Ein analoges Verhältnis zeigt sich bei Hegel in der Analyse des Unrechts, in welchem das Recht als „Schein — Gesetztwerden des Allgemeinen — als ein Besonderes" auftritt (R § 82N). Das an und für sich seiende Unrecht, das Verbrechen, negiert nicht nur „die Subsumtion einer Sache unter meinen Willen, sondern zugleich das Allgemeine, Unendliche im Prädikate des Meinigen, die Rechtsfähigkeit" (R § 95). Gerade das explizite Auftreten des Unrechts als bloßen Anscheins von Recht, des Partikularen als Negation des Allgemeinen, zieht seine eigene Aufhebung und die Wiederherstellung des Rechts notwendigerweise nach sich. Im Verbrechen zeigt sich das Unrecht als das, was es in Wirklichkeit ist, als Zwang, wie umgekehrt das abstrakte Recht als solches — das auf die Sphäre der Äußerlichkeit und auf mein Dasein in der Sache beschränkte Recht — sich als Zwangsrecht enthüllt (R § 94). Diese Charakterisierung könnte insgesamt auch auf das angewendet werden, was Marx in seiner Kritik der bürgerlichen Gesellschaft vor Augen hat. Die Allgemeinheit des Kapitals ist eben eine solche, welche nicht an und für sich allgemeiner Zweck zu sein vermag, sondern wesentlich partikular bleibt und sich letztlich als geschichtlich-faktischer Zwang offenbart, wenn sie auch versucht — so das „unbefangene Unrecht" bei Hegel (R § 84) —, sich als Allgemeines auszugeben und sich auf „Rechtsgründe" zu berufen, faktischen Zwang
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als bürgerlichen Rechtsstreit — „Recht wider Recht" (MEW 23, 249) — zu verhüllen und sich so vor dem auflösenden Selbstwiderspruch zu bewahren. Dies ist die „Wahrheit" jener schon mit der Warenkategorie auftretenden realen Unmittelbarkeit und Abstraktheit, die sich letztlich ihrer Aufhebung und somit der Freisetzung des in ihr nur potentiellen Freiheitsgehalts widersetzt. Wenn somit bei Hegel von einer Kritik des abstrakten Rechts gesprochen wird, so muß darin ein Zwiefaches unterschieden werden. Sie ist einerseits die Kritik an der Verabsolutierung der abstrakten Unmittelbarkeit, die sich zum Ganzen aufwirft, anderseits der Aufweis der Defizienz jenes abstrakten Rechts, das sich selber als ideelles Moment einem Ganzen eingliedert. Die Analyse der Logik hatte die These illustriert, daß dialektische Darstellung zugleich Kritik sei. In Bezug auf die reale Existenz des Geistes muß sich dies dahingehend präzisieren, daß diese Kritik einerseits die Widersprüchlichkeit jener geschichtlichen Gestalten aufweist, die in einer abstrakten Bestimmung des Geistes verharren und in dieser das Spezifische ihrer ganzen Existenz besitzen, und daß sie anderseits innerhalb der höheren Gestalt, in der jene erste Bestimmung zum Moment herabgesunken ist, den Mangel dieser einseitigen Bestimmung gegenüber dem Ganzen herausstellt. So ist die Darstellung des abstrakten Rechts in der „Rechtsphilosophie" schon durch die Selbstbeschränkung und Idealität dieser Sphäre eine Kritik an jener Gesellschaftsformation, welche sich ganz unter diese Bestimmung stellte, eine Kritik der römischen Welt. Es soll erst an späterer Stelle zur Sprache kommen, inwiefern sie auch Kritik — oder gar, wie bei Marx, Verurteilung — der bürgerlichen Gesellschaft ist; eine solche Kritik ist jedenfalls im ersten Abschnitt weder primäres Thema noch, wie in der realen Abstraktheit der Warenkategorie, bereits angelegt. Wichtig aber ist die Hervorhebung der komplementären Seite: Gerade die Freilassung der Besonderheit aus dem Allgemeinen, welche dessen Herabsinken zum selber nur Partikularen verhindert, bezeichnet auch den Mangel, welcher der ideellen Allgemeinheit in bezug auf die schon in ihr anvisierte Freiheit anhaftet. Es ist noch nicht jene Identität von Form und Inhalt vorhanden, welche nach der Logik die „Struktur" von Freiheit auszeichnet. Das Allgemeine wird zwar gewollt, aber noch nicht als solches, sondern in der Zufälligkeit des Besonderen. Es ist „zunächst nur als ein Sollen, weil der Wille noch nicht als ein solcher vorhanden ist, der sich von der Unmittelbarkeit des Interesses befreit, als besonderer den allgemeinen Willen zum Zweck hätte" (R § 86). Freiheit
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hat sich hier noch nicht als solche zum Inhalt. Als nur allgemeine bleibt sie in Äußerlichkeit gegenüber den besonderen Individuen und fällt letztlich selber dem Partikularismus anheim. So identifiziert sich die Kritik am Allgemeinen als Partikularen mit jener am Allgemeinen als nur Allgemeinen. In der Abstraktheit des Rechts liegt tatsächlich die Möglichkeit von dessen Pervertierung und Indienstnahme durch das Besondere. Es ist denn auch kein Zufall, daß Hegel den Übergang zur Moralität gerade über die Kategorie des Unrechts konstruiert. Das Unrecht als Auseinandertreten von Allgemeinem und Besonderem ist selber Kritik an der Abstraktkeit dieses Allgemeinen und impliziert den notwendigen Übergang zur Herstellung der Wirklichkeit dieses Allgemeinen, einer Wirklichkeit, die ihr Dasein nicht mehr in der äußerlichen Sache, sondern im subjektiven Willen selber hat.
B. Die Moralität Der Willensbegriff, der sich vom abstrakten Recht zur Moralität weiterbestimmt, vollzieht diesen Übergang über den Begriff des Verbrechens. Dieser Übergang, der im Begriff des Bösen als Überleitung von der Moralität zur Sittlichkeit seine Entsprechung finden wird, nimmt sowohl Motive aus, die bereits in den Jenenser Realphilosophien im Zusammenhang der Anerkennungsproblematik auftauchen, wie auch solche, die in der Logik ihren spezifischen Niederschlag gefunden haben. Generell entspricht der Übergang vom Recht zur Moralität jenem vom Sein zum Wesen; es geht um die Einholung und Aufhebung der anfänglichen abstrakten Unmittelbarkeit. Die höhere „Gestaltung ist ebenso zugleich die fortgebildete innere Begriffsbestimmtheit des Willens. Nach seinem Begriffe ist seine Verwirklichung an ihm selbst dies, das Ansichsein und die Form der Unmittelbarkeit, in welcher er zunächst ist und diese Gestalt am abstrakten Rechte hat, aufzuheben" (R § 104). Es entspricht einem allgemeinen Grundsatz der Logik, daß der Übergang zur in sich reflektierten Subjektivität zugleich über die höchste Zuspitzung der Äußerlichkeitsdimension führt. Indem im Verbrechen und seiner Vergeltung das abstrakte Recht sich als Zwangsrecht offenbart (R § 94; vgl. § 132 N), zeigt dieses zugleich seine Beschränktheit und verweist auf die es vervollständigende Stufe der sich entfalten-
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den Subjektivität11. Im Unrecht kommt das abstrakte Recht zu seiner eigenen, abstrakten Realität: „Im Unrecht ist der Wille der Rechtssphäre, sein abstraktes Ansichsein oder Unmittelbarkeit als Zufälligkeit durch den einzelnen selbst zufälligen Willen gesetzt" (R §104A). Das Zufällige aber ist nach der Logik „ein Wirkliches, das zugleich nur als möglich bestimmt. . . ist. Diese Wirklichkeit ist daher bloßes Sein oder Existenz, aber in seiner Wahrheit gesetzt, den Wert eines Gesetztseins oder der Möglichkeit zu haben" (L II205). Die „Irrealität", welche innerhalb der Sphäre des abstrakten Rechts der Freiheit als bloßer Möglichkeit anhaftet, wird im Unrecht explizit; in ihm zeigt sich, was das Element der abstrakten Allgemeinheit ist, wenn es für sich selber zur Existenz kommt: schlechte Partikularität. Im Unrecht ist zwar der Anfang einer Versubjektivierung der versachlichten Äußerlichkeit gemacht; doch als nur gegen das Allgemeine sich behauptender besonderer Wille, als ein Fürsichsein, das dem Ansich bloß entgegengesetzt ist, ist der Wille des Verbrechers nicht wirklich über den Formalismus des Rechts hinausgekommen, wiewohl er dessen Nichtigkeit bezeichnet. Desgleichen bleibt die Aufhebung des Verbrechens in Gestalt der Rache insofern mangelhaft, als sie selber nur die „Handlung eines besonderen Willens", dadurch aber „eine neue Verletzung" ist: „Sie verfällt als dieser Widerspruch in den Progreß ins Unendliche und erbt sich von Geschlechtern zu Geschlechtern ins Unbegrenzte fort" (R § 102). „Die Forderung, daß dieser Widerspruch . . ., der hier an der Art und Weise des Aufhebens des Unrechts vorhanden ist, aufgelöst sei, ist die Forderung einer vom subjektiven Interesse und Gestalt sowie von der Zufälligkeit der Macht befreiten, so nicht rächenden, sondern strafenden Gerechtigkeit. Darin liegt Zunächst die Forderung eines Willens, der als besonderer subjektiver Wille das Allgemeine als solches wolle" (R § 103). Die Notwendigkeit der Strafe, welche gleichermaßen die Forderung nach dieser höheren Instanz ist und den Übergang zur Sphäre der Moralität motiviert, liegt darin begründet, daß auch das Element des abstrakten Rechts, innerhalb dessen das Verbrechen als interne Negation hervorbricht, Dasein des an sich vernünftigen Willens ist. Sie ist in der Handlung des Verbrechers selber gesetzt: „Denn in seiner als eines Vernünftigen Handlung liegt, daß sie etwas Allgemeines, daß durch sie ein Gesetz aufgestellt ist, das 11
Vgl. R § 94N: „Weil persönlicher Wille abstrakt, in der äußerlichen Sache erschöpft, und umgekehrt, er ist nur äußerlicher Wille, nicht konkreter geistiger Wille. Sachlichkeit — des Eigentumsrechts — der Freiheit. Striktes Recht, — abstraktes Recht — geht das Innere noch nicht an."
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er in ihr für sich anerkannt hat, unter welches er also als unter sein Recht subsumiert werden darf" (R § 100)12. Die Aufhebung der abstrakten Entgegensetzung von Besonderem und Allgemeinen läßt einen Willen hervortreten, der nicht nur unmittelbar in der Äußerlichkeit das Dasein seiner Freiheit besitzt, sondern diese Freiheit selber zum Gegenstand macht, seine Freiheit selber will. Damit betritt die Rechtsphilosophie den Boden, auf dem die moderne Welt ihr Verständnis von Freiheit und Subjektivität ansiedelt. Der Standpunkt der Moralität, obzwar Ausdruck der Entzweiung von der ursprünglichen sittlichen Einheit, ist ein fürderhin unhintergehbarer — wie im theoretischen Bereich die mit Kant erreichte transzendentalphilosophische Position nicht mehr rückgängig zu machen ist, sondern höchstens nach vorne überschritten werden kann. Die „subjektive oder moralische Freiheit" ist zum modernen Freiheitsbegriff schlechthin geworden; sie „ist es vornehmlich, welche im europäischen Sinn Freiheit heißt" (E §503 A); „dies subjektive Moment der Freiheit beißt für sich vornehmlich auch Freiheit^ (R § 105 N)13. Die positive Hervorhebung des moralischen Standpunkts geschieht nicht nur in Anpassung an das Zeitverständnis, sondern beruht in erster Linie darauf, daß hier für sich selber zur Sprache kommt, was in gewissem Sinn Thema der ganzen Rechtsphilosophie ist: die Freiheit des Einzelnen, „das freie Individuum" (E § 503), die Stufe der Differenz, die auch in der Sphäre der sittlich und rechtlich existierenden Freiheit nicht überschlagen werden darf. Wenn sich die Literatur oft mit Abscheu von Hegels „Staatsabsolutismus" oder von der „Geschlossenheit der Geschichte" abwendet, in welcher dem Individuum nichts als die Unterwerfung unter die übermächtige Herrschaft des Staats oder gar des Weltgeistes übrigzubleiben scheint, so muß dagegen dieses Element der Autonomie und individuellen Selbstbestimmung festgehalten werden, das hier zwar gerade in der Aporetik seiner abstrakten Selbstbehauptung dargestellt und somit in einen über12
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Vgl. § 101 N: „Gesetztsein — es ist sein Wille, sein Gesetz. Das was er getan hat, wird zu einer Macht, feindselig gegen ihn ... Es ist die eigene Tat, die sich an ihm geltend macht . . . So hatte er es nicht gemeint — aber als Vernunft, als Wille getan." In Entsprechung dazu kann die emphatische Einführung der cartesianischen Philosophie in den Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie verstanden werden: Hier „treten wir eigentlich in eine selbständige Philosophie ein, welche weiß, daß sie selbständig aus der Vernunft kommt und daß das Selbstbewußtsein wesentliches Moment des Wahren ist. Hier, können wir sagen, sind wir zu Hause und können wie der Schiffer nach langer Umherfahrt auf der ungestümen See „Land" rufen" (Gesch. Ph. III120).
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greifenderen Zusammenhang eingegliedert wird, in diesem aber nicht einfach aufgegeben, sondern auf höherer Ebene wiederaufgenommen wird. Im Gesamtkomplex der Rechtsphilosophie ist die Moralität jene Stufe, welche den subjektiven Willen des Einzelnen als konstitutives Grundelement sowohl des Rechts wie des Staats herausarbeitet. Am Übergang vom Recht zur Moralität muß nun die erste Seite dieses Zusammenhangs aufgenommen und der Grund dafür ausgemacht werden, daß schon das abstrakte Recht als Dasein der Freiheit, als Instanz der sich verwirklichenden freien Subjektivität verstanden werden konnte. Zahlreich sind die Vergleichspunkte, die diese Beziehung in die Nähe jenes Übergangs rücken, der in der Logik vom Sein zum Wesen als seiner „Wahrheit" führt. Wie das Wesen ist das moralische Subjekt die Instanz des Fürsichwerdens eines anfänglichen Ansich, der Wirklichkeit oder des Daseins gegenüber der reinen Potentialität, des Verhältnisses gegenüber der ursprünglichen Einheit — die ebensosehr beziehungslose Zweiheit ist —, der Besonderheit gegenüber der Allgemeinheit, des Gesetztseins der vorerst nur daseienden Bestimmung. Das setzende Einholen von Voraussetzungen erwies sich in der Logik als wesentliches Freiheitsmoment des Wesensbegriffs in seiner Beziehung zum Sein. Die Bestimmungen des abstrakten Rechts waren als Äußerlichkeitsbestimmungen selber nur unmittelbar oder an sich Bestimmungen des freien Willens, erst das moralische Subjekt holt sein Dasein ins eigene Setzen zurück: „Der subjektive Wille ist insofern moralisch frei, als diese Bestimmungen innerlich als die seinigen gesetzt und von ihm gewollt werden" (E § 503). Nach dem Recht der Subjektivität „anerkennt und ist der Wille nur etwas, insofern es das Seinige, er darin sich als Subjektives ist" (R § 107). Das Einholen des Vorausgesetzten, das explizite Setzen der vorerst unmittelbaren Bestimmung als einer gewollten und anerkannten realisiert sich im Bereich des freien Willens als ein Zurücknehmen der äußerlichen Bestimmtheit in die Innerlichkeit des Subjekts. Ort des Daseins von Freiheit ist nicht mehr die Sache, sondern „der Boden der Existenz^ des Willens ist nun die Subjektivität" (R § 112)14. Moralisches Dasein, das sich in der „Handlung" äußert und auf anderes bezieht, ist vorerst und seinem Begriffe nach „das innerliche Verhalten des Wülens zu sich selbst" (R § 112 Z). Diese Umkehrung oder Negation des Verhältnisses, das im abstrakten Recht statthat, ist die Gestalt, unter der sich moralische Freiheit vor14
Vgl. § 104N: „Subjektiver Wille als Dasein des Willens".
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erst darstellt. Hierin repräsentiert sie die im Wesen vollzogene Aufhebung der Unmittelbarkeit: „Ich bin nicht mehr bloß frei in dieser unmittelbaren Sache, sondern ich bin es auch in der aufgehobenen Unmittelbarkeit, das heißt ich bin es in mir selbst, im Subjektiven" (R § 33 Z). Gerade diese Aufhebung der Form der Unmittelbarkeit, „in welcher er zunächst ist", ist für den Willen „seine Verwirklichung an ihm selbst" „nach seinem Begriffe" (R § 104). Die Zurücknahme in die Innerlichkeit ist zugleich die thematische Setzung dessen, was in der Äußerlichkeit nur an sich vorhanden war, nämlich der Tatsache, daß der Wille in seinem Dasein nichts als seine eigene Freiheit zu verwirklichen trachtet; die Moralität ist das Für-das-Subjekt-Werden genau dessen, worauf schon das abstrakte Recht aus war. So bemerkt Hegel in seinen Vorlesungsnotizen: „Zweite Stufe — ihr ist die erste Gegenstand— Ich bin für mich als für mich seiender Wille, weiß von mir als — fürmichseienden — bin bestimmt als subjektiver, bestimmt, subjektiver Wille zu sein" (R § 105N). Dadurch wird die Idealität, die schon dem abstrakten Recht zukam und noch dessen Unfreiheitssphäre ein Moment individueller Freiheit zuteilte, sozusagen in Kraft gesetzt, als Idealität oder aufgehobenes Moment gesetzt: „Eben der Wille als unendlicher bestimmt — hat ideell in sich gesetzt das Ansichseiende" (ebd.). Für sich in ihrer Unmittelbarkeit genommen, ist die erste Sphäre noch das Ganze, nur virtuell zum Moment herabgesetzt. Gerade diese Virtualität manifestiert sich in ihrer innern Selbstbeschränkung, welche zugleich Bedingung der Möglichkeit dafür ist, daß das unmittelbare Dasein überhaupt real vom Subjekt als aufgehobenes gesetzt werden kann. So stellt die Stufe der Moralität innerhalb der Rechtsphilosophie jene Instanz dar, welche der objektive Geist insgesamt verkörpert und worin er seine Endlichkeit hat: das reine Gesetztsein. Dieses ist zwar von allem Anfang an, aber nur an sich, identisch mit dem unmittelbaren Sein: „An sich ist rein subjektiver Wille und an sich seiender Wille identisch", ihre Identität selber aber „noch nicht gesetzt" (R § 105 N). Der „Prozeß" der Sphäre der Moralität wird gerade darin bestehen, „den zunächst nur für sich seienden Willen . . . für sich als identisch mit dem an sich seienden Willen zu setzen" (R § 106 A), eine Identifikation, welche nicht nur die erste mit der zweiten Stufe zusammenbringen, sondern gerade die innere Differenz der zweiten überwinden wird — als Für-sichidentisch-Werden der „reinen Gewißheit seiner selbst" mit der „abstrakten Allgemeinheit des Guten" (R § 141) —, entsprechend der logischen Form der Differenz, nach der nicht nur eines einem ändern sich
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entgegensetzt, sondern dadurch ebensosehr an ihm selbst zu einem Differenten, in sich Entzweiten wird. In diesem doppelten Sinne wird auch die Moralität als Stufe der Differenz innerhalb der umfassenden Konstellation der sich verwirklichenden Freiheit zu verstehen sein. Doch vorerst ist noch genauer zu bestimmen, in welchem Verhältnis Moralität zum Recht steht und inwiefern sie über dieses hinausgeht. „Die Realität des Rechts, welche sich der persönliche Wille zunächst auf unmittelbare Weise gibt, zeigt sich durch den subjektiven Willen, das dem Rechte-an-sich Dasein gebende oder auch von demselben sich abschneidende und ihm entgegengesetzte Moment, vermittelt" (E § 502). Wie im modernen Staat die Freiheit der Person Bedingung der Möglichkeit aller höheren, moralischen und sittlichen Verhältnisse ist, so ist umgekehrt die innere — „moralische" — Freiheit des Einzelnen Grundlage dafür, daß dieser in der Sphäre des Rechts seine eigene Freiheit wiedererkennen kann. Der Subjektivitätsbegriff erweist sich als fundierend für den Personbegriff im modernen Verständnis. Gerade darin unterscheidet sich die bürgerliche Gesellschaft von einer solchen, welche die abstrakte Gleichheit der Personen selber noch mit einem Naturrest behaftet läßt: als Prototyp dafür steht der durch Geburt und Herkunft definierte Stand der Freien im römischen Reich. Auch im abstrakten Recht bleibt somit ein Stück „Naturrecht" — im schlechten Sinn — zu eliminieren, wenn die Verfassung wirklicher Freiheit zur Sprache kommen soll15. Dieses Verlassen der Naturbasis und der Rekurs auf die freie Selbstbestimmung werden im moralischen Selbstbewußtsein explizit. In ihm offenbart sich das, was im unter das Recht subsumierten Bewußtsein verdeckt war: daß es noch in seiner Äußerlichkeit nichts als seine eigene Freiheit will. „Es ist absolute Vermittlung,. .. denn es ist wesentlich die Bewegung des Selbst, die Abstraktheit des unmittelbaren Daseins aufzuheben und sich Allgemeines zu werden ... In seinen wissenden Willen hat sich alle Gegenständlichkeit und Welt zurückgezogen. Es ist absolut frei, darin daß es seine Freiheit weiß, und eben dies Wissen seiner Freiheit ist seine Substanz und Zweck und einziger Inhalt" (PG 442). Diese Zurücknahme der unmittelbaren Bestimmtheit in die freie Selbstbestimmung des Subjekts ist es auch, welche in ihrer sukzessiven 15
Vgl. E § 502A: „In der Tat aber gründen sich das Recht und alle seine Bestimmungen allein auf die freie Persönlichkeit, eine Selbstbestimmung, welche vielmehr das Gegenteil der Naturbestimmung ist."
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Vertiefung die Gliederung des Moralitäts-Kapitels ausmacht und in den Haupttiteln ihren Ausdruck findet. Das moralische Recht des Ich besteht darin, seine Äußerlichkeit nicht mehr schlicht hinnehmen und als die seinige akzeptieren zu müssen, sondern auf dem Anspruch zu bestehen, „daß Etwas mein Vorsatz, Zweck, Interesse sei — von mir anerkannt für gut gehalten werde" (R § 107N). Der Vorsat^ betrifft hierin die formelle Beziehung des Daseins zu meinem innerlichen Wollen überhaupt: nur dasjenige habe ich in meiner Existenz und meiner Tat als meine Schuld anzuerkennen, was in meinem „Wissen und Willen lag" (E § 504); die heroische Totalverantwortung, nach welcher die Individuen für den ganzen Umfang ihres Daseins, somit noch für das „was sie leiden", schuldig sind, gehört der antiken Kunst, nicht dem modernen Selbstverständnis an (R § 118N)18. Die Absicht geht über die formelle Beziehung der Handlung auf das freie Selbstbewußtsein hinaus und verlangt, daß sowohl die besondere Handlung in ihrer wesentlichen, „substantiellen" Bestimmung vom Willen intendiert sei, wie auch daß sie, „der Materie nach", „die eigene Besonderheit des Subjekts, seine Bedürfnisse, Interessen und Zwecke enthalte, welche in einen Zweck gleichfalls zusammengefaßt, .. . sein Wohl ausmachen" (E § 505). Dieses moralische Recht spitzt sich im „Notrecht" zur Entgegensetzung gegen das abstrakte Recht zu: als Recht des Lebens überhaupt betrifft es die Totalität des individuellen Daseins, die „reale Seite der Persönlichkeit selbst", welche nicht mehr unter die abstrakte Legalität subsumierbar ist und ein „wahrhaftes Recht gegen formelles Recht" behauptet (R § 127N). Damit wird jene umfangmäßige Beschränkung, welche der Verfügbarkeit über menschliches Leben im abstrakten Recht auferlegt war, selber aktualisiert, die „Einseitigkeit und Idealität" der abstrakten Allgemeinheit „damit gesetzt" (R § 128). Die dritte Stufe der Subjektivierung anfänglicher Unmittelbarkeit besteht nun darin, nicht nur die einzelne Handlung in ihrer Bestimmtheit zu wollen, sondern in sich das Prinzip allen Wollens und aller Verpflichtung überhaupt zu besitzen. Wenn in der Rechtssphäre der Einzelne auf vorerst unmittelbare Weise mit Gesetzen und Verboten konfrontiert wird, so enthält demgegenüber der Begriff des Guten — der „das absolute Recht gegen das abstrakte Recht des Eigentums und die besondern Zwecke des Wollens" ist (R § 130) — die Forderung, noch das Allgemeine und die Verbindlichkeit gültiger Regeln selber mit der Einsicht des Einzelnen zu vereinen. Erst 16
Vgl. Aesth. I 243—246.
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damit ist der Rückgang auf die autonome Subjektivität vollständig geworden. Indem diese „alle Bestimmtheit des Rechts, der Pflicht und des Daseins" in sich „verflüchtigt" (R § 138), wird sie zugleich in positivem Sinn als Gewissen zum „absoluten Maßstab" (R § 137N). Dieser letzte Aspekt gibt auch die Richtung an, in welcher Moralität für sich selber weiter zu bestimmen ist. Bisher kam primär die „negative" Seite zur Sprache, wonach das moralische Subjekt in sich die Unmittelbarkeit des Daseins im abstrakten Recht aufhebt und noch dessen eigene Freiheitsdimension fundiert — eine Fundierung, die allerdings selber erst in der eigentlich „affirmativen" Funktion der Moralität begründet ist. Über die „Verflüchtigung" vorausgesetzter Bestimmungen hinaus ist nun jene komplementäre Seite zu thematisieren, nach welcher Moralität sich wesentlich als Setzung positiver Wirklichkeit, die Subjektivität sich als Prinzip von Bestimmung überhaupt erweist. Erst hier tritt der Inhalt als bestimmter ins Blickfeld, wird er in seiner Besonderheit von Bedeutung. In seinen Vorlesungsnotizen bemerkt Hegel: „Die Sphäre des Rechts enthält in ihrem Prinzip keine Bestimmtheit, denn es ist das Allgemeine der Freiheit der Persönlichkeit selbst. Deswegen Befugnis, Erlaubnis — aber Bestimmtheit, Besonderung gleichgültig . .. Im Moralischen binde ich mich, und finde ich mich, bin gebunden — Moralität Standpunkt der Bestimmung. — Das Allgemeine des Willens muß bestimmt sein" (R § 119N). Entsprechend wird die spezifische Realisierung der moralischen Subjektivität, die Handlung, charakterisiert: „Handlung ein Tun ... als aus mir bestimmt, damit als notwendige Bestimmung ... So enthält Handlung ein Positives" (R § 119N; vgl. § 120N). Erst damit kommt der faktische Vollzug des auf einer Stufe enthaltenen Freiheitspotentials über die Zufälligkeit und Willkürlichkeit hinaus, die ihm im abstrakten Recht anhaftete; erst dadurch wird dieser Vollzug selber zur wesentlichen Bestimmung der Sphäre: „Das Dasein, das der Wille im formellen Rechte sich gibt, ist in einer unmittelbaren Sache, ist selbst unmittelbar und hat für sich zunächst keine ausdrückliche Beziehung auf den Begriff" (R § 113A). Die Realisierung des Rechts als „unmittelbares Tun des freien Willens" (R § 113 N) ist gerade um der unmittelbaren Identität willen äußerlich gegenüber der Bestimmtheit dessen, worauf Recht seinem Prinzip nach aus ist. In der eigenen Realitätssphäre des Rechts, im Vertrag, ist das einfache Wort „die vollgültige Tat"; die „relativ-ideelle Äußerung in der Stipulation" (E §493) ist bereits die wirkliche Entäußerung, welche die Realität der Anerkennung herstellt. Nicht aber ist damit der seine Freiheit wollende Wille explizit
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in die eigene Selbstverwirklichung miteinbezogen. Was zur Existenz kommt, ist nur die Persönlichkeit selber, nicht das Subjekt in seiner Besonderheit. Die faktische Partikularität, unter der diese Realisierung des Rechts allemal steht, bleibt dadurch äußerlich, zufällig. Demgegenüber erhebt das moralische Subjekt den Anspruch, noch seine Besonderheit aus seinem eigenen Prinzip zu bestimmen: dies ist hier der konkrete Sinn des Einholens von Voraussetzungen. Die Handlung, die notwendig von äußern Voraussetzungen auszugehen hat und diese durch ihr Eingreifen modifiziert, anerkennt hierin nur das als ihre Wirklichkeit, was in ihrem Vorsatz lag, was die eigene Bestimmung des Willens ist. Ihre Realität ist ihr Gesetztsein. An Stelle der alle Äußerlichkeitsveränderung umgreifenden Tat gilt nun die aus dem Willen hervorgehende und allein in ihm gründende Handlung. Die Handlung wird dadurch zu jener Verwirklichung der subjektiven Freiheit, welche die Defizienzen der im Recht allein ermöglichten überwindet. Nicht mehr geht es nur um die — in sich unbestimmte — Verwirklichung des freien Willens überhaupt, sondern was sich als Verinnerlichung und Subjektivierung zeigte, ist zugleich wesentlich Setzung des Willens als eines besonderen, „Dasein der Besonderheit" (R § 113N): „Das Recht der Besonderheit des Subjekts, sich befriedigt zu finden, oder, was dasselbe ist, das Recht der subjektiven Freiheit macht den Wendeund Mittelpunkt in dem Unterschiede des Altertums und der modernen Zeit. Dies Recht in seiner Unendlichkeit ist im Christentum ausgesprochen und zum allgemeinen wirklichen Prinzip einer neuen Form der Welt gemacht worden" (R § 124 A). Das Heraustreten aus der abstrakten Allgemeinheit ist zugleich Überwindung der Idealität und Setzung positiver Realität. Die Sphäre der Moralität stellt „im ganzen die reale Seite des Begriffs der Freiheit dar" (R § 106A); gegenüber dem bloß ansichseienden ist sie die Sphäre des daseienden, fürsichseienden Willens, die Stufe der „Erscheinung des Willens" (R § 108). Auch in dieser Beziehung kommt hier positiv zur Geltung, was im Recht in negativer Formulierung angelegt war: die Veräußerung der eigenen Tätigkeit konnte nicht deren Totalität umfassen, weil sonst das Subjekt, das sich in seiner Entäußerung zu realisieren hatte, dieser gegenüber kein Übergreifendes mehr gewesen und seiner selbst verlustig gegangen wäre (vgl. § 67A). Entsprechend heißt es hier: „Was das Subjekt ist, ist die Reihe seiner Handlungen" (R § 124). Die Zurücknahme ins Subjekt, welche der moralischen Stufe entspricht, ist so erst Ermöglichung eigentlicher Objektivität, nämlich Setzung von bestimmter Wirklichkeit:
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„Handeln ist das Setzen der Absicht, objektiv machen, eben daß es nicht subjektiv sei ... Handlung ist Wirklichkeit" (R § 124N). Die Überschreitung der bloßen Potentialität auf gesetzte Wirklichkeit hin drückt sich in der positiven Wendung des moralischen Gebotes gegenüber dem negativen Rechtsverbot aus. Indem der moralische Wille ein wesentliches Selbstverhältnis konstituiert, kommt auch erst er zu einer „positiven Beziehung auf den Willen anderer" (R § 113 A). Zwar ist auch der Vertrag „Beziehung des Willens auf Willen" — „aber eines Anderen" (R § 104N): die Selbstvermittlung des Willens über sein anderes bleibt Fremdbeziehung, im Grunde Beziehungslosigkeit. In der Sphäre des Wesens ereignet sich die Überwindung dieser Fremdheit zugleich als Setzung der eigenen Subjektivität und Herstellung einer Wirklichkeit, die wesentlich „auf den Willen Anderer Beziehung hat" (R § 112N). Das moralische Gewissen ist die Miteinbeziehung des fremden Wohls in die Selbstbestimmung des Einzelnen. „So enthält Handlung ein Positives — eine im Wissen positiv gegründete Nötigung, Bestimmung zu dieser oder jener Äußerung. — Pflicht — Ich soll." (R § 119N). Der Terminus des Sollens ist indes Indiz der Brüchigkeit und Widersprüchlichkeit gerade dieser Positivität, die nun als höhere Bestimmung des Willens auftritt. Die ganze Abhandlung über die Moralität kann als eine Würdigung wie auch Kritik der Kantischen praktischen Philosophie verstanden werden, von der Hegel in der Logik sagt, daß sie, wie die Fichtesche, „als den höchsten Punkt der Auflösung des Widerspruchs der Vernunft das Sollen an [gibt], was aber vielmehr nur der Standpunkt des Beharrens in der Endlichkeit, und damit im Widerspruch, ist" (L 1148). O. Marquard macht in seiner Abhandlung „Hegel und das Sollen"17 gegen die traditionellen Mißverständnisse die Unterscheidung geltend zwischen dem, worauf die Hegeische Sollenskritik abzielt und dem, was in ihr nicht Gegenstand der Kritik wird. So geht es keineswegs darum, dem Sollen als Korrektivinstanz die bloße Realität entgegenzusetzen. Gerade damit Wirklichkeit auch in ihrem Realitätscharakter angemessen gefaßt werde, ist in ihr zugleich das zur Geltung zu bringen, was ihren normativen Aspekt ausmacht. Im vorliegenden Zusammenhang heißt das, daß der moderne Staat nur dann in seiner Wahrheit verstanden werden — und in seiner Wahrheit sein — kann, wenn mit seinem Anspruch, zugleich die Stufe 17
In: Schwierigkeiten mit der Geschichfsphilosophie, S. 37—51; vgl. zu dieser Frage sowie zum nächsten Abschnitt auch: Ritter, Moralität und Sittlichkeit, in: Metaphysik und Politik, S. 281—309.
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der Differenz, des Einzelnen in sich zu enthalten, sie voraus- und freizusetzen, voller Ernst gemacht wird. Denn gerade dies ist seine „ungeheure Stärke und Tiefe, das Prinzip der Subjektivität sich zum selbständigen Extreme der persönlichen Besonderheit vollenden zu lassen und zugleich es in die substantielle Einheit zurückzuführen und so in ihm selbst diese zu erhalten" (R § 260). Die Konstitution wahrer Einheit darf nichts an der Radikalität der Entzweiung unterdrücken oder ungeschehen machen. Wie der Einbruch der Freiheit des Subjekts in der Weltgeschichte den absoluten „Wendepunkt" darstellt, von dem her allein moderne „Sittlichkeit" ermöglicht wird, so muß auch systematisch zuerst in aller Deutlichkeit die Autorität des moralischen Subjekts herausgearbeitet werden, muß diese bis zur Spitze der absoluten Forderung einer Wirklichkeit, die zugleich allgemeine sei und nichts als die Besonderheit des Einzelnen zur Existenz bringe, getrieben werden, bevor in dieser Forderung selber die Notwendigkeit einer Zurücknahme in faktische Geschichte sich offenbart. Nur wenn in keiner Weise die Größe moralischer Selbstbestimmung gemindert wird, kann konkrete Gesellschaft sich als freie verstehen. Nichtsdestoweniger muß, gegen die Romantik und eine gewisse Aufklärung, gerade die Insuffizienz der auf ihrer Besonderheit bestehenden Subjektivität betont und deren Fixierung in der abstrakten „Entgegensetzung gegen das Allgemeine" ihrer Nichtigkeit überführt werden (R § 124A). Die Moralität zeigt ihre innere Aporetik in ihrem eigenen Kulminationspunkt: im Begriff des Guten. Das Gute, das schon bei Kant im Zentrum einer Grundlegung der Ethik stand, soll die Einseitigkeit überwinden, mit der die „Absicht" behaftet bleibt, indem diese zwar die Handlung nach ihrem wesentlichen Inhalte und im Hinblick auf ihr besonderes Wohl intendiert, in ihr jedoch die allgemeine Freiheitsbestimmung noch nicht mit dem besondern Willen zur Einheit gebracht ist. Im Guten setzt der Wille eine Bestimmung, die durch nichts als durch ihn selber gesetzt werden kann, somit wahrlich seine eigene ist, und die zugleich „das erfüllte, an und für sich bestimmte Allgemeine" ist (R § 128). So ist das Gute „die Idee, als Einheit des Begriffs des Willens und des besonderen Willens, in welcher das abstrakte Recht, wie das Wohl und die Subjektivität des Wissens und die Zufälligkeit des äußerlichen Daseins, als für sich selbständig aufgehoben, damit aber ihrem Wesen nach darin enthalten und erhalten sind, — die realisierte Freiheit, der absolute Endzweck der Welt" (R § 129). Insofern scheint hier in der Tat ein letztgültiger Boden für Praxis und praktische Philosophie
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erreicht, „das Prinzip . .. der Bestimmung im wesentlichen Willen" gesetzt (R § 134N), das Bestimmte selber, das Gute, als „das Objektive (oder vielmehr objektiv sein Sollende)" vorhanden (R § 129N), zu welchem der besondere Willen im eindeutigen Verhältnis steht, „darin schlechthin seine Verpflichtung" zu haben, die „Pflicht um der Pflicht willen" tun zu müssen (R § 133). Dies ist „das Verdienst und der hohe Standpunkt der Kantischen Philosophie im Praktischen gewesen, diese Bedeutung der Pflicht hervorgehoben zu haben" (R § 133 Z). Doch gerade auf dieser höchsten Spitze erweist sich die Begründung ethischen Handelns an ihr selber als mangelhaft, abstrakt. Wenn auch der kategorische Imperativ nicht einfach als leere Tautologie abgetan werden kann18, so bietet er doch keine Antwort auf den Hegeischen Einwand, daß er nur dann konkrete Pflichten abzuleiten gestattet, „wenn es sonst und für sich fest und vorausgesetzt ist, daß Eigentum und Menschenleben" und alle ändern in Frage kommenden Bestimmungen „sein und respektiert werden" sollen (R § 135 A). Sein einziges Prinzip ist nach Hegel der „Mangel des Widerspruchs und die formelle Identität", seine absolute Inhaltlichkeit schrumpft zur „abstrakten Unbestimmtheit" zusammen, von der aus „nicht zur Bestimmung von besonderen Pflichten übergegangen werden" kann (R § 135A). Die Idee des Guten sollte zwar auch jene des Wohlergehens der besondern Subjekte in sich enthalten. Da jedoch die Besonderheit hier „zunächst selbst noch abstrakt ist" (E § 508), noch keine konkrete Bestimmung in sich enthält außer eben derjenigen der autonomen Besonderheit selber, aus sich selbst bestimmend zu sein, so ist in Wirklichkeit „kein Prinzip der Bestimmung vorhanden" (ebd.), die absolute Forderung leer geworden: „was gefordert ist, ist also vielmehr das von allem bestimmten Inhalte Freie" (PG 314). Die höchste Spitze der Autonomie, welche nicht nur die Selbständigkeit des Subjekts, sondern konkreter dessen Selbstbestimmung im praktischen Handeln ausdrücken sollte, wkd in ihrer Verabsolutierung selber zum leeren Formalismus. Die Rekonstruktion der Logik hat bereits gezeigt, wie der umfassende Freiheitsbegriff, der in ihr zur Darstellung gelangt und der im ganzen ein Modell von Selbstbestimmung im Sinn von Selbstverwirklichung nachzeichnet, per se eine Kritik aller „partiellen" Freiheitsbestimmungen impliziert. Unter das Verdikt dieser „Partialität" fällt nun in einem ge18
Vgl. Henrich, Das Problem der Grundlegung der Ethik bei Kant und im spekulativen Idealismus, S. 363.
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wissen Sinn auch das Prinzip der moralischen Autonomie. Die in ihm ausgesprochene Forderung nach Universalisierbarkeit ist eher ein Kriterium von Freiheit als deren eigentliche begriffliche Bestimmung: sie ist zwar ein absoluter Maßstab, nicht aber der „inhaltliche" Grund für die Normativität von Freiheit. Normativ ist der Freiheitsbegriff dadurch, daß er, ähnlich wie der Wahrheitsbegriff selber, die unhintergehbare und allem Wirklichen gemeinsame Intention auf Selbstverwirklichung ausspricht, die Intention, überhaupt sich selbst zu sein, sich seinem Begriffe gemäß zu verwirklichen. „Die äußere Objektivität . .. macht gegen die innerlichen Bestimmungen des Willens das andere selbständige Extrem, eine eigentümliche Welt für sich aus" (E § 510). Deren Übereinstimmung mit dem Guten, dem vom Willen beabsichtigten allgemeinen Zweck, bleibt zufällig. Dies ist das Dilemma der reinen Bestimmtheit, in der die moralische Sphäre sich erfüllt. Weil ihr Inhalt „nur ein Gesetztes, nicht für sich, sich selbst haltend, wahrhaft substantiell" ist (R § 140 N), trotzdem aber faktische Handlung unter der Mannigfaltigkeit konkreter Möglichkeiten zu wählen hat, fällt die tatsächliche Realisierung freien Daseins in eben jene Willkür und Zufälligkeit zurück, zu deren Überwindung auf moralische Reflexion rekurriert wurde. Ja es muß sogar gesagt werden, daß die Stufe der Moralität in noch eminenterem Sinne die Freiheit als nur mögliche repräsentiert als das abstrakte Recht. Dessen Unvermögen, über die allgemeine Ermöglichung realer Freiheitsverhältnisse zu deren konkreter Bestimmung hinauszukommen, ist eher seine Schranke als sein Prinzip. Hingegen ist es das Prinzip der Moralität, die Wirklichkeit des Guten als eine geforderte, als ein Sollen auszusprechen. Das Subjekt als Gewissen ist zwar „die Gesinnung, das, was an und für sich gut ist, zu wollen" (R § 137), zugleich aber auch die Instanz, welche in Eigenverantwortung die Subsumtion des Einzelnen unter dieses in sich unbestimmte Allgemeine zu leisten und so, als beschließende, das Recht der Besonderheit zu verwirklichen hat. Da jedoch das Gewissen an ihm selber nichts weiter ist als „die unendliche formelle Gewißheit seiner selbst, die eben darum zugleich als die Gewißheit dieses Subjekts ist" (R § 137), bleibt ihm die Übereinstimmung des eigenen Wollens mit dem wirklichen Dasein der Freiheit äußerlich, zufällig. So ist auch in der Vertiefung der moralischen Selbstreflexion nicht über den „Standpunkt des Verhältnisses" (R § 135A; vgl. § 108) hinauszukommen; der höchste Einheitspunkt zeigt sich an ihm selber als höchste Entzweiung, als „der tiefste Widerspruch" (E § 508; vgl. R § 112A).
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Dies ist der zentrale Punkt der Kritik, die Hegel gegen die Kantische Moralphilosophie vorbringt. Diese erweist sich als unfähig, ihre Zeit wirklich zu erfassen, geschweige denn ihr vernünftige und berechtigte Vorschriften zu machen. Auch da, wo sie vom gegebenen geschichtlichen oder sittlichen Kontext ihren Ausgang nimmt und ihre formelle Beweiskraft an inhaltlicher Erkenntnis erprobt, ist sie nicht in der Lage, über die reine Form hinaus die wirkliche Intention in den Griff zu bekommen, die sittlichem Handeln zugrunde liegt (vgl. R § 135 A). Pointiert ausgedrückt: „Sein Vaterland zu verteidigen, die Glückseligkeit eines anderen ist Pflicht, nicht wegen ihres Inhalts, sondern weil es Pflicht ist" (Gesch. Ph. III368). Das Prinzip moralischer Selbstbestimmung kommt nicht über sich hinaus, es bleibt „bei diesem Gerede von Moralität stehen. Was aber moralisch ist, oder an ein System des sich verwirklichenden Geistes wird nicht gedacht.. . Die vollendete Moralität muß ein Jenseits bleiben" (ebd. 369). Die Freiheitsbestimmung des allgemeinen, an und für sich seienden Willens wird als das Wesentliche anerkannt, sie soll wirklich sein; doch gerade was dabei als mehr denn bloß faktische Wirklichkeit erscheint, erweist sich in seiner Zuspitzung als rein ideelle Notwendigkeit, als Verfehlen, ja als Unmöglichkeit wirklicher Konkretion. Wie solche von der Vernunft geforderte Einheit real zu begreifen und nicht nur als logisches Postulat aufzustellen sei, versucht Hegel in seiner im GeschichtsbegrifF kulminierenden Behandlung der Sittlichkeit sowie in der Lehre vom absoluten Geist zu demonstrieren. Doch Hegels Sollenskritik ist nicht als eine immanent philosophiegeschichtliche oder „nur" systematische Auseinandersetzung zu verstehen. Ebensosehr ist sie Widerspiegelung einer zeitgeschichtlichen Problemstellung, und seine Attacken gegen Kant finden ihre Ergänzung in den ungleich schärferen gegen die „Rabulisterei der Willkür" (R 20), die sich unter dem Namen der Philosophie herausnimmt, dem Staat Vorschriften zu machen und sich gegen ihn als alleinige Instanz des Wahren aufzuspielen. Zwar zeugt „dieser höchste Standpunkt der Subjektivität" von einer Überlegenheit gegenüber früheren Epochen, insofern er „nur in einer Zeit hoher Bildung entstehen" kann (R § 140 Z). Zugleich aber ist er für Hegel „die Krankheit dieser Zeit" (R § 138N). Gegen ihn ist ein Auffassen der Geschichte aus der Vernunft geltend zu machen, der Vernunft, die „eben diese Gewißheit [ist], Realität zu haben", und für welche der Grundsatz gilt: „Was sein soll, ist in der Tat auch, und was nur sein soll, ohne zu sein, hat keine Wahrheit" (PG
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192). Daß eine solche — wenn auch gefährlich formulierte — Auffassung nicht einem realitätsfremden Idealismus das Wort redet, sondern im Gegenteil das einzige wahre Begreifen konkreter Wirklichkeit meint, zeigt sich daran, daß sie gerade nicht das Gegebene in seiner oberflächlichen Erscheinung als Instanz der Wahrheit akzeptiert, sondern ihren Gegenstand nach seinem Begriff, somit diesen Begriff/// dem Gegenstand, in seiner Verwirklichung zu erfassen sucht: eben darin ist sie ebensosehr Kritik an der Selbstdefizienz des Wirklichen wie sie dessen Erkenntnis ist. Dies ist der Hauptgedanke, der Hegels Kritik an jener „Seichtigkeit" des Gedankens zugrunde liegt, welche „die Gegenwart für ein Eitles ansieht, über sie hinaus ist und es besser weiß" (R 25), damit aber selber der Eitelkeit, Irrealität und Lächerlichkeit verfällt. „Denn in der Wirklichkeit selbst steht es nicht so traurig um Vernünftigkeit und Gesetz, daß sie nur sein sollten" (L 1148). Dies ist der Gehalt des berühmten Diktums der Vernunft in der Geschichte, das allerdings erst in der Betrachtung der Geschichte selber seine positive Begründung finden wird. Hier geht es vorerst um die Zurückweisung jenes Wahrheitsanspruchs, mit dem subjektive Reflexion gegen das Wirkliche sich stark machen will. Auch hierfür steht ein geschichtliches Ereignis vor Augen: das Umschlagen des auf nichts als den reinen Freiheitsprinzipien begründeten revolutionären Staats in die absolute Verunmöglichung von Freiheit, in den durch nichts gebundenen Terror. Der Titel „die absolute Freiheit und der Schrecken", der in der Phänomenologie des Geistes die der Moralität unmittelbar vorhergehende Stufe bezeichnet, ist Ausdruck dieses notwendigen Zusammenhangs. Die „Auflösung der Ehrfurcht gegen das vorhandene Objektive in Sitte" (R § 138N), die vollständige Verflüchtigung jeglicher objektiven Bestimmtheit, in der der Wille seinen Rückhalt hätte, läßt die Freiheit „kein positives Werk noch Tat" hervorbringen; „es bleibt ihr nur das negative Tun-, sie ist nur die Furie des Verschwindens . .. Das einzige Werk und Tat der allgemeinen Freiheit ist daher der Tod", der „Schrecken des Todes" die Anschauung dieses in sich rein negativen Wesens des Abstrakten, Bestimmungslosen. Dessen absolute Freiheit ist totaler Selbstverlust, „der reine Schrecken des Negativen, das nichts Positives, nichts Erfüllendes in ihm hat" (PG 435 f., 439). Dieses Umschlagen zeigt sich indes nicht nur in der historischen Illustration als unvermeidliche Folge des reinen Prinzips der Selbstbestimmung. Hegel stellt es in der Rechtsphilosophie auch im systematischen Kontext dieses Prinzips selber dar: in der Dialektik des
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Bösen. Wie im „Unrecht" abstraktes Recht in seiner Isolierung sich als Verunmöglichung eben der Freiheit erwies, auf die es aus war, so wird das Böse zur Wahrheitsinstanz über das in sich geschlossene moralische Bewußtsein. Die Bestimmung des Bösen ist nicht nur als eine äußerlich hinzugekommene dem Guten entgegenzusetzen, sondern ist diesem selber wesentlich: „Nar der Mensch, und zwar insofern er auch böse sein kann, ist gut" (R § 139 Z). Der Ursprung des Bösen liegt im „Spekulativen der Freiheit, ihrer Notwendigkeit, aus der Natürlichkeit des Willens herauszugehen und gegen sie innerlich zu sein", ja „das Gewissen ist als formelle Subjektivität schlechthin dies, auf dem Sprunge zu sein, ins Böse umzuschlagen" (R § 139 A). Diese Ambivalenz folgt daraus, daß hier noch nicht das sittliche, in sich bestimmte, sondern nur das „formelle" (R § 137A) oder „abstrakte" (R § 138N) Gewissen vorhanden ist. Als reine Selbstgewißheit seiner selbst ist das Gewissen Verflüchtigung alles vorgegebenen Inhalts und autonomes Setzen der Bestimmung des Guten. Da diese in ihrer Abstraktheit jedoch nichts weiter als die formelle Nichtwidersprüchlichkeit enthält, so ist auch die faktischkonkrete Bestimmung, unter der jede Handlung sich vollziehen muß, der Willkür des Subjekts anheimgegeben; ihre Qualifikation als gute ist selber in die Überzeugung der moralischen Entscheidung gelegt. In diesem Auseinanderklaffen der Autonomie des Subjekts in seiner Besonderheit und des an sich seienden Guten, das von jenem als wesentliche Bestimmung gesetzt wird, ist zugleich die Möglichkeit enthalten, „die Gewißheit seiner selbst" als „das Wesen ... gegen das Ansich oder das Allgemeine, das nur als Moment gilt", zu setzen (PG 485): die abstrakte Möglichkeit des Bösen. Doch ist der begriffliche Übergang zum wirklichen Bösen bis hin zu dessen „letzter abstrusesten Form" der „sich als das Absolute behauptenden Subjektivität" (R § 140A) nicht beliebig, sondern nichts als die eigene Dialektik der Sphäre der Moralität, das Setzen und Fürsichwerden dessen, was in dieser an sich enthalten ist. Sowohl die allgemeine, sein sollende, wie die besondere, zu realisierende Bestimmung der Handlung ist ausschließlich dem Setzen und Beschluß der Subjektivität zu verdanken. Dieser höchste Punkt, auf dem die ganze Widersprüchlichkeit der moralischen Gewißheit zum Ausbruch kommt, ist die „abstrakteste Analyse des Geistes in ihm selbst, sein tiefstes Insichgehen" (E §511; vgl. R § 139N). Dieses In-sich-Gehen ist der Geist als moralischer. Was ihm noch übrig bleibt, ist, sich in dieser alknächtigen Funktion „als jenes Beschließen und Entscheiden über Wahrheit, Recht und Pflicht %u wissen" (R § 140 A), sich somit, als be-
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sonderer, dezidiert an die Stelle der nur sein sollenden allgemeinen Wirklichkeit zu setzen und sich als das letztlich allein Wahre anzuerkennen. Dies sind die Perversionen des Geistes, die in der Geschichte als Heuchelei, Probabilismus, schöne Seele, Ironie aufgetreten sind, und die zu ihrer Rechtfertigung allesamt auf die abstrakte Moralität rekurrieren, nichts als deren Exzeß sind. Ihre höchste Form, die Ironie, besteht darin, daß das Ich sich nicht nur nach seiner wesentlichen Seite, sondern noch in seiner Willkür als das Absolute setzt, als „Meister über das Gesetz und die Sache", mit der es, „als mit seinem Belieben, nur spielt" (R § 140A)19. Erst darin findet der in alledem anvisierte und zugrundeliegende Sachverhalt seine Schlußbestimmung. Indem der moralische Wille für sich selber wird, was er an sich ist, die „Eitelkeit alles sittlichen Inhalts" zur „Form" als „subjektive Eitelkeit" wird (ebd.), gelangt er zu jener Selbsterfassung, in der er sein eigenes Prinzip erschöpft und für sich selber vollständig dargestellt hat. Doch „diese höchste Spitze des Phänomens des Willens ... sinkt unmittelbar in sich zusammen" (E § 512). Denn „das Wahre ist nichts Ironisches" (R § 141 N). Indem das Subjekt gerade als rein formelle und bestimmungslose Identität sich als das Wahre weiß, ist es „die absolute Unwahrheit, die in sich zusammenfällt" (PG483). Das Subjektive will sich gegen das ansichseiende Allgemeine für sich als das Absolute konstituieren. In der Radikalität seiner Abstraktion und Entgegensetzung macht es sich jedoch an ihm selber zur gleichen Nichtigkeit und Unbestimmtheit, zu welcher ihm das Gute verkommen war. Beide fallen unmittelbar zusammen, sind dasselbe, „das ganz abstrakte Scheinen, das unmittelbare Verkehren und Vernichten seiner selbst" (E § 512). Schon in ihrer abstrakten Getrenntheit sind das „nur sein sottende Gute und die ebenso abstrakte, nur gut sein sollende Subjektivität — an ihnen selbst ihr Gegenteil" (R §141 A); zu ihrer Wahrheit gelangen sie dadurch, daß jedes an und für sich selber sich als sein anderes offenbart, daß ihre nur ansichseiende Identität gesetzt wird (vgl. R § 105N, § 106A). „Dies Gesetztwerden erreichen sie in ihrer Negativität, darin, daß sie, wie sie sich einseitig, jedes das nicht an ihnen haben zu sollen, was an sich an ihnen ist .. ., als Totalitäten für sich konstituieren, sich aufheben und dadurch zu Momenten herabsetzen, zu Momenten des Begriffs, der als ihre Einheit offenbar wird" (R § 141). Die positive Wirklichkeit, zu 19
Vgl. § 140A: Das Bewußtsein weiß sich als die „Macht" der Verkehrung des Guten in das Böse und des Bösen in das Gute.
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deren Momenten die Extreme sich machen, ist die Sittlichkeit, der in sich konkrete Geist. Es ist kein Zufall, daß der Übergang von der Moralität zur Sittlichkeit nach dem logischen Modell der Überwindung der Wesens-Relation auf den Begriff hin gefaßt wird. Es geht um das Innewerden dessen, daß das eine in seinem ändern nur durch sich selber gesetzt, in ihm bei sich, frei ist. Die moralische Selbstbestimmung, welche das Prinzip dessen, was Freiheit ist, ganz aus sich selber setzt, findet in der institutionellen Wirklichkeit nicht nur ihre Ergänzung und ihren Rückhalt, sondern die Verkörperung der eigenen Intention. Die Überwindung des wesensmäßigen Verhältnisses der Moralität innerhalb ihrer ist so zugleich die Vereinigung ihrer ganzen Sphäre mit jener des Rechts. Das moralische Subjekt, auf seine Spitze getrieben, erweist sich als „Betätigung und Entwicklung" (E § 512) des ansichseienden Willens, als Instanz der Verwirklichung dessen, was das abstrakte Recht noch unbestimmt verkörperte: die Freiheit des Menschen als solchen. Durch das Bewußtwerden dieser innern Identität ist die „Freiheit in ihrer wesentlichen Allgemeinheit selbst Gegenstand" geworden (R § 141 N); mit dem Übergang zur Sittlichkeit ist auf der Ebene des objektiven Geistes jene Stufe erreicht, welche auf der vorhergehenden der „freie Geist" war: der in sich konkrete Geist, der in seinem Dasein seine Freiheit will. So kann Hegel die Idee des Sittlichen „die Wahrheit des FreiheitsbegrifFes" nennen (R § 141 A). In ihr kommen die abstrakten Bestimmungen, die „für sich keine Wirklichkeit" haben (R § 141 Z), zu ihrer Wahrheit, in die sie „als in ihr Resultat zurückgehen" (R § 141 A). Die Sittlichkeit als Resultat, als „Bewiesenes" (ebd.), dies ist der wichtige Standpunkt, den Hegel gegen die Unmittelbarkeitsphilosophie hervorhebt, auch wenn — oder gerade weil — darin ein Inhalt geltend gemacht werden soll, der die freigelassene Reflexion an ihren Boden zurückbindet. Das Abgeleitete aber ist zugleich dasjenige, in das die abstrakten Bestimmungen „zurückgehen". Es ist die Wirklichkeit, die von Anfang an tragend war und noch die relative Selbständigkeit ihrer Bestimmungen aus sich heraus freisetzte. Wie Moralität sich als wesentliche Freiheitsinstanz gegenüber Recht und Sittlichkeit bewahren und in ihnen das Recht des Einzelnen gegen das übergreifende Ganze zur Geltung bringen muß, so erweist sich umgekehrt die Sittlichkeit als dasjenige, was allein der subjektiven Freiheit, in ihrer absoluten Radikalität, noch Wirklichkeit zu verschaffen vermag.
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C. Die Sittlichkeit Mit der Sittlichkeit ist jener Boden betreten, der nicht nur nach Hegels Selbstverständnis den abschließenden Standpunkt für die Betrachtung praktischer Freiheit liefert, sondern der auch in der HegelRezeption meist der zentrale — oft sogar ausschließliche — Ort der Auseinandersetzung mit seiner praktischen Philosophie war. Es ist erstaunlich, mit welcher Konsequenz die vorausgehende Erörterung der Moralität oft übergangen, ihre Verabschiedung der kantischen Position als rein negative Kritik begriffen und jene somit als für Hegel belanglos betrachtet wurde. In der Tat — und das ist die partielle Berechtigung einer solchen Auffassung — stellt die Sittlichkeit — und letztlich der Staat — die Dimension dar, in der Freiheit zu ihrer konkreten Existenz kommt und ihre verschiedenen Momente sowohl in ihrer relativen Selbständigkeit wie auch in ihrer Nichtigkeit dargestellt werden. Wenn aber in der spekulativen Betrachtungsweise das Konkrete nur als Resultat, das sich zum Grund seiner eigenen Vermittlung macht, wirklich und in seiner Wahrheit begriffen werden kann, so muß auch hier, soll nicht Wesentliches überschlagen werden und dialektische Darstellung zur Ideologie verkommen, sowohl die immanente „Logik" des Sittlichkeits-Kapitels wie auch dessen Rückbeziehung auf Recht und Moralität zur Sprache gebracht werden. Das bedeutet nun nicht, daß inhaltliche Elemente der Hegeischen Darstellung einfach ausgeschaltet werden sollen, noch daß über gewisse Bestimmungen, die in der Nachfolge Hegels als skandalös empfunden wurden und ihm das Renommee des erklärten Restaurationsapologeten eingebracht haben — wie die Verteidigung der erblichen Monarchie, die sittliche Notwendigkeit des Kriegs u. a. —, als über unwesentliche Details einfach hinwegzusehen sei. Wenn Hegels Anspruch, seine Zeit in Gedanken zu fassen, zu Recht bestehen soll, so muß in der Tat geklärt werden, ob und inwiefern er die Wahrheit dieser Zeit ausgesprochen hat. Trotzdem scheinen im Versuch einer Aktualisierung Hegels die Vorwürfe von Haym, Popper, Topitsch und Kiesewetter — wie auch ihre Zurückweisung oder zumindest biographische „Erklärung" durch Ilting — eher sekundär. Ob Hegel im Zeichen der Karlsbader Beschlüsse mit seiner persönlichen Meinung zurückgehalten und verschiedene Kapitel der Rechtsphilosophie nur in modifizierter Gestalt herausgegeben hat, ist weniger wichtig als die Frage, ob sein prinzipieller Ansatz das Begreifen freien — oder unfreien— Daseins in Staat und Geschichte erlaubt; daß an der Antwort auf diese
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grundsätzliche Frage etwas geändert werde durch diese kurzfristigen politischen Wandlungen, ist wenig wahrscheinlich, wie denn die Annahme, daß sich dadurch sein allgemeines philosophisches Konzept pervertiert habe, vollends absurd scheint. Die Frage, um die es vorrangig gehen muß, ist folgende: Gelingt es Hegel in seiner Erörterung der Sittlichkeit, die Antinomien einseitig-abstrakter Freiheitsbegriffe zu überwinden und zugleich den Anspruch, darin seine eigene Zeit in Begriffe zu fassen, glaubhaft zu vertreten? Des weiteren: Bietet Hegels Konstruktion auch für einen gegenwärtigen Versuch, geschichtliches Dasein zu begreifen, ein gültiges Modell oder zumindest eine brauchbare Hilfe? Auch wenn diese Fragen vielleicht erst in der abschließenden Gesamtbetrachtung ihre definitive Klärung erfahren können, so müssen sie doch gerade in der vorliegenden Problematik die allgemeine Perspektive der Untersuchung bestimmen. Bei aller Verschiedenheit des Inhalts ist schon der Name „Sittlichkeit" eindeutiges Indiz für die Bezugnahme auf das, was bereits der junge Hegel als Gegenentwurf zur modernen Zerrissenheit postuliert hatte: die griechische „schöne Freiheit". Der Bezug wird belegt in einer Vorlesungsnotiz Hegels: „Sitte — * — die Alten wußten nichts vom Gewissen ... — ^ — Gewohnheit, Gebrauch" (R § 151 N). Wenn auch etymologisch gleichbedeutend mit „Moralität"20, enthält „Sittlichkeit" im Hinweis auf die „Sitten" eines Volks eine Referenz auf das unmittelbare Einssein des Individuums mit dem politischen Ganzen, wie es im griechischen Ideal seine exemplarische Verkörperung gefunden hatte. Dahin geht auch der Verweis auf die „Natürlichkeit", die mit der Ebene der Sittlichkeit erreicht ist: diese ist „die selbstbewußte Freiheit zur Natur geworden" (E § 513), allerdings eine selber nicht unmittelbare, sondern „%weite Natur, die an die Stelle des ersten bloß natürlichen Willens gesetzt" ist, „der als eine Welt lebendige und vorhandene Geist, dessen Substanz so erst als Geist ist" (R § 151). Gegen die Zerrissenheit der modernen Welt wie gegen das auf seine reine Innerlichkeit zurückgeworfene Selbst gilt es, die Idee wirklich gewordener Versöhnung zur Geltung zu bringen. Das „sittliche Reich", das in der Blüte des Griechentums real wurde, ist die „unbefleckte, durch keinen Zwiespalt verunreinigte Welt" (PG 341), ein „ruhiges Gleichgewicht aller Teile", in dem „jeder Teil ein einheimischer Geist [ist], der seine 20
Vgl. R § 33 A: Trotz dieser Verwandtschaft will Hegel „diese einmal verschiedenen Worte für verschiedene Begriffe" benutzen.
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Befriedigung nicht jenseits seiner sucht, sondern sie in sich darum hat, weil er selbst in diesem Gleichgewichte mit dem Ganzen ist" (PG 340). „Die lebendige sittliche Welt" ist insofern „der Geist in seiner Wahrheit" (PG 326), als seine Elemente hier in ihrer konkreten Einheit, nicht mehr in ihrer Abstraktheit vorhanden sind. Zwar macht Hegel auch auf das Ungenügen der griechischen Sittlichkeit aufmerksam: „Weil die Subjektivität vom griechischen Geist noch nicht in ihrer Tiefe erfaßt ist, so ist die wahrhafte Versöhnung in ihm noch nicht vorhanden" (Ph. Gesch. 306). Das Verharren im Unmittelbaren ermöglicht nur den Standpunkt „der Schönheit", noch nicht „den höhern Punkt der Wahrheit" (ebd. 308), zu welchem „die unendliche Form", „die Befreiung von dem natürlichen Momente" der Sinnlichkeit und Unmittelbarkeit unabdingbar ist (ebd. 323). So gesehen, bildet die Stufe der Moralität eine der Sittlichkeit gegenüber höhere Instanz, und es entspricht ihrem logischen Begriffe, daß sie in der weltgeschichtlichen Abfolge erst nach jener, als deren Zerfall und Untergang aufgetreten ist. Wenn sie in der Rechtsphilosophie, die nicht wie die Phänomenologie eine Art „idealtypische"21 Rekonstruktion der Geschichte, sondern eine systematische Darstellung der Gegenwart intendiert, der Sittlichkeit vorgelagert ist, so ist darin ausgesprochen, in welch anderer Hinsicht auch noch die ursprüngliche Einheit der höheren Entzweiung gegenüber vorzuziehen ist. Sie ist ihr vorzuziehen, insofern in ihr jene Freiheit, auf welche moralische Reflexion aus ist ohne sie wirklich zu erreichen, selber real ist — wenn auch mit dem Makel der Unmittelbarkeit behaftet und sozusagen „unter" dem Niveau, auf dem subjektive Freiheit sich ansiedeln wollte. So stellt sich auch in der Rechtsphilosophie die Sittlichkeit vorerst als Instanz der Wirklichkeit dar, während abstraktes Recht und Moralität sich in ihrer Isolierung als Abstraktion, Irrealität, bloße Möglichkeit erwiesen. Erst das sittliche Bewußtsein kommt zu festen Bestimmungen und damit zur Überwindung jener Willkür und Bestimmungslosigkeit, durch welche sich Freiheit bisher auszeichnete. Indem solchermaßen die abstrakten Momente in ihrer Nichtigkeit erkannt werden, setzt sich das Ganze als jene Wirklichkeit, welche ihre Momente als ideelle in sich enthält, ihnen aber gerade dadurch erst ihre Selbständigkeit und Gültigkeit zuteilt. Erst als im Sittlichen aufgehobene werden Moralität und Recht selber real, erhalten sie jene Realität, welche nicht ob ihres Formalismus zur Selbstdestruktion verurteilt ist. 21
Gadamer, Hegels Dialektik des Selbstbewußtseins 231.
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Die Realwerdung der vordem irrealen Bestimmung ist dadurch bedingt, daß deren Getrenntheit aufgehoben, ihre prinzipielle Identität erkannt und verwirklicht wird. Das Sittliche ist jene dem Individuum zugleich gegenüberstehende und mit ihm identische Wirklichkeit, in welcher dieses die „Wahrheit" seiner „Gewißheit", sein „eigenes Wesen" seine „innere Allgemeinheit wirklich" besitzt (R § 153). Die Auflösung der Aporie, in welche das moralische Selbstbewußtsein sich verstrickt hatte, erwies sich ja, zugleich die Zurückführung der Sphäre der Innerlichkeit in die vorerst verabscheute Äußerlichkeit gesellschaftlicher und rechtlicher Existenz zu sein. Der Begriff der Sittlichkeit, der zur Bezeichnung dieser vorerst noch nicht weiter spezifizierten Vereinigung eingeführt wurde, ist so die „Idee der Freiheit", „der %ur vorhandenen Welt und %ur Natur des Selbstbewußtseins gewordene Begriff der Freiheit" (R § 142). Was er für sich selber inhaltlich bezeichnet, ist „der wirkliche Geist einer Familie und eines Volks" (R § 156). Nicht mehr die Rechtsperson noch das moralische Selbstbewußtsein sind „Subjekt" der sich sittlich verwirklichenden Freiheit, sondern der in sich konkrete Geist. Es wird zu prüfen sein, inwiefern jene in diesem nicht einfach eliminiert sind, sondern gerade zu ihrem eigenen Recht gelangen. Dazu muß präzisiert werden, in welchem Verhältnis das Individuum zu den Bestimmungen steht, in die sich die sittliche Substanz auseinanderlegt, und die ihm als „an und für sich seiende Gesetze und Einrichtungen" (R § 144) gelten. In diesen hat sich die existierende Vernunft einen „festen Inhalt" (R § 144) gegeben, und mit Zustimmung zitiert Hegel jenen Pythagoreer, der die Frage nach der besten Erziehung damit beantwortete, daß das Individuum „zum Bürger eines Staats von guten Gesetzen" zu machen sei (R § 153 A). Das Sittliche selber ist somit nichts anderes als „das System dieser Bestimmungen"; eben darin liegt seine „Vernünftigkeit" (R § 145). Diese Thesen, die Hegel der ausführlichen Erörterung der Konstellation der Sittlichkeit vorausstellt, können wohl erst in dieser, und letztlich erst in deren Abschluß, der Geschichtsphilosophie, ihre Begründung finden. Sie sind, vergleicht man sie mit vorhegelschen Konzepten praktischer Philosophie, erstaunlich genug. J. Ritter hat in seiner Studie Moralität und Sittlichkeit die Bedeutung und den philosophiegeschichtlichen Hintergrund dieses Ansatzes herausgearbeitet22. Nach ihm korrigiert Hegel die bei Wolff und vollends bei Kant eingetretene „Abstraktheit der Morali22
In: Metaphysik und Politik; vgl. auch die Aufsätze von Riedel in: Studien %u Hegels Rechtsphilosophie.
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tat" — die „in der Trennung und Ablösung von den Gestaltungen der Sittlichkeit nicht als der Grund und die Substanz der politischen und gesellschaftlichen Institutionen gilt" — dadurch, daß er „die zur Tradition der 'Politik' des Aristoteles gehörige institutionelle Ethik" wieder aufnimmt, dies allerdings nicht als „einfache Erneuerung noch Fortführung", sondern so, daß er „das große Prinzip der Subjektivität und Moralität in diese einbringt und zu ihrem Subjekt macht"23. Hierin wird noch die erste, abstrakteste Sphäre in ihrer Isoliertheit aufgehoben und in das sittliche Ganze integriert; in der Vereinigung von Ethik und Politik hat Hegel zugleich „die kantische Trennung von Tugend und Recht rückgängig gemacht. Er hat Moralität und Sittlichkeit in den Zusammenhang des Rechtssystems hineingenommen und dieses als Grund und Bedingung der Sittlichkeit begriffen (vgl. § 4): Freiheit ohne die Voraussetzung des Rechts vermag nur als innere Möglichkeit, nicht als sittliche Wirklichkeit zu bestehen"24. Die notwendige Überschreitung der Innerlichkeit liegt schon im moralischen Willen selber begründet, insofern zu diesem wesentlich die Kategorie der Handlung gehört. Bereits „der formale Wille als Selbstbewußtsein" ist nach Hegel der „Prozeß", „den subjektiven Zweck durch die Vermittlung der Tätigkeit und eines Mittels in die Objektivität %u übersetzen", „Was hier ausgeführt werden soll, ist der Begriff der Freiheit . . .; seine Vollführung, Objektivierung ist seine Entwicklung" (R § 8, 8N). Diese Einheit, die in der Moralität an sich vorhanden ist, wird erst auf der Ebene der Sittlichkeit für das Bewußtsein selber; erst hier erkennt es in den objektiven Bestimmungen, unter denen sein Handeln sich vollzieht, sowohl sich selber wie das, was Freiheit wesentlich ausmacht. Dies ist der Doppelcharakter, durch den objektives Gesetz wie subjektive Pflicht im sittlichen Bereich sich auszeichnen. Die „sittlichen Mächte" haben für das Subjekt einerseits die Bedeutung, „daß sie sind, im höchsten Sinn der Selbständigkeit, — eine absolute, unendlich festere Autorität und Macht als das Sein der Natur". „Anderseits sind sie dem Subjekte nicht ein Fremdes, sondern es gibt das Zeugnis des Geistes von ihnen als von seinem eigenen Wesen, in welchem es sein Selbstgefühl hat und darin als seinem von sich ununterschiedenen Elemente lebt" (R § § 145 ff.). Ähnlich hatte schon Kant das Phänomen der Achtung vor dem Gesetz beschrieben: es ist die Anerkennung eines absoluten Maßstabs, der für 23 84
S. 298, 300. Ebd. 309.
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uns absolute Geltung hat, uns aber trotzdem nicht fremd ist, sondern im Gegenteil gerade deshalb von uns anerkannt wird, weil wir das Verbindliche in ihm als unserem eigenen Wesen entspringend erkennen. Die Zurückführung rechtlicher und moralischer Autorität ins sittliche Gesetz, welches zugleich selbständiger Gegenstand ist und in „verhältnisloser Identität" mit dem Subjekte steht (R § 147 A), widerspiegelt sich in der Konvergenz von Recht und Pflicht. Diese fallen „in Eins, und der Mensch hat durch das Sittliche insofern Rechte, als er Pflichten, und Pflichten, insofern er Rechte hat". Das Dasein der substantiellen Sittlichkeit, „d. h. ihr Recht, daß ich sie, ihr Dasein respektiere, meine Pflicht, — ist auch mein Recht> es ist das Dasein meiner Freiheit" (R § 155, 155N; vgl. E § 486). Durch die Identifikation der in ihrem ersten Auftreten entgegengesetzten Aspekte kommt das zum Ausdruck, was in jedem von ihnen bereits an sich vorhanden war. Indem ich der Pflicht folge, unterwerfe ich mich nicht irgendeiner objektiven Macht, um darin meine persönliche Freiheit einzuschränken und die eines anderen zur Geltung zu bringen. Solange die größere Freiheit des einen durch die größere Unfreiheit des ändern bedingt ist, kann keine wahre Freiheit sein. Das sittliche Verhältnis impliziert, daß ich im gleichen Akt, in dem ich mich binde, mich befreie. „Als Beschränkung kann die bindende Pflicht nur gegen die unbestimmte Subjektivität oder abstrakte Freiheit und gegen die Triebe des natürlichen oder des sein unbestimmtes Gute aus seiner Willkür bestimmenden moralischen Willens erscheinen. Das Individuum hat aber in der Pflicht vielmehr seine Befreiung" In ihr befreit es sich von der Abhängigkeit im Naturtriebe und der Irrealität, in der es als rein moralisches befangen bleibt, befreit es sich „zur substantiellen Freiheit" (R § 149; vgl. § 149 Z). Sittliche Pflicht ist nicht eine Beschränkung von Freiheit, sondern von deren Gegenteil, abstrakter Freiheit oder Unfreiheit : darin ist sie Befreiung. In ihr erweist sich von neuem die Brüchigkeit der Entgegensetzung von positiver und negativer Freiheit. Beide sind in ihrer Abstraktheit gleichermaßen unwahr. Wenn die existentialphilosophische Verherrlichung des Engagements gegen die Karikatur rein subjektiver, „idealistischer" Freiheit ein Wahres zur Geltung bringt, so muß gegen sie festgehalten werden, daß Bindung für sich noch keine Gewähr für Erfüllung ist. Gerade hierin sucht Hegel über das griechische Modell hinauszugehen, daß nicht einfach von der Identität der Person mit dem Gemeinwesen die Rede ist, daß nicht nur das Subjekt in der Substanz aufgehen, sondern diese an ihr selber „ebensosehr" Subjekt sein soll. Nur weil der Inhalt des Sittlichen an ihm diese kon-
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krete Bestimmung hat, kann die reale Subjektivität die „absolute Form und die existierende Wirklichkeit der Substanz", die „adäquate Existenz" des Freiheitsbegriffs selber sein (R § 152, 152A). Dies sind die Hauptbestimmungen, anhand derer Hegel sein allgemeines Konzept der Sittlichkeit vorstellt. So in seiner Allgemeinheit genommen, könnte es vorerst als der Versuch gedeutet werden, die Einheit aller Bestimmungen, unter denen praktische Philosophie bei seinen Vorgängern angegangen wurde, so zu denken, daß dadurch die Antinomien und Aporien, in die sich die meisten dieser Ansätze treiben ließen, vermieden sein sollten. Wie aber kann eine solche Konstruktion mehr als die bloße Behauptung des „sowohl — als auch" sein, wie ihre Denkbarkeit und Einsichtigkeit gerechtfertigt werden? Hegel rekurriert hier verschiedentlich auf die Logik, um ihr sozusagen die Beweislast zuzuschieben. In ihr wird die spekulative Betrachtungsweise, die auch in der Rechtsphilosophie Geltung haben soll, sowohl für sich selber „abgeleitet" wie auch in ihrer Funktion als grundlegende Form der Realwissenschaft dargestellt. Diese ist die Erkenntnis der absoluten Idee, wie sie in Natur und Geist ihr Dasein hat. Doch ist der einfache Verweis auf die Logik — und die Parallelisierung des Übergangs zur Sittlichkeit mit jenem zum Begriff — noch kein Beleg dafür, daß just der Inhalt, den Hegel in der Rechtsphilosophie als das Sittliche beschreibt, in der von ihm in Anspruch genommenen Beziehung zu Recht und Moralität steht, diese als Momente in sich befaßt und ihre Wahrheit — die Wahrheit realer Freiheit — ist. Dazu müssen die ihn konstituierenden Begriffe in ihrem eigenen Zusammenhang untersucht werden. Auch wenn Hegels Versuch plausibel und überzeugend scheint, praktische Philosophie als Philosophie des objektiven Geistes zu entwerfen und in Erneuerung der aristotelischen Politik die von Kant herausgearbeitete Autonomie des Subjekts auch noch als Grund und Boden der institutionellen Wirklichkeit zu begreifen, in welcher Freiheit sich zu verwirklichen hat, so bleibt doch der Marxsche Einwand des Mißlingens dieses Projekts zu nahe, als daß man mit diesem allzu unmittelbar sich identifizieren könnte. Nicht nur melden die Schriften des jungen Marx explizite Kritik an der Hegeischen Rechts- und insbesondere Staatsphilosophie an, auch das „Kapital" bleibt insofern Gegenentwurf, als es Darstellung einer bürgerlichen Gesellschaft ist, deren auswuchernde Entwicklung sowohl den Staat wie die Familie sozusagen als ergänzende Hilfsinstitutionen völlig absorbiert. So bleibt denn zu präzisieren, in welchem Maß die Hegeische Konstruktion tatsächlich einsichtig ist; aber auch: was denn in Wahr-
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heit Anspruch und kritische Intention der Hegeischen Beschreibung ist. In der Tat nimmt Hegel die Vereinigung von Recht und Moralität im Sittlichen nicht einfach unmittelbar in Anspruch, sondern versucht nachzuweisen, wie jene sich in den sittlichen Institutionen gegenseitig verschränken und je für sich zu ihrer Geltung gelangen, wie sich auf den verschiedenen Stufen die Dialektik von Allgemeinem und Besonderem in je anderer Weise darstellt. Das Sittliche ist nicht ununterschiedene Einheit. Es kann seinem Anspruch nur gerecht werden, konkreter Geist sein, „als sich Wissendes und Wirkliches, indem [es] die Objektivierung seiner selbst, die Bewegung durch die Form seiner Momente ist" (R § 157). Das erste dieser Momente, „der sittliche Geist als in seiner Unmittelbarkeit'''' (E § 518), ist die Familie. Im Hinblick auf die vorausgegangene allgemeine Kennzeichnung der Sittlichkeit kann sie als jene Gestalt bezeichnet werden, in welcher der reine — oder auch bloße — Begriff dieser Sittlichkeit real wird. In ihr kommen die Bestimmungen äußerlichen und innerlichen Freiseins zu ihrer vollständigen Durchdringung, in der sie, als solche, ihre Eigenbedeutung vollständig verlieren und in ihre unterschiedslose Einheit zusammenfallen. Von Recht im strikten Sinn, von einem Verhältnis von Personen kann dabei nur eben dort die Rede sein, wo „die Familie in die Auflösung übergeht" (R § 159): die Rechtsbestimmungen sind dem Bande der Familie „an sich fremd" (E § 522). Desgleichen verhält es sich mit der komplementären Bestimmung, die der Moralität zugrunde liegt: der Autonomie des in sich reflektierten Subjekts. Zwar ist die substantielle Einheit der Familie ein „gegen die Äußerlichkeit" (R § 159 Z) gewendetes Sich-Zurückziehen in die Intimität der Selbstbeziehung. Diese aber ist nicht die des einzelnen Individuums, sondern der elementaren InterSubjektivität, der Liebe. Liebe aber heißt „das Bewußtsein meiner Einheit mit einem anderen, so daß ich für mich nicht isoliert bin, sondern mein Selbstbewußtsein nur als Aufgebung meines Fürsichseins gewinne". „Die Liebe ist daher der ungeheuerste Widerspruch, den der Verstand nicht lösen kann, indem es nichts Härteres gibt als diese Punktualität des Selbstbewußtseins, die negiert wird und die ich doch als affirmativ haben soll. Die Liebe ist das Hervorbringen und die Auflösung des Widerspruchs zugleich: als die Auflösung ist sie die sittliche Einigkeit" (R § 158Z). Man weiß, wie stark der junge Hegel den Begriff der Liebe ins Zentrum seiner frühen philosophischen Versuche gestellt hatte, wie nah auch sein ursprüngliches Dialektik-Konzept mit dem Liebesbegriff verwandt war. Doch ist eben-
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so klar — und die notwendige Weiterentwicklung zum System zeugt davon — daß das, was zu denken ist — Einheit —, in der Gestalt der Liebe erst ihre unmittelbare, nicht adäquate Darstellung findet. So findet auch das, was geschichtlich zu Wirklichkeit werden soll — Freiheit —, in der Liebe nicht seine angemessene Verkörperung. Diese enthält zwar die beiden reale Freiheit konstituierenden Momente als aufgehobene in sich, ist insofern eine Gestalt des Wahren. Da jedoch diese Momente in ihr noch nicht gleichermaßen wieder zur Selbständigkeit entlassen sind, bleibt sie, als Gestalt, unwahr, eine dem Inhalte noch unangemessene Form. Nichtsdestoweniger stellt die Familie eine für sich absolute sittliche Macht dar, der alle Ehre und Autorität gebührt, welche dem Sittlichen als solchem zukommt. Ja, in ihrer noch nicht durch die subjektive Reflexion getrübten Unmittelbarkeit ist sie gewissermaßen ein reineres Abbild sittlicher Einheit als Staat und Gesellschaft; in ihr waltet nach den Worten der „Phänomenologie" das „göttliche Gesetz", dem gegenüber das Gemeinwesen sowohl in seinem einfachen Selbst wie in seiner sich ausbreitenden Gliederung „nur" das „menschliche Gesetz" repräsentiert (PG328ff.). Es ist allerdings der Bereich dieses „menschlichen Gesetzes", der in der Auseinandersetzung um die Rechtsphilosophie meist das Hauptinteresse auf sich gezogen hat. Dies ist nicht nur von der größeren Aktualität der Thematik her verständlich, sondern auch systematisch nicht unbegründet. Wenn der Anspruch, mit dem die Instanz der Sittlichkeit eingeführt wird, eingelöst werden soll, so muß diese sich an ihr selber als die „Wahrheit" des objektiven Geistes erweisen. Dies bedeutet aber: sie muß nicht nur die Einheit der im Vorhergehenden als getrennt geschilderten Momente sein, sondern in dieser Einheit sowohl die grundlegende Identität wie auch die ebenso wesentliche Getrenntheit einsichtig machen; darin erfährt auch die bisherige Darstellung mit ihrem Ausgang vom unmittelbarsten Dasein der Freiheit ihre inhaltliche Begründung. Gemäß dem Übergang von der Moralität zur Sittlichkeit soll diese der begriffslogisch gefaßten Einheit entsprechen. Das heißt aber, daß in ihr ebenso zur Darstellung der immanenten Entzweiung fortgeschritten werden muß, wie die übergreifende und „freie" Macht des Begriffs, die Differenz in sich „auszuhalten", zur Geltung zu bringen ist. In diesem Zusammenhang muß die Schilderung der bürgerlichen Gesellschaft und deren Rückführung in den Staat gesehen werden. Hier manifestiert sich im systematischen Kontext, was in der Einleitung als Spezifikum der Hegeischen Rechtsphilosophie hervorgehoben wurde: die Transforma-
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tion des durch wesentliche Elemente der aristotelischen und kantischen Philosophie gebildeten Ethik-Konzepts durch die Miteinbeziehung von Erkenntnissen aus Nationalökonomie und moderner Staatswissenschaft. Dadurch wird in den Augen Hegels nicht nur die moderne Zeit, sondern auch die Idee der Sittlichkeit selber in ihrer Wahrheit gefaßt: denn gerade die moderne Welt, der „die Schöpfung der bürgerlichen Gesellschaft" angehört, läßt „allen Bestimmungen der Idee erst ihr Recht widerfahren" (R § 182 Z). Den modernen Staat als jene Einheit zu begreifen, welche die Entzweiung in sich enthält, impliziert für die Darstellung, daß die in der Familie — „als der sittlichen Idee, als die noch in ihrem Begriffe ist"— noch „gebundenen Momente . . . zur selbständigen Realität entlassen werden" (R § 181). Es ist dies gegenüber jenem ursprünglichen Ethos „die Stufe der Differenz", die zunächst als „Verlust der Sittlichkeit" (ebd.) erscheint, indem die „Personen", in die sich der konkrete Geist unterscheidet, „nicht die absolute Einheit, sondern ihre eigene Besonderheit und ihr Fürsichsein in ihrem Bewußtsein und zu ihrem Zwecke haben, — das System der Atomistik" (E § 523). Logisch gesehen ist es die Ebene des „Reflexionsverhältnisses", in welchem das Besondere sich zwar auf die Allgemeinheit bezieht, diese aber „nur noch innerliche Grundlage und deswegen auf formelle, in das Besondere nur scheinende Weise ist" (R § 181): „Die Substanz wird auf diese Weise nur zu einem allgemeinen, vermittelnden Zusammenhange von selbständigen Extremen und von deren besonderen Interessen" (E § 523). Wenn die Sittlichkeit in Analogie zur Begriffslogik die Dialektik von Allgemeinem, Einzelnem und Besonderem darstellen soll, so kann zwar den einzelnen Stufen jeweils eine dieser Bestimmungen schwerpunktmäßig zugeordnet werden, dies aber zugleich so, daß nicht von dieser Bestimmung in ihrer Ausschließlichkeit, sondern eher von ihrer jeweils verschiedenen Vermittlungsart mit dem Ganzen die Rede ist. Eben dadurch zeichnen sich Familie, Gesellschaft und Staat als Momente des modernen Gemeinwesens aus. Prinzip der bürgerlichen Gesellschaft ist die Person „als besondere", aber gerade in konkreter „Beziehung auf andere solche Besonderheit, so daß jede durch die andere und zugleich schlechthin nur als durch die Form der Allgemeinheit, das andere Prinzip, vermittelt sich geltend macht und befriedigt" (R § 182). Es ist das System der Besonderheit — der „Atomistik" —, in dem das Allgemeine zum Mittel degradiert, vom Partikularen in Dienst genommen wird. Für sich betrachtet ist es das System der schlechten Unendlichkeit, des Maßlosen, „der Ausschweifung" (R § 185,185 Z). Daß das Prinzip der subjektiven
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Reflexion und „selbständigen Besonderheit" nicht nur für die griechische Sittlichkeit als „das hereinbrechende Sittenverderben" und „Grund des Untergangs" auftritt — dies weil der ursprünglichen Identität „die wahrhaft unendliche Kraft mangelte", den Gegensatz in sich auszuhalten (R § 185 A) —, sondern daß es auch das moderne Staatswesen fortwährend mit der Gefahr der Selbstdestruktion bedroht, diesen Tatbestand in keiner Weise wegzuleugnen und trotzdem am Entwurf eines umfassenden, sich am Freiheitsbegriff direkt orientierenden Staatsbegriffs festzuhalten, dies ist die Aufgabe, deren Realisierungsbedingungen hier zu klären sind. Als „System allseitiger Abhängigkeit" kann man, so Hegel, die bürgerliche Gesellschaft „zunächst als den äußeren Staat, — Not- und Verstandesstaat" (R § 183), seine Allgemeinheit als eine der Verstandeskategorien ansehen. Die Logik der Reflexionsbestimmungen hatte das Verstandesdenken als jenes Denken dargelegt und kritisiert, das in der Entgegensetzung verharrt und die Erfassung des wirklich Lebendigen, Konkreten verunmöglicht. Ebenso aber hat sich gezeigt, daß am abstrakten Denken nicht primär dieses selber, sondern seine Losgelöstheit, sein „Auswuchern" zu kritisieren war; als Moment wahrer Erkenntnis ist das Festhalten der unterschiedenen Bestimmungen gegeneinander ebenso wesentlich wie deren dialektische In-Bezug-Setzung und spekulative Zusammenfassung. Die gleiche Ambivalenz haftet bürgerlicher Gesellschaft an. Die Tendenz zur destruktiven Selbstentfesselung ist ihr nicht akzidentell, sondern Teil ihres Wesens. Zugleich in dieser Tendenz sucht Hegel sie zu erfassen und in jener, welche ihre Wahrheit, ihre Einordnung im Ganzen ausmacht — kraft derer sie in der Lage ist, der erstem nicht, wie die „alten Staaten", erliegen zu müssen (R § 185 A). Diese ganze Zwielichtigkeit drückt sich aus in den wiederholten „zunächst" (R §§181, 183, E §523): Entzweiung erscheint zunächst als pure Negation von Einheit. Dies ihr erstes Auftreten ist aber nur ihre halbe Wahrheit. Bürgerliche Gesellschaft „als die Differenz" setzt in Wirklichkeit „den Staat voraus, den sie als Selbständiges vor sich haben muß, um zu bestehen"; ihre geschichtliche Ausbildung erfolgt denn auch „später als die des Staates" (R § 182Z). Sie ist nicht nur das Entgegengesetzte eines Ersten, sondern immanente Differenz einer umfassenden Totalität, die eigene Negativität des Ganzen. In diesem Sinne ist sie jene Instanz des konkreten Geistes, welche dafür verantwortlich ist, daß dieser sich in seine abstrakten Momente auseinanderlegt: somit auch Grund dafür, daß die Rechtsphilosophie vorerst die Sphären von Recht und Moralität abhandelt, bevor der real
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existierende Geist als sittlicher zur Darstellung kommt. Die Unmittelbarkeit des abstrakten Rechts, mit der die Analyse einsetzt und die zuerst nur als abstrakte Seite auftritt, und das moralische Selbstbewußtsein, in welchem das einzelne Subjekt seinen Selbstbestimmungsanspruch geltend macht, beide werden hier als Momente des wirklichen Geistes eingeholt. Was im Recht in seiner abstrakten Allgemeinheit Thema war — die Person —, ist hier als Subjekt konkret-geschichtlicher Verhältnisse gedacht: als „konkrete Person" (R § 182) in ihrer Besonderheit, ihren Bedürfnissen, ihrer Beziehung zu ändern. „Die Individuen sind als Bürger dieses Staates Privatpersonen, welche ihr eigenes Interesse zu ihrem Zwecke haben" (R § 187). Noch im Begriff der Person kommt hier das eigene Wollen und Bedürfnis des Einzelnen zur Geltung. Anderseits wird der allgemeine Zusammenhang der Personen, der im Rechtsbegriff angelegt ist, in der „Gesetzgebung" selber konkretisiert und erhält in der „Bekanntmachung" seine äußere Verbindlichkeit: sein Bekanntsein ist „als Dasein des Anundfürsichseienden in dieser Sphäre, des Rechts, zugleich äußerlich objektives Dasein, als allgemeines Gelten und Notwendigkeit" (E § 530). Sogar die Zufälligkeit, welche Indiz der Insuffizienz der abstrakten Freiheitsbestimmungen war, erhält im konkreten Geist sein Recht zugewiesen. In den Bereich faktischer Geschichte eingelassen, stößt die Idee notwendig auf die Schranke ihrer Bestimmung: sie darf, soll sie nicht selber zur formellen Verstandesidentität zusammenschrumpfen, das Endliche nicht derart übergreifen, daß sie es noch in seiner stofflichen Besonderheit zu deduzieren gestattet. Auch — und gerade — als konkret bestimmtes kann das Gesetz nur allgemeines sein. „Die schließliche Bestimmtheit, die schlechthin wesentlich ist . .., kann in dieser Sphäre des Endlichen nur auf eine mit Zufälligkeit und Willkür verbundene Weise erhalten werden. ... So tritt von selbst, aber freilich nur an den Enden des Bestimmens, an der Seite des äußerlichen Daseins, das Positive als Zufälligkeit und Willkürlichkeit in das Recht ein" (E § 529). Sowohl im „System der Bedürfnisse" — der Vermittlung des Bedürfnisses des Einzelnen mit dem aller ändern — wie in der „Rechtspflege" — der Absicherung „des darin enthaltenen Allgemeinen der Freiheit" — bleibt letztlich zufällig, ob in der Tat der Einzelne im Allgemeinen seine Befriedigung findet (R § 188). Zweck der bürgerlichen Gesellschaft ist aber nicht nur diese Befriedigung überhaupt, sondern dieselbe „auf eine feste allgemeine Weise, d. i. die Sicherung dieser Befriedigung" (E § 533): diese letzte Vermittlung, derer die Gesellschaft bedarf, zu leisten, ist Aufgabe von Polizei und Korporation.
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Dies sind nach Hegel die Institutionen, welche, auf dem Boden der Besonderheit, deren Vermittlung mit dem allgemeinen Zweck gewährleisten und damit erst den besonderen Interessen eine Wirklichkeit zukommen lassen, welche nicht fiktiv oder gar ihr eigenes Gegenteil ist. Wenn hier kurz die Hauptbestimmungen erwähnt wurden, anhand derer Hegel die bürgerliche Gesellschaft analysiert, so ist klar, daß es dabei mehr auf die mögliche Überzeugungskraft des dahinter stehenden systematischen Gedankengangs ankam als auf die inhaltliche Spezifizierung seiner Momente. Der Versuch, die zeitgebundene institutionelle Beschreibung — dies gilt auch für das Kapitel über den Staat — in ihren Details auch nur schon für Hegels eigene Epoche rechtfertigen zu wollen, scheint, wenn nicht illusorisch, so doch müßig. Noch häufiger als die Logik oder die Phänomenologie läßt die Rechtsphilosophie die Frage aufkommen, ob nicht auch anders argumentiert werden könnte, eine andere inhaltliche Bestimmung zuerst — oder an Stelle der vorgeschlagenen — einzuführen sei. Doch auch wenn der Versuchung zu widerstehen ist, den Text von der Oberfläche des Ganzen her und auf Kosten der Einzelanalyse zu interpretieren, so kann es doch für den Zweck dieser Untersuchung nicht primär darum gehen, ob und in welchem Maße die Korporation, die Stände, die Konstitutionelle Monarchie usw. in der Tat präzis jene Aufgaben erfüllen können, die Hegel ihnen zuweist — noch weniger darum, inwieweit sie sie zur Zeit Hegels tatsächlich erfüllt haben. Eine solche Untersuchung, die gewiß, sollte die Rechtsphilosophie in ihrer Integralität „gerettet" werden, nicht ohne Bedeutung sowohl für deren Verständnis wie kritische Analyse wäre, müßte eine großenteils historische sein25. Gewiß ist die sich aufdrängende Frage nicht einfach von der Hand zu weisen, ob Hegel die Verhältnisse seiner Zeit kritisch dargestellt, schlicht beschrieben, oder ideologisch verfälscht habe. Doch ist ebenso klar, daß sie sich nicht schon mit dem Hinweis auf institutionelle Formen, die dem heutigen Bewußtsein eher als Verunmöglichung realer Freiheit erscheinen müssen, in negativem Sinne beantworten läßt. Zu fragen ist folgendes: läßt sich die von Hegel in Anspruch genommene Vereinigung subjektiver Freiheit mit geschichtlich-institutionell entstandener Wirklichkeit kohärent denken? 26
Zahlreiche, auch neuere Studien sind der Aufarbeitung der Hegeischen Rechtsphilosophie in ihrem historischen Kontext gewidmet. S. z. B. Rolf K. Hocevar, Hegel und der Preußische Staat. Ein Kommentar s^ur Rechtsphilosophie von 1821, München 1973.
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Die Theorie des objektiven Geistes
Lassen sich — zumindest als Forderung — Institutionen entwerfen, die in der Tat zugleich jene Festigkeit darstellen, derer menschliche Freiheit bedarf, um nicht irreal zu werden, und doch ihrem Wesen nach nichts als die Selbstobjektivierung eben dieser Freiheit sind; die also in der Tat über die gängige — aporetische — Alternative von negativer und „positiver" Freiheit hinaushelfen? Und hier: Macht es Sinn, Gesellschaft als jenen Ort zu denken, der Allgemeines und Besonderes, Inneres und Äußeres derart vermittelt, daß er zugleich als Mitte zwischen den — diese beiden Seiten je anders enthaltenden — Extremen von Familie und Staat erscheint ? Im Kontext dieser Problematik sollten hier die Bestimmungen des objektiven Geistes, insbesondere der Sittlichkeit, zur Sprache kommen. Mit dem Zerfall der „Innigkeit" der Familie, deren Übergang in die bürgerliche Gesellschaft, fand der Einbruch rechtlicher Bestimmungen in die Sphäre der Sittlichkeit statt. Der konkrete Geist erwies sich als dasjenige, was durch sich selbst seine innere „Abstraktion" setzt, sich in seine Momente unterscheidet und dadurch noch den Grund dafür abgibt, daß diese als von ihm gänzlich unabhängige, in ihrer reinen Abstraktheit, die erste Erscheinung des objektiven Geistes ausmachen konnten. Abstraktes Recht und Moralität hatten in ihrer Getrenntheit den gleichen Formalismus, die gleiche Zufälligkeit und Irrealität der Freiheit zum Resultat. In ihrem bestimmten Unterschied werden sie erst hier, als vom konkreten Geist unterschiedene, als dessen eigene „gesetzte Abstraktion" sichtbar (L II 299). So ist es nicht erstaunlich, daß in der Mitte des ganzen Sittlichkeitskapitels die „Rechtspflege" zu finden ist: in ihr geht es gerade um das „Dasein" und die „objektive Wirklichkeit" dessen (R § 209 f.), was anfangs als die abstrakteste Unmittelbarkeit, als reine Äußerlichkeit des Geistes erschien. Desgleichen findet in der vorangehenden Bestimmung — der notwendigen Unterscheidung der Gesellschaft in „Stände" — „die Moralität. . . ihre eigentümliche Stelle", weil hier „die Reflexion auf sein Tun, der Zweck der besonderen Bedürfnisses und des Wohls herrschend ist" (R § 207). Die bürgerliche Gesellschaft als das Auseinandertreten und reale Gegeneinander-Bestimmtsein der komplementären Bestimmungselemente von Freiheit enthüllt einen Zug am allgemeinen Wesen des Geistes selber. „Die allgemeine Substanz als lebendig existiert nur, insofern sie sich organisch besondert" (E § 527); „um dazusein"'', muß der Begriff überhaupt „in die Bestimmtheit und Besonderheit" treten, nur dadurch kann das Individuum „Wirklichkeit und sittliche Objektivität gewinnen" (R § 207 A). Vom Geist hatte sich
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gezeigt, daß sein Begriff die Notwendigkeit der eigenen Verwirklichung, damit der Doppelbewegung von Entzweiung und Vereinigung ausspricht. Die „ungeheure Kraft", als die sich der sittliche Geist insgesamt erweisen soll, ist — gerade als Macht der Einheit — ebensosehr die Kraft, die Extreme in völliger Selbständigkeit gegeneinander zu setzen; nur wo die Entzweiung auf ihre schärfste Spitze getrieben wird, ist Vereinigung nicht Resignation. Die „Tiefe" des Geistes ist „nur so tief, als er in seiner Auslegung sich auszubreiten und sich zu verlieren getraut" (PG 18). Es bestätigt sich hier, was die Logik der Reflexionsbestimmungen anhand der bloßen Form der Entzweiung demonstriert hatte: nur das uneingeschränkte Ernstnehmen der verstandeslogischen Kategorien in ihrer abstrakten Entgegensetzung erlaubt es, dasjenige an ihnen zur Geltung zu bringen, was über sie hinaus ist. Dies ist die Spannung, die diesem „schwersten" Teil der Logik wie den entsprechenden Konstellationen der Realphilosophie innewohnt: seine Wahrheit gerade an seinem Gegenteil zu erweisen. Im Hinblick auf die Geschichte sowohl des Individuums wie des allgemeinen Geistes stellt dieses sich-Losreißen von der ursprünglichen Einheit ein wesentliches Merkmal jenes Prozesses dar, den Hegel mit dem Begriff der „Bildung" faßt. Die Bildung, die in der Phänomenologie des Geistes im Zusammenhang des „sich entfremdeten Geistes" eingeführt wird (PG 359), bedeutet für den Einzelnen das sich von seiner Natürlichkeit Befreien und individuelle Heraufarbeiten zu jenem Standpunkt, auf dem die Geschichte objektiv angelangt ist (PG Vorrede). Sie ist für das „Subjekt die harte Arbeit gegen die bloße Subjektivität des Benehmens, gegen die Unmittelbarkeit der Begierde sowie gegen die subjektive Eitelkeit der Empfindung und die Willkür des Beliebens" (R § 187 A). Die bürgerliche Gesellschaft ist gerade als Herstellung des allgemeinen Zusammenhangs der Privatpersonen jene Instanz, welche diese Überwindung der natürlichen Partikularität ihren Mitgliedern — auch gegen deren eigenes Bewußtsein — abverlangt; ihr objektives Interesse, „das Interesse der Idee hierin" ist, die vielen Einzelnen „%ar formellen Freiheit und formellen Allgemeinheit des Wissens und Wollens zu erheben, die Subjektivität in ihrer Besonderheit zu bilden" (R § 187). Darin drückt sich die allgemeine Notwendigkeit des Geistes aus, seine Wirklichkeit nur dadurch zu haben, „daß er sich in sich selbst entzweit, in den Naturbedürfnissen und in dem Zusammenhange dieser äußeren Notwendigkeit sich diese Schranke und Endlichkeit gibt und eben damit, daß er sich in sie hineinbildet^ sie überwindet und darin sein objektives
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Dasein gewinnt" (R § 187 A). Das „Hineinbilden" des Geistes ins Endliche erfordert das „Herausbilden" des Allgemeinen aus diesem. Der erste Schritt der Realisierung des Geistes besteht darin, daß die natürliche Unmittelbarkeit „weggearbeitet werde" und die „Äußerlichkeit die Vernünftigkeit, der sie fähig ist, erhalte, nämlich die Form der Allgemeinheit, die Verständigkeit. Auf diese Weise nur ist der Geist in dieser Äußerlichkeit als solcher einheimisch und bei sich" (ebd.). So stark andernorts auf die Defizienz dieser nur verstandesmäßigen Allgemeinheit insistiert und von dieser die wahre Vernünftigkeit abgehoben wird, so stark muß Bildung als unentbehrliches, „immanentes Moment des Absoluten" hervorgehoben werden; als solches hat sie „unendlichen Wert" (R § 187A). „In ihrer absoluten Bestimmung" ist sie sowohl „die Befreiung' — als Auflösung der natürlichen Gebundenheit — wie auch „die Arbeit der höheren Befreiung" (ebd.) —insofern sie noch für die Befreiung von der formellen Allgemeinheit subjektiver Freiheit die Bedingung und den Anstoß liefert. Insofern sie zwischen der „natürlichen" und der „geistigen" „Substantialität der Sittlichkeit" vermittelnde Mitte ist, ist sie „der absolute Durchgangspunkt" (ebd.)26. In ihm sollen beide Extreme vorhanden sein, das eine ebensosehr wie das andere absolute Geltung haben: einerseits das Recht des Subjekts, „daß, was in der bürgerlichen Gesellschaft . . . durch die Vernunft notwendig ist, zugleich durch die Willkür vermittelt geschehe", diese sogar „die letzte und wesentliche Bestimmung" des ganzen vergegenständlichten Bereichs sei, welcher „für das subjektive Bewußtsein die Gestalt hat, das Werk seines Willens zu sein" (R §206, 206A); anderseits die Tatsache, daß „das Individuum Sohn der bürgerlichen Gesellschaft geworden" ist, welche zugleich „die ungeheure Macht [ist], die den Menschen an sich reißt, von ihm fordert, daß er für sie arbeite und daß er alles durch sie sei und vermittels ihrer tue" (R § 238, 2382). Doch scheint schon die Rede vom „Durchgangspunkt"—mit ihrem eher seinslogischen Anklang — auf dieDefizienz der hier realisierten und realisierbaren Freiheit hinzuweisen. Der Durchgangspunkt, durch den die sich verwirklichende Einheit hindurchzugehen, den sie aber auch 24
Man erinnert sich, daß auch bei Marx die bürgerliche Gesellschaft als „Durchgangspunkt", als „nur eine gegensätzliche Form der Entwicklung" dargestellt wurde: dies ist die historische Abbildung der systematischen Zwischenposition, die bürgerliche Gesellschaft in einem seinem Begriff konformen sittlichen Gemeinwesen innehat, auf eine Geschichte, in der sie sich in selbstdestruktiver Manier zum Ganzen aufgeworfen hat; vgl. Res. 18, GR 26, 414, 438.
