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German Pages 707 [708] Year 1949
Philosophen-Lexikon
PHILOSOPHEN-LEXIKON H a n d w ö r t e r b u c h der Philosophie nach P e r s o n e n
Unter Mitwirkung von GERTRUD JUNG v e r f a ß t und h e r a u s g e g e b e n von
WERNER Z I E G E N F U S S
ERSTER
BAND
A-K
W A L T E R D E G R U Y T E R & CO • B E R L I N 1949 vormals G. J . Göschensche Verlagshandlung • J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer* Karl J.Trübner • Veit & Comp.
C o p y r i g h t 1949 b y W a l t e r d e G r u y t e r & C o . • A r c h i v - N r . 4 2 46 4 9 P r i n t e d ill G e r m a n y G e s a m t h e r s t e l l u n g ; G e r h a r d S t a l l i n g AG., 0 1 d e n b u r g ( O l d b ) , A p r i l 1 9 4 9
Vorwort Im Jahre 1912 erschien zum ersten Mal aus der Feder von Dr. Rudolf Eisler, dem Verfasser des „Lexikon der philosophischen Begriffe", im Verlag E. S. Mittler u. Sohn ein Philosophen-Lexikon. Seit 1924 war dieses Werk vergriffen, jedoch konnte es zunächst nicht neu bearbeitet werden, da der Verfasser im Jahre 1926 verstarb. Als indessen in den folgenden Jahren auch von anderer Seite ein ähnliches Unternehmen nicht verwirklicht wurde, entschloß sich der Verlag, das Philosophen-Lexikon durch einen anderen Autor wieder herausgeben zu lassen. Hierbei stellte es sich als notwendig heraus, den Text vollkommen neu zu gestalten, da das Buch in seiner ersten Fassung unlösbar mit dem philosophischen Denken seines Verfassers verbunden war und in so charakteristischer Weise den Geist seiner Zeit ausprägte, daß es durch Änderungen im einzelnen nur seine Vorzüge verloren hätte, ohne darum besser den wesentlich gewandelten Aufgaben genügen zu können, die eine andere Zeit jetzt stellte. Dr. Eugen Hauer übernahm im Jahre 1931 den Auftrag, das PhilosophenLexikon völlig neu zu verfassen, und entwarf den Text in seinen Grundzügen nach zeitlicher Ordnung bis zur Darstellung der Hegeischen Philosophie. Es war ihm jedoch nicht vergönnt, seine Entwürfe auszuführen und sein Werk abzuschließen. Er erlag im Sommer 1933 einem schweren Leiden. Die Arbeiten ruhten seitdem, bis der Unterzeichnete sie übernahm. Die aus der Feder von Dr. Hauer stammenden Handschriften sind umgearbeitet und ergänzt in die vorliegende Fassung eingegangen. Über die Absicht des Werkes und die Art, wie danach gestrebt wurde, sie zu verwirklichen, unterrichtet das Vorwort vom Januar 1937 mit folgenden Ausführungen: Der Zweck des Buches, auch dem nicht fachlich mit der Philosophie dauernd verbundenen geistigen Menschen unserer Zeit ein zuverlässiges und verständliches Nachschlagewerk in die Hand zu geben, hat es mit sich gebracht, daß der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts und vor allem dem 20. Jahrhundert ein überwiegender Teil der Darstellung eingeräumt wurde. Weit mehr als die Hälfte des Raumes gehört der Zeit nach Hegel, da gerade über diese Epoche bis in unsere Zeit hinein sachlich eingehende und leicht zu verwendende Überblicke und zusammenfassende Forschungen sehr wenig zu finden sind. Die Darstellung der Philosophie der lebenden deutschen Philosophen wurde dadurch bedeutend gefördert, daß der Verlag an fast 700 deutsche Philosophen Rundfragen sandte, durch die die wichtigsten Lebensdaten, die entscheidenden Wesenszüge ihrer Philosophie, Verzeichnis der Werke und der über diese erschienenen Schriften von den Autoren selbst festgestellt werden sollten. Es gingen über 600 Antworten ein, so daß für die deutschen Philosophen der jüngsten Zeit zuverlässige Angaben über Lebens-
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Vorwort
lauf, erschienene Werke und meist auch philosophische Grundabsicht hier veröffentlicht werden können. Einige Philosophen haben für das Lexikon knappe Darstellungen der eigenen Philosophie verfaßt, die dankbar übernommen wurden und als solche gekennzeichnet sind. In den Fällen, in denen die Autoren darauf verzichtet haben, Angaben über ihre sachlichen Absichten zu machen, wurde in der Regel nur eine knappe Kennzeichnung ihrer Stellung ohne systematische Charakteristik gegeben, um die Denker nicht auf bisher veröffentlichte Gedanken festzulegen, die vielleicht schon überholt sind oder der ganzen Weite ihrer Lehren nicht entsprechen. Die Philosophie des Auslandes wurde in ihren heute hervorragenden Vertretern und außerdem in den Denkern dargestellt, die auf die deutsche Gedankenwelt Einfluß gewonnen haben oder mit ihr in besonders lebendigem Zusammenhang sind. Vollständigkeit im Erfassen aller wesentlichen philosophischen Erscheinungen zu erreichen, war zwar das Leitziel des Verfassers, jedoch ist er sich der unvermeidlichen Grenzen in seiner Verwirklichung bewußt. Die Aufgabe, die sich das Lexikon im ganzen gestellt hat, ist nach Anlage und Ausführung: die reiche Gedankenwelt der Philosophie, die wesentlich mit den Persönlichkeiten der Philosophen verbunden ist, von ihren Schöpfern her zu erschließen und von ihnen aus übersehbar und möglichst leicht zugänglich zu machen. Über Lebensschicksal und Werk, Widerhall und Nachwirkung soll der Leser eine dem gegenwärtigen Stande des Wissens entsprechende schnelle Auskunft erhalten. Die Darstellung hat sich bemüht, in keiner Richtung Werturteile zu fällen und sich in der Auswahl und Wiedergabe nicht von Bewertungen leiten zu lassen. Sie ist bestrebt, den philosophischen Gehalt der Lehren in seiner Tiefe und Fülle soweit zu erfassen, wie dies für die notwendig knappe Textgestaltung eines Lexikons möglich ist. Für den weiter Forschenden wurden die wichtigsten neueren monographischen Untersuchungen über einzelne Denker und Richtungen in einem von dem Verzeichnis der philosophischen Werke getrennten Literaturnachweis zusammengestellt. Verlag und Bearbeiter hoffen damit dem Fachmann eine Hilfe zu schneller Orientierung, dem Studierenden eine Einführung und dem an der Philosophie interessierten Leser aus allen Provinzen der weiten geistigen Welt die Möglichkeit eines raschen und zuverlässigen Einblickes zu vermitteln . . . Sehr zu Dank verbunden bin ich allen Autoren, die durch eine Selbstdarstellung das Bild der gegenwärtigen Philosophie farbiger und lebendiger gestaltet oder mir durch ihre Angaben die Arbeit erleichtert haben. Besonderen Dank schulde ich Fräulein Dr. Gertrud Jung für ihre wertvolle Mitarbeit. Sie hat das Lexikon um eine größere Anzahl von Darstellungen aus ihr besonders vertrauten Gebieten der Geschichte der Philosophie bereichert und die Einzelangaben des ganzen Werkes einer letzten Überprüfung und Ergänzung unterzogen. — Nachdem das Werk fast fertig ausgedruckt war und mit sechs ausgegebenen Lieferungen zu einem erheblichen Teil zu erscheinen begonnen hatte, stellte der Verlag auf einen politisch formulierten Einspruch von
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Vorwort
autorisierter Stelle hin im Einvernehmen mit dieser Stelle ohne Wissen des Herausgebers die weitere Veröffentlichung des Werkes ein. Da dem Herausgeber ein Exemplar des fast fertig ausgedruckten Textes erhalten geblieben war, glaubte er das Werk unter gewandelten Voraussetzungen einem anderen Verlag anbieten zu sollen, um es seiner sachlichen Absicht entsprechend der wissenschaftlichen und wissenschaftlich interessierten Welt dienstbar machen zu können. Der Verlag Walter de Gruyter u. Ca. hat es in dankenswerter Weise übernommen, das umfangreiche Buch trotz der gegenwärtig bestehenden großen Schwierigkeiten unter seine ersten größeren Publikationen nach dem zweiten Weltkrieg aufzunehmen. Der Text des Philosophen-Lexikons wird unverändert so dargeboten, wie er vor mehr als zehn Jahren zuerst ausgedruckt worden war. Abgesehen davon, daß die gegenwärtigen Umstände eine neue Bearbeitung noch nicht wieder möglich machen, erhoffen sich Verlag und Herausgeber von dieser Form der Veröffentlichung des Buches, daß sie dazu beitragen möge, über mancherlei Störungen der wissenschaftlichen Arbeit und einige Trübungen der sachlichen Haltung hinweg, wie sie für die Darstellung gerade auch zeitlich nahestehender Erscheinungen des Geisteslebens unerläßlich ist, eine Brücke in eine Zukunft hinein schlagen zu helfen, die der großen Tradition wieder würdiger sein wird. Die Verurteilung des Werkes im Jahre 1937 war damit begründet worden, die „ganze Aufmachung des Philosophen-Lexikons" sei so, „als wäre ein 30. Januar 1933 auf dem Gebiet einer so stark mit Weltanschauung verbundenen Wissenschaft wie der Philosophie völlig bedeutungslos". Im Sinne der so gerügten von ihm und seiner Mitarbeiterin erstrebten stetigen Sachlichkeit des Denkens, wüßte der Herausgeber sich für die erneute Veröffentlichung dieses Buches keinen größeren Erfolg zu wünschen, als daß es an seinem bescheidenen Teil dazu beitragen möge, die geistigen Bemühungen auf dem Gebiete der Philosophie in unserem so schwer getroffenenLand zu ermutigen und anzuregen, sie in ihrer lebendigen Wechselwirkung mit der Philosophie aller Völker zu stärken und sie in die geistige Gemeinschaft der Weltphilosophie zurückzuführen, aus der sie während einer schließlich doch nur kurzen Zeit herausgerissen worden waren. Die Verzeichnisse der Schriften der Philosophen und der Literatur über die dargestellten Denker konnten die Herausgeber dank besonderen Entgegenkommens der Deutschen Bücherei in Leipzig, soweit es sich um Publikationen in deutscher Sprache handelt, bis auf den Stand des Jahres 1945 und teilweise darüber hinaus ergänzen, Die Angaben über außerdeutsches Schrifttum konnten ebenfalls über den Stand von 1939 hinaus erweitert werden. Hierfür erhoffen wir uns künftighin noch bessere Gelegenheiten in dem Maße, in dem es wieder möglich sein wird, das Geistesgut aller Völker und die Entwicklung der wissenschaftlichen Arbeit der Gelehrten aller Nationen zu studieren. Insbesondere sind wir dankbar für alle Anregungen zur Ausgestaltung des Werkes. Werner
Ziegenfufi
Dr. phil. habil.
