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German Pages 707 [717] Year 1949
Philosophen-Lexikon
PHILOSOPHEN-LEXIKON Handwörterbuch der Philosophie nach Personen
Unier Mitwirkung von GERTRUD JUNG v e r f a ß t und h e r a u s g e g e b e n v o n
WERNER ZIEGENFUSS
ERSTER
BAND
A-K
WALTER DE GRUYTER & CO-BERLIN
1949
vormals G. J.GSschensche Verlagahandlung • J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung Qeorf Reimer • Karl J.Trfibner • Veit & Comp.
C o p y r i g h t 1949 b y W a l t e r d e G r u y t e r & C o . • A r c h i v - N r . 4 2 46 49 P r i n t e d in G e r m a n y G e s a m t h e r s t e l l u n g : G e r h a r d S t a l l i n g AG., O l d e n b u r g ( O l d b ) , A p r i l 1949
Vorwort Im Jahre 1912 erschien zum ersten Mal aus der Feder von Dr. Rudolf Eisler, dem Verfasser des „Lexikon der philosophischen Begriffe", im Verlag E. S. Mittler u. Sohn ein Philosophen-Lexikon. Seit 1924 war dieses Werk vergriffen, jedoch konnte es zunächst nicht neu bearbeitet werden, da der Verfasser im Jahre 1926 verstarb. Als indessen in den folgenden Jahren auch von anderer Seite ein ähnliches Unternehmen nicht verwirklicht wurde, entschloß sich der Verlag, das Philosophen-Lexikon durch einen anderen Autor wieder herausgeben zu lassen. Hierbei stellte es sich als notwendig heraus, den Text vollkommen neu zu gestalten, da das Buch in seiner ersten Fassung unlösbar mit dem philosophischen Denken seines Verfassers verbunden war und in so charakteristischer Weise den Geist seiner Zeit ausprägte, daß es durch Änderungen im einzelnen nur seine Vorzüge verloren hätte, ohne darum besser den wesentlich gewandelten Aufgaben genügen zu können, die eine andere Zeit jetzt stellte. Dr. Eugen Hauer übernahm im Jahre 1931 den Auftrag, das PhilosophenLexikon völlig neu zu verfassen, und entwarf den Text in seinen Grundzügen nach zeitlicher Ordnung bis zur Darstellung der Hegeischen Philosophie. Es war ihm jedoch nicht vergönnt, seine Entwürfe auszuführen und sein Werk abzuschließen. Er erlag im Sommer 1933 einem schweren Leiden. Die Arbeiten ruhten seitdem, bis der Unterzeichnete sie übernahm. Die aus der Feder von Dr. Hauer stammenden Handschriften sind umgearbeitet und ergänzt in die vorliegende Fassung eingegangen. Über die Absicht des Werkes und die Art, wie danach gestrebt wurde, sie zu verwirklichen, unterrichtet das Vorwort vom Januar 1937 mit folgenden Ausführungen: Der Zweck des Buches, auch dem nicht fachlich mit der Philosophie dauernd verbundenen geistigen Menschen unserer Zeit ein zuverlässiges und verständliches Nachschlagewerk in die Hand zu geben, hat es mit sich gebracht, daß der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts und vor allem dem 20. Jahrhundert ein überwiegender Teil der Darstellung eingeräumt wurde. Weit mehr als die Hälfte des Raumes gehört der Zeit nach Hegel, da gerade über diese Epoche bis in unsere Zeit hinein sachlich eingehende und leicht zu verwendende Überblicke und zusammenfassende Forschungen sehr wenig zu finden sind. Die Darstellung der Philosophie der lebenden deutschen Philosophen wurde dadurch bedeutend gefördert, daß der Verlag an fast 700 deutsche Philosophen Rundfragen sandte, durch die die wichtigsten Lebensdaten, die entscheidenden Wesenszüge ihrer Philosophie, Verzeichnis der Werke und der über diese erschienenen Schriften von den Autoren selbst festgestellt werden sollten. Es gingen über 600 Antworten ein, so daß für die deutschen Philosophen der jüngsten Zeit zuverlässige Angaben über Lebens-
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Vorwort
lauf, erschienene Werke und meist auch philosophische Grundabsicht hier veröffentlicht werden können. Einige Philosophen haben für das Lexikon knappe Darstellungen der eigenen Philosophie verfaßt, die dankbar übernommen wurden und als solche gekennzeichnet sind. In den Fällen, in denen die Autoren darauf verzichtet haben, Angaben über ihre sachlichen Absichten zu machen, wurde in der Regel nur eine knappe Kennzeichnung ihrer Stellung ohne systematische Charakteristik gegeben, um die Denker nicht auf bisher veröffentlichte Gedanken festzulegen, die vielleicht schon überholt sind oder der ganzen Weite ihrer Lehren nicht entsprechen. Die Philosophie des Auslandes wurde in ihren heute hervorragenden Vertretern und außerdem in den Denkern dargestellt, die auf die deutsche Gedankenwelt Einfluß gewonnen haben oder mit ihr in besonders lebendigem Zusammenhang sind. Vollständigkeit im Erfassen aller wesentlichen philosophischen Erscheinungen zu erreichen, war zwar das Leitziel des Verfassers, jedoch ist er sich der unvermeidlichen Grenzen in seiner Verwirklichung bewußt. Die Aufgabe, die sich das Lexikon im ganzen gestellt hat, ist nach Anlage und Ausführung: die reiche Gedankenwelt der Philosophie, die wesentlich mit den Persönlichkeiten der Philosophen verbunden ist, von ihren Schöpfern her zu erschließen und von ihnen aus übersehbar und möglichst leicht zugänglich zu machen. Über Lebensschicksal und Werk, Widerhall und Nachwirkung soll der Leser eine dem gegenwärtigen Stande des Wissens entsprechende schnelle Auskunft erhalten. Die Darstellung hat sich bemüht, in keiner Richtung Werturteile zu fällen und sich in der Auswahl und Wiedergabe nicht von Bewertungen leiten zu lassen. Sie ist bestrebt, den philosophischen Gehalt der Lehren in seiner Tiefe und Fülle soweit zu erfassen, wie dies für die notwendig knappe Textgestaltung eines Lexikons möglich ist. Für den weiter Forschenden wurden die wichtigsten neueren monographischen Untersuchungen über einzelne Denker und Richtungen in einem von dem Verzeichnis der philosophischen Werke getrennten Literaturnachweis zusammengestellt. Verlag und Bearbeiter hoffen damit dem Fachmann eine Hilfe zu schneller Orientierung, dem Studierenden eine Einführung und dem an der Philosophie interessierten Leser aus allen Provinzen der weiten geistigen Welt die Möglichkeit eines raschen und zuverlässigen Einblickes zu vermitteln . . . Sehr zu Dank verbunden bin ich allen Autoren, die durch eine Selbstdarstellung das Bild der gegenwärtigen Philosophie farbiger und lebendiger gestaltet oder mir durch ihre Angaben die Arbeit erleichtert haben. Besonderen Dank schulde ich Fräulein Dr. Gertrud Jung für ihre wertvolle Mitarbeit. Sie hat das Lexikon um eine größere Anzahl von Darstellungen aus ihr besonders vertrauten Gebieten der Geschichte der Philosophie bereichert und die Einzelangaben des ganzen Werkes einer letzten Überprüfung und Ergänzung unterzogen. — Nachdem das Werk fast fertig ausgedruckt war und mit sechs ausgegebenen Lieferungen zu einem erheblichen Teil zu erscheinen begonnen hatte, stellte der Verlag auf einen politisch formulierten Einspruch von
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Vorwort
autorisierter Stelle hin im Einvernehmen mit dieser Stelle ohne Wissen des Herausgebers die weitere Veröffentlichung des Werkes ein. Da dem Herausgeber ein Exemplar des fast fertig ausgedruckten Textes erhalten geblieben war, glaubte er das Werk unter gewandelten Voraussetzungen einem anderen Verlag anbieten zu sollen, um es seiner sachlichen Absicht entsprechend der wissenschaftlichen und wissenschaftlich interessierten Welt dienstbar machen zu können. Der Verlag Walter de Gruyter u. Co. hat es in dankenswerter Weise übernommen, das umfangreiche Buch trotz der gegenwärtig bestehenden großen Schwierigkeiten unter seine ersten größeren Publikationen nach dem zweiten Weltkrieg aufzunehmen. Der Text des Philosophen-Lexikons wird unverändert so dargeboten, wie er vor mehr als zehn Jahren zuerst ausgedruckt worden war. Abgesehen davon, daß die gegenwärtigen Umstände eine neue Bearbeitung noch nicht wieder möglich machen, erhoffen sich Verlag und Herausgeber von dieser Form der Veröffentlichung des Buches, daß sie dazu beitragen möge, über mancherlei Störungen der wissenschaftlichen Arbeit und einige Trübungen der sachlichen Haltung hinweg, wie sie für die Darstellung gerade auch zeitlich nahestehender Erscheinungen des Geisteslebens unerläßlich ist, eine Brücke in eine Zukunft hinein schlagen zu helfen, die der großen Tradition wieder würdiger sein wird. Die Verurteilung des Werkes im Jahre 1937 war damit begründet worden, die „ganze Aufmachung des Philosophen-Lexikons" sei so, „als wäre ein 30. Januar 1933 auf dem Gebiet einer so stark mit Weltanschauung verbundenen Wissenschaft wie der Philosophie völlig bedeutungslos". Im Sinne der so gerügten von ihm und seiner Mitarbeiterin erstrebten stetigen Sachlichkeit des Denkens, wüßte der Herausgeber sich für die erneute Veröffentlichung dieses Buches keinen größeren Erfolg zu wünschen, als daß es an seinem bescheidenen Teil dazu beitragen möge, die geistigen Bemühungen auf dem Gebiete der Philosophie in unserem so schwer getroffenenLand zu ermutigen und anzuregen, sie in ihrer lebendigen Wechselwirkung mit der Philosophie aller Völker zu stärken und sie in die geistige Gemeinschaft der Weltphilosophie zurückzuführen, aus der sie während einer schließlich doch nur kurzen Zeit herausgerissen worden waren. Die Verzeichnisse der Schriften der Philosophen und der Literatur über die dargestellten Denker konnten die Herausgeber dank besonderen Entgegenkommens der Deutschen Bücherei in Leipzig, soweit es sich um Publikationen in deutscher Sprache handelt, bis auf den Stand des Jahres 1945 und teilweise darüber hinaus ergänzen. Die Angaben über außerdeutsches Schrifttum konnten ebenfalls über den Stand von 1939 hinaus erweitert werden. Hierfür erhoffen wir uns künftighin noch bessere Gelegenheiten in dem Maße, in dem es wieder möglich sein wird, das Geistesgut aller Völker und die Entwicklung der wissenschaftlichen Arbeit der Gelehrten aller Nationen zu studieren. Insbesondere sind wir dankbar für alle Anregungen zur Ausgestaltung des Werkes. Werner Ziegenfuß Dr. p'hil. habil.
A. Aall, Anathon, geb. 15. Aug. 1867 in Nesseby, gest. 9. Jan. 1943 in Oslo. Professor in Oslo. Aall gewinnt die ursprünglichen Antriebe seines Philosophierens im Konflikt zwischen dem Absolutheitsanspruch des Christentums und den Ergebnissen einer kritischen Betrachtung der Theologie. Eindrucksvoll waren ihm auch die Schriften von Lotze, Spencer, Höffding, daneben die sozialen Dramen Ibsens. Auch dem Einfluß der naturwissenschaftlichen Philosophie seiner Zeit entzog er sich nicht. Sein eigener Standpunkt allerdings ist entschieden von der idealistischen Tradition bestimmt, vor allem Piaton und Kierkegaard beschäftigten ihn frühzeitig. In den Jahren 1894 bis 1899 widmete er sich dem ersten größeren Werk, einer „Ideengeschichte" des Logosbegriffs in der griechischen Philosophie und in der früheren christlichen Literatur. Ein Konflikt mit der offiziellen Theologie ließ sich nicht vermeiden. Ein Versuch der Habilitation an der Universität zu Kristiania scheiterte daran. Nach Abschluß seiner Universitätsexamina hatte er drei Jahre auf Reisen in Deutschland, Frankreich und England zugebracht. 1900 kam er von England nach Berlin und studierte unter C. Stumpf und Fr. Schumann experimentelle Psychologie, außerdem Rechtswissenschaft. Eine Studie über Macht und Pflicht wurde in monistischem Geist abgefaßt. 1904 habilitierte sich Aall in Halle und studierte weiter noch experimentelle Psychologie bei Wundt und Krüger. Vorlesungen über Ibsen führten zur Klärung der Bedeutung des Dichtwerkes für die Philosophie eines Volkes. An eigenen psychologischen Untersuchungen veröffentlichte er Studien über Traum und Gedächtnis. Die im engeren Sinn philosophischen Interessen Aalls gelten der Philosophie in der Geschichte und der Daseinsphilosophie. Die Philosophie wird von ihm in die Geschichte selbst hineinverlegt, so daß seine Betrachtung der Geschichte der Philosophie zur Philosophie der Philosophiegeschichte wird. Er bettet das philosophische Denken in die geographische, soziale, politische und technologische Raum - Zeit - Lage ein. Die kritische Daseinslehre hat an der Psychologie ihren Ausgangspunkt. Für diese ist jedes Seelenleben nur in aktuellen Betätigungen gegeben und jedes neue psychische Phänomen nur im Zusammenhang mit dem Ganzen der bisherigen. Aall stellt außerdem ein Mittelfeld fest zwischen dem Seelischen und Nichtseelischen, in dem das Seelische selbst, in inniger Verbundenheit mit dem physiologischen Leben, seinen eigentlichen Ursprungsort hat. Von der Psychologie leiten einige Feststellungen zur kritischen Daseinsphilosophie über, wie diese: „Durch die Pforte der Sinne gehen uns Eindrücke zu, deren Summe die Wirklichkeit für uns bedeutet, ergänzt durch die logische Tätigkeit des Vorstellungslebens." „Durch den Raumsinn spricht sich die Seele als Lehrer der Metaphysik aus." Als gewiß gilt, daß der Raum entsprechend den subjektiv erfaßbaren Raumwerten als kosmophysische Größe existiert. Ähnlich ist das Existieren von Zeit und Bewegung zu erschließen. Bei aller starken Verbindung von Seelischem und Leiblichem und bei der innigen Beziehung des Seelischen zum Kosmos bleibt die Einheit von Seele und Körper, Geist und Materie nur funktionell. Wir wissen nur von Spezialäußerungen der Bewußtseinsqualitäten. Der Reichtum an diesen freilich spiegelt ein Grundverhältnis der Wirklichkeit ab. Von diesem Standpunkt aus begründet sich für Aall eine pluralistische Weltauffassung, S c h r i f t e n : Der Logos, 2 Bde., 1896 u. 1899. — Macht und Pflicht. Eine natur- und rechtsphilosoph. Untersuchung. 1902. — Henrik Ibsen als Dichter und Denker, 1906. — Philosophen-Lexikon
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Aars — Abaelard
Sokrates — Gegner oder Anhänger der Sophistik, in: Philosophische Abh. Max Heinze zum 70. Geburtstag, 1906. — Logik. 4. Aufl. 1926 (Oslo). — Philosophie in Dänemark und Norwegen, in: Überweg, Grundriß, 4. Teil, 1928. — Selbstdarstellung in: Philos. d. Gegenw. in Selbstdarst., Bd. V, 1924.
Aars, K. Birch-Reichenwald, geb. 1868, gest. 1917. Privatdozent in Oslo. S c h r i f t e n : Die Autonomie der Moral, 1896. — Die Erwartung, in: Ztschr. f. Psychol., 1900. — Zur psychologischen Analyse der Welt, 1900. — Zur Bestimmung des Verhältnisses zwischen Erkenntnistheorie u. Psychologie, in: Ztschr. f. Philos u. philos. Krit., 1903. — Pragmatismus und Empirismus, ebenda, 1909. — La nature de la pensée logique, in: Rev. de Métaph. et de Morale, 1909. — Haben die Naturgesetze Wirklichkeit? 1907. — Gut und Böse. Zur Psychol. d. Moralgefühle, 1907. — Analyse de l'idée de la morale, 1899. — Die Idee. Zum Ursprung des Gedankens, 1911.
Abaelard (Abeilard, Abeillard, Abelard}, Peter, geb. 1079 in dem Flecken Paletz oder Palet oder Palais bei Nantes (daher Doctor Palatinus), gest. 21. April 1142. A. ist Schüler des Roscelin und des Wilhelm von Champeaux. Er lehrte in eigner Schule zu Melun, Corbeil und Paris, wo er 1113 die Leitung der Schule von Notre Dame übernahm. Nach dem unglücklichen Ausgang seines Liebesverhältnisses zu Héloise, der Nichte des Kanonikus Fulbert, ging A. als Mönch in die Abtei St. Denis. Eine große Zahl von Anhängern und Schülern folgte ihm in die Einöde bei Nogent sur Seine und sie bauten dort das Kloster zum Parakleten. Er verließ es plötzlich und wurde 1125 Abt von St. Gildas zu Rhuys in der Bretagne. Infolge Streites mit den Mönchen gab er sein Amt bereits wieder nach vier Jahren auf; zwischen 1136 und 1140 lehrte er auf dem Genovefaberge, 1141 wurde er erneut verurteilt, diesmal auf dem Konzil zu Sens. Die letzten beiden Lebensjahre verbrachte er bei dem Abt Petrus Venerabiiis zu Cluny und in der Priorei St. Marcel sur Saóne. Im Universalienstreit vertritt A. unter Hinneigung zum Nominalismus den sogenannten K o n z e p t u a l i s m u s . Er rückte von der Auffassung seines Lehrers Roscelin, der das Universale als Vox bezeichnet hatte, ab, indem er dessen Formel in das „Universale est sermo" umwandelte. Die Allgemeinheit kommt danach in der Bedeutung (Significatio) des Wortes zum Ausdruck, sie liegt also in dem Conceptus oder Intellectus; das Genus hat dabei eine Grundlage in den realen Dingen selbst. Die Bedeutung in dem von A. gemeinten Sinne ist dabei nicht die eines objektiven logischen Gehaltes, sondern ohne jeden realistischen Charakter durch menschliche Konvention festgesetzt. Die Universalia werden durch Abstraktion gebildet; diese ist eine Methode der Vernunft, bestimmte einzelne Merkmale begrifflich zu isolieren, wobei dieser begrifflichen Isolierung eine reale nicht entspricht. Die Abstraktion verändert infolgedessen die Sache gegenüber ihrem Sein in der Wirklichkeit. Hier kommt A. zu der Formel, daß der Modus intelligendi ein anderer ist als der Modus subsistendi. Daß ferner die Universalia sich auf eine Vielheit von Individuen beziehen können, beruht nach A. dementsprechend darauf, daß die Einzeldinge teilweise in ihrer Natur miteinander übereinstimmen, wobei er ausdrücklich die Bildung einer logischen Res als ideellen und zugleich realen Grundes der Übereinstimmung der Einzeldinge ablehnt. Dies ist jedoch nicht im Sinne eines extremen Nominalismus gemeint. A. will im Gegenteil diese Ansicht mit der platonischen Ideenlehre in Beziehung setzen. Freilich teilte er die abgeblaßte Auffassung von den platonischen Ideen, wie sie allgemein von den christlichen Theoretikern vertreten wurde; die Ideen besitzen nicht mehr die Substanzialität von Wesenheiten, die Piaton ihnen beigelegt hatte, sondern sind Begriffsinhalte, Conceptus, die Gott vor Erschaffung der Dinge gebildet hatte und nach denen er die Dinge erschuf.
Abaelard
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Mit vielen unter den christlichen Apologeten beschränkt A. die Gotteserkenntnis nicht allein auf die Christen, sondern nimmt sie auch für die Heiden und besonders für die griechischen Philosophen an. Freilich, die Klarheit und Höhe der christlichen Gotteserkenntnis können diese nicht erreichen. Wie Augustin, so nimmt auch A. an, daß Piaton unter den heidnischen Philosophen dem Christentum am nächsten gestanden habe, und parallelisiert die platonische Lehre von dem Einen Guten, dem Nous und der Weltseele mit der christlichen Lehre von der Trinität. Infolge der Anklage des Bernhard von Clairvaux, der die Nebeneinanderstellung der platonischen Weltseele und des Heiligen Geistes als Häresie verdächtigte, widerrief A. diese Darstellung und neigte nunmehr stärker zu einem M o d a l i s m u s , der die drei Personen des göttlichen Wesens als Attribute (Macht, Weisheit und Güte) auffaßte. Er konnte sich hierfür besonders an Augustin anschließen, der mit Nachdruck das Moment der Zeitlichkeit in dem Verhältnis des göttlichen Wesens und der drei göttlichen Personen abgelehnt hatte; bei der früheren Auffassung der Trinität, in der sie mit der platonischen Kosmologie parallelisiert worden war, wurde durch den zeitlichen Hervorgang der Seele aus dem Nous die zeitlose Einheit der Trinität bedroht. Für die Darstellung der Trinität verwendete A. in dieser späteren Zeit das Gleichnis vom Siegel; an diesem und seiner Wirksamkeit seien ebenfalls drei Momente unterscheidbar; es bedürfe zunächst des Erzes, sodann der Form, durch die das Erz erst zum Siegel wird, schließlich der Wirksamkeit des Siegels im Akte des Siegeins. Hierin ist aber bereits in gewissem Gegensatz zu der modalistischen Auffassungsweise der Trinität eine U n t e r o r d n u n g s l e h r e gegeben, und in der Tat definiert A. (in Theol. 1,10 994 B.) die göttliche Weisheit (den Sohn) als eine bestimmte göttliche Macht, mit Hilfe deren Gott alles vollkommen entscheiden und erkennen kann, so daß er nicht zu irren vermag, und den Geist als die Güte Gottes, in deren Setzung Gott noch stärker seiner Macht entsagt und nur noch seinem Willen Verwirklichung gibt, alles zum Besten zu wenden. Denkt man bei der Weltschöpfung allein an Gottes Macht, so muß man zugeben, daß .die Schöpfung auch anders sein könnte als sie ist; berücksichtigt man jedoch, daß Gottes Macht und die im Sohne personifizierte Weisheit eine Einheit sind, so wird dieser Gedanke hinfällig, die Welt kann nicht anders geschaffen werden als sie ist, sie ist also die beste, die von Gott überhaupt geschaffen werden konnte. Für die Ethik hat A. darum Bedeutung, weil er mit großer Klarheit die Gesinnung als den Gegenstand der sittlichen Beurteilung bezeichnete. Das Werk oder die Handlung selbst sagen über die Sittlichkeit noch nichts aus. Das Gute ist zu lieben und das Böse zu hassen, nicht aus Furcht vor Strafe, sondern aus Liebe zur Tugend, Tugend aber ist die Verhaltungsweise, welche zur Erlangung des höchsten Gutes führt. Dieses muß gemäß der christlichen Überzeugung des A. Gott sein; der Mensch erlangt die Gemeinschaft mit ihm durch die Liebe, die ihn zu Gott bringt. Das größte Übel ist darum der Haß gegen Gott, durch den sich der Mensch selbst von Gott scheidet. — Der Unterschied zwischen den bloß fehlerhaften Handlungen und den wirklich bösen, die sündhaft sind, liegt in der Stellung des Gewissens zu den beabsichtigten Handlungen. Ist ein Fehlerhaftes als solches erkannt und erfolgt es dennoch, also gegen das Gewissen, dann ist die Handlung Sünde, weil die Zustimmung zum Bösen Verachtung Gottes ist. Obwohl der Mensch einen Hang zur Sünde, das ist zur Verachtung Gottes, hat, kann er dennoch tugendhaft sein; denn er kann den Hang zum Bösen bekämpfen, wenn dieser Kampf auch größte Anstrengung erfordert. — Der theonomische Charakter dieser Ethik A,s kommt in besonderer Schärfe und Deutlichkeit in der These zum Ausdruck, daß das Kriterium der Unterscheidung des guten und des bösen l»
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Abbt — Abs
Handelns allein in der freien Willensentscheidung Gottes liegt, so daß sogar das als gut getan werden müßte, das dem Menschen als das schlechteste erscheint, wofern Gott dieses als gut bestimmt hätte. S c h r i f t e n : De unitate et trinitate, ed. Stölzle, 1891, — Theologia Christiania, 1353. — Sic et non. — Scito te ipsum. — Gesamtausg. V. Cousin, Pétri Abaelardi opéra 1, Paris 1849, II, Paris 1859. — Migne, Patrologia latina, 178, Paris. — Philosophische Schriften, hrsg. von B, Geyer, 3 Bde., Münster 1919—1932, in: Beiträge z. Gesch. der Philos, des Mittelalters, 21. — B. Geyer, Ecrits philosophiques inédits de l'A., Band II, Münster 1933. — Theol. summi boni, hrsg. v. H. Ostlender, 1939. L i t e r a t u r : A. Hausrath, Peter Abaelard, 1893. — M. Grabmann, D. Gesch. d. schol. Methode, Freibg. 1911, II 168—229. — B. Geyer, D. Stellg. A.s i. d. Universalienfrage nach neuen hds. Text., 1. Baeumkerfestschr. Suppl. I d. Beiträg, z. Gesch. d. Philos, d. Mittelalt., Münst. 1913, 101—127. — Mc Cabe, Joseph, P. A., New York 1901. — Moore, George, Héloïse and Abélard, 2 Bde., London 1921, — Hesse, Theodor, Gottes Liebesoffenbarung als Begründung der menschl. Liebesgerechtigkeit bei A., Diss., Basel 1939. — E. Gilson, Héloise et Abélard, Paris 1938.
Abbt, Thomas, geb. 25. November 1738 in Ulm, gest. 3. November 1766 in Btickeburg, 1758 Privatdozent in Halle, 1760 a. o. Prof. der Philosophie in Frankfurt, 1761 für Mathematik in Rinteln. 1765 Konsistorialrat in Bückeburg. Popularphilosoph der Aufklärung, mit Mendelssohn befreundet. A. befaßte sich vor allem mit Fragen der Methode der Geschichtswissenschaft sowie mit charakterologischer Psychologie. Er war ein ausgezeichneter Patriot, der für die Anerkennung der Idee des Vaterlandes sich kraftvoll einsetzte. S c h r i f t e n : Vom Tode für das Vaterland, Bln. 1761. — Vom Verdienste, Bln. 1765. — Geschichte des menschlichen Geschlechts, .. . Alte Historie, Halle 1766. — Vermischte Sehr., hrsg. v. Nicolai, Bln. 1772—81, 6 Teile L i t e r a t u r : Herder über Th. A., 1768. — A. Bender, Th. A„ Bonn 1922. — Gertrud Brück, Die Bedeutung Justus Mosers für das Leben und Denken Thomas Abbts, W ü r z burg 1937. — Hans-Joachim Koerber, Die Staatsanschauung Th. Abbts als Beispiel für die Möglichkeiten deutschen Staatsdenkens im achtzehnten Jahrhundert, Königsberg 1941.
Abel, Jakob Friedrich von, geb. 9. Mai 1751 in Vaihingen, gest. 1. Juli 1829, 1790 Prof. in Tübingen. Gegner Kants. Lehrer Schillers auf der Karlsschule. S c h r i f t e n : Einleitung in die Seelenlehre, 1786. — Über die Quellen der menschlichen Vorstellungen, 1786. — Versuch über die Natur der speculativen Vernunft. 1787. L i t e r a t u r : F. Aders, J . Fr. Abel als Philosoph. 1893.
Abicht, Johann Heinrich, 1762 bis 1816, Professor in Erlangen, später in Wilna. Anhänger der Kantischen Philosophie, Rechtsphilosoph. S c h r i f t e n : Vers, einer krit. Unters, üb. d. Willensgeschäft, 1788. — Neues System ein. philos. Tugendlehre, 1798. — Syst. d. Elementarphilos., 1795. — Verbesserte Logik, 1802. — Enzyklopädie der Philosophie, 1804.
Abraham ben David (ibn Daud), geb. 1110 in Cordoba, gest. 1180. Jüdischer Philosoph aus Toledo. Gegner des Neuplatonismus, für Aristoteles. Schriften: setzung 1852.
Emunah Raah (der erhabene Glaube), 1160. Mit deutscher
Über-
Abs, Josef, geb. 20. Jan. 1880 in öspel. Legt das Ordensexamen der PP Kapuziner in scholastischer Philosophie und Theologie ab und wird in Indien Bibliothekar und Missionar. 1914 Ruf an die Universität Kalkutta. S c h r i f t e n : Indiens Religion der Sanatama Dharma, 1923. — Zur Kritik der heterodoxen Philosophiesysteme in den Pranas, in: Festschrift für Jacobi von Kirfel — Some early Buddhistic Texts in relation to the Philosophy of Materialism in India, in: Actes du Congrès International des Orientalistes, Leiden 1932.
Abubacer — Adam
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Abubacer (Ibn Tofail}, geb. um 1100 zu Wadi-Asch (Guadix) in Spanien, gest 1185 in Marokko. Arabischer Philosoph, Anhänger des Avempace, Hauptwerk „Der Lebende, der Sohn des Wachenden". W i e in der Schrift des Avempace „Leitung des Einsamen" wird in dem in der Form eines Romans geschriebenen Werke die Entfaltung der intellektuellen Fähigkeiten des Menschen von dem Befangensein in der Materialität bis zur Erkenntnis und Gemeinschaft Gottes dargestellt. Dabei bringt A. dadurch, daß er den Entwicklungsgang an einem Menschen schildert, der einsam auf einer Insel aufwächst, zum Ausdruck, daß er die geschichtlichen und kulturellen Bindungen für die menschliche Entwicklung für unwesentlich hält, die mithin allein von der Gottheit begonnen und weitergeführt wird. In der E k s t a s e , welche die Vereinigung mit Gott bringt, hört die Erfahrungswelt und ihre Mannigfaltigkeit auf zu existieren, da sie überhaupt nur für die sinnliche Erfahrung vorhanden ist, und alles verschmilzt zu dem Einen Gott. S c h r i f t e n : I. T., D. Erwach, d. Seele, übers, u. eingel. von P. Brönnle. — El filosofo autodidacto, trad. del árabe por D. Fr. Pons Boigues, con un prólogo de Menéndez y Pelayo, Zaragoza 1900. L i t e r a t u r : Ferd. Burchard, T.s Naturmensch u. Rousseaus Emil, Programm d. Semin. Löbau, 1877—1879. — L. Gauthier, I. T., Paris 1909.
Ach, Narziss, geb. 29. Oktober 1871 in Ermershausen, gest. 25. Juli 1946. Privatdozent in Göttingen 1902, in Marburg 1904. Professor in Berlin 1906. Ord. Professor in Königsberg 1907, in Göttingen 1922. S c h r i f t e n : Über die Beeinflussung der Auffassungsfähigkeit durch einige Arzneimittel, 1900. — Über die Willenstätigkeit und das Denken, 1905. — Über den Willensakt und das Temperament, 1910. — Replik, 1911. — Über den Willen, 1910. — Serienmethode, 1912. — Über die Erkenntnis a priori, insbesondere i. d. Arithmetik, 1913. — Über die Begriffsbildung, 1921. — Beiträge zur Lehre von der Perseveration, 1926. — Über die Objektion 1930. — Über die Determinationspsychologie, 1933. — Analyse des Willens, Berlin 1935, in: Handbuch d. biol. Arbeitsmethoden v. Abderhalden, Abt. 6
Achelis, Thomas, geb. 17. Juni 1850 in Gröpelingen bei Bremen, gest. 17. Juni 1909 auf Capri. S c h r i f t e n : Ethik, 1898. — Soziologie, 1899; 2. Aufl. 1908. — Vergleichende Religionswissenschaft, 1904. — Die philosophische Bedeutung der Ethnologie, 1903. — Das Zweckprinzip in der modernen Philosophie, in: Arch. f. d. Gesch. d. Philos., IV. — Fr. Nietzsche, 1895. — H. Steinthal, 1898. — M. Lazarus, 1900.
Achelis, Werner, geb. 19. April 1897 in Berlin, Dr. phil. S c h r i f t e n : Die Deutung Augustins (Analyse seines geistigen Schaffens auf Grund seiner erotischen Struktur), 1921. — D. philos. Reichweite d. Graphologie, Kettwig 1925, in: Proteus, N. F. H. 2. — Das Problem des Traumes (eine philosophische Abhandlung). 1928. — Principia Mundi Bd. I, 1930.
Achillini, Alexander, geb. 29. Oktober 1463 in Bologna, gest. um 1518. Lehrte Philosophie und Medizin in Padua und Bologna. E r bekämpfte vom averroistischen Aristotelismus aus die platonische Philosophie, besonders die Ideenlehre. Es gibt in der Natur als Form in der Materie liegende Allgemeinheiten, die natürlichen Universalien. S c h r i f t e n : Opera Venet. 1545, 1568. Adam, Charles Ernest, geb. 1857. R e k t o r der Universität Nancy. S c h r i f t e n : Essai sur le jugement esthétique, 1885. — Études sur les principaux philosophes, 1903. — La philosophie en France, 1894. — Herausg. gemeins. m. Tannéry: Oeuvres de Descartes, darin von Adam: Víe et Oeuvres de Descartes, T. 12, Paris 1910.
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Adam von Marsh — Adickes
Adam von Marsh (de Marisco), gest. 1258. Franziskaner, 1247/48 Magister regens an der Universität Oxford. A. wurde von Roger Bacon hochgeschätzt; dieser ließ ihm auch wegen seiner mathematischen Kenntnisse große Anerkennung zuteil werden. Außer seinen wertvollen Briefen ist nichts von ihm herausgegeben. L i t e r a t u r : Reinh. Pauli, Bischof Grosseteste u. A. v. M., 1864. — Brewer, Monumenta franciscana I, Préface LXXVI—CI.
Adam Wodham, gest. 1358, unmittelbarer Schüler Occams, Franziskaner. Adamson, Robert, geb. 1852 zu Edinburgh, gest. 1902. 1876 Professor der Philosophie in Manchester, 1893 in Aberdeen, 1895 Professor der Logik in Glasgow. Kritischer Empirist und Realist. A. greift entschieden auf die Lehre Kants zurück und sucht die Kantischen Probleme weiterzuführen. Er unterscheidet besonders die psychologischen Phänomene von den erkenntnistheoretisch zu deutenden. Der Erkenntnislehre legt er zwei Prinzipien zugrunde. 1. Die Unterscheidung von Vorstellungsinhalt und Akt des Vorstellens wird vollzogen gegenüber einer einheitlichen Tatsache, dem Akt des Vorstellens selbst. 2. Erscheinungen haben Existenz und werden durch Bewußtseinszustände hindurch erkannt, denen kein eigener Existenzmodus zukommt. S c h r i f t e n : Roger Bacon, An Address, 1876. — On the Philosophy of Kant, Edinburgh 1879. deutsch Leipzig 1880. — Fichte, 1881 u 1908. — The Development of Modern Philosophy, ed. by W. R. Sorley and R. P. Hardie, Lond u. Edinburgh, 1903 — A short Hist. of Logic, ed. by R, Sorley, Lond. u. Edinb. 1911 — Schopenhauers Philos., in: Mind, I, 1876. — Sullys Psych., ebenda, 1884. — Lotzes Logic, ebenda, 1885. — Lotzes Metaph., ebenda. — Riehl on Philos. Criticism, ebenda, 1889. L i t e r a t u r : Henry Jones, Prof. Adamson, in: Mind, N S. XI, 1902. — R. Latta, A.s Development of modern Philosophy, Hibbert J., 1903. — G. Dawes Hicks, Prof A s Philosophical Lectures, in: Mind, N. S. XIII, 1904. — Metz, Rudolf, Das philos. Werk R. A.s, in: Archiv f. Gesch der Philos , Bd. 41 (1932), S. 214—229; Die philos. Strömungen der Gegenwart in Großbritannien, 1935, Bd. II, S. 45—58.
Adelard von Bath, englischer Scholastiker um 1100, vertrat eine Auffassung der Universalien, nach der sie mit dem Einzelnen zusammenfallen; es hängt von dem in der Betrachtung Gewollten ab, was an den realen Objekten interessiert, entweder ihre individuelle Besonderung oder das Gleichartige in ihnen, das sich zur Spezies und zum Genus zusammenlassen läßt. A. will hierin die Lehre des Piaton und Aristoteles kombinieren. S c h r i f t e n : De eodem et diverso, herausg. von Hans Willner, Münster 1903. L i t e r a t u r : J . Reiners, D. aristotel. Realis. i. d. Frühscholastik, Bonn 1907, I. D., 20—25. — U. Berliére Dict. d'histoire et de géographie ecclésiastique, I, 522 f. — Franz Bliemetzrieder, A. v. B., München 1935.
Adickes, Erich, geb. 29. Juni 1866 in Lesum bei Bremen, gest. 8. Juli 1928 in Tübingen. Nach Besuch des Gymnasiums in Altona Studium der Theologie, Philosophie und Geschichte in Tübingen, unter dem Einfluß von Kautzsch. 1885 Studium in Berlin, bei Paulsen. 1887 Promotion mit einer Arbeit über „Kants Systematik als systembildender Faktor". 1895 Habilitation in Kiel, 1902 Ordinarius in Münster, Herbst 1904 in Tübingen als Nachfolger Chr. Sigwarts. In Übereinstimmung mit seiner Ansicht, daß bestimmte Probleme der Philosophiegeschichte nach philologischer Methode zu behandeln sind, hat A. auf die Herausgabe von Kants handschriftlichem Nachlaß für die Preußische Akademie der Wissenschaften aufopferungsvolle philologische Kleinarbeit verwendet. Auch eine Kant-Bibliographie für Deutschland, die bis zu Kants Todesjahr reicht, hat
Adickes
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A. ausgearbeitet. „Nur auf dieser Grundlage kann die Geschichte der einzelnen philosophischen Schulen und der großen philosophischen Strömungen geschrieben werden." Endlich hat A. die Entstehungsgeschichte und den Gedankeninhalt von Kants nachgelassenem Werk, dem sog. Opus Postumum, an Hand der Textüberlieferung durchforscht. Kants Gedanken wurden zur Grundlage von A.'s M e t a p h y s i k ; A. entnahm ihnen „die Lehre des erkenntnistheoretischen Idealismus-Phänomenalismus von dem bloßen Erscheinungscharakter der Erfahrungswelt und von der Unmöglichkeit. auf dem Wege der Wissenschaft je über sie hinauszukommen und über das Transzendente Ansichten aufzustellen, die mehr sind als bloß subjektiver Glaube". Metaphysik ist also nicht Wissenschaft. Aus den',,Tiefen der Persönlichkeit" stammt die Beweiskraft ihrer Gründe und Gegengründe; Herz und Gemüt bestimmen die Gestalt, die die Weltanschauung des Einzelnen annimmt, nicht Verstand und Vernunft. Im Unterschied von Kant sieht A. diesen Glauben nicht als beweisbar und allgemeingültig an, sondern als ganz individuell, subjektiven Ursprungs und subjektiver Gültigkeit. Als Erkenntnistheoretiker ist A. Empirist. Nur dem Sein kommen Notwendigkeit und durchgehende Gesetzmäßigkeit zu, nicht dem Erkennen. Diesen Empirismus hält A. für vereinbar mit einem „gemäßigten Apriorismus" Die Dinge an sich sind immer nur erschlossen, nie gegeben. „Die Empfindungen sind das einzig primär Gegebene, sie müssen daher den Ausgangspunkt für die Erklärung bilden." Sie tragen alle einen räumlichen Exponenten an sich. Da A. „als Empirist mit einem Minimum von Apriori auszukommen versucht", so nimmt er nicht eine reine Raumanschauung, sondern nur eine Raumfunktion an; auch für die Zeit bedarf es nach ihm nicht einer besonderen apriorischen Anschauung. Die Kategorien sind nicht apriorische Begriffe; auch von ihrer Zwölfzahl will A. nichts wissen. „Es genügt vollkommen, e i n e ursprüngliche Verstandesfunktion der Verbindung und Trennung (Synthesis und Analysis) anzunehmen, die sich in ihrer Wirksamkeit nach dem Empfindungsmaterial richtet und sich im Anschluß an die in ihm zutage tretenden Regelmäßigkeiten und Unregelmäßigkeiten in mannigfacher Weise differenziert und spezialisiert." Ein starkes realistisches Bedürfnis veranlaßt A. zur Aufnahme des naturwissenschaftlichen Realismus in sein Weltbild und gibt seinem Denken eine Wendung vom erkenntnistheoretischen Idealismus zum metaphysischen Realismus. „So gern ich mit jenem anerkenne, daß die ganze Erfahrungswelt nur Erscheinung ist, und so sehr ich mit dem Apriorismus betone, daß unser Geist mit seinen apriorischen Funktionen es ist, der aus den ursprünglich allein gegebenen Empfindungen die Welt der körperlichen Gegenstände schafft: so energisch halte ich daran fest, daß es sich dabei nicht um eine freie Konstruktion, sondern nur um Rekonstruktion einer auch im Ansich vorhandenen Einheit und Ordnung handelt." Das Verhältnis von Gott zur Welt deutet A, pantheistisch. Ein einheitliches geistiges Leben durchwaltet die Welt. Für die Erklärung des Körper-Geist-Verhältnisses zieht A. den psycho-physischen Parallelismus heran. Aus ihm folgert er die Allbeseelung in monadologischer Form, ,,d. h. die kleinsten materiellen Einheiten sind und bewegen sich im Raum, zugleich aber spielen sich in ihnen, den Bewegungen parallel gehend, auch psychische Prozesse ab". Durchgehenden Parallelismus fordert A.'s „monadologisch-substanzialistische" Lehre nicht. Die monistische Tendenz treibt A. zur deterministischen Weltanschauung „mit ihrer Annahme einer allgemeinen, ausnahmslosen Gesetzmäßigkeit auch auf geistigem Gebiet".
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Adler, Alfred
Als E t h i k e r vertritt A. den Relativismus und Eudämonismus. Schon ins G e fühls- und Triebleben verlegt er einen natürlichen Drang zum Guten. S c h r i f t e n : Kants Systematik als systembildender Faktor, 1887. — GermanKantian Bibliography, T. 1 in der Philosophical Review, Mai 1893 bis Februar 1894; 1896 wieder abgedruckt; T. 2,. Juni 1895, und T. 3, Juni 1896 als Supplement Nr. 1 und 2 zur Philosophical Review. — Kant contra Haeckel, Bln. 1901, 2. A. 1906. — Charakter und Weltanschauung, Antrittsrede, Tüb. 1907. — Liebmann als Erkenntnistheoretiker, Kantstudien 1910. — Die Zukunft der Metaphysik, Bln. 1911, in: Weltanschauung. — Untersuchungen zu Kants physischer Geographie, Tüb. 1911. — Kants handschriftlicher Nachlaß, Akademie-Ausgabe Bd. I—III, 1911—14. — Kants Ansichten über Geschichte und Bau der Erde, Tüb. 1911. — Ein neu aufgefundenes Kollegheft nach Kants Vorlesung über physische Geographie, Tüb. 1913. — Kants Opus postumum dargestellt und beurteilt, Kantstudien, Ergänzungsheft Nr. 50, 1920. — Selbstdarstellung in: Philosophie der Gegenwart in Selbstdarstellungen Bd. II, Lpz. 1921. — Kant u. das Ding an sich, Bln. 1924. — Kant als Naturforscher, 2 Bde., Bln. 1924/25. — Kant u. die Als-Ob-Philosophie, Stuttgart 1927. — Kants Lehre v. d. doppelten Affektion unseres Ich, Tüb. 1929. L i t e r a t u r : Paul Menzer, Erich A., Kantstudien Bd. 33, S. 369 fi. — Dem Gedächtnis der Professoren D. Dr. Erich Adickes usw., Reden, Universität Tübingen 1929. Adler, Alfred, geb. 7. Febr. 1870 in Wien, gest. 28. Mai 1937 in Aberdeen. Promotion Wien 1894, tätig als Psychiater und Dozent des pädagogischen Instituts der Stadt Wien nach früherer Tätigkeit als Lehrer an der Columbia University New York. Die Grundanschauungen der von Adler vertretenen Individualpsychologie sind folgende: Alle Ausdrucksformen des menschlichen Seelenlebens sind ausnahmslos vom individuellen Bewegungsgesetz des Einzelnen beherrscht und können nur als Bewegung nach einem Ziel der Überwindung hin verstanden werden. Deshalb läßt sich in jeder Ausdrucksbewegung eine Phase der Unerfülltheit unterscheiden, die als Minderwertigkeitsgefühl in Erscheinung tritt. Die Tendenz der Bewegung strebt nach Überlegenheit in der Lösung eines vorliegenden Problems. Alle menschlichen Probleme sowie alle auf deren Lösung abzielenden seelischen Bewegungen tragen in ihrer Struktur Gemeinschaftscharakter. Die glückliche Lösung der Aufgaben hängt davon ab, ob das durchgreifende Bewegungsgesetz einen genügenden Grad von Gemeinschaftsgefühl in sich trägt. Der Grad des Gemeinschaftsgefühls bildet sich endgültig in den ersten J a h r e n der Kindheit aus und verharrt in gleicher S t ä r k e bis ans Ende des Lebens, sofern nicht durch Erkenntnis des Mangels eine Verstärkung des Gemeinschaftsgefühls erzielt wird. Alle Fehlschläge des Lebens gehen aus einem Mangel an Gemeinschaftsgefühl hervor, wenn nicht gerade menschlich unüberwindbare Schwierigkeiten die Lösung der Aufgaben verhindern. Eine günstige Lösung der Fehlschläge (Schwererziehbarkeit, Neurose, Psychose, Selbstmordneigung, Verbrechen, Intoxikationsneigung usw.) kann nur von einer Verstärkung des mitmenschlichen Kontaktes erwartet werden, der unter subtiler Beachtung der Einmaligkeit des vorliegenden Lebensstiles, immer auch im Sinne der Ermutigung, eine Erweiterung erfahren muß. Das Bewegungsgesetz des Einzelnen ergibt sich aus der scharfsinnigsten Betrachtung aller Ausdrücke und Stellungnahmen und deren Beziehung auf ein einheitliches Ziel. S c h r i f t e n : Studie über Minderwertigkeit von Organen, 1907. — Über den nervösen Charakter, 1912, 4. Aufl. 1930. — Praxis und Theorie der Individualpsychologie, 1912, 4. Aufl. 1930. — Menschenkenntnis, 1927, 4. Aufl. 1930. — Das Problem der Homosexualität, 1930. — Individualpsychologie in der Schule, 1929. — Die Technik der Individualpsychologie, I 1928, II 1930. — The Education of Children, 1930. — The Pattern of Life, 1930. — The Science of Living. Problems of Neurosis. What Life should mean to you, in: Ztschr. für Individualpsychologie, IX. Jahrg. — Der Sinn des Lebens, 1933.
Adler, Feliz — Adler, Max
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L i t e r a t u r : Rühle-Gerstel, Alice, Freud und Adler, Dresden 1924. — Sperber, Hans, A. A., München 1926. — Neuer, Alexander, Mut und Entmutigung. Die Prinzipien der Psychologie A. A.s, München 1926. — Adler, Gerhard, Entdeckung der Seele. Von Sigmund Freud und Alfred Adler zu C. G, Jung, Zürich-Leipzig-Stuttgart 1934. — Oswald Bumke, Die Psychoanalyse u. ihre Kinder. E. Auseinanders. m. Freud, Adler u. Jung, 2. Aufl., Berlin 1938. — Nikolaus Seelhammer, Die Individualpsychologie A. A.s. Dargest. u. krit. unters, v. Standp. d. kath. Moraltheologie, Düsseldorf 1934. — Wendeler, Josef, Die Individualpsychologie A. A.s in ihrer Beziehung zur Philosophie des AisOb Hans Vaihingers, Diss., Freiburg, 1932.
Adler, Felix, geb. 1851, gest. 1933. Professor der Ethik in New York 1902, an der Columbia-Universität, Gründer der amerikanischen Gesellschaft für ethische Kultur (1876). S c h r i f t e n : Die ethischen Gesellschaften, 1892. — The moral Instruction of children; Der Moralunterricht der Kinder, 1892. — Marriage and divorce, 1905. — Religion of duty, 1905. — Essentials of spirituality, 1905. — An ethical philosophy of life, New York 1918; 2. A. 1923. — The reconstruction of the spiritual ideal, New York 1923
Adler, Max, geb. 15. Januar 1873 in Wien. Promotion zum Dr. juris 1896, Habilitation für Soziologie und Sozialphilosophie 1920. Die Hauptrichtung des Forschens von M. Adler besteht in dem Bemühen um eine erkenntniskritische Begründung der Soziologie. Er hat als Grundüberzeugung dies, daß die Soziologie eine kausale Wissenschaft ist, deren bis jetzt konsequenteste Form durch die Lehren von Marx und Engels, insbesondere durch die materialistische Geschichtsauffassung und die Lehre von der ökonomischen Vergesellschaftung des Menschen gegeben sei. Andererseits findet er die richtunggebenden Gedanken aller Erkenntniskritik in dem prinzipiellen Standpunkt der Kantischen Erkenntniskritik vorliegen. Hierauf beruht die alle Schriften von A. durchziehende Verbindung von Marx und Kant. Diese Verbindung will aber nicht im Sinne der ethischen Kantianer aufgefaßt werden, welche den Marxismus durch Ethik ergänzen oder läutern wollen, beruht auch nicht auf einer Verschmelzung bestimmter kantischer Lehren mit marxistischen Gedanken. Diese Verbindung ist vielmehr durchaus nur im logisch - methodologischen Sinne zu verstehen. Die Sozialwissenschaft soll sich genau so wie früher die Naturwissenschaft auf ihre Erkenntnisbedingungen besinnen, um sich von vager Sozialmetaphysik und Verwirrung ihrer Methoden zu befreien. Dieses kritische Werk kann aber nur auf demselben Wege erfolgen, auf dem Kant mit der Erkenntniskritik der Naturwissenschaften vorangegangen ist. Auf diesem Wege gelangt A. dazu, in der Schrift über Kausalität und Teleologie (1904) den Begriff eines Sozial-Apriori darzulegen, d. h. den Nachweis zu versuchen, daß das Soziale nicht ein historisches Produkt aus dem Zusammenleben der Menschen ist, sondern daß schon das Individualbewußtsein sich selbst nur als ein soziales Bewußtsein, d. h. als ein Exemplar von einer unbestimmt großen Zahl von gleichartigen Bewußtseinsträgern gegeben ist, mit denen es sich verbunden erlebt. Das Soziale liegt nicht zwischen und auch nicht über den Individuen, sondern es ist der Seinscharakter des Bewußtseins, für welches daher sowohl eine Natur, als eine soziale Welt gegeben ist, auch wenn es nur ein einziges Individuum gäbe. Mit anderen Worten: Das Bewußtsein ist bereits vergesellschaftet, und nur so ist überhaupt historische Vergesellschaftung möglich. Ebenso beruht darauf die Möglichkeit des Verstehen®. S c h r i f t e n : Kausalität und Teleologie im Streite um die Wissenschaft, 1904. — Marx als Denker, 1. Aufl. 1908, 3. umgearb. Aufl. 1925. — Kant und der Marxismus, 1925. — Wegweiser, Studien zur Geistesgeschichte des Sozialismus, 1914, 5. umgearb. Aufl. 1931. — Der Marxismus als proletarische Lebenslehre, 1922. — Das Soziologische in Kants Erkenntniskritik, 1925. — Neue Menschen, 2. Aufl. 1926. — Lehrb. d. materialist. Geschichtsauffass., Berl. 1930. — Das Rätsel d. Gesellschaft, Wien 1936.
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Adrastos von Aphrodisias — Agrippa von Nettesheim
L i t e r a t u r : Max Nußbaum, Kantianismus u. Marzismus in der Sozialphilosophie M. A.s, Diss., Würzburg 1934.
Adrastos von Aphrodisias, Peripatetiker aus dem Anfang des 2. Jahrhunderts n. Chr., Aristoteleskommentator. Aenesidem, s. Schulze, Gottlob. Agatharchides, Peripatetiker der hellenistischen Zeit. L i t e r a t u r : E. A. Wagner, A. und d. mittl. Peripatos, Annaberg 1901, Pr. — O. Immisch, Agatharchidea, Sitz. Heidi. Ak., phil.-hist. Kl., 1919, 7. Abhandl.
Aegidius Romanus, geb. um 1245 in Rom; um 1260 Eintritt in den Orden der Augustinereremiten, in Paris Schüler des Thomas von Aquin, 1285 Magister der Theologie, 1292 Ordensgeneral, 1295 Erzbischof von Bourges, 1316 starb er zu Avignon. A. wurde nach Ausbildung eines eigenen, an Thomas und Augustinus anknüpfenden Systems, der Führer einer besonderen augustinischen Theologie, die in den folgenden Jahrhunderten neben Thomismus und Scotismus eine selbständige Stellung einnahm und behauptete. Seine Lehre war 1287 zur Ordensdoktrin erhoben worden. L i t e r a t u r : K. Werner, D. Scholastik d. späteren Mittelalt. III, Wien 1883; D. august. Psychologie in ihr. mittelalt. scholast. Einkleid. u. Gestalt. Sitzungsber. d. Wien. Akad. d. Wiss. 100 (1882) 435—499. — A. Dyroff, Aegidius v. Colonna? Aegidius Conigatius? Philos. Jahrb. 38 (1925) 18—25. — Richard Egenter, Die Erkenntnispsychologie des Ae. R., Diss., München 1925. — Otto Hieronimi, Die allgemeine Passionslehre bei A. R., Würzburg 1934 — The L. J . S. Makaay, Der Traktat des Ae. R. u d Einzigkeit der substantiellen Form, Würzburg 1924. — Axel Munthe, Ae. R-, De regimine principum, Lund 1929. — Placidus Vollmer, Die Schöpfungslehre des Ae. R., Würzburg 1931.
Agricola, Rudolf (Rolef Huysman), geb. 1443 in Baflo bei Groningen, gest. in Heidelberg 1485. A. bekämpfte die Scholastik und war einer der Verkünder des neuen humanistischen Ideals. Er fordert Prudentia, die sich im richtigen Urteil ausdrücken und Eloquentia, die diesem Ausdruck die notwendige Eleganz verleihen soll. Als Quellen der Lebensweisheit sollen die Bibel, sodann besonders Aristoteles, Cicero und Seneca dienen. — Das logische Universale ist nach ihm die wesentliche Ähnlichkeit in dem Mannigfaltigen. S c h r i f t e n : Opera cura Alardi ed., 2 Bde., Col. 1539. L i t e r a t u r : Biographie von Ihme, 1893. — A. Faust, D. Dialektik R. A.s, Arch. f. Gesch d. Philos. 34 (1922). — Wilhelm Ehmer, Beitr. z. Gesch. d. Entw. der Persönlichkeit u. d. Einfluß d. Humanism. in Deutschi., T. 1., R. A. u. Konrad Mutian, Diss., München 1925.
Agrippa, Skeptiker aus dem 2. Jahrhundert v. Chr., führt die zehn skeptischen „Tropen" auf fünf zurück. Agrippa (Heinrich Cornelius) von Nettesheim, geb. 14. September 1486 zu Köln, gest. 18. Februar 1535 zu Grenoble. A. war Anhänger des Neuplatonismus und der Kabbala und nahm an, daß die Magie ein taugliches Instrument zur Beherrschung der Natur darstelle. — Die Ideen sind in Gott, und nach ihnen wurde von Gott das Universum aus dem Nichts geschaffen. Die Götter der Alten, die Sephirot der Kabbala, die Gott zugeschriebenen verschiedenen Eigenschaften, sie alle bedeuten nach A. das gleiche, er nennt sie die Strahlen Gottes. Im Universum sind drei Bereiche unterscheidbar; einmal der der Elemente, sodann der des Himmels und der Gestirne und endlich der des Intelligiblen oder der Engel. Die innere Verbindung des Universums schafft der Spiritus mundi, der ein viertes Element darstellt. Durch ihn findet die Leitung der niederen Bereiche des Uni-
Ahrens — Ainesidemos aus Knosos
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versums durch den höheren statt. Der Mensch ist ein Mikrokosmos, so daß er auch die Welt zu erkennen vermag. Da er selbst teil hat an den im All wirkenden Kräften, kann er dadurch, daß er sich erkennend ihrer bemächtigt, auch der höheren Kräfte zum Zwecke seiner Herrschaft über die Natur Meister werden. In der späteren Schrift Declamatio de vanitate et incertitudine scientiarum äußert er sich skeptisch gegenüber der Philosophie und besonders dem von ihm gelehrten Okkultismus und verlangt Rückgang auf die Offenbarung, ohne daß er freilich den Nutzen der Magie für ein tieferes Wissen bestreiten will. S c h r i f t e n : De occulta philosophia, Colon. 1510, 1531—33. — De vanitate et incertitudine scientiarum, Colon. 1527. — Werke deutsch, Stuttgart 1856. — Die Eitelkeit u. Unsicherheit der Wissenschaften, hrsg. v. Fritz Mauthner, 2 Bde., München 1913. — Magische Werke , 5 Tie., Bln. 1916; 5. Aufl. 1925. L i t e r a t u r ; Chr. Sigwart, C. A. v. Nettesheim, in: Kl. Sehr. I 1—24. — J. Meurer, Zur Logik des C. A. v. N., in: Renaiss. u. Philos., hrsg. v. Dyroff, Heft 11, Bonn 1920.
Ahrens, Heinrich, geb. 14. Juli 1808 in Kniestedt, gest. 2. August 1874. Wirkte, infolge revolutionärer Tätigkeit zur Flucht gezwungen, lange Zeit in Paris, Brüssel und Graz als Professor der Philosophie und Politik, lehrte seit 1860 in Leipzig und starb in Salzgitter. A. war Anhänger der Philosophie K. Chr. Fr. Krauses und gehört zu dessen bedeutendsten Schülern, besonders auf dem Gebiete der Rechtsphilosophie. Das Recht ist nach ihm „das organische Ganze der von der Willenstätigkeit abhängigen Bedingungen zur Verwirklichung der Gesamtbestimmung des menschlichen Lebens und der darin enthaltenen wesentlichen Lebenszwecke". S c h r i f t e n : Cours de droit naturel ou de philos. du droit, Paris 1838, 8. Aufl. Leipzig 1892. — Die organische Staatslehre auf philosophisch-anthropolog. Grundlage, 1850. — Naturrecht od. Philos. d. Rechts u. d. Staates, Wien 1850 f., 6. Aufl. 1870 f. — Jurist. Enzyklopäd., Wien 1858, L i t e r a t u r : Chauffard, Essai critique sur les doctrines philos., sociales et relig. de H. Ahrens, Paris 1880. — M, Brasch, Leipziger Philosophen, Leipzig 1894.
Ahron ben Elias, gest. 1369. Jüdischer Karäer, Gegner des Maimonides. S c h r i f t e n : Ez chajim (Lebensbaum) herausg. 1841. L i t e r a t u r : Fürst, Geschichte des Karäertums, 1862/65,
Aidesios aus Kappadokien, Schüler des Neuplatonikers Iamblichos, gest. um 355 n. Chr. A. gründete eine philosophische Schule in Pergamon, die auch von dem späteren Kaiser Julian aufgesucht wurde. Ainesidemos aus Knosos, Erneuerer der pyrrhonischen Skepsis, lehrte um 70 n. Chr. in Alexandria. Für die Unmöglichkeit eines sicheren Wissens, das nach ihm weder durch die Sinneswahrnehmung noch durch das Denken erreicht werden kann, stellte er zehn „Tropen" (-póiroi) auf, welche besagen, daß nichts gewiß sein könne, weil dem entgegensteht: erstens die Verschiedenheit der beseelten Wesen überhaupt, zweitens die Verschiedenheit der Menschen, drittens die Verschiedenheit der Aussagen der fünf Sinne untereinander, viertens die Verschiedenheit der menschlichen Zustände, fünftens die Verschiedenheit der Lokalisationen, sechstens das Vermischtsein der wahrzunehmenden Gegenstände mit anderen, siebentens die quantitative und synthetische Verschiedenheit der Gegenstände, achtens die Relativität überhaupt, neuntens die Verschiedenheit durch die Häufigkeit des Wahrnehmens, zehntens die ethnologische und kulturelle Verschiedenheit der Maßstäbe. L i t e r a t u r : Photios, Bibl. cod. 212. — Wendland, Hell.-röm. Kultur II, 202 ff. — H. v. Arnim, Philo u. a., Philol. Unters., 11. Heft, Bln. 1888, 53—100.
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Aischines — Alanus ab Insulis
Aischines, ein A n h ä n g e r d e s S o k r a t e s , d e r in e i n e r R e i h e von Dialogen die Lehre des Sokrates darstellte. L i t e r a t u r : Diog. L. 2, 61. — K. F. Hermann, De Aesch. Socraticis reliquis disp. acad., Gött. 1850. Aischines, a u s N e a p e l , u m 200 v. C h r . E i n e r d e r V o r s t e h e r d e r P l a t o n i s c h e n S c h u l e zu A t h e n . Aithiops, S c h ü l e r d e s A r i s t i p p o s v o n K y r e n e . A k s a k o w , A l e x a n d e r , 1832 bis 1903. Animist. S c h r i f t e n : Animismus und Spiritismus, Petersburg 1890, 3. Aufl. 1898. Franz. Paris 1895, deutsch Lpz 1895, 5. Aufl. 1919. — Die Vorläufer des Spiritismus in den letzten 250 Jahren, Petersburg 1895, deutsch Lpz. 1898. A k s a k o w , K o n s t a n t i n , 1817 bis 1860. S l a w o p h i l e r A n h ä n g e r Hegels. L i t e r a t u r : F. Stepuhn, Der deutsche Romantismus und die Slavophilen, Russk. Mysl. 1910. — Der Panslawismus bis zum Weltkrieg, Stuttg. 1919. Alain, P s e u d o n y m f ü r E . C h a r t i e r , geb. 1868. P r o f e s s o r a m L y z e u m H e n r i IV. S c h r i f t e n : Les Cent un Propos d'Alain, Paris 1908, 2. Serie Rouen-Paris 1910; 3. Rouen 1911; 4. Rouen-Paris 1914. — Les Propos d'Alain, 3. Aufl., Paris 1920, 2 Bde — Quatre-vingt-un Chapitres sur l'Esprit et les Passions, par l'auteur des Propos d'Alain, Paris 1917. — Système des Beaux-Arts, 1920. — Mars ou la guerre jugée, 6. éd. 1921 — Propos sur le christianisme, 1915. — Les Marchands du Sommeil, 1919. — Éléments d'une doctrine radicale, 1925. — Libres Propos, 1921/24, éd. de la N. R F. — E Chartier, Commentaires au fragments de Jules Lagneau, in: Rev. de Mét. et de mor., 1898. — Sur la mémoire, ebda. 1899 — Valeur morale de la joie d'après Spinoza, ebda. 1899. — Le problème de la perception, ebda. 1900. — Sur les perceptions du toucher, ebda. 1901. — Les éléments principaux de la Représentation par O. Hamelin, ebda. 1907. — Idées, Platon, Descartes, Hegel, Paris 1932. — Les idées et les âges, 7e éd., Paris 1927. — Propos sur l'éducation, 9e éd. Paris 1932. — Deutsche Auswahl: Lebensalter und Anschauung, 1932. L i t e r a t u r ; Hess, Gerhard, Alain (Êmile Chartier), in der Reihe der französischen Moralisten, Romanische Studien, Heft 30; Berlin 1932. Alanus ab Insulis, A l a i n d e Lille, geb. 1120, gest. um 1203, b e e i n f l u ß t b e s o n d e r s v o n B o ë t h i u s , M a r t i a n u s C a p e i l a , B e r n h a r d Silvestris u n d T h i e r r y v o n C h a r t r e s . A. v e r s u c h t v o n d e m B o d e n s e i n e r w i c h t i g e n G r u n d t h e s e aus, d a ß alle W i s s e n s c h a f t e n sich auf o b e r s t e S ä t z e s t ü t z e n , die ihnen ihr F u n d a m e n t geben, a u c h die T h e o l o g i e d e d u k t i v zu e n t w i c k e l n . Auf diese W e i s e e n t w i r f t e r ein S y s t e m , d a s alle c h r i s t l i c h e n D o g m e n u n d s e l b s t die in i h n e n e n t h a l t e n e n M y s t e r i e n in logisch e i n d e u t i g e r V e r b i n d u n g d a r s t e l l e n soll. — N a c h d e m V o r g a n g e d e s T h i e r r y v o n C h a r t r e s b e s t i m m t A . G o 1 1 als die U n i t a s o d e r M o n a s , a u s d e r e r mit Hilfe d e r Z a h l e n s p e k u l a t i o n die T r i n i t ä t zu e n t w i c k e l n u n t e r n i m m t . Sein a p o l o g e t i s c h e s W e r k s D e fide c a t h o l i c a c o n t r a h a e r e t i c o s v e r t e i d i g t m i t V e r n u n f t g r ü n d e n u n t e r gleichzeitiger B e r u f u n g auf die H e i l i g e S c h r i f t u n d die V ä t e r die c h r i s t l i c h e n D o g m e n g e g e n die W a l d e n s e r , J u d e n u n d M o h a m m e d a n e r . S c h r i f t e n : Ausgabe in: J . P. Migne, Patrologia Latina, Bd. 210, 1855. — Anticlaudianus und De planctu nat.: Th. Wright, The Anglo-Latin Satirical Poets and Epigrammatists of the twelfth Century, London 1872, Rer. Brit. script, medii aevi scriptores, II 268—522. L i t e r a t u r : M. Grabmann, Die Gesch. d. scholast. Methode, Freiburg 1911, II 452—76. — M. Baumgartner, Die Philos, d. A. de Ins., in: Beiträge z. Gesch. d. Philos, des Mittelalt., II 4, 1896. — J . Huizinga, Verknüpfung des Poetischen mit dem Theol. bei A„ 1932.
Albalay — Albertus Magnus
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Albalay, Isaac. Jüdischer Philosoph des 13.—14. Jahrhunderts. L i t e r a t u r : Auerbach, Heimann, A., Breslau 1906.
Alberich von Reims. Gegner des Nominalismus, Zeitgenosse von Abaelard. Alberíní, Coriolano. Dr., Ordentl. Professor der Philosophie an der Universität Buenos Aires. Gründer des philosophischen und philologischen Instituts an der Universität. S c h r i f t e n : Die Philosophie in Südamerika. — Das Geschichtsstudium an den deutschen Universitäten. — Die epistemologische Reform Ginsteins. — Die deutsche Philosophie in Argentinien, mit einem Geleitwort von Albert Einstein, herausg. von Iso Brante Schweide, Berlin 1930.
Albert, Georg, geb. 3. Oktober 1869 in Wien. Dr, phil. 1895. S c h r i f t e n : Kants transcendentale Logik, mit besonderer Berücksichtigung der Schopenhauerschen Kritik der Kantischen Philosophie, 1895. — Die Platonische Zahl, 1896. — Die Platonische Zahl als Praecessionszahl, 1907. — Ein Wort für das humanistische Gymnasium, 1908.
Albert von Sachsen (de Saxonia, Albert von Helmstedt, von Ricmestorp, Albertutius, Albertus parvus), geb. 1316 (unsicher), gest. 1390. 1353 Rektor der Pariser Universität, 1365 erster Rektor der neugegründeten Universität Wien, 1366 Bischof von Halberstadt. A.s L o g i k ist occamistisch, in der P h y s i k folgte er Buridan und vertrat dessen Impetustheorie sowie die Himmelsmechanik. Im Mittelpunkt der Welt nahm er das Schwerezentrum an, 1372 wurde gegen A. auf Grund seiner Lehre von der Naturnotwendigkeit alles, auch des sittlichen Geschehens, ein Verfahren wegen Ketzerei eingeleitet, über dessen Verlauf jedoch Näheres nicht bekannt ist. S c h r i f t e n : Quaestiones et decisiones physicales in Aristotelis libros Physicorum . . . , Paris 1516. L i t e r a t u r : J. Aschbach, Gesch. d. Wiener Univ., 1865, 359—366, — P. Duhem, Études sur Leonard de Vinci, 1. série Paris 1906, 334—338, 341—3.44; 2e série Paris 1909, 367. — A. Dyroff, üb. A. v. S., Festg. für Clemens Baeumker, 1913, 330—342. — G. Heidingsfelder, A. v. S., Sein Lebensgang u. s. Kommentar z. Nikomachischen Ethik d. Aristoteles. Beitr. z. Gesch. d. Philos. d. Mittelalt. XXII 3—4, 2. Aufl., Münst. 1921.