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hinter sich zu lassen hat, ist der Standpunkt der Entzweiung, oder genauer: der Einheit in Form der Entzweiung. J. Ritter macht auf die „positive Bedeutung der Entzweiung" aufmerksam, durch welche sich diese von der oft mit ihr gleichgesetzten „Entfremdung" unterscheidet. Entzweiung ist „als solche für Hegel die geschichtliche Form der Einheit, die nicht Einerleiheit i s t . . . Während die Entzweiung an sich die Funktion hat, in den Entzweiten zusammen die Einheit zu erhalten, wird sie zur Entfremdung, wenn ihr Widerspruch beseitigt und eine widerspruchsfreie Einheit hergestellt wird. Daher erhält die Philosophie bei Hegel die Aufgabe, die Entfremdung dadurch aufzuheben, daß sie die Positivität der Entzweiung als Form der Einheit aus ihr zurückgewinnt"27. In den beiden oben genannten Hinsichten — der Privatpersonen und der Gesellschaft als umfassender „Macht" — stellt sich Einheit auf je entgegengesetzte Weise, mit unterschiedlicher Dominante her: „Es ist das System der in ihre Extreme verlorenen Sittlichkeit" (R § 184). Nichtsdestoweniger bleibt die bürgerliche Gesellschaft eine Bestimmung der sittlichen Idee, sie ist sozusagen auf die herzustellende Einheit verpflichtet. Diese tritt indes hier „nicht als Freiheit, sondern als Notwendigkeit" auf (R § 186); analog dem logischen Sprachgebrauch im Übergang vom Wesen zum Begriff nennt Hegel sie die „innere Notwendigkeit" (R § 184): jene Einheit, welche durch Manifestation der Identität der sie konstituierenden Glieder zur freien wird. Letztere sind jedoch in der Gestalt der bürgerlichen Gesellschaft noch nicht identisch: Besonderheit und Allgemeinheit verteilen sich auf die Seiten von Inhalt und Form: ihre Einheit ist nichts als die „Notwendigkeit, daß das Besondere sich zur Form der Allgemeinheit erhebe" (R § 186). Nicht wird das Besondere an ihm selber, in seinem Inhalt, zu einem Allgemeinen, sondern es muß — gerade um seinen besonderen Zweck erfüllen zu können — sich nur der Form des Allgemeinen unterwerfen. Dadurch aber wird ihm diese zum Mittel, wie umgekehrt die Besonderheit für das Allgemeine zum bloßen Mittel seiner — abstrakten — Selbstrealisierung herabsinkt. Das Auseinandertreten von Form und Inhalt läßt den Gesamtzusammenhang zum abstrakten, formellen verkommen. Dies ist die logische Figur jener realen Abstraktheit, welche Marx wie Hegel an der Gesellschaft, die nicht in einem sie umfassenden Staatswesen integriert ist, kritisieren. Entsprechend bleibt das hier aktualisierbare Freiheitspotential beschränkt. Die Bildung, erste Emanzipation aus der natürlichen 27
Metaphysik und Politik 252.
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Unmittelbarkeit und Einordnung ins gesellschaftliche Ganze, bringt es nur zur „formellen Freiheit" (R § 187); sie ist zwar in der Tat „Befreiung" (R § 187 A), aber als solche noch „formell, indem die Besonderheit der Zwecke der zugrunde liegende Inhalt bleibt" (R § 195). Erst der Staat gibt jenen Boden ab, auf dem der Wille als politisch bestimmter das Allgemeine sittlicher Freiheit selber zum Ziel und Gegenstand hat. Das im „Reflexionsverhältnis" (R § 181) befangene Bewußtsein hat zwar gegenüber dem unmittelbaren den Vorzug, die Trennung und Selbständigkeit der entgegengesetzten Prinzipien ernst nehmen zu können, als nicht„spekulatives" jedoch vermag es nicht, in dem „%u seiner ganzen Stärke" auseinandergegangenen „Gegenseitig der Vernunft" seine eigene Einheit zu wahren und „ihn in sich" zusammenzuhalten (R § 185 A). Der „logische" Mangel des reflektierenden Denkens hat sein reales Abbild in der Ohnmacht des handelnden Subjekts, das wie jenes die Entgegengesetzten nicht für sich in ihre Einheit zurückzubringen vermag: der Zerrissenheit des Verstandes entspricht jene der Gesellschaft und des in ihr agierenden Individuums: „So wesentlich wie überall und allein wahr ist das vernünftige Verhältnis des Logischen gegen das äußere Verhältnis des Verstandes, der nur zum Subsumieren des Einzelnen und Besonderen unter das Allgemeine kommt. Was die Einheit des Logisch-Vernünftigen desorganisiert, desorganisiert ebenso die Wirklichkeit" (E §541 A)28. Was nach der Konzeption der Rechtsphilosophie die Desintegration der Gesellschaft verhindert, ist allein ihr Eingeordnetsein in einem sitlichen Gemeinwesen, das sich als Staat bestimmt. Gegenüber dem Reflektierend-Verständigen der Gesellschaft ist dieser „das an und für sich Vernünftige. Diese substantielle Einheit ist absoluter unbewegter Selbstzweck, in welchem die Freiheit zu ihrem höchsten Recht kommt" 28
Hierin gründet auch das ideologische Moment, das der beanspruchten Vermittlung objektiver Verhältnisse durch subjektive Willkür notwendigerweise anhaftet: sofern sie nämlich in der „geschlossenen" Gesellschaft bloße Forderung bleibt. Es ist nicht zu bestreiten, daß Hegel im Laufe der Darstellung inhaltliche Charaktere ansetzt, die eigentlich erst in deren Abschluß ihre eventuelle Rechtfertigung finden: im Konzept des Staats und der Geschichte, wo die Gestalten des objektiven Geistes insgesamt als Momente der Verwirklichung des freien Geistes sich erweisen. Ebensowenig ist zu leugnen, daß gewisse im Zuge dieser Darstellung auftretende Bestimmungen erzwungen oder ungenügend motiviert erscheinen; nicht erst die Marxsche Opposition gegen die Hegeische Staatsphilosophie und seine Gegenkonstruktion einer in der Abstraktion verhärteten bürgerlichen Gesellschaft lassen dies hervortreten. Es wird beim Abschluß der Theorie des objektiven Geistes — in der Erörterung der grundlegenden geschichtlichen Dimension — auf diese Fragestellung zurückzukommen sein.
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(R § 258; vgl. E § 537). Demgemäß wird es für Hegel darum gehen, den Staat als jene Einheit zu fassen, welche die Wahrheit der vorhergehenden, in sich abstrakten Sphären ausmacht und diesen zugleich mit ihrer Konkretion Stabilität verleiht. Wenn der Staat innerhalb des objektiven Geistes die Stufe der Idee als des in seiner Objektivität mit sich zusammengehenden Begriffs darstellt, so wird er innerhalb der Sittlichkeit als dem Boden existierender Freiheit nach dem logischen Modell des Begriffs gefaßt. Der Begriff, der „zunächst überhaupt als das Dritte zum Sein und Wesen" — welche „insofern die Momente seines Werdens" sind — auftritt, ist gerade als „Resultat" zugleich die „absolute Grundlage" der Momente seiner Entstehung (L II245). Ähnlich ist die Beziehung zwischen der sich entfaltenden Darstellung — gewissermaßen der „innern Geschichte" der Sittlichkeit — und dem realen Fundierungsverhältnis in der Rechtsphilosophie. Der Übergang erweist sich in Wahrheit als ein Zurückgehen in den Grund: der Staat, der „im Gange des wissenschaftlichen Begriffes ... als Resultat erscheint", geht aus seinen Momenten zugleich als deren „wahrhafter Grund" hervor. Diese doppelschichtige „Ableitung" allein ist „der wissenschaftliche Beweis des Begriffs des Staats" (R § 256 A). Unter drei Aspekten soll die nunmehr erreichte Ebene kurz in ihrem „begriffslogischen" Charakter beschrieben werden: als die „mächtige", in der Selbständigkeit der Entzweiten sich herstellende und erhaltende Einheit; als das zu seiner Wahrheit gelangte Verhältnis von Allgemeinheit, Besonderheit und Einzelheit; und als Begriff, der Idee ist: die in der unmittelbaren Wirklichkeit bei sich seiende Freiheit. Als Nachfolgebestimmung der Gesellschaft muß der Staat zwar die in dieser an sich vorhandene Einheit ausdrücken, dies jedoch nicht so, daß er etwas an der Radikalität der vorangegangenen Selbstentzweiung wegleugnete. Um wirklich als das übergreifende Allgemeine sich erweisen zu können, muß er diese als sein eigenes Moment in sich aufnehmen. Was sich in ihm als Teilung der Gewalten und als „auch voneinander geschieden"-Sein der „Geschäfte der allgemeinen Interessen" ausdrückt, „diese Teilung ist das eine absolute Moment der Tiefe und Wirklichkeit der Freiheit; denn diese hat nur so Tiefe, als sie in ihre Unterschiede entwickelt und zu deren Existenz gelangt ist" (E § 541 A). Was der bürgerlichen Gesellschaft ermangelte, kommt dem „Prinzip der modernen Staaten" zu: die „ungeheure Stärke und Tiefe, das Prinzip der Subjektivität sich zum selbständigen Extreme der persönlichen Besonderheit vollenden zu lassen und zugleich es in die substantielle Ein-
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heit %uriick%uführen und so in ihm selbst diese zu erhalten" (R § 260). Als das höhere Prinzip oder als „das Dritte" ist der Staat zugleich jene Sphäre, in der die bisherigen Bestimmungen ihre eigene Berechtigung erhalten, ja er ist selber „nur lebendig, insofern beide Momente ... in ihm entwickelt sind" (R § 263 Z). Ebenso wesentlich ist ihm jene andere Seite, nach welcher hin er in seiner „Tiefe und Stärke", als „unendliche Kraft" (R § 185A) oder „machthabender Begriff" (L II466) erscheint: eine Macht, die Hegel des näheren als „freie Macht" kennzeichnet (E § 537)2Ö. Hierin ist ein Verhältnis anvisiert, das noch als Übergreifen nicht die Freiheit des einen durch die Unfreiheit des ändern erkaufen — und sich dabei dem Verhängnis der eigenen Versklavung ausliefern — soll, sondern das sich gerade dadurch von der Gewalt abgrenzt (vgl. LII235, 420 f.), daß es das Übergreifen des Ganzen als Ausdruck der eigenen Negativität der ÜbergrifFenen versteht. Der freie Geist ist in den Institutionen der Familie und der Gesellschaft als „die Macht des Vernünftigen in der Notwendigkeit" (R § 263) selber anwesend. Auch wenn der Staat nicht umhin kann, seinen „untergeordneten Sphären Abbruch zu tun" (E § 537), so darf sich dies nicht als äußerliche Einschränkung vollziehen, sondern gewissermaßen nur als Aktualisierung der in Familie und Gesellschaft selber gelegenen Idealität, welche sich noch in der Selbstdestruktivität der isolierten Momente offenbart. Vom Endpunkt her stellt sich so der Staat als der Geist dar, „der sich selbst in die zwei ideellen Sphären seines Begriffs, die Familie und die bürgerliche Gesellschaft, als in seine Endlichkeit scheidet, um aus ihrer Idealität für sich unendlicher wirklicher Geist zu sein" (R § 262). Wenn der Begriff der Idealität ein wesentliches Element dieses Verhältnisses kennzeichnet (R §§262,266,271,273 u.a.), so hebt sich dieses durch seine weitere Komplexität über die ebenfalls wesentlich durch die Idealität bestimmte Beziehung von Sein und Wesen hinaus. Es geht hier nicht nur um die Aufhebung eines Unmittelbaren in die Selbstbeziehung des sich setzenden Wesens. Als Wahrheit der früheren Sphären ist der Staat jene Bestimmung, in welcher die Einheit von Besonderem und Allgemeinem, welche bisher unter den verschiedenen Formen der sittlichen Substantialität und der Entzweiung zur Geltung kam, in ihrer Identität gefaßt wird (vgl. E § 537): er ist die Identität der Einheit als unmittelbarer und der Einheit als reflektierter, in sich entzweiter. In ihm wider29
Der gleiche Ausdruck bezeichnete in der Logik das spekulativ verstandene Allgemeine (L II 277), s. o. S. 79 f.
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spiegelt sich die Grundstruktur des Begriffs, Identität von Identität und Nicht-Identität zu sein. Die Zurückführung von Familie und Gesellschaft in ihre Einheit ist ebensosehr die Überwindung der in ihnen je einseitig gefaßten Beziehungen von Allgemeinheit, Besonderheit und Einzelheit, oder konkreter: des noch nicht wirklich als frei bestimmten Verhältnisses des Individuums zur umfassenden Gemeinschaft, in der es sich entfaltet. Wenn der Einzelne die Zwecke der Familie unmittelbar als die eigenen verstehen konnte, so spaltet sich diese Identität in der bürgerlichen Gesellschaft zum Äußerlichkeitsverhältnis: zur Notwendigkeit, die besondern Zwecke nur in der Form der Allgemeinheit geltend zu machen; die Trennung von Form und Inhalt war Bedingung für die Herstellung der Identität des Ganzen. Demgegenüber besteht „die Vernünftigkeit" — als die sich der Staat hier bestimmt hat —, „abstrakt betrachtet, überhaupt in der sich durchdringenden Einheit der Allgemeinheit und der Einzelheit", einer Durchdringung, welche sowohl auf selten des Inhalts wie der Form statthat (R § 258 A). „Dem Inhalte nach" ergibt sich diese Einheit als Identität des „allgemeinen substantiellen Willens" und des „besondere Zwecke suchenden Willens", somit als „Einheit der objektiven .. . und der subjektiven Freiheit" (ebd.). Der politische Wille bestimmt sich als einer, der das Allgemeine selber zum Ziel macht, dem „die Vereinigung als solche ... selbst der wahrhafte Inhalt und Zweck" ist (ebd.), die „politische Tugend [ist] das Wollen des an und für sich seienden gedachten Zweckes" (R § 257 A). Das politische Handeln bringt diese Einheit „der Form nach" zur Erscheinung, insofern es sich „nach gedachten, d. h. allgemeinen Gesetzen und Grundsätzen" bestimmt (R § 258 A). Erst in ihm findet die konkrete „Vereinigung von Pflicht und Recht" statt, welche nach Hegel „eine der wichtigsten Bestimmungen" ist und „die innere Stärke der Staaten" enthält. „Auf den formellen Stufen" erschien Recht und Pflicht „an verschiedene Seiten oder Personen verteilt"; der Staat hingegen, „als Sittliches, als Durchdringen des Substantiellen und des Besonderen, enthält, daß meine Verbindlichkeit gegen das Substantielle zugleich das Dasein meiner besonderen Freiheit, d. i. in ihm Pflicht und Recht in einer und derselben Beziehung vereinigt sind". Während „im Privatrechtlichen und Moralischen" die „wirkliche Notwendigkeit der Beziehung" fehlt und „nur die abstrakte Gleichheit des Inhalts vorhanden" ist, wird für den sittlich-politisch bestimmten Willen „die allgemeine Sache seine eigene besondere Sache" (R §261 A).
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Eine solche Vermittlung erfordert allerdings, daß im Staat angemessene Institutionen geschaffen werden, welche die tatsächliche Realisierung freier Sittlichkeit ermöglichen. Denn gerade darin zeigt sich das hier postulierte Zusammengehen von Besonderem und Allgemeinem der moralischen Selbstbestimmung überlegen — welche auch, als besondere, allgemein zu sein beanspruchte —, daß es über die formelle Innerlichkeit und Irrealität hinauskommt. Der Staat als „Wirklichkeit der sittlichen Idee" (R § 257) ist wesentlich Rückkehr in die Unmittelbarkeit (R § 256 A) — darin gründet die Hegeische Kritik an der abstrakt-rechtlichen Konstruktion von Familie (Kant) und Staat (Rousseau). Seine Genese wie seine innere Gliederung folgen zwar der Logik des Begriffs, aber er ist selber „nicht als Begriff gewußt" (E § 539). Er ist für das Individuum zunächst die Gesamtheit jener Institutionen, in denen es einen festen Halt und sein Wollen feste Bestimmtheit gewinnt, die ihm aber trotzdem nicht als fremde gegenüberstehen, sondern als Realisierung seiner eigenen Zwecksetzung erscheinen. Schon auf der Ebene der bürgerlichen Gesellschaft offenbarte sich der wesentlich „institutionelle" Charakter dieser Ethik, mit der Hegel die kantischen Antinomien zu umgehen trachtet. Ritter hat auf die Bedeutung dieses Aspekts für die ethische Grundlagenproblematik selber hingewiesen30: nicht einmal das Prinzip der Selbstbestimmung wird in seiner wahren Bedeutung erklärbar, wenn es nicht im Zusammenhang des geschichtlich-gesellschaftlichen Kontextes gesehen wird, in dem es sich auszuüben hat, oder wenn, umgekehrt, institutionell fixierte Verhältnisse nicht als Objektivität freien Selbstseins verstanden werden können31. Jedoch bieten noch nicht eigentlich die gesellschaftlichen, sondern erst die politischen Institutionen dem Individuum die Gewißheit, daß sich in ihnen nichts als sein eigener substantieller Wille Geltung verschafft. Erst von diesen aus erscheinen auch jene — die an ihnen selber eher als eine Art Tauschvertrag zwischen Bürger und Gesellschaft erscheinen — als „die Macht des Vernünftigen in der Notwendigkeit" (R § 263). Die politische Verfassung ist die explizite Selbstdarstellung des Staates, der sich ein organisches Dasein gemäß dem Begriff des sich verwirklichenden freien Willens gibt, sie ist die „entwickelte und verwirklichte Vernünftigkeit" (R § 265); in ihr ist der Staat der „offenbare, sich selbst deutliche, substan30 31
Vgl. Moralität und Sittlichkeit. Nur in „Notsituationen" kommt das „heroische" Selbstbewußtsein zu seiner Berechtigung, welches rein aus sich heraus die ihm gemäße Wirklichkeit zu setzen hat.
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tielle Wille, der sich denkt und weiß und das, was er weiß und insofern er es weiß, vollführt" (R § 257). Sofern sich der Staat nach seinem Begriff organisch gliedert, „sich in die Begnßsunterschiede seiner Wirksamkeit dirimiert, welche durch jene Substantialität ebenso wirkliche feste Bestimmungen sind" (R § 270), verwirklicht er sich in der Form der Notwendigkeit; denn „die wahrhafte Wirklichkeit ist notwendig: was wirklich ist, ist in sich notwendig" (R § 270Z). Doch sofern diese Diremtion die des Begriffs ist, ist der Staat der „sich wissende und wollende Geist", welcher weiß, „was er will": „er wirkt und handelt deswegen nach gewußten Zwecken, gekannten Grundsätzen und nach Gesetzen, die es nicht nur an sich, sondern fürs Bewußtsein sind" (R § 270). Das heißt, daß eben diese Diremtion, welche in der Verfassung als der „Gliederung der Staatsmacht" ihren Ausdruck findet und deren innere Notwendigkeit ausmacht, die Bedingungen dafür schafft, daß der nur an sich allgemeine Wille des Individuums sich von seiner Zufälligkeit zu befreien und in der substantiellen Allgemeinheit zu realisieren vermag (E § 539). Während schon in den Institutionen als solchen — somit auch in den gesellschaftlichen — „an sich die Vereinigung von Freiheit und Notwendigkeit vorhanden ist" (R § 265), ist in der Verfassung der Geist „als ihr Inneres objektiv und wirklich"; seine „substantielle Allgemeinheit" ist „sich selbst Gegenstand und Zweck und jene Notwendigkeit hierdurch sich ebensosehr in Gestalt der Freiheit" (R § 266). Es muß davon abgesehen werden, diese Gestaltung der Freiheit im Staat in ihrer organischen Vermittlung über die verschiedenen Gewalten, Institutionen und konkreten Bestimmungen zu verfolgen. Wie schon für die bürgerliche Gesellschaft, so müßten auch hier, sollte die Angemesenheit der Hegeischen Einschätzung seiner Zeit beurteilt und nicht einfach verbalen Ansprüchen ihre Einlösbarkeit zugebilligt werden, die einzelnen Institutionen auf das ihnen zugesprochene Vermittlungspotential hin durchleuchtet werden. Auch wenn offensichtlich ist, daß Hegels Formulierungen bei mehreren Einzelbestimmungen weder in ihrer innern Kohärenz noch in ihrem realen Beschreibungsgehalt zu überzeugen vermögen, so ist doch auch klar, daß für Hegel gerade der Gesamtzusammenhang die eigentliche Beweislast zu tragen hatte. Erst von diesem her — und eigentlich erst vom Abschluß der ganzen Untersuchung aus — werden die „ideologischen" Momente der Hegeischen Darstellung in ihrer selber „systematischen" Funktion zu beurteilen sein. Vor dem Eingehen auf solche Fragen — die sich sowohl an ihnen selber wie durch das starke Gegengewicht der marxistischen Theorie als selber
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systematisch notwendige erweisen — muß nun der Rahmen abgeschlossen werden, innerhalb dessen Hegels Theorie des objektiven Geistes sich situiert. Es bedarf dazu noch der Erörterung der Kategorie der Geschichte. Denn eben die Tatsache, daß der moderne Staat die Freiheit aller verkörpert, ist für Hegel nicht mehr eine „Naturbestimmung" des Staats oder der Gesellschaft überhaupt, sondern eine Bestimmung im Werden des Geistes, eine Bestimmung der Geschichte.
3. Geschichte und Geschichtsphilosophie Die knappen 10 Seiten, auf welche die Rechtsphilosophie die Erörterung der Weltgeschichte zusammendrängt, stehen in bemerkenswertem Kontrast zur Hochkonjunktur, deren sich Geschichtsphilosophie — gerade auch in der Nachfolge Hegels — gegenwärtig erfreut. Zwar gibt es außer dem Text der Rechtsphilosophie und der Parallelstelle der Enzyklopädie auch die weit ausführlichere Behandlung der Geschichte in den „Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte" — schon deren separate Ausarbeitung ist ein Indiz für die Wichtigkeit des Themas —, und es ist auch offensichtlich, daß erst durch Mitberücksichtigung dieser Vorlesungen, insbesondere ihrer ausgedehnten Einleitung, die Möglichkeit einer kohärenten Geschichtstheorie bei Hegel ausgemacht werden kann1. Indes verweist Hegel gleich zu Beginn der Vorlesungen auf die Rechtsphilosophie, in der er „bereits den nähern Begriff solcher Weltgeschichte angegeben" habe, „wie auch die Prinzipien oder Perioden, in welche deren Betrachtung zerfällt" (Ph.Gesch. 11). Und es ist auch die Rechtsphilosophie, welche die „Weltgeschichte" im Zusammenhang des Hegeischen Systems einordnet. Ihr Platz ist ja nicht der einer beliebigen Einzelbestimmung der Theorie des objektiven Geistes, sondern ein hervorgehobener: als Abschlußbestimmung stellt die Weltgeschichte sowohl die Bestimmung der ganzen „Dimension" der Rechtsphilosophie dar, wie sie den systematischen Übergang zur Theorie des absoluten Geistes bildet. Dies gestattet — oder macht vielmehr erforderlich —, sie mit Hilfe der ganzen Hegeischen Philosophie zu interpretieren. Während die Logik zur Erhellung ihrer Funktion in bezug auf die Rechtsphilosophie selber beitragen kann, gibt erst die Berücksichtigung der Geistesphilosophie im ganzen Aufklärung über den inhaltlichen Horizont, innerhalb dessen sie sich selber versteht. Zudem gibt es ja so etwas wie einen grundlegenden geschichtlichen Charakter im Prinzip der Hegeischen Philosophie selber. Dies manifestiert sich in der Literatur einesteils in den Hinweisen auf den „pro1
Vgl. auch die Einleitung zur Geschichte der Philosophie.
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zessualen" Charakter der Logik oder des dialektischen Denkens überhaupt — die Überwindung des Substratdenkens im Konzept der „Aktuosität" —, andererseits im beliebten Herbeizitieren des Philosophen als „Sohns seiner Zeit" oder der Philosophie als ihrer „Zeit in Gedanken gefaßt". Beide Aspekte für sich besagen indes nicht viel; weder bedeutet das Eingeständnis der Zeitgebundenheit einer Theorie schon die Ermöglichung eines angemessenen Verständnisses von Geschichte, noch bietet es die Voraussetzung für einen genuin philosophischen Zugang zu ihr. So wird es hier darum gehen müssen, sowohl Hegels Konzept von Geschichte genauer zu fassen, wie auch seine Konstruktion einer Geschichtsphilosophie auf ihre Einsichtigkeit hin zu überprüfen. Denn daß ein heutiges Bewußtsein „Schwierigkeiten mit der Geschichtsphilosophie" (so ein Titel von O. Marquard) haben kann, ist so wenig als zufällige oder rein individuelle Hilflosigkeit abzutun wie die konsequente Folgerung des primär an der Geschichte selber orientierten Denkers, für den Geschichtsphilosophie „ein Kentaur, eine contradictio in adjecto" ist2. Daß der Geschichtswissenschaftler sich allerdings gerade in der Betonung des historischen Elements selber der Gefahr der Geschichtslosigkeit aussetzt, hat sich des öftern gezeigt. So kritisiert Burckhardt an der Geschichtsphilosophie — und exemplarisch an der Hegels —, daß sie „chronologisch angeordnet" sei und „das Vergangene als Gegensatz und Vorstufe" des Heutigen betrachte, während demgegenüber die wahre Geschichtsbetrachtung „vom duldenden, strebenden und handelnden Menschen, wie er ist und immer war und sein wird", ihren Ausgang nimmt und in der Geschichte nur „das sich Wiederholende, Konstante, Typische als ein in uns Anklingendes und Verständliches" zum Thema hat3. Erstaunlich bleibt dabei, daß mit einem solchen Vorgehen zwar nicht irgendwelche historischen Kenntnisse erworben, wohl aber gerade das „Studium des Geschichtlichen"* selber betrieben werden soll. Diese Ambivalenz wiederholt sich innerhalb der Philosophie selber. O. Marquard hat in seinem Aufsatz über die „Weltanschauungstypologie" auf den „latenten Ahistorismus des historischen Sinns" aufmerksam gemacht5; gerade jene Positionen, welche das historische Moment der 2
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Burckhardt, Weltgeschichtliche Betrachtungen 4; Burckhardt begründet dies folgendermaßen : „Geschichte, d. h. das Koordinieren, ist Nichtphilosophie und Philosophie, d. h. das Subordinieren, ist Nichtgeschichte." Ebd. 5f. Ebd. 3. In: Schwierigkeiten mit der Geschichtsphilosophie 117.
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Theorie hervorzuheben trachten, geraten in zwielichtige Nähe zur Anthropologie. Die „Weltanschauungstypologie" wird so zu einer „Kompromißbildung zwischen Preisgabe und Bewahrung der Geschichtsphilosophie, und in diesem Sinne ist sie die resignierte Form der Geschichtsphilosophie"6. Der Verzicht auf einen „überschwänglichen" Geschichtsbegriff scheint auf die Sabotierung eines möglichen Geschichtsverständnisses überhaupt hinauszulaufen. Wenn dem so ist, so scheint gerade der Versuch angeraten, die „emphatische" Verwendung des Geschichtsbegriffs auf ihre Ergiebigkeit hin kritisch zu überprüfen. In diesem Sinne soll nun die Hegeische Geschichtsphilosophie, die ja „die Weltgeschichte selbst", nicht irgendwelche „allgemeinen Reflexionen über dieselbe" zum Thema hat (Ph.Gesch. 11), auf ihren Geschichtsbegriff hin befragt werden. Vielleicht kann in ihr mit mehr Erfolg ausgemacht werden, wie „das Geschichtliche" an ihm selber — und dies nicht nur innerhalb des Hegeischen Systems — zu bestimmen ist. Neben einer möglichen Klärung des Geschichtsbegriffs selber soll dabei eine weitergehende Klärung gewisser Grundzüge des Hegeischen Denkens versucht werden, für welche der Geschichtscharakter wesentlich scheint. Nicht nur ist die „philosophische Weltgeschichte" alles andere als Historic, sondern umgekehrt ist es die Idee der Wahrheit selber, welche sich in ihr offenbart, „ihre Ehre und Herrlichkeit" darstellt (Ph.Gesch. 21); die Wahrheit, deren „Manifestation ... zu ihrer ewigen Natur" gehört, ist selber „ewige Geschichte" (Berl.Schr. 46). Die Untersuchung der Hegeischen Geschichtsphilosophie soll sich hier im wesentlichen auf vier Themenkomplexe beschränken. Als erstes muß der Geschichtsbegriff in seiner Beziehung zum Staat und als Abschlußbestimmung des objektiven Geistes Thema werden (A.); anschließend wird das Verhältnis von Geschichte und Natur aufgegriffen (B.); an dritter Stelle soll anhand der Begriffe „Macht" und „Manifestation" die innere Struktur des geschichtlichen Geschehens selber erhellt werden (C); abschließend ist Geschichte in ihrer Beziehung zur Philosophie — Geschichtsphilosophie als Theodizee oder Ideologie — sowie als Überleitung zur Theorie des absoluten Geistes begreiflich zu machen (D.). 8
Ebd. 117f.
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A. Gegenüber bürgerlicher Gesellschaft und Familie ist der Staat als dasjenige Ganze erschienen, in dessen „Idealität" jene aufgehoben, zugleich aber „als die Momente des Geistes und seiner Wirklichkeit, des Staates, in ihrer Notwendigkeit entfaltet sind und als Glieder desselben bestehen" (R § 321). Dies macht die Seite seiner innern Souveränität aus. Als in sich vollendete Gestalt der Sittlichkeit muß der Staat indes ebensosehr „Fär-szch-Sein", ausschließende Individualität werden und als solche in ein „ Verhältnis ^u ändern Staaten" treten (R § 322); allein in dieser Beziehung zu ändern kann der einzelne Staat so etwas wie die „Wahrheit der Gewißheit seiner selbst" finden. Dies ist die Notwendigkeit seiner »Souveränitätgegen außen" (R S. 490). Deren unmittelbarste Äußerung ist der Krieg. Nicht zufällig weist dessen Abhandlung auch terminologisch auf die Anerkennungsproblematik der Phänomenologie zurück7. Als das „Moment, worin die Idealität des Besonderen ihr Recht erhält und Wirklichkeit wird" (R § 324), ist der Krieg „sittlich" notwendig zur Konstitution des in sich freien Staates — wenn auch klar ist, daß, auf ganz anderer Ebene als jener der »nur philosophischen Idee", „die wirklichen Kriege noch einer ändern Rechtfertigung bedürfen" (ebd.). Wie die Anerkennung Voraussetzung für jeden Vertrag und das abstrakte Recht überhaupt ist, so sieht Hegel im Krieg — genauer: in der Kriegsbereitschaft oder -fähigkeit — sozusagen die Voraussetzung dafür, daß zwischen Staaten überhaupt rechtliche Beziehungen eingegangen werden können; denn freie Verhältnisse sind nur zwischen Freien möglich. Dazu ist die innere Überwindung aller schlechten Partikularität vonnöten. In der „Tapferkeit" wird diese Überwindung als Gesinnung real; ihre Ausübung — als Bestimmung der Sittlichkeit — enthält „die Härte der höchsten Gegensätze: die Entäußerung selbst, aber als Existen^ der Freiheit" (R § 328; vgl. L 412). Wenn auch die politische Einschätzung dieser Konstruktion, deren Zeitgebundenheit offenkundig ist, problematisch bleibt, so ist doch der Versuch interessant, aus den logischen Prämissen der Konstitution freier Subjektivität die Bedingungen staatlicher Koexistenz zu entwickeln und die Ebene zu bestimmen, auf der Staaten als sittliche Individuen in Beziehung treten können. Die ab7
In den frühen Jenaer Schriften wurden diese beiden Ebenen der Anerkennungsproblematik — zwischen Individuen und zwischen Völkern — unmittelbar zusammengebracht; in der Anmerkung zum § 324 zitiert Hegel selber den Naturrechtsaufsatz.
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strakteste Gestalt dieser Beziehung ist, wie für die Individuen, die rechtliche: das äußere Staatsrecht. In diesem wird zwar das Anerkanntsein der Partner ausgesprochen, sein Standpunkt bleibt jedoch der des Verhältnisses und die in diesem „an und für sich" vorhandene sittliche Einheit erhält „die Form des Sol/ens" (R § 330). Obwohl das zwischenstaatliche Verhältnis „anders als ein bloß moralisches und privatrechtliches" ist, insofern in ihm nämlich nicht mehr „Privatpersonen, sondern vollkommen selbständige Totalitäten" in Kontakt treten, welche zwar „zwischen sich stipulieren, aber zugleich über diesen Stipulationen stehen" (R § 330Z), so bleibt doch diese Ähnlichkeit mit dem Privatrecht, daß die intendierte Anerkennung in ihm „formell" und „abstrakt" bleibt (R § 331). Als in sich konstituierte sittliche Totalitäten, die sich in ihrer Besonderheit zugleich Selbstzweck sind, kennen die Staaten „keinen Prätor" oder höchsten Richter zwischen sich (R § 333 A). Es gibt keine Welt-„Gesellschaft" noch einen Welt-„Staat", welche die Aufgabe der „Rechtspflege", der Bestimmung und Durchsetzung zwischenstaatlicher Rechte erfüllen könnten. Was zwischen konkurrierenden Ansprüchen entscheidet, ist allein die letzte Faktizität, in welcher die Entwicklung der Völker eingeschlossen ist: die Geschichte. In diesem Sinn ist sie mit Fug das Weltgericht zu nennen. Mit dem Diktum, daß „die allgemeine Weltgeschichte", in welche die besonderen Völkergeister „übergehen", als deren „Dialektik" das „Weltgericht" darstellt (E § 548), meint Hegel nun allerdings mehr als die bloße Tatsache, daß es keine Rechtsinstanz gibt, an die über faktische Geschichte hinaus zu appellieren wäre — eine Tatsache, die auch nach der Schaffung internationaler Gerichtshöfe nichts an Evidenz verloren hat. Die Erhebung von Rechtsansprüchen gegen den Lauf der Geschichte läuft Gefahr, in leere Rechthaberei umzuschlagen. Dies wird ohne Mühe auch von solchen zugestanden, denen der Hegeische Geschichtsbegriff die schlimmste der Hypostasierungen ist. Dessen Gehalt ist denn in der Tat umfassender und bestimmter. Der Begriff der Weltgeschichte ist wesentlich mit dem des Weltgeistes assoziiert. Wie die beschränkte Geschichte der einzelnen Völker in die „allgemeine Weltgeschichte" übergeht (E § 548), so geht aus ihrem Subjekt, den besondern Volksgeistern, der „allgemeine Geist, der Geist der Welt" hervor (R § 340). Wie nun auch das „Übergehen" oder das „sich Hervorbringen" an ihnen selbst zu verstehen sein mögen, so wird in ihnen deutlich, daß Geschichte nicht einfach als theoretisches Konstrukt jene Leerstelle positiv bezeichnen soll, die für den einzelnen
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Volksgeist und seine Eigengeschichte unerreichbar bleibt und nicht mehr von ihm aus bestimmbar ist: sein eigenes Entstehen und sein Untergang. Sondern es soll in der Tat ein Allgemeines angesprochen werden, welches von sich aus die Kraft hat, über seine Momente überzugreifen und sich durch deren Überwindung zum Ganzen zu konstituieren. So bekräftigt Hegel, daß die Weltgeschichte „nicht das bloße Gericht" der „Macht" des Geistes, „d. i. die abstrakte und vernunftlose Notwendigkeit eines blinden Schicksals" ist, sondern „die aus dem Begriffe nur seiner Freiheit notwendige Entwicklung der Momente der Vernunft", die „Auslegung und Verwirklichung des allgemeinen Geistes" (R § 342). Es ist nicht zu bestreiten, daß solche Formulierungen, wenn sie nicht beständig durch den zugrundeliegenden Gedankenduktus korrigiert und innerhalb seiner gelesen werden, dazu angetan sind, den Ideologieverdacht aufkommen zu lassen: die hypostasierende Behauptung eines über den Köpfen der Individuen und ganzer Völker freischwebenden Subjekts, der deux ex machina, der die Individuen zugleich von ihrer eigenen Aufgabe entlastet und ihnen deren autonome Erfüllung verunmöglicht, alle diese traditionellen Vorwürfe finden in der Hegeischen Ausdrucksweise, wird diese abstrakt genommen, Grund und Boden. In der Tat soll ja die Geschichtsphilosophie als Theodizee den Gehalt des religiösen Vorsehungsgedankens in der Philosophie einholen. Dieser Gedanke, wie der von der List der Vernunft und ähnliche, sind für Hegel Umschreibungen jener Grundvoraussetzung, welche die Philosophie zur historischen Betrachtung „mitzubringen" hat: „der einfache Gedanke der Vernunft, daß die Vernunft die Welt beherrsche" (Ph. Gesch. 20) — eine Überzeugung, welche allerdings für die Philosophie selber kein Apriori, sondern in spekulativer Erkenntnis „bewiesen" sein soll. Dieser Beweis, den die ganze Hegeische Philosophie antritt, findet in einem gewissen Sinn schon innerhalb der Logik statt, während in anderer Hinsicht gerade die Philosophie der Weltgeschichte seine Ausführung ist. Bevor auf diesen letzteren Aspekt vom Standpunkt des sich in der Geschichte realisierenden Geistes selber eingegangen wird, soll er aus der Sicht des Staatsbegriffs plausibel gemacht werden. Die Bewegung der Weltgeschichte besteht darin, „dies darzustellen", daß „die Völkergeister in ihrer bunten Wirklichkeit nur ein Ideelles sind" (R § 341). Wie der Staat durch Ideellsetzung seiner Potenzen sich zum Ganzen machte, so macht er sich, als konstituiertes „Individuum", zur Wirklichkeit eines besonderen Volksgeistes, eines besonderen „Prinzips" der Geschichte; die Verschiedenheit dieser Prinzipien
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ist es, die „wesentlich die Veränderung in der Geschichte" ausmacht (Ph. Gesch. 66). Wie in der spekulativen Logik die Endlichkeit an ihr selbst in Unendlichkeit übergeht, das Besondere zum Allgemeinen wird, so ordnet sich für die spekulative Geschichtsbetrachtung der besondere Volksgeist aus sich selber heraus in einen allgemeinern Zusammenhang ein: „als beschränkter Geist ist seine Selbständigkeit ein Untergeordnetes" (E § 548). Diese Unterordnung nimmt im zeitlichen Verlauf die Gestalt des Übergangs von der einen Bestimmtheit eines Volksgeistes zu der aus ihrer Destruktion hervorgehenden an, ein Übergang, dessen Begriff „zu haben und zu kennen" „das Wichtigste im Auffassen und Begreifen der Geschichte" ist (Ph.Gesch. 104). Um zu begreifen, wie sich aus der Sukzession der Volksgeister der Weltgeist „hervorbringt", ist es nötig, die Art und Weise zu begreifen, in der sich Entstehung und Untergang der einzelnen bestimmten Staatswesen vollzieht. Es ist ein Grundmerkmal des Lebens als solchen, in der Abfolge seiner Gestalten sich als Gattung zu erhalten. Das Lebendige, „das aus dem Tode hervorgeht", ist jedoch selber „nur wieder ein einzelnes Leben", das gegenüber seinem Ursprung kein höheres Prinzip darstellt; „die Erhaltung der Gattung ist so nur als die gleichförmige Wiederholung derselben Weise der Existenz" (Ph.Gesch. 103). Doch der Staat ist seiner Spezifizität nach keine Gestalt des Lebens, sondern eine „bestimmte Gestalt des Geistes". Als solcher enthält er noch sein Entstehen wie seinen Untergang als ihm selber angehörige Bestimmungen. Sein innerer Prozeß ist, „das Wesen, den Gedanken, das Allgemeine dessen" zu gewinnen, „was er nur war". Hierdurch hebt er sich in seinem bloßen Bestehen auf, ein Aufheben jedoch, das „zugleich Erhalten und Verklären" ist und so den Übergang „in ein anderes und zwar höheres Prinzip" bewirkt (ebd. 103f.). Als „im Leben der Individuen und Völker" sich hervorbringende Gestalt des objektiven Geistes hat der Staat zwar teil an der „Ohnmacht des Lebens", welches Anfang und Ende nicht zusammenzuhalten vermag, sie zu gegeneinander selbständigen Existenzen entläßt: der Staat, dessen Prinzip überwunden ist, tritt vom Schauplatz der Weltgeschichte zurück. Als Gestalt des Geistes indes begreift er „alle früheren Stufen in sich", hat er die Momente, die er „hinter sich zu haben scheint, . . . auch in seiner gegenwärtigen Tiefe" (ebd. 104f.). Er bewahrt in seinem Begriff die Kontinuität, der er in seiner äußerlichen Existenz als bloßes Moment eingeordnet ist; sein „Prinzip" als Bestimmung des Geistes ist Überwindung seines äußeren Untergangs. Als Bestimmung des Geistes ist sein beschränktes Dasein immer schon Moment eines Allge-
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meinen, des „einen allgemeinen Geistes", der in der Dialektik seiner Momente sich „zu einer sich erfassenden Totalität erhebt und abschließt" (ebd. 104f.). Der Begriff des Geistes — hier als des „äußerlich allgemeinen" (E § 549), des „Weltgeistes" — stellt die Vermittlung zwischen dem Begriff des Staats und jenem der im emphatischen Sinn verstandenen Geschichte her. Weil der Staat Geist ist, seine Bestimmtheit wie sein interner Prozeß solche des Geistes sind, kann er die Geschichte — welche immer Geschichte des Geistes ist — als höhere Potenz und als seine eigene Wahrheit über sich haben. Dies impliziert auch die umgekehrte Feststellung, daß von Geschichte im strengen Sinne nur dort gesprochen werden kann, wo ein Volk sich die Form des Staats gegeben hat. Nur Staaten sind Teile der Weltgeschichte. „Der Staat ist die göttliche Idee, wie sie auf Erden vorhanden ist. Er ist so der näher bestimmte Gegenstand der Weltgeschichte überhaupt, worin die Freiheit ihre Objektivität erhält und in dem Genüsse dieser Objektivität lebt" (Ph.Gesch. 57). Nur von dem Moment an, wo ein Gemeinwesen seine Naturhaftigkeit überwunden und seinen allgemeinen Zweck als sittlichen — sich in ihm als Selbstzweck — bestimmt hat, und nur dann, wenn es diese Zwecksetzung „in Gesetzen, als gedachten Bestimmungen" (R § 349) explizit und für sich und andere gegenständlich gemacht hat, kann es sich selber als Bestimmung des sich befreienden Geistes, als Moment der Geschichte verstehen. In diesem Sinn bildet der Staat den Boden der Weltgeschichte, wie diese umgekehrt seine eigene Wahrheit darstellt. Was diese zweite Aussage bedeutet — und sie ist ja hier vor allem thematisch —, soll durch den Vergleich mit der Logik näher beleuchtet werden. Wenn man die Rechtsphilosophie in Parallele zur Logik setzt, wie es bisher mit gewisser Plausibilität für die drei Hauptteile geschehen ist, so entspricht dem Abschnitt über die Weltgeschichte jener über die absolute Idee. Diese rein stellenmäßige Übereinstimmung der auf den ersten Blick doch völlig verschiedenen Themenbereiche dürfte indes noch zu keinen Schlußfolgerungen berechtigen, wenn nicht eine nähere Vergleichung tiefere Beziehungen an den Tag brächte: Beziehungen, die sich sowohl zwischen absoluter Idee und Geschichte wie zwischen den damit abgeschlossenen Dimensionen der Logik und des objektiven Geistes ergeben. Es sollen zunächst die erstem zur Sprache kommen. Was würde eigentlich der Rechtsphilosophie fehlen, wenn sie vor dem Kapitel über die Weltgeschichte aufhörte? Im äußern Staatsrecht
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werden die geographischen Grenzen des Staats auf ihren Welthorizont hin überschritten; daß solches auch für den zeitlichen Horizont nötig sei, ließe sich mit Fug bezweifeln: die Rechtsphilosophie bekennt sich ja explizit zu ihrer Zeitgebundenheit und sieht ihr Thema nicht in der Genealogie, sondern in der systematischen Darstellung des innern Aufbaus des Staatswesens; historische Verweise sinken denn auch meist in die Anmerkungen hinab. In einem gewissen Sinne wäre denn auch die Rechtsphilosophie ohne ihr letztes Kapitel komplett, genau wie im gleichen Sinn die Logik ohne den „Methodenabschnitt" vollständig wäre: als vollständige Ausbreitung des Materials, ohne daß dabei noch der Grund dafür angegeben wäre, daß dieses Material sich in dieser oder jener Weise zu ordnen hat, ein Grund, der in der spekulativen Darstellung zugleich nichts anderes als die abschließende inhaltliche Bestimmung des Materials selber ist. So bringt auch die Weltgeschichte, obwohl sie unter dem Obertitel des Staates als dessen dritter Teil auftritt, keine neue Bestimmung ins Spiel, durch die sich der Staat an ihm selber weiter spezifizieren würde. Sondern was geschieht, ist sozusagen eine Situierung des Staats als ganzen, nicht so sehr in chronologischer Hinsicht als vielmehr in Beziehung auf die Grundbestimmung, die er erfüllt. Als Vereinigungsinstanz von Gesellschaft und Familie hat er sich zugleich als Vereinigung der vorerst auseinandertreibenden Grundtendenzen des abstrakten Rechts und der Moralität erwiesen; er ist jene Instanz, in welcher das in allen früheren Momenten intendierte Freiheitspotential tatsächliche, nicht-destruktive Wirklichkeit gewinnen kann. Wie aber ist dies zu verstehen ? Inwiefern ist diese Behauptung mehr als ein leerer Anspruch ? Und wie erklärt es sich, daß gerade die moderne Gesellschaft Vorzüge haben soll, deren Nicht-Besitz allen früheren Staaten zum Verderben wurde? Eben hier wird die geschichtliche Betrachtung von Relevanz. Geschichte ist sozusagen die letztgültige Objektivität, jene absolute Faktizität, welche noch für den FreiheitsbegrifF selber den Boden abzugeben hat. Sie ist im Kontext des objektiven Geistes eine ähnliche „Daß-Bestimmung" wie die absolute Idee in der Logik. Während deren Inhalt nichts ist als dies, daß jede Formbestimmung immer schon Bestimmung der absoluten Form, des Begriffs ist, bürgt jene dafür, daß der moderne Staat tatsächlich als die (bisher) höchste Stufe der Befreiung des Geistes zu interpretieren ist. So schreibt Hegel: „Daß aber diese Gleichheit vorhanden, daß es der Mensch ist — und nicht wie in Griechenland, Rom usf. nur einige Menschen —, welcher als Person anerkannt ist und gesetzlich gilt, dies ist so wenig von Nafar,
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daß es vielmehr nur Produkt und Resultat von dem Bewußtsein des tiefsten Prinzips des Geistes und von der Allgemeinheit und Ausbildung dieses Bewußtseins ist" (E § 539 A). Was so nicht Produkt der Natur sein kann, ist Resultat der Geschichte. Diese, als die „Tat" des Geistes (R § 343), ist der Boden, auf dem allein die Institutionen in ihrer Vernünftigkeit eingesehen werden können. Geschichte bildet so, auch hierin in Analogie zur Logik, in zwiefacher Hinsicht die Abschlußbestimmung der Rechtsphilosophie. Sie ist einerseits der Ort, von dem aus allein alle bisher zur Sprache gebrachten Momente des objektiven Geistes in ihrer Wahrheit verstanden werden können. Als letzte Bestimmung ist sie in dem Sinne die Wahrheit aller vorhergehenden, daß sie noch deren Gewordensein im Gang der Weltgeschichte zu verstehen gestattet. Gerade wenn Hegel betont, daß die Verfassung, welche doch offensichtlich Produkt des menschlichen Geistes ist, „nicht als ein Gemachtes", sondern vielmehr als „das schlechthin an und für sich Seiende" zu betrachten ist (R § 273 A), so weist er darauf hin, daß ihre Entstehung sich nicht einem Willkürakt verdankt, der sich in seiner Partikularität selber zu begründen beanspruchte, sondern nur als Gestaltung des sich nach dem Gesetz seiner Freiheit bestimmenden menschlichen Geistes zu verstehen ist. Der Hinweis auf die zeitliche Gebundenheit geschichtlicher Gebilde ist ebenso Hinweis auf die Dimension, innerhalb derer sie erst in ihrer Wahrheit, nämlich nach ihrem wirklichen Inhalt begriffen werden können. Damit ist zugleich die zweite Hinsicht berührt, in welcher der Geschichtsbegriff die Rechtsphilosophie beschließt. In ihm kommt für sich selber zur Darstellung, was den eigentlichen „Gehalt" der ganzen Dialektik des objektiven Geistes ausmacht: die in äußerlicher Begebenheit sich realisierende Freiheit. Weil Geschichte nichts anderes als der „Fortschritt im Bewußtsein der Freiheit", das für sich selber Realwerden des an sich freien Geistes ist, so kann die höchste Gestalt, in der sich Geschichte vollzieht, der Staat, als „Wirklichkeit der Vernunft", in der „die wahrhafte Versöhnung objektiv geworden ist" (R § 360), verstanden werden8. Indem so am Schluß explizit wird, was an sich immer schon vorhanden war, wird auch erst hier, quasi rückwirkend, für die vorangegangenen Bestimmungen jener Freiheitsgehalt eingeholt, der von Anfang an beansprucht, aber abstrakt geblieben war. 8
Analog in der Logik: weil die absolute Idee nichts ist als die absolute Form, welche mit ihrem Inhalt identisch ist, die Methode, können alle früheren Bestimmungen als Bestimmungen dieser absoluten Form selber verstanden werden.
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Inwieweit Geschichte nicht nur in ihrer Beziehung auf die ihr vorgelagerten Kategorien, sondern an ihr selbst die Struktur der absoluten Idee reproduziert — als die reine Darstellung der Dialektik von Ansichsein und Fürsichsein, welche zur genau zu bestimmenden Form/InhaltIdentität führt —, dies wird später noch zu präzisieren sein. Darin wird sich auch die Folgerung inhaltlich begründen, welche bereits aus dem bisher Gesagten für die Beziehung von Staat und Geschichte gezogen werden kann. Wenn in der Geschichte der eigentliche Inhalt des objektiven Geistes für sich hervortritt, so ist sie auch „Grundlage" für die spezifische Logik, nach der dessen interner Zusammenhang strukturiert ist9. Daß die Rechtssphäre nicht die alle Lebensbereiche umgreifende und unmittelbar herrschende Form ist, daß der Staat innerhalb seiner das Recht des Einzelnen anzuerkennen und ihm Raum zu schaffen vermag, all dies ist eine Bestimmung des Standortes, an dem sich der Geist auf dem Weg der geschichtlichen Gestaltung seiner Freiheit befindet. So gilt für die Rechtsphilosophie wie für die Logik: daß die Darstellung einer Logik folgt, welche die Struktur von Freiheit nachzeichnet, hat seinen letzten Grund im Gehalt dessen, was da überhaupt zur Darstellung gelangt: Befreiung. Dadurch läßt sich auch die allgemeine Dimension der Logik mit jener der Theorie des objektiven Geistes vergleichen: Kommt Freiheit in der erstem als die reine Form zur Geltung, unter der spekulatives Denken sich vollziehen, somit Wahrheit überhaupt gedacht werden muß, so ist sie in der Rechtsphilosophie der Name jenes unhintergehbaren Geschehens, auf dessen Grund geschichtliche Faktizität allein verstehbar wird: die absolute Form erweist sich als die des absoluten Geschehens, der Befreiung. So findet in diesem Vergleich einerseits die Selbstinterpretation der Grundform der Logik ihre Bestätigung: die wesentlichen Strukturen dialektischer Logik, als Geschehen aufgefaßt, zeichnen die Bewegung sich vollbringender Befreiung nach; darin zeigt sich auch, was es heißt, erst spekulative Erkenntnis mache mit der Forderung jeder wahren Erkenntnis ernst: den Gegenstand als „freien", als nicht vom Subjekt beschlagnahmten, sondern nach seiner eigenen Bestimmung zu begreifen. Anderseits wirft die Logik ein Licht auf die Rechtsphilosophie, insofern auch hier die Abschlußbestimmung eine ist, welche zugleich den letztlichen Gehalt wie auch eben diesen Gehalt als Grund der Bewegungsform des Ganzen zur Er9
In der Untersuchung der Logik hatte sich bereits eine ähnliche Konstellation im kontrastierenden Hinweis auf die Abschlußbestimmung des „Kapital", die ursprüngliche Akkumulation, ergeben.
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scheinung bringt. Es bestätigt sich für die Realphilosophie wie für die Logik: Freiheit als abschließende Bestimmung des Ganzen — als Daß-Bestimmung oder als Bestimmung über das Ganze10 — ist zwar, in der Entfaltung einer Theorie, eine Art Metathema der einzelnen Theorieteile. Zugleich aber ist die Theorie als ganze so angelegt, daß in ihr über die primär thematisierten Bestimmungen hinaus auch das sichtbar wird, was in diesen, quasi „hinter deren Rücken", Hauptgegenstand ist; die „List der Vernunft" ist integratives Moment der Theoriebildung selber. Was dieser Hauptgegenstand, Befreiung, nicht nur in seinem faktischen Vollzug, sondern an ihm selber, „in seiner reinen Darstellung" sei (Nürnb.Schr. 65), dies ist nicht mehr Thema der Geschichtsphilosophie, sondern der Theorie des absoluten Geistes. Erst in dieser findet auch das ganze bisherige Systemkonzept seine — nach Hegel — letztgültige Begründung.
B. Nachdem Geschichte, in Analogie zur Konstruktion der Logik, als Abschlußbestimmung der Rechtsphilosophie betrachtet wurde, und bevor zum angedeuteten Übergang zum absoluten Geist fortgeschritten werden kann, muß auf die Bestimmung des Geschichtsbegriffs an ihm selber eingegangen werden. Unter den verschiedenen Zügen, die hier Erwähnung finden müssen, ist einer, der bei der ersten Lektüre der Vorlesungen zur Philosophie der Geschichte in zunächst befremdender Weise auffällt. Es ist dies Hegels Insistenz auf der Naturbezogenheit, der „geographischen Grundlage der Weltgeschichte", welche nicht nur in der Einleitung in breiter Ausführlichkeit zur Sprache kommt, sondern auch die Darstellung jedes neuen welthistorischen Prinzips einleitet. Trotz dieses Befremdens — das sowohl in der Argumentationsweise des Textes wie der Überbetonung gewisser Momente seinen realen Grund hat — ist darin eine Problematik zu erkennen, die für das Geschichtsverständnis Hegels ebensosehr wie das seiner Nachfolger grundlegend ist. Die Frage der Naturgebundenheit des geschichtlichen Sub10
Diese ist nach der Logik ebensosehr „was-" (oder „wie-")Bestimmung: die Einsicht, daß Freiheit das Wesen der Geschichte ausmacht, führt zur Explikation dessen, als was und wie Geschichte sich vollzieht. Geschichte ist die abschließende Explikation des objektiven Geistes; in bezug auf die reale Freiheit des Geistes überhaupt stellt erst die Theorie des absoluten Geistes die letzte „was-"Bestimmung dar.
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jekts ist zugleich jene nach dessen Naturverhältnis, wobei noch die Veränderung des letzteren selber als geschichtlicher Prozeß begreifbar zu machen ist. Die Naturaffiziertheit des Volks, das die jeweilige Gegenwart der Geschichte repräsentiert, wird von Hegel über die sogenannte „zweite Natur" eingeführt, als die sich schon das Sittliche als solches gezeigt hatte. Während Hegel in der Enzyklopädie vom einzelnen Volksgeist aus argumentiert — „der bestimmte Volksgeist, da er wirklich und seine Freiheit als Natur ist, hat nach dieser Naturseite das Moment geographischer und klimatischer Bestimmtheit" (E § 548) —, nimmt er in der Rechtsphilosophie den Ausgang von der Bestimmung der Geschichte selber: „Weil die Geschichte die Gestaltung des Geistes in Form des Geschehens, der unmittelbaren natürlichen Wirklichkeit ist, so sind die Stufen der Entwicklung als unmittelbare natürliche Prinzipien vorhanden, und diese, weil sie natürliche sind, sind als eine Vielfalt außereinander, somit ferner so, daß einem Volke eines derselben zukommt, — seine geographische und anthropologische Existenz" (R § 346). Es ist wohl kaum zu bestreiten, daß der Übergang in beiden Fällen nicht ganz zu überzeugen vermag. Wohl hatte sich gezeigt, daß sittliches Dasein ein wesentliches Moment von Unmittelbarkeit beinhaltet und für den Einzelnen in der vorgegebenen Verfassung des Gemeinwesens auch den Sinn eines schlicht Daseienden, nicht erst zu „Schaffenden" hat. Ebenso hat Geschichte, auch wenn von Menschenhand getätigt, als die über den einzelnen Volksgeist hinausgreifende Entwicklung der Prinzipien der Sittlichkeit die Form eines „Geschehens". Doch von dieser — immer schon vermittelten — Unmittelbarkeit sittlicher Wirklichkeit auf die unvermittelte Natürlichkeit geographischer Bedingtheit Rückschlüsse zu machen, scheint, wenn nicht uneinsichtig, so zumindest nicht erforderlich. Daß zwischen beiden Ebenen unverkennbare Zusammenhänge bestehen, soll damit keineswegs bestritten werden. Auf sie macht Hegel aufmerksam, wenn er in seinen geschichtsphilosophischen Vorlesungen auf den „Typus und Charakter des Volkes, das der Sohn solchen Bodens ist" hinweist (Ph.Gesch. 106)11. Auch das Diktum, daß die Natur „nicht zu hoch und nicht zu niedrig angeschlagen werden" dürfe (ebd.), verbietet die Interpretation des Hegeischen Geschichtskonzepts als eines naturideologischen. Der „milde ionische Himmel" allein kann „keine 11
In die Richtung dieser Minimalinterpretation weist auch die Formulierung der Enzyklopädie, welche die Naturbestimmtheit als ein „Moment" des bestimmten Volksgeistes bezeichnet (E § 548).
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Homere erzeugen". Trotzdem ist Hegel der Meinung, daß der „Charakter" einerseits mit dem „Naturtypus der Lokalität. . . genau zusammenhängt", und daß er anderseits die Art und Weise bestimmt, „wie die Völker in der Weltgeschichte auftreten und Stellung und Platz in derselben einnehmen" (ebd.). Und wenn auch die Grundbestimmung, unter welcher das jeweils „herrschende" Volk den Standpunkt der Entfaltung des Weltgeistes darstellt, für dieses selber ein „natürliches Prinzip" (R § 347) genannt werden kann — als ein nicht von diesem Volk frei geschaffenes —, so ist doch die Identifizierung dieses „unmittelbar natürlichen" Prinzips mit der „geographischen und anthropologischen" Existenz eine durch nichts mehr zu bestätigende Behauptung. Die schillernde Bedeutung des NaturbegrifFs12 scheint hier eine Argumentation motivieren zu sollen, die in Wahrheit unnötig ist. Es zeigt sich hier, was am Abschluß der Untersuchung — und auf anderer Ebene — wahrscheinlich zu verschiedenen Passagen anzumerken sein wird: um die Konsistenz des Ganzen beflissen, glaubt Hegel, auch Bestimmungen in den „streng wissenschaftlichen Beweisgang" miteinbeziehen zu müssen, die weder vom Argumentationsgang her erfordert noch ihm wirklich einzuordnen sind. Daraus folgt die zeitweilige Ambivalenz der Ausdrucksweise, die trotz aller dialektischen Bemühungen nicht immer klar erkennen läßt, wie weit eine Aussage wirklich gefaßt werden muß. Damit soll nicht jener bereits traditionellen Ansicht das Wort geredet werden, welche das Hegeische System — und vorab die Logik — um einer prinzipiellen Zweideutigkeit willen verurteilt, die nicht nur das Detail, sondern die logischen Grundlagen selber durch Argumentationserschleichung korrumpiere. Demgegenüber bleibt hier die Aufgabe, genauer zu bestimmen, worum es Hegel — zu Recht — geht, und wie er darauf antwortet. Es ist zu dem Zweck kurz an den Ort zu erinnern, an dem die Geschichtskategorie innerhalb des Systems auftaucht. Schon der Begriff des Geistes als solcher was als „Zurückkommen aus der Natur" definiert worden, insofern in ihm die Äußerlicheit, der die Idee in der Natur unterworfen war, aufgehoben ist (E § 381). Diese Rückkehr aber hat „im endlichen Geiste . . . nur ihren Beginn, erst im absoluten Geiste wird sie vollendet" (E § 381 Z). Als letzte Gestalt des endlichen Geistes stellt die Geschichte zugleich das Bindeglied zum unendlichen dar. Insofern 12
Würde in § 347 die Bedeutung von § 346 festgehalten, ergäbe sich eine schlicht sinnlose Aussage.
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leitet sie über zum reinen Begriff des Geistes, der, wie es vorerst den Anschein hat, jegliche Naturbezogenheit definitiv hinter sich gelassen hat. In dieser Funktion steht der Geschichtsbegriff jedoch zugleich als Abschlußbestimmung des objektiven Geistes. Wenn die Dialektik des subjektiven Geistes die sukzessive Befreiung des Geistes von seiner — „ersten" — Natürlichkeit darstellt, so bewegt sich der objektive Geist insofern in entgegengesetzter Richtung, als er die Erzeugung einer eigenen, rein aus dem Geist geschaffenen Wirklichkeit ist. Während der subjektive Geist zur „Idealität seiner unmittelbaren Realität" führt, geht der objektive darauf aus, der damit erreichten formellen Freiheit Objektivität und „volle Verwirklichung" zu geben (E § 385 Z). Der Mangel der letztern, „nur eine gesetzte" (ebd.) zu sein, wird in der Weltgeschichte einerseits auf seine Spitze getrieben, insofern noch das allgemeine Gesetz, nach dem die Völker sich ihre Wirklichkeit schaffen, als eines des Geistes, als das Prinzip seiner Befreiung sichtbar wird. Indem aber anderseits der Weg dieser Befreiung nichts als die wirkliche „Weltgeschichte selbst" (Ph.Gesch. 11) ist, schlägt die Einseitigkeit des Gesetztseins auf ihrer Spitze in ihr Gegenteil um und öffnet den Durchblick auf ihre eigene Voraussetzung. Zweite Natur darf nicht länger als bloße Antithese zur ersten verstanden werden, noch mit ihr gegensatzlos identifiziert werden. Wenn die erste als „Grundlage" der zweiten bezeichnet wird13, so ist darin auf den gleichen Tatbestand verwiesen, auf den die Einleitung der Geistesphilosophie aufmerksam macht: daß der Geist „die Natur zu seiner Voraussetzung1 hat, wiewohl er sich gleichzeitig als „deren Wahrheit und damit deren absolut Erstes" erweist (E § 381). Für die Geschichte bedeutet dies, daß nicht so sehr Natur als Provenienz zum Thema wird als vielmehr das Verhältnis, in das sich geschichtliche Tätigkeit zu jener setzt. In der Schaffung der zweiten Natur, soll diese Realität erhalten, liegt gleichzeitig die Gewinnung eines Verhältnisses zur ersten. Zwar findet bei dem „die Weltgeschichte hervorbringenden Geiste" nicht mehr das einfache Äußerlichkeitsverhältnis statt, das im „endlichen, die Natur außer sich setzenden Geiste" vorkommt, sondern seine Tätigkeit „richtet sich gegen einen in sich selber tätigen Gegenstand, — gegen einen solchen, der sich zu dem, was durch jene Tätigkeit hervorgebracht werden soll, selbst heraufgearbeitet hat" (E § 381 Z). Dies ist die eine Seite der Entwicklung, nach welcher der Geist „sozusagen die souveräne Undankbarkeit hat, dasjenige, durch welches er 13
So im Titel „Geographische Grundlage der Weltgeschichte": Ph.Gesch. 105.
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vermittelt scheint, aufzuheben, zu mediatisieren, zu einem nur durch ihn Bestehenden herabzusetzen und sich auf diese Weise vollkommen selbständig zu machen" (E § 381 Z). Doch dieses vorläufige Aus-demBlickfeld-Schaffen ist keine Eliminierung der Natur. Gerade der Versuch, Selbständigkeit durch Abtrennung zu realisieren, läßt jene in Knechtschaft umschlagen, indem die freigelassene Natur an der „souveränen Undankbarkeit" sich rächt. So bleibt der Geschichte die doppelte Aufgabe, Natur „aufzuheben" und gleichwohl sich nicht in abstrakter Entgegensetzung gegen sie zu vollziehen. Zu einem richtigen Verständnis dieses Tatbestandes gehört nun allerdings die Einsicht, daß der Übergang von einem naturhaften Lebensvollzug zu einer aus Natur emanzipierten und auf sie bezogenen Tätigkeit selber ein geschichtlicher ist, daß Geschichte im strengen Sinn selber „geschichtlich" entstanden ist. Denn gerade darauf wird in diesem Abschnitt mitreflektiert, welcher vorerst nur als abschließende Bestimmung des Wesens von — gegenwärtiger — Sittlichkeit auftritt. Die Weltgeschichte fängt selber „als Natur" an (Ph.Gesch. 39); ihr Selbstbewußtsein ist selber geschichtlich. Ihr Prinzip ist anfangs nur „der innerste, bewußtlose Trieb, und das ganze Geschäft der Weltgeschichte i s t . . . die Arbeit, ihn zum Bewußtsein zu bringen" (ebd. 39 f.). So sind auch die ersten „Übergänge", die der griechischen Geschichte vorangehen, „nur äußerlich", noch keine „wahrhaften" (Ph.Gesch. 137; vgl. 216); erst der Eintritt Griechenlands in die Weltgeschichte ist ein „geschichtlicher Übergang" (ebd. 273). Der Übergang vom Orient zum Okzident bildet insofern den Anfang der Weltgeschichte, als hier aus dem unendlichen „Vergessen seiner selbst" in der Natur zur aktiven „Tätigkeit" herausgegangen wird; die Distanzierung zur Natur ist zugleich das Innewerden des eigenen Selbst und „der Fortschritt zum Verhältnis beider" (ebd. 133f.). „Aus seiner innern Sonne" bildet der Mensch sich ein eigenes Gebäude, „und wenn er dieses am Abend nun anschaut, so achtet er es höher als die erste äußerliche Sonne" (ebd. 134). Dadurch aber hat sich „die Notwendigkeit des Fortschreitens . . . aufgetan, der Geist hat sich erschlossen und muß sich vollbringen" (ebd. 273). Die Realität dieser Vollbringung besteht darin, daß jedes Volk das ihm spezifische weltgeschichtliche Prinzip, das ihm „als natürliches" (R § 347) übertragen ist, zur Verwirklichung bringt. Was sich damit für das einzelne Volk als Problem der Auseinandersetzung mit seiner „natürlichen" Herkunft ergibt, wird auch für die Geschichte als ganze zur Aufgabe.
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Es kann nicht behauptet werden, daß Hegel mit gleicher Ausführlichkeit zu diesen Problemen Stellung genommen hätte, wie es heutigem Bewußtsein erforderlich scheint. Ein Grund dafür liegt sicherlich im Umstand, daß für seine Zeit die Frage der Naturbeherrschung keineswegs gleich problematisch und brisant war wie für die Gegenwart. Die Dialektik der Aufklärung — auch wenn Hegel in seiner Kritik des Verstandes-Rationalismus oft in gleicher Richtung argumentierte — ist, als Problem, eines des 20. Jahrhunderts. Trotzdem scheint es ungerechtfertigt, Hegel einfach dem modernen Rationalismus einzuordnen oder gar, wie Löwith, sein System als eines totaler Naturverachtung abzutun. Gewiß ist, daß Hegel nie einer Naturreligion in der Art Löwiths oder Blochs zugestimmt hätte. Die prinzipielle Superiorität des Geistes über das Naturprinzip liegt im Wesen schon seines logischen Grundsystems. Erst der Geist bringt das zur Wirklichkeit, zur Offenbarung, was Natur nur an sich ist. Indes ist der Begriff des Geistes ein solcher, der sich gerade nicht durch Absetzung, sondern durch Integration von Natur herstellt — eine Integration, welche nicht als Unterdrückung, sondern als zugleich freies Entlassen zu denken ist. Inwieweit die Perspektive einer „Befreiung" oder „Resurrektion" der Natur in Hegels Denken mitgesetzt, als negative Utopie gegenwärtig, oder aber gänzlich ausgeschlossen ist, kann erst die Theorie des absoluten Geistes zureichend beantworten. Doch ist das Problem bereits eines des objektiven Geistes. Nach Marcuse hat sich Hegel in der Rechtfertigung der Monarchie — wo bekanntlich auf der obersten Spitze der Verfassung das Naturprinzip der Erblichkeit durchdringt — „des Verrats seiner höchsten philosophischen Ideen schuldig gemacht. Seine politische Theorie liefert die Gesellschaft der Natur, die Freiheit der Notwendigkeit und Vernunft der Laune aus"14. Der verbreitetere Vorwurf zielt in entgegengesetzter Richtung. Wenn Hegel Geschichte der Natur und damit dem Unheil aussetzt, dann gerade nicht durch falsche Berücksichtigung, sondern durch Unterdrückung des Naturprinzips. Seine „überschwängliche Geschichtsphilosophie" erhebt einen „seiner Naturbasis verlustig gegangenen" Geist zum allherrschenden Subjekt der Geschichte15. Wenn auch der Eindruck nicht zu widerlegen ist, daß „anscheinend . . . die Menschengeschichte als ganze dahin [tendiert], der Freiheit die Existenz aufzuopfern"16, so bleibt doch fraglich, ob Hegels Geschichtsauffassung 14 15 1(5
Vernunft und Revolution 194. R. Maurer, Die Aktualität der Hegeischen Geschichtsphilosophie 170f. Ebd.
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nichts als die Rationalisierung eben dieser Tendenz sei. Daß zweite Natur nur dann „der ersten zur Resurrektion zu verhelfen" vermag, wenn sie sich ihr nicht „nur entgegensetzt", sondern „ihrer als erster, zu erlösender . . . innewird"17, dies bedeutet umgekehrt noch nicht, daß schon die Absage an den Herrschaftsgedanken solche Resurrektion freisetze18. Soll nicht ein neues falsches Absolutes inthronisiert werden, bleibt der Gedanke einer rationellen Naturbeherrschung unverzichtbar. Deren Irrationalität bedingt die eigenartige Geschichtslosigkeit bürgerlicher Gesellschaft (Ritter) wie ihre irrationale Verabschiedung jene der Kritischen Theorie (Theunissen). Beidem scheint Hegels Geschichtskonzept zu entgehen. Auf der einen Seite steht die durch nichts abgeschwächte Forderung, aus dem Naturzustand herauszugehen und durch die „unendliche Vermittlung der Zucht des Wissens und des Wollens" ein Reich der Freiheit zu erbauen (Ph.Gesch. 58f.): Geschichtliche Tätigkeit als ganze ist die harte Arbeit gegen eigene wie fremde Natur. Anderseits soll die Emanzipation, die eine gegen ihren Ursprung gerichtete ist, selber unter Kontrolle gehalten werden, Rationalität auf ihre Vernünftigkeit hin reflektiert werden19. Im System der Rechtsphilosophie drückt sich dies in der Überordnung des Staats über die bürgerliche Gesellschaft aus. Indem jener das Auswuchern der gesellschaftlichen Eigendynamik verhindert, beschränkt er sozusagen die Naturwüchsigkeit des Naturbeherrschungsprozesses und unterstellt diesen der Herrschaft der Vernunft. Im politischen Leben legt ein Volk jene Ziele fest, die ihm wesentlich sind und angesichts welcher industrielle oder technologische Entwicklung zum Mittel herabsinkt. Dieses Reflektieren auf das an ihm selber Wesentliche, das Allgemeine der Freiheit, findet seine Ergänzung im Innewerden der eigenen Geschichte. Erst geschichtlichem Bewußtsein wird noch die Vorstellung der zu erstrebenden Freiheit eine konkrete. Die Reflexion des Volks auf sein eigenes Gewordensein ist zugleich eine auf das Gewordensein des Prinzips, unter dem es steht, und dadurch die Ermöglichung eines angemessenen Freiheitsverständnisses. Denn zum Begriff der Freiheit, der sich als innerstes Gesetz der Weltgeschichte herausstellt, gehört umgekehrt ebenso Geschichtlichkeit selber. Indem so von der expliziten 17 18 19
Schweppenhäuser, Negativität und Intransigent 70. Vgl. Theunissen, Gesellschaft und Geschichte 17 f. Vgl. Jen.Realph. 1239, 237: Je mehr sich der Mensch die Natur „auf diese formale falsche Weise" unterwirft, desto größer wird „nur seine Abhängigkeit von derselben" und „desto niedriger wird er selbst".
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Freiheitsidee auf ihre eigene Entstehung, ihr erst ansich-Vorhandensein in der Natur zurückgegangen wird, wird der für sich seienden Freiheit noch die Einholung ihrer eigenen Voraussetzung als Aufgabe übertragen. Die vorausgesetzte Natur „einholen" und sich als ihre „Wahrheit" setzen bedeutet jedoch für spekulative Vernunft nicht die Annihilation oder Absorption der eigenen Herkunft, sondern im Gegenteil deren Anerkennung: die Natur muß ihrem Begriffe nach zugleich als „dieNatur der Sache, der Begriff" (E § 577; vgl. § 502 A) begriffen werden. Indem der Geist sich in der Natur Geltung verschafft, rückt er sie gleichzeitig in jene Dimension, in der sie zu ihrer eigenen Wahrheit kommen soll. — Bevor dieses Thema in der Theorie des absoluten Geistes auf höherer Ebene weiter verfolgt wird, soll die Hegeische Geschichtsbestimmung noch von ändern Aspekten her ergänzt werden.
C. Wenn irgend etwas der Hegeischen Philosophie den Ruf eines humanitätsfeindlichen Machtdenkens eingebracht hat, dann die Theorie des Weltgeistes. In ihr sieht auch ein Großteil der hegelfreundlichen Interpreten einen Abfall vom eigenen System, eine metaphysische, theologische oder wie immer zu spezifizierende Hypostasierung. In der Tat hängen Weltgeist und Machtgedanke eng zusammen. Ohne auf die Vielfalt der Vorwürfe einzugehen, soll hier versucht werden, dasjenige, was in der Hegeischen Geschichtstheorie zu Recht Macht genannt werden kann, genauer zu bestimmen. Es wird sich zeigen, daß die damit angesprochene Thematik für Hegels Geschichtsbegriff — und grundlegender: Geistbegriff— von zentraler Bedeutung ist. Der Begriff des Weltgeistes hatte sich als notwendig erwiesen, um ausgehend von besonderen Staatswesen so etwas wie Weltgeschichte überhaupt denken zu können (oder schon um die besondern Staaten selber als geschichtliche begreifen zu können). Sowohl als sich nachfolgende wie als koexistierende sind die Staaten, jeder in sich als vollendetes sittliches Wesen verstanden, in einem nur äußerlichen Verhältnis, „so daß ein drittes Verbindendes über ihnen sein muß. Dies Dritte ist nun der Geist, der sich in der Weltgeschichte Wirklichkeit gibt und den absoluten Richter über sie ausmacht" (R §259 Z). Das Recht dieses Richters ist „das allerhöchste" (R § 340). Da sich faktische Geschichte nun über die Sukzession verschiedener Prinzipien und deren Vertretung
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dutch einzelne Volksgeister vollzieht, ist dieses höchste Recht zugleich dem „Träger der diesmaligen Entwicklungsstufe" (E § 550) übertragen; gegen ihn „sind die Geister der ändern Völker rechtlos, und sie, wie die, deren Epoche vorbei ist, zählen nicht mehr in der Weltgeschichte" (R § 347). Nur dadurch, daß das „weltbeherrschende" Volk als Vollstrecker der höchsten Aufgabe, der „Befreiung des Geistes", gesehen wird, kann seine Führungsrolle als etwas anderes denn schlechte Herrschaft erscheinen (E § 550). Durch diese nicht ungefährliche Gedankenkonstruktion gelingt es Hegel, noch faktische Gewalt als Moment von Befreiung aufzufassen. Daß er sich dabei in riskante Nähe zu schlicht ideologischer Legitimation begibt, erweist sich schon an gewissen Formulierungen; so wenn Hegel folgert: „Indem solches Geschäft der Wirklichkeit als Handlung und damit als ein Werk Einzelner erscheint, so sind diese in Rücksicht auf den substantiellen Inhalt ihrer Arbeit Werkzeuge, und ihre Subjektivität, die ihr Eigentümliches ist, ist die leere Form der Tätigkeit" (E § 551). Daß der Mensch nicht Herr der Geschichte ist, ist eine Tatsache, die nicht einmal dann bestritten werden kann, wenn an Stelle des Individuums das Volk oder gar eine imaginäre Weltgemeinschaft gesetzt wird. Die Vorherrschaft des „Allgemeinen" über das Besondere bestätigt sich noch von ihrer negativen Seite her: in der Nicht-Beherrschung des Geschehens durch die angeblichen Geschichtstäter, im Ausgeliefertsein, im Bann. Doch gerade diese Schwäche des Einzelnen ist es nicht, welche Hegels These meint. Im Gegenteil soll ja die Stärke des Allgemeinen gleichermaßen jene des Einzelnen ausmachen. Wie aber steht es in Wirklichkeit um die Täterschaft des Menschen, wenn doch die Idee „das schlechthin Mächtige", der „Völker- und Weltführer" sein soll, und die philosophische Geschichtsbetrachtung nur darauf aus ist, den Geist „in dieser Führung kennenzulernen" (Ph.Gesch. 19,21)? Die List der Vernunft ist ja die listige Verwirklichung ihrer selbst nur durch Überlistung des Individuums; sie bringt dessen Tätigkeiten und Leidenschaften dazu, in ihrer Ausführung „dem Rechte, der Ordnung die Gewalt gegen sich" zu verschaffen. So scheint die Zweck-MittelBeziehung ob der eigenen Rationalität des letztern sich noch verschärfen zu müssen; das Instrument wird nicht nur nach seiner eigenen Natur, sondern gegen dieselbe angewendet. Für das Individuum bedeutet dies Aufopferung. „Die Weltgeschichte ist nicht der Boden des Glücks" (Ph.Gesch. 42). Was in der Geschichte seine eigenen Zwecke befriedigt sehen wollte, wird zum Mittel eines ihm Übergeordneten entmachtet, von dessen eigensinniger Teleologie beschlagnahmt.
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Um Hegel auf diese einseitige Deutung festzulegen, ist nicht einmal besondere Böswilligkeit der Interpretation vonnöten. Es reicht aus, gewisse Äußerungen wörtlich zu übernehmen und andere, modifizierende, außer Acht zu lassen. Man kann sich auch immer auf die Schwierigkeit — wenn nicht Unmöglichkeit — berufen, beide Seiten in verständlicher Weise zusammenzubringen. So kommt es nach O. Marquards Meinung hier zu „einem dubiosen Fundamentalarrangement", zu dem nicht nur die Hegeische, sondern Geschichtsphilosophie überhaupt auf Grund ihrer eigenen Intention — Theorie des mündig gewordenen Menschen zu sein — genötigt wird20. Indem sie als Theodizee Gott von der Anklage der schlechten Täterschaft entlasten will und die Bürde der Geschichte dem Menschen überträgt, muß sie auch diesen, soll er nicht angesichts der schlechten Welt völlig diskreditiert werden, zu einem „Geschichtstäter mit suspendierter Identität" machen21. Zur „Absicht, es gewesen zu sein" gehört komplementär die „Kunst, es nicht gewesen zu sein"22: „Autonomieanspruch erzeugt Alibibedarf und mindestens in diesem Sinne Heteronomie". In dieser Perspektive sind sowohl der Weltgeist wie die kapitalistische Vergangenheit „die entstellte Widerkehr des verdrängten Gottes"23: beide entlasten den Menschen von der Schuld an seiner Ohnmacht. So sieht auch Löwith in der „List der Vernunft" den „rationalen Begriff für die Vorsehung"24, eine Gleichsetzung, die, wenn auch in anderer Absicht, Hegel sicherlich nicht bestreiten würde. Wenn Löwith indes anstelle des Weltgeistes die Natur als letztes Fundament etablieren will, so kann der Eindruck nicht abgewehrt werden, daß damit eine Verabschiedung vorgenommen wird, welche zumindest die Funktion des Verdrängten — die Entlastung des geschichtlich tätigen Menschen — in gleicher Weise aufrecht erhält. Es bleibt indes die Frage, ob der Hegeische Gedankengang in der Tat einen solchen Alibibedarf befriedigen soll; und vorher noch: ob denn die Unterordnung unter einen allgemeinen Zweck — welcher zugleich von einem allgemeinen Geist in eigener Regie vollbracht werden soll — den Menschen wirklich zu jenem Scheinsubjekt verkommen läßt, wie es die Kritik behauptet. Dem widersprächen zumindest jene Äußerungen Hegels, welche die „positive" Setzung des Weltgeistes 20 21 22 23
24
Schwierigkeiten mit der Geschichtsphilosophie 73. Ebd. 75. Ebd. 73. Ebd. 79. Weltgeschichte und Heilsgeschehen 58.
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durch ihre Gegenseite ergänzen und korrigieren. Auch wenn das Subjekt einen allgemeinen Zweck vollbringt, so hat es doch „das unendliche Recht ..., daß es sich selbst in seiner Tätigkeit und Arbeit befriedigt findet" (Ph.Gesch. 36£.). Und wenn die Individuen als Mittel zur Realisierung des Allgemeinen verstanden werden, so „am wenigsten als Mittel" „in jenem ganz äußerlichen Sinne", daß sie dabei dem Zwecke äußerlich blieben, „sondern sie haben teil an jenem Vernunftzweck selbst und sind eben dadurch Selbstzwecke — Selbstzweck nicht nur formell, wie das Lebendige überhaupt, ... sondern die Menschen sind auch Selbstzwecke dem Inhalte des Zweckes nach" (ebd. 50). Diese Identität mit dem Allgemeinen findet sich exemplarisch in den großen Staatsmännern, den Heroen und Staatsstiftern verkörpert, „deren eigene partikuläre Zwecke das Substantielle enthalten, welches Wille des Weltgeistes ist" (Ph.Gesch. 45)25. Dieser Vorzug soll aber weder nur den Heroen noch nur den geschichtstragenden Volksgeistern zukommen, welche ihre eigene „Wahrheit und Bestimmung in der konkreten Idee, wie sie die absolute Allgemeinheit ist", haben (R § 352), sondern er soll die geschichtlich tätigen Menschen überhaupt auszeichnen. Wie aber sind die beiden Seiten zusammenzudenken, daß einerseits die Vernunft über die Welt herrsche und alles dem Substantiellen unterordne, daß sie „aber ferner ... immanent in dem geschichtlichen Desein" sei und „sich in demselben und durch dasselbe" vollbringe (Ph.Gesch. 40)? Zur nähern Erklärung des „aber ferner" verweist Hegel — wie des öftern an ähnlichen Stellen — auf die Logik, in welcher allein das spekulative Verhältnis erläutert und bewiesen wird, daß „die Vereinigung des Allgemeinen, an und für sich Seienden überhaupt, und des Einzelnen, des Subjektiven . .. allein die Wahrheit sei" (ebd.). Die Logik hatte zu ihrem Resultat den Erweis, daß das Einzelne nur dann als freies verstanden werden kann, wenn seine Bestimmung zugleich Bestimmung der Freiheit überhaupt ist, seine eigene Form/Inhalt-Dialektik an jener der Form überhaupt partizipiert. Erst in der absoluten Idee ist jene Ebene erreicht, von der aus die einzelne Begriffsbestimmung in ihrer — auch eigenen — Wahrheit erkannt werden kann. So wird auch hier in der Betrachtung der Geschichte jene Dimension eröffnet, durch die der Einzelne immer schon am Staat, dieser immer schon an der Weltgeschichte teilhat. Wenn 25
Vgl. Burckhardt, Weltgesch. Betrachtungen 229: „Die großen Individuen sind die Koinzidenz des Allgemeinen und des Besonderen, des Verharrenden und der Bewegung."
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die Individuen „eine Seite" an sich haben, welche „ein schlechthin nicht Untergeordnetes, sondern ein in ihnen an ihm selbst Ewiges, Göttliches" ist, so „durch das, was von Anfang an Vernunft und, insofern sie tätig und selbstbestimmend ist, Freiheit genannt wurde" (Ph.Gesch. 49f.). Gerade dies ist es, wodurch der Mensch auch „dem Inhalte nach" Selbstzweck ist. Was hier stattfindet, ist somit in keiner Weise Entmächtigung des Subjekts, sondern im Gegenteil in gewissem Sinn die Verabsolutierung dessen, worum es diesem seinem Wesen nach gehen muß: Freiheit. Gerade weil der Mensch radikal als frei gedacht werden soll, muß er in bezug auf etwas gedacht werden, was über seine Partikularität hinausgeht: in Beziehung auf den FreiheitsbegrifFselber. Freiheit aber, als „das Bei-sicb-selbst-Sein", ist ja nicht einfach irgend eine Eigenschaft gewisser Tätigkeiten oder Substrate, sondern „die Substanz, das Wesen des Geistes" selber: der Geist ist „eben das, in sich den Mittelpunkt zu haben" (Ph.Gesch. 30). Den Menschen als freien verstehen heißt ihn als Geist fassen. Damit soll keineswegs die Seite der Endlichkeit und Bedingtheit menschlicher Tätigkeit negiert werden; doch sie ist es eben nicht, was nach Hegel das Geschichtliche solcher Tätigkeit primär ausmacht. Geschichte ist die des Geistes, als solche ist sie Befreiung; nur in abgeleitetem Sinne läßt sich von einer Geschichte der Natur sprechen26. Sofern also der Mensch als geschichtliches Wesen begriffen werden soll, muß er auf Grund dessen begriffen werden, worauf Geschichte aus ist: die Befreiung des Geistes. Daß diese als faktischer Vollzug zugleich ein Verhältnis zu ihrem Ursprung, der Natur, herstellt, ändert nichts an dem, was das Wesen von Geschichte ausmacht. Wenn nun der Mensch innerhalb dieses Geschehens für seinen eigenen Zweck tätig wird — welcher nicht irdendwelche Laune, sondern die Erfüllung seines Wesens, seine eigene Freiheit oder sein „höchstes Recht" ist —, so integriert er sich damit selber einem umfassenderen Zusammenhang: dem Zusammenhang dessen, was überhaupt an ihm 28
Dies ist die eine Seite des Gegensatzes zu Marx, welcher in der Deutschen Ideologie schreibt (eine Textstelle, die, obwohl im Manuskript gestrichen, in der marxistischen Theorie eine enorme Wirkung gehabt hat): „Wir kennen nur eine einzige Wissenschaft, die Wissenschaft der Geschichte. Die Geschichte kann von zwei Seiten aus betrachtet, in die Geschichte der Natur und die Geschichte der Menschen abgeteilt werden. Beide Seiten sind indes nicht zu trennen; solange Menschen existieren, bedingen sich Geschichte der Natur und Geschichte der Menschen gegenseitig" (MEW 3, 18). Die andere Seite wäre, daß für Hegel zwar die höchste Objektivität selber geschichtlich, Geschichte aber nicht die „einzige" noch höchste Wissenschaft ist.
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selber Selbstzweck zu sein vermag. Darin liegt sowohl das eine, daß ein Volk auch dann, wenn es nur seine eigene Zwecksetzung zu erfüllen sucht, die Geschichte weiter bringt — sei es noch als „gegensätzliche Form", die „durchgangen werden" muß (Marx, Res. 18) —, wie auch das andere, das in den meisten Freiheitskonzepten anklingt und zu einem zentralen Thema des Existentialismus wurde: daß die Freiheit des Einzelnen zugleich dessen Selbsttranszendenz bedeute. Frei sein bedeutet Überwinden der eigenen Beschränktheit, Partizipieren an einer Bestimmtheit, die nicht nur die des einsamen Subjekts ist. Jede auf dieses eingeschränkte Freiheitsauffassung wird notwendigerweise zu einer rein negativen, unbestimmt-abstrakten. Deshalb muß das Individuum, um sich überhaupt als Selbstzweck wollen zu können, sich zugleich als ein Allgemeines verstehen, als etwas, was gerade nicht durch seine Partikularität definiert ist und wodurch gleichwohl auch diese erst zu ihrem Rechte gelangt. Den Menschen geschichtlich betrachten heißt, ihn zwar in seiner Faktizität und Bedingtheit, aber darin als sich verwirklichend betrachten. Selbstverwirklichung aber ist die Realisierung seines Begriffs, ist Befreiung. Sofern er geschichtlich betrachtet wird, muß der Einzelne nach der gleichen Logik aufgefaßt werden, welche den Gesamtzusammenhang geschichtlichen Geschehens strukturiert: der internen Logik des Geistes, der sich Wirklichkeit gibt. Geschichtlich tätig sein heißt, nolens volens, am Gebäude der Menschheit mitarbeiten. Wie die subjektive Tätigkeit durch das, was sie ist, in eine zwar nicht mehr explizit beabsichtigte allgemeine Bestimmung hinein weiterführt, zeigt sich für Hegel exemplarisch in der negativen Version: in der Dialektik des Verbrechers, der seine eigene Strafe setzt, oder des Brandstifters, der unfreiwillig ein ganzes Dorf vernichtet: Beide realisieren „noch ein Ferneres", das zwar weder „im Bewußtsein, noch weniger im Willen des Täters gelegen haben" mag, das aber dessen „Tat an sich [ist], das Allgemeine, Substantielle derselben, das durch sie selbst vollbracht wird" (Ph.Gesch. 42f.). Doch es besteht kein Grund, solche Kontamination des Einzelnen durch das Allgemeine nur für den negativen Fall anzunehmen, nur dort, wo sie sich gegen den Täter wendet. Ebensosehr findet das Individuum in der Welt jenen Halt, den es braucht, um sich verwirklichen zu können, jene Stabilität der sittlichen Institutionen, welche die Wirklichkeit seiner Intention auf Freiheit verbürgt. Daß das Individuum auch dann, wenn sich seine Aktivität nicht auf — oder sogar gegen — die objektiv vorhandenen sittlichen Mächte richtet, zu deren Verwirklichung beiträgt
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— die List der Vernunft —, dies ist das geschichtliche Abbild dessen, was sich schon als wesentlicher Grundzug der Logik ergeben hatte: gerade die Konfrontation mit der Marxschen Theorie hatte gezeigt, daß in einem dialektischen System Freiheit in dem Sinne das Übergreifende bleibt, daß noch Unfreiheit und Zwang nur auf ihrer Grundlage zur Darstellung gelangen können, sich sozusagen als „interne" Negation von Freiheit erweisen. Auch darin wäre, in anderem Sinne, eine „List der Vernunft" zu sehen: auch das der Vernunft Widerstrebende, soll es in seiner Wahrheit gefaßt werden, kann nur nach dem Gesetz der Vernunft selber begriffen werden, diese hat noch in ihrem ändern sich selber wiederzufinden, um dies andere überhaupt als Anderes zur Sprache, zum rationalen Diskurs zu bringen. Diese „gnoseologische" und darstellungsmäßige Konstellation wird in der Geschichtsphilosophie zur praktischen: zur Macht — ein Terminus, der analog (und zu Recht) schon in der Logik Erwähnung gefunden hatte. Wie diese Macht aufzufassen sei, ist das ganze Problem. Daß der Weltgeist nicht zu irgendeiner Superinstanz werden darf, welche in autonomer und von den Individuen losgelöster Selbstbestimmung über deren Geschicke verfügt, folgt schon aus der Notwendigkeit, in seiner Tätigkeit zugleich das „unendliche Recht" der Individuen befriedigt zu sehen. Deren Recht auf Eigenverantwortung darf durch nichts eingeschränkt werden, auch nicht durch das Allgemeine, dessen sie immer schon teilhaftig sind. Dieses darf nicht zum Götzen gemacht werden, der der menschlichen Ohnmacht als Alibi dienen soll. Es kann der Hegeischen Geschichtsphilosophie gerade nicht um die Kunst gehen „es nicht gewesen zu sein" (Marquard). Die in eigener Person nur dem tragischen Helden zugesprochene Größe, noch für das Erduldete verantwortlich zu sein (R § 118 N), muß tendenziell auch den geschichtlichen Menschen als solchen auszeichnen: zwar nicht als moralische Verschuldung, wohl aber als das Recht auf Eigenverantwortlichkeit in sittlich-geschichtlicher Existenz. Als freier trägt der Mensch Mitverantwortung am Geschehen der Geschichte. Dies ist, von der Seite des Einzelnen her, die unaufhebbare Verwiesenheit auf das Allgemeine, an dem er nicht nur teilhat, sondern das er — auch in seiner Endlichkeit — ist™. 27
Hegels These ist somit radikaler als jene Horkheimers, der diese Verwiesenheit als Spezifikum der „gesellschaftlichen Verhältnisse des Monopolkapitalismus" sieht: in diesen „läßt sich die immanent transzendente Behandlung der Freiheit nicht durchhalten: sie ist ihnen zu transzendent" (Kritische Theorie II, 270).
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So erweist sich Geschichtstheorie als das Problem dieses Allgemeinen selber. In ihr muß geklärt werden, wie der Geist dazu kommt, sich in weltlichem Dasein angemessene Wirklichkeit zu verschaffen. Es kreuzen sich in ihr sozusagen zwei Argumentationsstränge. Der eine, ausgehend von menschlicher Existenz, weist nach, daß diese in allen ihren Erscheinungsformen nur von dem her verstanden werden kann, worauf sie hintendiert: die Setzung des eigenen Freiseins. Insofern spricht der Schlußabschnitt die Wahrheit über die bisherige Dialektik des objektiven Geistes aus. Der andere, ausgehend vom Begriff des sich befreienden Geistes selber, sucht aufzuklären, wie dieser beschaffen sein muß, um sich derart in geschichtlichem Dasein verwirklichen zu können (und zu müssen). Er bildet den Übergang zur Theorie des absoluten Geistes, in welcher das, was hier als Geschehen vorhanden ist, an ihm selber zur „reinen Darstellung" gelangen soll. Dieser zweite Aspekt, der sich auch für den ersten als grundlegend gezeigt hat, soll nun für sich zur Sprache kommen. Die Präzisierung des zu seiner Charakterisierung aufgenommenen Machtbegriffs kann dazu als Leitfaden dienen. Die Geschichte, so hat sich gezeigt, ist wesentlich die Geschichte des Geistes (E § 540 A). Dieser ist in ihr, auch wenn „die physische Natur. . . gleichfalls in die Weltgeschichte einfgreift]", „das Substantielle" (Ph. Gesch. 29). Also muß das wahre Begreifen von Geschichte wesentlich auf die Natur des Geistes selber gerichtet sein. Den Geist erkennen, heißt ihn im „Prozeß der Selbstverwirklichung seines Begriffs betrachten" (E § 379 Z). Geschichte als dieser Prozeß ist somit die Macht des Geistes, sich als Begriff im ändern seiner, der Realität, mit sich zusammenzuschließen. Geschichte ist die Ausübung der Mächtigkeit des Geistes. Damit ist allerdings etwas anderes angesprochen als die „Verehrung der Macht", die im traditionellen Geschichtsbild unschwer aufzufinden ist28. Dies zeigt sich schon in Hegels Kritik an der römischen Welt. Deren Mangel besteht nach ihm darin, als höchstes Prinzip nur das der „abstrakten Herrschaft"^ als einziges Verhältnis zu ändern Nationen „das reine Verhältnis der Gewalt" zu haben (Ph. Gesch. 374). Davon unterscheidet sich die Macht im hier anvisierten Sinn, welche dem geschichtlichen Geist als solchem zukommen soll. Die Wesenslogik bezeichnet die Gewalt als „die Macht als Äußerliches" (L II235), welche als „nur 28
Vgl. Popper, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde II 335; für ihn ist allerdings das Hegeische Geschichtskonzept selber durch diesen schlechten, „aus der Zeit der menschlichen Knechtschaft" geborenen Machtgedanken kontaminiert.
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abstrakte Negativität" nicht zugleich die „eigene negative Reflexion" des Beherrschten ist (L II421). Von der Gewalt wird das, was unter sie subsumiert ist, bloß negiert, vernichtet; ihre „Manifestation" ist nicht auch die Inkraftsetzung von dessen eigenem Recht, sondern sein „Untergang" (ebd.). In ähnlicher Weise beschreibt Hegel die Herstellung des Allgemeinen, der Gattung, auf der Ebene des nur Lebendigen: an einer „der Allgemeinheit nicht adäquaten noch adäquat werden könnenden" Einzelheit kann das Allgemeine „nur als Macht erscheinen"; es endet mit der „abstrakten Negation der Einzelheit, dem Tode" (Berl. Sehr. 535). Insofern sie als die „objektive Allgemeinheit und als Gewalt gegen das Objekt" auftritt, ist die Macht das, „was Schicksal genannt wird"; dieses ist „blind", weil seine „objektive Allgemeinheit vom Subjekte in seiner spezifischen Eigenheit nicht erkannt wird" (L II421). Doch eben gegen die einfache Transposition dieses Machtschemas auf die Geschichte wehrt sich Hegel. Auch wenn die These von der List der Vernunft aufrechterhalten wird, darf die Geschichte des Geistes nicht als „das bloße Gericht seiner Macht":, als „die abstrakte und vernunftlose Notwendigkeit eines blinden Schicksals" verstanden werden (R § 342). Wenn somit gegenüber dem Gewaltverhältnis — in welchem der allgemeine Zweck dem Einzelnen „als von ganz anderer Natur erscheint" (L II452) — der Machtbegriff geltend gemacht werden muß, so ist auch dieser, für sich allein gefaßt, nicht die höchste Kennzeichnung des in Frage stehenden Verhältnisses. Wenn Geschichte als ein Verhältnis des Geistes zu seinen Momenten zu sehen ist, so muß sie mit begrifFslogischen Mitteln gefaßt werden. Zwar wird in der Logik Macht auch dem Begriff zugesprochen, aber sozusagen als dessen wesenslogische Verfassung29; die Macht des begriffslogischen Allgemeinen wie jene des sittlichen Geistes wurde denn auch näher als „freie Macht" qualifiziert (L II277; E § 537). Sofern im Begriff die wesenslogische Verhältnisweise zur „sich selbst durchsichtigen Klarheit" gekommen ist (L 251), d. h. sofern in ihm das Absolute seiner wahren Beschaffenheit nach (und somit in seinem wahren Zusammenschluß mit sich selber) zum Ausdruck gelangt, ist nicht mehr Macht, sondern Manifestation die angemessene Kennzeichnung seiner Natur. Ebenso verhält es sich für das geschichtsbewußte Subjekt, das im Geschehen nicht mehr nur ein blindes Schicksal sieht, sondern die vernünftige Gestaltung des freien Geistes erkennt. 29
s. o. S. 79 f.; auch in der Religionsphilosophie wird sich die gleiche Stufenfolge von Macht und Manifestation zeigen; vgl. z. B. Rel. II 510; s. u. S. 339—345.
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Von dem, was sich letztlich in der Geschichte Geltung verschaffen soll, dem „wahrhaft Guten" oder der „allgemeinen göttlichen Vernunft", sagt Hegel, daß sie „auch die Macht ist, sich zu vollbringen" (Ph. Gesch. 53). Was hierin als Macht angesprochen ist, erscheint nicht so sehr als Verfügungsgewalt über ein anderes denn über sich selber, über seine eigene Realität. Tritt Macht vorerst als Macht des Wesentlichen gegen das Unwesentliche, des Allgemeinen gegen das Besondere, des Wahren gegen das Unwahre auf, so erscheint sie nun als Macht %u sich selber, als die Macht, überhaupt wirklich zu sein; die Macht der Subsumtion wird zur Macht der Selbstverwirklichung. Diese Macht wird dem zugesprochen, was Begriff und Ziel der Geschichte ist, der Vernunft: es ist „nichts wirklich als die Vernunft, sie ist die absolute Macht" (Gesch. Ph. III 372). Als „dynamis" ist der vernünftige Begriff „auch potentia, Kraft und Macht" (Ph. Gesch. 78). Die Vernunft ist sowohl „die Substan^ wie die unendliche Macht", „der unendliche Stoff alles natürlichen und geistigen Lebens wie die unendliche Form, die Betätigung dieses ihres Inhalts" (Ph. Gesch. 21). Dies ist die Hauptthese der gesamten Philosophie der Geschichte, eine These, welche der Philosoph zur Betrachtung des Historischen „mitzubringen" hat, die aber zugleich in deren Betrachtung als Resultat herauskommen soll; es ist die Voraussetzung, die es — hier wie in der ganzen Hegeischen Philosophie — einzuholen gilt30. Wie diese Einholbarkeit zu verstehen ist, wird bei der Erörterung der Hegelschen Sollenskritik genauer zu bestimmen sein. Vorerst bedarf jedoch die These noch inhaltlicher Präzisierung. Die Akzentverschiebung, die im Übergang vom Gedanken der Macht zu jenem der Manifestation geschieht, besteht in der Aufhebung der Fremdheit, in der sich Herrschaft und Beherrschtes zunächst gegenüberstehen (so auch in der These, daß die Vernunft die Welt „beherrsche" — eine Ausdrucksweise, welche zwar einer Einleitung angemessen ist, jedoch das wahre Verhältnis nicht voll zum Ausdruck bringt). Von der Vernunft sagt Hegel, daß sie als das „schlechthin Mächtige ... in der Welt sich offenbart und nichts in ihr sich offenbart als sie, ihre Ehre und Herrlichkeit" (Ph. Gesch. 21). Der Gedanke der Offenbarung enthält jene Vereinigung von Form und Inhalt, als welche die sich realisierende Vernunft beschrieben wurde. Diese ist zugleich Offenbarung und das Geoffenbarte selbst, die Welt nicht ein ihr Gegenüberstehendes, sondern Ort ihrer Offenbarung. Die Macht über andere wird so zur „Macht" über sich. Darin spiegelt sich jenes 30
Vgl. Theunissen, Krise der Macht 318.