A. Aall, Anathon, geb. 15. Aug. 1867 in Nesseby, gest. 9. Jan. 1943 in Oslo. Professor in Oslo. Aall gewinnt die ursprünglichen Antriebe seines Philosophierens im Konflikt zwischen dem Absolutheitsanspruch des Christentums und den Ergebnissen einer kritischen Betrachtung der Theologie. Eindrucksvoll waren ihm auch die Schriften von Lotze, Spencer, Höffding, daneben die sozialen Dramen Ibsens. Auch dem Einfluß der naturwissenschaftlichen Philosophie seiner Zeit entzog er sich nicht. Sein eigener Standpunkt allerdings ist entschieden von der idealistischen Tradition bestimmt, vor allem Piaton und Kierkegaard beschäftigten ihn frühzeitig. In den Jahren 1894 bis 1899 widmete er sich dem ersten größeren Werk, einer „Ideengeschichte" des Logosbegriffs in der griechischen Philosophie und in der früheren christlichen Literatur. Ein Konflikt mit der offiziellen Theologie ließ sich nicht vermeiden. Ein Versuch der Habilitation an der Universität zu Kristiania scheiterte daran. Nach Abschluß seiner Universitätsexamina hatte er drei J a h r e auf Reisen in Deutschland, Frankreich und England zugebracht. 1900 kam er von England nach Berlin und studierte unter C, Stumpf und Fr. Schumann experimentelle Psychologie, außerdem Rechtswissenschaft. Eine Studie über Macht und Pflicht wurde in monistischem Geist abgefaßt. 1904 habilitierte sich Aall in Halle und studierte weiter noch experimentelle Psychologie bei Wundt und Krüger. Vorlesungen über Ibsen führten zur Klärung der Bedeutung des Dichtwerkes für die Philosophie eines Volkes. An eigenen psychologischen Untersuchungen veröffentlichte er Studien über Traum und Gedächtnis. Die im engeren Sinn philosophischen Interessen Aalls gelten der Philosophie in der Geschichte und der Daseinsphilosophie. Die Philosophie wird von ihm in die Geschichte selbst hineinverlegt, so daß seine Betrachtung der Geschichte der Philosophie zur Philosophie der Philosophiegeschichte wird. Er bettet das philosophische Denken in die geographische, soziale, politische und technologische Raum - Zeit - Lage ein. Die kritische Daseinslehre hat an der Psychologie ihren Ausgangspunkt. Für diese ist jedes Seelenleben nur in aktuellen Betätigungen gegeben und jedes neue psychische Phänomen nur im Zusammenhang mit dem Ganzen der bisherigen. Aall stellt außerdem ein Mittelfeld fest zwischen dem Seelischen und Nichtseelischen, in dem das Seelische selbst, in inniger Verbundenheit mit dem physiologischen Leben, seinen eigentlichen Ursprungsort hat. Von der Psychologie leiten einige Feststellungen zur kritischen Daseinsphilosophie über, wie diese: „Durch die Pforte der Sinne gehen uns Eindrücke zu, deren Summe die Wirklichkeit für uns bedeutet, ergänzt durch die logische Tätigkeit des Vorstellungslebens." „Durch den Raumsinn spricht sich die Seele als Lehrer der Metaphysik aus." Als gewiß gilt, daß der Raum entsprechend den subjektiv erfaßbaren Raumwerten als kosmophysische Größe existiert. Ähnlich ist das Existieren von Zeit und Bewegung zu erschließen. Bei aller starken Verbindung von Seelischem und Leiblichem und bei der innigen Beziehung des Seelischen zum Kosmos bleibt die Einheit von Seele und Körper, Geist und Materie nur funktionell. Wir wissen nur von Spezialäußerungen der Bewußtseinsqualitäten. Der Reichtum an diesen freilich spiegelt ein Grundverhältnis der Wirklichkeit ab. Von diesem Standpunkt aus begründet sich für Aall eine pluralistische Weltauffassung. S c h r i f t e n : Der Logos, 2 Bde., 1896 u. 1899. — Macht und Pflicht. Eine r^tur- und rechtsphilosoph. Untersuchung. 1902. — Henrik Ibsen als Dichter und Denker, 1906, — Philosophen-Lexikon
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Aars — Abaelard
Sokrates — Gegner oder Anhänger der Sophistik, in: Philosophische Abh. M a x Heinze zum 70. Geburtstag, 1906. — Logik. 4. Aufl. 1926 (Oslo). — Philosophie in Dänemark und Norwegen-, in: Überweg, Grundriß, 4. Teil, 1928. — Selbstdarstellung in: Philos, d. Gegenw. in Selbstdarst., Bd. V, 1924.
Aars, K. Birch-Reichenwald, geb. 1868, gest. 1917. Privatdozent in Oslo. S c h r i f t e n : Die Autonomie der Moral, 1896. — Die Erwartung, in: Ztschr. f. Psychol., 1900. — Zur psychologischen Analyse der Welt, 1900. — Zur Bestimmung des Verhältnisses zwischen Erkenntnistheorie u. Psychologie, in: Ztschr. f. Philos, u. philos. Krit., 1903. — Pragmatismus und Empirismus, ebenda, 1909. — La nature de la pensée logique, in: Rev. de Métaph. et de Morale, 1909. — Haben die Naturgesetze Wirklichk e i t ? 1907. — Gut und Böse. Zur Psychol. d. Moralgefühle, 1907. — Analyse de l'idée de la morale, 1899. — Die Idee. Zum Ursprung des Gedankens, 1911.