Albertus Magnus (Albert Graf von Boilstädt). A. wurde 1193 oder nach anderen 1206/7 zu Lauingen in Schwaben geboren. Er trat 1223 in den Dominikanerorden ein, lehrte von 1228 bis 1245 in Köln, Hildesheim, Freiburg, Regensburg und Straßburg. 1245 wurde er in Paris Magister der Theologie; 1248 erhielt er eine Berufung an das Studium generale in Köln, das damals neu gegründet wurde; 1254 wurde A. Provinzial seines Ordens in Deutschland und versah dieses Amt bis 1257; 1258—1260 lehrte er wiederum in Köln; 1260 wurde er Bischof von Regensburg, legte aber bereits zwei Jahre später diese Würde nieder. In diese Zeit scheint ein längerer Aufenthalt in Italien zu fallen. 1263—1264 war er als Legat in Böhmen und Deutschland tätig. 1269 ging er wiederum als Lektor nach Köln und starb dort 1280. Die wissenschaftliche Arbeit A.s diente dem großen Plane, dem christlichen Abendland die gesamte Philosophie und Wissenschaft, die seit den Zeiten der Griechen sich entfaltet hatte, zu übermitteln. Bei diesem Unternehmen stand die Philosophie des Aristoteles, dem gesamten Zuge der Zeit entsprechend, im Vordergrund, neben ihr die Interpretationen, die ihr besonders in dem arabischislamitischen Kulturkreise zuteil geworden waren. Daneben war die plátonische Philosophie bei A. in weniger großem Ansehen, wenn sie auch besonders in der
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Albertus Magnus
Psychologie, der Naturphilosophie und der Ideenlehre seine Ansichten mitbestimmt und beeinflußt hat. Mehr als der des Piaton wirkte sich der Einfluß des Neuplatonismus aus, der der mystischen Neigung A.s stärker entgegenkam und ihr Nahrung gab. Es war die Form des Neuplatonismus, die bereits durch Alfaräbi und Avicenna hindurchgegangen war und mehr oder weniger umfangreiche aristotelische Denkelemente in sich aufgenommen hatte. Schließlich rezipierte A. auch den Augustinismus. Bei seinem Versuch eines Ausgleiches der philosophischen Dogmen mit denen der Kirche trat das Gefühl und die Überzeugung von der Diskrepanz der natürlichen und der geoffenbarten Religion bestimmend in das wissenschaftliche Bewußtsein ein. A. versuchte diese Aufgabe zu lösen, indem er einerseits die Rationalisierbarkeit bestimmter theologischer Lehrstücke, wie zum Beispiel des Trinitäts- und Inkarnationsdogmas verneinte, andererseits philosophische Probleme, wie den Schöpfungs- oder Ewigkeitscharakter der Welt, aus der Philosophie verwies und der Kirchenlehre anheimgab. Dieser Ausweg konnte ihm nur dadurch möglich werden, daß er sich zu der These entschloß, die Seele vermöchte nur das zu erkennen und zu wissen, dessen Prinzipien sie in sich selbst habe, das „natürliche Licht" der menschlichen Vernunft reiche also zur Erkenntnis der vollen und ganzen Wahrheit nicht aus. Die Lösung, die A. für dieses fundamentale Problem des Glaubens und Wissens vorschlägt, hat zur Voraussetzung die Erteilung des Primates an den Glauben. Die Philosophie steht dadurch bei ihm im Dienste der Theologie. Bedeutung hat für A. die Philosophie des Moses Maimonides, unter dessen Einfluß seine physikalische Lehre steht. Er betont, daß der Glaube, der einer Rationalisierung unzugänglich ist, gerade deshalb verdienstlich sei: für A. ist die Offenbarung übervernünftig, nicht aber widervernünftig. Die Logik hat es einerseits mit der Frage nach dem Wesen des Elementaren zu tun und erstrebt dann die Definition, andererseits mit dem Zusammengesetzten, das den Gegenstand des Urteilens und Schließens darstellt. Gott besitzt als der Urheber des Natürlichen die eigentliche und höchste Wahrheit, und daher eignet aller menschlichen Erkenntnis nur insofern Wahrheit, als sie die Ausstrahlung des göttlichen Geistes auffängt und mit ihrer Hilfe das Bewußtsein inhaltlich aufbaut. Der göttliche Intellekt wirkt auf das endliche Bewußtsein vor allem durch die Universalien, die real sind. Neben dieser Form des Universellen, zu existieren, stehen die beiden anderen, einmal die Form der Existenz in den Dingen, endlich die nach den Dingen, welche in der menschlichen denkenden Abstraktion gegeben ist; dabei sind die objektiven Denkinhalte in allen Denkenden gemeinsam und identisch. In der Materie liegen die Formen der Entwicklung, die zugleich deren Ziel bestimmen, der Möglichkeit nach bereit, in der Materie ist die Potentia inchoationis formae. Daher wird das Werden zu einem Entwickeltwerden (educi) aus der Materie, welche durch ein wirklich, d. h. aktuell Existierendes vollzogen wird. Dieser Sachverhalt darf aber nicht dahin verstanden werden, als hätte die Materie von sich aus auch die Fähigkeit, die Verschiedenheit der Formen zu verursachen, sie ist vielmehr selbst abhängig von dieser; von der Materie hängt nur die numerische Vielheit der Individuen ab. Die Materie besitzt für A. wirkliche und empirische Realität, sie ist bei ihm nicht wie in der vorherrschenden Meinung des Aristoteles der zur Form gehörende Begriff der Materie als eines zu Formenden. Das Allgemeine ist eine Essenz, welche in der als empirisch real von A. anerkannten Materie mit ihrer numerischen Vielheit des Seins angelegt ist, aktuell aber nur im Verstände existiert. In unserem Erkennen müssen wir von den Wirkungen ausgehen, welche allein uns als Wirklichkeit gegeben sind; das metaphysisch und logisch Spätere ist das
Albertus Magnus
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Frühere für uns. Die Aufgabe des Erkennens besteht in der Auffassung des Wirklichen, um mit seiner Hilfe, indem wir über sie hinausgehen, zur Erkenntnis Gottes fortzuschreiten, um die wahren Gründe der Existenz der Natur und ihres Wesens zu erfassen; analog erheben wir uns von der Erfahrung der göttlichen Gnade zum Erfassen der Gründe des Glaubens. Das Erkennen des Menschen kann zwar Gott nicht adäquat begreifen, andererseits aber ist eine Erkenntnis nicht völlig unmöglich. Freilich ist auch die uns zugängliche Erkenntnis des göttlichen Wesens nur durch die B e r ü h r u n g mit dem göttlichen Geiste möglich, erst durch seine Begnadung vermag der menschliche Intellekt Begriffe, die das Göttliche intendieren, zu vollziehen. — Den B e w e i s für die Existenz G o t t e s führt A. aus dem kosmologischen Argument. Entsprechend seiner Erkenntnistheorie lehrt A. die dauernde Schöpfung neuer Intelligenzen durch Gott, der ihm überhaupt der allgemein und umfassend tätige Intellekt und darum das Erste Prinzip alles Seienden ist; von Gott als dem Einfachen ist streng das oberste Allgemeine der Materia universalis zu unterscheiden. Auf Grund dieser Gotteslehre steht A. der Theorie einer zeitlichen Schöpfung der Welt näher als dem aristotelischen Theorem von ihrer Ewigkeit; darüber hinaus aber lehnt er diese Frage als philosophische ab, weil sie ein Wunder betrifft, deshalb also für unsere Vernunft unlösbar ist und Gegenstand der Glaubenslehre wird. Die Unsterblichkeit der Seele begründet A. mit dem Hinweis, daß die Geschöpfe, da sie aus dem Nichts stammen, Gott allein ihre Existenz verdanken. Gerade diese Gemeinschaft aber mit dem göttlichen Wesen begründet ihre Unsterblichkeit, und zwar allen den Momenten nach, welche vom Körperlichen getrennt werden können. Diese sind nach ihm die vegetativen, sensitiven, appetitiven und motiven Kräfte, die bereits Aristoteles unterschieden hatte. Sie werden von dem aktiven Intellekt umschlossen, der als das formgebende Prinzip ein Teil der Seele ist, und zwar ein individuell besonderter Teil, von dem andere Individuen ausgeschlossen sind. Die Entscheidung des Menschen zu seinen Handlungen ist frei. Der vollständige Wille ist die Formung des triebhaften Begehrens durch die Vernunft und die Richtung auf das so gewonnene Ziel des Handelns. Sofern die Vernunft sich auf das Praktische richtet, wird sie als Gewissen (Conscientia) wirksam; A. unterscheidet an ihm die sittliche Haltung als das in die Erscheinung wirkende volle Bewußtsein des ethischen Wertes der Handlung und die sittliche Formkraft, die im Gestalten des einzelnen ethischen Falles wirksam wird und also die Anwendung der sittlichen Vernunftgesetzlichkeit im konkreten Falle der Erfahrung ist. Die sittliche Anlage, welche in der Haltung sich manifestiert, nennt A. Synderesis oder Synteresis, welche A. übrigens etymologisch unerwartet als die sittliche diakritische Instanz bezeichnet, indem er die Entstehung des Terminus aus einer Verbindung der griechischen Präposition 2uv mit dem Substantiv haeresis (haesio per scientiam boni et mali) herleitet. Er nennt sie auch den Funken (Scintilla) des Gewissens, der von der wahren Sittlichkeit untrüglich Kunde gibt und während des ganzen Lebens wirksam ist. Sie zieht den Menschen zum Guten und sucht, ihn vom Bösen fern zu halten, und ist der Rest des unmittelbar moralisch guten Lebens vor dem Sündenfall und deshalb unvergänglich; darum irrt ihr Urteil niemals, während der Irrtum in der Beurteilung und Gestaltung des konkreten Erfahrungsfalles möglich ist. — Entsprechend dieser ethischen Theorie ist die Tugend, wie A. nach dem Vorgange Augustins definiert, die gute Beschaffenheit des Geistes, durch die man recht zu leben vermag, durch welche nichts Böses geschieht und welche Gott selbst im Menschen wirkt. A. übernimmt die vier platonischen Kardinaltugenden (Weisheit, Tapferkeit, Besonnenheit und
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Albinos — Alcuinus
Gerechtigkeit), zu denen die aristotelischen Tugenden als beigegebene kommen; schließlich bezeichnet er noch den Glauben, die Hoffnung und die Liebe als Virtutes infusae und nennt sie die dem Menschen außer den genannten philosophischethischen notwendigen theologischen Tugenden. S c h r i f t e n : Gesamtausg. v. A. Borgnet, Paris 1890—1899, 38 Bde. — De animalibus libri XXVI, herausg. v. H. J . Stadler, 2 Bde., Münster 1916 f. L i t e r a t u r : J . Sighart, A. M., Sein Leben u. s. Wiss., 1857. — Fr. Pangerl, Stud. üb. A. d. Gr., Zeitschr. f. kath. Theol. 36: 304—331, 332—346, 512—530, Innsbr. 1912. — G v. Hertling, A. M., Münster 1914. — Fr. Pelster, Krit. Stud. z. Leben u. zu d. Sehr. A.s d. Gr., 1920; Ders., A.s d. Gr. Jugendaufenth. in Italien, Histor. Jahrb. 42 (1923) 102—106. — E. Michael, Gesch. d. deutsch. Volkes III, 1903, 113 ff., 143, 245 ff. — P. Duhem, Le système du monde, V 412—468, Paris 1913—1917. — W Betzendörfer, Glaub, u. Wiss. bei A. d. Gr., Zeitschr. f. Theol. u. K., 1926, 280—300. — Cl. Baeumker, Witelo, 1908, 407—414. — A. Schneider, D. Psychologie A.s d. Gr., 2 Tie., Beitr. z. Gesch. d. Philos d. Mittelalt. IV 5—6, Münst. 1903 u. 1906. — J . Verweyen, D. Probl. d. Willensfreih. in d. Scholast., 1909, 112—127. — H. Lauer, D. Moraltheol. A. d. Gr. usw., 1911. — Dähnert, Ulrich, Die Erkenntnislehre des A. M., m. e. ausf. system. Sachverzeichnis u. e. monogr. Bibliographie: A. M., Leipzig 1934. — A M.-Festschrift, Freiburg 1932. — Wilhelm Arendt, Die Staats- u. Gesellschaftslehre A.s d. Gr., J e n a 1929. — J a k o b Bonné, Die Erkenntnislehre A.s d. Gr., m. bes. Berücks. d. arabischen Neuplatonism., Bonn 1935. — Bernhard Geyer, Die A. d. Gr. zugeschriebene Summa Naturalium «Philosophia Pauperum». T e x t e u. Untersuchungen, Münster 1938. — Martin Grabmann, Der hl. A. d. Gr., München 1932. — Ferdinand Haberl, Die Inkarnationslehre d. hl. A. M., Freiburg 1939. — Theodor Haering, A. d. Deutsche, Stuttgart 1941. — Alfons Hufnagel, Die Wahrheit als philos.-theol. Problem bei A. d. D., Bonn 1940. — Wilhelm Kübel, Die lateinischen Metaphysikübers. in d.. F r ü h w e r k e n A.s d. Gr., Freiburg (Schw.) 1933. — Franz-Joachim v. Rintelen, A. d. Deutsche u. wir, Leipzig 1935. — Heribert Christian Scheeben, A. M., Bonn 1932. — Dionys Siedler, Intellektualismus u. Voluntarismus b. A. M., Münster 1941. — Macarius Wengel, Die Lehre von den rationes seminales bei A. d. Gr., Würzburg 1937. — Ludwig A. Winterswyl, A d Gr.. Potsdam 1936. — J . Hinz, Verhältnis de» Sentenzenkommentars von Thomas von Aquino zu dem Alberts des Großen, Würzburg 1936.
Albinos, Platoniker, Schüler des Gaios, schrieb über die Lehren Piatons. Er war von der Akademie, dem Peripatos und der Stoa beeinflußt, polemisierte aber gegen die stoische Philosophie. S c h r i f t e n : Schriftsamml. bei K. F. Hermann im 6. Bande seiner Ausg. d. Sehr. Piatons, 147—189 (Der „Didaskalikos" wird irrtümlich als Werk eines Alkinoos überliefert.) L i t e r a t u r : J . Freudenthal, Hellen. Studien, Heft 3, Bln. 1879. — K. Praechter, Hermes 51 (1916), 511 ff. — R. E. Witt, Albinus and the History of Middle Platonism, Cambridge 1937
Alcoinus (Alchvine, Albinus, Flaccus, Flaccus Albinus), geb. 730 in Northumbrien, erhielt seine Bildung in der Schule von York, die er später von 778 bis zum Jahre 781 leitete; in diesem Jahre berief ihn Karl der Große an seinen Hof, wo er als Organisator des Bildungs- und Unterrichtswesen wirkte. 796 wurde er Abt von St. Martin in Tours, wo er einen Musterunterricht einrichtete. Er starb dort 804. Schriftstellerisch hat er Bedeutung neben der Übertragung besonders des griechisch-lateinischen Kulturgutes durch seine Rezeption der augustinischen und cassianischen Seelenlehre. Er bearbeitete diese und wurde so der Autor der ersten Psychologie des Mittelalters. Die Seele ist unkörperlich und unsterblich und in ihren Willensentscheidungen frei. S c h r i f t e n : Gesamtausg.: J . P. Migne, Patrología Latina, 100—101, Paris 1851. L i t e r a t u r : K. Werner, D. Entwicklungsgang d. mittelalterl. Psychol. v. A. bis Albertus Magnus, 1876. — R., Werner, A. u. sein Jahrh., Ein Beitrag zur christl.-theolog. Literaturgesch., 2. A 1881. —Kreuthe, Die Unsterblichkeitslehre in d. Scholastik von Alcuin
Alemanni — Alexander von Hales
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bis Thomas v. Aquin, Fulda 1918 — F. G. Browne, Alcuin of York, London 1908. — E. M Wilmot-Buxton, A„ London 1922. — M. Boas, A. u. Cato, Leiden 1937. Alemanni, Vittore. Salerno. Positivist. S c h r i f t e n : Introduzione ad una psicologia del dubbio, Riv. di ßlosofia, 1903. — L'elemento psichico, 1903. — P. Ceretti, 1903. d'AIembert, Jean Lerond, geb. 16. November 1717 in Paris, gest. 29. Okt. 1783. Mitglied der Akademie, Mitherausgeber der Enzyklopädie, deren Einleitung er schrieb. Naturwissenschaftler. D'A. legt mit seiner Lehre, daß es die Philosophie einerseits nicht mit metaphysischen Hypothesen, andererseits aber auch nicht ausschließlich mit Eindrücken im naturalistischen und materialistischen Sinne zu tun hat, sondern auf Grund der definitorischen und vergleichenden Kraft des Denkens zu einem methodischen Aufbau der Wissenschaften zu gelangen vermag, den Grund des Positivismus. Theoretisch vermögen wir außer Phänomenen nichts zu erkennen, ihr Wesen also und die Frage einer Realität der Außenwelt oder die Materie sind unserer Erkenntnis unzugänglich. Die Skepsis gegenüber allen Aussagen über diese Probleme bleibt allein übrig. Sie kann aber nicht das Erfahrungswissen betreffen, und die Erfahrungswissenschaft erweist ihre Berechtigung darin, daß sie uns die Möglichkeit unseres Handelns schafft. Im Sinne dieser Wissenschaft wird es möglich, von einer Außenwelt zu sprechen, die spekulativ niemals als real gesichert werden kann. Dem Denken fällt die Aufgabe zu, die Begriffe, die für die Beherrschung der Phänomene herangezogen werden, in Beziehung zueinander zu setzen, sie zu vergleichen und zu vereinigen, um so zu der Feststellung von festen Abhängigkeiten in der Welt der Erfahrung zu gelangen. Alle Phänomene, die in den Wissenschaften erforscht werden, hängen als eine einzige Tatsache miteinander zusammen, und wir könnten diese Einheit mit einem einzigen Begriff umfassen, wenn unser Denken dazu ausreichen würde. Das Vorhandensein dieser Einheit äußert sich in der inneren Verbindung der wissenschaftlichen Urteile sowie in dem Zusammenhang der Einzeldisziplinen untereinander. — Das Prinzip der Sittlichkeit ist das Interesse der Individuen, das mit dem öffentlichen Wohl der Gesellschaft zusammenstimmen muß. S c h r i f t e n : Traité de dynamique, Paris 1743; dtsch. in: Ostwalds Klassiker. Nr. 106. — Discours préliminaire de l'encyclopédie, Paris 1751; deutsch Lpz. 1911. — Mitherausgeber: Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers, par une société de gens de lettres, 33 Bde., 1751—1777. — Mélanges de littérature, d'histoire et de philosophie, Paris 1752, 1770, 5 Bde. — Essai sur les éléments de philosophie, Paris 1759. — Oeuvres philosophiques, historiques et littéraires, v. Bastian, Paris 1805, 18 Bde.: v. Didot, Paris 1821, 5 Bde. L i t e r a t u r : L. Kunz, D. Erkenntnistheorie d'Al.'s, Arch. f. Gesch. d. Philos. 20 (1907), 96—126. — M. Schinz, D. Anfänge d. franz. Positivismus I: D. Erkenntnislehre, Straßburg 1914. — Müller, Maurice, Ess sur la philosophie de J. d'A., Paris 1926. Alexander) Bernhard, geb. 1850, gest. 1927. Professor in Budapest. Verbreiter und Verfechter der Kantischen Philosophie in Ungarn. S c h r i f t e n : Kants Lehre vom Erkennen, Diss., Lpz. 1877. — Biogr. Kants, I, 1881.. — Übersetzung von Kants Prolegomena 1887, 2. Aufl. 1909 und Kritik d. r. V., 1892, 2. Aufl. 1909. — Kr. d. pr. V., 1921. — Der Pessimismus des 19. Jahrh., 1884. — Die Kunst, 1898. — Diderot-Studien, 1908. — Spinoza, 1923. L i t e r a t u r : Festschr. z. 60. Geb., 1910. Alexander von Damaskus, um 170 n. Chr. Peripatetiker in Athen. Alexander von Haies, geb. zu Haies um 1175, starb 1245, lehrte in Paris Theologie, trat 1231 in den Franziskanerorden ein. „Doctor irrefragabilis" (der UnPhilosophen-Lexikon 2
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Alexander Neckham — Alexander, Samuel
widerlegbare). A. gelangte zur Berühmtheit durch seine umfangreiche Summa universae theologiae, die unvollendet blieb; es ist nicht sicher, daß A. der alleinige Verfasser dieses W e r k e s ist. Auch A. will in seiner Summa, wie die anderen Autoren von Summen und Sentenzenbüchern, ein System der Theologie geben und verfährt neben der Verwendung der Sic-et-non-Methode des Abaelard dialektisch. Alexander rezipierte die g e s a m t e aristotelische Philosophie und verwandte sie gleichmäßig zur Begründung der Theologie; da er in allen Fragen, in denen Aristoteles gegen die Kirchenlehre steht, den Piatonismus und vor allem die augustinischen Lehren heranzieht, entwickelte er eine besondere von Augustin mitbestimmte Geisteshaltung, die für das 13. Jahrh. vorbildlich wurde. Erkenntnistheoretisch lehrt er die Realität der Universalien, wobei er diese als im Verstände Gottes nicht selbständig existierend auffaßt. Sie fallen nach ihm als Causa exemplaris mit der göttlichen Causa efficiens zusammen; als Form der Einzeldinge sind sie in re. In der Kosmologie nimmt A. sodann eine Schöpfung der Welt durch Gott an, in welcher er sich offenbart, so daß uns die Dinge der Erfahrung Gott und sein Wesen erkennen lehren können; es findet sich bei ihm auch der ontologische Beweis für die Existenz Gottes, wie ihn Anselm von Canterbury entwickelt hat. Der Schöpfung und allem Einzelnen in ihr, wie auch den Seelen, sind Materie und Form als Elemente eigentümlich, wie A. nach dem Vorgange Plotins annimmt. In seiner Psychologie trennt A. den Intellectus agens von dem Intellectus possibilis, ohne daß doch der erstere als selbständige Substanz außerhalb der Seele wäre, wie er gegen die islamitischen Philosophen betont; auch er gehört als eine besondere Eigenschaft zur vernünftigen Seele. Über der wirkenden vernünftigen Seele steht als erster Beweger Gott und sein urgeistiger Intellekt, durch den der menschliche Intellekt zum Begreifen überrationaler Wahrheiten erleuchtet wird. S c h r i f t e n : Doctoris irrefragabilis A. d. H. O. M. Summa theologica, studio et cura P. S. Collegii S. Bonaventurae édita, Ad Claras Aquas (Quaracchi), T. I, 1924; II, 1928; III, 1930. L i t e r a t u r : J . A. Endres, Des A. v. H. Leben u. psychol. Lehre, Philos. Jahrb. I (1888) 24—55, 203—225, 227—296. — P. Minges, D. theologische Summe Wilhelms v. Auxerre u. A. v. H., Theolog. Quartalsschr. 97, 508—529, Tüb. 1915. — P Duhem, Le système du monde, III 399—407; V 316—341, Paris 1913—17. — Jakob Bisson, Die Willensfreiheit bei A. v. H., Fulda 1931. — Johann Fuchs, Die Proprietäten des Seins bei A. v. H., München 1930. — Ernst Schlenker, D. Lehre v. d. göttlichen Namen in d. Summe A. v. H.s, Freiburg 1938. Alexander Neckham, gest. 1217 zu Kempsey. A. lehrte um 1180 in Paris, 1213 Abt von Cirencester. A., besonders Naturwissenschaftler, war erkenntnistheoretisch Realist (Universalia ante res). Alexander, Samuel, geb. 6. J a n . 1859 zu Sidney, Australien, studierte in Oxford. 1893 bis 1923 Professor der Philosophie in Manchester, gest. 13. September 1938 ebda. A. vertritt einen erkenntnistheoretischen Apriorismus und Objektivismus. In der Verbindung von Raum und Zeit, deren Bestandteile Punkt-Momente oder reine Ereignisse sind und sich in einem System von Bewegungen darstellen, findet er die umfassende Realität. Aus ihr erst entstehen Dinge als Komplexe von Bewegungen. Das Vorhandensein von Kategorien als durchgehenden Zügen des Weltalls läßt er gelten (Identität, Relation, Substanz und Kausalität). Daneben gibt es als empirische Züge die Qualitäten, die in einer Rangordnung stehen (Materialität, Farbe, Leben, Bewußtheit), deren innere Richtung analog ist der von Körper zu Geist.
Alexandros von Aigai — Alexandros von Aphrodisias
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Die gleiche Überordnung des Geistigen zeigt sich im Erkenntnisvorgang, bei dem der Geist ein ihm gegenüber niedrigeres Objekt vorstellt. Subjekt wie Objekt werden in die Raum-Zeitwirklichkeit eingeordnet. Da bei allem Erkennen eine Auswahl aus dem Vorgestellten vollzogen wird, entsteht ein Unterschied zwischen Erscheinung und Wirklichkeit. Die Erscheinungen selbst werden im Hinblick auf das in ihnen Erscheinende der Wirklichkeit eingeteilt in reale Erscheinungen, die die Wirklichkeit zum Ausdruck bringen, bloße E., die in ihrem dinglichen Charakter nicht präzisiert werden, und trügerische E., bei denen das erkennende Subjekt in die Erscheinung willkürlich wirklichkeitsfremde Elemente einführt. Ihren objektiven Charakter behalten die Erscheinungen aber durchweg. Als Ethiker vertritt A. einen geläuterten Evolutionismus, wobei er im Gegensatz zu Spencer den ethischen Charakter der Entwicklung betont und eine vollkommene Anpassung des Menschen an die Umwelt und eine darauf beruhende vollkommen mögliche Moral deshalb leugnet, weil die Umgebung des Menschen sich ständig wandelt. Der sittlich geformte Kampf ums Dasein kennt an Stelle der Ausrottung die Formen der Erziehung und Überredung. Das Gute erscheint in ihm als das Ideal, das sich als das geeignetste im Kampf zwischen den Idealen erhalten hat. Gott ist das ideale Ziel des Emporstrebens des Weltalls. S c h r i f t e n : Moral Order and Progress, Lond. 1889. — Locke, 1908. — Space, Time and Deity, Gifford Lectures, 2 Bde, Lond. 1920, 2. Aufl. 1927. — Spinoza and Time, Lond. 1921. — Art and instinct, Oxford 1927. — Art and the material, Manchester 1925. — Beauty and other forms of value, London 1933. — Zahlr. Aufs, in Procs. of British Academy, Mind, British J . of Psychol., Hoiborn R. N. S., J . of Philos. Studies, Procs. of Arist. Soc, L i t e r a t u r : A. F . Liddell, A.'s Space, Time and Deity, Chapel Hill, N. Carolina 1925. — P. Devaux, Le système d'Alexander, 1929. — G. van Hall, The Theory of Knowledge of S. A., 1936. — Metz, Rudolf, Die philos. Strömungen in Großbritannien, 1935, Bd. II, S. 169—196.
Alexandras von Aigai, Peripatetiker aus dem 1. Jahrh. n. Chr., Lehrer des Kaisers Nero, forschte besonders zur aristotelischen Kategorienlehre. L i t e r a t u r : H. Martin, Questions connexes sur deux Sosigènes . . . et sur deux péripatéticiens AL, l'un d'Égée et l'autre d'Aphrodisias, Ann. de la faculté des lettres de Bordeaux, 1 (1879), 174—187.
Alexandros von Aphrodisias (Karien), der hervorragendste Kommentator des Aristoteles, lebte um 200 n. Chr. und lehrte von 198—211 peripatetische Philosophie in Athen. Obwohl er in seinen Kommentaren nur die reine Lehre des Aristoteles wiedergeben und verdeutlichen will, weicht er von der aristotelischen Lehre ab. Nach ihm existiert das Allgemeine nur im Denken. E r unterscheidet drei Arten des Nous: den natürlichen (voùî «ustxoç), der die Noesis vor allem ihrer Möglichkeit nach ist, zweitens den wissenden (voûç i-iazr^oc), der die Fähigkeit zur Anwendung der Vernunftkraft darstellt. Drittens den gestaltenden (voûç 7ioi//Tix'k), der die Entwicklung des ersten zum zweiten Nous bewirkt und von außen in uns hereintritt: die Gottheit. Ein Teil der Kommentare und Schriften ist erhalten. S c h r i f t e n : Commentaria in Aristotelem Graeca, Berl. Akad. I; II, 1—3; III. 2; Suppl. Aristot., ebd., II, 1—2. — Themistii opera, Venet. 1534 (De Anima, De fato). — Quaest. nat. et mor., ed. L. Spengel, Monachii 1842. L i t e r a t u r : A. Günß, Die Abhandl. AI. v. Aphr, üb. d. Intellekt, mit Einleitung über die Nouslehre des A., Bln. 1886, Lpz, Diss. — J . Freudenthal, Die Fragm. AI. usw., Abh. Berl. Akad. 1885. — Volait, Georges, Die Stellung des A. v. A. zur Aristotelischen Schlußlehre, Halle 1907. 3»
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Alexandros von Lykopolis — Alkendi
Alexandras von Lykopolis (Ägypten), Neuplatoniker, der in seiner Lehre der alexandrinischen Richtung nahesteht, lebte um die Wende des dritten und vierten Jahrhunderts n. Chr. L i t e r a t u r : K Praechter, Byz. Ztschr. 21 (1912) 9 ff.
Alexandros Polyhistor (um 80 v. Chr.) gab einen Bericht über die pythagoreische Lehre, der vielfach den Einfluß stoischer Anschauungen zeigt. L i t e r a t u r : Diog. Laert. 8, 24 fi.
Alexinos, Schüler des Eukleides von Megara, der eine scharfe Eristik handhabte, unternahm es, jede bestimmte philosophische Ansicht zu bestreiten. Aliredus Anglicus (Alvredus Anglus oder de Sarevel, Sarechel, Sarchel, S a r e shel, Sereshel), um 1200, Unternahm, wie bereits Wilhelm von Auvergne versucht hatte, die Verbindung des platonischen mit dem aristotelischen Begriff der Seele, indem er einerseits sie als unkörperlich und vernunfthaft, andererseits als Formprinzip oder Entelechie des Körpers bestimmte. E r eröffnete zugleich damit der Physiologie den Zugang zur Psychologie und bemühte sich um eine Lokalisation der psychischen Funktionen im Körper; so bezeichnete er beispielsweise das Herz als den Sitz der Seele und zugleich des aristotelischen Nous. S c h r i f t e n : Cl. Baeumker, Des Alfred von Sareshel Sehr. De motu cordis.Zum erstenmal hrsg., Beiträge z. Gesch. d. Philos. d. Mittelalt. XXIII 1—2, Münster 1923.
Algazel (Gazali; Abu Hamid Mohammed, Ibn Ahmed Al-Gazali), geb 1059 zu Tus in Chorasan, gest. 1111 bei Tus. A. war Lehrer in Bagdad, später in Syrien Sufi. E r verband erkenntnistheoretischen Skeptizismus durch neuplatonistische Elemente mit orthodoxer theologischer Überzeugung. Philosophisch ist vor allem des A. Leugnung der Verbindlichkeit des Kausalitätsgesetzes wichtig. W i e später Malebranche vertritt auch A. den Okkasionalismus, der die Naturnotwendigkeit in der Kausalität verneint und Gott durch sein Eingreifen in jeden Fall von Kausalität die kausale Verbindung bewirken läßt. Als Beispiel zieht er den physikalischen Vorgang des Brennens und Verbrennens heran und weist darauf hin, daß die Philosophen für die Herstellung des Kausalnexus zwischen dem Feuer und dem Verbrennen des Brennenden kein anderes Zeugnis angeben können als die Beobachtung der Folge, des Zusammentreffens der Verbrennung mit der B e rührung durch das Feuer. Aber dieses Zeugnis besagt nur, daß sie mit dieser sich ereignet, aber nicht, daß sie aus ihr eintrifft und daß nicht eine andere Ursache statthabe außer ihr. Das Auseinander der Kausalverbindung wird zum bloßen Nacheinander, dessen Zusammenhang unverkennbar ist. S c h r i f t e n : Die Erneuerung der Religionswissenschaft, als „Islamische Ethik" teilweise übersetzt von H. Bauer u. H. Wehr, 1916—1940. — Das Elixier der Glückseligkeit, Auszug von H. Ritter, 1924. — Der Erretter vom Irrtum, Selbstbiogr., engl, hrsg von C. Field, London 1909. L i t e r a t u r : Boer, Tjitzede, Die Widersprüche der Philosophie nach Al-Gazzali und ihr Ausgleich durch Ibn-Rosd, Berlin u. Leipzig 1894. — M. Horten, Die Philosophie des Islam, Bonn 1924, 227—234. — Carra de Vaux, Gazali, Paris 1902. — H. Frick, Ghazälis Selbstbiographie, Ein Vergleich mit Augustins Konfessionen, 1919; Theol. Literaturzeitung 1920, 30 f.; 1922, 446—448. — L. Obermann, Der philosophische und religiöse Subjektivismus G.'s, 1921. — J . Hell, Von Mohammed bis Ghazàli, 1925, 75—138. — Karim Azkoul, Al-Ghazali, u. d. Titel: Glaube und Vernunft im Mohammedanismus, München 1938. — A. J . Wensinck, La pensée de G., Paris 1940.
Alkendi, geb. zu Basra um 800, gest. 870. Aristoteliker, der erste Philosoph der Araber. E r gibt der Mathematik hervorragende Bedeutung für die Begründung aller Wissenschaft.
S c h r i f t e n : Die philosophischen Abhandlungen des Ja'qüb ben Ishäg al-Kindi, 1897, in Baeumker, Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters, hrsg. von A. Nagy.
Alkidamas — Althusius
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Alkidamas, Sophist. Schüler des Gorgias. Alkinoos. Wird als Platoniker genannt. L i t e r a t u r : J . Freudenthal, Hellenistische Studien, 1879. Alkmeion, Arzt aus Kroton, um 520 vor Chr., jüngerer Zeitgenosse des Pythagoras, vertrat mit dem Pythagoreismus die Lehre von den Gegensätzen, die er besonders auf die Therapeutik übertrug. Allen, Charles Grant, geb. 24. Februar 1848 in Kingston in Kanada, gest. 24. Oktober. 1899 in Surrey. 1873—1876 Professor der Philosophie in Spanish Town. Lebte dann in England. Wendet die evolutionistischen Theorien auf die Ästhetik an. E r führt die ästhetische Tätigkeit auf den Spieltrieb zurück, betont aber den passiven Charakter des Kunstgenusses. S c h r i f t e n : Physiological aesthetics, 1877. — The colour sense, 1879, deutsch 1883. — The Evolutionist at large, 1881. — Charles Darwin, 1885. — Force and energy, 1888. — The Evolution of the idea of God; 1897, deutsch 1906. — Ferner: Strange stories, 1884. — The Woman who did, 1895, deutsch 1896, — The British barbarians, 1896. — Autobiographie: Philistia, 1884. L i t e r a t u r : Clodd, G. A., 1900. Allievo, Giuseppe, geb. 1830, verstorben. Professor in Turin. Idealist. S c h r i f t e n : Saggi filosofici, Mil. 1866. — L'hegelianismo, la scienza e la vita, Mil. 1868. — Studi psico-filos., Tor. 1896. — Principii di metafisica, antropologia, e logica, Tor. 1897. — Esame dell' hegelianismo, Torino 1897, 1904. — L'uomo e la natura, in: Atti R. Accad. d. Se. di Torino, 1906. L i t e r a t u r : A. Paoli, Delle dottrine filos. e pedag. di Giuseppe Allievo, Fermo 1878. — Gerini, La mente di Gius. Allievo, Tor. 1904. Allihn, Friedr. Heinrich Theodor, 1811 bis 1885. Anhänger von Herbart. S c h r i f t e n : Antibarbarus logicus, 1850. — Der verderbliche Einfluß der Hegelschen Philosophie, 1852. — Die Umkehr der Wissenschaft in Preußen, mit besonderer Beziehung auf Stahl und auf die Erwiderungen seiner Gegner Braniss und Erdmann, 1855. — Die Grundlehren der allgemeinen Ethik nebst einer Abhandlung über das Verhältnis der Religion zur Moral, 1861. — Grundriß der Ethik. Neu bearbeitet und erweitert von O. Flügel, 1898. Airatz, Sidney, 1868 bis 1925. Dozent der Psychologie in Uppsala. A. erforschte die Dynamik des Nervensystems. S c h r i f t e n : Über den Schmerzsinn, 1901. — Zur Physiologie u. Psychologie der Gemütsbewegungen, 1901. Alstedt, J o h . Heinrich (Alstedius), geb. 1588, gest. 1638, Professor in Herborn. Anhänger des Ramus, in gemäßigter Weise. „Semi-Ramist". S c h r i f t e n : Politica, 1603, 1610. — Panacea philosophica, Herborn 1610. — Theologia scholastica, 1618. — Cursus philosophici Encyclopaedia, Herb. 1620. — Compendium philosophicum, 1626. — Encyclopaedia Septem tomis distineta, Herb. 1630. Althasius, Johannes (Althus, Althusen), geb. 1557 zu Diedenhausen, gest. 1638 in Emden. 1586 Rechtslehrer in Herborn. A. ist einer der Rechtsphilosophen der Reformation, welche die Naturrechtslehren von der Volkssouveränität und dem Widerstandsrecht begründeten. Die Politik hat nach A. die Aufgabe, für die Durchführung des natürlichen Sittengesetzes und des Willens Gottes in der Gesellschaft Sorge zu tragen. Die Wissenschaften, welche die Aufgaben der Politik erforschen und untersuchen, sind Philosophie und Theologie. Die menschliche Gesellschaft beruht auf dem Vertrage, der entweder stillschweigend oder ausdrücklich abgeschlossen wird. Zum Zusammenschluß führt ein natürliches Bedürfnis der Men-
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Amafinius — Ambrosius
sehen, welches zu seiner Erfüllung den Gesetzen des Verkehrs, der Leitung und der Verwaltung untersteht und zu den Formen der Familie, der Korporation, der Gemeinde, der Provinz und des Staates führt. Der Staat ist die universale öffentliche Vergesellschaftungsform, sein Ius maiestatis gründet in dem Willen des Volkes, das der eigentliche Souverän ist. Ihm sind darum auch die Träger der Regierungsgewalt verantwortlich. Der öffentlichen Gewalt des Herrschers, dem Summus magistratus, stehen die Ephoren als die Rechtsvertreter des Volkes gegenüber; sie wählen auch den Herrscher, der mit dem Volke durch einen widerrufbaren Vertrag verbunden ist. S c h r i f t e n : Politica etc., Herborn 1603, erweitert: Groningen 1610. — Dicaeologicae libri III etc., Herborn 1617, Frankf. 1618 u. ö. L i t e r a t u r : 0 . Gierke, J . A. u. d, Entwickl. d. naturrechtl. Staatstheor., in: Unters, z. dtsch. Staats- u. Rechtsgesch., Breslau 1880, 4. Aufl., 1929. — Wilfried Buchholz, Rousseau u. A., Diss., Breslau 1922.
Amafinius. Aus Cicero bekannter früher römischer Philosoph. Amalrich von Bene (Amaury de Bene, bei Chartres), gest. 1206/07 zu Paris. Nach Gerson verfocht A. die These des Pantheismus, Gott und die Schöpfung seien eins. A. soll gelehrt haben, daß Gott die Essenz aller Kreaturen und alles Seins sei, ferner, daß Gott wie das Licht nicht in sich selbst sichtbar sei, sondern in dem Medium der Luft, ebenso weder von einem Engel noch von einem Menschen gesehen werden könne, sondern nur in der Schöpfung. — Die Anhänger A.s bildeten die häretischen Ansichten ihres Meisters besonders auch nach der ethischen Seite hin aus. Nach ihnen gibt es kein Recht, gut und böse zu trennen; denn von Gott stammt alles. Ebensowenig kann daher von Verdienst oder Schuld gesprochen werden; die Gotteserkenntnis allein ist das Entscheidende, wer sie besitzt, mag fröhlich sein; denn er hat die Freiheit. Darum ist die Gesinnung allein wichtig, nicht die Werke. Auferstehung und Jüngstes Gericht sind eine Fabel: die richtige Erkenntnis Gottes bedeutet bereits den Himmel, die Abwendung von ihm die Hölle. Alle diese Lehren verwarfen die Synode zu Paris 1210 und das vierte Laterankonzil 1215. Gegen die Amalricaner ging man mit Gefängnis- und Scheiterhaufenstrafe vor und verbot gleichzeitig mit den Werken des Johannes Eriugena auch die des Aristoteles über die Natur. L i t e r a t u r : Kroenlein, Jos. Herrn., Diss. de genuina A. a Benae , . . doctrina, Gissae 1842. — B. Hauréau, Histoire de la philos. scoi., II 1, 83—107, Paris 1872—1880.
Ambrosi, Luigi. 1870 bis 1924. Privatdozent in Rom, Professor für Geschichte der Philosophie in Pisa. Vertritt einen dynamischen Monismus auf spiritualistischer Basis. S c h r i f t e n : Saggio sull' Immaginazione, Roma 1892. — Sulla natura dell' inconscio, ebenda 1893. — La dottrina dell' sentimento nella storia della filosofia, ebenda 1894. — La psicologia dell' immaginazione nella storia della filosofia, ebenda 1898. — [ principii della conoscenza, ebenda 1899. — Che cos'è la materia? ebenda 1899. — Il primo passo alla filosofia, 3 vol., 1902/04, 5. Aufl. 1912. — Lotze e la sua filosofia, Roma 1912. — L' „Einfühlung" nella storia della filosofia, Roma 1913, — Psicologia applicata all' Educazione, Roma 1914/18. — Dottrina morale sec. principii della dottrina della Scienza di G. A. Fichte, Trad. it. e Introd., Mil. 1918.
Ambrosius, geb. wahrscheinlich zu Trier etwa 340 n. Chr., gest. 4. April 397 in Mailand. Bischof von Mailand 375. A. ist philosophisch charakterisiert durch seine 386 verfaßte ethische Schrift De offieiis ministrorum, die unter dem Einfluß von Ciceros De offieiis entstand. Nach A. ist das Ziel die ewige Glückseligkeit in Gott in einem jenseitigen Leben, und Tugend ist die Ausrichtung auf
Amelios — Ammonios Sakkas
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dieses Ziel. Bei A. sind also Glückseligkeit, Tugend und ewiges Leben in eigenartiger Weise zu einer Einheit zusammengeschlossen. S c h r i f t e n : Migne, Patrologia Latina, Bd. 14—17, Paris 1845 u. 1866. — De officiis ministrorum, hrsg. von Krabinger, 1857. — Schriften deutsch in; Bibl. der Kirchenväter, 3 Bde., 1911. L i t e r a t u r : Th. Schmidt, A., sein Werk De officiis libri très u. die Stoa, Erlang. 1897, I.D. — P. Cannata, De S. A. libris, qui inscribuntur De officiis ministrorum, quaestiones, Modica 1909. — Maria Assunta Nagl, D. h. A., Münster 1940. — Jakob Rinna, Die Kirche als Corpus Christi Mysticum beim hl A., Rom 1940.
Amelios (Gentiiianus), einer der ältesten Schüler Plotins, hörte ihn seit 246 in Rom. Seine beiden weiterführenden Hauptlehren betreffen den Nous, den er in drei Hypostasen auseinanderlegte und diese als den dreifachen Demiurgen, auch als drei Könige benannte: den Seienden, den Habenden und den Schauenden; sowie die Seele, deren Vielheit er in der Einheit der Weltseele zusammenfaßte. Amerbachi Vitus, 1494 bis 1557. Professor in Wittenberg und Ingolstadt. Streitet gegen Melanchthons Lesart: IvSeXex«« statt der Aristotelischen Entelechie. S c h r i f t e n : Libri quattuor de anima, Arg. 1542. — De philosophia naturali, 1549. L i t e r a t u r : Fischer, Ludwig, Veit Trolmann, gen. Vitus Amerpachius als Professor in Wittenberg, Freiburg 1926.
Ameseder, R. Bibliothekar an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Anhänger Meinongs. Ihm verdankt die Gegenstandstheorie die Kennzeichnung des Objektivs als des Gegenstandes, der nicht nur günstigenfalls Sein hat, sondern unter allen Umständen Sein ist. Auf einem Grenzgebiet zwischen Werttheorie und Ästhetik bewegen sich seine Untersuchungen über Wertschönheit. S c h r i f t e n : Elemente der Gegenstandstheorie, 1908.
Amiel, Henri Frédéric, geb. 27. September 1821 in Genf, gest. 11. Mai 1881 in Genf. Psycholog. Professor der Philosophie an der Genfer Universität. S c h r i f t e n : Fragments d'un journal intime. 2 Bde., 1883/84. — Fragments inédits du journal intime, publ. par Bernard Bouvier, Paris 1927; dte. Auswahl, hrsg. von E MerianGenast, 1944. L i t e r a t u r : A Thibaudet, H. F. A., Paris 1929. — Hilz, Hedwig, H. F. Amiel und die Deutschen, Münster 1930. — Merian-Genast, Ernst, H. F. Amiel im Spiegel der europäischen Kritik 1881, Marburg 1931,
Ammon, Otto, geb. 7. Dezember 1842, gest. 15. Januar 1916. Sozialbiologe, der die Rassenlehre in der Soziologie stark betont. Er sucht auf Grund statistischer Nachweise die These zu belegen, daß die besseren Rassen in den höheren Ständen vertreten sind, während die niederen Stände von vorarischen Rassen abstammen. S c h r i f t e n : Die natürliche Auslese beim Menschen, 1893. — Die Gesellschaftsordnung und ihre natürlichen Grundlagen, 3. Aufl. 1900. L i t e r a t u r : Tanck, Paul, Die Gesellschaftsordnung und ihre natürlichen Grundlagen nach O. A Langensalza 1928.
Ammonios von Alexandria. 1. Jahrhundert nach Christus. Lehrer des Plutarch von Chaironeia. Ammonios Hermeiou, Neuplatoniker der alexandrinischen Schule um 500 n. Chr. S c h r i f t e n : A. H. De fato, ed. C. J. Orellius, Zür. 1824. — Arist.-Komment.: Comm. in Aristot. Graeca, ed. Acad. litt. Boruss. Berol. 1882 sqq., IV, 3—6.
Ammonios Sakkas, lebte ungefähr von 175 bis 242 n. Chr. A. S. war der Lehrer des Plotin. Einigermaßen sicher ist der Bericht des Neuplatonikers Hierokles, nach welchem A. eine Vereinigung der Philosophien des Piaton und des Aristoteles angestrebt habe. Eine größere Übereinstimmung mit den von Plotin vertretenen
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Ampère — Anaxagoras
Lehren besteht nach Nemesios in der Psychologie hinsichtlich des Verhältnisses der Seele zu Leib und Nous. L i t e r a t u r : G. V. Lyng, D. Lehre d. A. S., Abhandl. d. Gesellsch. d. Wissensch, z. Christiania, 1874. — E. Zeller, A. S. u. Plotinos, Kl. Schriften II, 91—107, Bln.-Lpz. 1908/10. — F. Heinemann, A. S. u. der Urspr. d. Neupiaton., Hermes 61 (1926), 1—27.
Ampère, André Marie, geb. 22. Januar 1775 in Lyon, gest. 10. Juni 1836 in Marseille. Professor der Mathematik und Physik. A. teilt die Wissenschaften in kosmologische und Geisteswissenschaften ein (sciences cosmologiques und noologiques). S c h r i f t e n : Essai sur la philosophie des sciences, 2 Bde., 1834/43, 2. Aufl 1857. L i t e r a t u r : Barthol. Saint - Hilaire, Philosophie des deux Ampères, 1866. — J. J. Ampère, Introduction à la philosophie de mon père, 1855.
Anatolios von Alexandreia, hervorragender Gelehrter, dem der Lehrstuhl für aristotelische Philosophie in Alexandria übertragen wurde. Er wurde um 268 n. Chr. Bischof von Laodikeia. Es ist wahrscheinlich, daß er der Lehrer des Iamblichos gewesen ist. In seiner mathematischen Abhandlung stützt er sich auf den Timaioskommentar des Poseidonios und zeigt sich durch pythagoreische Zahlenspekulation beeinflußt. L i t e r a t u r : J. L. Heiberg, Anatolius sur les dix premiers nombres, Mémoire lu au Congr. d'hist. des sciences, Paris 1900, Mâcon 1901. — Fragm. eines mathem. Werkes bei Hultsch, Heronis Alex. geom. et stereom. reliqu., Bln. 1864, 276—280. — G. Borghorst, De A. fontibus, Bln. 1905, Diss.
Anaxagoras aus Klazomenai (Kleinasien), lebte etwa von 499/8 v. Chr. bis 428/7 v. Chr. In Athen, wo er 30 Jahre verbracht haben soll, war er ein Freund des Perikles, wurde aber schließlich auf Betreiben der politischen Gegner des Perikles der Gottlosigkeit angeklagt, weil er lehrte, daß die Sonne eine glühende Masse sei. Er war dadurch gezwungen, Athen zu verlassen (431 v. Chr.), und wandte sich nach Lampsakos, wo er wahrscheinlich auch gestorben ist. — Von Piaton und anderen wird die philosophische Schrift des Anaxagoras erwähnt, die den Titel ilspt tpuasiuç getragen haben soll. — Empedokles hatte vier Elemente von qualitativ verschiedener Beschaffenheit angenommen; A. lehrt demgegenüber, daß es eine unendlich große Zahl solcher Urstoffe gäbe. Was nun aus qualitativ gleichartigen Teilmengen besteht, wie das Wasser, dessen einzelne Mengen dem Ganzen gleichartig sind, ist in der Weise entstanden, daß die Teile, die zwar vorhanden, aber voneinander getrennt waren, sich miteinander verbanden, und zwar in einer Bewegung, die von der Weltvernunft, dem Nous, hervorgebracht wurde. Die Vereinigung der Teile ist das scheinbare Werden, ihre Trennung die scheinbare Zerstörung. A. sagt: „Werden und Vergehen sind unrichtige Vorstellungen der Griechen; denn kein Ding wird, noch vergeht es, sondern es mischt sich aus bereits vorhandenen Dingen oder zerscheidet sich wieder. Und so könnte man richtigerweise das Werden einen Mischungs- und das Vergehen einen Zerscheidungsprozeß nennen" (Vors. 46, B 17). Diese ein Größeres ergebenden gleichartigen Teile nennt Aristoteles dann Homöomerien, die also soviel wie die homogenen Urstoffe bedeuten. A. selbst bezeichnete sie als Zeugungsstoffe oder Samen aller Dinge, zuweilen auch selbst als Dinge. Von den Dingen der erfahrbaren Wirklichkeit ist nichts wirklich und rein gleichteilig, sondern stets auch ein Gemisch aus heterogenen Teilchen. Rein und ohne Beimischung ist nur der Geist. Ihn setzt A. an Stelle der Kräfte der Liebe und des Hasses, die Empedokles für die Weltentstehung in Anspruch nahm. Er sagt: „Und alles in der Beschaffenheit, wie es werden sollte und wie es war, sofern es jetzt
Anaxarchos — Anaximandros von Milet
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nicht mehr ist, und alles in der Beschaffenheit, wie es jetzt ist, ordnete der Geist" (Frgm. 12). Der Geist ist im Gegensatz zu den immer zusammengesetzten Dingen einfach, von keinem anderen abhängig und beherrscht das Materielle. Zugleich aber bestimmt À. den Geist doch als ein Materielles, wenn er lehrt, daß der Geist das feinste und reinste aller Dinge sei. — Vor der Weltentstehung waren alle Dinge im Zustande der Ruhe beisammen, „dann kam der Geist und ordnete sie" (voùç Ttctvxa 8isxóo¡j.ir]crs), indem er eine Bewegung unter ihnen erzeugte. Diese Bewegung nahm ihren Anfang in einem Wirbel an einem einzelnen Punkt, in den dann immer mehr Dinge hineingezogen wurden. Es schieden sich zuerst drtp (das Kalte, Feuchte, Dichte, Dunkle) und af&iqp (das Warme, Trockene, Lichte), die Scheidung ging dann weiter, ohne daß sie jemals zum Abschluß kommen kann. Das Warme und Lichte sammelte sich am Rande des Wirbels, während das Kalte und Dunkle zu dem Mittelpunkt getrieben wurde. Aus diesem entstand die Erde. Sie ist flach und wird von der Luft getragen. — Die Gestirne, so lehrt A. gegen die weitverbreitete Meinung, sie sich als beseelte Wesen vorzustellen, sind leblose Körper und entstanden aus von der Erde losgerissenen Steinmassen, die sich in Rotation befinden. Der Mond, der nach A. bewohnt ist, erhält sein Licht von der Sonne, wie auch Parmenides lehrte, und es ist möglich, daß A. die wirkliche Ursache der Mondfinsternis erkannt hat. — Der Nous ist unmittelbarer Bestandteil der Pflanzen, Tiere und Menschen, in denen er Empfindung bewirkt. Er ermöglicht ferner Bewegung, Vorstellen, Erkennen und Handeln. Empfunden und erkannt wird etwas nur durch ein Ungleichartiges; denn allein das Ungleichartige kann aufeinander Eindruck machen (gegen Parmenides). Die Sinne geben nur ein mangelhaftes Wissen, wahre Erkenntnis kann nur die Vernunft geben. A. schätzt den Wert des Denkens so hoch, daß das Erkennen der Weltordnung das höchste Glück für den Menschen ist. L i t e r a t u r : Diels, Vors., c. 46 (Nachtr. in Vors.4). — P. Tannéry, La Théorie de la matière d'A., Rev. philos. 1886, 255—271. — M. Heinze, Über den voö« d. A., Ber. d. Ges. d. Wiss., phil.-hist. Kl., Lpz. 1890, 1—45. — F. Löwy-Cleve, Die Philosophie des A., 1917.
Anaxarchos (6 Eô8at|xovtxôç), Schüler des Demokritschülers Metrodoros oder dessen Schülers Diogenes, Begleiter Alexanders. Von seiner Schrift ülepl ßaatXsTai sind zwei Fragmente erhalten. L i t e r a t u r : Diels, Vorsokr., c. 56ff. (Nachtr. in Vors.*).
Anaximandros von Milet, Mitbürger, Schüler und Nachfolger des Thaies. Er lebte von 610/9 v. Chr. bis kurz nach 547/6 v. Chr., starb also etwa in dem Jahr der Zerstörung von Sardes (546/5). A. war ein Denker von weitreichendem Einfluß. Seine verlorengegangene Schrift, bekannt unter dem Titel Ilepl çùoswç, soll die älteste philosophische Schrift der Griechen überhaupt sein, so daß A. als der erste philosophische Schriftsteller zu gelten hätte. Er besaß ausgedehnte astronomische und geographische Kenntnisse, faßte den Gedanken, daß der Himmel eine Vollkugel sei, und entwarf eine Tafel der bewohnten Erde (die dann Hekataios vervollständigte). A. bezeichnet als erster die gesuchte ápyj¡ ausdrücklich als Prinzip, das er in seinem Begriff des "Arceipov näher charakterisiert. Dieser Begriff bedeutet „das Unendliche". Das Apeiron stellt den unendlichen Urstoff dar und ist unbegrenzt, ungeworden und unabhängig, aber auch ewig in seiner Bewegung. Die Bewegung führt zur Entstehung besonderer Stoffe durch „Ausscheidung". A. stellt sich den Vorgang in der Weise vor, daß er annimmt, es habe sich zunächst das Warme und das Kalte getrennt, aus welchem „das Feuchte" entstanden sei. Aus diesem wiederum besondern sich Erde, Luft und der Feuerkreis. Dieser stellt die äußere
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Anaximenes von Milet
kugelförmige Schale dar, von welcher die Welt umgeben ist. A. verbindet diese kosmogonische Theorie mit dem Versuch, die empirisch wahrnehmbare Bewegung des Gestirns mechanistisch zu erklären. Für dieses Unternehmen hat er, so weit wir sehen können, keinen Vorgänger. — Er entwickelt die Anschauung, daß der Feuerkreis dadurch, daß er zersprang, sich in viele Feuerkreise zerteilte, die unter dem Bilde von ungeheueren Radkränzen vorgestellt werden können. Die Ursache für dieses Zerspringen liegt in dem Andringen der Luftmassen von der Erde her gegen den Feuerkreis, so daß also auch die Trennung der einzelnen Feuerkränze durch die Luft erfolgt, die sich um sie als Wandung herumlegte. Damit können sie auch etwa als Schläuche gedacht werden. Auf der Innenseite enthalten sie Öffnungen, durch die das Feuer in ihrem Inneren ausströmt und sichtbar wird: die Gestirne; Gestirnsfinsternisse entstehen durch Verstopfung der Öffnungen, Das Feuer in den Kränzen erneuert sich ununterbrochen aus den Ausdünstungen der Erde. Und da nun diese geschlossenen und mit Öffnungen versehenen Feuerkränze durch die Luftströmungen in Bewegung gehalten werden, entsteht die Drehung der Gestirne um die Erde. — Die Erde selbst hat die Gestalt einer Walze, und auch hier meint A. ein gegenüber seinem Lehrer Thaies vollkommen Neues; denn dieser dachte die Erde noch als flache Scheibe. Auch darin weicht er von seinem Vorgänger ab, daß er die Erde nicht mehr vom Wasser getragen sein läßt; sie bedarf überhaupt keiner Stütze mehr, sondern hält sich dadurch, daß sie einen gleichmäßigen Abstand von den Grenzen der Welt hält, in ruhigem Gleichgewichtszustand. Bei der Theorie des A. über die Entstehung der Organismen drängt sich der Gedanke einer Ähnlichkeit mit der Deszendenztheorie auf. A. spricht davon, daß die frühesten tierischen Lebewesen im Meere zur Entstehung gekommen seien und daß die Menschen sich aus Wesen anderer Art entwickelt haben. In Verbindung mit dieser Entwicklungstheorie gibt A. eine ethisch-religiöse Beurteilung des gesamten Vorganges: „Woraus die Dinge entstehen, in eben dasselbe müssen sie auch vergehen, nach der Notwendigkeit; denn sie müssen Buße und Strafe einander geben um der Ungerechtigkeit willen, nach der Ordnung der Zeit." (Diels, 2 A 9.) Der Sinn dieses Wortes ist nicht, daß die bestimmte individuelle Existenz eine Verschuldung ist, die nach bestehendem Gesetz durch den Untergang gebüßt werden muß, sondern daß das menschliche Tun „unter einer objektiven, übergreifenden, auch das göttliche Walten bestimmenden Gesetzmäßigkeit der Zeit steht", „die alle Ungleichheit, jedes Zuviel und Zuwenig ausgleicht" (J. Stenzel, Metaphysik des Altertums, 1929; 32). Auf Theophrast geht eine Überlieferung zurück, nach der A. in seiner Kosmologie einen periodischen Wechsel von Weltbildung und Weltzerstörung angenommen hat. Es gibt infolgedessen eine anfang- und endlose Reihe aufeinanderfolgender Welten. Daß er ein Nebeneinander vieler Welten im Räume angenommen habe, ist unwahrscheinlich. L i t e r a t u r : Diels, Vorsokr., c. 2 (Nachtr. in Vors.4). — Schleiermacher, Über A., WW., III; Bd. II, 171—296. — P. Natorp, Über d. Prinz, u. die Kosmol A., Philos. Monatsh. 20 (1884), 367—398. — H. Diels, Über A. Kosmos, Arch. f. G. d. Ph., 10 (1897), 228—237. — Derselbe, A. v. Milet, Neue Jahrb. 51 (1923), 65—76. — A. Döring, Zur Kosmogonie A.'s, Ztschr. f. Ph. u. ph. Kr. 114, 201—213.
Anaximenes von Milet, vielleicht ein persönlicher Schüler des Anaximander, jedenfalls von ihm deutlich beeinflußt, lebte nach Apollodor von 585/4 v, Chr. bis 528/5 v. Chr. Von seiner philosophischen Schrift ist nur ein kleiner Teil erhalten geblieben. A. ändert die Lehre des Anaximander dahin, daß er wieder, wie Thaies, einen qualitativ bestimmten Urstoff lehrt. Er findet ihn in der Luft; mit Diogenes aus
Ancillon — Andronikos von Rhodos
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Apollonia hält er sie für früher als das Wasser (gegen Thaies), das erst aus ihr, und zwar durch Verdichtung, entstanden sei. Er will auch ein genaueres Bild des Vorganges geben, durch den aus ihm die materiellen empirischen Dinge entstehen. Das Kalte und das Warme gehören nicht zum Wesen des Stoffes, sondern durch die unaufhörliche Bewegung erleidet die Luft Veränderungen, die Kälte und Wärme als seine Zustände zur Folge haben: was sich zusammenzieht und verdichtet, wird zum Kalten verändert, was sich verdünnt und lockert, zum Warmen. Durch Verdünnung entsteht aus der Luft Feuer, durch Verdichtung Wind, Wolken, Wasser, Erde, Steine. Die Erde bezeichnet A. als Platte, die jedoch zugleich zylinderförmig sein soll. Dieser Erdkörper ruht in der Luft, schwimmt in ihr. „Wie unsere Seele", so sagt A., „welche Luft ist, uns zusammenhält, so umfaßt Hauch und Luft auch die gesamte Welt" (Aet. I, 3, 4. Vors. 3 B 2). Die G e s t i r n e entstanden durch die Feuchtigkeit, die von der Erde aufsteigt. Diese wird durch Verdünnung zu Feuer, dieses, von der Luft zusammengedrückt, wird zu den Gestirnen. Daneben nimmt er an, daß auch Körper von der Beschaffenheit der Erde in der Gestirnsregion sich befinden, vermutlich, um die Gestirnsfinsternisse besser als Anaximander zu erklären. Er lehrt ferner, daß die Sterne und die Sonne, um während der Zeit ihrer Unsichtbarkeit an ihren Aufgangsplatz zurückzukommen, um die Erde sich herumbewegten, „wie der Hut um den Kopf sich dreht". Die Lehre Anaximanders von dem anfang- und endlosen Wechsel der Weltbildung und Weltzerstörung hat A. anerkannt und übernommen. L i t e r a t u r : Diels, Vorsokr., o. 3 (Nachtr. in Vors. 4 ). — P. Tannéry, A. et l'unité de substance, Revue phil. 1883, 6. — Chiappelli, Zu Pythagoras u. A., Arch. f. Gesch. d. Philos., 1 (1888), 582—594. — J. Dörfler, Zur Urstofflehre des A., Freistadt (Ob.-Österreich) 1912.
Ancillon, J. P. Friedrich, geb. 30. April 1767, gest. 19. April 1837, preußischer Minister. Beeinflußt von Fr. H. Jacobi. S c h r i f t e n ; Über Glauben und Wissen in der Philosophie, 1824. — Pensées sur l'homme, 1829.
André, 1675 bis 1764. Jesuitenpater. Anhänger von Descartes und Malebranche. S c h r i f t e n : Oeuvres philosophiques, hrsg. v. Cousin, Paris 1843. — Charma et Mancel, Documents inédits sur le P. André, Caën 1843/44.
Andreae, Antonius, Scholastiker des 14. Jahrh., Schüler des Duns Scotus. S c h r i f t e n : Kommentar zu Petrus Lombardus, Aristoteles, Boethius. — Quaestiones de tribus principiis rerum naturalium, 1489.
Andreas-Salomé, Lou, geb. 12. Febr. 1861 in Leningrad, gest. 11. Febr. 1937 in Göttingen. S c h r i f t e n : Im Kampf um Gott, 1885. — Nietzsche in seinen Werken, 1894. — Die Erotik, Frankfurt 1910. — Henrik Ibsens Frauengestalten, Jena 1910. — Der Teufel und seine Großmutter, Jena 1922. — Rodinka, Russische Erinnerung, Jena 1923. — Rainer Maria Rilke, Lpz. 1928. — Mein Dank an Freud, Wien 1931. — D. Wesen Friedrich Nietzsches, Tokio 1939.
Andronikos von Rhodos, um 70 v. Chr. Scholarch des Peripatos, hervorragender Philologe der peripatetischen Schule, der die Schriften des Aristoteles sammelte, kritisch sichtete, ordnete und kommentierte und sich dadurch ein entscheidendes Verdienst um die Überlieferung der aristotelischen Philosophie erwarb. Daneben widmete er seine Tätigkeit als Kommentator auch den Schriften
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Aeneas von Gaza — Anonymus (Eine deutsche Theologie)
des Theophrast. Seine philosophischen Ansichten entfernten sich nur ganz unbedeutend von den Lehren des Schulstifters. L i t e r a t u r : F. Littig, A. v. Rhodos, 3 Tie., Münch. 1890, Erl. 1894 und 1895, Pr.
Aeneas von Gaza, Schüler des Neuplatonikers Hierokles in Alexandria, geb. um 450 n. Chr. Übernimmt vom Piatonismus die Theoreme, die mit der Lehre des Christentums übereinstimmen; er lehnt die platonische Lehre von der Präexistenz der Seele sowie das Theorem der Seelenwanderung zugunsten der Schöpfungslehre ab. Er anerkennt das Dogma der Willensfreiheit sowie das der Unsterblichkeit der Seele. Die Welt ist aus einem Akte göttlicher Schöpfung als vernunfthaftes Gebilde hervorgegangen, ist also nicht anfangslos; ebenso wird die Welt einmal enden, ohne daß eine neue entstehen wird. . L i t e r a t u r : St. Sikorski, De Aenea Gazaeo, Vratislaviae 1909, I. D. (Bresl. Philol. Abhandl. 9,5).
Angell, James Roland, geb. 1869. Professor in Chicago. S c h r i f t e n : Psychology, N. Y. 1904, 2. A. 1908. — American Education, 1937,
Angelus Silesius (Johann Schettler), geb. 25. Dezember 1624 in Breslau, gest. 9. Juli 1677. Sohn protestantischer Eltern, trat 1653 in Breslau zur katholischen Kirche über, 1661 Mitglied des Minoritenordens. A. wurde besonders von Tauler und Jakob Böhme beeinflußt. Er sprach seine mystischen, pantheistischen Anschauungen vornehmlich in seinen geistlichen Liedern (Heilige Seelenlust usw., Breslau 1657; Cherubinischer Wandersmann, Glatz 1675) aus, die eine weite und bis in die Gegenwart reichende Verbreitung fanden. „Ich weiß, daß ohne mich Gott nicht ein Nu kann leben; / Werd' ich zunicht, er muß vor Not den Geist aufgeben." S c h r i f t e n : Gesamtausgabe Angelus Silesius, Sämtliche poetische Werke, hrsg. u. eingel. von Hans Ludwig Held, 3 Bde., Münch. 1925. — Desgl. m. e. Auswahl aus seinen Streitschriften, m. e. Lebensbilde, hrsg. von G. Ellinger, 2 Bde., Bln. 1924. L i t e r a t u r : F. Kern, Joh. Schettlers Cherubinischer Wandersmann, Lpz. 1866. — C. Seltmann, Ang. Sil. u. s. Mystik, Breslau 1896. — E. Eilert, Angelus Silesius als Streittheologe seiner Zeit. Diss., München 1937. — G. Ellinger, A. S., 1927.
L. Annaeus Cornutus s. Kornutos. M. Annaeus Lucanus s. Lucanus. Annikeris, Anhänger und Schüler des Aristippos von Kyrene, wendet die Lehre des Meisters besonders in das Soziale, indem er der Lust, die aus Freundschaft, Dankbarkeit, Pietät usw. entspringt, wesentliche Bedeutung beimißt und sie zu erstreben fordert, auch wenn sie nur durch erhebliche Unlust erreichbar sein sollte. Anonymus zu „Eine Deutsche Theologie". Der Verfasser der Schrift, die von Luther 1516 und 1518 unter dem genannten Titel herausgegeben wurde, war Kustos im Hause der Deutschherren in Frankfurt; er war ein Anhänger Eckeharts. Er verfolgte wesentlich das mystisch-praktische Ziel der Vereinigung mit Gott. Zu seiner Erreichung nennt er die drei Möglichkeiten der Via purgativa, der Via illuminativa und der Via unitiva. In seinen theoretischen Erörterungen vermeidet er jede Verteidigung der kirchendogmatisch verdächtigen Thesen Eckeharts, der Charakter der Schrift ist orthodox. L i t e r a t u r : J. Bernhart, Der Frankfurter. Eine deutsche Theologie, 1922. — J . Paquiers, Un mystique allemand du XlVe. sc. L'orthodoxie de la Théologie germanique, Paris 1922.
Anonymus (des Briefes an Diognet) — Anselm von Canterbury
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Anonymus des Briefes an Diognet, der nach 160 abgefaßt wurde; er gibt eine Verteidigung des Christentums gegen Judaismus und Heidentum. Der Verfasser setzt den Logos dem Weltbildner gleich, welchen Gott aus Liebe entsendet hat und durch den er die Menschen erlöst. L i t e r a t u r : Fr. X. Funk, Patr. apost. opp. 1, 1901, 390—413. — Geffcken bei Hennecke, Ntl. Apokryphen 2; 1924, 619—629. Anonymus Jamblichi wird der Verfasser einer von den Sophisten Protagoras und Prodikos beeinflußten Schrift genannt, die besonders deswegen Bedeutung hat, weil in ihr die pädagogischen Bestrebungen der älteren Sophistik, die sich auf deren positive Einstellung zur Moral (eòvojxta besser als dvo|ita) stützten, deutlich werden. L i t e r a t u r : Diels, Vorsoltr., c. 82 (Anonymus Jamblichi), (Nachtr. in Vors.4). — Fr. Blass, Comm. de Antiph. sophista Jamblichi auctore, Kilae 1889. Anonymus zu Piatons Theaitet (Papyrus 9782), Platoniker aus der weiteren Schule des Gaios. Sein W e r k stellt den ältesten eigentlichen Platokommentar dar. F e r n e r hat er Bedeutung dadurch, daß man aus ihm in Zusammenhang mit dem von Albinos und Apuleius Gesagten die Lehre des Gaios in größerem Umfange rekonstruieren kann. L i t e r a t u r : K. Praechter, Gott, gelehrt. Anz. 1909, 530—547; Hermes 51 (1916), 518, 520 ff. — H. Schöne, Rh. Mus. 73 (1920), 147 f. Anonymus zu der pseudo-aristotelischen Schrift „Von der W e l t " , wahrscheinlich um die Wende des 1. und 2. Jahrhunderts n. Chr., Peripatetiker. Er lehnt den stoischen Pantheismus ab, weil er die Hoheit der Gottheit gefährdet. Unter Aufnahme des stoischen Gedankens der Allgegenwart Gottes schränkt er dessen, ihm im Peripatos beigelegte Transzendenz durch die Bestimmung ein, daß die Gottheit allmächtig sei, und indem sie auf die ihr nächstbefindliche Weltsphäre einwirke, mittelbar auch die gesamte übrige Welt von sich abhängen lasse. S c h r i f t e n : Die Schrift von der Welt, ein Weltbild im Umriß aus dem 1. Jahrh. n. Chr., eingeleitet und verdeutscht von W. Capelle, Jena 1907. L i t e r a t u r : W. Capelle, Die Schrift von der Welt, ein Beitr. z. Gesch. d. gr. Popul.-Philos., Neue Jahrbb. 15 (1905), 529—568. Anschütz, Georg, geb. 15. November 1886. Dr. phil., ordentlicher Professor in Konstantinopel 1915 bis 1918. Habilitation an der Universität Hamburg 1920. A.o. Professor. S c h r i f t e n : Uber Gestaltqualität, 1909. — Spekulative, exakte und angewandte Psychologie, 1912. — Theodor Lipps neue Urteilslehre, 1913. — Die Intelligenz, 1913. — Über die Erforschung der Denkvorgänge, 1913. — Farbe-Ton-Forschungen, I, 1927; II, 1930; III, 1931. — Kurze Einführung in die Farbe-Ton-Forschung, 1927 — Farbenhören und Kunstschaffen, 1928. — Das Farbe-Ton-Problem im psychischen Gesamtbereich (Sonderphänomene komplexer optischer Synästhesien), 1929. — Abriß der Musikästhetik, 1930. — Die Farbe als seelischer Ausdruck, 1930. — Einführung in die Psychologie, 1931. L i t e r a t u r : Berichte über den I. und II. Kongreß für Farbe-Ton-Forschung, Hamburg 1927 und 1930. Anselm TOH Canterbury, geb. 1033 zu Aosta (Augusta Praetoria) in Piemont, trat 1060 in das Benediktinerkloster B e c in der Normandie ein, in dem Lanfrank lehrte, wurde 1064 Prior, 1079 Abt und 1093 Erzbischof von Canterbury; er starb 1109. Seine Grundüberzeugung von dem Verhältnis von Wissen und Glauben formuliert A. in dem Satze: „Fides praecedit intellectum", der bereits den andern
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Anselm von Canterbury
grundlegenden Satz seines Denkens: „Credo ut intelligam" einschließt. Die Theologie A.s erstrebt, soweit sie philosophisch-dialektisch ist, die rationale Begründung der Glaubensdogmen, die aber nicht zu einer Negierung dieser Dogmen führen darf, sondern stets ein vernünftiger Beweis für die Wahrheit der geoffenbarten Glaubensinhalte sein muß. Nur in dieser Übereinstimmung mit der Lehre liegt das Kriterium für die Wahrheit des rational Eingesehenen, ein Abweichen von ihr bedeutet Irrtum des Denkens; das Beharren bei als falsch erwiesenem rationalen Erkennen ist sündhaft. Diese Anschauungen waren geeignet, die Autorität des kirchlichen Lehramtes zu begründen und zu sichern; so wurde er geradezu zum Vorkämpfer des Primates des Papstes und bewirkte dadurch mit Zusammenstöße mit Wilhelm II. und Heinrich I. von England, die dazu führten, daß er zweimal für mehrere Jahre sein Bistum verlassen mußte. Erst die Beendigung des Investiturstreites durch den Vertrag von Bec bestimmte ihn, für dauernd nach Canterbury zurückzukehren. In seinem Gottesbeweis geht A. von der Voraussetzung aus, daß Gott unserem Glauben gemäß so groß gedacht wird, daß Größeres nicht gedacht werden kann, und selbst der Tor und Gottlose können dies einsehen, nur ohne die Bedeutung zu begreifen. Es ist also Gott in unserem Intellekt als das Größte, das gedacht werden kann, wirklich. Dieses intelligible Sein muß aber auch eine transzendente Wirklichkeit einschließen, Gott muß auch real sein, weil es sonst in ihm etwas nicht gäbe, was doch vorhanden ist: die Wirklichkeit. Gibt es in Gott hingegen nicht die Wirklichkeit, dann ist Gott eben nicht das, im Vergleich zu welchem etwa« Größeres nicht gedacht werden kann, sondern ein Wesen, im Vergleich zu welchem ein Größeres gedacht werden kann; dies würde aber dem Begriffe Gottes widersprechen. Gott muß also wie im Intellekt so auch im Dasein wirklich sein. Wörtlich lautet der entscheidende Passus in der Argumentation des A.: „Ergo, Domine, qui das fidei intellectum, da mihi ut, quantum scis expedire, intelligam quia es sicut credimus et hoc es quod credimus. Et quidem credimus te esse aliquid quo nihil maius cogitari possit . . . Et certe id quo maius cogitari . . . (non potest) non potest esse in solo intellectu. Si enim vel in solo intellectu est, potest cogitari esse et in re, quod maius est. Si ergo id quo maius cogitari non potest est in solo intellectu, id ipsum quo maius cogitari non potest est quo maius cogitari potest. Sed certe hoc esse non potest. Existit ergo procul dubio aliquid, quo maius cogitari non valet, et in intellectu et in re." (Proslögion c. 2.) „Quod utique sie vere est, ut nec cogitari possit non esse. Nam potest cogitari esse aliquid, quod non possit cogitari non esse; quod maius est quam quod non esse cogitari potest. Quare si id quo maius nequit cogitari, potest cogitari non esse, id ipsum quo maius cogitari nequit non est id quo maius cogitari nequit, quod convenire non potest. Sic ergo vere est aliquid quo maius cogitari non potest, ut nec cogitari possit non esse. Et hoc es tu, Domine, Deus noster" (c. 3). In seiner Satisfaktionstheorie versucht A. auf rein rationalem Wege, ohne die geoffenbarte Lehre in Anspruch zu nehmen, die Notwendigkeit der Gerechtwerdung und Erlösung des Menschen nur durch Christus darzutun. Von seinem Standpunkt des erkenntnistheoretischen Realismus aus führt er in der Schrift Cur deus homo? den Nachweis, daß Gott mit logischer, d. i. zugleich bei A. metaphysischer Notwendigkeit zum Menschen werden mußte. Denn die durch Adam über die Menschheit gebrachte Schuld könne nicht vom Menschen getilgt werden, da er nur ein endliches Geschöpf sei. Gott aber konnte um seiner Gerechtigkeit willen auf die unendliche Wiedergutmachung (Satisfactio) nicht verzichten. Darum mußte zur Erfüllung des die menschliche Endlichkeit über-
Antigonos von Karystos — Antiochos von Askalon
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steigenden Anspruches Gott Mensch werden, weil nur er in seiner Unendlichkeit die Menschheit hat erlösen können. Die Wahrheit ist für A. „rectitudo sola mente perceptibilis". Die Wahrheit ist also ein Wirkendes, und in der Tat läßt A. die eigentliche Wahrheit, die Summa veritas per se subsistens, mit Gott zusammenfallen. Auf diese Weise wird die Wahrheit des Seins zur Wirkung der Wahrheit an sich; zugleich ist diese Wahrheit des Seins wiederum die Ursache der Wahrheit der Erkenntnis; Erkenntnis ist mithin lediglich Wirkung. S c h r i f t e n : Gesamtausg. Patrologia Latina, J. P Migne, Paris, Bd. 158—159. — Eadmer, D. Leben d. hlg. A. v. C., übers, v. G. Müller, 1923. — H. Ostlender, A. v. C„ der Vater der Scholastik; mit deutsch, und lat. Texten, Rel. Quellenschr. 45, 1927. — Leben, Lehre, Werke, übers., eingeleit. u. erl. von Rud. Allers, Wien 1936, L i t e r a t u r : J. Becker, D. Satz d. hlg. A.: Credo ut intelligam, Philos. Jahrb. 19 (1906), 115—127, 312—326. — M Esser, D. ontolog. Gottesbew. u. s. Gesch., 1905; dazu ferner: Jahrb. f. Philos, u. spekul. Theol. 24 (1910), 293—303. — Cl. Baeumker, Witelo, e. Philosoph, u. Naturf, d, 13. Jahrh., Beitr. z. Gesch. d. Philos, d. Mittelalt. III, 2, Münst. 1908, 290—310. — J. M. Verweyen, D. Probl. d. Willensfreiheit in d. Scholastik, 1909, 44—51. — Daniels, Augustinus, Quellenbeiträge . . . z. Gesch. d, Gottesbeweise im XIII. Jahrh 1909; in: Beitr. z. Gesch. d. Phil. d. M., Bd. 8, 1—2. — Fischer, Jos., Die Erkenntnislehre A.'s v. C., 1911; ebend. Bd. 10,3. — Baeumker, Franz, Die Lehre A. v. C.s über den Willen, 1912; ebend. Bd. 10,6. — E. Lohmeyer, D. Lehre v. Willen b. A. v. C,, 1914. — L. Heinrichs, D. Genugtuungstheorie d. hlg. A. v. C., in: Forschg. z. christl. Lit. u. Dogmengesch. IX, 1, 1909. — Barth, Karl, Fides quaerens intellectum, München 1931. — Adolf Kolping, Anselms Proslogion u. s. Beweis d. Existenz Gottes, Bonn 1939. — Noffke, Arthur, Ehre u. Genugtuung, e. Unters, zu der Schrift «Cur Deus Homo» v. A. v. C., Greifswald 1940. — Salesius Schmitt, Zur Chronologie der Werke des hl. A. v. C., in: La Revue Bénédictine, 1932. — Ders., Zur Entstehungsgesch. d. handschr. Samml. d. Briefe des hl. A. v. C., in: La Revue Bénédictine, 1936. — R. Allers, A. v C., Leben, Lehre, Werke. Wien 1936 — A. Stolz, A. v. C„ 1937.