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Moment wider, das in den meisten Ff eiheitsbegriffen anklingt: die Fähigkeit zur positiven Selbstbestimmung. „Gott ist frei, weil er die Macht ist, Er Selbst zu sein" (Berl. Sehr. 373); demgegenüber ist die noch nicht zur Form des Ich gelangte Seele „nicht frei und mächtig ihrer selbst" (Berl. Sehr. 548). Diese in der Vorstellung Gottes als vollendet gesehene Macht, sich selbst zu sein, ist zugleich wesentliches Merkmal des Geistes als solchen. Weil die Freiheit Substanz und Wesen des Geistes ist (Ph. Gesch. 30), gehört zu seiner Natur ebensosehr die Kraft, diese Natur zur Wirklichkeit zu bringen, nicht nur in formeller Identität bei sich zu sein, sondern sich in der wirklichen Welt in seine Selbstidentität hervorzubringen, „sich £» sich selbst zu befreien" (E § 442 A). Dies heißt, sich und nichts als sich selbst, seine Freiheit, seine „Ehre und Herrlichkeit" zu offenbaren. Weil die Selbstverwirklichung zum Begriff der Freiheit selber gehört, gehört sie auch zum Wesen des Geistes: dieser ist nur als sich betätigend (vgl. Gesch. Ph. II213). Er „zeugt sich selbst und ist erst im Zeugnis; er ist nur, indem er sich zeugt, sich bezeugt und sich zeigt, sich manifestiert" (Gesch. Ph. 194; vgl. Berl. Sehr. 524). Seine Bestimmtheit „ist daher die Manifestation. Er ist nicht irgendeine Bestimmtheit oder Inhalt, dessen Äußerung oder Äußerlichkeit nur davon unterschiedene Form wäre; so daß er nicht etwas offenbart, sondern seine Bestimmtheit und Inhalt ist dieses Offenbaren selbst" (E §383; vgl. §§382, 384). Was so Auszeichnung des Geistes — als der „höchsten Definition des Absoluten" (E § 384A) — ist, ist zugleich Merkmal der Wahrheit selber: „Weil Wahrheit ist, muß sie erscheinen und erschienen sein; diese ihre Manifestation gehört zu ihrer ewigen Natur selbst". So ist sie „ewige Geschichte" (Berl. Sehr. 45f.). Geschichte, solchermaßen als Offenbarung des Geistes verstanden, entspricht dem Freiheitskonzept, das die absolute Idee in der Logik vorgezeichnet hatte. Indem der Geist nicht irgendeinen Inhalt offenbart, sondern die „den ganzen Inhalt des Geistes ausdrückende Form, nämlich seine Selbstoffenbarung" selber (E § 383 Z), reproduziert er jene Form/ Inhalt-Identität, welche die absolute Idee ausgezeichnet hatte. Was Freiheit zur Darstellung bringt, ist nichts als diese selber. In genauer Analogie zum Abschluß der Logik wird so am Ende der Rechtsphilosophie manifest, was Inhalt der ganzen Philosophie des objektiven Geistes ist: die absolute Form, welche ihren Inhalt an ihr selbst hat und nichts als dessen Betätigung ist: Freiheit als Befreiung. Diese Vereinigung von Form und Inhalt kennzeichnet einerseits das Wesen der Menschen als solcher: „Daß ihr Wesen, Zweck und Gegenstand die Freiheit ist", diese Idee ist
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selbst „als solche die Wirklichkeit der Menschen, nicht die sie darum haben, sondern [die] sie sind" (E § 482A); oder, allgemeiner: „Der in sich konkrete Geist ist eben dies, die Form, das Denken, selbst zu seinem Inhalte zu haben" (E § 552A). Anderseits ist damit ein Verhältnis angesprochen, das sich selber geschichtlich entwickelt hat und erst auf der letzten Stufe zu seinem Selbstbewußtsein gelangt: für den seiner Geschichte innegewordenen Geist wird Zweck die Realisierung der Freiheit als „der Freiheit, die ihre absolute Form selbst zum Inhalte hat" (Ph. Gesch. 413). So wird denn auch die Philosophie, welche Geschichte als Werk der Vernunft auffassen und den Menschen mit seiner Gegenwart versöhnen soll, wesentlich mit dieser Konstellation zu tun haben: denn „vernünftige Einsicht", „Versöhnung mit der Wirklichkeit", Erhaltung der subjektiven Freiheit „in dem, was substantiell", all dies macht „den konkreteren Sinn dessen aus..., was oben abstrakter als Einheit der Form und des Inhalts bezeichnet worden ist" (R 27)31. Wenn diese Einheit aber, obzwar immer schon an sich vorhanden, zugleich als geschichtlich werdende zu verstehen ist, so muß auch der Prozeß ihres Werdens näher bestimmt werden. Es muß bestimmt werden, nicht nur, was Freiheit ist, sondern auch, wie sich Befreiung vollzieht. Auch hier gebraucht Hegel ein Modell, das er sich in der Logik vorgegeben hat: die Dialektik von Ansichsein und Fürsichsein. Wenn Offenbarung als Selbstverwirklichung verstanden wurde, so zeigt sich diese als eine im Begriffe dessen, was sich verwirklicht, notwendig mitgesetzte: „Daß das, was der Geist seinem Begriffe nach oder an sich ist, auch im Dasein und für sich sei... — diese Idee ist selbst sein Begriff" (R § 66A). Der Geist als „das Beurteilen seiner eigenen Natur" ist zugleich die Tätigkeit, „sich hervorzubringen, sich zu dem zu machen, was er an sich ist" (Ph. Gesch. 31), nur dadurch „ist er an sich in Wahrheit der Geist" (PG 585)32. Diese Konstellation ist die Wirklichkeit jenes spekulativen Verhältnisses, dem sich Denken anzupassen hat, um seinen Gegenstand in Wahrheit zu begreifen. Geschichte ist der wirkliche Vollzug und die Auseinanderlegung dessen, was die spekulative Natur des Geistes ausmacht; wie das System des Begriffs ist jenes der realen Freiheit als die „freie Entwicklung ihrer Momente" zu denken (Ph. Gesch 67; vgl. E § 442). Sowohl als Auseinanderlegen des Einen in seine Unterschiede wie als deren Rückführung in die Einheit reproduziert geschichtliche 81 32
Vgl. R 14, Ph. Gesch. 92, Gesch. Ph. I 53f., Berl. Sehr. 357. Vgl. PG 587f.; Gesch. Ph. I 39f., II 44, II 213; Realph. II 206; Ph. Gesch. 29, 78.
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Entfaltung den „dialektischen" Fortgang des logischen Begriffs: in beiden Fällen geht es um die Setzung oder Fürsichwerdung eines Ansichseienden. Und ebenso realisiert sich in der Geschichte jenes „spekulative" Moment, welches noch über den dialektischen Fortgang die Wahrheit spricht: als Herausarbeitung jenes Ganzen, welches für seine eigene Entwicklung den Grund abgibt. Diese Funktion erfüllt die Geschichtsphilosophie, indem sie den ganzen Komplex existierender Wirklichkeit auf das hin durchsichtig macht, was ihm zugrundeliegt: der freie Geist, der als solcher gar nicht anders kann als sich in der Welt — unter welcher defizienter Form auch immer — Wirklichkeit zu geben. Das Ansichsein von Freiheit ist eines, das in sich schon die Spaltung in Ansich- und Fürsichsein enthält, wie es ebensosehr die Notwendigkeit ihrer Überwindung ausspricht. Wenn diese Fortbestimmung des Geistes auf das einleitend erwähnte BegrifFspaar von Praxis und Poiesis abgebildet wird, so zeigt sich, daß die Struktur des Geistes gerade die dialektische Auflösung des Gegensatzes dieser beiden Tätigkeitsmodelle darstellt. Dies nicht so — wie Habermas und Riedel meinen33 —, daß das eine — das Arbeitsmodell — gänzlich vom ändern überformt würde. Im Gegenteil versucht Hegel gerade beide Aspekte in ihrer ganzen Schärfe aufzunehmen und anhand ihrer Geschichte zu definieren — wenn auch klar ist, daß sie hier nicht in ihrem „ursprünglichen" Sinn aufgenommen werden können, in welchem sie Aktivitäten innerhalb der Gesamtbetätigung eines sittlichen Gemeinwesens, nicht Charaktere dieser Gesamttätigkeit selber bezeichnen. So kann hier nicht mehr die gegen die Natur gerichtete Tätigkeit der zwischenmenschlichen entgegengesetzt werden; diese beiden Momente kommen sowohl dem einen wie dem ändern strukturellen Aspekt des grundlegenden Prozesses geschichtlicher Selbstverwirklichung zu. Dem Arbeitsmodell nähert sich geschichtliche Entwicklung dadurch an, daß sie das sich-Wenden gegen die Natur und das Produzieren eines Werks ist. Sich zu dem machen, was man an sich ist, bedeutet vorerst die 33
Riedel, System und Geschichte; Habermas, Arbeit und Interaktion 45. — Es stimmt allerdings, daß im System der Charakter der Arbeit nicht mehr so ausfuhrlich zur Sprache kommt wie in der Jenaer Realphilosophie. Dies verhindert indes nicht, daß Arbeit sowohl wie Interaktion in der Ausbildung des grundlegenden Modells freier Sittlichkeit interferieren. Es darf ja nicht übersehen werden, daß auch in der Jenaer Realphilosophie die ausfuhrliche Abhandlung des Arbeitsbegriffs in den Abschnitt über den „Subjektiven Geist" fällt, während nachher Arbeits- und Handlungsmodell zur allgemeinen Bestimmung des „wirklichen Geistes" vermittelt werden müssen.
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Herstellung eines Verhältnisses zu seinem eigenen Ursprung. Freiheit ist nichts „Unmittelbares und Natürliches, sondern muß vielmehr erworben und erst gewonnen werden, und zwar durch eine unendliche Zucht des Wissens und des Wollens" (Ph. Gesch. 58 f.). Frei werden ist in diesem Sinne kein „ruhiges Hervorgehen", sondern die „harte unwillige Arbeit gegen sich selbst", „nicht bloß das Formelle des SichEntwickelns überhaupt, sondern das Hervorbringen eines Zwecks von bestimmten Inhalte" (Ph. Gesch. 76)34. Das Werk, das der Geist in Auseinandersetzung mit seinem natürlichen Ansichsein hervorbringt, ist aber nichts anderes als seine eigene Wirklichkeit: „der Geist, und zwar nach seinem Wesen, dem Begriff der Freiheit" (Ph. Gesch. 76). Insofern er sich selber „zu seinem Werk" macht, „handelt" der Geist „wesentlich" (Ph. Gesch. 99), hat er — entsprechend dem Praxisbegriff — sein Telos in sich selber. Gerade weil es ihm in seiner Entfaltung um nichts als sich selber, um seine eigene Freiheit geht, muß er sich zugleich gegen sich wenden, seine erste Form aufheben und seine wahre Gestalt erarbeiten— eine Erarbeitung, die indes im Gegensatz zum einfachen Produktionsprozeß nicht in einem ein für allemal geschaffenen Werk zur Ruhe kommt und sich in diesem absichern kann, sondern deren Werk selber nur in der Verwirklichung als der „unendlichen Vermittlung" Wirklichkeit besitzt. Das Grundmodell der Tätigkeit des Geistes ist so nicht nur eine Relativierung des Arbeitsbegriffs, sondern auch eine Korrektur oder Erweiterung des Handlungsbegriffs. Darin widerspiegelt sich die Unmöglichkeit eines unmittelbaren freien Selbstverhältnisses: nur über das andere kommt der Geist zu sich selber. Wenn der Machtbegriff, wie er vorerst auftritt, eine Bedeutungsmodifikation erfuhr und zur Macht über sich selber, zur Macht des Sich-Offenbarens wurde, so zeigt sich nun die Manifestation selber als etwas anderes denn einfache Selbstbeziehung. Sich offenbaren kann der Geist nur in dem zunächst anderen, ihm Gegenüberstehenden, der Welt. Diese zugleich als Welt, Natur, anerkennen und in ihr nur sich selbst verwirklichen, bei sich sein, dies bildet die Aufgabe, die seine Tätigkeit erfüllen soll. Seine Macht ist somit weder Macht nur über das andere noch nur zu sich selbst, 34
So kritisiert Hegel an der stoischen Moral, daß diese nicht über den „bloßen Begriff des Handelns" hinausgegangen sei. Die Tugend als „die vernünftige Selbsterhaltung" bringt nichts anderes als „eben diese vernünftige Selbsterhaltung" selber hervor: dies aber „ist ein formaler Ausdruck". Demgegenüber geht es darum, die „sittliche Realität . . . als das bleibende, hervorgebrachte und sich immer hervorbringende Werk" in Geltung zu setzen. (Gesch. Ph. II 287 f.).
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sondern die Kraft, im ändern bei sich zu sein: „Das Mächtige, Kräftige, Geistige ist das, was den Gegensatz in sich ertragen kann" (Gesch. Ph. II 79). Im Ertragen dieses Widerspruchs Manifestation der eigenen Freiheit zu sein, dies ist die höchste Bestimmung der „Macht", als welche der Geist selber „die höchste Definition des Absoluten" ist (E § 384 A). — Die Vergleichung des Geschichtsbegriffs in der Rechtsphilosophie mit der Funktion der absoluten Idee in der Logik hat näher hervortreten lassen, inwiefern Freiheit als letzte Bestimmung der ganzen Rechtsphilosophie verstanden werden kann. Von der Freiheit sagt Hegel, sie sei ebensosehr „Prinzip und substantielle Grundlage allen Rechts", wie sie „selbst absolutes, an und für sich ewiges", „das höchste" Recht ist. Freiheit macht so einerseits den Grundgehalt all jener Rechte aus, welche der Mensch in je verschiedener Weise als juristisches, moralisches oder sittliches Subjekt für sich beansprucht; sie ist letztes Fundament dieses Anspruchs, macht ihn für den Einzelnen zu einem legitimen ebensosehr als zu einem notwendigen. Erst dadurch gewinnt der Rechtsbegriff, wie er nicht nur im strikten — abstrakten — Recht, sondern im weitern Kontext der ganzen Rechtsphilosophie verwendet wird, inhaltliche Bestimmtheit. Weil das Recht sowohl als „Dasein des freien Willens" überhaupt wie als „Dasein aller Bestimmungen der Freiheit" verstanden wird (E § 486), können sowohl die einzelnen Bestimmungen des freien Subjekts als seine „Rechte" wie die ganze Theorie des objektiven Geistes als Philosophie „des Rechts" bezeichnet werden. Diesen doppelten Stellenwert hat der Rechtsbegriff gerade dadurch, daß Freiheit anderseits, selber als besonderes Recht neben ändern betrachtet, als deren „höchstes" erscheint. Was als höchste Bestimmung des menschlichen Daseins erscheint, kann aber in Wahrheit nicht eine neben ändern sein, sondern nur als Grundbestimmung dieses ganzen Daseins aufgefaßt werden. Dieser komplexe Zusammenhang — der genau den logischen Begriff der absoluten Idee abbildet — macht klarer, was es heißt, daß Freiheit das „Wesen" oder die „Substanz" des Geistes sei. Die philosophische Darstellung der Geschichte legt diesen Zusammenhang frei, indem sie das, was Freiheit ist, in seinem Wie, seinem Vollzug begreiflich macht. Das Geschehen wird so zum explicans der absoluten Form, die Geistesphilosophie macht den „Gehalt" dessen kund, was in der Logik als reine Form zum Ausdruck kommt. Wie diese in sich einen immanent notwendigen Zusammenhang darstellt, so die Geschichte als „Weg der Befreiung der geistigen Substanz" (E § 549): „Die Fortbildung des Begriffs
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der Freiheit... ist für sich notwendig" (Rel. I 239). Sie ist dies, insofern sie die „durch seinen Begriff", die Freiheit, „bestimmte Entwicklung" des Geistes ist (E § 549 A). Weil so d'e Weltgeschichte „nichts als die Entwicklung des Begriffs der Freiheit" ist (Ph. Gesch. 539 f.), ist sie selber Fortschreiten nach der Art des Begriffs: „freie Ausbildung" (R § 273 A) oder „freie Entwicklung ihrer Momente" (Ph. Gesch. 67; vgl. E § 442). Als faktischer Vollzug nimmt diese Entwicklung die Gestalt des Bewußtwerdens seiner selbst an: „Alles, was im Himmel und auf Erden geschieht..., strebt nur danach hin, daß der Geist sich erkenne, sich sich selber gegenständlich mache, sich finde, für sich selber werde, sich mit sich zusammenschließe" (Gesch. Ph. 142). So kann die Weltgeschichte als der notwendige „Fortschritt im Bewußtsein der Freiheit" definiert werden (Ph. Gesch. 32). Die Vorwürfe, die sich gegen diese bekannte Formulierung richten, gehen zum Teil auf die darin angeblich vertretene „Fortschrittsideologie" — (zum Gedanken der „Perfektibilität" vgl. R § 343 A, Ph. Gesch. 74) —, hauptsächlich aber auf die Rolle, welche dem Bewußtseinsprozeß im Horizont wirklicher Emanzipation hier zugesprochen scheint. Was aber ist tatsächlich in der These enthalten, daß „das Interesse der Vernunft" — welches ja Motor der Geschichte sein soll — „auf das Bewußtsein des Freiheitsbegriffes" (Ph. Gesch. 94) geht, derart, daß sogar der „Unterschied des Wissens von der Freiheit" das Kriterium für die „Einteilung der Weltgeschichte" abgeben soll (Ph. Gesch. 32)? Der Ideologieverdacht liegt in der Tat nahe, wenn ohne weitere Berücksichtigung der Hegeischen Fassung des Freiheitsbegriffs Formulierungen wie die folgende gelesen werden: „Die Orientalen wissen es noch nicht, daß der Geist oder der Mensch als solcher an sich frei ist; weil sie es nicht wissen, sind sie es nicht" (Ph. Gesch. 31). Was aber hierin tatsächlich enthalten ist, ist alles andere als eine vereinfachte stoische Freiheitsauffassung, nach welcher noch der Sklave, allein durch die absolute Selbstgewißheit seiner Freiheit, schon frei wäre. Die phänomenologische Bewußtseinskritik wendet sich ja gerade gegen einen Subjektivitätsbegriff, der bei der Selbstgewißheit stehen bleibt, nicht zu deren „Wahrheit" weitergeht, und die ganze Systematik der Rechtsphilosophie, deren Abschluß der Geschichtsbegriff bildet, hebt sich eben dadurch von Hegels direkten Vorgängern ab, daß in ihr die prinzipielle Freiheitsproblematik zugleich im Rahmen der sich weltlich verwirklichenden Freiheit zur Sprache kommt. Daß wirkliche Freiheit und Freiheitsbewußtsein untrennbar zusammengehören, liegt im Hegeischen
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Freiheitsbegriff selber begründet. Freiheit ist nicht ein Zugrundeliegendes, immer schon Vorhandenes, das mit mehr oder weniger Bewußtheit von den Völkern und Individuen angeeignet würde. Was wirklich an Freiheitspotential in einer geschichtlichen Epoche vorhanden ist, läßt sich nur daran erkennen, wie es sich äußert, in welchem Maße es zum Bewußtsein seiner selbst gelangt. Wie der Freiheitsbegriff einer ist, der schon als Ansich die Notwendigkeit seiner eigenen Realisation ausspricht, so ist umgekehrt die Wirklich^«'/ der Freiheit eine, die notwendigerweise auf ihren eigenen Begriff sich beziehen und sich explizit als dessen Verwirklich»«^ verstehen muß. Wenn Freiheit Selbstverfügung ist, gibt es keine unbewußte Freiheit; frei sein heißt immer auch sich auf seine Freiheit berufen. Deshalb kann Hegel sagen, daß in den verschiedenen „welthistorischen Völkern" Kunst und Wissenschaft — in welchen sich jene die Selbstvergewisserung und Selbstdarstellung der eigenen Freiheit geben — nicht nur nach „Stufe und Richtung überhaupt", sondern auch ihrem wesentlichen „Gehalt" nach verschieden sind; denn „dieser Gehalt betrifft den höchsten Unterschied, den der Vernünftigkeit" (Ph. Gesch. 94). Der Begriff, der sich noch nicht die Form und Gestalt des Begriffs gegeben hat, ist noch nicht wirklich Begriff. Der „ungeheure Unterschied", der in der Form der Entwicklung liegt — und auf den „der ganze Unterschied in der Weltgeschichte" ankommt (Gesch. Ph. 140) — , affiziert den Gehalt des zu Entwickelnden selber. Nur an sich seiende Freiheit ist nicht wirklich Freiheit; damit ein Volk frei genannt werden kann, muß es sich selber, in Institutionen und Gesetzen, die ausdrückliche Bestimmung seiner Freiheit gegeben haben. Wirkliche Freiheit kann einem Volk, auch wenn durch die Geschichte gewissermaßen vorbereitet und vorgegeben, nicht als natürliche Eigenschaft zukommen, sondern nur als von ihm selber beanspruchte und durch es selber sich zugesprochene. Dies liegt schon in der „formalen" Struktur des Freiheitsbegriffs: frei wird das Notwendige nur durch Manifestation der zunächst noch innern Identität mit sich im ändern, eine Manifestation, welche das Innere sowohl für sich selber wie für andere offenkundig werden läßt. Weil der Geist frei ist, ist „seine Existenz" das „Wissen", die „absolute Form", die „den Inhalt in sich selber" hat (E § 442, 442Z). Vollendete Freiheit findet der Mensch nicht in der bloß faktischen Versöhnung mit dem Wirklichen, sondern nur im Wissen, daß er in der Welt subjektiv frei bleibt, oder daß es vielmehr seine eigene Freiheit ist, welche ihm gestattet, sich mit der objektiven Wirklichkeit so auseinanderzusetzen, daß er in ihr zugleich bei sich selber
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bleibt und nichts als seine eigene Freiheit realisiert. Deshalb ist es nach Hegel „für eine Torheit neuerer Zeit zu achten, eine Revolution ohne eine Reformation gemacht zu haben" (E § 552A). Wie es der Philosophie überhaupt darauf ankommt, „die Form in ihrer unendlichen Wahrheit" (E § 552 A) zur Geltung zu bringen, so geht es der Geistesphilosophie um die „Idee der Freiheit, welche nur ist als Bewußtsein der Freiheit" (Ph. Gesch. 540). Die Dialektik von Freiheit und Freiheitsbewußtsein bildet so eine inhaltliche Erfüllung zugleich für die Dialektik von Ansichsein und Fürsichsein, durch welche sich der Gang der Weltgeschichte strukturell beschreiben ließ, wie auch für die Identität von Form und Inhalt, als welche sich sowohl der Begriff der ganzen Weltgeschichte wie deren Abschluß darstellt. Beide Aspekte sind in der Untrennbarkeit von Freiheit und Freiheitsbewußtsein angesprochen. Daß zum wirklichen Freisein auch dessen Bewußtheit gehört, läßt sich sowohl von einer phänomenologischen Betrachtungsweise wie vom strikten Hegeischen Freiheits- (oder Geistes-) begriff her einsichtig machen. Daß aber umgekehrt ein wahres, nicht-ideologisches Freiheitsbewußtsein an den Zustand wirklicher Freiheit — oder zumindest an dessen potentielles Vorhandensein im „Durchgangspunkt" des Negativen — gebunden ist, ist dem Hegeischen Freiheitsbegriff ebenso wesentlich. Wenn Freiheit notwendigerweise das Moment subjektiver Freiheit impliziert, so muß diese sich umgekehrt in der äußern Gegenständlichkeit ihrer selbst versichern, um nicht zur formellen Selbstbehauptung zu verkommen. Diesen „Umweg", den der Geist machen muß, um in Wahrheit zu sein, stellt die Weltgeschichte dar. Daß dieser Umweg immer schon Rückkehr ist, läßt ihn zur Wahrheit der Rechtsphilosophie werden. Indem die Geschichtsphilosophie das Prinzip „des an sich absolut freien und in der Tätigkeit seines Befreiens seine Wirklichkeit habenden Geistes" in seiner Verwirklichung darstellt, schafft sie „die absolute Möglichkeit und Notwendigkeit" der „Versöhnung der Wirklichkeit überhaupt mit dem Geiste" (E § 552 A). Was sie zur Darstellung bringt — und was sich so nachträglich als einziger Inhalt der ganzen Theorie des objektiven Geistes erweist —, ist ebensowenig wie in der Logik ein Willkürliches, sondern ein in sich notwendiger Inhalt, „der absolute Gehalt" selber: „der in sich konkrete Geist" (E § 552A). Sie schafft somit die Voraussetzung für den Übergang zur Theorie des absoluten Geistes, der Betrachtung der Idee nicht nur in ihrer weltlichen Verwirklichung, sondern an ihr selber, in ihrer absoluten Wahrheit — letztlich in ihrem „eigenen Element" und gemäß ihrer eigenen Form: im Denken
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(Gesch. Ph. II 454). Doch hat schon die Geschichtsphilosophie in dieser Zwischenposition an der „absoluten" Wahrheit teil; als Manifestation dieses „absoluten Gehalts" ist sie, nach Hegels Worten, „die wahrhafte Tbeodi^ee" (Ph. Gesch. 540).
D. Odo Marquard hat den systematischen und historischen Zusammenhang der entstehenden Geschichtsphilosophie mit der TheodizeeProblematik herausgearbeitet35. Nach seiner Meinung wird die Geschichtsphilosophie — als „Nachweis der autonomen Täterschaft des Menschen"36 — in dem Moment zur Nachfolge der Theodizee berufen, wo diese sich nicht mehr auf die „Optimismus"-These Leibnitz' stützen kann, sondern im Gegenteil durch die Demonstration des Bösen oder gar notwendig Antinomischen in der Welt gefährdet wird. Soll ihre Funktion der „Rechtfertigung Gottes" — von Marquard einseitig als „Freispruch Gottes wegen erwiesener Unschuld"37 interpretiert — noch irgendwie erfüllt werden können, dann nur durch die Vollstreckung der idealistischen Autonomiethese in der Geschichtsphilosophie: durch den Nachweis, daß nicht Gott, sondern der Mensch für die schlimme Welt zur Verantwortung zu ziehen ist. Diese grundlegende Konstellation bleibt bestehen, auch wenn angesichts der Schuld, die der Mensch sich damit auflädt, in der idealistischen Philosophie selber eine eigentümlich ambivalente „Rückrufung Gottes"38 stattfindet oder aus der „Unlust zur eigenen Identität"39 im „Namen der Autonomie" eine neue Heteronomie eingegangen wird: durch Rekurs auf die Natur, auf den Weltgeist, oder auf ein erzeugtes Feindbild. So gesehen bringt diese Umkehrung in der Tat die Geschichtsphilosophie in Schwierigkeiten, zwingt zu ihrer Aufgabe, zu ihrer Mäßigung als Historie, oder aber zum dezidierten Übergang zur Anthropologie. — Die Frage ist hier indes, ob auch die Hegelsche Geschichtsphilosophie tatsächlich einer so gekennzeichneten Theodizee entspricht und deren Selbstdestruktion verfallen muß. Marquards 35
36 87 38 39
Besonders in den beiden Aufsätzen „Idealismus und Theodizee" und „Wie irrational kann Geschichtsphilosophie sein ?", in: Schwierigkeiten mit der Gescbicbtspbilosophie, Ffm 1973. Ebd. 70. Ebd. 59. Ebd. 63. Ebd. 73.
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These hängt eng mit seiner Fassung der „geschichtsphilosophischen Theodizee" als einer „negativen Variante des physikotheologischen Arguments" zusammen: als eines Schlusses „von der Güte Gottes auf seine Nicht-Existenz"40; ein Schluß, der zumindest die geschichtliche Täterschaft betrifft und allenfalls ein „methodischer Atheismus ad maiorem gloriam Dei" ist41. Ein solches Konzept liegt jedoch der Hegelschen Geschichtsphilosophie fern. Auch sie versteht sich zwar als Theodizee, insofern sie „die Rechtfertigung Gottes in der Geschichte" ist (Ph. Gesch. 540; 28). Doch ist sie dies nicht durch den Freispruch Gottes, sondern durch die Insistenz auf seiner vollen Schuldigkeit: „Das, was geschehen ist und alle Tage geschieht, [ist] nicht nur nicht ohne Gott, sondern wesentlich das Werk seiner selbst" (Ph. Gesch. 540). Gerade dadurch will Geschichtsphilosophie die Aufgabe erfüllen, die ihr als Philosophie die eigenste ist: die Versöhnung des Geistes „mit der Weltgeschichte und der Wirklichkeit" (ebd.). Theodizee hat für Hegel nicht primär zur Aufgabe die Entlastung von der Verantwortlichkeit an der schlimmen Welt, sondern im Gegenteil die Aufhebung des Scheins, „als ob die Welt ein verrücktes, törichtes Geschehen sei": indem die Philosophie die Weltgeschichte als Vollführung des göttlichen Plans erkennt, will sie nicht nur diesen, sondern eben darin „die verschmähte Wirklichkeit rechtfertigen" (Ph. Gesch. 53). Wie aber soll Geschichtsphilosophie dazu befähigt sein, wenn sie doch zweierlei vermeiden soll: den Rückfall in die „optimistische" Annahme von der besten der Welten und die Rückgängigmachung der freien Selbstverantwortung des Individuums ? Hegel nennt die Leibnizsche Fassung des Problems, nach welcher „das Übel in der Welt begriffen" und der „denkende Geist mit dem Bösen versöhnt werden sollte", unbestimmt und abstrakt (Ph. Gesch. 28). Sie spricht in der Tat nur die eine — und zwar untergeordnete — Seite dessen aus, was die philosophische Betrachtung der Geschichte zu thematisieren hat. Worauf diese in erster Linie aus ist, ist „die Erkenntnis des Affirmativen .. ., in welchem jenes Negative zu einem Untergeordneten und Überwundenen verschwindet" (ebd.). Zu solcher Erkenntnis jedoch gelangt sie weder über den bloßen Glauben an die Vorsehung oder an die Weltherrschaft der Vernunft, noch durch die abstrakte Untersuchung des göttlichen Willens, der sich nach dem Gesetz seiner Güte zwischen verschiedenen Welten zu entscheiden hätte. Wenn sich Philo40 41
Ebd. 69. Ebd. 65.
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sophie versagen muß, von der Idee einer Schöpfung auszugehen, so bleibt ihr zur Untersuchung der Vernünftigkeit der Welt nur diese selbst: zu betrachten ist die Vernunft, nicht abstrakt, sondern dem konkreten Inhalt nach, den sie sich gibt: „die Vernunft in ihrer Bestimmung gefaßt, dies ist erst die Sache" (Ph. Gesch. 28f.). Wenn im Gottesbegriff diese Vernunft „in ihrer konkretesten Vorstellung" gefaßt ist, so hat die Philosophie zwar den gleichen Inhalt zu betrachten wie die religiöse Idee der Vorsehung, jedoch eben nicht als Vorstellung: sie hat diesen Inhalt, „die Wirklichkeit der göttlichen Idee", zu „erkennen" (Ph. Gesch. 53). Dies tut sie in der Form des Denkens, im Begriff. Nur so erfaßt sie Geschichte nach ihrem eigenen Prinzip und kann sie sich gleichzeitig vom „Tadeln" und Betrauern der schlechten empirischen Einzelheit dispensieren; diese kann „besser oder schlechter sein, weil hier der Zufall, die Besonderheit ihr ungeheures Recht auszuüben vom Begriff die Macht erhält" (Ph. Gesch. 52f.). Vom „Überdruß an den Bewegungen der unmittelbaren Leidenschaften" sich freimachend, hat die Philosophie in der Geschichte den „Fortgang des Begriffs allein" zu betrachten (Ph. Gesch. 540). Nur so kann sie die Aufgabe erfüllen, welche die eigenste der Philosophie ist, und in welcher das Theodizeemotiv zum Moment wird: den Geist dadurch mit der Wirklichkeit zu versöhnen, ihn dadurch in der Welt frei zu machen, daß sie deren eigene Vernünftigkeit zur Darstellung bringt. Die Überzeugung, daß Vernunft in der Geschichte sei, muß zwar vom Philosophen zur Betrachtung der Geschichte mitgebracht werden (Ph. Gesch. 20) — daran stößt sich der Historiker, der sich auf diesen ersten Halbsatz beschränkt und opponiert, daß all dies doch „erst zu beweisen, nicht ,mitzubringen'" sei42. Diese Grundannahme ist jedoch für Hegel nur eine „Voraussetzung in Ansehung der Geschichte als solcher überhaupt" (Ph. Gesch. 20); für die Philosophie der Geschichte muß sie ebensosehr „für sich selbst philosophisch und damit als an und für sich notwendig ausgemacht werden" (E § 549 A). Das Verbot einer „apriorischen Betrachtung" und die daraus folgende „Anforderung der Unparteilichkeit" an die Philosophie (E § 549 A) dürfen jedoch nicht als Forderung nach einem abstrakten und in sich gänzlich unbestimmten Herangehen an die Geschichte mißverstanden werden. Im Gegenteil hat Erkenntnis, soll sie sich als wahre legitimieren können, ihr eigenstes Interesse, das der Vernunft, geltend zu machen. Indem sie sich selber 42
Burckhardt, Weltgeschichtliche Betrachtungen 4.
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diesem Interesse unterwirft, hat sie allein Aussicht, Wirklichkeit in ihrer eigenen Wahrheit, als „vernünftige" zu begreifen. „Wer die Welt vernünftig ansieht, den sieht sie auch vernünftig an" (Ph. Gesch. 23). Die Welt als vernünftige erkennen, heißt nicht, sie mit irgendwelcher Vollkommenheit auszustatten, die ihr gar nicht zukommt, sondern vorerst nur dies: sie als das betrachten, was sie von sich selber aus zu sein beansprucht, und zur Darstellung bringen, inwieweit sie diesem Anspruch real Genüge leistet. Erkenntnis wird dadurch zur wahren, daß sie den Gegenstand selber in seiner Wahrheit, d. h. in seiner innern Bezogenheit — ob Versöhnung oder Widerspruch — von Begriff und Realität zur Erscheinung bringt, ihn als Idee auffaßt. Wenn zwar gemeinhin „die Idee für das gilt, was nur so eine Idee, eine Vorstellung in einem Meinen ist, so gewährt hingegen die Philosophie die Einsicht, daß nichts wirklich ist als die Idee" (R 25). Diese Einsicht ist das Resultat der Analyse der Logik. Wenn die Idee als deren letzte Formbestimmung auftritt, so bedeutet dies, daß der spekulative Begriff nur dann seinen Gegenstand adäquat erfaßt, wenn er ihn unter dieser höchsten Bestimmung des Denkens begreift: als Idee. Damit ist die höchste Regel zum Denken von Wirklichkeit überhaupt, nicht irgendwelche positive oder „optimistische" Vorentscheidung über den Gegenstandsbereich ausgesprochen. Im Gegenteil soll eine so qualifizierte Analyse sich gerade als die eigentlich wissenschaftliche Kritik legitimieren können. Indem sie nichts als „das Erfassen des Gegenwärtigen und Wirklichen" ist (R 24), vermag sie die Insuffizienz faktischer Verhältnisse aufzuzeigen, ohne auf „das Aufstellen eines Jenseitigen ..., das Gott weiß wo sein sollte", rekurrieren zu müssen. So das Gegenwärtige als Idee auffassen, heißt es als vernünftiges begreifen; beide Formulierungen sind „synonym" (R 25). Es liegt vorerst nichts weiter als die Aufforderung zu einem so bestimmten kritischen Erkennen hinter der bekannten Gleichung von Vernünftigem und Wirklichem. Auch das Unvernünftige kann in seiner Unwahrheit nur durch Vernunft, ja selber nur als „vernünftiges" — als an sich Vernünftiges in seiner Selbstnegation — erkannt werden, wie sich in der Logik gezeigt hatte, daß auch das Unfreie nur auf Grund des Freiheitsbegriffs — als dessen selbstdefiziente oder widersprüchliche Realisierung — als unfreies zur Darstellung gelangen kann. So wenden sich Hegels zugespitzte Formulierungen in Wirklichkeit gegen eben jene „subjektive" Wirklichkeitskritik, welche in ihnen reine Ideologie erblickt. Sie fordern, das Sollen nicht von außen — Gefühl, Meinung — an die Wirklichkeit heranzutragen, sondern in dieser selber, in deren innerm Verhältnis von
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Begriff und Realität sichtbar zu machen. Wahre Erkenntnis hat den Gegenstand auf seine eigene Wahrheit hin zu prüfen43. Was sich so als Bedingung von Erkenntnis überhaupt ergeben hat, ist auf den spezifischen Gegenstand der Geschichte anzuwenden. Die Aufforderung, Wirklichkeit als Idee, d. h. nach ihrem Begriffe aufzufassen, bedeutet hier, das zu betrachten, was im weltlichen Geschehen das eigentlich Geschichtliche ausmacht. Dies impliziert zunächst den Verzicht auf psychologische oder anderswie empirisch-reflektierende Annäherungsweisen, welche sich an den „Partikularitäten" geschichtsbildender Völker und Individuen festmachen. Nicht das Anekdotenhafte ist Thema der Geschichte, sondern daß in ihr „ein Richtiges und Notwendiges", das „was an und für sich an der Zeit" ist, vollbracht wird (Ph. Gesch. 45, 47f.); gegenüber der „Gehaltlosigkeit" jener Zufälligkeiten geht es vorerst darum, den „wirklichen und wahrhaften Gegenstand", den letztlichen Inhalt von Geschichte zu bestimmen (E § 549A). Wie auch der gewöhnliche Sprachgebrauch die vielfältigen Erscheinungsweisen eines Volks im „Volksgeist", die einer Zeit im „Zeitgeist" synthetisch zusammenfaßt und auf eine grundlegende Bestimmung zurückführt, so die Philosophie. Sie sucht ihren Gegenstand „freizulassen", ihn als einen aufzufassen, der an und durch sich selber bestimmt ist. Diese allgemeine Maxime philosophischer Betrachtung findet in der Geschichte in besonderer Weise Anwendung, da es sich hier um einen Gegenstand handelt, der sich auch nach seinem eigenen Verständnis selber Bestimmtheit gibt, seine Daseinsformen von einem selbstgewählten Prinzip her erzeugt. Wie der gemeine Menschenverstand — dem Hegel zwar meist nicht gerade wohlwollend gegenübersteht — einzelne Geschichtsabschnitte, so betrachtet die Philosophie die Geschichte selber als ein in sich Bestimmtes: als Geschichte eines in sich Bestimmten, das sich nach der Logik seiner eigensten Bestimmung, seines Prinzips, entfaltet und darstellt. Diese Perspektivenerweiterung ist nicht einfach die Transposition einer mehr oder weniger plausiblen Betrachtungsweise auf eine höhere, generellere Ebene, sondern entspricht der spekulativen Betrachtung der endlichen Volksgeister selber. Endliche Entitäten unter dem Aspekt der Idee betrachten heißt, sie nach ihrem Begriff auffassen, welcher zugleich einer ist, der über seine endliche Gestaltung hinausweist. Was etwas ist, ist es nur durch seine Form. Formbestimmungen haben ihre Wahrheit 43
Die Beziehung (oder Differenz) ist nach dialektischer Logik zugleich eine im Bezogenen (oder Differenten) selber.
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aber erst in der absoluten Form, erst in dieser werden sie wirklich intelligibel; dies hat die Logik gezeigt. So haben die Völker, die in ihren Verfassungen und Institutionen sich als Staaten die organische Wirklichkeit ihrer Freiheit zu geben suchen, ihre Wahrheit in dem, was auf Verwirklichung der Freiheit überhaupt aus ist. Dies nennt Hegel den allgemeinen Geist der Welt, das letztliche Subjekt der Geschichte. Im „Verhältnis zu ihm" haben „alle ändern Erscheinungen ... allein ihren Wert sowie sogar ihre Existenz" (E § 549 A). Endlicher Geist muß sich wesentlich als Geist, endliche Freiheit als Freiheit verstehen, damit sie in ihrer Wahrheit, in ihrem wirklichen „Inhalt" und „Zweck" gefaßt werden. So wird zum einen Geschichte begriffen als Entfaltung des Geistes — der „in ihr webt und allein das Bewegende ist" —, und zum ändern als „das Bestimmende" in ihr jenes gefaßt, was den Begriff des Geistes ausmacht: „die Freiheit" (ebd.). Nichts anderes als diese Konstellation — auch nicht die Vorstellung eines Geistes, der „über der Geschichte wie über den Wassern schwebt" — meint die Behauptung, „daß Vernunft in der Geschichte sei" (ebd.). In ihrem strikten Sinne verstanden, berechtigt diese These keine der berühmten Deutungen, die sie zur Lächerlichkeit degradieren: weder die Annahme, daß die Gegenwart schon als vollkommene Realisierung des gesamten Freiheitspotentials des Geistes zu verstehen sei, in ihr Versöhnung ihren Abschluß gefunden habe — sondern lediglich, daß sie nicht anders denn als Gestalt des sich befreienden Geistes, d. h.: nur geschichtlich in ihrer Wahrheit verstanden werden kann; noch die These von der Abgeschlossenheit der Geschichte, nach deren jetzigem Zustand keine wirkliche Fortentwicklung mehr denkbar wäre — sondern nur dies, daß die Geschichte an einem Punkt angelangt ist, wo sie ihrer selbst bewußt geworden ist, sich als Geschichte zu begreifen vermag. Dies bestätigt sich in Hegels Deutung der Geschichte der Philosophie. Diese ist, am „Standpunkt der jetzigen Zeit" angelangt, „für jetzt damit geschlossen" (Gesch.Ph. III 461) — eine Formulierung, die wohl deutlich genug auf die zeitliche Relativität der „Geschlossenheit" der „Reihe der geistigen Gestaltungen" hinweist. Wenn Hegel trotzdem die Geschichte der Philosophie als „beschlossen" (ebd.) bezeichnet, so in anderer Hinsicht als der eines absurden Endzeitgedankens. Für Hegel ist die Philosophie insofern beschlossen, als sie (erst jetzt) zum Bewußtsein ihrer selbst, und das heißt: zum Bewußtsein ihrer in der Geschichte, ihrer als geschichtlicher, damit zum Bewußtsein der Geschichte selber gekommen ist. Erst indem sie sich in der Geschichte selber erfaßt, diese wie sich aus dem gleichen Prinzip begreiflich macht,
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erscheint ihr die Geschichte — sowohl des weltlichen Geschehens wie der Philosophie als dessen Gedanken — nicht mehr als „eine blinde Sammlung von Einfallen", sondern als „schlechthin notwendiger Fortgang, der nichts als die Natur des Geistes selbst ausspricht" (ebd. 461 f.). Wie sich die Philosophie in diesem Verhältnis zur Geschichte selber verstehen muß, wird in der Theorie des absoluten Geistes näher geklärt werden müssen. Für die Geschichte indes ergibt sich bereits aus dem Gesagten, wie ihre „Abgeschlossenheit" allein zu verstehen ist: als Bewußtwerden ihrer selbst: als Bewußtwerden ihres Zwecks und einzigen Inhalts. Daß Hegel in der Einschätzung seiner Zeit als des Beginns bewußter geschichtlicher Tätigkeit eher zu „optimistisch" war — Marx hat noch Jahrzehnte später die Menschheit aufgerufen, sich vom Verhängnis des Schicksals zu befreien und in freier Selbstbestimmung den geschichtlichen Verlauf in die Hände zu nehmen —, braucht nicht schon sein prinzipielles Geschichtskonzept in Frage zu stellen. Die Einsicht in das, was objektiver Zweck der Geschichte ist — und in normativem Sinn sein muß —, und welche nicht schon die Verfügung über deren realen Verlauf bedeutet, wird noch indirekt bestätigt in dem, was in der Realität sie zu widerlegen scheint. Die Unvernünftigkeit des Geschehens widerlegt nicht die Notwendigkeit — nicht nur als Sollen — der Vernunft. Sie impliziert diese, um selber als Negatives auftreten zu können, als das eigene Ansich. Insofern enthält die These von der Vernunft in der Geschichte als solche noch keine positive Aussage über real gewordene Versöhnung, sondern nur den Begriff von Geschichte überhaupt. Die zugespitzte Formel, auf welche diese These in der Vorrede zur Rechtsphilosophie gebracht wird — „was vernünftig ist, das ist wirklich, und was wirklich ist, das ist vernünftig" (R 24) —, siedelt sich offensichtlich nicht auf der Ebene einer bloßen Beschreibung von Faktizität an. Auch ist ihre Aussage nicht einfach die, daß die Wirklichkeit, wenn sie wahrhaft wirklich wäre, auch vernünftig wäre44. Vielmehr bezieht sie sich auf den in der Logik herausgearbeiteten Grundgedanken, daß aus dem Wirklichen selber zu eruieren sei, was für dieses als vernünftig zu gelten hat, daß 44
So vermag auch Hegels eigene spätere Anmerkung, die in diese Richtung geht, nicht ganz zu befriedigen; Hegel drückt darin sein Erstaunen darüber aus, daß „diese einfachen Sätze . . . manchen auffallend geschienen und Anfeindung erfahren" haben, obwohl er doch in seiner Logik die Wirklichkeit im eigentlichen Sinn vom bloßen „Dasein, Existenz und ändern Bestimmungen genau unterschieden habe" (E § 6 A).
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die Wirklichkeit ihren eigenen normativen Anspruch in sich selber hat, und daß umgekehrt dieses Normative seinerseits im Wirklichen angesiedelt ist und auch immer schon auf Wirklichkeit, nämlich auf die Verwirklichung dieses Anspruchs, ausgerichtet ist. Die grundsätzliche Konvergenz von Wirklichkeit und Normativität ist nicht nur in der Mimmalinterpretation zu lesen, daß geschichtliche Wirklichkeit auch als faktisch unfreie nur vom umfassenden Freiheitsbegriff her erkannt und verständlich gemacht werden kann. Die verstehens- und darstellungsmäßige Verweisung ist zugleich als konstitutive Bedingung des Wirklichen selber angesetzt: Nicht nur kann nichts ohne Freiheitsbezug begriffen werden, sondern nichts ist ohne diesen Bezug, es gibt kein positiv Irrationales. Damit aber wird die „negative" Fassung zugleich ins Positive gewendet: das positiv Rationale, die Vernunft ist das absolut Grundlegende alles Seienden und alles Verstehens. Gleichwohl darf in der Betrachtung der realen Geschichte dasjenige, was dieser Vernunft entgegensteht, nicht verflüchtigt werden: das Unfreie, Endliche, Böse. „Das Böse ist nicht bloß das abwesende Gute", sondern selber „positive Wirklichkeit", obwohl es „nur das an sich Nichtige" ist: es ist „daher, als beides, eine positive Wirklichkeit, hiermit das Gute und die Nichtigkeit in sich enthaltend, das verkehrte, entgegengesetzte, entstellte Gute; es kommt ihm eine, aber auf den Kopf gestellte Wirklichkeit zu" (Berl.Schr. 373f.)45. „Bei dem Begriffe des Bösen wird somit nicht weniger gefordert, als den Widerspruch zu denken, .. . und zwar ist dies Böse sogar als die Existen^ des Widerspruchs zu fassen" (ebd.). Die Entfernung des Widerspruchs durch den Verstand, welcher „das Faktum der Totalität zu einer Halbheit" verfälscht, entfernt „eben damit die Sache selbst, den Begriff des Bösen" (ebd. 375). Wenn das Negative nicht einfach^^w das Positive geltend gemacht werden kann, so kann auch dieses selber nicht losgelöst von jenem zur Sprache kommen. Geschichte ist jene reale Vermittlung, in welcher das logische Moment der Negation „seine konkreteste Bedeutung" erhält (E § 552A). Versöhnung ist nur dadurch zu erreichen, daß der Geist „in dem Extreme seiner absoluten Negativität, dem an und für sich seienden Wendepunkt, die unendliche Positivität . . . seines Innern" erfaßt (R § 358). Nur im absoluten Ernstnehmen der Entzweiung wird Einheit nicht zu einer illusorischen. Negative Dialektik bleibt als Gegenentwurf formell, weil in dem Sinne, in dem sie als negative sich versteht, es keine 45
Zur Problematik des „Bösen" oder Unfreien im Gesamtrahmen einer Systematik der Freiheit s. u. S. 449 ff.
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positive gibt und geben kann, ja weil sie ihr eigenstes Anliegen nur in ihrem Gegenteil — auf das sie an sich selber ausgerichtet ist — konsistent machen kann. Ihrem HegelVerständnis bleibt der gleiche Vorwurf zu machen wie einem Großteil der Hegelkritiker: sich von einem hypostasierten Bild harmonischer Vereinigung faszinieren und abschrecken zu lassen, wie es zwar an gewissen Äußerungen, nicht aber am Prinzip der Hegeischen (Geschichts-)Philosophie festgemacht werden kann. Das Resultat dieser Überlegungen läßt sich folgendermaßen zusammenfassen. Wie die absolute Idee in der Logik, so zeigt die Geschichte in der Theorie des objektiven Geistes jenen Inhalt auf, der allen zuvor aufgetretenen Bestimmungen letztlich zugrundeliegt: den seine Freiheit verwirklichenden Geist. Wie die absolute Idee gezeigt hat, daß alle Begriffsbestimmungen ihre Wahrheit nur durch die Form, und d. h. nur durch ihre Partizipation an der absoluten Form haben, so erweist sich in der Geschichte, daß alle Gestaltungen des objektiven Geistes nur auf Grund der absoluten Form des Geschehens, der Befreiung, zu begreifen sind. Es geht hier somit nicht um ihre Verklärung als Repräsentanten erfüllter Freiheit, sondern um ihre Einordnung in ein Geschehen, das allein ihnen Sinn verleiht, sie in ihrer Wahrheit erscheinen läßt. Befreiung, als Tat des Geistes, läßt sich allerdings nur auf Grund von dessen Begriff, dem Begriff der Freiheit selber verstehen. Wenn der Geist — oder der Mensch — nicht an sich frei wäre, nicht seinem Wesen nach zur Freiheit berufen wäre, so wäre tatsächliche Emanzipation als Befreiung undenkbar. Diese Konstellation einsichtig machen und auf ihrer Grundlage faktische Wirklichkeit erfassen, darin besteht das Begreifen des Wirklichen als vernünftigen; darin erfüllt Philosophie ihre Aufgabe, „das was ist zu begreifen", und darin eröffnet sich ihr auch die Einsicht, daß „das was ist" nichts anderes als „die Vernunft" selber ist (R 26). Weil sich weltliche Wirklichkeit in ihrer geschichtlichen Dimension selber als Dasein, d. h. Verwirklichung, von Freiheit zeigt, bildet Geschichte in eminentem Sinn den Gegenstand der Philosophie: Diese hat hier ein bevorzugtes Feld zur Erfüllung ihrer Aufgabe, „den Begriff mit der Wirklichkeit zu versöhnen" (Gesch.Ph. III 455; vgl. R 27), weil Geschichte sich an ihr selber als reale Gestaltung dieser Versöhnung offenbart: „In der Tat liegt nirgend eine größere Aufforderung zu solcher versöhnenden Erkenntnis als in der Weltgeschichte" (Ph.Gesch. 28). Was Telos der Weltgeschichte ist, ist zugleich „das letzte Ziel und Interesse der Philosophie", was „Bedürfnis der allgemeinen Zeit" ist, ist zugleich Bedürfnis „der Philosophie": die „Versöhnung des Geistes"
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Die Theorie des objektiven Geistes
(Gesch.Ph. III 455, 460). Daß diese in der Geschichte und in der sie begreifenden Philosophie auf je verschiedene Weise statthat, bedeutet keineswegs eine Abwertung oder ein Hinfällig-Werden der „nur objektiven" Versöhnung, als welche die in freier Selbstbestimmung gestaltete Geschichte sich manifestiert. Als Gang der realen Befreiung bleibt Geschichte in sich Selbsteweck. Damit eine freie, emanzipierte Gesellschaft möglich sei, ist es nicht nötig, in ihr selber die Philosophie zum höchsten Prinzip oder ihre Regenten oder gar Mitglieder zu Philosophen zu machen. Frei ist sie dadurch, daß ihre staatlichen Institutionen die Wirklichkeit des Sittlichen, der Einheit des individuellen und des allgemeinen Willens verkörpern. Nichtsdestoweniger ist es kein Zufall, daß die Hegeische Systematik den Übergang zur Sphäre des absoluten Geistes über den Geschichtsbegriff konstruiert. Die Analyse der Geschichte hat den notwendigen Zusammenhang von realer Befreiung und Bewußtwerdung der eigenen Freiheit sichtbar gemacht. Es gibt kein wirkliches Freisein ohne ein sich-als-frei-Wissen. Daraus ergibt sich auch für das inhaltliche „Substrat" der Geschichte, den Staat, die Notwendigkeit, nicht nur „die objektive Existenz" der Vereinigung von Allgemeinem und Besonderem zu sein, sondern „sich dieser Vereinigung bewußt zu werden"; der Geist, der frei ist, hat sich ebensosehr „ein ausdrückliches Bewußtsein davon zu geben" (Ph.Gesch. 68f.). Die „Gestalten dieser gewußten Vereinigung" (Ph.Gesch. 68) sind Kunst, Religion und Wissenschaft. Es sind somit dieselben Gestalten, welche nachher als Figuren des absoluten Geistes auftreten, wo sie in ihrer eigenen Geltung und nach ihrem eigenen Gehalt zur Sprache kommen. Zunächst aber sind sie schon als Instanzen „auf demselben Boden" wie der Staat (ebd. 69), als Gestalten des objektiven Geistes aufzunehmen, als welche sie gewissermaßen die objektive Zweckmäßigkeit von Geschichte zur Vollendung bringen. Wie die Geschichtsbestimmung innerhalb der Sphäre des objektiven Geistes sozusagen das objektive — „für uns" — Bewußtwerden der Freiheit darstellt, es sich in ihr %eigt, daß die Befreiung die Form und Freiheit das Telos des weltlichen Geschehens ist, so ist die Religion dieses — selber evoluierende — Bewußtwerden für das 'geschichtliche Subjekt selbst. Sie ist „der Ort, wo ein Volk sich die Definition dessen gibt, was es für das Wahre hält" (Ph.Gesch. 70), wo es sein eigenes Prinzip für sich zur Anschauung bringt. Abstrakt besehen, wäre diese Aufgabe ebensogut von Kunst oder Philosophie zu erfüllen; in ihnen allen kommt, unter verschiedener Form, derselbe Inhalt zur Darstellung,
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und es ist ja auch die Philosophie, welche die „höchste" und „freieste" „Gestalt der Vereinigung" repräsentiert. Trotzdem nennt Hegel die Religion die „Spitze" und den „Mittelpunkt" der drei Gestaltungen (ebd. 69f.), und von ihr ist denn auch bei der Thematisierung dieses Verhältnisses meistens die Rede (vgl. E § 552A, R § 270A). Es wird in der Erörterung des absoluten Geistes geklärt werden müssen, inwieweit diese Präferenz selber systematisch — in der Sphäre des objektiven Geistes als solchen — begründet ist, oder inwieweit sie nur den Umstand widerspiegelt, daß bisherige Geschichte noch nicht zum adäquaten Bewußtsein ihrer selbst gekommen ist, während wirklich freies geschichtliches Handelns seine eigene Wahrheit, den „absoluten Gehalt", auch unter der „Form in ihrer unendlichen Wahrheit" zu erfassen hätte46. Jedenfalls steht die Religion für Hegel mit dem Staatsprinzip „im engsten Zusammenhang": „Freiheit kann nur da sein, wo die Individualität als positiv im göttlichen Wesen gewußt wird" (Ph.Gesch. 70). Das heißt: die Freiheitsbestimmung des Einzelnen ist nur dann in ihrer Wahrheit aufgefaßt, wenn sie als Bestimmung der absoluten Freiheit selber verstanden wird. Im gleichen Verhältnis steht auch der Staat: sein weltliches Dasein, das als besonderes immer „ein relatives und unberechtigtes ist", erhält seine „Berechtigung . . ., nur insofern die allgemeine Seele desselben, das Prinzip absolut berechtigt ist, und dies wird es nur so, daß es als Bestimmtheit und Dasein des Wesens Gottes gewußt wird" (Ph.Gesch. 70). In diesem Sinne kann gesagt werden, „daß der Staat sich gründet auf die Religion" (ebd. 71). Der moderne Staat hat 46
Für das erste spräche, daß Religion „die allgemeine Form [ist], in welcher für das nicht abstrakte Bewußtsein die Wahrheit ist" (Ph.Gesch. 527); für das zweite der Umstand, daß Kunst, die ja der Religion im System vorgelagert ist, auch in ihrer geschichtlichen Funktion (als letzte Instanz kollektiver Selbstidentifizierung) als Vorstufe der Religion erscheint. — Nach Hegel haben im modernen Staat neben der Religion auch Kunst und Wissenschaft eine Rolle zu spielen, und es wäre Aufgabe „einer vollständig konkreten Abhandlung vom Staate", sie in dieser „Stellung, die sie im Staate haben", darzustellen (R § 270 A). Allerdings scheint Hegel der Religion hierin eine grundlegendere Rolle zuzusprechen als der Kunst und der Philosophie; so, wenn er die „unzertrennliche Einheit" dieser „Gestaltungen" mit dem „Geiste des Staates" resümiert: „Nur mit dieser Religion kann diese Staatsform vorhanden sein, sowie in diesem Staate nur diese Philosophie und diese Kunst" (Ph.Gesch. 73). — Zur Funktion der Philosophie auf der Ebene des Staats vgl. Fulda, Das Recht der Philosophie in Hegels Philosophie des Rechts. In den Umkreis dieser Fragestellung gehört auch die Frage Habermas', was heute an die Stelle des entschwundenen religiösen Bewußtseins als höchste Instanz kollektiver Selbstidentität zu treten habe (Habermas/Henrich, Zwei Reden 51); vgl. dazu Teil III.
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auf bewußte Weise jene Identität wiederherzustellen, welche als unmittelbare den griechischen Staat auszeichnete: für die Athener bezeichnete „Athen" sowohl „die Gesamtheit der Einrichtungen" wie auch „die Göttin, welche den Geist des Volkes, die Einheit darstellt" (ebd. 72f.). Auch wenn die Festlegung auf die religiöse Form der Selbstidentifikation als problematisch betrachtet werden kann, so scheint doch der zugrunde liegende Gedankengang einsichtig nachvollziehbar. Damit der Staat für sich selber Berechtigung gewinnt, muß er seine Prinzipien „als an und für sich geltend" betrachten können (Ph.Gesch. 71); seine konkrete Freiheit muß ihm als Verkörperung der Freiheit überhaupt erscheinen. Die Herstellung dieses Bewußtseins ist die systematische Funktion der Religion innerhalb des Staats. Sie ist „das Wissen des Wesens, das eigentlich unser Wesen ist, ... als allgemeiner Substanz menschlichen Handelns" (Ph.Gesch. 197; vgl. 166,298). Insofern die konkrete Analyse des Staats bis zu diesem Punkte vorangetrieben wird, leitet „der konkrete, sich selbst begreifende Geist . . . die Entwicklung des Staats nach dessen eigener Idee zu Bestimmungen . . ., die nicht der eigentümlichen Sphäre des Staats angehören"47. Dieses Hinausführen über die „objektive" Sphäre der Sittlichkeit — als zweiter Natur — ist somit für die sittliche Wirklichkeit absolut notwendig, wenn sie ihrer eigenen Intention, frei zu sein und sich dieser Freiheit bewußt zu werden, folgen soll. Wenn auch die Religion in der Geschichte sehr wohl ideologische Formen angenommen haben kann, so bleibt sie doch in ihrer objektiven Funktion unabdingbar und fällt, als solche, noch nicht dem prinzipiellen Verdikt von Marx anheim, für den sie nur die Pseudoidentifikation des in seiner Unfreiheit befangenen Menschen leisten soll (MEW 1,378). Als positive Fundierung der Befreiung in der Freiheit selber bildet die Religion, noch als Bestimmung des objektiven Geistes verstanden, den inhaltlichen Wendepunkt für den systematischen Übergang zur Sphäre des absoluten Geistes. Geschichte, konsequent zu Ende gedacht, hebt die Beschränkung des objektiven — damit auch des subjektiven — Geistes auf; sie stellt darin die Befreiung des Geistes von seiner Endlichkeit, den Übergang zum unendlichen Geist dar. Ein Indiz dafür, daß in der Geschichte die Trennung von subjektiver und objektiver Seite überwunden wird, kann schon in der Tatsache gesehen werden, daß die „Geschichtserzählung mit eigentlich geschicht47
Fulda, Das Recht der Philosophie in Hegels Philosophie des Rechts 20 f.
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liehen Taten und Begebenheiten gleichzeitig" erscheint — wie denn auch die Sprache beide Aspekte vereint und der Geschichtsbegriff „ebensogut die historiam rerum gestarum als die res gestas selbst" meinen kann (Ph.Gesch. 83). Dieses selber historische Faktum ist keine „bloß äußerliche Zufälligkeit" (ebd.), sondern beruht darauf, daß Geschichte, soll sie wirklich so genannt werden können, ebenso die Selbstbewußtheit ihres eigenen Gehalts voraussetzt, weshalb die Völker erst dann in die Geschichte eintreten, wenn sie sich ihres eigenen Wesens in der Form des Staats objektiv vergewissern. Wenn so die Völker, um — subjektiv wie objektiv — „der Geschichte fähig" zu sein, „einen der Wirklichkeit und zugleich der substantiellen Freiheit angehörigen Zweck . .. haben müssen" (Ph.Gesch. 85), so liegt darin auch bereits die tendenzielle Überwindung des Mangels der „Objektivität des Geistes", „nur eine gesetzte" zu sein (E § 385 Z). Geschichte erweist sich dem Denken als die real daseiende „Einheit der Objektivität des Geistes und seiner Idealität oder seines Begriffs", jene Einheit, die als „an und für sich" seiende das Wesen des absoluten Geistes ausmacht (E § 385). Geschichte verweist in sich selber auf eine absolute Objektivität, „die in sich geschichtlich ist"48. Indem der sich befreiende Geist selber als letztes Subjekt der Geschichte erscheint, ist deren Realität bereits an sich über ihre Beschränktheit herausgekommen, die „Unangemessenheit des Begriffs und der Realität" überwunden und die Endlichkeit des Geistes als „das Scheinen innerhalb seiner selbst" erfaßt (E § 386). Der Geist, der sich seiner Identität im Endlichen mit sich selber innewird, ist zum unendlichen, zum absoluten geworden. In dieser seiner absoluten Wahrheit, als das, was er an und für sich selber ist, hat ihn die Philosophie nun zu erfassen. Diese Aufgabe erfüllt sie nicht als abstrakte Ontologie, sondern gerade in ihrer Eigenschaft als „Weltweisheit" (E §552A); denn „die Welt erkennen kann nichts anderes heißen, als die Wahrheit der Welt, die Wahrheit in dem für sich Unwahren erkennen, und diese Wahrheit ist Gott" (Berl.Schr. 383). Darin vollendet Philosophie ihre Aufgabe, die Wirklichkeit als vernünftige zu begreifen und dadurch den Geist mit ihr und mit sich selber zu versöhnen; sie „vergegenwärtigt die Wahrheit des Geistes, führt ihn in die Welt ein und befreit ihn so in seiner Wirklichkeit und an ihm selbst" (E § 552 A). Auch hierin weiß sich Philosophie noch geschichtlich bedingt. Sie kann dieser höchsten Auf-
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Theunissen, Gesellschaft und Geschichte 30.
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gäbe der Versöhnung so lange nicht entsprechen, als der geschichtliche Geist sich nur defiziente, abstrakte Darstellungen vom Absoluten gibt und nicht „die wahrhafte Religion in der Welt" hervorgetreten ist (E § 552A).
Dritter Teil Die sich selbst erfassende Freiheit: Die Theorie des absoluten Geistes
1. Einleitung A. In den vorausgehenden Überlegungen zur Weltgeschichte, welche die Erörterung des objektiven Geistes abschließen, ist bereits an sich das Feld des absoluten Geistes betreten. Die Problematik der Geschichte, nach Hegelschem Verständnis aufgefaßt, hat sich als unabtrennbar von jener der Geschichtsphilosophie erwiesen. Dies ist nicht nur in dem Sinne zu verstehen, daß die philosophische Frage nach dem Gegenstandsbereich unausweichlich die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit seiner philosophischen Darstellung aufwirft — wiewohl auch diese letztere Frage im Fall der Geschichte in besonderer Weise der Erörterung wert scheint. Vielmehr ist es die Thematisierung der Geschichte selber, welche in eigener Konsequenz die Philosophie ins Blickfeld rückte. Zur Geschichte gehört wesentlich Verständigung über sich selber; dies liegt analytisch in ihrer Definition beschlossen, Weg der Befreiung des Geistes zu sein. Nur so kann der Geist zur Freiheit gelangen, daß er sich gleichzeitig über seine eigene Freiheit sowie über die Voraussetzungen für deren Realisierung Rechenschaft ablegt. Wie zur Freiheit als solcher Freiheitsbewußtsein gehört, so hat dessen Entfaltung selber Teil an der historischen Entwicklung der Menschheit. Sofern es sich dabei noch um einen beschränkten Volksgeist handelt, wird auch sein Selbstbewußtsein ein beschränktes, seinem wahren Wesen inadäquates sein: „Der in der Sittlichkeit denkende Geist" hebt zwar die Endlichkeit seiner Existenz auf und erhebt sich „zum Wissen seiner in seiner Wesentlichkeit", zu einem Wissen jedoch, das „selbst die immanente Beschränktheit des Volksgeistes hat" (E § 552). Über diese Beschränktheit gelangt „der denkende Geist der Weltgeschichte" hinaus, der „seine eigene Weltlichkeit abstreift" und sich „zum Wissen des absoluten Geistes, als der ewig wirklichen Wahrheit" erhebt (ebd.). Wer aber ist dieser „denkende Geist der Weltgeschichte"? Mit ihm ist nicht ein übergeschichtliches Wissen von der Geschichte gemeint, kein außerweltliches „philosophisches" Bewußtsein, das sich die Geschichte nur als Gegen-
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stand vorsetzte und über diesen Reflexionen anstellte. Sondern es ist der Geist der Geschichte selber, der Geist, der in der Geschichte erzeugt wird und in ihr zu seiner Entfaltung kommt. Allerdings gehört, wie schon erwähnt, wesentlich zur Hegeischen Geschichtsauffassung, daß die historische Existenz der Menschheit nicht immer schon eine wirklich geschichtliche ist; Freiheitspotential und geschichtliches Bewußtsein entwickeln sich gemeinsam, weil beide sich gegenseitig bedingen. Zum Wissen von der Weltgeschichte selber zu gelangen, zeichnet in spezifischer Weise die Moderne aus. Deren eigener Standpunkt ist derjenige des Ganzen: die Einsicht in das Eigenste wird zur Erkenntnis der Totalität, die in jenem sich abschließt und zusammenfaßt. Der vordem beschränkte Inhalt des Sittlichen weitet sich aus zum absoluten Gehalt der Freiheit überhaupt: „So wird zuletzt das Prinzip des religiösen und des sittlichen Gewissens ein und dasselbe in dem protestantischen Gewissen, — der freie Geist in seiner Vernünftigkeit und Wahrheit sich wissend" (E § 552A). Ähnlich verhält es sich mit der innern Bezogenheit der Philosophie auf die Weltgeschichte. Auch wenn die Philosophen das Wahre immer „in Gedanken ihres Volkes" erfassen (Hegels Notizen zum absoluten Geist 17), so zeichnet sich doch nach Hegels Verständnis die gegenwärtige Philosophie dadurch aus, daß sie im Reflektieren auf den eigenen geschichtlichen Standpunkt notwendigerweise diesen als die Offenbarung der eigenen Genese und zugleich als Offenbarwerden des absoluten geschichtlichen „Gehalts" selber auffassen muß. Erst die moderne Philosophie ist im eigentlichen Sinn Geschichtsphilosophie, und dies nicht nur in einem ihrer Aspekte, sondern als ganze. Weil sie ebenso zur Geschichte gehört wie die Geschichte zu ihr, konnte Geschichte hier als Theodizee bezeichnet werden. Im vollen Gewärtigwerden der Geschichte als der abschließenden Dimension des objektiven Geistes ist somit bereits der Übergang zur Sphäre des absoluten Geistes angelegt, insofern deren Momente — und insbesondere die Religion —, indem sie vorerst selber als Gestalten des objektiven Geistes explizit gemacht werden, darin auch in ihrer absoluten Funktion zur Sprache kommen. Deshalb ist das Problem der Geschichte zugleich jenes der Geschichtsphilosophie wie der Philosophie überhaupt1. Dies bedeutet indes nicht, daß Religion und Philosophie darin bereits in ihrer eigenen Reichweite und ihrer eigenen Aussage nach zur Dar1
Die Ausführung der Theorie des absoluten Geistes wird auch die umgekehrte Relation hervorheben müssen: daß Philosophie als solche wesentlich Geschichtsphilosophie ist.
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Stellung gelangen; dies wird die spezifische Aufgabe der Theorie des absoluten Geistes sein. Trotzdem ist bei diesem Übergang gewissermaßen ein Schritt zurück vonnöten, um die neue Ebene in ihrer eigenen Entstehung, und das heißt: zuerst in ihrer unmittelbarsten Gestalt aufnehmen und begreifen zu können. Ebenso wesentlich ist aber auch ein Innehalten, um überhaupt die ganze Bedeutung dieses Übergangs sowie die Problematik einer Theorie des absoluten Geistes in den Griff zu bekommen. Daß der Übergang von der Geschichts- zur Religionsphilosophie alles andere als eine Selbstverständlichkeit darstellt, zeigt schon ein flüchtiger Blick auf andere philosophische Ansätze. Die Problematik dieses Übergangs läßt sich unter verschiedenen Aspekten fassen und in verschiedenen Fragen formulieren. (1) Wie bestimmt sich die Sphäre des absoluten Geistes an ihr selber und welches ist ihr Platz und ihre Rechtfertigung innerhalb einer systematischen Philosophie? (2) Wenn die Philosophie als ganze als Systematik der Freiheit aufgefaßt werden soll, welches ist die Funktion dieses letzten Systemteils in der Perspektive des Freiheitsgedankens? (3) Wie ist einsichtig zu machen, daß diese Erörterung den Abschluß des Systems bilden und zugleich aus der Thematisierung der Geschichte herauswachsen soll ? — Diese Fragestellungen, welche sich schlußendlich als eine einzige zeigen werden und auf welche die eingehendere Behandlung von Kunst, Religion und Philosophie eine Antwort zu geben hat, können anhand möglicher Gegenpositionen anschaulicher gemacht werden. Es ist schon an Marx' These erinnert worden, daß die einzige Wissenschaft die Wissenschaft von der Geschichte sei. In gewissem Sinn wird man auch von Hegel sagen müssen, daß seine ganze Philosophie eine der Geschichte ist, insofern noch ihr höchster Gegenstand, der freie Geist, in sich selber geschichtlich ist und gerade in seiner absoluten Geschichtlichkeit dargestellt werden soll. Indes meint diese Qualifizierung der Theorie des absoluten Geistes als Theorie der Geschichte keine Verkürzung gegenüber dem traditionellen Verständnis von Kunst, Religion oder Philosophie, sondern allenfalls dessen Radikalisierung. Wenn für Marx deren Dimension als solche suspekt ist, so liegt dies nicht nur in der zeitgenössischen antireligiösen Stimmung begründet, sondern in seinem wesentlich eingeschränkteren Verständnis der Geschichte. Weil er die Hegeische Fassung der Geschichte als eine des abstrakten Gedankens glaubt abtun zu müssen, insistiert er auf der gegenständlichen sinnlichen Wirklichkeit des Menschen; seine berühmte Gleichung von vollendetem Humanismus und vollendetem Naturalismus veranlaßt ihn
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zum Schluß, daß „nur der Naturalismus fähig ist, den Akt der Weltgeschichte zu begreifen" (MEW EB I 577). Allerdings soll sich dieser Naturalismus vom „Materialismus" unterscheiden (ebd.), und sofern die Spezifizität des menschlichen Naturwesens hervorgehoben wird, gilt auch die umgekehrte Aussage: „Die Geschichte ist die wahre Naturgeschichte des Menschen" (ebd. 579). Keinesfalls aber soll diese Geschichte, zur Erfüllung ihrer Aufgabe, einer ihr künstlich übergeordneten Dimension bedürfen, in der sie sich so etwas wie das Bewußtsein ihres absoluten Wesens zu geben suchte. Im Gegenteil wird durch eine solche Instanz der Mensch in seiner geschichtlichen Tätigkeit behindert, sozusagen auf einer Ebene unter seinem Niveau angesiedelt. Die Religion ist nicht der Ort, an dem sich der freie Mensch erst der Höhe der eigenen Aufgabe bewußt würde, sondern sie ist das Selbstbewußtsein jenes Menschen, „der sich selbst entweder noch nicht erworben oder schon wieder verloren hat"; sie ist nicht die Einsicht in die Wahrheit der Welt, sondern „ein verkehrtes Weltbewußtsein" (MEW l, 378). Und zwar ist sie nicht nur „die phantastische Verwirklichung des menschlichen Wesens" (ebd.), nicht nur ein irriges Bewußtsein, das zu seiner Wahrheit zurückzuführen wäre, sondern eine ideologische Form, die es zu bekämpfen und zu vernichten gilt: sie gibt gerade das Falsche als das wahrhaft Wahre aus. Nicht wird dem Menschen einfach seine Freiheit vorgelogen, sondern gerade seine absolute Unfreiheit zur Freiheit erklärt, seine Selbstentäußerung „in dieser entäußerten Gestalt bestätigt und als sein wahres Dasein" deklariert (MEW EB I 581). Als „allgemeiner Trost- und Rechtfertigungsgrund" (MEW l, 387) der schlechten Welt ist die Religion Stabilisierung der Unfreiheit. Die Destruktion dieser „Heiligengestalt der menschlichen Selbstentfremdung" (ebd. 379) ist Voraussetzung jeder geschichtlich-realen Befreiung. Sein wahres Selbstbewußtsein erreicht der Mensch erst „in der vernichteten, aufgehobenen Religion" (EB I 581), erst der „Atheismus" ist das „wirkliche Werden" des menschlichen Wesens (ebd. 583). Diese Religionskritik, die sich in diametraler Entgegensetzung zu Hegels Systematik der Freiheit befindet, wird von Marx auch direkt auf dessen Theorie des absoluten Geistes angewendet. Wie nach Marx' Meinung Hegel das menschliche Wesen im allgemeinen nur in der Form des abstrakten Gedankens faßt, so werden auch die Entfremdung und deren Aufhebung zu gedanklichabstrakten Verhältnissen, in denen sich gerade die Entfremdung gegenüber dem wirklichen Dasein des Menschen potenziert. Das Resultat, das für Hegel die Instanz der höchsten Konkretion darstellt, verkehrt sich
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in sein Gegenteil: der absolute Geist ist in Wahrheit „übermenschlicher" und „abstrakter Geist", sein „wirkliches Dasein" die „Abstraktion" (MEW EB I 571 f.). Der reale Mensch wird zum bloßen Prädikat des in sich selber Unwirklichen (ebd. 584). Es kann zwar mit Recht gesagt werden, daß die hier vielgescholtene „Abstraktion" außer ihrem Gegensatz zur sinnlichen Wirklichkeit bei Marx keine wirklich bestimmte Bedeutung erhält, daß somit seine Kritik, wenn auch irgendwie suggestiv, nicht wirklich nachvollziehbar scheint. Trotzdem mag die Gegenüberstellung dazu dienen, das Besondere und keineswegs Selbstverständliche der Hegeischen Konstruktion hervorzuheben. Deren Erörterung wird erst klarzumachen haben, inwiefern die Geschichtsdimension notwendig in eine Theorie des absoluten Geistes einzumünden hat, in der sie nicht ihre eigene Verunmöglichung, sondern ihren Grund und Abschluß findet.
Eine zweite Hinsicht, in der das Hegeische Konzept auf seine Überzeugungskraft hin befragt werden kann, betrifft nicht mehr die mögliche Suisuffizienz einer Geschichtstheorie, sondern den in dieser zur Darstellung gelangenden Gehalt, die Freiheit. Wenn diese sich als höchstes Prinzip der Weltgeschichte offenbart, wieso sollte dann nicht bei dieser Feststellung stehengeblieben werden können, ohne daß es nötig wäre, dieses Prinzip noch an ihm selber nach seiner innern Notwendigkeit zu überdenken und darzustellen? Man könnte hier auf Sartre hinweisen, für welchen Freiheit sozusagen die letzte Faktizität des menschlichen Daseins ist. Der Mensch, der zur Freiheit verurteilt ist, hat diese nicht mehr frei zu wählen. Die Freiheit ist nicht frei, unfrei zu sein oder nicht zu existieren; ihre Faktizität ist identischerweise ihre absolute Kontingenz. Diese Gleichsetzung entspringt nicht einem willkürlichen Reflexionsabbruch, sondern Kontingenz ist nach Sartre notwendiges Konstituens des Freiheitsbegriffs überhaupt: eine Freiheit, die über sich selber zu entscheiden hätte, verlöre den Sinn von Freiheit und würde zu einem bloßen unbestimmten Vermögen2. Ohne daß hier auf die Diskussion der Sartreschen Position und ihre ontologischen Voraussetzungen eingegangen werden kann, vermag der erwähnte Kontrast doch das Gewicht der in der „Enyzklopädie" durchgeführten Fragestellung zu zeigen. Wenn für Hegel Kontingenz nur die formelle Vorstufe der Notwendigkeit ist und die Wissenschaft überhaupt ihren Gegenstand nach der Notwendigkeit seines Begriffs darzustellen hat, so gilt dies in beson2
L'etre et le neant 565 ff.
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derer Weise für ihren höchsten Gegenstand, die Freiheit3. Es wird zu untersuchen sein, inwiefern dadurch der Freiheitsbegriff eine neue Spezifikation erhält, und ob möglicherweise, in anderer Hinsicht, in seiner höchsten Notwendigkeit eine neu zu bestimmende Kontingenz aufscheint. Die Problematik der Hegeischen Konstruktion wird indes nicht nur — und vielleicht nicht einmal primär — im Kontrast gegen das spätere Bewußtsein offenbar, dem der abgeschlossene und vollendete Systembau suspekt wurde. Indem dieser nach Hegels eigenem Verständnis dem spezifischen Standpunkt und dem Bedürfnis der Gegenwart entspricht, hebt er sich ebensosehr von der ihm vorausgehenden Philosophie, und am konkretesten von jener seiner unmittelbaren Vorgänger ab. „Es scheint, daß es dem Weltgeist jetzt gelungen ist, alles fremde gegenständliche Wesen sich abzutun und endlich sich als absoluten Geist zu erfassen. . . Der Kampf des endlichen Selbstbewußtseins mit dem absoluten Selbstbewußtsein, das jenem außer ihm erschien, hört auf .. . Hiernach ist nun unser Standpunkt das Erkennen der Idee als Geist, als absoluter Geist" (Gesch. Ph. III 460f.). Wennzwar diese Aussagen mit ihrem Akzent auf dem Erkennen sich auch gegen Schellings intellektuelle Anschauung richten (ebd. 459), so liegt doch philosophiegeschichtlich das Hauptgewicht auf der Absetzung gegenüber der Philosophie Kants. Für diesen soll Gott als das Ideal der reinen Vernunft nicht Gegenstand einer möglichen Erkenntnis sein, sondern als regulativer Begriff in der Form des bloßen „als-ob" höchste Einheit in die Erfahrung hineinbringen. Ganz im Gegensatz zu Hegel, für welchen Geschichte selber eine Transparenz erhält, die sie zur Theodizee werden läßt, ist für Kant „unsere Vernunft zur Einsicht des Verhältnisses, in welchem eine Welt, so wie wir sie durch Erfahrung immer kennen mögen, zu der höchsten Weisheit stehe, schlechterdings unvermögend"4. Trotzdem spielt die Idee Gottes eine gewichtige Rolle, vor allem als Postulat der praktischen Vernunft; als solches bildet sie die Vollendung der moralisch-sittlichen Welt. Weil sie aber auch hierin dem Denken ein Jenseits, ein bloßes Sollen bleibt, verunmöglicht sie nach Hegel die Erfüllung der höchsten Aufgabe der Vernunft, der Erkenntnis des Absoluten. Philosophie 3
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Die Kontingenz, die dem Freiheitsbegriff anhaften bleibt, breitet sich aber von da aus über die Dimension der Geschichte als solcher. Wenn Freiheit nicht in ihrem letzten Grund begriffen wird, bleibt auch Geschichte, die vom Freiheitsbegriff her transparent gemacht werden sollte, letztlich unbegreifbar. Werke, Ed. Weischedel, VI114.
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bleibt damit hinter der Religion zurück und entzieht sich ihrer Aufgabe, den in dieser offenbar gewordenen Inhalt denkend zu begreifen. Wenn aber die absolute Wahrheit an ihr selber nicht erkannt werden soll, wird auch die wahre Erkenntnis realer und endlicher Wirklichkeit verweigert: die Theorie des absoluten Geistes soll ja nicht nur letzter Teil, sondern gemäß der spekulativen Form die Wahrheit des ganzen Systems sein.
B. Auf diese Fragestellungen, die in der kurzen Kontrastierung mit Marx, Sartre und Kant angesprochen wurden, wird in der Erörterung der Hegeischen Theorie von Religion und Philosophie ausführlicher einzugehen sein. Zuvor soll jedoch eine allgemeine Situierung und Interpretation der Theorie des absoluten Geistes unternommen werden, wie sie von der hier erreichten Ebene, vom Abschluß der Philosophie der Weltgeschichte aus möglich ist; auch diese allgemeine Situierung wird im nachhinein ihre Präzisierung und Rektifizierung erfahren müssen. Inhaltlich gesehen, hatte schon die Betrachtung der Geschichte zum neuen Thema übergeleitet. Damit Sittlichkeit sich als freie erfahren und somit ihr eigenstes Anliegen sich überhaupt erst voll realisieren kann, muß in ihr selbst ein Bewußtsein dessen entstehen, was den absoluten Gehalt geschichtlicher Existenz ausmacht. Zur Selbstverantwortung und Selbstrechtfertigung gehört das Wissen von der Freiheit selber. Religiöse Existenz ist selber sittlich motiviert, wie im allgemeinen das denkende Bewußtsein seine Wahrheit nur der innern Verbundenheit mit geschichtlicher Erfahrung verdankt. So sind die verschiedenen Stufen der historischen Entfaltung des objektiven Geistes mit jenen der Religion nicht nur äußerlich zu parallelisieren — wie es etwa scheinen könnte, wenn man sich lediglich an den enzyklopädischen Systembau hält und in den voneinander abgetrennten Teilen wiederholte Ähnlichkeiten feststellt. Sondern Sittlichkeit und Religion gehören wesentlich zusammen, weil sie einerseits ein und dasselbe „Thema" haben, die Freiheit und deren Verwirklichung, und weil sie anderseits in ihrer Existenz aufeinander angewiesen, ja verwiesen sind. Wie schon die moralische Absicht auf die wesentliche Bestimmung der Handlung aus ist, so zielt die sittliche Tätigkeit explizit auf das Versöhnungsmoment in der Wirklichkeit ab, das ihr die Religion vorstellig macht. In diesem Sinn kann Hegel die „Institutionen der Sittlichkeit. .. göttliche, heilige" nennen und die These auf-
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Die Theorie des absoluten Geistes
stellen, daß „in der Sittlichkeit. .. die Versöhnung der Religion mit der Wirklichkeit, Weltlichkeit vorhanden und vollbracht" ist (Rel II 332f.; vgl. Ästh I 304). Ebensosehr ist es umgekehrt das eigenste Anliegen der Religion, in der Gewißheit der absoluten Versöhnung diese in dieWeltlichkeit hineinzutragen, und die religionsphilosophischen Vorlesungen beschließen die Abhandlung der „absoluten Religion" nicht zufällig mit der „Realisierung des Geistigen zur allgemeinen Wirklichkeit" (Rel II 329—344). Indes dürfen diese Gemeinsamkeiten und gegenseitigen Verweisungen nicht darüber hinwegtäuschen, daß mit dem Übergang zur Theorie des absoluten Geistes eine grundsätzlich neue und „höhere" Ebene betreten wird. Wenn im Bereich des objektiven Geistes die Philosophie noch im emphatischen Sinn als die wahre „Weltweisheit" bezeichnet werden konnte, welche die Wahrheit der Weltgeschichte auszusprechen hatte, so geht es hier um die Philosophie, sofern sie „nicht Weisheit der Welt, sondern Erkenntnis des Nichhveltlichen" ist. Ihr Gegenstand ist identisch mit jenem der Religion: „die ewige Wahrheit in ihrer Objektivität selbst, Gott und nichts als Gott und die Explikation Gottes" (Rel 128). Die Perspektivenverschiebung, die hier vorgenommen wird, ist jene von der Wahrheit des Endlichen zur Wahrheit des Unendlichen an ihm selber — oder auch: zur Wahrheit an ihr selber. Was in der Geschichte bereits an sich vorhanden ist und für die philosophische Betrachtung derselben, die „Theodizee", expliziter Gegenstand wird, wird nun in seinem Für-sichwerden Thema der Betrachtung. Die geschichtliche Entfaltung des absoluten Geistes, welche mit dessen logischer Struktur koinzidiert, enthält die Stufen der Selbsterfassung der absoluten Wahrheit. Die damit vorgenommene prinzipielle Veränderung des Sichtwinkels steht selber in der Verlängerung jenes Prinzips, welches die Darstellung der Rechtsphilosophie strukturierte: des Prinzips zunehmender Objektivität und der Überwindung jenes formellen Moments, das in verschiedenem Maß dem Recht und der Gesellschaft, aber auch noch dem Staat anhaftet5. Erst die absolute Objektivität, welche in der Geschichte in ihrer Erscheinung, im absoluten Geist in ihrem reinen Wesen zur Darstellung gelangt, vermag auch die Superiorität des Staats über Gesellschaft und Recht zu begründen. Wenn dem so sein soll, so heißt dies aber zugleich, daß nicht einfach ein neuer, völlig anderer Gegenstand ins Blickfeld rücken darf. Im Gegen5
Vgl. Theunissen, Hegels Lehre vom absoluten Geist 436.
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teil müssen die Bestimmungen, in welche sich diese absolute „Objektivität" auseinanderlegt, gerade auch darauf hin durchsichtig gemacht werden, daß in ihnen die Wahrheit des Relativen zur Erscheinung kommt. So sagt schon der nicht-ausdifferenzierte Begriff der Religion nichts anderes als dies, „daß Gott die absolute Wahrheit, die Wahrheit von allem ist" (Rel I 91). Es deutet sich hier die Verwirklichung jenes in der „absoluten Idee" analysierten Verhältnisses an, nach welchem die Schlußbestimmung zugleich eine den vorausgehenden transzendente, und doch nichts als deren eigene, radikale Wahrheit ist. Es ist nicht nur ein Merkmal des Gangs der wissenschaftlichen Darstellung, sondern die eigenste Bestimmung des in seiner spekulativen Wahrheit erfaßten Gegenstandes, daß die anfängliche Bewegung sich gegen sich selber wendet und zur in sich gegenläufigen, zur Doppelbewegung wird6. Dies entspricht sowohl dem dialektischen Verständnis der logischen Beziehung von Endlichkeit und Unendlichkeit wie der religiösen Auffassung vom Verhältnis zwischen Gott und Mensch. So ist denn die Kritik am reflexionsphilosophischen Verständnis des Endlichen und die am entleerten Gottesbegriff der Aufklärung eine und dieselbe. Daß die Aufklärung und ihre Theologie hinter dem originären Aussagegehalt des religiösen Bewußtseins zurückbleiben, ist ihrer reduzierten Fassung des Endlichen selber zuzuschreiben — einer Endlichkeit, die in sich „fest und absolut" ist und gerade in ihrer Selbstbeschränkung „als das Höchste, das Letzte, als Unverrückbares, Unveränderliches, Ehernes" gilt (Rel 1170f.): „Daß der menschliche Geist endlich sei, dies hören wir täglich versichern", „das ist die ganze Weisheit unserer Zeit" (ebd. 174, 170). Das Subjekt hat zwar, sofern es ein endliches ist, eine Beziehung zu seiner eigenen Grenze und zum ihm gegenüberstehenden Unendlichen. Da jedoch seine Endlichkeit in sich geschlossen ist, bleibt ihm das andere bloßes Jenseits. Die „Reflexion des Hinüberseins über die Schranke" verwirklicht sich als „bloße Sehnsucht", die Transzendenz bleibt bloßes Sollen. Das Endliche macht sich dadurch zum Absoluten, daß ihm das Unendliche nur als sein Negatives gilt: die Negation des endlichen Subjekts fällt in dieses selber, mein Hinaussein über die Endlichkeit ist nichts als „meine Richtung" (ebd. 171), die Vermittlung, die in Wahrheit bei der tautologischen Selbstreproduktion stehen bleibt, ist „somit ein eitles, leeres Schaukelsystem" (ebd. 173). Als Eitelkeit entlarvt Hegel die angebliche Demut, die sich vor der Unendlichkeit des ändern auf die eigene 8
Dies hat sich in der Logik als die gegenläufige Bewegung von Intensivierung und Ausbreitung manifestiert.
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Die Theorie des absoluten Geistes
Beschränktheit zurückzieht und sich in dieser befriedigt. Gegenüber der voreiligen Apotheose der Endlichkeit geht es darum, diese wirklich ernst zu nehmen, nicht „das Nichtige unsterblich", sondern es „sterben [zu] machen". Wenn die Theorie des absoluten Geistes dezidiert ein Unendliches ins Spiel bringt, so gerade auch darum, um das Endliche radikal denken zu können, es auf seinen Grund hin ausloten zu können, in welchem es wahrhaft affirmativ und mit dem es letztlich — aber nicht qua endliches — identisch ist. Erst wenn das Unendliche ihm nicht mehr bloß gegenübersteht, wird jenes in seiner wahren Unendlichkeit offenbar, in der es das Endliche „ah sich selbst in sich" hat (ebd. 176). In diesem Sinne wkd im Übergang zum absoluten Geist nicht einfach der bisherige Gegenstand gegen einen neuen ausgetauscht, kommt nicht einfach ein anderes in den Blick; dadurch wäre nicht mehr als eine Verdoppelung des Endlichen erreicht (Rel 1190). Die angesprochene spekulative Umkehrung bedeutet hier real, daß der absolute Gehalt, der nun zu seiner reinen Darstellung kommt, gerade ein solcher ist, der an ihm selber die Erhebung zu ihm, sein eigenes Fürsichwerden zum Thema hat — wie in der Logik das Absolute als reine Form sich zugleich als das Allgemeine und die Genese allen Inhalts erwies. Der Gang von der Endlichkeit zum Unendlichen wkd als dessen eigene Bestimmung analysiert. Dahinter steht die These, daß die Endlichkeit jene des Unendlichen selber ist. Dies ist der Grundgedanke, der Hegels Rektifizierung der überlieferten Gottesbeweise bestimmt, eine Rektifizierung, die nicht nur auf die Unterscheidung von ratio essendi und ratio cognoscendi abzielt, sondern gerade deren beide Glieder affizieren soll (vgl. Rel II 380). Wie schon die Geschichtsphilosophie auf ihrem höchsten Punkt den absoluten „Gehalt" des freien Geistes als das Bestimmende der historischen Entwicklung zum Vorschein brachte, so soll nun im religiösen „Inhalt" eben dieser „Gehalt", „das an und für sich Allgemeine . . . in seiner, und zwar eigenen Entwicklung" zum Thema werden (Rel II 378f.). Diese aber ist nicht ohne das Endliche. Das „Selbstbewußtsein des absoluten Geistes", das es zu explizieren gilt, ist das „Wissen des göttlichen Geistes von sich durch Vermittlung des endlichen Geistes" (Rel I 197 f.). Das Unendliche stellt noch die Beziehung des Endlichen zu ihm selber her. Wo jenes nicht erkannt werden soll, kann auch dieses Verhältnis nur verfälscht thematisch werden. Nur weil wahre Religion und Philosophie nicht vor der radikalen Anerkennung der Endlichkeit Halt machen, ist es ihnen gerade im Denken des absoluten um den Wert des „eigenen Geistes zu tun" (Rel I 49).
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c. Es sollte bisher eine erste Annäherung an Hegels Theorie des absoluten Geistes versucht werden, wobei großenteils in Hegels eigenen Worten die leitenden Perspektiven dieser Theorie umrissen wurden, ohne daß dabei deren systematische und logische Begründung zur Klarheit gekommen wäre; ebenso wurde nicht zwischen streng „philosophischer" und religiös-theologischer Terminologie unterschieden. Es soll nun versucht werden, die in diesem Vorblick implizierten systematischen Gedankenschritte zu explizieren und dem hier zur Frage stehenden Übergang größere Stringenz und Einsichtigkeit zu verleihen. Die Argumente, „durch die Hegel, ausgehend von der sittlichen Wirklichkeit, sich die Notwendigkeit eines wahrhafteren Wissens als des praktischen hatte begreiflich machen wollen", weisen nach F. Fulda „zurück in die Entstehungsgeschichte der idealistischen Ethik, die einen innern Zusammenhang zwischen sittlichen Grundsätzen und ontologischen Überzeugungen zum Vorschein brachte"7. Es wurde bereits in der Einleitung zum zweiten Teil auseinandergelegt, wieso für Hegel die antike strikte Trennung von praktischer Philosophie und Metaphysik keine Geltung mehr haben durfte. Die Einheitlichkeit, die sein System erst zu einem solchen macht, manifestiert sich exemplarisch in seiner Fassung der Ethik als eines Systems des objektiven, sich vergegenständlichenden Geistes. So ist aber der von Fulda erwähnte Zusammenhang einer, der bei Hegel nicht nur zur Fundierung eines sonst im leeren Raum stehenden praktischen Wissens dienen soll. Ebensosehr betrifft er das „Fundament", die Theorie des absoluten Geistes selber, welche gerade darin sich nicht als Ontologie adäquat fassen läßt. Er ist dem System als solchem ebenso wesentlich wie der praktischen Philosophie. Sofern dieser Zusammenhang selber ein im modifizierten Sinn „ontologischer" ist, kommt er in der Logik zur Sprache. Der Fortgang von der Idee des Guten zur absoluten Idee gibt die formalen Kriterien an die Hand, welche jenen vom objektiven zum absoluten Geist bestimmen. Sie tauchen in der Enzyklopädie in identischer Form, zwar nicht an diesem Übergang selber, wohl aber in der Einleitung zur Geistesphilosophie wieder auf8. Ihr logischer Gehalt kann zur Klärung der spezifisch geistesphilosophischen Bedeutung dieses Übergangs beitragen. — Die Idee des Guten enthält den für sich gewordenen bestimm7 8
Das Recht der Philosophie ... 10. insbesondere in den von L. Boumann redigierten Zusätzen.
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ten Inhalt. Als Idee ist dieser zwar „schon für sich das Wahre", „nicht mehr nur ein Gesetztes", jedoch ermangelt er als noch nicht realisierter der Form des Ansichseins (L II 543). Sofern seine Verwirklichung selber nur als endliche bestimmt ist, „hat das Gute in ihr nur ein zufälliges, zerstörbares Dasein, nicht eine seiner Idee entsprechende Ausführung" (ebd.)- Diese bleibt ein „Sollen", ein „absolutes Postulat" (L II 544). Wie sehr auch das praktische Verhalten gegenüber dem bloßen Erkennen einen Fortschritt an Objektivität zu implizieren scheint, so bleibt seine eigene objektive Realität auf dieser Ebene doch „mit der Bestimmtheit der Subjektivität behaftet" (L II 544). Seine Objektivität ist gewissermaßen nur seine „eigene". Es bleibt diesbezüglich hinter dem erkennenden Bewußtsein zurück, für welches „das Moment der Wirklichkeit im Begriffe für sich die Bestimmung des äußerlichen Seins erreicht" hat (L II 545); der praktischen Idee gilt die von ihrem Setzen unabhängige Wirklichkeit „als das an und für sich Nichtige, das erst seine wahrhafte Bestimmung und einzigen Wert durch die Zwecke des Guten erhalten solle" (ebd.). Indes ist dieser Mangel, die „subjektive Haltung des objektiven Begriffs" selber an sich in der Verwirklichung des Guten schon aufgehoben; „was den objektiven Begriff noch begrenzt, ist seine eigene Ansicht von sich, die durch die Reflexion auf das, was seine Verwirklichung an sich ist, verschwindet" (L II 547). Denn gerade insofern nicht irgendwelche willkürlichen Einfalle, sondern das Gute selber absoluter Zweck der Praxis sein soll, hebt sich diese in ihrer Realisierung über den subjektiven Formalismus hinaus und ist „ebensosehr das Setzen der an sich seienden Identität des objektiven Begriffs und der unmittelbaren Wirklichkeit" (ebd.). Indem diese an sich seiende Identität explizit gemacht, zur gesetzten erhoben wird, ergibt sich eine neue Unmittelbarkeit, „welche nicht die Wiederherstellung der Voraussetzung, sondern vielmehr deren Aufgehobensein ist" (L II 548). Indem beider Einseitigkeit aufgehoben wird, gelangen praktische und theoretische Idee zu jener Einheit, welche die absolute Idee ist. In analogen Termini wird die Notwendigkeit beschrieben, über die im Staat erreichte Verwirklichung des Geistes hinauszugehen: „Der Mangel dieser Objektivität des Geistes besteht darin, daß sie nur eine gesetzte ist. Die Welt muß vom Geiste wieder frei entlassen, das vom Geist Gesetzte zugleich als ein unmittelbar Seiendes gefaßt werden" (E § 385 Z). Auch hier erweist sich der objektive, in der von ihm geschaffenen Welt bei- und fürsichseiende Geist als mit dem Formalismus der Subjektivität behaftet. Zwar geht er über die reine Innerlichkeit hinaus und stellt
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sich sich selbst in seiner Vergegenständlichung gegenüber. Sofern aber seine Wirklichkeit ihre ganze Bestimmtheit aus dem schaffenden Subjekt schöpft, sie nur eine von diesem gesetzte ist, kommt er nicht zu dem wirklich Anderen, das seinem Dasein wirkliche Konsistenz verleihen könnte. In gewissem Sinne könnte gerade der subjektive Geist objektiv und der objektive subjektiv heißen. Diese Beschränktheit hebt der objektive Geist bereits an ihm selber teilweise auf. Die logische Unterscheidung, die sich innerhalb der Idee des Guten dadurch ergibt, daß deren Verwirklichung entweder „immer nur als ein einzelner Akt" oder aber „als allgemeiner" erscheinen kann (L II 547), erhält hier die reale Gestalt verschiedener Daseinsebenen der sittlichen Idee. Während auf der Ebene des einzelnen Staats der besondere Volksgeist das Subjekt der sich verwirklichenden Freiheit ist, freies Dasein somit immer ein in sich beschränktes, seiner eigenen Intention nicht angemessenes bleibt, zeigt sich auf der Ebene der Weltgeschichte der allgemeine, auf die Freiheit in ihrem ganzen Umfang gerichtete Geist als tragendes und tätiges Subjekt. Es gilt nun, diese konkrete Allgemeinheit, welche im zeitlichen Geschehen an sich realisiert wird, von der Form ihrer Weltlichkeit zu lösen und an ihr selber zur Darstellung zu bringen, sie „für sich" werden zu lassen (E § 381 Z; § 552). Wie bei der Idee des Guten verbinden sich im Übergang hier zwei Aspekte: die negative Seite des Aufhebens des Gesetztseins, welche in das „freie Entlassen" mündet, und die positive Seite der reinen Darstellung des Wahren an ihm selber. Einerseits ist die Einsicht in die Beschränktheit der historischen Formen Voraussetzung zur Erfassung der Wahrheit der Geschichte; anderseits ist das Begreifen dieser Wahrheit selber Bedingung dafür, daß das Beschränkte in seiner Nichtigkeit durchschaut werden und trotzdem, als Moment des Ganzen, seine Rechtfertigung erfahren kann. Der absolute Geist ist nicht einfach eine dritte Gestalt neben jenen des subjektiven und objektiven Geistes. Sofern er beider Einseitigkeit aufhebt, eröffnet er eine prinzipiell neue Dimension: die des unendlichen Geistes. Wenn die Endlichkeit für den Geist als „die unendliche Idee" die „Bedeutung der Unangemessenheit des Begriffs und der Realität" hat, so sind ihre Momente, gerade weil sie Bestimmungen des an sich freien Geistes sind, zugleich „Stufen seiner Befreiung" (E § 386). Indem der Geist sich ein angemessenes Dasein gibt, sich zum unendlichen macht und seine eigene Endlichkeit zum Moment herabsetzt, realisiert er sich gemäß seiner „eigentlichen Qualität" (E § 386 Z), macht er sich nicht zu einem ändern, sondern erreicht er das höchste Stadium der Selbstbestimmung. „Für den endlichen Geist als
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solchen kann Gott eigentlich nicht sein" (Rel II217). Nur sofern der endliche Geist an ihm selber unendlich ist, kann er 2um unendlichen in Beziehung treten, und nur sofern er seiner eigenen Unendlichkeit gewahr wird, vermag er seine Endlichkeit anzuerkennen und sie als solche aufzuheben. Daß diese ganze Verhältnisweise letztlich eine des Unendlichen selber und eine von diesem hervorgestellte ist, dies ist die „spekulative" Seite dieses Übergangs (vgl. Rel 481—487). So hat die spekulative Philosophie ihn nicht nur als Übergang, sondern als Resultat, als Bestimmung des Wahren selber zu thematisieren. Es wurde nun einerseits der logische Übergang zur absoluten Idee zusammengefaßt, anderseits in Parallele dazu der realsystematische Übergang zum absoluten Geist umrissen. So offen auch die formalen Analogien auf der Hand liegen, so darf doch nicht über die prinzipiellen Differenzen beider Ebenen hinweggesehen werden. Es muß zwar der Schlußbetrachtung vorbehalten bleiben, nach der Analyse der Freiheitstheorie, die sich im absoluten Geist und letztlich im Philosophiebegriff selber konkretisiert, die Problematik der Beziehung von Logik und System erneut aufzunehmen und ihre Bedeutung für den Freiheitsbegriff abschließend herauszuarbeiten. Trotzdem ist es hier schon wichtig, die Verschiedenheit der Ebenen und Termini festzustellen, damit die Spezifizität der Theorie des absoluten Geistes überhaupt in den Blick kommt. Auch wenn zwischen Logik und Realsystematik in gewissem Sinne eine „ursprünglich-grundsätzliche Identität"9 behauptet werden kann, so muß ebenso die Eigenart der logischen Sphäre innerhalb des ganzen Systems hervorgehoben werden; nur so wird einsichtig, wieso eine auf den Freiheitsbegriff ausgerichtete Untersuchung sich nicht mit der Analyse der Logik und der Erarbeitung der logischen Form von Freiheit begnügen kann. Nach Puntel beruht die Logik „als formelle Wissenschaft auf einem bestimmten philosophischen Standpunkt", welcher „nicht der höchste ist, da die Form noch zur Sphäre der Reflexion (des Wesens, des Verhältnisses, also der Dualität) gehört"10. Es mag dahingestellt bleiben, ob das Verhältnis der Logik zur Realphilosophie in der Tat nach dem reflexionslogischen Verhältnis von Inhalt und Form — welches zugleich als „absolutes Verhältnis" verstanden werden soll — zu deuten ist11. Jedenfalls scheint Hegel auf eine Beschränktheit des höchsten Re9 11
10 Puntel, Darstellung, Methode und Struktur 72. Ebd. 55. So Puntel, S. 56; die Deutung, welche Hegel vom Übergang der Idee in die Natur gibt und -welche diesen gerade von der innerlogischen Übergangsstruktur abhebt, scheint eher dagegen zu sprechen.