Abaelard (Abeilard, Abeillard, Abelard), Peter, geb. 1079 in dem Flecken Paletz oder Palet oder Palais bei Nantes (daher Doctor Palatinus), gest. 21. April 1142. A. ist Schüler des Roscelin und des Wilhelm von Champeaux. Er lehrte in eigner Schule zu Melun, Corbeil und Paris, wo er 1113 die Leitung der Schule von Notre Dame übernahm. Nach dem unglücklichen Ausgang seines Liebesverhältnisses zu Héloise, der Nichte des Kanonikus Fulbert, ging A. als Mönch in die Abtei St. Denis. Eine große Zahl von Anhängern und Schülern folgte ihm in die Einöde bei Nogent sur Seine und sie bauten dort das Kloster zum Parakleten. Er verließ es plötzlich und wurde 1125 Abt vbn St. Gildas zu Rhuys in der Bretagne. Infolge Streites mit den Mönchen gab er sein Amt bereits wieder nach vier Jahren auf; zwischen 1136 und 1140 lehrte er auf dem Genovefaberge, 1141 wurde er erneut verurteilt, diesmal auf dem Konzil zu Sens. Die letzten beiden Lebensjahre verbrachte er bei dem Abt Petrus Venerabiiis zu Cluny und in der Priorei St. Marcel sur Saône. Im Universalienstreit vertritt A. unter Hinneigung zum Nominalismus den sogenannten K o n z e p t u a l i s m u s . Er rückte von der Auffassung seines Lehrers Roscelin, der das Universale als Vox bezeichnet hatte, ab, indem er dessen Formel in das „Universale est sermo" umwandelte. Die Allgemeinheit kommt danach in der Bedeutung (Significatio) des Wortes zum Ausdruck, sie liegt also in dem Conceptus oder Intellectus; das Genus hat dabei eine Grundlage in den realen Dingen selbst. Die Bedeutung in dem von A. gemeinten Sinne ist dabei nicht die eines objektiven logischen Gehaltes, sondern ohne jeden realistischen Charakter durch menschliche Konvention festgesetzt. Die Universalia werden durch Abstraktion gebildet; diese ist eine Methode der Vernunft, bestimmte einzelne Merkmale begrifflich zu isolieren, wobei dieser begrifflichen Isolierung eine reale nicht entspricht. Die Abstraktion verändert infolgedessen die Sache gegenüber ihrem Sein in der Wirklichkeit. Hier kommt A. zu der Formel, daß der Modus intelligendi ein anderer ist als der Modus subsistendi. Daß ferner die Universalia sich auf eine Vielheit von Individuen beziehen können, beruht nach A. dementsprechend darauf, daß die Einzeldinge teilweise in ihrer Natur miteinander übereinstimmen, wobei er ausdrücklich die Bildung einer logischen Res als ideellen und zugleich realen Grundes der Übereinstimmung der Einzeldinge ablehnt. Dies ist jedoch nicht im Sinne eines extremen Npminalismus gemeint. A. will im Gegenteil diese Ansicht mit der platonischen Ideenlehre in Beziehung setzen. Freilich teilte er die abgeblaßte Auffassung von den platonischen Ideen, wie sie allgemein von den christlichen Theoretikern vertreten wurde; die Ideen besitzen nicht mehr die Substanzialität von Wesenheiten, die Piaton ihnen beigelegt hatte, sondern sind Begriffsinhalte, Conceptus, die Gott vor Erschaffung der Dinge gebildet tfktte und nach denen er die Dinge erschuf.
Abaelard
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Mit vielen unter den christlichen Apologeten beschränkt A. die Gotteserkenntnis nicht allein auf die Christen, sondern nimmt sie auch für die Heiden und besonders für die griechischen Philosophen an. Freilich, die Klarheit und Höhe der christlichen Gotteserkenntnis können diese nicht erreichen. Wie Augustin, so nimmt auch A. an, daß Piaton unter den heidnischen Philosophen dem Christentum am nächsten gestanden habe, und parallelisiert die platonische Lehre von dem Einen Guten, dem Nous und der Weltseele mit der christlichen Lehre von der Trinität. Infolge der Anklage des Bernhard von Clairvaux, der die Nebeneinanderstellung der platonischen Weltseele und des Heiligen Geistes als Häresie verdächtigte, widerrief A. diese Darstellung und neigte nunmehr stärker zu einem M o d a l i s m u s , der die drei Personen des göttlichen Wesens als Attribute (Macht, Weisheit und Güte) auffaßte. Er konnte sich hierfür besonders an Augustin anschließen, der mit Nachdruck das Moment der Zeitlichkeit in dem Verhältnis des göttlichen Wesens und der drei göttlichen Personen abgelehnt hatte; bei der früheren Auffassung der Trinität, in der sie mit der platonischen Kosmologie parallelisiert worden war, wurde durch den zeitlichen Hervorgang der Seele aus dem Nous die zeitlose Einheit der Trinität bedroht. Für die Darstellung der Trinität verwendete A. in dieser späteren Zeit das Gleichnis vom Siegel; an diesem und seiner Wirksamkeit seien ebenfalls drei Momente unterscheidbar; es bedürfe zunächst des Erzes, sodann der Form, durch die das Erz erst zum Siegel wird, schließlich der Wirksamkeit des Siegels im Akte des Siegeins. Hierin ist aber bereits in gewissem Gegensatz zu der modalistischen Auffassungsweise der Trinität eine U n t e r o r d n u n g s l e h r e gegeben, und in der Tat definiert A. (in Theol. 1,10 994 B.) die göttliche Weisheit (den Sohn) als eine bestimmte göttliche Macht, mit Hilfe deren Gott alles vollkommen entscheiden und erkennen kann, so daß er nicht zu irren vermag, und den Geist als die Güte Gottes, in deren Setzung Gott noch stärker seiner Macht entsagt und nur noch seinem Willen Verwirklichung gibt, alles zum Besten zu wenden. Denkt man bei der Weltschöpfung allein an Gottes Macht, so muß man zugeben, daß die Schöpfung auch anders sein könnte als sie ist; berücksichtigt man jedoch, daß Gottes Macht und die im Sohne personifizierte Weisheit eine Einheit sind, so wird dieser Gedanke hinfällig, die Welt kann nicht anders geschaffen werden als sie ist, sie ist also, die beste, die von Gott überhaupt geschaffen werden konnte. Für die Ethik hat A. darum Bedeutung, weil er mit großer Klarheit die Gesinnung als den Gegenstand der sittlichen Beurteilung bezeichnete. Das Werk oder die Handlung selbst sagen über die Sittlichkeit noch nichts aus. Das Gute ist zu lieben und das Böse zu hassen; nicht aus Furcht vor Strafe, sondern aus Liebe zur Tugend, Tugend aber ist die Verhaltungsweise, welche zur Erlangung des höchsten Gutes führt. Dieses muß gemäß der christlichen Überzeugung des A. Gott sein; der Mensch erlangt die Gemeinschaft mit ihm durch die Liebe, die ihn zu Gott bringt. Das größte Übel ist darum der Haß gegen Gott, durch den sich der Mensch selbst von Gott scheidet. — Der Unterschied zwischen den bloß fehlerhaften Handlungen und den wirklich bösen, die sündhaft sind, liegt in der Stellung des Gewissens zu den beabsichtigten Handlungen. Ist ein Fehlerhaftes als solches erkannt und erfolgt es dennoch, also gegen das Gewissen, dann ist die Handlung Sünde, weil die Zustimmung zum Bösen Verachtung Gottes ist. Obwohl der Mensch einen Hang zur Sünde, das ist zur Verachtung Gottes, hat, kann er dennoch tugendhaft sein; denn er kann den Hang zum Bösen bekämpfen, wenn dieser Kampf auch größte Anstrengung erfordert. — Der theonomische Charakter dieser Ethik A.s kommt in besonderer Schärfe und Deutlichkeit in der These zum Ausdruck, daß das Kriterium der Unterscheidung des guten und des bösen r
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Abbt — Abs