Antigonos von Karystos, um 225 v. Chr. Verfaßte Lebensbeschreibungen von Philosophen. L i t e r a t u r : R. Köpke, De A. Carystio, Berlin 1862.
Antiochos von Âskalon, Scholarch der Akademie von etwa 88 v. Chr. bis etwa 68 v. Chr., Schüler des Philon von Larissa und des Stoikers Mnesarchos^ es entstanden Meinungsstreitigkeiten zwischen ihm und seinem Lehrer Philon von Larissa, der die erste Abwendung vom radikalen Skeptizismus, in den die Akademie seit Arkesilaos von Pitane geraten war, zum platonischen Lehrdogma angebahnt und teilweise vollzogen hatte. Der Meinungsstreit wurde in Schriften und Gegenschriften (u. a. Antiochos Streitschrift „Sosos") ausgetragen und führte zur Wiederherstellung des Dogmatismus in der Akademie. A. heißt deshalb auch der Begründer der fünften Akademie. Sein Dogmatismus ist aber nicht eigentlich die volle Anerkennung der platonischen Lehre, sondern er versucht in synkretistischer Art, die entscheidenden Sätze der stoischen Philosophie wie auch der neuakademischen und peripatetischen mit der Lehre Piatons in Einklang zu bringen. Ein« ähnliche Tendenz wie er verfolgte Panaitios, Scholarch der mittleren Stoa. — Für die Abwendung vom Skeptizismus und die Wiederaufnahme der dogmatischen Richtung war es für A, wie auch für andere Skeptiker vor allem bestimmend, daß es unmöglich ist, auf dem Bodeii konsequenter Skepsis zum Handeln, geschweige zu einem wertabgestuften Handeln zu kommen. Darum betont er gegen Philon von Larissa, daß es Unbedingt-Gewisses gäbe; denn wenn es ein Unbedingt-Gewisses nicht gäbe, so könnte man auch nicht von Wahrscheinlichkeit und schließlich sogar nicht einmal mehr von Wahrnehmung sprechen.
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Antipatros — Antisthenes von Athen
Wenn man behaupte, man könne beweisen, daß sich nichts behaupten und beweisen lasse, so liege darin ein unaufhebbarer Widerspruch, der die ganze Lehre der radikalen Skepsis ad absurdum führe; auch wäre es gar nicht möglich, von falschen Vorstellungen zu sprechen, ohne den Unterschied von wahr und falsch bereits im Bewußtsein zu haben. Dennoch aber setzt A. sein Vertrauen nicht eigentlich in die eigene Fähigkeit des Denkens, sondern er sucht das Wahre in den übereinstimmenden Urteilen der achtungswerten Philosophen zu finden. Analog lehrt er in der Ethik, daß Tugend allein genüge, um eine beata vita zu erreichen, um aber zu einer vita beatissima zu gelangen, wären äußere und leibliche Güter daneben notwendig. L i t e r a t u r : H. Strache, Der Eklektizismus d. A. v. A., Philol. Unters., 26. Heft, Bln. 1921. — A. Schmekel, Philos. d. mittl. Stoa, Bln. 1892, S. 385 ff. — Annemarie Lueder, Die philos. Persönlichkeit des A. v. A., Göttingen 1940.
Antipatros, Schüler des Aristippos von Kyrene. Antipatros von Tarsos, starb 129 v. Chr. Schüler des stoischen Scholarchen Diogenes von Seleukeia, folgte diesem in der Schulleitung der Stoa. L i t e r a t u r : J. v. Arnim, Stoic. vet. fragm. III, S. 209 ff., Lpz. 1921/24. — H.Cohn, A. v. T., Diss., Gießen 1905. — M. Wellmann, Hermes 52 (1917), 133 ff. — 0 . Hense, A. v. T., Rh. Mus. 73 (1920), 290—305.
Antipatros aus Tyros, Spätstoiker, neben Athenodoros aus Tarsos Lehrer Catos, starb 44 v. Chr. zu Athen. Antiphon der Sophist, einer der späteren Sophisten, von eleatischen Lehren beeinflußt, lehrt in seinem Werke ,,'AX^dsta": „Alles ist für den Logos eins. Hast Du dies verstanden, so weißt Du, daß für ihn nichts Einzelnes existiert, weder von dem, was der Weitestblickende mit dem Auge erblickt, noch von dem, was der Weitestdenkende mit der Denkkraft erdenkt" (Diels, Vors., zu 80 B 1). A. tritt in der die sophistische Aufklärung interessierenden Frage nach dem Wesen der Norm für die Naturnorm ( 2&ev f, xtvYjaii. Tö ou £vsxa (Materie, Eidos, Bewegungsursache und Zweckursache). Die drei letztgenannten sind identisch mit der Form, mit der sie der Sache nach überwiegend zusammenfallen, so daß als die metaphysischen Grundprinzipien Stoff und Form bleiben. — Das Wirklichwerden des Möglichen, des Stoffes, ist die Bewegung, welche die Veränderung hervorbringt. Diese beiden sind korrelationale Begriffe und können nicht als absolute genommen werden. Denn das Gleiche kann nach der einen Seite hin Stoff und Möglichkeit, nach der anderen Seite hin Form und Aktualität sfein, z. B. der behauene Stein: einerseits ist er dem rohen Stein gegenüber ein Geformtes und kein bloßer Stoff, andererseits dem Haus gegenüber, in das er verbaut werden soll, Stoff vor der Form. Da das Allgemeine, das das Objekt der Erkenntnis ist, eine höhere Wirklichkeit besitzt als das Einzelne, so ergibt sich daraus für A. die Höhe der Wertigkeit des Seienden fortschreitend im umgekehrten Verhältnis seines Gehaltes an Stoff bis zur höchsten Stufe, welche der stofflose Geist ist, den A. mit Gott gleichsetzt. Für die Existenz Gottes führt er den Beweis, daß angesichts der Zweckmäßigkeit in der Gestaltung des Objektiven ein dauernder Übergang vom Potentiellen zum Aktuellen angenommen werden müsse. Der Übergang aber selbst müsse seinerseits bewirkt werden, und dies geschehe durch die reine Ivspfsia des npöiiov xivoüiv, des ersten Bewegers, der rein und gänzlich frei von Materie ist. Er ist einheitlich und hat, da er allein das Beste denkt, sich selbst zum Inhalt des Denkens: er ist NoTjaii voi-aeou?, Denken des Denkens. Dieses Denken aber ist das höchste und seligste Leben. Die aristotelische N a t u r p h i l o s o p h i e geht von dem Phänomen der Bewegung aus: Natur ist das ganze in Bewegung und damit in Veränderung Befindliche. Denn Bewegung ist die Erscheinungsweise der Veränderung, durch welche ein Mögliches wirklich wird. A. unterscheidet vier Arten der Bewegung: die
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substantielle (Entstehen und Vergehen); die quantitative (Zunahme und Abnahme); die qualitative (Übergang eines Stoffes in einen anderen); die räumliche (Ortsveränderung). Zuweilen bezeichnet er auch nur die drei letztgenannten als zur Bewegung im engeren Sinne gehörig und läßt den Begriff der Veränderung alle vier umfassen. Den Raum trennt A. noch nicht klar von dem Ort, und er bezeichnet als diesen die Grenze, durch welche ein Körper einen anderen umschließt. Die Zeit ist die Zahl der Bewegung nach dem Früher und Später. Als die vollkommenste Bewegung eignet sich die Kreisbewegung vornehmlich zur Zeitbestimmung, und da das Firmament diese Kreisbewegung einhält, so ist nach ihm die Zeit an dessen Bewegung geknüpft; alle anderen Bewegungen werden durch diese gemessen. Da alle Bewegung in der Natur auf einen Zweck gerichtet ist, der in der vollkommenen Umwandlung der Potentialität in die Aktualität liegt, so sind die materiellen Ursachen der Dinge, die A. in Übereinstimmung mit Piaton als ihre Bedingung für notwendig hält, dennoch nicht der einzige und ausschlaggebende Grund, sondern vielmehr ist die Veränderung bedingt durch die Endursachen. Da der Stoff der Natur Widerstand entgegensetzt, vermag diese nicht immer das Bezweckte zu erreichen, woraus das Aixofuxov, das Zufällige sich ergibt; daneben kennt A. noch den Begriff der Tu^tj, der, von engerem Umfange als das Aöxo|iaxov, einen Erfolg bezeichnen will, der nicht eigentlich erstrebt war, aber hätte erstrebt werden können. — Die Vollkommenheit ist abgestuft nach der Entfernung von Gott, der selbst unmittelbar den Fixsternhimmel in Bewegung erhält und durch ihn das Weltall. Vom Fixsternhimmel bis zum Monde erstreckt sich der Äther, in dessen Natur bereits die Kreisbewegung liegt; alle übrigen Elemente bewegen sich von unten nach oben und von oben nach unten zur unbewegten Mitte, welche die Erde, das schwerste Element, bildet. Dem Äther zunächst ist der Ort des Feuers, dann folgen Luft und Wasser, das die Erde als die nächste Sphäre umgibt. Dem Feuer eignet Wärme und Trockenheit, der Luft Wärme und Feuchtigkeit, dem Wasser Feuchtigkeit und Kälte, und der Erde Kälte und Trockenheit. Der Äther ist die von Späteren sogenannte quinta essentia. In der Lehre von den O r g a n i s m e n behauptet A. die Urzeugung für die niedrigsten Lebewesen, für die höheren dann die Zeugung des Gleichartigen durch das Gleichartige. Das männliche Wesen ist das formgebende und das beseelende Prinzip, das weibliche das empfangende oder materielle. — Die Seele ist die erste Entelechie des Leibes, dessen Form, Bewegungsprinzip und Zweck. Die einzelnen Reiche des organischen Lebens unterscheiden sich voneinander durch den Umfang der Seelentätigkeit oder der S e e l e n v e r m ö g e n , von denen A. im Unterschiede von den S e e l e n t e i l e n des Piaton (die er jedoch auch selbst noch in seiner Lehre verwendet) spricht: in der Pflanze wirkt die Entelechie als das öpsTTTtxov, das Assimilierungsvermögen; beim Tiere kommen die drei Vermögen der Sinnesempfindung Afa&r(Tixov), des Begehrens ('Opextixov'und der Ortsbewegung (T6 xiv7jtix&v xax« tottov) hinzu. Als Organ hierfür besitzt das Tier das Herz, die ¡isaoxrji. Die Sinneswahrnehmung ist eine Aktualisierung von in den Objekten potentiell vorhandenen Qualitäten; an sie schließt sich an die Vorstellung durch Einbildung als Nachwirkung der Empfindung, gleichsam eine schwache Empfindung: sodann die Erinnerung, welche A. durch das Beharren einer Sinnesempfindung erklärt; endlich das absichtliche Sicherinnern, ein Ergebnis einer willkürlichen reproduzierenden Vorstellungsverbindung. Das Begehren ergibt sich in Reaktion auf das Gefühl des Angenehmen und Unangenehmen. Was die menschliche Seele, die als animalische alle diese Vermögen umfaßt, besonders auszeichnet, ist der Noü;, der sich als theoretische und als praktische Denkkraft
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darstellt. Nur dieser Seelenteil ist unsterblich, die übrigen Seelenteile dagegen nicht. Der ewige Seelenteil ist daher der Nous ironrixtx'is (dieser Terminus erst von Alex. Aphrod., nicht von A., der „xö iroioüv" sagt) als das formgebende, und der andere Teil der Seele als voö? ita&^Ttxo? das formempfangende Prinzip. In der E t h i k lehrt A. in Übereinstimmung mit allen griechischen Ethikern, daß die Glückseligkeit das höchste Gut darstelle. Unter diesem versteht er aber nicht etwa das Streben nach Lust, sondern die Tätigkeit des Menschen, die sich in Übereinstimmung befindet mit dem höchsten Vermögen, dem vouc, und von diesem her bestimmt wird. Daneben gehört zur Glückseligkeit ein gewisses Maß äußerer Güter und gesicherter Lebensverhältnisse, sowie vor allem freundschaftliche Verbindungen, alles dies nicht nur für eine kurze Zwischenzeit, sondern für die Dauer des ganzen Lebens. Schon aus diesen letzten Bestimmungen geht hervor, daß A. nicht wie Piaton eine theologisierende Ethik vertritt, sondern eine durchaus auf das menschliche Leben zugeschnittene. Dies gelangt zum Ausdruck auch vor allem in seinem Begriffe der Gerechtigkeit, der für ihn immer ein Verhalten zum Nebenmenschen in sich schließt. Alle ethische Tugend besteht in dem Einhalten der richtigen Mitte zwischen zwei Extremen, die beide Übel sind; die einzelne Tugend ist ¡¿sarkr]? 8uo xaxiüiv (Eth. Nie. B 9, 1109 a 20ff., 8, 1114 b 26 f.). Die Tapferkeit ist die Mitte zwischen Tollkühnheit und Feigheit; die Besonnenheit die Mitte zwischen Zügellosigkeit und Stumpfsinn; Seelengröße die Mitte zwischen eitlem Stolz und Kleinmut. Die Gerechtigkeit behandelt A. als eine der wichtigsten Tugenden, sie umfaßt alle andern. Im einzelnen unterscheidet A. die austeilende und die ausgleichende Gerechtigkeit. Die erstere wägt Vorteile und Nachteile ab unter dem Prinzip einer Gleichheit, die die Verschiedenheit des Wertes der Personen berücksichtigt und dementsprechend von A. in der Formel einer geometrischen Proportion angegeben wird. Auch die ausgleichende Gerechtigkeit wird nach dem Prinzip der Gleichheit, jedoch nach der Regel der arithmetischen Proportion verwirklicht. Denn hier fällt nicht mehr der Wert der Personen ins Gewicht, sondern lediglich Vorteil und Nachteil. Zur Ergänzung der Gesetzlichkeit, die in ihrer Anwendung immer in gewissem Umfang starr sein muß und die Individualität des Einzelfalles nicht zu berücksichtigen vermag, wird die Billigkeit (To Imsixss) herangezogen, welche ebenfalls der Gerechtigkeit zugehört, aber eben die Berücksichtigung der individuellen Situation gestattet, und zwar nach der Regel der Vorstellung, die sich der Gesetzgeber bei dem betreffenden Fall gebildet hätte. Neben diese ethische Tugend treten die dianoetischen, welche das Theoretische betreffen. A. unterscheidet hierbei die Sphäre dessen, das keine Veränderung durch menschliches Eingreifen zuläßt, von der Sphäre dessen, in der dies der Fall ist. Das erste Gebiet untersteht dem wissenschaftlichen Vermögen ('EmdTirüj.ovix6v), das zweite dem Vermögen der verständigen Überlegung (Ao-](iiv. — Das Fundament des Staates ist die Hausgemeinschaft, bei der besonders an dem Verhältnis des Herrn zum Sklaven der Unterschied zum Staate deutlich wird: die Herrschaft des Despoten über den Sklaven hat des Herrschenden Vorteil zum Zweck, die Herrschaft der Regierenden im Staat den Vorteil der Regierten. Hiermit ist auch zugleich ein Maßstab für den Unterschied der guten und der schlechten Verfassungen gefunden: alle die Verfassungen sind schlecht, welche einem egoistischen Nutzen, alle die Verfassungen sind gut, welche dem öffentlichen Nutzen der Gemeinschaft dienen. Da nach A. im ganzen dieser Unterschied mit dem Unterschied in der Zahl der Regierenden zusammen aufzutreten pflegt, so nennt A. folgende sechs Staatsformen: Königtum, Aristokratie, Politie, Tyrannis. Oligarchie, Demokratie. Die ersten drei sind die rechten Verfassungen, die letzten die Entartungen. Neben den genannten Kriterien setzt A. noch das Merkmal des Reichtums und der Armut der Staatsbürger, sowie das der Freiheit und der Tüchtigkeit. In einer Oligarchie sind die Vermögenden die Herrschenden, in einer Demokratie die Armen; diese besitzen zugleich das Übergewicht, wenn der Staat nach dem Prinzip der Freiheit regiert werden soll; denn die Freiheit ist das allen Staatsbürgern Zukommende, während das Prinzip der Tüchtigkeit Ungleichheit unter den Staatsbürgern bedingt, weil nicht alle in gleicher Weise tüchtig sind. Beide Prinzipien führen, wenn sie einseitig angewendet werden, zu Entartungserscheinungen der Verfassung und sind deswegen abzulehnen. Aus den drei konstitutiven Prinzipien Freiheit, Vermögen und Tüchtigkeit muß vielmehr eine Mischverfassung angestrebt werden. Werden alle drei Prinzipien, oder nur Freiheit und Tüchtigkeit vereinigt, so mischen sich Demokratie, Oligarchie und Aristokratie (im Sinne der Herrschaft der Tüchtigsten), oder aber Demokratie und Aristokratie, dann ist die Staatsverfassung eine aristokratische im gewohnten Sinne. Mischen sich durch die Verbindung von Freiheit und Vermögen Demokratie und Oligarchie, so ergibt sich als Staatsform die Politie, welche aul dem Mittelstand sich gründet und insofern die zweckmäßigste Verfassung darstellt. Da naturgemäß nur die erwachsenen Staatsbürger sich an der Verwaltung des Staates beteiligen können, andererseits aber diese Aufgabe, dieses Reeht zu den höchsten Obliegenheiten des Menschen zählt, so ergibt sich daraus sowohl ein Erziehungsplan, als auch die Pflicht der Jungen, den Älteren zu gehorchen. Wegen ihrer größeren physischen Kraft sind sie dagegen in besonderem Maße zum Kriegsdienst geeignet. Wegen der besonderen Wichtigkeit aller staatlichen
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Angelegenheiten greift bei Aristoteles genau wie bei Piaton die Erziehung bis in das einzelnste selbst des privaten Lebens ein. Auch der R h e t o r i k fällt bei A. neben der Strategik und Ökonomik eine Rolle im Staatsleben zu. Sie unterscheidet sich nach den drei verschiedenen Formen der beratenden, der gerichtlichen und der epideiktisch-künstlerischen Rede. Die beratende Rede geht auf die Zukunft, sie gibt in der Politik Ziel und Mittel der Staatsführung an; die gerichtliche auf die Vergangenheit, da sie über einen bereits vorliegenden Tatbestand das Urteil zu bilden instand setzen soll. Die Rhetorik ist die Lehre von dieser Kunst der Rede und beschäftigt sich mit der Technik der Überzeugung als ihrer Hauptaufgabe, wodurch der sprachliche Ausdruck und die Mittel des Beweises für sie wichtig werden; zugleich tritt sie damit in eine verwandtschaftliche Beziehung zur Dialektik. Die K u n s t hat die doppelte Aufgabe, einmal nach dem vom Künstler erfaßten Plan der Natur diesè zu vollenden, andererseits nachzuahmen, was die Natur bereits geschaffen hat. Die erste Art dient vor allem dem praktischen Leben, die zweite der edlen Unterhaltung, der Bildung, der mit Verstand verbundenen genußreichen Beschäftigung und der Katharsis, die besonders für die Tragödie Bedeutung erlangt und die Definition der Tragödie begründet. Danach hat die Tragödie die Aufgabe, die Affekte der Furcht und des Mitleides zu erzeugen und zu einer gewissen Stärke anwachsen zu lassen, damit dann der die Tragödie erlebende Zuschauer sich von diesen Hauptaffekten befreien kann. Die künstlerische Darstellung geht nicht auf die sinnliche Erscheinung der Dinge, sondern auf ihr Wesen; ihre Gestalten repräsentieren daher die allgemeinen Gesetze, nach denen auch die Einzeldinge wurden. S c h r i f t e n : Gesamtausgabe der Schriften von der Berliner Akademie, Berlin 1831 f. — Index Aristotelicus, ed. H. Bonitz, Berlin 1870. — Übersetzungen in der „philosophischen Bibliothek," Meiner, Leipzig 1918 f. L i t e r a t u r : Diogenes Laert. 5, 1 ff. — H. Siebeck, A.', Stuttg. 1910. — Heinr. Maier, Die Syllogistik des A., 2 Teile, Tüb. 1896—1900. — Willmann, Otto, A. als Pädagog und Didaktiker, Berlin 1909 — Tatarkiewicz, Wladislaw, Die Disposition der Arist Prinzipien, Gießen 1910. — Brentano, Franz, A.s Lehre vom Ursprung des menschlichen Geistes, Leipz. 1911. — Ders., A. u s. Weltanschauung, Leipz. 1911. — Goedeckemeyer, Albert, Die Gliederung der Aristotelischen Philosophie, Halle 1912. — Petersen, Peter, Geschichte der Aristotelischen Philosophie im protestantischen Deutschland, Leipz. 1921. — Görland, Albert, Aristoteles u. d. Mathematik, Marb.1899. — Ders., Aristoteles und Kant, Gießen 1909. — Goedeckemeyer, Alb., A.s praktische Philosophie, Leipz. 1922. — Ders., A., München 1922. — Kafka, G., A. München 1922. — Jaeger, Werner, A„ Grundlegung einer Geschichte seiner Entwicklung, Berlin 1923. — Rolfes, Eugen, Die Philosophie des A. als Naturerklärung und Weltanschauung, Leipz. 1923. — Casteron, Henri, La Notion de force dans le système d'Aristote, Paris 1923. — Périer, Augustin, Matière et forme. Quelques objections contre l'aristotélisme ancien et moderne, Paris 1923. — Ross, William David, Aristotle, London 1923 — Schulze-Soelde, W., Metaphysik und Erkenntnis bei A., Tübingen 1926 — Kühle, Heinr., D. ethische Güterbegriff im System des A. u. Kant, in: Vierteljahrsschr. f. wiss. Pädog., Abh 2, Münster 1926. — Cassirer, Heinrich, A.s Schrift „Von der Seele" und ihre Stellung innerh. d. aristotelischen Philos., Tübingen 1932, in: Heidelberger Abh. z. Philos., H. 24. — Croissant, Jeanne, Aristote et les mystères, Paris 1932. — Gohike, Paul, Die Entstehung der Aristotelischen Lehrschriften, Berlin 1933. — Solmsen, Friedr., Die Entw. d. Arist. Logik u. Rhetorik, Berlin 1929, in: Neue philol. Unters., H. 4. — Walter Bröcker, A., Frankfurt 1935. — Akos von Pauler, A., Paderborn 1933. — Martin Grabmann, Methoden u. Hilfsmittel d. Aristotelesstudiums im Mittelalter, München 1939. — Ders., Die Aristoteleskommentare d. Simon v. Faversham, München 1933. — Ders., Mittelalterliche lateinische Aristotelesübersetzungen u. Aristoteleskommentare in Handschr. span. Bibl., München 1928. — Ders., Mittelalterliche Deutung u. Umbildung der aristotelischen Lehre vom voü; tio t7jxt*de. München 1936. — Ders., Forschungen ü. d. lat.
Aristoxenos aus Tarent — Arnauld
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Benutzung einer pascalschen Schrift die Logik von Port-Royal (L'art de penser, 1662), die durchgängig von Descartes abhängig ist. S c h r i f t e n : Oeuvres, 43 Bde., Lausanne 1775—83. L i t e r a t u r : J. Kohler, Jansenismus und Cartesianismus, Düsseldorf 1905. — St. Beuve, Port-Royal, 7 Bde., 3. Aufl., Paris 1867. — C. Liebmann, Die Logik von PortRoyal im Verh. z. Descartes, Lpz. 1902, Diss.
Arndt, Ernst Moritz, geb. 26. Dez. 1769 in Groß-Schoritz auf Rügen, gest. 29. Jan. 1860 in Bonn. Stammt von einem schwedischen Urgroßvater aus bäuerlicher Familie. 1791 Theologiestudium in Greifswald, 1793 Jena, wo er Reinhold und Fichte hört. 1800 in Greifswald Privatdozent für Geschichtswissenschaft und Philologie. Zehn Jahre Dozent. 1803 längerer Aufenthalt in Schweden. 1810 Wendung zum politischen Kampf, vor allem gegen Napoleon. 1812 von Stein nach Petersburg als Steins Sekretär geholt. 5. Januar 1813 Aufbruch beider nach Preußen, Vorbereitung der Erhebung. Antwort auf die Frage: „Was mußt du tun, deutsches Volk?": „Die Zeit ist gekommen, wo du durch unbeschreibliche Plagen und Drangsale, durch unnennbare und unerhörte Greuel und Schanden erkennen solltest, daß nur Eintracht dich retten kann, wie Zwietracht dich verdorben hat. Vertilgt sei auf ewig der Haß, verstummt der Spott, erloschen jede Fehde und jeder Groll, welche den einen Deutschen gegen den andern entzweit, welche die deutschen Schwerter mit Bruderblut gefärbt haben. Von der Nordsee bis zu den Karpathen, von der Ostsee bis zu den Alpen, von der Weichsel bis zur Scheide muß e i n Glaube, e i n e Liebe, e i n Mut und e i n e Begeisterung das ganze deutsche Volk wieder in brüderlicher Gemeinschaft versammeln . . ." und „wahrlich, ich sage euch, der alte Papst und der alte Luther sind lange tot und stehen in der früheren Gestalt nimmer wieder auf; mit einem neuen und lebendigeren Geist, mit einem höheren Atem des Lebens muß die Welt und das Christentum wandeln; einer neuen Kirche und eines neuen Heils warten wir." Zusammenarbeiten mit dem Freiherrn von Stein. 1817 Ruf an die Universität Bonn Mit der einsetzenden Reaktion politische Schikanen gegen Arndt. Seine Manuskripte werden ihm genommen. 1820 Rücktritt von seiner Professur. 1840 Wiedereinsetzung in sein Amt. 1841 Rektor der Universität. Arndt beklagt, daß er beste Jahre nutzlos verbringen mußte. Er liest vergleichende Völkergeschichte. Unter seinen Hörern der spätere Volksforscher Riehl. Gewählt in die Frankfurter Nationalversammlung. Sein Brief an den König von Preußen mit der Bitte um Übernahme der Kaiserwürde abschlägig beschieden, wie später die Frankfurter Gesandtschaft, an der Arndt ebenfalls teilnahm. 1854 Ende der akademischen Lehrtätigkeit. Arndt vertritt eine erdnahe und lebensfrohe Philosophie, im Gegensatz zu allem Idealismus des Begriffs. „Durch Nacht und Tag wandelt unser Leben, und aus Nacht und Tag ist unser Gemüt gemischt; doch so, daß gerade die heiligsten Dinge in Nacht wohnen und uns nur in Offenbarung durch kurze und plötzliche Lichter zuweilen kommen, welche Blitzesleuchten gleich Staunen und Anbetung bringen . . ." Er lobt die Mütterlichkeit des nächtlichen Urgrundes und preist die Natur. Ihr Wesen ist Gestalt. Daher auch das unverbrüchliche Eigenrecht des Leibes. „Nun ist eine elende Disziplin über uns gekommen, die, wie unsere Wachtparaden Pedanten für das Schlachtfeld, Pedanten für das Leben macht: die wahre Unzucht, welche unsere schönen Triebe einzeln in die Beichte nimmt und sie so lange einschüchtert und ausgeißelt, bis sie ein Ideengespenst anerkennen, das man ihnen unter dem einen großen Namen Tugend gibt, und das als eine geistige, unleibliche Kraft über der Welt und über allem Irdischen schwebt und sich in leiblicher Weidlichkeit und Freude nie mit ihnen verbinden
Arnim
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kann." Als Gegenmacht gegen das echte Leben erscheint der naturfremde Geist. „Der Geist hat die Natur auf den Kopf gestellt und was unten war, zu oben gemacht." Ist der Zusammenhang mit der natürlichen Wirklichkeit einmal unterbrochen, dann versucht man vergebens, mit dem Geist einen Ersatz zu schaffen. Die Welt, die bisher durch den scharf-zerschneidenden Begriff gegangen war und alle Wärme, alles Leben und alle Gestalt verloren hatte, sollte nun auch durch den Begriff sogleich, wie durch ein Zauberwort die Gestalt und Haltung der Kraft auf dem festen Boden der Erde wiedergewinnen? In diesem Wahn zeigt sich, wie die Geistigkeit selbst die Ahnung verloren hatte, wie eine Gestalt — sei es Mensch, Staat oder Kunstwerk — entsteht. Sie kann nicht zusammengehaucht noch zusammengesprochen werden wie ein System von Worten, das nur durch die Willkür ineinandergehäkelt ist: sie muß im langsamen Keimen und Wachsen . . . einträchtig sich bilden; das Dunkle und Mystische der Erzeugung muß man ihr ansehen, der Geist aber hat keine Dunkelheit und Mystik; durch ihn kann man also nicht zur Gestalt geboren werden, sondern die Gestalt zerfällt vor ihm." Im Überschätzen der bloßen Macht des Geistes liegt die größte Gefahr für das Schicksal des deutschen Volkes. „Könnten Ideen allein die Welt bilden und beherrschen, so müßten wir im Himmel und auf Erden die Ersten sein . . . aber mit Wehmut müssen wir gestehen, daß dieser himmlische Reichtum uns irdisch arm gemacht hat, und daß andere unsere Erde zu besitzen bekommen, während wir für sie den Himmel erobern . . . Solches Hinausspielen des Lebens in eine fremde Welt, solche Ungestalt und Überfließung in ein fast ganz leibloses Dasein ist nirgends so in Europa zu sehen wie bei uns . . . daher unsere politische Erbärmlichkeit und Hilflosigkeit, das Unnationale und Trauriggleichgültige bei dem allgemeinen Elende des Volkes". In der Abfolge der Zeitalter ist der Orient die Welt der Herrschaft des Leibes, die Antike allein das harmonische Miteinander von Seele, Leib und Geist, während das losgelöste Ideentum dem Christentum eignet. „So machte die Metaphysik des Christentums ihre Götter zu Geistern, und sie wurden den Menschen zu Ungeheuern. Diese mit Fleisch und Gebein durchwebten Wesen können ihr Höchstes selbst nur in der Gestalt fassen, welcherlei sie auch sei; sie mußten also {pit Reliquien spielen; sie mußten die Mutter Gottes, sie mußten die Heiligen als bestimmte Gestalten hinstellen, um durch sie zu Gott kommen zu können. Im Universum, der Mutter aller Gestalten, ruht das Erbarmen; denn jede Gestalt hat ihren Schmerz, sei es auch in den süßesten Wehen des Gebärens; was keine Gestalt hat, geht nicht in das Universum ein, sondern fliegt darüber." S c h r i f t e n : Geist der Zeit, I, 1804/05; II, 1808; III, 1813. — Sämtl. Werke, bearb. V. E. Schirmer, Magdeburg 1909. — Auswahl von Paul Requadt, Leipz. 1934 (Kröner). L i t e r a t u r : Gundolf, Friedrich, Hutten, Klopstock, Arndt, Heidelb. 1924. — Frömbgen, Hanns, E. M. A. und d. deutsche Romantik, Essen 1926. — Schwarz, Hermann, E. M. A., ein Führer zum Deutschtum, Langensalza 1927. — Ruth, Paul Hermann, Arndt und die Geschichte, Ein Beitr. z. Arndtforschung u. zur Problemgeschichte des Historismus, München 1930. — Kern, Hans, E. M. A., Der ewige Deutsche, Jena 1930. — Eichborn, Wolfgang von, E. M. A. u. d. deutsche Nationalbewußtsein, Heidelberg 1933. — D. Bildungsidee in E.M.A.s Fragmenten über Menschenbildung im Vergl. m. d. Erziehungsgedanken in Piatons Politeia, Diss., Leipzig 1943. — Fahrner, Rudolf, Arndt. Geistiges u. politisches Verhalten, Stuttgart 1937.
Arnim, Hans von, aus dem Haus Fredenwaide-Uckermark, geb. 14. Sept. 1859, gest. Anfang Juni 1931. Promotion Greifswald 1882. Habilitation Halle a. d. Saale 1888. Professuren in Rostock 1892, Wien 1900, Frankfurt a. M. 1914, Wien 1921. Geh. Reg. Rat und Mitglied der Akademien in Wien, Amsterdam, Kopenhagen Philosophen-Lexikon
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Arnobius — Arríanos
und des archäologischen Instituts in Wien. Ehrenmitglied der Universität Rostock und der philosophischen Gesellschaft in Budapest. S c h r i f t e n : De Prologorum Euripideorum arte et interpolatione, 1882. — Philodemea, 1888. — Quellenstudien zu Philo von Alexandria, 1888. — Reden des Dion von Prusa, 2 Bde., 1893—96. — Leben u. Werke des Dion von Prusa, 1898. — Stoicorum veterum Fragmenta, 3 Bde., 1903/05. — Sprachliche Untersuchungen zur Chronologie der platonischen Dialoge, 1911. — Piatons Jugenddialoge und die Entstehungszeit des Phaidros, 1914. — Die Philosophie im Altertum, Kultur der Gegenwart, 1909. — Fragmente der Tragödien des Eurípides, 1913. — Xenophons Memorabilien und die Apologie des Sokrates, 1923. — Übersetzung von 12 Dramen des Eurípides. — Zur Entstehungsgeschichte der Aristotelischen Politik, 1924. — Die drei aristotelischen Ethiken, 1924. — Die Entstehungslehre der Gotteslehre des Aristoteles. Arius Didymus Abriß der peripatetischen Ethik. Das Ethische in Aristoteles Topik. Eudemische Ethik und Metaphysik. Die sprachliche Forschung als Grundlage der Chronologie der Platonischen Dialoge und des Kratylos, 1929.
Arnobius, starb um 326 n. Chr., Rhetor aus Sicca in Numidien. A. bekämpfte anfangs das Christentum, trat jedoch später zu ihm über und wurde sein Apologet. Seine Hauptschrift, „Gegen die Heiden", verfaßte er, um zur christlichen Taufe zugelassen zu werden (bald nach 303). Er lehrt die Einheit und Einzigkeit Gottes und lehnt die griechische und neuplatonische Allegorese ab. Gegen Tertullian behauptet er die Immaterialität und Körperlosigkeit Gottes. Christus ist ein wirklicher Gott, da er auf die sittlichen Zustände der Menschheit tiefgreifend eingewirkt sowie auch Wunder getan hat; gerade dieses letzte stellt ihn noch über die größten heidnischen Philosophen wie Piaton oder auch Numenius, obwohl die Sittenreinheit und Weisheit bei ihnen nicht bestritten werden kann. Unser Wissen von der Welt und von Gott ist unsicher, gleichgültig, ob es sieb nun auf Erfahrung gründet oder rein spekulativ ist; seine Mangelhaftigkeit erzeugt das Bedürfnis nach Offenbarung, ihr Wegbereiter ist die einzige Idee, die dem Menschen angeboren ist, die Gottesidee. Darum ist der Zweifel an der Existenz des höchsten Gottes unsinnig und braucht nicht erst widerlegt zu werden. Alle Erkenntnis schöpft die Seele aus der Wahrnehmung. Die platonische Lehre von dem Erkennen als Wiedererinnerung ist falsch, denn die Seele ist vor dem Vollzuge ihrer ersten Wahrnehmung gänzlich leer. Gegen Piaton und seine Lehre von der Präexistenz der Seele verficht A. die Theorie der Geschöpflichkeit: die Seele verdankt ihre Existenz einem zwischen Gott und der Welt befindlichen Mittelwesen. Ebenso behauptet A. ihre Körperlichkeit und natürliche Sterblichkeit. Sie kann nur durch die Gnade Gottes fortleben. Die Unsterblichkeit muß angenommen werden, um eine spätere Vergeltung möglich werden zu lassen. . S c h r i f t e n : Ausg. in: Patrología Latina, J. P. Migne, 5, Paris; Corpus script. eccles. latin., ed. acad. litt. Caes. Vindobon., Vindob. 1875; 4. — Übers,: J. Alleker, 1858. L i t e r a t u r : K. Meiser, Stud. z. A., 1908. — C. Brakman, Araobiana, Lugd. Bat. 1917.
Arnoldt, Emil, 1828 bis 1905. Kantforscher. S c h r i f t e n : Kritische Exkurse im Gebiete der Kantforschungen, Ges. Sehr. I—V. Gesamtausg. der Schriften: 10 Bde., herausg. von Otto Schöndörffer, Berlin 1906 f.
Arríanos aus Nikomedeia (Bithynien), Spätstoiker, der für die Philosophie durch Überlieferung der Reden des Epiktet von Bedeutung geworden ist. Er war Offizier und Praktiker und zeigte in seinem Leben und seiner Schätzung der Philosophie eine solche Ähnlichkeit mit Xenophon, daß er „Der zweite Xenophon" genannt wurde. Es war die praktische Richtung in der Lehre des Epiktet,
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Arseniew — Aspasios
die ihn zu dieser und zur Philosophie hinzog. Er verfaßte auch eine Schrift zur Meteorologie. L i t e r a t u r : A. Brinkmann (ergänzt von H. Herter), Die Meteorologie d. A., Rh. Mus. 73 (1924), 373—401. — E. Bolla, A. di Nicomedia, Torino e Palermo 1890 — K. Hartmann, A. u. Epiktet, Neue Jahrb. 15 (1905), 248—275; Zu den Schrift, u. Fragm. d. Flavius Arr., Berl. philol. Woch. 1910, 603 ff.
Arseniew, Nikolai v., geb. 28. Mai 1888 in Stockholm. Habilitiert an der Universität Moskau 1914, Professor in Saratof 1918, Privatdozent in Königsberg 1924, zugleich a. o. Professor, Warschau 1926. S c h r i f t e n : Ostkirche und Mystik, 1925. — Die Kirchen des Morgenlandes, Weltanschauung und Frömmigkeitsleben, 1926 (Sammlung Göschen). — Die russische Literatur der Neuzeit und der Gegenwart in ihren geistigen Zusammenhängen, 1929. — Pessimismus und Mystik, 1922 (russisch). — Der urchristliche Realismus und die Gegenwart, 1933 — Die Botschaft des Sieges, 1934. — D. christl. Abendland d. Gegenwart u. d. Geist d. Orthodoxen Kirche, Athen 1938. — V. d. Geist u. d. Glauben d. Kirche d. Ostens, Leipzig 1941. — D. Leiden u. d. Auferstehung d. Herrn in der Kirchengesch. d. orthodoxen Kirche d. Ostens, Wernigerode 1938, in: Das Evangelium u. d. Völker d. Ostens, H. 6. — D heilige Moskau, Paderborn 1940. — Ostkirche u. Mystik, 1924, 2. verm. Aufl., München 1943. L i t e r a t u r : Religion in Geschichte und Gegenwart, 2. Aufl.
Asklepiades, Freund des Menedemos, gehörte mit diesem zunächst zur platonischen Schule und wandte sich später der Lehre des Megarikers Stilpon, schließlich der der Phaidon-Schüler Anchipylos und Moschos zu. Er verpflanzte mit Menedemos die elische Schule in ihre Vaterstadt Eretria, woher sie auch den Namen der eretrischen Schule führte. Asklepiades von Prusa oder Chios in Bithynien, Arzt und Anhänger des Epikureismus, der durch ihn Einfluß auf die Medizin gewann. Er anerkannte die Lehre des Epikur vollkommen und erweiterte nur ihre sensualistischen Grundvoraussetzungen, indem er der Seele den vernünftigen Teil, das 'Hyejaovixov absprach und sie lediglich in der übereinstimmenden Tätigkeit der Sinneswerkzeuge aufgehen ließ. Er bildete ferner den physikalischen Begriff der "Avapfin '¡•¡Mi, der Atome, die bei ihrem Zusammenstoß zersplittern. Zwischen ihnen liegen die iT^poi. L i t e r a t u r : Sext. Emp. Hyp. Pyrr. 3,32, adv. math. 10, 318. — H. Diels, Dox. 610, 21 ff. — G. M. Raynaud, De A, Bithyno medico ac philosopho, Paris 1862, Thesis.
Asklepiodotos, Schüler des Mittelstoikers Poseidonios von Rhodos, besorgte die Erhaltung und Weitergabe von dessen Lehren. Asklepiodotos von Alexandreia, Neuplatoniker der alexandrinischen Richtung, lebte in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts n. Chr. Er war ein Schüler des athenischen Scholarchen Proklos, schloß sich jedoch nicht an dessen unkritische metaphysische Spekulation an, sondern pflegte überwiegend die Gebiete der Naturwissenschaft und der Mathematik. Er schrieb einen Kommentar zu Piatons Timaios. L i t e r a t u r : R. Asmus, Der Neuplatoniker A, d. Gr., Archiv f. Gesch. d. Medizin, 7 (1914), 26—42.
Asklepios der Jüngere, Neuplatoniker der alexandrinischen Richtung, Schüler des Ammonios Hermeiou. Kommentator. Aspasios, Peripatetiker aus der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr., Aristoteleskommentator. 4»
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Ast — Athenodoros
Ast, Friedrich, geb. 29. Dezember 1778 in Gotha, gest. 31. Oktober 1841 in München. Professor in Landshut und München. Anhänger Schellmgs, versucht als erster in der geschichtlichen Entwicklung der Philosophie eine vernünftige Notwendigkeit nachzuweisen. S c h r i f t e n : Handbuch d. Ästhetik, Lpz. 1805. — Grundlinien d. Philosophie, Landshut 1807, 2. Aufl. 1809. — Grundriß einer Gesch. d. Philos., Landshut 1807, 2. Aufl. 1825 (Hauptwerk). — Piatons Leben und Schriften, Lpz. 1816. — Lexicon Platonicum, 1834—39.
Astaljew, 1846 bis 1893. Professor in Moskau. Schließt sich an Leibniz an. S c h r i f t e n : Glauben und Wissen in der Einheit der Weltanschauung, Versuch einer kritischen Monadologie, Moskau 1893.
Aster, Ernst von, geb. 18. Februar 1880 in Berlin. Promoviert Mai 1902, habilitiert Juli 1905, a. o, Professor in München 1913, ord. Professor in Gießen 1920 bis 1933. S c h r i f t e n : Prinzipien der Erkenntnislehre (Versuch zur Neubegründung des Nominalismus), Lpz. 1913. — Kant 1909, 2. Aufl. 1918. — Geschichte der neueren Erkenntnistheorie (von Descartes bis Hegel), 1921. — Geschichte der englischen Philosophie, 1927. — Die französische Revolution in der Entwicklung ihrer politischen Ideen, 1926. — Psychoanalyse 1930 (Volksverband der Bücherfreunde). — Naturphilosophie, 1932. — Geschichte der Philosophie, 1933, 2. verb. Aufl. 1935.
Asturaro, A„ 1854 bis 1917. Italienischer Soziologe, der eine sozialistische Moralphilosophie gestaltet. S c h r i f t e n : Gli ideali del posit. e della filos. scient. Gen. 1891. — La sociol. e le scienze sociali, Chiavari, 1893. — La sociologia morale, Chiavari 1900. — La sociologia: i suoi metodi e le sue scoperte, 2. ed. Gen. 1907.
Athanasius, von Alexandrien. 296 bis 373. Lehrt die Wesensgleichheit, nicht nur Ähnlichkeit des Logos (Christus) und des hl. Geistes mit Gott-Vater. S c h r i f t e n : J. P. Migne, Patrologia Graeca, Bd. 25—28. — Auswahl, dt., in: Bibl. der Kirchenväter, Bd. 13 u. 31. — Kritische Ausgabe, Berlin, ab 1934. L i t e r a t u r : G. Bardy, A., Paris, 3. A. 1925. — Hans-Georg Opitz, Untersuchungen z. Überlieferung d. Schriften d. Athanasius, Berlin 1935. — Lexicon Athanasianum, Berlin 1944.
Athenagoras von Athen, einer der Apologeten des Christentums, um 177. In seiner, für den Kaiser Marc Aurel und seinen Sohn Commodus bestimmten Apologie begründet er die Lehre von der Dreieinigkeit Gottes. Erstmalig findet sich bei ihm ein Vernunftbeweis für den Monotheismus, in dem er lehrt, daß Gott den Raum außerhalb der Welt, die er als Kugel geschaffen habe, einnehme. In dieser These zeigt sich noch ein deutlicher Einfluß der platonischen Philosophie. — Nach A. vermittelt nur die heilige Schrift, besonders die Lehren des Moses, des Jeremias und vor allem der anderen Propheten die wahre Erkenntnis, da Gott diese als Werkzeug seiner Mitteilung an die Menschen benutzt hat. Alles ist durch den göttlichen Logos entstanden; der Logos ist der Sohn Gottes, im Geiste sind beide durch seine Kraft eins. Wichtig ist für A. ferner die christliche Forderung der Liebe. S c h r i f t e n : Samml. in: Corpus apologetarum saeculi II, ed. J. C. Th. de Otto, vol VII, Jena 1857. L i t e r a t u r : J. Geffcken, Zwei griech. Apologeten (Aristides u. Athenagoras), 1907. — A. Bieringer, Übers, in: Bibl. d. Kirchenväter, Kempten 1875. — F. Schübring, D. Philos. d. Athenagoras, Progr. d. Kölln. Gymnas. 1882. — K. F. Bauer, D. Lehre d. Athenagoras v. Gottes Einheit u. Dreieinigkeit, I. D., Lpz. 1903. — Pappalardo, II monoteismo e la dottrina del logos in Athenagora, Didasc. 1924, 11—40.
Athenodoros, Sohn des Sandon, Spätstoiker.
Athenodoros Kordylion — Augustinus
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Athenodoros Kordylion aus Tarsos, Spätstoiker, in seinen späteren Jahren Begleiter und Freund des jüngeren Cato. Ihm waren, da er Vorsteher der pergamenischen Bibliothek war, auch die Schriften Zenons von Kition leicht zugänglich, eine Möglichkeit, die er benutzte, um aus dessen Werken die den Stoikern seiner Zeit nicht mehr genehmen Stellen zu tilgen (Diog. L. 7, 34). Attalos, Spätstoiker aus der Zeit des Tiberius, lebte in Rom und war Lehrer des Seneca. Attikos, Platoniker, um 176 n. Chr., übte im Anschluß an Nikostratos eine eingehende Kritik an den Lehren des Aristoteles, vornehmlich, um gegenüber Versuchen, die die platonische und aristotelische Schule einander annähern und vereinigen wollten, die Grenzen beider Philosophien klar zu zeichnen. L i t e r a t u r : K. Praechter, Hermes 48 (1913), 480, 2; 57 (1922), 494 f.
Augustinus, Aurelius, geb. 31. November 354 in Thagaste (Numidien), gest. 28. August 430 in Hippo. A. war ein Sohn des Heiden Patricius, der erst kurz vor seinem Tode zum Christentum übertrat, und der Christin Monica, die in außerordentlichem Maße auf die Entwicklung des überaus begabten Sohnes einwirkte. Er genoß seine Ausbildung zu Thagaste, Madaura und Karthago und lehrte sodann in seiner Vaterstadt Thagaste, sowie in Karthago, Rom und Mailand Rhetorik. Sein Lebenswandel wurde ihm zuerst durch Ciceros Schrift Hortensius zweifelhaft, und die durch dieses Werk angeregte Neigung zu philosophischer Überlegung wurde durch den Einfluß des Bischofs Ambrosius von Mailand vertieft, so daß er, auch bestimmt durch die Bitten seiner Mutter, sich Ostern 387 taufen ließ. Im nächsten Jahre kehrte er nach Thagaste zurück und leitete dort einen asketischen Verein; 391 wählte ihn die Gemeinde von Hippo Regius zum Presbyter, 395 ließ ihn der Bischof von Hippo, Valerius, zum Mitbischof weihen. Nach dem Tode des Valerius versah er das Bischofsamt allein. Während der Belagerung von Hippo durch die Vandalen starb er. Nachdem A. seinen Drang nach Wahrheit und Einsicht zunächst im Manichäismus zu befriedigen versucht hatte, gelangte er besonders infolge der astronomischen Ungereimtheiten des manichäischen Dogmas zu dem Skeptizismus der Akademie, konnte sich aber auf die Dauer von dessen Richtigkeit und Möglichkeit nicht überzeugen und vertiefte sich in den Neuplatonismus, ohne daß auch dieser vermocht hätte, ihn zu halten. Endlich fand er Beruhigung in der Gottesidee des Christentums, Sein Bekenntnis: Fecisti nos ad te, domine, et inquietum est cor nostrum, donec requiescat in te, bedeutet den Abschluß seiner Wanderung. (Zu Dir hin hast Du uns geschaffen, Herr, und unser Herz ist unruhig, bis es in Dir Ruhe findet.) Ethik, Dialektik und Physik sind ihm die Werkzeuge zu dieser Erkenntnis. Jedoch sind die Wissenschaften, wie A. besonders in seiner späteren Zeit sagt, zur Erkenntnis Gottes nicht unerläßlich; denn es gäbe viele Männer, die auch ohne Kenntnis der Wissenschaften und ihrer Methoden heilig seien, und viele andere, die es trotz des Besitzes der Wissenschaften nicht seien. Aber es bleibt das natürliche Streben, das, was wir fest glauben, auch durch die Vernunft zu erkennen. Gegen die Skepsis der Akademiker verteidigt A. die Möglichkeit wie auch die Geltung rechten Wissens, Er weist hierzu darauf hin, daß in einer kontradiktorischen Opposition das eine der Glieder wahr sein müsse; außerdem wäre es ein Widersinn, wenn es dem Menschen, der die Wahrheit suche, nicht gelingen könnte, sie zu finden; denn er würde alsdann unglücklich bleiben m ü s s e n , da niemand suche, was er nicht zu finden wünsche. Freilich wird der einsichtige Mensch die volle Glückseligkeit erst im jenseitigen Leben erwart«n.
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Sodann aber müssen zumindest die sinnlichen Wahrnehmungen subjektiv wahr sein, da ihr Vorhandensein nicht bestritten werden kann. Daher ist es unmöglich, an dem eigenen Leben zu zweifeln, und A. gelangt zu dem Grundsatz, den später Descartes wieder zur Grundlage seiner Philosophie machte, daß das eigene Denken und die eigene Existenz unbezweifelbar und gewiß seien. Die Existenz von Körpern freilich ist nicht erweisbar und kann nur geglaubt werden. Die Erkenntnis entsteht in der Weise, daß die Sinnesempfindungen, die uns gegeben werden, als Objekte in den inneren Sinn eingehen, der dann von der Vernunft erkannt wird. Die Vernunft vermag sich auch selbst zum Gegenstand des Erkennens zu werden. Analysiert man den Vorgang, so ergibt sich, daß jedesmal etwas, das erkannt werden soll, unter dem Beurteilenden steht. Dieses Beurteilende muß aber selbst wieder unter einem weiteren stehen, welches sein Urteil ermöglicht. So steht auch die ganze menschliche Vernunft unter einem Höheren; denn sie ist wandelbar und darum von der absoluten Wahrheit abhängig. — Zu dieser Folgerung führt uns der Zweifel an der Zuverlässigkeit der Vernunft, und wenigstens diese Erkenntnis des Zweifels besitzt bereits Wahrheit, so daß also, so folgert A., an der Wahrheit selbst nicht gezweifelt werden kann. Uns ist es im Erkennen somit wenigstens möglich, die Richtung auf sie zu nehmen, die unser menschliches Streben nach Wissen überhaupt erst sinnvoll macht. Sie ist unwandelbar und darum Gott selbst; denn Höheres als sie kann nicht gedacht werden, sie zu erreichen ist die höchste Glückseligkeit, und darum ist sie auch das höchste Gut. Gott oder die Wahrheit gibt allem, was ist, die Form und die Einheit, und Gott ist in dieser absoluten Einheit auch absolute Schönheit, von der alle andere Schönheit abhängt. Er ist aber auch, da er die absolute Wahrheit ist, der Ort der Ideen, und nur eben durch die Teilnahme des endlichen Intellektes an diesen ewigen göttlichen Ideen, die Gott allererst durch Erleuchtung (Illumination) des menschlichen Verstandes möglich macht, findet wahre endliche Erkenntnis statt. Die Wahrheit ist zugleich der Welt und ihrer Struktur immanent. Sie hat also nicht allein logisch - erkenntnistheoretischen, sondern ontologischen Bestand; denn Gott erschuf die Welt in der Vernunft der Ideen. In die Urmaterie legte er die Keimformen der Dinge, und die Ordnung der Welt besteht in der Entfaltung der Dinge nach diesen in ihnen befindlichen logischen Formen. Gott hat als einfaches Wesen keine Qualität, die von ihm als Substanz verschieden sein könnte, darum kann eine Unterscheidung zwischen Qualität und Substanz bei ihm nicht getroffen werden. Gott kann in strengem Sinne niemals unter einer Kategorie erfaßt werden, obwohl oder gerade weil er die höchste Realität besitzt. Gott ist Essenz, die in sich unterschiedslos ist und aus der lediglich unser Denken die Merkmale oder Eigenschaften der Wahrheit, Güte, Schönheit, Glückseligkeit usw. isoliert. Darum muß auch jede Aussage über Gott unsicher sein und wir können nicht wissen, ob sie wirklich gilt; wir können nur sicher angeben, was Gott nicht ist. So wird Gott zu dem Prinzip des Seins, Erkennens und Lebens; in ihm sind, erkennen und leben wir. In der Trinitätslehre steht er auf dem anerkannten athanasianischen Boden und lehnt die Einheit Gottes als Einheit der Dreiheit Vater, Sohn und Heiliger Geist zugunsten des Dogmas ab, daß Gott in jeder der drei Personen ganz gegenwärtig sei, daß also die Trinität der Person Gottes und die Einheit seines Wesens zusammen bestehen. Gott ist als das höchste Sein unveränderlich, und darum hat er die Welt aus dem Nichts erschaffen; die Welt existiert nur durch den fortdauernden und ununterbrochenen Vollzug der Schöpfung (creatio continua). Der Wille Gottes bei der Schöpfung der Welt enthält das Gute; das Böse ent-
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stammt dem Nichtsein, aus dem auch das Veränderliche der Welt hervorgeht. Und wenn auch das höchste Sein, die summa essentia, in allem Weltlichen gegenwärtig ist, so ist also doch das Sein der Welt ein vermindertes gegenüber dem Sein Gottes. Das weltschöpferische Schaffen Gottes ist nicht ein ewiges, d. h. die Welt ist dem Raum und der Zeit nach begrenzt; sie entstand mit der Schöpfung der Bewegung und deren Maß: der Zeit. Für die augustinische Erkenntnistheorie besitzt der Begriff der Zeit zum erstenmal wieder seit Aristoteles eine hervorragende Bedeutung. A. behandelt in seiner Analyse der Zeit die besondere Funktion des Bewußtseins als ihrer eigentlichen Grundlage und betont, daß die Feststellung einer bestimmten Zeit nur durch Vergleich des zu beurteilenden Erlebnisses mit einer bereits erlebten Dauer möglich sei und stattfinden könne, mithin ein rein geistiger Vorgang sei. Der Koexistenz der Dinge in Gott steht dieses ihr Nacheinander im menschlichen Bewußtsein gegenüber: „Wie viele unserer und unserer Väter Tage", sagt er einmal, „sind schon durch Dein Heute hindurchgegangen" (quam multi iam dies nostri et patrum nostrorum per hodiernum tuum transierunt, Conf. I, VI, 10). Der Mensch ist die höchste Schöpfung, die in sich das Mineral-, das Pflanzenund das Tierreich vereinigt, und kraft ihrer Vernunft die Welten des Materiellen miteinander verbindet. Der immaterielle Bestandteil des Leibes, die Seele, ist Substanz; sie enthält nichts Materielles, sondern nur Funktionen, unter denen das Gedächtnis, der Verstand und der Wille von A. ausdrücklich genannt werden. Die Psychologie A.s wiederholt in ihrer Bestimmung des Verhältnisses der drei Funktionen der Seele zu ihr selbst die Vorstellungen aus der Trinitätslehre. Denn die drei verhalten sich nicht wie Akzidentien zu der Substanz, sondern besitzen selbst Substantialität, sind also mit der Seele dem Wesen nach eins und treten zugleich funktional besondert aus ihr hervor. Die Besonderung ist dabei immerhin eine so tiefe, daß die Funktionen sich jeweils auf sich selbst richten können: der Intellekt kann sich selbst erkennen, das Gedächtnis sich des Gedächtnisses erinnern und der Wille sich selbst wollen oder nicht wollen. Da die Seele nur infolge ihrer Teilhabe an der unveränderlichen Wahrheit Gottes existiert, hat sie auch Teil wie an der ewigen Vernunft, so an dem Leben Gottes, sie ist also wesentlich unsterblich. Die Sünde vernichtet nicht das ewige Leben, sondern das ewige selige Leben. Da der Wille sich frei über seine Betätigungsweise entscheiden kann, vermag er sich also auch vom Höheren, das zu Gott führt, abzuwenden und dem tieferen, das von Gott wegführt, zuzuwenden. In dieser Entscheidung liegt das Böse, nicht in dem Tieferen als solchem; das Böse ist also eine Schädigung des Guten, die Privatio oder Amissio boni. Mit dieser Theorie überwindet A. die Lehre des Manichäismus, der dem Bösen eine besondere Wesenheit zuerteilte und es als Substanz auffaßte. Hiermit hat A. zugleich das tragende Fundament seiner Theodizee gelegt. Denn wenn das Böse eine Negation ist, dann muß das von Gott gewollte Sein gut sein. Dann aber kann das Böse nicht aus dem göttlichen Weltzusammenhang herausfallen. Und in der Tat übt das Böse im großen Zusammenhang der Dinge nur die Funktion der Abhebung und Förderung des Guten aus: contrariorum oppositione saeculi pulchritudo componitur (De civ. Dei, XI, 18). Moralisch befindet sich der Mensch nach Adam im Stande des Non posse non peccare. Schuld daran trägt die Versündigung Adams, dem das Posse non peccare gegeben war, der aber aus sinnlicher Lust und aus Stolz gegen das göttliche Gebot fehlte. In den Stand des Non posse peccare werden erst die Seligen durch die unverdiente Gnade und Barmherzigkeit Gottes gesetzt sein.
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Augustinus
Mit der Lehre von der Freiheit des Willens und der Möglichkeit einer freien Abwendung von Gott lehrt A. die Prädestination, die ebenfalls bereits in der Lehre vom Bösen und der Theodizee angelegt ist. Gott hat auch die Verderbnis der Natur des Menschen durch die sündige Anwendung des freien Willens vorausgesehen und sie trotzdem zugelassen, und wie das Böse, so tut der Mensch auch das Gute durch Gottes Wirken. Potestas nostra ipse (deus) est, (Solil. II, 1, n. 1.) Die Lehre von der Prädestination hat grundlegende Bedeutung auch für die Geschichtsphilosophie A.s. Gott begründete aus Gnade neben der in das Irdische verstrickten Gemeinschaft (Civitas terrena) die Civitas coelestis oder Civitas Dei, den Gottesstaat. Die Menschheitsgeschichte wird der Kampf zwischen diesen beiden Reichen, dem Reiche der Gottesfeinde oder des Teufels und dem Reiche der Gottgehorsamen. Die Prädestination bestimmt dabei das Reich Gottes zu einer ewigen Herrschaft mit Gott, das Reich des Teufels zur ewigen Strafe zusammen mit dem Teufel. A. nimmt sechs Geschichtsperioden an: die erste reicht von Adam bis Noah und liegt ungefähr 6000 Jahre zurück, die beiden Reiche stellen sich in Kain und Abel dar, ihr Abschluß ist die Sintflut; die zweite reicht von Noah bis Abraham; die dritte von diesem bis David; die vierte bis zur babylonischen Gefangenschaft; die fünfte bis auf Christus. Die sechste Periode ist die christliche und endet mit der irdischen Geschichte überhaupt. In ihr findet der Sieg der Gläubigen, das Geschenk der Gnade und die Verurteilung der Civitas terrena zur ewigen Verdammnis statt; die Menschheitsgeschichte hört mit einer endgültigen Trennung des Guten vom Bösen auf. S c h r i f t e n : De pulchro et apto (noch manichäistisch, verloren). — Contra Académicos; De beata vita; De ordine; Soliloquia, 386. — Im Jahre 387 begann er die Abhandlung De immprtalitate animae als Skizze; er vollendete aus den geplanten Artes liberales die Grammatik und entwarf die Dialektik, Rhetorik, Geometrie, Arithmetik, Musik und Philosophie (die Echtheit der Grammatik sowie der Prinzipien der Dialektik und Rhetorik ist umstritten). — 387/88: De quantitate animae; De libero arbitrio (3 Bücher, die beiden letzten erst 395 verfaßt); De moribus ecclesiae catholicae und De moribus Manichaeorum, beide nach seiner Rückkehr nach Thagaste (388) vollendet, ebenso wie die Bücher über die Musik. — 388/390: De Genesi contra Manichaeos; De magistro (Dialog); De vera religione. — 391: De utilitate credendi; De duabus animabus; Contra Adimantum Manichaei diseipulum; Acta seu disputatio contra Fortunatum Manichaeum; De Genesi ad litteram Über imperfectus; De fide et symbolo; De mendacio. — De trinitate (398—416). — De doctrina christiana (397—426).— C o n f e s s i o n e s (um 400). — De Genesi ad litteram libri XII (401—415). — D e c i v i t a t e D e i (begonnen 413, vollendet 426). — Enchiridion ad Laurentium sive de fide, spe et caritate liber unus (um 421). — Retractiones (gegen 430). — Gesamtausg.: Mauriner, 11 Fol.-Bde., Paris 1679—1700; nachgedruckt beiJ. P. Migne, Patrología latina, 32—47, Paris 1845 f. — Übers.: Bibl. d. Kirchvät., Kempt. u. Münch., 1—3 (16,28); Schröder, Gottesstaat, 1911—1916; 4—6 (8, 11, 19); Specht, Johannesev. 1913—1917; 9—10 (29 f.); Hoffmann, Briefe, 1917; 8 (49); S. Mitterer, Ausgew. prakt. Schriften. — De beata vita, J. Hessen, Philos. Bibl. 183, 1923. L i t e r a t u r : E. Troeltsch, A., D. christl. Antike u. d. Mittelalt., 1915. — J . Mausbach, Theol. Revue 25 (1926), 6 ff., zu: B. Legewie, A., eine-Psychographie 1925. — M. Baumgartner, A.» (Gr. Denker, Bd. I), 1923. — R. Seeberg, A. u. d. Neuplat., in: Mod. Irrtümer im Spieg. d. Gesch., hrsg. v. W. Laible, 1912, 95—113. — J . Hessen, D. Begründ. d. Erkennt, n. d. hl. A., Beitr. z. Gesch. d. Philos. d. Mittelalt., XIX 2, Münst. 1916; D. August. Gottesbeweis usw., 1921. — M. Wundt, D. Zeitbegrifl b. A. Neue Jahrbb. f. klass. Altert. 1918, 32—37. — J . M. Verweyen, D. Problem d. Willensfr. in d. Scholast. 1909, 15—23. — H, Leisegang, D. Ursprung d. Lehre A.s v. d. Civitas Dei, Arch. Kulturgesch. 16 (1925), 127—158. — O. Schilling, D. Staats- u. Soziallehre d. hlg. A., 1910. — Schubert, Alois, A.s Lex-aeterna-Lehre, 1924; in: Beitr. z. Gesch. d. Mittelalt., XXIV.
Austin — Avenarius
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Avendeath — Averroes
mannigfaltigen Aussagen und das Ausgesagte in irgendwelcher Abhängigkeit von der Umgebung an." Individuen und Umgebung sind in gleicher Weise unterschiedslos vorgefunden. „Ich und die Umgebung stehen hinsichtlich des Gegebenseins vollständig auf gleicher Stufe: ich erfahre die Umgebung in genau demselben Sinne, wie mich — als Zugehörige e i n e r Erfahrung und beide Erfahrungswerte, Ich und Umgebung, sind in jeder Erfahrung, welche sich verwirklicht, einander prinzipiell zugeordnet und gleichwertig." A. nennt dies die „empiriokritische Prinzipalkoordination". A. hat ein kompliziertes Zeichensystem ausgebildet, um die Abhängigkeitsbeziehungen zu fixieren, die zwischen Individuum und Umwelt bestehen können. Er denkt dabei ganz im Geiste der biologischen Betrachtungsweise, wenn er von R-Werten spricht, die die Umgebung, C-Werten, die das Nervensystem des Individuums, und S-Werten, die die aufgenommene Nahrung bezeichnen. Als „Aussageinhalte", zu denen auch die „Erfahrung" gehört, treten hinzu die Werte E. Sie sind abhängig von C, d. h. dem Nervensystem des Individuums, und, sofern sie als echte Erfahrung gelten können, auch von R, d. h. der Umgebung. Die E-Werte werden geschieden in „Elemente" und „Charaktere". Elemente sind die Empfindungsinhalte, die für A. identisch sind mit den Empfindungsgegenständen und mit den Reizen, Charaktere sind subjektive Reaktionen auf die Empfindungen, wie Lustgefühle usw. Wahrheit und Unwahrheit im logischen Sinne gibt es für A. nicht. Die Erkenntnis orientiert sich lediglich an dem Maß des Kraftaufwandes, das erforderlich ist, um die Erfahrung zu vollziehen. S c h r i f t e n : Über die beiden ersten Phasen des Spinozistischen Pantheismus und das Verhältnis zur zweiten und dritten Phase usw., Leipzig 1868. — Philosophie als Denken der Welt gemäß dem Prinzip des kleinsten Kraftmaßes. Prolegomena zu einer Kritik der reinen Erfahrung, Leipzig 1876, 2. Aufl. 1903. — Kritik der reinen Erfahrung, 2 Bde., 1888/1900, 2. Aufl. 1907/08. — Der menschliche Weltbegriff, Leipzig 1891, 2. Aull. 19005, 3. Aufl. 1912; Russisch: Moskau 1909. — Bemerkungen zum Begriff des Gegenstandes der Psychologie, Vierteljahrsschrift 18—19, 1894/95; Russisch: Moskau 1911. — Aus dem Nachlaß: Zur Terminalfunktion, in: Zeitschr. f. positivistische Philosophie, I, 1913. — Selbstbericht von Avenarius über seine Schriften, ebenda, I, 1913. — Seit 1877 Herausg. von „Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie". L i t e r a t u r : W. Schuppe, Die Bestätigung des reinen Realismus, Offener Brief an Avenarius, in Vierteljahrsschrift, Bd. 17, 1893. — F. Carstanjen, Avenarius, Minden 1897. — W. Wundt, Uber naiven und krit. Realismus, in: Philosophische Studien, 13, 1896. — Ewald, R. A., 1905. — J. Suter, Die Philosophie von Richard Avenarius, Darstellung und erkenntniskritische Würdigung, Zürich 1910. — F. Raab, Die Philosophie von Rieh. Avenarius, Leipzig 1919. — Alwin Hirche, D. Ich d. Empiriokritizismus, Diss., Leipzig 1913. — Lenin, Materialismus u. Empiriokritizismus, Ges. W. Bd. XIII, Wien—Berlin 1927; Neuausgabe, Moskau u. Leningrad, 1935.