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sultats der Logik, der Idee, hinzuweisen, wenn er diese als „noch logisch", als „Wissenschaft nur des göttlichen Begriffs" (L II 572) bezeichnet. Freiheit aber ist erst als Idee, noch nicht als Begriff angemessen begriffen. Den „göttlichen Begriff" selber als Idee auffassen heißt, ihn als Geist begreifen. Während in der Logik die Form von Freiheit, die logischen Bestimmungen und Denkvoraussetzungen von Freiheit ausgemacht werden, wird im System das freie Subjekt selber dargestellt. Diese Perspektiven-Verschiebung muß notwendigerweise auch den formalen Gesichtspunkt der Betrachtung modifizieren. Wenn im ersten Teil der Zusammenhang zwischen logischer Systematizität und Freiheitscharakter herausgearbeitet wurde, so soll es jetzt darum gehen, das Verhältnis zwischen demjenigen, was da frei ist, und dem System zu erhellen — einem System, das als System der philosophischen Wissenschaften vor uns liegt, das aber ebensosehr ein „System" der Wirklichkeit bezeichnet, Wahrheit oder Wirklichkeit als systematische zum Ausdruck bringt. Das Logische bildet ein wesentliches Moment, aber nur das erste, des Ganzen. So muß auch Freiheit selber schließlich auf einer höhern Stufe gefaßt werden als jener der reinen Formen. Dabei ist zum einen darauf zu sehen, ob die in der reinen Formanalyse herausgestellte Konvergenz von abgeschlossener Systematizität und Freiheitscharakter sich in der Betrachtung des absoluten Geistes als des Abschlusses des Systems durchhalten läßt, zum ändern, ob in dieser Erweiterung nicht neue Qualitäten des Freiheitsbegriffs selber ins Spiel kommen. Ebenso wird in der Untersuchung von Religion und Philosophie zu bestimmen sein, ob neben dem Übergang von der Form zum existierenden Gehalt — der für das System als solches bestimmend ist — die Unterscheidung zwischen dem Gehalt als solchen und dem letztlich subjektiv-persönlich bestimmten Inhalt von Relevanz ist. Das heißt: Inwiefern ist über Freiheit (oder Absolutheit) hinaus nicht nur das Freie (oder das Absolute), sondern der freie Geist (der absolute Geist) letztlich bestimmend für Hegels genuine Position12? Und: inwieweit zeichnen solche Beziehungen das Hegeische System aus, sei es dem eigenen Anspruch gemäß, sei es de facto und gegen dessen Selbstverständnis, und inwieweit sind sie imPrinzip überhaupt denkbar und systematisierbar? 12
Vgl. Theunissen 334 (vgl. auch LI123); damit nicht identisch, aber verbunden wird die Frage sein, inwiefern dieser Übergang eine theologisch-christologisch zentrierte Interpretation des absoluten Geistes impliziert, wie dies bei Theunissen der Fall zu sein scheint.
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Auch wenn diese Fragen vorerst als solche stehen bleiben, so kann doch bereits gesagt werden, worin mit der Eröffnung der Dimension des absoluten Geistes eine neue Qualität der Freiheit des existierenden Geistes gegeben ist. Bisher schien der Fortschritt in erster Linie ein erkenntnismäßiger zu sein: der „denkende Geist der Weltgeschichte" (E § 552) hebt sich über die Beschränktheit hinaus, unter der der „absolute Gehalt" in den jeweiligen Volksgeistern vergegenwärtigt wird, und erkennt diesen an ihm selber. Damit wird aber, wie bereits gesagt, nicht nur ein neuer Gegenstand ins Blickfeld gerückt, sondern die Wahrheit des vorhergehenden, welche zugleich dessen Ermöglichungsgrund ist, ausgesprochen. „Nur in dem Prinzip des . . . an sich absolut freien und in der Tätigkeit seines Befreiens seine Wirklichkeit habenden Geistes ist die absolute Möglichkeit und Notwendigkeit vorhanden, daß ... die Versöhnung der Wirklichkeit überhaupt mit dem Geiste . . . sich vollbringt" (E § 552 A). Seinen eigenen Grund erkennen und zugleich sich mit ihm identisch wissen, dies ist die Bedingung der Möglichkeit dafür, Freiheit im weltlichen Dasein radikal zu verwirklichen. So sieht auch die Religion die „notwendige Grundlage" der Versöhnung darin, „daß gewußt wird die an sich seiende Einheit der gottlichen und menschlichen Natur" (Rel II 273). Dies entspricht inhaltlich dem Resultat, das sich aus der logischen Analyse der absoluten Idee ergab. Die Methode als der sich wissende Begriff ist nicht nur zu einer höheren Erkenntnisstufe sich selbst gegenüber gelangt — sofern sie sich in ihrem Grund und der Notwendigkeit ihrer Genese erkennt —, sondern diese wissende Selbstbezüglichkeit erwies sich ebensosehr als ein Können, als ein Über-sichVerfügen, ein freies Beisichsein. Dieser Aspekt verbindet sich hier mit dem in der Geschichtsphilosophie hervorgehobenen, daß reale Freiheit immer auch Freiheitsbewußtsein beinhaltet, ja daß Freiheit nur im Maße ihrer Bewußtheit wirklich wird. Wenn die Abstufungen dieses Verhältnisses schon den innern Maßstab der geschichtlichen Entwicklung ausmachen, so kann ein Analoges für den prinzipiellen Schritt zur Theorie des absoluten Geistes festgestellt werden. Das Freiheits-„Bewußtsein" verändert sich hier zwar prinzipiell, insofern zum ersten Mal so etwas wie die adäquate Einsicht in das Wesen von Freiheit, damit auch kein wirkliches „Bewußtseins"-verhältnis mehr vorhanden ist: Freiheit wird nicht mehr als das gegenüberstehende „Wesen", „Höhere" oder „Heilige" aufgefaßt, sondern die Einsicht in die Freiheit ist zugleich die in die spekulative Umkehrung der Beziehung. Anderseits aber steht dieses neuartige Freiheitsbewußtsein, welches das Prinzip von Freiheit selber, nicht
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mehr nur dessen beschränkte Verwirklichung vor Augen hat, in der Kontinuität dessen, worauf geschichtliches Bewußtsein immer schon aus war. Indem sich das Individuum als Moment des sich befreienden Geistes erfährt, weiß es die an sich seiende Freiheit als den Grund, auf welchem allein geschichtliche Existenz als freie möglich ist. Jedoch gelingt ihm diese Einholung der Freiheitsdimension ins faktische und endliche Dasein erst hier, in der Bewußtwerdung des absoluten Geistes, wirklich; erst hier wird ihm nachvollziehbar, was in der Weltgeschichte als solcher bereits an sich vorhanden ist. In der Geschichte ist der Mensch als freier; als seiner Geschichte bewußter miß er sich als freier, weiß er, daß er frei ist. Aber erst wenn er sich vom Geschichtlichen löst und den in diesem tätigen „Gehalt" für sich selber zum Bewußtsein bringt, wird ihm der Inhalt dessen präsent, was Freiheit ist, weiß er, was er ist, indem er frei ist. Doch dieses „Wissen-was" ist nicht ein anderes gegenüber dem „Wissen-daß", sondern dessen Erweiterung und Fundierung. Ähnlich hat sich in der „Logik" erst in der Auseinanderlegung der „absoluten Idee" gezeigt, inwiefern jede Bestimmung immer schon eine der absoluten Idee ist. So kann auch hier das endliche Bewußtsein erst dadurch, daß es die Freiheit selber zum Gegenstand macht, sich in seiner Endlichkeit wahrhaft als freies erkennen und so zum freien werden. Denn erst dadurch vermag es das, was seine eigene — endliche — Natur ausmacht, in seiner Absolutheit und Freiheit zu fassen. Nur weil das Absolute selber sich als der Widerspruch erweist, der zugleich seine Auflösung ist, wird die Widersprüchlichkeit des Beschränkten durchsichtig auf die eigene Unendlichkeit hin. Wenn die philosophische Betrachtung somit vom objektiven zum absoluten Geiste fortschreitet, so vollzieht sie darin im Verständnis der Hegeischen Systematik alles andere als ein Zurückstoßen oder Entwerten des geschichtlich-endlichen Daseins. Vielmehr soll dieses gerade in dem, was seinen eigensten Anspruch ausmacht — nämlich Realisierung von Freiheit zu sein — ernst genommen und in sein Recht gesetzt werden. Die Theorie des absoluten Geistes erweist sich so für Hegel als notwendiger Abschluß des Systems. Ihre Notwendigkeit kann in zweifacher Hinsicht betrachtet werden: zum einen im Hinblick auf ein adäquates Begreifen dessen, was Freiheit ist, und zum ändern im Hinblick auf die mögliche Systematizität und die wahre Form der Philosophie überhaupt. In der Religion — und als solche kann in gewisser Hinsicht „diese höchste Sphäre im allgemeinen bezeichnet werden" (E § 554) — gewinnt der Geist „die letzte Befriedigung und Befreiung"
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(Rel 112). Indem sich der Geist „nicht mehr zu etwas anderem und Beschränktem, sondern zum Unbeschränkten und Unendlichen" verhält, steht er in einem „Verhältnis der Freiheit und nicht mehr der Abhängigkeit", und es ist ihm darin nicht „um sein Interesse, seine Eitelkeit, sondern um den absoluten Zweck" zu tun (ebd.). Eine Theorie der Freiheit muß, konsequent durchgeführt, bis zu diesem höchsten Punkt geführt werden. Dieser stellt nicht nur eine Bewußtseinsstufe dar, auf welcher sich der Mensch der Unendlichkeit des ihm innewohnenden Freiheitsgrundes bewußt würde. Daß dies möglich ist, und daß in diesem Rekurs auch die endliche Existenz in ihre Freiheitsrechte eingesetzt werden kann, dies findet selber seinen Grund darin, daß hier auf eine tiefer liegende Freiheitsdimension zurückgegangen wird als jene des subjektiven, aber auch des objektiven, sich in Staat und Geschichte verwirklichenden Geistes. An die Stelle — oder an die Basis — des subjektiven, rein in sich gründenden Schaffens und Setzens rückt „das Bewußtsein von der Wirksamkeit der Wahrheit", das Bewußtsein des Absoluten als der „Wahrheit" und „Substanz der vorhandenen Existenzen" (Rel 113). Der „aus der falschen Totalisierung menschlicher Subjektivität" entstehende Formalismus der subjektiven Freiheit wkd aufgehoben und zurückgeführt in die „absolut objektive", die „göttliche Subjektivität", in die absolute Objektivität der Freiheit13. Wie der Staat innerhalb seiner dem moralischen Gewissen sein Recht und seinen Platz einräumen muß und es dadurch vor der Irrealität und dem unendlichen Regreß der Reflexion bewahrt, so begründet die absolut objektive, an sich seiende Versöhnung die Emanzipation des objektiven Geistes, indem sie ihn gleichzeitig beschränkt und in seiner Endlichkeit zum Moment absoluter Freiheit macht. Was aber bedeuten diese Schlußfolgerungen für den Systembegriff der Philosophie selber? In einem gewissen Sinn kann zwar gesagt werden, daß „auch noch die philosophische Begründung der Freiheit religiös sein" muß14. Dies trifft zu in Ansehung des Inhalts, den Philosophie zur Darstellung bringen will. Weil sie Wirklichkeit als die des Geistes fassen will, muß sie bis zur „absoluten Geschichte" oder zum „absoluten Geschehen" vordringen, auf dessen Grund allein die Natur des Geistes letztlich begreifbar wird. Dies spiegelt sich in ihrer systematischen Gestalt wider, welche die dialektisch-spekulative Form annehmen muß, die allein, gemäß der Logik, für den wissenschaftlichen Begriff 13 14
Theunissen, Hegels Lehre vom absoluten Geist 409. Ebd. 408.
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Geltung haben kann. Das heißt: Philosophie muß Wirklichkeit so darstellen, daß diese an ihr selbst ihre Wahrheit oder Unwahrheit zur Erscheinung bringt. Wirklichkeit, nach ihrem Begriff oder ihrer eigenen Wahrheit dargestellt, mißt ihre Realität an ihrem Anspruch und führt in ihrem Resultat zur Selbstoffenbarung und gleichermaßen in den eigenen Grund zurück. Nur als so sich auseinanderlegende und aus ihrem eigenen Begriff resultierende wird Wirklichkeit in ihrer Notwendigkeit begriffen, welche zugleich ihre sich „bewährende" und sich „beweisende" Wahrheit ist. So aber wird für die Philosophie der darzustellende Gehalt unabtrennbar von der spekulativen Form der Darstellung selber. Ihre begriffliche Form aber soll bekanntlich von der auf die Vorstellung verwiesenen Form der Religion differieren. Folglich wird auch ihr Inhalt nicht einfach als mit dem religiösen identisch betrachtet werden können, wenn auch Hegel mehr als einmal in vereinfachender Beschreibung den drei Sphären des absoluten Geistes drei verschiedene Formen Ein- und Desselben zuordnet. Wieweit Hegel in diesem Verhältnis selber Klarheit schafft und inwieweit möglicherweise gegen ihn an der Konsequenz seines Ansatzes festzuhalten ist, wird eine der Hauptaufgaben der Interpretation von Religion und Philosophie sein. Erst daraus werden eine abschließende Beurteilung der Schlüssigkeit des Hegeischen Gedankengangs wie auch eine angemessene „inhaltliche" Deutung der „Abgeschlossenheit" des Systems möglich sein. Ist diese der Ausdruck eines „Als-ob", in welchem Wirklichkeit so zur Sprache kommt, wie sie wäre, wenn sie „wahre Wirklichkeit" wäre und ihren eigenen Begriff erfüllte ? Oder ist sie realer Ausdruck eines in sich absoluten Sachverhalts, mit dem faktische Wirklichkeit nur in defizienter Weise identisch ist ? Ist sie Rekurs auf eine den Tatsachen vorgelagerte ontologische Ebene, oder versucht sie, den eigentlichen „religiösen" Gehalt in streng „philosophischer" Form auszudrücken? Es ist zu vermuten, daß keine dieser Alternativen ausreichende Antwort gibt auf die Frage nach dem Sinn der Hegeischen Systematik und daß diese noch anders zu fassen ist. Gerade der Freiheitsbegriff soll sich in der vorliegenden Untersuchung als fähig erweisen, zu einer differenzierteren Explikation beizutragen. D.
Nach dieser allgemeinen Kennzeichnung der Theorie des absoluten Geistes sind nun deren einzelne Stufen in ihrer Verschiedenheit und gegenseitigen Bezogenheit zu untersuchen. Es lassen sich hierin sogleich
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zwei Dimensionen unterscheiden, in denen sich ihre Entfaltung situiert: die Dimension des Logisch-Systematischen und jene des Geschichtlichen. Es ist schon gesagt worden, daß beide letztlich koinzidieren. Dieses Zusammenfallen ist für Hegel selber notwendig und findet seine Begründung in der geschichtsphilosophischen These, daß die Geschichte die des Geistes, und daß diese nichts als die Manifestation und Verwirklichung des Begriffs ist15; so hatten sich absolute Form und absolutes Geschehen als zwei Seiten Ein- und Desselben erwiesen. Dies macht die Notwendigkeit der Geschichte überhaupt wie der spezifischen Geschichte des absoluten Geistes aus. Es kann zum einen auf die immanent-systematische Genese der Lehre vom absoluten Geist hingewiesen werden. Subjektiver und objektiver Geist bilden die „systematische" Vorgeschichte des absoluten Geistes, in welcher sich die Realität des Geistes zu dessen adäquater und würdiger Gestalt ausbildet (E § 553). In der Fortsetzung dieses Gedankens liegt der andere, schon hervorgehobene Aspekt, daß die Selbsttransparenz und das Fürsichwerden der Geschichte, welche Voraussetzungen für deren Selbstverständigung und damit für den thematischen Übergang zum absoluten Geist sind, selber erst Resultat der zeitlichen, faktischen Weltgeschichte sind. Deshalb muß an dieser Stelle in einer gewissen Hinsicht vom bisher erreichten Standpunkt zurückgetreten werden, um die neue Stufe in ihrer Opazität und Unmittelbarkeit aufnehmen zu können; der explizite Aussagegehalt der Kunst, und vorerst der symbolischen, bleibt offensichtlich hinter jenem der über sich aufgeklärten Geschichte zurück. Indes findet damit in Wahrheit kein Zurückfallen statt, weil ja Kunst nach ihrem Begriff, als erste Bestimmung des absoluten Geistes zur Sprache kommen soll. Als dessen erste Gestalt ist sie zwar dessen Begriff, aber nicht als sich selbst erfassender und sich selbst präsenter. Wie in der Logik kommt erst am Schluß ausdrücklich heraus, was von Anfang an Begriff war, wird erst rückblickend noch der Anfang in seiner Wahrheit gegenwärtig. So ist es erst dem modernen Bewußtsein möglich, seine Vorformen als solche zu erkennen, und erst die ihrer bewußte Geschichte vermag die ersten Versuche ihrer Selbstverständigung als solche zu begreifen und darzustellen, sie in ihrer Beschränktheit und Mangelhaftigkeit auf ihre Intention hin zu durchleuchten. Insofern ist auch die erste Stufe einer Philosophie des absoluten Geistes erst dann möglich, wenn Geschichte sich selber durchschaubar und begreiflich geworden ist. 15
Vgl. E § 362A die These, „daß die Geschichte der Religionen mit der Weltgeschichte zusammenfällt".
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Erst dann aber kann auch die geschichtliche Reihenfolge der Formen des absoluten Geistes wirklich begriffen werden. Sie ist der eine Aspekt, auf den Hegel im Auseinanderlegen der Bestimmungen das Gewicht legt. Wenn auch bereits innerhalb der Theorie des subjektiven und objektiven Geistes in gewissem Sinn von geschichtlicher Entfaltung die Rede sein konnte, so wird doch erst hier, nach der Erörterung der Weltgeschichte, die im strikten Sinn zeitliche Geschichte des Geistes in ihrer grundsätzlichen systematischen Relevanz mitthematisiert. Denn es geht ja nicht nur um die formale Explikation des an sich Wahren, sozusagen um eine Wiederholung der reinen Logik in Applikation auf eine präsumptiv vorgestellte Totalität des Wirklichen, sondern es soll untersucht werden, wie der in faktische Geschichte verflochtene Geist zur reinen Selbstvergegenwärtigung kommt — einer Selbstvergegenwärtigung, die ebenso notwendig geschichtlich wie für die Geschichte notwendig ist. Das Bedürfnis zur Erfassung des Geistes in seiner wahren Gestalt ist selber „durch den Fortgang der Geschichte. .. erzeugt worden" (RelII309f.), und es ist dieser gegenüber nicht akzidentelles Resultat oder bloßes Appendix, sondern eigenes Konstituens. So wird der systematische Zusammenhang in keiner Weise abgeschwächt, wenn seine Beziehungen in geschichtlicher Terminologie ausgedrückt werden. In diesem Sinn ist Kunst „für uns ein Vergangenes" (Ästh I 25); sie „füllt unser höchstes Bedürfnis nicht mehr aus", „wie sind darüber hinaus" (ebd. 24). Analog wird die Stufe der Religion als die „Zukunft" der schönen Kunst bezeichnet (E § 563). Aber auch die Religion, obzwar ihrem Inhalte nach ein Unvergängliches, ist als Bewußtseinsform für die Gegenwart ein Vergangenes; „ihre Realisierung" in der Gemeinde scheint „zugleich ihr Vergehen zu sein". Denn „wenn die Zeit erfüllt ist, daß die Rechtfertigung durch den Begriff Bedürfnis ist, dann i s t . . . die Einheit des Innern und Äußern nicht mehr vorhanden und im Glauben nichts gerechtfertigt'''' (Rel II 342f.). Angesichts dieser Aussagen erweist sich die Wichtigkeit der noch aufzugreifenden Frage, wie es denn mit der „Vergänglichkeit" oder „Ewigkeit" der letzten dieser drei Stufen, der Philosophie, bestellt ist, und was daraus für die spezifische Abgeschlossenheit des Systems, das in der Selbstbetrachtung der Philosophie kulminiert, zu folgern ist. Die zeitliche Aufeinanderfolge von Kunst, Religion und Philosophie bedeutet ja nicht deren faktisches Absterben oder gänzliches Zurücktreten, sondern vorerst nichts weiter als ihre sukzessive Ablösung als höchste Instanzen der Darstellung der Wahrheit. So können sie sehr wohl für längere Zeit — oder während des gesamten Geschichtsver-
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laufs — als mögliche Grundformen des Bewußtseins koexistieren oder sich in der Konkretion ihres Aussagegehalts teilweise überschneiden: eine höhere Stufe der Kunst ist über die elementare Form der Religion hinaus. Was für ihre prinzipielle Einordnung zählt, ist der Punkt, an dem sie selber ihren Begriff „erfüllen", wo sie ihren Inhalt in einer ihrer Grundform angemessenen Gestalt und Bestimmtheit zum Gegenstand machen. Dies weist auf den zweiten Aspekt hin, unter dem Geschichte hier thematisch wird: als immanente Geschichte der einzelnen Stufen. Da diese als Momente eines Gesamtprozesses auftreten, sind sie in sich selber prozeßhaft. Doch auch unter diesem Gesichtspunkt zeigt sich erneut die Problematik der „Ungleichheit" zwischen der Philosophie und ihren „Vorformen", Kunst und Religion. Während diese, als Vorstufen, die nicht den Systemabschluß bilden, gewissermaßen in ihrer expliziten Geschichtlichkeit zur Sprache kommen, darin sie auf ihre eigene Vor- und Nachgeschichte verweisen, kann für die Philosophie zwar auch ihre Vergangenheitsbezogenheit als wesentlich mitthematisiert, nicht aber ihre Zukunftsverweisung ebenso ausdrücklich gemacht werden. Die Philosophie, welche zuletzt Thema wird, ist ja identisch mit dem, was das ganze System, das in sie einmündet, an sich ist; und als dieser Abschluß, der zugleich das Ganze umfaßt, nimmt sie einen prinzipiell anderen Status ein als Religion und Kunst. Ein Indiz dafür kann auch in der verschiedenen Gestaltung der diesen Enzyklopädieteilen entsprechenden Vorlesungen gesehen werden. Während diese, entsprechend den beiden ersten Teilen, die Ästhetik und die Religion selber zum Gegenstand der philosophischen Betrachtung machen, wird die Philosophie, wo sie nicht einfach „ausgeübt" — wie im ganzen System — oder als dessen zurückblickender Abschluß selber thematisch wird, nur in der Gestalt der „Geschichte" der Philosophie näher beleuchtet. Umgekehrt vergegenwärtigen die Kunst- und Religionsvorlesungen ihren Gegenstand so, daß sie ihn zuerst in seinem Begriff erläutern und ihn dann, auf der Stufe der Bestimmtheit, in seiner realen Geschichte darstellen; das eine soll dabei ebenso wesentlich sein wie das andere. Wollte man eine analoge Behandlung der philosophischen Wissenschaft konzipieren, so wäre deren enzyklopädische Fassung durch die Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie zu ergänzen, diese sozusagen als ihre Konkretisierung und Realisierung aufzufassen. Es ist denn auch Hegels Meinung, daß in einem gewissen Sinne die philosophisch begriffene Geschichte der Philosophie identisch ist mit der Philosophie selber. Es wird zu klären sein, inwiefern die Philosophiegeschichte —
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sowohl als ganze wie auch spezifisch in dem, was ihre Abgeschlossenheit ausmacht — zum Verständnis des systematischen Abschlusses der Philosophie beitragen kann, und inwiefern eventuell die Nicht-Erwähnung der geschichtlichen Dimension gerade daher kommt, daß Philosophie in einem viel radikaleren Sinn als Religion und Kunst wesentlich geschichtlich ist und ihr „logischer" Begriff nichts als die begriffene eigene Geschichte ist. Gerade die in sich „unendliche" Sphäre wäre dann allein fähig, die eigene, in endlichen Bestimmungen realisierte Geschichte voll auf sich zu nehmen und ihrem Begriff zu integrieren. Die geschichtliche Dimension, so wichtig sie für das angemessene Verständnis des hier zur Diskussion Stehenden ist, tritt indes im argumentativen Zusammenhang in den Hintergrund. Sie kann dies umso mehr, als sie diesem gegenüber kein Fremdes ist. Worauf es der „Philosophie der Religion" wie der ganzen Philosophie des absoluten Geistes ankommt, ist, „die logische Notwendigkeit in dem Fortgange der Bestimmungen des als das Absolute gewußten Wesens zu erkennen" (E § 562 A)18. Wenn die Theorie des absoluten Geistes mit der Behandlung der Kunst einsetzt, so handelt es sich dabei nicht primär um ein Sich-Zurückwenden auf die ältesten Gestalten des absoluten Bewußtseins, sondern um die Notwendigkeit, mit dem Ersten anzufangen; „alles Wahre" aber fängt „in seinem Sein von der Form der Unmittelbarkeit an" (Rel II 309). Der logische Fortgang der Apperzeptionsformen ist jedoch, entsprechend dem Erfahrungsbegriff der „Phänomenologie", zugleich einer des darin aufgefaßten Inhalts selber. „Die Form der Unmittelbarkeit als solcher ist zugleich Inhaltsbestimmtheit" (E § 557)17, und der Versuch, von ihr aus die Entwicklung des subjektiven Bewußtseins in ihrer immanenten Konsequenz zu begreifen, ist zugleich die sukzessive Fortbestimmung der Wahrheit selber. Als Manifestation und Verwirklichung des Ansichseienden ist die Geschichte gleichermaßen Fürsichwerden und Entstehung des absoluten Gehalts in seiner Bestimmtheit. Es widerspiegelt sich hier, auf der Ebene geschichtlicher Entwicklung, was schon in der Interpretation der Logik als Zusammenhang von Logik der Darstellung und Logik des Inhalts einen entscheidenden Gesichtspunkt 16
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Vgl. Ästh 1103: „Der Geist, ehe er zum wahren Begriffe seines absoluten Wesens gelangt, hat einen in diesem Begriffe selbst begründeten Verlauf von Stufen durchzugehen." Vgl. Ästh 123; diese Beziehung gilt auch in umgekehrter Richtung: Weil die Kunst einen „mangelhaften Gehalt hat, ist es auch die Form" (E § 562A; vgl. Ästh 1105).
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ausmachte. Dieser Zusammenhang erlaubt es nun, im Eingehen auf die einzelnen Bestimmungen des absoluten Geistes, den logischen und geschichtlichen Fortgang in ungetrennter Einheit aufzufassen. Der Akzent wird nach wie vor auf der logisch-systematischen Seite liegen, entsprechend der allgemeinen Intention dieser Untersuchung und gemäß dem Grundgedanken des Hegeischen Systembaus, daß gerade von dieser Seite aus Wirklichkeit erhellt werden soll.
2. Kunst und Kunstphilosophie Schon der systematische Ort, an dem Kunst thematisch wird, verbietet es, diese als Nachahmung der Natur aufzufassen (vgl. E §558 A). Weder ist ihr Gegenstand die Natur noch ihre Tätigkeit Nachahmung. Zwar wurde die allgemeine Aufgabe des absoluten Geistes dahingehend umrissen, ein an sich vorhandenes Absolutes zur expliziten Darstellung zu bringen. Doch ist dieses Offenbarmachen alles andere als bloße Reproduktion. Als Manifestation eines Gehalts, mit dem das subjektive Bewußtsein sich identisch weiß, ist es Gewinnung von Selbstbewußtsein, Fürsichwerden eines Gehalts, der damit nicht einfach redundant wiederholt und verdoppelt, sondern auf neuer Ebene und in neuer Bestimmtheit geschaffen wird. Mit diesem Aspekt verbindet sich der andere, daß nicht die Natur als solche den Inhalt des Kunstwerks ausmacht, sondern das ansichseiende Geistige, das im Volk und seiner Geschichte reale Existenz gefunden hat. Auch wenn Ästhetik, allgemeiner betrachtet, vom Schönheitsbegriffher bestimmt werden soll, so ergibt sich für Hegel die gleiche Absage an das Natürliche und die „Naturschönheit"; diese ist an ihr selber „zu sehr im Unbestimmten" und „ohne Kriterium", sie erscheint „nur als Reflex des dem Geiste angehörigen Schönen", denn „der Geist erst ist das Wahrhaftige, alles in sich Befassende, so daß alles Schöne nur wahrhaft schön ist als dieses Höheren teilhaftig und durch dasselbe erzeugt" (Ästh 115). Als diese Schaffung eines Werks, das selber dem Geiste angehört, aus dem Geist und durch den Geist, steht Kunst in der Nachfolge der sittlichen Tätigkeit und bildet die Vervollständigung von deren Freiheitsintention. Oft kommt in Hegels frühen Schriften die dem Griechentum zugesprochene Verbindung von Schönheit und Sittlichkeit, die „schöne griechische Freiheit" zur Sprache. So benennt noch das „System der Sittlichkeit" die absolute Sittlichkeit als „die höchste Freiheit und Schönheit, denn das Reellsein und die Gestaltung des Ewigen ist seine Schönheit" (SdS 57). Und in der „Jenaer Realphilosophie" wird das „schöne öffentliche Leben", welches „die Sitte aller" ist, ausdrücklich als „ein Kunstwerk, . . . diese genialische Einheit des sich wissenden Selbsts und seiner Darstellung" bezeichnet (Jen.Realph. II 251). Es wird
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noch zu fragen sein, inwiefern im System — zu Recht oder Unrecht — der Ansatz einer „politischen Ästhetik", der sich in den Jugendschriften abzeichnet, unterdrückt wird1. Jedenfalls wird auch noch in den Vorlesungen die Kunst im eigentlichen, und d. h. klassischen Sinn in enger Verbindung mit jenem Typus von Volksgeist gesehen, wie er im griechischen Volk vorgezeichnet ist. Und in einem gewissen Sinn bleibt Kunst als solche immer emanzipativ. Auch wenn ihr Geist „ein beschränkter Volksgeist" ist und sie selber an diesem ihre wesentliche Beschränkung findet, leistet sie für ihn „von ihrer Seite dasselbe . . ., was die Philosophie, — die Reinigung des Geistes von der Unfreiheit" (E § 562 A). In dieser Funktion entspringt und antwortet sie einem „nicht zufälligen, sondern absolutenBedürfnis", dem Bedürfnis der „geistigen Freiheit" (Ästh 150, 52). Sie entspricht der allgemeinen Absicht des Menschen, inmitten der Welt dadurch frei zu sein, daß diese zur „seinigen" wird, daß sie sowohl als von außen empfangene wie als vom Menschen hervorgebrachte dem Individuum gestatte, in ihr „nur sich selber zu erkennen" (Ästh I 51). Über diese Stufe von „Befreiung", welche auch wahrem Erkennen und sittlichem Wollen zukommt, geht Kunst als Bestimmung des absoluten Geistes freilich hinaus. Sie ermöglicht die Selbstfindung des Menschen nicht nur in der Welt und Geschichte, sondern in seiner Absolutheit, auf der Ebene der „höchsten Einheit" und Versöhnung, welche „erst die Region der Wahrheit, Freiheit und Befriedigung" ist (Ästhl 138f.). Wenn bezüglich jeder seiner Bestimmungen das Subjekt „seinem Begriffe nach. . . das Totale", somit in ihm die „Unruhe" und der „Schmerz" ist, die „einseitige Form des Subjektiven" aufzuheben, so gilt die Forderung nach dieser Aufhebung am allermeisten für den „höchsten Inhalt..., welchen das Subjektive in sich zu befassen vermag", die Freiheit (ebd. 133 f.). Da diese aber nicht irgendeinen Inhalt, sondern das Wesen des Subjekts im ganzen meint, ist Kunst — zusammen mit Religion und Philosophie — der Ort, wo sich der Geist „zu der Betrachtung und dem Vollbringen seines Anundfürsichseins erschließt" (ebd. 131). Kunst situiert sich somit auf der höchsten Ebene der Vollendung der Befreiung des Geistes und ist zugleich deren erste, unmittelbare Gestalt. Diese beiden Aspekte definieren das, worin sie sich konkretisieren muß. Die Form der Unmittelbarkeit, allgemeinste Auszeichnung der Kunst
Vgl. Henrich, Zur Aktualität von Hegels Ästhetik 300 f.
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innerhalb des absoluten Geistes, bestimmt ihre subjektive Seite als Anschauen, ihre objektive Instanz als sinnlichen Gegenstand. Dieser, als „absoluter" Gegenstand und adäquate Verkörperung des „in sich selbst absoluten Inhalts" (Ästh 1105), ist die schöne Gestalt. In ihr sollen Form und Inhalt, Gestalt und Idee zur vollkommenen Durchdringung gelangen. Diese Forderung bedingt die nähere Beschaffenheit beider Seiten. Nur in der menschlichen Gestalt kann der Geist „seine Leiblichkeit und hiermit anschaubaren Ausdruck haben" (E § 558), und nur der an sich seiende, der menschliche, nicht in seiner absoluten Geistigkeit explizierte Geist vermag in der körperlichen Gestalt zum Ausdruck zu kommen. Der „ Grad der Innigkeit und Einigkeit..., zu welcher Idee und Gestalt ineinandergearbeitet" sind, bestimmt „Höhe und Vortrefflichkeit" des Kunstwerks, wie er auch das allgemeine Einteilungskriterium der Kunst abgibt (Ästh 1103). Angemessene Realisation ist die klassische Kunst, ihre Kunstform par excellence die griechische Skulptur. In ihr verkörpert sich das, was der griechische Geist in seiner Vollendung ist; die großen Individuen dieses Volks haben selber „diesen plastischen, allgemeinen und doch individuellen, nach außen wie nach innen gleichen Charakter", sie sind „Individuen aus einem Guß, Kunstwerke, die wie unsterbliche todlose Götterbilder dastehen" (Ästh II 374). Es ist zwar schon in der Philosophie des objektiven Geistes offenkundig geworden, daß auch der griechische Geist in seiner Vollendung nicht die höchste Befreiungsstufe darstellt. Und in der Tat ist die Bestimmheit, unter der er den freien Geist realisiert, auch nicht die letzte und höchste, unter welcher Kunst das Absolute auszudrücken versucht. Wenn trotzdem Klassik als Mittelpunkt oder Inbegriff von Kunst schlechthin gelten soll, so deshalb, weil ihr spezifischer „Gehalt" sich am angemessensten mit den Ausdrucksmöglichkeiten des Mediums Kunst deckt, somit in ihr die Form/ Inhalt-Identität am radikalsten stattfindet. In bezug auf sie definieren sich die beiden ändern Kunstformen, die symbolische und die romantische, gewissermaßen als „Vor-" und „Nach-"Kunst. In je verschiedener Weise ermangeln sie der Übereinstimmung von Idee und Gestalt, indem der Inhalt sich teils noch nicht als freier Geist bestimmt hat, er somit in der sinnlichen Gestalt noch nicht nach seiner Wahrheit dargestellt, sondern nur erahnt und „gesucht" wird, und teils indem er nach seiner wahren Unendlichkeit, hiermit als „im Geistigen allein seine adäquate Gestalt sich gebend, gewußt wird" und seine Äußerlichkeit „in Zufälligkeit gegen ihre Bedeutung" zurückfällt (E § 562). Zusammenfassend beschreibt Hegel die „drei Verhältnisse der Idee zu ihrer Gestalt im Ge-
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biete der Kunst" als „Erstreben, Erreichen und Überschreiten des Ideals als der wahren Idee der Schönheit" (Ästh 1114). Es sollen hier nicht die nähern Bestimmungen und Momente dieser drei Kunstformen erwähnt werden, sondern diese nur in ihrer systematischen Funktion und deren Problematik zur Sprache kommen. Relativ unproblematisch scheint die Beurteilung der sogenannten symbolischen Kunst zu sein. Als Vorform der Kunst ist sie gewissermaßen Vorform des absoluten Geistes überhaupt. Sie gehört zwar dessen spezifischer Ebene an, sofern ihre Intention die Präsentation des an sich seienden Gehalts ist, erfüllt diese Intention aber nur in defizienter Weise. Die Idee wird hier „in schlechter, unwahrer Bestimmtheit zum Gehalt der Kunstgestalten gemacht" (Ästh 1107). Sofern der Inhalt abstrakt bleibt, kann auch sein Verhältnis zur Äußerlichkeit, sein Ausdruck nur abstrakt, deriviert sein; das „negative" Verhältnis der Idee zur Gegenständlichkeit ist hier Folge des mangelhaften Selbstverhältnisses und Bestimmtseins der Idee selber. Gerade als „Auflösung dieses gedoppelten Mangels" präsentiert sich die klassische Kunst (Ästh 1109). Ihr Inhalt ist „konkrete Idee .. . und als solche das konkret Geistige", und dessen Zusammengehen mit der äußeren Gestaltung ist nicht Übereinstimmung im „bloß formellen Sinne", sondern konkreter Ausdruck durch den vollkommenen menschlichen Körper, der nurmehr „als Dasein und Naturgestalt des Geistes" gilt (ebd. 109 f.). So ist klassische Kunst die vollkommene Realisierung des Kunstschönen als des Ideals, dessen „natürliche Unmittelbarkeit nur Zeichen der Idee" ist (E § 556); ihre exemplarische Ausformung in der Skulptur ist die Darstellung des,,Wunders", „daß der Geist dem ganz Materiellen sich einbildet und diese Äußerlichkeit so formiert, daß er in ihr sich selber gegenwärtig wird und die gemäße Gestalt seines eigenen Inneren darin erkennt" (Ästh II 362). Formulierungen wie diese könnten den Anschein erwecken, als ob hier eine nicht überbietbare Präsenz und Selbstvergegenwärtigung des Geistes erreicht sei. Dagegen ist an die wesentliche Beschränktheit der Kunstdimension als solcher zu erinnern; wenn an der klassischen Kunst „etwas mangelhaft ist, so ist es nur die Kunst selber" (Ästh 1111). In sinnlicher Äußerlichkeit seine adäquate Manifestation finden, dies kann der Geist nur „als menschlicher, nicht als schlechthin absoluter und ewiger" (ebd. 110). Doch auch der menschliche Geist gelangt in der Kunst nicht nach seiner ganzen Wahrheit zur Erscheinung. Was in die Darstellung eingeht, ist „nicht der volle, ganze konkrete Mensch; der Anthropomorphismus der Kunst bleibt in der alten Skulptur unvollendet" (Ästh II461).
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Systematisch gesehen, läßt sich dieser Mangel folgendermaßen präzisieren. Es war als Aufgabe der Sphäre des absoluten Geistes bestimmt worden, ein Bewußtsein des Absoluten derart zu gewährleisten, daß zugleich dieses Absolute in seiner Identität mit dem Endlichen gewußt werde. Indem der Mensch in der Gestalt der Unmittelbarkeit nicht als absolute Persönlichkeit, nicht in „der Tiefe und Unendlichkeit des Subjektiven" ausgedrückt werden kann, so fehlt in seiner Erscheinung auch das Prinzip „der inneren Versöhnung des Geistes mit dem Absoluten, der ideellen Einigung des Menschen und der Menschheit mit Gott" (Ästh II 461). Weil die Kunst insgesamt im Zeichen der Unmittelbarkeit steht, so kommt auch „die Einheit menschlicher und göttlicher Natur" nur unmittelbar zum Ausdruck, bleibt somit an ihr selber „nur unmittelbar und an sich" (Ästh 1111). Es scheint nun zwei Wege zu geben, diese Defizienz aufzuheben und die in ihr enthaltene Forderung zu erfüllen. Der eine besteht darin, die Ebene der sinnlichen Vergegenwärtigung zu verlassen und den angemessenen Ausdruck des Geistes dort zu suchen, wo der „Geist für den Geist" ist, im Elemente des Gedankens. Diesen Schritt über die Ebene der Kunst hinaus vollzieht die Religion. Den zweiten Weg schlägt die „romantische Kunst" ein: „das Hinausgehen der Kunst über sich selbst, doch innerhalb ihres eigenen Gebiets und in der Form der Kunst selber" (Ästh 1113). Weil Klassik die Kunst schlechthin verkörpert, ist Romantik Selbstnegation der Kunst; sofern sie sich im sinnlichen Medium gestaltet, bleibt sie Kunst. Ihre Problematik ist die der modernen, nachklassischen Kunst überhaupt, und an ihrer Theorie vor allem entzündet sich die Kontroverse um Hegels Ästhethik, auch wenn ihre spezifische Fragwürdigkeit in der Problematik des Kunstbegriffs selber fundiert ist. — In der klassischen Kunst hatte sich ein grundlegender Mangel, eine Art prinzipieller Unangemessenheit der Kunst gegenüber sich selber manifestiert. Weil die Form der Unmittelbarkeit zugleich den Inhalt affiziert, kann dieser in ihr gar nicht nach dem, was er an sich ist, zum Ausdruck kommen. Die in ihrem Ansichsein, in ihrer Verschlossenheit verbleibende Bestimmung des Geistes aber ist an ihr selbst der Widerspruch und der Trieb zu dessen Aufhebung; dies hat sich schon auf allen Stufen des subjektiven und objektiven Geistes erwiesen. Die romantische Kunst zieht aus diesem Mangel die Konsequenz und versucht ihn dadurch aufzuheben, daß sie, zwar als Kunstform im Element der Äußerlichkeit sich vermittelnd, doch die wesenhafte Bindung des Gehalts an seine äußere Gestaltung aufhebt. Ihr Ziel ist, die Subjektivität in ihrem wahren Wesen
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explizit werden zu lassen, „die Einheit menschlicher und göttlicher Natur, aus einer unmittelbaren zu einer bewußten Einheit" zu erheben. Statt der „an sieb seienden", nur angeschauten Einheit soll deren „Wissen" vermittelt werden (Ästhl 112). Das Medium, in welchem solche Kunst sich vollzieht, kann demgemäß nicht mehr die sinnliche Gestalt, sondern nur „die selbstbewußte Innerlichkeit" sein (ebd.). Nur für den Geist und in ihm kann sich der Geist als solcher offenbaren. Da er jedoch auch in seiner Absolutheit die Seite der Unmittelbarkeit an ihm selber erzeugt (Ästh II130), bleibt er der Kunst weiterhin zugänglich. Doch bleibt die Äußerlichkeit bloß noch eine, an der er sozusagen ergriffen, durch die er aber nicht mehr begriffen oder adäquat dargestellt werden kann. Die wahre Objektivität, in welcher der Geist zur „tieferen Versöhnung" mit seinem Dasein kommt, findet er „nur in seiner heimischen, eigenen geistigen Welt" (Ästh II 128). So zerfällt „die einfache, gediegene Totalität des Ideals" (ebd.) in die gegenseitige Verweisung zweier Seiten, die „ihre partikulare Selbständigkeit gegeneinander bewahren" (Ästh III 13). Das System der romantischen Künste zeichnet die Lockerung dieses Zusammenhangs nach, der zum gleichgültigen und zufälligen wird, bis schließlich die Bedeutung in ein negatives, „feindliches" Verhältnis zu ihrem äußern Ausdruck gerät und sich zuletzt nur noch gegen denselben, in der Selbstaufhebung ihres Zusammenhangs mit ihm aussprechen kann. Die Komödie, welche die „Selbstzerstörung" dieser Einheit ist, wird dadurch aber zugleich zur „Auflösung der Kunst überhaupt" (Ästh III572f.). Ihr Versuch einer formimmanenten Negation der Form läuft Gefahr, den rein auf sich zurückgeworfenen Inhalt selber zu destruieren. Nur der dezidierte Übergang zu einer höhern Kommunikations- und Bewußtseinsform vermag ihn und die eigenste Intention der romantischen Kunst zu bewahren. So gelangt die romantische Kunst nicht wirklich über den Mangel der klassischen hinaus. Ihre Intention, diesen durch Verzicht auf die klassische Form zu beheben, treibt der eigenen Logik nach zur Aufhebung der Kunstform überhaupt. Das Auseinanderfallen von Innerem und Äußerem bis zu deren abstrakter Gegenüberstellung führt zur Auflösung des Gehalts selber. Indem dieser gegen die äußerliche Gestalt sich seiner vergewissern soll, wird die Objektivität zwar „als Nichtiges gesetzt", so aber zugleich freigesetzt und der Zufälligkeit ihrer faktischen Existenz übergeben, nach welcher sie sich dann „mehr und mehr wieder in positiver Weise Geltung zu verschaffen" weiß (Ästh II 232). Dem Rückfall des Daseins ins Unwesentliche entspricht im „Zerfallen der Kunst" das
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„Freiwerden der Subjektivität ihrer inneren Zufälligkeit nach" (ebd. 239). Diese beiden Extreme werden in den „letzten Kunstblüten" noch einmal zusammengefaßt und ermöglichen eine „Verinnigung in dem Gegenstande, einen gleichsam objektiven Humor". Die darin erlangte Versöhnung kann jedoch „nur partiell" und „untergeordneter Art" sein (ebd. 240). In ihrem Endpunkt kommt romantische Kunst nicht über die Defizienz der Kunst als solcher hinaus; sie ist nicht in der Lage, den Geist nach seiner eigenen Natur auszudrücken und sich vorstellig zu machen. Das historische Bedürfnis ist über sie hinweggeschritten, es fordert das Selbstbewußtsein des Geistes auf einer Bestimmungsebene, die außerhalb der Reichweite der Kunst liegt. Kunst ist nicht mehr auf der „Höhe der Zeit", sie ist ein prinzipiell „Vergangenes". Die Inhalte und Stoffe, die der eigenen Bestimmtheit nach im Kunstmedium ihre adäquate Darstellung fanden, sind „ausgesprochen" und „ausgesungen" (Ästh II238); das moderne Bewußtsein kann sich weder in sie noch in die entsprechenden Kunstformen zurückversetzen. Indes meint das Verdikt vom „Ende" oder der „Vergangenheit" der Kunst ja nicht deren simples Absterben oder gänzliche Wertlosigkeit in der Gegenwart, wohl aber, ähnlich dem Abtreten der Völker vom Schauplatz der Weltgeschichte, das Zurücktreten vom Vordergrund und das sich Herabsetzen zum Moment des nunmehr höheren und freieren Ganzen. „Uns gilt die Kunst nicht mehr als die höchste Weise, in welcher die Wahrheit sich Existenz verschafft", die künstlerische Form befriedigt nicht mehr „das höchste Bedürfnis des Geistes", und mag sie sich noch so sehr vervollkommnen oder uns, als Kunstgeschichte, die Vortrefflichkeit vergangener Werke vor Augen führen „— es hilft nichts, unser Knie beugen wir doch nicht mehr" (Ästh 1141 f.). „Gedanke und die Reflexion hat die schöne Kunst überflügelt" (ebd. 24), mit dieser „ist es uns kein wahrer Ernst" mehr (Ästh II233). Einer solchen Auffassung kann allerdings die Gegenfrage gestellt werden, „ob denn das Kunstwerk als solches vom Betrachter überhaupt verlangt und verlangen darf, daß er vor ihm in die Knie sinkt"2. Daß es dies nach Hegel tut, liegt in der Ebene begründet, auf welcher hier Kunst thematisch wird. Primär rückt Kunst als erste Bestimmung des absoluten Geistes ins Blickfeld, sie nimmt im Leben der Menschheit den gleichen Rang ein wie Religion und Philosophie. Als vollendete, klassische, ist sie Vorform der Religion und erheischt wie diese absolute 2
Kühn, Die Gegemvärtigkeit der Kumt nach Hegel 256.
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Verehrung; in der „Phänomenologie des Geistes" wird die „KunstReligion" als mittlere Bestimmung der Religion eingeführt. Es könnte nun eingewendet werden, daß gerade diese Einordnung, die auch im System inhaltlich beibehalten wird, falsch ist und verhindert, daß gegenwärtige Kunst anders denn als reines Spiel oder als bloßes Anhängsel wesentlicherer Interessen ins Blickfeld rückt. Ist das Urteil über die Vergangenheit der Kunst nicht doktrinär und einseitig, indem es Kunst sozusagen nur unter dem Aspekt ihres Inhalts und dessen Würdigkeit betrachtet? Zur Klärung dieser Frage soll zuerst präzisiert werden, wie Hegel die Rolle auffaßt, die nach seiner Meinung der „Nach-Kunst" zukommt. Zwar ist auch im Romantischen zunächst noch „das Göttliche an und für sich Gegenstand der Kunst" (Ästh II237). Aber indem dieses sich gegen seine äußerliche Objektivierung wendet, verliert es sich, als Gegenstand der Kunst, immer mehr, und die Gegenwart, welche die Romantik und deren „notwendige besonderen Stadien" (ebd. 235) hinter sich und sich von ihnen losgesagt hat, offenbart deren eigene Konsequenz. Daß die moderne Reflexion mit dem „Stoff" und der „Gestalt" der Kunst „tabula rasa" gemacht hat (ebd.), ist „die Wirkung und der Fortgang der Kunst selber", welche im Herausbringen des Verborgenen zugleich vom offenbargemachten Inhalt „befreit", diesen „los wird" (Ästh II234). Wenn so der Kreis des durch Kunst Darzustellenden durchlaufen, der „Gehalt erschöpft" ist (ebd.), so verschwindet gleichermaßen die genuin künstlerische — ob produzierende oder rezipierende — Haltung, für welche der Inhalt das „Substantielle" und die „innerste Wahrheit" des eigenen Bewußtseins ausmacht (ebd. 233). Indem das „Gebundensein an einen besonderen Gehalt und eine nur für diesen Stoff passende Art der Darstellung" sich auflöst, verschwindet ebensosehr das „absolute Bedürfnis" der Kunst, wie diese ihrerseits zum „freien Instrument" wird (ebd. 235); das Freiwerden vom Inhalt ermöglicht ein neues Verhältnis zur Form. Der Künstler verfügt fortan über alle Stoffe und Formen der Vergangenheit, alle stehen sie ihm „zu Dienst und zu Gebot", er hat sich über sie „zum Meister gemacht" (236). Was aber bleibt dabei Anliegen oder „Leistung" der Kunst, wenn diese nicht nur als Verfallsform einer einst heiligen und höchsten Praxis erscheinen soll? Wie die Form, so ist auch der künstlerische Inhalt nicht mehr der absolute, der den Geist der Zeit ausspricht. Kunst insgesamt ist partiell geworden. Die Beschäftigung mit ihr ist nicht mehr höchste Vollendung des sittlichen Strebens, sondern „ein reines Gefallen an den Gegenständen",
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ein „harmloses Spielen", „und dabei eine Innigkeit und Froheit des sich in sich selbst bewegenden Gemütes, welche durch die Heiterkeit des Gestaltens die Seele hoch über alle peinliche Verflechtung in die Beschränkung der Wirklichkeit hinausheben" (Ästh II242). Was hier beschrieben wird, ist zwar alles andere als der religiöse „Ernst" der alten Kunst, aber auch keinesfalls gleichzusetzen mit wesenlosem Sich-in-denDingen-Herumtreiben oder mit „bloßer" Spielerei. Sondern es ist Ausdruck der Souveränität des Menschen, dem die Welt kein Fremdes mehr ist, der sich in ihr frei weiß und sich je nach Belieben in die Gegenstände versenken kann, um in ihnen seine Gegenwärtigkeit zu erkennen. So ist das Aufheben der idealen Kunstform im Hinausgehen „der Kunst über sich selber.. . ebensosehr ein Zurückgehen des Menschen in sich selbst" (Ästh II237). Die Kunst stellt nicht mehr nur das dar, „was auf einer ihrer bestimmten Stufen zu Hause ist, sondern alles, worin der Mensch überhaupt heimisch zu sein die Befähigung hat" (ebd. 238). Wenn auch nicht mehr Götter und Heilige als Gegenstand der höchsten Verehrung und Andacht im Kunstwerk dargestellt werden, so bleibt nicht bloßer Nihilismus zurück, sondern an ihre Stelle tritt „das Allgemeinmenschliche" in allen seinen Erscheinungen; der „Humanus" wird zum „neuen Heiligen" der Kunst erhoben (Ästh II 237). Doch sein Heiligenschein bleibt Schein. Die freie Subjektivität, die sich „in sich befriedigt" (Ästh III 572), wird nicht in ihrem absoluten Grund, nicht in ihrer absoluten Freiheit erfaßt. Ihr spielerisches Verhältnis zur Welt wird, absolut gesetzt, zum Ästhetizismus. Nicht mehr vermag die Schönheit in der Gegenwart dem absoluten Interesse des Geistes zu genügen, da sie der „wahrhaften Objektivität" ermangelt, „welche nur im Elemente des Gedankens ist" (E § 562A). So bleibt denn Kunst, auch da, wo sie die „heutige Gegenwärtigkeit des Geistes" kundgibt (Ästh II238), ein wesentlich Vergangenes. Dies wirft zurück auf die schon gestellte Frage nach der Richtigkeit dieser Einschätzung heutiger Kunst. Es hat sich gezeigt, daß diese Frage wesentlich mit jener nach Hegels Kunstbegriff überhaupt zusammenhängt. Weil Kunst ihrem Wesen nach auf die Offenbarung eines Gesamtzusammenhanges ausgerichtet ist, modernes Leben aber in seiner Reflektiertheit sich nicht mehr im Element der Kunst zusammenfassen und durchschauen läßt, deshalb ist Kunst im absoluten Sinn ein Vergangenes, als gegenwärtige nur noch partial. Mit ändern Worten: gegenwärtige Kunst setzt nach Hegel die vollzogene und gewußte Versöhnung voraus. Sie partizipiert nicht mehr an der Wahrheitsschöpfung, sondern
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ist nur „Wahrheitsfolge und spielerische Bewährung des Wissens", vom eigentlichen „Vollzug der Versöhnung" bleibt sie ausgeschlossen3. Damit aber verliert Kunst ihre emanzipative Kraft. Der Mensch erfreut sich zwar im ästhetischen Schaffen und Anschauen seiner Freiheit und Souveränität — einer Freiheit indessen, über die er schon verfügt und zu deren Genuß er nicht des Kunstwerks bedürfte. Dies bedingt, daß ihm dabei andere, und zwar höhere Instanzen zur Verfügung stehen, in denen er in angemessenerer Weise sich seines Wesens versichern kann. So hat sich nach Hegels Konzept die absolute Funktion der Kunst in dem Moment als hinfällig erwiesen, wo in der Geschichte die christliche Religion oder gar die spekulative Philosophie aufgetreten sind. Die Frage aber bleibt, ob nicht auch im Zeitalter der absoluten Religion der Kunst weiterhin eine nicht-unwesentliche Rolle zukommt, ob Kunst nicht auch dann, wenn sie als „untergeordnetes" Moment des Lebensganzen anerkannt wird, einen durch nichts anderes zu ersetzenden und auch an ihm selber unverzichtbaren Beitrag zur realen Befreiung des Menschen zu leisten imstande und berufen ist4. Diese Fragestellung gewinnt an Deutlichkeit, wenn sie anhand möglicher Gegenpositionen illustriert wird. Als radikal ausgesprochene Gegenposition in diesem Zusammenhang soll hier kurz die „Ästhetik" H. Marcuses zitiert werden; auch die ganze Philosophie Adornos und gewisse Texte von Horkheimer könnten in diesem Kontext genannt werden. Die Gegenposition definiert sich zugleich durch eine andere Einschätzung des kritischen Potentials der Kunst und durch die Forderung, jene institutionellen und vom Individuum teilweise assimilierten Hemmnisse zu beseitigen, welche der Aktualisierung dieser Kraft im Wege stehen. Diese Forderung wird dann zum ethischen Movens, wenn nicht mehr, wie bei Hegel, davon ausgegangen werden kann, daß gegenwärtige Wirklichkeit an sich real gewordene Versöhnung ist, und noch weniger, daß diese von Religion oder spekulativer Philosophie erkannt und gar mitbedingt, mitermöglicht wird. Die Hinfälligkeit der Theorie des absoluten Geistes stellt sowohl die Frage nach der möglichen Instanz, welche faktische Unfreiheit in ihrer ideologischen Verhärtung zu durchschauen und zu übersteigen gestattet, wie sie auch erlaubt, Kunst nunmehr in grundsätzlich anderer Weise 3 4
Henrich, Kunst und Kunstphilosophie der Gegenwart 16. Für Hegel ist Kunst als vergangene verzichtbar. Was sie zu sagen hatte, ist heraus, ist offenbar geworden; ihre Praxis kann fürderhin in keiner Weise mehr an der noch ausstehenden Erfüllung der höchsten Aufgabe der Menschheit mitarbeiten; sie ist nur noch Verfügung über das schon Erreichte.
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aufzufassen denn als inhaltliche Darstellung eines umfassenden Lebenszusammenhangs. Die vordem apolitische Kunst soll in der sozialen und politischen Brisanz, die ihrem Wesen zukommt, zum Tragen gebracht werden. Die ästhetische Dimension kann nach Marcuse insofern „als eine Art Eichmaß für eine freie Gesellschaft dienen"5, als in ihr zugleich die Welt des Leidens erkannt und die reale Utopie des Glücks vorgezeichnet wird6. Die Praxis der ästhetischen Form, die sich an Maßstäben ausrichtet, die nicht dem herrschenden Zwangszusammenhang entnommen sind, ist eine Beherrschung „der Gewalt, des Leidens, selbst wenn sie Unordnung, Gewalt und Leiden vorführt"7. Kunst, die jahrhundertelang vom gesellschaftlichen Wirkungskreis ausgegliedert und so zur Sterilität verurteilt war, kann, wo sie sich ihrer bewußt wird und den eigensten Impulsen zu folgen wagt, zum Ort der Weigerung werden; gerade in ihr muß jener „Bruch mit dem Kontinuum der Repression" stattfinden, welcher „notwendige Vorbedingung der Befreiung" ist8. Im Ästhetischen kann Marcuse dadurch eine Affinität zur Freiheit „in ihrer entsublimierten politischen Form" ausmachen9, daß er auf den alten, im platonischen „Phaidros" exemplarisch gezeichneten Zusammenhang von Schönheit und Eros zurückgreift, der bei Hegel ob des Primats der inhaltlichen Darstellungsfunktion unterschlagen wird10. Vor diesem Hintergrund erscheint die Hegeische Ästhetik in der gleichen Perspektive wie die Wirklichkeit der gesellschaftlichen Unterdrückung: in jener der Verdrängung und Sublimierung, der Lustfeindlichkeit, des Triebverzichts. Gerade deshalb kann das Ästhetische, wo es sich zur Realisierung des eigenen Potentials entschließt, eine „gesellschaftliche Produktivkraft"11, Motor der Befreiung werden. Kunst rührt in Wahrheit an eine Dimension, die dem Menschen keineswegs so fremd ist, wie der 5 6
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Versuch über die Befreiung 48. Vgl. Horkheimer, Kritische Theorie II 321: Indem das Kunstwerk „den geschändeten Menschen ein schockierendes Bewußtsein ihrer verzweifelten Situation gibt, bekennt es sich zu einer Freiheit, bei deren bloßer Vorstellung ihnen Schaum vor den Mund tritt". Marcuse, Versuch über die Befreiung 69.
Ebd. 33f. Ebd. 47. Vgl. Kühn, Die Gegenivärtigkeit der Kunst nach Hegel 256f.: „Hegel nun löscht die besonders in der mystischen Überlieferung fortlebende Beziehung zwischen Schönheit und Liebe aus. Der christlich wiedergeborene Eros bei Dante fällt bei ihm, ebenso wie die Liebe bei Petrarca, unter den Begriff der „Abenteuerlichkeit" der romantischen Liebe. Sein Schönheitsbegriff, so folgenreich er war, bleibt mit Sterilität geschlagen". Marcuse, Versuch über die Befreiung 47.
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fetischisierte Kulturbetrieb es glauben macht. Dessen verhärtete Formen sind aufzubrechen, um die „libidinösen Energien" freizusetzen, die von der Kunst aktualisiert werden. Die offene Wiederherstellung der nichtunterdrückten, „neuen Sensibilität" ist Voraussetzung dafür, daß die Triebstruktur des Menschen nicht in künstliche Epiphänomene abgeleitet werden muß, sondern auf die Grundinteressen einer freien Gesellschaft angewendet werden kann. In diesem Rahmen entwirft Marcuse sein Bild eines Reichs der Freiheit auf „biologischer" Basis. Interessant bleibt es im Kontext der Hegeischen Ästhetik, insofern es gerade dem Bereich der Unmittelbarkeit, der sinnlichen Schönheit, das zumutet, was Hegel ihr abspricht: die Fähigkeit, in für die moderne Welt gültiger Form die Vernünftigkeit gesellschaftlicher Ordnung zu entwerfen, zu postulieren und voranzutreiben. Im weitern Horizont berührt sie indes einen Grundgedanken, der auch dem jungen Hegel nicht fremd war: den einer Vereinigung von ursprünglich ästhetischer und politischer Dimension, vorgezeichnet in der schönen griechischen Freiheit. Die Überzeugung von der Unwiederbringlichkeit solcher Vereinigung ist für den spätem Hegel jedoch nicht nur dogmatischer Glaube an die entzweite Gegenwart, sondern Einsicht in die Notwendigkeit der Geschichte. Damit entfällt für ihn „die aus der platonischen Tradition kommende Möglichkeit einer politischen Ästhetik .. . Das Lustprinzip hat für immer die Möglichkeit verloren, reale Allgemeinheit zu strukturieren oder zu kommunizieren"12. Zugunsten einer Position wie der Marcuses muß zwar anerkannt werden, daß der Protest gegen die abstrakt gewordene Rationalität seine Berechtigung hat; auch der Appell an die ursprüngliche Spontaneität, den unvermittelten Lebensdrang, geht angesichts des Schreckbilds einer total verwalteten Welt nicht einfach ins Leere. Und Hoffnung, positive Utopie sind heute vielleicht mehr denn je notwendige Momente des freien Lebens. Trotzdem muß auch hier, wie schon an früherer Stelle, festgehalten werden, daß die abstrakte Gegnerschaft gegen Rationalität und Herrschaft Gefahr läuft, zur neuen Unmittelbarkeitsideologie und zum Promotor einer nun wahrhaft irrationalen Herrschaft zu werden. Nicht schon ist der Verzicht auf falsche Vermittlung Retablierung einer Unmittelbarkeit, in der Schönes und Gutes auch tatsächlich konvergierten. Der „ersten" Natur zuviel zuzumuten kann leicht auf eine Sabotierung der „zweiten", geschichtlichen hinauslaufen. 12
Henrich, Zur Aktualität von Hegels Ästhetik 300f.
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Die Gegenposition Marcuses verkörpert jedoch nicht den einzigen Gesichtspunkt, unter dem die Hegeische Ästhetik befragt werden kann. Er ist vielleicht der radikalste, insofern nicht nur andere, bei Hegel verschwiegene Perspektiven gegenwärtiger Kunst hervorgehoben werden, sondern explizit dasjenige, was nach Hegel ihre Defizienz ausmacht, das Element der Unmittelbarkeit, ihr Heil sein soll. — In ganz andere Richtung weisen jene Ansätze, die Kunst von ihrem produktiven, erzeugenden Charakter her ins Auge fassen und in ihr so etwas wie ein Modell nicht-entfremdeter Arbeit oder freier Praxis im allgemeinen sehen. Auch hier wird der Akzent nicht auf den inhaltlichen, „erkenntnismäßigen" Fortschritt gelegt, den die Kunst über die Sphäre des objektiven Geistes hinaus realisiert. Dennoch kann auch diese Perspektive in der Kontinuität und der Vollendung des sittlichen Lebens gesehen werden. Die künstlerische schöpferische Tätigkeit ist exemplarische Verwirklichung jener Dialektik, die sich im objektiven Geist als Vermittlung von allgemeiner und besonderer Tätigkeit, von subjektiver und objektiver Bestimmung auseinanderlegte. Die ausstehende Versöhnung zu antizipieren und die vollzogene zu begehen, zu „praktizieren", dies ist höchste Funktion der Kunst, die in ihrem Vollzug den Charakter freien Lebens überhaupt resümiert: sich aus sich herauszusetzen, zum Werk zu machen, und gleichwohl in diesem nichts als die Bestimmtheit des eigenen Wesens vor sich zu haben. Künstlerische Tätigkeit, die so die Grundbewegung des freiwerdenden Geistes nachzeichnet, böte auch dadurch noch ein heilsames Korrektiv gegen die verwaltete Welt, daß sie zu ihrem Gegenstand ein freies Verhältnis gewänne, sich von der technischen Verfügbarkeit der Dinge emanzipierte und Natur nach deren eigenen (wenn auch nicht Natur-)Bestimmungen ins Bild rückte; Schönheit spräche so einen Verzicht auf Herrschaft aus, der selber als Widerschein und Forderung im Sittlichen bewußt werden könnte. In beiden Fällen, wenn bei der sinnlichen Rezeptivität oder bei der schöpferischen Tätigkeit angesetzt wird, rückt das mit der Kunst befaßte Subjekt in den Vordergrund. Ob es sich dabei primär um den Horizont des Künstlers oder des Betrachters handelt, unterscheidet sie nicht wesentlich; beide Perspektiven meinen sowohl den einen wie den ändern13. Diese Ansätze, deren gemeinsame Dimension man vielleicht als „Künstler-Ästhetik" bezeichnen könnte, stehen der vornehmlich an 13
Vielleicht könnte man beim zweiten, dem „Arbeits"-Modell sagen, daß der Betrachter (Hörer etc.) im ideellen Nachvollzug des Produktionsaktes am Freiheitsvollzug des Schaffenden partizipiert.
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der „Darstellung" interessierten Hegeischen Ästhetik entgegen14. Für diese steht im Zentrum das Werk, und an diesem seine Aussage, sein Gehalt. Von dieser Seite, oder zumindest auch von dieser Seite her müßten die Grundannahmen Hegels korrigiert oder erweitert werden, wenn moderne Kunst gegen ihn rehabilitiert, nicht einfach seiner Position ein Gegenentwurf entgegengestellt werden soll. Einen Versuch in dieser Richtung, der hier nur erwähnt werden soll, unternimmt D. Henrich in seinem Aufsatz „Kunst und Kunstphilosophie der Gegenwart"15. Ausgehend von den Prämissen der Hegeischen Kunstphilosophie, werden die Merkmale, die Hegel der gegenwärtigen Kunst zuspricht, auf ihre Fundamente in der neuzeitlichen Philosophie hin durchleuchtet und auf deren Hintergrund neu interpretiert. Daraus sollen für die Kunst in der Gegenwart Perspektiven abgeleitet werden, die sich zwar keineswegs auf die Rolle der „klassischen" Kunst zurückwenden, aber doch über den eingeschränkten Rahmen hinausschießen, in welchem sich nach Hegel die postromantische Kunst zu bewegen hätte. Auch wenn diesen Überlegungen und Alternativen hier nicht weiter nachgegangen werden soll, so bieten sie doch Anlaß, erneut die allgemeine Frage zu stellen, wieso denn eigentlich gegenwärtige Kunst nicht mehr in der Lage sein soll, ihre Zeit und deren Wahrheit auszusprechen. Die auf der Hand liegende Begründung beruft sich auf die Gebundenheit von Inhalt und Form: das entzweite Zeitalter der Reflexion — oder auch, hypothetisch, die in sich befriedigte Aera der Vernunft, welche die Reflexion sich integriert hat — kann nicht unter dem Maßstab der Schönheit zur Erscheinung gelangen. Doch der Zerfall des geschlossenen Weltbildes hat sich ja auch innerhalb der Kunst reflektiert; ihm entsprechen die Auflösung der Form und die Wandlung des Schönheitsbegriffs. Sollte es nicht möglich sein, in einer veränderten Kunst die veränderte Welt so darzustellen, daß in der Gestalt der Entzweiung und der Unfreiheit gerade deren Wahrheit, freie Versöhnung, mitthematisch wird — gerade wie sich in der Logik gezeigt hat, daß noch die wahre Beschreibung des Unfreien auf eine zugrundeliegende Logik der Freiheit verweisen muß? So könnte auch für das moderne Kunstwerk, obwohl sein Gegenstand nicht mehr das Ganze, die Vereinigung von Göttlichem und Menschlichem als solche sein kann, doch die Wahrheit 14 15
Vgl. zu dieser Alternative: Henrich, Kunst und Kunstpbilosopbie der Gegenwart 11—13. in: Iser, Wolfgang (Hrsg.): Poetik und Hermeneutik, Bd. II, München 1966, S. 11—32.
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des Gegenwärtigen zum Thema werden. Die Frage bleibt dabei, in welchem Maße ästhetische Rezeption solches aufzufassen imstande ist. Es muß selbstverständlich davon ausgegangen werden, daß auch sie nicht mehr einfach sinnliches „Anschauen" ist im gleichen Sinn, wie Hegel es der griechischen Kunstreligion zuschreibt. Trotzdem bleibt sie an Sinnlichkeit, an Unmittelbarkeit gebunden. Indes ist ja für Hegel die philosophische Form der Wahrheit nicht „für alle", und die an die Vorstellung gebundene Religion bewahrt gerade durch diese Bindung auch für Hegel noch heute absolute Berechtigung. Auch sie präsentiert die Wahrheit nicht nach deren spekulativer Form, sondern als Gegenstand des Bewußtseins. Doch hat sie nach Hegel dadurch eine prinzipielle Überlegenheit über die Kunst, daß sie den Gegenstand nach seiner inhaltlichen Wahrheit, als Selbstbeziehung des Absoluten vorstellig macht; Versöhnung wird in ihr nicht nur als seiende dargestellt, sondern als Tat der alles mit sich versöhnenden Subjektivität gewußt. Endliches und Unendliches werden nicht nur in ihrer Einheit, sondern, inhaltlich gesehen, in ihrem absoluten Verhältnis expliziert. Inwieweit die Fähigkeit zu solcher Explizierung gegenwärtiger Kunst vorenthalten bleibt oder bleiben muß, mag großenteils eine Frage der Einschätzung sein. Aber auch wenn Kunst unwiderruflich unterhalb dieser Ebene festzumachen wäre, so wäre doch zu fragen, ob heute, wo Reflexion sowohl dem Künstler (und dem Betrachter) wie dem Kunstwerk selber zugesprochen werden muß16, dieses nicht weitere, auch im politischen Sinne relevantere Dimensionen zu eröffnen in der Lage ist, als ihm Hegel zugestehen wollte. 18
Vgl. Hentich, ebd. 28 f.
3. Die Religion In der äußerlichen Anordnung stellt die Religion die mittlere der drei Gestalten des absoluten Geistes dar; so gesehen, steht sie über der Kunst und bleibt ihrerseits hinter der Philosophie zurück. Eine solche vereinfachende Interpretation der äußeren Reihenfolge übersähe indes die einschneidende Differenz, welche Kunst der Religion und Philosophie entgegensetzt. Auch wenn Religion — in einem Sinn, der noch zu klären sein wird — nicht höchste Instanz der Geistestheorie sein kann, so teilt sie doch mit der Philosophie insofern Letztgültigkeit, als sie eine auch für die Gegenwart nichtüberholte und nicht-überholbare Form der Präsenz des Wahren ist; nicht-überholbar in dem Sinne, daß sie in Hegels Sicht für den gesellschaftlichen, freien Lebensvollzug der Menschen unverzichtbar ist. Sie ist die Art, wie die Wahrheit „für alle" da ist, wenn diese auch noch nicht in ihrer höchsten Form, „nicht als Gedanke gesetzt" ist (Rel 1140). Ihr gegenüber bilden die Philosophen einen „isolierten Priesterstand", dessen Versöhnung „ohne äußere Allgemeinheit" bleibt (Rel II 343 f.). Wiewohl Religion die Wahrheit nicht in ihrer höchsten Gestalt darstellt — und so, streng genommen, den Geist nicht zu seiner höchsten Freiheit führt —, spielt sie für die reale Geschichte und die in dieser zu bewkkende Versöhnung eine unentbehrliche Rolle. Dazu ist sie deshalb befähigt, weil sie den letzten, nicht mehr überbietbaren Inhalt sowohl an ihm selber wie in seiner Geschichtsbezogenheit vor Augen führt. Diese „Trennbarkeit" von Form und Inhalt — absoluter Inhalt und endliche Form — wird zwar erneut problematisiert werden müssen, wenn die Philosophie und ihre Beziehung zur Religion zur Diskussion stehen; in der Tat scheint es sich ja dabei um eine Unterscheidung zu handeln, die am allerwenigsten mit Hegeischen Prämissen einzusehen ist. Gleichwohl soll vorerst davon abgesehen und geprüft werden, inwiefern das religiöse Bewußtsein über die Unzulänglichkeiten des ästhetischen hinauskommt, und ob es zu Recht den Anspruch erhebt, die „letzte Befriedigung und Befreiung" des Geistes zu sein (Rel 112).
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Die Radikalität des Einschnitts zwischen Kunst und Religion wird nicht dadurch abgemindert, daß jene schon innerhalb des eigenen Bereichs gewissermaßen über sich hinausgeht und sich in Richtung auf die Religion hin bewegt. Sie präfiguriert ihren eigenen Übergang in der Ausbildung der romantischen Künste und spezifisch deren letzter, der Poesie. Von ihr sagt Hegel, daß ihre äußerliche Objektivität nur mehr eine „bloß vorgestellte" und ihre Darstellung eine „Mitteilung des in seinem eigenen Bereiche schaffenden Geistes an den Geist" ist (Ästh III 16). Als letzte Möglichkeit der Kunst, die über alle ihr vorausgegangenen Gestalten und deren Gehalte verfügen kann, kann sie die „allgemeine Kunst" genannt werden (ebd.), welche die „ganze Totalität des Schönen noch einmal in geistigster Weise produziert", so daß sie schließlich „Gefahr läuft, sich überhaupt aus der Region des Sinnlichen ganz in das Geistige hineinzuverlieren" und dem Kunstbegriff „nicht mehr zu entsprechen" (ebd. 235). Wie sehr so auch die Kunst ihr eigenes Medium zu sprengen neigt, sich in die Innerlichkeit des Geistes zurückzieht und in dieser „immer mehr steigen und sich vollenden" mag (Ästh 1142), so sehr bleibt sie doch durch ihren Gehalt von ihrem „Nach" abgeschieden, bleibt sie unfähig, den eigenen Untergang sowie das Eintreten der höheren Wahrheit selber in den Griff zu bekommen. Diese systematische Zäsur trennt zwar nicht irgendwelche Stadien der Kunst von den ersten Vorformen des religiösen Bewußtseins; im Gegenteil hat sich ja gezeigt, daß die Kunst als Kunstreligion sich in enger Kontinuität mit der religiösen Weltanschauung ganzer Geschichtsepochen befindet. In solchen Zeiten gelangt auch das religiöse Bewußtsein nicht wesentlich über das hinaus, was es sich in der Kunst vergegenwärtigt. Der prinzipielle Einschnitt hingegen steht zwischen den adäquaten Realisierungen beider Grundformen, klassischer Kunst und absoluter oder geoffenbarter Religion1. Der Begriff der Offenbarung ist es auch, über den Hegel in der Enzyklopädie den systematischen Übergang zur Religion expliziert. Damit sind in gleichem Maße subjektive und objektive Seite, Inhalt und Bewußtseinsform angesprochen. In erster Linie drückt sich darin eine „Umkehrung" des bisherigen Verhältnisses des Menschen zum Absoluten aus, eine Umkehrung, welche sich zugleich in die allgemeine Entwicklungslinie der höheren Objektivitätsgewinnung und Überwindung 1
Sekundär kann er auch in der Kunstgeschichte selber festgemacht werden, als Unterschied zwischen der autonomen, klassischen, und der der christlichen Religion subordinierten und in deren Dienst stehenden romantischen Kunst.
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Die Theorie des absoluten Geistes
des subjektiven Formalismus einordnet. In der Kunst ist „die Darstellung der Wahrheit von dem Menschen hervorgebracht" (Rel 1135), in der Religion ist sie „geoffenbart und zwar von Gott geoffenbart" (E § 564). Dieser Umschlag ist einer, der sich ereignet vom Inhalt dessen her, was da zur Offenbarung gelangt. Wiewohl auch die Kunst danach trachtet, den Menschen in seiner Wahrheit und seinem „Wesen" auszusprechen, so bleibt es ihrem Medium doch versagt, ihn in dem, was seine absolute Geistigkeit und darin seinen letzten Grund ausmacht, zur Anschauung zu bringen. Als höchster Gegenstand des klassischen Kunstwerks hat sich der menschliche, nicht der absolute Geist herausgestellt. Diesen aus eigenem Antrieb zu erfassen und vorstellig zu machen ist das endliche Vermögen des Subjekts von sich aus gar nicht in der Lage2. Als Gegenstand der autonomen menschlichen Einbildungskraft wäre er wiederum „ein nur Gesetztes" (Rel 1138), hätte er nicht jene letztgültige Objektivität, die ihn zum absoluten macht. Wenn er aber, und dies im Gegensatz zur Wahrheit der Kunst, gerade als absoluter Geist „Inhalt" des religiösen Bewußtseins sein soll (E § 564), so kann er dies nur deshalb, weil er eben in seiner letzten Objektivität absolute Subjektivität ist. Dem Kunstwerk fehlt „die vollendete Subjektivität", es hat nicht „die absolute Form des sich Wissenden, des Selbstbewußtseins" (Rel 1137). Weil der Inhalt der Religion als absolutes Subjekt „das Selbstbestimmende" ist (E § 564), kann die Wahrheit der Religion primär als eine vom Unendlichen selber mitgeteilte, von ihm ausgehende aufgefaßt werden, und gleichermaßen die „religiöse Vorstellung die Bedeutung der Wahrheit, des objektiven Inhalts" haben (Rel 1140). Der Begriff der Manifestation wird bei der „inhaltlichen" Bestimmung des Gottesbegriffs genauer zu analysieren sein. Vorerst aber ist die allgemeine Kennzeichnung der Religion noch in einer ändern Hinsicht zu ergänzen. Der objektive Aspekt, die Seite des neu ins Gesichtsfeld rückenden Inhalts, ist ja nicht der einzige Aspekt, unter dem zur Sphäre des absoluten Geistes übergeleitet wird. Im Kontext der vorausgehenden Bestimmungen gesehen, erweist sich als ebenso wesentlich die Vervollständigung und Radikalisierung jener Freiheitsverwirklichung, die sich im Elemente des objektiven Geistes vollzog. Wie die Kunst steht auch die 2
„Von Seiten des Menschen" kann nur die „Bereitung des Bodens für die wahrhafte, geistige Religion .. . vollbracht werden "(Rel II184), nicht die Gegenwart des Absoluten hervorgebracht werden. „In der Religion des absoluten Geistes ist die Gestalt Gottes nicht vom menschlichen Geist gemacht". Gott „produziert sich selbst, stellt sich dar als Sein für Anderes" (Rel 1438).
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Religion in der Fortsetzung der geschichtlichen Aktualisierung des menschlichen Freiheitspotentials. Die Religion bewegt sich innerhalb des gleichen Spannungsfeldes, in welches die Kunst als erste Bestimmung des absoluten Geistes hineingeführt hat; in ihr reproduziert sich auf höherer Ebene der Übergang vom objektiven zum absoluten Geist. Ja, die Rückbeziehung auf die Dimension der Geschichte wird hier sogar in akuterer Weise zum Problem als bisher. Dies ist einerseits deshalb der Fall, weil für die gesamte moderne Geschichte nicht mehr Kunst, sondern Religion den Ort der letzten Rechtfertigung sittlichen Handelns repräsentiert. Wenn auch in der systematischen Gedankenfolge der Enzyklopädie auf die abschließende Zusammenfassung des realen Geistes in der Geschichte zuerst deren Transposition ins Absolute als unmittelbare Gestalt, als Kunst, folgt, so wkd dieses Verhältnis durch die spezifische Geschichtlichkeit des absoluten Geistes relativiert. Für die Moderne ist nicht nur Kunst als höchster Standpunkt überboten worden, sondern künstlerische Betätigung selber auf eine Ebene zurückgesunken, auf der es nicht mehr — auch nicht implizit — um die höchsten Interessen des freien Geistes geht. Das Problem der absoluten Sanktionierung realer Existenz ist unmittelbar eines der Religion geworden, die religiöse Fragestellung ist die allgemeine Art geworden, wie sich das Problem letzter Berechtigung für den Menschen stellt. Anderseits wird auch in rein systematischer Hinsicht die Beziehung von objektivem zu absolutem Geist in der Religion radikalisiert. Was in der Kunst an sich vorhanden und ausgesprochen ist, die Fundierung der geschichtlichen Entwicklung in ihrem Telos, der Freiheit des Geistes, dies wird hier zum expliziten Inhalt der Vorstellung erhoben und selber als Verhältnis thematisch gemacht. Daß so in beiden Hinsichten Religion als Zu-Ende-Führung des Freiheitswillens des Subjekts erscheinen kann, dazu muß der Schein von Fremdheit aufgehoben werden, der dem OfFenbarungsbegriff zunächst anhaftet. Offenbarung ist zwar wesentlich „von außen" kommende Wahrheit, aber als „Wahrheit des Endlichen" kann sie dies nur so sein, daß durch sie das Subjekt des allereigensten Wesens gewahr wird, sie sich als dem Innern des Endlichen selber entspringend erweist. Wiewohl zwar der endliche Mensch nicht aus sich heraus zur Erkenntnis Gottes, zur wahren Religion befähigt sein soll, so kann trotzdem gesagt werden, daß diese nicht äußerlich in ihn „hineingebracht ist, sondern in ihm selbst, in seiner Vernunft, Freiheit überhaupt liegt" (Rel 1160). Ebenso muß hinsichtlich des Inhalts gesagt werden, daß es dem Menschen in der Beschäftigung „mit dem
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allerhöchsten Interesse" nicht um ein Fremdes, sondern „um den Wert seines eigenen Geistes zu tun" ist (Rel 149). Dieses Zusammenfallen des „absoluten Gegenstandes" (Rel 1204) mit dem Innersten der Subjektivität ist darin begründet, daß hier das Subjekt selber nach seinem höchsten Prinzip, der Freiheit überhaupt, in Betracht kommt. Diese Einheit, welche sich im Glauben realisiert, macht die tiefste Bestimmung der „Persönlichkeit" aus, welche „nur spekulativ als diese Einheit des Selbstbewußtseins und des Bewußtseins oder des Wissens und seines Wesens, der unendlichen Form und des absoluten Inhalts gefaßt werden kann, welche Einheit schlechthin nur ist als das Wissen dieser Einheit in gegenständlicher Weise, als des Wesens, welches mein Wesen ist" (Rel 1204). Es ist dies „der absolute göttliche Zusammenhang selbst", in welchem das Subjekt im Wissen des „wahrhaften Inhalts" zugleich die eigene Grundbestimmung und sich darin als frei weiß (ebd. 203f.). Hierin kommt die reale Befreiung des Geistes zu ihrem Abschluß. Der Geist begnügt sich weder mit dem subjektiven Beisichsein noch mit der nur objektiven Schaffung einer „freien" Welt, sondern es geht ihm wesentlich darum, im gegenständlichen, weltlichen Dasein die Verwirklichung des eigensten Anliegens der Subjektivität zu wissen. Daß subjektiver und objektiver Geist im absoluten Geist in ihre Einheit zurückgeführt werden, heißt auch, daß das Subjekt nur dadurch zur Versöhnung mit seiner Wirklichkeit gelangen kann, daß es beide Seiten radikal auf ihren eigenen Grund hin durchleuchtet. Diese Vereinigung durch Besinnung auf das, was den letzten Gehalt des subjektiven Strebens wie der daseienden Wirklichkeit ausmacht, war an sich in der Geschichte vorhanden, als bewußte aber erst dem die Geschichte spekulativ erfassenden philosophischen Begriff zugänglich. Für das in der Geschichte selber befangene Bewußtsein wird diese Einsicht in der Religion eingeholt. Diese enthält so eine inhaltliche Aussage über den grundlegenden Zusammenhang des menschlichen Existenzvollzugs, und die aufklärerische Verkürzung des Wissens vom Absoluten ist ebensosehr eine Beschneidung der Möglichkeiten freier Selbstidentifikation. Dies steht hinter der Klage über die „unglückselige Zeit", die Gott nicht wahrhaft erkennen soll und „sich damit begnügen muß, daß ihr immer gesagt wird, es sei ein Gott!" (Rel 1220). Demgegenüber weiß die religiöse Vorstellung ihren Gehalt als in seine Bestimmungen auseinandergelegt, „als etwas vollkommen Geschichtliches", eine Geschichte, deren „Wahrhaftes" und „Substantielles" „%eitloses Geschehen, absolut göttliche Handlung" ist (Rel 1142). Mit diesem absoluten Geschehen ins Verhält-
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nis gesetzt, verliert der geschichtliche Vollzug seine Endlichkeit und erfährt seine absolute Rechtfertigung. Auf das einzelne Volk bezogen heißt dies, daß das „Bestimmte des Rechts und der Sittlichkeit" in der Religion seine „letzte Bewährung" gewinnt (Rel 1246)3. Die Religion macht explizit, was das „wahrhaft allgemeine Recht" ist: die „Verwirklichung der Freiheit" (Rel II 303). Nur von ihr aus, und auch nur dann, wenn sie selber den göttlichen Gehalt nicht in verfälschter Form darstellt, kann das Prinzip des Staats begründet werden; „es ist ein Begriff der Freiheit in Religion und Staat" (Rel 1237)4. Damit so die Religion letztes Fundament eines wirklich freien Staats sein kann, dazu ist nicht nur die formelle Bindung geltender Normen an religiöse Vorstellungen gefordert, sondern ebensosehr und vor allem, „daß die Religion den wahrhaften Inhalt habe" (E § 552A). Religion kommt aber hier nicht nur als Instanz des Begriffs, sondern als reale Figur des geschichtlichen Geistes in Betracht. Erst im Laufe seiner geschichtlichen Entfaltung kommt das religiöse Bewußtsein dazu, seinen Inhalt so zu fassen, wie es dem „Begriff" der Religion entspricht5. Wie in der Logik ist auch in der Geschichte das Wahre nur als Resultat zu fassen. Der Übergang vom objektiven zum absoluten Geist, den bislang nur der philosophische Gedankengang wirklich vollzogen hat, ist nun so zu betrachten, wie er vom geschichtlichen Bewußtsein selber angeeignet und auf den Begriff gebracht wird (Rel II309). In diesem Übergang soll dem Bewußtsein einsichtig werden, was es im faktischen Lebensvollzug immer schon realisiert, was in der Geschichte als deren Grundbestimmung an sich schon gesetzt ist. Weil diese aber die letzte oder absolute Bestimmung ist, unter welcher Wirklichkeit überhaupt zu denken ist, so ist es nicht zufällig, daß ihre sukzessive Aneignung 3 4
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Vgl. u.a. 112f.; II 3325.; Ästh I 304; E § 552A; Ph.Gesch. 70, 166, 197, 298, 527. Auch Hegel macht auf die Gefährdung realer Freiheit aufmerksam, welche im einfachen Voraussetzen dieser „ursprünglichen Harmonie" liegt; wenn hierbei „beim Formellen stehengeblieben wird, so ist damit der Willkür, Tyrannei und der Unterdrückung offener Spielraum gegeben" (Rel 1238). Im Gegensatz zu Marx aber folgert er daraus nicht die prinzipielle Verurteilung der Religion als eines Herrschaftsinstruments und fiktiven Selbstbewußtseins des entwurzelten Menschen (vgl. MEW l, 378f.). Dem entspricht in den Vorlesungen die Aufteilung in „Begriff der Religion", „bestimmte Religion" und „absolute Religion"; die Enzyklopädie — der es nicht um eine Behandlung der Religion überhaupt geht, sondern um die Erfassung jener Gestalt des Geistes, welche die höhere Wahrheit der klassischen Kunst ist — setzt demgegenüber direkt auf derjenigen Stufe ein, auf welcher die Realität ihrem Begriff konform geworden ist: auf der Stufe der absoluten, geoffenbarten Religion.
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durch das Bewußtsein den Hauptbestimmungen der Logik folgt. Die verschiedenen Arten, wie sich für den Menschen sowohl der Göttesbegriff wie das Verhältnis von Endlichem und Absolutem bestimmen, sind nicht nur „im subjektiven Sinne" zu nehmen; vielmehr sind sie „logischerweise durch die Natur des Begriffs bestimmt" und bilden „die notwendige Einteilung im objektiven Sinn der Natur des Geistes" (Rel 1257f.)6. So können, von der äußern Einteilung her gesehen, die drei Grundformen von Naturreligion, Religion der geistigen Individualität und absoluter Religion den drei Hauptbestimmungen der Logik von Sein, Wesen und Begriff parallel gesetzt werden. Vornehmlich interessiert dabei allerdings jene Unterscheidung, welche der Differenz von objektiver und subjektiver Logik entspricht, und die sich hier als Gegenüberstellung von bestimmter und absoluter Religion darstellt. Das heißt: auf der einen Seite „der Geist in einer Bestimmtheit seines Seins und seines Selbstbewußtseins befangen", auf der ändern Seite der Geist in seiner „absoluten Realität" (Rel 1247). In der „wahrhaften Religion" wird der Geist nicht mehr nur in einer seiner Hauptbestimmungen, sondern in deren Gesamtheit und Zusammenfassung gegenwärtig, wie er „den entwickelten Inhalt der Idee des Geistes zu seinem Gegenstand hat" (ebd.). Da er in der Religion allerdings nicht in der begrifflich gedachten, sondern nur in der vorgestellten Einheit seiner Bestimmungen erfaßt wird, fallen ihm diese wieder in eine Geschichte auseinander, welche in gewisser Weise seine geschichtliche Selbsterfassung ideell reproduziert; logisch gesehen werden sie so zu „endlichen Reflextonsbestimmungen"' (E § 565). Auch wenn dieses zeitliche und logische Auseinanderfallen 6
Die Beziehung von Erscheinungsform und logischer Bestimmtheit ist nach Hegel für die Religion sogar in besonderer Weise offenbar. Während im Bereich der Natur und des endlichen Geistes „die logischen Bestimmungen, als substantielle Grundlage, . . . verhüllt und nicht in ihrer einfachen, gedankenmäßigen Existenz sind", läßt der Geist in der Religion „das Logische näher hervortreten". Die „logische Bestimmtheit" einer jeden Religionsstufe ist sowohl „das Innerlichste" des Geistes wie auch „die äußerliche Form an ihm, durch welche er unterschieden ist gegen anderes" (Rel I 305 f.). — Aus dieser verschiedenartigen Beziehung von Logik und Gegenstand ergeben sich nach Hegel Konsequenzen für die Wissenschaft. Während die Philosophie der Natur und des endlichen Geistes „diese logische Form nicht besonders hervorzuheben hat", soll sie in der Philosophie des absoluten Geistes „besonders Gegenstand der Betrachtung werden" (ebd.); aus diesem Grund unternehmen die religionsphilosophischen Vorlesungen vor dem Eingehen auf die jeweilige geschichtliche Gestalt eine Bestimmung des „metaphysischen Begriffs" der betreffenden Sphäre (für die Hauptstufen: I 305—318, II16—45; analog werden alle einzelnen Religionen zuerst in ihrem „Begriff", erst dann in ihrer konkreten Existenz abgehandelt.)
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im Glauben und in der Andacht des Kultus wieder aufgehoben wird (E § 565), so wird doch zu zeigen sein, inwiefern hier auch für die absolute Religion eine grundsätzliche Defizienz offenkundig wird, welche der religiösen Vorstellungsweise wesentlich ist und innerhalb derselben nicht überwunden werden kann. Entsprechend der Haupteinteilung soll auch hier die Religion in ihren beiden Grundformen als bestimmte und absolute Religion kurz skizziert werden. In ihnen widerspiegeln sich die beiden Hinsichten, unter denen der letztliche Gehalt der Weltgeschichte in Erscheinung trat: der freie Geist als Macht und als Manifestation. Auch im Rückblick auf die Logik können hierin zwei Stadien der Bestimmung von Freiheit gesehen werden, sozusagen eine inadäquate und eine adäquate Bestimmung. Die Ebenen der Realisierung des Geistes reproduzieren sich so als Stadien seiner Selbsterfassung. Der Machtgedanke, dessen differente Fassungen die verschiedenen Stufen der „bestimmten Religion" charakterisieren, kennzeichnet nach Hegel die religiöse Einstellung überhaupt. Für diese ist „die Macht überhaupt ... die Grundbestimmung, als die Unendlichkeit, welche das Endliche als aufgehobenes in sich setzt" (RelI341). Angesichts der Erfahrung der eigenen Unselbständigkeit sucht der Mensch einen letzten Grund (ebd. 308). Diesen findet er in der Vorstellung einer „absoluten Macht und Substanz, in welche der ganze Reichtum der natürlichen wie der geistigen Welt zurückgegangen ist" (ebd. 113). Der ursprüngliche religiöse Standpunkt verbindet die Einsicht in die Nichtigkeit und Unwahrheit des Endlichen mit der Vorstellung eines Absoluten, welches „das alles Befassende, Enthaltende und allem Bestandgebende" ist (ebd. 92). In diesem findet das Endliche seinen Halt, es löst sich „in ein Anderes, in ein Höheres" auf, „und dies Andere ist das Unendliche" (ebd. 107, 311). Auf der Stufe dieser unmittelbaren Vorstellung des im Unendlichen untergehenden Endlichen siedelt sich die erste Form der Religion, die „Naturreligion" an. „Für uns" ist zwar die „Einheit des Endlichen und Unendlichen" vorhanden, „aber für diese Stufe selbst" ist „das Wesen nur bestimmt als das Unendliche" (Rel II16). Dessen Unterschiede erscheinen so „als selbständige Existenzen", außerhalb der absoluten Macht, „hervorgegangen zwar aus ihr, aber außer ihr selbständig, und insofern sie in ihr gefaßt würden, wären sie verschwunden". Das Unendliche ist so als „die nur an sich seiende Macht" gefaßt, welche „nur auf allgemeine Weise" wirksam wird (Rel 1414f.); sie ist „Macht als das Innere der Existenzen", als „in sich seiendes Wesen oder als Substanz",
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vorerst „nur als das Einfache und Abstrakte gesetzt" (ebd. 341). Sie bleibt so das rein allgemeine, das „Neutrum", das weder in sich bestimmt ist noch reale Bestimmungen aus sich heraussetzt. Eine solche Auffassung kennzeichnet den Pantheismus. Sowohl in der orientalischen Vorstellung wie bei Spinoza wird die Substanz „nicht gefaßt als das Tätige in sich selbst"; sie bleibt „ein Inhaltsloses", „nur die taumelnde, in sich Zwecklose, leere Macht" (RelI316; vgl. 303). Dies ist die begriffliche Explizierung der Art und Weise, in welcher das ursprüngliche religiöse Bewußtsein das Absolute und dessen Beziehung zum Endlichen faßt. Die unbegrenzte Macht des Allgemeinen und die Nichtigkeit des Besonderen, dies sind die Gedankenbestimmungen, welche die unmittelbare Religion zwar nicht in begriffener, aber in „gefühlter" Form zu ihrem Inhalt hat7. Die verschiedenen Stufen der Naturreligion bilden den Weg, auf dem sich das Bild, das der Mensch ursprünglich von seinem Gott und darin von sich selbst entwirft, weiter entfaltet, der Wahrheit der freien Subjektivität adäquater wird8. Zwar gehört auch zu einem angemesseneren Freiheitsbegriff das Moment der Macht, der Souveränität des Geistes. Aber in seiner Unmittelbarkeit gefaßt, verunmöglicht das Mächtige das wirkliche Freiwerden des Menschen. In der „unmittelbaren Religion", in welcher sich die Mächtigkeit des Menschen in det Person des Zauberers exemplarisch verkörpert, erscheint der Mensch in seiner „Herrschaft", nicht in seiner „Würde"; „im Gegenteil, vollkommenen Unwert hat hier der Mensch — denn Würde hat der Mensch nicht dadurch, was er als unmittelbarer Wille ist, sondern nur indem er von einem Anundfürsichseienden, einem Substantiellen weiß und diesem seinen natürlichen Willen unterwirft und gemäß macht" (Rel I 301). Doch wenn der Mensch so in der unmittelbaren Identität mit der Natur sich nicht in seiner Freiheit verkörpert sieht, so auch nicht in der bloßen Entzweiung und Entgegensetzung gegen das Ansichsein. Zwar besteht auch darin für die menschliche Freiheit ein wesentliches Moment, daß 7
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Zum Verhältnis von Denkbestimmungen und Gefiihlsinhalten vgl. Rel 1308: „Das Fühlen fühlt auch das Gedachte oder das zu Denkende"; ebd. 313: „Der wahre Nerv ist der wahrhafte Gedanke; nur wenn er wahr ist, ist das Gefühl auch wahrhafter Art." Die drei Hauptstufen faßt Hegel folgendermaßen zusammen: 1. Gott als substantielle Macht und Unendliches überhaupt; das Endliche ist „noch nicht darin enthalten gesetzt", sondern ist „ganz unmittelbar Existenz des Unendlichen". 2. Gott als „die substantielle Macht in sich", „die in sich reflektierte Substanfialität". 3. „Das Endliche identisch gesetzt . . . mit der Substantialität, so daß es von gleichem Umfang sei, die reine allgemeine Form als Substantialität selbst ist; dies ist dann Gott als das Gute" (Rel II12).
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der Mensch sich als herausgeworfen, als rein Negatives, Nichtiges, und die absolute Macht als sein Gegenüber, als „das ungeheure Objekt" (Rel I 146) erfährt. Doch ist nicht die Selbstaufgabe, sondern erst „die Wiederherstellung seiner selbst" (ebd.), in welcher jene zum bloßen „Durchgangspunkt" wird, Befreiung. Da2u aber kommt die Naturreligion nicht. Sie bleibt in der Vermischung von Subjektivitäts- und Substantialitätsdenken befangen; sie bleibt der Widerspruch, Subjektivität tendenziell als an sich Seiendes, Natürliches denken zu wollen. „Gegen sie ist die %weite Stufe der bestimmten Religion, auf welcher die Erhebung des Geistes mit Konsequenz gegen das Natürliche vorgeführt ist, . . . die Religion der geistigen Individualität oder der freien Subjektivität" (Rel 1255). Subjektivität ist nicht mehr bloß an sich seiende, sondern „gesetzte" oder „reale Macht" (Rel 1414f.). Sie wirkt nicht mehr nur als Inneres und Allgemeines, sondern ist erscheinende Macht, welche einerseits als mit sich identisches Subjekt zugleich „unterschiedene Bestimmungen in sich set%t", anderseits „ausschließend" ist und in ein bestimmtes Verhältnis zu anderem tritt (ebd. 415 f.). Auf den drei Stufen dieser Sphäre, in der jüdischen, griechischen und römischen Religion, versucht der Geist sich näher in dieser Eigenschaft als „freie Macht der Selbstbestimmung" zu fassen9. In ihrer allgemeinsten Bedeutung kann diese nicht mehr bloß abstrakt daseiende, sondern konkrete und in sich bestimmte Macht als Weisheit verstanden werden. Nicht mehr ist nur das Unendliche vorhanden, welches das Endliche entweder völlig in sich absorbiert oder außer sich stehen hat. Die Macht, hier als „Wesen" gefaßt, ist „als Einheit des Unendlichen und Endlichen bestimmt, als wahrhafte Macht, als in sich konkrete Unendlichkeit", deren eigenes „Bestimmen" ihre „endliche Seite" ausmacht (Rel II17). Die Ausübung dieser Weisheit oder Realisation dieser innern Selbstbestimmung erscheint als „zweckmäßiges Handeln" (Rel II13). Zweckmäßigkeit ist ein Grundcharakter von Freiheit überhaupt, insofern sie die Tätigkeit des Subjekts der Naturnotwendigkeit und Fremdbestimmtheit entreißt. Im Zweck gibt sich das Subjekt seine selbstgewählte Bestimmung und gewinnt es ein nicht nur abstrakt-subsumierendes, sondern konkretes Verhältnis zur äußerlichen Besonderheit (vgl. LII436 ff.). Doch sosehr die Bestimmung der Zweckmäßigkeit über das bloß natürliche Dasein 9
Die logischen Grundbestimmungen dieser drei Religionen sind Einheit, Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit; die Grundformen der religiösen Vergegenwärtigung sind Erhabenheit, Schönheit und äußerliche Zweckmäßigkeit (vgl. Rel II18f., 46ff.).