Handelns allein in der freien W i l l e n s e n t s c h e i d u n g G o t t e s liegt, so daß sogar das als gut getan w e r d e n müßte, das d e m M e n s c h e n als das s c h l e c h t e s t e erscheint, w o f e r n G o t t d i e s e s als gut b e s t i m m t hätte. S c h r i f t e n : De unitate et trinitate, ed. Stölzle, 1891. — Theologia Christiania, 1353. — Sic et non. — Scito te ipsum. — Gesamtausg. V. Cousin, Pétri Abaelardi opéra 1, Paris 1849, II, Paris 1859. — Migne, Patrologia latina, 178, Paris. — Philosophische Schriften, hrsg. von B. Geyer, 3 Bde., Münster 1919—1932, in: Beiträge z. Gesch. der Philos, des Mittelalters, 21, — B. .Geyer, Ecrits philosophiques inédits de l'A., Band II, Münster 1933. — Theol. summi boni, hrsg. v. H. Ostlender, 1939. L i t e r a t u r : A. Hausrath, Peter Abaelard, 1893. — M. Grabmann, D. Gesch. d. schol. Methode, Freibg. 1911, II 168—229. — B. Geyer, D. Stellg. A.s i. d. Universalienfrage nach neuen hds. Text., 1. Baeumkerfestschr. Suppl. I d. Beiträg. z. Gesch. d. Philos, d. Mittelalt., Münst. 1913, 101—127. — Mc Cabe, Joseph, P. A., New York 1901. — Moore, George, Héloïse and Abélard, 2 Bde., London 1921. — Hesse, Theodor, Gottes Liebesoffenbarung als Begründung der menschl. Liebesgerechtigkeit bei A., Diss., Basel 1939. — E. Gilson, Héloise et Abélard, Paris 1938. A b b t , Thomas, geb. 25. N o v e m b e r 1738 in Ulm, gest. 3. N o v e m b e r 1766 in Bückeburg, 1758 Privatdozent in Halle, 1760 a. o. Prof. der Philosophie in Frankfurt, 1761 für M a t h e m a t i k in Rinteln. 1765 Konsistorialrat in Bückeburg. Popularphilosoph der Aufklärung, mit M e n d e l s s o h n befreundet. A . b e f a ß t e sich vor allem mit Fragen der M e t h o d e der G e s c h i c h t s w i s s e n s c h a f t s o w i e mit charakterologischer P s y c h o l o g i e . Er w a r ein a u s g e z e i c h n e t e r Patriot, der für die A n e r k e n n u n g der I d e e d e s Vaterlandes sich kraftvoll e i n s e t z t e . S c h r i f t e n : Vom Tode für das Vaterland, Bln. 1761. — Vom Verdienste, Bln. 1765. — Geschichte des menschlichen Geschlechts, . . . Alte Historie, Halle 1766. — Vermischte Sehr., hrsg. v. Nicolai, Bln. 1772—81, 6 Teile. L i t e r a t u r : Herder über Th. A., 1768. — A. Bender, Th. A„ Bonn 1922. — Gertrud Brück, Die Bedeutung Justus Mosers für das Leben und Denken Thomas Abbts, Würzburg 1937. — Hans-Joachim Koerber, Die Staatsanschauung Th. Abbts als Beispiel für die Möglichkeiten deutschen Staatsdenkens im achtzehnten Jahrhundert, Königsberg 1941. A b e l , J a k o b Friedrich von, geb. 9. Mai 1751 in Vaihingen, gest. 1. Juli 1829, 1790 Prof. in Tübingen. G e g n e r Kants. Lehrer Schillers auf der Karlsschule. S c h r i f t e n : Einleitung in die Seelenlehre, 1786. — Über die Quellen der menschlichen Vorstellungen, 1786. — Versuch über die Natur der speculativen Vernunft. 1787. L i t e r a t u r : F. Aders, J . F r . Abel als Philosoph. 1893. Abicht, J o h a n n Heinrich, 1762 bis 1816, P r o f e s s o r in Erlangen, später in Wilna. Anhänger der Kantischen Philosophie, Rechtsphilosoph. S c h r i f t e n : Vers, einer krit. Unters, üb. d. Willensgeschäft, 1788. — Neues System ein. philos. Tugendlehre, 1798. — Syst. d. Elementarphilos., 1795. — Verbesserte Logik, 1802. — Enzyklopädie der Philosophie, 1804. Abraham b e n D a v i d (ibn Daud), geb. 1110 in Cordoba, gest. 1180. Jüdischer Philosoph aus T o l e d o . Gegner des Neuplatonismus, für Aristoteles. S c h r i f t e n : Emunah Raah (der erhabene Glaube), 1160. Mit deutscher Übersetzung 1852. A b s , Josef, geb. 20. Jan. 1880 in ö s p e l . L e g t das O r d e n s e x a m e n der P P Kapuziner in scholastischer Philosophie und T h e o l o g i e ab und wird in Indien Bibliothekar und Missionar. 1914 Ruf an die Universität Kalkutta. S c h r i f t e n : Indiens Religion der Sanatama Dharma, 1923. — Zur Kritik der heterodoxen Philosophiesysteme in den Pranas, in: Festschrift für Jacobi von Kirfel. — Some early Buddhistic Texts in relation to the Philosophy of Materialism in India, in: Açtes du Congrès International des Orientalistes, Leiden 1932.
Abubacer — Adam
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Abubacer (Ibn Tofail), geb. um 1100 zu Wadi-Asch (Guadix) in Spanien, gest. 1185 in Marokko. Arabischer Philosoph, Anhänger des Avempace, Hauptwerk „Der Lebende, der Sohn des Wachenden". Wie in der Schrift des Avempace „Leitung des Einsamen" wird in dem in der Form eines Romans geschriebenen Werke die Entfaltung der intellektuellen Fähigkeiten des Menschen von dem Befangensein in der Materialität bis zur Erkenntnis und Gemeinschaft Gottes dargestellt. Dabei bringt A. dadurch, daß er den Entwicklungsgang an einem Menschen schildert, der einsam auf einer Insel aufwächst, zum Ausdruck, daß er die geschichtlichen und kulturellen Bindungen für die menschliche Entwicklung für unwesentlich hält, die mithin allein von der Gottheit begonnen und weitergeführt wird. In der E k s t a s e , welche die Vereinigung mit Gott bringt, hört die Erfahrungswelt und ihre Mannigfaltigkeit auf zu existieren, da sie überhaupt nur für die sinnliche Erfahrung vorhanden ist, und alles verschmilzt zu dem Einen Gott. S c h r i f t e n : I. T., D. Erwach, d. Seele, übers, u. eingel. von P. Brönnle. — El filosofo autodidacto, trad. del árabe por D. Fr. Pons Boigues, con un prólogo de Menéndez y Pelayo, Zaragoza 1900. L i t e r a t u r : Ferd. Burchard, T.s Naturmensch u. Rousseaus Emil, Programm d. Semin. Löbau, 1877—1879. — L. Gauthier, I. T., Paris 1909.
Ach, Narziss, geb. 29. Oktober 1871 in Ermershausen, gest. 25. Juli 1946. Privatdozent in Göttingen 1902, in Marburg 1904. Professor in Berlin 1906. Ord. Professor in Königsberg 1907, in Göttingen 1922. S c h r i f t e n : Über die Beeinflussung der Auffassungsfähigkeit durch einige Arzneimittel, 1900. — Über die Willenstätigkeit und das Denken, 1905. — Über den Willensakt und das Temperament, 1910. — Replik, 1911. — Über den Willen, 1910. — Serienmethode, 1912. — Über die Erkenntnis a priori, insbesondere i. d. Arithmetik, 1913. — Über die Begriffsbildung, 1921. — Beiträge zur Lehre von der Perseveration, 1926. — Über die Objektion 1930. — Über die Determinationspsychologie, 1933. — Analyse des Willens, Berlin 1935, in: Handbuch d. biol. Arbeitsmethoden v. Abderhalden, Abt. 6
Achelis, Thomas, geb. 17. Juni 1850 in Gröpelingen bei Bremen, gest. 17. Juni 1909 auf Capri. S c h r i f t e n : Ethik, 1898. — Soziologie, 1899; 2. Aufl. 1908. — Vergleichende Religionswissenschaft, 1904. — Die philosophische Bedeutung der Ethnologie, 1903. — Das Zweckprinzip in der modernen Philosophie, in: Arch. f. d. Gesch. d. Philos., IV. — Fr. Nietzsche, 1895. — H. Steinthal, 1898. — M. Lazarus, 1900.
Achelis, Werner, geb. 19. April 1897 in Berlin, Dr. phil. S c h r i f t e n : Die Deutung Augustins (Analyse seines geistigen Schaffens auf Grund seiner erotischen Struktur), 1921. — D. philos. Reichweite d. Graphologie, Kettwig 1925, in: Proteus, N. F. H. 2. — Das Problem des Traumes (eine philosophische Abhandlung). 1928. — Principia Mundi Bd. I, 1930.
Achillini, Alexander, geb. 29. Oktober 1463 in Bologna, gest. um 1518. Lehrte Philosophie und Medizin in Padua und Bologna. Er bekämpfte vom averroistischen Aristotelismus -aus die platonische Philosophie, besonders die Ideenlehre. Es gibt in der Natur als Form in der Materie liegende Allgemeinheiten, die natürlichen Universalien. S c h r i f t e n : Opera Venet. 1545, 1568.
Adam, Charles Ernest, geb. 1857. Rektor der Universität Nancy. S c h r i f t e n : Essai sur le jugement esthétique, 1885. — Études sur les principaux philosophes, 1903. — La philosophie en France, 1894. — Herausg. gemeins. m. Tannéry: Oeuvres de Descartes, darin von Adam: Vie et oeuvres de Descartes, T. 12, Paris 1910.
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Adam von Marsh — Adickes
Adam von Marsh (de Marisco), gest. 1258. Franziskaner, 1247/48 Magister regens an der Universität Oxford. A. wurde von Roger Bacon hochgeschätzt; dieser ließ ihm auch wegen seiner mathematischen Kenntnisse große Anerkennung zuteil werden. Außer seinen wertvollen Briefen ist nichts von ihm herausgegeben. L i t e r a t u r : Reinh. Pauli, Bischof Grosseteste u. A. v. M., 1864. — Brewer, Monumenta franciscana I, Préface LXXVI—CI.