Avendeath (Avendear, Johannes ben David, Johannes Hispanus). Spanischer Jude im 13. Jahrhundert. Übersetzer von Schriften des Aristoteles, Avicenna usw. Averroes (Abü-l-Walid Mohammed Ibn . . . Ibn Roschd), geb. 1126 zu Cordova, nach Studien in der Theologie, Jurisprudenz, Medizin, Mathematik und Philosophie Richter in Sevilla, dann Cordova, 1182 Leibarzt des Kalifen Abü Ja'qüb Jüsuf, zugleich in dessen Auftrag Bearbeiter der aristotelischen Werke. Nachdem er anfänglich auch bei Ja'qüb Al-Mansür, dem Sohn des Kalifen, der ihm in der Regierung gefolgt war, in hoher Gunst gestanden hatte, wurde er angeklagt, dem Mohammedanismus mit Hilfe der griechischen Philosophie Schaden zugefügt zu haben, und wurde verbannt, später aber wurde ihm wieder der
Avicebron — Avicenna
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Aufenthalt in Marokko gestattet. Er starb dort 1198. Die philosophiefeindliche Aktion zugunsten der orthodoxen mohammedanischen Religion von Al-Mansür endete mit der Verbrennung aller aufgefundenen logischen und metaphysischen Werke und der Unterdrückung der griechischen Philosophie. Für A. war Aristoteles der Höhepunkt schlechthin aller Philosophie. Seine Arbeit galt zunächst der Wiederherstellung des wahren Aristoteles, der nach seiner Meinung durch die Darstellungen von Kindi bis Abubacer unrichtig wiedergegeben und interpretiert worden war, sodann der Kritik der islamischen Theologie durch Verbindung der aristotelischen Lehren mit dem Koran. Dem Unternehmen lag der Grundsatz zugrunde, daß die Religion die philosophische Wahrheit sei, die nur zum Zwecke einfachster Verständlichkeit in der Form des Bildes gegeben werde, so daß mithin allegorische Ausdeutung zu den tieferen Schichten des intelligiblen Zusammenhanges gelangen lasse. Die Übereinstimmung der religiösen geoffenbarten und der philosophischen wissenschaftlich formulierten Wahrheit erklärt A. mit der Existenz nur Einen aktiven Verstandes, eben des göttlichen. Dieser aktualisiert den potentiellen Intellekt des Menschen zum erworbenen Intellekt. — Diese Lehre wird durch den Henopsychismus des A. gestützt, nach welchem infolge der Unmöglichkeit einer Teilung des Geistes zu Individuen (weil er dadurch der Materie gleich würde) für die Gesamtheit aller Menschen eine ihnen gemeinsame Seelensubstanz existiert. Diese gemeinsame vernünftige Seele denkt sich A. in neuplatonischer Auffassung als eine Emanation der Gottheit. Sie bewegt den untersten der Kreise des Himmels, die Mondsphäre. Infolge der Gemeinsamkeit des Verstandes ist die Seele nur insofern unsterblich, als sie in dem seelischen Ganzen ist, als individuelle Seele also nicht. — Die in der Materie vorgebildeten Formen entfalten sich durch die ständig tiefere Sphären erreichende Emanation der Gottheit, welche auf sie einwirkt, wie die ganze dingliche Welt in der Aktualisierung ihrer Potentialität existiert. Es gibt keine Schöpfung in der Zeit, sondern nur das anfanglose Geschaffenwerden. Die Wissenschaft erstrebt nicht die Erkenntnis des Allgemeinen, sondern der Individuen, insofern sie allgemein erfaßbar sind. A. stimmt mit Avicenna darin überein, daß das Denken die Universalität in den Formen bewirkt: intellectus in formis agit universalitatem (Scientia . . . non est scientia rei universalis, sed est scientia particularium modo universali, quem facit intellectus in particularibus, cum abstrahit ab eis naturam unam communem, quae divisa est in materiis). S c h r i f t e n : Gesamtausg. Venedig 1553. — P. Mandonnet, Siger de Brabant, Ile p., 2e éd. Louvain 1908. — M. Horten, Die Hauptprobl. d. A. n. s. Schrift.: Die Widerleg, d. Gazâlî, aus d. arabisch. Original übers, u. erl., Bonn 1912; Ders., Die Metaphysik d. A., nach d. Arab. übers, u. erl., Halle 1912. L i t e r a t u r : Siebeck, Zur Psychol. d. Scholast., Archiv für Gesch. d. Philos., 2,517 f.; з, 370 f. — L. Gauthier, La théorie d'Ibn Roschd sur les rapports de la religion et de la philosophie, Paris 1909, — Bouyges, P. M., Notes sur les philosophes arabes connus des Latins au moyen-âge. Inventaire des textes arabes d'Averroès, Beyrouth 1922 (in: Mélanges de l'université Saint-Joseph Beyrouth, T. 8, fasc. 1; Dass., VI, suite, Beyrouth 1924, ebda. T. 9, fasc. 2). — Grabmann, Martin, Der lateinische Averroismus des 13. Jahrhunderts и. s. Stellung z. christlichen Weltanschauung, Münch. 1931, in: Sitzungsber. d. Bayer. Akad. d. Wissenschaften. — E. Renan, A. et l'Averroisme, Paris 1861.
Ayicebron (Avencebrol) s. Gebirol. Avicenna (Ibn Sina), 980 bis 1037. Berühmter arabischer Arzt und Philosoph, Schüler des Alfarabi, verbindet wie dieser Aristotelismus und Neuplatonismus. Das Hauptwerk des A. ist eine große philosophische Enzyklopädie, die er nach Logik, Physik, Mathematik und Metaphysik einteilte. Seine philosophische
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Axionikus — Baader
Lehre weicht darin von der des Alfarabi ab, daß er sich stärker als dieser von Aristoteles beeinflussen ließ. — Vor allem in der Universalienfrage gewann A. Bedeutung; die Grundthese, von der er ausgeht, ist der Satz, daß der Intellekt die Universalität in den Formen bewirkt (Intellectus in formis agit unversalitatem). Die Genera besitzen nach ihm dreierlei Seinsmodi, sie sind sowohl ante res (im Verstände Gottes, wie das Kunstwerk im Künstler vor seiner Konkretion im natürlichen Dasein), als auch in rebus (dem natürlichen Ding ist das Universale immanent), als auch post res (in der abstraktiven Erfassung durch den menschlichen Intellekt). Die Universalien gehören also der Sphäre der Secunda intentio an, insofern sie zu den eigentümlichen Dispositionen gehören, unter denen unser Denken steht, während die wahrnehmende Betrachtung der empirischen Dinge zur Sphäre der Intentio prima gehört. In Übereinstimmung mit Aristoteles und gegen die Emanationstheorie des Alfarabi nimmt A. die Ewigkeit der Materie an, die der Grund der individuellen Vielheit der Einzeldinge ist. Da Gott in seiner Ewigkeit unmittelbar das Veränderliche nicht schaffen kann, so erzeugt er allein die Intelligentia prima, von welcher kontinuierlich die Emanation des in den Himmelssphären und auf der Erde Seienden erfolgt, so daß also die Welt zugleich von Gott abhängig und ewig ist, wie er selbst. Die eigenartige Verbindung aristotelischer und neuplatonischer Denkelemente läßt A. die Erkenntnisformen als von dem aktiven Weltgeiste, der nach ihm mit der Mondsphäre verbunden ist, den Menschen fertig eingeprägt bestimmen, also nicht, wie in der Scholastik des Okzident, als unmittelbar von Gott. Die Entfaltung der Potentialität des menschlichen Intellekts zu seiner Aktualität findet nach A. entweder durch Unterricht und Lernen oder, allerdings nur in seltenen Fällen, durch das direkte erleuchtende Einwirken Gottes auf ihn statt. S c h r i f t e n : Avicennae peripatetici philosophi ac medic. facile primi opera in lucem redacta, Venet. 1495; 1508; 1546, ab Andrea Alpago Bellunensi. — P. Vattier, Eine Bearbeitg. d. Logik, Paris 1658 (franz.). — Schmölders, Documenta philos. Arab., 26—42. — M. Horten, D. Buch d. Genesung d. Seele, eine philos. Enzyklopädie Avicennas, XIII. Teil: Die Metaphysik, Halle 1907—1909. L i t e r a t u r : M Horten, D. Philosophie d. Islam usw., Bonn 1924, 57—101. — A. F. Mehren, La philosophie d'Avicenne, expos, d'apr. des docum. inédits, Mars. 1882. — G Schelhot, Avicenne et le platonisme, Machriq 2, 823—830; Archiv f. Gesch. d. Philos., Lpz. 1923, XIX, 441 u. ö. — C. Sauter, A.s Bearbeitung d. aristotel. Metaphysik, 1912, dazu: Horten, Zeitschr. d, deutsch. Morgenland. Gesellsch. 66, 751 f. — B. Haneberg, Zur Erkenntnislehre des Ibn Sînâ und Albertus Magnus, Abhandl. d. philos.-philol. Kl. d. Bayer. Akad. d. Wissensch. XI1, München 1866, 189—267; dazu: Steinschneider, Hebräische Bibliographie, X, 16—23, 53—59, 72—78. — Eckleben, Willi, Die abendländischen AvicennaKommentare, Lpz. 1921. — Birkenmajer, Alexander, A.s Vorrede zum „Liber Sufficentiae" u. Roger Bacon, in: Revue Néoscolastique de Philosophie, 1934, Bd. 36. — Wilhelm Kleine, D, Substanzlehre A.s bei Thomas v. Aquin, Freiburg 1933. — A.-M. Goichon, La distinction de l'essence et de l'existence d'après Ibn Sînâ (Avicenne), Paris 1937.
Axionikus, Gnostiker aus der Schule des Valentinus.
B. Baader, Franz v., geb. 27. März 1765 in München, gest. 23. Mai 1841 ebda. Arzt und höherer Bergbaubeamter, seit 1826 Professor in München, katholischer, von der Kabbala, Jakob Böhme, V. Weigel, St. Martin, Fichte, vor allem aber von Schelling beeinflußter Denker, der selbst Einfluß besonders auf Schelling ausübte.
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Lehre weicht darin von der des Alfarabi ab, daß er sich stärker als dieser von Aristoteles beeinflussen ließ. — Vor allem in der Universalienfrage gewann A. Bedeutung; die Grundthese, von der er ausgeht, ist der Satz, daß der Intellekt die Universalität in den Formen bewirkt (Intellectus in formis agit unversalitatem). Die Genera besitzen nach ihm dreierlei Seinsmodi, sie sind sowohl ante res (im Verstände Gottes, wie das Kunstwerk im Künstler vor seiner Konkretion im natürlichen Dasein), als auch in rebus (dem natürlichen Ding ist das Universale immanent), als auch post res (in der abstraktiven Erfassung durch den menschlichen Intellekt). Die Universalien gehören also der Sphäre der Secunda intentio an, insofern sie zu den eigentümlichen Dispositionen gehören, unter denen unser Denken steht, während die wahrnehmende Betrachtung der empirischen Dinge zur Sphäre der Intentio prima gehört. In Übereinstimmung mit Aristoteles und gegen die Emanationstheorie des Alfarabi nimmt A. die Ewigkeit der Materie an, die der Grund der individuellen Vielheit der Einzeldinge ist. Da Gott in seiner Ewigkeit unmittelbar das Veränderliche nicht schaffen kann, so erzeugt er allein die Intelligentia prima, von welcher kontinuierlich die Emanation des in den Himmelssphären und auf der Erde Seienden erfolgt, so daß also die Welt zugleich von Gott abhängig und ewig ist, wie er selbst. Die eigenartige Verbindung aristotelischer und neuplatonischer Denkelemente läßt A. die Erkenntnisformen als von dem aktiven Weltgeiste, der nach ihm mit der Mondsphäre verbunden ist, den Menschen fertig eingeprägt bestimmen, also nicht, wie in der Scholastik des Okzident, als unmittelbar von Gott. Die Entfaltung der Potentialität des menschlichen Intellekts zu seiner Aktualität findet nach A. entweder durch Unterricht und Lernen oder, allerdings nur in seltenen Fällen, durch das direkte erleuchtende Einwirken Gottes auf ihn statt. S c h r i f t e n : Avicennae peripatetici philosophi ac medic. facile primi opera in lucem redacta, Venet. 1495; 1508; 1546, ab Andrea Alpago Bellunensi. — P. Vattier, Eine Bearbeitg. d. Logik, Paris 1658 (franz.). — Schmölders, Documenta philos. Arab., 26—42. — M. Horten, D. Buch d. Genesung d. Seele, eine philos. Enzyklopädie Avicennas, XIII. Teil: Die Metaphysik, Halle 1907—1909. L i t e r a t u r : M Horten, D. Philosophie d. Islam usw., Bonn 1924, 57—101. — A. F. Mehren, La philosophie d'Avicenne, expos, d'apr. des docum. inédits, Mars. 1882. — G Schelhot, Avicenne et le platonisme, Machriq 2, 823—830; Archiv f. Gesch. d. Philos., Lpz. 1923, XIX, 441 u. ö. — C. Sauter, A.s Bearbeitung d. aristotel. Metaphysik, 1912, dazu: Horten, Zeitschr. d, deutsch. Morgenland. Gesellsch. 66, 751 f. — B. Haneberg, Zur Erkenntnislehre des Ibn Sînâ und Albertus Magnus, Abhandl. d. philos.-philol. Kl. d. Bayer. Akad. d. Wissensch. XI1, München 1866, 189—267; dazu: Steinschneider, Hebräische Bibliographie, X, 16—23, 53—59, 72—78. — Eckleben, Willi, Die abendländischen AvicennaKommentare, Lpz. 1921. — Birkenmajer, Alexander, A.s Vorrede zum „Liber Sufficentiae" u. Roger Bacon, in: Revue Néoscolastique de Philosophie, 1934, Bd. 36. — Wilhelm Kleine, D, Substanzlehre A.s bei Thomas v. Aquin, Freiburg 1933. — A.-M. Goichon, La distinction de l'essence et de l'existence d'après Ibn Sînâ (Avicenne), Paris 1937.
Axionikus, Gnostiker aus der Schule des Valentinus.
B. Baader, Franz v., geb. 27. März 1765 in München, gest. 23. Mai 1841 ebda. Arzt und höherer Bergbaubeamter, seit 1826 Professor in München, katholischer, von der Kabbala, Jakob Böhme, V. Weigel, St. Martin, Fichte, vor allem aber von Schelling beeinflußter Denker, der selbst Einfluß besonders auf Schelling ausübte.
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B. bekämpft die Idee der sittlichen Autonomie, wie sie von Kant vertreten wurde. Der Mensch vermag nach ihm weder in Freiheit sein Handeln zu bestimmen, noch ist er in der Ausübung seiner Vernunftkraft allein bestimmend. Denn des Menschen Wille ist in seiner Bewegung selbst bedingt. Die Erkenntnis ist das Mitwirken des Menschen in der göttlichen Vernunft, unser Wissen ist ein Mitwissen (Conscientia) des göttlichen Wissens, das infolgedessen notwendig vorauszusetzen ist. Nicht ,Cogito, ergo sum" also, sondern .Cogitor' (Ich werde gedacht). Andererseits aber ist es der menschlichen Erkenntnis auch nicht möglich, die göttliche zu erreichen und mit dem göttlichen Wissen eins zu werden. Gott ist in seiner Existenz unmittelbar klar, er kann zwar nicht, braucht aber auch nicht bewiesen zu werden; die unmittelbare Überzeugung von ihm kann deutlicher gemacht werden. Mit dem Gewissen, das ein Sichwissen ist, ist das Wissen des Gewußtwerdens von einem Höheren unmittelbar und zugleich vorhanden. Ohne dieses Höhere vermögen wir in keiner Weise spontan tätig zu sein. Wir sind stets rezeptiv und von dem Höheren abhängig. Gott ist die formende, aktuose Einheit. In ihm als ihrem Urgrund ist die ewige Natur, „Gott erkennt sich nur, indem er sich hervorbringt, und bringt sich nur hervor, indem er sich erkennt". Da der Mensch das Bild Gottes ist, das da wirkt, so kann nach dem Wesen des Menschen das Wesen Gottes erkannt werden. Drei Prozesse Gottes sind unterscheidbar: Erstens der immanente oder esoterische Lebensprozeß, der logisch ist und durch den Gott sich selbst aus seinem Nichtoffenbarsein hervorbringt; zweitens der emanente oder exoterische Lebensprozeß, der real ist und in welchem Gott durch die Überwindung des Prinzips der Selbstheit oder der ewigen Natur zur Dreipersönlichkeit wird; drittens der Prozeß, in welchem Gott durch Zusammenschluß nicht mit sich selbst, sondern mit seinem Bilde die Kreation als einen Akt der Liebe vornimmt. Zeit und Raum sind die Folge des menschlichen Sündenfalles, durch den der Mensch des vollkommenen Lebens in der wahren und ewigen Zeit verlustig gegangen ist. Ewigkeit und Seligkeit können nur durch die Ergreifung des Heils in Christo wiedergewonnen werden; wird aber die Möglichkeit des Heils vom Menschen ausgeschlagen, so verfällt er der läuternden Strafe, die in diesem Leben, im Hades oder im Höllenpfuhl an ihm vollzogen wird. Die Strafe der Hölle ist eine endgültige, eine Befreiung aus ihr kann nicht mehr stattfinden, wenn auch, wie B. lehrt, die Ewigkeit der Höllenpein nicht als notwendig angenommen werden muß. Die Materie ist selbst schon Folge des Bösen und insofern Strafe. Für den Menschen ist sie aber zugleich eine Möglichkeit, sich gegen das Böse zu erklären; denn er kann in der Scheinzeit, in welcher er auf Erden lebt, sich im Einzelnen von dem Bösen abwenden und es verneinen, das er im Ganzen in dem Leben in der wahren Zeit, als er sündig wurde, angenommen und bejaht hat. Das Erkennen darf nicht vom Glauben abweichen oder ihm widerstreiten, es muß von ihm ausgehen und in ihm seine Quelle haben. In Übereinstimmung mit der Anerkennung des katholischen Dogmas im Sinne Anselms wendet er sich gegen den Protestantismus, der nach ihm nicht die Reformation, sondern die Revolution verfechte. Denn alle Tätigkeit hat ein sie Begründendes, von ihm muß stets ausgegangen werden; wende ich mich aber gegen dieses, das meine Tätigkeit begründet, dann bin ich revolutionär. Die Ethik B.s ist in der Hoffnung auf eine innere Wiedergeburt gegründet. Der ideale Staat ist christlich-theokratisch, wenn auch nicht unbedingt gleich dem Papsttum.
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Baalschem — Bachofen
S c h r i f t e n : Beiträge z. Elementarphysiologie, Hamb. 1799. — Üb. d. pythagoreische Quadrat in d. Natur oder d. vier Weltgegenden, Tüb. 1798. — Beiträge zur dynamischen Philosophie, Bln. 1809. — Fermenta cognitionis, Bd. 1—4, Bln. 1822—24, Bd. 5 (Titel: Proben relig. Philosopheme), Lpz. 1825. — Vorlesungen üb. spekul. Dogmatik, München 1827—38. — Sämtl. Werke hrsg. v. F. Hoffmann in Verbindung m. ander.; 16 Bde., Lpz. 1851—60. — Schriften, Lpz. 1921, Inselverl. — Sehr, zur Gesellschaftsphilos., m. ein. Anh. v. erstmal. Veröffentl. hrsg., eingel. u. erl, v. J. Sauter, Jena 1925. — Franz B. u. s. Kreis. E. Briefwechsel, ausgew. u. herausg. v. F. Werle, Leipzig 1924. — Seele und Welt. Jugendtagebücher. Eingel. u. herausg. v. David Baumgardt, Berlin 1928. L i t e r a t u r : Joh. Jost, Bibliographie d. Schrr. F. v. B.s, m. kurz. Lebensabr., Bonn 1926. — F. Lieb, B.s Jugendgeschichte, d. Frühentwickl. eines Romantikers, Münch. 1926. — D. Baumgardt, F. v. B. u die philos. Romantik, Halle 1927. — Reichel, B. u Kant, 1928. — Sauter, B. u. Kant, 1928. — Spreckelmeyer, D. philos. Deutung des Sündenfalls bei F. B., Würzburg 1938. — Herbert Tuebben, D. Freiheitsproblematik B.s u. Deutingers u. d. deutsche Idealismus, Würzburg 1929.
Baalschem s. Balschem. Bachja ibn Pakuda, im 12. Jahrh., verfaßte, wahrscheinlich in Abhängigkeit von Algazel, ein durchgeführtes System der jüdischen Sittenlehre. Zu den Pflichten des Menschen gehört die Erkenntnis Gottes, die jedoch von den religiösen Dogmen geleitet werden muß. Er unterscheidet in der Moral die Herzenspflichten (Liebe, Demut usw.) von den Gliederpflichten. L i t e r a t u r : D. Kaufmann, D. Theologie d. Bachja ibn P., Sitzungsber. d. Wiener Akad. d. Wissensch. 1874, Bd. 77, H. 1.
Bachmann, C. Fr., geb. 1785, gest. 1855, Professor in Jena. Setzt sich erst positiv, dann negativ mit Hegel auseinander. S c h r i f t e n : Die Philosophie und ihre Geschichte, 1811. — System der Logik, 1828. — Anti-Hegel, 1835. L i t e r a t u r : Memoria C. Bachmanni et E. Reinholdi, ed. ab C. Goettlingio, Jenae, 1857.
Bachofen, Johann Jacob, geb. 22. Dez. 1815 in Basel, gest. 25. Nov. 1887 ebda. Professor des römischen Rechts in Basel. Lebte in Basel, das er nur für seine Reisen verließ, die ihn 1842 nach Rom führten. Er begründete durch seine Forschungen die vergleichende Rechtsgeschichte. Bachofens philosophische Deutung der überlieferten Dokumente der Menschheitsgeschichte ruht auf seiner Überzeugung von dem einzigartigen Wert des Mythos und des Symbols. Diese sind Ausdruck von Anschauungsweisen, Institutionen und Ereignissen vergangener Zeiten, in denen der menschliche Geist sich durch sie hindurch eine unmittelbare Erlebniswirklichkeit schuf. Der Mythos gilt B. als „Produkt einer Kulturperiode, in welcher das Völkerleben noch nicht aus der Harmonie der Natur gewichen ist". Er „teilt mit dieser jene unbewußte Gesetzmäßigkeit, welche den Werken der freien Reflexion stets fehlt" (Mutterrecht, 1861, IX a). Darin beruht der Erkenntniswert des Mythos, daß er frei ist von der Willkür der Reflexion. Er selbst ist zugleich Produkt jener Naturgesetzmäßigkeit, deren Sinn er ausdrücken soll. Er ist dabei bezogen auf die ruhende Fassung des Sinnes im Symbol: „Der Mythus ist die Exegese des Symbols" (Gräbersymbolik der Alten, 1859, 46 f). Das der Deutung Bachofens zugrunde liegende Gefühl spricht sich aus, wenn er erklärt: „Das ruhende Symbol und die mythische Entfaltung desselben vertreten in den Gräbern Sprache und Schrift. Sie sind selbst die Sprache der Gräber. Alle höheren Betrachtungen, zu welchen das Rätsel des Todes Veranlassung gibt, der Ausdruck des Schmerzes und des
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Trostes und der Hoffnung, der Furcht, der düsteren und der fröhlichen Ahnung bleibt der Darstellung durch Künstlerhand vorbehalten. Diese Erscheinung hat einen tieferen Grund. Zu arm ist die menschliche Sprache, um die Fülle der Ahnungen, welche der Wechsel von Tod und Leben wachruft, und jene höhern Hoffnungen, die der Eingeweihte besitzt, in Worte zu kleiden. Nur das Symbol und der ihm sich anschließende Mythus können diesem edlern Bedürfnisse genügen. Das Symbol erweckt Ahnung, die Sprache kann nur erklären. Das Symbol schlägt alle Seiten des menschlichen Geistes zugleich ad, die Sprache ist genötigt, sich immer nur einem einzigen Gedanken hinzugeben. Bis in die geheimsten Tiefen der Seele treibt das Symbol seine Wurzel, die Sprache berührt wie ein leiser Windhauch die Oberfläche des Verständnisses. J e n e s ist nach innen, diese nach außen gerichtet. Nur dem Symbole gelingt es, das Verschiedenste zu einem einheitlichen Gesamteindruck zu verbinden. Die Sprache reiht Einzelnes aneinander und bringt immer nur stückweise zum Bewußtsein, was, um allgewaltig zu ergreifen, notwendig mit e i n e m Blicke der Seele vorgeführt werden muß. W o r t e machen das Unendliche endlich, Symbole entführen den Geist über die Grenzen der endlichen, werdenden in das Reich der unendlichen, seienden Welt. Sie erregen Ahnungen, sind Zeichen des Unsagbaren, unerschöpflich, wie diese, mysteriös wie notwendig und ihrem Wesen nach jede Religion, eine stumme Rede, als solche der Ruhe des Grabes besonders entsprechend, unzugänglich dem Spotte und dem Zweifel, den unreifen Früchten der Weisheit. Darin ruht die geheimnisvolle Würde des Symbols, die zu der Erhöhung des hohen Ernstes der antiken Gräberwelt besonders beiträgt. Darin die ergreifende Wucht der mythischen Darstellungen, welche uns die großen Taten der Vorzeit in dem beruhigten Lichte ferner, wehmütiger Erinnerung vor Augen stellen, und so an jener Weihe teilnehmen, mit welcher die alte Welt ihre Grabstätten in besonders hohem Maße zu umgeben wußte" (a. a. O,). W i e sich den Alten im Symbol durch den Mythus hindurch die tieferen Geheimnisse des Lebens und der Welt erschlossen, so sind uns durch das Symbol zugleich die letzten inneren Zusammenhänge der menschlichen Welt und Wirklichkeit gegeben. Der Erkenntniswert des Symbols und des Mythus ist für uns ein durchaus realistischer. Die menschliche Welt, die sich dem deutenden Blick Bachofens erschließt, kennt nichts Willkürliches, nichts Zufälliges. Sie ist in sich gesetzmäßig und ist zugleich mit den Wirklichkeiten des ganzen Kosmos verbunden, so daß in vierfacher Weise sich die gleiche Gesetzmäßigkeit und Werdensnotwendigkeit offenbart: im Kosmos, in der menschlichen Geschichte, im geistigen Leben und im Symbol, das diese zugleich mit den anderen wesentlichen Dokumenten des menschlichen Erlebens spiegelt. Die drei großen, für das Menschengeschick entscheidend wichtigen kosmischen Körper, Erde, Mond und Sonne stehen in einer bestimmten Wesens- und Rangordnung. Das menschliche Geschick ist in seinen drei wesentlichen Stufen an sie gebunden und erhebt sich erst, wenn es sich ganz unter das Gesetz der Sonne stellt, aus der Gebundenheit an die Natur. Seine drei wesentlichen Phasen entsprechen der Ordnung der kosmischen Körper, und an diese Phasen wiederum ist eine je besondere geistige Gestaltung, ist ein besonderes Recht usw. und eine eigentümliche Symbolik gebunden. J e d e Phase hat einen eigenen „Geist" (a. a. 0 . XII, 6). Die Dreiheit der Stufen entspricht der Dreiteilung von Leib, Seele, Geist. „Von den drei großen kosmischen Körpern: Erde, Mond, Sonne erscheint der erste als Träger des Muttertums, während der letzte die Entwicklung des Vaterprinzips leitet; die tiefste Religionsstufe, der reine Tellurismus, fordert den Prinzipat des Mutterschoßes, verlegt den Sitz der Männlichkeit in das telluristische
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Gewässer und in die Kraft der Winde, welche, der irdischen Atmosphäre angehörend, vorzugsweise in dem chthonischen System eine Rolle spielen, ordnet endlich die männliche Potenz der weiblichen, den Ozean dem gremium matris terrae, dem «Schoß der Mutter Erde» unter. Mit der Erde identifiziert sich die Nacht, welche als chthonische Nacht aufgefaßt, mütterlich gedacht, zu dem W e i b e in besondere Beziehung gesetzt und mit dem ältesten Zepter ausgestattet wird. Ihr gegenüber erhebt die Sonne den Blick zu der Betrachtung der größern Herrlichkeit der männlichen Kraft. Das Tagesgestirn führt die Idee des Vatertums zum Siege. In dreifacher Stufenfolge vollendet sich die Entwicklung, und zwei derselben schließen sich wiederum genau an die Naturerscheinung an, während die dritte es versucht, über sie hinauszudringen. An den Aufgang der Sonne knüpft die alte Religion den Gedanken siegreicher Überwindung des mütterlichen Dunkels, wie sie in dem Mysterium als Grundlage der jenseitigen Hoffnungen vielfach hervortritt. Aber auf dieser morgendlichen Stufe wird der leuchtende Sohn noch ganz von der Mutter beherrscht, der Tag als «nächtlicher T a g » bezeichnet, und als vaterlose Geburt der Mutter Matuta, «Mutter der Frühe», dieser großen Eileithyia, mit auszeichnenden Eigenschaften des Mutterrechts in Verbindung gesetzt. Die völlige Befreiung aus dem mütterlichen Vereine tritt erst ein, wenn die Sonne zu der größten Entfaltung ihrer Lichtmacht gelangt. Auf dem Zenitpunkt ihrer Kraft, gleich entfernt von der Stunde der Geburt und der des Todes, dem eintreibenden und dem austreibenden Hirten, ist sie das siegreiche Vatertum, dessen Glanz die Mutter sich ebenso unterordnet, wie sie der poseidonischen Männlichkeit herrschend entgegentritt. Das ist die dionysische Durchführung des Vaterrechts, der Stufe desjenigen Gottes, der zugleich als die am reichsten entwickelte Sonnenmacht und als Begründer der Paternität genannt wird. Phallisch — zeugend, wie die Sonne in ihrer üppigsten Manneskraft, ist die dionysische Paternität; stets den empfangenden Stoff suchend, um in ihm Leben zu erwecken, so Sol, so auch der Vater in seiner dionysischen Auffassung. Ganz anders und viel reiner stellt sich die dritte Stufe der solarischen Entwicklung dar, die apollinische. Von der phallisch gedachten, stets zwischen Aufgang und Niedergang, Werden und Vergehen, auf- und abwallenden Sonn« erhebt sich jene zu der wechselvollen Quelle des Lichts in das Reich des solarischen Seins, und läßt alle Idee der Zeugung und Befruchtung, alle Sehnsucht nach der Mischung mit dem weiblichen Stoffe tief unter sich zurück. Hat Dionysos das Vatertum nur über die Mutter erhoben, so befreit sich Apollon vollständig von jeder Verbindung mit dem Weibe. Mutterlos ist seine Paternität eine geistige, wie sie in der Adoption vorliegt, mithin unsterblich, der Todesmacht, welche Dionysos, weil phallisch, stets hineinblickt, nicht unterworfen" (Einleitung zum Mutterrecht}. Bachofen ist überzeugt, mit dieser Gesamtschau die innerste Entwicklung des Menschengeschlechts auf der Erde wiedergegeben zu haben, gedeutet aus der symbolisch-mythischen Welt der Alten. Bedenkt man freilich, daß eben jene Antike selbst nur einen Ausschnitt aus der menschlichen Geschichte darstellt, so wird man sagen dürfen, daß sie selbst symbolischen W e r t hat für die Gesamtdeutung und daß ihr inneres Schicksal, wie es Bachofen als den Weg aus der Herrschaft des Weiblich-Stofflichen zur Freiheit im Männlich-Geistigen versteht, beispielhaft ist für ein inneres Gesetz menschlichen Werdens überhaupt. Raum und Zeit haben für Bachofen keine entscheidende Bedeutung. Seine Intuition geht gleichsam von innen durch das Ganze des Lebens hindurch. Seine Absicht ist auf ein in sich zusammenhängendes Ganzes der Deutung des menschlichen Schicksals gerichtet, der gegenüber der Begriff der Entwicklung nicht im
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naturwissenschaftlich-strengen Sinn gefaßt werden darf; denn diese Entwicklung ist nichts anderes als der lebendige Ausdruck eines Kampfes ewiger Grundmächte, des Weiblichen und Männlichen, Geistigen und Stofflichen, der zum Ergebnis klare, typische Stufen in der Gesamtgestaltung des Lebens hat. „Der Kampf des Stoffes und des väterlichen Geistes durchzieht wie das Leben des einzelnen Menschen so das unseres ganzen Geschlechts. Er bestimmt seine Schicksale, alle Hebungen und Senkungen seines Daseins. Sieg und Fall wechseln miteinander ab und fordern zu stets erneuter Wachsamkeit, stets neuem Ringen auf . . . Schwer . . . wird es dem Menschen, den Kampf gegen die Natur und ihr weiblich-materielles Prinzip zu bestehen" (Mutterrecht, 389 a). Dieser Kampf spielt sich ebenso innerhalb des einzelnen Menschen, wie innerhalb des Menschengeschlechts in seiner Geschichte ab. Der Weg vom Stoff zum Geist ist der Weg „wie des Menschengeschlechts überhaupt, so jedes einzelnen Individuums" (a. a. 0. 155 b). Damit enthüllt sich die Lehre Bachofens in ihrem philosophischen Sinn zuletzt als eine ins Kosmische und in die Geschichte der Menschheit hinein gespiegelte Lehre vom Wesen des Menschen, seinem Wesensaufbau und seinem Kampf. Aus dem Schicksalsgang des Menschen, der für Bachofen eindeutig bestimmt ist als Weg zum Geist, wenn auch gerade dieser Geist selbst am wenigsten gedeutet ist, wird der ganze erlebbare Kosmos, wird die menschliche Geschiche in ihren typisch-ursprünglichen Phasen gesehen. Aus ihr wird auch in der gleichen Weise der Sinn der Kultur verständlich. Diese ist jeweils gestuft, den Stufen im menschlichen Schicksalsgang genau zugeordnet. „Jede Zeit folgt unbewußt, selbst in ihren Dichtungen, den Gesetzen des eigenen Lebens" (a. a. O. VII b). S c h r i f t e n : Versuch über die Gräbersymbolik der Alten, Basel 1859. — Das Mutterrecht. Eine Untersuchung über die Gynaikokratie der alten Welt nach ihrer religiösen und rechtlichen Natur, Stuttg. 1861. — Die Sage von Tanaquil. Eine Untersuchung über den Orientalismus in Rom und Italien, Heidelb. 1870. — Lebensrückschau, zuerst veröffentlicht in der Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft, Bd. 34, 1916. — Das lykische Volk und seine- Bedeutung für die Entwicklung des Altertums, Freiburg 1862. — Die Unsterblichkeitslehre der orphischen Theologie auf den Grabdenkmälern des Altertums, Basel 1867. — Neuausgaben: Der Mythus von Orient und Okzident. Mit einer Einleitung von Alfred Bäumler herausgegeben von Manfred Schröter, München 1926, — Oknos, der Seilflechter. Ein Grabbild. Herausgegeben u. eingel. von Manfred Schröter, München 1923. — Das lykische Volk und seine Bedeutung für die Entwicklung des Altertums, herausg. u. eingel. von Manfred Schröter, Lpz. 1924. — Johann Jakob Bachofen, Urreligion und antike Symbole. Systematisch angeordnete Auswahl aus seinen Werken in 3 Bdn., herausg. von Carl Albrecht Bernoulli, Lpz. 1926 (Reclam), — Mutterrecht und Urreligion, eine Auswahl, herausg. von Rudolf Marx, Leipzig 1927 (Kröner), — Autobiographische Rückschau, München 1923. — Selbstbiographie und Antrittsrede über das Naturrecht, Halle 1927. — Ges. Werke, hrsg. von K. Meuli, 1943 ff. L i t e r a t u r : Bernoulli, Carl Albrecht, J. J. Bachofen und das Natursymbol, Basel 1924. — Ders., J. J. B. als Religionsforscher, Lpz. 1924. — Bäumler, Alfred, Bachofen und Nietzsche, Zürich 1929. — Schmidt, Georg, J. J. B.s Geschichtsphilosophie, München 1929. — Andler, Chr., J. J. B., son oeuvre et sa méthode, in: Revue de l'histoire des religions, 1926. — Deubel, W., Der Kampf um J. J. B., in: Preußische Jahrbücher, 1926. — Fehrle, Eugen, J. J. B. und das Mutterrecht, in: Neue Heidelberger Jahrbücher, 1927. — Winter, Karl Ernst, Bachofen-Renaissance, in: Zeitschr. f. d. ges. Staatswiss., 1928 — M a i Burckhardt, J . J. B. u. d. Politik, Basel 1943. — Rudolf Kraemer, Rilke u. B., Würzburg 1939. — Adrian Turel, B. — Freud, Bern 1939. — K. Kerényi, J. J. B., 1945.
Bacon, Francis, Baron von Verulam, wurde am 22. Januar 1561 zu London als Sohn des Nicolaus Bacon, Großsiegelbewahrers von England, geboren. Seine Studien begann er bereits 1573 zu Cambridge, wo er wahrscheinlich Schüler Philosophen-Lexikon
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auch des Everard Digby wurde, ging 1575 im Gefolge des englischen Gesandten nach Paris, übte seit 1579 den Beruf eines Rechtsanwaltes aus, kam 1595 in das Parlament, wurde 1603 Ritter, 1604 Kronadvokat, 1613 Attorney General (Oberstaatsanwalt), 1617 Großsiegelbewahrer, 1618 Lordkanzler und Baron von Verulam, 1621 Viscount of St. Albans. Diese glänzende Laufbahn wurde durch eine in demselben Jahre erhobene Anklage wegen Bestechlichkeit unterbrochen. Die Anklage führte zu seiner Verurteilung im Parlament, das auf eine sehr beträchtliche Geldbuße und auf Einkerkerung im Tower erkannte. Durch einen Begnadigungsakt des Königs, auf dessen Veranlassung er wohl auch auf eine eigentliche Verteidigung verzichtet hatte, wurde er einige Tage später bereits aus seiner Haft befreit, die Geldstrafe wurde erlassen, und er erhielt sogar eine größere Pension und später auch wieder einen Sitz im Parlament. Krankheit hinderte ihn jedoch an der Ausübung seines neuen politischen Mandats, und er starb am 9. April 1626 auf einem Schloß in der Nähe Londons. B.s philosophische Lehren sind noch der Renaissancephilosophie zuzurechnen. Denn obwohl B. die Forderung auf Begründung alles Wissens in der Erfahrung erhob, hat er doch nicht den Durchbruch zu der für die beginnende neuere Philosophie charakteristischen empiristischen und mechanistischen Einstellung vollzogen. B. dachte im ganzen noch durchaus in den scholastisch-aristotelischen Kategorien. Er bemühte sich um die Klassifizierung der Phänomene in einem vollständigen System der Natur, nicht so sehr um die einzelwissenschaftliche Erforschung kausal-mechanischer Zusammenhänge des natürlichen Seins. Es ging ihm letztlich um die Form des Ganzen, die er aber im Gegensatz zu dem spekulativen und deduktiven Verfahren der überkommenen Metaphysik vermittelst der induktiven Methode ermitteln und feststellen wollte. Sein der neuen Wissenschaft gewidmetes, freilich nur teilweise durchgeführtes Werk, die Instauratio magna, geht von einer Darstellung des Globus intellectualis, der Gesamtheit der Wissenschaften, aus, um jedes einzelne Gebiet zu bestimmen und die noch vorhandenen Desiderate anzugeben, kommt darauf zu der Methodenlehre und behandelt in seinem dritten Teil die einzelnen Wissenschaften selbst und die durch sie gemachten Erfindungen sowie die Anleitung zu neuen Erfindungen. Nur der erste Teil dieses Werkes, De dignitate et augmentis scientiarum, ist vollendet, der zweite, deis Novum Organon, ist nur bis etwa zur Hälfte ausgearbeitet, vom letzten Teil sind nur vereinzelte Stücke fertig geworden. Der erste Teil der Instauratio gibt vor allem die Einteilung der Wissenschaften, der von B. als Einteilungsgrund die Natur des menschlichen Vorstellungsvermögens zugrunde gelegt wird. Die Philosophia prima oder Scientia universalis zunächst behandelt die allen Wissenschaften gemeinsamen Grundbegriffe, die Axiomata scientiarum communia, sowie die Gründe des Seins, die Conditiones entium transcendentes. Sodann unterscheidet B. Memoria, Phantasia und Ratio. Von der Memoria nimmt die Geschichte ihren Ausgang, die von B. in Historia naturalis und civilis und die Appendices historiae: Orationes, Epistolae und Apophtegmata unterteilt wird. Die Phantasie erzeugt die Poesie mit ihren Arten der Poesis narrativa, dramatica und parabólica. Aus der Ratio entspringt die Philosophie, die von B. als die Wissenschaft im eigentlichen Sinne bezeichnet wird. Sie handelt von Gott, von der Natur und vom Menschen. Die Lehre von Gott umfaßt nicht mit die Theologia inspirata, denn diese ist im Glauben und nicht im Wissen begründet. Die Philosophie hat es ausschließlich mit der Theologia naturalis zu tun. Die Scheidung der beiden Theologien wird von B. so grundsätzlich durchgeführt, daß sie, wie schließlich das neunte Buch
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zeigt, zur Anerkennung der Lehre von der doppelten Wahrheit hinführt. Die Theologia naturalis enthält vor allem die Widerlegung des Atheismus, da sie nachzuweisen vermag, daß Gottes Existenz aus der Natur sicher erkannt werden kann; sie führt dazu, die Naturereignisse aus der göttlichen Vorsehung zu erklären. Die Naturlehre zerfällt in die spekulative und in die operative Abteilung. Die Spekulation ist in Physik und Metaphysik unterteilt; die Physik handelt de principiis rerum, de fabrica rerum, de varietate rerum, die Metaphysik de formis rerum und de causis finalibus. Aus dieser Teilung der spekulativen Naturlehre in Physik und Metaphysik ergibt sich die Unmöglichkeit, in der Physik nach Zweckursachen zu forschen. Sie hat ausschließlich die Aufgabe, die Causas efficientes aufzudecken. Die operative Naturlehre umfaßt die Mechanik als Anwendung der Physik und die natürliche Magie als die Anwendung der Metaphysik. — Die Mathematik wird als Anhang der Physik behandelt. — Die Doctrina de homine erforscht den Menschen einmal als Einzelwesen, sodann als Angehörigen der Gesellschaft und hat als ihre Unterabteilungen die Philosophia humana und die Philosophia civilis. In der Philosophia humana muß zwischen der medicina, der cosmetica, der athletica und der voluptaria (pictoria und musica) unterschieden werden, die alle von dem Leibe des Menschen handeln, und diese müssen wieder von der Seelenlehre getrennt werden, deren Gegenstand die Empfindungen und Bewegungen und ihr gegenseitiges Verhältnis sind. Aus den Wirkungen der Körper aufeinander entspringen Perzeptionen. Diese sind anderer Natur als die Empfindungen der Seele, die vom Bewußtsein begleitet werden. Die erschaffene Seele, die unvernünftig ist, muß streng von der geistigen und vernünftigen Seele, dem Spiraculum, geschieden werden. Diese ist göttlichen Ursprungs und gehört deshalb in den Bereich der Theologia inspirata. Die wichtigsten Teilgebiete der Philosophia humana sind Logik und Ethik. Ihre Wichtigkeit wird durch den Vergleich mit der Hand und mit der Seele des Menschen veranschaulicht: wie die Hand das Werkzeug der Werkzeuge, die Seele des Menschen die Form der Formen ist, so sind diese- beiden Wissenschaften die Schlüssel zu allen übrigen. Die Logik oder Wahrheitslehre umfaßt die Artes inveniendi, iudicandi, retinendi und tradendi. Von der Ethik wird der Übergang zur Philosophia civilis, zur Politik, geschaffen; denn sie geht auf die innere, die Politik auf die äußere Bonitas in der geselligen Unterhaltung und Verbindung, in den Geschäften und in der Regierung. Mit der praktischen Politik sollen sich weder einseitige philosophische Gelehrte noch einseitige juristische Fachleute befassen, sondern Staatsmänner, die der Besonderheit ihrer Aufgabe voll gewachsen sind. In dem Novum Organon will B. unter Betonung seines Gegensatzes zu Aristoteles die neue Lehre der Wissenschaft als des vornehmsten Mittels der menschlichen Machtgewinnung über die Natur darstellen. Das erste Buch enthält eine kritische Analyse der Grundlagen des Erkennens, das zweite gibt einen Aufriß der von B. allein als wahres Erkenntnismittel zugelassenen Induktion. Der wahre Weg zur Erkenntnis der Natur besteht in einer richtigen Vereinigung der Leistung der Sinne mit der des Verstandes. Auf diese Weise wird vermieden, daß auf Grund bestimmter Wahrnehmungen in unmethodischem Vorgehen oberste Grundsätze erdacht und die vermittelnden Sätze dann nachträglich konstruiert werden; und es wird erreicht, daß das Erkennen genau abgestuft und kontinuierlich fortschreitet von der sinnlichen Erfahrung zu den obersten Grundsätzen. Nur so kann der Intellekt in richtiger Weise herangezogen und angewendet werden, so daß wir, ausgehend von unserer sinnlichen Erfahrung, mit seiner Hilfe die Macht über die Naturgeschehnisse gewinnen. Als erste Auf5*
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gäbe zur Klärung des Erkennens erscheint die Kritik an dem bisherigen Verfahren und an Vorurteilen, die als die Quellen des Irrtums der wahren Erkenntnis im Wege stehen. B. nennt vier Gruppen dieser Vorurteile, die er als Idola tribus, als Idola specus, als Idola fori und als Idola theatri bezeichnet. Die Idola tribus haben ihren Grund in unserer natürlichen Neigung, teleologisch und anthropomorph zu interpretieren und abstraktiv zu konstruieren, anstatt das zu analysieren, was als natürliches Objekt uns vorliegt. Diese Naturanlage führt daher zu Täuschung der Sinne und des Verstandes. Die Idola specus sind die Vorurteile, die in subjektiven Wünschen begründet sind. Die Idola fori sind die Vorurteile, denen wir dann zum Opfer fallen, wenn wir die Sprache nicht als Instrument des Verkehrs, sondern der Erkenntnis nehmen und infolgedessen leere Begriffe an die Stelle der Erfahrung setzen. Unter den Idola theatri versteht B. die abstraktiv und formalistisch konstruierten Weltbilder der einseitig rationalistischen Philosophie. Um die Fehlleistungen der Sinne wie des Verstandes zu vermeiden, fordert B. eine durch planmäßige Experimente methodisch gestaltete Erfahrung. Zur Lösung dieser Aufgabe entwickelt B. seine Lehre von der Induktion. In der Natur sind bestimmte allgemeine Gesetzlichkeiten angelegt, nach denen das Naturgeschehen vor sich geht und die sich in den Einzeldingen zur Geltung bringen, unabhängig davon, welcher Spezies oder welchem Genus diese zuzurechnen sein mögen. Es war der Fehler der peripatetischen Naturauffassung, anzunehmen, daß jeder Körper eine von ihm unabhängige Form besitze, deren konkreter Ausdruck jeweils in diesem einen Körper sich darstelle. Die Formen der Dinge sind vielmehr, unabhängig von ihrer gestaltlichen und vorherbestimmten zielstrebigen Eigenart, beständige Grundeigenschaften der Körper überhaupt. So sind beispielsweise Wärme, Licht, Gewicht in ganz bestimmten B e reichen der sinnlichen Welt anzutreffen, und für diese Bereiche stellen sie Formgesetze oder Naturen dar, ohne deren Vorhandensein es nicht zu bestimmten Erscheinungen in der sinnlichen Welt kommen könnte. Die Natur eines Dinges ist daher unmittelbar von solchem Formgesetz, aus welchem sie hervorgeht, abhängig. Könnte man zum Beispiel die volle Erkenntnis der Formen erreichen, die sich in der Erfahrungswelt als das Gelbe, das Gewicht, die Dehnbarkeit und in den weiteren zum größten Teil noch unbekannten Eigenschaften dieses besonderen Stoffes manifestieren, so könnte man sie zu einem Körper vereinigen, der dann Gold sein müßte. Und auf dieser Formenanalyse und ihrer Anwendung zum Erzeugen beliebiger stofflicher Dinge würde die volle Macht des Menschen über die Natur beruhen. Die Physik geht nicht auf die Erforschung der Formen, sondern der wirkenden Ursachen. Ihr Gegenstand ist der konkrete Körper und seine Beziehungen zu anderen konkreten Körpern. Sie hat sowohl die Zusammensetzung der Körper als auch die Vorgänge bei ihren Veränderungen zu erforschen. B e i dieser Arbeit wird sie schließlich zur korpuskularen Auffassung der körperlichen Welt geführt werden müssen, die aber nicht in den Atomismus umschlagen darf; denn die Annahme letzthin kleinster Teilchen, wie sie Demokrit vertrat, ist nicht richtig. Das Experiment entscheidet auch hier, und dieses berechtigt uns nur zur Annahme kleinster Körperchen. Zum Auffinden der Formen müssen alle die Fälle zusammengestellt werden, in denen eine bestimmte Natur vorhanden, und alle die, in denen sie nicht vorhanden ist. Wärme z. B. findet sich in den Sonnenstrahlen, in allen Vorgängen im Organismus, im Feuer u. w., nicht aber beim Flüssigen in seinem gewöhnlichen Vorkommen. Hierhin gehören auch die Gradunterschiede der Naturen in
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demselben Gegenstande oder in mehreren, die bei ihrem Vergleich miteinander bemerkbar werden. Sodann beginnt die eigentliche Induktion. Sie beobachtet das Vorhandensein oder Fehlen einer anderen Natur im Verhältnis zu der zu prüfenden Natur. Sie ermittelt und schließt alle diejenigen Naturen aus, die jedesmal dann fehlen, wenn die zuerst ins Auge gefaßte vorhanden ist. Darauf werden alle positiven Instanzen miteinander in Verbindung gebracht und zusammengefaßt. Das gewonnene Resultat wird an den Prärogativen der Instanzen geprüft, d. h. an denjenigen Fällen, in welchen die zu erkennende Erscheinung in besonderer Deutlichkeit sich darbietet, die unverkennbare Ähnlichkeit miteinander besitzen und die durch das sich wiederholende Zusammenbestehen einer anderen Natur mit der Ausgangsnatur einen Bewirkungszusammenhang ergeben. B. gibt 27 derartiger Prärogative an. Außer dieser Prüfung kennt B. noch 8 weitere, die er aber nicht mehr dargestellt hat. Das Naturgesetz, das auch die S i t t l i c h k e i t zu ihrer Grundlage hat, äußert sich sowohl in einer inneren wie in einer äußeren Manifestation. Im Innern des Menschen bekundet es sich durch einen Instinkt und ein natürliches Licht, im Zusammenleben der Menschen durch den Consensus universalis. Beide entscheiden immerwährend und gültig über das Tun und Unterlassen. In einer Utopie, Nova Atlantis, ließ B. sein Wissenschaftsideal politische Wirklichkeit werden. Die Schrift, die nicht vollendet worden ist, schildert den Triumph der induzierenden und experimentierenden Wissenschaft im Leben einer zukünftigen Gesellschaft. B. hat in ihr eine Reihe moderner technischer Gestaltungen vorweg gedacht. S c h r i f t e n : Gesamtausgabe der WW. v. W. Rawley, Amst. 1663; von Mallet (vollständiger), Lond. 1740 u. 1765. — Latein. Francof. 1666, Amst. 1684, 1730. — Ges. Ausg. v. J. Spedding, R. L. Ellis und D. D. Heath, 14 Bde., London 1857/74. — New Atlantis, herausg. v. G. C- M. Smith, London 1900. L i t e r a t u r : Spedding, J., The Letters and the Life of Francis Bacon, 7 vols., Lond. 1861/74. — P. Lemaire, F. B., Par. 1914. — H. Natge, Üb. F. B.s Formenlehre, Lpz. 1891. — G Holzer, K. Fischers irrige Erkl. d. Poetik B.s, Karlsr. 1909. — G. Furlani, Entsteh, u. Wes. d. bacon Meth., Arch. f. Gesch. d. Philos. 32 (1918), 189 ff. — Kuno Fischer, Francis Bacon und seine Schule, 4. Aufl. 1923. — Frost, Walter, Bacon und die Naturphilosophie, München 1927. — Helmut Bock, Staat u. Gesellschaft bei F. B., Berlin 1937. — Lewalter, Ernst, F. B., Berlin 1939. — Emil Wolff, F. B. u. s. Quellen, Berlin 1913. — N. Orsini, Bacone e Machiavelli, Genua 1936
Bacon, Roger, Doctor mirabilis, geb. um 1212 bei Ilchester in Dorsetshire. In Oxford war er Schüler des Robert Grosseteste und Adam von Marsh, von denen er besonders den ersteren sehr verehrte. B. trat dann entweder vor 1244, wo er nach Paris ging, oder um 1251, nach seiner Rückkehr nach Oxford, in den Franziskanerorden ein und lehrte in Oxford. 1257 mußte er seine Lehrtätigkeit einstellen. 1278 wurde er, nachdem seine Situation sich vorübergehend durch das Interesse des Papstes Clemens IV. (1268f) gebessert hatte, nach Verwerfung seiner Lehre durch den Ordensgeneral Hieronymus von Asculi zu Klosterhaft verurteilt. 1292 ist das letzte Datum, das über sein Leben vorliegt; in diesem Jahre verfaßte er das Compendium studii theologiae. B.s wissenschafliches Interesse richtete sich auf die profanwissenschaftlichen Fächer. Die Arbeit der Theologen und theologischen Philosophie war ihm fremd. Er hatte gegenüber der Tendenz der philosophisch-theologischen Denker zur Abfassung von Summen den Plan, ein die gesamten Profanwissenschaften, die für ihn die Philosophie waren, zusammenfassendes Werk zu schreiben. Er ist nicht zur Vollendung dieses Planes gekommen, obwohl er zeitweise, so nach der Aufforderung des Papstes Clemens IV., sein Werk einzureichen, mit äußerster In-
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Bacon, Roger
tensität an ihm arbeitete. Aus dieser Epoche seiner schriftstellerischen Tätigkeit stammen die am meisten bekannten Schriften, das Opus maius, das Opus minus und das Opus tertium. Das Opus maius gibt einen Einblick in die weitschichtige wissenschaftliche Tätigkeit B.s, In ihm behandelt er die Ursachenfrage, die Wissensmöglichkeit, das Verhältnis von Philosophie und Theologie, Grammatik und Sprachwissenschaft, Mathematik und Physik, Kalenderfragen, Geographie, Astrologie, Optik, experimentelles Wissen und Moralphilosophie. An der theologischen Methode, so wie sie zu Paris gehandhabt wurde, findet er besonders die Nichtachtung sprachwissenschaftlicher Untersuchungen und der Erfahrung auszusetzen. Er will keineswegs die Theologie beseitigt sehen, verlangt nur ihren Neubau auf sprachwissenschaftlicher, naturwissenschaftlicher und mathematischer Grundlage. Aus dieser Einstellung wird seine Hochschätzung des Aristoteles, den er als den Philosophen schlechthin bezeichnet, verständlich, jedoch emanzipiert er sich auch von ihm. Seine Kenntnis der aristotelischen Philosophie, sowie auch teilweise sein naturwissenschaftliches und mathematisches Wissen schöpfte er vornehmlich aus islamischen Quellen. B. identifiziert den aristotelischen Intellectus agens mit dem Logos des Christentums; dieser ist eine Substanz, die keinerlei Gemeinsamkeit des Seins mit der menschlichen Seele hat, welche vielmehr den menschlichen Intellekt zur Erkenntnis erleuchtet. Diese Lehre von der Erleuchtung verbindet B. mit seiner empiristischen Tendenz in der Weise, daß er als das Telos des Lebens, dem auch die Erkenntnis zu dienen hat, die in der Gemeinschaft mit Gott beruhende Beatitudo setzt. Es sind zwei Arten der erkenntnisstiftenden Experientia, welche B. in seiner Lehre miteinander verbindet, die eine ist die Experientia humana et philosophica, welche durch die äußeren Sinne vermittelt wird, die andere die Experientia interna, die durch Illuminationes interiores stattfindet. In der Bestimmung des Begriffes und des Kriteriums der Wahrheit weicht B. von den theologischen und philosophischen Denkern seiner Zeit ab. Wahrheit ist nach seiner Auffassung in dem Wissen, welches dem Ziele des Lebens, der Beatitudo, entspricht. Aus dieser Überzeugung ergibt sich die Bestimmung, daß das Wahrsein des Wahren im Objektiven gründet, und daß der menschliche Intellekt in seiner Tätigkeit von diesem Objektiven her bestimmt wird. Zwei Instanzen werden für das Finden der Wahrheit durchaus abgelehnt, die Autorität und die philosophische Ableitung eines Sachverhaltes. Das Zurückgreifen auf die Autorität verwirft er, weil die Autorität auf Glauben Anspruch erhebt, ohne einsichtige Gründe für das Behauptete anzugeben; außerdem steht der Anerkennung der Autorität die vielfache Irrtumsmöglichkeit des Menschen entgegen, die sich aus moralischer und objektiver Unzulänglichkeit, aus der Gewohnheit sowie aus der Ungeübtheit im Erfassen von Sachverhalten herleitet. Andererseits ist die philosophisch-dialektische Methodik unbrauchbar, weil sie nicht gestattet, die Dinge selbst zu erfassen; aus diesem Gesichtspunkt lehnt er die Logik auch des Aristoteles als durchaus wertlos ab. B. vertritt demgegenüber die Überzeugung, daß in dem Erkenntnisvermögen des Menschen eine logische Formmöglichkeit angelegt ist, die an den Dingen selbst sich betätigt und instinktiv zur Anwendung gelangt. Darum auch kann umgekehrt an der Erfahrung stets geprüft werden, ob dem Erkannten und dem aus ihm Gefolgerten Wahrheit zukomme, und in dieser Bedeutung der Erfahrung liegt der Sinn des Baconschen Begriffes des Experimentes. Es handelt sich bei ihm um eine Methode, die sich einerseits auf die als unabhängig vom Erkennen vorausgesetzte und sich ihm anbietende Struktur des äußeren Seins bezieht, andererseits auf die in der inneren Erfahrung zugängliche Wirksamkeit Gottes. Die Übereinstim-
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mung beider Erfahrungssphären, welche die Wahrheit in sich schließt, wird jederzeit feststellbar durch das Experiment, das also, wenn es auch an dem in äußerer Erfahrung gegebenen Tatbestande ansetzt, dennoch den inneren Bezug auf Gott umfaßt. Möglich wird dies kraft der von B. letztlich vorausgesetzten theonomen Einheit des Seins und Geschehens. Darum auch kann das Experiment zu dem Mittel der Erfassung der Geheimnisse der Natur werden und diese beherrschbar machen. So erklärt sich die Kombination von naturwissenschaftlichem und magischem Denken in der geistigen Haltung des B. Wenn bei ihm auch die Naturwissenschaft im Gegensatz zu den meisten Theologen seiner Zeit auf Grund seiner erkenntnismethodischen Forderung der Erfahrung in außerordentlich hohem Ansehen steht, so sind doch andererseits Alchimie, Astrologie und Magie die eigentliche Spitze der Naturwissenschaft. Und wenn B. die Mathematik als Idealwissenschaft und als das Fundament aller wissenschaftlichen Bildung überhaupt bezeichnet, so meint er dies in dem jSinne, daß sie die Teilhabe an der Vernunft vermittelt. Die innere Erfahrung des Menschen findet durch Illumination, durch göttliche Erleuchtung statt, in welcher die allgemeine, die Erste und die spezielle Erleuchtung unterschieden werden können. Die letztere ist supranatural und beruht gänzlich auf göttlicher Begnadung. Während die Illuminatio generalis sich auf das Naturale bezieht, nimmt die Erste Illuminatio, die Uroffenbarung, eine vermittelnde Stellung ein, indem sie die Ordnung des Natürlichen, insofern sie von Gott geoffenbart worden ist und durch die menschliche Generationenfolge hindurch tradiert wird, bedeutet und betrifft. Die Illuminatio generalis oder communis ist der erste Garant für die Notwendigkeit und die Unveränderlichkeit der Wahrheit. Der oberste der von B. angenommenen sieben Grade der inneren Erfahrung ist die ekstatische Erfassung des Seienden, über das zu sprechen dem Menschen nicht zusteht, und nur wer in diesen Erfahrungsgraden sorgfältig geübt ist, der vermag sich selbst und anderen die sicherste Kenntnis und Überzeugung sowohl von den spirituellen wie auch von den menschlichen Dingen zu verschaffen. Die Darstellung und Begründung der Moralphilosophie unternimmt B. im Anschluß an Aristoteles; die metaphysischen Voraussetzungen, aus denen er sie deduziert, sind die Thesen von Gottes Existenz und Wesen, von der Geschöpflichkeit der Welt und von der Vergeltung in einem nachirdischen Leben. S c h r i f t e n : Opus malus, 1266—68. — Opus minus, 1267. — Opus tertium, 1267—68. — Opus malus, herausg. v. J. H. Bridges, Oxford 1897—1900, 3 Bde. — Robert Steele, Opera hactenus inedita, Oxford 1905—1928; 9 Bde. — Roger Bacon, Essays, ed. by A, G. Little, Oxford 1914. L i t e r a t u r : E. Charles, R. B., Paris 1861. — J. Hoffmans, Une théorie intuitionlste de la connaissance au XHIe sc., Rev. Néoscolastique de philos. 13 (Louvain 1906) 371—391; La genèse des sensations d'après R. B., 15 (1908) 474—498; La sensibilité et les modes de la connaissance sensible d'apr. R. B,, 16 (1909) 32—46; R. B., l'intuition mystique et la science 16 (1909) 370—397; La synth. doctrinale de R. B., Arch. f. Gesch d. Philos. 20 (1907) 196—224; L'expérience chez R. B., Rev. Néoscol. de philos., 27 (Louvain 1925) 170—190. — R. Carton, L'expérience physique chez R. B., Paris 1924; L'expérience mystique de l'illumination intérieure chez R. B., Paris 1924; La synth. doctrinale de R. B., Paris 1924. — Cl. Baeumker, R. B.s Naturphilos., 1916. — Thorndike, Lynn, A History of Magic and Expérimental Science, 2 vols., New York, 1923; sec. printing with corrections, New York 1929; vol. II, p. 616—91. — Steele, Robert, Roger Bacon and the State of Science in the Thirteenth Century, in: Studies in the History and Method of Science, ed. by Charles Singer, 2 vols., Oxford 1917—21, vol. II. — Little, A. G., R. B., London 1928. — J. H. Bridges, Life and work of R. B., L, 1914. — R. Walz, Das Verhältnis v. Glaube u. Wissen bei R. B„ 1927.
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Bagehot — Bahnsen
Bagehot, Walter, geb. 3. Febr. 1826 in Longport in Somersetshire, gest. 24. März 1877 in London. Englischer Bankfachmann, Herausgeber des Economist. B. analysiert als erster das sozialökonomische Funktionieren der Banken wie des politischen Lebens. Auch tritt er mit literarischen Kritiken erfolgreich hervor. In seinem Hauptwerk Physics and politics will er den Darwinismus und die ethnologischen Gedanken von Tylor und Lubbock in die Soziologie einführen. S c h r i f t e n : English Constitution, London 1867. — Physics and Politics, London 1869. — Lombard Street, London 1873; neu herausg. v. Hartley Witheys, London 1927. — Literary Studies, herausg. v. R. H. Hutton, 2 Bde., 1879. — Economic Studies, herausg. v. R. H. Hutton, London 1880. — Biographical Studies, herausg. v. R. H. Hutton, London 1881. — Ges. Werke, hrsg. v. R. Barrington, 10 Bde., London 1915. Baggesen, Jens, geb. 15. Febr. 1764 in Korsör, gest. 3. Okt. 1826 in Hamburg. 1811—14 Professor der dänischen Sprache und Literatur in Kiel. Aus Dänemark verbannt. Romantiker. Freund von F. H. J a c o b i . S c h r i f t e n : Philosophischer Nachlaß, 1858—63; Poetische Werke deutsch, 5 Bde.. 1836, Werke dänisch, 12 Bde., 1827—32. L i t e r a t u r : A. Baggesen, J . B.s biographi, dänisch, 4 Bde., 1849—56. — E. Herr, J . B. in der dt. Philos., 1915. Bahnsen, Julius, geb. 20. März 1830 zu Tondern in Schleswig-Holstein, gest. 7. Dez. 1881 in Lauenburg. Studierte seit 1848 in Kiel Philosophie und Philologie, später in Tübingen. Dort Promotion bei F . Th. Vischer mit einem „Versuch, die Lehre von den drei ästhetischen Grundformen genetisch zu zergliedern nach den Voraussetzungen der naturwissenschaftlichen Psychologie". Von 1858 an Gymnasiallehrer in Lauenburg. B. war mit Eduard von Hartmann zeitweilig befreundet, hernach in heftiger Feindschaft. Besonderes Verständnis fand er bei Duprel und Johannes Volkelt. B.s pessimistische Grundstimmung fesselte ihn an Schopenhauer, auf den Friedrich Reiff in Tübingen ihn aufmerksam machte. E r hat die Überzeugung, daß der Mensch nur ein Nichts, mit Bewußtsein von sich selbst, und daß auch die Welt nichtig ist. Diese Erkenntnis vermißt er bei Hegel. „Hegel wie seine Gegner retteten ihr Positives dadurch, daß sie von einer dialektischen Bewegung sprachen, während es nur ein dialektisches Sein, das heißt ein nichtiges gibt, in dem gleichzeitig die Gegensätze sind." Die Dialektik wird von B. in das W i r k liche hineinverlegt als dialektischer, als Urwiderspruch im Kerngehalt alles Seienden. So enthüllt sich das Wesen der Welt als „Realdialektik". Diese behauptet die Widerspruchsnatur „nicht bloß des Empirisch-Erscheinenden, sondern des Wirklichen selber nach seinem Ansich"; das Seiende ist „die Vereinigung des Wollens mit einem widerspruchsvollen Nichtwollen" (Der Widerspruch . . . I, S. 2). Denn das Seiende, das Grundwesen der Welt, ist der Wille. Dialektisch in sich entzweit, will er nichts als das Nicht-Wollen (ens volens idemque nolens). Und Wollen und Nicht-Wollen sind gleich stark; darum kann es eine E r lösung auf ewig nicht geben. Nach B. zerfällt das Wollen in eine Vielheit von Einzelwillen, von Willenshenaden, deren jede in einem Individuum verwirklicht ist. So wird der Widerspruch zwischen Wollen und Nicht-Wollen in das menschliche Einzelwesen hineingetragen. Die Vielheit in sich entzweiter Einzelwillen ist für B. die Realität (metaphysischer Pluralismus). Das Ich oder das Selbstbewußtsein ist die eigentliche „realdialektische Urtatsache" (metaphysischer Individualismus) oder ein „realdialektisches Ineinander von Widersprüchen", die niemals zur Lösung kommen können. Von diesen Voraussetzungen seiner Realdialektik aus löst B. das ethischästhetische Problem des Tragischen als Sichtbarwerden der Selbstentzweiung
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des Weltwillens, damit als Erscheinung des Grundseins der Welt. Der tragische Mensch ist in seinem Wollen zerrissen von zwei gleich starken, einander widersprechenden Motiven. Er muß schuldig werden durch jede Entscheidung. Die Einheit von Schuld und Schicksal nennt B. das tragische Geschick. Das Willensmoment, das im Wollen wie im Nicht-Wollen steckt, hält die Natur des Menschen bei aller Selbstentzweiung zusammen. Anders ausgedrückt: die Einheit des Willens führt zur Täuschung über die Selbstentzweiung. Dieser Schein einer Versöhnung des Widersprechenden ist das Schöne. Synthetische Vereinigung von Tragischem und Schönem ist der Humor, in dem sich der Geist über das Gewollte erhebt. Es liegt Verwandtschaft mit Solgers Begriff der romantischen Ironie vor. B.s metaphysische Grundvoraussetzung des Widerspruchs gestaltet seine Ethik. Selbstentzweiung innerhalb des Individuums und Widersprüche in seiner Beziehung zu andern Einzelwesen prägen ihr den Stempel auf. Sittlichkeit fordert, daß das Individuum sich seinem eigenen Willen entsprechend und zugleich in Übereinstimmung mit dem Wollen des andern betätigt. Dabei' ist völlige Selbstlosigkeit ebenso unmöglich wie uneingeschränkte Selbstsucht. „Selbstbehauptung auf Kosten, Selbstbeschränkung zugunsten anderer oder selbstbeschränkende Hingebung und selbsterweiternde Aneignung sind der Inbegriff der antithetischen Kontraste ethischer Beschäftigung" (Der Widerspruch . . . , Bd. II, S. 84). Der „Quellenpunkt jeder wahren Tugend" ist die Verschmelzung von Widersprüchen in der selbstehtzweiten Einheit des Individuums. Da jede unsrer Handlungen von dem Bewußtsein der entgegengesetzten Handlung begleitet ist, so glauben wir uns frei in der Meinung, wir hätten auch anders handeln können. Aus Widersprüchen ist auch der menschliche Charakter zusammengesetzt. Er muß auseinanderstrebende Bestandteile in sich tragen, wenn er Wirkung üben will. Durch seine Behandlung der problematischen Naturen, der Antinomien des Gemüts, und durch sein Eingehen auf besondere Charaktertypen hat B. die Charakterologie für die Neuzeit begründet, wie er das Wort geprägt hat. Der Wissenschaft fällt nach B. die Aufgabe zu, von der Erfahrung her die Widersprüche in der Welt aufzuzeigen. Der Widerspruch im Wirklichen ist real, nicht nur logisch. Logik kann nur im Bereich des Abstrakten sich betätigen. S c h r i f t e n : Beiträge zur Charakterologie mit besonderer Berücksichtigung pädagogischer Fragen, 2 Bde., Lpz. 1867; neu herausgeg. von Rudert, Lpz. 1932. — Zum Verhältnis zwischen Wille und Motiv, eine metaphys. Voruntersuchung zur Charakterologie, Stolp u. Lauenburg 1870. — Zur Philosophie der Geschichte, 1871. — Mosaiken und Silhouetten, charakterographische Situations- und Entwicklungsbilder, Lpz. 1877, neu herausg. v. A. Görland, Lpz. 1931. — Das Tragische als Weltgesetz und der Humor als ästhetische Gestalt der Metaphysik, Lauenburg 1877; hrsg. von Ruest, Lpz. 1931. — Der Widerspruch im Wissen und Wesen der Welt. Prinzip und Einzelbewährung det Realdialektik, 2 Bde., Bln. 1880/81. — Aphorismen zur Sprachphilosophie, Lpz. 1881. — Wie ich wurde, was ich ward. Hisg. von Rudolf Louis, München 1905; v. Anselm Ruest, Leipzig 1931. — Programm der Realdialektik von 1876, veröfientl. von Anselm Ruest, in: Blätter für Deutsche Philosophie, Bd. VI, H. 4, S. 455—474, Bln. 1933. L i t e r a t u r : Paul Fechter, Grundlagen der Realdialektik, München 1906, — Ders., Julius B., Kantstudien, Bd. 35, H. 2/3, S. 195—205, Bln. 1930. — Anselm Ruest, Julius B., Zur Scheidung des Schopenhauer-Schülers u. des Selbstdenkers, 19. Jahrbuch der Schopenhauer-Gesellschaft, S. 165—204, Heidelb. 1932. — Leiste, Heinrich, Die Charakterologie von J. Bahnsen, Köln-Mülheim 1928. — Schopf, Heinrich, J. Fr. A. B., Lauenburg 1930.
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Bahrdt — Bakunin
Bahrdt, Karl Friedrich, geb. 25. Aug. 1741 in Bischofswerda, gest. 23. April 1792 in Halle. Professor der biblischen Philologie 1766 in Leipzig, 1769 in Erfurt, 1771 in Gießen, 1776 Generalsuperintendent, 1778 abgesetzt wegen Kritik an Wöllners Religionsedikt. Festungshaft in Magdeburg, starb als Schenkwirt auf dem Weinberg bei Halle. Theologe und Pädagoge, Anhänger Basedows und der philantropinischen Bewegung. S c h r i f t e n : System der Moraltheologie 1770. — Briefe über die system. Theologie, 2 Bde., 1770—72. — Neueste Offenbarungen Gottes, 4 He., 1773—75. — Geschichte s. Lebens, 4 Bde., 1790; neu herausg. v. F. Hasselberg, 1927. L i t e r a t u r : J. Leyser, K. F. B., 2. Aufl,, Neustadt a. d. Hardt 1870.
Baillie, Sir James Black, Prinzipal der Universität zu Leeds. Britischer Hegelschüler. S c h r i f t e n : The Origin and Significance of Hegel's Logic, Lond. 1901. — An Outl. of the Idealistic Construct, of Exp., Lond. 1906. — Studies in Human Nature, Lond. 1921. — The Individual and His World, in: Contemp. Brit. Philos., I, 1924. — Übersetzer von Hegels Phänomenologie des Geistes, 2 Bde., London 1910, 2. Aufl., 1 Bd. 1931. L i t e r a t u r : Metz, Rudolf, Die philos. Strömungen der Gegenwart in Großbrit., 1935, Bd. I, S. 298 f.