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Die Theorie des absoluten Geistes
hinausgeht, sosehr verfehlt sie doch die wahre Bestimmung des höchsten Inhalts. „Die nach Zwecken wkkende Macht ist nur die Lebendigkeit, noch nicht der Geist, die Persönlichkeit Gottes"; die Religion der Zweckmäßigkeit hat noch nicht den „Geist an und für sich", den „Inhalt des Geistes" zum Thema (Rel II42, 44). Sie erfaßt ihren Gegenstand nicht nach der wahrhaft spekulativen Verhältnisweise, in welcher die unendliche Form zugleich den unendlichen Inhalt konstitutiert10. Das Zweck-Mittel-Schema als solches bleibt ein Verhältnis des Verstandes — in der Logik bildet es als letzte Bestimmung des objektiven Begriffs die unmittelbare Vorstufe der Idee. Wenn griechische und römische Religion unfähig sind, „die wahrhafte Aufnahme der Endlichkeit in das Allgemeine" (Rel II184) zu konzipieren, so deshalb, weil für sie das Allgemeine selber nicht seiner wahrhaften Natur gemäß zum Ausdruck kommt, sondern letztlich abstrakt bleibt. Das diesem Gedankenverhältnis entsprechende Freiheitsmodell der Macht ist nicht in der Lage, die wahre Freiheitsform des Geistes auszudrücken; auch in seiner höchsten Fassung bleibt es dem zu Denkenden gegenüber defizient. Deshalb kann auch der Geist in diesen Religionen keine dauernde Befriedigung finden. Sie dienen „zur Bereitung des Bodens für die wahrhafte, geistige Religion, einer Bereitung, die von selten des Menschen vollbracht werden mußte, damit ,die Zeit erfüllt werde'" (Rel II184). Sie dienen zur Vorbereitung für das, was der menschliche Geist aus sich zu erzeugen nicht mehr in der Lage ist. Gerade jene Religion, in der die Entmachtung des endlichen Subjekts am radikalsten ausgesprochen ist, wird zum Ort, wo das Heil sich ereignet. Die „Furcht des Herrn", Grundbestimmung der jüdischen Religion, ist die Voraussetzung für das Kommen und die Aufnahme des Absoluten (Rel II 80)11. So konkretisiert sich in der Betrachtung der Religionsgeschichte jene logische Umkehrung, die im systematischen Gedankengang von der Kunst zur geoffenbarten Religion führt. Offenbarung ist ebensosehr der systematische Schritt über die Kunst hinaus wie der geschichtliche Einbruch in den Bereich der vorchristlichen Religionen. Offenbarung ist indes nicht nur eine neue Qualifizierung der Beziehung, in welcher das endliche Bewußtsein dem absoluten Geist gegenübersteht. Ebensosehr — und sogar primär, weil als Grund jenes Verhältnisses — meint sie den Grundzug des „Gegenstandes", des absolu10 11
„Die absolute Religion hingegen enthält die Bestimmung der Subjektivität oder der unendlichen Form, die der Substanz gleich ist" (Rel II193). Vgl. Rel II188, I 146.
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ten Geistes selber. Schon in der Geschichte hatte sich, wennauch nur in vager Verständigung über diesen Begriff, Selbstmanifestation als „Wahrheit" der Macht, als höchste Bestimmung des sich befreienden Geistes erwiesen. Erst die Klärung dieses Begriffs, insofern er dem Absoluten an ihm selber zugesprochen werden muß, kann darüber Aufschluß geben, was es heißt, daß der endliche Geist nicht mehr aus eigener Kraft sich die Wahrheit vorstellig macht, sondern diese ihm von Gott offenbart werde. Eine solche Formulierung, die das Hauptgewicht auf die Umkehrung einer äußerlichen Be2iehung legt, ist nur eine erste Annäherung an den wahren Gehalt jenes Fortschritts, der das Bewußtsein über die bestimmte hinaus- und zur absoluten Religion hinführt; es ist die Fassung dieser höhern Bestimmung selber in Form der Vorstellung, des Verstandes. Wenn die absolute Religion eine geoffenbarte genannt wird, so „versteht man" darunter zwar, „daß sie einerseits von Gott geoffenbart ist", anderseits daß sie „positive Religion sei in dem Sinne, daß sie dem Menschen von außen gekommen, gegeben" wurde (Rel II 194). In diesen beiden Komponenten des Begriffs der geoffenbarten Religion spricht sich zwar richtig aus, daß diese nicht allein der subjektiven Fassungskraft des endlichen Bewußtseins entspringt, sondern nur in deren Transzendierung in wahrer Gestalt erscheinen kann. Falsch aber ist diese Vorstellung, sofern sie im „Gegebensein" das Moment der Äußerlichkeit und Fremdheit in den Vordergrund rückt. Was hier dem Geist sich darbietet, kommt zwar auch als „Geschichtliches, äußerlich Erscheinendes" an ihn heran; dies soll es aber „nicht bleiben", sondern als eigenste Wahrheit des Geistes erkannt und gewußt werden. Vom „Positiven als solchen", dem „abstrakt Positiven", das nichts als „das Vernunftlose" ist, muß „das Positive in der Form und als Geset^ der Freiheit" unterschieden werden (Rel II195f.). Dieses allein ist die Autorität, welche die Wahrheit des Geoffenbarten zu verbürgen vermag. Das Verhältnis des Geistes zur gegebenen Offenbarung darf „nicht ein passives Aufnehmen" (Rel 201) sein. Darin sündigt nach Hegel ein Großteil der modernen Theologie, die sich auf Textexegese eingeschränkt hat, und der gegenüber gerade Philosophie „wesentlich orthodox" zu sein und die „Grundlehren des Christentums" zu erhalten hat (Rel II 202). Dieser Aufgabe entzieht sich zwar die Komplementärform jener Theologie, die Verstandesphilosophie der Aufklärung, nicht aber das spekulative Denken, welches den wahren Inhalt der geoffenbarten Religion begreift. Dieser kann nicht durch äußerliche Ereignisse, sondern allein durch das „Zeugnis des Geistes" beglaubigt werden. „In seiner
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Die Theorie des absoluten Geistes
höchsten Weise" besteht dieses Zeugnis darin, „daß der Begriff rein als solcher, ohne Voraussetzung aus sich die Wahrheit entwickelt" (Rel II 197 f.). So hat auch die Religionsphilosophie darzulegen, inwiefern in der religiösen Vorstellung die wahre Bestimmung des Geistes sich auseinanderlegt und dem endlichen Geiste von sich Zeugnis ablegt. So wird zwar der erste Eindruck einer schlichten Umkehrung des bisherigen „Subjekt-Objekt-Verhältnisses" relativiert. Trotzdem muß näher bestimmt werden, wie „Offenbarung" zu verstehen ist, wenn damit nicht einfach eine rational nicht mehr überbrückbare Zäsur zwischen Kunst und vorchristlicher Religion auf der einen und absoluter Religion auf der ändern Seite bezeichnet werden soll. Auch wenn nicht um jeden Preis gedankliche Kontinuität erzwungen werden soll, so muß doch versucht werden, den in der Enzyklopädie unterstellten systematischen Übergang von der ersten zur zweiten Stufe des absoluten Geistes einsichtig zu machen. Der Argumentationsgang führt über die inhaltliche Weiterbestimmung des in der Kunst erfaßbaren absoluten Gehalts. Offenbarung als Mitteilung für andere ist selber nur Konsequenz der wesentlichen Natur des sich offenbarenden Geistes, der an ihm selbst „schlechthin Manifestieren" ist (E § 564). Die Konsequenz ist zugleich erste Erscheinungsform und Indiz ihres Grundes. Darin, daß dem Endlichen das Unendliche sich von sich aus darbietet, drückt sich aus, daß der endliche Geist hier wahrhaft in den unendlichen aufgenommen und von diesem her bestimmt wird, daß das Unendliche nicht mehr dem Endlichen bloß gegenübersteht, sondern sich in diesem Bestimmtheit gibt und in der endlichen Bewußtwerdung sein eigenes Selbstbewußtsein gewinnt. Was aber heißt es nun konkret, wenn der absolute Geist an ihm selber als Offenbarung bezeichnet wird? Vorerst scheint damit nicht mehr als eine merkwürdige Verdoppelung eingetreten, die sich etwa in der Frage ausdrückt: „Was offenbart Gott eben, als daß er dies Offenbaren seiner ist?" (RelII194); „Gott ist gerade dieses, sich zu offenbaren" (Rel II 534). Anderseits scheint die Beziehung von Geoffenbartem und Sich-Offenbaren selber näher gefaßt zu werden durch die Bestimmung des Offenbar-Seins: „das Offenbarte ist eben dieses, daß Gott der offenbare ist" (ebd.); in der vollendeten Religion wird „offenbar, was Gott ist", wird dieser „schlechthin offenbar" (Rel II 187); schließlich wird auch „die geoffenbarte Religion . . . die offenbare" genannt, „weil in ihr Gott ganz offenbar geworden" (Rel I 88; vgl. II 188, 194). Offenbarsein aber heißt für anderes sein, gewußt werden, und zwar nicht in irgendeiner unangemessenen Erscheinungsform oder
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defizienten Bewußtseinsweise, sondern unverhüllt und seiner wahren Natur gemäß. Es meint die Adäquation von Begriff und Realität. Die Wahrheit soll nicht mehr bloßes Ansichsein bleiben. Der Geist „ist für sich, wie er an sich ist", seine Erscheinung ist „selbst die unendliche", in welcher sich ausdrückt, „wie der Geist an und für sich selbst ist" (Rel I 87). In der bestimmten Religion war das Absolute nur unter einer seiner Bestimmtheiten gefaßt und als das Höchste verehrt worden; die Auffassung von ihm blieb immer eine endliche. In der absoluten Religion soll Gott in seiner absoluten Natur, als unendlicher Geist, vom Menschen erkannt werden. Der Geist aber „ist nur Geist, insofern er für den Geist ist" (E § 564). Hierin ist nicht nur sein Verhältnis zum endlichen Bewußtsein, sondern vorab zu sich selber ausgesprochen. Es widerspräche dem Begriff des Geistes, im Ansichsein zu verharren, nur Geist 2u sein, ohne sich als solchen zu wissen. Das Adäquationsverhältnis von Begriff und Realität ist in seinem Begriff selber notwendig mitgesetzt, es muß dem Geist an ihm selber zugesprochen werden können. Es zeichnet den Geist als dasjenige Allgemeine aus, welches an ihm selber den Übergang zur Besonderheit enthält, welches seine Potentialitäten selber aktualisiert und aus eigener Kraft den Weg vom Abstrakten zum Konkreten durchläuft. Weil das Wissen als „Prinzip" des Geistes „das Selbstbestimmende" ist (E § 564), so ist auch der Inhalt der Offenbarung dies, daß er die Macht ist, sich selber zu bestimmen (Rel II194). Die sukzessive Annäherung an den Gehalt der absoluten Religion lief über folgende Begriffe: Geoffenbartsein — Selbstoffenbarung — Offenbarsein — Adäquation von Begriff und Realität — diese Adäquation als Bestimmung des Begriffs selber — Gott als Selbstbestimmung und darin als Geist gefaßt. Der Geist, der an ihm selber und durch ihn selber die Identität von Begriff und Erscheinung enthält, ist so die Verwirklichung jenes absoluten Verhältnisses, als das sich in der Logik die absolute Idee herausstellte. Er ist „unendliche Form", und daß er dies ist, bildet den Inhalt seiner Offenbarung (Rel II194; vgl. E § 564). Wie die absolute Idee stellt auch der in seiner Absolutheit erkannte Geist jene Instanz dar, von der aus die früheren Bestimmungen — und hier insbesondere die Bestimmungen der Macht — einerseits als wirkliche Bestimmungen des Absoluten anerkannt und gerechtfertigt, anderseits aber zugleich als partielle erwiesen und zu ideellen Momenten herabgesetzt werden. Die Macht des Geistes ist eine, die in seiner Selbstoffenbarung gründet. Nur von der Schlußbestimmung her werden die „bestimmten" Bestimmungen, unter denen sich die Völker in der Reli-
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gion die höchste Selbstvergegenwärtigung ihrer Freiheit gegeben haben, im richtigen Licht gesehen. Wie die unendliche Form die Wahrheit über alle Formbestimmtheiten und jeglichen Inhalt ausspricht, so wird erst im Erkennen der absoluten Freiheit dasjenige an den frühern Bestimmungen offenbar, was wirklich als Moment von Freiheit verstanden werden kann. Die Religion, welche so den Geist in seiner wahren Absolutheit zum Inhalt hat, ist selber absolut. Wie ihr Inhalt kann auch sie nur spekulativ erfaßt werden, weil sie in sich ein spekulatives Verhältnis realisiert, ihr „Boden" das „Vernünftige und näher das Spekulative" ist (Rel 1196). Ihr „Offenbarsein" wird in ähnlichen Termini wie das des Geistes selber beschrieben; die Religion ist dadurch absolut, „daß sie nach ihrem Begriff sich objektiv ist", „sich selbst zu ihrem Inhalt, ihrer Erfüllung hat" (Rel II188f.). Dadurch gelangt sie über das endliche Bewußtseinsverhältnis hinaus, in dem sich Bewußtsein und absolutes Wesen äußerlich gegenüberstehen. Ihr Inhalt und „Gegenstand" ist dann „selbst dieses Gan-^e, das sich zu seinem Wesen verhaltende Bewußtsein, das Wissen seiner als des Wesens und des Wesens als seiner selbst" (ebd. 189). Indem so die Religion zum bewußten Nachvollzug der Identität von Endlichem und Unendlichem wird, verliert sie die Gegenüberstellung gegen den absoluten Geist, den sie gerade als „das sich wissende Wesen" weiß (ebd.). Sie erfährt sich als dessen eigene Bewußtwerdung über die Vermittlung der Endlichkeit, des endlichen Bewußtseins. Dies ist der „spekulative Begriff der Religion". Religion als „Beziehung des Geistes auf den absoluten Geist.. . ist nicht bloß ein Verhalten des Geistes zum absoluten Geist, sondern der absolute Geist selbst ist das Sichbe^iehende auf das, was wir als Unterschied auf die andere Seite gesetzt haben, und höher ist so die Religion die Idee des Geistes, der sich zu sich selbst verhält, das Selbstbewußtsein des absoluten Geistes" (Rel I 196 ff.). Gerade dieses „spekulative", allein wahre Verständnis des Absoluten wird in den traditionellen Gottesbeweisen verfehlt. Deren verstandesmäßige Argumentationsweise beschränkt und verfälscht von vornherein dasjenige, um dessen Begriff sie sich bemühen. Zwar können sie zu wahren Bestimmungen des Göttlichen gelangen, aber sofern sie nicht zur Einsicht kommen, wie durch den „Inhalt des Beweises selbst" dessen Form notwendig korrigiert und umgedeutet wird, erfassen sie auch die thematische Bestimmung, z. B. die der Notwendigkeit, nicht in ihrem wahren Gehalt (Rel II 462). In seinen „Vorlesungen über die Beweise vom Dasein Gottes" versucht Hegel gerade, diese notwendige
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Selbstkorrektur in die überlieferten Beweisgänge einzubringen und „die eigentlich spekulative Seite des Zusammenhangs" herauszuarbeiten (Rel II 481). Diese Notwendigkeit ist für ihn jedoch nicht etwa nur eine durch den „Inhalt" motivierte, sondern sie liegt ebensosehr im Logischen selbst; dieses macht, nach den Worten der ersten Vorlesung, in der Religionsphilosophie „nicht bloß die formelle Seite" aus, sondern steht „zugleich im Mittelpunkt des Inhalts" (Rel II 347). In den Beweisen vom Dasein Gottes erscheint die Vermittlung als nur subjektive, zum „Behuf des Erkennens"; „das Wahrhafte" aber ist ein „objektives Verhalten Gottes in sich selbst, seines Logischen in sich selbst, und erst sofern die Vermittlung so gefaßt wird, ist sie notwendiges Moment". Wenn der Übergang vom Endlichen zum Unendlichen in der „Form eines Schlusses" vorgenommen wird, „so läßt er uns kalt; man verlangt etwas anderes und mehr in der Religion" (Rel I 307, 313). Nur das vernünftige Denken vermag sowohl die Religion selber wie ihren Inhalt wirklich zu erfassen, und nur weil die Vernunft Grundlage der religiösen Vorstellung ist, kann für diese der wahre Inhalt offenbar werden. Mit der „spekulativen" Seite des Begreifens ist ja mehr als die bloße „Umkehrung" gemeint — etwa, daß dasjenige, was im Erkenntnisgang das Erste und Unmittelbare ist, im Resultat selber als Gesetztes, jenes als seine Voraussetzung erkannt werde; „Umkehrung" als solche ist Bestandteil auch des elementarsten Religionsverständnisses (z B. Rel I 303), während es hier gerade um die bestimmte, spekulative Erfassung dieser Umkehrung geht. Ebenso wenig wird der Verstandesschluß durch die einfache Unterscheidung von Erkenntnisgang und realem Fundierungsverhältnis berichtigt. Die Rückbezüglichkeit oder die „in sich gegenläufige" Bewegung, um die es geht, ist ebensosehr eine des Erkannten wie des Erkennens selber. Daß Gott in seiner absoluten Geistigkeit Thema der Religion ist, und daß Religion an ihr selber absolut ist; daß Gott offenbar ist, und daß die Religion die offenbare ist, dies ist ein und derselbe Sachverhalt. Erst da, wo sich der Mensch im Medium der Religion die wahre Versöhnung von Endlichem und Unendlichem gegenwärtig zu machen vermag, kann die Religion auch für ihn zum Medium der Versöhnung werden; erst der Bezug zum wahrhaft freien Geist befreit den Menschen, gestattet ihm wirkliches Freisein. Weil die geoffenbarte Religion nach Hegel diese Aufgabe erfüllt, ist sie „die Religion der Wahrheit und Freiheit" (Rel II203). Erinnert man sich an die Stelle, an welcher die Religion im systematischen Kontext des absoluten Geistes eingeführt wird, so drängt sich allerdings die Frage auf, auf welche Weise denn Religion dazu befähigt sein
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soll, die letzte Befreiungsstufe für den Menschen zu verkörpern. Eingefügt zwischen der unmittelbaren Einheit der Kunst und der vermittelten Einheit der spekulativen Philosophie, stellt ja die Religion gerade die Stufe der Differenz dar. Sofern sie zwar Bestimmung des absoluten Geistes ist, erfüllt sie immer schon die Aufgabe, dem Menschen den umfassenden Zusammenhang, in welchen sich endliche Freiheit notwendigerweise einordnet, gegenwärtig zu machen, das Endliche mit dem Absoluten zu versöhnen. Dieser Aufgabe aber scheint sie gerade deshalb nicht genügen zu können, weil sie ihn in einer Form vorstellig macht, die nicht selber als Form der absoluten Einheit bestimmt ist, sich in ihr „die Form von dem Inhalte" scheidet (E §566; vgl. RelI140). Dieses Bedenken zwingt dazu, sich vorerst darüber zu vergewissern, wie nach Hegel die Form des religiösen Bewußtseins beschaffen sein soll, und inwieweit in ihr spekulative Einheit soll dargestellt werden können. „Der Form nach" ist der absolute Geist in der Religion „zunächst für das subjektive Wissen der Vorstellung' (E § 565). Indem sich das Wissen von der unmittelbaren Anschauung des Bildes in die Innerlichkeit des Geistes zurückzieht, verwandeln sich nicht nur subjektives Erkennen und objektiv Erkanntes je für sich, sondern vorab deren Verhältnis selber. Das „negative Verhalten zum Bildlichen" bedeutet nicht nur, daß an Stelle des unmittelbaren Aufnehmens die Reflexion tritt, sondern gleichermaßen daß die „Einigkeit des Bildes und seiner Bedeutung" aufgehoben wird, „die Idee und die Weise der Darstellung' tendenziell auseinanderfallen (Rel 1140). Diese Trennung von „Inhalt" und „Form" kann insofern von der religiösen Vorstellung prädiziert werden, als immer schon vorausgesetzt ist, daß „der spekulative Inhalt überhaupt" ihren „Gegenstand" ausmacht; die Vergegenwärtigung des „absolut Wahren" und „Allumfassenden" (Rel I 31) scheint die Möglichkeiten der Vorstellung zu sprengen. In anderer Hinsicht muß jedoch gerade die notwendige Verbundenheit von Form und Inhalt betont werden12. Der Inhalt wird notwendigerweise mitaffiziert durch die Art und Weise, wie er vorstellig gemacht wird, und es kann von ihm gar nicht sinnvoll in anderer Weise gesprochen werden als wie er vom jeweiligen Medium thematisch gemacht wird; erst wenn die Religion im „Glauben" auch die „Form endlicher Vorstellungsweise" aufhebt, vermag sie ihren Inhalt von den endlichen Verhältnisweisen zu befreien, ihn in seiner substantiellen Einheit aufzufassen (E § 565). 12
Diese Frage wird im Übergang zur Philosophie prinzipiell zu problematisieren sein; die Behauptung eines gleichen Inhalts und verschiedener Apperzeptionsformen kann als solche die Problematik dieses Übergangs nicht aufklären.
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Bevor darauf einzugehen ist, soll aber präzisiert werden, welches die spezifische Beschaffenheit des Inhalts ist, sofern dieser gerade Gegenstand der Vorstellung ist. Diese erfaßt ihn nicht mehr unmittelbar, „sondern mittelbar auf dem Wege der Abstraktion" (Rel 1140); an Stelle der quasi leibhaftig präsenten Einheit wird die allgemeine Bestimmtheit Thema. In ihrem ersten Hinausgehen über das Sinnliche hat sich die Vorstellung aber „von demselben nicht wahrhaft befreit, sie ist mit ihm noch wesentlich verwickelt": ihr Inhalt ist „in die Form des Gedankens gesetzt, aber damit.. . noch nicht als Gedanke gesetzt" (ebd. 140f.). Diese Formulierung bedeutet nichts anderes, als daß die Bestimmungen in ihrer abstrakten Allgemeinheit je für sich thematisch werden, ohne daß ihr begrifflicher Zusammenhang an ihnen selber manifest würde. „Aller geistige Inhalt, Verhältnis überhaupt" gehört dadurch der Vorstellung an, „daß seine inneren Bestimmungen so gefaßt werden, wie sie sich einfach auf sich beziehen und in Form der Selbständigkeit sind. .. Den einzelnen Punkten fehlt das Band der Notwendigkeit und die Einheit ihres Unterschiedes" (ebd. 143f.). Die Einheit, sofern sie selber als wesentliches Moment gesetzt werden soll, bleibt den entgegengesetzten Bestimmungen gegenüber „ein Drittes" (ebd. 30). In logischer Terminologie ausgedrückt: der Zusammenhang wird „nach endlichen Reflexionsbestimmungen" aufgefaßt (E § 565). Seine logische Äußerlichkeit nimmt in der realen Vorstellung die Gestalt des zeitlichen Auseinandergelegtseins, des Geschehens an13. Die Vorstellung macht die Momente ihres Inhalts zu „aufeinanderfolgenden Erscheinungen" (E § 565) und faßt sie in der Art einer Geschichte auf. Daß in diesem „Machen" keine dem Inhalt fremde Betrachtungsweise aufgezwungen wird14, leuchtet bereits von der Rolle her ein, welche Geschichte in der Philosophie des objektiven Geistes spielte. Gegenüber der ursprünglichen Einheit substantieller Sittlichkeit hat sich in der Weltgeschichte auseinandergelegt und in seinem wesentlichen Zusammenhang manifestiert, was jene Einheit ihrem Gehalt nach ausmachte. Die höchste Bestimmung des Geistes, die Freiheit, erwies sich als ein wesentlich Geschichtliches. So ist es auch kein Zufall, daß die Religion auf ihrer höchsten Stufe, als absolute, diesen letzten Gehalt in der Form des Geschehens, „als etwas vollkommen Geschichtliches" (Rel 1142) 13
14
Bereits der „logische" Terminus der Äußerlichkeit ist ja Metapher; die Vorstellung übersetzt das Quasi-Räumliche in die ihr spezifischere Dimension der Zeitlichkeit; vgl. Theunissen, Hegeh Lehre vom absoluten Geist 230. Vgl. Theunissen, ebd. 235: „Solches Machen macht nur nach, was der Inhalt vorgemacht hat."
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zum Thema hat. Gegenüber der ungebrochenen Anschauung des Bildes — wie auch gegenüber der begrifflichen Einheit des Denkens — ist eine solche Apperzeptionsform zwar mit dem Makel der Entzweiung behaftet. Aber das Geschichtliche hat „auch noch eine andere Seite", und dies in Ansehung seines Inhalts: „es hat Göttliches zu seinem Inhalte, göttliches Tun, göttliches, %eitloses Geschehen, absolut göttliche Handlung, und diese ist das Innere, Wahrhafte, Substantielle dieser Geschichte und ist eben das, was Gegenstand der Vernunft ist" (Rel 1142). Die göttliche Natur als zeitloses Geschehen aufzufassen, dies ist die letzte und höchste Stufe der Annäherung an die Wahrheit vor dem eigentlichen spekulativen Begreifen durch das Denken. Im Geschehen kommt das Göttliche als „Gegenstand der Vernunft" zum Ausdruck. Es äußert sich nicht mehr als bloße Macht, sondern expliziert sich an ihm selber als Manifestation. Der Zusammenhang der Bestimmungen des Wahren ist nicht mehr als Übergehen oder bloße Wesensrelationalität gegenwärtig, sondern im Modell der Offenbarung verkörpert sich in einer der Vorstellung zugänglichen Weise die eigentlich begriffliche Verfassung der Wahrheit15. Man kann sagen, daß hier der wahre Zusammenhang gewußt wird, Gegenstand des religiösen Bewußtseins ist, daß er aber nicht als solcher, in dem, was seine Wahrheit ausmacht, erfaßt werden kann. Er bleibt gewissermaßen im Ansichsein befangen, und erst die Philosophie vermag die Wahrheit in dem, was sie zur „bewährten" macht, zu durchschauen. Bevor darauf eingegangen werden kann, soll noch der Gehalt festgehalten und präzisiert werden, der sich in der religiösen Vorstellung darbietet, gerade insofern diese das „Spekulative" oder Vernünftige zum Ausdruck bringt. Es wird dabei auch zu fragen sein, inwieweit im Lichte dieses Gehalts die Religion als abschließende und höchste Instanz im menschlichen Streben nach Freiheit erscheinen kann. Im ersten Teil, der Erörterung der Logik, sollte u. a. gezeigt werden, wie die Art und Weise einer Darstellung in ihrem Gesamtcharak16
Als Geschichte — nämlich als die göttliche Geschichte der Offenbarung — erfaßt die religiöse Vorstellung die Natur der göttlichen „Dreieinigkeit", „die e wige Bewegung, die Gott selbst ist": darin erkennt das Bewußtsein, daß Gott „ist, aber auch als das Andere, als das sich Unterscheidende [ist] so daß dieses A ndere Gott selbst ist, an sich die göttliche Natur an ihm hat, und daß das Aufheben dieses Unterschieds, Andersseins, diese Rückkehr, diese Liebe der Geis t ist" (Rel II 298). In dem „Kreislaufe konkreter Gestalten der Vorstellung", so meint die Enzyklopädie, expliziert sich das Leben des Geistes gemäß den drei Schi üssen, „die den einen Schluß der absoluten Vermittlung des Geistes mit sich selbs t ausmachen" (E § 571).
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ter immer schon eine inhaltliche Aussage über dasjenige enthält, was in dieser Darstellung zum Ausdruck kommt. Es gibt so etwas wie eine immanente Inhaltlichkeit der Form. Versucht man, diesen Zusammenhang in der hier anstehenden Problematik ausfindig zu machen, so muß man sich fragen, was die allgemeine Form der religiösen Vorstellung an ihr selber über ihren Gegenstand — und d. h. auch über das Verhältnis, in welches der Mensch zum Göttlichen tritt — aussagt. Religion erschien vorerst als von außen an den Menschen gelangende Offenbarung. Diese Form der äußerlichen Erscheinung zeigte sich alsdann selber fundiert im Wesen dessen, was darin sich manifestierte: Offenbarung nicht nur als mehr oder weniger akzidentelle Mitteilungsform, sondern als grundlegender Wesenszug des absoluten Gottes. Dieses Wesen des Absoluten machte sich das subjektive Bewußtsein in der Form der Geschichte gegenwärtig. Den Grundzug des solcherart den absoluten Zusammenhang vorstellenden Denkens könnte man darin sehen, daß dieses notwendigerweise voraussetzend ist16; im Gegensatz zum begreifenden, reinen Denken weiß sich die religiöse Vorstellung immer auf eine grundlegende, nicht einholbare Voraussetzung bezogen. In der Religion geben sich die Völker das Bewußtsein jener Versöhnung, die sie immer schon voraussetzen müssen, wenn weltliche Freiheit für sie nicht Utopie bleiben soll. Die „Hauptvorstellung" der christlichen Religion ist „die von der Einheit der göttlichen und menschlichen Natur", einer Einheit, die „zunächst nur das Ansich" ist, zugleich aber als dieses Ansich Bedingung und einziger Ermöglichungsgrund jeglicher Befreiung und Versöhnung ist (Rel II203 f.). Das menschliche Subjekt kann „Versöhnung nicht aus sich zustande bringen durch seine Tätigkeit", noch kann es das wahre Absolute zu erkennen glauben, solange ihm dieses „nur ein Gesetztes" bleibt (Rel II 270). Das „Setzen muß wesentlich sein eine Voraussetzung, so daß das Gesetzte auch an sich ist". Erst dadurch gelangt das Setzen über die formelle Subjektivität hinaus, erhält es einen „wahrhaften, substantiellen Inhalt" (ebd.). Mit einer wesentlichen Voraussetzung behaftet zu sein, bedeutet somit für die Religion zweierlei in einem: den wahren Inhalt zum Gegenstand zu haben und zugleich darin, in der „an sich seienden Einheit der göttlichen und menschlichen Natur", die „notwendige Grundlage" und „Möglichkeit der Versöhnung" zu wissen (Rel 273). Dies ist der Grundgedanke, durch den die wahre Religion sowohl über die unmittelbare, ihres Grundes noch nicht innegewordene Befreiung im 16
Vgl. Theunissen, ebd. 231.
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sittlichen Leben wie auch über die beschränkte, ihren Grund noch nicht als Grund verstehende Anschauung der Kunst hinauskommt. Erst hier sprengt das Subjekt die Grenze seiner Ich-Bezogenheit, stellt es sich nicht nur in ein Verhältnis zum Unendlichen, sondern weiß es auch, daß dieses Verhältnis ein vom Unendlichen selber gestiftetes ist. Seit Platon und Aristoteles gehört es zur wahren Idee Gottes, „daß Gott nicht neidisch ist", daß er „für uns ist, von seiner Seite ein Verhältnis zu uns hat" (Rel II 383; vgl. E § 564 A). Die Religion, welche Gott als den notwendig sich mitteilenden weiß, weiß auch, daß sie selber ihrer „höchsten Idee" nach „nicht die Angelegenheit eines Menschen" ist, sondern „die höchste Bestimmung der absoluten Idee selbst" (Rel 1198). Damit sind die Hauptmerkmale aufgeführt, welche die Religion von Seiten ihres Inhalts wie ihrer Form auszeichnen. In beiden Hinsichten — die sich letztlich als untrennbar, ja identisch gezeigt haben — erweist sich die Notwendigkeit des „religiösen Standpunkts". In dieser „Notwendigkeit" ist die Religion von der Philosophie aufzunehmen und vor der Vernunft zu rechtfertigen. Auf der einen Seite steht dabei sozusagen eine „immanente" Notwendigkeit, die sich aus dem Inhalt der Religion für diese ergibt. Jeglicher Inhalt muß, sofern er mit dem Anspruch auf Wahrheit soll auftreten können, diesen Anspruch an ihm selber, ohne Rekurs auf Autorität und äußere Beglaubigung, einlösen. Eine solche Einlösung ist nur deshalb denkbar, weil das Wahre, wie es von der spekulativen Dialektik aufgefaßt wird, eines ist, das nicht nur wesentlich Resultat ist, sondern das dieses Resultatsein an ihm selber enthält und an ihm selber ausspricht. Es gehört nicht nur gleichsam zur „Vorgeschichte" des Wahren, sondern zu dessen inhaltlicher Bestimmtheit, die Notwendigkeit seines Gewordenseins aus dem Unwahren und Relativen explizit auszudrücken. In diesem Sinne muß auch die wahre Religion als eine verstanden werden, welche ihre eigene Notwendigkeit für das Bewußtsein enthält — eine Notwendigkeit „für das Bewußtsein", welche sich ebensosehr als Notwendigkeit im Gang der Religionsgeschichte, als Notwendigkeit der Geburt der wahren Religion manifestiert; beide Notwendigkeitsaspekte sind auf einen dritten zurückführbar : auf die allein zugrundeliegende Notwendigkeit, die dem Inhalt zukommt und in dessen Wahrheit fundiert ist. Nur darin, daß die absolute Religion in der Tat die Wahrheit über die Möglichkeiten menschlicher Freiheit aussagt, erhält sie für das menschliche Subjekt Beglaubigung und Notwendigkeit. Dies ist das wahre Zeugnis, das vom Geist an den Geist ergeht, und das allein jede positive Offenbarung zu recht-
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fertigen vermag. Diese „Rechtfertigung", die im Inhalt der Religion angelegt ist, wird von der Philosophie geleistet (Vgl. Rel II 339). Das Denken, soll es radikal sein, hat den letzten Grund von Freiheit zu erkennen; die Rechtfertigung, welche es der Religion zukommen läßt, ist wesentlich seine eigene. Allerdings könnte dabei der Eindruck entstehen, als ob Religion zwar ihrem Aussagegehalt nach am Absoluten teilhabe, jedoch gerade darin mangelhaft und zu überwinden sei, daß sie diese Rechtfertigung nicht selber zu leisten imstande ist. Indes ist es Hegels These, daß ungeachtet dieser Mangelhaf tigkeit — und der daraus resultierenden „systematischen" Notwendigkeit der höhern Instanz der Philosophie — dem religiösen Standpunkt auch von selten der Form Notwendigkeit zukommt. Wenn die Sphäre des absoluten Geistes wahrhaftig das Freiheitsstreben des objektiven Geistes zu ihrer Vollendung bringen soll, so muß diese in einem Medium sich vollziehen, das nicht das „abgesonderte Heiligtum" eines „isolierten Priesterstandes" (Rel II343 f.), sondern dem in der Geschichte tätigen Menschen überhaupt zugänglich ist. Privatheit widerspricht sowohl dem Begriff der Wahrheit wie dem der Freiheit. „Die Religion muß für alle Menschen sein" (Rel II 534; vgl. E § 573 A). Da sie das Bewußtsein von der „Bestimmung des Menschen als Menschen überhaupt" ist, muß sie auch „an ihn kommen als Menschen überhaupt, d. h. ohne Bedingung einer besonderen Bildung, sondern an ihn als unmittelbaren Menschen, und für das unmittelbare Bewußtsein muß sie allgemein sein" (Rel II274). So zeigt sich auch diese Rechtfertigung der religiösen Form selber als Moment der Rechtfertigung ihres Inhalts. Ist dieser absolut, so muß er auch in faktischer Geschichte sich Geltung verschaffen. Gleichwohl bleibt in diesen Überlegungen eine ungelöste Spannung, die es verbietet, sich mit der bisher gegebenen Auskunft über die Religion zu begnügen. Denn mag auch der Inhalt an ihm selber als notwendiger und absoluter erkannt sein, so erhält er diese Qualifikation nur von Seiten der Religionsphilosophie, des denkenden Erkennens. Die Vorstellung, welche ihre Bestimmungen auseinanderhält und sie „gegeneinander zu Voraussetzungen" macht (E § 565), kann zwar den absoluten Zusammenhang thematisch vor Augen haben, „über ihn ein Bewußtsein" haben und „ihn überhaupt" wissen; nicht aber vermag sie zu erkennen, „wie er der absolute Zusammenhang ist" (Rel I 237). Für sie bleibt der Inhalt als ganzer ein vorausgesetzter, ein Faktum der Offenbarung. Durch ihre Auffassungsform aber tangiert die Vorstellung unweigerlich die Inhaltsbestimmtheit, somit den Wahrheitsgehalt ihres Gegenstandes. Nun ist
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allerdings für Hegel die Vorstellung keineswegs das Ganze des religiösen Bewußtseins. Gerade das verfälschende Auseinandertreten der Bestimmungen wird im unmittelbaren religiösen Verhalten, „in dem Glauben an den einen Geist und in der Andacht des Kultus" (E § 565; vgl. § 571), korrigiert und zur Einheit zurückgeführt. Die Andacht ist eine Art ansichseienden Denkens; die sprachliche Verwandtschaft beider Termini deutet Hegel als Indiz für die Partizipation der Andacht an der Wahrheitsdimension des denkenden Begriffs: „Ich bin also in der Beziehung auf den Gegenstand als denkend bestimmt, und zwar nicht bloß in der Philosophie, sondern auch in der affirmativen Religion; in der Andacht, die von denken und Gedachtem herkommt, ist Gott für mich" (Rel 1189). „Nur der Geist in seiner Freiheit, d. h. als denkend, hat den Inhalt der göttlichen Wahrheit und liefert ihn der Empfindung; sein Inhalt ist der Gehalt der Empfindung in Rücksicht auf alle wahre Andacht und Frömmigkeit" (Rel 1195). Die Religion, könnte man sagen, ist ihrem Inhalt nach der absoluten Wahrheit derart nahe gekommen, daß die Defizienz ihrer Auffassungsform dagegen in den Hintergrund rückt; weil es wirklich der wahre Gott ist, der sich in ihr offenbart, kann der menschliche Geist durch sie wirkliche Befreiung erlangen. „Die Religion selbst" nimmt hier den „Standpunkt der denkenden Vernunft" ein; auch wenn sie sich selber nicht „in der Form des Denkens" bewegt, ist sie doch „sozusagen unbefangen denkende Vernunft" (Rel II87). Trotzdem ist damit die erwähnte Spannung, die sich aus der Inadäquatheit von religiösem Inhalt und Vorstellungsform ergeben hatte, nicht aufgelöst. Wenn die Andacht zwar die Trennung der Reflexionstätigkeit aufhebt, so verfehlt ihre „Einfachheit" doch die wahre Natur des Gegenstandes, und „wenn auch manches große und reiche Gemüt und mancher tiefe Sinn in der religiösen Wahrheit Befriedigung gefunden hat", so bleibt doch der „Trieb der vernünftigen Einsicht" in ihr unbefriedigt (Rel 1150). Darin ist für Hegel die Notwendigkeit begründet, daß die verschiedenen Vermittlungsweisen, in denen sich die Wahrheit des absoluten Geistes in der religiösen Vorstellung auseinandergelegt hat, nicht nur in die „Einfachheit des Glaubens und der Gefühlsandacht" sich zusammenfassen, „sondern auch zum Denken" übergehen, „in dessen immanenter Einfachheit ebenso die Entfaltung ihre Ausbreitung hat, aber gewußt als ein untrennbarer Zusammenhang des allgemeinen, einfachen und ewigen Geistes in sich selbst" (E § 571). Auch die Religion umfaßt, sowohl hinsichtlich der subjektiven Einstellung wie des Inhalts, die beiden Grundformen von Einheit und Differenz; erst die spekulative
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Philosophie aber vermag das eine im ändern zu erfassen und auszudrücken. Wenn Hegel des öftern zum Ausdruck bringt, die Religion habe mit der Philosophie einen gemeinsamen — den wahrhaften — Inhalt und unterscheide sich von ihr nur durch die Form17, so wendet er sich damit zunächst gegen den Schein, als ob Philosophie mit der religiösen Wahrheit nichts zu tun hätte, ihr feindselig gegenüberstünde; die „Apprehension der Theologie gegen die Philosophie" beruht auf diesem Schein (Rel 128f.). Allerdings vermöchte die Unterscheidung von Form und Inhalt nicht über die „feindselige Stellung der Religion und Philosophie" (ebd.) hinwegzuhelfen, wenn mit ihr nur so etwas wie das Auftreten des alten Gegenstandes in neuer Erscheinungsform, die Präsentation ein und desselben in anderer Gestalt gemeint wäre. Gerade in einer Philosophie wie der Hegeischen wäre eine solche Gedankenfigur völlig inakzeptabel, bildet doch die Zusammengehörigkeit und das jeweilige durcheinander Bestimmtsein von Form und Inhalt einen der Hauptpunkte spekulativen Denkens. Es ist nicht zu leugnen, daß Hegels Text Anlaß zu Mißverständnissen dieser Art geben könnte, so etwa wenn er sagt, daß die Religion „den wahrhaften Inhalt, nur in der Form der Vorstellung" habe (Rel 1151), oder daß sich Philosophie nur durch „die Art und Weise" von der Religion unterscheide (ebd. 28). In Wirklichkeit liegt dem Übergang von der Religion zur Philosophie allerdings alles andere als die quasibeliebige Substituierung einer — dann notwendigerweise äußerlichen — Form durch eine andere zugrunde. Wenn die „Form der Vorstellung" durch die „Form des Denkens" ersetzt wird, so betont Hegel gleichzeitig, daß es „jene Bestimmung der Form ist..., welche die philosophische Erkenntnis der Wahrheit hinzufügt" (Rel 1150f.). Die Vorstellung ist nicht „Form" vom gleichen Rang wie das Denken; erst dieses kann im eigentlichen Sinn Form genannt werden. Die Erhebung des Vorgestellten in die Form des Denkens ist nicht bloßer Austausch, sondern Erzeugung der Form. Im Denken tritt „die Seite der Form . . . gegen das Substantielle der Wahrheit in Beziehung" (Rel 1217); das Denken ist wesentlich Vollzug der Forderung der Phänomenologie, die Substanz ebensosehr als Subjekt aufzufassen. Die „Form", als welche sich das Denken dem Glauben gegenüberstellt, ist die „absolute" Form, wie sie sich am Ende der Logik bestimmte, und als welche das Denken eben jene Einheit von Identität und Differenz vollzieht, welche über deren Getrenntheit in der Religion hinausführen « Z. B. Rel I 28f., 150f., II 339ff., Gesch.Ph. I 81 ff.
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soll. Den gleichen Akzent auf die Form, welche als das absolut Konkrete das strikte Gegenteil des „Formellen" ist, legt der Ausdruck, die Philosophie habe die Wahrheit „in der Form der Wahrheit" zum Gegenstand (Rel II50; vgl. E § 571). Wiederum in Termini der Logik gesprochen, heißt dies, „daß alles als Idee aufgefaßt" (Rel I 30), „aller Inhalt Bestimmung des Begriffes" wird (Rel 1151). Wichtig ist nun zu sehen, was diese „logischen" Konstellationen für das Verhältnis von denkendem Subjekt und absolutem Geist konkret bedeuten, und inwiefern darin die bestimmte Mangelhaftigkeit des religiösen Bewußtseins überwunden wird. Im Denken soll das Selbstbewußtsein „das absolute Verhältnis der Freiheit" erlangen (Rel 1151). Diese Freiheit expliziert Hegel als Freiheit sowohl „der Form nach" wie „in Rücksicht auf den Inhalt" (Rel 1217). Die Unterscheidung dieser beiden Aspekte läßt sich von der Gegenüberstellung gegen die Religion her begreiflich machen; im spekulativen Denken selber fallen sie ineins zusammen. Weil der Glaube sich wesentlich an einer Offenbarung ausrichtet, ein „Gegebenes, Vorhandenes" zu seinem Gegenstand hat, so bleibt er, „was den Inhalt betrifft, noch unfrei" (Rel 1216f.). Dieser Unfreiheit gegenüber erscheint seine Unfähigkeit, den Inhalt nach seiner wahren Form aufzufassen, zunächst als ein anderes, Verschiedenes. Daß damit aber in Wahrheit nur zwei Seiten ein und desselben Sachverhalts benannt sind, dies zeigte sich bereits in der Erörterung des spekulativen Religionsbegriffs. Von neuem kommt diese Untrennbarkeit auf der Stufe des Denkens selber zur Geltung. Die Überlegenheit der rein vernünftigen Betrachtungsweise — durch welche diese dem spezifischen, in der Religion nicht befriedigten Bedürfnis des Geistes nachkommt — tritt vorerst als eine der „Form" auf. Bei gleichbleibendem Inhalt besteht der Einbruch des Denkens darin, jenen in einen neuen, absolut notwendigen und in sich selber fundierten Zusammenhang zu versetzen. Durch die Herstellung dieses Zusammenhangs, der als „Form der Wahrheit" oder als „Idee" bezeichnet wurde, soll das Subjekt zugleich seine Fremdheit gegenüber dem Inhalt verlieren, das Verhältnis beider zu einem „freien" werden. Daß dem so sein kann, Hegt an der Spezifizität dieser Form, in die das Denken seinen Gegenstand überführen soll, und die von Hegel näher als „der Begriff in seiner Freiheit" oder als die „freie Form der Wahrheit" bezeichnet wird (Rel 1151; II 534). Daß dieser Form selber der Charakter der Freiheit zugesprochen wird, meint zweierlei: die Freiheit „des Subjekts" und die Freiheit „des Inhalts" (Rel 1151). Zum einen ist die Form, unter welcher das Subjekt als denkendes
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den Gegenstand vergegenwärtigt, keine beliebige, sondern die der Natur der Subjektivität schlechthin entsprechende, die Form der Subjektivität selber. Weil das Subjekt seinem innersten Wesen nach als Denken aufgefaßt ist, kann in diesem „aller Inhalt. .. mit dem Ich selbst ausgeglichen" sein: „die Bestimmtheit ist hier schlechthin die meinige; der Geist hat darin seine Wesentlichkeit selbst zum Gegenstand, und das Gegebensein, die Autorität und die Äußerlichkeit des Inhalts gegen mich verschwindet" (1151). Weil die Form des Denkens die absolute Form ist, hat das Subjekt hier „das Tun der Idee, des an und für sich seienden Begriffs, das es selber ist, vor sich" (ebd.). Die Übereinstimmung von Subjekt und Gegenstandswelt, die dadurch zustandekommt, ist deshalb nicht bloß zufällige oder flüchtige Konvergenz, sondern jene prinzipielle Identität, in der das Subjekt in seinem Zusammengehen mit dem Objekt zugleich mit sich selber, und zwar gemäß seinem eigensten Wesen, identisch ist. Gleiches kann auf der ändern Seite vom Inhalt ausgesagt werden. Wenn dieser als „in sichfrei" (Rel 1151) bezeichnet wird, so darf dieser Ausdruck nicht als bloße Metapher verstanden werden. Der Inhalt wird nur dann nach der „Form der Wahrheit" begriffen, wenn er in seiner „eigenen" Wahrheit, und d. h.: nach jenen Bestimmungen, die er seinem Begriff gemäß und von sich aus in Anspruch nimmt, erfaßt wird. Selbstbestimmung muß ebenso als Grundmerkmal des Gedachten wie des Denkenden gefaßt werden können. Gilt dies schon vom gedachten Gegenstand als solchem — vom Gegenstand, sofern er in seiner Wahrheit begriffen wird —, so in besonderer Weise vom Gegenstand der Philosophie, dem an und für sich Wahren. Hier sind die verschiedenen Freiheitsaspekte, die das Denken über das religiöse Bewußtsein hinausheben — das Verhältnis, in dem die Bestimmungen des gedachten Inhalts zueinander stehen; das Verhältnis von Denkendem und Gedachten; und die Selbstbestimmungsfunktion des Inhalts an ihm selber —, hier sind diese Aspekte nicht nur an sich identisch, sondern explizit ineinsgesetzt. Das Wahre, das die Philosophie erkennt, ist die absolute Idee, welche die Bedeutung des nur Logischen verloren und an ihr selber konkrete Wirklichkeit gewonnen hat. Der Begriff des absoluten Geistes, der in der Philosophie zur vollen Explikation kommt, meint ebensosehr die verwirklichte Versöhnung des Subjekts mit der Wirklichkeit wie die höchste Selbstbestimmungsstufe des „Gehalts", des seine Freiheit realisierenden Geistes. Diese kurzen Ausführungen sind indes nicht mehr als ein skizzenhafter Entwurf des Philosophiebegriffs, sofern sich dieser nach Hegel
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von der Sphäre der Religion abhebt und über deren Defizienzen hinausgelangt. Weder erschöpft sich darin der Begriff der Philosophie, noch ist überhaupt klargeworden, wie diese letzte Instanz des absoluten Geistes an ihr selber zu kennzeichnen ist. Erst durch die Ausführung des Philosophiebegriffs wird die vorweggenommene Charakterisierung ihre Beglaubigung wie ihre Explikation finden; auch auf die immer wieder aufgeschobene Frage nach der Beziehung von Philosophie und Religion wird diese Ausführung die für das Hegeische System endgültige Antwort geben müssen.
4. Die Philosophie Soll nun versucht werden, die Philosophie nicht mehr nur in Konfrontation zu den ihr unter- und vorgeordneten Gestalten des absoluten Geistes, sondern an ihr selber zum Thema zu machen, so stößt dieses Vorhaben unmittelbar auf Schwierigkeiten. Auf welchen Text sich berufen? Die Textstelle der Enzyklopädie, mißt man sie am Gewicht ihres Gegenstandes, erscheint vorerst als eigenartig dürftig, die in ihr vorgelegte Bestimmung des Philosophiebegriffs scheint teils im Rückblick auf Kunst und Religion, teils in formaler Abstraktion gegeben. Dazu kommt der andere, schon eingangs erwähnte Umstand, daß die Sonderstellung der Philosophie auch darin sich offenbart, daß die Philosophie nicht wie Ästhetik und Religionsphilosophie ihre ausführliche Behandlung in Hegels Vorlesungen findet; das Thema der entsprechenden Vorlesungen bildet die Geschichte der Philosophie, nicht diese selber. All dies sind jedoch nur äußerliche Indizien des zugrundeliegenden Sachverhalts, daß die Philosophie, welche hier ihrem Begriff nach zur Sprache kommt, an sich identisch ist mit dem ganzen System, in dem sie ihre aktualisierte Ausführung findet. Wenn man dem Aufbau der Enzyklopädie folgt, so kann man nicht umhin, zwischen den beiden ersten und dem dritten Teil der Theorie des absoluten Geistes eine grundsätzliche Zäsur anzusetzen1. Mit dem Abschnitt über die Philosophie wird eine prinzipiell neue Ebene betreten, insofern hier nicht mehr nur die philosophische Betrachtung eines Gegenstandsbereichs oder einer Gestalt des Geistes vorgenommen wird, sondern zum ersten und einzigen Mal so etwas wie eine Selbstbesinnung der philosophischen Betrachtung selber stattfindet. Die „zurücksehende" Selbsterfassung führt dabei keineswegs zu einer bloßen Reduplikation, sie ist nicht ein Resümee des bereits Vorgetragenen. Wohl aber wird der Versuch gemacht, die Ebene und die Dimension zu bestimmen, in denen sich Philosophie grundsätz1
Während die Zäsur zwischen Kunst einerseits und Religion und Philosophie anderseits sich auf den Inhalt und dessen Wahrheitsstufe (und damit die behauptete „Gegenwärtigkeit") bezog, resultiert die nun thematisch gemachte primär aus der Formseite.
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lieh bewegt und von denen aus auch das sich hier vollendende System der Wissenschaft interpretiert werden muß, soll es in seiner Wahrheit erfaßt werden; die Analogie zur Funktion der absoluten Idee innerhalb der Logik ist eine grundsätzliche und kann zur Erhellung des Abschnitts über die Philosophie beitragen. Allerdings, so wenig die zusammenfassende Bestimmung der Idee der Philosophie die Ausführung des Systems ersetzen kann, so wenig sind die Fragen, die sich von der Freiheitsproblematik her an das Hegeische System als solches stellen, im Schlußabschnitt der Enzyklopädie erschöpfend zu beantworten. So sollen auch hier die beiden Aspekte getrennt behandelt werden. Vorerst ist die Betrachtung der Theorie des absoluten Geistes dadurch abzuschließen, daß deren letzte Instanz in ihrer systematischen Funktion und ihrer Bedeutung für die Befreiung des Geistes erörtert werden. Hernach muß, im Bewußtsein der Rolle, die Hegel der Philosophie ausdrücklich einräumt, versucht werden, auf das ganze System zurückzureflektieren, dessen „inhaltliche" mit seiner „formalen" Bestimmtheit zu konfrontieren und daran die Frage nach dem Freiheits-„gehalt" der Hegeischen Philosophie insgesamt anzuknüpfen. Erst in dieser abschließenden Betrachtung, noch nicht in der Erörterung der dritten Gestalt des absoluten Geistes als solcher, werden die in der Einleitung gestellten Fragen, welche das Thema dieser Untersuchung umreißen, ihre Beantwortung finden können. Hegels Erörterung der Philosophie setzt ein mit einem Rückbezug auf die beiden vorausgehenden Stufen des absoluten Geistes, Kunst und Religion. Man könnte vorerst versucht sein, es als Zeichen der Schwäche zu deuten, daß es Hegel nicht gelingt, unabhängig von den Fragestellungen einer im Vergehen begriffenen religiösen Weltanschauung ein sinnvolles Konzept von Philosophie zu entwerfen. So kritisiert Löwith nicht nur Hegels Versuch einer zweideutigen und verschleiernden Rettung der Religion — der falsche Schein der Übereinstimmung von spekulativem Begriff und christlichem Glaubensinhalt soll über den unwiderruflichen Verlust des positiven Glaubens hinwegtäuschen2—, sondern vor allem die verderbliche Kontamination der Philosophie selber durch die ihr so übertragene Rechtfertigungsaufgabe. Indem Hegel religiöse Vorstellung und philosophisches Begreifen zwar prinzipiell unterscheidet, sie gleichwohl aber wesentlich aufeinander bezieht, gerät seine ganze Philosophie ins Zwielicht. Nur ein Weg führt 2
Vgl. Löwith, Hegels Aufbebung der christlichen Religion.
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nach Löwith aus dem „Teufelskreis der Dialektik heraus": nämlich die Anerkennung, „wie fremd und nicht mehr anzueignen die Fragen geworden sind, die für Hegel selbst noch die wesentlichen waren: das 'logische Wesen Gottes' und dessen Explikation in einer Onto-Theologie"3. Will man, ungeachtet eines solchen Verdikts, sich um eine Aktualisierung nicht nur gewisser Hegelscher Philosopheme, sondern seines Philosophiebegriffs selber bemühen, so darf allerdings gerade nicht versucht werden, über die Verbundenheit von Philosophie und Religion hinwegzusehen und einen Großteil von Hegels Aussagen rückgängig zu machen oder als unwesentlich abzutun. Wohl aber kommt es darauf an zu präzisieren, in welchem Sinne Inhalt und Form der Religion in der Philosophie erneut zur Geltung gelangen. Die Philosophie hat nach Hegel „das Geschäft, das Verhältnis zu den beiden vorhergehenden Stufen festzustellen" (Rel II 340). Diese Pflicht zur „äußern" Verhältnisbestimmung ist indes nur Folge eines innern Wesenszusammenhangs und der Notwendigkeit für die Philosophie, über diesen sich Klarheit zu verschaffen. Ihn hat die Rezeption voll ernst zu nehmen; von ihm her explizieren auch die ersten beiden Paragraphen des Enzyklopädie-Textes den Begriff der Philosophie. Den wesentlichen Rückbezug auf die Religion drückt auch die wiederholte Gleichstellung von Philosophie und Theologie aus; sowohl ist Theologie „durchaus nur das, was Philosophie ist", wie umgekehrt die Philosophie als „Wissen vom absoluten Wesen . . . Theologie ist" (Gesch.Ph. III 64, II 546; vgl. Rel II 342). Statt diese und ähnliche Aussagen, die, isoliert genommen, als schlechte Pauschalurteile erscheinen könnten, als solche abzutun, soll die differenzierte Abhebung der Philosophie von Religion und Kunst nachgezeichnet und darin untersucht werden, inwiefern eine so aufgefaßte Philosophie an ihr selber wie im Bezug auf die praktische Freiheitsverwirklichung sinnvoll nachvollziehbar ist. Der Übergang von der Religion zur Philosophie vollzieht sich teilweise schon innerhalb der erstem. Zwar gibt es eine Art Religiosität, die aus der Gegnerschaft gegen den vermeintlichen Pantheismus oder Atheismus der Philosophie heraus sich auf einen von jeglichem Denken abgeschnittenen Glauben versteift — einen Glauben allerdings, der sich dadurch, gleich dem formalen Verstandesdenken, von jedem bestimmten Glaubensinhalt lossagt: „Glauben heißt in diesem Sinne nichts anderes, als nicht zu einer bestimmten Vorstellung fortgehen, auf den Inhalt sich nicht weiter einlassen wollen". Der Glaube hingegen, dem es „mit dem 3
Aktualität und Inaktualität Hegels 20, 24.
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Inhalt in der Tat Ernst ist"., ist genötigt, „sich zu explizieren" (E § 573 A). Diese Notwendigkeit erwächst ihm nicht nur aus dem Zwang zur sozialen Verständlichmachung oder aus dem Bedürfnis des Geistes nach Selbstaufklärung, sondern — im Falle der christlichen Religion — auch spezifischer aus dem Glaubensinhalt selber. Im Christentum ist „die Freiheit der Vernunft" offenbar geworden (Rel II 333). Der freie Mensch aber hat nicht nur die Fähigkeit, sondern ebensosehr den Auftrag zur bewußten Selbstverfügung. Das Verbleiben im unmittelbaren, gefühlshaft vagen Glaubensverständnis ist ein Verbleiben in der Unselbständigkeit und widerspricht dem Geiste der Offenbarung; gegen die Aufklärung zitiert Hegel des öftern und mit Nachdruck das christliche Gebot, Gott zu erkennen. Das Durchsetztwerden der Religion „mit denkendem, begreifendem Bewußtsein" war schon von den „Vorzüglichsten der Kirchenväter" und den „großen Mänrtern" des Mittelalters als wesentlich erkannt worden: „Man glaubte so wenig, daß das begreifende Erkennen dem Glauben nachteilig sei, daß man es für wesentlich hielt zur Fortbildung des Glaubens selbst"(Rel 129). Es ist nun allerdings keineswegs einfach, Hegels systematische Konstruktion des Übergangs vom religiösen zum freien philosophischen Denken klar und eindeutig nachzuvollziehen4. Einerseits scheint es so, als ob eine völlige Kontinuität zwischen dem Denken, das sich innerhalb der Religion bewegt, und dem in sich selber gründenden Denken der Philosophie bestünde; in diese Richtung weisen nicht nur die Formulierungen von der Rückbeziehung der Philosophie auf den wahren, spekulativen Inhalt der Religion, sondern auch jene, die auf das Philosophischwerden, Bewußtwerden der Religion hinweisen. Auf der anderen Seite kann man aber nicht umhin, einen prinzipiellen Trennungsstrich zwischen beiden Sphären zu ziehen, möglicherweise auf die Gefahr hin, „der von Hegel gerügten Abstraktheit zu verfallen"5. Auch diese Seite findet im Hegeischen Text zahlreiche Belege6. 4
5
Hegel selber weist auf die scheinbare Ambivalenz im Verhältnis von Religion und Philosophie hin: „Die Religion hat den Inhalt auch explizite in der Form des Gedankens . . . Ja, es begegnen uns ferner in der Religion ausdrückliche Philosophien, wie z. B. die Philosophie der Kirchenväter. Die scholastische Philosophie ist wesentlich Theologie gewesen. Wir finden hier eine Verbindung oder, wenn man will, Vermischung von Theologie und Philosophie, die uns wohl in Verlegenheit setzen kann" (Gesch.Ph. I 84). Theunissen, Hegels Lehre vom absoluten Geist 300. z. B. E § 573A: „Worauf es ganz allein ankommt, ist der Unterschied der Formen des spekulativen Denkens von den Formen der Vorstellung und des reflektierenden Verstandes."
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Will man die Stufenfolge des Übergangs zum Denken in differenzierter Weise auffassen, so kann man vier Hauptbestimmungen unterscheiden. Eine erste Stufe bildet die Explikation der religiösen Vorstellung auf deren eigener Ebene und im Anschluß an Fakten und Inhalte der Offenbarung. Der menschliche Verstand faßt das Gefühlte, Bezeugte, Geglaubte in Begriffe und Verhältnisse, die ihm die eindeutige Identifikation dieses Inhalts ermöglichen. Das „Denken", das so nichts anderes als den in der Vorstellung gegebenen Inhalt auffaßt, vergegenwärtigt ihn „nach endlichen Reflexionsbestimmungen" (E § 565); hierin paßt es sich nur der eigenen Form der Vorstellung an, unterwirft es sich dem Inhalt, wie er spezifischer Inhalt der Religion ist, bleibt es reine Explikation des Vorgestellten. Auf eine höhere, autonomere Stufe stellt sich das religiöse Erkennen in der wissenschaftlichen Textexegese. Vernunft macht sich hier „als Räsonmment geltend", dies zwar „anfangs noch so, daß der Lehrinhalt und die Bibel als positive Grundlage desselben bestehenbleiben und das Denken als Exegese nur die Gedanken der Bibel aufnehmen sollte. Aber in der Tat hatte der Verstand für sich seine Ansichten, seine Gedanken vorher festgesetzt, und dann ist nachgesehen worden, wie sich die Worte der Schrift danach erklären lassen" (Rel 135). Interpretationen enthalten notwendigerweise „die Vorstellungsweise ihrer Zeit" (ebd. 36), und das heißt für die Moderne: die Gesetze der Verstandeslogik. Sofern Exegese sich auf den Boden der Wissenschaft stellen will, gewinnt sie in jenen Gesetzen ein eigenes, absolutes Fundament, welches ebensolche Gültigkeit beansprucht wie die durch Autorität beglaubigte Überlieferung. Diese soll nicht mehr nur verständlich und mitteilbar, sondern den Formen des Verstandes unterstellt, ihnen konform gemacht werden. Das „räsonnierende" Denken behält „seine Voraussetzungen und bewegt sich in den Verstandesverhältnissen der Reflexion, ohne daß diese einer Kritik unterworfen werden" (Rel I 39). Gleichwohl bleibt die Ausübung der Verstandestätigkeit hier prinzipiell auf jene absolute Voraussetzung bezogen, welche für sie die Offenbarung darstellt. Ein grundsätzlich anderes Verhältnis zum Inhalt geht das Denken dann ein, wenn es sich als schlicht auf sich beruhendes, autonomes, „freies Erkennen" faßt. Auf dieser neuen Ebene findet dann jene Auseinandersetzung statt, um welche es der Hegeischen Religionsphilosophie hauptsächlich geht: der Kampf der Vernunfttheologie der Aufklärung mit der spekulativen, die wahre Religion bewahrenden Philosophie. Daß sich das Denken überhaupt auf diese Stufe stellt und sich gegen die absolute Vorgegebenheit des zu Denkenden wendet,
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liegt in der natürlichen Konsequenz der vorhergehenden Stufe. Wenn einmal „die Reflexion in die Religion eingebrochen ist" (Rel II 340), so findet das Denken keinen Halt mehr, bis es sich völlig auf die eigenen Füße gestellt hat. Die Notwendigkeit dieses Fortschreitens widerspiegelt sich im „Gang dieses Gegensatzes in der Geschichte": das Denken, das zuerst „unselbständig . .. von der absoluten Voraussetzung der christlichen Lehre" ausgeht, wendet sich, nachdem ihm „die Fittiche erstarkt sind", gegen dieselbe; „der junge Adler fliegt für sich zur Sonne der Wahrheit auf" (Gesch.Ph. I 89f.). Wiewohl in der logischen Konsequenz der religiösen Reflexion entstanden, stellt doch das autonome Denken dieser gegenüber ein prinzipiell Neues und anderes dar. In seiner ersten Gestalt manifestiert es dies durch seine „feindliche Stellung" gegenüber Inhalt und Form der Religion (Rel II 340). Als „Verstandesmetaphysik" macht es „den religiösen Inhalt . . . zunichte und den absoluten Gegenstand vollkommen arm" (Rel I 39, 37). Das „negative und formelle Tun" der Aufklärung (Rel II 333) etabliert sich so, indem es die Religion kohärent zu machen behauptet, als deren Gegeninstanz. Es entleert, destruiert den konkreten Inhalt der Vorstellung, den es dem Urteil der abstrakten Identität unterstellt und als widersprüchlich verwirft. Das Denken aber, „das so begonnen, hat keinen Aufenthalt mehr, führt sich durch, macht das Gemüt, den Himmel und den erkennenden Geist leer" (Rel II 340). Doch gerade insofern die Verstandesaufklärung sich durchführt, ihrer Eigengesetzlichkeit radikal folgt, führt ihre Vollendung nach Hegel zu ihrer Aufhebung. Denn sie ist immer schon an sich seiendes Denken, abstraktes Moment des wahren, freien Erkennens. Die Vollendung des fälschlich verabsolutierten Moments aber ist seine Selbstdestruktion und seine Einordnung im Ganzen. Sofern „das Denken anfängt, sich in Gegensatz zu setzen gegen das Konkrete, so ist der Prozeß des Denkens, diesen Gegensatz durchzumachen, bis er zur Versöhnung kommt. Diese Versöhnung ist die Philosophie" (Rel II 342). Erst diese, nicht schon die Aufklärung, ist in Wahrheit „das freie Denken" (E § 571 A). Auch wenn der Rationalismus mit dem Anspruch des freien Erkennens auftritt, so bleibt seine leitende „Freiheits"-Vorstellung eine falsche, ideologische: es ist das moralisierende Freiheitsmodell der in sich bleibenden Subjektivität, der „Ironie" und der „Eitelkeit" alles objektiven Gehalts (E § 571 A). Die Rechtsphilosophie hatte bereits gezeigt, wozu solche Souveränität führt: indem sich das Subjekt zum Meister über einen in sich völlig „zufälligen und beliebigen Inhalt" macht, diesen aller Notwendigkeit entleert und nur in sich selber festen
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Halt sucht, fällt es „auf der höchsten Spitze . . . in die hohle Willkür" (ebd.), in die eigene Nichtigkeit zurück. Dementgegen soll das begreifende, wahrhaft „freie" Denken „selbst wesentlich konkret" (Rel II 339) und inhaltlich bestimmt sein. Nicht mehr in abstrakter Gegnerschaft zum Vorstellungsinhalt stehend, soll es umgekehrt dessen „Wiederherstellung und Rechtfertigung" enthalten (Rel II 339); seine „Freiheit" bewegt sich in der Dimension der Versöhnung mit der bestimmten Wirklichkeit. Dazu gelangt das Denken allerdings nicht durch einfaches Zurückgehen auf den Inhalt und durch Wiederaufnahme der aufgehobenen Voraussetzung; so führte es nur in „das vorstellende Denken der geoffenbarten Religion" zurück7, es wäre erneut gebundenes, nicht freies Denken. Zugleich diese Freiheit wahren und den Inhalt der Religion rechtfertigen ist Leistung der spezifischen, begrifflichen Form des spekulativen Denkens; diese zu klären muß die nächste Aufgabe sein. Vorerst soll noch kurz das Fazit der bisherigen Unterscheidungen festgehalten werden. Neben der religiösen Vorstellungswelt einerseits, dem Kultus und der Andacht anderseits haben sich vier Stadien im Einbruch des Denkens in die Religion unterscheiden lassen: die verstandesmäßige Explikation und Darstellung des Vorgestellten; die „räsonnierende" Textexegese und Interpretation des Geoffenbarten; die autonome Verstandesmetaphysik als „Vernunfttheologie" der Aufklärung; und schließlich das spekulative, begreifende Denken der Philosophie. Die ersten beiden lassen sich prinzipiell, wohl aber nicht immer faktisch auseinanderhalten. Die Vorstellung selber ist ja nicht nur bildliche, sondern wesentlich geschichtliche, narrative Präsentation; sie ist somit immer schon durch das Wort und dessen implizite Denkgesetze vermittelt. Ebenso führt ein gradueller, wiewohl grundsätzlicher Schritt zur dritten Stufe; denn auch die wissenschaftliche Exegese — im Sinne Hegels — steht bereits an sich auf dem Boden des Rationalismus, der Maßstab des Verstandes ist ihre absolute Voraussetzung, der Text selber mehr nur das Material. Die Hauptauseinandersetzung jedoch, die in Hegels Texten ungezählte Male zur Sprache kommt, findet zwischen (3) und (4), zwischen der Aufklärung und der Philosophie, oder zwischen Verstand und Vernunft statt. „Die Aufklärung, diese Eitelkeit des Verstandes, ist die heftigste Gegnerin der Philosophie" (Rel II 341). Obwohl diese Auseinandersetzung auch hier — insbesondere in den Anmerkungen — mitthematisiert wird, so ist doch Hauptgesichtspunkt in der Enzyklo7
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pädie die Rückbeziehung der Philosophie auf keine dieser ihrer Vorformen, sondern auf die Religion selber in ihren beiden Momenten von Vorstellung und Andacht. Um ihren Inhalt, nicht um den der rationalen Theologie, geht es dem philosophischen Begriff. Analog muß ja von allen drei Gestalten des absoluten Geistes gesagt werden, daß sie in ihrer jeweils „klassischen" Form — in der Übereinstimmung von Ausdrucksmedium und spezifischem Gehalt — den systematischen Zusammenhang des absoluten Geistes konstituieren. „Vor"- und „Nachformen" bleiben für diesen sekundär, sie bilden nur äußerliche Zwischenglieder und können als solche den eigentlichen Übergang von der Religion zur Philosophie nicht verständlich machen. Ebensowenig aber vermag die Vereinigung der beiden in der Religion getrennten Momente, Vorstellung und Andacht, auch wenn sie inhaltlich dem Übergang zur Philosophie entspricht, diesen wirklich einsichtig zu machen. Daß Hegel den Übergang auf „glatte Weise" vollzieht, indem er „das vorstellende Denken der geoffenbarten Religion" über „das Denken der Andacht" „in das begreifende Denken" der Philosophie sich transformieren lässt8, daß Religion an sich seiende Philosophie, diese deren „denkend erkannter Begriff "ist (E § 572), all dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß diese „eine Bewegung: das Philosophischwerden der Religion"9 in sich eine absolute Zäsur enthält. Auch wenn Hegel des öftern — speziell in den Religions- und Geschichtsvorlesungen — in der Sorge um die Kontinuität die Differenz beider Formen zu vernachlässigen scheint, so darf nicht versucht werden, Kontinuität in einem solchen Sinn herzustellen, daß darob das Spezifische der Philosophie — und so auch Hegels prinzipielle Bestimmung vom eigenen Philosophieren — nicht mehr gefaßt werden kann10. Wie nun aber bestimmt Hegel die Form dieses reinen Denkens und damit den Begriff der Philosophie ? Und inwiefern kann die Philosophie kraft ihrer Form die Religion zugleich ablösen und rechtfertigen? Eine gedrängte Antwort auf diese Fragen enthalten die §§ 571—573 der Enzyklopädie. In ihnen sollen kurz die für unsere Thematik wesentlichen 8 9
10
Theunissen, 300 f. Ebd. So ist auch die Konstruktion des Übergangs vom „Denken der Religion" zum philosophischen Denken in der Nachzeichnung bei Theunissen (300 f.) nicht ganz einsichtig. Denken, radikal genommen, muß immer schon als das spekulative, begreifende Denken der Philosophie gefaßt werden. (Dies gilt auch für die § § 571 und 572, wo mit dem Denken, „zu dem die Andacht weiter treibt" (Theunissen 300), nur die Philosophie selber gemeint sein kann).
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Aspekte aufgegriffen werden, welche teilweise in der Schlußpassage der religionsphilosophischen Vorlesungen ihre weitere Illustration finden (Rel II339—343). Nach der ersten Auskunft der Enzyklopädie besteht die „Form der Wahrheit", in welcher die Philosophie ihren Inhalt appräsentiert, darin, die vordem auseinanderfallenden Vermittlungsformen sowohl in ihrer Entfaltung wie in ihrer einfachen Identität zu wissen; beide Aspekte sollen für sie im gleichen Akt und identischerweise zugegen sein, die Entwicklung der Formen gewußt sein „als ein untrennbarer Zusammenhang des allgemeinen, einfachen und ewigen Geistes in sich selbst" (E § 571). Diese Art des Zusammenhangs stellt sich näher als die des Begriffs heraus. Hatte sich als logisches Grundmuster der religiösen Vorstellung das Verhältnis endlicher Reflexionsbestimmungen ergeben, so faßt das Denken seinen Gegenstand nach der Logik des Begriffs, als Begriff auf. Hierin ist es Begreifen. Der Übergang von Religion und Kunst zum Denken als deren denkend erkanntem Begriff (E § 572) führt für Hegel über jene Bestimmungen, welche in der Logik die Kulmination der Wesenslogik und deren Überführung in den Begriff ausmachten: das aus Kunst und Religion hervorgehende philosophische Wissen erkennt „das in dem Inhalte Verschiedene als notwendig und dies Notwendige als frei" (E § 572). Das „Verschiedene", um das es im absoluten Geist grundsätzlich geht, sind das Unendliche und das Endliche, genauer: der unendliche und der endliche Geist. Während die Kunst deren Zusammenhang als seinsmäßiges Zusammenfallen deutete, differenziert die Religion, für welche sowohl Identität wie Unterschied thematisch sind, ihre Vermittlung nach den Momenten von Allgemeinheit, Besonderheit und Einzelheit. Darin wird in je verschiedener Art das Durcheinander-Gesetztsein der Bestimmungen des absoluten Geistes aufgegriffen; je ein anderes ist Voraussetzung, ein anderes Gesetztes. Die Einheit oder Identität dieser Vermittlungsweisen als „den einen Schluß der absoluten Vermittlung des Geistes mit sich selbst" fassen (E § 571) heißt, das Gesetzte identischerweise als Vorausgesetztes und Setzendes verstehen, die verschiedenen Bewegungen als „Eine und dieselbe Reflexion" begreifen (L II240). Wenn die Verschiedenen dadurch zu notwendigen werden, daß die Identität ihres Gesetztseins und ihrer Ursprünglichkeit sich geltend macht, so werden sie dadurch zu freien und auf die Ebene des Begriffs erhoben, daß diese „noch innre Identität manifestiert" (L II239), an ihnen selber offenbar wird. Indem der Inhalt so in der Form des Begriffs erkannt wird, stellt er eo ipso ein
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Verhältnis zu den ihm vorhergehenden, in ihm enthaltenen und rektifizierten Formen her. Dies tut er nicht nebenbei, sondern der Begriff, der „die Form als Totalität der Form" ist (Rel II 340), ist an ihm selber diese explizite Bezugnahme; daß die Philosophie als in begrifflicher Form sich vollziehendes Denken „das Geschäft [hat], das Verhältnis zu den beiden vorhergehenden Stufen festzustellen" (ebd.), dies ist seinerseits nur Konsequenz jener Form des Begriffs selber. Hierin begründet und expliziert sich auch die „Rechtfertigung", welche der Religion von selten der Philosophie zukommen soll. Rechtfertigen heißt hier ja nicht verabsolutieren, sondern als an sich — und d. h.: für die Philosophie — notwendiges Moment des Wahren anerkennen, den Wahrheitsanspruch der Religion vor dem „absoluten Richter" des Denkens ausweisen (Rel II 341). In der Rückwendung auf Kunst und Religion differenziert sich das rechtfertigende Denken nach den beiden an sich identischen Hinsichten von Inhalt und Form: „Die Philosophie bestimmt sich hiernach zu einem Erkennen von der Notwendigkeit des Inhalts der absoluten Vorstellung sowie von der Notwendigkeit der beiden Formen" (E § 573). Deren Notwendigkeit erkennen heißt sie anerkennen, vor dem Denken „bewähren und beglaubigen" (Rel II341). Der Nachweis über die Notwendigkeit des Inhalts scheint zwar, hält man sich die vorausgegangenen Behauptungen vor Augen, das primäre Anliegen zu sein; es soll hier die immer wieder vorgetragene These von der Inhaltsgleichheit zwischen Religion und Philosophie bestätigt, somit der christlichen Lehre die letzte Beglaubigung gegeben werden. Im argumentativen Begründungsgang indes muß die Seite der Form in den Vordergrund rücken. Die Philosophie definiert sich in erster Linie durch ihre spezifische Form, den substantiellen Inhalt aufzufassen; dessen Wahrheitsgehalt wird im spekulativen Denken durch die Absolutheit der Form verbürgt, und von hier aus erhält auch der Inhalt, welcher den vor-absoluten Formen — hier: der Religion — entspricht, rückwirkend seine Beglaubigung. Die absolute Form kann sich nur verstehen in Rückbeziehung auf die „relativen" Formen, aus denen sie hervorgegangen ist und die sie sich als notwendige Momente integriert hat. Sollen die solcherart wesentlichen Momente genannt werden, so kann nicht einfach auf beliebige Vorformen des philosophischen Denkens rekurriert werden, sondern es müssen in „vollständiger" Aufzählung jene Bestimmungen zur Sprache kommen, durch deren Vereinigung die Form sich zur absoluten des Begriffs gemacht hat. Für die letzte Gestalt des absoluten Geistes bilden offensichtlich Kunst und
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Religion diese Bestandteile. Dies nun allerdings nicht so, daß einfach aus eins plus zwei drei gemacht würde. Denn erstens handelt es sich nicht um gleichwertige Glieder — davon soll gleich noch die Rede sein —, und zweitens handelt es sich bei den „beiden Formen", deren Notwendigkeit zu erweisen ist, keineswegs einfach um Kunst und Religion als solche. Vielmehr geht diese Aufteilung auf zwei Seiten quer durch beide Gestalten hindurch und meint die jeweilige interne Spannung zwischen Grundform und deren gestaltimmanenter Überwindung. Gleichzeitig bewegt sich die Aufzählung in Richtung einer sukzessiven Vertiefung, in welcher die späteren, radikaleren Formen die frühern zugleich negieren und auf höherer Stufe bewahren. Abstrakt unterschieden, lassen sich die beiden Grundformen, auf die sich Hegel im § 573 der Enzyklopädie bezieht, einerseits der sich vertiefenden Objektivität, anderseits der sich vertiefenden Identifizierung des Subjekts mit dem objektiven Gehalt zuordnen11. Sowohl in ihrem passiven wie ihrem aktiven Aspekt, als „unmittelbare Anschauung" wie als unmittelbare Produktion der „Poesie" (E § 573), gelangt die Kunst nicht zu einem wirklichen Objektbezug. Ihre unmittelbare, „scheinbare Objektivität" ist „ebensowohl schlichte Subjektivität", sie ist „das Sein, in dem weder Objektivität noch Subjektivität schon gesetzt ist"12. Anders verhält es sich mit der „voraussetzenden Vorstellung" der Religion und der ihr korrespondierenden „objektiven und äußerlichen Offenbarung1 (E § 573). Hier wird ausdrücklicher Bezug genommen auf eine Vorgegebenheit, welche in keiner Weise durch endliche, formelle Subjektivität kontaminiert ist. Entsprechend kennt die Bewegung der Subjektivierung zwei Stufen. Für die Kunst, welche noch keine „wahrhafte Objektivität" besitzt (E § 562 A), besteht die Subjektivierung des mit ihr erreichten Stadiums in der einfachen, mehr oder weniger formellen Bewegung „des subjektiven Insichgehens" (E § 573). Dabei geht es sowohl hier wie nachher bei der Religion in der Kontrastierung von objektivem und subjektivem Moment nicht um die bloße Nebeneinanderstellung von zwei entgegengesetzten Tendenzen; wie die beiden Stufen, so stellen auch die beiden Momente nicht einfach gleichwertige Glieder dar. Im subjektiven Insichgehen versucht die Kunst über jene Defizienz hinauszukommen, welche dem Prinzip der unmittelbaren Versöhnung in der 11
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Demgemäß wird hier auch „die in pauschalen Darstellungen vorgenommene Verteilung der Objektivität auf die Kunst und Subjektivität auf die Religion" korrigiert (Theunissen, ebd. 302). Theunissen, ebd. 302.
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sinnlichen Äußerlichkeit anhaftet. Verkörpert wird diese Gegenbewegung durch die romantische Kunst, welche die in der Klassik realisierte unmittelbare Kongruenz von Innerem und Äußerem überschreitet und die „einfache, gediegene Totalität des Ideals" auflöst (Ästh II128). Die Rückkehr des Subjekts in sich ist dabei nicht schlichte Abwendung von der Objektivität, sondern gerade der Versuch des Geistes, „seine Objektivität ... in sich selber" zu gewinnen, „die tiefere Versöhnung in seinem eigenen Elemente des Inneren" zu erreichen (ebd.). Analog verhält es sich auf höherer Ebene mit der „subjektiven Hinbewegung" und dem „Identifizieren des Glaubens mit der Voraussetzung" (E § 573). Wie erst das religiöse Bewußtsein zu wahrhafter Objektivität vorstößt, so führt auch erst hier die gegenläufige Bewegung zum wirklich freien Subjekt — zur Freiheit einer Subjektivität, die sich gerade nicht auf das formelle Beisichsein reduziert, sondern selber in der absoluten Vorgegebenheit der Versöhnung gründet. In der Andacht und im Kultus hebt das religiöse Handeln zudem die Mangelhaftigkeit auf, in welcher das absolute Voraussetzen als solches befangen bleibt: die Zurücknahme in die Einfachheit der Subjektivität vollzieht actualiter den Zusammenschluß der verschiedenen Vermittlungsmodi, in welche die Vorstellung sich aufspaltete. Dies sind die Hauptformen, die der Begriff sich als notwendige Momente subsumiert hat. Wie sich die allgemeine Intention der Kunst — die Darstellung des absoluten Gehalts an ihm selber — in der Religion auf vertiefter Ebene durchhält und ausführt, so kann dies von den einzelnen Formen gesagt werden; in beiden Grundformen wird die jeweils erste in der zweiten Gestalt zwar zuerst umgekehrt, zugleich aber eingeholt und radikalisiert. So kann denn die Philosophie, obwohl sie als dritte Gestalt des absoluten Geistes „Einheit der Kunst und Religion" (E § 572) ist und sich ausdrücklich auf beide bezieht, ihre „logische" Form doch in erster Linie in Konfrontation mit der Form der Religion explizieren13. Wenn also der Hegeische Text bedeutend häufiger auf die Beziehung von Philosophie und Religion als auf die Beziehung Philo13
Aus dem Verhältnis von Philosophie und Religion kann natürlich nicht einfach per analogiam geschlossen werden, daß in der dialektischen Entwicklung jede Stufe die ihr vorangehende in ihrer Notwendigkeit ausweise und sie in diesem Sinne „rechtfertige" (so z. B. in der Beziehung von Kunst und Religion); wiewohl dies in gewissem Sinne zutrifft, so ist doch erst die letzte Stufe, das Denken, überhaupt in der Lage, Notwendiges zu erkennen und vor der Vernunft zu rechtfertigen.
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sophie/Kunst zu sprechen kommt, so liegt dies nicht nur in der größern Aktualität der erstem Fragestellung begründet, sondern darin, daß in der erstem auch die zweite mitthematisiert ist. So hatte sich schon an früherer Stelle das philosophische Denken durch den Zusammenschluß der beiden Formen ergeben, die hier an jeweils zweiter Stelle genannt werden: voraussetzende Vorstellung und Andacht. Gleichwohl kann die zur spekulativen Einheit führende Vermittlung auch als Zusammenführung der beiden entgegengesetzten Aspekte innerhalb einer jeden Grundform angesetzt werden: als Mediation der „voraussetzenden Vorstellung" durch den unmittelbar subjektbezogenen Objektbezug von Anschauung und Poesie, und als Vermittlung der mit dem absolut Vorgegebenen sich identifizierenden „subjektiven Hinbewegung" durch das unmittelbar auf sich bezogene „subjektive Insichgehen". Von welcher Seite dies auch angegangen werde, in beiden Fällen offenbart die Struktur des Begriffs zweierlei: die Notwendigkeit dieser Formen als eigener Momente des Begriffs, und den höhern Rang der konstitutiven Form der Religion. Hierin erfüllt die Philosophie im Begreifen ihres Begriffs jene Aufgabe, die ihr ungezählte Male zugewiesen wird: die Rechtfertigung der Religion. Indem das Denken den Inhalt in seiner Notwendigkeit begreift, erkennt es gleichermaßen die Notwendigkeit der diesen konstituierenden Formen. Die „Notwendigkeit" der Religion bezeichnet somit primär die Notwendigkeit der endlichen als Konstituens der unendlichen, absoluten Form. In diesem Sachverhalt liegt allerdings auch jene andere Notwendigkeit begründet, die eine Art Realkonsequenz aus der ersten darstellt: die Notwendigkeit der Religion als der „Wahrheit/Ar alle Menschen" (E § 573 A). Es könnte vorerst so scheinen, als ob dabei von etwas völlig anderem die Rede wäre: im ersten Fall von einer Notwendigkeit für die Philosophie selber, im zweiten von einer Notwendigkeit, die sich aus der Unzulänglichkeit der menschlichen Realität ergibt. In Wahrheit jedoch ist dieser zweite Aspekt im ersten fundiert. Denn nur weil der philosophische Begriff Inhalt und Form der Religion in sich positiv aufgehoben hat, erhält die „für alle" zugängliche Form der Wahrheit ihre absolute Berechtigung und Notwendigkeit14. Die Rückbeziehung der Philosophie auf Religion und Kunst kam bisher hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt der Form zur Sprache, 14
Theunissen unterscheidet noch eine dritte Art von Notwendigkeit: die notwendige geschichtliche Vorgegebenheit des religiösen Inhalts — und der entsprechenden Formen — für die Philosophie; vgl. a. a. O. S. 305.
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obwohl die entsprechende Textstelle der Enzyklopädie (§ 573) mit der Notwendigkeit des Inhalts ansetzt; auch in der vorausgreifenden Kennzeichnung der Philosophie wurde ja zumeist auf die Rechtfertigung des religiösen Inhalts abgehoben, während die Form dabei eher das zu Vernachlässigende, im Lauf des Weitergehens Aufzuhebende schien. In Wahrheit aber kann nicht davon die Rede sein, daß demgegenüber der Inhalt nun in den Hintergrund gerückt sei; die Ausführlichkeit, mit der die aufzuhebende Form zur Sprache kommt, steht in seinem Dienst. Denn nur über die Rettung und Transformation der Form kann ausgemacht werden, ob und inwiefern der Inhalt der Religion vor der Philosophie „sich bewähren und beglaubigen" kann (Rel II 341). Auch die Rede von der „Notwendigkeit des Inhalts" kann — analog der Notwendigkeit der Formen — in verschiedener Bedeutung verstanden werden. Es kann vorerst der Inhalt in seiner eigenen Notwendigkeit gemeint sein. Einen Inhalt nach der Logik des Begriffs, ihn als Begriff auffassen — und dies will das Denken — heißt ja, „das in dem Inhalte Verschiedene als notwendig und dies Notwendige als frei" erkennen (E § 572). Es geht dann darum, einen Gehalt, welcher er auch sei, in seiner Wahrheit oder nach der „Form der Wahrheit" zu begreifen; auch in diesem Sinne ist der Philosophie „darum zu tun, die Vernunft der Religion zu zeigen" (Rel II341). Wesentlicher jedoch ist eine andere Hinsicht. Gegenstand von Religion und Philosophie soll ja nicht ein beliebiger Inhalt, sondern derjenige sein, der an ihm selber der höchste ist: der Geist in seiner Absolutheit. Die Notwendigkeit des absoluten Gehalts wird nicht erst durch das begreifende Denken hineingebracht; sie bildet seine eigene Inhaltsbestimmtheit. Daß die Philosophie den religiösen Inhalt rechtfertigt, ihn als absoluten anerkennt, heißt in diesem Falle, daß sie ihn als diesen letzten, nicht mehr überbietbaren Gehalt ausweist, der zwar diese absolute Berechtigung noch nicht für sich selber einsichtig zu machen vermag, sie aber trotzdem enthält, weil er an sich das Wahre ist. Dieses wird im spekulativen Denken nicht irgendwie modifiziert, sondern nur zu seinem Selbstbewußtsein, zur Bewährung vor sich selber gebracht. In diesem Sinne kann gesagt werden, daß die Philosophie, „welche Theologie" oder „religiöse Erkenntnis durch den Begriff" ist, sich nicht „über" den Glaubensinhalt stellt, sondern „nur diesen und keinen anderen Inhalt" hat (Rel II 341 f.). Gleichwohl darf nicht der einschneidende Schritt übersehen werden, der mit dieser Selbstbewußtwerdung vollzogen wird. Diese fügt dem vorgegebenen Inhalt nicht irgendeine neue Bestimmung hinzu, sondern
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bringt ihn zur eigenen Wahrheit; sie macht den an sich absoluten Inhalt zum wahrhaft absoluten und letzten, in welchem der Gang der suchenden Erkenntnis sich abschließt. Erst in seiner begrifflichen Form erkannt, ist der Inhalt wirklich „konkret", enthält er in sich selber den Gang vom Abstrakten in die Entzweiung und zur Versöhnung, ist er die „geistige, reale Allgemeinheit, die nicht neidisch ist, sondern sich mitteilt" (Rel II341). Wenn die Offenbarung derart nicht mehr als bloßes Vorgegebensein aufgefaßt, sondern als notwendige Inhaltsbestimmung des Absoluten erkannt wird, so verschwindet in diesem die Differenz von Form und Inhalt. Der Inhalt, der unter seiner höchsten, der absoluten Form aufgefaßt wird, tritt selber ah diese absolute Form, als absolute Idee in Erscheinung. Die höchste Definition des Geistigen geschieht in Anlehnung an die höchste Bestimmung des Logischen; die Philosophie ist die konkrete Ausfüllung jener letzten Form, unter welcher gemäß der Logik Wahrheit überhaupt aufzufassen war (der Rückbezug auf das Ende der Logik geschieht explizit in § 574 der Enzyklopädie). Hierin verliert die höchste Berechtigung des Inhalts die Bedeutung des durch Überlieferung und Autorität Verbürgtseins, sie gründet fortan im Inhalt selber als der absoluten Form, „die sich selbst zum Inhalte bestimmt und identisch mit ihm bleibt und darin das Erkennen jener an und für sich seienden Notwendigkeit ist" (E § 573). So wird in der Erhebung in die „wahrhafte Form, die den wahrhaften Inhalt notwendig macht" (Rel II 341), die rückblickende „Anerkennung" von Form und Inhalt in einem vollzogen. Gegenüber der oft anklingenden Vereinfachung — Beibehaltung des Inhalts bei differenter Form— ist es wichtig festzuhalten, daß „die Erhebung der christlichen Religion in die Philosophie auch im Verhältnis zur Form eine positive Seite hat"15: indem die Philosophie die vorhergegangenen Formen als für sich selber notwendige anerkennt, werden sie in die Einheit zurückgeführt und aufbewahrt. Ebenso wesentlich sind jedoch die beiden Komplementäraspekte des hier vollzogenen Aufhebens: „die Befreiung von der Einseitigkeit der Formen und Erhebung derselben in die absolute Form" (E § 573). Erst indem sich die Philosophie auch gegen die Religion wendet, und erst von höherer Warte aus vermag sie die Religion zu rechtfertigen; nur im „Befreien" und „Erheben" kann sie anerkennen und „aufbewahren". Gerade in der Verbindung dieser drei Bewegungen hebt sich spekulatives Denken vom verstandesmäßigen ab. Im Erkennen 16
Theunissen. ebd. 304.
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der Formen und der „Bestimmtheit der Erscheinung ... erkennt das Denken eben damit auch die Schranken der Formen". Während aber „die Aufklärung . .. nur von der Negation, Schranke, von der Bestimmtheit als solcher" weiß, ist dem Denken „die Bestimmtheit . .. nicht nur Endlichkeit, die Schranke, sondern die Form als Totalität der Form ist selbst der Begriff" (Relll 339 f.)16. Der absolute Gehalt, so in seiner höchsten Form erkannt, verliert jegliche Bedeutung von Daseiendem, Vorgegebenem. In ihm haben sich sein eigenes Gegebensein sowie die Bewegung, aus der er resultiert, aufgehoben; er spricht an ihm selber aus, Resultat zu sein, aber nicht aus einer willkürlichen Entwicklung, sondern aus einem Prozeß, dessen Grund er an ihm selber freilegt. Vom Schlußpunkt her eröffnet sich die Einsicht in die Notwendigkeit der bisherigen Entfaltung, in ihm offenbart sich der Ermöglichungsgrund jener die Entzweiung übergreifenden Einheit, welche auf allen Stufen den Abbruch und den Rückfall in abstrakte Gegensätze verhinderte und den ganzen Entwicklungsgang in der Form eines spekulativen Satzes zusammenund abschließt. Die logische Form der absoluten Idee kennzeichnet auf diese Weise aber nicht nur den Gegenstand der Philosophie, sondern auch diese selbst; Thema des letzten Abschnitts der Enzyklopädie ist ja nicht (nur) der Gott der (spekulativen) Philosophie, sondern die Philosophie selber — eine Gegenüberstellung, die allerdings selber schon abstrakt ist und über die letztliche Identität beider Seiten hinwegsieht. Die Philosophie bildet gerade insofern den systematischen Nachfolgerbegriff zur Religion, als sie nicht nur deren Inhalt rechtfertigt, sondern auch ihre Aufgabe — die Versöhnung des Menschen mit Gott und der Welt — auf höherer Ebene aufnimmt und zur Erfüllung bringt. Dies leistet sie, insofern sie sich als „konkretes und freies" Denken faßt (Rel II 340), das in seiner Beziehung zum Gegenstand die Struktur des absoluten Begriffs reproduziert. Hierin überwindet sie die jeweilige Einseitigkeit des unmittelbaren Produzierens und des vorstellenden Voraussetzens: „Der Begriff produziert . . . die Wahrheit — das ist die subjektive Freiheit —, aber anerkennt diesen Inhalt als ein zugleich nicht Produziertes, als an und für sich seiendes Wahres. Dieser objektive Standpunkt ist allein fähig, auf gebildete, denkende Weise das Zeugnis des Geistes auszusprechen und abzulegen" (Rel II339; vgl. 340). Nimmt die Insistenz 16
Vgl. L1145: „... daß darin selbst, daß etwas als Schranke bestimmt ist, darüber bereits hinausgegangen ist."
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auf dem „objektiven Standpunkt" das Motiv des absoluten Voraussetzens wieder auf, so rückt auf der ändern Seite mit gleichem Gewicht das Aufgehobensein der Voraussetzung, die Freiheit des subjektiven Beisichseins in den Vordergrund. Nur in Verbindung beider Aspekte kann vom „freien Denken" die Rede sein, „welches seine unendliche Bestimmung zugleich als absoluten, an und für sich seienden Inhalt und ihn als Objekt hat, in welchem es ebenso frei ist" (E § 571 A). Es wird in der abschließenden Betrachtung noch näher geklärt werden müssen, inwiefern die Philosophie in der Nachfolge der Religion deren Versöhnungsaufgabe zu übernehmen vermag. Daß sie von Hegel mit dieser Aufgabe betraut wird, entspricht der systematischen Stellung, in welcher nach ihm das wahre Denken zur wahren Religion steht. Die Philosophie ist sosehr eins mit dem in der Offenbarung sich darbietenden Absoluten, daß Hegel sagen kann, das Denken sei „insofern selbst nur das Formelle des absoluten Inhalts" (E § 571 A). In der Rede vom „Formellen" klingt zweierlei an: zum einen das Moment der Form — mit der Erhebung ins Denken kommt der Inhalt zum ersten Mal in jener Form zur Geltung, die seiner an sich seienden Wahrheit angemessen ist —, zum ändern das Moment der Formalität, daß nämlich das Denken gar nicht zu verstehen ist in Absehung von jenem absoluten Inhalt, den es ausdrückt und den es seiner Form nach selber ist. Weil dieser Inhalt im Zentrum der Philosophie steht, ist die Philosophie „insofern Theologie; sie stellt dar die Versöhnung Gottes mit sich selbst und mit der Natur, daß die Natur, das Anderssein an sich göttlich ist und daß der endliche Geist teils an ihm selbst dies ist, sich zur Versöhnung zu erheben, teils in der Weltgeschichte zu dieser Versöhnung kommt" (Rel II342). Hinter dem Anschein der Kontinuität zwischen Religion und Philosophie verbirgt sich indes ein Bruch, verursacht durch den Einbruch des radikalen, völlig auf sich gestellten Denkens. Die Weltgeschichte, welche den Entwicklungsgang des Geistes nachvollzieht, macht diesen Schritt manifest. Von einem „Untergang" des kirchlichen Glaubens zu sprechen scheint diesem zwar ein „Mißton" zu sein. „Allein, was hilft es ? Dieser Mißton ist in der Wirklichkeit vorhanden" (ebd.). Auch wenn die Philosophie „für uns" diesen Mißton „aufgelöst" und die Vernunft mit der Religion vereint hat — eine Versöhnung, die allerdings „nur eine partielle, ohne äußere Allgemeinheit" ist (ebd. 343) —, so ist doch der historisch eingetretene Bruch in keiner Weise rückgängig zu machen. Im Gegenteil handelt es sich nur um die Anerkennung dessen, was dem Begriff nach notwendig ist, ebenso not-
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wendig wie die vorhergehenden Stufen und ebenso absolut wie die geoffenbarte Religion. In Analogie zum weltgeschichtlichen Ereignis der Offenbarung betont Hegel durch Anspielung auf den Schrifttext die absolute Unausweichlichkeit dieses letzten Schritts: „Wenn die Zeit erfüllt ist, daß die Rechtfertigung durch den Begriff Bedürfnis ist, dann ist im unmittelbaren Bewußtsein, in der Wirklichkeit die Einheit des Inneren und Äußeren nicht mehr vorhanden und ist im Glauben nichts gerechtfertigt" (Rel II 343)17. Diese Rechtfertigung durch den Begriff macht das Bedürfnis und den „Standpunkt der jetzigen Zeit" aus (Gesch.Ph. III 461). Der „schlechthin notwendige Fortgang" der Philosophie, welcher nichts anderes als die „Natur des Geistes selbst" und darin „das Innerste der Weltgeschichte" ausspricht (ebd. 462, 456; vgl. E § 362 A), hat zu diesem Punkt geführt, von dem es kein einfaches Zurück mehr gibt. Auch wenn klar ist, daß mit dem Auftreten der Philosophie Gefühl und Vorstellung nicht einfach ihre Funktion verlieren, ja daß die Philosophie auch nicht im gleichen Sinn und gleichen Maß geschichtliche Existenz zu integrieren vermag wie zu früheren Zeiten die Religion, so wird doch im systematischen Zusammenhang der philosophische Begriff zur letzten Instanz, in welche sich „der religiöse Inhalt flüchtet" (Rel II340). Nachdem diese Instanz in ihren „formalen" Konstituentien, sowohl von Seiten der Form wie des Inhalts, zur Sprache gekommen ist, muß nun versucht werden, ihren „Gehalt" konkreter zu deuten. Was kommt eigentlich inhaltlich Neues herein — oder wie modifiziert sich der bisherige Inhalt —, wenn von der Religion zur Philosophie weiter geschritten wird? Und: Wie stellt sich dieser Übergang dar, wenn man dabei die allgemeine Problematik der Erfüllung des objektiven, geschichtlichen Geistes durch den absoluten im Auge behält? Es ist keineswegs einfach, den eigentlichen Aussagegehalt und die Aussagedimension der Philosophie in Beziehung auf die Religion genau zu fassen. Fortwährend wurde bisher auf beides hingewiesen: auf den wesenhaften Rückbezug der Philosophie auf die Religion — die Philosophie als höchste Rechtfertigung der Religion — und auf die prinzipielle Überwindung der Ebene der religiösen Vorstellung durch das Denken. Wie aber ist beides zu denken ? Was ergibt sich, wenn die beiden Komponenten nicht einfach additiv zusammengehalten werden? Die Klärung dieser Frage soll in drei Schritten versucht werden. Als erstes ist kurz zusammenzufas17
Vgl. ebd. 184: „.. . das alles diente zur Bereitung des Bodens für die wahrhafte, geistige Religion, einer Bereitung, die von sehen des Menschen vollbracht werden mußte, damit ,die Zeit erfüllt werde'."
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sen, was in der bisherigen Erörterung für die grundsätzliche Situierung der Philosophie enthalten ist; sodann soll anhand des Kommentars von Theunissen eine mögliche Interpretationsperspektive skizziert und anschließend eine eigene Deutung versucht werden. Im Philosophiebegriff sollen zwei Hauptkomplexe zugleich in ihrer absoluten Gestalt erfaßt und zu ihrer Einheit zurückgeführt werden: das absolute Voraussetzen und das absolute Setzen, oder, von einem ändern Gesichtspunkt aus gesehen: der absolute Inhalt und die absolute Form. Die Philosophie rettet den religiösen Gehalt vor der formaldestruktiven Kraft der Reflexion. Das heißt: das Denken ist bewußter Nachvollzug jener „spekulativen Umkehrung", durch welche wahre Religiosität die Einseitigkeit des rationalen Argumentierens — auch der Gottesbeweise — korrigierte. Die Hinwendung des Endlichen zum Unendlichen wird ebensosehr als dessen eigene Offenbarung, als Fundiertsein des Relativen im Absoluten erfahren. Die verschiedenen Bestimmungen, die bisher je für sich als Kennzeichnungen des Wahren auftraten und sich gegenseitig hervorzubringen und zu tragen schienen, werden nun als „Momente eines und desselben Begriffes" offenbar, in welchem noch ihre relativ-selbständige Geltung gründet; gerade weil sie sich als Bestimmungen des Begriffs erweisen, ist jede von ihnen selber „konkreter Begriff" (Rel II397). Die Entwicklung, die vorerst als Erzeugung eines Resultats erscheint, findet in diesem ihre eigene Wahrheit; das Resultat erweist sich als Grund der zu ihm führenden Bewegung, der Telos als Ursprung. Das Wahre hebt den Schein auf, durch Unwahres hervorgebracht werden zu können (vgl. Rel II462). Die verschiedenen, teilweise entgegengesetzten und teilweise sich ergänzenden Freiheitsbegriffe, die den Geist im Lauf seiner Entwicklung kennzeichneten, sind im abschließenden Freiheitskonzept der Philosophie derart aufgehoben, daß sie nicht nur in ihrem jeweiligen Absolutheitsanspruch relativiert, sondern ebenfalls in ihrem Freiheitspotential anerkannt und bestätigt werden. So reproduziert sich innerhalb der Geistesphilosophie jene „zweiseitige, in sich gegenläufige Bewegung"18, durch welche sich in der Logik das Vorwärtsschreiten als Rückgang ins Zentrum, die Ausbreitung als Intensivierung erwies. Nur dadurch kann das Denken versöhnen, daß es die an sich seiende „ewige" Versöhnung als Bedingung und Grund geschichtlicher Freiheit auf weist19. Das absolute Vor18 18
Puntel, Darstellung, Methode und Struktur 173. Vgl. Rel II 269: „Daß der Gegensatz an sich aufgehoben ist, macht die Bedingung, Voraussetzung aus, die Möglichkeit, daß das Subjekt auch für sich ihn aufhebe."
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aussetzen der Religion besteht ja nicht im einfachen Postulieren eines Absoluten, sondern in der Erkenntnis, daß dem menschlichen Freisein im Absoluten die von diesem ausgehende, über das Endliche sich vollziehende Selbstvermittlung vorausgesetzt ist20. Im Nachvollzug dieser Voraussetzung assimiliert Philosophie den innersten Gehalt der Religion; in diesem Sinne kann die Sphäre des absoluten Geistes im allgemeinen als Sphäre der Religion bezeichnet werden (E § 554). Indes ist diese Einsicht, daß das Subjekt die Versöhnung „nicht aus sich zustandebringen" kann, nur „die eine", nämlich „die ansichseiende, substantielle Seite" der Wahrheit (Rel II 270f.). Im Denken hingegen tritt „die Seite der Form . .. gegen das Substantielle der Wahrheit in Beziehung" (Rel 1217). Ebenso wesentlich wie dieses, ja in gewissem Sinne primär ist dem begrifflichen Erfassen der Wahrheit die Insistenz auf der Seite der Form. Der Inhalt selbst ist kein anderer als der, zu dem die absolute Form sich bestimmt. Das Bild der Versöhnung, das der philosophischen Spekulation entsteht, ist mithin ebenso stark auf das Moment des Produzierens, der subjektiven Tätigkeit ausgerichtet: Freisein als absolutes Setzen. Neben dem Bedürfnis nach absolutem Gegründetsein in letztgültiger Objektivität macht sich das Erfordernis des absoluten Selbstbezugs geltend: im ändern nur sich selber zu sein, »seine Wesentlichkeit selbst zum Gegenstand" zu haben (Rel 1151). Dialektik insgesamt kann ja als Entwicklungsgang im Modus des Einholens von Voraussetzungen verstanden werden, und spezifischer: als Überführung des voraussetzenden in das seine Voraussetzungen übergreifende Denken. Die schwierigste Aufgabe der Philosophie aber ist, diese beiden Grundbestimmungen zusammen zu denken, nicht nur irgendwie das eine und das andere gegenwärtig zu haben, sondern ihre Identität selber thematisch zu machen. Darin kommt für Hegel die gegenwärtige Philosophie über die vergangene hinaus, daß für sie »absoluter Inhalt und absolute Form identisch" sind (Gesch.Ph. III 458). Freiheit, wie sie auf der höchsten Stufe des absoluten Geistes erfaßt wird, bedeutet nicht nur, in letztgültiger Objektivität zu gründen, einen absoluten Rückhalt zu besitzen, sondern ebenso, diesen Halt und diese Objektivität in nichts anderem als in sich selber, im absoluten Selbstbezug zu haben. Die schlechthinnige Angewiesenheit aufs Fremde, aufs Nicht-Verfügbare, muß identischerweise als bedingungslose Berufung 20
Rel II 276: „Diese Bestimmung, daß Gott Mensch wird, damit der endliche Geist das Bewußtsein Gottes im Endlichen selbst habe, ist das schwerste Moment in der Religion."