Adam Wodham, gest. 1358, unmittelbarer Schüler Occams, Franziskaner. Adamson, Robert, geb. 1852 zu Edinburgh, gest. 1902. 1876 Professor der Philosophie in Manchester, 1893 in Aberdeen, 1895 Professor der Logik in Glasgow. Kritischer Empirist und Realist. A. greift entschieden auf die Lehre Kants zurück und sucht die Kantischen Probleme weiterzuführen. E r unterscheidet besonders die psychologischen Phänomene von den erkenntnistheoretisch zu deutenden. Der Erkenntnislehre legt er zwei Prinzipien zugrunde. 1. Die Unterscheidung von Vorstelluhgsinhalt und A k t des Vorstellens wird vollzogen gegenüber einer einheitlichen Tatsache, dem Akt des Vorstellens selbst. 2. Erscheinungen haben Existenz und werden durch Bewußtseinszustände hindurch erkannt, denen kein eigener Existenztnodus zukommt. S c h r i f t e n : Roger Bacon, An Address. 1876. — On the Phiiosophy of Kant, Edinburgh 1879. deutsch Leipzig 1880. — Fichte, 1881 u. 1908. — The Development of Modern Phiiosophy, ed. by W. R. Sorley and R. P. Hardie, Lond. u. Edinburgh, 1903 — A short Hist. of Logic, ed. by R. Sorley, Lond. u. Edinb. 1911. — Schopenhauers Philos., in: Mind, I, 1876. — Sullys Psych., ebenda, 1884. — Lotzes Logic, ebenda, 1885. — Lotzes Metaph., ebenda. — Riehl on Philos. Criticism, ebenda, 1889. L i t e r a t u r : Henry Jones, Prof. Adamson, in: Mind, N. S. XI, 1902. — R. Latta, A.s Development of modern Phiiosophy, Hibbert J., 1903. — G. Dawes Hicks, Prof A.s Philosophical Lectures, in: Mind, N. S. XIII, 1904. — Metz, Rudolf, Das philos Werk R. A.s, in: Archiv f. Gesch. der Philos , Bd. 41 (1932), S. 214—229; Die philos. Strömungen der Gegenwart in Großbritannien, 1935, Bd. II, S. 45—58.
Adelard von Bath, englischer Scholastiker um 1100, vertrat eine Auffassung der Universalien, nach der sie mit dem Einzelnen zusammenfallen; es hängt von dem in der Betrachtung Gewollten ab, was an den realen Objekten interessiert, entweder ihre individuelle Besonderung oder das Gleichartige in ihnen, das sich zur Spezies und zum Genus zusammenfassen läßt. A. will hierin die Lehre des Piaton und Aristoteles kombinieren. S c h r i f t e n : De eodem et diverso, herausg. von Hans Willner, Münster 1903. L i t e r a t u r : J . Reiners, D. aristotel. Realis. i. d. Frühscholastik, Bonn 1907, I. D., 20—25. — U. Berliére Dict. d'histoire et de géographie ecclésiastique, I, 522 f. — Franz Bliemetzrieder, A. v. B., München 1935.
Adickes, Erich, geb. 29. Juni 1866 in Lesum bei Bremen, gest. 8. J u l i 1928 in Tübingen. Nach Besuch des Gymnasiums in Altona Studium der Theologie, Philosophie und Geschichte in Tübingen, unter dem Einfluß von Kautzsch. 1885 Studium in Berlin, bei Paulsen. 1887 Promotion mit einer Arbeit über „Kants Systematik als systembildender F a k t o r " . 1895 Habilitation in Kiel, 1902 Ordinarius in Münster, Herbst 1904 in Tübingen als Nachfolger Chr. Sigwarts. In Übereinstimmung mit seiner Ansicht, daß bestimmte Probleme der Philosophiegeschichte nach philologischer Methode zu behandeln sind, hat A. auf die Herausgabe von Kants handschriftlichem Nachlaß für die Preußische Akademie der Wissenschaften aufopferungsvolle philologische Kleinarbeit verwendet. Auch eine Kant-Bibliographie für Deutschland, die bis zu Kants Todesjahr reicht, hat
Adickes
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A. ausgearbeitet. „Nur auf dieser Grundlage kann die Geschichte der einzelnen philosophischen Schulen und der großen philosophischen Strömungen geschrieben werden." Endlich hat A. die Entstehungsgeschichte und den Gedankeninhalt von Kants nachgelassenem Werk, dem sog. Opus Postumum, an Hand der Textüberlieferung durchforscht. Kants Gedanken wurden zur Grundlage von A.'s M e t a p h y s i k ; A. entnahm ihnen „die Lehre des erkenntnistheoretischen Idealismus-Phänomenalismus von dem bloßen Erscheinungscharakter der Erfahrungswelt und von der Unmöglichkeit, auf dem Wege der Wissenschaft je über sie hinauszukommen und über das Transzendente Ansichten aufzustellen, die mehr sind als bloß subjektiver Glaube". Metaphysik ist also nicht Wissenschaft. Aus den'„Tiefen der Persönlich 1 keit" stammt die Beweiskraft ihrer Gründe und Gegengründe; Herz und Gemüt bestimmen die Gestalt, die die Weltanschauung des Einzelnen, annimmt, nicht Verstand und Vernunft. Im Unterschied von Kant sieht A. diesen Glauben nicht als beweisbar und allgemeingültig an, sondern als ganz individuell, subjektiven Ursprungs und subjektiver Gültigkeit. Als Erkenntnistheoretiker ist A. Empirist. Nur dem Sein kommen Notwendigkeit und durchgehende Gesetzmäßigkeit zu, nicht dem Erkennen. Diesen Empirismus hält A. für vereinbar mit einem „gemäßigten Apriorismus" Die Dinge an sich sind immer nur erschlossen, nie gegeben. „Die Empfindungen sind das einzig primär Gegebene, sie müssen daher den Ausgangspunkt für die Erklärung bilden." Sie tragen alle einen räumlichen Exponenten an sich. Da A. „als Empirist mit einem Minimum von Apriori auszukommen versucht", so nimmt er nicht eine reine Raumanschauung, sondern nur eine Räumfunktion an; auch für die Zeit bedarf es nach ihm nicht einer besonderen apriorischen Anschauung. Die Kategorien sind nicht apriorische Begriffe; auch von ihrer Zwölfzahl will A. nichts wissen. „Es genügt vollkommen, e i n e ursprüngliche Verstandesfunktion der Verbindung und Trennung (Synthesis und Analysis) anzunehmen, die sich in ihrer Wirksamkeit nach dem Empfindungsmaterial richtet und sich im Anschluß an die in ihm zutage tretenden Regelmäßigkeiten und Unregelmäßigkeiten in mannigfacher Weise differenziert und spezialisiert." Ein starkes realistisches Bedürfnis veranlaßt A. zur Aufnahme des naturwissenschaftlichen Realismus in sein Weltbild und gibt seinem Denken eine Wendung vom erkenntnistheoretischen Idealismus zum metaphysischen Realismus. „So gern ich mit jenem anerkenne, daß die ganze Erfahrungswelt nur Erscheinung ist, und so sehr ich mit dem Apriorismus betone, daß unser Geist mit seinen apriorischen Funktionen es ist, der aus den ursprünglich allein gegebenen Empfindungen die Welt der körperlichen Gegenstände schafft: so ener-1 gisch halte ich daran fest, daß es sich dabei nicht um eine freie Konstruktion, sondern nur um Rekonstruktion einer auch im Ansich vorhandenen Einheit und Ordnung handelt." Das Verhältnis von Gott zur Welt deutet A. pantheistisch. Ein einheitliches geistiges Leben durchwaltet die Welt. Für die Erklärung des Körper-Geist-Verhältnisses zieht A. den psycho-physischen Parallelismus heran. Aus ihm folgert er die Allbeseelung in monadologischer Form, „d. h. die kleinsten materiellen Einheiten sind und bewegen sich im Raum, zugleich aber spielen sich in ihnen, den Bewegungen parallel gehend, auch psychische Prozesse ab". Durchgehenden Parallelismus fordert A.'s „monadologisch-substanzialistische" Lehre nicht. Die monistische Tendenz treibt A. zur deterministischen Weltanschauung „mit ihrer Annahme einer allgemeinen, ausnahmslosen Gesetzmäßigkeit auch auf geistigem Gebiet".