Barn, Alexander, geb. 11. Juni 1818 in Aberdeen, gest. 18. Sept. 1903, Professor in Aberdeen 1860—1880. Im Anschluß an Mill führt B. die Assoziationstheorie des geistigen Lebens weiter durch. Assoziation kommt zustande in Similarität (Ähnlichkeit). Das „Gesetz der Kontiguität" lautet: „Actions, sensations and states of feeling, occuring together or in close suggestion, tend to grow together, or cohere, in such a way, that, when any one of them is afterward presented to the mind, the others are apt to be brought up in idea" (Senses and int., 3. A. 327 f.). Schon in der einfachen seelischen Erscheinung wirkt Assoziation, denn jedes Erlebnis, jeder Bewußtseinsakt ist zusammengesetzt aus drei verschiedenen Funktionen: Unterscheidungsfähigkeit (discrimination), der Fähigkeit, Ähnlichkeit zu bemerken und drittens eine Vorstellung festzuhalten. Höhere geistige Tätigkeiten (Kunst, Wissenschaft) beruhen auf der „konstruktiven" Assoziation. Auch die Vorstellung von einer äußeren, materiellen Welt ist komplex. Aktive angewandte Muskelenergie, stetige Verbindung bestimmter Gefühle mit bestimmten Muskelenergien, Übereinstimmung aller Menschen in bezug auf objektive, nicht auf subjektive Eigenschaften verbinden sich. Indessen können objektive Eigenschaften nicht von subjektiven getrennt werden. Es gibt für uns eine Welt nur, sofern sie uns bewußt ist. Ebenso ist das Wollen an ein sinnliches Element, an die Vorstellung eines Lustgefühls, das mit einer Muskelbewegung verbunden ist, geknüpft. Einen eigentlich freien Willen gibt es daher nicht. S c h r i f t e n : The Senses and the Intellect, Lond. 1855, 4. Aufl. 1894. — The Emotions and the Will, Lond. 1859, 4. Aufl. 1899. — On the Study of Character, Lond. 1861. — Mental and Moral Science, Lond. 1868. — Logic, 2 Bde,, Lond. 1870. — Mind and Body, Lond. 1872; deutsch Lpz. 1874, 2. Aufl. 1881. — Educ. as a Science, Lond. 1878, 7. Aufl. 1889. — Practical Essays, Lond. 1884. — Disserts, on leading philos. topics, Lond. 1903. — Autobiogr., Lond. 1904. L i t e r a t u r : Tegen, Einar, Moderne Willenstheorien, Teil 1, Uppsala 1924. — Warren, Howard C., A History of the Association Psychology, New York 1921, S. 104—17.
Bakunin, Michael, geb. 18. Mai 1814 in Prjamichina (Gouv. Twer), gest. 6. Juli 1876 in Bern. Russischer romantischer Sozialphilosoph und Begründer des kollek-
Baldinotti — Balfour
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tivistischen Anarchismus. Er wurde 1872 auf Betreiben von Karl Marx aus der I. Internationale ausgeschlossen. S c h r i f t e n : Oeuvres, 6 Bde., herausg. v. James Guillaume, Paris 1895—1913. — Ges. W.f 3 Bde., herausg. v. Max Nettlau, Berlin 1921—24. — Obras completas, 5 Bde., Buenos Aires, 1924—29. L i t e r a t u r : Nettlau, Max, M. B., 3 Bde., London 1896—1900. — Ders., Der Anarchismus von Proudhon zu Kropotkin, Berlin 1927, Kap. II—XII. — Brupbacher, Fritz, Marx und Bakunin, München 1913. — Huch, Ric., M. B. und die Anarchie, 1923. — Billig, Joseph, Der Zusammenbruch des deutschen Idealismus bei den russischen Romantikern, in: Bibliothek für Philosophie, Berlin 1930. — E. H. Carr, M B., London 1937.
Baldinotti, Cesare. Lebte im 18. Jahrhundert in Italien. Dozent an der Universität Padua. Lehrer Rosminis (1820). Gegner der Scholastik. S c h r i f t e n : De recta humanae mentis institutione, Padova, 1787. — Tentaminum metaphysicorum libri III, Padova 1807.
Baldwill. James Mark, geb. 12. Jan. 1861 in Columbia, gest. 8. Nov. 1934 in Paris. 1887—90 Professor an der Lake Forest Univ., 1890—93 in Toronto (Kanada), 1893—03 an der Princeton Univ., 1903—09 Professor an der John-Hopkins-Universität in Baltimore. In Fortführung der evolutionistischen Gedankengänge unterscheidet B. zwei wesensverschiedene Verfahrensweisen in der Behandlung philosophischer Probleme: die genetische und die agenetische, d. h. die Betrachtung in den Begriffen der Entwicklung und die Betrachtung im Sinne beharrender Quantität, der Gleichheit. Die agenetische Betrachtungsweise ist angemessen für die Mechanik, während die genetische Denkweise die der Lebens- und Geisteswissenschaften ist. Über diese Doppelheit der Erfahrungsweisen hinaus ist in der ästhetischen Erfahrung eine übergreifende Einheit gegeben, aus der allein sich eine einheitliche Synthese ergibt und in der das Bewußtsein „seine vollkommenste und unmittelbarste, endgültigste Auffassung dessen, was die Wirklichkeit ist und bedeutet", findet (Genetische Logik, I, Xf.). S c h r i f t e n : Handb. of Psych., 1890. — Elem. of Psych., New York 1893. — Mental Development, New York 1896; deutsch Berlin 1898 (Genetische Psychologie). — Soc. and Eth. Interpr. in Mental Development, New York 1898; deutsch Lpz. 1900 (Soz. Psychol.). — Story of the Mind, New York 1898. — Fragm. in Ph. and Science, New York 1902. — Devel. and Evol., 1902. — Hera«* des Dict. of Ph. and Ps., 1901/02, des Psychol. Bull., 1904 gegr. — Genetic Logic, New York 1906/08; deutsch, 3 Bde., Lpz. 1908—14. — Darwin and the Humanities, 1909, franz. Paris 1911. — The Indiv. and the Society, 1911. — Thought and Things, New York 1912. — Hist. of Psychol., 2 vols., New York 1913.
Balfour, Arthur James, geb. 25. Juli 1848, gest. 19. März 1930. 1922 Earl of Tacprain. Englischer Staatsmann. Das Prinzip der Gleichförmigkeit in der Natur und der Glaube an eine objektive Außenwelt sind es, die von der Philosophie eine besondere Bestätigung verlangen. B. kritisiert besonders die naturalistischen Thesen und zeigt, daß der Naturalismus die ethischen, ästhetischen und vernunftgemäßen Bedürfnisse der Menschen nicht zu befriedigen vermag. Auch widerspricht die naturalistische Theorie des Erkennens der naturalistischen Theorie des Seins. Unsere Vorstellungen, auf die die naturalistische Theorie die Erkenntnis gründen will, sind gerade im Hinblick auf das Erfassen der Natur sehr unzulänglich. Endlich kann mit der Naturwissenschaft so wenig der Glaube ersetzt werden, daß vielmehr diese selbst auf einen Glauben gegründet ist. Dieser Glaube richtet sich mit allen Überzeugungen, die das menschliche Leben erst möglich machen, auf die
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Baiguy — Baensch
Autorität. Die Philosophie B.'s gipfelt in einer theistischen Weltauffassung, von der aus auch die ästhetischen, ethischen usw. Werte erklärt werden. S c h r i f t e n : A Defence of Philos. Doubt, being an Essay on the Foundations of Belief, 1879. — The Foundations of Belief, 1895, deutsch 1896. — Theism and Humanism, 1915. — Theism and Thought, 1923. — Reflections suggested by the New Theory of Matter, Lond. 1904 (Deutsch: Unsere heutige Weltanschauung, Lpz. 1905). — Decadence, Camb. 1908. — Questionings on Criticism and Beauty, Oxford 1909. — Essays and Addresses, Edinb. 1893, 3. ed., 1905. — Auswahl, B, as a philosopher and thinker, v. Short, 1912. L i t e r a t u r : The Mind of A. J . B., herausg. v. W. M Short, New York 1918. — Raymond, E. O., B., London 1920. — E. Dugdale, B., 2 Bde., L. 1936.
Balguy, John, 1686 bis 1748. L i t e r a t u r : Jones, Hugh David, J . B. an English moralist of the 18th century, Leipzig 1907, in: Abh z. Philos., H. 4
Ballanche, Pierre Simon, geb. 4. Aug. 1776 in Lyon, gest. 9. Juni 1847 in Paris. Anhänger von Vico und Bonnet. Er verbindet Bonnets Lehre von der individuellen Wiedergeburt mit der Theorie von politischen und sozialen Formen. In seiner ethischen Anschauung nimmt er den christlichen Sozialismus späterer Ethiker vorweg. S c h r i f t e n : La palingénésie sociale: Prolégomènes, Paris 1827; Orphée, Paris 1829. — La ville des expiations, in Zeitschriften; davon Buch IV—VII herausg. v. A. Rastoul, Paris 1926. — La vision d'Hébal, Paris 1831. — Oeuvres, 1830 u. 1833. — Oeuvres inédites, herausg. von H. Frainnet 1904. L i t e r a t u r : Huit, Charles, La vie et les oeuvres de B., Lyon 1904.
Ballaul, Ludwig. Anhänger von Herbart. S c h r i f t e n : Die Elemente der Psychologie, 1877, in 2. Aufl.: Die Grundlehren der Psychologie und ihre Anwendung auf die Lehre von der Erkenntnis, 1890.
Balilies, Jaime Luciano, geb. 28. August 1810 zu Vieh in Spanien, gest. 9. Juli 1848 1833 Priester. 1837 Professor der Mathematik in Vieh, dann Barcelona. 1843 Madrid. Unter Wahrung selbständig kritischer Haltung bildet B. die Scholastik fort. Er vertritt einen eklektischen Spiritualismus. S c h r i f t e n : El protestantismo cotnparado con el catolicismo, 1822—44. — Filosofia fundamental, 1846, 2. Aufl. 1849; é Witsch in 4 Bdn., Regensb., 2. Aufl. 1861. — Curso de filosofia elemental; deutsch in 4 Bdn., 2. Aufl., Regensb. 1852/53. — Vermischte Schriften, deutsch, 5 Bde., Regenb. 1855/56. — El critico, 1857. — Recuerdo del centetiario, Reliquias literarias de Balmes recogidas y publicadas por P. J . Casanovas, Barcelona 1910. — Ges. Ausg., 33 Bde., Barcelona 1925 f. L i t e r a t u r : N. Roure, La vida y las obras de B., Madr. 1910. — Ders., Las Ideas de B., Madr. 1910. — A. Lugan, B., Paris 1911. — Hermkes, Maria, Die Fundamentalphilosophie des Jaime Balmes, Krefeld 1919. — Casanovas, Ignasi, Balmes. La sua vida, 3 Bde., Barcelona 1932. — Paul Kruse, D. pädagog. Elemente in d. Philos, des J . B., Neuherberg b. München 1935.
Balschem (Rescht), Rabbi Israel ben Elieser, lebte 1699 bis 1760. Jüdischer Mystiker, Gründer des Chassidismus. S c h r i f t e n : Des Baalschem Unterweisung, Ubersetzung von Martin Buber, 1927. — Die chassidischen Bücher, herausg. v. Martin Buber, 1928. L i t e r a t u r : Martin Buber, Die Legende des B. Sch., 1908. — Birnbaum, Salomo, Leben und Worte des B., Die Weltbücher 13/14, Berlin 1920. — Abraham Kohave, Israel Baalschem u. Elia Wilna, Mähr. Ostrau 1931.
Baensch, Otto, geb. 25. Juli 1878 in Berlin, gest. 1937. Dr. phil. 1902 in Straßburg i. E. Habilitiert für Philosophie 1906 in Straßburg. Titularprofessor 1918. Im
Baer — Bardiii
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Januar 1919 wurde Baensch aus Straßburg und dem Elsaß ausgewiesen und lebte seitdem als Privatgelehrter in München. S c h r i f t e n : Joh. Heinr. Lamberts Philosophie und seine Stellung zu Kant, 1902. — Spinoza, Ethik; deutsch 1905. — Abhandlungen über Spinoza: Arch. I. Gesch. d Phil. XX, Gött. gel. Anz. 1909. — Kantstudien, XXXII. — Große Denker, herausg. von E. v. Aster, Bd. II, 1911 u. 1923. — Über historische Kausalität, Kantstudien XII, 1908. — Kunst und Gefühl, Logos XII, 1923. — Forschungsber. über Ästhetik, 1926. — Über Rhythmus, Ztschr. f. Ästh. XXI, 1927. — Aufbau und Sinn des Chorfinales in Beethovens IX. Symph., 1930. — Elsässisches Musikleben, 1871 bis 1918, 1934. — Philosophie u. Leben, Hamburg 1937, in: Sehr. d. Reichsinst. f. Gesch. d. neuen Deutschi.
Baer, Karl Ernst von, geb. 17. Febr. 1792 in Estland, gest. 28. Nov. 1876 in Dorpat. Naturforscher und Naturphilosoph. 1821 Professor in Königsberg, 1829 Petersburg, 1834 dort Mitgl. d. Akad. d. Wissenschaft. Lebte in Petersburg. Die Natur ist in sich zielstrebig und daher immanent vernünftig. Die Zwecktätigkeit der Natur in den organischen Körpern wirkt absichtslos und ohne bewußte Vorstellung. In der Erörterung der Gebundenheit der Zeit an den Menschen, sofern die Zeit Erlebnis werden kann, kommt v. Baer zu einer Relativierung der Welt in Hinsicht auf den Menschen. Das Eigenmaß und der Rhythmus des menschlichen Lebens bestimmen für den Menschen die Dimension und den Maßstab der Natur. S c h r i f t e n : Zum Streit über den Darwinismus, Dorp. 1873. — Studien auf dem Gebiete der Naturwissenschaften, Petersburg 1874. — Reden und kleine Aufsätze, 3 Bde., Petersburg 1864—77, 2. Aufl. 1886. — Über die Entwicklungsgeschichte der Tiere, Beobachtung und Reflexion, 2 Bde., Königsb. 1828/37. L i t e r a t u r : Haacke, Wilhelm, K. E. von Baer, 1905. — E. Rothacker, Geschichtsphilosophie, Bin 1934, S. 88—90.
Barbaras, Hermolaus (Ermolao Barbaro), geb. 1454 zu Venedig, gest. 1493. Übersetzer von Kommentaren des Aristoteles. Gegner der Scholastik. S c h r i f t e n : Compendium scientiae naturalis ex Aristotele, 1547.
Bardesanes, Gnostiker, lebte von etwa 154 bis 222 n. Chr. — B. war wahrscheinlich anfangs ein Schüler des Valentinus, entfernte sich jedoch sehr stark von dessen System. Bei ihm überwiegt das Interesse für Astrologie und Naturphilosophie. L i t e r a t u r : A. Hilgenfeld, B., d. letzte Gnost., 1864. — F. Haase, Z. bardesan. Gnosis, Texte u. Unters, z. Gesch. d. altchristl. Lit., 34, 4, 1910. — Wensendonk, Otto Günter von, Bardesanes und Mani, in: Acta Orientalia, Bd. 10, 1931.
Bardiii, Christoph Gottlieb, geb. 28. Mai 1761 in Blaubeuren in Württ., gest. 5. Juni 1808 in Mergelstetten. 1795 Gymnasialprofessor in Stuttgart. Versuchte unter dem Einfluß der Kantischen Philosophie einen „rationalen Realismus" zu begründen, nach welchem das Denken das Prinzip des Seins ist. Das Denken, welches das Weltall durchdringt, kommt im Menschen zum Bewußtsein seiner selbst. Die Naturgesetze werden im Menschen zu Gesetzen der Assoziation seiner Gedanken. Manche der Lehren B.'s erinnern an die Spekulation insbesondere Schellings und Hegels. S c h r i f t e n : Allgemeine prakt. Philosophie, 1796. — Über die Gesetze der Ideenassoziation, 1797. — Briefe über den Ursprung der Metaphysik, anonym Altona 1798. — Grundriß der ersten Logik, gereinigt von den Irrtümern der bisherigen Logik, besonders der kantischen, Stuttgart 1800.
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Bärenbach — Barth, Karl
Bärenbach, Fr. (Medveczky), ungarischer Philosoph, V e r t r e t e r des Kritizismus. S c h r i f t e n : Gedanken über die Teleologie der Natur, 1878. — Prolegomena zu einer anthropologischen Philosophie, 1879. — Ungarische Schriften über Ethik (1886, 1889) und Staatslehre (1887). Barratt, Alfred, geb. 1844, gest. 1881. Englischer Evolutionist, der das seelische L e b e n {Freude u n d Schmerz) in d a s materielle Dasein des Organischen hineinträgt. S c h r i f t e n : Physical Ethics, 1869. — Physical Metempiric, 1883. — The Suppression of Egoism, in: Mind, II, 1877. — Ethics and Psychogony, in: Mind, III, 1878. — Ethics and Politics, in: Mind III. Barth, Heinrich, geb. 3. F e b r u a r 1890 in Bern. Dr. phil., Privatdozent in Basel 1920, a. o. Professor in Basel 1928. V e r t r e t e r des kritischen Idealismus mit W e n dung zur existentialphilosophischen Problemstellung. S c h r i f t e n : Descartes, Begründung der Erkenntnis, 1913. — Das Problem des Ursprungs in der Platonischen Philosophie, München 1921. — Die Seele in der Philosophie Piatons, 1921. — Ethische Grundgedanken bei Spinoza, Kant und Fichte, 1923. — Philosophie der praktischen Vernunft, 1927. — Das Problem der Autorität, 1929. — Das Problem des Bösen, 1931. — Eidos und Psyche in der Lebensphilosophie Piatons, 1932, — Das Sein in der Zeit, 1933. — Christliche und idealistische Deutung der Geschichte, in: Zwischen den Zeiten, 1925. — Kierkegaard, Der Denker, ebda. 1926. — Das Problem der Willensfreiheit, ebda. 1926. — Kant u. die moderne Metaphysik, ebda. VI. — Ontologie und Idealismus, ebda. VII. — Die Geistfrage im deutschen Idealismus. — K. Barth und H. Barth, Zur Lehre vom Hl. Geist, 1930. — D. Freiheit d. Entscheidung im Denken Augustins,-Basel 1935. — V d. Anfängen d. griech. Philos., Basel 1944. — Z. Neubesinnung üb. Ziele, Grundlagen u. Möglichk. unserer Schulbildung, Basel 1938, in: Basler Schulfragen Nr. 4. — D. Sinn d. Demokratie, Basel 1941. — Volksherrschaft u. Gottesherrschaft, Basel 1941; in: Kriegszeit u. Gotteswort Nr. 20. L i t e r a t u r : Diem, Hermann, Kritischer Idealismus in theologischer Sicht, München 1924. Barth, Karl, geb. 10. M a i 1886 in Basel. D. theol. Honor. P r o f e s s o r in G ö t t i n gen 1921. Ord. P r o f e s s o r M ü n s t e r 1925, Bonn 1930—35; seitdem Basel. V e r t r e t e r d e r dialektischen Theologie. S c h r i f t e n : Suchet Gott, so werdet ihr leben! (mit Thurneysen), 1917. — Der Römerbrief, 1918, 5. Aufl. 1929. — Zur inneren Lage des Christentums, 1920. — Das Wort Gottes und die Theologie. Ges. Vorträge, 1924. — Die Auferstehung der Toten, 1924. — Komm, Schöpfer Geistl (mit Thurneysen) 1924. — Erklärung des Philipperbriefs, 1927. — Die christliche Dogmatik im Entwurf, I, Prolegomena, 1927. — Die Theologie und die Kirche, 1928. — Zur Lehre vom Heiligen Geist, 1930. — Anselms Beweis der Existenz Gottes, 1931. — Die kirchliche Dogmatik, I, 1, 1932. — Theologische Existenz heute, 1933. — Credo, 1935. — Schicksal und Idee in der Theologie, in: Zwischen den Zeiten, 1929. — Die Lehre von den Sakramenten, ebda. 1929. — Quousque tandem . . . ? 1930.— Die Theologie und der heutige Mensch, 1930, mit E. Thurneysen. — Die große Barmherzigkeit, München 1935. — D. Bekenntnis d. Reformation u. unser Bekennen, München 1935, in: Theologische Existenz heute, H. 29. — Vier Bibelstunden üb. Lukas 1, München 1935, ebda. H. 19. — Calvin, München 1936, ebda. H. 37. — Calvinfeier 1936, München 1936, ebda. H. 43. — Der Christ als Zeuge, München 1934, ebda. H. 12. — Die Hauptprobl. d. Dogmatik, München 1935. — Der Dienst d. Kirche a. d. Heimat, ZollikonZürich, 1940. — D. Dienst am Wort Gottes, München 1934, in: Theol. Existenz heute, H. 13. — D. kirchl. Dogmatik, 3. Aufl., Zollikon 1939. — Evangelium u. Bildung, Zollikon 1938, in: Theol, Studien H. 2. — D. Evangelium in d, Gegenwart, München 1935, in: Theol. Existenz heute, H. 25. — Evangelium u. Gesetz, München 1935; ebda. H. 32, 2. Aufl. Zollikon 1940. — Theol. Existenz heute, 9. Aufl., München 1934. — F. d. Freiheit d. Evangeliums, München 1933, in: Theol. Existenz heute, H. 2. — Die christl. Gemeinde in
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d. Anfechtung, Basel 1942. — Gemeinschaft in d. Kirche, St. Gallen 1943. — Gottes Gnadenwahl, München 1936, Theol. Existenz heute, H, 47. — Mitherausg. von „Zwischen den Zeiten", Herausg. v. Theologische Studien. L i t e r a t u r : Werner, Martin, Das Weltanschauungsproblem bei Karl Barth und Albert Schweitzer, München 1924. — H. W. van der Vaart Smit, Die Schule K. B.s u. d. Marburger Phil., in: Kantstudien 34 (1929), S. 331—350. — Siegfried, Theodor, Das Wort und die Existenz, I, Gotha 1930. — K. B. u. Gerhard Kittel, E. theologischer Briefwechsel, Stuttgart 1934. — Emil Brunner, Natur u. Gnade. Zum Gespräch m. K. B., Tübingen 1934. — Cullberg, John, D. Problem d. Ethik in der dialektischen Theologie, UppsalaLeipzig 1938. — F. Gogarten, Gericht oder Skepsis. Eine Streitschrift gegen K. B., Jena 1937. — Gerhard Rabes, Christentum u. Kultur, in bes. Auseinandersetzung m. B. u. Gogarten, Jena 1937. — Hans Schindler, B. u. Overbeck, Gotha 1936. — Hans Ulrich. D. Transzendenzproblem b. K. B., Diss. Tübingen 1936. — Hermann Volk, D. Kreaturauffassung bei K. B., Würzburg 1938 (Diss. Freiburg, Schweiz). — Monsma, Peter Halman, K. B.s Idea of Revelation, Sommerville 1937.
Barth, Paul, geb. 1. August 1858 in Baruth (Schlesien), gest. 30. Sept. 1922 in Leipzig. Studierte seit 1875 klassische Philologie und Geschichte in Breslau, 1876 in Leipzig, 1888 Naturwissenschaften und Volkswirtschaft in Leipzig; 1890 habilitierte er sich dort für Philosophie mit einer Arbeit über „Die Geschichtsphilosophie Hegels und der Hegelianer". In Leipzig wurde B. 1897 ordentlicher Honorarprofessor. Von 1912—1916 gab er die „Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie und Soziologie" heraus, als neue Folge der 1876 begründeten und schon 1899—1901 von B. geleiteten „Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie". B. vertritt die Ansicht, daß eine einheitliche Erkenntnis alles Seienden nur aus der Fülle der Einzelwissenschaften zu gewinnen sei als Zusammenfassung ihrer Ergebnisse und will auf dem Weg durch alle Wissenschaften zu einer Weltanschauung gelangen. Dabei erscheinen ihm die Geschichtswissenschaften als der nächste Zugang. In ihrem Verfahren hängen sie von den Naturwissenschaften ab. „Die Geschichte als Wissenschaft oder die Philosophie der Geschichte kann durchaus nur der Naturwissenschaft als ihrem Vorbilde folgen, sie strebt, für die einzelnen Völker gewisse Stufen der Entwicklung nachzuweisen und das in ihnen Übereinstimmende als ein »empirisches« Gesetz festzustellen." Eindringendes geschichtliches Verständnis ist nur möglich, wenn man sich daran erinnert, „daß der Mensch ein soziales Wesen ist, daß nur das ein geschichtliches Ereignis ist, was nicht einen Einzelnen, sondern eine Gesamtheit betrifft". Geschichtsphilosophie und Soziologie sind also aufs engste verwandt, gelangen fast zur Deckung, „nur daß die Soziologie nicht bloß die Veränderungen betont, wie die Geschichtsphilosophie, sondern auch eine »statische« Abteilung hat, die untersucht, auf welchen Gründen die Dauer, die Festigkeit gewisser Zustände, z. B. gewisser Klassenverhältnisse, beruht". Die menschliche Gesellschaft hat organischen Charakter, der eine Gesetzmäßigkeit ihrer Lebenserscheinungen gewährleistet; sie fällt unter den Begriff eines organischen Systems. Die Einheit, aus der die Gesellschaft sich aufbaut, ist „ein menschlicher Wille, den ein Geist lenkt". Die vorausbestimmende Ordnung, der gesetzmäßige Ablauf der Erscheinungen ermöglichen eine Voraussage der Zukunft auf wissenschaftlicher Grundlage. Die Gesetzmäßigkeit in der Geschichte verbürgt zugleich einen sittlichen Fortschritt. „Die sittlichen Gebote selbst ergeben sich aus den Realitäten des Lebens. Wer das Leben will, muß auch die Sittlichkeit wollen als die höchste Lebenskraft. Wenn aber die Welt als Ganzes somit auf die Sittlichkeit angelegt ist, so muß ihre Ursache selbst eine sittliche sein, also eine Gottheit." Von seiner ethischen Weltanschauung aus glaubt er an die Macht der Erziehung; „die Erziehung ist die Fortpflanzung der
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Barthel — Basedow
Gesellschaft", hat also enge Beziehung zur Soziologie, so daß B. sich verspricht, „in der Pädagogik teils neue soziologische Tatsachen zu finden, teils soziologische Wahrheiten fruchtbar zu machen." Ziel der Erziehung ist Willensstählung. S c h r i f t e n : Die Philosophie der Geschichte als Soziologie, Lpz. 1897, 3. u. 4. Aufl. 1922. — Die Geschichtsphilosophie Hegels und der Hegelianer bis auf Marx und Hartmann, Lpz. 1890, 2. Aufl. 1925. — Die Stoa, Stuttgart 1903; 3. u. 4. Aufl. 1922. — Gesch. der Erziehung in soziologischer und geistesgeschichtlicher Beleuchtung, Lpz. 1911, 5. u. 6. Aufl. 1925. — Ethische Jugendführung, Lpz. 1919. — Selbstdarstellg. in: Philosophie der Gegenwart in Selbstdarstellungen, Bd. I. Lpz. 1921. L i t e r a t u r : Hermann Pixberg, Soziologie u. Pädagogik b. Willmann, B., Litt u. Krieck, Langensalza 1926. — Gertrud Daniels, Individuum u. Gemeinschaft bei P. B. u. Fr Naumann, Berlin 1932
Barthel, Ernst, geb. 17. Okt. 1890 in Schiltigheim (Eis.). Dr. phil. Straßburg 1913. Habilitiert in Köln 1921. Erhielt den Strindberg-Preis 1925. S c h r i f t e n : Goethes Wissenschaftslehre, 1922. — Lebensphilosophie, 1923. — Die Welt als Spannung und Rhythmus, 1928. — Vorstellung und Denken, 1931. — Kosmologische Briefe, 1931. — Einführung in die Polargeometrie, 1932. — Beiträge zur transzendentalen Logik auf polaristischer Grundlage, 1932.
Basedow, Johann Bernhard, geb. in Hamburg am 11. September 1723, gest. in Magdeburg am 25. Juli 1790. Pädagoge und Erziehungstheoretiker der Aufklärung, Begründer der philanthropinischen Bewegung, beeinflußt von Locke, Wolff, Comenius und vor allem Rousseau. Er war Professor der Moral und der schönen Wissenschaften, erblickte aber seine eigentliche Aufgabe in der Reformation besonders des deutschen Unterrichtswesens. Zu diesem Zwecke suchte er weitreichende Pläne für die Schaffung neuer Unterrichtsanstalten zu verwirklichen, in denen die neue Art der Erziehung sich entfalten könnte. Die Kinder will er zu einem gemeinnützigen und patriotischen Leben, das die Glückseligkeit bei sich führen soll, heranbilden; das Kind selbst soll gepflegt werden und als Kind Verständnis bei den Erziehenden finden; als Methode soll nur die natürliche und einfachste Form der Erziehung Anerkennung finden. In seinem „Methodenbuch für Väter und Mütter der Familien und Völker" (1770) entwickelte B. seine Gedanken zur geforderten Reform der Erziehung in eingehender Weise. Wichtiger als der Unterricht, der, soweit nur möglich, Sachunterricht sein soll, ist die Erziehung; ihrem Ziel hat sich der Unterricht in jeder Hinsicht anzupassen. Der Unterricht selbst hat dem jeweiligen Stadium der kindlichen Entwicklung zu entsprechen. Grammatik soll erst im fünfzehnten Lebensjahre getrieben werden, wenn der Geist des Zöglings Begriffliches zu erfassen vermag. Durch das Methodenbuch wurde der Fürst Leopold von Anhalt-Dessau auf B. und seine Pläne aufmerksam und berief ihn nach Dessau. Hier verfaßte B. für die Zwecke des Unterrichts sein großes „Elementarwerk" und erhielt von dem Fürsten die Verfügung über die zur Verwirklichung der Entwürfe notwendigen Mittel, mit deren Hilfe er dann das Philanthropinum, die Schule der Menschenfreundschaft errichtete; Mitarbeiter hierbei war der Pädagoge Wolke. Die Begeisterung, die überall von der Neugründung hervorgerufen wurde, war ungeheuer; das Unternehmen vermochte jedoch nicht, sich auf die Dauer zu halten. Die Bewegung des Philanthropinismus selbst entwickelte sich weiter und fand zahlreiche Anhängerschaft, in welcher E. Chr. Trapp, Joach. Heinr. Campe, Chr. Gotthilf Salzmann u. a. hervorragen. S c h r i f t e n : Philalethie oder Neue Aussichten in die Wahrheiten u. Religion d. Vernunft, Lübeck 1764. — Theoretisches System der gesunden Vernunft, Lpz. 1765. —
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Basilides aus Antiochia
Metliodenbuch für Väter und Mütter der Familien und Völker, Lpz. 1770, hrsg. von Th. Fritzsch, Lpz. 1913. — B.s ausgewählte Sehr., hrsg. von H. Göring, Langensalza 1830. L i t e r a t u r - R, Diestelmann, B., Große Erzieher II, Lpz. 1897. — H. Zimmermann, D. Pädag. B.s vom Standpunkte mod. Geschichtsauffass., Aktuelle Fragen a. d. Pädag. d. Gegenw., H. 1, Langensalza 1912. — Fr. Fischer, B. u. Lavater, 1912. — Piazzi, Alfredo, L'educazione filantropica: nella dottrina e nell'opera di Giovanni Bernardo Basedow, Mailand 1920. — Basedow, Arnim, J. B. B., in: Friedrich Manns pädagogisches Magazin, Langensalza 1924. — Rammelt, Johannes, J. B. B., der Philanthropismus und das Dessauer Pbilanthropin, Dessau 1929. Basilides aus Antiochia, Gnostiker, lehrte um 130 n. Chr. in Alexandreia. Seine Lehre, die mit Philo manches gemeinsam hat und auch von der platonischen und der stoischen Philosophie beeinflußt ist, stellt ein Emanationssystem dar. Irenaus und Hippolytus, die beide über B. einen Bericht lieferten, weichen in ihrer Darstellung voneinander ab. Gemeinsam berichten sie, daß B. den Gott des Judentums von dem höchsten Gotte, der Christus gesandt habe, trennte. Hierin folgte B. einem allgemeinen Zuge des Gnostizismus. Nach Irenaus emanierten aus dem unerschaffenen Gotte der Reihe nach der Nous, der Logos, die Phronesis (vernünftige Einsicht), die Sophia (Weisheit) und die Dynamis (Kraft), aus der Sophia und Dynamis die Gerechtigkeit und der Friede. Alle diese bezeichnete B. als Engel des ersten Himmels, in welchem der Urgott unmittelbar regierte. Nach Hippolytus schuf der nichtseiende Gott bei B. aus dem Nichts vergleichsweise durch seinen Willen die Einheit, welche den Samen der gesamten Welt gemischt (riav37rep|j.ia1 birgt. Der Same enthält die drei Teile der Sohnschaft Gottes, der erste Teil kehrt in den unaussprechlichen Gott zurück, der zweite wird vor einer gänzlichen Vermischung der Massen dadurch bewahrt, daß er von dem ersten den Geist erhält, der dritte Teil bleibt in der Masse zurück und ist erlösungsbedürftig. Nach Hippolytus emanieren bei B. also aus dem Urgotte über die Erschaffung der Panspermia drei Sohnschaften, von denen die zwei ersten in dem überweltlichen Raum sich befinden, während die dritte in der Welt ist, welche von jenem zwar umschlossen, aber durch eine feste Sphäre (Stepéiop-a) abgeteilt ist. Der Heilige Geist vermittelt zwischen Überweltlichem und Weltlichem. Die weltliche Sphäre ist bei Hippolytus das Reich des innerweltlichen Herrschers. Dieser hält sich für den höchsten Gott und hat unter sich einen gesetzgebenden Gott. E r übt das Weltregiment aus durch zwei besondere Herrscher, deren einer sein eigener, deren anderer der Sohn des gesetzgebenden Gottes ist. Nach der Lehre des Irenaus ist der Gott des Judentums der oberste der Engel des untersten Himmels und schuf die Welt, um seine Herrschermacht zu vergrößern. Zwischen dem obersten und dem untersten Himmel liegen 365 andere Himmel. Das Regiment über alle 365 Himmel führt Abraxas, aus dessen Namen durch mystische Zeicheninterpretation die Zahl 365 gewonnen wird. Nach Irenäus findet die Erlösung der Gläubigen durch Entsendung des Nous, welcher der Christus ist, vom Urgotte statt, der die Gewalt des weltherrschenden Judengottes bricht; nach Hippolytus vermittelt der Geist die Erkenntnis, Gnosis, der überweltlichen Sohnschaften und des Urgottes selbst, durch welche der Weltherrscher seinen Abfall bereut und zum nichtseienden Gotte aufgenommen wird. Der Träger der Erleuchtung aber ist Jesus. B e i Irenäus ist die Weltentwicklung des B . mehr eine Emanation, bei Hippolytus in stoisierender Auffassung mehr eine reale Entwicklung. L i t e r a t u r : Bardenhewer, Altkirchl. Lit., I8, 343—376. — Uhlhorn, D. basilid. Syst., 1855. — Hilgenfeld, D. Syst. d. Gnostik. B., Theol. Jahrb. 1856, 86 fi.; D. jüd. Apokalypt. usw.. 1857, 287—299. — Th. Zahn, Gesch. d neutest. Kanons I, 1888/89, 763—774. — Joh. P. Steffes, Das Wesen des Gnostizismus, 1922.
Philosoplien-Lexikon
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Basilius der Große — Batteux
Basilius der Große, Kirchenvater, geb. um 330 zu Cäsarea in Kappadozien, gest. 379, 370 Bischof daselbst. Er, Gregor von Nazianz und sein Bruder, Gregor von Nyssa, werden als „die drei Lichter der Kirche von Kappadozien" bezeichnet. B. schätzte die griechische Bildung hoch und wollte sie nach den Richtlinien der christlichen Ethik für die christliche Erziehung fruchtbar machen. B. schrieb u. a. Homilien zum Hexaëmeron der Genesis und lieferte damit einen wichtigen Beitrag zur patristischen Naturphilosophie. S c h r i f t e n : Migne, Patrología Graeca, Bd. 29—32; deutsch v. Wendel, 6 Bde., Wien 1776—78; Auswahl in Bibl. der Kirchenväter, Bd. 46, 1925. L i t e r a t u r : K. Müllenhoff, Hermes 2 (1867), 252 ff. — P. Plaß, De Basilii et Ambrosii excerptis ad historiam animalium pertinentibus, Marpurgi 1905 I, D. — G. Büttner, Beitr. z. Ethik d. B., Landshut 1913 Pr. — Studien z. d. Briefen des Hl. B., Lund 1944. — K. Moser, Die Lehre des B. üb. d. Glauben, Rom 1940.
Basso, Sebastian, Anfang des 17. Jahrh. Französischer Naturphilosoph. Vertreter der quantitativen Atomistik. Die Materie setzt sich aus kleinsten elementaren Teilchen zusammen, denen neben Unteilbarkeit auch Verschiedenheit zukommt. Diese Atome schließen sich zu Gruppen und diese wieder zu Gruppen höherer Ordnung zusammen und so fort. Die Zwischenräume werden von dem Weltäther ausgefüllt, dem Spiritus, der alles durchdringt und das tätige Prinzip darstellt. Mit seiner Hilfe beweist sich Gott in der Natur, und durch ihn sind er und die Natur identisch. Der Weltäther wird von B. nicht als ein Geistiges, sondern als ein Körperliches gedacht, er ist ein materielles sehr feines Medium. S c h r i f t e n : Philosophiae naturalis adv. Arist. libri XII, Genovae 1621, Amsterdam 1649. L i t e r a t u r : K. Laßwitz, Giordano Bruno u. d. Atomistik, Vierteljahrsschr. f. wissensch. Philosophie 8 (1884), S. 46—55.
Bastian, Adolf, geb. in Bremen am 26. Juni 1826, gest. in Port of Spain (Trinidad) am 2. Februar 1905. Zwischen 1850 und 1880 zahlreiche Reisen. 1886 Direktor des Ethnologischen Museums in Berlin. Als Ethnologe und Völkerpsychologe hat Bastian großen Einfluß geübt durch seine Theorie der „Völkergedanken", d. h. der für die einzelnen Völkerindividualitäten charakteristischen und eigentümlichen Gedankenbildungen, von denen er die „Elementargedanken" unterscheidet als die allen Völkern gemeinsamen Überzeugungen und Denkweisen. S c h r i f t e n : Der Mensch in der Geschichte, 3 Bde., Leipz. 1860. — Die Völker des östlichen Asien, 6 Bde., Leipzig 1866—71. — Die Kulturländer des alten Amerika, 3 Bde., Berlin 1878—89. — Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen, Berlin 1881. — Zur Lehre vom Menschen in ethnischer Anthropologie, Berlin 1895. L i t e r a t u r : Bibliographie in: Intern. Arch. f Ethnographie, Erg.-Bd zu Bd. IX, 1896. — Man, Bd. V, 1905, S. 139—43. — Schwarz, Richard, A. B.s Lehre von Elementarund Völkergedanken, Leipz. 1909. — Preuß, K. Th., A. B. und die heutige Völkerkunde; in: Ipek, 1927.
Batteux, Charles, geb. 16. Mai 1713 bei Reims, gest. 14. Juli 1780 in Paris, Ästhetiker. B. lehrt als die Aufgabe der Kunst die Nachahmung der schönen Natur, damit sich durch sie der Geist über die empirische Wirklichkeit erheben kann. S c h r i f t e n : Les beaux arts réduits en un même principe, Paris 1746, deutsch Gotha u. Lpz. 1751. — Cours de belles-lettres, Paris 1747—50, deutsch v. K. W. Ramier, Einl. in d. schön. Wissensch., 4 Bde., Lpz. 1754—58, L i t e r a t u r : A. v. Danckelmann, Ch. B., s. Leb. u. s. ästhet. Lehrgebäude, Rostock 1902, — Schenker, Manfred, C. B. und seine Nachahmungstheorie in Deutschland, Leipzig 1909.
Bauch
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Bauch, Bruno, geb. 19. Januar 1877 in Gr.-Nossen (Schi.), gest. 1942. Promoviert in Freiburg 1901, habilitiert in Halle 1903. Tit. Professor in Halle 1910. Ord. Professor in J e n a 1911. Bruno Bauch ist philosophisch von der Mathematik und Naturwissenschaft ausgegangen. Darum stehen, wenn er auch gleich von Anfang an Einzelfragen der praktischen Philosophie, insbesondere der Ethik und Religionsphilosophie, teils systematisch, teils historisch behandelt, zunächst die Probleme der theoretischen Philosophie, insbesondere der Logik, Methodologie und Erkenntnistheorie, im Vordergrunde seines philosophischen Gesamtinteresses. Daneben gehen einige ausgesprochen historische Arbeiten einher. Im Fortgange seiner Entwicklung erweitern sich nun seine theoretisch-philosophischen Fragestellungen so, daß er zugleich den innersachlichen Zusammenhang zwischen diesen und den Problemen der praktischen Philosophie gewinnt. Charakteristisch dafür ist schon seine Behandlung der Kantischen Philosophie, insofern diese nicht allein eine historische Darstellung der Lehre Kants, sondern zugleich auch eine innere Auseinandersetzung mit dieser bedeutet. Der eigene systematische Ausbau seines Denkens richtet sich im weiteren bei Bauch besonders darauf, die Probleme, die bisher in Erkenntnistheorie, Metaphysik, Ontologie, Wirklichkeits- und Werttheorie getrennt behandelt wurden, in ihrem untrennbaren Zusammenhange zu erkennen und zu untersuchen, so daß auch alle ihre Einzelfragen sich zu einer einheitlichen Synthese zusammenschließen. So notwendig den einzelnen philosophischen Gebieten und ihren Problemen gegenüber auch die Klarheit und Schärfe des Unterscheidens ist, so darf die Unterscheidung doch nicht zur abstrakten Trennung werden, sondern hat gerade der Einsicht in Beziehung und Zusammenhang zu dienen. Bauch steht darum in scharfem Gegensatze gegen allen abstrakten bloßen Formalismus. Schon hinsichtlich des Erkenntnisproblems betont er, daß alles Erkennen ebenso immer Erkennen eines Gegenstandes wie Erkennen der Wahrheit ist, so daß Wahrheit und Gegenstand, Wahrheitsstrukturen und Gegenstandsstrukturen nicht etwas völlig voneinander Abgelöstes sein können. Das wird entscheidend zunächst für das Problem der Wirklichkeit. Indem die Strukturformen der Wahrheit in Urteil, Kategorie und Begriff genau analysiert werden und der Zusammenhang von Urteil und Kategorie im Begriff erkannt wird, kann zugleich auch ihre gegenständliche Bedeutung aufgewiesen werden. Die herkömmliche Auffassung von Urteil, Kategorie und Begriff wird damit einer gründlichen Revision unterzogen. Und vor allem müssen angesichts der Frage nach der Begreiflichkeit der Natur die in Urteil, Kategorie und Begriff bezeichneten Probleme eine neue grundsätzliche Untersuchung erfahren, die die völlige Loslösung vom abstrakten Formalismus durchführt. Insbesondere wird jetzt zwar der Unterschied zwischen Anschauung und Begriff deutlich, zugleich aber auch ihre engste untrennbareBeziehung aufgewiesen. Gegenüber demso£. ,,Neuka;n anismus", dem Bauch zunächst auf seinen ersten Ausgangspunkten selber noch nahestand, und dessen Verdienste er dauernd anerkennt, wird damit auch das Recht der Empfindung erhärtet. Vor allem aber sucht Bauch sowohl gegen den Rationalismus wie auch gegen den Irrationalismus das rechte Verhältnis von Rationalem und Irrationalem zu gewinnen. Mit alledem führen die Untersuchungen zur Auflösung der Frage nach der Möglichkeit der Darstellung von Werten in der Wirklichkeit, der Darstellung von Kultur in der Natur. Und das Problem des Sinnes des Lebens verlangt zwar wiederum eine scharfe Unterscheidung zwischen dem bloß biologischen Leben und dem Geistesleben; aber auch diese Unterscheidung hat der Einsicht in ihre Beziehung und in ihren Zusammenhang zu dienen. 6*
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Bauer, Bruno
Dieser ganze Problemkomplex verdichtet sich schließlich zu dem einen Zentralproblem der Idee. Freilich darf die Idee von vornherein nicht in dem subjektiven vulgären Sinne der „bloßen Vorstellung" gefaßt werden. Auch die Auffassung der Idèe als „ideales Sein" schneidet die Lösung ab, anstatt sie zu geben. Selbst Kants Auffassung von der Idee als „unendlicher Aufgabe" bleibt unzulänglich, insofern diese zugleich in unendliche Ferne von der Wirklichkeit gerückt wird. Jenseits aller standpunktlichen Beengung, sei es des Rationalismus, sei es des Irrationalismus oder Empirismus, sei es des Monismus, sei es des Dualismus usf., gilt es die übergreifende Einheitsfunktion zu erfassen, die sich durch alle grundlegenden Beziehungen, wie die des Allgemeinen und Konkreten, des Unendlichen und des Endlichen, des Rationalen und des Irrationalen, des Bedingenden und Bedingten, des Überzeitlichen und des Zeitlichen, des Wesens und der Erscheinung, des Ich und der Welt hindurchzieht. Von diesem systematischen Zusammenhange aus hat Bauch auch noch eine Reihe von Problemen der Geschichts-, Kultur- und Rechtsphilosophie behandelt, deren sachlicher Zusammenhang bereits durch die vorausgehenden Untersuchungen fundiert ist und weiter auf den allgemeinen Zusammenhang des Ganzen der praktischen Philosophie hinweist. Eine zusammenfassende Behandlung der Grundfragen der praktischen Philosophie kündigt sich bereits an in einer Untersuchung über die Phänomenologie des sittlichen Bewußtseins. (Für das Lexikon verfaßt von B. Bauch.) S c h r i f t e n : Glückseligkeit u. Persönlichkeit in d. kritischen Ethik 1902, 12. Aufl. 1931. — Luther und Kant, 1904. — Das Substanzproblem in der griechischen Philosophie, 1910. — Studien zur Philosophie der exakten Wissenschaften, 1911. — Immanuel Kant, 1917, 3. Aufl. 1920. — Wahrheit, Wert und Wirklichkeit, 1923. — Das Naturgesetz, 1924. — Die Idee, 1926. — Philosophie des Lebens u. Philos. d. Werte, 1927. — Nationale Freiheit, 1931. — Grundzüge d. Ethik, Stuttgart 1935. — Selbstdarstellung., in Phil, der Gegenwart, Bd. 7, 1929. — Systemat. Selbstdarst, in: Deutsche systemat. Philosophie, Berlin 1931. L i t e r a t u r : Metz, Rudolf, B. B.s Hauptwerk, in: Der Türmer, 1925. — R. Hönigswald, Das Problem der Idee. Eine analytische Untersuchung aus Anlaß des Bauchschen Werkes: „Die Idee" (Logos). — E. Keller, Das Problem des Irrationalen im wertphilosophischen Idealismus der Gegenwart (II. Teil: Die Lösung des Irrationalitätsproblems durch B. B.); Die Phil. B. B.s als Ausdruck germanischer Geisteshaltung, 1935. — F. Bommersheim, Die Philosophie B. B.s (Philosophie und Schule). — Peschke, Robert, Das Problem der wirklichkeitserfüllten Geltung bei B., N. Hartmann und H. Schwarz, 1930. — Raphael Fäh, Begriff der Konkreszens b. B. B., Samen 1940.
Bauer, Bruno, geb. 6. September 1809 in Eisenberg, gest. 15. April 1882 in Rixdorf. Schüler Hegels, anfänglich mehr der Hegeischen Rechten, später der Linken zugehörig, habilitierte sich 1834 in Berlin für Theologie, dann 1839 in Bonn, wo ihm 1842 wegen seiner zu freien religiösen Ansichten durch eine umstrittene Entscheidung die Venia legendi entzogen wurde. B. lebte darauf bis zu seinem Tode als Schriftsteller und Landwirt zusammen mit seinem Bruder Edgar in Rixdorf (Neukölln) bei Berlin. B. anerkannte von seinem Standpunkt der „reinen Kritik" aus nicht den kirchlich-orthodoxen Gottesbegriff. Für ihn ist es die Aufgabe des Menschen, in der Deutung und Entfaltung des dem Kosmos immanenten Sinnes Geschichte werden zu lassen; in der geordneten und gesetzmäßigen Entwicklung der kosmischen Grundbestimmtheit liegt der Sinn der Weltgeschichte. Der Strebensrichtung dieser Entfaltung soll der Mensch nicht Widerstand entgegensetzen, sondern er soli sie in sein eigenes Handeln aufnehmen. Alle dogmatische „Jenseitigkeit" lehnte er schroff ab.
Bauer, Edgar — Bäumer
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S c h r i f t e n : Ztschr. I. spekul. Theol., Bln. 1836—1838. — D. Posaune d. jüngste« Gerichts wider Hegel, den Atheisten u. Antichristen (ironisch, anonym), Lpz. 1841. — Hegels Lehre v. Religion u, Kunst (anonym), Lpz. 1842. — Kritik d. evangel. Gesch. d. Johannes (Bremen 1840) u. d. Synoptiker (Lpz. 1841/42). Neuausgabe u. Umarb, 1850/51, verm um d. 4. Bd.: D theolog. Erklär d. Evangelien, 1852. — Philo, Strauß u. Renan u. d. Urchristentum, Bln. 1874. — Christus u. d. Cäsaren, d. Ursprung d. Christentums aus d. römisch. Griechentum, Bln. 1877 — Geschichte d. Politik, Kultur u. Aufklärung d. 18. Jahrh., 4 Bde., Bln. 1843—45. — B. B. redivivus, Ausw. v. Georg Runze, 1934. L i t e r a t u r : M. Kegel, B. B. u. seine Theorien üb. d. Entstehung d. Christentums, Lpz. 1908 (mit einem nicht ganz vollständ. Verzeichn. d. Sehr. B.s). — B. B.s Übergang v. d. Hegeischen Rechten z. Radikalismus, Erlangen 1908. — E. Krieck, D. neueste Orthodoxie u. d. Christusproblem, J e n a 1910. — B. B., zum 30. Todestage eines Verfemten, Volksschulwarte IV, 15 (1912). — G. A. van den Bergh van Eysinga, Die holländ.-radikale Kritik des Neuen Test., ihre Gesch. u. Bedeutg. für d. Erkenntn. d. Entsteh. d. Christentums, J e n a 1912. — A. Drews, D Leugnung d. Geschichtlichk. J e s u in Vergangenh. u. Gegenw., Karlsruhe 1926. — Barnikol, Ernst, Das entdeckte Christentum im Vormärz, J e n a 1927. — Georg Runze, B. B., der Meister d. theolog. Kritik, Neu-Finkenkrug b. Berlin 1931
Bauer, Edgar, 1820 bis 1886, philosophischer Schriftsteller, der Hegeischen Linken nahestehend, Bruder Bruno Bauers, mit dem er vielfach zusammenarbeitete und für den er mit einer besonderen Schrift öffentlich eintrat. Durch eine bald hernach vorgenommene Erweiterung dieser Schrift geriet er mit den Staatsbehörden in Konflikt und wurde zu einer vierjährigen Festungshaft verurteilt. S c h r i f t e n : Bruno Bauer u. seine Gegner, Bln. 1842. — D. Streit d. Kritik mit der Kirche u. d. Staat, Bern 1843 (Erweiterung der vorigen). — Zusammen m. Bischof Koopmann: Kirchliche Blätter, 1870. — Christlich-politische Vierteljahrsschr., 1870; daraus separat: D. Teutsche Reich in sein, geschichtl. Gestalt, Altona 1872.
Baumann, Julius, geb. 22. April 1837 in Frankfurt a. M., gest. 14. Aug. 1916 in Göttingen. Professor in Göttingen. Lotze-Schüler. Vertritt einen Idealrealismus. Unsere Denk- und Anschauungsformen sind apriorisch, es entspricht ihnen etwas in der Wirklichkeit. S c h r i f t e n : Philosophie als Orientierung über die Welt, 1872. — Sechs Vorträge aus dem Gebiet der praktischen Philosophie, 1874. — Handbuch der Moral nebst einem Abriß der Rechtsphilosophie, 1879. — Einführung in die Pädagogik, 1890. — Elemente der Philosophie: Logik, Erkenntnistheorie und Metaphysik, Moral, 1891. — Die grundlegenden Tatsachen zu einer wissenschaftlichen Welt- und Lebensansicht, 1894, 2. Aufl. 1901. — Die Grundfrage der Religion. Versuch einer auf dem realen Wissen ruhenden Gotteslehre, 1895. — Realwissenschaftliche Begründung der Moral, der Rechts- und Gotteslehre, 1898. — Neuchristentum und reale Religion, eine Streitschrift wider Harnack und Steudel, nebst einem Katechismus realer Religion, 1901. — Dichterische und wissenschaftliche Weltansicht, 1904. — Über Religionen und Religion. Worte zur Verständigung, 1905. — Anti-Kant, 1905. — Abriß eines rationalen Pragmatismus, 1913.
Baumeister, Friedrich Christian, 1709 bis 1785, Anhänger der Wölfischen Philosophie. Schriften: 1741 u. a.
Historia doctrinae recentius controversae de mundo optimo, Görlitz
Bäumer, Gertrud, geb. 12. Sept. 1873 in Hohenlimburg. Dr. phil. 1910—1919 Vors d. Bundes deutscher Frauenvereine. 1916—1920 Leiterin des sozialpädagogischen Instituts in Hamburg. 1920—1933 Ministerialrat in der schulpolitischen Abt. des Reichsinnenministeriums. Vertritt als „neuen Humanismus" eine Ver-
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Baumgardt — Baumgarten, Alex. Gottl.
bindung h u m a n i s t i s c h e r I d e a l e mit s o z i a l p o l i t i s c h e m R e a l i s m u s . B . w a r Helene Lange Führerin der deutschen Frauenbewegung.
neben
S c h r i f t e n : Die soziale Idee in den Weltanschauungen des 19. Jahrhunderts. Grundzüge der modernen Sozialphilosophie, Heilbronn 1910. — Die Frau und das geistige Leben, Lpz. 1911. — Der Wandel des Frauenideals in der modernen Kultur, Münch. 1911 — Der Krieg und die Frau, Stuttgart-Berlin 1914. — Die Frau in Volkswirtschaft und Staatsleben der Gegenwart, Stuttg. u. Bln. 1914. — Die Lehren des Weltkriegs für die deutsche Pädagogik, Lpz. u. Bln. 1915. — Weit hinter den Schützengräben, Aufs, aus dem Weltkrieg, J e n a 1916. — Die deutsche Frau in der sozialen Kriegsfürsorge, Gotha 1916. — Helene Lange zum 70. Geb., Berlin 1918. — Goethes Freundinnen. 2. Aufl. 1919. — Zwischen Gräben und Sternen, August 1916 bis August 1918, J e n a 1919. — Studien über Frauen, Bln. 1920, 3. Aufl. 1924. — Fichte und sein Werk, Bln. 1921. — Das Reichsgesetz für Jugendwohlfahrt, Bln. 1923. — Zus mit Lili Droescher, Von der Kindesseele, Beitr. z. Kindespsychologie aus Dichtung und Biographie, 5. Aufl. Lpz. 1924. — Die seelische Krisis, Bln. 1924. — Europäische Kulturpolitik, Bln. 1926. — Die Frau in der Krisis der Kultur, Bln. 1926. — Der deutsche Frauenkongreß, Bln. 1927. — Deutsche Schulpolitik, Karlsruhe 1928. — Die Frauengestalt der deutschen Frühe, Bln. 1928 — Grundfragen demokratischer Politik, Karlsruhe 1928. — Schulaufbau, Berufsauslese, Berechtigungswesen, Bln. 1930. — Sinn und Formen geistiger Führung, Bln. 1930. — Heimatchronik während des Weltkrieges, Bln. 1930. — Neuer Humanismus, Lpz. 1930. — Die Frau im neuen Lebensraum, Bln. 1931. — Die Frau im deutschen Staat, Bln. 1932. — Goethe — überzeitlich, Bln. 1932. — Krisis des Frauenstudiums, Lpz. 1932, 2. Aufl. 1933. — Wirtschaftsnot und Sozialpolitik. 1932. — Helene Lange, Lübeck 1933. — Lebensweg durch eine Zeitenwende, 3. Aufl., Tübingen 1933. — Der freiwillige Arbeitsdienst der Frauen, Lpz. 1933. — Familienpolitik, Bln. 1933. — Männer und Frauen im geistigen Werden des deutschen Volkes. Tübingen 1934. — „Ich kreise um G o t t " Der Beter Rainer Maria Rilke, Berlin 1935. — D. Frauengestalt d. deutschen Frühe, Berlin 1939. — Gestalt und Wandel, Berlin 1939. — Die Macht der Liebe. Der Weg des Dante Alighieri, München 1941. — Der ritterliche Mensch, Berlin 1941. — Die Reichsidee bei den Ottonen, 1947. L i t e r a t u r : Vom Gestern zum Morgen. Eine Gabe für G. B., Berlin 1933. B a u m g a r d t , David, g e b . 20. A p r i l 1890 in E r f u r t . P r o m o v i e r t 1920 in B e r l i n , h a b i l i t i e r t in B e r l i n 1924. L e h r a u f t r a g für G e s c h i c h t e d e r Ä s t h e t i k 1931. A . o. P r o f e s s o r an d e r U n i v e r s i t ä t B e r l i n 1932. S e i t 1 9 3 5 a. d. U n i v . B i r m i n g h a m , E r k e n n t n i s t h e o r e t i s c h ist B a u m g a r d t von K a n t ausgegangen, d e s s e n G e g e n s t a n d s - und M ö g l i c h k e i t s b e g r i f f er g e g e n ü b e r a n d e r e n H a u p t b e s t r e b u n g e n d e r m o d e r n e n L o g i k zu r e c h t f e r t i g e n s u c h t . D i e M o r a l p h i l o s o p h i e K a n t s b e k ä m p f t e r v o r allem u n t e r K r i t i k i h r e r begrifflichen und m e t h o d i s c h e n G r u n d l a g e n . B . e r s t r e b t eine m a t e r i e l l e E t h i k mit a u s g e d e h n t e r k r i t i s c h e r V e r w e r t u n g s p e k u l a t i v - m e t a p h y s i s c h e r I n t e n t i o n e n . U n t e r B . s A r b e i t e n zur G e s c h i c h t e d e r M y s t i k und R o m a n t i k w a r das B u c h ü b e r „ F r a n z von B a a d e r und die p h i l o s o p h i s c h e R o m a n t i k " die e r s t e u m f a s s e n d e und k r i t i s c h e D a r s t e l l u n g d i e s e r l a n g e v e r g e s s e n e n F ü h r e r e r s c h e i n u n g der d e u t s c h e n s p e k u l a t i v e n P h i l o s o p h i e . S c h r i f t e n : Das Möglichkeitsproblem der Kritik der reinen Vernunft, der modernen Phänomenologie und der Gegenstandstheorie, 1920, in den Ergänzungsheften der Kantstudien. — Franz von Baader u. d. philos. Romantik, 1927. — Seele und Welt, Baaders Jugendtagebücher, 1928. — Mystik in der nachkantischen Philosophie, 1928, in den Süddeutschen Monatsheften. — Über einige Hauptmethodenfragen der modernen Ethik, in: Logos, 1930. — Der Kampf um den Lebenssinn unter den Vorgängern der modernen Ethik, 1933. B a u m g a r t e n , A l e x a n d , G o t t l i e b , 1714 bis 1762. S c h ü l e r und A n h ä n g e r d e r P h i l o s o p h i e W o l f f s , B e g r ü n d e r der d e u t s c h e n Ä s t h e t i k , P r o f e s s o r in F r a n k f u r t a. 0 . B . e r w a r b sich V e r d i e n s t e um die p h i l o s o p h i s c h e T e r m i n o l o g i e und die S y s t e m a tisierung d e r Philosophie, die n a c h ihm die „ s c i e n t i a q u a l i t a t u m in r e b u s sine fide
Baumgarten, Arthur — Baeumker
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cognoscendarum" ist. Er unterscheidet die theoretische Philosophie, die in Metaphysik und Physik zerfällt, von der praktischen, die Ethik, Rechtsphilosophie, Lehre vom Anstand (Prepologia) und die Lehre vom Ausdruck (Emphaseologie) behandelt, und läßt beiden die Gnoseologie (Erkenntnislehre) vorangehen, welche die Ästhetik als die Lehre von der sinnlichen Erkenntnis und die Logik als die Lehre von der rationalen Erkenntnis umfaßt. Die Ästhetik bezeichnet das in der Erscheinung angeschaute Vollkommene als das Schöne, an dessen Auffassung, da es noch nicht deutlich erkannt ist (dann wäre es wahr), das Gefühl beteiligt ist. Künstlerische Anlage, Genie, Begeisterung, Übung sind wesentlich für das Erfassen des Schönen. — Die Monaden sind vorstellende Kräfte, ihr Verhältnis zueinander ist nach prästabilierter Harmonie geregelt. — Die Ethik ist wie die Wölfische perfektionistisch. — B.s Metaphysik legte Kant seinen Vorlesungen zugrunde. S c h r i f t e n : Metaphysica, Halle 1739 u. ö. — Ethica philosophica, Halle 1740, — Aesthetica, Frankf. a. 0., 2 voll., 1750—1758 (Hauptwerk). — Initia philosophiae practicae primae, 1760. — Acroasis logica in Chr. Wolff. Halle 1761. — Ius naturae, Halle 1765. — Philosophia generalis, Halle 1769, ed. Förster. L i t e r a t u r : E. Bergmann, D. Begründung d. dtsch. Ästhetik durch A. G. B. u. G. F. Meier, Lpz. 1911. — Alb Riemann, D. Ästhetik A. G. B.s usw., Halle 1928. — Schwitzke, Heinz, Die Beziehungen zwischen Ästhetik und Metaphysik in der deutschen Philosophie vor Kant, Berlin 1930. — Peters, Hans Georg, Die Ästhetik A. G. B.s und ihre Beziehungen zum Ethischen, Berlin 1934.
Baumgarten, Arthur, geb. 31. März 1884 in Königsberg i. Pr. 1909 Dr. utr. jur. an der Universität Berlin, November 1909 a. o. Professor des Strafrechts an der Universität Genf, ord. Professor für Rechtsphilosophie und Strafrecht an der Universität Köln 1920, Basel 1923, Frankfurt a. M. 1930, Basel 1934 S c h r i f t e n : Die Wissenschaft vom Recht und ihre Methode, Bd. I u. II, 1920/22. — Erkenntnis, Wissenschaft, Philosophie. Erkenntniskritische und methodologische Prolegomena zu einer Philosophie der Moral und des Rechts, 1927. — Rechtsphilosophie im Handbuch der Philosophie, 1929. — Der Weg des Menschen, 1933. — Bemerkungen z, d. Lehre v. d. »Causa«, Basel 1934, in: Beitr, z. Handelsrecht. — Grundzüge d. jurist. Methodenlehre, Bern 1939. — Logik als Erfahrungswissenschaft, Kowno 1939. — Strafrecht u. Willensfreiheit in: Karl Joel-Festschr., Basel 1934. — Wissensch, u. Sprache, Basel 1936 L i t e r a t u r : A. Simonies, Die Rechtsphilosophie Arthur Baumgartens, in: Zeitschr. f. Schweizerisches Recht, Bd. 49, 2.
Baumgartner, Matthias, geb. 20. Febr. 1865, gest. 1933. Dr. phil. in München, dort hab., 1897 o. Prof. der Phil, in Freiburg i. Br„ 1901 in Breslau. Neu-Scholastiker. S c h r i f t e n : Die Erkenntnislehre des Wilhelm von Auvergne, 1893. — Die Philosophie des Alanus de Insulis, im Zusammenhang mit den Anschauungen des 12. Jahrhunderts dargestellt, 1896. — Augustinus und Thomas von Aquin, in: Große Denker, Leipzig 1911. — Fr. Überwegs Grundriß der Geschichte der Philosophie, Patristik und Scholastik, 10. völlig neu bearbeitete und stark vermehrte Aufl., 1915. — Als Ms. gedruckt: Grundriß der Logik und Erkenntnistheorie; Grundriß der Psychologie; Grundriß der Metaphysik, in mehreren Aufl.
Baeumker, Clemens geb. 16. Sept. 1853 zu Paderborn, gest. 7. Okt. 1924 in München. Seit 1872 Studium der Theologie. Herbst 1873 Studium in Münster, dort neben theologischen und philosophischen auch klassisch-philologische und germanistische Studien. Promotion mit einer Diss. über „Des Aristoteles Lehre von den äußeren und inneren Sinnesvermögen". 1883 Ruf nach Breslau auf den katholischen Lehrstuhl der Philosophie. 1900 Ordinarius in Bonn. 1903 als Nach-
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Baeumker
folger Windelbands nach Straßburg; von Ostern 1912 ab in München an Stelle von Hertlings. B. hat sich vor allem einer Erforschung der Quellen der Geschichte det- Philosophie im Mittelalter gewidmet. F ü r ihn besitzt die Geschichte „Selbstwert als historische Entwicklung des menschlichen Geistes, bei der, wie in allem Lebenden, das Vergangene immanent im Gegenwärtigen erhalten bleibt und ohne Zerschneidung der Lebenskontinuität ein absoluter Bruch mit der Vergangenheit nicht vollzogen werden darf". Auch die sachlich-systematische Bedeutung der geschichtlichen Arbeit leitet B. aus dieser Charakterisierung der Geschichte her; im Vergleichen und Ableiten wird der Blick immer wieder auf die sachlichen Probleme zurückgelenkt. W i e es der Zeit seiner eigenen philosophischen Entwicklung entsprach, hat B. hohe Schätzung für den philosophischen W e r t der Psychologie; er betrachtet sie „nicht nur als besondere Fachwissenschaft n e b e n der Philosophie, sondern als eine philosophische Grundwissenschaft selbst. Psychologie und Philosophie bleiben für mich untrennbar". Nach seinem eigenen B e kenntnis ist es nicht die Notwendigkeit einer synthetischen Zusammenfassung, die B. zur Philosophiegeschichte zieht; „meine ganze Art war mehr der Analyse und der Urproduktion aus den Quellen als einem abschließenden Ausbauen zugewandt" Für Betätigung dieser Anlage bot die mittelalterliche Philosophie ein fruchtbares Gebiet. Hier fehlte noch an wichtigen Stellen „die Kenntnis der Ursprünge, der Quellen, des Werdens und der Entwicklung", als B. in die Arbeit eintrat. B.'s Arbeiten sind vielfach bestimmt von dem Bemühen, den Kampf und die Durchsetzung platonisch-neuplatonischer Strömungen im Gegensatz zum Aristotelismus zu verfolgen von der griechischen Philosophie an und durch die Scholastik hindurch. So untersucht das dem schlesischen Philosophen und Naturforscher gewidmete Buch „ W i t e l o " (1908) „die Nachwirkungen der platonischaugustinischen Erkenntnislehre im Gegensatz zu der aristotelischen nach ihren Charakterzügen auch innerhalb der Hochscholastik". Unter anderm zeigt B. hier, wie eine von ihm sogenannte „Lichtmetaphysik" die Scholastik durchzieht und in ihr den Gedanken wachhält, das Prinzip des Lebens und das Medium der Erkenntnis liege in dem Licht, das dem göttlichen Urlicht entstammt; auch als raumbildender F a k t o r wird es angesehen. Seine philosophie-geschichtliche Arbeit hat B. nicht in den Dienst eines Systems, sondern „der philosophischen Wahrheit an sich" gestellt. Über der fachlichen Bestimmung will er die universelle Aufgabe der Philosophie nicht vernachlässigt sehen; sie ist eine notwendige Forderung der Vernunft. Philosophie als die Grunddisziplin „ist die Frage nach dem tieferen Sinn und der Bedeutung der Welt und des Seinszusammenhanges, in dem wir stehen, und nach dessen letztem Grunde sowie nach Sinn und Ziel des Lebens für den Einzelnen und die Gemeinschaften, nach seinen Werten und deren tieferer Begründung". „Weltanschauung" soll die Philosophie sein, ergänzt durch „Lebensanschauung", die das Praktische und Ethische zur Geltung kommen läßt. Kennzeichnend für B . ist die Einschränkung: „Philosophisch aber ist eine solche W e l t - und Lebensanschauung nur, insofern sie rational erarbeitet ist". E r selber steht auf dem Standpunkt eines „metaphysisch-ethischen Idealismus (der mit einem erkenntnistheoretischen R e alismus sehr wohl vereinbar ist), welcher durch den theistisch-teleologischen Grundgedanken seine besondere Färbung erhält". S c h r i f t e n : Das Problem der Materie in der griechischen Philosophie. Eine hist.kritische Untersuch., Münster 1890. — Avencebrolis Fons vitae, Monasterii 1895. — Die Impossibilia des Siger von Brabant, Münster 1898. — Dominicus Gundissalinus als philosophischer Schriftsteller, Münster 1900. — Witelo. Ein Philosoph und Naturforscher des
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13. Jahrh., Münster 1908. — Die europäische Phil, des Mittelalters, Kultur der Gegenwart, hrsg. v. Hinneberg, I, V, Bln. 1909, 2. Aufl. 1913. — Anschauung und Denken. Paderborn 1913. — Die patristische Philosophie, in: Kultur der Gegenwart, I, V, 2. Aufl., Bln. 1913. — Roger Bacons Naturphilos., insbesondere seine Lehren von Materie und Form, Individuation und Universalität, Münster 1916. — Alfarabi über den Ursprung der Wissenschaften, Münster 1916. — Der Piatonismus im Mittelalter, Münch. 1916. — Petrus de Hibernia, der Jugendlehrer des Thomas von Aquino, München 1920. — Selbstdarstellung, in: Die Philosophie der Gegenwart in Selbstdarstellungen, Bd. 2, Lpz. 1921. — Alfred von Sareshel (Alfredus Angelicus), De motu cordis, Münster 1923. — Aufsätze: Über die Lockesche Lehre von den primären und sekundären Qualitäten, Philos. J a h r buch, hrsg. v. Gutberiet, 1908. — Mittelalterlicher und Renaissance-Platonismus, in der Festschrift für Schlecht, 1907. — Gesammelte Aufsätze, Münster 1928. — Herausgeber: Beiträge zur Gesch. der Philosophie u. Theol. des Mittelalters, Münster, seit 1891. L i t e r a t u r : Studien zur Gesch. der Philosophie, Festschrift zum 60. Geb. Cl. Baeumkers, Münster 1913. — Studien zur Gesch der Philosophie, Festgabe zum 70. Geb. Cl. B.s, Münster 1923. — Lebensbild von Martin Grabmann, in: Cl. B., Gesammelte Aufsätze, Münster 1928. — Becher, Erich, Deutsche Philosophen, München u. Leipzig 1929.