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auf sich selber verstanden werden. Die „spekulative Umkehrung", welche das philosophische Denken nachzeichnet, unterscheidet sich hierin von der „einfachen" Umkehrung, welche das elementare religiöse Bewußtsein vollzieht, indem es alle Selbständigkeit des Endlichen zunichte macht und seine Aussöhnung nur im Unendlichen sucht. Nicht nur die Umkehrung, sondern die Gleichzeitigkeit und Identität beider Richtungen zu denken, dies macht das spekulative Moment des Begriffs aus. „Versöhnung, Wahrheit, Freiheit ist ... nicht in einem einfachen Satz auszusprechen ohne Einseitigkeit" (Rel II 203). Dies manifestiert sich schon in der Religion, welche in Form einer Erzählung die verschiedenen Bestimmungsmomente einander ergänzend nach- und zuordnet. Vor der gleichen Notwendigkeit steht die Philosophie; die noch zu erläuternden drei „Schlüsse" (§§ 575—577) machen diese über die Differenz vermittelte Einheit der Selbsterfassung der Philosophie zum Thema. Philosophisches Denken, welches sich so in der Form des spekulativen Satzes realisiert, wird zugleich zum Gegenpart und Bewahrer der Religion. Höchste Bestimmung des Wahren ist nach der Logik die absolute Idee, welche sich selber als absolute Form bestimmt. Die Betonung des Formaspekts des absoluten Inhalts bedeutet indes nicht nur die Hervorhebung des absoluten Selbstbezugs, der Spontaneität. Im Gegensatz zur „Gehaltlosigkeit und Eitelkeit" (E § 571 A) der formellen Identität soll der radikale Selbstbezug den Bereich des Subjektiven sprengen, dem Menschen den letzten Rückhalt verschaffen und jene absolute Objektivität retten, in welche der religiöse Glaube sich versenkte. Wie aber muß die absolute Objektivität verstanden werden, die sich auf dieser neuen Ebene ergibt? Was ist spezifischer Inhalt der Philosophie, wenn diese, um die sattsam bekannte Formel zu zitieren, mit der Religion einen gemeinsamen Inhalt, aber in differenter Form haben soll ? Auch wenn man nicht auf eine formale Gegenüberstellung von Inhalt und Form rekurrieren will — ja gerade im Bemühen um eine beide Seiten vereinigende Rekonstruktion des Philosophiebegriffs —, scheint sich dennoch eine grundsätzliche Alternative aufzutun, je nachdem ob die zu denkende Einheit sich eher von der Spezifizität der Form oder von der Identität des Inhalts her bestimmt. In die erste Richtung wird sich die im folgenden vorzulegende Deutung bewegen; die zweite Richtung umreißt die Dimension, in welcher sich die Interpretation Theunissens schwerpunktmäßig anzusiedeln scheint. Auf sie soll, was diesen einen Punkt, die Bestimmung des Philosophiebegriffs im Rück-
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blick auf den religiösen Inhalt anbelangt, kurz eingegangen werden; der Vergleich mag dem eigenen Deutungsversuch mehr Klarheit verschaffen. Nach Theunissen unterliegt die Selbsterfassung der Philosophie, wie sie in der Enzyklopädie vorgenommen wird, einer eigentümlichen Beschränktheit. Diese rührt daher, daß Philosophie hier ihren Begriff wesentlich im Rückblick auf ihr Wissen, in der „Inventarisierung ihres eigenen Systems" bestimmt. Daraus resultiert eine Beschränkung auf den Inhalt und eine Abstraktion von dem, was im weiten Sinn ihre Form genannt werden könnte: ihre Geschichtlichkeit und ihre Funktion21. Daraus schließt Theunissen, daß eine Nachzeichnung des Philosophiebegriffs, wie er faktisch bei Hegel vorkommt, über die Enzyklopädie hinauszugehen hat; gleichwohl ist dabei an diese anzuknüpfen, und zwar vornehmlich an die „enzyklopädische Lehre vom christlichen Vorstellen und von dessen Verhältnis zum begreifenden Denken"22. Jedoch muß sich nach Theunissen schon die „immanente" Interpretation des in den letzten Paragraphen der Enzyklopädie gelieferten Philosophiebegriffs auf die Sphäre der Religion zurückverweisen lassen. Der systematische Grund dafür liegt darin, „daß die drei Schlüsse der Philosophie nicht etwa eine neue Wahrheit erschließen, sondern im Gegenteil ihre eigene Wahrheit in den drei Schlüssen der geoffenbarten Religion haben" (311). Es kann hier nicht auf die Durchführung dieser These eingegangen werden23. Ihr Fazit ist, daß zwar „der dritte Schluß der 21 22
23
Theunissen, ebd. 311. Ebd. 290. S. 315—319. Nicht zu bestreiten ist, daß die beiden ersten Schlüsse der Philosophie ihrer logischen Struktur nach hinter jene der geoffenbarten Religion zurückfallen. Sie tun dies prinzipiell, weil sie auf einer ändern Ebene einsetzen: sie haben nicht wie jene die Explikation des auf der Ebene des absoluten Geistes erfaßten Inhalts zum Thema, sondern suchen vielmehr im Rückblick auf das ganze System sowohl dieses selber wie dessen letzte Sphäre zu bestimmen. So greifen sie auf Vermittlungs- oder Schlußarten zurück, welche im explizierten Gehalt des absoluten Geistes bereits ihrer Abstraktheit entkleidet und auf ihre wahre Vermittlungsfunktion hin durchsichtig gemacht sind. Allerdings wird daraus nicht ganz einleuchtend, wieso die in-Bezug-Setzung der Schlüsse der Philosophie zu denen der geoffenbarten Religion „in der Tat . . . die vordringlichste Aufgabe zu sein" scheint (310). Für Theunissen begründet sich diese Aufgabe dadurch, daß der dritte Schluß nur dann seine Aufgabe einer letztgültigen Situierung des philosophischen Systems erfüllen kann, wenn die ihm vorausgehenden und von ihm zu rektifizierenden Schlüsse schon vorgängig durch die beiden analogen Schlüsse der Religion korrigiert und so auf die Ebene des absoluten Geistes transponiert werden. Wenn auch die Richtigkeit an sich der so nachvollzogenen Korrektur nicht bezweifelt werden kann, so fragt sich doch, ob eine solche Rückbeziehung
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geoffenbarten Religion die vollendete Philosophie nicht inhaltlich korrigiert", wohl aber „den Maßstab für ihre Methode" liefert. „Aus seiner Korrespondenz mit dem dritten Schluß der Philosophie geht hervor, daß diese sich nur christologisch vollenden kann". Näher bedeutet dies, „daß Philosophie sich der ursprünglichen Macht des absoluten Geistes auf keine andere Weise versichern kann als durch Besinnung auf das Geschehen, in welchem der Gott sich als eben dieser Geist offenbart"24. Zwar erhebt das philosophische Denken den Anspruch auf Tilgung jeglicher Voraussetzung. Konfrontiert man jedoch diese von Hegel selbst vertretene Meinung „mit der von Hegel bedachten Sache", so ist man zum Schluß genötigt, „daß auch diejenige Philosophie, die sich auf der Höhe ihres Begriffs befindet, auf eine dem Begriff angemessene und vom Vorstellen verschiedene Art voraussetzendes Denken ist"25. Thema der Philosophie — wie an sich aller Stufen des absoluten Geistes — ist die „absolute Geschichte", welche das absolute Geschehen der Versöhnung oder der Freiheit des Geistes ist. Diesen letzten Inhalt, der eben nicht leerer, durch Verstandesreflexion erzeugter Formalismus sein soll, als wirklichen Gegenstand vor sich zu haben, heißt für die Philosophie, ihn voraussetzen zu müssen, konkret: ihn nur in Abhängigkeit von der Vorstellung konzipieren zu können. Gerade durch die „Vorstellungsunabhängigkeit des Begriffs" unterscheidet sich „die für das Ende der Zeit verheißene Schau Gottes von der hier und jetzt aufgegebenen Philosophie . . . Deren Endlichkeit beruht im wesentlichen darauf, daß sie nicht reiner, sondern auf die Vorstellung angewiesener Begriff ist"26. Die Angewiesenheit der Philosophie auf den religiösen Inhalt ist somit nicht willkürliche Festlegung, sondern begriffliche Notwendigkeit. Die Vorstellbarkeit des absoluten Inhalts aber ist ihrerseits in seiner „geschichtlichen Vorgegebenheit"
24
25
26
hier in der Tat vonnöten ist, um das Konzept eines Philosophiebegriffs, der ja insgesamt bereits auf der mit der Religion erreichten Wahrheitsebene aufruht, einsichtig zu machen. Es wird bei der Diskussion dieser Schlüsse auch zu prüfen sein, ob hier nichts anderes das vorrangige Thema bildet, ob die Selbsterfassung des Philosophiebegriffs sich wirklich primär als Wiederholung oder „Reproduktion" des Systems vollzieht, und ob eine so starke Anlehnung an den religiösen Inhalt nicht vielleicht den Blick auf eine andere Perspektive verdeckt, in welcher sich die Intention Hegels angemessener deuten ließe. Ebd. 321. Ebd. 314,322. Diese Selbstkorrektur des Verständnisses vom Begriff sucht Theunissen auch auf der Ebene der Logik und von deren eigenen Prämissen aus anzubringen; vgl. S. 53ff. Ebd. 375 f.
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begründet27. Im Aufnehmen des absoluten Gehalts wird das Denken so „auch vom Inhalt selbst zur Anerkenntnis zeitlicher Faktizität genötigt; denn wenn der objektive Begriff sich zu dieser herabläßt, muß der subjektive ihm folgen"28. Zwar bleibt das begreifende Denken gegenüber der Religion höhere Instanz, und es korrigiert deren Inhalt, indem es ihn von seiner spezifischen Affiziertheit durch die Vorstellungsform befreit. Indem es die abstrakte Trennung von vergangenem Ereignis, faktisch-weltlicher Gegenwart und Zukunft aufhebt, stellt es auch den wahren Bezug her zwischen der geschichtlich zu realisierenden Freiheit und der ewigen, „mit Christus in ihrer objektiven Wirklichkeit gewiß gewordenen Versöhnung"29. Gerade in ihrer Berichtigung des religiösen Ansatzes geht Philosophie dessen eigenstem Anliegen nach; sie bleibt im emphatischen Sinne religiöses Denken. „Das eine Interesse, dem sie nachgeht, ist ... die in Christus erschienene Versöhnung"30; ihre höchste Fassung des Freiheitsgedankens, in welche das System einmündet, ist selber religiös. Eine Interpretation, welche die Philosophie solcherart auf den Offenbarungsgehalt der Religion verpflichtet, scheint den Verdacht der „Theologisierung" geradezu zu provozieren. Hier soll nicht diesem das Wort geredet werden. Es soll versucht werden, Form und Inhalt des Hegeischen Philosophiebegriffs so zu umreißen, daß darin die bei Theunissen herausgearbeitete „inhaltliche" Bestimmung der Philosophie bewahrt wird, ohne aber in gleichem Maße auf geschichtliche Faktizität festgelegt zu werden. Die Hypothese dabei ist allerdings, daß es möglich sei, im Sinne der Hegeischen Konstruktion und in Übereinstimmung mit dem Text den Begriff einer Philosophie zu entfalten, deren Gegenstand einerseits sich nicht im Formalismus eines gedanklichen Konstrukts erschöpft, sondern im strikten Sinn als absoluter Inhalt zu bezeichnen ist, der sich anderseits aber weder in einer „ontologischen" Dimension ansiedelt, noch seine Bestimmung in der Rückbindung an eine geoffenbarte, positive Religion — oder an die religiöse Sphäre im allgemeinen — findet. Daß Gegenstand der Philosophie nicht eine leere Gedankenfiktion noch eine ontologische Kategorie sein kann, leuchtet unmittelbar ein, wenn man sich an die Einführung der Theorie des absoluten Geistes erinnert. Diese sollte die Betrachtung des objek27 28 29 30
Ebd. 260. Ebd. 343. Ebd. 409. Ebd. 437.
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tiven, weltgeschichtlichen Geistes in ihren Grund und ihre Wahrheit zurückführen. Was in der Weltgeschichte an sich vorhanden ist, die Realisation des freien Geistes, sollte selber in seiner Absolutheit erfaßt und zum Thema gemacht werden. Gegenstand für die Philosophie wie für die Religion ist der Geist in seiner Absolutheit, und die an der Religion orientierte Deutung macht in der Tat auch den Gehalt der Philosophie offenbar. Letzte Einsicht ist die Einsicht in die Ursprünglichkeit der Freiheit. Wie logisch gesehen nur das Allgemeine, so vermag im Wirklichen nur der absolute, freie Geist zu vermitteln. Die Selbstkorrektur des Systems, durch welche die Philosophie ihren eigenen Begriff erfaßt, ist zugleich Einsicht in die Natur der Wirklichkeit. Um diese gemäß ihrem Begriff denken zu können, ist Philosophie zur Anerkennung absoluter Objektivität genötigt; nur dadurch wird ihr Wirklichkeit zur vernünftigen, durch Vernunft erfaßbaren. Geschichte als Weg des sich befreienden Geistes ist nur dann möglich — und denkmöglich —, wenn sie nicht ihr Höchstes in die falsche Totalisierung subjektiver Freiheit setzt, sondern selber in unverfügbarer Objektivität gründet. Die Voraussetzung einholen heißt zugleich, sie als Vorausgesetztes setzen und anerkennen. Was die Philosophie des absoluten Geistes „ihren unvollkommenen Antizipationen beizubringen hat, ist vornehmlich die Einsicht, daß zum Geist nur kommt, wer vom Geist ausgeht"31. Da die letzte Objektivität, die sich im Resultat zugleich als die erste erweist, die des Geistes, der radikalen Freiheit ist, ist sie selber als Geschehen, als absolute Geschichte zu verstehen. Schon die Betrachtung des objektiven Geistes hatte gezeigt, daß die Natur des Geistes nicht in irgendeinem Ansich, sondern darin besteht, für sich zu werden, Prozeß zu sein. Wenn dieser als absolute Geschichte bezeichnet wird, so nicht einfach auf Grund seines Geschehnischarakters, sondern auf Grund desjenigen, was das Prinzip seines Vollzugs ausmacht: die Freiheit, welche zugleich letztes Prinzip der historischen Entwicklung ist. So ist die Philosophie nicht nur in der Betrachtung der Weltgeschichte, sondern im Ganzen und ihrem höchsten Gegenstand nach wesentlich Geschichtsphilosophie. Auch wird man vielleicht sagen können, daß der philosophische Begriff, der in solcher Weise das dem subjektiven Zugriff vorgängige und nicht zur Disposition stehende Geschehen thematisiert, in gewissem Sinne voraussetzend bleibt, und dies eventuell in stärkerem Maße, als es der Hegeische Begriff des Begriffs zu denken gestattet32. In all diesen Punk31 32
Theunissen, ebd. 320. Vgl. Theunissen, ebd. 53 f.
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ten scheint die „religiöse" Deutung des Philosophiebegriffs Recht behalten zu müssen. Bei alledem aber stellt sich die Frage, ob nicht dieser ganze „Gehalt" auf einer Stufe und in einer Weise zu retten sei, die ihn deutlicher gegen seine religiöse (Vor-) Form abheben. Läuft die so stark an der Religion sich ausrichtende Deutung nicht Gefahr, das Neue und Spezifische der philosophischen Reflexion zu minimalisieren, es tendenziell zum Verschwinden zu bringen ? Im Hinblick auf den Text: wird durch die religionsbezogene Betonung der inhaltlichen Schilderung der letzten drei Paragraphen nicht das der Form nach Verschiedene der Philosophie, das in den drei ersten Paragraphen zu Wort kommt, vernachlässigt oder rückgängig gemacht ? Die „absolute Geschichte", wie sie von der Philosophie begriffen wird und deren vorrangiges Thema ausmacht, ist nicht identischerweise mit der von der Religion aufgefaßten, in einem faktischen Ereignis offenbar gewordenen Geschichte gleichzusetzen. Sie nimmt, zumindest dem Selbstverständnis des philosophischen Begriffs nach, einen Status zwischen Faktizität und Transzendentalität ein. Desgleichen ist die auf die ursprüngliche Voraussetzung gerichtete Apperzeptionsweise des Begriffs nicht nach dem Modus der Vorstellung noch einfach als Angewiesenheit auf die Vorstellung zu denken33. Es muß in ihrer vollen Konsequenz eine Begriffsstruktur gedacht werden, die prinzipiell über die Dimension der Vorstellung hinausgeht, auch wenn sie Elemente von dieser übernehmen und sie auf höherer Stufe als notwendige Momente ihrer selbst anerkennen kann. Von beiden Seiten geht es darum, eine — gegenüber der Religion — neue Stufe von „Objektivität" zu denken, auf welcher sich diese absolute Geschichte ansiedeln und auf welche der Begriff sich denkend beziehen soll. Diese Objektivität der absoluten Freiheit, die zwar an ihr selber Geschehens-, ja Offenbarungscharakter hat, ist Voraussetzung für eine vernünftige Erfaßbarkeit von Geschichte überhaupt, ist selber aber nicht in der Form des historischen Faktums — noch als nur durch dieses offenbar gewordene — aufzufassen. Schon den wahren religiösen Glauben, dessen In33
Die Forderung Theunissens, „die Angewiesenheit des Begriffs auf die Vorstellung in eine begriffsimmanente Struktur zu verwandeln" (54; vgl. 375f.), scheint in eigenartiger Weise logische und epistemologische Motive zusammenzubringen. Auf der einen Seite der alte Grundsatz „nihil est in intellectu, quod non prius fuerit in sensu", in der Vorrede zur Phänomenologie als Dialektik von Bekanntem und Erkanntem wiederaufgenommen; auf der ändern Seite das Bemühen um eine Systematizität, deren Geschlossenheit nicht gleichermaßen Unfreiheit und — als Folge „totaler" Rationalität — Irrationalismus bedeutet.
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halt die Philosophie übernimmt, versteht Hegel frei von jeder Gebundenheit an Faktizkät. Der Geist ist das „Vernehmen seiner selbst.. . Im Vernehmen seiner selbst ist Entzweiung gesetzt, und der Geist ist Einheit des Vernommenen und Vernehmenden. . . Der tätige, subjektive Geist, der den göttlichen Geist vernimmt — und insofern er den göttlichen Geist vernimmt —, ist der göttliche Geist selber". Dieses Vernehmen macht den Glauben aus. „Das ist nicht historischer Glaube. Wir Lutheraner — ich bin es und will es bleiben — haben nur jenen ursprünglichen Glauben" (Gesch. Ph. I 93f.). Den Gehalt dieses „ursprünglichen" Glaubens von seinem „Glaubens"-Charakter zu befreien, ihn in begrifflicher, sich selbst rechtfertigender Form zu denken, dies bildet die Aufgabe der Philosophie. Um näher zu bestimmen, was die absolute, nicht auf Faktizität verwiesene Objektivität dieses Gehalts ausmacht, mag darauf reflektiert werden, was sich bisher als „formales" und „materiales" Objekt der Philosophie ergeben hat. „Materialer" oder inhaltlicher Gegenstand im weitesten Sinn ist für die Philosophie — wie für Kunst und Religion — der Geist in seiner Freiheit. Der daran interessierende formale Aspekt ist für das Denken die spekulative Natur des Geistes, die Freiheit als absolute Form. Philosophie betrachtet den höchsten Gegenstand nach jener Form, welche die Logik zur Erfassung des Wahren als die höchste, als Form der Wahrheit selber herausgestellt hatte. Die Betonung des Formaspekts zur Charakterisierung sowohl des Inhalts wie der Form der Philosophie wurde bereits hervorgehoben. Ausdrücklich bezieht sich Hegel in der Umschreibung des philosophischen Begriffs auf den Abschluß der Logik, der sich strukturmäßig im Abschluß des ganzen Systems wiederholt, hier allerdings mit der Bedeutung, daß er „die im konkreten Inhalte als in seiner Wirklichkeit bewährte Allgemeinheit ist" (E § 574). Die absolute Idee ist ja nicht nur irgendwie die höchste und letzte Gestalt in der Reihenfolge der logischen Bestimmungen, sie ist als absolute Form zugleich die Aufhebung aller bisherigen Bestimmungen und der Ort, an welchem die logische Wissenschaft sich selber erfaßt. Diese Selbsterfassung geschieht als Erfassung des ganzen Inhalts in dessen letzter Form, der absoluten Idee. Diese ist das Fürsichsein desjenigen, dessen Bestimmtheit den ganzen Verlauf der Wissenschaft ausgemacht hatte; indem sie so die Wahrheit über das Ganze ausspricht, erweist sie sich sowohl als absolute Form, die jeglicher Entwicklung der Gedankenformen zugrundelag, wie auch — gerade insofern sie alle Bestimmung als Formbestimmung, als Bestimmung ihrer selbst weiß — als
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letztlicher, alleiniger Inhalt (E § 237; LII 550). In entsprechender Weise muß der Abschluß des Systems als solchen verstanden werden. Daß die Selbsterfassung des Systems im Philosophiebegriff sich zugleich als Rückbringung jeglicher Inhaltsbestimmtheit in den letzten Gehalt vollziehen kann, ist darin begründet (oder damit identisch), daß dieser — der Geist in seiner Befreiung — an ihm selber absolute Form ist. Der abschließende Freiheitsbegriff, unter welchem sich der Geist in der Philosophie erfaßt, ist nicht nur der vollständigste und reichste, sondern derjenige, der sich als durchgehende Grundbestimmung aller Wirklichkeit weiß, wie sie bisher von der Realphilosophie aufgegriffen wurde. Es kommt dieser gegenüber kein neuer Gegenstand zur Sprache, sondern die Gesamtheit des Wirklichen wird nun explizit unter den Gesichtspunkt gestellt, von dem aus sie faktisch immer schon verhandelt wurde: dem Gesichtspunkt der Freiheit. Näher ergibt sich die Idee des freien Geistes als Wahrheit der bisherigen Bestimmungen des Geistes, die nun zu seinen Momenten herabgesetzt und gleichermaßen in ihrer relativen Geltung gerechtfertigt werden; wie die absolute Idee in der Logik ist die adäquate Idee der Freiheit „das bestimmte Wissen von der Währung ihrer Momente" (E § 237). Sie ist die Wahrheit sowohl über die ihr vorgelagerten Auffassungen vom absoluten Geist wie über die Geistesphilosophie und die Philosophie überhaupt. Indem sie die Beziehung von endlichem und unendlichem Geist ihrer spekulativen Natur gemäß darstellt, korrigiert sie die defizienten und partiellen Gottesbegriffe von Kunst und Religion und erhebt sie zum einen wahren Begriff des absoluten Geistes (vgl. Rel II 396 f.). Von diesem aus erkennt die Philosophie auch, wie es sich in Wahrheit mit ihrer bisherigen Entwicklung verhält, entdeckt sie hinter dem Hervorgehen des Geistes aus Logik und Natur dessen eigene Urheberschaft und Vermittlung. Und schließlich rückt der Abschluß der Geistesphilosophie auch das Verhältnis von subjektivem und objektivem Geist und deren Übergang in den absoluten Geist ins richtige Licht. Im angemessenen Verständnis der Freiheit werden sowohl die Momente subjektiver wie objektiver Freiheit in ihr Recht eingesetzt; erst hier gelingt es, die Spitzen der beiden Entwicklungsstränge — den „freien Geist" und die „Weltgeschichte" — in Verbindung zu bringen. Was vorher in getrennten Perspektiven aufleuchtet, erscheint nun in seiner fundamentalen Einheit: auf der einen Seite die Geschichte als Realisierung des subjektiven Freiheitsprinzips, als eigene Wirklichkeit jener Subjektivität, die „zu ihrem Inhalt und Zweck nur jene unendliche Bestimmtheit, die Freiheit selbst, hat" (E § 480); auf der ändern Seite
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das Freiheitsprinzip des Geistes als in sich selber wesentlich geschichtlich. Die rückblickende Zusammenführung der vorerst unterschiedenen Bereiche ist darin begründet, daß im absoluten Geist die beiden Perspektiven auf höherer Ebene wiederaufgenommen und dort als identisch erfahren werden. An die Stelle des „rein" subjektiv ausgerichteten Freiheitskonzepts tritt der Begriff einer mit der Wirklichkeit versöhnten, nur in dieser die eigene Subjektivität vollendenden Freiheit; an die Stelle der weltlichen Geschichte die absolute, in sich selber geschichtliche Wirklichkeit des Geistes. Der absolute Geist bildet das Fundament für die beiden bestimmten Erscheinungsweisen seiner selbst, die er zugleich in ihrer radikalen Gestalt vertritt und in ihrem absoluten Zusammenhang offenbar macht. Als absolute Form ist er ihre Identität. In ihm wird explizit thematisch jene Dialektik von Ansichsein und Fürsichsein, welche den Motor und die Form der Geschichte ausmachte; was dort an sich vorhanden war, die spekulative Natur des freien Geistes als schlechthinnige Grundlage, bildet, in seiner wahren Verhältnisweise aufgefaßt, den Inhalt des philosophischen Denkens. Es wurde oben die abstrakte Unterscheidung zwischen materialem und formalem Objekt der Philosophie gemacht. Die Entwicklung beider Aspekte hat fortwährend vom einen zum ändern geführt; beide Hinsichten erweisen sich schließlich als identisch. Wenn der letzte Inhalt in der geschilderten Weise den rektifizierenden Rückbezug auf jegliche Inhaltsbestimmtheit enthält und ausspricht, so heißt dies nichts anderes, als daß er an ihm selber absolute Form ist und als solche den Gegenstand der Philosophie bildet. Es ist dies sozusagen die Einsicht, welche die Reflexion auf die logische Form der absoluten Idee beiträgt zur Klärung des Inhalts der Philosophie. Umgekehrt kann — und muß — aber auch die Ausbreitung dieser Inhaltsbezüge als Explizitierung dessen verstanden werden, was den eigenen Gehalt des Logischen ausmacht. Es kommt darin die Wahrheit über die reine „logische Wahrheit", über die „absolute Idee" als solche zur Sprache; es wird ausdrücklich gemacht, was im logischen oder formalen Begriff schon an Wirklichkeitserkenntnis und Wirklichkeitsgehalt vorhanden ist. Im Philosophiebegriff expliziert sich jener Zusammenhang von logischer Form und Aussagegehalt, der den leitenden Gesichtspunkt dieser Untersuchung abgab. Dieser Zusammenhang stellt im Verständnis der Enzyklopädie keineswegs einen nebensächlichen Gesichtspunkt — sozusagen ein Nebenprodukt, das im Denken der Philosophie auch noch abfallen würde — dar, sondern er bildet deren explizites Thema: der „Begriff der Philoso-
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phie" ist „das Logische mit der Bedeutung, daß es im konkreten Inhalte als in seiner Wirklichkeit bewährte Allgemeinheit ist" (E § 574). Wie die Logik den Begriff der Wissenschaft als „ihr letztes Resultat" hat (L I 35), so ist für die ausgeführte Wissenschaft das Logische zum „Resultat" geworden. Als solches ist es nicht mehr ein „nur" Logisches, sondern selber „als das Geistige" offenbar (E § 574), als welches es inhaltlich konkret, „die Sache selbst" ist. Schon innerhalb der Logik soll ja das Mißverständnis ausgeräumt werden, als ob es sich bei den Denkbestimmungen um bloß äußerliche, an den Dingen haftende Formen handle; Thema ist das Logische nicht als bloße Form, sondern in seiner eigenen Inhaltlichkeit. Von einer solchen kann auf zwei Ebenen gesprochen werden: auf der Ebene des Begriffs als solchen und auf der Ebene seiner Bestimmtheit. Der bestimmte Begriff, die Denkbestimmungen, sind nicht „nur an dem Gebalt", sondern „der Gehalt selbst": sie sind „die Natur, das eigentümliche Wesen, das wahrhaft Bleibende und Substantielle bei der Mannigfaltigkeit und Zufälligkeit des Erscheinens" (L 126). Die bestimmten Denkformen, die so die Wahrheit über die empirischen Verhältnisse aussagen, bilden den konkreten Stoff, der in der Wissenschaft der Logik abgehandelt wird. In deren Endpunkt aber erweisen sie sich selber als „Momente der Form als Totalität, des Begriffes selbst, der die Grundlage der bestimmten Begriffe ist" (L I 30). Dieser „Begriff selbst", der den Zusammenhang seiner Bestimmungen aus sich heraus einsichtig macht, bildet das eigentliche Thema der Logik. Daß dieser Zusammenhang ein geistiger und die Vermittlungskraft des Begriffs selber eine des Geistes ist, dies wird zwar erst am Abschluß der Wissenschaft bedacht, wo das Logische selber als Geistiges hervortritt. Gleichwohl operiert schon die Logik vom Boden dieser Erkenntnis aus. Die Vorrede nennt die „immanente Entwicklung des Begriffs" eine „geistige Bewegung"; die „reinen Gedanken" in ihrem absoluten Zusammenhang sind „der sein Wesen denkende Geist" (L 117). Und nur weil der Geist „ihre lebendige konkrete Einheit" ausmacht, haben sie auch als einzelne Bestimmungen „eine Materie, welche Gehalt an sich selbst" ist (L I 41). In der Logik selber wird zwar auch dieser geistige Gehalt des absoluten Begriffs nur erst an sich, in der Gestalt der logischen Form thematisch; die Logik-Interpretation im ersten Teil der Untersuchung hatte gerade den Zweck, ihn über das explizit Gesagte hinaus sichtbar zu machen. Indes mußte auch diese Untersuchung in bestimmter Hinsicht vorläufig bleiben; erst vom Ende der Geistesphilosophie aus wird auch der Zusammenhang von Struktur und Gehalt oder von System und Freiheit voll
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begreifbar. Die Entfaltung der Realphilosophie, die ja auf dem vollendeten logischen Begriff aufruht, zeichnet zugleich die Bewußtwerdung dieser Verknüpfung nach, welche als Zusammenführung zweier Hinsichten nichts als der adäquate Zusammenschluß des Geistes mit sich selber ist. In der Welt der Natur und des endlichen Geistes bleiben die logischen Bestimmungen „verhüllt". Erst im absoluten Geist, in der Religion und vollends in der Philosophie, läßt „der Geist das Logische näher hervortreten", steht dieses „zugleich im Mittelpunkte des Inhalts" (Rel I 306; II 347)34. Die (inhaltliche) Wahrheit über die logische Wahrheit, anfangs nur implizit mitgedacht, wird im Verlauf der Realphilosophie immer mehr zum Thema, um schließlich in der Philosophie in eigener Instanz erörtert zu werden. Auf diese Konstellation hatte bereits, wenn auch nicht im systematischen Kontext, die Einleitung der Logik verwiesen : „So erhält das Logische erst dadurch die Schätzung seines Werts, wenn es zum Resultate der Erfahrung der Wissenschaften geworden ist; es stellt sich daraus als die allgemeine Wahrheit, nicht als eine besondere Kenntnis neben anderem Stoffe und Realitäten, sondern als das Wesen alles dieses sonstigen Inhalts dem Geist: dar" (L 155). Indem das Logische hier endgültig den Status eines „nur abstrakt Allgemeinen" verliert und sich „mit dem Gehalte aller Wahrheit" erfüllt, wird es selber als „das Absolut-Wahre" offenbar (L I 54ff.). Die ihrer bewußt gewordene Philosophie greift so auf den Anfang des ganzen Systems zurück und führt inhaltlich aus, was seit dessen Anfang den eigentlichen Gehalt des Denkens ausmachte. Dieses Zurückgreifen ist aber in Wahrheit nur das Innewerden einer voranschreitenden Bewegung von deren Endpunkt her. In ihr lassen sich in bezug auf den eben erörterten Komplex vier Hauptstufen unterscheiden: die Logik als solche, die absolute Idee, die Real-(und spezifisch: Geistes-) Philosophie als solche und die Philosophie des absoluten Geistes (und spezifisch: der Philosophie). Diesen sind verschiedene Themenbereiche zugeordnet, deren jeweils höhere die untergeordneten vervollständigen, und in deren Abfolge sich immer mehr die inhaltliche Bestimmung des Ganzen expliziert. Die Sache selbst, um die es seit der Logik geht, ist die Sache der Freiheit. Dies war schon an der Logik selber abzulesen, sofern diese auf den „Gehalt" ihrer Grundstrukturen hin beleuchtet wurde. Ihr eigenes 34
Es wurde schon erwähnt, wie Hegel in den religionsphilosophischen Vorlesungen diesen Unterschied in der Perspektive und die Bedeutung des Logischen in der Ausbreitung der Gestalten zur Darstellung bringt, indem er auf den „metaphysischen Begriff" der verschiedenen Gestalten abhebt.
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Thema indes bildete es nicht, ja konnte es nicht bilden, weil an dieser Stelle weder von Geist noch von Freiheit eine bestimmte Rede möglich war; erst der Abschluß des Systems führt die Einsicht in diesen Gehalt explizit vor Augen. Er läßt damit auch die Beziehung von Logik und Gegenstand oder von Logik und Geschichte, welche schon anläßlich der Logik-Deutung selber aufgegriffen wurde, in ihrem richtigen Licht erscheinen, indem er sie auf ihren Grund, den Grund des freien Geistes zurückführt. In der Analyse der Logik vermochte der Vergleich mit dem Marxschen „Kapital" aufzuzeigen, inwiefern in der logischen Struktur der Darstellung eine Aussage über den Gegenstandsbereich enthalten ist, die zwar dem primär Thematisierten gegenüber den Status einer MetaAussage hat, die aber gleichwohl eine Wirklichkeitsaussage, und zwar über das Ganze des verhandelten Gegenstandes, darstellt. Diese Beziehung kann auf die Logik als solche angewendet werden; Gegenstandsbereich ist dann das reine Denken selber. Wieso dieses als solches die Form von Freiheit verkörpern kann, wird im Verlauf des Systems einsehbar, wo sich das Denken als Funktion des sich befreienden Geistes kundgibt. Diese grundlegende Korrelation des Logischen als solchen mit dem Gehalt einer in sich geschichtlichen Freiheit gibt noch den Grund dafür ab, daß auf der Ebene der Bestimmtheit Analoges stattfinden, eine bestimmte Darstellungsform eine bestimmte Aussage über Einzelnes implizieren kann. In der Dualität dieser Ebenen und ihrem Fundierungsverhältnis reproduziert sich offensichtlich die innerlogische Dualität von absoluter Form und Formbestimmung. Indem die Philosophie den Komplex dieser Beziehungen offenlegt, gibt sie zugleich mit der Erhellung des Freiheitsbegriffs Aufklärung über das, was die Wahrheit des eigenen „Gehalts" der Logik ausmacht. Die Beziehung von Logik und Wirklichkeit fundiert sie im Begriff einer Freiheit, die gleichermaßen absolute Geschichte und absolute Form ist. Es könnte vorerst scheinen, als ob die letztgültige Bestimmung des Freiheitsbegriffs sich so in einem bloßen Zurückschauen auf schon Vollendetes erschöpfe. In Wahrheit aber ist dieses Zurückschauen — und Hegel selber nennt die Selbsterfassung des Begriffs der Philosophie ein Zurücksehen auf ihr Wissen (E § 573) — dem Freiheitsbegriff keineswegs akzidentell oder entbehrlich. Wie Freiheit objektiv wirklich ist, hat Hegel in seiner Rechtsphilosophie darzustellen versucht. Schon dort aber hatte sich in der Analyse des Geschichtsbegriffs das notwendige Hereinspielen des Bewußtseinsmoments in den dialektischen Prozeß der Befreiung des Geistes gezeigt. Ähnlich verhält es sich da, wo der freie Geist sich in radikalerer Weise, im Bezug
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nicht nur auf die von ihm entworfene Objektivität, sondern auf Wirklichkeit überhaupt, erfassen soll. Wenn am Ende der Enzyklopädie in der Rückschau die wahre Beziehung zwischen den einzelnen Sphären hergestellt wird, so realisiert sich im gleichen die Herstellung des angemessenen Selbstverständnisses von Freiheit. Der Geist, der sich in seiner Absolutheit zugleich als letzte Instanz erkennt, vollzieht die Bewußtwerdung des durchlaufenen Wegs als Selbsterfassung. Was sowohl die Notwendigkeit wie die Möglichkeit dieser komplexen Selbstbeziehung ausmacht, wurde mit dem Namen der Freiheit belegt. Indem die enzyklopädische „Philosophie der Philosophie" diese ganzen Verhältnisweisen analysiert, macht sie die Freiheit zum eigentlichen Thema der Philosophie. Freiheit bildet als solche den letzten Gegenstand, auf den das System der philosophischen Wissenschaften ausgerichtet ist. Anhand der vorausgegangenen „inhaltlichen" Ausführungen kann nun auf die frühere Fragestellung zurückgekommen und in zutreffenderer Art die „formale" Ebene bezeichnet werden, auf welcher Philosophie sich selber wie ihren Gegenstand ansiedelt. Es hat sich gezeigt, daß der Freiheitsbegriff, auch wenn er sich selber nach einem differenzierten logischen Muster expliziert, keineswegs auf einen bloßen Formalismus abhebt, sondern in der Tat einen Grundzug der Wirklichkeit, eine Art letzter Objektivität anvisiert. Entsprechend der Zweiteilung in der Logik wird erst am Ende der Realphilosophie, in der Theorie der Philosophie, offenbar, wie sich Freiheit an ihr selber bestimmt und inwiefern sie den eigentlichen Inhalt des dargestellten Wirklichen ausmacht. Das absolute Geschehen, als das sich Freiheit bestimmt, soll nichts als die Wahrheit des endlichen Geschehens sein, die Wahrheit des endlichen Geistes an sich selber, in ihrer Absolutheit dargestellt. Damit wird nicht auf eine Entität hinter oder neben der Wirklichkeit rekurriert, sondern es kommt diese selbst zum Ausdruck, wie sie ihrem eigenen Begriff gemäß aufgefaßt werden muß. Freiheit als dieser Begriff ist allgemeines Thema und letzter Gegenstand der Philosophie, welche die Vernunft der Wirklichkeit ergründen will. Diese selber wird so auf ihre letzte Basis, auf ihre letzte Objektivität hin bezogen. Allerdings hebt sich diese Objektivität nicht nur vom leeren Gedanken, sondern ebenso deutlich von jener Wirklichkeitsebene ab, auf welche die religiöse Vorstellung abzielt. Die an sich seiende Freiheit, welche sich als Bedingung geschichtlicher Emanzipation erweist, wird von der Philosophie nicht mehr als faktische Geschichte vollzogener Versöhnung gedacht. Es kann auch ohne letztlichen Rekurs auf die Vorstellung und das historische
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Faktum sinnvoll von der absoluten Geschichte als Grundlage des historischen Vollzugs der Befreiung gesprochen werden, sofern nämlich die eigene Unendlichkeit des endlichen Geistes, seine Freiheit, als absoluter Prozeß gedacht werden muß, welcher die Bedingung realen Freiseins ist: nur deshalb kann der Mensch sich befreien, weil er an sich immer schon frei, weil sein Wesen die Freiheit ist. Auch wenn dieser Gehalt an sich mit jenem übereinstimmt, den die religiöse Vorstellung in der Form faktischer Geschichte vergegenwärtigt, so ist er doch nicht wirklich mit ihm identisch. Gegenüber der Vorstellung modifiziert die Orientierung am Freiheitsgedanken als solchen nicht nur die Form, sondern ebenso den Inhalt des Aufgefaßten. In der Religion ist der absolute Gehalt nicht wirklich ans Licht getreten, der absolute Geist nicht nach seiner Wahrheit aufgefaßt. Zu dieser gehört, daß nicht nur der endliche Geist im Unendlichen seinen Halt findet, sondern auch der Geist überhaupt sich sowohl zur objektiven Wirklichkeit wie zum Logischen in Beziehung setzt und sich als deren Grund weiß. Die wahre Bestimmung des absoluten Gehalts geschieht erst da, wo der absolute Geist so sich selbst erfaßt, daß er die defizienten Geistes-(und Freiheits-)bestimmungen korrigiert und in sich aufhebt und zugleich den Begriff der philosophischen Wissenschaft vollendet und in ihm den Systembau als solchen einsichtig macht. Die zwei Aspekte — Auffassungsweise und aufgefaßter Inhalt oder, in anderer Hinsicht, Form und Inhalt — können nur deshalb konvergieren und in einem und demselben Akt ihre Vollendung finden, weil der absolute Geist hier selber als absolute Form begriffen wird, die ihren Inhalt an ihr selber hat. Nur indem das Denken den Inhalt so als Totalität der Form und als absolute Selbstbeziehung auffaßt, und indem es sich damit gegen den Auffassungsmodus der Religion wendet, vermag es deren Inhalt in positivem Sinne zu bewahren und zu rechtfertigen. Denn nur dadurch erhält dieser seine letzte Bewährung vor dem Denken, daß er sich als die Wirklichkeit ebenderselben Form manifestiert, als welche sich Denken versteht. Der Status, der so dem absoluten Inhalt im philosophischen Denken zukommt, bedingt auch eine spezifische Art der Abgeschlossenheit des Systems. Es wird im Schlußabschnitt darauf zurückzukommen und in Verbindung damit erneut die prinzipielle Fragestellung von Freiheit und Systematizität aufzunehmen sein. Vorläufig soll diesbezüglich nur das Fazit aus den bisherigen Überlegungen gezogen werden. Im Philosophiebegriff wird nicht nur der enzyklopädische Systembau faktisch „positiv" abgeschlossen, sondern auch die Notwendigkeit einer solchen Geschlos-
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senheit begründet. Auch — und gerade — eine Philosophie, welche die Wirklichkeit in ihrem Noch-nicht-Versöhntsein beschreiben will, ist genötigt, Versöhnung an ihr selber ihrem Begriff nach darzustellen, um sich so des Maßstabs ihrer Beschreibung zu vergewissern. Es ist dies, aufs System bezogen, die gleiche Notwendigkeit des Spekulativen, die sich in der Logik für das dialektische Denken als solches erwiesen hatte. Das Konzept des Hegeischen Systembaus scheint somit einsichtig, sowohl was die „formelle" Seite anbelangt — das Einholen der methodischen wie inhaltlichen Voraussetzungen: das Herausarbeiten jenes Gehalts, der noch Grund für die Methode ist —, wie im Hinblick auf die „inhaltliche" Seite — die reine Darstellung des Freiheitsbegriffs als Bestimmung jener absoluten Geschichte, die faktischer Wirklichkeit zugrunde liegt. Insofern — und dies ist selber noch Thema der abschließenden Rückschau — behält die Hegeische Konstruktion Recht gegen jene kontrahierenden Positionen, die eingangs am Beispiel von Sartre, Kant und Marx illustriert wurden, und welche die Notwendigkeit und Möglichkeit einer positiven Theorie des absoluten Geistes bestreiten. Gleichwohl führt diese Herstellung der Kohärenz des Denkens durch radikale Explikation der eigenen Voraussetzungen nicht zur simplen Hypostasierung oder Ideologisierung. Sie verstößt nicht gegen das „Bilderverbot", auch wenn Adorno dessen säkularisierte Übernahme aus der Theologie allein dem Materialismus einräumen will, während er das Totale der Hegeischen Konstruktion dem Bann des Totems assoziiert35. Die „positive" Geschlossenheit läuft nicht auf eine inhaltliche Ausmalung der Utopie hinaus, auch das System schöpft die utopische Kraft allein aus der Negativität. Nicht soll das Bild eines Zustandes außerhalb oder hinter der Gegenwart entworfen, wohl aber diese in ihrer Wahrheit begriffen werden. Dazu aber ist das Eingehen auf diese Wahrheit selber vonnöten. Gerade indem das Denken das ansichseiende Wahre im Gegenzug zu jener Bildhaftigkeit im Bereich der „Form" ansiedelt, vermag es seine Bedeutung für die Erkenntnis faktischer Wirklichkeit und für diese selber einsichtig zu machen. Es ist in diesem Sinn wesentlich Geschichtsphilosophie, auch wenn — und gerade dadurch, daß — es sein Zentrum nicht mehr in der Geschichte der religiösen Offenbarung hat36. — 35 38
Negative Dialektik, 205, 368. EXKURS: Das Paradigma der idealen Sprechsituation bei Habermas, Es kann vielleicht interessant sein, die umrissene Konzeption von Philosophie und philosophischem Gegenstand in Vergleich zu setzen mit einem Ansatz des zeitgenössischen Den-
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Wenn man auf die Ausführungen zum Verhältnis von Philosophie und Religion zurücksieht, so ergibt sich als Resultat die Doppelbewegung einer Abhebung der erstem von der zweiten, worin zugleich der religiöse „Inhalt" in den Philosophiebegriff hinübergerettet und in diesem gerechtfertigt werden soll. Es ist zuzugestehen, daß Hegels eigene Äukens. Die Kommunikationstheorie von J. Habermas scheint Elemente zu enthalten, die sich sowohl bezüglich der verhandelten Sache wie auch der Ebene, auf welcher jene angesiedelt werden soll, in interessante Nähe zum Hegeischen Philosophiebegriff rücken lassen. Die praktische Grundfrage bleibt bei Habermas die gleiche wie bei Hegel: die Frage nach den Bedingungen der Verwirklichung von Freiheit, bei Habermas spezifischer gefaßt als Frage nach den Bedingungen der Herstellung vernünftiger Selbstidentität. Daß die Frage neu gestellt und auch in einer von Hegel abweichenden Weise beantwortet werden muß, hat nach Habermas seinen Grund darin, daß gegenwärtig weder Religion noch Philosophie die integrative Funktion übernehmen können, die ihnen Hegel zuschreibt. Während „institutionelle Philosophie" wie „das Wissenschaftssystem insgesamt . .. wechselnde und spezialisierte Lehrmeinungen mit bloß hypothetischem Anspruch" produzieren, verbürgt die Religion Identität in der heute nicht mehr zu verallgemeinernden Form eines inhaltlichen Weltbildes (Habermas/Henrich, Zwei Reden 51); im letztern Aspekt klingt das Hegeische Motiv vom Vergehen der Religion und vom Bedürfnis nach Rechtfertigung durch den Begriff an (Rel II 343). „Eine kollektive Identität", so Habermas, „können wir heute allenfalls in den formalen Bedingungen verankert sehen, unter denen Identitätsprojektionen erzeugt und verändert werden" (Zwei Reden 51). Die formalen Bedingungen von Identitätsinhalten, sollen diese selber als vernünftige ausweisbar sein, sind selber nur noch „in reflexiver Gestalt denkbar": als „Bewußtsein allgemeiner und gleicher Chancen der Teilnahme an solchen Kommunikationsprozessen . .., in denen Identitätsbildung als kontinuierlicher Lernprozeß stattfindet" (ebd. 66). Die heute allein mögliche — und zu erstrebende — Identität kann sich nicht mehr „in Weltbildern artikulieren". Zwar muß sie „die Geltung einer universalistischen Moral unterstellen. Aber diese läßt sich auf Grundnormen der vernünftigen Rede zurückführen" (ebd. 68). Diese Grundnormen, in denen sich so auch die Bedingungen von Identitätsherstellung zusammenfassen, sind im Kontext der Kommunikationstheorie näher zu untersuchen. Jeder reale Kommunikationszusammenhang enthält Geltungsansprüche sowohl „theoretischer" wie „praktischer Natur": Ansprüche auf Wahrheit von Aussagen und Richtigkeit von Handlungen. Deren Einlösbarkeit bedingt die Vernünftigkeit und Verallgemeinerungsfähigkeit jener Zusammenhänge. Die Virtualisierung und Einlösung von Ansprüchen vollzieht sich in argumentativ geführten Diskursen. Damit diesen aber die Kraft zu solcher Begründung zukommen kann, müssen sie selber eine prinzipielle Unterstellung machen: die kontrafaktische Unterstellung einer idealen Sprechsituation, deren Struktur uneingeschränkte und herrschaftsfreie Diskussion verbürgt. Die ideale Sprechsituation bestimmt sich im wesentlichen durch die „symmetrische Verteilung der Chancen bei der Wahl und der Ausübung von Sprechakten, die sich a) auf Aussagen als Aussagen, b) auf das Verhältnis des Sprechers zu seinen Äußerungen, und c) auf die Befolgung von Regeln beziehen". Diese Bedingungen erweisen sich identisch mit den „Bedingungen der idealen Lebensform", sie sind „sprach-
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ßerungen zu diesem Thema nicht immer eindeutig sind. Im Bestreben, das wahre Anliegen der Religion und der zeitgenössischen Theologie in seine Philosophie zu integrieren und mit dieser in Einklang zu bringen, gelangt er zuweilen zu Formulierungen, die in einseitiger Weise die Kontinuität des Geistes mit sich selbst betonen und darob die prinzipielle theoretische Bestimmungen für das, was wir herkömmlicherweise mit den Ideen der Wahrheit, der Freiheit und der Gerechtigkeit zu fassen suchen" (Habermas/ Luhmann 139). Der Status dieses „unvermeidlichen Vorgriffs", der „zur Struktur möglicher Rede" wie eines vernünftigen Lebensvollzugs überhaupt gehört, läßt sich in den überkommenen Kategorien nicht eindeutig fassen. „Das normative Fundament sprachlicher Verständigung ist ... beides: antizipiert, aber als antizipierte Grundlage auch wirksam" (ebd. 140; vgl. Technik und Wissenschaft als Ideologie 164). Es ist weder identisch mit empirischen Bedingungen, noch „bloß regulatives Prinzip im Sinne Kants" oder „existierender Begriff im Sinne Hegels" (ebd.). Es handelt sich nicht um einen bloßen Schein, sondern um ein notwendiges Konstituens möglicher Kommunikation. Auf der ändern Seite enthält die Supposition einer idealen Lebensform auch nicht die Versicherung von deren Realisierbarkeit, sondern bleibt „unter diesem Gesichtspunkt eine praktische Hypothese" (ebd. 141). Es könnte abwegig erscheinen, einen solchen Ansatz, der sich auch explizit vom Hegeischen System abheben will, mit diesem in Berührung zu bringen. Es soll hier auch weder auf die Adäquanz des Habermas'schen Hegelverständnisses eingegangen, noch sollen Konvergenzen und Differenzen beider Ansätze überprüft werden. Statt dessen ist lediglich festzuhalten, in welchen Hinsichten das Paradigma der idealen Sprechsituation in gewissen Punkten eine interessante Illustration zum Hegeischen Konzept darstellt. Es sind dies im wesentlichen zwei Aspekte: zum einen die Beziehung des idealen Modells herrschaftsfreier Kommunikation zum Bereich der geschichtlichen Existenz, zum ändern die inhaltliche und statusmäßige Bestimmung dieses Modells selber. — Wie Habermas anhand der Grundnormen vernünftiger Rede zugleich die Prinzipien praktischer Normenbildung und somit realen Freiseins überhaupt bestimmt, so erfaßt auch Hegel in den logischen Grundfiguren des Denkens zugleich die Bedingungen der Vernünftigkeit des Wirklichen. Der Grundgedanke der Freiheit erweist sich als unabdingbares Fundament bereits für das Logische als solches. Das System offenbart ihn sowohl als Grundlage der Wirklichkeit wie es diese selber auf das Logische zurückbezieht. Diese Verhältnisse, die auch in der Habermas'schen Konstruktion enthalten sind, werden bei Hegel selber noch als Komponenten des systematischen Denkens analysiert. Wenn die Funktion der Religion durch die bewußte Partizipation an norm- und identitätsbildenden Kommunikationsprozessen übernommen werden soll, so hätte die Philosophie — nicht die institutionelle, als Teilwissenschaft etablierte, sondern die aufs Ganze der Vernunft gehende — die Aufgabe, die notwendige Verwiesenheit faktischer Freiheit auf die eigene Idealität sowie deren Bestimmung an ihr selber begrifflich zu erfassen. Sie hätte so die Voraussetzungen einzuholen, von der „die kritische Theorie der Gesellschaft ihren Ausgang" nimmt (Habermas/Luhmann 141). Nicht ohne Ähnlichkeit präsentiert sich die Aufgabe der Philosophie im System Hegels. — Auf der ändern Seite enthält auch der „Status" des Gegenstandes der Philosophie Analogien zur Habermas'schen Beschreibung. Der absolute Geist, wie das spekulative Denken ihn
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Unterscheidung der Bewußtseinsstufen nivellieren. Nicht gemindert wird durch solche Äußerungen indes die Eindeutigkeit der systematischen Situierung des PhilosophiebegrifFs. Nur dadurch, daß das Denken seinen Inhalt als absolute Form begreift, vermag es ihn auch in seiner absoluten Inhaltlichkeit zu erfassen: denn nur dadurch erhält es wirkliche Einsicht in das Verhältnis von unendlichem und endlichem Geist, von absoluter und faktischer Geschichte, von absoluter Versöhnung und realer Emanzipation, von letzter Objektivität und weltgeschichtlicher Wirklichkeit. Erst wenn ihm diese Beziehungen in ihrer begrifflichen Notwendigkeit gegenwärtig sind, einer Notwendigkeit, die sich gleichermaßen als die eigene Freiheit des Geistes offenbart, erst dann hat der endliche Geist die eigene Natur in ihrer Absolutheit vor Augen, begreift er die „Sache selbst", besitzt er den wahren „Inhalt", welcher die Wahrheit selber ist. Philosophie löst sich so in gleichem Maße von der alten Metaphysik, von der Verstandesreflexion und von der Religion ab. Diese Ablösung und die Erarbeitung eines neuen, „höheren" Standpunktes wird von Hegel selber als notwendiger Schritt in der weltgeschichtlichen Realisation des absoluten Geistes betrachtet. Nicht ist damit schon der Weg zu realer Befreiung zurückgelegt — noch eindeutig vorgezeichnet. Es bleibt bei alledem die Frage, wie sich die letzte Versöhnungsstufe in der Wirklichkeit, für das „Volk" ausnehmen soll, jetzt, wo „den Armen nicht mehr das Evangelium gepredigt wird", wo „das Salz dumm geworden und alle Grundfesten stillschweigend hinweggenommen erfaßt, stellt nicht ein „inhaltliches" Weltbild dar; gerade darin geht die Philosophie sowohl über vorphilosophische Weltsysteme wie über die Sphäre der Religion hinaus. Der begriffliche Inhalt versteht sich wesentlich in der Gestalt der absoluten Form. Die Inhaltlichkeit dieser Form bestimmt sich ähnlich wie in kommunikationstheoretischer Sicht: sie meint die Aufklärung über die Bedingungen vernünftiger Rede und vernünftigen Freiseins überhaupt. Indem diese Bedingungen in ihrer Reinheit zur Sprache kommen, soll ein — oder: der — Grundzug des Wirklichen erhellt, dessen Wahrheit an ihr selber dargestellt werden. Diese Wahrheit ist eine systematisch notwendige Instanz, wenn im Bereich des Endlichen faktische Freiheit einsichtig gemacht werden soll; sie spielt für diese die Rolle der letzten Objektivität, der absoluten Voraussetzung. Gleichwohl wird auch ihr nicht der hypostasierte Status eines transzendenten Seienden zugesprochen, ebensowenig wie sie zum bloß regulativen Prinzip oder zur selber empirischen Bedingung herabsinkt. In alledem scheint das Hegeische Konzept dem Ansatz Habermas' gar nicht so entgegengesetzt zu sein, wie dieser es annimmt. Dies gilt jedenfalls für die grundlegenden logischen Verhältnisse, auch wenn der unter völlig verschiedenen Bedingungen und in anderem Kontext ausgearbeitete Entwurf von Habermas die inhaltliche Konkretion in Bereiche einläßt, die Hegels Denken noch völlig fremd sein mußten.
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sind" (Rel II 343)37. Der „substantielle Kern des Volks" kann seine Befriedigung nicht in der Reflexion, der „Subjektivität und deren Virtuosität" finden, in welche sich seine Lehrer geflüchtet haben. Anderseits vermag seine „gedrungen bleibende Vernunft" nicht am philosophischen Begriff zu partizipieren, welcher jene substantielle Grundlage zu aktualisieren sucht (ebd.). Die Versöhnung durch die Philosophie bleibt „ohne äußere Allgemeinheit", die Philosophie „ein abgesondertes Heiligtum, und ihre Diener bilden einen isolierten Priesterstand, der mit der Welt nicht zusammengehen darf und das Besitztum der Wahrheit zu hüten hat. Wie sich die zeitliche, empirische Gegenwart aus ihrem Zwiespalt herausfinde, wie sie sich gestalte, ist ihr zu überlassen und ist nicht die unmittelbar praktische Sache und Angelegenheit der Philosophie" (ebd. 343f.). Es soll hier nicht auf die Praxisbezogenheit der Hegeischen Theorie eingegangen werden38, noch auf die eigene, wenngleich „partielle" Versöhnung, welche die Philosophie den ihr Geweihten gewährt. Lediglich eine andere von Hegel hier berührte Perspektive ist noch zu erwähnen. Das Volk, auch wenn ihm „die Liebe zu einer Liebe und zu einem Genuß ohne allen Schmerz verkehrt ist", steht doch „dem unendlichen Schmerz noch am nächsten" (Rel II 343). Die Formulierung verweist auf den unendlichen Schmerz der Entzweiung, welcher dem spekulativen Begriff der Einheit und Versöhnung innewohnen muß. Hierin klingt ein Motiv an, das in der Nachfolge von Marx durch Denker wie Benjamin und Adorno wieder aufgenommen wurde. Die absolute Negativität steht nach dialektischem Denken der Einsicht ins Ganze am nächsten. In der verwalteten, „gottverlassenen" Welt kann das Leiden den Ort darstellen, von dem aus allein der Zugang zum Wahren und der Vorgriff auf Freiheit noch möglich sind. — Nachdem der Philosophiebegriff bisher großenteils in seiner formmäßigen und inhaltlichen Abhebung gegen die Religion zur Sprache gekommen ist, ist noch kurz auf die drei Schlüsse einzugehen, in welchen er an ihm selber expliziert wird und darin zugleich den systematischen Abschluß der Enzyklopädie bildet. Es treten in diesen Schlüssen zwar gegenüber dem bisher Gesagten keine „neuen" Inhalte in Erscheinung. Schon die eher auf die „Form" gerichtete Situierung der Philosophie konnte 37
38
Die Habermas'sche Frage, was denn gegenwärtig, im Zeitalter des Massenatheismus, an die Stelle der Religion zu treten hätte, ist eine von Hegel selber gestellte (dies allerdings nicht im „System"). Vgl. Fulda, Das Recht der Philosophie in Hegels Philosophie des Rechts; Theunissen, Die Verwirklichung der Vernunft.
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nicht umhin, sich fortwährend auf die „inhaltliche" Seite zu beziehen, gerade der spezifische Inhalt der Philosophie verunmöglichte von Anfang an die abstrakte Trennung der Hinsichten. Hier soll nun in seiner expliziten Gestalt dargestellt werden, was bisher schon vorhanden und als absolute Form benannt wurde: die endgültige Zusammenführung der beiden Grundperspektiven des Systems: Freiheit und Systematizität. Indem erstens der Systembau einer immanenten Korrektur unterzogen und seine Systematizität auf ihre wahre logische Form gebracht wird, läßt zweitens diese Systematizität als eigenes Konstituens und letzten Grund die Freiheit durchscheinen. Der Zusammenhang beider Perspektiven, der am Anfang dieser Untersuchung als Arbeitshypothese der Interpretation zugrundegelegt und vorerst schwerpunktmäßig von seiner ändern Seite her angegangen wurde, wird hier zur Einsicht der Philosophie und zur letzten Bestimmung des Systems selber. Die Interpretation der drei Schlüsse der Philosophie in der Sekundärliteratur ist alles andere als einheitlich39. Der Grund dafür liegt sicher teilweise in ihrer Kürze und ihrer nicht-expliziten Selbstinterpretation. Es mag auch sein, daß Hegel ihrer Tragweite und Ausdrucksfähigkeit selber nicht sehr sicher war; als Indiz dafür mag ihr Weglassen in der zweiten Auflage der Enzyklopädie gedeutet werden40. Gleichwohl scheint es möglich, in ihnen die eindeutige und adäquate Bestimmung des Abschlusses des Systems zu sehen. Sicher wäre es falsch, sie als bloße Wiederholung des Systems zu verstehen. Auch wenn die Selbsterfassung der Philosophie als „Zurücksehen" bezeichnet wurde (§ 573), so hat sich doch gezeigt, daß darin keineswegs eine tautologische, bloß reduplizierende Selbstbeschauung angesprochen sein sollte. Für-sich-werden ist nicht einfache Verdoppelung. Es kann nicht „wiederholt" werden, was noch gar nicht da ist: erst in den drei Schlüssen wird der Eine Zusammenschluß des Geistes mit sich selbst vollständig realisiert, für sich selber durchsichtig. In ihrem Zusammenhang stellen die Schlüsse das angemessene Selbstbewußtsein der Philosophie her, in welchem gleichermaßen das System zu seiner wahren Gestalt und zum richtigen Selbstverständnis findet. Das heißt aber auch: es ist nicht bloß einer der drei Schlüsse — der erste —, in welchem sich die Enzyklopädie vollendet — oder auch nur abbildet —, während die ändern auf Vermittlungsmodi verwiesen, die erst noch, außerhalb des enzyklopädischen Systembaus, 89 40
Vgl. Theunissen, Hegels Lehre vom absoluten Geist 309ff.; Puntel 45ff. und 322ff. Vgl. Theunissen, ebd. 310.
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in Angriff zu nehmen wären. Im Gegenteil ist es ihr Zusammenhang selber (und spezifisch der dritte Schluß, in welchem sich dieser Zusammenhang ausdrückt), in dem sich der angemessene Philosophiebegriff aueinanderlegt. Eine solche Deutung wendet sich gegen eine Interpretation wie die von Puntel, für welchen „feststeht, daß der erste Schluß den Gang der enzyklopädischen Darstellung kennzeichnet", und daß die ungenügende Vermittlungsform der Enzyklopädie nur durch „eine andere, weitere Darstellung des Ganzen" auf ihre wahre, spekulative Form zu bringen ist41. Zur Stützung seiner These rekurriert Puntel auf Hegels Ausführungen über den spekulativen Satz, gemäß welchen spekulative Darstellung nur dadurch zustande kommt, daß das „Zurückgehen des Begriffs in sich" nicht nur unmittelbar als „innerliche Hemmung" vorhanden ist, sondern auch explizit ausgesprochen wird (PG 61; vgl. oben, S. 123 ff.). Dazu ist zweierlei zu sagen. Zum einen ist es zwar offensichtlich, daß sich im ersten Schluß die Erscheinungsform des enzyklopädischen Ganges reproduziert. In Wirklichkeit aber hat sich gerade diese Erscheinungsform selber bereits als nicht die ganze Wahrheit über den bisherigen Entwicklungsgang erwiesen. Schon der vorausgehende Paragraph hat gezeigt, daß das Logische in Wahrheit nicht „Ausgangspunkt" — als was es in dieser „ersten Erscheinung" vorkommt (§ 575) —, sondern „Resultat" ist; es hat bereits „aus der Erscheinung . . . in sein reines Prinzip zugleich als in sein Element sich erhoben" (§ 574). Als dieses Prinzip des Logischen aber hat sich das Geistige selber ergeben. Die drei Schlüsse insgesamt dienen gerade dazu, diese absolute Rückkehr oder dieses Einholen des Vorausgesetzten zu explizieren. Der erste Schluß greift hinter das an sich erreichte Niveau zurück, indem er die Gesamtheit der Entfaltung in ihrer Unmittelbarkeit aufnimmt, welche aber hier, auf der Ebene des philosophischen Begriffs, bereits durchschaut und überwunden ist. Die in ihm zur Sprache kommende Unmittelbarkeit ist selber nur erstes Moment in der Selbsterfassung des Systems, im Erfassen dessen, als was sich der Philosophiebegriff bereits an sich ergeben hat. Auf der ändern Seite ist aber auch nicht einzusehen, wieso der zitierte Phänomenologie-Text auf das Erfordernis eines weiteren Darstellungsganges hinweisen und nicht gerade im hier vorgeführten Selbstverständigungsversuch seine Applikation finden soll. Es war gerade das Anliegen der Theorie des absoluten Geistes, das „Zurücksehen des Begriffs in sich" darzustellen, wie es anderseits Aufgabe der drei Schlüsse 41
Puntel 47.
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ist, diese gegenläufige Bewegung zusammenfassend auszusprechen, sie dem erörterten Inhalt selber zuzusprechen. Eben dadurch wird dieser in seiner letzten, spekulativen Wahrheit offenbar; indem die Schlüsse diese an und für sich seiende Wahrheit darstellen, sind sie nicht bloß „nachträgliche rückblickende bzw. zusammenfassende Reflexion". Es fragt sich in der Tat, wie denn auf andere Weise spekulative Darstellung gedacht werden soll. Indem Puntel das — naturgemäß immer nachträgliche — „Aussprechen" des spekulativen Moments mit einer „Darstellung des Ganzen"42 zusammenbringt, wird er zur Forderung einer neuen, mit dem Schluß noch einmal von vorne anfangenden Darstellung getrieben. Was aber würde eine neu einsetzende „Darstellung des Ganzen" einbringen ? Auch sie käme nicht über die Notwendigkeit eines prinzipiell voraussetzenden Anfangs hinaus, auch sie stünde am Schluß vor der Notwendigkeit, die setzende Aufhebung des Vorausgesetzten, die eigene Gegenläufigkeit der Bewegung darzustellen und auszusprechen. Ihre Darstellungsart, auch wenn der absolute Geist den inhaltlichen Ausgangspunkt böte, wäre als solche, in ihrer Unmittelbarkeit genommen, nicht im geringsten „spekulativer" als die in der Enzyklopädie vorgeführte. Ihre „spekulative" Seite könnte sie nicht aus dieser einfach übernehmen, sondern hätte sie erneut, in analoger Weise, zu erarbeiten. Wenn dem so ist, so können die drei Schlüsse auch nicht als „drei Weisen oder Gestalten der Einheit des Systemganzen" betrachtet werden, welchen „drei Gestalten der Darstellung entsprechen" würden43. Schon zur ersten dieser Gestalten wäre zu sagen, daß sie eben nicht eine wahre Form systematischer Einheit darstellt, da in ihr gerade die ange" Ebd. 43 Puntel 335; vgl. 324. Hinter der Rede von den verschiedenen Gestalten der Darstellung, welche m. E. bereits eine falsche Interpretation des engern Textes der Enzyklopädie beinhaltet, steht die allgemeine, hier nicht zu diskutierende Interpretationsthese Puntels, daß die Einheit des Systems eine dreidimensionale sei: Einheit der drei gleichursprünglichen Dimensionen von Logik, Phänomenologie und Noologie („Psychologie" bei Hegel). Hinter dieser Generalperspektive der Interpretation scheint wiederum eine zweifache Motivation zu liegen: der Phänomenologie des Geistes eine starke systematische Position zu retten und die Hegeische Philosophie gegen den Vorwurf der „Abgeschlossenheit des Denkens" in Schutz zu nehmen (336ff.). Auf das erste kann hier nicht eingegangen werden. Auf das zweite wird in der abschließenden Betrachtung Bezug genommen werden; allerdings scheint der hier gemachte Vorschlag, die Abgeschlossenheit nur der einen der drei möglichen — und erforderlichen — Gestalten, nämlich der enzyklopädischen, zuzuschreiben und dadurch das Ganze der Philosophie von ihm frei zu halten, nicht sehr überzeugend. — Vgl. dazu die Rezension von Peter Rohs, in: Phil. Jahrb. 1974, S. 208ff., bes. 213f.; sowie die Replik von Puntel, in „Hegel beute. Zur Wissenschaft der Logik I" in: Phil. Jahrb. 1975, S. 152—162.
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sprochene, mit dem Logischen einsetzende Systemform nicht in der Wahrheit der eigenen Systematizität zur Sprache kommt. Man kann somit auch nicht behaupten, daß in ihr der enzyklopädische Systembau wirklich reproduziert, geschweige denn auf seinen Begriff gebracht wird. Vielmehr ist es erst das Ganze der drei Schlüsse, in welchem sich die Enzyklopädie vollständig bestimmt und worin somit auch, inhaltlich gesehen, das wahre Verhältnis von Logischem, Natur und Geist begriffen wkd. In diesem Sinne muß sogar gesagt werden, daß der zweite und der dritte Schluß die Wahrheit der Enzyklopädie angemessener zum Vorschein bringen als der erste Schluß — und zwar eine Wahrheit, die nicht erst hier, bereits außerhalb oder abseits des Systems, neu entworfen würde und nun der Ausführung harrte, sondern die schon in diesem vorhanden, aktualisiert und auch an sich expliziert ist. Weil Puntel dies nicht wahrhaben will, sieht er in Fuldas Deutung, gemäß welcher es in den drei Schlüssen „nur um den angemessenen Begriff des Bisherigen, nicht aber um eine neue Gestaltung der Wissenschaft" geht44, die fatale Aporie entstehen, „daß ausgerechnet jene beiden Schlüsse (also der zweite und der dritte), die den enzyklopädischen Gang oder die enzyklopädische Gestalt der Darstellung nicht angemessen beschreiben oder wiedergeben, den angemessenen Begriff'dieser — für diese Ansicht: der einzigen — Darstellung(sgestalt) enthält und artikuliert"45. In Wahrheit handelt es sich hier um alles andere denn eine widersprüchliche Konstruktion, weil die sukzessiv rektifizierende Selbstbestimmung des Denkens in den drei Schlüssen auch auf der zweiten und dritten Stufe keineswegs eine gegenüber dem System „subjektiv-äußere Reflexion"46 darstellt. Im Gegenteil vertieft sich in ihnen die Reflexion immer mehr in die Sache selbst und wkd zu deren angemessenem Begriff. Zudem verbietet bereits die Analogie zur Theorie der geoffenbarten Religion die Deutung der drei Schlüsse als verschiedener Systemgestalten und -entwürfe. Die Explikation des absoluten Geistes auf der Stufe der Philosophie ist ja offensichtlich in Entsprechung zu den drei Schlüssen der Religion entworfen47. Schon am Abschluß der Erörterung der Religion aber werden die drei Schlüsse der Religion in „den einen Schluß der absoluten Vermittlung des Geistes mit sich selbst" zusammengefaßt. Bereits dort wird auch die Aufgabe des Denkens dahingehend präzisiert, diesen Zusammenhang 44 45 46
47
Das Problem einer Einleitung in Hegels Wissenschaft der Logik 287. Puntel 328. Ebd. Vgl. Theunissen 308ff.
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sowohl in seiner Entfaltung wie auch als „untrennbaren Zusammenhang des allgemeinen, einfachen und ewigen Geistes in sich selbst" zu erkennen (E § 571). Wenn ein solcher Gesichtspunkt in der Deutung Puntels nicht tragend werden kann, so auch deshalb, weil in ihr die Momente, zwischen denen die Schlüsse vermitteln sollen, primär in Bezug auf den Systembau und dessen Teile gelesen werden. Demgegenüber ist es ebenso wichtig, ihre „inhaltliche" Seite hervorzukehren und in ihnen die höchste Darstellung des an und für sich Wahren, des absoluten Geistes zu sehen48. Diese Darstellung ist nicht zufällig an die Bestimmung der Idee der Philosophie gebunden. Denn der Geist ist nur „als Geist wirklich . .., indem er sich selbst als absoluten Geist weiß: . . . aber nur in der Wissenschaft weiß er von sich als absolutem Geist, und dies Wissen allein, der Geist, ist seine wahrhafte Existenz" (Gesch.Ph. III460). In den drei Schlüssen wird dieses Wissen von sich selber auseinandergelegt. Sie schatten die verschiedenen Aspekte ab, unter denen sich der eine Zusammenschluß des Geistes mit sich selber und mit dem Ganzen der Wirklichkeit vollzieht. Die Wissenschaft ist zuerst „nur an sich" seiender Begriff (E § 574); wo sie sich selber in der Form des Schlusses erfaßt, ist sie „Vermittlung, der vollständige Begriff in seinem Gesetttfsein" (L II401). Es wird darin ausgeführt, was es heißt, daß hier die absolute Idee sich als im konkreten Inhalt realisierte offenbart; was der Begriff in seiner Einheit, das Urteil in der Selbständigkeit seiner Momente zur Erscheinung bringt, wird vom Schluß zugleich im Unterschied seiner Bestimmungen und in seiner fundamentalen Einheit begriffen. Der eine Gesamtschluß aber muß sich seiner logischen Natur gemäß nach seinen drei Hauptbestimmungen der Unmittelbarkeit, der Vermittlung und der aufgehobenen Vermittlung vollziehen. Erst in seiner höchsten Form, in welcher sich zugleich das „Schließen" als solches aufhebt und die verhandelte Sache selbst in ihrer vollen Wirklichkeit sich herstellt, expliziert sich der Gehalt von dem Niveau aus, das ihm allein angemessen ist; erst im dritten Schluß erfüllt sich die Intention der Enzyklopädie. Denn erst in ihm bildet der am Schluß des Systems objektiv erreichte Standpunkt, „die sich wissende Vernunft", die Mitte (E § 577). Erst hier wird vom adäquaten Standpunkt aus das Verhältnis der „Dimensionen" des Wirklichen dargelegt. Gegenüber der im Zeichen der Idee vollzogenen Vermittlung erscheinen die beiden 48
Vgl. Rohs, 1. c. 213: „Hegel redet über das Logische . . ., die Natur und den Geist, nicht über Logik, Naturphilosophie und Philosophie des Geistes."
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ersten Zusammenschlüsse, das objektive Ansichsein und das subjektive Erkennen, als eigene Momente, Natur und subjektiver Geist „als ihre (der sich wissenden Vernunft) Manifestationen" (ebd.). Diese Erkenntnis macht nach Hegel den „nunmehrigen Standpunkt der Philosophie" aus: daß nämlich „die Idee in ihrer Notwendigkeit erkannt, die Seiten ihrer Diremtion, Natur und Geist, jedes als Darstellung der Totalität der Idee und nicht nur als an sich identisch, sondern aus sich selbst diese eine Identität hervorbringend und diese dadurch als notwendig erkannt werde" (Gesch.Ph. III 454f.). Hierin vollendet sich die Aufgabe der Philosophie, die Wirklichkeit als vernünftige zu begreifen, „den Gedanken, den Begriff mit der Wirklichkeit zu versöhnen" (ebd. 455). Inhaltlich kann der Abschluß des Systems so als Einsicht in die Ursprünglichkeit des Geistes — und damit in die Ursprünglichkeit der Freiheit — charakterisiert werden. Der Geist wird in der Wissenschaft dazu gebracht, die eigene Absolutheit zu erkennen. Im Lichte dieser Erkenntnis weiß er auch Natur und Geschichte als eigene Produktionen, jene als „bewußtloses Tun", diese als „bewußte" Hervorbringung (Gesch. Ph. III 460). Aber erst „in der Wissenschaft weiß er von sich als absolutem Geist" (ebd.), erst in ihr weiß er seine Hervorbringung als eine auf die eigene Absolutheit gerichtete und bringt er sich darin in seiner Absolutheit zur Existenz. Indes haben sowohl das Erkennen wie die Realisierung dieser Absolutheit mit dem, was nicht sie selber ist, anzusetzen. Das Wesen der Freiheit macht es erforderlich, daß das Offenbarwerden seiner Ursprünglichkeit selber kein unmittelbares sein kann, daß der Geist sich zuvor der Freiheit als Resultat und Zweck innegeworden sein muß. Diese beiden Aspekte kommen in den ersten zwei Schlüssen zur Sprache: „In der Gestalt des ersten Zusammen-Schlusses tritt die Freiheit am Ende hervor, während sie in der Gestalt des zweiten Zusammen-Schlusses aktiv hervorgebracht wird"49. So stellt denn auch Puntel — mit Bezug auf die von Henrich vorgenommene Gegenüberstellung der „ursprünglichen Einsicht" Fichtes mit Hegel — die Frage, „ob die Freiheit als „ursprüngliche Einheit" überhaupt gedacht werden kann, ohne daß sie zuvor (oder in einem damit) als Resultat und als Verwirklichung erfaßt und dargestellt wird. Anders gesprochen: kann Freiheit im Sinne des dritten Schlusses begriffen werden, wenn sie nicht zuvor (oder in einem damit) in der Perspektive des ersten und ^weiten Schlusses artikuliert wird?"50 Die Frage ist offensichtlich zu verneinen. Nur ist 49
60
Puntel 345. Ebd. 343 f. Anm.
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die Konsequenz, welche Puntel daraus ableiten will, ebensosehr zu bestreiten. Zwar bilden auch nach seiner Meinung „die drei Schlüsse einen einzigen Ur-Schluß"51. Aber weil er die Selbsterfassung der Enzyklopädie ausschließlich an den ersten Schluß bindet, sieht er in den letzten zwei Paragraphen gerade die Forderung nach einer Vervollständigung der enzyklopädischen Abhandlung durch andere Darstellungen. In diesem Sinne legt er auch die Enzyklopädie auf einen hauptsächlich „negativen" Freiheitsbegriff fest; eine angemessene Ausführung der positiven, „ursprünglichen" Freiheit sei in ihr nur „andeutend artikuliert"52. Demgegenüber muß gesagt werden, daß gerade dasjenige, was für Puntel nur in der „Konsequenz" des enzyklopädischen Ansatzes als Denkerfordernis sich ergibt, zumindest dem Selbstverständnis des Hegeischen Systems nach in der Enzyklopädie selber seine Ausführung finden soll. Dies entspricht jedoch nicht nur Hegels Meinung, sondern der Natur der Sache. Die Freiheit als Manifestation zu begreifen, den Geist „in seinem eigenen Elemente, dem Begriffe, zu fassen" (E § 384A), darin soll nach Puntel die „Aufgabe einer wahrhaft schöpferischen HegelInterpretation" bestehen53. Einen Sachverhalt nach seinem Begriffe darzustellen bedeutet aber gerade, ihn vorerst als „bloßen", ansichseienden Begriff zur Erscheinung zu bringen, um sodann seine Fortbewegung und Entwicklung darzustellen, durch welche er sich erfüllt, zum realisierten Begriff wird, sich selber als Begriff darstellt. Nichts anderes aber war das Unternehmen der Enzyklopädie in bezug auf den Geist. Wenn dialektische Darstellung etwas erst im „nachhinein" in seiner wahren Ursprünglichkeit aufweisen kann, so heißt das ja auch umgekehrt, daß es weder sinnvoll noch möglich ist, von diesem Resultat her einen neuen Darstellungsgang anzusetzen — es sei denn, man wollte die dialektische Darstellungsweise durch einen deduktionistischen Systembau ersetzen. Daß in einem solchen aber gerade das, was als Ursprüngliches und Zugrundeliegendes herausgestellt werden sollte, nicht in seiner Wahrheit — nicht nach seinem Begriff — zur Darstellung gelangen kann, dies hat die spekulative Logik durch ihr eigenes Exempel — als fortwährende Korrektur des verstandesmäßigen Denkens — demonstriert. Somit erweist sich am Ende der Theorie des absoluten Geistes die Enzyklopädie als das wahrhaft einzige System, als das System, welches Wirklichkeit in ihrer Wahrheit zu begreifen vermag. Indem es den freien Geist als die 81 52 53
Ebd. 346. Ebd. 344. Ebd. 346.
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eigentlich ursprüngliche Sache herausarbeitet, offenbart es auch die Freiheit als letzte Perspektive des ganzen Systembaus, als „Gehalt" dessen, was die logische Systematizität des Denkens, die Form der Wahrheit konstituiert. Die Selbsterfassung des Denkens in seiner Freiheit stellt im Hegelschen Konzept jedoch nicht nur eine erkenntnismäßige Leistung dar, sie ist zugleich die reale Erfüllung der Freiheit des Geistes, dessen Verwirklichung als freien. Philosophie, welche die Ursprünglichkeit des Geistes erkennt, ist „Versöhnung des Geistes, und zwar des Geistes, der sich in seiner Freiheit und in dem Reichtum seiner Wirklichkeit erfaßt hat" (Gesch.Ph. III455). Sowohl in seiner „theoretischen" wie „praktischen" Dimension offenbart sich das sich vollendende Denken als geschichtliches Resultat: was in systematischer Hinsicht den Schluß der Enzyklopädie bildet, ist zugleich „die Vollendung der neuzeitlichen Philosophie im Hegeischen System"54. So schildert denn auch Hegel in seinen philosophiegeschichtlichen Vorlesungen den Endpunkt der geschichtlichen Entwicklung in Entsprechung zur inhaltlichen Bestimmung des System-Abschlusses: „Es scheint, daß es dem Weltgeiste jetzt gelungen ist, alles fremde gegenständliche Wesen sich abzutun und endlich sich als absoluten Geist zu erfassen ... Der Kampf des endlichen Selbstbewußtseins mit dem absoluten Selbstbewußtsein, das jenem außer ihm erschien, hört a u f . . . Es ist die ganze bisherige Weltgeschichte überhaupt und die Geschichte der Philosophie insbesondere, welche nur diesen Kampf darstellt" (Gesch.Ph. II460). Die Geschichte der Selbsterfassung des Geistes ist ebenso die Geschichte des vernünftigen Begriffs der Wirklichkeit. Während die Alten nur „die absolute Idee gedacht" haben, ist die Neuzeit von der Idee zum Geist, „von der wissenden Idee zum Sichwissen der Idee" fortgegangen; die Realisierung der Idee aber „hat darin bestanden, die vorhandene gegenwärtige Welt zu begreifen und sie zu betrachten, wie sie an und für sich ist" (Gesch.Ph. III 457f.). Der Konnex, den die Vorlesungen zwischen inhaltlicher und geschichtlicher Fortbestimmung herstellen, findet seinen sachlichen Grund darin, daß jener ursprüngliche Gehalt, der als Grund der systematischen Methode eruiert wurde, sich selber als absolute Geschichte bestimmte. So kann auch in gewisser Hinsicht das Ende der philosophiegeschichtlichen Vorlesungen als Ergänzung oder Konkretisierung des vorrangig inhaltsorientierten Abschlusses der Enzyklopädie gelten. Nicht nur hier wird 54
Theunissen 308.
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Die Theorie des absoluten Geistes
die systematische Selbsterfassung einer Sphäre als Reflexion auf die eigene Geschichtlichkeit vollzogen. Darin erfüllt sich realphilosophisch die prinzipielle Forderung, daß die Wissenschaft als solche — wie alle ihre Teile — die Gestalt eines spekulativen Satzes annehmen müsse. Das Innewerden des eigenen Werdens, des Prozesses, den die Schlußbestimmung selber darstellt, nimmt je nach der verhandelten Sache verschiedene Formen an: als Methodenbestimmung in der absoluten Idee, als Geschichtsbestimmung im objektiven Geist, als die drei Schlüsse der Philosophie im System. Die „zurückschauende", spekulative Gesamtbestimmung ist als Reflexion auf die eigene Prozeßhaftigkeit gleichermaßen die Bestimmung des „Gehalts", um den es letztlich geht. Da sich dessen Begriff zugleich mit dem ihn begreifenden Denken bestimmt, wird in der Offenbarung der Geschichtlichkeit des Denkens auch seine eigene, fundamentale Geschichtlichkeit manifest. Für das „absolute" Denken der Philosophie heißt das, daß es im gleichen Akt sich seiner selbst versichert und den absoluten Gehalt als absolute Geschichte erkennt. Im grundsätzlichen Zusammenfassen der beiden Seiten vollbringt es die Versöhnung des Geistes. In der Philosophie, wie sie sich nach dem Durchlaufen der realphilosophischen Disziplinen auf sich selber zurückbezieht und in ihrer eigenen Logizität erfaßt, vollzieht sich in nunmehr thematischer Form die Zusammenführung der beiden — im Lauf der Durchdringung der Wirklichkeit getrennt auftretenden — grundlegenden Perspektiven von Form und Geschichte. Erst in dieser Zusammenführung werden beide Dimensionen in ihrer absoluten Wahrheit erkannt. Der Gehalt, der darin sich offenbart, heißt Freiheit.
Vierter Teil System und Freiheit
Nach dem Durchlaufen der einzelnen Teile des Systems ist abschließend dieses selber zu befragen. Von der Philosophie als Schlußbestimmung der Enzyklopädie ist zu der Philosophie, sofern sie das Ganze des Systems der Wissenschaft ausmacht, überzugehen. Die Erörterung des PhilosophiebegrifTs hat schon gezeigt, daß dieser Übergang dem abschließenden PhilosophiebegrifF gegenüber nicht äußerlich ist: Philosophie selber hatte sich im Zurücksehen auf ihr Wissen bestimmt. Die Zurückwendung, welche der angemessenen Selbsterfassung der Philosophie zugrundelag, erschöpfte sich nicht in der Reflexion auf frühere Gestalten des realen Geistes oder gar nur des absoluten Wissens; sie implizierte ebensosehr die Vermittlung über die grundlegenden Sphären der ansichseienden und der außersichseienden Idee. Mit ändern Worten: als höchste Form des absoluten Geistes mußte Philosophie sich zugleich in Bezug setzen zum gesamten Wirklichkeitsgehalt, den das enzyklopädische System ausgebreitet hatte, sie mußte dessen immanente Logik in den eigenen Begriff integrieren, um so, analog der absoluten Idee, die Gesamtdimension zu definieren, innerhalb deren ihre Entfaltung zu situieren war, und gleichzeitig sich im Verweis auf dieses Ganze selber zu bestimmen. In gewissem Sinne kann man somit sagen, daß nunmehr, bei der Übertragung der leitenden Fragestellung auf das System als solches, nur das Fazit der bisherigen Untersuchung zu ziehen ist. Schon die Erörterung der verschiedenen „Teile" des Systems sollte sich ja ausschließlich von dieser einen Frage leiten lassen, wie Freiheitsgedanke und Systemcharakter in der Hegeischen Philosophie sich gegenseitig bedingen und durchdringen. Zudem hat die letzte Bestimmung des Systems bereits den Blick auf das Ganze geöffnet, dieses Ganze an sich mitthematisiert. Gleichwohl kann die abschließende Betrachtung nicht einfach bisherige Resultate bilanzieren und die verhandelten Aspekte zu einer Endsumme oder in ein Resümee zusammenfügen. Im Gegenteil entsprach es sowohl der Natur der aufgeworfenen Fragen wie der Eigenart der dialektisch-spekulativen Darstellung, daß die aus der Behandlung abgegrenzter Bereiche resultierenden Antworten des öftern unvollstän-
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System und Freiheit
dig blieben, ja daß die ihnen zugrundeliegenden Fragenkomplexe selber sich als nicht-endgültig offenbarten und auf spätere verwiesen. Zudem mußte, entsprechend den verschiedenen Ebenen, auf der sie gestellt war, die Grundfrage nach dem Zusammenhang von Freiheit und System selber eine differente Gestalt annehmen, und dies nicht nur in ihrer inhaltlichen Bestimmtheit, sondern auch bezüglich der Art der Fragestellung selber. Wie die drei Stufen — Logik, objektiver Geist und absoluter Geist — ja nicht einfach verschiedene Gegenstandsbereiche nacheinander zur Sprache brachten, sondern gewissermaßen in koextensiver Darstellung eine und dieselbe Sache erörterten, so führten sie auch nicht nur zu verschiedenen „Teilantworten" auf eine in sich gleichbleibende Fragestellung, sondern ebenso zur Modifikation und Vertiefung der Frage selbst. So wird es nun darum gehen müssen, unter Berücksichtigung der verschiedenen Aspekte und im Hinblick auf Hegels philosophisches System als ganzes, die zur Diskussion stehende Problematik neu und grundsätzlich zu fassen. Was bedeutet die Beziehung von Freiheit und System für das Ganze der Hegeischen Philosophie, und worauf zielt die unter diesem Gesichtspunkt an Hegel herantretende Deutung ? Versucht man, die verschiedenen bislang beleuchteten Aspekte in einem einheitlichen Konzept zusammenzufassen, so kann dies vielleicht am konsequentesten dadurch geschehen, daß sowohl im SystembegrifF wie in seiner Beziehung zum FreiheitsbegrifF jeweils zwei verschiedene Grundbedeutungen unterschieden werden. Um mit dem zweiten Themenkreis zu beginnen: die Verwiesenheit des systematischen Denkens auf den FreiheitsbegrifF ist in zwei Hinsichten sichtbar geworden, die man mit den Stichwörtern von Form und Inhalt benennen könnte. Die Einleitung der Enzyklopädie beginnt mit der Feststellung, daß die Philosophie des Vorteils entbehrt, „der den ändern Wissenschaften zugute kommt, ihre Gegenstände als unmittelbar von der Vorstellung zugegeben sowie die Methode des Erkennens für den Anfang und Fortgang als bereits angenommen voraussetzen zu können". Das denkende Betrachten schließt so zum einen die Forderung in sich, „die Notwendigkeit seines Inhalts zu zeigen, sowohl das Sein schon als die Bestimmungen seiner Gegenstände zu beweisen" (E § 1). Was sich in der Ausführung des Systems als der notwendige Inhalt des Denkens herausstellte, war der BegrifF des freien Geistes. Freiheit erwies sich als das Ursprüngliche und notwendig Vorauszusetzende auch noch in jenen Bereichen, die vorerst als ihr Gegenteil, als Domäne der Notwendigkeit oder der expliziten Unfreiheit auftraten. Zum ändern darf sich das Denken nicht
System und Freiheit
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auf ein vorausgesetztes „Schema" (E 112) berufen, unter welches es die zu erkennende Wirklichkeit subsumieren könnte; es hat die eigene Art des Begreifens, seine Methode selber unter Beweis zu stellen. Dies ist in erster Linie das Geschäft der Logik. Die Wirklichkeit in der Form der Wahrheit zu erkennen heißt, sie nach der Notwendigkeit des Begriffs aufzufassen. Schon die rein „logische" Deduktion des vernünftigen Begreifens aber ließ die Konvergenz der wahren Erkenntnis mit dem Freiheitsbegriff durchscheinen. Diese Konvergenz wird im Laufe des realen Erkennens selber zur Gewißheit und thematischen Einsicht. Das Fortführen des Gedankens durch die Methode „erweist sich, selbst nichts anderes als die Wiederherstellung desjenigen absoluten Gehalts zu sein, über welchen der Gedanke zunächst hinausstrebte und sich hinaussetzte, aber eine Wiederherstellung in dem eigentümlichsten, freisten Elemente des Geistes" (E 114f.). Freiheit offenbart sich somit als Zielpunkt sowohl der inhaltlichen wie formalen Bestimmungen des systematischen Denkens. Auf der ändern Seite kann der Systemgedanke selber in zweifacher Hinsicht verstanden werden: zum einen als die generelle „logische" Form, nach welcher das wissenschaftliche Erkennen vorgeht und sich zu einem Ganzen zusammenfügt, als die „Systemati^ität" der Wissenschaft; zum ändern als das System selber in jener konkreten Gestalt, die es in der Hegeischen Enzyklopädie annimmt. Während in der Logik eher auf das erste Moment abgehoben wurde, kam in der Erörterung der Geistesphilosophie eher das zweite zur Sprache; in beiden Fällen aber war die Verweisung des einen auf das andere mitzuthematisieren. Zum ersten Aspekt gehörte die Frage, ob in dieser spezifischen Art von Geschlossenheit, wie sie nach dem Modell der Logik dem ganzen System eignet, so etwas wie Freiheit überhaupt noch denkbar ist; zum zweiten Aspekt die Frage, ob die von Hegel vordemonstrierte Folge der Instanzen (so z. B. Natur — Gesellschaft—Geschichte, oder: subjektiver — objektiver — absoluter Geist) und deren Terminierung im Philosophiebegriff in der Lage ist, die darin zur Sprache kommende Wirklichkeit zu begreifen und zugleich ein Bild von Freiheit zu entwerfen, das nicht einfach Hypostasierung sei. Diese beiden Aspekte geben die Grundrichtungen an, die der in mannigfacher Weise an Hegel geübten Kritik zugrunde liegen. Es werden in der zusammenfassenden Darlegung der Problematik die verschiedenen Anschuldigungen aufzugreifen sein, die als Ideologieverdacht oder unter dem Titel der „Abgeschlossenheit des Denkens" an Hegels Adresse gerichtet wurden. Die Applikation der
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verfolgten Fragestellung auf das System als solches wird darzulegen haben, daß der Freiheitsgedanke, ebenso wie er selber nur innerhalb des Systems erfaßt und von diesem her voll bestimmt werden kann, seinerseits letzte Aufklärung über dieses gibt: er stellt den Gehalt dar, von dem her das System sich letztlich bestimmt und im Hinblick auf den allein es einsichtig zu machen ist. Die Ausführung dieses Komplexes kann sich an die unterschiedenen Aspekte von Form und Inhalt einerseits, System und Systematizität anderseits halten. Mit diesen Termini ist eine Beziehungskonstellation angezeigt, die man sich bildlich als Überkreuzung von zwei horizontalen und zwei vertikalen Dimensionen vorstellen mag, wobei allerdings weder die Unterscheidung der beiden Richtungen noch die Sukzession der Momente innerhalb einer Richtung irgendwelche Priorität implizieren soll. In einer solchen „Quadratur" scheinen die wesentlichen Aspekte der Kongruenz von System und Freiheit zusammengefaßt. Sowohl hinsichtlich des Systems wie der Systematizität ergibt sich zum einen die Identität von absoluter Form und absolutem Inhalt und erweist sich anderseits Freiheit als dasjenige, was dieser Identität zugrundeliegt, sie ausmacht. Die abschließende Erörterung des Zusammenhangs von System und Freiheit bedeutet demnach ebensosehr eine abschließende Antwort auf die Frage nach der Freiheit wie auf jene nach dem System. — Gegenüber dem Ausgangspunkt der Untersuchung hat sich so eine gewisse Verschiebung, zumindest Konkretisierung der Fragestellung ergeben. Ursprünglich lag der Hauptakzent eher auf der Frage nach der Freiheit als solcher. Die Spezifizität der Hegeischen Philosophie machte es erforderlich, diese Frage im System als ganzem zu stellen. Im Verfolg der ursprünglichen Frage zeigte sich jedoch immer deutlicher diese im System und ans System gestellte Frage als Frage des Systems selber, bis auf dem höchsten Punkt die beiden Fragestellungen zur vollkommenen Deckung gelangten: die Frage nach der adäquaten Darstellung des Freiheitsbegriffs wurde identischerweise zur Frage nach der wahren Gestalt der Philosophie. Die Frage, wie Freiheit zu denken sei, weitete sich aus zur Frage, wie überhaupt zu denken sei, während umgekehrt die Beantwortung der zweiten Frage in den Bereich der ersten zurückverwies. Dieser Konnex, wie er sich abschließend herstellt, soll nun als ganzer und im Hinblick auf die beiden erwähnten Hauptgesichtspunkte — das von Hegel entworfene System der Philosophie als solches und die darin entfaltete Systematizität des Denkens — kurz zusammenfassend dargestellt werden.
1. System und Freiheit A. Das System, wie es von Hegel in der Enzyklopädie entworfen wird, hat seinen Endpunkt bekanntlich im Philosophiebegriff. In diesem erfaßt es, was es als ganzes ist: philosophische Wissenschaft, System der Philosophie. Die Frage, ob im Hegeischen System so etwas wie Freiheit gedacht werden kann, sieht sich somit als erstes auf die Frage zurückverwiesen, ob Philosophie, so wie sie von Hegel verstanden und ausgeübt wird, für die unverfälschte Thematisierung des Freiheitsgedankens eine geeignete Instanz darstellt. Soll in dieser Untersuchung allerdings nicht nur ein bestimmtes von Hegel entwickeltes Konzept, sondern seine Philosophie selber zur Diskussion stehen, so drängt sich sogleich die weitere Frage auf, was denn hier als Philosophie aufzugreifen und auf seine Freiheitspotentialität hin zu überprüfen sei. Rein abstrakt gesehen, ergeben sich zumindest drei verschiedene Möglichkeiten: der explizite Philosophiebegriff, wie er als dritte Bestimmung des absoluten Geistes und hauptsächlich in inhaltlicher Hinsicht dargelegt wird; der tatsächliche Philosophiebegriff, wie er de facto in der Hegelschen Konstruktion vorausgesetzt und des öftern gerade in seinen Freiheitskonnotationen zur Sprache gebracht wird; und schließlich die von Hegel in seinem System faktisch ausgeübte Art des Philosophierens, die möglicherweise seinem eigenen Selbstverständnis zuwiderläuft und zu Konsequenzen führt, die in ihr ausgeschlossen sein sollten. Hier soll nun allerdings davon ausgegangen werden, daß es angesichts der schwerpunktmäßigen Nachzeichnung des Systems plausibel erscheint, dem Hegeischen Selbstverständnis zu folgen, nach welchem die drei unterschiedenen Aspekte in eins zusammenfallen. D. h. es soll angenommen werden, daß sich Hegels Philosophie im Versuch, die eigenen Prinzipien zu bestimmen, nicht wesentlich mißverstanden hat. Zwar ist hier eine doppelte Einschränkung zu machen. Erstens kann nicht darüber hinweggesehen werden, daß der am Ende der Enyzklopädie explizit vorgestellte Philosophiebegriff die Problematik der Philosophie keineswegs ange-
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messen oder vollständig zur Sprache bringt. Seine volle Bedeutung erhält er erst, wenn er in konkreter Bezugnahme auf das System, das er abschließt, gelesen wird und sowohl die Erkenntnisse der Logik wie der Real- und besonders Geistesphilosophie in ihn eingebracht werden. Jedoch hat das, was so zur Ergänzung seiner „verkürzten" Fassung vorgebracht wird, nicht als seine Widerlegung, sondern eher als seine Verifikation zu gelten. Auch die Erweiterung der in ihm angesprochenen Thematik auf die prinzipielle Fragestellung von System und Freiheit hin vollzieht sich in der Konsequenz seines eigenen Ansatzes. Zum ändern erscheinen gewisse Einzelbestimmungen, wie sie im Verlauf der Realphilosophie — eventuell sogar der Logik — vorkommen, in merkwürdigem Kontrast zur allgemeinen Freiheitsintention des Systems. Schon die Untersuchung der Rechtsphilosophie hatte auf solche Punkte hingewiesen; unter dem Gesichtspunkt der „Systematizität" wird auf sie erneut einzugehen sein. Jedoch können auch sie nicht als Indiz einer grundsätzlichen Divergenz zwischen Systemgedanken und real ausgeführtem System — eher schon als Inkonsequenz in der Realisation des erstem — gelten. Beide Einwände verbieten also nicht, die Frage nach der Freiheit in prinzipiell einheitlicher Weise an Hegels Philosophie zu richten und dessen System als Ausführung des in ihm explizierten Philosophiebegriffs zu verstehen. Nicht aber ist mit der Einheitlichkeit des Philosophiekonzepts bereits die Eindeutigkeit der Frage nach dem Freiheitsbezug der Philosophie gewährleistet. Auch hier bieten sich verschiedene Gesichtspunkte an. Eine schon angesprochene Perspektive ist in der Deutung von Puntel enthalten: sie läuft darauf hinaus, der enzyklopädischen Fassung der Philosophie gar keinen „Freiheitsanspruch" zu unterstellen; nur die selber „dreidimensionale" Ausführung erhebt nach ihm einen solchen Anspruch, den sie dann, so vervollständigt, auch zu erfüllen in der Lage ist. Auf diesen Vorschlag ist hier aus den bereits geltend gemachten Gründen nicht weiter einzugehen; er beruht m. E. auf einer falschen Interpretation des spekulativen Systemcharakters. In eine ganz andere Dimension verweist die Fragestellung, die H. F. Fulda in seiner Abhandlung „Das Recht der Philosophie in Hegels Philosophie des Rechts" entwickelt. Auch er überschreitet die in der Enzyklopädie selber thematische Darstellung, nicht jedoch um deren „systematische" Defizienz zu beheben, sondern um einer Fragestellung nachzugehen, die außerhalb ihres primären Gegenstandsbereichs liegt. Sie läßt sich so formulieren: inwiefern ist nach Hegelschem Verständnis die Philosophie nicht nur „prakti-
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sehe Philosophie" im traditionellen Sinn — d. h. Philosophie, welche Praxis zu ihrem Thema hat —, sondern selber „praktisch", an der realen Verwirklichung von Freiheit beteiligt? Systematisch ausgedrückt: Welches ist die Funktion der — in der Theorie des absoluten Geistes begriffenen — Philosophie, wenn diese in ihrer realen Existenz, als Instanz des objektiven Geistes betrachtet wird? Die selber auf der Grundlage des Systems aufbauende Ausführung dieser Fragestellung führte zu einer Disziplin, die nur mehr „hinsichtlich ihrer formellen Seite" als „Teil der Enzyklopädie" zu verstehen wäre; in Analogie zur Phänomenologie „könnte sie 'Eleutherologie des Geistes' heißen. Die Philosophie würde in ihr als Freiheitsbestimmung des sittlichen Willens abgehandelt"1. Es ist offensichtlich, daß hier ein eminent wichtiges und nicht minder aktuelles Problem angeschnitten wird. Seine Klärung könnte dazu beitragen, Hegels System im Horizont der Marxschen Forderung nach Verwirklichung der Philosophie neu zu überdenken. Hier indes muß dieser Gesichtspunkt im Hintergrund bleiben, da es vordringlich um den „theoretischen" Systemcharakter selber zu tun ist. Gerade an diesem soll offenbar werden, daß und inwiefern Philosophie als ganze „praktische Philosophie", ihr Thema insgesamt die Freiheit ist. Diese grundsätzliche, das System als solches betreffende Freiheitsdimension der Philosophie wird auch die Grundlage abgeben für die ändern Gesichtspunkte, die hier eingebracht werden können: sowohl für die „Versöhnung des Geistes", welche die Philosophie an ihr selber sein soll, wie auch für den Beitrag, den Philosophie zur realen geschichtlichen Emanzipation soll leisten können. Ihr Eingreifen in die gesellschaftliche und staatliche Wirklichkeit kann nur dann als spezifisch von der Philosophie zu leistende und im radikalen Sinn „praktische" Tätigkeit gewertet werden, wenn das Anliegen der Freiheit für die Philosophie selber kein akzidentelles ist, sondern ihre eigenste und allgemeinste Intention ausmacht. Wie Fulda in seiner Studie nachweist, vermag Philosophie nur dann „kritische Theorie" zu sein, wenn sie sich zugleich als „reine Theorie", als „Selbstzweck" versteht2. Als Selbstzweck ist sie nicht die Verabschiedung des Freiheitsgedankens, sondern im Gegenteil dessen Radikalisierung. Freiheit soll das Hauptthema des Systems als solchen sein. Eingangs der Untersuchung stellte sich die Frage, an welcher Stelle und auf welche Art innerhalb des Systems Freiheit thematisch und von der Interpretation 1 2
Fulda, Das Recht der Philosophie in Hegels Philosophie des Rechts 21 f. Vgl. Theunissen, Die Verwirklichung der Vernunft.