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Adler, Alfred
Als E t h i k e r vertritt A. den Relativismus und Eudämonismus. Schon ins Gefühls- und Triebleben verlegt er einen natürlichen Drang zum Guten. S c h r i f t e n : Kants Systematik als systembildender Faktor, 1887. — German Kantian Bibliography, T. 1 in der Philosophical Review, Mai 1893 bis Februar 1894; 1896 wieder abgedruckt; T. 2, Juni 1895, und T, 3, Juni 1896 als Supplement Nr. 1 und 2 zur Philosophical Review. — Kant contra Haeckel, Bln. 1901, 2. A. 1906. — Charakter und Weltanschauung, Antrittsrede, Tüb. 1907. — Liebmann als Erkenntnistheoretiker, Kantstudien 1910. — Die Zukunft der Metaphysik, Bln. 1911, in: Weltanschauung. — Untersuchungen zu Kants physischer Geographie, Tüb. 1911. — Kants handschriftlicher Nachlaß, Akademie-Ausgabe Bd. 1—III, 1911—14. — Kants Ansichten über Geschichte und Bau der Erde, Tüb. 1911. — Ein neu aufgefundenes Kollegheft nach Kants Vorlesung über physische Geographie, Tüb. 1913. — Kants Opus postumum dargestellt und beurteilt, Kantstudien, Ergänzungsheft Nr. 50, 1920. — Selbstdarstellung in: Philosophie der Gegenwart in Selbstdarstellungen Bd. II, Lpz. 1921. — Kant u. das Ding an sich, Bln. 1924. — Kant als Naturforscher, 2 Bde„ Bln. 1924/25. — Kant u. die Als-Ob-Philosophie, Stuttgart 1927. — Kants Lehre v. d. doppelten Affektion unseres Ich, Tüb. 1929. L i t e r a t u r : Paul Menzer, Erich A., Kantstudien Bd. 33, S. 369 ff. — Dem Gedächtnis der Professoren D. Dr. Erich Adickes usw., Reden, Universität Tübingen 1929.
Adler, Alfred, geb. 7. Febr. 1870 in Wien, gest. 28. Mai 1937 in Aberdeen. Promotion Wien 1894, tätig als Psychiater und Dozent des pädagogischen Instituts der Stadt Wien nach früherer Tätigkeit als Lehrer an der Columbia University New York. Die Grundanschauungen der von Adler vertretenen Individualpsychologie sind folgende: Alle Ausdrucksformen des menschlichen Seelenlebens sind ausnahmslos vom individuellen Bewegungsgesetz des Einzelnen beherrscht und können nur als Bewegung nach einem Ziel der Überwindung hin verstanden werden. Deshalb läßt sich in jeder Ausdrucksbewegung eine Phase der Unerfülltheit unterscheiden, die als Minderwertigkeitsgefühl in Erscheinung tritt. Die Tendenz der Bewegung strebt nach Überlegenheit in der Lösung eines vorliegenden Problems. Alle menschlichen Probleme sowie alle auf deren Lösung abzielenden seelischen Bewegungen tragen in ihrer Struktur Gemeinschaftscharakter. Die glückliche Lösung der Aufgaben hängt davon ab, ob das durchgreifende Bewegungsgesetz einen genügenden Grad von Gemeinschaftsgefühl in sich trägt. Der Grad des Gemeinschaftsgefühls bildet sich endgültig in den ersten Jahren der Kindheit aus und verharrt in gleicher Stärke bis ans Ende des Lebens, sofern nicht durch Erkenntnis des Mangels eine Verstärkung des Gemeinschaftsgefühls erzielt wird. Alle Fehlschläge des Lebens gehen aus einem Mangel an Gemeinschaftsgefühl hervor, wenn nicht gerade menschlich unüberwindbare Schwierigkeiten die Lösung der Aufgaben verhindern. Eine günstige Lösung der Fehlschläge (Schwererziehbarkeit, Neurose, Psychose, Selbstmordneigung, Verbrechen, Intoxikationsneigung usw.) kann nur von einer Verstärkung des mitmenschlichen Kontaktes erwartet werden, der unter subtiler Beachtung der Einmaligkeit des vorliegenden Lebensstiles, immer auch im Sinne der Ermutigung, eine Erweiterung erfahren muß. Das Bewegungsgesetz des Einzelnen ergibt sich aus der scharfsinnigsten Betrachtung aller Ausdrücke und Stellungnahmen und deren Beziehung auf ein einheitliches Ziel. S c h r i f t e n : Studie über Minderwertigkeit von Organen, 1907. — Über den nervösen Charakter, 1912, 4. Aufl. 1930. — Praxis und Theorie der Individualpsychologie, 1912, 4. Aufl. 1930. — Menschenkenntnis, 1927, 4. Aufl. 1930. — Das Problem der Homosexualität, 1930. — Individualpsychologie in der Schule, 1929. — Die Technik der Individualpsychologie, I 1928, II 1930. — The Education of Children, 1930. — The Pattern of Life, 1930. — The Science of Living. Problems of Neurosis. What Life should mean to you, in: Ztschr. für Individualpsychologie, IX. Jahrg. — Der Sinn des Lebens, 1933.
Adler, Felix — Adler, Max L i t e r a t u r ; Rühle-Gerstel, Alice, Freud und Adler, Dresden 1924. — Sperber, Hans, A. A., München 1926, — Neuer, Alexander, Mut und Entmutigung. Die Prinzipien der Psychologie A. A.s, München 1926. — Adler, Gerhard, Entdeckung der Seele. Von Sigmund Freud und Alfred Adler zu C. G. Jung, Zürich-Leipzig-Stuttgart 1934. — Oswald Bumke, Die Psychoanalyse u. ihre Kinder. E. Auseinanders. m. Freud, Adler u. Jung, 2. Aufl., Berlin 1938. — Nikolaus Seelhammer, Die Individualpsychologie A. A.s. Dargest. u. krit. unters, v. Standp. d. kath. Moraltheologie, Düsseldorf 1934. — Wendeler, Josef, Die Individualpsychologie A. A.s in ihrer Beziehung zur Philosophie des AisOb Hans Vaihingers, Diss., Freiburg, 1932. Adler, Felix, geb. 1851, gest. 1933. Professor der Ethik in New York 1902, an der Columbia-Universität, Gründer der amerikanischen Gesellschaft für ethische Kultur (1876). S c h r i f t e n : Die ethischen Gesellschaften, 1892. — The moral Instruction of children; Der Moralunterricht der Kinder, 1892. — Marriage and divorce, 1905. — Religion of duty, 1905. — Essentials of spirituality, 1905. — An ethical philosophy of life, New York 1918; 2. A. 1923. — The reconstruction of the spiritual ideal, New York 1923. Adler, Max, geb. 15. Januar 1873 in Wien. Promotion zum Dr. juris 1896, Habilitation für Soziologie und Sozialphilosophie 1920. Die Hauptrichtung des Forschens von M. Adler besteht in dem Bemühen um eine erkenntniskritische Begründung der Soziologie. Gr hat als Grundüberzeugung dies, daß die Soziologie eine kausale Wissenschaft ist, deren bis jetzt konsequenteste Form durch die Lehren von Marx und Engels, insbesondere durch die materialistische Geschichtsauffassung und die Lehre von der ökonomischen Vergesellschaftung des Menschen gegeben sei. Andererseits findet er die richtunggebenden Gedanken aller Erkenntniskritik in dem prinzipiellen Standpunkt der Kantischen Erkenntniskritik vorliegen. Hierauf beruht die alle Schriften von A. durchziehende Verbindung von M a r x und Kant. Diese Verbindung will aber nicht im Sinne der ethischen Kantianer aufgefaßt werden, welche den Marxismus durch Ethik ergänzen oder läutern wollen, beruht auch nicht auf einer Verschmelzung b e stimmter kantischer Lehren mit marxistischen Gedanken. Diese Verbindung ist vielmehr durchaus nur im logisch - methodologischen Sinne zu verstehen. Die Sozialwissenschaft soll sich genau so wie früher die Naturwissenschaft auf ihre Erkenntnisbedingungen besinnen, um sich von vager Sozialmetaphysik und Verwirrung ihrer Methoden zu befreien. Dieses kritische W e r k kann aber nur auf demselben Wege erfolgen, auf dem Kant mit der Erkenntniskritik der Naturwissenschaften vorangegangen ist. Auf diesem W e g e gelangt A. dazu, in der Schrift über Kausalität und Teleologie (1904) den Begriff eines Sozial-Apriori darzulegen, d. h. den Nachweis zu versuchen, daß das Soziale nicht ein historisches Produkt aus dem Zusammenleben der Menschen ist, sondern daß schon das Individualbewußtsein sich selbst nur als ein soziales Bewußtsein, d. h. als ein Exemplar von einer unbestimmt großen Zahl von gleichartigen Bewußtseinsträgern gegeben ist, mit denen es sich verbunden erlebt. Das Soziale liegt nicht zwischen und auch nicht über den Individuen, sondern es ist der Seinscharakter des Bewußtseins, für welches daher sowohl eine Natur, als eine soziale Welt gegeben ist, auch wenn es nur ein einziges Individuum gäbe. Mit anderen Worten: Das Bewußtsein ist bereits vergesellschaftet, und nur so ist überhaupt historische Vergesellschaftung möglich. Ebenso beruht darauf die Möglichkeit des Verstehens. S c h r i f t e n : Kausalität und Teleologie im Streite um die Wissenschaft, 1904. — Marx als Denker, 1. Aufl. 1908, 3. umgearb. Aufl. 1925. — Kant und der Marxismus, 1925. — Wegweiser, Studien zur Geistesgeschichte des Sozialismus, 1914, 5. umgearb. Aufl. 1931. — Der Marxismus als proletarische Lebenslehre, 1922. — Das Soziologische in Kants Erkenntniskritik, 1925. — Neue Menschen, 2. Aufl. 1926. — Lehrb. d. materialist. Geschichtsauffass., Berl. 1930. — Das Rätsel d. Gesellschaft, Wien 1936.