Bäumler, Alfred, geb. 19. Nov. 1887 in Neustadt a. d. Tafelfichte. Dr. phil. München 1914. Habilitation 1924 in Dresden, A. o. Prof. für Philosophie in Dresden 1928, o. Prof. ebda. 1929, für politische Pädagogik in Berlin 1933. B.s philosophisches Schaffen ist getragen von der Überzeugung: „Es gibt keine echte historische Erkenntnis in der Philosophie, die nicht auch systematisch fruchtbar wäre, und umgekehrt. Die Vernunft der Systeme und die Vernunft der Geschichte ist nur eine". — „Das Organ für das Selbstverständnis des Abendlandes ist die Geschichte". (Kants Kr. d. U. I, S. 11/12). Eine grundlegende Untersuchung B.s gilt der Aufhellung von Geschichte und Systematik von Kants Kritik der Urteilskraft, der er seine philosophische Erziehung schuldig ist. Durch den Aufweis, daß Kant nicht bloß Denker der Identität, sondern ebensosehr „Denker der Totalität" ist, wird ein Zugang zur klassischen Welt über Kant eröffnet und gezeigt, wie von Kant aus Goethe zu verstehen sei. „In ihrer Trennung wie in ihrer Vereinigung gleich bedeutsam treten uns Kant und Goethe als Symbole unseres geschichtlichen Daseins entgegen" (S. VII). Eingeordnet in den Gang der philosophischen Entwicklung, erscheint die Philosophie Kants, gesehen vom Problem der in die Erscheinung tretenden individuellen Wirklichkeit aus, d. h. gesehen unter dem Gesichtspunkt der Ästhetik, als historisches Mittelglied zwischen dem Rationalismus des 18. Jahrhunderts und der irrationalistischen Lebensphilosophie des 19. Jhdts. Unter Irrationalismus versteht B. die „klare Einsicht in das aller logischen Durchsichtigkeit entzogene Wesen der Individualität" (S. 4). Als Leitbegriffe durch die Fülle der aufzuwerfenden Probleme dienen ihm: Geschmack, „als die Individualität in ihrer sinnlichen (ästhetischen) Erscheinung", Gefühl und Genie. Als größten philosophischen Genius der Deutschen betrachtet B. Nietzsche. Im Anschluß an Nietzsche gelang der deutschen Philosophie die Entdeckung, „daß der Mensch ein politisches Wesen ist" (Männerbund, S. 114). Die Gegnerstellung gegen seine von Bismarck bestimmte Zeit hinderte Nietzsche, in Erfüllung seiner Aufgabe „zum Erzieher derjenigen Jugend zu werden, die einmal den Staat ihres Volkes beherrschen sollte" (S. 26). Der Erzieher Nietzsche ist zugleich der größte Psycholog des 19. Jhdts.; aber „als Psychologe erweist sich Nietzsche dem Geiste seines Jahrhunderts verhaftet, demselben Geiste, dem er als Handelnder Trotz bot" (Bachofen u. N„ S. 47). Für unser Verständnis der griechischen Welt hat Nietzsche Entscheidendes geleistet durch den Nachweis, daß die „Seelenhaltung des Siegers im Wettkampf" dem Griechen eigentümlich
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ist. Nietzsches Heimat ist der geschichtliche Umkreis, nicht die Welt des unbewußt schaffenden Volksgeistes, der Symbole und Sagen. In ihr ist Bachofen beheimatet, der Philosoph des Symbols und des Mythos. B. hat Bachofens Philosophie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart erschlossen und ihre inneren Zusammenhänge mit der Philosophie der deutschen Romantik aufgedeckt. „Es gibt im 19. Jhdt. keine stärkere antibürgerliche Macht als Bachofens Symbolschau" (S. 23). Mythus und Geschichte sind für Bachofen eins. Im Anschluß an Schelling hat B. die „Grenze zwischen Mythus und Historie" in Bachofens W e r k eingetragen, um es dem philosophischen Verständnis zugänglich zu machen. Als Philosoph der Geschichte und als Gehaltsästhetiker, der eine neue Stufe kunstphilosophischen Denkens bezeichnet, wird Hegel zum Forschungsgegenstand für B. Geschichtlich erscheint seine Ästhetik als Synthese von Schiller und Winckelmann (Ästhetik, S. 49). Die Ästhetik B.s — in dem von ihm selbst mit Manfred Schröter zusammen herausgegebenen „Handbuch der Philosophie", das die lebendigen Probleme systematischer Philosophie nach ihrem heutigen Stand und nach ihrer geschichtlichen Entwicklung darstellt — sieht das „geheime G e s e t z " der ästhetischen Entwicklung in dem Antagonismus zwischen der Metaphysik des Schönen und der Theorie der Kunst, in der Tatsache, „daß von Piatons Grundlegung an Schönheitsmetaphysik und Kunsttheorie sich abstoßend oder sich vereinigend nebeneinander herlaufen" (Ästhetik, S. 85). Beide erreichen ihren Höhepunkt im 18. J h d t . Damals wird durch Shaftesbury und Leibniz die Ästhetik der Natur in den Vordergrund gerückt und eine subjektiv-psychologische Behandlung des ästhetischen Problems angebahnt und gefördert. Eine „Theorie des hervorbringenden ästhetischen Vermögens", d. h. eine Lehre vom Genie wird ausgebildet; sie steht nicht in Verbindung mit der Theorie der Kunst. Im deutschen Klassizismus, dessen Kernbegriff „das in sich ruhende Ganze" ist (S. 90), rücken höchstes Naturwerk und höchstes Kunstwerk nebeneinander als Darstellungen der „systematischen" Einheit. Hegel konstruiert das Schöne als Idee, aber in Hinsicht auf die Kunst. Auf ihn folgt eine Zeit der Stilforschung, der Betrachtung von Kunstgeschichte als Stilgeschichte, geführt von dem „Stilphänomenologen" J a k o b Burckhardt, der den historischen Kulturbegriff zum Oberbegriff der neueren Kunstgeschichte erhebt. „Kunstgeschichte als Stilgeschichte besagt: Die Kunst ist zwar nicht ein selbständiges, aber doch ein ursprüngliches Phänomen". — „Stile aber sind zeitgeschichtliche Gebilde" (S. 99). — „Das Kunstwerk wird jetzt nicht mehr als Konkretion der Schönheitsidee, sondern als ein durch Rassen, Völker, Zeiten, Materialien und technische Bedingungen hervorgebrachtes historisches Individuum aufgefaßt" (S. 96). Die eigene philosophische Problematik B.s steht entsprechend seiner Grundannahme in lebendigem Zusammenhang mit dem zeitgeschichtlichen Geschehen. „Philosoph ist, wer staunend die Sinnhaftigkeit des Wirklichen begreift" (Männerbund, S. 19). — „Das philosophische Problem beginnt erst da, wo der Zweckbegriff dahinfällt, wo nach dem S i n n der Erscheinung gefragt wird" (S. 55). Im Unterschied vom Idealisten, der sich als freie Persönlichkeit einer „Idee" gegenüber verantwortlich glaubt, fühlt sich der philosophische Realist „durch eine Wirklichkeit mit bestimmten Maßstäben und Anforderungen gebunden" (S. 20). Eine eigentliche Definition von „Wirklichem", „Wirklichkeit" gibt B. nicht (S. 3). Es besteht bei ihm deutlich der Gegensatz zwischen „Wirklichem" und „bloß Gedachtem" (S. 4). Das Wirkliche ist das Konkrete, das in seiner Geschichtlichkeit Greifbare. „Nur Wirklichkeiten können uns retten, Wirklichkeiten brauchen wir, nur Wirklichkeiten sind unverrückbare Leitsterne unseres Tuns" (S. 3). Eine Wirk-
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lichkeit ist der Gegenstand der Philosophie, die wir brauchen, und deren Herausgestaltung unsere Aufgabe ist: einer „neuen Philosophie des Menschen"; geht sie doch aus „vom konkreten Menschen, der einer bestimmten Rasse, einem bestimmten Volkstum und einem geschichtlichen Zustande angehört" (S. 42). Es ist der lebendige, wirkliche Mensch, „dessen Haltung den Kräften seiner Rasse und seines Volkstums entspricht" (S. 61). Dieser „geschichtliche, realistische" Begriff vom Menschen steht im Gegensatz zum absoluten Menschen und zum theoretischen Menschen; beide gibt es nicht, sie sind Erfindungen des Humanismus, der humanistischen Denkweise. „Jeder einzelne Mensch »ist« ein ganzes System von Handlungen, und er ist nichts weiter". Es ist ein dynamischer Begriff vom Menschen, den B. vertritt, wenn er ihn als p o l i t i s c h e s W e s e n bestimmt. Das heißt aber, als „ein Werte schaffendes, ein planendes und entwerfendes, ein arbeitendes und herrschendes" Wesen (S. 115). Der politische Mensch „geht aufs Ganze", er „tritt mit dem Blick auf das Ganze der einzelnen Aufgabe gegenüber" (S. 151). Das unterscheidet ihn vom Staatsbürger. „Politisch denken heißt konkret denken" (S. 161), politisches Handeln ist der „Griff nach dem Ganzen" (S. 107), politische Haltung ist Ursprung der Produktivität in den einzelnen Sachgebieten (S. 153). Der „politische Mensch von weitem Tathorizont" ist das Ziel der künftigen Erziehung (S. 120), die im Gegensatz zur bloßen „Bildung" steht (S. 60). Auch die Wissenschaft ist' ein Handeln, hat ihren Ursprung in der Aktivität, nämlich in der Aktivität des Geistes. „Der Geist ist es, der den Intellekt zur Hervorbringung der Wissenschaft zwingt" (S. 100). Erkannt wird mit Hilfe der Methoden; sie sind „der Geist der Wissenschaft in actu", sind auch „Äußerungen «iner schöpferischen Aktivität". „Jede Methode bezeichnet ein Verhältnis zur ganzen Wirklichkeit; raubt man ihr diesen Anspruch, so nimmt man ihr ihren Sinn" (S. 104). Die ganze Wirklichkeit, der der Mensch gegenübersteht, ist das „Leben des Volkes und des Staates", und „ganzer Mensch" heißt: „der Mensch in seinen Beziehungen zu Volk und Staat" (S. 71). Das Volk, eine lebendige Ganzheit, die sich durch Geburt und durch Erziehung erhält, entwickelt im Lauf seiner Geschichte Maßstäbe als Ausdruck seines Wesens (S. 28). „Das Volk wächst organisch; der Staat aber entsteht nicht organisch, sondern wird künstlich geschaffen durch die Taten und die Vereinigung freier Männer" (S. 42). Er ist „ein Erzeugnis von Kräften, und die Kraft, die ihn eigentlich konstituiert, ist diejenige, die in einem Bunde freier Männer hervortritt" (S. 32). Dieser Männerbund ist nichts ohne eine politische Idee. Er ist eine Realität, die einen geschichtlichen Gegner voraussetzt: die bürgerliche Lebensform, die „Urbanität" (S. 34). Der Deutsche, der „urban" wird, fällt ab von seinem Lebensgesetz. Dieses Lebensgesetz ist sein heroisches Wesen (S. 9, 11 u. ö.). „Von der heroischen Lebensgestaltung ist die Form des Männerbundes unabtrennbar" (S. 13). Wiedergewinnung der heroischen Lebensform ist das Ziel. Der heroische Geist, der in ihr lebt, gestaltet auch die Wissenschaft (S. 142), die eine Schöpfung der „in der Tiefe heroischer Begeisterung gegründeten Ratio" ist (S. 143). So gilt schließlich: „Der Geist der echten Wissenschaft ist staatsverwandt" (S. 143). Wissenschaft wurzelt im Staat, der die „größte aller Wirklichkeiten" heißt (S. 32), wie der politische Mensch allein der „wirkliche Mensch" genannt werden kann (S. 130). S c h r i f t e n : Das Problem der Allgemeingültigkeit in Kants Ästhetik, 1915. — Kants Kritik der Urteilskraft, I, 1923. — Bachofen als Mythologe der Romantik, in: Der Mythus von Orient und Okzident, hrsg. von Manfred Schröter, 1926. — Bachofen und Nietzsche, 1928. — Nietzsche der Philosoph und Politiker, 1931. — Ästhetik, 1933. — Männerbund u. Wissenschaft, 1934. — Nietzsche als politischer Erzieher, 1935. — Hegels
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Ästhetik, ausg. u. eingeleitet, 1922. — Hegels Geschichte der Philosophie, ausgew. u. eingel., 1923 — Handzeichnungen A. v. Hildebrands, m. e. Einl., 1923. — Romanisch u. Gotisch, in: Dioskuren, 1922. — Hegel und Kierkegaard, in: Deutsche Vierteljahrsschr., 1923. — Herausg.: Bachofens Selbstbiographie u. Antrittsrede in Basel, 1927. — Hegels Philosophie des Geistes und Rechtsphilosophie, 1927. — Nietzsches Werke, 1930. — Handbuch der Philosophie,.zus. m. Manfred Schröter: Mitherausg. d. Handb. d. d. Lehrerbildung, München-Berlin 1930 f. — Ästhetik. München 1934, Handb. d. Philos., Sonderausg. — Bildung und Gemeinschaft, Berlin 1942. — Politik u. Erziehung, Berlin 1937. — A. Rosenberg u. d. Mythos d. 20. Jahrh., München 1943. — F. L. Jahns Stellung in d. deutschen Bildungsgesch., Leipzig 1940. — Studien z. deutschen Geistesgesch., Berlin 1937. — Herausg. v. Weltanschauung u. Schule, Jg. 1, 1936. — Weltdemokratie u. Nationalsozialism., Berlin 1943. Baur, Ferdinand Christian, geb. 21. Juni 1792 in Schmiden bei Kannstatt, gest. 2. Dezember 1860 in Tübingen, seit 1826 Professor in Tübingen. Theologe, Gründer der Tübinger kritisch-theologischen Schule, war vor allem von Schelling und Schleiermacher, aber in der Art der Geschichtsbetrachtung auch von Hegel beeinflußt. Der hauptsächliche Gegenstand seiner Forschung war das Urchristentum, das er mit streng wissenschaftlicher Methode zu erfassen und darzustellen suchte. Als Hauptvertreter seiner Schule sind zu nennen Hilgenfeld, Köstlin, Schwegler und Zeller. S c h r i f t e n : Symbolik u, Mythologie od. die Naturreligion d. Altertums, 3 Bde., Stuttgart 1824/25. — Der Gegensatz des Katholizismus und Protestantismus, 1833. — Die christliche Gnosis, Tübingen 1835. — Die christliche Lehre v. d. Versöhnung, Tüb, 1838. — D. christl. Lehre v. d. Dreieinigkeit u. Menschwerdung Gottes, 3 Bde., Tüb. 1841—1843. — Paulus, der Apostel Jesu Christi, Stuttg. 1845. — Lehrb. d. christl. Dogmengeschichte, Stuttgart 1847, 3. Aufl., Lpz. 1867. — Epochen der kirchlichen Geschichtsschreibung, Tüb. 1852. — D. Christentum u. d. christl. Kirche d. drei ersten Jahrhunderte, Tüb 1853, 3. Aufl. 1863. — D. christl. Kirche v. Anf. des 4. bis Ende d. 6. Jahrh., ebda. 1859, 2. Aufl., Lpz. 1863. — D. christl. Kirche d. Mittelalt., Lpz. 1861, 2. Aufl. 1869. — D. Kirchengesch. d. neuer. Zeit, ebda. 1863. — Kirchengesch. d. 19. Jahrh., ebda. 1862. — Die Tübinger Schule u. ihre Stellung zur Gegenwart, Tüb. 1859, 2. Aufl. 1860. — Christi. Dogmengeschichte, 3 Bde., 1865/67. L i t e r a t u r : Zeller, Vortr. u. Abh., Lpz. 1865, 354—434. — W. Dilthey (Pseudonym: Hoffner), F. C. B„ Westermanns Monatshefte 18 (1865). Ges. Schriften, Bd. 4, 1921. — C. Weizsaecker, F. C. B., Rede zur akad. Feier seines 100. Geburtstags, Stuttgart 1892. — G. Fraedrich, F. C. B., d. Begründer d. Tüb. Schule, als Theologe, Schriftsteller u. Charakter, Gotha 1909. Baur, Ludwig, geb. 9. April 1871 in Oberdettingen. Dr. phil., Dr. theol., a. o. Professor 1903, ord. Professor 1920 in Tübingen, 1925 in Breslau. Neu-Scholastiker. S c h r i f t e n : Dominicus Gundissalinus, De divisione philosophiae, 1903. — Charakterbildung, 1912. — Die philosophischen Werke des Robert Grosseteste, Bischofs v. Lincoln, 1912. — Christus, König der Zeiten, 1914. — Die Philosophie des Robert Grosseteste, 1917. — Metaphysik, 1922, 2. Aufl. 1923. Bautain, Louis, geb. 1796 in Paris, gest. 1867 bei Versailles. Schüler von Cousin. S c h r i f t e n : Leçons dictées de philosophie morale, 1818. — Philosophie du christianisme, 1835. — Philosophie morale, 1842, — L'esprit humain et ses facultés, 1859. — Manuel de philosophie, 1866. Bavink, Bernhard, geb. 30. Juni 1879 in Leer (Ostfr.), gest. 27. Juni 1947. Dr. phil. in Göttingen 1903 (Physik). S c h r i f t e n : Ergebnisse und Probleme der Naturwissenschaften, 1. Aufl. 1913, 8. Aufl. 1944. — Naturphilosophie: I. Naturerkenntnistheorie, II. Weltanschauungsfragen,
Baxter — Beattie
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1927/28. — Eugenik und Protestantismus, in: G. Just, Eugenik und Weltanschauung, 1932. — Die Naturwiss. auf dem Wege zur Religion, 1933. — Eugenik, 1934. — Naturwissenschaft, 1935, als: Bremer Beiträge zur Naturwiss., Bd. II, H. 4. — Wesentliches u. Unwesentliches im Christentum, Frankf. 1938. — Herausgeber der Zeitschrift des Keplerbundes „Unsere Welt".
Baxter, Andrew, 1686 bis 1750. Gegner der Freidenker, die die Sterblichkeit der Seele annahmen. Die Seele ist eine einfache Substanz, der Immaterialität, und daher Unsterblichkeit zukommt. S c h r i f t e n : An Inquiry into the Nature of the Human Soul, London 1733.
Bayle, Pierre, geb. 18. November 1647 in Carlat (Languedoc), gest. 28. Dezember 1706 in Rotterdam. B. lehrte, daß die Vernunft ihre Leistungsfähigkeit vor allem auf dem Gebiete der Kritik, nicht sosehr auf dem des Erzeugens neuer Erkenntnisse habe. Glaube und Wissen werden von ihm in unüberbrückbaren Gegensatz gestellt: eine widerspruchsfreie religiöse Erkenntnis ist unmöglich, aber gerade deshalb ist es verdienstlich, die religiösen Dogmen zu glauben. In der Ethik forderte er die Behandlung aller Probleme durch die Vernunft. Es gibt ein Gesetz der Sittlichkeit, das dem Menschen angeboren ist und klar bewußt zu werden vermag. B- überwindet in dieser positiven Ethik seine kritischskeptische Haltung und fordert, daß das Gewissen die oberste Norm unseres Handelns sein müsse, dessen moralischer Wert allein in der Sittlichkeit der Gesinnung liege. S c h r i f t e n : Dictionnaire historique et critique, neueste Ausg. Paris 1820, in 16 Bdn. — Oeuvres diverses, La Haye 1725—1731, 4 Bde. — Posthum: Système de la philosophie, 1737. L i t e r a t u r : Louis P. Betz, P. B., Zürich 1896. — R. Eucken über B., in: Gesamm. Aufs., Lpz. 1903, 186 ff. — A. Cazes, P. B., sa vie, ses idées, son influence, son oeuvre, Paris 1905. — J. Devolvè, Essai sur P. B., Religion, critique et philosophie positive, Paris 1906. — Sugg, Elisabeth Bernardine, P. B., Leipz. 1930. — L. Courtines, P. B.s Relations with England and the English, New York 1938.
Bayrhoffer, Karl Theodor, geb. 1812 in Marburg a. d. L., gest. 3. Febr. 1888 in Town Jordan (Wisconsin). 1846 als Professor in Marburg suspendiert. Er gehörte der Hegeischen Schule an, wandte sich später von der Dialektik ab, die nach seinem Urteil ein bloßes Gedankenkunststück ist. An die Stelle des sich selbst auflösenden Widerspruchs muß die wahre absolute synthetische Einheit treten. S c h r i f t e n : D. Grundprobleme d. Metaphysik, Marb. 1835. — D. Idee d. Christentums, ebda. 1836. — D. Idee u. Gesch. d. Philos., ebda. 1838. — Beitr. z. Naturphilos., Lpz. 1839/40.
Bazard, Saint-Amand, geb. 19. September 1791 in Paris, gest. 29. Juli 1832 in Courtry bei Montfermeil. B. gestaltet die eigentliche Doktrin des Saint-Simonismus systematisch und schöpferisch aus. S c h r i f t e n : Doctrine de Saint-Simon, 2 Bde., 2. Aufl. 1854. L i t e r a t u r : Spühler, Willy, Der Saint-Simonismus. Lehre und Leben von S.-A. B., in: Züricher volkswirtschaftliche Forschungen, Nr. 7, Zürich 1926. — D'Allemagne, H. R., Les Saint-Simoniens, 1827—37; Paris 1930. — Charléty, Sébastien, Histoire du SaintSimonisme, Paris, 2. Aufl. 1931.
Beattie, James, geb. 25. Oktober 1735 in Lawrencekirk, gest. 18. August 1803 in Aberdeen. Professor der Moralphilosophie in Edinburgh, Vertreter der Common-sense-Lehre der sogenannten Schottischen Schule (vgl. Th. Reid). Er
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forschte vor allem auf dem Gebiet der Ästhetik. Nach ihm gibt dei Common Sense allem Praktischen und allem Theoretischen die feste Grundlage. S c h r i f t e n : Essay on the Nature and Immutability of Truth, 1770, deutsch 1772. — Elements of Moral Sciences, 1790/93.
Beccaria, Cesare, geb. 15. März 1737 in Mailand, gest. 28. Nov. 1794. B. ehrt, daß jeder in der Gesellschaft seine menschliche Freiheit .so wenig als möglich eingeschränkt wissen will, und daß die gerechte Strafe sich möglichst auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken habe. S c h r i f t e n : Trattato dei delitti e delle pene, Monaco 1764, deutsch in der hist.pol. Bibl., Bln. 1870. — Opere, herausg. v. Pasquale Villari, Florenz 1854. L i t e r a t u r : Amati, A., Buccellati, A., und Naneini, P. S., C. B. ed l'abolizione della pena di morte, Mailand 1872 (m. Bibliographie). — A, Crespi, II pensiero filosof.giuridico di C. Beccaria, in: Riv. di fil. 1907/08.
Becher, Erich, geb. 1. September 1882 zu Reinshagen bei Remscheid, gest. 5, Januar 1929 in München. Studierte von 1901 an in Bonn Mathematik und Physik, Nationalökonomie und Philosophie und wurde dort durch Erdmann für Philosophie und Psychologie gewonnen, 1903 Preisarbeit über den Attributsbegriff Spinozas. 1904 Promotion in Philosophie mit einer Dissertation zur Psychologie des Lebens. Assistent für Mathematik bei Sommer und für Philosophie bei Erdmann in Bonn. 1907 Habilitation für Philosophie mit einer Arbeit über „Philosophische Voraussetzungen der exakten Naturwissenschaften". 1909 Ordinarius in Münster i. W. als Nachfolger Meumanns; 1916 in München auf Külpes Lehrstuhl. Als Naturwissenschaftler ist B. von den exakten Einzelgebieten zu biologischen Fragen übergegangen. In den „Philosophischen Voraussetzungen der exakten Naturwissenschaften" verteidigt er seinen Standpunkt des kritischen Realismus als Grundlage von Physik und Chemie und lehnt die Angriffe von Mach und Ostwald gegen die atomistischen und kinetischen Hypothesen ab. Auch seine „Naturphilosophie" (1914) bleibt dem kritischen Realismus treu; sie hat die Aufgabe, „die für die Welt- und Lebensauffassung wichtigsten naturwissenschaftlichen Erkenntnisse in sachlicher Ordnung zu einem Bilde der Gesamtnatur zu verarbeiten; dies Bild ist durch vorläufige Hypothesen zu vervollständigen und durch erkenntnistheoretische Untersuchungen zu fundieren". Das Werk „Weltgebäude, Weltgesetze, Weltentwicklung" kommt zu dem Schlüsse: „Daß der Verlauf des Naturgeschehens eine bestimmte Richtung habe daß die Körperwelt im großen und ganzen einem Ziel sich immer mehr nähere, scheint aus einer Reihe naturwissenschaftlicher Erfahrungen und Erwägungen hervorzugehen. Doch ist es nicht unmöglich, daß eine solche Richtung nur für Teilgebiete des Universums während einer gewissen,-für uns Menschen allerdings ungeheuer langen Zeit besteht, daß aber das Gesamtgeschehen der Körperwelt nicht einem bestimmten Ziele zustrebt." Die psychologischen Arbeiten B.s nehmen ihren Ausgang von rein experimentellen Untersuchungen der Lesetätigkeit im Anschluß an Benno Erdmann und Dodge, wenden sich aber sehr bald dem Leib-Seele-Problem zu, das er als Zentralfrage der Metaphysik betrachtet. Seine Beschäftigung mit Spinoza, der Einfluß von Erdmann und die Vertiefung in Fechner führten ihn anfänglich fast zwangsläufig auf die Annahme eines Parallelismus zwischen Leib und Seele, und noch 1907 verteidigte er sie gegen Hans Driesch. Bald aber glaubte er zeigen zu können, „daß die Einwirkung der Seele auf den Körper mit dem Energieerhaltungsgesetz vereinbar ist". Damit fiel ein Einwand gegen die Wechsel-
Becher, Erich
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wirkungslehre, und der Weg zur Bildung einer vitalistischen Theorie war frei. „Am besten bewährt sich eine Wechselwirkungslehre, die annimmt, daß die physischen Vorgänge das Gehirn in kontinuierlichem Verlaufe durchziehen, dabei aber neben physischen psychische Wirkungen hervorrufen, die ihrerseits den physischen Verlauf leitend beeinflussen. Führt man auf solche Beeinflussung und Führung durch seelische Faktoren die Besonderheit der Lebensvorgänge gegenüber dem Geschehen in der toten Natur zurück, so gelangt man zu einem Psychovitalismus, der sich als eine Erweiterung unserer Wechselwirkungshypothese darstellt." Es wird also dem Seelichen eine Führerrolle im ganzen Bereiche des Lebens zugesprochen. Der Psychovitalismus gibt B. auch die Grundlage für das „überindividuelle Seelische", das sjch in den einzelnen Organismen „verzweigt", um sie zweckmäßig zu leiten, und das andererseits eine Erklärung des „Unzweckmäßigen" in der Natur möglich macht. Es ist nämlich das überindividuelle Seelische nur in kleinen Mengen in den verschiedenen Lebewesen verteilt und kann in individualisierten Formen irren. B. liegt vor allem an der Aufhellung derjenigen Naturerscheinungen, die erkennen lassen, daß ein Organismus sich selber schädigt, um einem Fremdorganismus zu nützen. Er hat dafür den Namen „fremddienliche Zweckmäßigkeit" geprägt und bestimmt den Begriff so: „Fremddienlich nenne ich eine Art von Zweckmäßigkeit, die nicht dem sie aufweisenden Organismus oder seinen Nachkommen oder doch seinen Artgenossen zustatten kommt, sondern einem fremden Organismus, für den sie eingerichtet und bestimmt scheint." Beispiel für ein solches Verhältnis sind viele Pflanzengallen, die durch Parasiten hervorgelockt werden und für sie zweckmäßig, für die Pflanze selber aber häufig sehr schädlich sind. Nur die Hypothese vom überindividuellen Seelischen kann nach B.s Ansicht eine Deutung geben: „daß die Pflanze altruistisch' für den Parasiten sorgt, wird verständlich, wenn sie mit ihm durch ein überindividuelles Seelisches in psychischem Zusammenhange steht." Das Seelische in der Pflanze und das Seelische im Parasiten sind eben Zweige desselben überindividuellen Seelischen, das in die verschiedenen Einzelorganismen hineinreicht. Damit ist die ethische Grundhaltung, die B. vom Menschen fordert, gewissermaßen schon ins Pflanzenreich vorverlegt. Soziales Verhalten und altruistische Gesinnung führen zu einer Wertbereicherung für alle seelischen Wesen. Durch unmittelbar wertvolle Geistesinhalte aber wird das wahre Glück begründet. „Der Mensch hat die sittliche Aufgabe, dem wahren Glück aller Wesen zu dienen. Aus Zweckmäßigkeitsgründen wird er damit beim .Nächsten' zu beginnen haben, beim Familienmitgliede, dem Volksgenossen, dem Menschen, dem er Hilfe leisten kann. Aber auch die Fürsorge für zukünftige Geschlechter wird von unserer sozial-eudämonistischen Ethik gefordert. Daraus ergeben sich wichtige soziale Pflichten, erwächst eine altruistisch-soziale Eugenik." — Die glückfördernden Faktoren, die in Geist und Gesinnung liegen, hat die Erziehung zu entwickeln. Ihr Ziel ist „die von der Vernunft geleitete Liebe, die Caritas sapientis". Die Gewöhnung an altruistisch-soziales Handeln soll in der Schule durch Ausbildung eines Helfersystems erfolgen. B. ist erklärter Gegner der Ethik Kants. — Den ethischen Betrachtungen kommen B.s Untersuchungen zur Gefühlspsychologie zugute, die ihn durch sein ganzes Leben begleiteten, aber nicht zum Abschluß gelangt sind. B.s Richtung auf das Naturwissenschaftliche und sein Streben, eine wissenschaftliche Erkenntnis des Gesamtwirklichen zu erarbeiten, führen ihn zu einer Auseinandersetzung mit dem Problem der Wissenschaft, der Wissenschaftsein-
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Becher, Siegfried — Beck
teilung und der Wissenschaftslehre in dem Buch: „Geisteswissenschaften und Naturwissenschaften" (1921). Ihr Ziel ist „sozusagen eine vergleichende Anatomie der Wissenschaften" (Vorwort). Eine Einteilung der Wissenschaften hat sich zu richten nach ihren Erkenntnisgegenständen, Methoden und Grundlagen. Aus ihnen ergibt sich die Sonderung in Idealwissenschaften, deren Objekten reales Dasein fehlt, und Realwissenschaften; ihre Gegenstände „existieren unabhängig davon, ob sie den Inhalt eines Gedankens bilden", und sie besitzen den Charakter von Erfahrungswissenschaften. Ihre Hauptgebiete sind Natur- und Geisteswissenschaften, ihre Hauptmethoden Sinneswahrnehmung für Körperliches, und Selbstwahrnehmung und psychische Zeichen für Seelisches und Geistiges. In den Geisteswissenschaften sind die großen Gruppen der Psychologie und der Kulturwissenschaften zu trennen. S c h r i f t e n : Der Begriff des Attributes bei Spinoza, Halle 1905. — Philosophische Voraussetzungen der exakten Naturwissenschaften, Lpz. 1907. — Die Grundfragen der Ethik, Köln 1907. — Der Darwinismus und die soziale Ethik, Lpz. 1909. — Gehirn u. Seele, Heidelberg 1911. — Erziehung zur Menschenliebe und Helfersystem, Langensalza 1914. — Naturphilosophie, in Kultur der Gegenwart, Lpz. 1914. — Weltgebäude, Weltgesetze, Weltentwicklung, Bln. 1915. — Die fremddienliche Zweckmäßigkeit der Pflanzengallen und die Hypothese eines überindividuellen Seelischen, Lpz. 1917. — Geisteswissenschaften und Naturwissenschaften, Münch. 1921. — Selbstdarstellung, Lpz. 1921; 2. erw. Aufl. Lpz. 1923 — Benno Erdmann, Archiv für die gesamte Psychologie, Bd. 42, 1922. — Metaphysik u. Naturwissenschaften, Münch. 1926. — Einführung in die Philosophie, Münch. 1926. — Grundlagen und Grenzen des Naturerkennens, Münch. 1928. — Deutsche Philosophen, mit Abriß über die Philosophie der Gegenwart, hrsg. v. Hedwig Becher, Münch. 1929. — Herausgeber von Benno Erdmann, Logik, 3. Aufl. Bln. 1923. — Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, München 1925. L i t e r a t u r : Paul Luchtenberg, Erich Becher, in Kantstudien, Bd. 34, S. 275—290 (mit Verzeichnis aller Schriften und Artikel). — Huber, Kurt, Erich Bechers Philosophie, 1931. — Fritz Thöne, E. B. als Vertreter des Eudämonismus, Gießen 1933.
Becher, Siegfried, 1884 bis 1927. Bruder Erich B.s. Naturforscher mit philosophischen Interessen. S c h r i f t e n : Seele, Handlung und Zweckmäßigkeit im Reich der Organismen; Annalen der Naturphilosophie, Bd. 10, 1911. L i t e r a t u r : Erich Becher, Ernst S. B., Zoologisches Jahrbuch 43, 1927.
Bechterew, s. Bekhterev. Beck, Jakob Sigismund, geb. 6. August 1761 in Marienburg i. Pr., gest. 29. August 1840 in Rostock. Professor in Rostock, war in Königsberg Hörer Kants gewesen und Anhänger seiner Philosophie geworden, wich jedoch ähnlich wie Maimon und wahrscheinlich auch unter dem Einfluß Fichtes bald von ihm ab. Er wollte die seiner Überzeugung nach in Kants Philosophie bestehende Inkonsequenz, daß wir von den Dingen an sich affiziert werden, ohne daß doch diese Dinge in Raum, Zeit und nach dem Gesetz der Kausalität existierten, beseitigen und verwarf deshalb die Möglichkeit der Lehre von der Affektion bei Kant, indem er die entsprechenden Stellen der Kr. d. reinen Vernunft als Anpassung Kants an den vorausgesetzten dogmatischen Standpunkt des Lesers interpretierte. Die Affektion der Sinne findet in Wahrheit durch Erscheinungen statt, freilich bleiben bei ihm die Beziehungen des Individuums zu den anderen Individuen unerklärt. Er setzt einen Akt ursprünglicher Synthesis des Mannigfaltigen, aus dem sowohl die Kategorien wie auch die reinen Anschauungsformen Raum und Zeit entspringen. In der Religionsphilosophie lehrt B., daß Gott die
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Becker — Béguelin
symbolische Vorstellung des eigenen Gewissens des Menschen sei. Das Gewissen ist der Richter ü b e r unser T u n ; die Befolgung seiner Stimme ist Religion. S c h r i f t e n : Erläuternder Auszug aus Kants kritischen Schriften, 3 Bde., Riga 1793 ff., der 3. Bd.: Einzig möglicher Standpunkt, aus welchem die kritische Philosophie beurteilt werden muß, Riga 1796. — Grundriß der kritischen Philosophie, 1796. — Kommentar über Kants Metaphysik der Sitten. — Lehrbuch der Logik, 1820. — Lehrbuch des Naturrechts, 1820. L i t e r a t u r : W. Dilthey, Acht Briefe Kants an J. S. B., worin: J. S. B. u. s. Stellung in d. transzendentalphilos. Bewegung, A. f. Gesch. d. Philos., II, 592—656. — M. E. Meyer, D. Verhältn. des S. B. zu Kant, Heidelb. 1896. — Krönig-Buchheister, Gretchen, Das Problem der Selbstsetzung, Schöneberg 1927. — Joseph Reiser, Zur Erkenntnislehre J. S. B's, Diss., München 1934. Becker, Oskar, geb. 5. S e p t e m b e r 1889. Promotion in Leipzig 1914, Habilitation in F r e i b u r g i. Br. 1922, d o r t a. o. Professor 1928. Ord. Professor in Bonn 1931. V e r t r e t e r der phänomenologischen M e t h o d e . S c h r i f t e n : Phänomenologische Begründung der Geometrie, Husserls Jahrbuch VI, 1923. — Mathemat. Existenz, Halle 1927. — Von der Hinfälligkeit des Schönen und der Abenteuerlichkeit des Künstlers, in: Festschrift für E. Husserl, 1929. — Zur Logik der Modalitäten, 1930. — Griechische Philosophie, Bonn 1941, — Ged. Friedrich Nietzsches über Rangordnung, Zucht u. Züchtung, Bonn 1942, in: Kriegsvorträge, H. 97. Beckers, H u b e r t , geb. 4. Nov. 1806 in München, gest. 11. M ä r z 1889. S t u d i e r t e in München, habilitierte sich dort f ü r Philosophie im J a h r e 1831; w u r d e 1847 Ordinarius in München. B. ist A n h ä n g e r der mystischen Philosophie des s p ä t e r e n Schelling. S c h r i f t e n : Über das Wesen des Gefühls, München 1830. — Hrsg. von Cousin, Über französische und deutsche Philosophie, mit einer Einleitung von Schelling, Stuttg. 1834. — Mitteilungen aus den merkwürdigen Schriften der verflossenen Jahrhunderte über den Zustand der Seele nach dem Tode, 2 Hefte, Augsburg 1835/36. — Anonym: Das geistige Doppelleben, Lpz. 1856. — Denkrede auf Schelling, München 1855. — Über die negative und positive Philosophie Schellings, 1855. — Über Schelling und sein Verhältnis zur Gegenwart, 1857. — Uber die Bedeutung der Schellingschen Metaphysik, Münch. 1861, — Über die wahre und bleibende Bedeutung der Naturphilosophie Schellings, Münch. 1864. — Die Unsterblichkeitslehre Schellings, Münch. 1865. — Schellings Geistesentwicklung, Münch. 1875. — Aphorismen über Tod und Unsterblichkeit, zu Schellings 114. Geburtstag, Münch. 1889. — Über die Bedeutung des geistigen Doppellebens, S. B. Akad. München, 1860. — Über die Stellung der Philosophie zu den exakten Wissenschaften, Münch. 1861 Beda Venerabiiis, 674 bis 735, Mönch aus dem angelsächsischen Kloster J a r r o w . B. h a t B e d e u t u n g durch die Tradierung griechisch-lateinischer Bildung u n d W i s s e n s c h a f t an die Angelsachsen. Seine Historia ecclesiastica gentis Anglorum ist der Beginn d e r germanischen Geschichtsschreibung. S c h r i f t e n : Migne, Patrologia Latina, Bd. 90—95. L i t e r a t u r : K. Werner, B. u. s. Zeit, 2. A. 1881. — G F. Browne, B., 2. A. 1928. Béguelin, J a q u e s (Wegelin), geb. 1721 in St. Gallen, gest. 1791 in Berlin. Geschichtsphilosoph. S c h r i f t e n : Histoire universelle, 1776. — Briefe über den Wert der Geschichte, 1783. — Mém. sur la philosophie de l'histoire, Berl. Akad. 1770—74. Béguelin, Nicolas de {Wegelin). 1714 bis 1789. S c h r i f t e n : Abhandlungen in den mémoires de l'académie de Berlin. — Essai d'une conciliation de la métaphysique de Leibniz avec la physique de Newton, Berl. Akad. 1766. L i t e r a t u r : Dumont, Paul, N. d. B., Neuchâtel-Paris 1909. Philosophen-Lexikon
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Behn —
Bellarmin
B e l m , S i e g f r i e d , g e b . 3. J u n i 1 8 8 4 zu H a m b u r g . P r o m o t i o n H e i d e l b e r g H a b i l i t a t i o n B o n n 1 9 1 3 . A . o. P r o f e s s o r B o n n 1 9 2 2 , o r d . P r o f e s s o r E o n n Katholischer Philosoph.
1908, 1931.
S c h r i f t e n : Der deutsche Rhythmus und sein eigenes Gesetz, Straßburg 1912. — Rhythmus und Ausdruck in deutscher Kunstsprache, 1921. — Kritik der pädagogischen Erkenntnis, 1923. — Die Wahrheit im Wandel der Weltanschauung, 1924. — Sein und Sollen, 1927. — Allgemeine Geschichte der Pädagogik, 2 Bde., Paderborn 1928. — Philosophie der W e r t e , 1930. — Magie und Schönheit, 1932. — Einleitung in die Metaphysik, 1933. — Das Ethos der Gegenwart, 1934. B e k h t e r e v , W l a d i m i r , 1857 bis 1927. R u s s i s c h e r P s y c h o l o g e , S c h ü l e r v o n Wundt. B . untersucht den Zusammenhang des Psychischen mit d e m Physiologischen. Mit Pavlov Begründer der L e h r e von den R e f l e x e n (Reflexologie). S c h r i f t e n : Außer russischen W e r k e n : Die Funktionen der Nervencentra, 3 Bde., Petersburg 1903/07; deutsch von R . Weinberg, J e n a 1908/11. — Die Suggestion und ihre Rolle im sozialen Leben, Petersburg 1903; deutsch Wiesbaden 1905. — Die objektive Psychologie, 3 Bde., Petersburg 1907/12; deutsch Lpz. 1913. — Das Verbrechertum im Lichte der objektiven Psychologie; deutsch von T . Rosenthal, in:Grenzfragen der Nerven und Seelen, Nr. 94, Wiesbaden 1914. — Grundzüge der Reflexologie des Menschen, Petersburg 1918; deutsch Wien 1923. — Die kollektive Reflexologie, Petersburg 1921; deutsch Halle 1928. — Psychologie, Reflexologie und Marxismus, Leningrad 1925. — Reflexologie der Arbeit, Moskau 1926. L i t e r a t u r : Selbstdarstellung in: Die Medizin der Gegenw. in Selbstdärst., B d . VI, Leipzig. — Pines, L., in: Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten, 1928, S . 677—86. B e k k e r , B a l t h a s a r , 1 6 3 4 b i s 1 6 9 8 . D e u t s c h e r C a r t e s i a n e r . B . n e g i e r t e u. a. m i t H i l f e d e s A r g u m e n t e s , d a ß G e i s t i g e s n i c h t auf K ö r p e r l i c h e s w i r k e n k ö n n e , d i e Berechtigung der Hexenprozesse. S c h r i f t e n : De philosophia Cartesiana admonitio Candida et sincera, W e s e l 1668. — Die verzauberte W e l t , 1690 (in viele Sprachen übers.). — Fürstellung vier neuer W e l t weisen, namentlich R. Des Cartes, Th. Hobbes, B . Spinoza, Balthasar B e k k e r s , nach ihrem L e b e n u. fürnehmsten Irrthümern, 1702. L i t e r a t u r : van der Linde, Anton, B . B., Bibliographie, s'Gravenhage 1869. B e l i n g , E r n s t v o n , g e b . 19. J u n i 1 8 6 6 in G l o g a u , g e s t . 18. M a i 1 9 3 2 . P r o m o t i o n 1 8 9 0 , H a b i l i t a t i o n 1 8 9 3 in B r e s l a u . P r o f e s s o r in B r e s l a u , G i e ß e n , T ü b i n g e n , M ü n chen. Rechtsphilosoph. S c h r i f t e n : Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie, 1923. — Revolution und R e c h t , 1923. — II soggetto vel' ordinando juridico, in: Riv. di filosofia del diritto, 1924. — Das Rechtsordnungssubjekt, in: Arch. f. Rechtsphilos., 1926. — Methodik der G e s e t z gebung, insbes. d Strafgesetzgebung, 1921. — Vom Positivismus zum Naturrecht und zurück, in: Beil. zum Arch. f. d. zivile Praxis, 1931. — Apriorität des Rechtsbegrifis?, in: Studi filosofico-giuridici dedicati a Giorgio del Vecchio, 1930. B e l l a m y , E d w a r d , g e b . 2 9 . M ä r z 1 8 5 0 in C h i c o p e e F a l l s ( M a s s . ) , g e s t . 2 2 . M a i 1898 ebd. A m e r i k a n i s c h e r Schriftsteller und S o z i a l t h e o r e t i k e r . S e i n e U t o p i e ( R ü c k b l i c k a u s d e m J a h r e 2 0 0 0 ) v e r t r i t t e i n e n S t a a t s s o z i a l i s m u s auf d e r G r u n d lage politischer, ö k o n o m i s c h e r und sozialer Gleichheit. S c h r i f t e n : Looking B a c k w a r d 2000—1887, B o s t o n 1888; deutsch in R e c l a m s Univ.-Bibl. — Equality, New Y o r k 1897. — Herausg. von Nationalist, 1889—91, New Nation, 1891—94. L i t e r a t u r : Hechler, J . O., T h e History of Utopian Thought, New Y o r k 1923; S. 227—36. — Mumford, Lewis, T h e Story of Utopias, New Y o r k 1922; S. 159—169 B e l l a r m i n , R o b . F r a n c i s c . R o m u l u s , g e b . 4 . O k t o b e r 1 5 4 2 in M o n t e p u l c i a n o b e i S i e n a , g e s t . 17. S e p t . 1 6 2 1 in R o m . B . t r a t 1 5 6 0 in d e n J e s u i t e n o r d e n e i n , 1 5 7 6
Bender — Beneke
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Professor der Theologie in Rom, 1599 Kardinal. — B. war einer der angesehensten Rechtsphilosophen seiner Zeit. Seine Lehre vom Recht des Staats und der Kirche •wurde später von der Kirchenbehörde anerkannt. Hiernach sind beide Institutionen unabhängig voneinander, die Kirche begründet sich in dem Willen Gottes, und auch der Papst ist unmittelbar von Gott eingesetzt; der Staat hat seine Grundlage in der gottgegebenen Vernunft, Sie konstituiert das natürliche Recht des Menschen, aus dem auch die Regierung ihre Richtung empfängt; ihre Befugnis leitet sie aus der Gesamtheit her, der sie verantwortlich ist. Der Papst hat unmittelbar kein Bestimmungsrecht über den staatlichen Herrscher, er hat aber das Recht zum Eingreifen, wenn der Bestand des Christentums in einem Staate gefährdet ist. In diesem Falle muß der Papst eventuell mit den Mitteln der Herrschaftsentsetzung des Fürsten, der Aufhebung der Gültigkeit des dem Fürsten geleisteten Eides und der Exkommunikation gegen die Störung vorgehen und darf selbst einen neuen Herrscher ernennen, der ihm Gewähr für die Durchführung der kirchlichen Forderungen zu bieten scheint. Diese Befugnis der päpstlichen Macht deduziert B. aus der Aufgabe der Kirche, für das Seelenheil ihrer Glieder Sorge zu tragen, und aus der hiermit verbundenen Verantwortlichkeit des Papstes für die weltlichen Zustände. S c h r i f t e n : Disputationes de controversiis christianae fidei etc., 3 Bde., 1586—92; deutsch v. Gumposch, 14 Bd., 1842/53. — Selbstbiographie mit geschichtlichen Erläuterungen, hrsg. v. J. J. Döllinger u. F, H. Reusch, Bonn 1887. — Werke, 12 Bde., Paris 1870 ff. L i t e r a t u r : E. Timpe, Die kirchenpolitischen Ansichten u. Bestrebungen des Kard. B., 1904. — E. Raitz v. Frentz, Der ehrwürdige Kardinal R. B„ Freibg./Br. 1921, 3. A. 1930. — J. de la Servière, La théologie de B., Paris 1928. — Brodrick, J., The Life and Work of R. F. B., Cardinal B., 2 Bde., London 1928. — Schaff, D. S,, The BellarminJefferson Legend . . N e w York 1927. — Arnold, Franz Xaver, Die Staatslehre des Kardinals Bellarmin, München 1934.
Bender, Wilhelm, geb. 1845, gest. 1901. 1876 Professor der Theologie in Bonn. Anhänger Ritschis, Gegner des Pietismus. Betrachtet Religion als erzeugt vom menschlichen Lebenstrieb. S c h r i f t e n : Das Wesen der Theologie und die Grundgesetze der Kirchenbildung, Bonn 1886, 4. Aufl. 1888. — Der Kampf um die Seligkeit, Bonn 1888. — Metaphysik und Asketik, in: Arch. für Geschichte der Philosophie, VI, 1893. — Mythologie und Metaphysik. Grundlinien und Geschichte der Weltanschauungen. 1. Bd.: Die Entstehung der Weltanschauungen im griechischen Altertum, Stuttgart 1899. L i t e r a t u r : Krönig, Fritz, Darstellung und Beurteilung der religionsphilosophischen Anschauungen W. B.s, Bremen 1910.
Beneke, Friedrich Eduard, geb. 17. Febr. 1798 in Berlin, gest. 1. März 1854 ebda., beeinflußt von Kant, Jacobi, Schleiermacher, Schopenhauer, Fries, auch durch die neuere englische Philosophie. B. besuchte das Berliner Gymnasium Fridericianum. Er nahm am Feldzug 1815 teil, studierte darauf in Halle und Berlin Theologie und Philosophie, habilitierte sich Herbst 1820 in Berlin. Hegel wandte sich gegen die Habilitation und war vermutlich, was B- sogleich behauptete, nicht unbeteiligt daran, daß B, 1822 wegen seiner empiristischen und relativistischen Haltung in der Moralphilosophie die venia legendi entzogen wurde. (Vgl. hierzu M. Lenz, Gesch. d. Univers. Berlin II 111.) Der Minister v. Altenstein verhinderte, daß B. eine Professur in Sachsen erhielt. B. ging nach Göttingen, blieb hier von 1824 bis 1827, kehrte als Dozent nach Berlin zurück und erhielt nach dem Tode Hegels ein Extraordinariat, das er bis zu seinem Tode (1854) innehatte. B. war ein scharfer Gegner der spekulativen Philosophie und wollte in Fortführung der eigentlichen Lehren Kants, als dessen wirklich legitimen Schüler und 7*
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Beneke
Fortsetzer er sich fühlte, den Empirismus pflegen und zu Ende fähren. Die Grundlage aller Erkenntnis ist die Erfahrung, insbesondere die psychologische innere Erfahrung. Die Psychologie wird zur Grundwissenschaft, in welcher auch die Philosophie ihre Begründung findet. Logik, Metaphysik, Religionsphilosophie, Ethik, Rechtsphilosophie und Pädagogik sind angewandte Psychologie. Die sogenannten Normen in Logik, Ethik, Rechtsphilosophie, Ästhetik usw. sind nur verschiedene Formen der Bildung des Psychischen. Daneben läßt B. die Möglichkeit gewisser und begrenzter apriorischer Erkenntnis gelten, z. B. in der Begriffsanalyse und -Zusammensetzung, in der Mathematik, in der darstellenden Entwicklung der psychischen Verhältnisse usw. Freilich sind auch ihre sämtlichen Grundelemente aus der Erfahrung gewonnen. Alle psychischen Prozesse lassen sich auf vier Grundprozesse zurückführen und aus ihnen konstruieren. Der erste Prozeß vollzieht sich in den Sinneswahrnehmungen. Der zweite Prozeß ist in der Forterhaltung der aus dem Bewußtsein verschwundenen seelischen Abläufe im Unbewußten als „psychische Spuren" oder „Angelegtheiten" gegeben. Die Spuren sind ortlos wie die Seele und an kein Organ des Körpers gebunden; in ihrer zahlenmäßigen Zunahme ist der Seele ein Wachstum ermöglicht, das dauernd fortschreiten kann. Der dritte Prozeß ist der der „Kombinationskraft" oder „Synthesis", in ihm streben gleiche Tätigkeiten und Spuren der Seele nach ihrer Vereinigung. Im vierten Prozeß sirvd alle psychischen Gebilde in jedem Augenblick bestrebt, die „in ihnen beweglich gegebenen Elemente gegeneinander auszugleichen", bis volle Gleichgestimmtheit erreicht ist. Aus allen diesen Grundprozessen, den Vermögen, als System besteht die Seele; sie steht mit dem Leibe durch Wechselwirkung in Beziehung. Gegenstand der Psychologie „ist alles, was wir durch die innere Wahrnehmung und Empfindung auffassen". Was durch die äußeren Sinne aufgefaßt wird, kann nicht in unmittelbarer Weise verarbeitet werden, es ist auf die Deutung aus Auffassungen der ersten Art angewiesen. Dabei ist die Psychologie durchaus „eine Naturwissenschaft, welche sich, wie alle übrigen Naturwissenschaften, lediglich auf sorgsame Beobachtungen stützt und aus diesen ihre allgemeinen Gesetze, so wie die von ihr zur Erklärung zugrunde gelegten Kräfte, vermöge vorsichtiger Induktionen ableitet". Die L o g i k ist Kunstlehre des Denkens, sie untersucht das Denken bis zur Aufdeckung der ihm immanenten Beziehung auf das Sein. Den Wahrheitsgehalt der Beziehung stellt die Metaphysik fest. Die Begriffe, die ihrerseits wiederum das in mehreren Vorstellungen Gemeinsame nach seinem Zusammenfluß darstellen, sind die einfachsten Gebilde des Denkens. Die logischen Grundsätze sind die allgemeinsten Formeln des analytischen Urteilens. Die Metaphysik, die bei B. zu einem großen Teil Erkenntnistheorie ist, hat ebenso die innere Erfahrung zur Voraussetzung, wobei Erfahrung im Sinne B.s aus der Verarbeitung perzipierter Eindrücke durch das Denken hervorgeht. Die Hauptfrage der Metaphysik ist die nach dem Verhältnis von Vorstellen und Sein, In der Selbstwahrnehmung erfassen wir Seiendes unmittelbar, es findet hier keine Zumischung einer fremdartigen Form statt. Die Sinneserscheinung der Außenwelt stimmt nicht mit dem Ansichsein der Dinge überein; „In den Vorstellungen des Räumlichen sind Subjektives und Objektives so miteinander verschmolzen, daß wir sie nicht mit Sicherheit zu scheiden vermögen" (Metaphys. 354). Über das der räumlichen Ausdehnung unzweifelhaft zugrunde liegende Reale vermögen wir keine bestimmenden Aussagen zu machen. Das Sichverändern im Werden ist eine wesentliche Form auch des Ansichseins, während Inhärenz und
Benrubi — Bentham
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Kausalität uns innerlich gegeben sind und von uns auf das außer uns Seiende übertragen werden. S c h r i f t e n : Erkenntnislehre nach dem Bewußtsein usw., J e n a 1820. — Erfahrungsseelenlehre als Grundlage alles Wissens usw., Bln. 1820. — Neue Grundlegung zur Metaphysik, Bln. 1822. — Grundlegung zur Physik der Sitten usw., Bln. 1822, — Schutzschrift für meine Grundlegung zur Phys. d. Sitten, Lpz. 1823. — Psychologische Skizzen, 2 Bde.: Skizz. z. Naturlehre d. Gefühle usw., Das Verhältnis von Leib u. Seele, Göttingen 1825/26. — Kant u. d. philos. Aufgabe unserer Zeit, Bln. 1832. — Lehrbuch d. Logik als Kunstlehre d. Denkens, Bln. 1832. — Lehrbuch d. Psychologie als Naturwissenschaft, Bln. 1833, 4. Aufl. 1877. — Die Philosophie in ihrem Verhältnisse z. Erfahrung, z. Spekulation u. z. Leben dargest., Bln. 1833. — Erziehungs- u. Unterrichtslehre, 2 Bde., Bln. 1835/36, 4. Aufl. 1876. — Grundlinien d. natürl. Systems d. prakt. Philosophie, 3 Bde., Bln. 1837—40. — System d. Metaphysik u. Religionsphilosophie, Bln. 1842. — System d. Logik als Kunstlehre d. Denkens, 2 Bde., Bln. 1842. — Die neue Psychologie, Bln. 1845. — Pragmatische Psychologie od. Seelenlehre in d. Anwendung auf d. Leben, 2 Bde., Bln. 1850. — Lehrbuch d. pragmat. Psychol., Bln. 1853. — Archiv d. pragmat. Psycholog., 3 Bde., Bln. 1851—53. L i t e r a t u r : O. Gramzow, F. E. B.s Leben u. Philosophie, Bern 1899 (S. 277—281 Bibliogr. d. Sehr. B.s). — A . F. Löwenberg, F. E. B.s Stellg. zur Kantsch. Moralphilos., Bln. 1902. — H. Renner, B.s Erkenntnistheorie, Lpz. 1902 (Halle, Diss.). — A. Wandschneider, D. Metaphys. B.s, Bln. 1903. — AI. Kempen, B.s Relig.-Philos., A. f. Gesch. d. Philos. 27 (1914) (Münst. Diss.). — Rausch, Paul, Genetische Darstellung der ethischen Theorie F. E B.s, Bln. 1927 (Berliner Diss.), in: Philosophische Abhandlungen.
Benrubi, Isaak, geb. 24. Mai 1876. Promotion J e n a 1904, Habilitation Genf 1914. Das Werk B.'s gibt eine Sinndeutung der französischen Philosophie in der Gegenwart. S c h r i f t e n : J . J . Rousseaus ethisches Ideal, 1904. — Contemporary Thought of France, 1926. — Philosophische Strömungen der Gegenwart in Frankreich, 1928. — Les sources et les courants de la philosophie contemporaine en France, 1933. — Übersetzte Boutroux, „Über den Begriff der Naturgesetze", 1907 und „Kontingenz der Naturgesetze", 1911.
Bentham, George, geb. 22. Sept. 1800 in Slote bei Plymouth, gest. 20. Sept. 1884 in London. Neffe von J . Bentham. Vertritt eine mathematische Auffassung der Logik. S c h r i f t e n : An Outline of a New System of Logic, 1827.
Bentham, Jeremy, geb. 15. Febr. 1748 in London, gest. 6. Juni 1832 ebendort. War eine Zeitlang Advokat, dann Privatgelehrter. Vertreter des Utilitarismus. B. führt mit starker Konsequenz den Standpunkt eines vollkommenen Individualismus im moralischen Leben durch. Letzte und entscheidende Instanz aller moralischen Wertung ist das einzelne Subjekt in seinen Glücksempfindungen. Alle Sittlichkeit wie Gesetzgebung beruht auf dem Streben, der größtmöglichen Zahl von Menschen eine größtmögliche Summe von Glück zu verschaffen ("the greatest happiness of the greatest number", "the greatest possible quantity of happiness", Deontol. u. Princ. II, ch. 17). Dieses Prinzip der „Maximation der Glückseligkeit" findet sich schon bei Beccaria und Hutcheson. Mach ihm orientiert sich alles menschliche Handeln an dem Maß von Nutzen, das es sich von seiner Tat versprechen kann, und das Maß des Nutzens ist ausgedrückt in dem Grad, in dem eine Sache Lust erregen kann ("that property in any object, whereby it tends to produce benefit, advantage, pleasure, good, or happiness", Introd. I. eh.). Nach dieser Skala des Nutzens bestimmt sich das „moralische Budget" des Einzelnen.
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Benussi — Berdiaeff
S c h r i f t e n ; Introduction to the Principles of Moral and Legislation, gedr. 1730, herausg. 1780. — Traité de la Législation civile et pénale, Paris 1802. — Grundsätze der Zivil- und Kriminalgesetzgebung, hrsg. von Etienne Duraont, m. Anmerk. von F. E. Beneke, 2 Bde., Berlin 1830. — Deontology, or the science of Morality, 2 vols., 1834. — Benthamia, or Select Extracts from B.s Works, ed. by J. H Burton, Edinb. 1843. — Ges. Werke in 11 Bdn., Edinb. 1838—43, herausg. v. John Bowring. L i t e r a t u r : Henry Sidgwick Bentham and Benthamism in Politics and Ethics, in: Miscellaneous Essays and Addresses, Lond. 1904. — William Graham, Engl. Pol. from Hobbes to Maine, Lond. 1899. — Sir Leslie Stephen, The Engl. Utilitarians, Lond. 1900. — E, Albee, A Hist. of Engl. Util., Lond. u. New York 1902. — O. Kraus, Zur Theorie des Wertes, Halle 1902. — C. M. Atkinson, J. B., Lond. 1905. — Josef Busch, D. moralische u. soziale Arithmetik B.s, Neisse 1938, — A. Taylor Milne, Catalogue of the Mss. of J. B. in the Library of University College, London 1937.
Benussi, Vittorio, gest. 1928. 1905 Hab. in Graz bei Meinong, 1918 Ruf nach Padua. Experimentalpsychologe. Vor allem das Erfassen von Gegenständen höherer Ordnung beschäftigt B.s experimentelle Forschung. S c h r i f t e n : Psychologie der Zeitauffassung, Heidelberg 1913.
Berdiaeff, Nicolei, ist 1874 in Kiew geboren und 1948 gestorben. Er entstammt einem Adelsgeschlecht. Seine erste Ausbildung erhielt er in einer Militärschule, im Kiewer Kadettenkorps, die Hochschulbildung an der Universität von Kiew. In seiner Jugend war er Marxist, jedoch niemals Materialist und bemühte sich, das soziale System des Marxismus mit der idealistischen Philosophie Kants und Fichtes zu verbinden. 1898 wurde er wegen einer sozialdemokratischen Angelegenheit verhaftet und 1900 für drei Jahre nach dem Norden Rußlands, in das Gouv. Wologda, verbannt. Nach der Verbannung hörte er in Heidelberg Vorlesungen von Windelband. Sein erstes Werk, das den Marxismus mit dem Idealismus zu vereinigen suchte, war „Der Subjektivismus und Individualismus in der Gesellschaftsphilosophie" (1900). 1904—05 war er in Petersburg Mitherausgeber der Zeitschrift „Die Lebensfragen", welche das geistige Ringen jener Zeit widerspiegelte. Bald danach formte sich sein christlicher Glaube. B. gründete in Petersburg die „Religionsphilosophische Gesellschaft" und wurde nach seiner Übersiedelung nach Moskau aktiver Mitarbeiter der „Religionsphilosophischen Gesellschaft zum Gedenken Wlad. Ssolowjoffs". B. war Mitbegründer einer Bewegung, die vom Idealismus zum Christentum überleitete, und vertrat ihren linken, modernistischen Flügel. Das Jahr 1908 verbrachte er in Paris und 1911 in Italien. 1914 kam er auf die Anklagebank wegen seines gegen die Hl. Synode gerichteten Aufsatzes „Die Vernichter des Geistes". Ihm drohte lebenslängliche Verbannung nach Sibirien, jedoch wurde der Prozeß durch die Revolution niedergeschlagen. Während der Revolution bekämpfte B. den materialistischen und atheistischen Kommunismus. 1919 gründete er in Moskau die „Freie Akademie für geistige Kultur" und war ihr Vorsitzender bis zur Schließung der Akademie. Während der Revolution wurde B. von der Moskauer Universität zum Professor der Philosophie ernannt und hielt Vorlesungen über Gesellschaftsphilosophie. 1920 wurde er verhaftet und nach kurzem Aufenthalt in der Tscheka wieder befreit. 1922 wurde er erneut verhaftet und im Herbst desselben Jahres zusammen mit einer Gruppe von Gelehrten und Schriftstellern, nicht aus politischen, sondern aus ideologischen Gründen, aus Sowjet-Rußland ausgewiesen. 1922 bis 1924 lebte B. in Berlin und begründete dort mit Unterstützung der Young-Men-Society of America (YMSA) die „Religionsphilosophische Akademie". 1924 siedelte er nach Paris über, wohin auch die „Religionsphilosophische Akademie" verlegt wurde. Seit 1925 ist B. Herausgeber der religionsphilosophischen Zeitschrift „Putj". Auch nahm er aktiv
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teil an der russischen christlichen Jugendbewegung und an internationalen christlichen Kongressen. Für das Werk „Esprit et liberté" erhielt er einen Preis der Académie française des sciences morales et politiques. Im Mittelpunkt des philosophischen Schaffens von B. steht das Problem des Menschen. Seine Philosophie ist also im wesentlichen eine anthropologische. Die Stellung des Problems des Menschen ist zugleich eine Aufrollung der Probleme der Freiheit, der Persönlichkeit, des Schöpfertums, des Geistes und der Geschichte. Daher befaßte er sich hauptsächlich mit der Religions-, Geschichts- und Gesellschaftsphilosophie, sowie mit der Ethik. Seine Philosophie gehört zum Typus der Existentialphilosophie.- Jedoch kann sie auch als Philosophie des Geistes bezeichnet werden. Ihrer Grundtendenz nach ist sie eine dualistische Philosophie, wenn auch dieser Dualismus kein endgültiger ist. Es ist ein Dualismus von Geist und Natur, Freiheit und Determination, des Subjekts und der Objektivation, der Persönlichkeit und der Allgemeinheit, des Gottesreiches und des Reiches Caesars. Darin steht B. Kant näher als dem Monismus des deutschen Idealismus. Der Ausgangspunkt seiner philosophischen Weltanschauung ist der Primat der Freiheit vor dem Sein. Damit wird der dynamische Charakter der Philosophie bestimmt und der Ursprung des Bösen und die Möglichkeit eines neuen Schöpfertums in der Welt erklärt. Die Freiheit kann durch keinerlei Sein determiniert werden, auch nicht durch Gott; sie wurzelt im Nichtsein, Von früheren Denkern stehen ihm am nächsten: Heraklit, die Kirchenväter Origenes und Gregor von Nyssa, J a k o b Böhme, der einen ungeheuren Einfluß auf seine geistige Entwicklung hatte, sowie teilweise Kant; Berührungspunkte hat er auch mit Bergson, Gentile, M. Scheler. Von den Vertretern der Existentialphilosophie ist ihm Jaspers am nächsten. Eine große Bedeutung hatten bei der Ausgestaltung seiner Weltanschauung Dostojewski), L. Tolstoj und F. Nietzsche, in den sozialen Anschauungen außerdem Marx, Carlyle, Ibsen und L. Bloit. Die Philosophie ist die Lehre vom Geist. Eine Lehre vom Geist ist aber vor allem eine Lehre von der menschlichen Existenz. In der menschlichen Existenz offenbart sich der Sinn des Seins. Das Sein erschließt sich im Subjekt und nicht im Objekt. Daher ist die Philosophie unausweichlich anthropologisch und anthropozentrisch. Existentialphilosophie ist nichts anderes als die Erkenntnis des Sinnes des Seienden durch das Subjekt. Das Subjekt ist existentiell. Dagegen ist im Objekt das innere Dasein verhüllt. In diesem Sinne ist die Philosophie subjektiv und nicht objektiv. Sie gründet in der geistigen Erfahrung. Das Erkennen darf dem Sein nicht gegenübergestellt werden. Das Erkennen ist ein Geschehen innerhalb des Seins. Das Erkennen ist dem Sein immanent und nicht das Sein immanent dem Erkennen. Die Erkenntnis ist kein Abbild des Seins im erkennenden Subjekt. Sie hat einen schöpferischen Charakter und ist ein Akt der Sinngebung. Die Entgegensetzung des Erkenntnissubjekts und des Objekts führt zum Schwinden des Seins (Seinsschwund) im Subjekt und im Objekt. Der Begriff des Objekts muß durch den Begriff der Objektivation ersetzt werden. Es gibt verschiedene Stufen der Erkenntnis, die mit den Objektivationsstufen zusammenhängen. Die maximal objektivierte Erkenntnis, die am exzentrischsten ist in bezug auf die menschliche Existenz, wird auch am allgemeingültigsten vorgestellt. Die logische Allgemeingültigkeit hat jedoch sozialen Charakter. Die logische Allgemeingültigkeit einer objektivierten Erkenntnis ist gebunden an die niederste Stufe der geistigen Gemeinschaft der Menschen, für die eine Kommunikation hergestellt wird. Von dieser Art sind die Erkenntnisse der math. Naturwissenschaften. Eine geistige Gemeinschaft der Menschen ist für das Erkennen der Mathematik und der Naturwissenschaften nicht erforderlich. Anders
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ist es schon in den sozialen Wissenschaften; dort wird zur Anerkennung derselben Wahrheiten eine innigere menschliche Gemeinschaft vorausgesetzt. Die philosophische Erkenntnis kann von der menschlichen Existenz nicht losgelöst werden; hier bedarf es aber zwecks Aufweisung derselben Wahrheit einer geistigen Gemeinschaft. Daher kann die metaphysische Erkenntnis niemals so allgemeingültig sein wie die mathematische. Und endlich die religiösen Wahrheiten fordern die höchste geistige Gemeinschaft der Menschen. Von der Seite gesehen, erscheinen die religiösen Wahrheiten als die subjektivsten und unverbindlichsten, während sie für eine religiöse Gemeinde, die sich zu diesen Wahrheiten bekennt, am universalsten und verbindlichsten sind. Der Durchbruch zu den Geheimnissen der Existenz setzt die Intuition voraus, welche einen schöpferischen Charakter hat. Die objektivierte Erkenntnis entspricht der inneren Zerrissenheit und Entfremdung der Welt, d. h. ihrer Sündhaftigkeit, besitzt jedoch in dieser Welt einen positiven Wert. Eine fundamentale Bedeutung hat die Wissenssoziologie; sie muß eine Verbindung herstellen zwischen der Erkenntnis und den Problemen der Gesellschaft und Gemeinschaft, zwischen der Kommunikation und der Kommunion. Eine objektivierte Erkenntnis bezieht sich stets auf das „Allgemeine" und nicht auf das „Individuelle". Eine objektivierte Metaphysik, die auf einem Begriffssystem basiert, ist unmöglich. Metaphysik ist nur eine Philosophie der menschlichen Existenz; sie ist „subjektiv" und nicht „objektiv" und bedient sich der Symbole und des Mythos. Wahrheit und Realität sind nicht identisch mit Objektivität. Das Grundproblem der Philosophie ist das Problem des Menschen. Das Sein offenbart sich im Menschen und durch den Menschen. Der Mensch ist ein Mikrokosmos und Mikrotheos. Er ist ein Abbild Gottes und gottähnlich. Zugleich aber ist der Mensch ein naturhaftes und endliches Wesen. Der Mensch ist zwiespältig und Schnittpunkt zweier Welten; er spiegelt wider eine höhere und eine niedere Welt. Als Abbild Gottes und gottähnliches Wesen ist der Mensch eine Persönlichkeit. Die Persönlichkeit muß vom Individuum unterschieden werden. Persönlichkeit ist eine geistig-religiöse Kategorie, während Individuum eine naturalistisch-biologische ist. Das Individuum ist ein Teil der Natur und der Gesellschaft, dagegen kann die Persönlichkeit nicht Teil eines anderen sein; sie ist stets ein Ganzes, korrelativ zur Gesellschaft, Natur und Gott. Der Mensch ist ein geistig-seelisch-körperhaftes Wesen. Als körperhaftes Wesen ist der Mensch gebunden an den gesamten Lebenskreislauf der Welt. Als geistiges Wesen ist er verbunden mit der geistigen Welt und mit Gott. Das geistige Prinzip im Menschen ist unabhängig von der Natur und der Gesellschaft und wird durch sie nicht determiniert. Dem Menschen ist die Freiheit wesenhaft eigen, wenn auch keine absolute. Das Freiheitsprinzip kann weder von oben noch von unten determiniert sein. Im Menschen ist ein Prinzip der ungeschaffenen, ursprünglichen Freiheit. Diese ist eine irrationale Freiheit, keine Freiheit in der Wahrheit, sondern Freiheit in der Anerkennung oder Ablehnung der Wahrheit. J e n e Freiheit ist Freiheit von der Wahrheit und von Gott, eine begnadete Freiheit. Nur die Anerkennung einer ungeschaffenen Freiheit, die im Nichtsein gründet, kann den Ursprung des Bösen erklären. Die ungeschaffene Freiheit erklärt auch die Möglichkeit des Schöpfertums und des Neuen in der Welt. Eine zentrale Stelle in B.'s philosophischer Weltanschauung gehört dem Problem des Schöpfertums, Der Mensch ist von einem Schöpfer geschaffen. Er ist zur schöpferischen Tat in der Welt berufen und setzt die Erschaffung der Welt fort. Der Sinn und die Bestimmung des menschlichen Lebens erschöpft sich nicht im Heil. Das Schaffen ist stets ein Übergang aus dem Nichtsein in das Sein, d. h.