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aufzunehmen sei. Die eingeschlagene Strategie, Freiheit im Zusammenhang des Systems als ganzen zu untersuchen, hat im Verlauf der Analyse sowohl von selten der Form wie des Inhalts zugleich ihre Berechtigung und ihre Konkretion erfahren. Nur in der stringentesten Form systematischer Reflexion und in deren konsequenter Durchführung kann der Freiheitsbegriff eindeutig und in seiner vollen Bestimmtheit erfaßt werden. Das „unendlich viel Geschwätze", in das in „neueren Zeiten" Wörter wie Vernunft und Freiheit hineingezogen worden sind, hat diese Begriffe dem Bewußtsein „ekelhaft" werden lassen (R §272A); daß Freiheit „ein unendlich vieldeutiges Wort ist, daß sie, indem sie das Höchste ist, unendlich viel Mißverständnisse, Verwirrungen und Irrtümer mit sich führt und alle möglichen Ausschweifungen in sich begreift, dies ist etwas, was man nie besser gewußt und erfahren hat als in jetziger Zeit" (Ph. Gesch. 33). Dem „Geschwätze" und der „Vieldeutigkeit", die dem „höchsten" Gegenstand anhaften, soll in der Philosophie ein Ende bereitet werden. Doch gerade wenn man diese Absicht bedenkt, mag es zunächst erstaunen, in Hegels System nirgendwo einen Traktat zu finden, in welchem Freiheit klar und bündig definiert und abgehandelt würde. Was „an Stelle" der traditionellen Lehre von der praktischen Freiheit, der Ethik, tritt, ist die Rechtsphilosophie. Indes stellt sich auch diese, indem sie sich als Theorie des objektiven Geistes versteht, von vornherein in einen größeren Rahmen, versteht sie sich als in sich unabgeschlossene Theorie. Zudem ist ihr Gegenstand nicht der Freiheitsbegriff als solcher, sondern das Recht als Dasein des freien Willens; zur grundlegenden Bestimmung dessen, was den Gehalt dieses Rechts ausmacht, verweist sie sowohl zurück in die Theorie des subjektiven Geistes, deren höchste Bestimmung der Begriff des „freien Geistes" ist, wie vorwärts auf die absolute Erfassung dieses Gehalts an ihm selber. Am ehesten könnte die Geistesphilosophie in ihrer Gesamtheit als Freiheitstheorie innerhalb des Systems gelten. Schon hierin unterscheidet sich der Hegelsche Ansatz in bezeichnender Weise von überkommenen Denkschemen, die von einer eindeutigen Trennung zwischen theoretischem und praktischem Bereich ausgehen. Aber auch die Geistesphilosophie macht sowohl in der innern Logik ihres Aufbaus wie in ihrem Endpunkt deutlich, daß sie selber nur Teil ist, daß sie auf dem Systemgedanken als solchem aufruht und nur von diesem her volle Einsichtigkeit besitzt. Dieser Systemgedanke wurde eingangs in seiner reinen „Form", in der Wissenschaft der Logik zu fassen versucht. Hier schien sich zunächst die Möglichkeit darzubieten, den Freiheitsgedanken an einer präzisen Stelle und
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eindeutig zu definieren: beim Übergang vom Wesen zum Begriff. Jedoch ist nicht eigentlich Freiheit, sondern das angemessene Verständnis der Notwendigkeit vorrangiges Thema der entsprechenden Stelle; Freiheit ist nicht eine „logische" Kategorie, die unter ändern abgehandelt würde; ihre Funktion innerhalb der logischen Betrachtung ist gewissermaßen die eines Prädikats, nicht eines Subjekts. „Logischer" Gegenbegriff der Notwendigkeit ist nicht die Freiheit, sondern die Zufälligkeit; umgekehrt wird in der Geistesphilosophie das Freiheitsmoment der begrifflichen und historischen Entfaltung des öftern gerade unter Verweis auf dessen immanente Notwendigkeit hervorgehoben. Wenn Freiheit in der Logik dennoch vorkommt, ja zum fundamentalen Thema wird, dann als Kennzeichnung des Ganzen, als allgemeines Merkmal des vernünftigen Denkens, der Form der Wahrheit überhaupt3. Als solche das Ganze übergreifende Bestimmung wird sie gemäß den Regeln des spekulativen Denkens selber als Schlußbestimmung dieses Ganzen thematisch gemacht; in der absoluten Idee wird Freiheit selber noch als logische Form gedacht. Was so von der Logik gilt, bewahrheitet sich auch für das System als ganzes: gerade weil Freiheit die „Sache selbst" ist, um die es geht, entzieht sie sich der „direkten" Thematisierung. Sie kann nicht zum „Objekt" oder „Gegenstand" der Untersuchung gemacht werden im gleichen Sinn wie die verschiedenen Detailbestimmungen; indem sie den Geist als ganzen charakterisiert, sein Wesen oder seine „Substanz" ausmacht (vgl. R § 4, §7; Ph. Gesch. 30), bleibt sie seiner realen „Bestimmtheit" gegenüber transzendent, kann sie nicht auf der gleichen Ebene wie diese zum Thema gemacht werden. Zwar wird auch im System, analog der Logik, die Grundbestimmung des Ganzen noch zum expliziten Inhalt des sich vollendenden Denkens gemacht. Wie der Abschnitt über die absolute Idee die eigentliche „logische" Theorie der Freiheit — der Freiheit als „Form", somit noch einseitig betrachtet — darstellt, so kann die Theorie des absoluten Geistes als eigentliche Theorie der wirklichen Freiheit im Hegeischen System betrachtet werden. Mehr aber als alle ändern Momente verweist die Schlußbestimmung auf das Ganze der systematischen Entfaltung; die abschließende „Theorie" der Freiheit ist in erster Linie Anweisung darüber, wie Freiheit im System selber gedacht werden muß. Jeder Versuch, den Freiheitsgedanken auf 3
Deshalb auch ihre Erwähnung beim Übergang zum Begriff: dort wird der prinzipielle Übergang zum spekulativen Denken selber in den Termini logischer Verhältnisse nachvollzogen.
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eine Bestimmung innerhalb des Systems festzulegen, läuft Gefahr, ihn verkürzt oder verfälscht darzustellen4. Der Nachvollzug des Systemgedankens hat jedoch auch zur komplementären Erkenntnis geführt. Nicht nur kann Freiheit allein im System als ganzem adäquat dargestellt werden, sondern es ist auch umgekehrt zu sagen, daß dieses an ihm selber auf den Freiheitsgedanken verweist, und dies in zweifacher Hinsicht. Der Form nach zeigte sich die Enzyklopädie nach der Logik des Begriffs — genauer: der absoluten Idee — aufgebaut, d. h. nach der Logik dessen, was in seinem Gehalt nicht anders denn als Form freier Selbstbeziehung gedacht werden kann. Die immanente Entwicklung des Systems folgt der Logik der Explikation der Freiheit. Die Erfordernisse und Implikationen dieser Selbstexplikation sind es, welche das Movens der spekulativen Methode ausmachen; Freiheit stellt den absoluten Maßstab dar, dem sowohl der ganze Systembau wie dessen einzelne Dimensionen gerecht zu werden haben. Die Notwendigkeit, etwas in seiner Wahrheit — so wie es an ihm und von ihm selber her ist, in seiner „Freiheit" — aufzufassen und darzustellen, nötigt dazu, es sowohl in seiner Unmittelbarkeit wie in seiner Vermittlung vor Augen zu führen, in seiner Entfaltung die Realisierung (oder Verfehlung) des eigenen Begriffs sichtbar zu machen. Die Stufenfolge der Bestimmungen, unter denen Wirklichkeit zur Sprache kommt, kann als Hierarchie von Freiheitsgestalten verstanden werden; wie in der Logik, so ist es auch im System das Noch-nicht-Idee-sein, welches die einzelnen Bestimmungen zu defizienten macht, sie zu vorläufigen herabsetzt und dazu zwingt, über ihre Einseitigkeit hinauszugehen, sie durch ihr Gegenteil zu ergänzen und ihre Realität dem anzunähern, was sie ihrem Begriff nach zu sein beanspruchen. Daß auch die in sich umgrenzten Begriffe solcherart über die eigene — ebenso beschränkte — Verwirklichung hinausdrängen, ist nur deshalb möglich, weil ihr aller ursprünglicher Begriff — im Hinblick auf welchen die bestimmten Begriffe Erfüllungen, Realisationen sind — die Freiheit ist. 4
So sagt Hegel von Schelling, daß dieser „eine einzelne Abhandlung über die Freiheit bekanntgemacht" habe, die zwar „von tiefer, spekulativer Art" sei; „sie steht aber einzeln für sich, in der Philosophie kann nichts Einzelnes entwickelt werden" (Gesch. Ph. III 453). Allerdings ist zu sagen, daß gerade Schelling im ersten Abschnitt dieser Abhandlung darauf insistiert, daß die richtige Definition des FreiheitsbegrüTs und die Untersuchung des „Zusammenhangs dieses Begriffs mit dem Ganzen einer wissenschaftlichen Weltansicht" „in eins zusammen"-fallen; der Freiheitsbegriffsoll „kein bloß untergeordneter oder Nebenbegriff, sondern einer der herrschenden Mittelpunkte des Systems seyn" (Schriften 1806—1813, S. 280).
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Der erste Aspekt führt unmittelbar zum zweiten, die Freiheit als Form zur Freiheit als Inhalt. Erst in diesem fundiert sich jene: Daß Freiheit den allgemeinen Inhalt des Gedankens ausmacht, ist der Grund für dessen Notwendigkeit, sowohl die eigenen Grundnormen wie die konkreten Inhalte am Maßstab der Freiheit zu messen. Gerade das freie Denken, dem die Form der Wahrheit alleinige Richtschnur ist, treibt zur Erkenntnis, daß die absolute Norm selber inhaltlich fundiert, daß ihre eigene Bestimmtheit die der Freiheit selber ist. Die ihrer selbst bewußt gewordene Philosophie erkennt, daß sie im Begreifen der Wirklichkeit ein Thema hat: die Freiheit. In dieser konvergieren Form und Inhalt der Philosophie5. Indem sie sich als Denken der Freiheit weiß, weiß sie sich auch in ihrer Gesamtheit als „praktische Philosophie", als Philosophie, die zwar weder in die unmittelbare Praxis eingreift noch diese zum ausschließlichen Thema hat, wohl aber das Ganze der Praxis von ihrem Grund und ihrer allgemeinsten Bestimmung her denkt. Philosophie kann nicht unmittelbar zur praktischen Handlung werden — in diesem Sinne bleibt auch die schlichte Forderung nach dem „Praktischwerden" der Theorie eine „nachhegelsche Abstraktion"6, insofern sie nämlich eine ebenso abstrakte Gegenübersetzung von Theorie und Praxis voraussetzt. Für Hegel ist die geschichtliche Bewältigung der Gegenwart dieser selber „zu überlassen und ist nicht die unmittelbar praktische Sache und Angelegenheit der Philosophie" (Rel II 344). Wenn diese aber gleichwohl auf vermittelte Weise menschliches Handeln zu motivieren, ja zu fundieren vermag, so deshalb, weil sie in anderem und radikalem Sinn an ihr selber, vor aller Übersetzung in die Tat, bereits „praktisch" ist. Und zwar ist sie dies nicht nur in dem bereits erwähnten Sinn der „philosophia practica", welche Freiheit zu ihrem Gegenstand — und bei Hegel auch zu ihrer „Form" — hat, sondern in der wörtlicheren Bedeutung, daß nämlich die wahre Theorie selber Ausübung dieser Freiheit, Vollzug von Versöhnung ist. In der Nachfolge der Religion soll ja auch die Philosophie Theodizee und darin höchste Versöhnung des Geistes mit der Wirklichkeit sein. Daß sie dies zu sein vermag — die Praxis der Theorie — liegt seinerseits wieder in der Theorie der Praxis begründet — darin, daß Freiheit die Grundbestimmung des philosophischen Denkens ausmacht. Als spezifische Einsicht der Philosophie hat sich die Einsicht in die Ur6
Ähnlich sagt die Geschichtsphilosophie von der Vernunft, daß sie sowohl „der unendliche Stoff alles natürlichen und geistigen Lebens wie die unendliche Form, die Betätigung dieses ihres Inhalts ist" (Ph. Gesch. 21).
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Vgl. Bubner, Theorie und Praxis — eine nachhegelsche Abstraktion.
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sprünglichkeit der Freiheit herausgestellt. Indem Philosophie faktisches Handeln auf seinen absoluten Grund, die an sich seiende Freiheit des Geistes, zurückbezieht, eröffnet sie dem subjektiven Bewußtsein zugleich die Möglichkeit wahrhaft emanzipatorischer Praxis und gibt ihm die Gewißheit, daß Vernunft in der Wirklichkeit nicht nur schlechte Illusion, sondern reale Möglichkeit ist. In dem Maße, wie das Bewußtsein von der grundsätzlichen „Vernünftigkeit" des Wirklichen — in Termini der Religion: das Bewußtsein von der an sich vollzogenen Versöhnung — zur Gewißheit wird, wird auch die Befugnis zur weltgeschichtlichen Realisierung dieser Vernunft zum Auftrag. Von der zuerst entfaltetenDimension aus erschließen sich so im Hegeischen Denken auch die weitern Perspektiven, in denen sich Philosophie als praktische dartut. Indem die Freiheit als absolute Voraussetzung zugleich Form und Inhalt des philosophischen Denkens bestimmt, wird Philosophie an ihr selber zur Versöhnungsinstanz und legt sie den Grund für praktisch-politische Tätigkeit. Der Zusammenhang der drei Ebenen stellt die Konstellation dar, in welcher die Theorie-Praxis-Problematik bei Hegel gedacht werden muß7. Wie in der Sphäre der Geschichte das Bewußtseins- und Wissensmoment sich für die wirkliche Befreiung als unabdingbar ergeben hatte, so offenbart umgekehrt das reine Wissen auf der höchsten Ebene an ihm selber seine „praktische" Seite, welche nun allerdings nicht mehr bloßes Moment ist, sondern das Wissen sowohl nach seinem ganzen Wesen und Umfang wie auch in höchster Weise auszeichnet.
B. Freiheit hat sich als Zentrum und Angelpunkt des Systems ergeben. Philosophie ist als ganze auf den Freiheitsbegriff ausgerichtet, sie ist ihrer wesentlichen Bestimmung nach Freiheitstheorie. Anhand von zwei zentralen Gesichtspunkten soll näher spezifiziert werden, was es für das System bedeutet, daß seine Form und sein Inhalt durch den Freiheitsbegriff konstituiert werden. Das System ist Freiheitstheorie, indem es einerseits Geschichtsphilosophie, anderseits Theorie des absoluten Geistes und letztlich Theorie der Philosophie — oder sich begreifende Philosophie — ist. Es wurde bereits hingewiesen auf die sachliche Übereinstimmung zwischen dem Ende des Systems und dem Abschluß der Philo7
Vgl. Theunissen, Hegels Lehre vom absoluten Geist 387 ff.
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sophiegeschichte. In analoger Weise hatte sich die geschichtliche Entfaltung für die gesamte Sphäre des absoluten Geistes als wesentliches Moment geltend gemacht, und dies sowohl in der Aufeinanderfolge der Grundstufen wie innerhalb einer jeden von ihnen. Die grundlegende geschichtliche Dimension im Bewußtwerden des Geistes von sich selber, die sich in der „Entsprechung" von Weltgeschichte, Wissenschaftsgeschichte und systematischer Philosophie ausdrückt, ist Indiz einer Kongruenz zwischen dem Gehalt der Geschichte und dem Gehalt der Philosophie selber. Darauf hatte auch schon die separate Erarbeitung beider Bereiche aufmerksam gemacht. Wie der Begriff der Weltgeschichte nur in der Perspektive des sich befreienden Geistes durchsichtig zu machen war, so hat auch der Philosophiebegriff seinen letzten Bezugspunkt im Begriff des Geistes gefunden. Gerade auf seiner höchsten Stufe hatte sich aber der absolute Inhalt des Denkens als in sich selber geschichtlich, als absolute Geschichte gezeigt. Denken der Freiheit ist sowohl dem Inhalt wie der Art nach, wie gedacht wird, Denken der Geschichte. Die Absolutheit der geschichtlichen Dimension betrifft nicht nur die Gebundenheit des Philosophen an seine Zeit, sondern ebenso den zu denkenden Gehalt an ihm selber und nach seiner höchsten Bestimmung. Als erstes hatte sich dies bereits in der „reinen" Darstellung des Systems, in der spekulativen Logik erwiesen. Die absolute Idee als zusammenfassende Gesamtbestimmung des Logischen sollte den Status und die Form dieser reinen Systematik bestimmen. Indes wurde gerade der Ort dessen, was zunächst als absolute Selbstbeziehung des Logischen erscheinen könnte, zum Ort des „Einbruchs" jenes Gehalts, der dieser reinen Form zugrundeliegt. Zwar hatte der Vergleich mit der Logik des Marxschen „Kapital" dazu beigetragen, schon an früheren Stellen — und insbesondere in Bezug auf die allgemeine Kennzeichnung der drei Hauptstufen Sein, Wesen und Begriff — die gerade auf den Freiheitsbegriff ausgerichtete „Inhaltlichkeit" der logischen Formen aufzuweisen. Doch blieb diese inhaltliche Bestimmtheit gewissermaßen implizit oder an sich; erst durch die abschließende Reflexion wird sie in den Vordergrund gerückt und selber zur „Bestimmung" des Logischen gemacht. Dieses Explizitwerden vollzieht sich in der absoluten Idee allerdings selber noch im Rahmen der Form, als logische Form. Indem es aber die in der Logik zur Sprache kommende „Sache selbst" offenlegt, stellt es sich über das „innerhalb" der Logik Verhandelte, als absoluter Begriff über die Begriffsbestimmungen, als absolute Form über die Formbestimmungen. Die absolute Idee ist nicht äußerliche Zusammenraffung
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von bereits Gesagtem, der „Methodenabschnitt" nicht ein Resümee der Logik. Vielmehr geht es darum, auf selber noch logische Weise dasjenige zu begreifen, was im Lauf der logischen Abhandlung in seinen verschiedenen Facetten zur Sprache gekommen ist. Diese radikale Selbstbesinnung oder „Erinnerung" führt die Totalität des Logischen so vor Augen, daß dieses zugleich auf seinen „realen" Gehalt hin transparent gemacht wird: den Gehalt des Geistes, welcher die Freiheit ist. Daß die Abschlußbestimmung der darstellungslogische Ort ist, an welchem sich der „gehalts-" und näher: geschichtsmäßige Aspekt geltend macht, davon zeugen in anderem Kontext sowohl das „Kapital" wie die „Rechtsphilosophie". In letzterer dient der Abschnitt über die Weltgeschichte nicht nur dazu, die in der vorausgegangenen Abhandlung dargestellte Totalität des sittlichen Gemeinwesens, den modernen Staat, in zeitlicher Hinsicht zu situieren, sondern primär dazu, seine „inhaltliche" Dimension vor Augen zu führen: das, worum es dem objektiven Geist geht, die Geschichte der Befreiung des Geistes. In frappanter Weise macht auch die Logik des Kapitals den notwendigen Einbruch der Geschichtsdimension in die systematisch orientierte Darstellung kund. Gerade indem Marx nicht eine historische Beschreibung des modernen Gesellschaftssystems verfolgt, sondern dessen „Strukturen" in ihrem dialektischen Zusammenhang aufweisen will, kann er die geschichtliche Dynamik als wesentliche Dimension des Systems selber mitthematisieren; indem er „sich streng an die Sachlogik hält", kommt er dem „geschichtlichen Gehalt näher, als wenn er sich damit begnügte, der unmittelbar vorliegenden Entwicklung chronologisch zu folgen"8. Das Kapitel über die ursprüngliche Akkumulation, welches dann den geschichtlichen Gehalt, der auch alle vorausgehenden Kategorien implizit mitkonstituiert, zum ausdrücklichen Thema macht, überschreitet nicht einfach die Grenzen des Systems auf Historik hin; in der ursprünglichen Akkumulation kommt nach Schmidt „das reale Werden des Wesens" zur Erscheinung: „der (Hegeische) 'Grund' dessen, womit die theoretische Arbeit jenes Werks beginnt". Dieser „Grund" aber, „auf den die Erkenntnis sich zubewegt, ist kein absoluter Begriff, sondern die alle logische Immanenz sprengende, nie zu vergeistigende Geschichte"9. So soll die „Sprengkraft historischerDialektik" selber „auf logischem Wege" eingeholt, Geschichte „nicht äußerlich-weltanschaulich ins System einge8
9
A. Schmidt, Geschichte und Struktur 43. Ebd. 64f.
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führt, sondern (jedenfalls der Idee nach) streng aus dessen Prämissen abgeleitet" werden10. Eine solche Interpretation mag zwar für eine Dialektik wie die des Kapitals einleuchtend sein, ohne sich deshalb schon für jede andere Art von dialektischer Systematik aufzudrängen. Bewegt sich doch die Kapitalslogik nicht nur innerhalb eines zugestandenermaßen geschichtlichen Rahmens, sondern auch gemäß einer Form, welche gerade nach ihrer Fundierung in einem ändern, nicht-formalen Moment zu verlangen scheint. In diesem Sinne ist Marx' Meinung zuzustimmen, daß die systematische Methode die Punkte aufweist, „wo die historische Betrachtung hereintreten muß" (GR 364), auch wenn man damit noch nicht die Auffassung zu teilen braucht, daß die Einbeziehung des Historischen in den systematischen Kontext die „Grenzen" der „dialektischen Form der Darstellung" markiert (GR 945). In Wahrheit aber, und dies hatte sich auch als Ergebnis der Logik-Analyse selber ergeben, ist die Verweisung des Systematischen auf den in ihm sich darstellenden Gehalt nicht auf dessen negative Version beschränkt: nicht nur weist das in sich verkehrte, nach einer „Logik der Unfreiheit" strukturierte System auf einen realen Unterdrückungszusammenhang hin, sondern ebenso offenbart die Logik des erfüllten Begriffs den ihr zugrundeliegenden realen Freiheitsgehalt. Wie die Ahistorizität der bürgerlichen Gesellschaft selber geschichtlich erzeugt ist (und eine historische Aufgabe erfüllt), so ist noch die künstliche Abstraktion eines rein strukturellen Zusammenhangs ein „inhaltsmäßiger" Zug eben dieses Zusammenhangs. Erzeugte Opazität ist gleichermaßen Transparenz, die Unterdrückung von inhaltlicher Aussage selber eine Aussage über das System, das solche Einsicht zu verhindern sucht. Dessen sind sich sowohl Hegel wie Marx bewußt: denn hierin ähneln sich die mit dem Anschein der Immergleichheit auftretende, in sich geschlossene Gesellschaftsformation und das dem abstrakten Identitätsgesetz verpflichtete System des verstandesmäßigen Denkens. Beide Schemen bewegen sich innerhalb des Kreises der Notwendigkeit und realisieren jene Abgeschlossenheit, die später zwar den Hauptvorwurf gegen Hegel bildet, über die aber spekulative Dialektik gerade hinausgelangen will. In der „absoluten Idee" wird „in" der Logik die Struktur einer Systematik entworfen, die letztlich nicht mehr nur „innerlogisch" verstanden werden kann, sondern selber schon eine Vermittlung von logischer Form und Geschichte herstellt. 10
Ebd. 72.
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Vollends deutlich wird dies am Ende der Enzyklopädie, wo das Logische selber als Funktion des Geistes offenbar wird. Der Geist aber hat seine Affinität zur Geschichte, die wesentliche Geschichtlichkeit des eigenen Wesens bereits dargelegt. Am klarsten geschieht dies im Bereich seiner realen Existenz: der objektive Geist führt seine Auseinandersetzung mit Natur und Gesellschaft zuletzt auf den einen Boden der Weltgeschichte zurück. Was zunächst als Eigen-Teleologie des arbeitenden, des gesellschaftlich handelnden, oder des sittlich sich bestimmenden Bewußtseins in Erscheinung tritt, wird zum Moment jener Gesamtteleologie des Geistes, die im Begreifen der Geschichte offenkundig wird: der Verwirklichung des freien Geistes. Geschichte stellt in der Theorie der geistigen Wirklichkeit das einzige Absolutum dar; weder Gesellschaft noch Staat — geschweige denn das Recht — sind der Boden, auf welchem endgültige Aufklärung über den Sinn menschlichen Daseins möglich ist. Nicht schon die Intersubjektivität und die Vergesellschaftung sagen die Wahrheit über das Individuum aus, sein letztgültiger Referenzpunkt ist allein die Geschichte11. Die nähere Ausführung dessen, was Geschichte ist, führt zu einer Bestimmung des Geistes, die indes nicht nur dessen objektive Existenz, sondern den Geist als solchen kennzeichnet. Hierin zeigt sich umgekehrt der Geist als ganzer und in seiner Absolutheit als geschichtlicher, Geschichte als seine wesentliche Bestimmung. Die philosophische Betrachtung erkennt die Geschichte als Ausdruck der Macht und Manifestation des Geistes. Nur dann kann Geschichte auf ihren eigenen Begriff hin durchsichtig gemacht, die Vielfalt der historischen Ereignisse in ihrer Wahrheit gefaßt werden, wenn in ihr das „Werden" des Geistes „zu dem, was er an sich ist" (PG 585), erkannt wird. Geschichte verweist wesentlich auf den Geist, weil dieser seinerseits erst im geschichtlichen Vollzug er selbst ist: „Der Geist zeugt sich selbst und ist erst im Zeugnis; er ist nur, indem er sich zeugt, sich bezeugt und sich zeigt, sich manifestiert" (Gesch. Ph. I 94). Manifestation hat sich sowohl in der Theorie der Geschichte wie in der Religion als höchste Bestimmung des Geistes ergeben, wie auch in den drei Schlüssen der Philosophie — nach den Worten Puntels, der sie zwar nicht auf diese Schlüsse selber beziehen will — „die Freiheit-als-Manifestation" als „die angemessen begriffene Freiheit11*" sich erweist. In der Manifestation, in welcher der Geist nicht irgend „einen von seiner Form verschiedenen Inhalt, sondern seine, den ganzen Inhalt des Geistes ausdrückende Form" 11 lla
Vgl. Theunissen, Gesellschaft und Geschichte. Puntel, Darstellung, Methode und Struktur 345.
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offenbart, zeigt sich der Geist an ihm selber als absolute Geschichte. Wie sich in der Weltgeschichte die Vernunft offenbart „und nichts in ihr sich offenbart als sie, ihre Ehre und Herrlichkeit" (Ph. Gesch. 21), so ergründet die philosophische Betrachtung, welche die Vernunft des Wirklichen zu ihrem Gegenstand hat, dessen nicht-hintergehbare und in sich absolute Geschichtlichkeit. Sofern Philosophie zu ihrem höchsten Gegenstand die Freiheit des Geistes hat, ist sie als ganze und in radikalem Sinn Geschichtsphilosophie. Geschichte in ihrer höchsten Form, als Manifestation, kennzeichnet den Gesamtinhalt, um den es der Philosophie zu tun ist, genauso wie die Form, nach welcher Vernunft zu denken hat. Dies ist der eine Aspekt, unter welchem der Zusammenhang von System und Freiheit zu illustrieren war. Das System, indem es Theorie der Geschichte ist, ist Freiheitstheorie. Noch auf der höchsten Stufe, der Lehre von der Philosophie selber, bricht Geschichte durch. „Die Aufeinanderfolge der Systeme der Philosophie in der Geschichte" ist „im ganzen" dieselbe „als die Aufeinanderfolge in der logischen Ableitung der Begriffsbestimmungen der Idee" (Gesch. Ph. 149; 59). Hierin ist nicht einfach die faktische Zeitgebundenheit anvisiert, etwa daß jede Philosophie als „Darstellung einer besonderen Entwicklungsstufe. . . ihrer Zeit" angehört und „in ihrer Beschränktheit befangen" ist (ebd. 64). Vielmehr geht es um die Geschichtlichkeit des Denkens selber. Die erkannte Wahrheit muß als Totalität alle Momente der Idee als Abstraktionen ihrer selbst, als eigene partielle „Vorstufen" enthalten; das freie Denken ist der sich erfassende Geist. Das Sichfinden des Gedankens, als welches allein Denken wirklich und gegenwärtig ist, ist seinem Wesen nach Geschichte. Die vergangenen „Taten des Denkens scheinen zunächst, als geschichtlich, eine Sache der Vergangenheit zu sein und jenseits unserer Wirklichkeit zu liegen. In der Tat aber, was wir sind, sind wir zugleich geschichtlich" (ebd. 21). Gegenwart des Gedankens, Erfülltsein des Begriffs ist selber Geschichte.
C. Wenn dieser erste Gesichtspunkt, daß nämlich das System gerade als Geschichtsphilosophie Freiheitstheorie ist, dem gängigen Verständnis nicht allzusehr abwegig scheint, so verhält es sich anders mit dem zweiten. Dieser besagt, daß das System insofern seinen Fokus im Freiheitsbegriff hat, als sein Zielpunkt die Theorie des absoluten Geistes und letzt-
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lieh die Selbsterfassung der Philosophie ist. Gegen diese These und ihre scheinbaren Implikationen sind seit je die Haupteinwände gegen Hegel geführt worden. Im Hegeischen Verständnis impliziert die These, wie sie soeben formuliert wurde, ebenso ihre Umkehrung; die Beziehung zwischen Freiheitstheorie und System qua Theorie des absoluten Geistes ist eine reziproke. Auf der einen Seite kann man sagen, daß die Systematik des Wissens erst dann ihren Abschluß findet und sich als System vollendet, wenn sie ihren letztlichen Inhalt, die Freiheit, an ihm selber und in seiner Absolutheit — eben in einer Theorie des absoluten Geistes — begreift und darstellt. Der Systemgedanke schließt den Freiheitsgedanken in seiner absoluten Fassung in sich ein. Auf der ändern Seite entspricht es dem Selbstverstädnis der Enzyklopädie, daß Freiheit erst dann in ihrer wahren Natur erkannt ist, wenn sie im Zusammenhang des Systems, und d. h. in einer Theorie des absoluten Geistes und letzten Endes auf der Ebene des sich seiner selbst vergewissernden philosophischen Begriffs erkannt wird. Freiheit schließt ihrerseits den im absoluten Geist kulminierenden Systemgedanken ein. Das Konzept einer Theorie des absoluten Geistes vermittelt die Koimplikation von System und Freiheit in beiden Richtungen. Man könnte diese in gewissem Sinne als „inhaltliche" und „formelle" Orientierung unterscheiden: als Ausrichtung auf die in ihrer Absolutheit gefaßte Freiheit oder als Ausrichtung auf die über sich selbst verständigte Philosophie hin. Von beiden Seiten her ist Hegels Theorie kontrovers geworden. Mögliche Einwände von selten des „Inhalts" sind in der Einleitung zur Analyse der Theorie des absoluten Geistes erwähnt worden. Sie wurden an den Namen Sartre, Kant und Marx festgemacht; ohne die Problematik in erschöpfender Weise zur Sprache bringen zu wollen, stellten sie doch wesentliche Gesichtspunkte dar, unter denen Hegels Konzept einer absoluten Theorie des freien Geistes zu befragen war. Sie können nun, nach der Entfaltung dieser Theorie, in bestimmterer Weise wiederaufgenommen und beantwortet werden. Gemeinsam war ihnen der Zweifel an der Möglichkeit — und Notwendigkeit —, über die „geschichtliche" Fassung des freien Geistes hinauszugehen und diesen in einer „positiven" Theorie für sich selber, in seiner Absolutheit, zum Gegenstand zu machen. Während für Sartre Freiheit eine letzte Faktizität und — somit — Kontingenz darstellt, die durch den rationalen Begriff des eigenen Gehalts verlustig ginge, anerkennt Kant zwar die grundsätzliche „Rationalität" des absoluten Gehalts, bestreitet aber die Fähigkeit des endlichen Geistes zu dessen theoretischer Erkenntnis.
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Beiden Bedenken begegnet Hegel mit dem gleichen Grundkonzept: daß nur im Begreifen sowohl des Endlichen wie des Unendlichen, des Bedingten wie des Unbedingten, Wirklichkeit überhaupt erkannt werden kann. Gegen Sartres Satz wendet er dessen Umkehrung: Freiheit sinkt gerade dann zu einem Abstraktum, selber Unfreien herab, wenn sie in ihrer bloßen Faktizität verabsolutiert, nicht in ihrem reinen Begriff durchsichtig gemacht und auf ihren Grund zurückgeführt wird. Nur eine absolute Theorie der Wirklichkeit, welche gleichermaßen absolute Theorie der Wahrheit ist, kann diesen Grund ausfindig machen. Indem sie die Wirklichkeit in dem erkennt, was ihren Begriff und ihre Wahrheit ausmacht, denkt sie die absolute Ursprünglichkeit der Freiheit. Erst vom Resultat, nicht vom Faktum her kann der Ursprung als solcher gedacht werden, erst in seiner Vermittlung über die ausgeführte Vernunft des Wirklichen ist er Ursprung und letzter Grund. Wo der Zusammenhang der Freiheit mit der eigenen Absolutheit durchbrochen wird, bleibt Freiheit bloßes Faktum, als solches irrational, willkürlich, unfrei. Umgekehrt aber kann es nach Hegelscher Auffassung nicht genügen, diese Absolutheit, welche dem Faktum Verständlichkeit und Konsistenz verleihen soll, als bloß jenseitiges Ansich zu postulieren. Vernünftigkeit kann nicht als „an sich seiende" gerettet werden. Bloßes Jenseits und bloßes Diesseits bleiben gleichermaßen in der Irrationalität befangen. Der Einwand, der von selten der Marxschen Theorie vorgebracht wurde, scheint spezifischere und — zumindest für das „Kapital" selber — einleuchtendere Gründe zu haben. Betrachtet man die Kritik der politischen Ökonomie als Analogon der Theorie des objektiven Geistes, so scheint offensichtlich, wieso von da nicht sinnvoll zu einer Theorie des absoluten Geistes übergegangen werden kann, in welcher das „positive" Wesen der Freiheit an ihm selber zur Darstellung gelangte. Geht doch die ganze Schilderung des kapitalistischen Gesellschaftssystems und ihre Terminierung in der „ursprünglichen Akkumulation" — dem Analogon der Weltgeschichte — darauf hinaus, ein reales System darzustellen, das nicht nur faktisch unfrei ist, sondern zudem seine Unfreiheit prinzipiell verkennt, ja diese Selbstver kennung zur eigenen Bestimmung und zum eigenen Zweck hat. Eine solche Wirklichkeit kann nicht ihre Wahrheit und Erfüllung in der Idee von Freiheit haben, deren Erkenntnis und Realisierung es gerade zu verhindern gilt. Auch die philosophische Betrachtung kann nicht dem realen Negativen einfach ein ideales Positives gegenüberstellen, vielmehr soll das Negative an ihm selber begriffen werden; seine Wahrheit ist sozusagen nicht der Begriff, sondern
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der Unbegriff. Allenfalls könnte an Stelle der Theorie des absoluten Geistes eine ausführliche Ideologiekritik treten, an Stelle der Aufklärung über die eigensten Intentionen eine Aufklärung über deren Verdeckung, über die Nicht-Aufklärung. Jedoch, so überzeugend solche Formulierungen vorerst scheinen mögen, so geben sie doch in Hegelscher Sicht nur die halbe Wahrheit wieder. Die Diskussion der Logik hat erwiesen, daß auch die Form des Falschen nur auf dem Grund der Form der Wahrheit, gewissermaßen als deren immanente Verkehrung, begreifbar zu machen ist. Eine Theorie der Ideologie muß selber über die eigenen Voraussetzungen verständigt, eine Theorie der Dialektik der Aufklärung selber Aufklärung sein. Daß Hegel von der Geschichte zum absoluten Geist übergeht, hat seinen systematischen Grund ja nicht darin, daß geschichtliche Gegenwart als erfülltes Dasein des freien Geistes gedeutet würde, sondern in dem, was Geschichte ihrem Begriff nach sein soll, in der Natur von Geschichte selber. Inwiefern bei Hegel tatsächlich ein „Ideologie-Problem" besteht und der systematische Zusammenhang zuweilen die Gestalt einer konstruierten und falschen Konkordanz der verschiedenen Ebenen annimmt, wkd unter dem Aspekt der „Systematizität" des Systems noch zu diskutieren sein. Hier ist festzuhalten, daß es gerade für Hegels Freiheitstheorie als Geschichtsphilosophie notwendig ist, ein inhaltliches Konzept des absoluten Geistes zu entwerfen. Der Begriff der Freiheit selber — und seine Darstellung — ist notwendig auch und gerade da, wo es um die systematische Erfassung eines Zustandes der Unfreiheit geht. Die an sich seiende Versöhnung, die grundsätzliche „Vernünftigkeit" des Wirklichen sind Bedingungen dafür, daß in der Wirklichkeit Vernunft realisiert werden kann. Ohne ihren Grund in der ansichseienden, immer schon vorgegebenen Freiheit bliebe wirkliche Emanzipation im schlechten Sinn utopisch. Diese Ermöglichung der Befreiung aus ihrem eigenen Grunde vollzieht die Philosophie des absoluten Geistes nach. Indes hat die Rezeption des Hegeischen Systems nicht einmal so sehr an dieser „inhaltlichen", sondern in viel stärkerem Maße an der „formalen" Seite Anstoß genommen. Die oben vorgebrachten Einwände waren ja konstruierte, nicht in dieser Art von den genannten Autoren selber formulierte Infragestellungen. Wohl aber hat sich gegen den zweiten Punkt der explizite Widerstand geregt: dagegen, daß die wahrhafte Erfassung des Freiheitsgedankens sich letztlich auf der Stufe der adäquaten Selbsterfassung des Philosophiebegriffs vollzieht. Das in sich Zurückkommen und sich mit sich Zusammenschließen des Systems
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scheint Indiz einer „Abgeschlossenheit des Denkens" zu sein, welche selber in die gerügte Abstraktheit zurückfällt und in verschiedenen — noch zu bestimmenden — Hinsichten die philosophische Beschäftigung von jeglichem Kontakt mit praktischer Wirklichkeit fernhält. Für Hegel hingegen erwächst sowohl aus der Natur der Freiheit wie der Wahrheit die Verpflichtung, Freiheit auf der höchsten Stufe der Selbsterfassung des Geistes zu bestimmen, auf der Stufe des philosophischen Denkens. Es kommt hier jene Wechselbeziehung zu ihrem Abschluß, welche sich schon im objektiven Geist zwischen wirklicher Freiheit und Freiheitsbewußtsein hergestellt hatte. Zur höchsten Daseinsform von Freiheit gehört auch deren höchste Selbstverständigung. Wenn zwar in der Weltgeschichte Freiheit dadurch Realität erlangen kann, daß im Staat vernünftige Institutionen eingerichtet werden, welche wahrhafte sittliche Existenz ermöglichen, so gehört doch zum Vollsinn des Freiseins, daß in ihm auch die Einsicht nicht nur in das daß, sondern ebenso in das was und wie der Freiheit gegeben sei. Wahrhaft frei ist erst derjenige, der auch weiß, was er ist, indem er frei ist. Freiheit aber, die ihrer Struktur nach absolute Idee ist, kann nur im „freien Denken", nicht in der Vorstellung noch Anschauung, ihrer vollen Bedeutung gemäß verstanden werden. Die „Philosophie" als letzte Instanz der Enzyklopädie stellt nicht so sehr eine erkenntnis- oder wissenschaftstheoretische Situierung des Systems dar — wie ja auch der Schlußabschnitt der Logik nicht einfach eine „methodologische" Reflexion auf die Logik ist —; vielmehr ist sie das letzte Stadium der Verwirklichung von Freiheit selber — nicht, als ob sie weltliche Emanzipation zu ersetzen imstande wäre noch intendierte, wohl aber als deren letzte Vervollständigung. Auch hierin zeichnet die Enzyklopädie, deren letzter Abschnitt die „Philosophie der Philosophie" ist, den Gang der notwendigen Entfaltung und die „absolute Geschichte" der Freiheit nach. Dem steht die andere Dimension, die Selbsterfassung des enzyklopädischen Systems im Philosophiebegriff, nicht als gesonderter Aspekt gegenüber; im Gegenteil sind beide Hinsichten im gleichen Akt gegenwärtig: Das System, das sich im PhilosophiebegrifF seiner selbst vergewissert, soll ja identischerweise die Ausführung jener Philosophie sein, welche als Freiheitstheorie zugleich die Befreiung des Geistes vollendet und an ihr selber Versöhnung ist. Es ist klar, daß ein solches Konzept, auch wenn es in rein theoretischer Sicht zu überzeugen vermag, von Seiten seiner Praktikabilität zumindest problematisch erscheint. Ist es sinnvoll, als letzte Form der Integration von gesellschaftlicher Praxis eine Instanz anzunehmen, die zwar an sich das Allgemeinste
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ist, die aber gerade in ihrer universellen begrifflichen Form keine reale Allgemeinheit erhalten kann ? Allerdings soll Philosophie gar nicht als solche „reale" Integrationsebene postuliert werden; mit dieser Aufgabe ist im Hegeischen Konzept die absolute, ihrem Inhalt nach mit der Philosophie identische Religion betraut. Indessen werden sich auch hier Fragen aufdrängen: zum einen, inwieweit Religion diese Funktion prinzipiell zu erfüllen imstande ist; zum ändern, ob sie sie, historisch gesehen, je im geforderten Sinn erfüllt hat; und schließlich, was aus der heutigen manifesten Nicht-Erfüllung zu folgern ist: daß nur durch Wiederherstellung des religiösen Gesamtbewußtseins gesellschaftliche Identität realisierbar ist, oder daß eine andere — gegebenenfalls: welche ? — Form von kollektiver Selbstbestimmung an die Stelle der Religion zu treten hätte. Diese Fragen, auf die bei der Erörterung von Philosophie und Religion und im Anschluß an die Anregungen von Habermas eingegangen wurde, sollen hier nicht wiederaufgenommen werden. Wichtig ist, das „praktische" Freiheitspotential nicht zu überschätzen, das nach Hegel der Philosophie zukommt und von ihr zu aktualisieren ist. Es darf nicht das Mißverständnis entstehen, als ob Hegel die Bedingung realen Freiseins darin sehen müßte, die Staatsbürger — oder auch nur, wie bei Platon, die Könige — zu Philosophen zu machen. Die Voraussetzungen des freien Staats sind in dessen eigenen Einrichtungen festzumachen. Philosophie bleibt ihrem Wesen nach ein „abgesondertes Heiligtum" (Rel II 343); ihr Anspruch, im weltlichen Geschehen mitzureden und agens tätiger Befreiung zu sein, ist spezifisch und beschränkt12. Gleichwohl bleibt sie der Ort, von dem aus allein die ändern Momente des realen Emanzipationsprozesses ihre letzte Berechtigung erhalten. Das philosophische Denken bleibt Zielpunkt, insofern es sowohl den FreiheitsbegrifF wie den endlichen Freiheitsprozeß in höchster und letztgültiger Weise bestimmt und auf ihr Prinzip zurückführt.
D. Jedoch, auch wenn die Realisierbarkeit und Sinnhaftigkeit eines derart bestimmten Philosophiebegriffs nicht problematisiert wird, so regt sich doch gegen das grundsätzliche Konzept eines im Philosophiebegriff kulminierenden Systems allgemeiner Widerstand. Daß das „freie 12
Vgl. Fulda, Das Recht der Philosophie in Hegels Philosophie des Rechts,
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Denken" höchste Wahrheitsinstanz sein soll, scheint Indiz eines „Idealismus" zu sein, der mit dem Wirklichen in keinerlei Kontakt mehr steht. Nach Puntel „lassen sich alle wesentlichen Einwände gegen das Denken Hegels im Ausdruck „Abgeschlossenheit des Denkens" zusammenfassen"13. Schon im ersten Teil dieser Arbeit wurden auf logischer Ebene die Motive aufgenommen, die sich mit diesem Titel verbinden. Es kann nun, nachdem die philosophische Wissenschaft in ihren Hauptzügen ausgebreitet ist, mit mehr Bestimmtheit und im Hinblick auf die realen Gestalten des Geistes auf sie eingegangen werden. Dabei wird sich allerdings zeigen, daß der eigentliche Fragepunkt gar nicht so sehr auf der Ebene der realen Instanzen des „Systems" anzusiedeln ist, sondern vielmehr auf die eher „logische" Ebene der „Systematizität" dieses Systems verweist; damit wird der zweite Schwerpunkt dieser Schlußbetrachtung befaßt sein. Zunächst ist der Vorwurf der Abgeschlossenheit noch auf der Ebene des „Systems" zu präzisieren. Auch hierin kann einer Unterscheidung von Puntel gefolgt werden. Nach seiner Auffassung kann „das angeblich vollkommen in sich abgeschlossene Denken ... in einem dreifachen Sinn verstanden werden. Es kann — erstens — als reines Denken, als das Logische genommen werden", das „vollständig ,autark', ohne Bezug zur , Wirklichkeit'" ist14. Zweitens kann es als „reine ,Theorie' über die Wirklichkeit" verstanden werden, „unvermögend, die , wirkliche' Wirklichkeit zu beeinflußen und vor allem zu verändern"15. Und drittens kann in ihm „der durchgeführte Versuch eines restlosen Begreifens der Wirklichkeit" gesehen werden, dem „jede Offenheit für die Zukunft" und „jede wahrhaft geschichtliche Erfahrung" abgeht16. Alle drei Varianten bezeichnen verschiedene Aspekte des Abgeschiedenseins des Gedankens von der Wirklichkeit. Die erste Abgeschlossenheit präsentiert sich innerhalb des Systems als Autonomie der Logik gegenüber der Realphilosophie. Nun ist allerdings gerade im enyzklopädischen Philosophiebegriff auch die Aufhebung des Scheins enthalten, daß das Logische eine auf sich selber beruhende und sich nur auf sich beziehende Form sei. Das in sich kon13
14 15 16
Puntel, Darstellung, Methode und Struktur 336; vgl. zu dieser Problematik auch: Heinz Kimmerle, Das Problem der Abgeschlossenheit des Denkens. Hegels ^System der Philosophie' in den Jahren 1800—1804, in: Hegel-Studien, Beiheft 8; insbesondere Einleitung und Schluß. Puntel, ebd. 336. Ebd. 337. Ebd. 338.
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krete Denken weiß das Logische als Funktion des Geistes. Zwar hat das Logische unbestreitbar eine „Wahrheit" und Bedeutung an ihm selber; in ihm wird die absolute Form der „Wahrheit", des wahren Gedankens erkannt, welche gleichermaßen absolute Form des „Wahren" oder Wirklichen selber ist. So kann die Logik als die systematische Ableitung der Definitionen des Absoluten gelten (vgl. E § 85). Das Logische ist in der Tat in bestimmtem Sinne autonom, und es ist es notwendigerweise, weil auch die Wahrheit autonom ist; es ist gerade deren Autonomie an ihr selber ausgedrückt. Sofern im Logischen dasjenige zur Sprache kommt, was die „Wahrheit des Wahren" ausmacht — die „Form", welche das Wahre zu einem „bewährten", an ihm selber als wahr erwiesenen macht —, hat es für sich selbst einen — und zwar: absoluten — Gegenstand, handelt es von der „Sache selbst". Gleichwohl, und darauf hat schon die Erörterung des Philosophiebegriffs hingewiesen, ist diese „logische Wahrheit" nicht das Letzte. Sie ist zwar die Wahrheit, bleibt aber „blind" und erkennt sich nicht selber in dem, was die „Wahrheit" ihrer Wahrheit ausmacht. Erst im Reich des Geistigen wird ans Licht gebracht, was die logische Form an ihr selber „bedeutet", welches ihr realer „Gehalt" ist: die Freiheit des Geistes. Es ist nun aber diese Ebene, auf der sich das „freie Denken" der Philosophie ansiedelt — und nicht jene erste, die dem erkennenden Denken gegenüber eine bloße Abstraktion darstellt. Das freie Denken, das im vollen Bewußtsein der logischen Form sich vollzieht, ist zugleich eine Rehabilitierung des „rein" logischen, dessen Wahrheit es erkennt und ausspricht. Auch das Denken der Philosophie ist „reines" Denken. Seine Reinheit aber ist nicht durch den Ausschluß der empirischen Erfahrung bedingt; es hat die Bildung und das „Studium der Wissenschaften" hinter sich oder „in" sich. Seine „Autonomie" steht auf höherer Ebene als die des Logischen; sie ist nicht mehr nur die Absolutheit der Form der Wahrheit, sondern die Absolutheit des Geistes, der sich in aller Wirklichkeit erkannt und sich darin in seiner Freiheit realisiert hat. Seine Autonomie beruht nicht auf der Abkapselung gegen die Wirklichkeit, sondern darauf, sich in dieser gefunden zu haben. Sich im Wirklichen finden meint dabei sowohl, daß dieses nach jener höchsten Form der Wahrheit — als Begriff — erkannt wird, welche die Logik vorgezeichnet hatte, wie auch daß der Geist diese Form der Wahrheit als seine eigene und somit im Wirklichen sich selber weiß. Ohne diesen Bezug auf Wirklichkeit bliebe die Autonomie des Denkens abstrakt, formal. Der Gang der Enzyklopädie geht aus von der Analyse der Denkbestimmungen und findet seinen Abschluß im Begriff
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des freien Denkens. Von diesem Ausgangs- und Endpunkt her gesehen, kann dies als die rein immanente Bewegung des in sich bleibenden, „weltfremden" Denkens erscheinen. In Wirklichkeit aber — und daraufhin ist die ganze Logik der Enzyklopädie angelegt — soll in dieser Bewegung gerade jene Autonomie erzeugt werden, welche konkret, wirkliche Freiheit ist. Vom Begriff des philosophischen Denkens her wird man sagen müssen, daß das System, gerade insofern es seinen Zielpunkt in der adäquaten Darstellung und Erfassung der Philosophie hat, Denken der Freiheit ist17. Der zweite der erwähnten Kritikpunkte betraf die Abgeschiedenheit der Theorie von der Praxis. Auch wenn das „freie Denken" nach Form und Inhalt als Denken der Freiheit zu bezeichnen ist, so bleibt es doch theoretisches „Denken", ohne direkte Einflußnahme auf individuelle und gesellschaftliche Praxis; auch dieser Verdacht scheint gerade im Ende der Enzyklopädie und deren Einmündung in die „göttliche" Anschauung seine Bestätigung zu finden. Es ist bereits untersucht worden, in welchem Sinn die Hegeische Theorie „praktische" Philosophie ist, inwiefern sie, als Theorie, Praxis zum Gegenstand hat, mit Praxis in Verbindung steht oder aber selber Praxis ist. In allen drei Hinsichten hat sich erwiesen, daß die „praktische" Seite gerade dadurch hereinkommt, daß Philosophie sich als System konzipiert, in dessen Abschluß sie zugleich mit der Durchdringung der Wirklichkeit sich selber denkt und vollständig begreift. Erst auf der Ebene des absoluten Geistes und somit im Hinblick auf das System als solches läßt sich im Hegeischen Konzept der Praxisbezug selber überzeugend fassen und rational ausweisen. Die Konklusion, zu der die vorliegende Untersuchung geführt hat, steht somit im schroffen Gegensatz etwa zur Schlußfolgerung von Kimmerle: für ihn steht systematische Philosophie entweder „auf eine nicht näher zu erklärende (religiös-unmittelbare) Weise im Dienst der Praxis, oder sie betrachtet umgekehrt ihre praktische Wirksamkeit als eine (ebenfalls nicht näher zu erklärende) Folge der im Denken geleisteten Wirklichkeits17
Eine andere, mit dem Vorwurf der absoluten „Logizität" in Zusammenhang stehende Frage ist, ob nicht in gewissen Partien der Real-Analyse das logische Moment zu falscher Dominanz gebracht wird und dadurch die Erkenntnis des Wirklichen, wie es sich von sich aus darstellt, verhindert oder verfälscht wird. Auf diese Frage wird teilweise unter dem Aspekt der „Systematizität" noch einzugehen sein; ihre konkrete Beantwortung kann sie nur im kritischen Nachvollzug der Realphilosophie selber finden. Hier sollte sie nur vom „Begriff" des philosophischen Denkens, wie er sich aus der Gesamtidee der Enzyklopädie ergibt, nicht aber von der faktischen Ausübung dieses Denkens in der Enzyklopädie her aufgegriffen werden.
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erfassung selbst. Die hiermit auftretende Schwierigkeit ist nur zu lösen, wenn man den Horizont des systematischen Philosophierens als solchen überschreitet"18. Es soll hier nicht darüber geurteilt werden, inwiefern Hegels Entscheidung für das systematische Philosophieren den politischgesellschaftlichen Impetus seiner Jugendschriften rückgängig macht oder in falsche, illusionäre Bahnen lenkt. Jedenfalls aber kann nicht so getan werden, als ob in der Meinung des reifen, „systematischen" Hegel jeglicher Praxisbezug völlig ins Denken zurückzunehmen wäre. Gewiß soll das spekulative Denken über den Gegensatz der Reflexion, in welchem sich die Gegensätzlichkeit der Zeit spiegelt, hinausgelangen und die Bedingung für vernünftiges Handeln abgeben. Wenn aber gegen Hegel eingewendet wird, die Frage nach der Überwindung der Entzweiung lasse sich „zwar nur durch das Denken", „aber nicht im Denken" allein beantworten19, oder wenn im Anschluß an Marx beteuert wird, daß „nicht das Denken einer höhern Einheit", sondern „nur die reale Aufhebung der Gegensätze" die geschichtliche Entzweiung aufzuheben vermag20, so fällt unwillkürlich das Hegel-Wort ein, es möchten doch „diejenigen, die immer und immer gegen die philosophische Idee wiederholen, daß Denken und Sein verschieden seien, endlich voraussetzen, den Philosophen sei dies gleichfalls nicht unbekannt" (E § 51 A). Indem Philosophie die Wirklichkeit als Idee erfaßt und die „Vernunft" in der Geschichte aufweist, ist sie zwar in gewissem Sinn Versöhnung des Geistes mit dem Wirklichen: eine Versöhnung aber, die nicht Ersatz für reale Praxis ist noch sein will, sondern diese eben dadurch begründet und motiviert, daß sie von Seiten des Wirklichen her zeigt, daß reale Versöhnung möglich und praktische Tätigkeit nicht sinnlos ist. Die bereits weiter oben vorgenommene Begründung und Ausführung dieses Zusammenhangs soll hier nicht wiederholt werden. Als Resultat ist festzuhalten, daß die Philosophie gerade als in sich „abgeschlossenes" und in der Theorie des absoluten Geistes sich vollendendes System Freiheitstheorie ist, und dies auch im spezifischen Sinn einer auf mehreren Stufen anzusetzenden Verbundenheit mit wirklicher Praxis. In der dritten — „wohl der wichtigsten"21 — Bedeutung kann die Abgeschlossenheit als Gegensatz zur Offenheit verstanden werden: Das Hegeische Denken ist abgeschlossen, insofern es — und dies wird 18 19 20
21
Kimmerle 294. Kimmerle 294f. Ebd. 23. Puntel 338.
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im Philosophiebegriff selber explizit — den Anspruch erhebt, die Wirklichkeit vollkommen verarbeitet, durchdrungen und durchsichtig gemacht zu haben. Der Geist, der sich in die radikalste Entzweiung begeben hat, hat aus dieser zur absoluten Identität mit sich selber zurückgefunden. Das wahre Denken ist als eines konzipiert, das die Erfahrung wesentlich „hinter" sich hat. Geschichte kann „immer nur als abgeschlossene Geschichte erfaßt", „die Wirklichkeit . .. nur auf ihr Gewordensein hin geschichtlich rekonstruiert werden"22. Dem in sich total gewordenen Ganzen fehlt die Spannung, die es für neue Erfahrung und geschichtliche Zukunft offenhält. Mittelpunkt ist die schon geschehene, nicht die noch ausstehende Versöhnung. Diese Fragestellungen leiten direkt über zum zweiten Gesichtspunkt, unter den sich die Schlußbetrachtung stellen wollte: dem Gesichtspunkt der Systematizität, d. h. der spezifischen Art von Geschlossenheit des Hegeischen Systems. Zum Bau des Systems selber ist zunächst noch zu sagen, daß die Rückkehr der Philosophie in ihren reinen Begriff nicht schon als solche als Indiz einer Abgeschlossenheit gewertet werden kann, welche durch den Ausschluß künftiger Erfahrung und durch irgendwelche „Endgültigkeit" charakterisiert wäre. Daß das Denken sich über sich selber vollständige Klarheit verschafft, heißt keineswegs, daß es sich damit als ein für allemal realisiertes und vollendetes versteht. Sein Selbsterfassen geschieht zwar in der Rückschau auf sein Gewordensein, im „Standpunkt der jetzigen Zeit" ist „die Reihe der geistigen Gestaltungen . . . für jetzt . . . geschlossen" (Gesch.Ph. III461). Das „Beschlossen"-sun. der Entwicklung besteht darin, daß die „Idee als Geist, als absoluter Geist" gewußt wird (ebd.). Jedoch hat gerade Hegels Theorie vom absoluten Geist deutlich gemacht, inwiefern das absolute Denken selber den Grund legt für geschichtliche Offenheit und Zukunftsorientiertheit. Der spekulative Zusammenschluß des Systems im Begriff der Philosophie ist dem Denken, das sich über die eigenen Voraussetzungen verständigt, notwendig; er meint weder die Ausschließlichkeit des Begriffs noch ein Denken, das als „restloses" Begreifen — oder Begriffenhaben — sich in sich und seine sterile Selbstanschauung zurückzieht. Die „Abgeschlossenheit", wie sie in Hegels System vorgeführt wird, braucht im Prinzip keine jener fatalen Folgen auf sich zu nehmen, mit denen sie meist in Verbindung gebracht wurde. Das spezifische Verständnis der Theorie des absoluten Geistes — und insbesondere der 22
Kimmerle 295.
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Philosophie — als jenes Abschlusses, der das System nach der Art eines „spekulativen Satzes" mit sich zusammenschließt, entbindet auch von der Verpflichtung, zur „Rehabilitierung" des Systems nach einer ändern als der enzyklopädischen Systemgestalt zu suchen. Puntel vertritt die Ansicht, daß sowohl auf die generelle Frage nach der Abgeschlossenheit wie auf deren zuletzt erwähnte Fassung nur mit dem Hinweis auf die ursprüngliche Dreidimensionalität des Systems zu begegnen sei. Nach ihm bringt die ausschließliche Festlegung Hegels auf die Darstellungsarten der Enzyklopädie — oder auch der Phänomenologie des Geistes — „das Hegeische Denken in die totale Zweideutigkeit"23. Mit der Ausführung — oder zumindest Bewußtwerdung — der vom System erforderten dreifachen Darstellung (gemäß den Grunddimensionen des Logischen, Phänomenologischen und Noologischen) entfallen alle vorgebrachten Einwände, oder erhalten sie doch eine völlig andere Bedeutung. In einem ändern Sinn fordert auch Kimmerle ein Hinausgehen über die Enzyklopädie. Nach seiner Auffassung brechen die Berliner Vorlesungen „aus der Enge des Schemas der Enzyklopädie" aus, indem sie diese „nicht nur inhaltlich" ausfüllen, „sondern unter der Hand auch methodisch und dem sachlichen Gehalt nach" weiter entwickeln24. Die Vorlesungen, die historisch gesehen den letzten Stand des systematischen Denkens bei Hegel darstellen, könnten so auch Ansätze bieten, dem System Geschichtsbezogenheit und systematische „Offenheit" zurückzugewinnen25. Hier soll keinem dieser Vorschläge gefolgt werden. Als System hat bei Hegel grundsätzlich der in der Enzyklopädie niedergelegte Entwurf systematischen Denkens zu gelten. Weder ist dieser durch seine komplementären, angeblich von ihm selber geforderten Darstellungsarten zu ergänzen, noch ist seine Beschränktheit durch die Vorlesungen prinzipiell zu überschreiten. Zwar ist offensichtlich, daß diese in gewissen Punkten die Enzyklopädie nicht nur illustrieren, sondern auch explizieren, erweitern und gegebenenfalls korrigieren; ebenso klar aber ist, 23 24 25
Puntel 339. Kimmerle 21 f. Im Bemühen, „nicht ein erdichtetes Hegel-Bild weiter auszuschmücken", sondern „den wirklichen Hegel in den Blick zu bekommen", unterscheidet Kimmerle folgende Stufen im systematischen Denken Hegels: „(1) das System von 1800—1804, (2) das „System der Wissenschaft" (a) Jenaer Realphilosophie von 1805/06 und Phänomenologie von 1807, (b) Logik von 1812/16, (3) Enzyklopädie von 1817 (und spätere Auflagen) und Rechtsphilosophie von 1820, (4) die systematischen Implikationen der Berliner Vorlesungen" (Kimmerle 22 Anm.).
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daß sie sich explizit auf diese beziehen, und zwar als auf ihren letzten Rahmen und Referenzpunkt. Von diesem System, wie es in der Enzyklopädie grundsätzlich niedergelegt ist, hat sich gezeigt, daß es als ganzes Explikation des Freiheitsbegriffs, Denken der Freiheit ist. Dies hat sich auch in der zuletzt verfolgten Perspektive erhärtet: im Hinblick auf die Tatsache nämlich, daß das System notwendigerweise in einer Theorie des absoluten Geistes — und letztlich in der Bestimmung des Philosophiebegriffs selber — seinen Abschluß findet. Von diesem wie von dem zuerst aufgenommenen Gesichtspunkt der Philosophie als Geschichtstheorie aus läßt sich der allgemeine Schluß ziehen, daß Freiheit sowohl den absoluten Inhalt wie die absolute Form des Systems bestimmt. Und zwar hat sich diese Konklusion von beiden Seiten her bestätigt: sowohl ist Freiheit nur im System ihrem wahren Begriff nach verständlich zu machen, wie umgekehrt das System seine volle Einsichtigkeit und Nachvollziehbarkeit erst vom Freiheitsgedanken her gewinnt. In beiden „Richtungen" können ebenso die Gesichtspunkte von Form und Inhalt geltend gemacht und schließlich zusammengeführt werden: einerseits expliziert das System den Freiheitsgedanken sowohl seiner absoluten Form wie seinem absoluten Inhalt nach; anderseits macht Freiheit die Form des Systembaus gerade dadurch verständlich, daß sie sich als absoluten „Gehalt" des systematischen Philosophierens erweist. Dies sind die Gesichtspunkte, unter denen sich die Zusammengehörigkeit von Freiheit und System in der Hegeischen Philosophie expliziert, soweit sich diese Zusammengehörigkeit im vorliegenden System der philosophischen Wissenschaften darlegt. Von der Befragung dieses Systems und seiner Instanzen ist nun überzugehen zur Befragung der Systematizität selber. Zwar richten sich die meisten Einwände gegen das System, wie es vorliegt, gegen die angebliche Verabsolutierung des Denkens, wie sie in dem im Philosophiebegriff gipfelnden System zum Ausdruck kommt. Der äußere Systembau, der die Weltgeschichte zur Geschichte des Weltgeistes erhebt und den Geist insgesamt in den absoluten Geist und letztlich in die Philosophie zurückführt, soll symptomhaft den nicht mehr zu rettenden „Idealismus" des Hegeischen Denkens belegen. Gleichwohl ist diese Abgeschlossenheit des Denkens selber begründet in der „Abgeschlossenheit" der logischen Struktur, auf welcher sowohl der System- wie der Freiheitsgedanke beruht. Diese Struktur ist nun in Bezug auf das System überhaupt aufzunehmen. In gewissen Punkten mögen sich die beiden Ebenen überschneiden. In ändern aber, und darauf soll das Hauptgewicht gelegt werden, werden bisherige
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Gesichtspunkte selber noch einmal reflektiert, bisherige Antworten auf prinzipiellerer Ebene fundiert. Zugleich soll auch der Punkt ausfindig gemacht werden, an dem das System möglicherweise gegen den eigenen Grundgedanken verstößt und als Freiheitstheorie zur Ideologie zu werden droht.
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A. Will man den grundsätzlichen Zusammenhang des Freiheitsgedankens mit der logischen Grundstruktur, innerhalb derer er thematisch wird, erörtern, so mag man als erstes daran erinnern, wie und an welchen Orten dieser Zusammenhang innerhalb des Systems offenbar wurde. Die Untersuchung hat ihn auf drei Ebenen verfolgt: auf der logischen Ebene, der Ebene des realen, objektiven Geistes, und jener des absoluten Geistes. Man könnte fragen, wieso gerade diese Bereiche und keine ändern zur Analyse herangezogen wurden. Rein äußerlich gesehen, repräsentieren sie nicht die drei Hauptdimensionen, in die sich das System aufgliedert. Es soll hier auch nicht die These aufgestellt werden, daß in Wahrheit sie, und nicht Logos, Natur und Geist, die grundlegenden Dimensionen darstellen, welche den systematischen Zusammenhang des Ganzen konstituieren1. Gleichwohl können sie als drei grundlegende Gesichtspunkte betrachtet werden, von denen aus sowohl das, was Freiheit ist, wie dessen Zusammenhang mit dem systematischen Denken sich exemplarisch vorführen lassen. In dieser Hinsicht sind sie gewissermaßen koextensiv, sie zeichnen alle die gleiche Bewegung von der Unmittelbarkeit zur Vermittlung, vom Ansichsein zum Gesetztsein nach; innerhalb ihrer lassen sich in analoger Weise die verschiedenen Stufen der Konstitution des (Freiheits-)Begriffs unterscheiden. Zudem aber sind die drei vorgeführten Gesichtspunkte nicht nur koextensiv, sondern wesentlich aufeinander bezogen: ihr Zusammenhang expliziert das System als ganzes. Die Logik untersucht, welches die Form des wahren Denkens überhaupt ist, und inwiefern sich in diesem der absolute Inhalt der Freiheit geltend macht; die Rechtsphilosophie erforscht den Bereich der wirklichen, daseienden Freiheit; die Theorie des absoluten Geistes stellt die Selbsterfassung dieser Freiheit — zugleich als deren 1
Etwa in Analogie zur Gleichursprünglichkeit von Logik, Phänomenologie und Noologie bei Puntel.
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höchstes Daseinsstadium wie auch als höchste Fassung des wahren Denkens — dar. Der Zusammenhang dieser drei Disziplinen kann auch so verstanden werden, daß auf der einen Seite — Logik und Rechtsphilosophie — Freiheit, wie sie als solche da ist, thematisiert wird, während auf der ändern Seite in Vermittlung dieser beiden Dimensionen ein adäquater, sich selber durchsichtig gewordener Freiheitsbegriff realisiert werden soll. Dieser „Aufteilung" ist die vorliegende Untersuchung implizit gefolgt. So wurde die Rechtsphilosophie großenteils in Analogie zur Logik und auf dem Hintergrund jener Momente gelesen, welche in der Logik als Indizien eines Grundmodells von Freiheit aufgewiesen wurden. In beiden, Logik und Rechtsphilosophie, wurde eine Art Vier-Stufen-Modell der Freiheit herausgearbeitet, in welchem die wesentlichen Momente dessen, was Freiheit ist, enthalten und zu einem sinnvollen Gesamtkonzept zusammengeschlossen sein sollten: als ansichseiende Freiheit, als für sich seiende, reale Freiheit, als an und für sich seiende, wirkliche, ihrer bewußtgewordene und auf sich ausgerichtete Freiheit, und als absolute, über sich verständigte, das Wesen der Freiheit wissende Freiheit. Im Logischen waren diese Stufen: Sein, Wesen, Begriff, absolute Idee; im objektiven Geist: Recht, Moralität, Sittlichkeit, Geschichte. Die Interpretation beider Entwicklungsgänge hatte jeweils vom einen Gesichtspunkt auf den ändern verwiesen: von der absoluten Form auf deren „Gehalt" als geschichtliche Freiheit, von der Eigenbedeutung des Geschichtlichen auf die Bestimmung der Freiheit, absolute Form zu sein. Von dieser gegenseitigen Verweisung hat sich in der Theorie des absoluten Geistes gezeigt, daß sie weder zufällig ist noch einem willkürlichen Interpretationsvorhaben entspringt, sondern daß sie ebenso wesentlich zur letztgültigen Aufklärung über die Bedeutung des Systems wie der Freiheit gehört. Der Zusammenhang der drei untersuchten Instanzen kann aber nicht nur so gesehen werden, daß auf der einen Seite die „parallel" sich entfaltenden ersten beiden Dimensionen stehen und auf der ändern Seite deren Zusammenführung in der dritten Instanz betrachtet wird. Es können auch die beiden Disziplinen der Geistesphilosophie der Logik gegenübergestellt werden. Diese geht vom Denken als solchem aus und stellt die Form des wahren Denkens heraus; sie ist die wissenschaftliche Erarbeitung und Bestimmung des Begriffs des Systems; Denken hat seine Wahrheit nur als systematisches. Das System selber kann nur in der Gestalt der absoluten Form konsequent gedacht und ausgeführt werden; sein Aufbau ist der Struktur einer Bewegung nachgebildet, die sich
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selber als Form freier Selbstbeziehung zu verstehen gibt. Auf der ändern Seite wird in der Geistesphilosophie2 das Feld der realen Freiheit des Geistes ausgemessen. Die Natur der Freiheit macht es erforderlich, daß vom Bereich der objektiven Freiheit, der sittlichen Existenz in Staat und Geschichte, weiter geschritten wird zur Selbstvergegenwärtigung der Freiheit. Zum Freisein gehört nicht nur das Wissen, daß man frei ist, sondern auch die wesentliche Einsicht in das, was Freiheit ausmacht. Erst dann ist freier Selbstvollzug denkbar und möglich, wenn das Subjekt weiß, worum es ihm geht, wenn es die eigene Freiheit will; vorher kann von wahrer Freiheit eigentlich gar nicht die Rede sein. Dies ist der Sinn der Verbundenheit von Weltgeschichte und Philosophiegeschichte. Die Theorie des freien Geistes führt selber dazu, den Geist in seiner Absolutheit und letztlich vom Standpunkt der absoluten Wahrheit aus zu betrachten; der explizit gemachte Begriff der Philosophie gehört zur Verständigung der Freiheit über sich selber. Auch hier leitet jeder der beiden Ausgangspunkte notwendigerweise zum ändern über. Die beiden Entwicklungsstränge, die sich innerhalb des Logischen und des Geistigen abzeichnen, können schwerpunktmäßig als die beiden Richtungen des Grundzusammenhangs von Systematik und Freiheit angesehen werden. Die abschließende Reflexion im Philosophiebegriff führt die „Gleichursprünglichkeit" beider Hinsichten vor Augen. Die inhaltliche Erörterung der Theorie des absoluten Geistes hat deutlich gemacht, daß es sich bei ihr nicht einfach um eine dritte Dimension neben ändern, sondern um den spezifischen Abschluß des Systems handelt. Was vorerst für sich und gemäß seiner eigenen Perspektive — der Perspektive der Selbsterfassung des freien Geistes in seiner Absolutheit — untersucht wurde, führte schlußendlich zur notwendigen Überwindung dieser Binnenperspektive und ließ das System in seiner Gesamtheit thematisch werden. Die Theorie des absoluten Geistes ist nicht nur die Darstellung der Versöhnnug des endlichen mit dem unendlichen Geist, sondern auch der Ort, wo der Geist in der absoluten Selbsterfassung sich auf seine Stellung innerhalb des Wirklichen überhaupt zurückbesinnt. „Stellenmäßig" gesehen, entspricht die „Philosophie" innerhalb des Systems genau jener „vierten Stufe", welche in der Logik von der absoluten Idee, in der Rechtsphilosophie von der Weltgeschichte 2
Es wurde in der Einleitung zur Untersuchung der Rechtsphilosophie erläutert, wieso vom Gesichtspunkt dieser Arbeit aus der Theorie des objektiven Geistes Priorität eingeräumt und die ganze Sphäre des subjektiven Geistes nicht eigens thematisch gemacht wird.
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eingenommen wird. In Analogie zu diesen wird man sagen können, daß die Bestimmung des Philosophiebegriffs am Ende der Enzyklopädie die Stufe darstellt, auf der das System sowohl über die Art seiner Systematizität, über die eigenen logischen Voraussetzungen, wie auch über den letztlichen Gehalt, die Freiheit, endgültige Aufklärung erhält. Von hier aus erscheint das System in seiner Gesamtheit als einheitliche und in sich konsequente Theorie der Freiheit. Die „Philosophie" ist die „realphilosophische" Ausführung der „absoluten Idee". Es wird in ihr geklärt, was Freiheit an ihr selber ist, und inwiefern sie das Ganze ist.
B. Nun ist allerdings zuzugestehen, daß die Übertragung jenes „VierStufen-Modells"3, welches sowohl die Logik wie die Rechtsphilosophie in je anderer Weise als Theorie der Freiheit erscheinen ließ, auf das System als ganzes nicht ohne weiteres einleuchtet. Zu unterschieden sind die drei Hauptteile der Enzyklopädie, als daß ihre Vereinigung unter einem einheitlichen Thema von vornherein überzeugend schiene. Innerhalb einzelner Sphären, z. B. des objektiven Geistes, mag die Kohärenz des Ganzen einigermaßen gesichert sein; so behandeln die drei Hauptteile der Rechtsphilosophie, wenn auch teilweise mit umgekehrten Vorzeichen oder unter Hervorhebung entgegengesetzter Schwerpunkte, ein und dasselbe Thema: das objektive Dasein des freien Geistes. Auch der bewußt gemachte Geschichtsbegriff kann sinnvoll als die adäquate Bestimmung der Gesamtdimension, um deren Entfaltung es geht, betrachtet werden. Weniger offensichtlich ist der Gesamtzusammenhang des Systems, auch wenn man sich an Einteilungen wie die von ansichseiender, außersichseiender und wirklicher Idee (oder ähnliche) erinnert. Von der vierten „Instanz", dem Begriff der Philosophie her gesehen, müßte sich das ganze System der Wissenschaften so auffassen lassen, 3
An der Bezeichnung „Vier-Stufen-Modell" soll hier nicht unbedingt festgehalten werden. Es handelt sich ja nicht um vier gleichwertige Stufen, da deren „vierte" zugleich die Bestimmung des Ganzen ist; wichtig war lediglich, die abschließende Bestimmung (absolute Idee / Geschichte / Philosophie) in ihrer Relevanz für das Ganze herauszuarbeiten und sie nicht einfach als letzte „Unterkategorie" des „Dritten" unterbestimmt zu lassen. „Stellenmäßig" entspricht dieses „Vierte" dem Dritten des Dritten (Idee / Staat / absoluter Geist) des Dritten (Begriff / Sittlichkeit / Geist). — In anderer Hinsicht weist auch Hegel im Schlußabschnitt der Logik auf die Indifferenz des Zählens hin (Quadruplizität oder Triplizität).
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daß es zu seinem Thema das „System" der Wirklichkeit hat, welches zumindest insofern homogen ist, als es in seiner Gesamtheit ein System der Freiheit sein soll. Angesichts des umfassenden Geltungsbereichs des Freiheitsbegriffs — das philosophische System soll das Ganze der Wirklichkeit, Wirklichkeit überhaupt zu seinem Gegenstand haben — erhebt sich die Frage nach der Überzeugungskraft dieses Konzepts. Konkret drängt sich die Frage auf, ob und wie denn im System überhaupt etwas gegen die Freiheit bestimmt sein könne, sei es als Absenz von Freiheit, als Notwendigkeit, oder als explizite Verkehrung in Unfreiheit, ins Böse. Die erste Variante der Frage nimmt ein Problem der Textinterpretation selber auf, das Problem der Hegeischen Naturphilosophie. Bekanntlich bildet diese den zweiten Teil des Systems, sie ist Mittelglied zwischen Logik und Geistesphilosophie. Ihrer Stellung im System nach ist sie somit ebenso „wesentlich" wie diese beiden; die drei Schlüsse der Philosophie bestätigen diese „Gleichwertigkeit" in systematischer Hinsicht4. In eigenartigem Kontrast dazu steht allerdings das unvergleichlich geringere Interesse, das die Hegel-Rezeption dem Mittelteil der Enzyklopädie gewidmet hat. Es erklärt sich nicht nur aus der Verachtung der entstehenden Naturwissenschaften gegenüber der spekulativen, „philosophischen" Naturbetrachtung. Auch in Hegels eigener Sicht verdient die Natur geringeres Interesse als die vom Menschen geschaffene Geschichte: noch der gegen sich gekehrte Geist, das Böse, ist „ein unendlich Höheres als das gesetzmäßige Wandeln der Gestirne oder als die Unschuld der Pflanze; denn was sich so verirrt, ist noch Geist" (E § 248 A). Trotzdem bleibt die Tatsache, daß die Natur im Gesamtkonzept des Systems eine durch nichts zu ersetzende Rolle spielt; sie ist die „negative" Phase, der „Durchgangs-" oder „Wendepunkt", das Mittelglied der sich entzweienden und in sich zurückkehrenden dialektischen Bewegung. Ohne auf die Problematik der Naturphilosophie als solcher einzugehen, muß hier doch gefragt werden, was diese Konstellation hinsichtlich der grundlegenden Freiheitsperspektive 1
Auch die Ausführlichkeit, mit welcher Hegel seit der Jenaer Zeit die Probleme der Naturphilosophie studiert und dargestellt hat, gibt Zeugnis von seinem ungebrochenen Interesse und der Wichtigkeit, die er diesem Gegenstand zugemessen hat; die Sorgfältigkeit, mit der Hegel auf die Einzelheiten der damaligen Naturwissenschaft eingegangen ist, läßt sich u. a. aus den zahlreichen und langen Zusätzen ersehen, die Michelet sowohl aus Hegels eigenen Aufzeichnungen wie aus Kollegnachschriften redigiert und der ersten Ausgabe der Werke beigefügt hat.
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bedeutet, in welche sich das System als ganzes einordnet. Bricht der „inhaltliche" Zusammenhang des Systems nicht an der zu großen Diversität seiner Teile auseinander? Spezifischer gefragt: ist es sinnvoll, einer Philosophie, die sich ebenso grundsätzlich wie mit dem Logos oder dem Geist mit der Natur befaßt, Freiheit als umfassendes und letztlich ausschließliches Thema zuzuordnen ? Kann angesichts des Gegensatzes von Natur und Geist noch von einer einheitlichen Systematik und von einem umfassenden Freiheitshorizont die Rede sein ? In der Tat präsentiert sich die Natur nicht nur als „inhaltliche" Gegeninstanz des Geistes, sondern auch als Verkörperung einer „Logik" oder Gesetzmäßigkeit, welche das Gegenteil einer Logik der Freiheit zu sein scheint. In der gleichen Art, wie „die Substanz, das Wesen des Geistes die Freiheit" ist, ist „die Substanz der Materie die Schwere". Die Materie hat ihren Mittelpunkt und ihre Einheit nicht in sich selber, sondern in einem ändern: „die Materie hat ihre Substanz außer ihr; der Geist ist das Bei-sich-selbst-Sein" (Ph.Gesch. 30; vgl. R §§ 4,7). Materie zu sein aber ist die erste Bestimmung der Natur. Natur erscheint so als das schlechthin Andere des Geistes und der Freiheit. Gleichwohl soll sie die Voraussetzung des Geistes bilden, soll dieser „nur als Zurückkommen aus der Natur" Geist sein, nicht bloß seine Provenienz in ihr haben, sondern umgekehrt auch ihre „Wahrheit" und ihr „absolut Erstes" sein (E § 381). Nicht nur setzt sich der endliche Geist in ein bewußtes Verhältnis zur natürlichen Welt, sondern er integriert diese in die Stufe seiner höchsten Erkenntnis: die Religion begreift die Natur als „Erscheinung* des Absoluten (E § 568), sie ist „für den Menschen eine Offenbarung Gottes" (Rel II249). So ist es auch „die Bestimmung und der Zweck der Naturphilosophie, daß der Geist" in der Natur „sein eigenes Wesen", „sein Gegenbild" finde (E § 246 Z). Was aber gestattet es, die Natur, die ihrer Grundbestimmung nach das strikte Gegenteil des freien Geistes ist, als dessen „unmittelbares Dasein" aufzufassen? Nach dem systematischen Konzept der Enzyklopädie ist es die Freiheit, welche als Grundstruktur auch das ihr entgegengesetzte Außersichsein übergreift. Das Außersichsein ist nichts, was aus sich selber verständlich zu machen wäre; es wird dies nur in der Beziehung auf sein Gegenteil, das Beisichsein. Zwar ist die Natur „das Unmittelbare — aber ebenso, als das dem Geiste Andere, nur ein Relatives und damit, als das Negative, nur ein Gesetztes" (E §376Z; vgl. §248A). Natur ist kein erstes Unmittelbares, „sondern wesentlich schon das in sich Vermittelte" (E § 254A), ihr Außersichsein ist wesentlich das Außersichsein der
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Idee. Gerade so ist sie deren unmittelbares Dasein: Unmittelbarkeit besagt dabei, daß die Idee noch nicht als Idee zur Existenz gekommen ist, daß ihr Sein noch nicht ihrem Begriff entspricht. Die Natur ist so ihrer allgemeinsten Bestimmung nach „die Idee in der Form des Andersseins" (E § 247). Hegel betont ausdrücklich, daß die Natur „nicht äußerlich nur relativ gegen" die Idee ist, sondern daß die Äußerlichkeit die eigene „Bestimmung" ausmacht, in welcher die Idee „als Natur ist" (ebd.). Indem die Idee „als Natur sich selbst äußerlich ist" (E § 250), ist sie „der unaufgelöste Widerspruch" (E § 248 A). Näher besehen, ist dieser Widerspruch der zwischen Notwendigkeit und Zufälligkeit in der Natur: als Widerspruch zwischen dem an sich durch seinen Begriff Bestimmtsein und dem Ausgeliefertsein an die Äußerlichkeit, zwischen Selbstbestimmung und Fremdbestimmung. Gerade daß die Vernünftigkeit nur eine an sich seiende, der Begriff nur ein „Innerliches" (E § 248) ist, macht den Widerspruch der Idee und die „Unfreiheit" der Natur aus. „Es ist die Ohnmacht der Natur, die Begriffsbestimmungen nur abstrakt zu erhalten und die Ausführung des Besonderen äußerer Bestimmbarkeit auszusetzen" (E § 250). Wie der logische Übergang von der Notwendigkeit zur Freiheit darin bestand, den im Wirklichen noch verborgenen Begriff, das nur innerliche im-andern-mit-sich-Zusammengeschlossensein zur Manifestation zu bringen, so gewinnt die Realität dadurch die Freiheit des Geistes, daß ihre Bestimmungen nicht mehr als selbständige gegeneinander bestehen bleiben, sondern als ideelle Momente des umfassenden Begriffs zur Existenz kommen; die Bewegung der Natur „durch ihren Stufengang ist näher dies, daß die Idee sich als das set%e, was sie an sich ist" (E § 251). Der Begriff, an sich das Übergreifende über die Realität, muß diese Macht des Übergreifens auch realisieren und dadurch die Idee in ihrer wahren Wirklichkeit hervorbringen; diese Wirklichkeit aber ist die Existenz des Geistes. Die Eigentümlichkeit der Natur „ist das Geset^fsem, das Negative" (E § 248 A). Die Rationalität der Natur ist nicht eine von dieser selber gestiftete, sondern die grundlegende Rationalität des Geistes. Obwohl die Natur ihrem „Gehalt" nach gerade das Gegenteil zu verkörpern scheint, folgt auch ihre Entwicklung dem allgemeinen Bewegungsgesetz, das die reine Vernunft vorgezeichnet hat und das sich auch als Grundform des Geistes erweist. Die Schwere als das Außersichsein ist Ausgangspunkt der Natur, ihre eigene Unmittelbarkeit, die sich aber selber nur als in sich „verkehrter" Begriff auffassen läßt. Die Wahrheit jenes „Gehalts" ist sein Gegenteil, der „Begriff" der Unfreiheit ist die
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Freiheit; Unfreiheit, für sich festgehalten und rein auf sich bezogen, ist ein Unbegriff, den dialektisches Denken gar nicht zu denken vermag5. Der dialektische „Prozeß" des Unfreien kann gar nicht in der Realisierung der Unfreiheit bestehen, die Erfüllung des eigenen Begriffs treibt es über sich hinaus. Wohl gibt es die Realität des Unfreien; zu ihr zählt nicht nur der ganze Bereich der Natur, sondern auch jener des Geistes, sofern dieser in seiner Endlichkeit verharrt. Jedoch ist die Unfreiheit hierbei nichts anderes als die prinzipielle „Unwahrheit" des Endlichen, von anderem bestimmt und nicht in der Wirklichkeit mit dem eigenen Begriff zusammengeschlossen zu sein. Wie aber die Form der Unwahrheit nur von der Form des Wahren her begriffen werden kann, so die der Unfreiheit nur von jener der Freiheit her. Auch wenn die Naturphilosophie einen Gegenstand zur Darstellung bringt, der sozusagen das Kehrbild des generellen Inhalts der Philosophie ist, so bringt sie ihn nicht nach einem ebenso in sich verkehrten logischen Grundmodell zur Sprache. Im Gegenteil ist es sogar so, daß das Durchhalten der übergreifenden Logik der Freiheit die Bedingung dafür ist, daß das Negative wahrhaft als Negatives zur Erscheinung kommen kann. Nur dadurch kann das Außersichsein nicht nur relativ zu anderem, sondern an ihm selber begriffen werden, daß es an ihm selber die Gedoppeltheit von grundlegender Struktur der Wahrheit — welche in der Form des eigenen Begriffs niedergelegt ist — und faktischer Verkehrung ins Unwahre verkörpert. Die eingangs aufgeworfene Frage muß somit dahingehend beantwortet werden, daß Hegel auch im System als ganzen eine einheitliche Grundvorstellung von Freiheit durchhält, welche die Form der Philosophie als solcher bestimmen soll. Die systematische oder logische Homogenität ist selber im Grundzug der von der Philosophie betrachteten Wirklichkeit fundiert, auf Freiheit ausgerichtet zu sein. Wenn sich das Unfreie nur im wahren Denken, das der grundsätzlichen Logik der Freiheit verpflichtet ist, wirklich begreifen läßt, so deshalb, weil es selber, als reales, auf die Aufhebung der eigenen Endlichkeit und Unfreiheit aus ist; das Übergreifen des Begriffs ist logisches oder erkenntnismäßiges Abbild des Übergreifens der Freiheit. Freiheit ist das, was sich und ihr Gegenteil setzt. Daß dies an dem Entgegengesetzten 5
Vgl. Ph. Gesch. 30: „Die Materie ist insofern schwer, als sie nach einem Mittelpunkt treibt; sie ist wesentlich zusammengesetzt, sie besteht außereinander, sie sucht ihre Einheit und sucht also sich selbst aufzuheben, sucht ihr Gegenteil. Wenn sie dies erreichte, so wäre sie keine Materie mehr, sondern sie wäre untergegangen."
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selber erhellt, bedeutet, daß dieses wirklich als das an ihm selber Negative zur Darstellung gelangt. Es vereinigen sich in ihm zwei Bedeutungen der „Macht" des Allgemeinen: zum einen die Macht des Positiven über das Negative, des Wahren gegen das Unwahre; zum ändern die Macht des Begriffs oder der Vernunft zur eigenen Selbstverwirklichung. Wenn sich im Bereich des Notwendigen die untergründige Form des freien Begriffs durchzieht, so heißt das nicht nur, daß das Unfreie von einem ändern, ihm Entgegengesetzten getragen wird, sondern ebenso wesentlich, daß dem Negativen an ihm selber die „positive" Kraft zur Selbstverwirklichung innewohnt: das Endliche, da es in seiner Wahrheit Moment des Unendlichen ist, ist immer schon in die Macht und den Prozeß des Unendlichen eingeschlossen — eine Macht, die es gleichwohl nicht wie ein Fremdes überkommt, sondern ihm, gerade als dem „wahrhaft" Endlichen, in eigener Instanz angehört. Das Endliche geht durch und aus sich selber zugrunde. Seine Kraft ist, als seine eigene, die Kraft des Unendlichen. Eine eigenständige „Logik der Unfreiheit" ist für dialektisches Denken nicht konzipierbar. Sie entspräche, nicht der Ohnmacht des Begriffs zur Selbstverwirklichung, sondern seiner Macht zum Nichtsein. Es ist vielleicht verständlich, daß eine solche Betrachtungsweise der Hegeischen Philosophie den Ruf der Naturverachtung einbringen konnte. Die Eingliederung der Naturphilosophie zwischen Logik und Geistesphilosophie ist ja nur äußeres Indiz des „inhaltlichen" Eingeschlossenseins der Natur in jenen umfassenden Prozeß, der vom reinen Logos zum absoluten Geist führt. Zu deutlich scheint die Nähe eines solchen Konzepts zum tatsächlichen Schicksal, das die Natur in der Menschheitsgeschichte erleiden mußte. Angesichts faktischer Naturunterjochung mag die Perspektive einer Resurrektion der Natur als gebotene Alternative erscheinen. Die Problematik des Naturverhältnisses, wie sie bereits in den Schriften des frühen Marx und später, in anderem Kontext und in radikaüsierter Form, von Löwith und Bloch zur Sprache gebracht wurde6, kann hier keine angemessene Behandlung finden, wiewohl sie für eine vollständige Ausleuchtung des Freiheitsproblems unabdingbar wäre. Gerade ihre Bedeutung machte eine separate Abhandlung erforderlich. Es können hier lediglich aus dem vorgelegten Naturkonzept einige Linien weiter ausgezogen werden. Hält man sich Hegels Aussagen über den Status der Natur vor Augen und folgt man 6
Vgl. oben S. 133 ff.
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der Logik seiner Gesamtkonzeption, so muß man sagen, daß sein systematischer Ansatz die Natur eigentlich in eben jene Perspektive rückt, welche ihm die Kritik radikal absprechen will. Der Übergang von der Natur zum Geist soll ja nicht jene zugrunde gehen lassen, sondern ihr gerade zur „Resurrektion" verhelfen. Das Geltendmachen des Freiheitspotentials im Notwendigen meint nicht dessen Überformung durch ein höheres, ihm fremdes Element. Vielmehr soll die Natur, indem sie sich zur Individualität und von da zum Geiste weiter entwickelt, sich durchaus zu sich selbst befreien. Indem sie ihre Unmittelbarkeit und Äußerlichkeit ablegt, überwindet sie ein Element, das ihr zwar als Natur wesentlich ist, das aber sozusagen nur ihre eigene, aufzuhebende Unwahrheit darstellt. So sollen „Philosophie und Glaube", wenn sie „den Menschen über die gefallene Natur erheben", zugleich „die Wiederherstellung der wirklichen Natur zur Folge haben" (Berl. Sehr. 384). Das Unwahre gelangt im Wahren zur eigenen Wahrheit; eine andere Erfüllung oder „Wahrheit" kennt es nicht. Nun ist allerdings klar, daß die gegen Hegel gerichtete Anrufung der Resurrektion der Natur eine Auferstehung meint, welche nicht in der Überführung der Natur in den Geist hinein, sondern nur in der Geltendmachung eines gegen den Geist gerichteten — oder doch zumindest über ihn hinausgehenden — eigenen Potentials der Natur bestehen kann. Es ist zuzugestehen, daß eine solche Auffassung nicht in das Hegeische Konzept zu integrieren und vom Standpunkt des Systems aus undenkbar ist. Allenfalls wird sie unter der Voraussetzung plausibel, daß die Idee des absoluten Geistes eine schlechte Hypostasierung ist: dann ist sie ein legitimer Einspruch gegen die falsche Verabsolutierung des endlichen Subjekts, gegen die falsche Totalisierung der Geschichte7. Generell jedoch bleibt unklar, was es denn nun an der Natur oder der „Materie" sein soll, das deren Überlegenheit über den Geist ausmacht und sie zum letzten Fundament und Horizont werden läßt; und noch mehr, wie dadurch dem System jene „Offenheit" zurückgewonnen werden soll, welche gerade der absolute Idealismus des Gedankens verbaut hatte8. Ohne auf diese Fragen hier weiter eingehen zu wollen, bleibt festzuhalten, wie sich diese Konstellation bei Hegel ausnimmt. Natur als Äußerlichkeit ist wesentlich das Außersichsein eines „an sich Insichseienden"; in ihrem Werden zum Geiste erfüllt sie die eigene Teleologie. Wie 7 8
Dies ist ein Aspekt, unter dem die Hegel-Kritik von K. Löwith verstanden werden kann. Dies ein Anliegen von Bloch.
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der Begriff das Allgemeine ist, das sich und seinen Gegensatz überspannt und verständlich macht, so ist im Bereich der realen Existenz „die Vereinigung von Freiheit und Notwendigkeit. . . nicht durch die Natur, sondern durch die Freiheit hervorgebracht"9. Jedoch ist die so hergestellte Verknüpfung von Bedeutung nicht nur für die richtige Einschätzung der „negativen" Phase, sondern für das Übergreifende selber, und dies im Hinblick sowohl auf das systematische Denken als solches wie auf den zugrundeliegenden Freiheitsbegriff. Analog dem logischen „Begriff", der nur durch die immanente Überwindung der Notwendigkeit, die er als aufgehobene ebensosehr beibehält, entsteht, ist „jedes System. . . ein System der Freiheit und der Notwendigkeit zugleich". „Das Absolute kann sich . . . in keiner von beiden Formen als Absolutes setzen"; eine „getrennte Freiheit wäre eine formale Freiheit, so wie eine getrennte Notwendigkeit eine formale Notwendigkeit" (Differenzschrift 107f.). Zum Gesamtkonzept eines Systems der Freiheit gehört als unabdingbares Moment die Sphäre der Notwendigkeit, die Verborgenheit des Begriffs und der das Getrenntsein umfassenden Einheit. Freiheit beweist ihre Souveränität gerade nicht in der Gelassenheit des Insichbleibens, sondern nur dadurch, daß sie aus sich herausgeht, sich in das Reich der Andersheit einläßt und in diesem sich realisiert. Das Verbleiben in der reinen Potenz — logisch gesehen: das Stehenbleiben beim Formalismus des Allgemeinen; systematisch gesehen: der Nicht-Übergang von der Idee zur Natur — ist nicht Bewahrung, sondern Vernichtung der Freiheit, leeres in sich Zusammenfallen.
C. Mag auch der über das Außersichsein der Natur vermittelte Zusammenhang des Geistes mit sich plausibel erscheinen, so stellt sich die gleiche Frage erneut und in verschärfter Form für jene Unfreiheit, welche nicht nur als daseiende dem Setzen des Subjekts entgegensteht, sondern selber auf dessen freiem Entschluß beruht: das Böse. Kann auch hier die allgemeine Perspektive der sich realisierenden Freiheit aufrecht erhalten und als logisch wie systematisch tragendes Fundament durchgezogen werden? Im Bösen geht es ja um die ausdrückliche Verkehrung des Willens gegen die eigene Freiheitsbestimmung; erst hier ist eigentlich 8
Nachschrift von G. Homeyer WS 1818/19, in: Hegel, Vorlesungen über Rechtsphilosophie 1818—31 (Hrsg. Ilting), Bd. I, S. 239.
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von Unfreiheit — nicht bloß als Absenz, sondern als Destruktion von Freiheit — zu reden. Dabei muß nicht nur das Böse im Sinn jener höchsten Spitze der moralischen Sub j ektivität gemeint sein, wie sie in der Rechtsphilosophie geschildert wird, sondern es steht der ganze Bereich menschlicher Existenz zur Frage, sofern in ihm Freiheit unterdrückt, Zwang ausgeübt, sittliche Selbstbestimmung verunmöglicht wird. Angesichts eines Gesellschaftssystems, dessen Telos in der völligen Annihilation freiheitlicher Regungen und der restlosen Schematisierung alles Individuellen zu bestehen scheint, fragt es sich in der Tat, ob hier ein Freiheitskonzept noch sinnvoll zum Begreifen der Wirklichkeit beitragen kann. Hier scheint ja gerade das Gegenteil dessen intendiert, was in jener sozusagen „normalen" Stufe der Differenz oder der Entzweiung angelegt war: nicht mehr soll dem substanzlosen Freiheitstrieb ein fester Halt gegeben, das Unbestimmte bestimmt, der unmittelbare Selbstbezug über sein anderes vermittelt werden, sondern es soll gerade jenes Ansich, um dessen Bestehen es geht, widerlegt und real negiert werden. Das Böse, seit je als das Negative des Guten aufgefaßt, ist nicht einfach dessen Nichtsein. Es ist „nicht bloß das abwesende Gute", sondern selber eine „positive Wirklichkeit" (Berl. Sehr. 373); es ist nicht bloß „unserer Endlichkeit", sondern, ebenso wesentlich wie das Gute, „unserer Freiheit" zuzuschreiben (ebd. 364). Es scheint sich hier gegenüber der Problematik der „Natur" ein prinzipiell neuer Fragehorizont aufzutun, welcher die systematische Universalität des Freiheitsgedankens grundsätzlich in Frage stellt — wenn nicht gar zur schlechten Fiktion verkommen läßt. Das „Böse" gibt sich als Indiz einer Gegenmacht, die ebensowenig von der Integrationskraft des Begriffs — der Freiheit — assimilierbar ist wie sie als bloß Akzidenteiles neben die Einheit gestellt werden kann, ohne diese zu gefährden. Gleichwohl hält Hegel auch hier am Grundgedanken der Freiheit als des einzigen Bezugrahmens fest. „Der Ursprung des Bösen", so betont er ausdrücklich, liegt „in dem Spekulativen der Freiheit"; die »Notwendigkeit des Bösen" ist eine von der Freiheit selber gesetzte (R § 139 A). Das sich gegen die Freiheit kehrende Böse ist für die spekulative Betrachtung kein spezifisch Neues gegenüber dem Außersichsein der Freiheit, eher dessen Radikalisierung und Verabsolutierung; es ist zwar noch nicht das Endliche als solches, wohl aber das „Festhalten. . . des Endlichen gegen die Wahrheit" (E § 386 A). Im Bereich des Moralischen nimmt es die Gestalt des rein subjektiv bestimmten Willens an: Gegenteil des seine Freiheit realisierenden, „guten" Willens ist die Willkür, die „gar keine
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Objektivität als diese der Selbstbestimmung" anerkennt (R § 140 N). Es ergibt sich das nur scheinbar Paradoxe, daß gegenüber der wahren, substantiellen Freiheit gerade jene Figur sich als äußerste Entzweiung darstellt, die sich überhaupt nicht in die Entzweiung einlassen will und die absolute Einheit mit sich selbst zu bewahren trachtet. Die Absage an alle Äußerlichkeit und objektive Bestimmung beläßt diese in der absoluten Unvermitteltheit des zufälligen Daseins und macht die objektive Welt zum unbestimmten Gegenüber eines selber bestimmungslosen Subjekts. Natur verliert ihre immanente Bezogenheit auf den Begriff im gleichen Maß, wie dieser sich ihrer zu entledigen sucht; als beziehungslose sinken beide ins „schlecht" Natürliche hinab. Die „höchste Spitze der Subjektivität im moralischen Standpunkte" besteht darin, daß das reine Subjekt sich als alleiniges Absolutes behauptet und sich als Macht der Verkehrung des Bösen in Gutes und des Guten in Böses weiß (R § 149 A). Als absolute Willkür bricht das Subjekt aus jeglicher „objektiven" Vernunft aus und wird zum selber bloß Natürlichen, Begrifflosen. Jede Verbindung mit einem vernünftigen Freiheitszusammenhang scheint verunmöglicht. Nichtsdestoweniger behauptet Hegel die „Notwendigkeit" des Bösen. Es ist eine Notwendigkeit zugleich in „inhaltlicher" wie „systematischer" Hinsicht. Die Fähigkeit zum Bösen ist Indiz der „Tiefe des Geistes" und gehört notwendig zum freien Willen; nur „insofern er auch böse sein kann", ist der Mensch zum Guten befähigt (R § 139N, Z). Wenn das Böse nur in Bezug auf das Gute qualitativ bestimmt werden kann, so muß umgekehrt auch vom Guten gesagt werden, daß es das Prinzip des Bösen impliziert. In ihm reflektiert sich das allgemeine Gesetz dialektischer Logik, daß Wahrheit und Einheit nur in der Vermittlung über die Entzweiung denkbar sind, und zwar über eine Entzweiung, die selber bis zum Äußersten, zum Widerspruch gegangen ist. Die Kehrseite der „spekulativen" Natur der Einheit ist, daß sie die eigene Entzweiung selber in absoluter Form zu denken verlangt. Das Böse ist dies, was als Widerspruch, ja „als die Existen^ des Widerspruchs" zu denken ist (Berl. Sehr. 374; vgl. 473; LII481). Es ist das Negative der Freiheit, das schon in der Gestalt der Natur an sich vorhanden war, auf seinen Paroxysmus gebracht10. Das Böse, das als notwendig bestimmt ist, ist zugleich bestimmt „als das, was notwendig nicht sein soll" (R § 139); es muß ebenso notwendig in absoluter Gestalt hervortreten wie überwunden werden. Als solches ist es von der Philo10
Auf anderer Ebene kommt auch in der Natur ein entsprechender Widerspruch vor; vgl. E § 268.