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Adxastos von Aphrodisias
Agrippa von Nettesheim
L i t e r a t u r : Max Nußbaum, Kantianismus u. Marzismus in der Sozialphilosophie M. A.s, Diss., Würzburg 1934.
Adrastos von Aphrodisias, Peripatetiker aus dem Anfang des 2. Jahrhunderts n. Chr., Aristoteleskommentator. Aenesidem, s. Schulze, Gottlob. Agatharchides, Peripatetiker der hellenistischen Zeit. L i t e r a t u r : E. A. Wagner, A. und d. mittl. Peripatos, Annaberg 1901, Pr. — O. Immisch, Agatharchidea, Sitz Heidi. Ak., phil.-hist. Kl., 1919. 7. Abhandl
Aegidius Romanus, geb. um 1245 in Rom; um 1260 Eintritt in den Orden der Augustinereremiten, in Paris Schüler des Thomas von Aquin, 1285 Magister der Theologie, 1292 Ordensgeneral, 1295 Erzbischof von Bourges, 1316 starb er zu Avignon. A. wurde nach Ausbildung eines eigenen, an Thomas und Augustinus anknüpfenden Systems, der Führer einer besonderen augustinischen Theologie, die in den folgenden Jahrhunderten neben Thomismus und Scotismus eine selbständige Stellung einnahm und behauptete. Seine Lehre war 1287 zur Ordensdoktrin erhoben worden. L i t e r a t u r : K. Werner, D. Scholastik d. späteren Mittelalt. III, Wien 1883: D. august. Psychologie in ihr. mittelalt. scholast. Einkleid. u. Gestalt. Sitzungsber d. Wien. Akad. d. Wiss. 100 (1882) 435—499. — A. Dyroff, Aegidius v Colonna? Aegidius Conigatius? Philos. Jahrb. 38 (1925) 18—25. — Richard Egenter, Die Erkenntnispsychologie des Ae. R., Diss., München 1925. — Otto Hieronimi, Die allgemeine Passionslehre bei A. R., Würzburg 1934 — The L. J. S. Makaay, Der Traktat des Ae. R. u. d Einzigkeit der substantiellen Form, Würzburg 1924. — Axel Munthe, Ae. R., De regimine principum, Lund 1929. — Placidus Vollmer, Die Schöpfungslehre des Ae. R., Würzburg 1931.
Agricola, Rudolf (Rolef Huysman), geb. 1443 in Baflo bei Groningen, gest. in Heidelberg 1485. A. bekämpfte die Scholastik und war einer der Verkünder des neuen humanistischen Ideals. Er fordert Prudentia, die sich im richtigen Urteil ausdrücken und Eloquentia, die diesem Ausdruck die notwendige Eleganz verleihen soll. Als Quellen der Lebensweisheit sollen die Bibel, sodann besonders Aristoteles, Cicero und Seneca dienen. — Das logische Universale ist nach ihm die wesentliche Ähnlichkeit in dem Mannigfaltigen. S c h r i f t e n : Opera cura Alardi ed., 2 Bde., Col. 1539. L i t e r a t u r : Biographie von Ihme, 1893. — A. Faust, D. Dialektik R. A.s, Arch. f. Gesch d. Philos. 34 (1922). — Wilhelm Ehmer, Beitr. z. Gesch. d. Entw. der Persönlichkeit u. d. Einfluß d. Humanism. in Deutschi., T. 1., R. A. u. Konrad Mutian, Diss., München 1925.
Agrippa, Skeptiker aus dem 2. Jahrhundert v. Chr., führt die zehn skeptischen „Tropen" auf fünf zurück. Agrippa (Heinrich Cornelius) von Nettesheim, geb. 14. September 1486 zu Köln, gest. 18. Februar 1535 zu Grenoble. A. war Anhänger des Neuplatonismus und der Kabbala und nahm an, daß die Magie ein taugliches Instrument zur Beherrschung der Natur darstelle. — Die Ideen sind in Gott, und nach ihnen wurde von Gott das Universum aus dem Nichts geschaffen. Die Götter der Alten, die Sephirot der Kabbala, die Gott zugeschriebenen verschiedenen Eigenschaften, sie alle bedeuten nach A. das gleiche, er nennt sie die Strahlen Gottes. Im Universum sind drei Bereiche unterscheidbar; einmal der der Elemente, sodann der des Himmels und der Gestirne und endlich der des Intelligiblen oder der Engel. Die innere Verbindung des Universums schafft der Spiritus mundi, der ein viertes Element darstellt. Durch ihn findet die Leitung der niederen Bereiche des Uni-
Ahrens — Ainesidemos aus Knosos
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versums durch den höheren statt. Der Mensch ist ein Mikrokosmos, so daß er auch die Welt zu erkennen vermag. Da er selbst teil hat an den im All wirkenden Kräften, kann er dadurch, daß er sich erkennend ihrer bemächtigt, auch der höheren Kräfte zum Zwecke seiner Herrschaft über die Natur Meister werden. In der späteren Schrift Declamatio de vanitate et incertitudine scientiarum äußert er sich skeptisch gegenüber der Philosophie und besonders dem von ihm gelehrten Okkultismus und verlangt Rückgang auf die Offenbarung, ohne daß er freilich den Nutzen der Magie für ein tieferes Wissen bestreiten will. S c h r i f t e n : De occulta philosophia, Colon. 1510, 1531—33. — De vanitate et incertitudine scientiarum, Colon. 1527. — Werke deutsch, Stuttgart 1856. — Die Eitelkeit u. Unsicherheit der Wissenschaften, hrsg. v Fritz Mauthner, 2 Bde., München 1913. — Magische Werke , 5 Tie., Bln. 1916; 5. Aufl. 1925. L i t e r a t u r : Chr. Sigwart, C. A. v. Nettesheim, in: Kl. Sehr. I 1—24. — J. Meurer, Zur Logik des C. A. v. N., in: Renaiss. u. Philos., hrsg. v. Dyroff, Heft 11, Bonn 1920.
Ahrens, Heinrich, geb. 14. Juli 1808 in Kniestedt, gest. 2. August 1874. Wirkte, infolge revolutionärer Tätigkeit zur Flucht gezwungen, lange Zeit in Paris, Brüssel und Graz als Professor der Philosophie und Politik, lehrte seit 1860 in Leipzig und starb in Salzgitter. A. war Anhänger der Philosophie K. Chr. Fr. Krauses und gehört zu dessen bedeutendsten Schülern, besonders auf dem Gebiete der Rechtsphilosophie. Das Recht ist nach ihm „das organische Ganze der von der Willenstätigkeit abhängigen Bedingungen zur Verwirklichung der Gesamtbestimmung des menschlichen Lebens und der darin enthaltenen wesentlichen Lebenszwecke". S c h r i f t e n : Cours de droit naturel ou de philos. du droit, Paris 1838, 8. Aufl. Leipzig 1892. — Die organische Staatslehre auf philosophisch-anthropolog. Grundlage, 1850. — Naturrecht od. Philos. d. Rechts u. d. Staates, Wien 1850 f., 6. Aufl. 1870 f. — Jurist. Enzyklopäd., Wien 1858, L i t e r a t u r : Chauffard, Essai critique sur les doctrines philos., sociales et relig. de H. Ahrens, Paris 1880. — M. Brasch, Leipziger Philosophen, Leipzig 1894.
Ahron ben Elias, gest. 1369. Jüdischer Karäer, Gegner des Maimonides. S c h r i f t e n : Ez chajim (Lebensbaum) herausg. 1841. L i t e r a t u r : Fürst, Geschichte des Karäertums, 1862/65.
Aidesios aus Kappadokien, Schüler des Neuplatonikers Iamblichos, gest. um 355 n. Chr. A. gründete eine philosophische Schule in Pergamon, die auch von dem späteren Kaiser Julian aufgesucht wurde. Ainesidemos ans Knosos, Erneuerer der pyrrhonischen Skepsis, lehrte um 70 n. Chr. in Alexandria. Für die Unmöglichkeit eines sicheren Wissens, das nach ihm weder durch die Sinneswahrnehmung noch durch das Denken erreicht werden kann, stellte er zehn „Tropen" (xpOTtoi) auf, welche besagen, daß nichts gewiß sein könne, weil dem entgegensteht: erstens die Verschiedenheit der beseelten Wesen überhaupt, zweitens die Verschiedenheit der Menschen, drittens die Verschiedenheit der Aussagen der fünf Sinne untereinander, viertens die Verschiedenheit der menschlichen Zustände, fünftens die Verschiedenheit der Lokalisationen, sechstens das Vermischtsein der wahrzunehmenden Gegenstände mit anderen, siebentens die quantitative und synthetische Verschiedenheit der Gegenstände, achtens die Relativität überhaupt, neuntens die Verschiedenheit durch die Häufigkeit des Wahrnehmens, zehntens die ethnologische und kulturelle Verschiedenheit der Maßstäbe. L i t e r a t u r : Photios, Bibl. cod. 212. — Wendland, Hell.-röm. Kultur II, 202 ff. — H. v. Arnim, Philo u. a., Philol. Unters., 11. Heft, Bln. 1888, 53—100.