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Schöpfertum aus Nichts. Das Schaffen aus Nichts ist ein Schöpfertum aus Freiheit. Im Gegensatz zu Gott bedarf der Mensch eines Materials zum Schaffen. Jedoch tritt in den Schaffensakt ein Element der menschlichen Freiheit ein. Das Schaffen ist seinem Ursprung nach ein Emporfliegen, eine Überwindung der Weltenschwere. In den Ergebnissen aber, in den Produkten des Schaffens, erfolgt eine Anziehung nach unten. Anstatt eines neuen Seins entstehen Bücher, Statuen, Bildwerke, Maschinen, soziale Institutionen und sonstige Kulturwerte. Die Tragik des Schöpfertums beruht auf der Nichtübereinstimmung der schöpferischen Verwirklichung mit der schöpferischen Absicht. Das Schöpfertum ist entgegengesetzt der Evolution. Die Evolution ist Determinismus, Folgerung. Das Schöpfertum ist Freiheit, ursprünglicher Akt. Die Welt ist nicht fertig, nicht vollendet, sie wird immer weiter geschaffen. Die Offenbarung ist zweigliedrig. Sie setzt einerseits Gott voraus, der offenbart, und andererseits den Menschen, der die Offenbarung entgegennimmt. Die Entgegennahme der Offenbarung vollzieht sich aktiv und ist abhängig von der Breite oder Enge des Bewußtseins. Die Welt der unsichtbaren Dinge übt auf uns keinen Zwang aus, sondern enthüllt sich uns in Freiheit. Der Mensch ist nicht frei, die ihn umgebende sinnliche Welt zu verneinen; wohl aber vermag er Gott zu leugnen. Darin besteht das Geheimnis des Glaubens. Die Offenbarung enthält keinerlei Philosophie und keinerlei Gedankensystem. Jedoch muß die Offenbarung auch für das menschliche Denken annehmbar sein, das seinerseits stets aktiv ist. Die Theologie ist stets abhängig von philosophischen Kategorien. Dagegen hat die Offenbarung keinerlei notwendige Beziehung zu irgendeiner Philosophie. Die Veränderlichkeit und das Schöpfertum des Menschen rechtfertigen den ewigen Modernismus. Die Patristik und Scholastik bildeten den Modernismus ihrer Epochen. Die religiöse Erkenntnis ist symbolisch und kann religiöse Wahrheiten nicht in rationalen Begriffen ausdrücken. Die Wahrheit der Offenbarung ist für die Vernunft antinomisch. Die Dogmen sind Symbole. Dies ist aber ein realistischer Symbolismus, der das Sein widerspiegelt, und kein idealistischer, der nur die Zustände des Menschen wiedergibt. Die Metaphysik kann sich nicht in einem Begriffssystem vollenden, sie wird durch den Mythos gekrönt, hinter dem sich die Realität verbirgt. Religion ist Beziehung zwischen Gott und Mensch. Gott gebiert den Menschen; der Mensch gebiert Gott. Gott erwartet eine freie und schöpferische Antwort des Menschen. Damit ist verbunden das Geheimnis des Gottmenschentums, sowie der Zweieinigkeit und der Vereinigung zweier Wesenheiten bei Wahrung ihrer Unterschiedenheit. Die christliche Philosophie ist eine gottmenschliche und christologische Philosophie. Das religiöse Leben, das seinen Ursprung in der Offenbarung hat, ist Einflüssen und Einwirkungen der sozialen Umwelt unterworfen. Darin gründet die Vielgestaltigkeit der Religionsgeschichte der Menschheit. Daher ist auch eine dauernde Reinigung, Reformation und Wiedergeburt erforderlich. Die Erkenntnis von der Sinnhaftigkeit der Geschichte ist nicht in der griechischen Philosophie, sondern im Judentum und dem Christentum entstanden. Das Verhältnis des Christentums zur Geschichte ist zwiespältig. Das Christentum ist historisch und stellt eine Offenbarung Gottes in der Geschichte dar. Andererseits vollendet sich die christliche Offenbarung in der Geschichte nicht, sondern ist ein Gericht über die Geschichte. Die Geschichtsphilosophie ist mit dem Zeitproblem verknüpft. Wir leben in einer sündhaften Zeitlichkeit, die zerrissen ist in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Hauptaufgabe des Geistes ist der Sieg über den todbringenden Strom der Zeitlichkeit. Ewigkeit ist keine unendliche Zeit, die durch eine Zahl gemessen werden könnte, sondern eine die Zeit
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überwindende Qualität. Die Vergangenheit ist für uns stets eine verklärte Vergangenheit. Der Sinn der Geschichte wird in der Überlieferung wahrgenommen; diese ist eine schöpferische Verknüpfung der Vergangenheit mit der Gegenwart. Die Anerkennung eines unendlichen Fortschritts in der Geschichte ist die Anerkennung der Sinnlosigkeit der Geschichte. Der Sinn der Geschichte setzt das Ende der Geschichte voraus. Der Sinn der Geschichte muß zugleich der Sinn einer jeden menschlichen Persönlichkeit und ihrem individuellen Schicksal angemessen sein. Dagegen betrachtet der Fortschritt einen jeden Menschen und jede Generation als Mittel für die folgenden. In der Geschichte sind Umbrüche, Krisen und Revolutionen unvermeidlich; sie bezeugen das Mißlingen aller historischen Verwirklichungen. Die Geschichte muß ein Ende haben; der Sinn der Geschichte ist an die Eschatologie gebunden. Die Kultur ist eine schöpferische Tat des Menschen. In den theokratischen Gesellschaften, die auf Sakralisation aufgebaut wurden, waren die schöpferischen Kräfte des Menschen nicht frei genug. Der Humanismus bedeutet die Befreiung der schöpferischen Aktivität des Menschen. Dies ist seine Wahrheit. Hinter dem Problem der Kultur verbirgt sich das Problem der menschlichen Beziehungen zu Gott und zur Welt. Entweder behauptet sich Gott gegen den Menschen oder der Mensch gegen Gott. Der Humanismus bedeutete im Verlaufe seiner Entwicklung eine Säkularisation der Kultur. In der Säkularisation vollzog sich die Entlarvung der Unwahrheit. Der Humanismus verwandelte sich jedoch in eine Selbstvergötterung des Menschen und Leugnung Gottes. Das menschliche Antlitz, das ein Ebenbild Gottes ist, begann sich zu zersetzen. Der Humanismus schlug in den Antihumanismus um. Dies sehen wir bei Marx und Nietzsche. Die Krise des Humanismus ist eine Bewegung zu übermenschlichen Prinzipien, entweder zu Christus oder zu Antichristus. Die Technokratie ist eine Krise des Humanismus. Das Eindringen der Massen verändert die Kultur, mindert ihre Qualität und bewirkt eine Krise der intellektuellen Schicht. Die Technisierung des Lebens erzeugt einen neuen Menschentypus. Die technische Zivilisation zerstört die Ganzheit des menschlichen Wesens und verwandelt den Menschen in eine Funktion. Nur eine geistige Wiedergeburt vermag dem Menschen zur Herrschaft über die Maschine zu verhelfen. Das Grundproblem der Gesellschaftsphilosophie ist das Verhältnis der Persönlichkeit zur Gesellschaft. Die Gesellschaft ist eine Objektivation menschlicher Beziehungen. In ihr vermag das „Ich" einsam zu bleiben und braucht dem „Du" nicht zu begegnen. Von der Soziologie aus betrachtet, ist die Persönlichkeit ein winziger und untergeordneter Teil der Gesellschaft. Vom Standpunkte der Existentialphilosophie ist die Gesellschaft ein Teil der Persönlichkeit, ihre soziale Seite. Die Persönlichkeit hat eine Tiefe, die von der Gesellschaft nicht bestimmt wird; sie hat ein geistiges Prinzip. Der Mensch lebt in zwei Ordnungen — im Reiche Gottes und im Reiche Caesars. Darauf beruhen die Rechte und die Freiheit des Menschen. Daher hat die Macht des Staates und der Gesellschaft über den Menschen ihre Grenzen. Die Gesellschaft ist kein Organismus. Die Realität der Gesellschaft ist die Realität der menschlichen Gemeinschaft, die Realität des „Wir". Eine objektivierte Gesellschaft, die die Persönlichkeit knebelt, ist eine Ausgeburt der menschlichen Isolierung und ihres sündhaften Egozentrismus. In einer derartigen Gesellschaft gibt es zwar eine Kommunikation zwischen den Menschen, aber keine Kommunion. Der höchste Gesellschaftstypus entsteht durch die Synthese der Prinzipien der Persönlichkeit und der Gemeinschaft. Dieser Typus kann als personalistischer Sozialismus bezeichnet werden. Eine solche Gesellschaft wird den absoluten Wert einer jeden menschlichen Persönlichkeit
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anerkennen, wie auch seine höhere Würde, als eines Wesens, das zum ewigen Leben berufen ist. Die soziale Organisation wird einem jeden die Möglichkeit zur Verwirklichung der Fülle seines Lebens geben. Unerläßlich ist die Synthese des aristokratischen, qualitativen Prinzips der Persönlichkeit und des demokratischen, sozialistischen Prinzips der Gerechtigkeit und der brüderlichen Zusammenarbeit der Menschen. Im Zeitalter des aktiven Eindringens der Massen in die Geschichte und der schwindelerregenden Entwicklung der Technik wird die Gesellschaft vorwiegend technisch organisiert. Die Massen treten heraus aus dem organischen Rhythmus und werden einer mechanischen und technischen Organisation unterworfen. Dies ist ein schmerzlicher und krankhafter Prozeß für den Menschen als ganzheitliches Wesen. Die tellurische Periode im Leben der Menschheit geht ihrem Ende entgegen. Die Herrschaft der Maschine eröffnet eine neue kosmogonische Periode; sie unterwirft den Menschen einem neuen Kosmos. Der Mensch lebt nicht mehr unter anorganischen und organischen Körpern, sondern unter organisierten. Gerade in einem solchen Zeitalter muß der Geist und die geistige Bewegung verstärkt werden, um das Menschenantlitz zu retten. Ohne geistige Wiedergeburt ist eine soziale Neugestaltung der Gesellschaft unmöglich. Die Grundlage der Ethik bildet der Personalismus. Die ursprünglichen, originellen sittlichen Urteile und Handlungen haben stets einen persönlichen und individuellen Charakter; sie sind nicht mitbestimmt durch kollektive und soziale Vorstellungen und Meinungen. Die Entstehung der Unterscheidung von Gut und Böse ist das Ergebnis des Sündenfalls. Das paradiesische Sein liegt ienseits von Gut und Böse. Es gibt drei Arten von Ethik: die Gesetzesethik, die Et^ik der Erlösung und die Ethik des Schöpfertums. Die Gesetzesethik ist am stärksten verbreitet; sie ist die Ethik der sündhaften Menschheit. Sie ist eine Ethik des sozialen Alltags. Sie beruht auf der Unterwerfung des Menschen unter die Norm; diese aber kennt keine menschliche Individualität. Der Mensch für den Sabbat. „Die Guten", die das Gesetz erfüllten, waren allzu oft „die Bösen". Es herrscht die Idee des abstrakten Guten. Das Pharisäertum ist die radikalste Erscheinung der Gesetzesethik. Sie ist ' eine normative Ethik. Die Ethik der Erlösung kennt keine schroffe Scheidung in „Gute" und „Schlechte". Sie ist eine Ethik der Gnade und der Liebe. Der Sabbat für den Menschen. Sie hat als Grundlage die Beziehung zum lebendigen Menschen, zum menschlichen Wesen, und nicht zur Idee des Guten. Die Ethik des Schöpfertums gründet auf den schöpferischen Gaben des Menschen. Der schöpferische Akt hat sittliche Bedeutung, und die sittliche Handlung ist ein schöpferischer Akt. Ein wahrhaft sittlicher Akt ist ein einmaliger und unwiederholbarer; er ist stets ein neuer. Der sittliche Akt ist nicht eine Erfüllung des Gesetzes und der Norm. Er ist eine schöpferische Neuheit in der Welt. Sittliche Bedeutung besitzt ein jegliches Schaffen, auch das ästhetischer und erkenntnismäßiger Werte. Die Ethik basiert auf dem eschatologischen Problem, auf dem Problem des Todes und der Unsterblichkeit, des Paradieses und der Hölle. Die Hölle befindet sich im Subjektiven und nicht im Objektiven; sie bleibt in der unendlichen Zeit und geht nicht über in die Ewigkeit. Eine Ontologie der ewigen Hölle ist unmöglich. Die Hölle haben „die Guten" für „die Bösen" geschaffen und sind daher selbst böse geworden. Das Reich Gottes ist jenseits unseres hiesigen „Gut" und „Böse", und die Reflexionen über das Reich Gottes können stets nur apophantisch sein. (Für das Lexikon verfaßt von N. Berdiaeff, aus dem Russischen übersetzt von E. Aßmann.) S c h r i f t e n : Der Sinn des Schaffens. Versuch einer Rechtfertigung des Menschen, Moskau 1916, dt, 1927. — Der Sinn der Geschichte. Versuch einer Philosophie des
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Berengar — Berger, Joh. Erich v.
menschlichen Schicksals, Darmstadt 1925. — Das neue Mittelalter, Berlin 1924. — Philosophie des freien Geistes, Paris 1927. — Die Bestimmung des Menschen. Versuch einer paradoxalen Ethik, Paris 1931. — Das Christentum und der Klassenkampf, Paris 1931. — Wahrheit und Lüge des Kommunismus, Paris 1932. — Ich und die Welt der Objekte. Versuch einer Philosophie der Einsamkeit u. der Gemeinschaft, Paris 1933. — Des Menschen Schicksal in der gegenwärtigen Welt, Paris 1934. — B. Schultze, Die Schau der Kirche bei B., 1938. — Beteekenis en vorsprong van het Russisch communisme, Amsterdam 1938, L i t e r a t u r : E. Dennert, Die Krisis der Gegenwart und die kommende Kultur, Leipzig 1929. — Richard Kremser, N. B.'s metaphysische Grundlegung d. Geschichtsphilosophie, Wien 1943. — B. Schultze, Die Schau der Kirche bei B„ 1938. — E. Porret, La philosophie chrétienne en Russie, 1944. — P. V. Kennedy, A philosophical appraisal of the modernist gnosticism of N. B., Aniv. Arbor 1940. B e r e n g a r von Tours, geb. um 1000, gest. 6. J a n . 1088. B . wich in seiner Lehre vom Abendmahl, indem er sich nach dem Vorgange des J o h a n n e s Scotus auf die Vorrangstellung der Vernunft gegenüber der Autorität berief, von der kirchlich sanktionierten Auffassung ab und mußte zweimal seine Thesen widerrufen. Der Streitpunkt betrifft die F r a g e der Änderung der Substanz und der Akzidentien, wobei B . die Möglichkeit einer Änderung der Substanz ohne entsprechende Änderung der Akzidentien bestreitet. S c h r i f t e n : De sacra coena, aufgefunden von Lessing in Wolfenbüttel, hrsg, v. A. F. u. F. Th. Vischer, 1834. L i t e r a t u r : Ebersolt, Essai sur B. de T. et la controv. sacram. en Xle.s., Paris 1903. — J . Geiselmann, Eucharistielehre der Vorscholastik, 1926; Studien zu frühmittelalt. Abendmahlsschr., 1926. Berg, Franz, geb. 31. J a n u a r 1753 in Frickenhausen a. M., gest. 6. April 1821 in Würzburg. Gegner Schellings. S c h r i f t e n : Epikritik der Philosophie, 1805. Bergbohm, K a r l Magnus, 1849 bis 1927. Professor in Dorpat, Marburg, Bonn. Vertreter des Positivismus in der Lehre vom internationalen R e c h t . Verträge und Staatsrecht sind die einzigen Quellen des internationalen R e c h t s und die einzigen Mittel seiner Entwicklung. Die Jurisprudenz braucht eine philos. Grundlage. S c h r i f t e n : Die bewaffnete Neutralität 1780—83, Berlin 1884. — Jurisprudenz u, Rechtsphilosophie, I. Bd.: Das Naturrecht der Gegenwart, Lpz. 1892. L i t e r a t u r : Hrabor, V. E., in: Zeitschr. f. Völkerrecht, 1928, S. 559—563. — Biographie von Schwab, 1899. Bergemann, Paul, geb. 20. Oktober 1862 in Löwenberg in Schlesien. E t h i s c h e r Kulturphilosoph. S c h r i f t e n : Ethik als Kulturphilosophie, 1904. — Soziale Pädagogik, 1900. — Lehrbuch der pädagog Psychologie, 1901. Berger, Arnold E., geb. 2. J u n i 1862 in Ratibor. Promotion 1886 Leipzig, Habilitation 1890 Bonn. 1897 beurlaubt nach Berlin, dort zum Professor ernannt. 1901 Professor in Kiel, 1902 in Halle a. d. S. 1905 Professor der Kultur- und Literaturgeschichte in Darmstadt bis 1932. Dr. phil., Dr. theol. h. c. S c h r i f t e n : Martin Luther in kulturgeschichtlicher Darstellung, 3 Bde. in 4Teilen, 1895—1921. — Die Kulturaufgaben der Reformation, 1895, 2. Aufl. 1908. — Der junge Herder und Winckelmann, 1903. — Die Lehre von der Naturnachahmung, 1905. — Klopstocks Sendung, 1924. — Lessings geistesgeschichtliche Stellung, 1929. — Luther, Der deutsche Prophet, 1933. — Humanismus und Reformation in geistesgeschichtl. Betrachtung, 1934. Berger, J o h a n n Erich von, geb. 1. Sept. 1772 in Faaborg auf Fünen, gest. in Kiel 22. F e b r u a r 1833. 1814 Professor der Astronomie, 1823 der Philosophie in
Berger, Moritz — Bergmann, Ernst
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Kiel, zunächst von Hülsen, Schelling und seinen Schülern stark beeinflußt und abhängig, später von Hegel. In seinem Werk „Philosophische Darstellung der Harmonien des Weltalls" ist er Romantiker und bekennt sich zur pantheistischen Naturphilosophie: „Alle Geister ruhen in Einem, und Einer in allen" (22). Es ist in der Hauptsache die Hegeische Logik, welche dem Hauptwerk B.s, seinen „Allgemeinen Grundzügen zur Wissenschaft", die in 4 Bänden erschienen, als Grundlage dient. Er vertritt hier die Auffassung, daß unsere Gedanken sich nach demselben Prinzip entwickeln und miteinander zusammenhängen wie die Dinge. Einer Algebra der Zahlen entspricht eine Algebra der Ideen. Die Natur ist in ihrer äußeren Erscheinung materiell, ihrem Wesen nach ist sie geistig. Die Ideen sind „die wirkenden oder wesentlichen — ewigen und notwendigen — Begriffe, . . . die Urbilder, nach welchen das Sein wirklich werden und sich gestalten mußte" (a. a. 0.1, 248). Die Anschauung ist die „notwendige zeitliche Grundlage aller Erkenntnis, ihr Leben und ihre Wirklichkeit" (72), sie darf daher nicht vernachlässigt werden; freilich wird sie von B. in stark intellektualistischem Sinne bestimmt. Die Substanz ist „das unendliche Sein, welches der Geist denkt, um sich selber in seiner Freiheit und in seinem Wechsel zu begreifen. So scheint er sich aus dieser Substanz selbst hervorzugehen, ob sie dennoch nur sein eigener Gedanke ist" (266). Die Welt befindet sich in einer Entwicklung zum Besseren, die Welt, so wie sie ist, ist noch nicht die beste Welt, die sein könnte. Die pantheistische Auffassung, daß sie ein göttliches Wesen voller Harmonie sei, vertritt B. auch hier. Gott ist die allgemeine Vernunft, die sich unmittelbar erweist und daher keines besonderen Beweises bedarf. Gott offenbart sich in den Einzelgeistern, die in notwendigem Zusammenhang zu Gott gehören. Der Mensch hat die Aufgabe der Ausbildung aller seiner Kräfte zu einem harmonischen Ganzen, die innere Einigkeit mit sich selbst ist die wahre Sittlichkeit. Da der Staat nach B. die Offenbarung der Vernunft ist, so erscheint ihm als das Ideal die allgemeine Staatsrepublik. Im Staate kann auch nur das an sich ewige Recht sich verwirklichen. Es ist unmittelbar vernünftig und dient der Freiheit des Menschen, die sein Vorrecht ist. S c h r i f t e n : Philosoph. Darstellung d. Harmonien des Weltalls, I. Tl. (mehr ist nicht erschienen). Allg. Blicke, Altona 1808. — Allgemeine Grundzüge zur Wissenschaft, 4 Bde., Altona 1817/21/24/27: I. Analyse des Erkenntnisvermögens, II. Naturphilos., III. Anthropolog. u. Psychologie, IV. Ethik, Rechts- u. Naturphilos., Religionsphilos. L i t e r a t u r : H. Ratjen, J. E. v. B.s Leben, 1875. — Otto Schumacher, Die Ethik J. E. v B.s, Hamburg 1929.
Berger, Moritz. Vertreter des Materialismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. S c h r i f t e n : Der Materialismus im Kampfe mit dem Spiritualismus und Idealismus, Triest 1883.
Bergmann, Ernst, geb. 7. August 1881 in Colditz in Sachsen. Promotion 1905, Habilitation 1910, Professor 1916 in Leipzig. Bergmanns Werk „Erkenntnisgeist und Muttergeist" will als „Geschlechtersoziosophie" das Naturphänomen des Geschlechterunterschiedes als Grundlage für eine Soziologie des Männlichen und Weiblichen deuten. S c h r i f t e n : Der Geist des 19. Jahrhdts. 1921, 2. Aufl. 1927. — Die deutsche Mystik, Bd. 1 der Geschichte der deutschen Philosophie, 1926. — Fichte, Bd. 11 der Serie „Die großen Erzieher", hrsg. von Rud. Lehmann, 2. Aufl. 1928. — Erkenntnisgeist und Muttergeist, eine Soziosophie der Geschlechter, 1932. — Die Entsinkung ins Weiselose, Seelengeschichte eines modernen Mystikers, 1932, — Die deutsche Nationalkirche,
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Bergmann, Hugo — Bergson
1933. — Deutschland, Das Bildungsland der neuen Menschheit, 1933. — Die 25 Thesen der Deutschreligion, 1934. L i t e r a t u r : Rudolf Neuwinger, D. Philos. E. B.s, Stuttgart 1938.
Bergmann, Hugo, geb. 25. Dezember 1883 in Prag. Habilitiert für neuere Philosophie an der Universität Jerusalem 1927. Direktor der jüdischen National- und Universitätsbibliothek zu Jerusalem. — Schüler von Anton Marty. S c h r i f t e n : Untersuchungen zum Problem der Evidenz der inneren Wahrnehmung, 1908. — Das philosophische Werk B. Bolzanos, 1909. — Das Unendliche und die Zahl, 1913. — Worte Mosis, 1914. — Der Begriff der Verursachung und das Problem der individuellen Kausalität, 1914, in: Logos. — Jahve und Jerusalem, 1919. — Begriff und Wirklichkeit. Ein Beitrag zur Philosophie Bubers und Fichtes, 1928, in: Der Jude. — Die Philosophie I. Kants, 1927 (hebräisch). — Der Kampf um das Kausalgesetz in der jüngsten Physik, 1929. — Die Philosophie Salomon Maimons (hebräisch), 1932.
Bergmann, Julius, geb. 1. April 1840 in Opherdicke i. Westf., gest. 24. August 1904 in Marburg a. d. L. Professor in Königsberg und Marburg. Vertritt einen objektiven Idealismus. Körperwelt und Raum existieren nur für ein Bewußtsein überhaupt (Immanenzphilosophie}. Naturgesetze sind „Gesetze, nach denen das universale Bewußtsein sich hinsichtlich seines Anschauungsinhaltes verändert". S c h r i f t e n : Erste Probleme der Ontologie, Bln. 1865. — Grundlinien einer Theorie des Bewußtseins, Bln. 1870. — Zur Beurteilung des Kritizismus vom ideal. Standp., ebda. 1875. — Allgemeine Logik, Bd. I, Reine Logik, ebda. 1879. — Sein und Erkennen, ebda. 1880. — D. Ziel der Geschichte, Marb. 1881. — Die Grundprobleme der Logik, Bln. 1882, 2. Aufl. Bln. 1895. — Materialismus u. Monismus, 1882. — Über das Richtige. Eine Erörterung der ethischen Grundfragen, Bln. 1883. — Über den Utilitarismus, Marb. 1883. — Vorlesungen über Metaphysik, mit bes. Bezug auf Kant, ebda. 1886. — Über das Schöne, analyt. u. hist.-krit. Unters., ebda. 1887. — Geschichte der Philosophie, 2 Bde., Bin, 1892. — Über den Satz des zureichenden Grundes, in: Zeitschr. f. imm. Philos., II. Untersuchungen über die Hauptpunkte der Philosophie, Marb. 1900. — System des objektiven Idealismus, Marb. 1903. L i t e r a t u r : Hans Keller, Der Raumzeitidealismus bei J. B„ H. Cohen u. P. Natorp, Bonn 1930.
Bergson, Henri, geb. 18. Oktober 1859 in Paris, gest. 4. Januar 1941 ebda. 1890 Professor am Collège de France zu Paris. Für den methodischen Ausgang der Philosophie B.s ist es entscheidend, daß er danach trachtet, die Trennung zwischen Subjekt und Objekt, Ich und Welt, zugleich Ich und Gott zu beseitigen. Dieser Trennung kommt keine metaphysische Bedeutung zu. B. findet die innerste, metaphysische Einheit der Welt, des Menschen und des „Lebens" durch seine Unterscheidung von Verstand (entendement) und Bewußtsein (conscience), indem er alle Spaltung zwischen Subjekt und Objekt und die Entfremdung des Lebens mit der Welt dem Verstand zur Last legt. Der Verstand, alles im engeren Sinn gegenständliche Denken mit seinen Kategorien der Dringlichkeit usw. verfälscht die wahre Intuition vom Wesen der Welt. Der Verstand muß daher ausgeschaltet werden, wenn dieses Wesen und die in ihm beruhende innere Einheit des Lebens geschaut werden soll. B. geht soweit, daß er die Anschauungsform und Kategorie des Raumes dem Verstand zuweist und in der Tatsache, daß der Mensch auch die Zeit meist in symbolischem Gebrauch der räumlichen Denkform sich klarzumachen pflegt, den Grund dafür sieht, daß die Zeit selbst m ihrem Wesen, das auf das innigste mit dem Wesen der Welt verknüpft ist, nicht erfaßt wird. Zeigt der Verstand dem Menschen die Welt als ein räumlich ausgedehntes, materielles Ganzes, aus Teilen bestehend und in raumanalog meßbaren Zeitab-
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schnitten sich verändernd, so schaltet der Philosoph diesen Anblick als unwahr und metaphysisch unzutreffend aus. Der Aspekt des Verstandes ist nicht der Anblick der wahren Welt; denn für ihn besteht eine unüberbrückbare Kluft zwischen dem inneren Leben des Menschen, dem Bewußtsein, und der äußeren Wirklichkeit. Was der Verstand erfaßt, die materielle, räumliche Welt, ist in Wahrheit die Welt in ihrem Zerfall, und sofern diese von ihm für die wirkliche Welt gehalten wird, täuscht der Verstand. Der Verstand kann das Dasein nur im Schein seines räumlichen Bestehens, das, genau betrachtet, ein ständiges Verfallen ist, ergreifen. Das Leben selbst aber, die eigentliche Realität, „ist eine Bewegung; die Materialität ist die verkehrte Bewegung". Die wahre Materie ist nicht, was der Verstand räumlich zeigt, das von ihr Ausgedehnte, das Meßbare und anscheinend Beharrende, — die wahre Materie ist genau das gleiche, was das menschliche Bewußtsein, was das Leben ist: Bewegung. „Die Materie und das Leben, die die Welt erfüllen, sind ebenso gut in uns. Die Kräfte, die in allen Dingen schaffen, wir fühlen sie in uns; was immer das geheime Wesen ist von dem, was besteht und was sich selbst schafft, wir sind aus ihm. Steigen wir also in unser eigenes Inneres: wir werden einen viel tieferen Punkt berühren, ein viel stärkerer Stoß wird uns zurücktreiben zur Oberfläche. Die philosophische Intuition ist diese Berührung, die Philosophie ist dieser Stoß". („La matière et la vie qui remplissent le monde sont aussi bien en nous; les forces, qui travaillent en toutes choses, nous les sentons en nous; quelle que soit l'essence intime de ce qui est et de ce qui se fait, nous en sommes. Descendons alors à l'intérieur de nous-mêmes: plus profond sera le point que nous aurons touché, plus forte sera la poussée qui nous renverra à la surface. L'intuition philosophique est ce contact, la philosophie est cet élan"; in: L'intuition philosophique, communication faite au congrès de philosophie de Bologne le 10 avril 1911, Revue de Métaphysique, 1911.) Die philosophische Intuition, indem sie den räumlich-messend denkenden Verstand ausschaltet und sich in das eigene Innere des Bewußtseins versetzt, ergreift in diesem Elan zugleich das wahre, bewegende Wesen des Lebens und der Welt. Sie ergreift das Leben in seiner schöpferischen Freiheit; denn das Bewußtsein selbst, mit dem sie so Kontakt gewinnt, ist Erfindung und Freiheit („Conscience est synonyme d'invention et de liberté", L'évolution créatrice, 286). Von dieser philosophischen Intuition aus, durch das eigene, schöpferische Bewußtseinsleben hindurch gesehen, frei von allen verstandesmäßigen Erstarrungen und Zerfällungen des e i n e n Lebens in Einzeldinge erscheint das Leben als eine unendliche Woge, die sich von einem Zentrum ausbreitet und im Umkreis ihrer Ausbreitung anhält, um oszillierend auf der Stelle zu bleiben: in einem einzigen Punkt ist der Widerstand bezwungen, und der Impuls wirkt frei weiter. Dieser Punkt mit seiner Freiheit ist es, der den Menschen auszeichnet. Im Menschen hat das Bewußtsein sein Ziel erreicht. Der Mensch setzt in unbegrenzter Weise die Lebensbewegung fort. Er trägt freilich nicht alles mit sich, was das Leben an Möglichkeiten besitzt. Auf anderen Entwicklungslinien haben andere Tendenzen ihren Weg gefunden, die das Leben umfaßt, und von denen der Mensch nur wenig bewahrt hat. „Alles vollzieht sich, als habe ein unentschiedenes Wesen, man mag es nennen, wie man will, Mensch oder Übermensch, sich zu verwirklichen gesucht, und sei dabei nur vorwärts gelangt, indem es einen Teil seiner selbst zurückließ." Der Rest der Tierwelt stellt diesen zurückgebliebenen Rest dar. („De notre point de vue, la vie apparaît globalement comme une onde immense qui se propage à partir d'un centre et qui, sur la presque totalité de sa circon-
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férence, s'arrête et se convertit en oscillation sur place; en un seul point l'obstacle a été forcé, l'impulsion a passé librement. C'est cette liberté qu'enregistre la forme humaine . . . . Tout se passe comme si un être indécis et flou, qu'on pourra appeler, comme on voudra, homme ou surhomme, avait cherché à se réaliser, et n'y était parvenu qu'en abandonnant en route une partie de lui-même." L'évolution créatrice, 289.) Wie das innerste Wesen des Bewußtseins und also der Welt Bewegung ist, so ist das Symbol, in dem sie greifbar wird, die Dauer. Freilich ist nicht alles, was wir als Zeit im weiteren Sinne uns zunächst vorstellen, schon identisch mit diesem Wesen, dieser Bewegung. Der Verstand pflegt unter der Denkform der Räumlichkeit die Zeit zu behandeln, als wäre sie aufteilbar und meßbar wie der Raum. Von dieser Vermischung muß die Intuition zuerst den Menschen befreit haben, damit er die schöpferische Bewegung und die wahre Zeit, d. h. die Dauer, sehen kann. Während der Verstand die Stetigkeit der Weltschau durchbricht, indem er Dinge und Zustände vor den Blick stellt, macht die Intuition, indem sie die echte Kontinuität des Bewußtseinsstromes erschließt, von aller Dinglichkeit und Zuständigkeit frei. Ding und Zustand werden zu Unrecht in den reinen Strom des Geschehens hineingedacht. Sie haben keine metaphysische Realität. Diese kommt allein der Bewegung, dem Fluß zu, die sich also darstellt als reine Dauer. Will man sie sich verdeutlichen, ohne den Unterstellungen des Verstandes zum Opfer zu fallen, so muß man an den Ablauf einer Melodie denken, die man mit geschlossenem Auge erlebt. Dieses Erlebnis spiegelt annähernd den Ablauf der reinen Dauer wider. Die Trennungen zwischen den einzelnen Tönen usw. freilich muß man ausdrücklich nicht beachten. In der uneingeschränkten reinen Bewegung ihres Fließens liegt das auszeichnende Merkmal der „Dauer" im Unterschied von der „Zeit", die in der zerteilenden Denkweise der Räumlichkeit erfaßt wird. Bergson hebt also gleichzeitig den Unterschied zwischen Subjekt und Objekt auf, indem er das Hinabsteigen in die Tiefe des Bewußtseins zugleich das Erfassen des Wesens der Welt sein läßt. Er schaltet alle Kategorien der Quantität, Dinglichkeit, des Zustandes und der Räumlichkeit aus und gelangt so zu einer Auffassung des metaphysischen Wesens der Welt, in dem sich Kontinuität, reines Fließen, reine Dauer vereinigen. Der letzte Hintergrund dieser Metaphysik ist eine bestimmte mystische Gottesvorstellung. Im Protest gegen die materialistisch-mechanistische Welt — und damit schließlich sogar gegen die Gottesauffassung seiner Zeit — lehrt Bergson einen Gott, der selbst reine Schöpferkraft, Freiheit und Leben ist. Während der Materialismus immer wieder versucht, aus Materie, Dinglichkeit, Zuständlichkeit und raumhaftem Dasein das Wesen Gottes zu entwickeln, scheidet Bergson diese Kategorien grundsätzlich und unbedingt vorweg aus, wenn er das Wesen Gottes zu fassen sucht. Er erklärt alles das, was der Verstand zu ergreifen glauben kann und woraus er Gott entwickeln möchte, zusammengefaßt im Begriff der Materie, für die Entäußerungsform Gottes, für das, was er gerade nicht mehr ist {„Dieu se défait"). Gott ist lebendige Bewegung, freie Schöpfung, er ist „unaufhörliches Leben, Schöpfung, Freiheit" („il est vie incessante, action, liberté"). Faßt man dies zusammen mit dem Sinn, den Bergson der philosophischen Intuition gibt, so zeigt sich diese, die ein Hineintauchen in den ungeteilten Strom des Bewußtseins und damit in das Leben ist, zugleich als ein Hineintauchen in die lebendige Bewegung Gottes selbst. S c h r i f t e n : Essai sur les Données 'immédiates de la Conscience, Paris 1889, 23. Aufl. 1924; dtsch.: Zeit und Freiheit, Jena 1911. — Matière et Mémoire, Essai sur la Relation du Corps à l'Esprit, Paris 1896, 20. Aufl. 192S; deutsch Jena 1907. — Le Rire,
Bérigard — Berkeley
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Paris 1900, 24. Aufl. 1925; deutsch Jena 1914. — L'Effort intellectuel, in: Rev. phil., 1902. — Introduction à la Métaphysique, in: Rev. d. met., 1903; deutsch Jena 1909. — Le Paralogisme psychophysiol., ebda. 1904. — L'Évolution créatrice, Paris 1907, 28. Aufl. 1925; deutsch Jena 1912. — Science psychique et Science physique, Ztschr. f. Pathops., 1914. — La Philosophie Française, in: La science française, 1915. — L'Énergie intellectuelle, ebda., 1919. — Durée et Simultanéité, Paris, 2. Aufl. 1923. — L'Énergie spirituelle, Essais et conférences, Paris 1920; deutsch Jena 1928. — Les deux Sources de la Morale et de la Religion, Paris 1932; deutsch Jena 1933. — La Pensée et le Mouvement. Essais et conférences, Paris 1934. L i t e r a t u r : Ausf. Bibliographie bei: W. Meckauer, Der Intuitionismus und seine Elemente bei H. Bergson, Leipzig 1917. — Gunn, J. Alexander, B. and his philosophy, London 1920. — Thibaudet, Albert, Le Bergsonisme, 2 Bde., Paris 1923. — Palgen, Rudolf, Die Weltanschauung H. B.s, Breslau 1929, in: Sprache und Kultur der germanisch-romanischen Völker, Reihe C, Bd. 1. — Richter, Johannes Rudolf, „Intuition" und „intellektuelle Anschauung" bei Schelling und Bergson, Ohlau 1929. — Weiß, Konrad, Die Reine Wahrnehmung im psychophysischen Problem Bergsons, Ilsenburg 1930. — Emmens, Wilko, Das Raumproblem bei B., Leiden 1931. — Jaeckel, Kurt, Bergson und Proust, Breslau 1934. — Robert Habicht, H. B. u. d. deutsche Typenlustspiel, Leipzig 1936. — Valeriu, Martin, D. Verhältnis der Religion zur Gesellschaft in der neuesten französ. Philosophie, Diss., Jena 1941. — Alfred Seidemann, B.s Stellung zu Kant, Diss., Freiburg 1937. — E. Rideau, Les rapports de la matière et de l'esprit dans de Bergsonisme, Paris 1933. — Derselbe, Le Dieu de B., Paris 1933. — R. Lacombe, La psychologie bergsonienne, Paris 1933. — Joseph de Tonquedec, Sur la philos, bergsonienne, Paris 1936. — G. Madinier, Conscience et mouvement: étude sur la philos, française de Condillac à Bergson, Paris 1938. — E. Rolland, La finalité morale dans le Bergsonisme, Paris 1937. — R. M. Loomba, Bradley and Bergson, Lucknow 1937. — Iriarte-Ag. J., El sentido espiritualista dé la filos. de B., in: Razôn y Fe 122 (1941) p. 196 ff. — V. Lazzeroni, La psicologia di H. B., in: Sophia 10 (1942) p. 424 ff. — J. Paulus, Les deux directions de la psychologie Bergsonienne et la méthode introspective de l'Essai, in: Tijdschr. voor Philos., Bd. 5 (1943) p. 85 fi. — Cassirer, Ernst, H. B.s etik och religionsfilosofi, in: Judisk Tidskr., Bd. 14 (1941) p. 13 ff. — J. Benrubi, Souvenirs sur H. B., 1942. — A. Cresson, B., sa vie et son œuvre, Paris 1941. — H. Sundén, La théorie bergsonnienne de la religion, Uppsala, 1940. — Bérigard, Claude Gillermet de, 1578 bis 1663. Französischer Atomistiker. B. entwickelte gegen Aristoteles die Lehre, daß die Substanzen sich aus punktuellen Atomen zusammensetzen, die die Gestalt von Kugeln haben. Die Annahme eines Vakuums ist noch nicht genügend gesichert, so daß man die Kontinuität der materiellen Raumerfüllung vertreten muß. S c h r i f t e n : Dubitationes in dialogos Galilei pro Terrae immobilitate, Utini 1632. — Circulus Pisanus. De veteri et Peripatetica Philosophia, Utini 1643, 2. Aufl. Padua 1661. Berkeley, George, am 12. März 1685 zu Dysert Castle bei /Thomastown in Irland geboren, 1707 Magister der Theologie, 1713/14 als Kaplan und Reisebegleiter des Grafen von Peterborough in Frankreich und Italien, 1715—1720 als Reisebegleiter erneut dort, 1729—1731 in Rhode Island in Amerika für die Verbreitung des Christentums tätig. 1734 Bischof zu Cloyne in Irland, zog sich 1752 zurück und starb zu Oxford am 14. Januar 1753. Sein etwa zweieinhalb Jahre umfassendes Tagebuch (1706—1708) enthält die Grundgedanken seiner Philosophie. Die Schrift A new theory of Vision (1709) untersucht das Sehen. B. läßt die Wahrnehmung des Raumes aus der Assoziation von Bewegungs-, Tast- und Gesichtsempfindungen entstehen. Durch Übung und Gewöhnung verbinden wir diese Empfindungen zu Vorstellungen der Entfernung und der Größe. In seinem Hauptwerk, dem Treatise concerning the principles of human knowledge (1710), verwirft B. die Annahme allgemeiner abstrakter Ideen. Es gibt nach ihm Allgemeinbegriffe wie Mensch, Dreieck in gar keiner Weise, sondern nur Einzelvorstellungen eines Menschen, Dreiecks usw., die in falscher Verallgemeinerung zu der irrigen Annahme von abstrakten Ideen verleiten Philosophen-Lexikon
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konnten. Nur wenn eine Einzelvorstellung eine ganze Klasse repräsentiert, die mit dem gleichen Wort bezeichnet werden kann, darf von einer Allgemeinheit der Vorstellung gesprochen werden. Eine unabhängig von der Wahrnehmung und dem Denken existierende reale Außenwelt anzunehmen, ist falsch. Alle Dinge, die außen zu existieren scheinen, sind nichts als Ideen in den Geistern und bedürfen ihrer zu ihrem Sein: Esse (des „äußeren" Seins) = Percipi. Wenn es reale ausgedehnte Substanzen gäbe, dann könnten wir von ihnen nichts wissen; denn wir vermöchten auf keine Art zu begreifen, wie Körperliches auf Geistiges einwirkt und erkannt wird. Gott müßte also etwas (die Körperwelt) geschaffen haben, was völlig zwecklos wäre. Es gibt keine materielle Substanz als Träger von Eigenschaften einer körperlichen Welt, sondern allein die Substanz des Geistes, der Seele, des Ich. Die Vorstellungen, die durch ihre Lebhaftigkeit, Ordnung und Stärke eine Ursache außerhalb unseres eigenen Denkens fordern (die spirits), sind durch den göttlichen Geist (Spirit) uns eingeprägt. Sie sind wirkliche Wahrnehmungen oder wirkliche Dinge und sind von den Vorstellungen im engeren Sinne, den Träumen, Illusionen usw., die Phantasievorstellungen sind und von unserm Denken selbst gebildet werden, zu unterscheiden. Die Naturgesetze sind feste, von unserm Willen unabhängige Ordnungen in der Verbindung wirklicher Wahrnehmungen. Gegen Newtons Mechanik hält B. an der durchgängig teleologischen Erklärung des Naturgeschehens fest; denn auch die Gravitation beispielsweise erfordert die Existenz eines strebenden Geistes. Die Möglichkeit absoluter Zeit, absoluten Raumes und absoluter Bewegung bestreitet B., da sie alle eine Realität außerhalb des Geistes anzunehmen zwingen würden. In den drei Dialogen zwischen Hylas und Philonous (1713) wendet sich B. gegen den Skeptizismus und Atheismus und will „die Realität und Vollkommenheit der Erkenntnis des Menschen, die Immaterialität der Seele und die Wirksamkeit einer unmittelbaren Vorsehung Gottes" beweisen. Die Schrift bestätigt, daß es außer den perzipierenden geistigen Subjekten und den phänomenalen, vorgestellten Objekten nichts gibt, daß also das Esse der scheinbar in einer Außenwelt befindlichen Dinge in ihrem Percipi besteht. — Der Dialog Alciphron (1732) richtet sich gegen die Anschauungen der Freidenker, insbesondere gegen Mandevilles Verteidigung der privaten Unmoral, auch gegen Shaftesburys Ethik, und macht die Religion zur Grundlage der Ethik. Der Glaube stimmt mit der wissenschaftlichen Erkenntnis überein. Die religiösen Begriffe wie Gnade, Trinität usw. können mit wissenschaftlichen Mitteln erklärt werden. In seiner späteren Zeit nähert B. sich stärker dem Piatonismus und Neuplatonismus, die er mit der christlichen Lehre in Verbindung zu bringen sucht. Auch der menschliche Geist ist über sein Vermögen der Perzeption hinaus aktiv und schöpferisch. Gott besitzt kein Merkmal eines empfindenden Wesens, sondern ist reiner Geist. S c h r i f t e n : A Treatise concerning the Principles of Human Knowledge, Dublin 1710 u. ö.; deutsch von F. Überweg, 6. Aufl., Berlin 1920. — Three Dialogues betweea Hylas and Philonous, London 1713; deutsch von R. Richter, Lpz. 1901. — Alciphron or the Minute Philosopher, London 1732; deutsch von L. u. F. Raab, Lpz. 1915. — Siris, a chain of philosophical reflexions and inquiries, London 1744; deutsch von L. u. F. Raab, Lpz., 1913. — Works, hrsg. von A. C. Fräser, 4 Bde., neue Ausgabe Oxford 1901 (enthält, allerdings mangelhaft, das Tagebuch B.s). L i t e r a t u r : A. C. Fräser, B. and Spiritual Realism, London 1909, — J. Didier, B., Paris 1911. — B. Erdmann, B.s Philos. im Lichte seines wissensch. Tagebuchs, Abhandl. d. Berl. Akad. 1919, phil.-hist. Kl. Nr. 8. — J. Laird, B.s realism, Mind, July 1916, 308 ff. — A. C. Armstrong, The development of B.s Theism, Arch. f. Gesch. d. Philos. 32 (1920) 150 ff. — Gerh. Stammler, B.s Philos. d. Mathematik, Kant-Studien, Erg.-Heft 55,
Bernard — Bernhard von Clairvaux
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Berlin 1922, — Rudolf Metz, B., 1925. — G. D. Hicks, G. B., London 1933. — Jessop, T. E., A bibliography of G. B„ Oxford 1934. — Oertel, Hans Joachim, G. B. und die englische Literatur, Halle 1934, in: Stud. z. engl. Philologie, 80. — Erich Cassirer, Berkeleys System, Gießen 1914. — Eugen Stoebler, G. B.s Auffassung u. Wirkung in der deutschen Philos, bis Hegel, Diss., Tübingen 1935. — Benjamin Rand, B.s american sojourn, Cambridge 1932. — S. del Boca, L'Unità del pensiero di Giorgio B., Firenze 1937. — G. A. Johnston, Development of B.s philos., L. 1923.
Bernard, Claude, geb. 12. Juli 1813 in Saint-Julien (Rhône), gest. 10. Febr. 1878 in Paris. 1854 Prof. in Paris. Französischer Physiologe, der den Vitalismus vom Standpunkt der experimentellen Wissenschaft aus bekämpft. Die Hypothese hat die Aufgabe, Experimente und Verifikationen anzuregen. Die experimentelle Methode muß daher auch in die Physiologie eingeführt werden. Trotz seines strengen Determinismus hält B. daran fest, daß ein besonderes inneres Gesetz, eine organische Idee, der „Typus der Art" die Erzeugung und Erhaltung der Organismen bestimmt. S c h r i f t e n : Introduction à la Médecine expérim., Paris 1865. — La Science expériment., Paris 1878. L i t e r a t u r : M. Foster C. B., London 1899.
Bernhard von Chartres (Bernardus Carnotensis), gest. um 1127, platonisierender Scholastiker. Die Universalien sind allein die platonischen Ideen, ewig wie Gott. Die Individualformen sind Abbilder der ewigen Ideen und gehören zu den Dingen, nicht unmittelbar zu jenen. B. bemühte sich um eine Harmonisierung von Piaton und Aristoteles. L i t e r a t u r : E. Gilson, Le Platonisme de B. de C., Revue Néoscolastique de philos. 25, Louvain 1923, 5—19.
Bernhard von Clairvaux, geb. 1091 auf Schloß Fontaines bei Dijon, starb 1153 in Clairvaux. Seit 1115 Abt des Klosters Clairvaux. — B. ist nicht Verächter der Wissenschaften, lehnt aber das Wissen um des Wissens willen ab; das Wissen muß der Erbauung dienen. In mystischer Schau will er den gekreuzigten Christus erleben; daher wendet er sich vor allem - gegen die Auffassung des Theoretischen, wie sie von Abaelard vertreten wurde. Als Voraussetzung der mystischen Schau gelten ihm die Demut und die Liebe zu Gott, die aus jener entspringt. Consideratio und Contemplatio sind die beiden Stufen der Erkenntnis der göttlichen Wahrheit, ihre oberste Spitze ist die Ekstase, das Hinaustreten des reinen Geistes zu Gott oder das heilige Herabsteigen Gottes in die Seele. Die Ekstase bedeutet auf seiten des Menschen die volle Aufgabe des Ich, positiv Gottwerdung. Gott ist alsdann alles in allem; es wird zwar die Substanz bleiben, aber in anderer Form, mit anderem Streben, in anderer Kraft. In der Psychologie lehrt er die dreifache Freiheit des Willens von der Sünde, vom Elend und von der Notwendigkeit. Die Willensfreiheit gründet sich in dem Intellekt, dem Urteil und der Wahl. In seiner Auseinandersetzung mit Abaelard formuliert er die drei Erkenntnisweisen Fides, Intellectus und Opinio, sie sind eine freiwillige und gewisse Vorausnahme der noch nicht geoffenbarten Wahrheit (Fides), die gewisse und augenscheinliche Kenntnis eines beliebigen Sachverhaltes (Intellectus), das Fürwahrhalten von etwas, von dessen Irrtümlichkeit man sich nicht zu überzeugen vermochte (Opinio). S c h r i f t e n : Gesamtausg. in: J. P. Migne, Patrologia Latina, 182—185, Paris. — Heimkehr. (Sermo seu liber de conversione.) Eingel, u. übertr. v. Johannes Schenk, München 1925. — Textes choisis, hrsg. v. A. Béguin u. P, Zumthor, 1944. L i t e r a t u r : L. Janauschek, Bibliograph. Bernardina, Wien 1891. — J. Bernhart, Bernhardische u. Eckhartische Mystik in ihren Bezieh, u. Gegens., 1912. — J. Verweyen, D. Probi, d. Willensfreiheit in der Scholastik, 1909, 64—69. — Vacandard, E., Vie de St. 8»
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Bernhard von Tours — Bernstein
B., 2 Bde., 4. Aufl., Paris 1920. — R. Linhardt, Die Mystik d. hl. Bernhard v. Clairvaux, 1924. — W. v. d. Steinen, Vom hl. Geist des Mittelalt., Anselm v. Canterbury, B. v. Clairvaux, 1926. — Ingeborg Brauneck, B. v. C. als Mystiker, Diss. Hamburg 1934. — Olavi Castrén, B. v. C., Z. Typologie d. mittelalt. Menschen, Lund 1938. — Stefan Gilson, D. Mystik d. hl. B. v. C., Wittlich 1936. — E. Wenisch, B. v. C„ Studien zu s. Weltbild, Diss., Wien 1941. — D. J . Baarslag, B. v. C., Amsterdam 1941. Bernhard Sylvestris von Tours, um 1150. B. setzt platonisierend den Nous dem christlichen Logos, die Weltseele, die er auch Endelechia nennt, dem Heiligen Geiste gleich; Gott ist das Eine, und in dieser Auffassung sucht er die Trinität bereits bei Piaton. Er nennt Gott auch Tagathon, das Gute, und lehrt, daß die Hyle, die Materie, von Gott erschaffen worden ist; ihre Formung erfuhr sie durch die aus der höchsten Vernunft hervorgegangene Weltseele. Die Ideen,welche in der Vernunft sind und von B. auch Formae exemplares genannt werden, sind die Universalien, die Urgründe oder Ursachen des Wirklichen. Sie bestimmen sowohl die Gattung als auch die Arten und die Individuen. L i t e r a t u r : Ausg. m. Einl. von C. S. Barach und J . Wrobel, B. S. De mundi universitate, in: Biblioth. philosophorum med. aet. I, Innsbruck 1876. Bernheim, Ernst, geb. 19. Febr. 1850 in Hamburg, verstorben. B. war 1883 bis Putbus. Gymnasiallehrer. 1859 Dr. phil. h. c. — Hegelianer. B. bezeichnet es als Grundaufgabe der Historik, „die einzelnen Tatsachen in ihren Beziehungen zu dem Ganzen und zu dem Allgemeinen der Entwicklungen aufzufassen". Er unterscheidet zwischen materialer Geschichtsphilosophie, die die historische Entwicklung nach ihrem positiven Verlauf zu erkennen sucht, und formaler Geschichtsphilosophie, die die erkenntnistheoretischen und logischen Fragen der Historik erforscht. S c h r i f t e n : Lehrbuch dei historischen Methode und der Geschichtsphilosophie, 1889, 5. u. 6. Aufl. 1908. — Einleitung in die Geschichtswiss., Bln. 1905, 3. u. 4. Aufl. 1926. — Mittelalterl. Zeitanschauungen, 1918. L i t e r a t u r : Edmund Edel, Grenzen u. Gefahren d. Geschichtsauff. E. B.'s, Diss. Köln 1942. Bernier, François, 1620 bis 1688. Schüler von Gassendi. Er begründet die Einfachheit der Atome durch den absoluten Widerstand, den sie der Trennung entgegensetzen. S c h r i f t e n : Abrégé de la philosophie de Gassendi, 8 vol., Lyon 1678 u. 1684. — Traité du libre et du volontaire, 1685. Bernoulli, Daniel, geb. 1700 in Groningen, gest. 1782 in Basel. 1725 Prof. in Petersburg an der Akademie, 1733 Basel, 1750 ebda. Professor der Physik und Philosophie. S c h r i f t e n : De mensura sortis, 1738. — De vera notione virium vivarum. L i t e r a t u r : Merian, Peter, Der Mathematiker B., Basel 1860. Bernstein, Eduard, geb. 6. J a n . 1850, gest. 18. Dezember 1932 in Berlin; lebte in Zürich und London, seit 1901 in Berlin. Anhänger Kants und Begründer des ,.Revisionismus" in der Sozialdemokratie. Er betont die Eigenrechte des Ethischen und der geistigen Faktoren in der Geschichte, im Gegensatz zu dem „historischen Materialismus" von Marx. S c h r i f t e n : Ferdinand Lassalle, 1891. — Die Voraussetzungen des Sozialismus und die Aufgaben der Sozialdemokratie, Stuttgart 1899. — Wie ist wiss. Sozialismus möglich? Bln. 1901. — Zur Geschichte und Theorie des Sozialismus, Bln. 1901, 4. Aufl. 1904, 3 Bde. — Von 1850—1872, Kindheit u. Jugendjahre, Berlin 1926. — Entwicklungsgang e. Sozialisten, Leipzig 1930.
Berolzheimer — Biberg
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Berolzheimer, Fritz, geb. 3. Jan. 1869 in Bamberg, gest. 1. Okt. 1920 in Berlin. Rechtsphilosoph, von Kohler beeinflußt. S c h r i f t e n : Rechtsphilosophische Studien, München 1903. — System der Rechtsund Wirtschaftsphilosophie, 5 Bde., ebda. 1904—07. — Mitbegründer des Arch. f. Rechtsund Wirtschaftsphilos. Berthelot, Marcelin Pierre Eugène, geb. 25. Okt. 1827 in Paris, gest. 18. März 1907. Französischer Chemiker. Prof. am Collège de France 1865. S c h r i f t e n : Science et philosophie, Paris 1886, 2. Aufl. 1905. — Science et morale, Paris 1899. — Science et libre pensée, Paris 1905. — Pages choisies, Paris 1924. Bertram, Ernst, geb. 23. Juli 1884 in Elberfeld. Dr. phil. Ord. Prof. der Univ. Köln. In seiner Darstellung geistiger „Gestalten" von Stefan George beeinflußt. S c h r i f t e n : Studien zu A. Stifters Novellentechnik, 1907. — Wie deuten wir uns? 1915. — Nietzsche, 1918. — Lichtenberg, Stifter, 1919. — Rheingenius und Génie du Rhin, 1922. — Heinr. v. Kleist, 1925. — Deutsche Gestalten, Leipzig 1934. — V. d. Freiheit d. Wortes, Leipzig 1935. — Vom Künftigen, Berlin 1939. — Michaelsberg, Leipzig 1935. — Von den Möglichkeiten, Berlin 1938. Besant, Annie, geb. 1. Okt. 1847 in London, gest. 19. September 1933 in Adayar (Indien). Theosophische Schriftstellerin. S c h r i f t e n : An autobiography, 1893, 5. Aufl. London 1920. — Reincarnation, dt. 1895. — Das Denkvermögen, dt. 1902. — Theosophy and the new philosophy, 1904. — Karma, dt. 1907. — Einführung in den Yoga, dt. 1914. — The ancient wisdom, 1922, dt. 1924 u. 1933. — Die neue Kultur, 1929. — Was ist Theosophie? 1935. L i t e r a t u r : Aimée Blech, A. B., ein Auszug aus ihrem Leben, Basel 1919. — Eugène Lévy, A. B. u. d, Krisis d. Theosoph. Gesellsch., Berlin 1913. — Karl Rohm, D. Truggestalt d. A. B., Lorch 1916. Bessarion, Basilius, geb. 1403 in Trapezunt, gest. 1472 in Ravenna. 1436 Erzbischof von Nicäa, trat zur lateinischen Kirche über, wurde Kardinal. Der Humanist B. war Schüler des Plethon und Verteidiger des Piatonismus. S c h r i f t e n : Adversus calumniatorem Piatonis, Rom 1469, Venet. 1503, 1516, herausg. v. Möhler, 1927. — Opera omnia, ed. Migne, Patrol. graec. 161, Paris (enthält nicht alle gedruckten Sehr, des B.). L i t e r a t u r : L. Möhler, D, Wiederbelebung des Platostudiums in der Zeit d. Renaissance durch Kardinal B., 3. Vereinsschrift d. Görresges., Köln 1921; Kardinal B. als Theolog, Humanist und Staatsmann, 1942. — Derselbe, B., 2 Bde., 1923/27. Betzendörfer, Walter, geb. 9. Mai 1890 in Bruderhof am Hohentwiel. Dr. phil. Promotion Juli 1918, von 1919—1923 Repetent in Tübingen, mit venia legendi, seitdem Studienrat in Ludwigsburg. S c h r i f t e n : Hölderlin, Neu aufgefundene Jugendarbeiten, gemeinsam mit Prof. Th. L. Haering, 1921, — Hölderlins Studienjahre im Tübinger Stift, 1924. — Die Lehre von der zweifachen Wahrheit, 1924. — Glauben und Wissen bei den großen Denkern des Mittelalters, 1931. Bias von Priene, um 570 v. Chr. Einer der „Sieben Weisen", Als Worte von ihm werden genannt: Der Anfang zeigt den Mann, und; Die meisten sind schlecht, Biberg, Nils Frederik. 1776 bis 1827. S c h r i f t e n : Samlade Skrifter. Utgifne af C. O. Delldén, 1—3, Upsala 1828. L i t e r a t u r : Henningsson, Hugo, Nâgra Frihetsproblem Nos Nils Fredrik Biberg, Lund 1932.
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Bickel — Biel
Bickel, Ernst, geb. 26. November 1876 in Wiesbaden. Promotion Mai 1900 in Bonn, Habilitation in Bonn 1906, a. o. Professor in Greifswald 1906, Kiel 1909, ord. Professor Königsberg 1921, Bonn 1928. Altphilologe.
S c h r i f t e n : Diatribe in Fragmenta Senecae philosophiae, 1915. — Der altrömische Gottesbegriff, 1921. — Der Homerische Seelenglaube, 1925. — Homer — D. griech. Tragödie, Bonn 1942, Kriegsvorträge H. 58/59. — Lehrb. d. Gesch. d. röm. Literatur, Heidelberg 1937. — Themistocles, Bonn 1943, Kriegsvorträge H. 105.
Biedermann, Alois Emanuel, geb. 2. März 1819 in Winterthur, gest. 25. Jan. 1885 in Zürich. 1850 Professor in Zürich. Schweizer Anhänger des Hegelianismus, Professor in Zürich, nahm mit Hegel den Ursprung in allem Seienden als vernünftig an. Gott ist nicht ein persönliches Wesen. Er wird als der innere Grund der Erscheinung der Dinge von unserm logischen Denken erfaßt. In seiner Idee machen Unendlichkeit und Geistigkeit die Grundmomente aus. Diese ergeben als formale und reale Momente zusammen den Begriff des absoluten Geistes. Der Grund der Welt ist ziellos ewig, raumlos ideell, sie selbst in Raum und Zeit materiell. Die religiösen Vorgänge enthalten neben ihrem Vorstellungscharakter noch Willensakte und Gefühlszustände. S c h r i f t e n ; D. freie Theologie od. Philosophie u. Christentum in Streit und Frieden, Tüb. 1845. — Unsere junghegelsche Weltanschauung oder der sogen, neueste Pantheismus, Zürich 1849. — Christ. Dogmatik 1869, 2. Aufl 1881/85, 2 Bde. — Ausgewählte Vortr u. Aufs., hrsg. von Kradolfer, Bln. 1885. L i t e r a t u r : E. v. Hartmann, D. reine Realism. B.s u. Rehmkes, Z. f. Ph. 1886. — Moosherr, A. E. B nach s. allg.-philos. Stellung, 1893. — M. Hennig, A. E. B.s Ps. d. rel Erk., 1903 — Hack, Valentin, Das Wesen der Religion nach A. Ritsehl und A. E. Biedermann, Lpz. 1911, in: Abh, z. Phil., 19. — K . Neck, D. Probl. d. wiss. Grundlegung d, Theologie bei A.E.B., Diss. Zürich 1944. — F, Schneider, A.E.B., W, Schuppe u. J . Rehmke, Diss. Bonn 1939.
Biedermann, Gustav, geb. 1815 zu Böhmisch-Aicha, gest. 18. Aug. 1890 in Bodenbach, praktischer Arzt in Bodenbach. Von Hegel beeinflußt. Der Gegenstand der Philosophie ist die Dreiheit Geist, Natur und Leben. B. vertritt einen panlogistischen Standpunkt.
S c h r i f t e n : D. Wissenschaftslehre, 3 Bde., Lpz. 1856—1860. — D. Wissenschaft d. Geistes, 3. Aufl. Prag 1870. — Philosophie als Begriffswissenschaft, 3 Tie., Prag 1878—1880. — Philosophie d. Gesch., Prag 1884. — Philos. d. Geistes, des Systems d. Philos. 3 Tie. Prag 1886, Prag-Lpz. 1888, Prag 1889. — Religionsphilos., Prag-Lpz. 1887.
Biedermann, Karl, geb. 25. Sept. 1812 in Leipzig, gest 5. März 1901 ebda.
S c h r i f t e n : Die deutsche Philosophie von Kant bis auf unsere Zeit, 1842/43. — Erinnerungen aus der Paulskirche, Lpz. 1849. — Mein Leben und ein Stück Zeitgeschichte, 2 Bde., Breslau 1886—88. — Zeit- und Lebensfragen auf dem Gebiete der Moral, 1899.
Biel, Gabriel, geb. 1430 in Speyer. 1460 Domprediger in Mainz, trat um 1467 in den Orden der Brüder des gemeinsamen Lebens ein, 1477 in Urach am Chorherrenstift dieses Ordens, 1482 Propst in Urach, 1484 Mitglied der theologischen Fakultät der Tübinger Universität, 1492 Propst auf dem Einsiedel im Walde von Schönbuch, gest. 1495 dortselbst. Nach seiner Angabe will er nur die Occamsche Lehre tradieren; seine Wiedergabe wurde viel benutzt und brachte der Logik der „Modernen" neue Anhänger, unter anderen in Martin Luther. Besondere Verdienste erwarb sich B. um unsere Kenntnis der mittelalterlichen Wirtschaftsverhältnisse. Er verfaßte eine Schrift über Geldwesen und Preisbildung; sein Standpunkt gegenüber dem Gewerbe ist kanonistisch. S c h r i f t e n : Epitome et collectorium ex Occamo super quatucr libros sententiarum, s. a. et 1. (1501), Tüb. 1512, Basel 1508.
Bierling — Bilharz
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L i t e r a t u r : Linsemann, F. X., G. B., in: Theologische Quartalsschrift, 1865. — H. Hermelink, D. theol. Fakultät in Tüb. vor d. Reformation 1477—1534 (1906) 80—133; 204—207. — C. Feckes, D. Rechtfertigungslehre d. G. B. u. ihre Stell, innerhalb d. nomin. Schule, Münsterische Beitr. z. Theolog. H. 7, 1925; Ders., Theol. Quartalsschrift 108, Tüb. 1927, 50—76. Bierling, E, R., geb. 1841. Rechtsphilosoph. S c h r i f t e n : Zur Kritik der jurist. Grundbegriffe, 2 Bde., Gotha 1877—83. — Juristische Prinzipienlehre, 4 Bde., Freiburg 1894—1911. Biese, Alfred, geb. 25. F e b r u a r 1856 in Putbus, gest. 7. März 1930 in Bonn. Literarhistoriker. S c h r i f t e n : Die Entwicklung des Naturgefühls bei d. Griechen und Römern, 2 Bde., 1882/84; desgl. im Mittelalter und der Neuzeit, 1888. — Die Philosophie des Metaphorischen, 1893. — Das Assoziationsprinzip und der Anthropomorphismus in der Ästhetik, 1896. Biese, Franz, geb. 11. Mai 1803 zu Friedland (Meckl.), gest. 19. April 1895 in Putbus. Gymnasiallehrer, 1859 Dr. phil. h. c. — Hegelianer. S c h r i f t e n : D. Philosophie d. Aristoteles, 2 Bde , Bln. 1835—1842. — Philos. Propädeutik, Bln. 1845. Bilfinger (Bilffinger), Georg Bernhard, 1693 bis 1750, Anhänger der Leibnizschen und der Wölfischen Philosophie. 1725 Professor der Philosophie in Petersburg, 1731 Professor der Theologie in Tübingen, 1735 Konsistorialpräsident in Stuttgart. B. weicht in verschiedenen Punkten von den Auffassungen Leibniz' und Wolffs ab. Nicht alle Monaden sind vorstellend und zu einem Teil nur sind sie sich bewegend. Die vorstellenden Monaden sind in dem Umfange des von ihnen Vorgestellten begrenzt, so daß sie nicht die ganze Welt spiegeln. Er prägt den Ausdruck „Leibniz-Wölfische Philosophie", den Wolff selbst nicht anerkannte. S c h r i f t e n : Dissertai de harmon. praestab., Tüb. 1721. — Disputatici de triplici rerum cognitione, histor., philos. et mathem., Tüb. 1722. — Commentatio hypothet. de harmon. animi et corporis humani maxime praestabil. ex mente Leibnitii, Frankf. et Lpz. 1723. — Commentation. philos. de origine et permissione mali praecipue moralis, ibid. 1724. — Dilucidationes philosophicae de deo, anima humana, mundo et generalibus rerum affectionibus, Tüb. 1725 (Hauptwerk). L i t e r a t u r : Rieh. Wahl, Prof. B.s Monadologie u. praestab. Harmonie in ihrem Verhältn. zu Leibniz u. Wolff, Ztschr. f. Philos u. philos. Kritik 85 (1884) 66 ff., 202 ff. Bilharz, Alfons, geb. 2. Mai 1836 zu Sigmaringen in Hohenzollern, gest. 23. Mai 1925 in Sigmaringen. Seit 1854 Studium der Medizin in Freiburg, Heidelberg, Würzburg, Berlin, Wien. 1859 nach Ägypten. 1860 Arbeiten im Laboratorium Dubois-Reymonds, dann physikalische Studien bei Kirchhoff in Heidelberg. 1865 nach St. Louis. Von 1878 an Direktor des Landesspitals in Sigmaringen, wo B. fortan als Arzt wirkte. B. nimmt Kant und Schopenhauer zur Grundlage für sein Philosophieren. „Kant hat durch die kritische Wendung alles gewonnen, durch den Mangel einer Seinsgrundlage alles verloren. Seine Philosophie w ä r e vollkommen, wenn ein Seinsbegriff, sie ergänzend, ihr zu Hilfe k ä m e " . Hier führt Schopenhauer weiter. „Kants Mangel eines Seinsbegriffs suchte der salto mortale Schopenhauers von außen nach innen zu ersetzen; aber er stürzte mitten ins gedachte Sein (das Wollen) hinein." B. ist durch philosophische Einkehr ins Innere zur „Teilung der Erkenntnisgleichung in Sein und Denken" gekommen. Im Gang seiner philosophi-
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Billroth — Binct
sehen Entwicklung nähert er sich in Abkehr von Schopenhauer immer mehr Kant an. Bezeichnend für sein Denken ist eine enge Verbundenheit mit der Mathematik, die ihn zu der Forderung führt, jede philosophische Definition in Form einer mathematischen Gleichung zum Ausdruck zu bringen, den philosophischen Gedanken durch geometrische Figuren anschaulich zu machen. Das System B.s geht von einer Gleichung aus. „Erkennen, die allumfassende Aufgabe und der einzige Gegenstand der Philosophie, ist eine Übereinstimmung oder Gleichung zwischen dem, was ist, und dem, als was es gedacht wird, wie wenn der Mathematiker die einfachste Gleichung, wie y — x, hinschriebe." Eine Gleichung besteht immer zwischen Gegensätzen. Sein und Denken stehen also in Gegensatz zueinander. Auch im Sein selbst liegt ein Gegensatz: zwischen dem Subjekt als dem mit dem Denken verbundenen Sein, und dem Objekt, von dem wir nur wissen, daß es ist, das wir aber nie als solches kennen lernen. Alle Erfahrung ist Beziehung des Seins aufs Bewußtsein. „Sein geht vor Denken, und eine zweidimensionale Wissenschaft vom Sein kann nicht aus nachträglichem, erfahrungslosem, also seinsbeziehungslosem Denken hervorgehen"; die Bezeichnung Metaphysik will B. daher ersetzen durch „Protophysik". Aus der Protophysik entsteht als neue Wissenschaft die Protologik (Metalogik), oder Enantiologik, die Wissenschaft einer Lehre vom Gegensatz. Ihr einziger Gegenstand sind Inhalt und Form. Ein „in Erscheinung umgewandeltes Formsein, von außen gesehen, ist die formale Hülle unseres Inhaltseins oder Ichs, unser Leib, der nach den drei Denkkategorien Größe, Raum und Zeit nach drei Richtungen des Weltraums ausgedehnte Körper". „Dieser Körper, von innen gesehen, wird Seele genannt." S c h r i f t e n : Der heliozentrische Standpunkt der Weltbetrachtung, Stuttgart 1879. — Metaphysische Anfangsgründe der mathematischen Wissenschaften, Sigmaringen 1880. — Metaphysik als Lehre vom Vorbewußten, Wiesbaden 1897. — Die Lehre vom Leben, Wiesbaden 1902. — Mit Kant — über Kant hinaus, Wiesbaden 1904. — Neue Denklehre, Wiesbaden 1908. — Descartes, Hume und Kant, Wiesbaden 1910. — Philosophie als Universalwissenschaft, Wiesbaden 1912. — Selbstdarstellung, in: Philosophie der Gegenwart in Selbstdarstellungen, Lpz. 1924, Bd. 5, L i t e r a t u r : Rudolf Metz, Alfons B., Kantstudien 31, 1926, S. 122 ff.
Billroth, Johann Gustav Friedrich, 1808 bis 1836. Professor in Halle. B. ist ein Anhänger Christian Hermann Weißes. S c h r i f t e n : Vorlesungen über Religionsphilosophie, hrsg. von E. Erdmann, Lpz. 1837. — Beiträge zur herrschenden Theologie, 1831.
Binder, Julius, geb. 12. Mai 1870 in Würzburg, gest. 28. Aug. 1939 in Starnberg bei München. Dr. iur. et rer. pol. 1894. Habilitiert in Würzburg 1898. A. o. Professor in Rostock 1900. 0 . Professor in Erlangen 1903, Würzburg 1913, Göttingen 1919. Dr. phil. h. c. Erlangen 1930. Idealistischer Rechtsphilosoph. S c h r i f t e n : Rechtsnorm und Rechtspflicht, 1911. — Rechtsbegriff und Rechtsidee, 1915. — Luthers Staatsauffassung, 1924. — Philosophie des Rechts, 1925. — Die Freiheit als Recht, in: Verh. des I. Hegelkongresses, 1930. — Die sittliche Berechtigung des Krieges und die Idee des ewigen Friedens, 1929. — Staatsraison und Sittlichkeit, 1929. — Einführung in Hegels Rechtsphilosophie, gem. m. Busse u. Larenz, 1931. — Der deutsche Volksstaat, 1934. — Grundlegung z. Rechtsphilosophie, 1935. — System d. Rechtsphilos., 2. vollkommen neu bearb. Aufl. d. «Philos. d. Rechts», Berlin 1937. L i t e r a t u r : Festgabe für Julius Binder, herausg. von Karl Carnet, Berlin 1930.
Binet, Alfred, geb. 11. Juli 1857 in Nizza, gest. 18. Okt. 1911 in Paris, Rechtsstudium in Paris, Direktor des psychol. Laboratoriums der Sorbonne. 1895 Be-
Bion — Blondel
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gründer von l'Année psychologique, 1900 gründete er die Société libre pour l'Etude Psychologique de l'Enfant. Binet wendet die Methode der Tests und der Enquête auf die höheren geistigen Funktionen an, nachdem er ursprünglich im Sinne der Assoziationspsychologie geforscht hatte. S c h r i t t e n : La Psychologie du Raisonnement, Paris 1886. — Le Magnétisme Animal, 1886. — Les Altérations de la Personnalité, Paris 1892. — Introduction à la Psychol. F.xpérim., Paris 1894. — La Vie Psychique des Microorganismes. Contribution à l'étude du système nerveux sous-intestinal des insectes, 1894.'— La Fatigue Intellectuelle, Parts 1898. — La Suggestibilité, Paris 1900. — L'Étude expérim. de l'Intelligence, Paris 1903— L'Ame et le Corps, Paris 1905. — Zahlreiche Art. in der von ihm 1895 gegr. Ztschr. L'Année psychol. L i t e r a t u r : Martin, Robert, A. B., Paris 1924. — Göpfert, Christian, Über B i n e t . . . , Langensalza 1927.