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sophie zu denken. Es ist weder bloße Nichtigkeit noch bloße Gegeninstanz, es ist die eigene totale Abstraktion des Wahren. Als „das Gute und die Nichtigkeit in sich enthaltend" ist das Böse „das verkehrte, entgegengesetzte, entstellte Gute; es kommt ihm eine, aber auf den Kopf gestellte Wirklichkeit zu" (Berl. Sehr. 374). Auch im Falle des Bösen gelangt die spekulative Betrachtungsweise somit zu einer analogen Schlußfolgerung wie hinsichtlich der grundsätzlichen Problematik der Natur. Wie das ansichseiende Außersichsein ist auch das gesetzte, freiheitlich gewollte Außersichsein nur von seiner Umkehrung — von der Umkehrung der „auf den Kopf gestellten" Wirklichkeit — her konzipierbar. „Das Ansich des Bösen" ist „das Gute" (Berl. Sehr. 374). Nur von diesem her ist die radikale Möglichkeit des Bösen denkbar. In gewissem Sinne läßt die explizit gegen die Freiheit gewendete Bestimmung des Negativen ihre grundsätzliche Bezogenheit auf Freiheit sogar deutlicher durchscheinen als die außerhalb der eigentlichen Freiheit/Unfreiheit-Alternative situierte Notwendigkeit der Natur. Das Böse ist schon an ihm selber nur als Werk der Freiheit zu verstehen, als Werk des seiner Natur nach auf das Gute, auf die Verwirklichung der eigenen Freiheit ausgerichteten Willens. So bestätigt sich in der Geistesphilosophie jene Absolutheit der Form der Freiheit, welche die Logik als unverzichtbare Grundlage des wahren Denkens herausgearbeitet hatte. Die Koimplikation von Freiheit und Systematizität findet im Erfordernis, real Unfreies zu denken, nicht ihre Widerlegung oder Außerkraftsetzung, sondern vielmehr ihre Bestätigung. Es wurden schon bei der Behandlung der Logik die Einwände erwähnt, die gegen das Modell des in sich geschlossenen, sein Negatives voll in sich integrierenden Kreises erhoben worden sind. Es ist nun nötig, diese Fragestellung auf der Ebene des Systems erneut aufzunehmen. Das Außersichsein der Idee, ja die ausdrückliche Wendung der Freiheitsintention gegen sich selber haben sich als systematisch notwendige Konstituentien des FreiheitsbegrifFes selber ergeben. Jedoch hat diese „Notwendigkeit" des Bösen — welche zugleich die Notwendigkeit von dessen Nichtsein ist — sich eher als Notwendigkeit der prinzipiellen Möglichkeit des Bösen bestimmt; in ihr bezeugt der Geist seine Kraft, den Widerspruch auszuhalten und in ihm die eigene Identität zu bewahren; in Vermittlung über den „immanenten" Selbstwiderspruch realisiert der Geist seine „Tiefe". In Abhebung von einem solchen Konzept hatte sich die Logik des „Kapitals" als Hinweis auf eine Widersprüchlichkeit verstanden, die nicht mehr von einer höhern Einheit integriert zu werden ver-
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mag, sondern selber das Ganze ist — ein Ganzes, dessen Begriff die Nichtrealisierbarkeit seiner enthält, und das an seiner Widersprüchlichkeit notwendig zugrundegeht. Schon in seinen frühen Schriften hatte Marx am Hegeischen Verfahren dahingehend Kritik geübt, daß Hegels Darstellung von Staat und Gesellschaft ein heiles Ganzes vortäuscht, indem sie den Widerspruch der Erscheinung als Einheit in der Idee faßt. In Wahrheit, so Marx, gibt es keine Vernünftigkeit des Wirklichen, die sich in der vorfindlichen Realität auf weisen ließe; allenfalls könnte die Einheit des Bestehenden darin gesehen werden, daß die unvernünftige Wirklichkeit sich als instabil erweist und sich zugrunderichtet. Die Marxschen Einsichten gehen in den Horizont der Hegel-Kritik Adornos mit ein. Auch für ihn ist Hegels Konstruktion eines seine Selbstidentität verwirklichenden Ganzen Ideologie. Sie ist dies im spezifischen Sinn, daß sie nicht einfach ein falsches Bewußtsein zum wahren verklärt, sondern in ihrer Falschheit die eigene Unwahrheit des Wirklichen nachbildet. Die Wirklichkeit ist System, Einheit, Totalität, aber gerade als solche Ausdruck der Unfreiheit, des Nichtlebendigen, der unterdrückten Subjektivität. Die „Abgeschlossenheit" des Ganzen ist Bann, Determinismus, Unverfügbarkeit, gewaltsame Reduktion der Vermittlung in verhärtete Unmittelbarkeit: „das totum ist das Totem"11. Noch Hegels in sich stringente Kritik an der kantischen Lehre vom transzendenten Ding an sich ist insofern „regressiv", als sie die Immanenz zur Idee verklärt und „den Zwang selbst als Absolutes" hypostasiert. Gleichwohl bleibt auch der Dialektik als dem „Selbstbewußtsein des objektiven Verblendungszusammenhangs" kein anderes Feld, wo sie sich eines gegen den Zwang gerichteten Freiheitspotentials versichern könnte; nur aus dem „Immanenzzusammenhang" selber kann ihr die „Kraft zum Ausbruch"12 erwachsen. Die universelle Erfahrung der Unfreiheit ist der einzige „Ort" möglicher Freiheitserfahrung; diese verfügt über keinen Freiraum, von dem aus sie sich des Ganzen gewissermaßen von außen her bemächtigen könnte. Das Feld des Unfreien ist nicht, wie bei Hegel, negatives Moment eines Ganzen, sondern selber das Ganze, welches nach Adorno das Unwahre ist13. Trotzdem kann dieses, um als unwahres erfahrbar zu werden, 11
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Negative Dialektik 368. Ebd. 396. Vgl. Marcuse, Vernunft und Revolution 231 f.: „Wenn also die Existenz des Proletariats Zeugnis ablegt von dem ^völligen Verlust des Menschen* und wenn dieser Verlust aus der Arbeitsweise resultiert, auf der die bürgerliche Gesellschaft beruht, dann ist die Gesellschaft als Ganzes verwerflich, und das Proletariat drückt eine totale Negativität aus: .universelles Leiden' und das Unrecht schlechthin." —
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nicht bloß daseiende Totalität sein; es muß, analog dem Hegeischen Ganzen, die innere Spannung von wahr und falsch in sich enthalten und aussprechen. Aufgabe der negativen Dialektik ist, das Nicht-Identische dadurch zu retten, daß das „absolute Leiden"14 als Glücks versagung, die Identität als Zwang ausgedrückt wird. Im „Bedürfnis, Leiden beredt werden zu lassen"15, hat Philosophie ihre Wahrheitsbedingung und ihren Maßstab. Ihre „Freiheit... ist nichts anderes als das Vermögen, ihrer Unfreiheit zum Laut zu verhelfen"16. Es gilt, das Potential zur Freiheit, das im Unfreien im Zustand seiner Entmächtigung vorhanden ist, zu aktualisieren, ihm zum Durchbruch zu verhelfen. Wenn dem aber so ist, dann fragt sich in der Tat, worin denn eine solche Konzeption sich prinzipiell von der Hegeischen unterscheiden soll. Auch für Hegel bildet die Zerrissenheit und Entzweiung der Zeit den Ausgangspunkt des Philosophierens: „Wenn die Macht der Vereinigung aus dem Leben der Menschen verschwindet und die Gegensätze ihre lebendige Beziehung und Wechselwirkung verloren haben und Selbständigkeit gewinnen, entsteht das Bedürfnis der Philosophie" (Differenzschrift 22). Und zwar ist nicht nur reales Leiden der sozusagen außerphilosophische Anstoß für ein auf Versöhnung zentriertes Denken, sondern die aus der äußersten Entzweiung gewonnene Vereinigung ist für die Systematizität des Denkens selber konstitutiv. Freiheit kann in der modernen Welt nur in der Form der Entzweiung und als die Kraft zu deren Überwindung erfahren werden. Hierin erliegt der Geist nicht einem fremden Schicksal, sondern verwirklicht er sein eigenes, geschichtliches Wesen. Der Schmerz ist „das Vorrecht lebendiger Naturen"; diese sind „von der unendlichen Kraft, daß sie in sich die Negativität ihrer selbst sind, daß diese ihre Negativitätfür sie ist, daß sie sich in ihrem Anderssein erhalten" (L II 481). Was dem Lebendigen als solchem zukommt, zeichnet in höherer Weise den Geist aus: nur das Leben, welches die „Kraft" besitzt, „die ungeheure Macht des Negativen", den Tod, „festzuhalten" und in ihm sich zu erhalten, „ist das Leben des Geistes" (PG 36). Aufs ganze System bezogen, wird man sagen müssen, daß die Not der Entzweiung und das Bedürfnis der Versöhnung nicht
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Zur Thematisierung dieser systematischen Fragestellung ist es nicht nötig, mit Adorno auf das Subjekt/Objekt-Schema zu rekurrieren und das Leiden als „Objektivität, die auf dem Subjekt lastet", zu fassen (Negative Dialektik 27; vgl. 170). Ebd. 312. Ebd. 27; vgl. 170. Ebd. 27.
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nur ursprünglicher Anlaß, sondern bleibendes Motiv des Philosophierens sind. Die Wirklichkeit begreifen besagt in der Gegenwart in erster Linie, faktisch mißlungene Versöhnung auf den Begriff zu bringen. Gerade die Beziehungslosigkeit soll als bestimmte Beziehung gedacht werden. Gleichwohl wird man nicht sagen können, daß die Erfahrung der Unfreiheit die Grundlage der Systematik selber abgebe; tragendes Fundament bleibt der umfassende FreiheitsbegrifF — auch da, wo er nur in der Gestalt seiner Negation oder Verdrängung vorkommt. Ein solches Konzept wird in den Augen der Negativen Dialektik zur fiktiven Unterstellung. Für sie ist und bleibt die Identität eine falsche, weil erzwungene, dem realen Bann nachgebildete. Die Theorie, die auf dem übergreifenden Allgemeinen der Freiheit und auf der mit sich versöhnten Identität beharrt, ist ideologischer Nachvollzug der in der Wirklichkeit vollstreckten universellen Angleichung. Indem Hegels Konstruktion dialektischer Einheit zwar das Negative, Diskontinuierliche als Umkehr- und Wendepunkt in Anspruch nimmt, gleichwohl aber „dies Diskontinuierliche. . . wieder völlig kontinuierlich eingemeindet"17, reproduziert sie im Denken — und versagt sie den Protest gegen — das Unrecht, das am Wirklichen — an der Natur, am Individuum — begangen wurde. Die „Sensibilität gegen die 'Mißhandlungen', welche die Natur und die Dinge" durch die Zurichtungen der Verstandespraxis erleiden, bildet nach Schweppenhäuser die „mächtigste Intention" dialektischen Denkens18. Es mag unbestreitbar — und, auf dem Boden der veränderten Zeitlage, verständlich — sein, daß sie bei Adorno ungleich stärker ausgebildet ist als bei Hegel. Trotzdem fällt es schwer, nicht dem Hegeischen Verdikt zuzustimmen, daß die negative Dialektik „gegen das Spekulative" „unkräftig" bleibe; „denn was die spekulative Idee selbst anbetrifft, so ist diese eben nicht ein Bestimmtes, hat nicht die Einseitigkeit, welche im Satze liegt, ist nicht endlich; sondern sie hat das absolut Negative an ihr selbst, den Gegensatz an ihr selbst" (Gesch. Ph. II 397)19 ^j/ohl ist zuzugeben, daß die Art, wie Hegel im Einzelnen 17 18 19
Bloch, Über Methode und System bei Hegel 81. Spekulative und negative Dialektik 83. Zwar ist offensichtlich, daß dasjenige, was Hegel hier im Rahmen der Erörterung des Skeptizismus „negative Dialektik" nennt, nicht jene Intentionen abdeckt, die Adorno mit dem gleichen Titel anvisiert. Gemeint ist hier das dialektische Moment, „vom Verstande für sich abgesondert genommen", insofern sein Resultat „die bloße Negation" ist (E § 81 A); d. h. es wird vom wesentlichen Zusammenhang, der im Hegeischen Denken das dialektische mit dem spekulativen Moment verbindet, abgesehen und nur das Dialektische als Negation der endlichen Ver-
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begriffliche Zusammenhänge konstruiert, oft den Anschein erzwungener Identifizierung erweckt; dies ist mehr oder weniger offenkundig für gewisse realphilosophische Erörterungen, wäre aber wahrscheinlich auch für bestimmte rein logische Zusammenhänge nachzuweisen. Nicht aber ist einzusehen, wieso das logische Grundmodell freiheitlicher Selbstbestimmung, das allerdings grundsätzlich Einheit und Vereinigung impliziert, selber ein Abbild des realen Zwangszusammenhangs und der Nicht-Verfügung sein soll. Eine Philosophie wie die Hegels ist für Adorno letztlich die Verklärung und totale Rationalisierung jenes „Philosophems von der reinen Identität als dem Tod", das in der „absoluten Integration"20 gegenwärtiger gesellschaftlicher und politischer Wirklichkeit seine Bestätigung findet. Der das ganze System bestimmende „Zwangscharakter" der Logik ist „selber der mythische Schein, die erzwungene Identität. Das Absolute jedoch, wie es der Metaphysik vorschwebt wäre das Nichtidentische, das erst hervorträte, nachdem der Identitätszwang zerging. . . Es liegt in der Bestimmung negativer Dialektik, daß sie sich nicht bei sich beruhigt, als wäre sie total; das ist ihre Gestalt von Hoffnung"21. Während Adorno die Hoffnung als das „Trotz-allem" der ins Unfreie regredierten Wirklichkeit anruft, macht die „Offenheit" für Bloch den wesentlichsten Zug der Wirklichkeit selber aus. Hegels System ist für ihn nicht primär Anbetung des Falschen, sondern falsches Denken. Es ist der „nicht nur konstruktive, sondern extrem kontemplative Panlogismus", der am Ausschluß der Zukunft, des realen Andersseins,
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Standesbestimmungen festgehalten. Bei Adorno hingegen müßte man sagen, daß es in seiner „Negativen Dialektik" um eine Dialektik geht, die in gewissem Sinn ebensosehr wie die Hegeische aufs Ganze aus ist und ihrem Grundmodell nach spekulativ ist; gerade in der Verschiedenartigkeit der „spekulativen" Seite müßte die alles bestimmende Differenz beider Standpunkte auszumachen sein. Allerdings ergibt sich auch hier wieder die grundlegende Schwierigkeit, dasjenige, was hier gegen das Hegeische Dialektik-Konzept — nicht dessen konkrete Anwendungen — geltend gemacht werden soll, einleuchtend und zur glaubhaften Alternative zu machen. Es fragt sich in der Tat, ob nicht die — berechtigte oder unberechtigte — Gegnerschaft gegen einzelne, konkrete Auffassungen und Lehren der Hegeischen Philosophie dazu führt, dem Hegeischen System ein einseitiges logisches Grundmodell zu unterschieben, dessen simplifizierte Fassung die Kritik fundieren soll. Läuft nicht die starre Festlegung der Hegeischen Version dialektischer Einheit auf den Zwangszusammenhang einer äußerlich subsumierenden Identität Gefahr, die eigene Gegenposition auf ein ebenso einseitiges Schema „negativer" Dialektik festlegen zu müssen, welche dann allerdings der zitierten Aburteilung anheimfallen muß ? Negative Dialektik 353. Ebd. 396.
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des Novums die Schuld trägt22. Es können hier weder das grundsätzliche Konzept einer „negativen" Dialektik noch der Entwurf eines auf das „Offene" gerichteten Materialismus auseinandergelegt werden. In der Art, wie Hegel die „Geschlossenheit" seines Systems definiert — als Struktur der absoluten Idee —, sucht er nach beiden Seiten hin Plausibilität zu gewinnen. Die Einheit, die in allem ist, ist in der Tat die des Begriffs, des Logos, und Hegel läßt keinen Zweifel daran, daß für ihn die in der Logik abgehandelten reinen Formen nicht leere Gedankenkomplexe, sondern die Form des Wahren an ihm selber, damit aber die Wahrheit des Wirklichen sind. In gewissem Sinn bleibt die Logik — wie die vormalige Metaphysik — höchste Wissenschaft. Nicht aber verbindet sich mit der spezifischen „Erstrangigkeit" der Logik die Folgerung, daß der Bereich der „realen" Wirklichkeit zum Zweitrangigen herabsinke. Im Gegenteil soll gerade im Abschluß des Systems offenbar werden, daß der „Begriff" nichts anderes als die „Natur der Sache" (E § 577) selber ist. Die Wirklichkeit der Natur und des Geistes soll an ihr selber das Logische als ihr grundlegendes konstitutives Prinzip aufweisen. Natur und Geist sind darauf aus, ihren Begriff zu realisieren, d. h. aber auch: sich in der Form des Begriffs, sich als Begriff zu verwirklichen, den Begriff selber zur Wirklichkeit zu bringen. Ein Anderssein, das sich dem Begriff total entzöge, bleibt dem Hegeischen Denken in der Tat unfaßbar, ein Ungedanke. — Ähnlich verhält es sich mit der Transposition auf die „zeitliche" Ebene. Die absolute Idee skizziert eine Form von Selbstbeziehung, die wesentlich Rückbeziehung, Verständigung über das schon Vorhandene, Begreifen der eigenen Genese miteinschließt. In gewisser Hinsicht kann man auch sagen, daß das „'wahre Sein' des geschichtlichen Werdens . . . stets nur als Gewordensein faßbar" wird23. Man macht sich jedoch selber einer „Metabasis" schuldig, wenn man diese Strukturen, die ebenso aus den Bedingungen wahren Begreifens wie aus den Voraussetzungen geschichtlicher Konstitution abgeleitet sind, zu Realien erstarren läßt, welche den Ausschluß jeglicher Zukunftsorientiertheit implizieren. Enthält doch die dialektische Fassung der Geschlossenheit in der spezifischen Bestimmung der absoluten Selbstbeziehung und Selbstverfügung auch die ebenso wesentliche Unterscheidung der Ebenen, die in ihrer Bezogenheit das Ganze in seiner Absolutheit ausmachen. Wenn der dialektische Prozeß im Denken der absoluten 22 23
Bloch, Über Methode und System bei Hegel 82. Kimmerle 296.
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Versöhnung terminiert, so wird in dieser zugleich der Grund aller möglichen Entwicklung wie die Spannung manifest, welche faktische Geschichte durchzieht und auf ihren Endpunkt hin ausrichtet; gerade zum Begreifen der noch nicht versöhnten Wirklichkeit ist die begriffliche Erfassung der Freiheit notwendig. Der spekulative Zusammenschluß bezeichnet selber die reale Utopie der Geschichte. Wie aber das Absolute nicht als selbständige Idealisierung neben die faktische Wirklichkeit gestellt werden darf, so kann auch diese nicht ohne ihren immanenten Bezug auf die eigene Wahrheit verstanden werden. Was Hegel zum Begreifen der defizienten, schlechten Wirklichkeit fordert, ist nach seiner eigenen Auskunft nichts anderes als dies, den Widerspruch zu denken. Auch und gerade dann, wenn Unfreiheit den ganzen Bereich vorhandener Wirklichkeit kennzeichnet, verweist Dialektik auf das im Unvollendeten Ausstehende. Wird die Verkehrung der Freiheit gegen sich selber als Widerspruch gedacht, so heißt das, daß auch der Zwangszusammenhang, der sich zum Ganzen aufwirft, in seiner schlechten Partikularität offenbar wird. Das widersprüchliche Totum, dessen Begriff die Unmöglichkeit der eigenen Verwirklichung ausspricht, wird durch sich selber dazu getrieben, den eigenen Totalanspruch zurückzunehmen und aus sich selber Platz einzuräumen für sein Anderes, die erzwungene und fiktive Geschlossenheit zu sprengen, um auf höherer Ebene eine „Geschlossenheit" zu instaurieren, welche nichts anderes als die Offenheit des Wirklichen meint. Die realphilosophische Ausführung des Systems — und spezifisch die Art, wie sich dieses schlußendlich in der Geistesphilosophie mit sich zusammenschließt — bestätigt zwei Aspekte, welche sich schon in der Erörterung der Logik als wesentliche Momente philosophischen Denkens herausstellten: die Koimplikation von Dialektik und Spekulation und jene von Darstellung und Kritik. Darüber hinaus hat die Realsystematik auch die Zusammenführung der beiden Aspekte deutlich gemacht. — In der Logik hatte sich gezeigt, daß die spekulative Betrachtung, indem sie auf den Zusammenhang des Ganzen aus ist, diesen nur über die Negativität des Endlichen, Partiellen zu vergegenwärtigen vermag, und daß umgekehrt der Prozeß des Endlichen, den Dialektik sichtbar zu machen hat, selber im Prozeß des Unendlichen, in der Ganzheit des absoluten Selbstbezugs fundiert ist. Die beiden Verweisungen haben sich nun inhaltlich konkretisiert. Einerseits ist der absolute Geist, der alle Wahrheit ist, das letzte Fürsichwerden jenes Geistes, der sich in die Endlichkeit eingelassen hat und aus der höchsten Entzweiung zur Ein-
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heit mit sich zurückgekehrt ist. In der „Abgeschlossenheit", welche sich die Wirklichkeit des Geistes durch ihre Selbstvergegenwärtigung in der Gestalt der Absolutheit gibt, wird zugleich das Unvollendete, Defiziente faktischer Wirklichkeit offenbar. Die Herstellung des absoluten, logisch nicht mehr zu überbietenden Zusammenhangs der Wirklichkeit bedeutet zugleich, ideell gesehen, den Untergang des in seiner Beschränktheit verabsolutierten, auf seine Endlichkeit fixierten Endlichen. Indem der Geist sich dasjenige vor Augen führt und als sein eigenes Wesen anerkennt, was die Freiheit an ihr selber ist, versichert er sich ebensosehr der Bedingungen realer Versöhnung wie er deren tätigen Vollzug als praktische Aufgabe ins Blickfeld rückt. Die Stoßrichtung aufs Ganze führt notwendigerweise zur Thematisierung des vom Ganzen Losgelösten, die Erfassung des Konkreten impliziert das Denken der Abstraktion in ihrer äußersten Konsequenz; nur über die Vermittlung des Endlichen und von diesem her kann das Denken des Unendlichen sich realisieren und legitimieren, nur als dialektische bewahrt sich Spekulation vor dem leeren Formalismus. Umgekehrt hat sich in der Geistesphilosophie auch bewahrheitet, daß das dialektische Moment nur in seiner Ausrichtung auf — und seiner Erfüllung durch — das Spekulative ein Moment des Wahren und ein an ihm selber Wahres ist. Gerade wenn die Zerrissenheit geschichtlicher Wirklichkeit zum Thema gemacht werden soll, muß auch die Einheit erörtert werden, der gegenüber Entzweiung als solche in Erscheinung treten kann. Indem die Darstellung vom Bereich des endlichen über den weltgeschichtlichen zum absoluten Geist fortschreitet, zeichnet sie das Fundierungsverhältnis nach, welches reale Freiheit mit ihrem absoluten Ermöglichungsgrund verbindet. Wie die „absolute Idee" führt auch der „absolute Geist" in den absoluten Ursprung zurück: in das, was sich als das Erste und Ganze der Entwicklung erweist, das aber zugleich erst als Resultat in der eigenen Wahrheit expliziert werden kann, erst in seinem Gewordensein wahrhaft ist. Vom spekulativen Insichzurückgehen hatte schon die Vorrede der Phänomenologie gesagt, daß es „darzustellen", nicht etwa nur zu nennen oder anzudeuten sei. Die Probleme der spekulativen Darstellung, paradigmatisch am „spekulativen Satz" erörtert, haben in der Hegel-Rezeption ihre Zweideutigkeit bewahrt. Das Wahre, zu dessen Darstellung der Satz unfähig sein soll, muß gleichwohl über die Sprache, und d. h.: in der Struktur des prädikativen Satzes ausgedrückt werden; die Zuhilfenahme neuer Unmittelbarkeitsformen stellte keine Überwindung der Schranken der Prädikation, sondern schlichte Regres-
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sion dar. Das Problem der Darstellung der spekulativen Verhältnisweise betrifft indes seinem Gehalt nach nicht den Ausdruck selber, sondern den dargestellten Gegenstand. Von diesem muß plausibel gemacht werden, wie sein Außersichkommen, die Entfaltung des vorerst Einfachen und Abstrakten, zugleich und identischerweise Insichgehen, zunehmende Konzentration ist, wie das höchste Allgemeine gleichermaßen höchste Einzelheit, das Universale Spitze der Subjektivität sein kann. Das Problem dabei ist, daß die eine Bewegung an ihr selber in ihrer Doppelrichtung sichtbar werden soll; es kann nicht vom Endpunkt aus erneut der Darstellungsweg betreten und das im ersten Gang Unausgedrückte in einem zweiten oder dritten nachgeholt werden. In der logischen Struktur der absoluten Idee hat Hegel die prinzipiellen Erfordernisse der spekulativen Darstellung, die spekulative Form des Wahren begrifflich zu bestimmen versucht. Die Theorie des absoluten Geistes — und genauer die „Philosophie" als deren letzte Stufe — hat diese Erfordernisse auf die Erfassung des Wirklichen im Hinblick auf die grundlegende Problematik der Freiheit angewendet. In den „drei Schlüssen" gibt sich die Wissenschaft als ganze die explizite „Form" des spekulativen Satzes, vollzieht sie als ganze jenen Zusammenschluß mit sich, nach dessen Analogie sie Wirklichkeit begreift. Indem die realphilosophische Darstellung das Zusammenwirken von dialektischem und spekulativem Moment konkret zur Ausführung bringt, stellt sie auch den realen Zusammenhang von Darstellung und Kritik her, den die Logik grundsätzlich entworfen hatte. Die Herausarbeitung dessen, was die Wahrheit des Endlichen ist, ist zugleich das Aussprechen der Wahrheit und das Urteil „über" das Endliche, ganz wie das „Weltgericht" der Geschichte das Urteil über den einzelnen, endlichen Staat spricht und ihn an der Beschränktheit seines Prinzips untergehen läßt. Dialektische Darstellung, indem sie spekulativ ist — und spekulative Darstellung, indem sie dialektisch ist —, ist Kritik, die ihren Maßstab dem Dargestellten selber entnimmt. In ihrer abschließenden Selbsterfassung führte die Philosophie die Dimension des Logischen mit jener des Geistigen zur Einheit zusammen. Darin drückt sich aus, daß dasjenige, was sich in der Logik als Struktur des Begriffs herausstellte, die eigene Natur des Wirklichen, ein nicht nur auf dieses Angewendetes, sondern von ihm selber Erzeugtes ist. Indem spekulative Philosophie die Wirklichkeit als vernünftige begreift, erhellt sie deren begriffliche Struktur als das „Urteil", das die Sache über sich selbst spricht. Das Wirkliche, das an ihm selber Begriff sein soll, tritt in Erscheinung als eines, das einen
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bestimmten Anspruch bezüglich seiner erhebt, das diesem Anspruch mehr oder weniger gerecht wird, und das schließlich auch noch das Maß der Adäquatheit zwischen seiner Realität und seinem Begriff an ihm selber ausspricht24. Die Philosophie ist insofern bloßes Zuschauen, als sie diese Selbstbeurteilung des Wirklichen nachzeichnet und ihr zum Ausdruck verhilft. Sie mißt das Bestehende nicht an der Richtschnur einer vorgängig etablierten Norm, sondern entwickelt den Maßstab ihrer Kritik aus jenem selbst. Um wahrhaft „kritische Theorie" sein zu können, muß sich Philosophie des absoluten Maßstabs versichern, den sie, formal gesehen, im Konzept der absoluten Idee und, inhaltlich gesehen, in der Selbstbestimmung der Philosophie und im Begreifen der absoluten Freiheit gewinnt. Nur im Horizont dessen, was sich dem reinen Denken als letztes Erfordernis der Wahrheit einerseits, der Wirklichkeit anderseits ergibt, kann Kritik sich als philosophische verstehen. Ebenso wichtig aber ist für Hegel auch die umgekehrte Feststellung, daß das solcherart herausgearbeitete Absolute nicht als leeres Sollen dem Faktischen gegenübersteht, daß Freiheit dem Unfreien nicht ein Fremdes, sondern sein eigenstes Wesen ist. So widerspiegelt sich im „inhaltlichen" Zusammenhang der Sphären von endlichem und unendlichem Geist auch der „statusmäßige" Zusammenhang der beiden Grundzüge dialektischer Philosophie als „reiner" und als „kritischer" Theorie. Indem Philosophie ihrer Aufgabe nachkommt, das Wirkliche „zu begreifen", im Zeitlichen „die Substanz, die immanent, und das Ewige, das gegenwärtig ist, zu erkennen", bringt sie das Vorhandene zugleich vor den Richterstuhl des „freien Denkens", das „nicht bei dem Gegebenen" stehen bleibt, sondern wesentlich „von sich ausgeht" (R 14, 25). Dialektische Philosophie, die sich zugleich im stringenten Sinn als spekulative versteht, bleibt in nichts hinter dem zurück, was „kritische Theorie" gegen sie zur Geltung bringen will. Im Gegenteil werden gerade deren eigene Forderungen und Ansprüche vom spekulativen Denken ernst genommen und radikalisiert. Dieses kommt mit Marx darin überein, daß die Theorie „aus den eigenen Formen der existierenden Wirklichkeit die wahre Wirklichkeit als ihr Sollen und ihren Endzweck" zu entwickeln hat25. Philoso24
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LII 518: „Etwas Wirkliches zeigt daher wohl an, was es sein solly aber es kann auch nach dem negativen Begriffsurteil ebenso zeigen, daß seine Wirklichkeit diesem Begriffe nur unvollständig entspricht, daß es schlecht ist." Marx an Rüge, Sept. 1843 (MEW l, 345); an der gleichen Stelle begibt sich Marx in frappierende Nähe zur vielgescholtenen Vorrede der Rechtsphilosophie, wenn er schreibt: „Die Vernunft hat immer existiert, nur nicht immer in der vernünftigen Form." Daß dieser „kritische" Zug auch in Hegels Philosophie tendenziell vor-
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phie spricht aus, „was dieser Zeit fehlt"26, sie verleugnet auch bei Hegel nicht jenen „kritischen" Zug an der Idee, der diese zum „Bild der wahren Möglichkeiten der Dinge gegenüber der erscheinenden Wirklichkeit" macht27. Mit dem Begründer der „Kritischen Theorie" läßt sich auch von Hegel sagen, daß „der Widerstand der Philosophie gegen die Realität. . . aus ihren immanenten Prinzipien" herrührt28. Gerade dadurch, daß Philosophie über die Beschränktheit vorhandener Begriffe und Ideen hinausgeht und sich an den Begriff wahrer und erfüllter Vernunft hält, kann sie Kritik von einem Standpunkt aus betreiben, der nicht seinerseits vom Kritisierten her widerlegt wird, und der gleichwohl diesem gegenüber nicht als fremde und äußere Instanz, sondern als eigene Wahrheit auftritt29. Statt bloße Verherrlichung bestehender Verhältnisse zu sein, wie es seit Haym der Hegeischen Philosophie vielfach unterstellt wurde, sucht diese vielmehr, gerade indem sie Kritik als spekulative betreibt, eine spezifische Instanz des Widerstandes gegen das Bestehende einzurichten, welche nicht ihrerseits einer „Dialektik der Aufklärung" ausgeliefert ist und dem Kritisierten schließlich anheimzufallen droht. In ihrer Etablierung als „kritische" Theorie meint Philosophie nichts „Neues" oder „Zusätzliches" außerhalb ihres überkommenen Aufgabenbereichs zu realisieren; vielmehr expliziert sie darin ein Wesensmerkmal, welches seit je zur ursprünglichen Intention des Philosophierens gehörte30. —
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handen ist, gesteht ihr auch Bloch zu: auch bei Hegel fliegt der Gedanke nicht immer „als Eule der Minerva, post festum. Als umwälzende, als Sprache eines Heraufkommenden kann Philosophie vielmehr, ohne abstrakt zu werden, ante rem stehen, nämlich so, als stünde sie, wie Hannibal, ante portas. Spricht eine große Philosophie den Gedanken ihrer Zeit aus, so spricht sie ebenso aus, was dieser Zeit fehlt und was in der kommenden fällig ist. So erst wühlt und leuchtet sie dem latent Neuen entgegen, nämlich der besseren Gesellschaft, wahreren Welt" (Subjekt-Objekt 376). Bloch, Subjekt-Objekt 376. Marcuse, Vernunft und Revolution 148; für Marcuse ist bei Hegel dieses kritische Potential der Idee zum Stillstand gebracht, Geschichte endgültig „in Ontologie überführt", und dies entsprechend dem Grundzug der Logik selber; schon diese „trägt den Stempel der Resignation" (ebd. 149f.). Horkheimer, Kritische Theorie 7/296. Vgl. Horkheimer, ebd. 304: „Philosophie enthüllt den Widerspruch, in den sie [die Menschen] sich insofern verstricken, als sie im Alltag genötigt sind, sich an isolierte Ideen und Begriffe zu halten." Es kann noch angemerkt werden, daß die schon erwähnte These Puntels, wonach das Hegeische System erst in einem dreifachen Darstellungsgang adäquat zu vergegenwärtigen sei — wobei „die eigentlich angemessene, d. h. die dem dritten Schluß entsprechende Darstellungsart die „enzyklopädische" und die „phänomenologische" Darstellungsart aufhebt, damit aber auch in sich enthält" (346) —, auch im Hinblick auf den „kritischen" Aspekt der Theorie nicht die Lösung
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D. Es ist nun von einer ändern Seite her auf das zur Frage Stehende zurückzukommen. Bislang wurde der Zusammenhang von Systematizität und Freiheit hauptsächlich im Fünblick auf die Systematizität der Philosophie selber thematisiert. Es wurde gezeigt, daß deren Geschlossenheit von solcher Art ist, daß sie die Erörterung des Negativen, Unfreien nicht verunmöglicht oder einfach überdeckt. Im Gegenteil erwies sich die Philosophie gerade auch darin als „Philosophie der Freiheit", daß sie ein Ganzes betrachtet, von dem aus allein auch das Defiziente in seiner Negativität manifest wird. Im Kontext dieser Überlegungen zeigte sich die „systematische" Philosophie als Ausdruck der Zusammengehörigkeit von „positiver" und „negativer" Dialektik, Spekulation und Dialektik, Darstellung undKritik. Das System der philosophischenWissenschaften, wie es Hegel in der Enzyklopädie vor Augen führt, bekundet sein Ausgerichtetsein auf den Freiheitsbegriff nicht nur in bezug auf die philosophischen Disziplinen und Instanzen, die es konstituieren (bezüglich des „Systems"), sondern auch hinsichtlich der Art und Weise, wie es seiner Form nach ein in sich geschlossenes, dialektisch-spekulatives Ganzes darstellt („Systematizität"). Von der Betrachtung der Konkordanz zwischen Systematizität und Freiheitsgehalt der philosophischen Wissenschaft als solcher ist nun zum Zusammenhang dieser Systematizität mit der Logik des Freiheitsbegriffs selber zurückzukommen. Wir haben schon gesehen, daß die Problematik der „Geschlossenheit" des „Grundmodells" nicht primär ein Darstellungsproblem, sondern ein Problem des zugrundeliegenden Gehalts selber ist. Auch die meisten Einwände, die im Umkreis dieser Problematik gegen Hegel vorgebracht der Probleme bringt, die sich Puntel davon verspricht. In einer solchen dritten, „noologischen" Darstellung würde dann die Freiheit des Geistes als das Ursprüngliche und Zugrundeliegende expliziert und auf seiner Grundlage die ganze Systematik konzipiert. Gerade dadurch aber würde Philosophie das Wirkliche mit einer ihm vorerst fremd scheinenden Gegeninstanz konfrontieren, nicht das Absolute aus dem Relativen herausentwickeln und nicht das „Urteil über sich selbst" nachzeichnen, das der Prozeß der Realität ist. Auch wenn Freiheit das Ursprüngliche und Grundlegende ist, so ist sie es für den endlichen Geist eben nicht so, daß sie für ihn in ihrer Absolutheit vorgängig gegeben wäre. Der an sich vorausliegende absolute Maßstab, an dem sich Wirklichkeit mißt, wird für diese erst im Gang der eigenen Entfaltung einsehbar; in seiner Absolutheit bleibt er gewissermaßen ein wesentlich nachträglicher, erst „im nachhinein" konzipierbarer. Spekulatives Denken hat zwar den terminus ad quem als Ursprung zu begreifen und darzustellen, nicht aber von ihm aus zur erneuten — gegenüber dem Prozeß des Wirklichen fiktiven — Darstellung anzusetzen.
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wurden, zielen zumindest implizit auf die Unvereinbarkeit von Geschlossenheit und Freiheitsgedanken ab. Zu offensichtlich scheint, daß Freiheit nur in einer „offenen" Gesellschaft, in einer auf die „Offenheit" der Zukunft orientierten Geschichte realisiert werden kann. Was die systematische Geschlossenheit und das Insichzurückgekehrtsein „inhaltlich" für die Freiheit bedeuten und inwiefern sie für diese unentbehrlich sind — die Notwendigkeit der Bewußtwerdung des eigenen Grundes, die Dialektik der Ursprünglichkeit —, dies wurde bereits im Anschluß an die „reale" Freiheitsrelevanz der Theorie des absoluten Geistes hervorgehoben. Es bleibt ergänzend darzulegen, wie sich die Systematizität auch ihrer logischen „Form" nach auf den Freiheitsbegriff bezieht. In der absoluten Idee, welche diese spezifische Form für sich herausgearbeitet hat, bestimmte sich dialektisches Denken, wie es sich in seiner Gesamtheit und seinem Wesen nach präsentiert, in zwei Hinsichten: als „System" und als „System der Totalität" (L II 567, 569). Der Systemcharakter als solcher kommt der dialektischen Logik dann zu, wenn diese ihre Selbstreflexion so weit fortgetrieben hat, daß sie sich nicht mehr abstrakt als Formenanalyse verstehen kann, welcher die inhaltliche Bestimmtheit indifferent gegenüberstünde, sondern daß sie „ihre Bestimmtheit als Inhalt" als ein selber logisch „Abgeleitetes und Erwiesenes" begreift (L II 567). Erst hier, wo die absolute Form sich selber als absoluter Inhalt ergibt, erfüllt sich das Vorhaben der philosophischen Methode, noch den Inhalt der philosophischen Betrachtung zu beweisen. Dies gilt nicht nur von der spekulativen Logik, sondern vom philosophischen System als solchen: was sich letztlich als absoluter und umfassender „Gehalt" der philosophischen Wirklichkeitserfassung herausbildet — die Freiheit überhaupt —, tritt nicht als ein irgendwoher aufgenommener, ansonsten beliebiger Inhalt in Erscheinung. Daß Freiheit das Ganze und Höchste ist, um welches es sowohl in der Analyse der Natur wie des Geistes geht — ja um welches es dem philosophierenden Geist selber zu tun ist —, die „Notwendigkeit" dieses absoluten Inhalts bildet für das Denken, welches zum Maßstab nichts als den spekulativen Begriff der Wahrheit hat, selber die letzte inhaltliche Erkenntnis. Die Theorie des absoluten Geistes nimmt nicht nur äußerlich und willkürlich Bezug auf die „absolute Idee"; ausdrücklich wird der Geist in seiner Absolutheit als die reale Wirklichkeit und Wahrheit jenes in sich Absoluten verstanden, als welches sich die absolute Form des Wahren bestimmt hatte. In diesem Sinne „System" zu sein, verleiht der Philosophie letzte Wissenschaftlichkeit, Transparenz und Konsistenz.
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Der „Systemcharakter" als solcher wird von Hegel nun dahingehend weiterbestimmt, daß die Methode ein „System der Totalität" bilden soll. Mit diesem Merkmal benennt er den Umstand, daß die Logik nicht nur den anfänglich äußerlichen Inhalt zu einem abgeleiteten und „den unmittelbaren Anfang %u einem Vermittelten macht", ihn „als einen bestimmten wiederherstellt", sondern daß sie „durch einen Inhalt als durch ein scheinbares Anderes ihrer selbst zu ihrem Anfange so zurück [kehrt]", daß „das Resultat .. . ebensosehr die aufgehobene Bestimmtheit, somit die Wiederherstellung der ersten Unbestimmtheit [ist], in welcher sie angefangen" (L II 568f.). Es kommt hier die in sich „gegenläufige" Bewegung ins Spiel, welche als Doppelrichtung von Außersich- und Insichgehen bestimmt wurde, und durch welche „das Reichste" zugleich „das Konkreteste und Subjektivste, und das sich in die einfachste Tiefe Zurücknehmende das Mächtigste und Übergreifendste" ist (L II 570). Hegel vergleicht die beiden Wege mit dem, was die Vorstellung als „Emanation" und „Evolution" unterscheidet. Daß die Wissenschaft, der es auf das „Setzen der Begriffsbestimmungen ankommt", in ihrer äußern Gestalt nur den einen Weg — den vom Ärmsten und Abstraktesten zum Reichsten und Bestimmtesten — verfolgt, liegt in den Bedingungen des wissenschaftlichen Fortgangs begründet. Am Ende der logischen Gedankenentwicklung jedoch zeigt sich, daß dasjenige, was seiner äußern Gestalt nach nur als einseitiger Weg des Herausgehens erscheint, zugleich ein Zurückgehen und Insichgehen in das Ursprüngliche ist, das von Anfang an als an sich Absolutes vorhanden ist: das Herausgehen aus dem Einfachen ist zugleich das Insichgehen des vorerst nur an sich, somit außer sich seienden Begriffs. Der wissenschaftliche Weg vom Abstrakten zum Konkreten läßt sich nicht auf die eine Seite der beiden strukturellen Bedeutungen des Begriffs verbuchen. Sowohl das absolute Insichsein wie das höchste Allgemeine und mit-allem-Identischsein sind am Anfang in absoluter Unbestimmtheit vorhanden und gleichermaßen am Schluß in ihrer höchsten Konkretion gefaßt. Jede der entgegengesetzten Formen ist „für sich .. . einseitig, sie sind zugleich; der ewige göttliche Prozeß ist ein Strömen nach zwei entgegengesetzten Richtungen, die sich schlechthin in Einem begegnen und durchdringen ... Die Evolution ist auch Involution" (E § 252Z)31. 31
Vgl. E § 251Z: „Dies Herausgehen des Zentrums an die Peripherie ist daher ebensosehr, von der umgekehrten Seite angesehen, ein Resümieren dieses Heraus in die Innerlichkeit, ein Erinnern, daß er es sei, der in der Äußerung existiert."
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Die beiden Merkmale des „Systems" und der „Totalität" definieren jene „Geschlossenheit", welche Freiheit verbürgen und ermöglichen soll. Schon an verschiedenen Stellen der inhaltlichen Erörterung hat die „Doppelrichtung" des spekulativen Prozesses ihre Relevanz für den Freiheitsgedanken erwiesen. Auf den verschiedenen Stufen der Logik hat sich dargelegt, wie die beiden Bedeutungsmomente der Freiheit sich entfalten und schließlich zu dem einen Begriff der Freiheit zusammenschließen. Die spezifische Art von Abgeschlossenheit, die sie umreißen, gestattet es, den Hegeischen Freiheitsbegriff von ändern abzuheben, mit denen er zuweilen konfundiert und in dieser Gleichsetzung kritisiert wurde. Daß Freiheit nur im Rahmen des Ganzen und erst in dessen Schlußbestimmung sich vollständig und angemessen explizieren läßt, bedeutet nicht, daß hier von einer Freiheit „des Ganzen" — des Staats, der Gesellschaft, der Geschichte, oder einer abstrakten metaphysischen Totalität — gegen das Einzelne die Rede ist. Die Beziehung von Kollektiv und Individuum läßt sich in keiner Weise mit dem Spannungsverhältnis von Begriff und Begriffsbestimmung, System und Systemteil (oder ähnlichem) parallelisieren oder gar gleichsetzen. Daß das Ganze die Wahrheit der Momente ist, impliziert nicht ein entsprechendes Subsumtionsverhältnis zwischen Teilen und Ganzem in der Realität. Man kann zwar z. B. sagen, daß im objektiven Geist die Sphäre der Moralität, welche spezifisch das Anliegen des Einzelmenschen vertritt, durch die Instanzen der Sittlichkeit überboten und ihnen subordiniert wird. Doch ist damit nicht gleichermaßen eine Unterordnung des Individuums angesprochen, welches seine Freiheitsintentionen einem über ihm schwebenden Ganzen abzutreten hätte; vielmehr geht es darum, daß der Einzelne selber erst in Familie, Gesellschaft, Staat und Geschichte sein Freiheitspotential der eigensten Intention gemäß zu realisieren vermag. Die Zweiteilung Individuum/Gesellschaft verläuft quer zur Unterscheidung der Sphären des Rechts. Während das Verhältnis von Teil und Ganzem im strikten Sinn ein wesenslogisches Verhältnis darstellt, bezeichnet das über sich verständigte Verhältnis des Begriffs zu seinen eigenen Bestimmungen jene letztmögliche Selbstbeziehung, als welche sich die absolute Idee definiert. Von dieser allein aber ist die Rede, wenn für die Freiheit das vollendete mit-sich-Zusammengeschlossensein oder die „Ganzheit" in Anspruch genommen werden — oder wenn vom Ganzen als dem Wahren die Rede ist. Als Beleg dafür können eben jene Charakteristika gelten, anhand derer das System gekennzeichnet wurde. Der Begriff, der seine Bestimmungen vollständig differenziert und sein
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Ansich dem ganzen Umfang nach gesetzt hat, ist im Wege des sich immer Weiterbestimmens zum Allgemeinsten und Umfassendsten geworden. In seiner ganzen Entfaltung bleibt er jedoch der Begriff, der, indem er „alles in sich befaßt" (L II 570), zugleich alles auf das eigene Zentrum zurückbezieht, es in die eigene Mitte zurückführt. Hegel scheut sich nicht, dasjenige, was da zum Universalsten geworden ist, mit Termini zu bezeichnen, welche den Rahmen des rein Logischen zunächst zu sprengen scheinen: als „atome Subjektivität", das „Subjektivste", „reine Persönlichkeit" (L II 549, 570). Nicht von irgendeiner mythischen Allheit, sondern vom Subjekt selber — auch dem endlichen — soll gelten, daß seine Freiheit nach der Gestalt der „absoluten Idee" zu denken ist. Auch wenn der Mensch, sofern das von ihm in Wirklichkeit umsetzbare Freiheitspotential den Bedingungen der Endlichkeit unterliegt, hinter der hier in ihrer Reinheit gegebenen Form von Freiheit zurückbleibt, so ist er doch darauf angewiesen, Freiheit — auch die eigene — in dieser Absolutheit denken und entwerfen zu können, um überhaupt reale Freiheit zu erlangen. Die spezifische Systematizität des Ganzen, wie sie in der absoluten Idee bestimmt wird, verbietet nicht nur eine Ausspielung der Freiheit des „Ganzen" gegen den Einzelnen, sondern liefert auch eine weitere inhaltliche Präzisierung der Freiheit, welche dem Subjekt zugeschrieben werden soll. Es könnte ja vorerst so scheinen, als ob, wenn schon nicht ein überindividuelles Pseudosubjekt Träger der Freiheit sein kann, einfach das reale Subjekt an dessen Stelle rücken und zum allmächtigen Herrscher hypostasiert werden sollte. Würden Ausdrücke wie „das Mächtigste und Übergreif endste" (L II570) rein für sich in Absehung von ihrer Einseitigkeit gelesen, so wäre einer solchen Deutung wohl nichts entgegenzusetzen. Freiheit wäre dann zwar nicht Unterwerfung, wohl aber deren — ebenso falscher und unfreier — Gegensatz: Herrschaft. Was in Wahrheit aber in der gleichzeitigen und mit gleicher Emphase vorgetragenen Behauptung des absoluten Insichzurückgehens und der umfassenden Allgemeinheit zum Ausdruck kommen soll, ist die letztmögliche und radikalste Fassung jener allgemeinen Bedeutung von Freiheit, welche allen besondern Bestimmungsmomenten zugrundeliegt: das im ändern bei sich Sein. Beide Bedeutungskomponenten haben sich für einen vernünftigen Freiheitsbegriff als gleichermaßen wesentlich erwiesen. In der absoluten Idee werden sie sowohl für sich, in ihrer unüberbietbaren Form, wie in dem Zusammenhang, der ihre Wahrheit ausmacht, begriffen. Zum einen wird hier ihre schlechthinnige gegen-
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seitige Verwiesenheit offenbar: jedes für sich bleibt in seiner Isolierung illusionär. Zum ändern ist offensichtlich, daß die beiden Bedeutungsmomente nicht identischerweise als jene zur Deckung gelangen, als welche sie sich in ihrer unmittelbaren Abstraktheit gegeneinander definierten. Die Freiheit des übergreifenden Allgemeinen kann hier nicht mehr als jene Macht und Herrschaft verstanden werden, als die sich das Wesen durch Unterdrückung und Aneignung des Fremden zu etablieren suchte. Die Universalität, von der hier allein die Rede sein kann, ist jenseits der gescheiterten totalen Appropriation konzipiert; als gleichzeitiges absolutes sich-in-sich-Zurücknehmen hat sie der Herrschaft bereits entsagt und gewinnt sie ihre allgemeine, freie Bezogenheit auf das Ganze, indem sie dem ändern Platz einräumt, es als anderes anerkennt. — Alle diese Merkmale, die den absoluten Begriff und imgleichen den in ihm sich offenbarenden Freiheitsgehalt auszeichnen, sind sowohl in der Nachzeichnung der Logik wie in der realphilosophischen Untersuchung plastischer und konsistenter zu Wort gekommen. Hier kam es nur darauf an, abschließend dem Einwand entgegenzutreten, der sich mit dem Hinweis auf die „Abgeschlossenheit" des Systems (oder des Denkens) gegen die Möglichkeit wendet, Hegels System mit dem Freiheitsgedanken in einsehbarer Weise zusammenzubringen. Es hat sich gezeigt, daß dasjenige, was die Abgeschlossenheit des System ausmacht, weder seinem inhaltlichen noch seinem formalen Sinn nach gegen diese Verbindung gewendet werden kann. Im Gegenteil muß gesagt werden, daß sich für Hegel gerade von seinem systematischen Grundkonzept her die Möglichkeit darbietet, einen vernünftigen Freiheitsbegriff zu denken. Es scheint weder erforderlich noch möglich, im Namen der Freiheit ein Antisystem anzurufen, von dem her erst das zu Denkende — wahre Freiheit — unverfälscht ins Bewußtsein gelangen könnte. Die „Freiheit des Antisystems" bleibt, bezogen auf den nachvollziehbaren Grundgedanken Hegels, ein Unbegriff.
3. Schlußbetrachtung Die vorgetragene Interpretation mag in den meisten Teilen den Eindruck einer totalen Apologetik erwecken. Von verschiedenen Seiten her wurde der Zusammenhang von System und Freiheit, wie er sich in der Hegeischen Philosophie bestimmt, mit den an Hegel herangetragenen Fragen und Einwänden konfrontiert, und fast restlos wurden diese für unzutreffend oder nicht-stichhaltig befunden. Allerdings sollte damit nicht die prinzipielle Überlegenheit Hegels über seine Nachfolger und Gegner gepredigt werden; allzu klar ist, daß bei vielen der zitierten Autoren Motive und Gedankengänge ins Spiel kommen, die bei Hegel fehlen, die von einer gegenwärtigen Philosophie aber nicht mehr ignoriert werden dürfen. Hegels Philosophie kann manifesterweise nicht in unveränderter Form Philosophie unserer Zeit sein. Die teilweise gewiß voreilige „Aburteilung" der Anfechter des Hegeischen Systems verstand sich denn auch nicht als Gesamteinschätzung der einen oder ändern Seite; die Eindeutigkeit, mit welcher meist für Hegel Partei ergriffen wurde, war dadurch bedingt, daß nur der eine, zur Frage stehende Problemkomplex vor Augen treten sollte: die selber systematische Fragestellung nach dem Zusammenhang von System und Freiheit. Wenn über das System, wie es nun ausgebreitet vor uns liegt, abschließend ein Urteil zu sprechen wäre, so müßten gerade dieser systematische Rahmen und der ihm zugrundeliegende Grundgedanke von ihrer konkreten Ausführung sowohl in der Logik wie in der Realphilosophie unterschieden werden. Vom prinzipiellen Zusammenhang zwischen System und Freiheit ist aufgrund der geleisteten Untersuchung zu sagen, daß er in der Art, wie er von Hegel konstruiert wird, als einsichtig und adäquat zu beurteilen ist. Sowohl im Ausgang von der grundsätzlichen Frage nach der Möglichkeit von — systematischer — Philosophie wie im Hinblick auf den unvoreingenommenen Versuch, das Problem der Freiheit in umfassender Weise zur Sprache zu bringen, erscheint das Konzept der Hegeischen Systematik als in sich kohärent und inhaltlich überzeugend. Insbesondere hat sich in beiden Hinsichten sowohl die Berechtigung wie die Notwendigkeit des „positiven" Abschlusses er-
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geben. Wie die Logik notwendigerweise zum Begreifen des „Begriffs" und schließlich der absoluten Idee fortschreiten muß, so findet das System als ganzes seine Vollständigkeit und Konsistenz erst in der Theorie des absoluten Geistes. Sowohl das Denken als solches wie der zu denkende Gehalt, Freiheit, verweisen gleichermaßen auf jene spezifische Ganzheit, welche sich als die des Spekulativen bestimmte; nur dem spekulativen Denken erschließen sich Form und Inhalt des Wahren. Auf der einen Seite ging es darum, in Ansehung der Theorie der Formen jenen letzten Inhalt herauszuarbeiten, welcher auch noch für die reine Methode den Grund abgibt; dieser Selbstreflexion diente die Theorie der absoluten Idee. Auf der ändern Seite führte der absolute Inhalt, wo er in seiner Wahrheit und seinem Begriff zur Darstellung kommen sollte, auf die Figur der absoluten Form zurück, nach der er allein adäquat zu denken war. Form und Inhalt konvergierten schließlich in ähnlicher Weise wie System und Freiheit, wobei sich beide Verhältnisse nicht einfach in Parallele, sondern wiederum in Beziehung zueinander setzten. Auf dem Hintergrund dieser Konstellation bestätigte sich auch die Richtigkeit und Notwendigkeit des letzten und — gerade in der Perspektive des Freiheitsbegriffs — am meisten umstrittenen Teils des Systems, der Theorie des absoluten Geistes. In ihr explizieren sich sowohl die Voraussetzungen des Philosophierens wie der wirklichen Befreiung. Was sich sonst als höchste Kontingenz oder auch als letztes Faktum eines kategorischen Imperativs bestimmte, die Notwendigkeit der Freiheit, sollte in seiner Rationalität begriffen und dargestellt werden. Die „reine Darstellung" des Geistes, der die eigene Freiheit will, nimmt zwar Motive auf, die in frühern Traditionen als ontologische Fundierung der sittlichen Prinzipien, als religiöser Glaube, als Weltanschauung u. a. zum Zuge kamen. Gleichwohl hebt sie sich von all diesen Formen dadurch ab, daß sie die Absolutheit des Geistes weder auf einer „formalistischen", noch auf einer „realistischen" oder auf einer „ontologischen" Ebene zu fassen sucht. Sie nimmt ernst, was die spekulative „Struktur" der Freiheit für den absoluten Begriff des Geistes bedeutet. Der endlichen Faktizität transzendent, ist die Freiheit, ohne welche Wirklichkeit überhaupt nicht gedacht werden kann, gleichwohl keine Hinter- oder Überwelt; im Begreifen der Philosophie sucht Hegel zugleich zu bestimmen, was es heißt, daß Freiheit die eigene „Wahrheit" des Wirklichen, somit selber in eminenter Weise wahr und wirklich ist. Wenn nun für den Grundgedanken, der sich durch das Hegeische System durchzieht, Einsichtigkeit beansprucht wird, so kann dies für
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die konkrete Art, wie jener im Einzelnen durchgeführt wird, nicht im gleichen Maß der Fall sein. Des öftern ist die Nachzeichnung der Geistesphilosophie auf Gedankengänge und Argumentationsformen gestoßen, die — in ganz verschiedener Hinsicht — nicht zu überzeugen vermochten. Darüber darf im Versuch einer abschließenden Beurteilung des „Wahrheitswerts" der Hegeischen Theorie nicht einfach hinweggesehen werden. Die Unzulänglichkeiten oder Unstimmigkeiten der Durchführung mögen im Einzelnen verschiedene Gründe haben. Zum Teil handelt es sich um Beschreibungen, die zur Zeit Hegels eine gewisse Plausibilität haben mochten, die aber im Lichte heutiger Erkenntnis als überholt gelten müssen. Daneben gibt es Beschreibungen, die selbst bei Berücksichtigung der Zeitbedingtheit der Hegeischen Philosophie schwer einsehbar sind; für sie können mangelhafte Informationslage oder auch offensichtliche Nachlässigkeit in der Argumentation, Ungenauigkeiten, logische Fehlschlüsse u. a. verantwortlich gemacht werden. Indes kann es nicht genügen, all das, was heute als inakzeptabel erscheint, solchen „äußerlichen", akzidentellen und den philosophischen Grundrahmen nicht berührenden Ursachen zuzuschreiben. Neben der Frage, worin überhaupt die „Abirrungen" der Hegeischen Philosophie bestehen, muß auch gefragt werden, weshalb es zu ihnen kommen kann, ob sie nicht aus einer geheimen Schwäche des philosophischen Konzepts selber entspringen und keineswegs versehentliche Irrtümer sind, sondern etwas von dem an sich haben, worauf der verbreitete Vorwurf der Ideologie abzielt. In diesem Sinn soll hier nicht auf einzelne Fehlargumentationen eingegangen werden, deren Kritik und Aufhellung eine ausführliche Textanalyse zu leisten hätte, sondern nur gefragt werden, worin der „Grundfehler" besteht, der zu so vielen Mißdeutungen Anlaß gegeben hat, und der in der Tat die philosophische Intention des Systems selber zu gefährden scheint. Er besteht, ganz allgemein gesagt, in der falschen Transposition der „Geschlossenheit" und „positiven" Fassung des spekulativen Ganzen auf die ihm vor- oder „untergeordneten Sphären. Aus der richtigen Überlegung, daß es für die Konsistenz des Gedankens — wie der Wirklichkeit — nötig ist, das Wahre oder die Freiheit für sich selber zur „reinen" Darstellung zu bringen, scheint Hegel zuweilen implizit zu folgern, daß auch das Einzelne, Endliche und Reale, int gleichen Sinn als Wahres, Vernünftiges, Freies dargestellt werden müsse. Dies gilt sowohl für den Bereich der Logik wie für jenen der weltlichen Realität. Um die Kohärenz des Ganzen bemüht, mag mancher logische Übergang
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vollzogen werden, bevor seine Notwendigkeit dem Denken wirklich einsichtig gemacht wurde. Der Eindruck des allzu Glatten und Kontinuierlichen, der bei der Lektüre der Logik ab und zu entstehen kann, mag damit zusammenhängen. Der Wille zum System und das Wissen, daß es — gerade zum Zwecke des Begreifens des Endlichen, Unvollendeten, Unversöhnten — um die Darstellung des Ganzen geht, mögen zuweilen unfreiwillig dazu beitragen, dem Diskontinuierlichen, NichtSubsumierbaren den Schein der Übereinstimmung mit dem Ganzen zu verleihen. Diese Vermutung, die im Einzelnen zu überprüfen wäre, mag hier Hypothese bleiben; die Hauptbestimmungen, anhand derer der erste Teil einen Überblick über den logischen Begriff in seiner Gesamtheit zu verschaffen suchte, werden in ihrem Zusammenhang von ihr nicht tangiert und in Zweifel gezogen. Desgleichen kann für die Naturphilosophie nur die Möglichkeit von „Fehlern" im besagten Sinne angedeutet werden. Allenfalls wäre zu sagen, daß hier wie im Bereich der gesamten Realphilosophie der Einfluß des Ganzen auf das Einzelne sich dadurch geltend macht, daß gegenüber den realwissenschaftlichen Erkenntnissen oftmals das „philosophische", oder genauer: logische Moment die Oberhand behält. Der Prädominan^ des Logischen widerstreitet nicht die Tatsache, daß Hegel die zu seiner Zeit verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse sowohl zur Natur wie zu Gesellschaft und Staat mit äußerster Sorgfalt aufgearbeitet hat. Nichtsdestoweniger hat die Empirie gelegentlich vor der Eigengesetzlichkeit des Logischen zurückzutreten — ohne daß damit schon mit Marx ein Umschlagen der Empirie in Spekulation (und umgekehrt) zu behaupten wäre (MEW l, 236 ff.). Den seit langem berühmtesten Gegenstand des Streits um Hegel bildet jedoch die Geistesphilosophie, und darin insbesondere die Theorie des objektiven Geistes. Nicht als ob die Problematisierung des genannten Zusammenhangs auf der Ebene der Logik dadurch irgendwie zur Nebensächlichkeit würde; wohl aber tritt das „Skandalen" des Hegeischen Denkens in der Gesellschafts- und Staatstheorie in ungleich klarerer und für das geschichtliche Bewußtsein anstößigerer Form zutage. Es äußert sich darin, daß die Vorstellung der absoluten Versöhnung, unter der das geschichtliche Bewußtsein in Kunst, Religion und Philosophie das eigene Wesen zu erfassen sucht, tendenziell auf die Ebene der zeitlich-realen Existenz übertragen wird, oder auch, mit Bezug auf den religiösen Inhalt ausgedrückt, darin, daß „Hegel das Gegebensein der göttlichen Versöhnung unmittelbar auf die Ebene der
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gesellschaftlichen Gegebenheiten seiner Zeit projiziert", in der „Einebnung des qualitativen Unterschieds von göttlichem Beispiel und menschlicher Nachfolge, von absolut-objektiver und bloß subjektivobjektiver Versöhnung"1. Obwohl Hegel weiß, daß die Philosophie gerade zum Begreifen ihrer Zeit, welche allzu offensichtlich nicht die vollendete Realisierung der Vernunft ist, auf das Begreifen der im Wirklichen an sich vorhandenen Vernünftigkeit rekurrieren muß; obwohl er weiß, daß der Mensch gerade im Hinblick auf die Möglichkeit endlicher und weltlicher Freiheitsverwirklichung jener Selbstvergewisserung bedarf, die er sich im Wissen der absoluten Freiheit als des seiner Endlichkeit transzendenten, gleichwohl aber mit ihm prinzipiell identischen Wesens gibt; obwohl der systematische Zusammenhang der zu unterscheidenden Ebenen an sich adäquat konzipiert ist, muß an verschiedenen Stellen unabweisbar der Eindruck entstehen, daß gerade jene Differenzen, auf die es der spekulativen Dialektik ankommt, verwischt werden. Indem die Hegeische Darstellung in unzulässiger Weise vom Ganzen auf das Einzelne schließt und dieses mit der Würde des Absoluten ausstattet — „den Himmel auf die Ebene der weltlichen Herrschaftsverhältnisse" projiziert2 —, entsteht im Argumentationsgang auch die umgekehrte Bewegung, welche voreilig vom Einzelnen, Untergeordneten auf das Ganze schließen läßt. Nicht so leicht, wie es manchmal den Anschein macht, kann die „Vernunft in der Geschichte" erschlossen werden. Insbesondere aber scheint Hegel oft die Einzelinstanzen der Sittlichkeit in ihrer Kraft und Fähigkeit zu überschätzen, Freiheit zu realisieren. Zwar kann nicht einfach gesagt werden, daß Hegel den Staat, die Gesellschaft oder die Stufe der „Sittlichkeit" überhaupt ideologisch verherrliche, indem er ihnen zutraut, was zu leisten sie nicht imstande sind. Auch wenn die Gegenwart ihrem ganzen Umfang nach gerade durch die Entzweiung der sittlichen Substanz gekennzeichnet ist, so geht es Hegel in der „Deduktion" der Sittlichkeit darum, jenen Daseinsmodus des freien Willens zu bestimmen, der systematisch notwendig ist, wenn Freiheit überhaupt soll wirklich sein können3. Gleichwohl darf 1
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Theunissen, Hegels Lehre vom absoluten Geist 441.
Ebd. 446. Das heißt z. B. auch, daß die Frage, ob Hegel im Staat sozusagen das richtige Subjekt der Sittlichkeit gefunden hat, oder ob nicht an dessen Stelle andere Instanzen die ihm zugetraute Aufgabe zu übernehmen hätten (etwa die Nation oder die Partei), zwar für eine „Aktualisierung" des Hegeischen Denkens von höchster Relevanz ist, den grundsätzlichen Gedankengang bei Hegel aber nicht tangiert; vgl. Habermas/Henrich, Zwei Reden 57f.
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nicht übersehen werden, daß er in Verkennung der Bestimmtheit des eigenen Grundgedankens oftmals zu Beschreibungen gelangt, welche die real vorhandene Wirklichkeit des Geistes jener inneren Differenz berauben, die sie als unvollendete auf ihre Vollendung hin ausspannt. Die These „was wirklich ist, ist vernünftig" wird dann ihres spekulativen Sinnes entleert und zur platten Bestätigung und Verabsolutierung des Bestehenden. Am offenkundigsten tritt die Tendenz zur „Idealisierung" des Bestehenden in Hegels Beschreibung des Staats und der Monarchie hervor; ihre Ausstattung mit theologischen und spezifisch christologischen Prädikaten4 hat folgerichtig auch den größten Widerstand erregt. Es muß in der Tat erstaunen, daß Hegel im Zeichen der absoluten Sanktionierung und als höchste, göttliche Auszeichnung dem Monarchen just jene dezisionistische Willkür zubilligt, welche er zuvor in der Abhandlung der Moralität als das schlechthin Böse und als Auflösung von Freiheit überhaupt kritisiert hatte5. Fragt man nach den Gründen solcher Äußerungen, die sich offensichtlich unter dem Niveau des Systems ansiedeln und dessen eigenem Grundgedanken zuwiderlaufen, so wird man auf ganz verschiedene Tatbestände hinweisen können. Für verschiedene Interpreten stehen hierbei „außerphilosophische" Motive im Vordergrund6. Es mag zwar als plausibel angenommen werden, daß sowohl psychologische Faktoren wie auch politische Ereignisse Hegels Äußerungen mitbestimmt haben. Betrachtet man jedoch Hegels Denkentwicklung von seinen frühen Arbeiten über die Jenaer Schriften bis zum eigentlichen System, und wird man die Konsequenz gewahr, mit welcher er die Auseinandersetzung sowohl mit dem „Material" wie mit der innern Logik des Gedan4 5
6
Vgl. Theunissen, Hegels Lehre vom absoluten Geist 443 if. Vgl. Marcuse, Vernunft und Revolution 194: „Hegels Schuld liegt viel tiefer als in der Glorifizierung der preußischen Monarchie. Er hat sich nicht so sehr der Servilität als des Verrats seiner höchsten philosophischen Ideen schuldig gemacht. Seine politische Theorie liefert die Gesellschaft der Natur, die Freiheit der Notwendigkeit und Vernunft der Laune aus." Etwa „psychologische Faktoren": Bedürfnis nach Sicherheit, nach Übereinstimmung des eigenen Gedankens mit Staat und Religion; Hegels Abirrungen als Reflexe der Systemwut eines Geisteskranken; oder politische Faktoren: Restauration, Karlsbader Beschlüsse, persönliche Abhängigkeit etc. — Zum ersten Themenkomplex s. z. B. Künzli, A., Prolegomena %u einer Psychographie Hegels; Treher, W., Hegels Geisteskrankheit oder das verborgene Gesicht der Geschichte; zum zweiten Thema neben all den Schriften der „politischen" Hegel-Kritik seit Haym die auf dem Vergleich verschiedener Fassungen der Rechtsphilosophie basierende Untersuchung von K.-H. Ilting.
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kens führt, so kann man den Eindruck nicht verwehren, daß all jene Interpretationen, die den Fall Hegel von solchen äußeren Faktoren her aufhellen wollen, deren Einfluß maßlos überschätzen. Hier soll von ihnen ganz abgesehen werden. Statt dessen soll von der ändern Seite her gefragt werden, welches der selber noch „systematische" Grund für das Nicht-Durchhalten des richtigen systematischen Ansatzes ist: inwiefern hat das im Einzelnen Unakzeptable noch mit dem Grundgedanken selber zu tun, inwiefern ist es nicht nur zufälliges Versehen, sondern Indiz einer Schwäche der Hegeischen Philosophie selber ? Die vorgenommene inhaltliche Nachzeichnung des Systems scheint es zu verbieten, eine solche Schwäche ohne weiteres im logischen Grundkonzept des Systems festzumachen7. Naheliegender ist die These, daß Hegel zwar die höchste Form der Wahrheit in sich richtig bestimmt hat, daß er aber den „Status" dieser Wahrheit— oder die Art, wie sie die Wahrheit des Ganzen ist — entweder nur mit ungenügender Bestimmtheit gefaßt, oder aber dessen richtige Erfassung nicht mit der nötigen Konsequenz durchgehalten hat. Das heißt, es soll hier zum einen davon ausgegangen werden, daß Hegel auf der letzten Stufe des Gedankengangs zu einer sowohl inhaltlich wie „formal" angemessenen Bestimmung des Wahren gelangt. Ebenso wie die spekulative Betrachtungsweise, die am Ende der Logik ihrer Form nach bestimmt wird, einem in sich 7
Einen Vorschlag in dieser Richtung macht Theunissen. Nach seiner Vermutung enthüllt sich in der „Irrationalität der Entscheidung, die Hegel in die Hände des weltlichen Herrschers legt, . . . die schlechte Dialektik . . ., in die der philosophische Glaube an einen rational vollkommen durchsichtigen Gott gerät" (Hegels Lehre vom absoluten Geist 447). „Indem der Mensch um seiner Freiheit willen dem Gott das Gesetz logischer Notwendigkeit auferlegt, stößt er den, der ihn allererst zur Freiheit befreien soll, in die Unfreiheit. . . Unfrei wird so auch die Philosophie, der die hohe Aufgabe des „Gottesdienstes" zufällt"; nur dann könnte sich Philosophie „aus der über sie kommenden Dialektik" lösen, „wenn sie eine Sprache fände, in der das Übergreifende seinen Namen nicht mehr vom Ubergriffenen borgen müßte" (59). Dem sprachlichen Versagen entspricht ein logisches. Es besteht in der falschen Rationalität, welche durch Verabsolutierung endlicher ratio dem Übergreifenden übergestülpt wird. Die Form des Begriffs, wie sie Hegel in der Logik als Aufhebung jeglicher Voraussetzung konzipiert, ist auf das Ganze nicht anwendbar; nötig wäre vor allem die „Revision des Gedankens, das System könne seine Voraussetzungen einholen" (53). Was Hegel als die „Angewiesenheit des Begriffs auf die Vorstellung" denkt, wäre nach Theunissen „in eine begriffsimmanente Struktur zu verwandeln", der Begriff als „absolutes Setzen im Modus des absoluten Voraussetzens" zu denken (54). Erst durch eine solche Modifikation der bei Hegel gezeichneten Form des „Begriffs" würde ein logischer Begriff gedacht, der wirklich als Form der absoluten Wahrheit zu bezeichnen wäre.
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stimmigen Wahrheitsbegriff entspricht, so gelangt auch der umfassende Zusammenhang der Wirklichkeit, den jene Betrachtungsweise im System erschließen soll, zu einer an sich adäquaten, ihn nicht prinzipiell verfälschenden Darstellung. Was aber anderseits im Rahmen der grundsätzlich „richtigen" Theorie die genannten Fehlschlüsse ermöglicht, ist der Umstand, daß das Verständnis über das, was hier eigentlich in seiner Wahrheit erkannt wird, nicht mit der gleichen Bestimmtheit gegeben ist. Auch diese These ist allerdings zu differenzieren, je nachdem es sich um die gleichermaßen wesentlichen Dimensionen der Logik oder des Systems handelt. Als spezifische Ebene, auf welcher die Wahrheit zu ihrer letzten Bestimmung gelangt, ist in der Logik die „absolute Idee", im System die „Philosophie" anzusetzen. Erst auf diesen beiden Stufen wird innerhalb der jeweiligen Sphäre der Anspruch erhoben, Versöhnung in ihrer Wahrheit zu begreifen. Imgleichen mit der Darstellung des Gesamtzusammenhangs, der das Wahre wie das Wirkliche definiert, wird auch die „Situierung" dieses Zusammenhangs vorgenommen und die Art bestimmt, in welcher die Vernunft das Ganze ist. Von dieser „Situierung" wird man sagen müssen, daß sie in der Logik expliziter geschieht als im System. Die absolute Idee siedelt sich als letzte Bestimmung des Begriffs zugleich jenseits der „Begriffsbestimmtheit" als solcher an. Dem Bestimmten gegenüber transzendent, ist sie zugleich Bestimmungsgrund jeglicher Bestimmtheit. Sie ist dies als absolute Form, welche in sich das Prinzip aller möglichen Inhaltsbestimmung enthält. Der „spekulative" Zusammenschluß, dessen Form die absolute Idee umreißt, bezeichnet die Art und Weise, wie das Wirkliche der absoluten Wahrheit zugehört, die eben damit von jenem auch prinzipiell unterschieden und abgehoben wird. Das Konzept, welches in der absoluten Idee entwickelt wird, verbietet somit jene unvermittelte Transposition des spekulativen Zusammenhangs auf bestimmte Wirklichkeit, welche Gegenstand der Kritik war. Wenn Hegel an einzelnen Stellen der Logik gleichwohl die Spezifizität des Gesamtzusammenhangs und dessen Vermittlung mit dem Besonderen nicht in angemessener Weise berücksichtigt — oder zumindest in einer Art verfährt, die diesen Eindruck erweckt —, so geschieht dies in Vernachlässigung eines von ihm selber adäquat entwickelten Grundsatzes. Nicht von der gleichen Eindeutigkeit ist die Sachlage bezüglich des ganzen Systems. Die Kürze und Knappheit des Schlußabschnitts über die „Philosophie" sind schon des öftern als Indiz einer gewissen Unsicherheit Hegels hinsichtlich der letzten Bestimmung des Systems angesehen worden. Man wird zwar
Schlußbetrachtung
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sagen müssen — und dies hat die vorausgehende Interpretation darzulegen versucht —, daß Hegel sowohl die Ebene des absoluten Geistes im Ausgang vom objektiven Geist überzeugend einführt, wie er sie auch an ihr selber und spezifisch ihre letzte Gestalt, die Philosophie, an sich angemessen bestimmt. In diesem Sinne wurde hier versucht, die „Philosophie" als Abschlußbestimmung in Analogie zur absoluten Idee qua absoluter „Form" zu lesen, um so die eigene Ebene zu situieren, auf welcher in der Intention des Hegeischen Systems sowohl der vernünftige Gesamtzusammenhang des Wirklichen wie dessen adäquate gedankliche Selbsterfassung anzusiedeln sind. Daß Freiheit zur wesentlichen Bestimmung des Ganzen gemacht wird, bedeutet dann gerade, daß sie dies nicht im Sinne daseiender Realität sein kann. Absolute Versöhnung als notwendige ansichseiende Grundlage tätiger Befreiung verhält sich zu dieser wie die absolute Form zur konkreten Inhaltsbestimmung; sie ist Grundlage dafür, daß Wirklichkeit überhaupt als freie gestaltet und erkannt werden kann. Indem die Wissenschaft diesen obersten Zusammenschluß des freien Geistes mit sich zum Thema hat, erfüllt sie ihre spezifische Aufgabe als spekulative Philosophie. Allerdings ist zuzugestehen, daß Hegels Formulierungen hier nicht von der gleichen Transparenz sind wie in der Logik, und zwar sowohl hinsichtlich der Absetzung der Philosophie von der Religion wie auch in Bezug auf das Verhältnis von absolutem und objektivem Geist. Auch die sicherlich bekannteste Textstelle zur Beziehung von Philosophie, Vernunft und Wirklichkeit, die Vorrede zur Rechtsphilosophie, läßt in einigen ihrer polemisch zugespitzten Formulierungen die von der Sache her erforderlichen Differenzierungen vermissen — wenn auch gerade ihr Anliegen ist, dem leeren, postulatorischen Idealismus das vernünftige Begreifen entgegenzusetzen, welches Wirklichkeit als Idee so auffassen soll, daß es ebensosehr auf dasjenige, was die Wahrheit des Wirklichen ausmacht, wie auf die immanente Differenz von Realität und Begriff bedacht ist. Was hier, in der Vorrede zur Theorie des objektiven Geistes, als Vorausgesetztes in Anspruch genommen wird, müßte in der Theorie des absoluten Geistes seine konsequente Ableitung und endgültige Darstellung finden: die Art nämlich, wie Vernunft, Versöhnung, Freiheit den Zusammenhang des Ganzen, die Wahrheit des Wirklichen ausmachen, und wie Philosophie diesen Zusammenhang zu denken und darin selber Versöhnung zu leisten hat. Weil die Darstellung dieses Zusammenhangs aber nicht mit der nötigen Bestimmtheit geschieht, oder weil der letztlich realisierte Bewußtseinsstand das an sich richtige
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„Resultat" nicht in ebenso adäquater Form zu explizieren vermag, fällt es auch schwerer, den faktisch dargestellten spekulativen Zusammenhang der Wahrheit im Einzelnen gleichmäßig präsent zu halten und zur Geltung zu bringen. Die mangelnde Transparenz des Resultats an ihm selber wirkt zurück auf die Art und Weise, wie zu ihm gekommen wird; dies mag umso verständlicher sein, als es sich hier um ein Denken handelt, welches sozusagen immer im Vorgriff auf das eigene Telos sich vollzieht. Hierin liegt begründet, wieso der Gedanke im Durchschreiten der konkreten Gegenstandsbereiche zuweilen voreilige Applikationen des Ganzen auf das Einzelne vornimmt und die Vernünftigkeit des Wirklichen in einer Weise zu ,retten' sucht, die weder nötig noch zulässig ist. So geschieht es, daß die Rehabilitierung der Welt, welche die Geschichtsphilosophie als Theodizee leisten soll, stellenweise zur bloßen Apologetik verkommt, und daß das Begreifen der Vernunft der Wirklichkeit zu Äußerungen gelangt, die teils in ihrer Formulierung, teils ihrer inhaltlichen Aussage nach schlicht falsch und ideologisch sind. Man wird zwar sagen können, daß solche Äußerungen einen Abfall vom eigenen Niveau des Systems darstellen, daß sie dessen eigenem Maßstab nicht genügen. Gleichwohl können sie nicht als bloß zufällige und belanglose Deformationen eines in sich stimmigen Konzepts abgetan werden. Was durch sie in Frage gestellt wird, ist nicht nur die Applikation des Grundgedankens auf die einzelnen Sachgebiete, sondern jener selber. Indem der an sich adäquate Philosophiebegriff weder mit der nötigen Bestimmtheit sich seiner selbst zu versichern vermag noch mit der erforderlichen Konsequenz in den einzelnen Gedankenschritten durchgehalten wird, drohen sowohl Form wie Inhalt des Wahren in die Zweideutigkeit zu geraten. Was dabei tendenziell verschleift wird, ist einerseits der von Hegel bestimmte Modus des legitimen und sachgemäßen Philosophierens, anderseits die letztgültige Bestimmung des Absoluten, Wahren, Freien selbst. In der ungenügenden Radikalität seiner Selbsterfassung läuft das dialektisch-spekulative Denken Gefahr, gerade dasjenige, was die Überlegenheit seines WahrheitsVerständnisses ausmacht, preisgeben zu müssen und selber zur bloßen Antithese zu werden. Diese „hegelkritischen" Bemerkungen scheinen der vorausgegangenen Interpretation insofern zu widersprechen, als in dieser meist nur die Konsistenz des Hegeischen Denkens unterstrichen wurde. In Wahrheit geht es auch jetzt nicht um eine Rückgängigmachung der bisherigen impliziten und expliziten Beurteilung des Systems. Auch wenn man die
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erwähnte letztliche Unzulänglichkeit des spekulativen Gedankens vor Augen hält, so kann sie nicht zu dessen grundsätzlicher Relativierung führen. In Hegels System, so wird man sagen müssen, ist hinsichtlich der grundlegenden Freiheitsproblematik eine in sich schlüssige und wahre Darstellung der Wirklichkeit nicht nur intendiert und auch nicht bloß richtig angesetzt, sondern an sich tatsächlich ausgeführt. Was soeben gegen diese Ausführung eingewandt wurde, verweist auf eine Schwierigkeit, die in der Sache selber begründet liegt und die auch vom nachhegelschen Bewußtsein weder ausgeräumt noch vollends bewältigt werden konnte. Zwar ist nicht zu leugnen, daß durch sie — auch bei Hegel — das Ganze auf dem Spiel steht, zugleich aber anzuerkennen, daß in Hegels Systematik der spekulative WahrheitsbegrifF in an sich angemessener Art vorgeführt und angewendet wird. Dem heutigen Bewußtsein fällt es leichter, die prinzipielle Schwierigkeit, welche zugleich eine prinzipielle Schwäche der Sprache ist, zu umreißen oder zu benennen; jedoch versagt diese auch heute noch, wenn das Wahre in angemessener und unzweideutiger Weise gesagt werden soll. Die Crux des spekulativen Satzes ist auch für das sprachliche Bewußtsein der Gegenwart nicht zur simplen sprachlogischen Konstellation geworden, die sich durch sekundäre Unterscheidungen oder etwa durch Einführung von Metasprachen reduzieren und bewältigen ließe. Gewiß könnte eine aktuelle Erneuerung des Hegeischen Systems sich weder mit dessen kategorialem System noch mit seinen inhaltlichen Beschreibungen begnügen; in beiden Hinsichten wären entsprechend der geschichtlich veränderten Sach- und Bewußtseinslage neue Differenzierungen einzuführen, neue Formen der Systematisierung und des Ausdrucks zu finden. Was aber die hier behandelte Grundproblematik anbelangt, so wird man schwerlich sagen können, daß die nach und gegen Hegel entstandenen Entwürfe wesentlich über den mit diesem erreichten Stand der Verständigung hinausführen, ob diese Entwürfe nun im Zeichen des Neukantianismus, des Marxismus oder einer negativen Dialektik aufgetreten sind. Auch unter Anerkennung der prinzipiellen Unvollendetheit der Hegeischen systematischen Darstellung braucht nichts von dem zurückgenommen zu werden, was bisher inhaltlich über die Konvergenz von Freiheit und Systematik gesagt wurde; diese Konvergenz bleibt zentraler Angelpunkt der Hegeischen Philosophie und Voraussetzung für deren Verständnis. Von der einen Seite her gesehen, erscheint das ganze System als Erarbeitung und Auseinanderlegung eines vernünftigen Frei-
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heitsbegriffs. Freiheit wird dabei definiert von dem her, was den Wahrheitsbegriff in seiner höchsten Bestimmung, als absolute Idee qua absolute Form ausmacht; „Zweck" der neuen Welt ist die „Realisierung der absoluten Wahrheit als der unendlichen Selbstbestimmung der Freiheit..., der Freiheit, die ihre absolute Form selbst zum Inhalte hat" (Ph.Gesch. 413). Auf jeder der drei untersuchten Ebenen— Logik, objektiver Geist und absoluter Geist — ist die Bestimmung der absoluten Form das wesentliche definiens der Art von Selbstbe2iehung, als welche Freiheit gedacht werden muß. Auf der ändern Seite zeigt die absolute Form an ihr selber — und auch dies, mit zunehmender Explizitheit, auf allen drei Stufen — jenen Gehalt auf, den sie ihrer Intention und ihrer Sachhaltigkeit nach konstituiert: absolute Geschichte, d. h. Entwicklung und Verwirklichung der Freiheit des Geistes zu sein: „Die Versöhnung . . . ist der Gehalt selbst, der die spekulative Idee ist und den sie denkend ausdrückt" (E 120). Beide Aspekte definieren gleichermaßen die Struktur jenes Denkens, das sich als höchstes, unüberbietbares bewähren soll. Unüberbietbar ist es identischerweise durch den letztgültigen Wahrheitsbegriff, den es definiert und an dem es sich ausrichtet, wie durch die Unhintergehbarkeit seines Inhalts, der Freiheit. Unhintergehbar ist diese ihrerseits dadurch, daß sie sowohl den letzten Rahmen absteckt, in welchem Inhaltlichkeit überhaupt zur Sprache gebracht werden kann, wie auch sich selber in der Gestalt der letztmöglichen Bestimmung erfaßt. Nicht nur verhilft die systematische Korrelation von System und Freiheit der letzteren zur überzeugenden Darstellung, ebenso legt auch der Systembegriffin seiner Ausleuchtung auf den Freiheitsgedanken hin jene Strukturen frei, denen er seine Überzeugungskraft verdankt. Die Zusammenführung von System und Freiheit bedeutet nicht nur die Verwiesenheit, sondern die radikale Konvergenz der beiden vorerst abstrakt getrennten und entgegengesetzten Gesichtspunkte. Freiheit ist als „Idee" der Wirklichkeit gleichermaßen Prinzip der Wahrheit und der Darstellung. Nur vom Freiheitsgedanken her läßt sich erhellen, was das Hegeische System ist und worauf es hinaus will. Er ist als dessen Zentrum zugleich umfassender Horizont und letzte Explikation.
Bibliographie Hegel-Zitate werden im laufenden Text mit Abkürzungen und Seitenzahl vermerkt. Schriften anderer Autoren sind meist nur mit Titel in Kurzform angeführt. Bloße Abweichungen im Kasus werden nicht nachgewiesen.
L Textausgaben
a) Als einheitliche Textgrundlage dient, soweit möglich, folgende Ausgabe: G. W. F. Hegel, Werke in zwanzig Bänden, hrsg. von Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel, Frankfurt/M. 1969 ff. Nach dieser Ausgabe werden zitiert: Verfassungsschrift DifTerenzschrift
Die Verfassung Deutschlands (1800—1802) (Bd. l, 451—610) Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems der Philosophie (Bd. 2, 9—138) NR Über die wissenschaftlichen Behandlungsarten des Naturrechts, seine Stelle in der praktischen Philosophie und sein Verhältnis zu den positiven Rechtswissenschaften (Bd. 2, 434—530) PG Phänomenologie des Geistes (Bd. 3) Nürnberger und Heidelberger Schriften (1807—1817) (Bd. 4) Nürnb. Sehr. L 1,11 Wissenschaft der Logik I, II (Bd. 5—6) R Grundlinien der Philosophie des Rechts (Bd. 7). A: Anmerkungen, Z: Zusätze (redigiert von E. Gans aufgrund von Vorlesungsnachschriften), N: Handschriftliche Notizen von Hegel (teilweise korrigiert nach der Ausgabe von Ilting (s. u.)) Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1830) (Bd. 8—10). A: Anmerkungen, Z: Zusätze (redigiert von Henning (I), Michelet (II), Boumann (III)) Berl.Schr. Berliner Schriften 1818—1831 (Bd. 11) Ph.Gesch. Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte (Bd. 12) Ästh I, II, III Vorlesungen über die Ästhetik I, II, III (Bd. 13—15) Rel I, II Vorlesungen über die Philosophie der Religion I, II (Bd. 16—17) Gesch.Ph. I, II, III Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie I, II, III (Bd. 18—20)
b) Außerdem werden folgende Ausgaben zitiert: SdS
System der Sittlichkeit. Hrsg. von Georg Lasson, Hamburg 1967
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Namenregister Adorno 5,121,126,143f., 326, 393, 397, 453— 56 Albert 136 Aristoteles 167ff., 177, 221, 352 Benjamin 397 Bloch 5,121,133f., 137,142, 257, 447f., 455ff., 462 Bubner 52, 419 Burckhardt 242, 262, 279 Cohn 5, 95,131,142ff. Descartes 201 Ebert 105 Engels 57 Fichte 89, 130f., 136, 165, 172, 208, 403 Fulda 11, 96, 102, 287f., 303, 397, 401, 414f., 430 Gadamer 176,219 Habermas 136f., 167, 177, 271, 287, 393—397, 473 Hartmann 86 Haym 217, 462, 474 Henrich 86,96, 210, 318, 326, 328, 330f., 403 Heraklit 18, 23 Hocevar 229 Horkheimer 85, 121, 265, 326f., 462 Jacobi 114 Ilting 179,217,474 Kant 138 f., 170ff.,208ff.,212,217,220f., 298, 393, 426f. Kiesewetter 217
Kimmerle 142,431, 433—436, 457 Krahl 137 Kroner 130 Kühn 323, 327 Künzli 474 Lakebrink 4, 103,105 Litt 5, 95,132f., 137 Löwith 5, 109, 133f., 139, 257, 261, 360f., 447f. Luhmann 136 f. Marcuse 78, 120, 129, 137, 142, 193f., 257, 326f., 453f., 462, 474 Marquard 208, 242f„ 261, 265, 277f. Marx 5, 13f., 25, 31—35, 51—56, 82— 86, 97, llOff., 120, 128ff., 134, 136, 146, 169, 177, 186ff., 193,196ff., 223, 232f., 263f., 288,295ff., 337,390,393, 397, 415, 422f., 426f., 434, 447, 453, 461, 472 Maurer 257 Parsons 136 Platon 169, 327, 352, 430 Popper 217, 266 Puntel 7,91,97,124,306,377,398—404, 414, 424, 431, 434, 436, 439, 462f. Reisinger 3, 97, 105 Richli 55 Riedel 163,166ff., 172,174,176,220,271 Ritter 163,170,173,176,190,208,220f., 233, 238, 258 Roettges 2, 25, 105 Rohs 95, 400, 402 Rombach 97 Rosental 128, 130, 138 Rousseau 168 Sarlemijn 115 Sartre 109, 297f., 393, 426f.
Namenregister Schelling 109, 298, 418 Schmidt, ., lll,422f. Schmidt, F. W. 55, 133 Schnädelbach 78, 137 Schweppenhäuser 127, 258, 455 Seeberger 3 Sohn-Rethel 78 Theunissen 42, 44, 52, 64, 79f., 86, 122, 145,167, 258, 268, 289, 300, 307, 310, 349, 351, 362, 365f., 369, 371, 373,
487
379—384, 397f., 405, 415, 420, 424, 473ff. Topitsch 217 Treher 474 Van der Meulen 145 Volkmann-Schluck 107 Wolff 169f., 220 Zeleny 97
Sachregister Abgeschlossenheit 392f., 452ff., 463f.; „A. des Denkens" 431 ff.; A./Freiheit 463ff.; A./Offenheit 142f., 434ff.; falsche A. 471 ff. Absolute Idee 86ff.; Abs. Idee/absoluter Geist 303ff.; Abs. Idee/Geschichte 249 f. Absoluter Geist 293ff, 300, s. a. Geist; Geschichte des a. G. 313f.; Stufen des a. G. 311 ff, 315f.; a. G./endlicher Geist 302, 305 f.; a. G./Freiheit 295ff, 308ff., 426ff. Abstraktes Recht 181 ff. Abstraktion 22f., 230f.; Idealabstraktion 24f.; Realabstraktion 31 ff, 53ff, 194ff, 198f., 233 Äußerlichkeit 184ff. Allgemeinheit; abstrakte A. 182ff, 233; A./Besonderheit in der Geschichte 260 ff; — in der Sittlichkeit 237; A./Besonderheit/Einzelheit 70, 77 Andacht 354 Anerkennung 44, 78 f. Ansichsein; A./Fürsichsein 270f.; A./ Gesetztsein 93f., 104f., 119 Anthropologie 157 Arbeit/Handeln 166ff, 174ff., 271 f. Aufklärung 364 f. Außersichgehen/Insichgehen 26 f., 30, lOOf., 119f.,465 Begriff 56ff., 68ff; B./Begriffsbestimmung 89, 92; B./Realität 85 f. Begriffsbestimmungen 69 ff. Beweis 116f. Bildung 231 Böses 214f.,285f.,449ff. Bürgerliche Gesellschaft 226 ff. Darstellung; Spekulative D. 399ff; Darstellung/Kritik 146 ff, 280, 460 ff. Denken 354 ff; D./Form 355; D./Freiheit 356 f.
Dialektik 117ff.; subjektive/objektive D. 95ff; Dialektik/Spekulation 115ff, 122, 124ff., 128f., 452ff, 458ff; D./ Spekulation bei Marx 128f.; s. a. Negative Dialektik Differenz 48, 227f., 231, 235f.; s. a. Einheit/Entzweiung Eigentum 184 ff. Einheit/Entzweiung 231, 233, 235 f., 442 ff, 449 ff. Endlichkeit/Unendlichkeit 301 f. Entzweiung/Entfremdung 233; s. a. Einheit/Entzweiung Ethik 162 ff; E./Ontologie 303 Faktizität/Normativität 178f., 284 Familie 224f. Form; absolute F. 88, 100, 102f., 372ff; logische F./Freiheit 114f.; F./Inhalt 89—95, 100, 269f., 410f. Formalismus 212ff, 310 Französische Revolution 213 Freiheit 102ff, 108f.; absolute F. 105, 308 f.; ansichseiende F. 18 f.; bewußte, s. Wissen; formelle 183ff, 234, 310; negative 19; positive 20; subjektive, moralische 201 ff; „wirkliche" 81 f.; F. als absoluter Inhalt 276f.; F. als Norm 146f.; als Thema der Philosophie 146ff, 250f., 385 ff, 389f., 416 ff.; Freiheitsbestimmung auf den vier Stufen der Logik 104f.; Freiheit zur Freiheit 108f.; Ursprünglichkeit der F. 403f.; F./Faktizität 297; F./ Freiheitsbewußtsein 274ff.; F./institutionelle Wirklichkeit 238 f.; F./ Kunst 317f., 326ff; F./Logik 56, 58, 105ff, 141; F./Notwendigkeit 57ff., 74f.; F./Recht 163f.; F./Schönheit 317, 327; F./System 1—8, 105ff,
Sachregister 111 f., 415ff.; F./Unfrciheit 129,284f., 442ff., 449ff.; F./Wirklichkeit 141; Freiheitskriterium/Freiheitsbestimmung 210 f. Geist 154ff., 158f.; freier G. 159; endlicher/unendlicher G. 156; objektiver/absoluter Geist 286ff, 293ff.; subjektiver/objektiver G. 156fT. Geistesphilosophie 153 ff. Geschichte 171 f., 241 ff.; selber geschichtlich 256; G. als Abschluß der Rechtsphilosophie 244ff., 250; G./ absolute Idee 249f.; G./Er2ählung 288f., 293ff.; G./Freiheit 251 f., 273f., 420 ff.; G./Natur 252ff; G./Staat 244ff, 248; G./Vernunft 278 ff., 283 f.; G./Philosophie 281 ff. Geschichtsphilosophie 241 ff., 277ff., 420ff; G. als Theodizee 277 ff. Geschlossenheit 141 ff., s. a. Abgeschlossenheit. Gesetztsein, s. Ansichsein/Gesetztsein. Gewalt 66 ff. Gewissen 211 ff. Gottesbeweise 302, 346 f. Griechische Sittlichkeit 218 f. Grund 44 f. Gutes 209 ff. Handeln, s. Arbeit/Handeln Ideal 319 Ideale Sprechsituation 394 ff. Idealität 24f., 46, 192f., 203 Idee; L/Geist 307; L/Natur 107ff. Identität 40ff., 143f.; I./Nichtidentität 143 f. Identitätsphilosophie 143 f. Kapital 51 ff.; Abschluß der Kapitalslogik llOf.; Reproduktion des Kapitals 82 ff; K./Ware 51 ff. Kategorischer Imperativ 21 Of. Kausalität 65 Kritik, s. Darstellung/Kritik Kunst 317ff; klassische K. 320f.; romantische K. 321 ff.; symbolische K. 320; Nach-Kunst 324f.; Vergangenheit der K. 322; K./Freiheit 317f., 326ff.; K./Naturnachahmung 317 Logik 11 ff.; Inhaltlichkeit des Logischen 130ff, 138ff.; logischer Inhalt 139;
489
Wirklichkeitsbezug des Logischen 132ff; L./Freiheit s. Freiheit; L./ Geistesphilosophie 306f., 387ff.; L./ Gesellschaftstheorie 136f.; L./Materie 133; L./Natur 134; L./objektiver Geist/absoluter Geist 439 ff.; L./ Realphilosophie 431 ff.; L./Subjektivität 135f.; L./Wirklichkeit 140f. Macht 64ff, 79f.; absolute M. 64; ansichseiende M. 339 f.; formelle M. 65; freie M. 79f., 236, 267; gesetzte M. 341 f.; reale M. 65; Macht/Gewalt 66 ff.; Macht/Manifestation 67, 266ff, 339 ff. Manifestation 59, 64, 67f., 269, 343ff. Materie 133 Methode 88f., 92; subjektive/objektive M. 95f.; M./Gegenstand 94f. Moment/Gestalt 24, 193 Moralität 199 ff; M./Recht 204 Natur 443ff; zweite N. 218, 258; N./ Geist 153 f., 444; N./Geschichte 252ff.; N./Logik 134; N./Recht 172f. Naturbeherrschung 257 f. Natur recht 172 f. Negation 118 Negative Dialektik 144, 284f., 452ff. Negativität 452 ff. Normativität 146f., 178f. Notwendigkeit; absolute N. 60f.; N./ Beweis 116f.; N./Freiheit 57ff, 74f. Offenbarung 333f., 342ff. Person 182 ff. Phänomenologie 157 f. Philosophie 359ff.; P. als Abschluß des Systems 392f., 441 f.; P. als „freies Denken" 365f., 373f.; P. als praktische Philosophie 419; P. als Rechtfertigung der Religion 371 ff.; P. als Theologie 361; P. als Theorie der Geschichte 420ff.; P. in der geschichtlichen Nachfolge der Religion 375f.; Geschichtlichkeit der P. 405f.; Verschiedene Bedeutungen des Philosophiebegriffs 413f.; P./absolute Form 373f.; P./„absolute Geschichte" 381 ff; P./Kunst, Religion 367ff;
490
Sachregister
P./Religion 360ff., 380ff, 394ff.; P./Verstandesrationalismus 365f.; s. a. System Praktische Philosophie 166ff., 414f., 419f.; als Theorie des objektiven Geistes 170 ff. Praxis, s. Arbeit/Handeln Psychologie 158 f. Qualität 28 ff. Recht 162f.; abstraktes R. 181 ff.; R./ Pflicht 222 f. Reflexion 37 ff.; setzende/voraussetzende R. 38£,52ff. Reflexionsbestimmungen 40 ff. Religion 332ff.; absolute R. 342ff.; bestimmte R. 339ff.; R. als Instanz des objektiven Geistes 286 ff.; R. als Moment der Sittlichkeit 299f.; Notwendigkeit der R. 352f.; R./Ethik 335ff.; R./Kunst 333; R./Logik 338; R./Philosophie 354ff, 361 ff. Schein 37f., 53ff., 83ff. Schluß 73; die drei Schlüsse der Philosophie 397 ff. SeinHff.; S./Nichts 17 f. Selbstbeziehung 18f., 50; einfache Beziehung auf sich 18f.; einfache/negative S. 36f.; S./Fremdbeziehung 75ff.; Selbstsein/Bestimmtheit 104 f. Setzen/Voraussetzen 52 ff., 202, 351, 377 ff. Sittlichkeit 217ff.; griechische S. 218f.; institutionelle S. 220f., 238f. Sollen 208 ff. Spekulation 121 ff.; 458ff; s. a. Dialektik/Spekulation Spekulative Umkehrung 346f., 377ff. Spekulativer Satz 123ff, 399 Staat 234ff.; S./Geschichte 246ff. Subjektivismus 212f.
Subjektivität lOOf.; S./Logik 135f. Substanz 63ff.; S./Subjekt 99 System 97ff., 413ff, 464; S./Freiheit 413ff., 418ff., s. a. Freiheit; S./Geschichtsphilosophie 420ff.; S./Philosophie des absoluten Geistes 425ff.; S./Systematizität 411 ff.; Systemabschluß 398ff., s. a. Abgeschlossenheit; Identitätssystem 143 f. Systematizität 439ff.; S. als Freiheitsbestimmung 463 ff. Theodizee 261, 277ff., 298 Theorie/Praxis 433 f. Totalität 98f., 465 Unmittelbarkeit 17, 25f., 33ff., 90f. Unrecht 197, 199 ff. Unterschied 40ff., s. a. Differenz Urteil 72 Vernunft; V. in der Geschichte 278ff., 283f.; V./Verstand 116, s. a. Dialektik/Spekulation Versöhnung 270, 279, 289 Vertrag 187 f. Voraussetzen, s. Setzen/Voraussetzen Vorstellung 348ff.; V./Andacht 353f.; V./Geschichte 349f., V./Reflexionsbestimmungen 349 Wahrheit 102f., 106 Ware 32 ff. Wechselwirkung 68 f. Weltgeist 245 f., 259 ff. Wert 188 Wesen 35 ff. Widerspruch 43ff., 49 Willkür 58 Wirklichkeit 59 f. Wissen; Wissen-daß 81f., 101, 309; Wissen-was 101, 309; Wissen-wie 96, 101 f.
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WJterdeGruyter Berlin-Newark Quellen und Studien zur Philosophie Herausgegeben von Günter Patzig, Erhard Scheibe, Wolfgang Wieland
Lorenz Krüger
Der Begriff des Empirismus Erkenntnistheoretische Studien am Beispiel John Lockes Groß-Oktav. X, 283 Seiten. 1973. Leinwand DM 68,— (Bd. 6) ISBN 3 11 004133 2
Barbara Loer
Das Absolute und die Wirklichkeit in Schellings Philosophie Mit der Erstedition einer Handschrift aus dem Berliner Schelling-Nachlaß Groß-Oktav. VIII, 288 Seiten. 3 Abbildungen, 2 Ausschlagtafeln. 1974. Leinwand DM 108,— (Bd. 7) ISBN 3 11 004329 7
Kurt Röttgers
Kritik und Praxis Zur Geschichte des Kritikbegriffs von Kant bis Marx Groß-Oktav. X, 302 Seiten. 1975. Leinwand DM 92,— (Bd. 8) ISBN 3 11 004604 0
Rainer Stuhlmann-Laeisz
Kants Logik Eine Interpretation auf der Grundlage von Vorlesungen, veröffentlichten Werken und Nachlaß Groß-Oktav. VIII, 123 Seiten. 1976. Leinwand DM 52,— (Bd. 9) ISBN 3 11 005840 5
Martin Bartels
Selbstbewußtsein und Unbewußtes Studien zu Freud und Heidegger Groß-Oktav. X, 201 Seiten. 1976. Leinwand DM 78,— (Bd. 10) ISBN 3 11 005778 6
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Michael Theunissen
WÜter de Gmyter Berlin-Newark Hegels Lehre vom absoluten Geist als theologisch-politischer Traktat Groß-Oktav. XIV, 459 Seiten. 1970. Ganzleinen DM 68,— ISBN 3 11 006353 0
Andries Sarlemijn
Hegeische Dialektik Groß-Oktav. X, 206 Seiten. 1971. Ganzleinen DM 58,— ISBN 3 11 001839 X
Klaus Hartmann (Hrsg.)
Hermann Drüe
Die ontologische Option Studien zu Hegels Propädeutik, Schellings Hegel-Kritik und Hegels Phänomenologie des Geistes Mit Beiträgen von Friedhelm Schneider, Klaus Brinkmann, Reinhold Aschenberg Groß-Oktav. VHI, 312 Seiten. 1976. Ganzleinen DM 78,— ISBN 3 11 006813 3
Psychologie aus dem Begriff Hegels Persönlichkeitstheorie Groß-Oktav. , 392 Seiten. 1976. Ganzleinen DM 124,— ISBN 3 11 004603 2
Joachim Ringleben
Hegels Theorie der Sünde Die subjektivitäts-logische Konstruktion eines theologischen Begriffs Oktav. 300 Seiten. 1977. Ganzleinen DM 76 — ISBN 3 11 006650 5 (Theologische Bibliothek Töpelmann, Bd. 31)
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