Bion von Borysthenes, lebte in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts v. Chr. Schöpfer der Kynischen Diatriben, populärwissenschaftlicher und literarisch gehaltener Unterweisungen in Philosophie und besonders Morallehre. Er war ursprünglich Sklave und dann Schüler des Akademikers Krates, des Kynismus, des Kyrenaikers Theodoros und endlich des Peripatetikers Theophrastos. Er war mehr Literat als Philosoph und vertrat einen Kynismus, der von der Hedonik beeinflußt und dadurch gemildert war. Horaz las ihn. Blasche, Bernhard Heinrich, geb. 9. April 1766 in Jena, gest. 26. Nov. 1832 in Waltershausen. Schwarzburger Edukationsrat, Anhänger der Philosophie Schellings, die er zu popularisieren suchte. Das Universum ist in seiner Einheit Gott, in seiner sich verändernden Mannigfaltigkeit Welt. Das Übel und das Böse können im ganzen nicht bestehen, existieren darum auch nur für den, der nur das Endliche betrachtet und also in seiner Erkenntnis beschränkt ist. Unsterblichkeit kommt jedem Elemente des Seins zu, das zu ihr irgendwann einmal gelangt. S c h r i f t e n : Über d. Wichtigste, was in d. Naturphilosophie seit 1801 ist geleistet worden, in: „Isis" (Hrsg. L. Oken), H. IX, 1819. — Das Böse im Einklang mit der Weltordnung, Lpz. 1827 — Handbuch d. Erziehungswissenschaft, Gießen 1828. — Philosophie d. Offenbarung, Lpz. 1829. — Die göttl. Eigenschaften, Lpz. 1831. — Philos. Unsterblichkeitslehre, oder: wie offenbart sich das ewige Leben? Erfurt u. Gotha 1831. L i t e r a t u r : H. Probst, J. J. Wagners Philosophie d. Erziehungskunst (1803) u. B. H. Blasches Handb. d. Erziehungswissensch. (1828), zwei pädag. WW. Schellingscher Schule, Progr., Pirna 1913. — Oesterheld, Wilhelm, B. H. B., Langensalza 1909.
Blavatsky, Helene Petrowna, geb. Hahn, geb. 1831 in Jekaterinoslaw, gest. 1891 in London. Theosophische Schriftstellerin. S c h r i f t e n : Die Geheimlehre, 1888 f.; deutsch 1897 f. — Schlüssel zur Theosophie, 1907. — Isis Unveiled, 1876; deutsch: Die entschleierte Isis, 1907 f. — The Key to Theosophy, 1894; deutsch 1907. L i t e r a t u r : Bleibtreu, Carl, H. P. Bl. und die Geheimlehre, Leipzig 1904.
Blondel, Maurice, geb. 2. Nov. 1861 in Dijon. 1896 Professor der Philosophie in Aix. Bl. vertritt eine pragmatische Auffassung des geistigen Lebens und lehrt eine pragmatische Logik, nach der Elemente der Aktivität, des Handelns sich in alle Denktätigkeit hineinmischen. Letztlich ist es die Aufgabe des Menschen, sich zu öffnen für das Hineinragen und Hineinwirken des Übernatürlichen. Dieses ist in Geist und Buchstaben des Katholizismus gegeben. S c h r i f t e n : L'Action, Essai d'une Critique de la Vie et d'une Science de la Pratique, Paris 1893. — Lettres sur les Exigences de la Pensée contemp. en matière d'Apol.,
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Blount .— Blüher
S. Dizier, 1896. — Les Princ. élém. d'une Logique de la Vie morale, Paris 1908. — Hist. et Dogma, La-Chapelle-Montligeon, 1904. — L'Illusion idéaliste, ebda. 1898. — Le Problème de la Phil. catholique, Paris 1932. — La Pensée, 2 Bde., Paris 1934. — L'Être et les êtres, Paris 1935. L i t e r a t u r : P. Archambault, Vers un réalisme intégral. L'œuvre philos, de M. B„ Paris 1928. — T. d'Eypernon, Le Blondélisme, 1933. — Airoldi, Giovanna Federici, Interpretazione del problema dell' essere in M, B., Diss. Freiburg i. Br. 1936. — F. Lefèvre, L'itinéraire philosophique de M. B., Paris 1928.
Blount, Charles, 1654 bis 1683. Anhänger Herberts von Cherbury. S c h r i f t e n : De anima mundi, 1679. — Orakel der Vernunft, 1693.
Blüher, Hans, geb. 17, Februar 1888 in Freiburg (Schlesien). Studium der alten Philologie in Basel. Bläher hat durch seine Schriften auf die geistige Ausgestaltung, die Bewußtwerdung und das Ethos des deutschen Wandervogels und der deutschen Jugendbewegung entscheidend eingewirkt. Die geistigen Mächte, die für sein Philosophieren bestimmend wurden, sind: die Antike, das Erlebnis des herrscherlichen Menschentums, Philosophie als lebendig ergriffene Aufgabe im Sinne antiker Ethik und die von Karl Fischer ins Leben gerufene Wandervogelbewegung, zu deren ersten Gefolgsleuten und späteren Führern Blüher gehörte. Bl. bekennt von sich: „ Als ich Primaner war, stand ich auf einmal mitten im Glanz der Antike, und ich habe ihn mein Leben lang nicht mehr von mir gelassen. Die Unbestechlichkeit dieses Glanzes, der niemals nach nahestehenden Nützlichkeiten geht, sondern der einfach ganz spontan aus dem Kulturgut des Menschen herauswächst, vermag einen seltsamen und tief sich verankernden Reiz über das Leben zu gießen . . . " (Werke und Tage, 26 f.). Unmittelbar aus der gleichzeitig, zuerst ganz romantisch erlebten Einsicht in das Wesen des Herrschertums erwächst einer der Antriebe zur Philosophie: „Damals aber, als es um Karl Fischer ging, und als ich 18 Jahre alt war, da waren meine Beziehungen zu ihm und damit zum Herrschertum durchaus romantischer Art, so wie das Verhalten des Offizierkorps zum Kaiser — (1918) — noch überwiegend reifer gewordene Romantik w a r . . , Meine Aufgabe aber war es, diese Romantik in P h i l o s o p h i e z u v e r w a n d e l n " (a. a. 0-, 15). Auch die akademische Problematik der philosophischen Lehren nimmt Bl. mit seiner ganzen Vitalität auf: bei mir jedenfalls muß ich konstatieren, und es ist auch mein Leben lang so geblieben, daß bestimmte, oft ganz trockene Fragen, z. B. der Erkenntnistheorie, wenn ich sie im Kolleg hörte, unmittelbar auf meine Herzmuskeln sowohl, wie auf den Sympathikus wirkten, so daß es mir nicht möglich war, stille sitzen zu b l e i b e n . . . " (a. a. O. 34). Seine eigenste, lebendige Philosophie entspringt aber aus dem Bemühen um den Menschen, aus den Aufgaben des geistigen Führertums. „»Philosophie! . , . Philosophie! ...« schrie ich auf. Gebt mir Philosophie, und ich gebe euch alles! Ich mußte meinen Freund retten: durch Philosophie! Sie, die königliche Weisheit, sie sollte mir Aufschluß geben, wie es um Gott stand. Denn es konnte ja nicht sein, es durfte ja nicht sein, daß ich und mein Freund in unserem letzten Wesen getrennt waren und uns also mißverstanden . . . ! " (a. a. 0 . 36 f.). Persönlich in einem privaten Sinn ist dieses Philosophieren keineswegs gemeint. Seine Werturteile entspringen aus einer objektiven Schau. „Meine Philosophie ist in ihrem ontologischen Teil pessimistisch, und man muß auf den Gedanken kommen, wie so etwas möglich wurde. Und da ist es nötig zu sagen, daß das n i c h t die Fortsetzung persönlicher Erlebnisse ist, als welche mir in einem so hohen Grade, wie selten einem Menschen, leibhafte Erfüllung aller Träume brachten . . . Man kann . , . bei mir niemals auf den Gedanken kommen, daß mein ontologisches Gesamturteil über den Weltcharakter
Blüher
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von einem persönlichen Bedürfnis, mich an ihm zu rächen, geleitet war, sondern es stammt vielmehr aus einer völlig objektiven, echt philosophischen Einsicht" (a. a. 0 . 93). Pessimistisch ist die Philosophie Blühers im Hinblick auf den letzten Wert der Menschheit im ganzen: „Und man kann wahrlich auf den Gedanken kommen, daß die Natur mit dem Menschen halt eben nur ein Experiment gemacht hat, das ganz offensichtlich mißlungen ist" (Werke und Tage 21). Blühers Philosophie des Menschen ist durch drei Merkmale ausgezeichnet neben ihrem grundsätzlichen Pessimismus; sie entwickelt sich in naturhaften Analogien und sie ist dualistisch und aristokratisch. Zusammenfassend sagt er: „Die Natur hat die Menschengattung einheitlich geschaffen als eine homogene und sich physiologisch ebenmäßig ausbreitende Tierart: aber sie hat die »verkrüppelten Geschlechtsorgane« — (der Arbeiterbienen) — und die »Verurteilung zum Tode durch die Drohnenschlacht« einerseits, sowie auf der anderen Seite die überlegene Körperform der Königin n a c h i n n e n v e r l e g t . Was also bei den Insekten selbstverständlich ist, das wird beim Menschen Problem. Von innen gesehen, sind die Menschen genau so verschieden wie die Arbeiterinnen und die Königin der Bienen von außen: man kann sie gar nicht miteinander verwechseln. Die Philosophie der Menschen ist der Versuch, sich endlich einmal zurechtzufinden, und die ewig ungelöste Frage, was denn eigentlich das G u t e sei, ist der Ausdruck für jene verwischende und irreführende Maßnahme der Natur. Es gibt im Grunde daher nur ein Problem der Menschheit: das der Herrschaft, welches bei den Insektenstaaten gelöst ist; und die Geschichte der Menschheit ist immer nichts weiter, als der Streit darüber, wer herrschen soll. Der Staat ist beim Menschen das eigentliche Verhängnis: eben durch jene Verlegung der Abzeichen von außen nach innen. Die Geschichte muß demnach immer blutig verlaufen, und jeder Friede ist immer nur verschwiegener Krieg" (a. a. 0 . 124). Das ganze Recht und die ganze Pflicht zum Herrschen liegt auf der Seite des von Natur überlegenen Menschen. „Alles, was ich jemals schrieb und tat, war immer eine Bejahung des überlegenen Menschen. Meine gesamte Philosophie geht darauf hinaus. Vielleicht habe ich in meinem Leben überhaupt nur einen Gedanken gehabt, den man immer wieder findet, ob man nun die Geschichte des Wandervogels liest oder die Kritik der Erlösungslehre. Aber es ist viel schwerer, e i n e n Gedanken zu haben, als tausend" (a. a. 0 . 154). Bl. ist davon überzeugt, „daß die Menschen in zwei gänzlich verschiedene Rassen eingeteilt sind, die sich nicht v e r s t e h e n . . . Die Natur ist beim Menschen so bösartig gewesen, diese beiden Rassen körperlich so eng aneinander zu schmieden, daß immer eine aus der anderen entsteht und sich fortwährend miteinander mischt, so daß nur die Weisesten die Kluft verspüren" (a. a. O. 21). Der Wertvorzug liegt aber ganz und allein auf der überlegenen Menschenart. „Und der heldische Mensch, das war ja auch das Einzige, wofür ich mein ganzes Leben lang gekämpft habe und worin ich die einzige Rechtfertigung des menschlichen Daseins überhaupt sehe, mag er einen Inhalt haben (wo man ihn dann einen schöpferischen Menschen nennt), oder mag er keinen haben, wie Prometheus, wo er dann ein großer und reiner Mensch ist. Meine vollkommene Verachtung gegen den Sozialistenunfug meiner Zeit, gegen den Liberalismus, kurz gegen alle Glückseligkeitsphilosophie erklärt sich aus dieser ganz ursprünglichen und primären Eigenart. Als der eigentliche Widerpart der heroischen Menschenart aber galt mir, was ich im späteren Stadium meiner Philosophie den »bürgerlichen Typus« genannt habe" (a. a. 0 . 58). Das Wirken des höheren Menschentypus in seiner Mitwelt kann freilich nicht in die Breite gehen, ohne zu verderben, und der Sinn dieses Men-
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Blüher
sehen ruht ganz in ihm selbst. „Wenn der Menschheit durch irgendwelche überlegenen Geschöpfe unter ihnen irgendeine neue Wahrheit gebracht wird, sie sei noch so primitiv oder noch so erhaben: so wird die überwiegende Mehrzahl immer durch das Herauskehren ihrer niedrigsten und gewöhnlichsten Instinkte darauf reagieren. Sie wird ohne weiteres, alles Bessere und Stärkere und Kühnere auf ihr Niveau herabzuziehen suchen. Dringt aber das Neue (was natürlich immer etwas ganz Uraltes ist) durch und wird zur öffentlichen Gesinnung: so ist die Menschheit nicht etwa »fortgeschritten«, sondern die Wahrheit ist vom ordinären Menschentypus beschlagnahmt worden und hat dadurch allen Wert verloren, es ist daher besser, sie in Zukunft zu bekämpfen. Die eigentlichen Ereignisse der Menschheit spielen sich also immer nur in den obersten Exemplaren ab, und diese sind daher einzig und allein der Sinn der Menschheit" (a. a. O. 120 f.). Konkret entwickelt ist diese Philosophie von Bl. in der Deutung der Erscheinung Jesu und außerdem in politischen und zeitkritischen Schriften. Ihre durchgreifende und durchschlagende Leistung ist die Deutung des Wandervogels. Blüher faßt seine Ansichten zu dieser kulturell und menschlich tiefgreifenden Bewegung in den Thesen zusammen: „erstens: der Wandervogel ist eine revolutionäre Bewegung der Jugend gegen den verbildenden Einfluß der Alterskultur; zweitens: der Wandervogel ist der einzige, heute — (1920) — bekannte Träger und Wiedererwecker des Eros paidikos, mit allen Konsequenzen, die sich an dieses Thema anschließen... — hinzu kam ein dritter Grundgedanke allgemeiner Natur, welcher lautete: die menschliche Geschichte ist ein Kampf zwischen Großen und Gernegroßen; die eigentlich kleinen und miserablen Naturen versuchen dauernd durch Vertrustung ihrer ordinären Qualitäten, durch Zusammenrottung und Pöbelaufstände, welche in der Geschichte die verschiedensten, sehr wissenschaftlichen Namen tragen, die Macht der großen und schöpferischen Erscheinungen zu brechen, indem sie die wesentliche Gleichheit der Tiergattung Mensch behaupten und die Politik des »gleichen Rechts für alle« verkünden. Die entscheidenden Ereignisse der Menschheit spielen sich aber nur durch die obersten und gelungensten Exemplare ab, als welche daher der eigentliche Sinn und das Thema der Menschheit sind, während der Rest, die Masse, völlig belanglos i s t . . , " (a. a. O. 101 f.). Diese Masse freilich ist durchaus zu unterscheiden vom Volk, dessen Sinn Blüher an einer Stelle von Landauer aufging, nach der auch das Schaffen der Großen im Wesen Volk ist; es ist, nach L., „ertötetes Volk, ist lebendiges Volk, das in ihnen sich gesammelt hat, das in ihnen begraben ist und aus ihnen auferstehen wird" (a. a. O. 130). S c h r i f t e n : Wandervogel, Geschichte einer Jugendbewegung, 2 Bde., Berlin 1912. — Die deutsche Wandervogelbewegung als erotisches Phaenomen, Berlin 1912, 6. Aufl. 1922. — Ulrich von Wilamowitz und der deutsche Geist, 1871—1915, Berlin 1916. — Führer und Volk in der Jugendbewegung, 1917. — Der bürgerliche und der geistige Antifeminismus, Berlin 1918. — Gesammelte Aufsätze, Jena 1919. — Zusamm. mit Milla v. Prosch, Mehrehe und Mutterschaft, Jena 1919. — Die Intellektuellen und die Geistigen, 2. Aufl. 1919. — In medias res. Grundbemerkungen zum Menschen, Jena 1919. — Merkworte für den freideutschen Stand, 6.—10. Taus., Hamburg 1919. — Die Rolle der Erotik in der männlichen Gesellschaft, Jena 1919. — Deutsches Reich, Judentum und Sozialismus, München 1919. — Der Geist der Weltrevolution, 1920. — Die Wiedergeburt der platonischen Akademie, Jena 1920. — Werke und Tage, Jena 1920. — Die Nachfolge Piatons, Prien 1920. — Die Aristie des Jesus von Nazareth, Philosophische Grundlegung der Lehre von der Erscheinung Christi, Prien 1921. — Der Charakter der Jugendbewegung, Lauenburg 1921. — Frauenbewegung und Antisemitismus, 1921. — Secessio judaica, Berlin 1922. — Traktat über die Heilkunde, Jena 1926, — Die Elemente der
Bobrik — Bodnâr
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deutschen Position. Offener Brief an den Grafen Keyserling in deutscher und in christlicher Sache, Berlin 1927. — Philosophie auf Posten, Gesammelte Schriften 1916—21, Heidelberg 1928. — Die Erhebung Israels gegen die christlichen Güter, Hbg. 1931. — Der Standort des Christentums in der lebendigen Welt, Hbg. 1932. — Zus. m. Hans Joachim Schoeps, Streit um Israel, Hbg. 1933. — Selbstdarstellung: Werke und Tage, Jena 1920, und in: Die Pädagogik der Gegenwart in Selbstdarstellungen, hrsg. v. Erich Hahn, Bd. II, Leipzig 1927. L i t e r a t u r : Grützmacher, R. H., Kritiker und Neuschöpfer der Religion im 20. Jahrh., u. a. Blüher, Leipzig-Erlangen 1921. — J . Plenge, Anti-B., 1920.
Bobrik, Ed., Anhänger Herbarts. S c h r i f t e n : De ideis innatis sive puris pro principiis habitis, Regiomonti 1829. — Freie Vorträge über Ästhetik, Zürich 1834. — Neues praktisches System der Logik, I, 1: Ursprüngliche Ideenlehre, Zürich 1838. L i t e r a t u r : Ernst Fiebig, B.s Ästhetik, Diss., Bonn 1930. — Erwin Krämer, Ästhetik u. Wissenschaft. E. Grundproblem E. B.s, Diss., Königsberg 1940.
Bodin, Jean (Bodinus), geb. 1530 (1529) in Angers, gest. 1596 (1597) in Laon, französischer Staatsrechtler. Der für den Staat und die Staatsverfassung bestimmende Begriff ist die Souveraineté oder das lus maiestatis. Die Souveränität ist absolut, einheitlich und unübertragbar. Daher darf der Herrschende nicht an irgendein verfassungsrechtliches Gesetz in Ausübung seiner Gewalt gebunden sein. Er ist allein dem natürlichen Gesetz und Gott gegenüber verantwortlich. Autorität und Vernunft sind die Prinzipien des staatlichen Lebens; den Staat selbst bezeichnet B. als die Gemeinschaft der Familien. — B. untersucht die in der Geschichte verwirklichten Staatsverfassungen und kommt zu dem Ergebnis, daß die absolute Monarchie die beste Staatsform darstellt. Neben ihr gibt es als die beiden weiteren konsequenten Formen die absolute Demokratie und die absolute Aristokratie. Die Mischformen lehnt er als Corruptiones rerum publicarum ab. — Religionsphilosophisch vertritt B. im ganzen den Deismus und begründet auf ihm auch die Moral. Die Religion ist in den Vorstellungen der Einheit Gottes, der Sittlichkeit, der Freiheit, der Unsterblichkeit und der Vergeltung in einem Leben nach dem Tode fundiert. Und da dieses Fundament allen Religionen in gleicher Weise eignet, so fordert er gegenüber allen positiven religiösen Bekenntnissen Toleranz. — In der Naturphilosophie lehrt er das Vorhandensein «iner Materia prima, die nach ihm als eine Art von Asche vorgestellt werden kann. Für den Aufbau der materiellen Welt anerkennt er die Korpuskulartheorie. S c h r i f t e n : Methodus ad facilem historiarum cognitionem, Paris 1566. — Six livres de la république, Paris 1577, latein. Paris 1584, deutsch 1592. — Démonomanie, Paris 1581. — Universae naturae theatrum, Lyon 1596, franz. 1597. — Colloquium heptaplomeres de abditis rerum sublimium arcanis, hrsg. von Ludw. Noack, Schwerin 1857. L i t e r a t u r : E. Hancke, B., eine Studie üb. d. Begr. d. Souveränität, Breslau 1896. — E. Fournol, B., Prédécesseur de Montesquieu, 1896. — J. Guttmann, J . B. in seinen Bezieh, z. Judentum, Breslau 1906. — Fickel, Georg, Der Staat bei Bodin, Leipzig 1934. — H. Striesow, B.s Staatslehre, Diss., Hamburg 1936. — Elisabeth Feist, Weltbild u. Staatsidee b. J. B., Halle 1930. — Alfred Schmitz, Staat und Kirche bei J . B., Leipzig 1939. — F. Frist, J. B.s Weltbild und Staatslehre, 1931.
Bodnâr, Sig., 1838 bis 1907. Ungarischer Geschichtsphilosoph, der vor allem das Gesetz des geistigen Fortschritts verficht. Die Ideen des Wahren, Guten, Schönen sind die treibenden Grundkräfte. Ihre Vereinigung schafft den Idealismus, ihre Trennung und Zersetzung den Realismus und die größere Freiheit der Bestandteile. S c h r i f t e n : Das Gesetz unseres geistigen Fortschrittes, 1892. — Erklärung der Ideenkraft, 1894. — Die sittliche Welt, 1896. — Entstehung und Entwicklung des Rechts,
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Boethius — Boethos
1898. — Das Schicksal der Völkerrassen, 1901. — Mikrokosmos, 1898, 2 Bde. — Unsere Ideale, 1902. L i t e r a t u r : Eugen Horvdth, Philosophie der Geschichte, 1907.
BoSthius, Ancius Manlius Torquatus Severinus, römischer Staatsmann und Philosoph, Günstling des Theodorich, der ihn wegen angeblichen Hochverrates 524 oder 526 n. Chr. hinrichten ließ. B. wurde um 480 n. Chr. als Mitglied einer reichen und angesehenen Familie geboren. Nach langjährigen philosophischen und mathematischen Studien wurde er 510 Konsul. In seinen Schriften zeigt er sich neuplatonisch beeinflußt. Seine vorwiegend philologisch-gelehrte Tätigkeit widmete er in größerem Umfang aristotelischen Schriften, die er übersetzte und kommentierte. Neben Aristoteles schätzte er Piaton sehr hoch und glaubte, die Unterschiede in den Lehren beider ausgleichen zu können. Daneben kommentierte und übersetzte er die Eisagoge des Porphyrius und verfaßte einen Kommentar zu Ciceros Topik und eigene Schriften zur Logik, Mathematik und Musik. Während seiner schweren Kerkerhaft entstand die Trostschrift De consolatione philosophiae, die einen eklektischen Piatonismus erkennen läßt. B. identifiziert die Gottheit mit dem Weltschöpfer, Gott ist ihm zugleich das eine und das höchste Gut. Die göttliche Vorsehung rückt er stark in den Vordergrund und zeigt auch darin stoische Beeinflussung, daß er diese Pronoia mit der festen Gesetzlichkeit des Naturlaufes ausgleicht und darum freiwillige Unterordnung unter den göttlichen Plan des Weltgeschehens verlangt. In Zusammenhang hiermit bestreitet er einen erheblichen Wert der äußeren Güter, so daß also deren ungerechte Verteilung kein Argument gegen die Güte Gottes darstellen kann; seine Schrift wird mithin zu einer Theodizee. S c h r i f t e n : Gesamtausg.: Migne, Patrolog. Lat„ Tom. 63, 64, Paris 1847. — De consolatione philosophiae, transl. by John Walton, ed. by Mark Science, Lond. 1927. — Dass., übersetzt von Notker dem Deutschen, Notkers d. D. Werke, 1, 1, in: Altdeutsche Textbibliothek, Nr, 23, Halle 1933. — Dass., lat. u. m. deutscher Übers, v. Eberhardt Gothein, Berlin 1932. — Philosophiae consolationis libri quinque, Leipzig 1934, in: Corpus scriptorum ecclesiasticorum Latinorum, Vol. 67. L i t e r a t u r : H. F. Stewart, Boethius, Edinburgh 1891. — G. Pfeilschifter, Theodorich der Gr., 1896, 169 ff. — Grabmann, Martin, Neuaufgefundene Werke des Siger v. Brabant und Boethius, München 1924. — Bruder, Konrad, Die philosophischen Elemente in den opuscula sacra des Boethius, Leipzig 1928. — Albrecht Becker-Freyseng, D. Vorgeschichte d. philos. Terminus «contingens», Heidelberg 1938. — Hermann Josef Brosch, Der Seinsbegriff bei B., Innsbruck 1931. — Fridericus Klinger, De Boethii consolatione philosophiae, Berlin 1921. — Patch, H. R., The Tradition of B. A Study of his importance in medieval culture, New York 1935. — J. M. Hoek, De Middelnederlandse vertalingen van B. De Consolatione Philos., Acad. Proefschr,, Harderwijk 1943. — V. Schurr, Die Trinitätslehre des B., 1935.
Boethius, Daniel, 1751 bis 1810. Professor in Uppsala. B. führt im Jahre 1789 die Kantische Transzendentalphilosophie in Schweden ein. In seiner Moralphilosophie faßt er die Sittlichkeit als Gotteskraft im Menschen auf und löst auch die Religionsphilosophie von der Kantischen Basis los, nach der der Primat im Praktischen, nicht im Religiösen selbst ruht. S c h r i f t e n : Utkast tili förel. i den naturl. sedel., 1782. — Stycken tili befrämj. af rätta begr. om ph., 1794. — Om moral. grund, 1797. — Förs. tili lärobok uti naturr., 1799. — Anvis. tili sedel. säsom vetenskap, 1807.
Boethos, lebte im 1. vorchristl. Jahrhundert, Schüler des Andronikos von Rhodos. B. will die Philosophie nicht mit der Logik, dem „Organon", sondern mit der Physik beginnen lassen. Er vertritt eine (im Peripatos seltene) Abweichung von der Lehre des Aristoteles, nach der das Allgemeine gegenüber dem Einzel-
Boethos von Sidon — Böhme
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nen nicht von Natur früher ist. Im Zusammenhang hiermit sind die platonischen Ideen lediglich die Gattungsbegriffe, Durch diese Wendung zum Naturalismus wurde B. der Vorläufer des mittelalterlichen Nominalismus. Boethos von Sidon, 2. Jhdt. v. Chr., Schüler des Stoikers Diogenes, näherte sich in seiner Lehre der peripatetischen Philosophie, indem er den stoischen Pantheismus aufgab und die Transzendenz der Gottheit behauptete sowie die Lehre von der Weltverbrennung ablehnte. L i t e r a t u r ; J. v Arnim, Stoic vet. fragm. III, S. 265 ff., Lpz. 1921—24.
Boetius de Dacia, Averroist an der Pariser Universität, Ende des 13. Jahrh.; seine Hauptthesen wurden zusammen mit denen des Siger von Brabant 1270 und 1277 verurteilt. Böhm, Andreas, 1720 bis 1790. Wolffianer. S c h r i f t e n : Logica, 1749. — Metaphysica, 1753.
Boehm, Karl, geb. 29. April 1873 in Mannheim. Dr. phil. nat. Heidelberg 1896, habilitiert 1900. O. Professor Königsberg 1913, Karlsruhe 1917, Mitgl. der Leopoldina und Heidelberger Akademie der Wissenschaften. S c h r i f t e n : Begriffsbildung, 1922.
Böhm, Karl, 1846 bis 1911. Professor in Kolozsvar. B. entwickelt in selbständiger Weise einen kritischen Phänomenalismus in Annäherung an Gedankengänge der positivistischen Erkenntnistheorie und Ontotogie. Die menschliche Erkenntnis bleibt beschränkt auf die Erkenntnis von Erscheinungen und kommt zu Widersprüchen, wenn sie ihren Begriffen eine darüber hinaus geltende Bedeutung zusprechen will. Unbedingte Gültigkeit haben lediglich in der Welt des Sollens, im Gegensatz zur Welt des Erscheinens, die Werte. Die Axiologie, im Unterschied von der Ontologie, kommt zu einem Absoluten, dem Gelten des letzten Wertes, den Böhm im Adel des Geistes erblickt. Selbstwerte sind: das Wahre, Gute und Schöne. Diese zu verwirklichen, ist unsere Pflicht. S c h r i f t e n : Der Mensch und seine Welt. I: Dialektik, 1883. II: Das Leben des Geistes, 1893. III: Axiologie oder Wertlehre, 1906. IV: Lehre vom logischen Wert, 1912. L i t e r a t u r : K Böhms Leben und Wirksamkeit, 1913, 3 Bde.
Böhm-Bawerk, Eugen von, geb. 12. Febr. 1851 in Brünn, gest. 27. Aug. 1914 in Wien. 1881 Professor der Nationalökonomie in Wien. Vertreter der psychologischen Deutung der Preisbildung (Grenznutzenlehre). S c h r i f t e n : Kapital und Kapitalzins, 2 Bde , 1884/89; 4. Aufl. 1921. — Gesammelte Schriften, hrsg. v. Franz Xaver Weiß, Wien 1924/26. L i t e r a t u r : Schumpeter, Josef, Das wissenschaftliche Lebenswerk E. v. B.-B.s, in: Zeitschrift für Volkswirtschaft, Sozialpolitik und Verwaltung, 1914; desgl. in Neue österreichische Biographie, 1815—1918, Bd. II, 1925. — v. Sievers, Die Zinstheorie E. B,B.s, 1924.
Böhme, Jakob, geb. 1575 in Altseidenberg bei Görlitz, ließ sich 1599 in Görlitz nieder. Er erarbeitete sich autodidaktisch ein umfängliches naturphilosophisches Wissen, in welchem alchimistische, astrologische und religiös-mystische Tendenzen vorwiegen. Auf Grund seiner Schriften wurde er zweimal (1613* und 1624) von dem Rat zu Görlitz vorgeladen und wegen seiner phantastischen Spekulationen verwarnt. Das Verfahren war das Ergebnis von Interventionen der lutherischen Orthodoxie unter Führung des Pastor Primarius Richter. Seine Freutide, die er vor allem unter dem schlesischen Landadel hatte, entzogen ihn
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Bohnenblust — Bolingbroke
d e n Anfeindungen und Verfolgungen; durch ein L e i d e n w u r d e e r jedoch gezwungen, n a c h Görlitz z u r ü c k z u k e h r e n u n d s t a r b d o r t 17. Nov. 1624. — B. wollte w e d e r ein philosophisches noch ein theologisches System schaffen. Als G r u n d a u f f a s s u n g seiner Schriften ist eine im ganzen pantheistische Einstellung e r k e n n b a r , welche sich mit einem religiös-ethischen Dualismus k r e u z t . B. entwarf auf der Grundlage der E r k e n n t n i s t h e o r i e u n d der Ethik Valentin W e i g e l s eine v e r w i c k e l t e Kosmologie im Sinne des r e f o r m i e r t e n Christentums, das e r mit d e n mystischen Anschauungen vor allem des Paracelsus verschmolz. Die A u s w i r k u n g der Lehre B.s w a r weitreichend und e r s t r e c k t e sich ü b e r den Pietismus und Schelling bis in die n e u e s t e Zeit der deutschen Spekulation. S c h r i f t e n : J. Böhme, Sein Leben u. s. theos. Werke in geord. Ausz. m. Ginl. u. Erläut. d. J. Ciaassen, 3 Bde., Stuttg. 1885 ff. — Schriften, ausgew. u. hrsg. von Hans Kayser. Mit der Biographie Boehmes von Abraham v. Franckenberg u. d. Kirchen-Auszug Friedrich Christoph Oetingers, Lpz. 1923, Sammig Der Dom. — Worte J B.s und sein Gespräch einer erleuchteten und einer unerleuchteten Seele, herausg. von H Bornhausen, Görlitz 1924. — Morgenröte, Ausw. aus s. sämtl. Sehr. m. Einf. herausg. v. Alfred Wiesenhütter, Bln. 1925. — Seraphinisch. Blumengärtlein. Auslese aus d. mystischreligiösen Schriften. Nach der Amsterdamer Orig.-Ausg. v. 1700, neu hrsg. u. verm. v. A. v d. Linden, Berlin 1918. — Vom übersinnlichen Leben, Lpz. 1921, Avalandruck 6. — Sämtl. Schriften in 11 Bden., herausg. v. August Faust, Stuttgart 1942 f. L i t e r a t u r : W. Eiert, D. voluntarist. Mystik J. B.s, Bln. 1913. — H. Schwarz, D. Gottesgedanke in d. Gesch d. Philos. I, 553—612, Heidelb. 1913. — A. Kielholz, J. B., Ein pathographischer Beitrag zur Psychol. d. Mystik, Lpz. u. Wien 1919. — Hankamer, Paul, J. B., Gestalt u. Gestaltung, 1924. — Leese, Kurt, Von J. B. zu Schelling, Erfurt 1927. — Koyre, Alexander, La philosophie de J. B., Paris 1929 — Alleman, George Nervin, A critique of some philosophical aspects of the mysticism of J. B., Philadelphia 1932. — Buddecke, Werner, Die Handschrift J. B.s, Bln. 1934. — Ders., Verzeichnis von J. B.-Handschriften, Göttingen 1934. — Ders., Die J. B.-Ausgaben. T. I. Die Ausgaben in deutscher Sprache, Göttingen 1937. — K. R. Popp, J . B. und Isaac Newton, 1935. — Ders., Ein J. B.-Roman, Leipzig 1944. — Hans Jürgen Baden, Das religiöse Problem d. Gegenwart bei J. B., Leipzig 1939. — Ernst Benz, D. vollkommene Mensch n. J . B., Stuttgart 1937. — Hans-Georg Jungheinrich, D. Seinsproblem bei J. B., Hamburg 1940. — Wilhelm Struck, Der Einfluß J. B.s auf die englische Literatur des 17. Jhdts., Berlin 1936. Bohnenblust, Gottfried, geb. 14.. Sept. 1883 in Bern. Dr. phil. Bern 1905. Habilitation in Zürich 1918, ord. P r o f e s s o r Genf u n d Lausanne 1920. S c h r i f t e n : Beiträge zum tri-ocrceplfMat, 1905. — Reden und Gedichte philosophischen Gehaltes, 1912 f. — Das Problem der Originalität, 1920. — Demokratie und Kultur, 1929. — Goethe und die Schweiz, 1932. — Das Erbe Goethes, 1932. — Vom Adel des Geistes, Ges. Reden, 1943, Boirac, E., 1851 bis 1917. Rektor der A k a d e m i e zu Dijon. S c h r i f t e n : L'Avenir des sciences psychiques, Paris 1917. — La Psychol. inconnue, Paris 1915, 3. A. 1919. Bolin, Wilhelm, geb. 2. Aug. 1835 zu Helsingfors, gest. 1924. P r o f e s s o r , Gegner Hegels u n d Vertreter der Philosohie von Feuerbach u n d Spinoza. S c h r i f t e n : L. Feuerbach, 1891. — Herausg. v. Feuerbachs Schriften, zus. m. Fr. Jodl, Bolingbroke, H e n r y St. J o h n , Viscount, geb. 1. O k t o b e r 1678, gest. 12. Dez. 1751. Politiker, Deist. Die Schriften B.s wurden, anfänglich günstig aufgenommen, als dem öffentlichen W o h l abträglich verurteilt. B. ist in der E r k e n n t n i s t h e o r i e von Locke beeinflußt und lehrt, d a ß wir vermittels d e r E r f a h r u n g zu einer sicheren E r k e n n t n i s G o t t e s gelangen können, und d a ß die G e s a m t h e i t d e s S e i e n d e n zu seiner Existenz eine h ö c h s t e Intelligenz e r f o r d e r t . F r e i d e n k e r d ü r f e n
Bolland — Bölsche
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nur die Angehörigen der besseren Stände sein. Für die unteren Klassen ist das Festhalten an der überkommenen Religion notwendig. S c h r i f t e n : B.s gesammelte WW,, hrsg. v. D. Mallet, 5 Bde., London 1754, Neuausg. 1778, 1809, Philadelphia 1849. — Letters on the study and use of history, London 1738, 1752; deutsch v. Vetterlein, 1794. L i t e r a t u r : A. Hassall, Life of Visc. B., London 1888, neue Ausgabe 1915. — Walter Sichel, B. and his times, London 1902.
Bolland, Gerardus Johannes Petrus Josephus, geb. 9. Juni 1854 in Groningen, gest. 11. Febr. 1922 in Leiden. Volksschullehrer. 1882 Lehrer des Englischen am Gymnasium in Batavia. Nach Studium Kants, Schopenhauers und E. von Hartmanns von 1896 an Prof. für Philosophie in Leiden; Antrittsrede über „Veränderung der Zeit". B. setzte sich anfänglich für E. von Hartmanns Lehre vom Unbewußten ein, kam aber von ihm ab nach Vertiefung in Hegel (nach 1897). In seinen eigenen Werken, in Ausgaben von Hegels Schriften und in Lehr- und Vortragstätigkeit wirkte er fortan für die Hegeische Philosophie. Alle Einwände gegen den „absoluten Idealismus" rühren nach B.s Ansicht her von dem Übersehen der Wahrheit, daß das Ich in der Wirklichkeit und die Wirklichkeit im Ich denkt. Das Absolute darf nicht außerhalb des Relativen gesucht werden. Es offenbart sich in aller Relativität. Das wahre Unendliche kommt in aller Endlichkeit zu sich selbst. Wahrheit ist nur im Begriff. B. schildert alle Verwicklungen, in die der Verstand bei seinem Nachdenken über das Geschehen verfällt. Er fordert Glauben an unentbehrliche Postulate des Denkens. S c h r i f t e n : Spinoza, Rede, 1899. — Alte Vernunft und neuer Verstand oder der Unterschied im Prinzip zwischen Hegel und E. v. Hartmann. Ein Versuch zur Anregung neuer Hegelstudien, Leiden 1902. — Collegium Logicum, Leiden 1904. — Zuivere Rede ( = Reine Vernunft), 1905; 2. Aufl. 1909. — Denken en Werkelijkheid, Amsterdam 1905. — Schelling, Hegel, Fechner en de nieuwere theosophie, Leiden 1910. — Herausgeber: Schriften Hegels und seiner Schüler in Übersetzungen und mit Anmerkungen. — G. A. Gablers Kritik des Bewußtseins. — J. E. Erdmanns Grundriß der Logik und Metaphysik.
Bollnow, Otto Friedrich, geb. 14. März 1903 in Stettin. Privatdozent Göttingen 1931. S c h r i f t e n : Die Lebensphilosophie F. H. Jacobis, 1933. — D. neue Bild d. Menschen u d. pädagog. Aufgabe, Frankfurt 1934, als: Deutsche Schriften z. Wissenschaft, 3.— Dilthey, Leipzig 1936. — D. Wesen der Stimmungen, Frankfurt 1941, 2. Aufl. 1943. — Herausg.: W. Dilthey, Ges. Sehr., Bd. 9, 1934.
Bölsche, Wilhelm, geb. 2. Januar 1861 in Köln, gest. 30. August 1939. Bölsche vertritt als Anhänger Ernst Haeckels die Anschauungen der neueren Naturwissenschaft in monistischer Deutung und hat durch seine künstlerische Darstellung das Leben der Natur anschaulich zu machen gewußt. Er bietet auch innerhalb der durch die wissenschaftliche Selbstkritik gebotenen Grenzen ein kosmisches Gesamtbild, in dein er ein einheitliches Lebensganzes der Welt von den Baugesetzen des Sternhimmels (Spiralform der Urnebel) bis hinein in die Bereiche der menschlichen Gestaltungswelt (Spiralform der ältesten Schmuckstücke) andeutet. B. ist Vorkämpfer der Abstammungslehre. S c h r i f t e n : Die Mittagsgöttin, 3 Bde., Jena 1891, 12. Aufl. 1921. — Entwicklungsgeschichte der Natur, 1893 f. — Das Liebesleben in der Natur, 3 Bde., Jena 1898 f. — Abstammung des Menschen, 1904, 125. Aufl. 1931. — Naturgeheimnis, 1905, 2. Aufl. 1906. — Hinter der Weltstadt, Friedrichshagener Gedanken zur ästhetischen Kultur, Jena 1901. — Von Sonnen und Sonnenstäubchen, Bln. 1902; Volksausg. 1904. — Aus der Schneegrube, Dresd, 1904; Volksausg. 1908. — Weltblick, Gedanken zur Natur und Kunst, Philosophen-Lexikon
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Boltzmann — Bolzano
Dresd. 1904. — Schöpfungsgeschichte des Lebens, Stuttg. 1907. — Auf dem Menschenstern, Gedanken zur Kultur und Kunst, Dresd. 1909. — Stunden im All, 1919; 13 bis 15. Aufl 1920. — Ausgewählte Werke, 6 Bde., Leipzig 1930. — Naturphilos. Hauptschr., 6 Bde., 1931. — Was muß d. deutsche Mensch v. Naturwiss. u. Religion fordern? Berlin 1934. L i t e r a t u r : D. kulturelle Stellung W B.s im heutigen Weltbild, Diss., Berlin 1943.
Boltzmann, Ludwig, geb. 20. Febr. 1844 in Wien, gest. 6. Sept. 1906 in Duino bei Görz. Professor der Physik in Wien. Nur die mathematisch formulierten Sätze der Physik besitzen Erkenntniswert, die mechanischen Vorstellungen sind lediglich Bilder. S c h r i f t e n : Populäre Schriften, Lpz. 1905; neueste Aufl. 1925. — Wissensch. Abhandl., 1909. — Vorlesungen über Gastheorie, 3. A. 1923.
Bolzano, Bernhard, geb. 5. Oktober 1781 in Prag, gest. 18. Dezember 1848 ebda. B war der Sohn eines Kaufmanns in Prag. Er studierte seit 1796 Philosophie als Vorbereitung auf das Studium der katholischen Theologie, widmete sich jedoch nach Abschluß der propädeutischen drei Jahre noch zwei weitere Jahre der Philosophie und Mathematik. Im Jahre 1805 wurde er als Priester geweiht; auf eine Bewerbung hin wurde ihm das Lehrfach der philosophischen Religionslehre an der Universität Prag übertragen, das er wenige Tage nach dem Empfang der Weihen übernahm. Bald wurde er der Heterodoxie und der Demagogie beschuldigt. Manche Umstände schienen die Verdachtsgründe zu stützen, so daß er im Jahre 1819 entlassen wurde; eine kleine Pension wurde ihm zugesprochen. Auch Schriften durfte er nicht mehr veröffentlichen; ihr Druck wurde verboten, und sie wurden infolgedessen zumeist von seinen Freunden im Ausland herausgegeben; viele der Werke erschienen ohne seinen Namen. Seit der Suspendierung lebte B. bis zu seinem Tode vollkommen zurückgezogen auf einem Landgut und widmete sich seiner wissenschaftlichen Arbeit. Die Wissenschaftslehre B.s wird von den drei Grundbegriffen „Satz an sich", „Vorstellung an sich" und „Wahrheit an sich" begründet und getragen. — Der „Satz an sich" ist „dasjenige . . . , was man unter einem Satz denkt, wenn man noch fragen kann, ob ihn auch jemand ausgesprochen oder nicht ausgesprochen, gedacht oder nicht gedacht habe"; er ist also nicht mit dem Urteilen oder Vorstellen identisch. „ . . . der Satz an sich, der den Inhalt des Gedankens oder Urteiles ausmacht, ist nichts Existierendes, dergestalt, daß es ebenso ungereimt wäre, zu sagen, ein Satz habe ewiges Dasein, als er sei in einem gewissen Augenblick entstanden und habe in einem andern wieder aufgehört" (Wissensch.Lehre I, 78). Die Sätze an sich sind „der S t o f f . . . , den ein denkendes Wesen in seinen Gedanken und Urteilen auffaßt" (I, 77). — „Vorstellung an sich" oder „Objektive Vorstellung" ist „alles dasjenige, was als Bestandteil in einem Satze vorkommen kann, für sich allein aber noch keinen Satz ausmacht. So wird z. B. durch die Verbindung folgender Worte: Caius hat Klugheit, ein ganzer Satz ausgedrückt; durch das Wort Caius allein aber wird etwas ausgedrückt, das, wie man eben sieht, einen Bestandteil in Sätzen abgeben kann" (I, 216). Auch „diese objektive Vorstellung bedarf keines Subjektes, von dem sie vorgestellt werde, sondern besteht — zwar nicht als etwas Seiendes, aber doch als ein gewisses Etwas, auch wenn kein einziges denkendes Wesen sie auffassen sollte, und sie wird dadurch, daß ein, zwei, drei oder mehr Wesen sie denken, nicht vervielfacht" (I, 217). Vorstellungen an sich sind weder wahr noch falsch; sie sind meistens aus Teilen zusammengesetzt. Den Unterschied zwischen konkreten und abstrakten Vorstellungen bestimmt B. in folgender Weise: ich nenne „z. B. die
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Vorstellung Tier, d. h. die Vorstellung eines Etwas, das die Beschaffenheit einer Tierheit hat, eine konkrete Vorstellung; die bloße Beschaffenheits-Vorstellung Tierheit selbst aber nenne ich das Abstraktum von jenem K o n k r e t o " (ibd. I, 260). Haben Vorstellungen ein einzelnes Objekt zum Gegenstand, so nennt B. sie Einzelvorstellungen oder Anschauungen; ist Anschauung auch nicht als ein Bestandteil in einer Vorstellung enthalten, so haben wir einen Begriff. Solche anschauungsfreien Begriffe sind auch Raum und Zeit. — „Wahrheiten an sich" sind „Wahrheiten, abgesehen davon, ob sie von jemand erkannt oder nicht erkannt werden" (a. a. O l, 81); B. nennt sie auch „Objektive Wahrheiten". Als Wahrheiten an sich oder objektive Wahrheiten bezeichnet B. „jeden beliebigen Satz, der etwas so, wie es ist, aussagt, wobei ich unbestimmt lasse, ob dieser Satz von irgend jemand wirklich gedacht oder ausgesprochen sei oder nicht" (a. a. 0 . 1 , 111). Die Wahrheit an sich wird nicht durch das Denken gesetzt, sie hat kein Dasein in der Zeit, und Gott erkennt sie, weil sie ist. Die logische Wahrheit ist die „gedachte oder erkannte W a h r h e i t " (ibd. I, 143). Mit dem Argument, daß die B e hauptung, jeder Satz sei falsch, auch ihre eigene Falschheit nach sich ziehe, beweist B., daß es mindestens eine Wahrheit geben müsse; es gibt aber nicht nur eine, sondern unendlich viele Wahrheiten (vgl. a. a. 0 . 1 , 146 f.). Analytische und synthetische Sätze oder Wahrheiten unterscheidet B in der Weise, daß ein Satz (Wahrheit) dann analytisch ist, wenn mindestens eine in ihm enthaltene Vorstellung gegen eine andere ausgetauscht werden kann, ohne daß die Wahrheit oder Falschheit des Satzes dadurch gestört wird, vorausgesetzt, daß die neugewonnenen Sätze Gegenständlichkeit besitzen (a. a. 0 . II, 83). Als ein Beispiel führt B. an: „Ein Mensch, der sittlich böse ist, verdient keine Achtung"; denn die Vorstellung Mensch kann mit jeder beliebigen anderen, wie Engel usw., vertauscht werden, an der Wahrheit des Satzes ändert sich dadurch nichts. Synthetischer Natur ist der S a t z : „Gott ist allwissend." Der Unterscheidung liegt somit nach der Bezeichnung B.s die Methode der Variation der Vorstellungen zugrunde. Alle Wahrheiten der reinen Mathematik sind reine Begriffswahrheiten. Die Mathematik bedarf zu ihrer Möglichkeit nicht der Anschauung: „Wenn der G e o meter seinen Beweis damit anfängt, daß er ein Dreieck, sei es nur in der Einbildung oder auf dem Papier, verzeichnet, so glaube ich, dies sei nur bei der bisherigen Unvollkommenheit seiner Wissenschaft nötig; es lasse sich eine Beweisart denken, bei der man jenes in der Einbildung vorschwebenden Dreiecks gar nicht oder auf jeden Fall doch nur zur Erleichterung und ungefähr so bedarf, wie wir bei einem Sorites uns die Sätze niederschreiben, um immer zu wissen, wovon wir ausgegangen und wie weit wir bereits fortgerückt sind" (a. a. 0 . III, 187). Die Mathematik ist nicht bloße Größenlehre, sondern kann beliebige Gegenstände behandeln. In seiner Erkenntnislehre, dem dritten Teil der Wissenschaftslehre, behandelt B. vorwiegend Fragen einer Psychologie des Denkens. Die psychischen Erscheinungen teilt er in fünf Gruppen ein: 1. die subjektiven Vorstellungen, „die Erscheinungen in unserem Gemüte, deren besondere Arten wir mit den B e nennungen: Sehen, Hören, Fühlen, Sicheinbilden, Denken u. dgl. bezeichnen, sofern es nur keine Urteile oder Behauptungen sind" (a. a. O. I, 217). 2. Das Urteilen. 3. Annehmlichkeit oder Unannehmlichkeit, die bei den meisten Vorstellungen auftreten. 4. Das Begehren. 5, Das Wollen. — Das Vorstellen und das Urteilen sind streng voneinander abgehoben: das Urteilen „ist eine Handlung unseres Geistes, welche auf ein vorhergegangenes bloßes Betrachten von Vorstellungen folgt und davon abhängig ist." Im psychischen Urteilsakt wird als sein 9»
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Sinn der Satz an sich behauptet und anerkannt. Es gibt also zu jedem Urteil einen Satz an sich, der durch das Urteil in dem Gemüte oder in dem Geiste eines denkenden, urteilenden Wesens zur Erscheinung gelangt (vgl. a. a. O. III, 17). Daher hängt auch das Urteil, ob wir es fällen oder nicht, „nie und nirgends von unserem Willen allein und unmittelbar ab", das Urteil „erfolgt vielmehr nach einem gewissen Gesetze der Notwendigkeit bloß nach Beschaffenheit der sämtlichen in unserer Seele soeben gegenwärtigen Vorstellungen" (a. a. O. III, 110). Von welcher Beschaffenheit aber die Einwirkungen der Vorstellungen aufeinander sind, durch welche die im Urteil sich darstellende Verbindung zustande kommt, darüber kann nichts Näheres ausgesagt werden: . . vielleicht, daß es (das Einwirken) . . . keiner anderen Bestimmung fähig ist, als eben nur der durch den Begriff der Wirkung, die es hervorbringen soll" (a. a. 0 . III, 110). Eine Metaphysik aus reinen Begriffen ist möglich. Metaphysische Sätze sind beispielsweise, daß ein Gott ist, daß derselbe unveränderlich, allwissend, allmächtig, heilig ist, daß alle Substanzen der Welt in steter Wechselwirkung stehen, daß keine einfache Substanz in der Zeit vergeht, daß Vorstellungen nur in einfachen Substanzen vorhanden sein können (a. a. 0 . III, 248). Erkenntnisgrenzen gibt es überhaupt nicht. B. vermutet, „daß wir nur eben darum außerstande sind, eine solche Grenze zu nennen, weil in der Tat keine vorhanden sind, indem die Summe des menschlichen Wissens eine Vermehrung in das Unendliche verstattet" (a. a. O. III, 238). Im Anschluß an die Leibnizschen Theorien lehrt B., daß alles Seiende für sich als Substanz oder an einer Substanz als Beschaffenheit adhärierend ist. Substanz ist auch unser Ich, die einzelnen psychischen Vorgänge sind Akzidentien an diesem substantiellen Ich. Alle einfachen Substanzen haben einen bestimmten Grad der Vorstellungskraft, so daß das gesamte Seiende von der sogenannten leblosen Materie über Pflanze und Tier bis zum Menschen sich nur dem Grade nach unterscheidet (vgl. a. a. 0 . III, 247). Die Substanzen sind anfang- und endlos. Zwischen Körper und Seele besteht Wechselwirkung. Das Ich ist, weil es substantieller Natur ist, unsterblich. S c h r i f t e n : Athanasia oder Gründe f. d. Unsterblichk. d. Seele, Sulzbach 1827, 2. verb. Aufl. mit einer krit. Übers, d. Literatur üb. d. Unsterbl. seit 1827, ebda. 1838. — Wissenschaftslehre, 4 Bde., Sulzbach 1837. Neudruck von Bd. I u, II bes. v. A. Höfler, Lpz. 1914 u. 1915. Neudruck, 4 Bde., Lpz. 1929—1931. — Üb. d. Begr. d. Schönen, Prag 1843. — Was ist Philosophie? Wien 1849. — Zur Mathematik: Betrachtungen üb. einige Gegenstände der Elementar-Geometrie, Prag 1804. — Beiträge z. einer begründeteren Darstellung d. Mathematik, Prag 1810 — Paradoxien d. Unendlichen, hrsg. v. F. Prihonsky, Lpz. 1851; neu hrsg. von Höfler, m. Anm. von H. Hahn, Lpz. 1920. — Lehrb. d. Religionswissenschaft, 4 Bde., Sulzbach 1834. — Ansichten eines freisinnig. Theolog. üb. d. Verhältnis zw. Kirche u. Staat, Sulzbach 1834. — Religionsbekenntnisse zweier Vernunftfreunde, eines protest. u. kathol. Theolog. (Röhr und Bolzano), mit Vorrede u. Beurteilg. v. Herausg. (Fesl), Sulzbach 1835. — Kurzgef. Lehrb. d. kath. christl. Religion als d. wahr, göttl, Offenbarung, Bautzen 1849. — Lebensbeschreibg. des Dr. B. B. mit einigen seiner ungedr. Aufsätze, eingel. u. erl. v, d. Hrsg. (Fesl), Sulzbach 1836, 2. Aufl., Wien 1875. — Paradoxien in d. Politik, a. d. Nachlaß hrsg. von W. Stähler, 1933. L i t e r a t u r : Bibliographie bei Hugo Bergmann, D. philos. Werk B. B.s, Halle 1909, 212 ff. — E. Enyvväri, B.-Bibliographie, Budap. 1912. — Melch. Palägy, Kant u. B„ Halle 1905. — Bolzano-Heft d. „Deutschan Arbeit", Bd. VII, 2 (1908), m. Beitr. v. Schindler, Utitz u. Bergmann. — H. Bergmann, D. philos. Werk B. B.s, Halle 1909. — G. Gotthardt, B.s Lehre vom „Satz an sich" in ihrer methodol. Bedeutg., Bln. 1909. — Fr. St. Schindler, B. B., sein Leb. u. Wirk., Prag 1912. — J. Gotthardt, D. Wahrheitsproblem u. d. philos. Lebenswerk B. B.s, Trier 1918. — Fred Pfeiffer, B.s Logik u. d, Transzendenzproblem, Langensalza 1922 (Zürich, Diss.). — A, Kowalewski, B. als Kronzeuge im Streit um d.
Bon — Bonatelli
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Bon, Fred, geb. 15. Februar 1871. Dr. phil. Leipzig 1896. S c h r i f t e n : Grundzüge der wissenschaftlichen und technischen Ethik, 1896. — Über das Sollen und das Gute, 1898. — Die Dogmen der Erkenntnistheorie, 1902. — Ist es wahr, daß 2 X 2 = 4 ist? Von den Begriffen, den Urteilen und der Wahrheit, 1913.
Bonald, Louis Vicomte de, geb. 2. Okt. 1754 in Mouna (Guienne), gest. 23. Nov. 1840 ebda. 1791 bis 1797 emigriert. Abgeordneter und Pair von Frankreich. Bonald vertritt eine theologisch begründete Theorie der Gesellschaft und des Staates, die beim Menschen Denken und Sprache, in der Gesellschaft die Rechte des Menschen wie die Souveränität auf Gott zurückführt. Die Formel: Ursache, Mittel, Wirkung, bestimmt den Aufbau seiner Philosophie. Sie wird auf Kosmologie, Staatslehre usw. derart angewandt, daß etwa in der Staatslehre Regierung als Ursache, Beamte als Mittel, Untergebene als Wirkung gedeutet werden. Gemäß dieser Formel wird in der Theologie die Notwendigkeit eines Mittlers erwiesen: Gott verhält sich zum Gottmenschen, wie der Gottmensch zum Menschen. S c h r i f t e n : Théorie du pouvoir politique et religieux dans la société civilisée, 3 Bde., Konstanz 1796, 4. Aufl. 1860. — Législation primitive, 2 Bde., 1802, 5. Aufl. 1857. — Essai analytique sur les lois naturelles de l'ordre social, Paris 1800. — Oeuvres complètes, 12 Bde., Paris 1817/30, 3. Aufl. in 7 Bdn., Paris 1857/75. — Oeuvres, hrsg. v. J . P. Migne, 3 Bde., Paris 1859. L i t e r a t u r : Buschbell, G., Der Traditionalismus B.s, in: Philos. Jahrb., 1899. — Moulinié, H., De Bonald, Paris 1915. — Manduit, R., Les conceptions politiques et sociales de B., Paris 1913. — Alfons Adams, D. Philos, de B.s, Diss., Münster 1923. — Heinz Wilhelm Reinerz, B. als Politiker, Philosoph u. Mensch, Leipzig 1940. — Krauss, Werner, H. de B. und die Theorie der Restauration; in: Dte. Vierteljahrsschr. f. Lit. wiss. u. Geistesgesch., Bd. XV (1937) S. 269—294.
Bonatelli, Francesco, geb. 1830, gest. 13. Mai 1911 in Padua. Professor an den Universitäten Bologna und Padua. Bonatelli bemüht sich im Anschluß an die Philosophie von Kant, Lotze, Trendelenburg, Herbart das katholische Dogma mit den Ergebnissen der Philosophie in Einklang zu bringen. Er unterscheidet zwischen physischen und psychischen Tatsachen derart, daß physische Tatsachen sich zwischen den Dingen begeben, nicht in den Dingen, und daher für andere und durch andere sind, während die psychischen Tatsachen innerhalb der Subjekte geschehen und daher für und durch diese sind. Da die Seele der Vernunft teilhaftig ist, tritt sie in das Reich des Absoluten ein und ist unsterblich. Das absolut Erste bietet sich unter den Ausdrücken: Ich, Idee, Wirklichkeit dar. Diese sind gegeneinander antinomisch. Die Antinomien lösen sich, wenn man die drei Ausdrücke als verschiedene, zugleich notwendige Seiten des Absoluten ansieht. S c h r i f t e n : Dell'esperimento in psicologia, 1858. — Attinenze della logica colla psicologia, 1861. — Pensiero e conoscenza, Boi. 1864. — L'io e l'egoismo, l'unità nel pen-
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Bonaventura
siero, 1886. — Intorno alla libertà del volere, in: Atti Istit. Veneto, V, VI. — La conoscienza e il meccanismo interiore, Padova 1872. — La filosofia dell'inconscio esposta ed esaminata, Roma 1876. — La filosofia e la sua storia, 1877. — Psicologia e logica dei licei, Padova 1897 f. — Il concetto della vita, Udine 1904. — Intorno alle attinenze fra l'ideale e il reale, in: Riv. fil., 1906. — L'essere e il conoscere, in: Cultura filos., Fir 1908.
L i t e r a t u r : Bern. Varisco, Fr. Bonatelli, 1912. Bonaventura (Johannes Fidanza, von Franz von Assisi Bonaventura genannt), geb. 1221 in Bagnorea bei Viterbo, starb 15. Juli 1274 in Lyon. Doctor Seraphicus. Franziskaner. 1244 Eintritt in den Orden, 1253/54 Magister, 1257 Ordensgeneral, 1273 Bischof von Albano und Kardinal. B- war Schüler des Alexander von Haies und mit Thomas von Aquino eng befreundet. Die Hauptwerke B.s sind die Commentarii in quatuor libros sententiarum Petri Lombardi und das Itinerarium mentis in deum, eine Schrift mystischen Inhalts. Die stark ausgeprägten mystischen Neigungen B.s und die Tradition seines Ordens weisen ihn auf Augustin und den Neuplatonismus. J e d o c h anerkennt er auch die Autorität des Aristoteles und stellt ihn neben Augustin, obschon er in den strittigen Fragen gegen ihn und mit Augustin entscheidet. Die Universalien sind im göttlichen Geiste und entsprechen im übrigen den platonischen Ideen. Metaphysisch folgt B. der Lichttheorie, wie sie vor allem von Robert Grosseteste gelehrt wurde. E r verbindet sie mit der Lehre von der Mehrheit der Formen, die substantielle Selbständigkeit genießen. Das Licht ist die Forma communis der Materie, welche durch die elementischen oder Mischungsformen ergänzt wird. In der Psychologie lehrt B. mit Alexander von Haies die Zusammengesetztheit der geistigen Substanzen, also der Engel und der Seelen, aus Materie und Form. Die Seele steht darum in ihrer engen Beziehung zum Leibe, weil beide zueinander streben: die Seele will den Leib zur Vollendung führen, der Körper verlangt zugleich nach der Seele. Der Körper besitzt diese Selbständigkeit, entsprechend der Lehre von der Mehrheit der substantialen Formen. Mit Aristoteles unterscheidet B. als Vermögen der Seele den Intellectus possibilis und den Intellectus agens, die beide unmittelbar der Seele angehören und nur zwei Verschiedenheiten im Verstände darstellen. Denn Gott hat dem Intellekt beide Fähigkeiten mitgegeben und bewirkt im übrigen nichts an Erkenntnis selbst. Die beiden eigenartigen Kräfte des Intellekts arbeiten gemeinsam an der Abstraktion, welche als Diiudicatio an der Wahrnehmung vorgenommen wird. Die Wahrnehmung kam vorher in der Weise zustande, daß ein Abbild des Gegenstandes durch das Medium, sodann durch das Empfindungsorgan, ferner durch das innere Organ zu der auffassenden, apprehendierenden Kraft gelangt. In ihr wird das Bild des Gegenstandes erzeugt, und die apprehendierende Potenz wendet sich der Spezies zu, der der Gegenstand angehört. An dieser Wahrnehmung arbeitet sodann der Intellectus agens, um die reine Spezies zu gewinnen. Der Intellectus possibilis übernimmt diese durch Abstraktion gewonnene Spezies in die intellektive Potenz. Diese die höhere Erkenntnis vermittelnde Kraft hat zu ihrer Aufgabe, die Begriffe, die Urteile und die Schlüsse als Formen der von ihr bewirkten Erkenntnis zu bilden und anzuwenden. W i e schon die untere Stufe des Erkennens die Apriorität der Prinzipien fordert, so ist auch diese höhere Erkenntnis nur möglich durch unmittelbaren Anschluß an die ewige Wahrheit, die Gott selber ist. Der Grad der dabei erreichten Gewißheit und Klarheit ist, da es sich um menschliche Vernunft handelt, nicht der absolut höchste und ist abhängig von dem Orte des Erkennenden auf dem W e g e zu Gott. Neben dieser exklusiven theologischen Apriorität betont B. die Notwendigkeit der empi-
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rischen Berührung mit den Dingen, da nur auf diesem empirischen Wege durch die Abstraktion des unteren rationalen Vermögens die Spezies der Dinge erkannt und weiter verarbeitet werden können; B. verbindet die apriorische Geltung der Erkenntnis mit ihrem aposteriorischen Ursprung. Da die Welt als der Spiegel Gottes zu betrachten ist, und da ferner die endliche Wahrheit nur durch ihre Teilhabe an der ewigen Wahrheit Geltung und Bestand hat, so ist aus erkenntnistheoretischen und ethischen Gründen, die innerlichst miteinander verbunden sind, für die Erkenntnis der Wahrheit die zugleich oberste logische und oberste moralische Bedingung ein dem Gottesdienste geweihtes Leben. Die Existenz Gottes steht durch die Tatsache der Möglichkeit überhaupt einer Betrachtung der Welt fest, in welcher B. die Wirksamkeit der eingeborenen Gottesidee erblicken zu können glaubt. Für den unmittelbaren rationalen Beweis der Existenz Gottes übernimmt B. das ontologische Argument des Anselm von Canterbury. Da alles Leben ein Leben in Gott und da alle Erkenntnis die Erkenntnis Gottes sein soll, so ist die Vereinigung mit Gott folgerichtig das oberste Ziel der lebendigen Aktionen. Nach B. führen sechs Stufen bis zu jenem höchsten Zustand der Seele empor, und jede Stufe wird durch die ihr zugeordnete Seelenkraft bezeichnet. B. unterscheidet den Sinn (Sensus), die Einbildungskraft (Imaginatio), die Vernunft (Ratio), den Verstand (Intellectus), die Intelligenz (Intelligentia) und als Gipfel die Synderesis. Nach der Art und Intensität, mit der die Wahrheit erfaßt wird, unterscheidet B. mit Hugo von St. Victor die Cogitatio, die Meditatio und die Contemplatio. Er läßt den drei Stufen wie die Victoriner eine Dreiheit des Auges entsprechen, indem er das körperliche Auge von dem der Vernunft und dieses wieder von dem der Contemplation trennt. Die höchste Höhe der Erkenntnis wird in der Ekstase erreicht, welche den Geist in den Zustand der Ignorantia docta bringt. Sie schließt die Erfassung der ewigen, göttlichen Wahrheit ein. Ohne liebende Verbindung mit Gott ist es unmöglich, diesen Zustand zu erreichen. Er läßt sich nicht mit rationalen Mitteln bei Herzenskälte erzwingen. S c h r i f t e n : Gesamtausg.: Opp. omnia edita studio et cura PP. collegii a S. Bonaventura, Ad Claras Aquas prope Florentiam 1882—1902, 10 Bde.; deutsch: Mystischaszet. Sehr., hrsg. v. Hamburger, I, 1923. — Breviloquium, hrsg. v. Imle, 1931. — Itinerarium mentis in Deum, hrsg. v. Böhmer, 1931. L i t e r a t u r : E. Clop, S. B. (Les Saints), Paris 1922. — E. Gilson, La philos. de S. B., Paris 1927; dtsch. 1929. — F. Card. Ehrle, Der hl. B., seine Eigenart u. seine drei Lebensaufgaben, Franzisk. Studien 8 (1921) 109—124. — B. A. Luyckx, Die Erkenntnislehre B.s, Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters, XXIII 3—4, Münster 1923. — K. Ziesche, Die Lehre von Materie u. Form b. B., Philos. Jahrb. 13 (1900) 1—21; Ders., Die Naturlehre B.s, ebda. 21 (1908) 56—89, 156—189. — Cl. Baeumker, Witelo, Beitr. z. Gesch. d. Philos. d. Mittelalt, III 2, 394—407, Münster 1908. — L. Baur, Das Licht in d. Naturphilosophie d. R. Grosseteste, in: Festg. f. G. v. Hertling, 1913, 41—55. — J . Verweyen, Das Probl. d. Willensfreih. in der Scholastik, 1909, 99—111. — Fr. Wagner, D. Begr. d. Guten u. Bösen n. Th. v. Aquino u. Bonav., Paderborn 1913. — Stöhr, Albert, Die Trinitätslehre des hl. Bonaventura, Münster 1923. — Rosenmöller, Bernhard, Religiöse Erkenntnis nach B., 1925. — Boving, Rem., B. und die französische Hochgotik, hrsg. v. Beda Kleinschmidt, 1930. — Henel, Meinolf, Die Lehre vom Lumen naturale bei Thomas v. Aquino, Bonaventura und Duns Skotus, Koblenz 1928. — Firmin Hohmann, B. u. d. existenzielle Sein d. Menschen, Würzburg 1935. — Christoph Nöükensmeier, Ethische Grundfragen bei B., Leipzig 1932. — Edgar Sauer, D. religiöse Wertung d. Welt in B.s Itinerarium Mentis in Deum, Werl 1937. — Piroska Hunyady, D, Urspr. u. d. Gewißheit d, Erk. nach B., Budapest 1936. — P. Robert, Hylemorphisme et devenir chez saint B., Paris 1937. — E Gilson, La philosophie de s. B„ 2. A. Paris 1943. — L. Veuthey, S. Bonaventurae philosophia christiana, Roma 1940.
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Bonnet — Boreas
Bonnet, Charles de, geb. 13. März 1720 in Genf, gest. 20. Juni 1793 in Genthod am Genfer See. Schweizer Naturwissenschaftler, Begründer der Fibernpsychologie, die alle psychischen Vorgänge auf physiologische Nervenprozesse gründet. Sie gelangte zu einem weitreichenden Einfluß, besonders auch in Deutschland, auf Feder, Michael Hißmann, Lossius, Karl Franz v. Irwing, auch Platner, Lessing, Lavater, mittelbar Goethe. Die sinnliche Empfindung ist die psychische Reaktion auf eine äußere Einwirkung. Die Seele besitzt ein Organ, das sich auch nach dem Tode erhält. Mit ihm vermag sie nach der Wiedererweckung des Leibes in diesen wieder mit allen ihren Erinnerungen an das irdische Leben einzugehen. S c h r i f t e n : Essai de psychologie ou Considérations sur les opérations de l'âme, Leiden 1754; deutsch v. Ch. W. Dohm, 1773.— Essai analytique sur les facultés de l'âme, 1760; deutsch von Ch. G. Schütz, 2 Bde., 1770/71. — La Palingénésie philosophique, 2 Bde., Genf 1769; deutsch von Lavater, 1769. — Oeuvres, Neufchâtel 1779—1783, 18 Bde. L i t e r a t u r : Duc de Caramon, Ch. B., philos, et natural., sa vie et ses oeuvres, Paris 1859. — Joh. Speck, B.s Einwirkung auf d. dtsche. Psychol. d. vor. Jahrh., Arch. f. Gesch. d. Philos. X (1897) 504—519, XI (1898) 58 ff. — E. Claparède, La psychologie animale de Ch. B., Genf 1909. — Schweig, Helmut, Die Psychologie der Erkenntnis bei Bonnet . . . u. Tetens, Trier 1921. — Krüger, Johannes, Der Organismusbegriff bei B., Halle 1929. — K. Isenberg, Der Einfluß der Philos, v. Ch. B. auf F. H. Jacobi, Diss., Tübingen 1906.
Boole, George, geb. 2. November 1815 in Lincoln, gest. 8. Dezember 1864. Englischer Logiker. Boole betrachtet jedes Urteil als den Ausdruck eines Gleichheitsverhältnisses zwischen Subjekt und Prädikat und will die Sätze der Logik daher in mathematischer Weise ausdrücken. Das Grundprinzip der Logik ist der Satz vom Widerspruch. Betrachtet man als x eine Klasse von Objekten und als 1—x alle die Objekte, die in x nicht inbegriffen sind, dann läßt sich der Satz vom Widerspruch formulieren: x(l—x) = o. Boole ist der Begründer der „symbolischen" Logik. S c h r i f t e n : The Math. Analysis of Logic, Camb. 1847. — An Anal, of the Laws of Thought, on which are founded the Math. Theories of Logic and Probabilities, Lond. 1854, neue Aufl. 1916. L i t e r a t u r : J. Venn. Boole's Logical System, in: Mind, I, 1876.
Bordas-Demoulin, Jean-Baptiste. 1798 bis 1859. Französischer Mathematiker, der sich an Malebranche anschließt und als erster Cousin angreift. Er behauptet die Wirklichkeit der Idee und deutet die Wirklichkeit als Idee. Der Gedanke ist wirkliche Substanz. Jede Substanz in der Welt unterliegt nach der einen Seite der mathematischen Schätzung als Größe, nach der anderen entzieht sie sich jeder Messung und ist Vollkommenheit. In der unorganischen Welt herrscht die mathematische Seite der Substanz vor, in der organischen wird die Mathematik nur zur Stütze der Erkenntnis und ihre Ergebnisse haben symbolischen Wert. In der moralischen Welt dagegen, die von der Metaphysik erfaßt wird, gibt es keine Messung. S c h r i f t e n : Lettre sur L'Éclecticisme et le Doctrinarisme, 1834. — Le Cartésianisme, 2 vol., Paris 1843. — Mélanges philos, et relig., 1855. — Oeuvres posthumes, 2 vol., Paris 1861. L i t e r a t u r : Fr. Huet, Histoire de la vie et des œuvres de B.-D., Paris 1861.
Boreas, Theophilos. 1912 Professor in Athen. Griechischer Philosoph, studierte in Deutschland bei Wundt. Gründete ein Psychologisches Institut an der Universität Athen. S c h r i f t e n : H