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Aischines — Alanus ab Insulis
Aischines, ein Anhänger des Sokrates, der in einer Reihe von Dialogen die Lehre des Sokrates darstellte. L i t e r a t u r : Diog. L. 2, 61. — K. F. Hermann, De Aesch. Socraticis reliquis disp. acad., Gött. 1850. Aischines, aus Neapel, um 200 v. Chr. Einer der Vorsteher der Platonischen Schule zu Athen. Aithiops, Schüler des Aristippos von Kyrene. Aksakow, Alexander, 1832 bis 1903. Animist. S c h r i f t e n : Animismus und Spiritismus, Petersburg 1890, 3. Aufl. 1898. Franz. Paris 1895, deutsch Lpz. 1895, 5. Aufl. 1919. — Die Vorläufer des Spiritismus in den letzten 250 Jahren, Petersburg 1895, deutsch Lpz. 1898. Aksakow, Konstantin, 1817 bis 1860. Slawophiler Anhänger Hegels. L i t e r a t u r ; F. Stepuhn, Der deutsche Romantismus und die Slavophilen, Russk. Mysl. 1910. — Der Panslawismus bis zum Weltkrieg, Stuttg. 1919. Alain, Pseudonym für E. Chartier, geb. 1868. Professor am Lyzeum Henri IV. S c h r i f t e n : Les Cent un Propos d'Alain, Paris 1908, 2. Serie Rouen-Paris 1910; 3. Rouen 1911; 4. Rouen-Paris 1914. — Les Propos d'Alain, 3. Aufl., Paris 1920, 2 Bde — Quatre-vingt-un Chapitres sur l'Esprit et les Passions, par l'auteur des Propos d'Alain, Paris 1917. — Système des Beaux-Arts, 1920. — Mars ou la guerre jugée, 6. éd. 1921 — Propos sur le christianisme, 1915. — Les Marchands du Sommeil, 1919. — Éléments d'une doctrine radicale, 1925. — Libres Propos, 1921/24, éd. de la N. R F. — E Chartier, Commentaires au fragments de Jules Lagneau, in: Rev, de Mét. et de mor., 1898. — Sur la mémoire, ebda. 1899 — Valeur morale de la joie d'après Spinoza, ebda. 1899. — Le problème de la perception, ebda. 1900. — Sur les perceptions du toucher, ebda. 1901. — Les éléments principaux de la Représentation-par O. Hamelin, ebda. 1907. — Idées, Platon, Descartes, Hegel, Paris 1932. — Les idées et les âges, 7e éd., Paris 1927. — Propos sur l'éducation, 9e éd. Paris 1932. — Deutsche Auswahl: Lebensalter und Anschauung, 1932. L i t e r a t u r : Hess, Gerhard, Alain (Êmile Chartier), in der Reihe der französischen Moralisten, Romanische Studien, Héft 30; Berlin 1932. Alanus ab Insulis, Alain de Lille, geb. 1120, gest. um 1203, beeinflußt besonders von Boëthius, Martianus Capella, Bernhard Silvestris und Thierry von Chartres. A. versucht von dem Boden seiner wichtigen Grundthese aus, daß alle Wissenschaften sich auf oberste Sätze stützen, die ihnen ihr Fundament geben, auch die Theologie deduktiv zu entwickeln. Auf diese Weise entwirft er ein System, das alle christlichen Dogmen und selbst die in ihnen enthaltenen Mysterien in logisch eindeutiger Verbindung darstellen soll. — Nach dem Vorgange des Thierry von Chartres bestimmt A. G o t t als die Unitas oder Monas, aus der er mit Hilfe der Zahlenspekulation die Trinität zu entwickeln unternimmt. Sein apologetisches Werks De fide catholica contra haereticos verteidigt mit Vernunftgründen unter gleichzeitiger Berufung auf die Heilige Schrift und die Väter die christlichen Dogmen gegen die Waldenser, Juden und Mohammedaner. S c h r i f t e n : Ausgabe in: J . P. Migne, Patrologia Latina, Bd. 210, 1855. — Anticlaudianus und De planctu nat.: Th. Wright, The Anglo-Latin Satirical Poets and Epigrammatists of the twelfth Century, London 1872, Rer. Brit. script, medii aevi scriptores, II 268—522. L i t e r a t u r : M. Grabmann, Die Gesch. d. scholast. Methode, Freiburg 1911, II 452—76. — M. Baumgartner, Die Philos, d. A. de Ins., in: Beiträge z. Gesch. d. Philos, des Mittelalt., II 4, 1896. — J . Huizinga, Verknüpfung des Poetischen mit dem Theol. bei A., 1932.
Albalay — Albertus Magnu:
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Albalay, Isaac. Jüdischer Philosoph des 13.—14. Jahrhunderts. Literatur:
Auerbach, Heimann, A., Breslau 1906.
Alberich von Reims. Gegner des Nominalismus, Zeitgenosse von Abaelard. Alberini, Coriolano. Dr., Ordentl. Professor der Philosophie an der Universität Buenos Aires. Gründer des philosophischen und philologischen Instituts an der Universität. S c h r i f t e n : Die Philosophie in Südamerika. — Das Geschichtsstudium an den deutschen Universitäten. — Die epistemologische Reform Einsteins. — Die deutsche Philosophie in Argentinien, mit einem Geleitwort von Alberl Einstein, herausg. von Iso Brante Schweide, Berlin 1930.
Albert, Georg, geb. 3. Oktober 1869 in Wien. Dr. phil. 1895. S c h r i f t e n : Kants transcendentale Logik, mit besonderer Berücksichtigung der Schopenhauerschen Kritik der Kantischen Philosophie, 1895. — Die Platonische Zahl, 1896. — Die Platonische Zahl als Praecessionszahl, 1907. — Ein Wort für das humanistische Gymnasium, 1908.
Albert von Sachsen (de Saxonia, Albert von Helmstedt, von Ricmestorp, Albertutius, Albertus parvus), geb. 1316 (unsicher), gest. 1390. 1353 Rektor der Pariser Universität, 1365 erster Rektor der neugegründeten Universität Wien. 1366 Bischof von Halberstadt. A.s L o g i k ist occamistisch, in der P h y s i k folgte er Buridan und vertrat dessen Impetustheorie sowie die Himmelsmechanik. Im Mittelpunkt der Welt nahm er das Schwerezentrum an. 1372 wurde gegen A. auf Grund seiner Lehre von der Naturnotwendigkeit alles, auch des sittlichen Geschehens, ein Verfahren wegen Ketzerei eingeleitet, über dessen Verlauf jedoch Näheres nicht bekannt ist. S c h r i f t e n : Quaestiones et decisiones physicales in Aristotelis libros Physicorum . . . . Paris 1516. L i t e r a t u r : J . Aschbach, Gesch. d. Wiener Univ., 1865, 359—366, — P. Duhem, Études sur Léonard de Vinci, 1. série Paris 1906, 334—338, 341—344; 2e série Paris 1909, 367. — A. Dyroff, Üb. A. v. S., Festg. für Clemens Baeumker, 1913, 330—342. — G. Heidingsfelder, A. v. S., Sein Lebensgang u. s. Kommentar z. Nikomachischen Ethik d. Aristoteles, Beitr. z. Gesch. d. Philos, d. Mittelalt. XXII 3—4, 2. Aufl., Münst. 1921.
Albertus Magnus (Albert Graf von Boilstädt). A. wurde 1193 oder nach anderen 1206/7 zu Lauingen in Schwaben geboren. Er trat 1223 in den Dominikanerorden ein, lehrte von 1228 bis 1245 in Köln, Hildesheim, Freiburg, Regensburg und Straßburg. 1245 wurde er in Paris Magister der Theologie; 1248 erhielt er eine Berufung an das Studium generale in Köln, das damals neu gegründet wurde; 1254 wurde A. Provinzial seines Ordens in Deutschland und versah dieses Amt bis 1257; 1258—1260 lehrte er wiederum in Köln; 1260 wurde er Bischof von Regensburg, legte aber bereits zwei Jahre später diese Würde nieder. In diese Zeit scheint ein längerer Aufenthalt in Italien zu fallen. 1263—1264 war er als Legat in Böhmen und Deutschland tätig. 1269 ging er wiederum als Lektor nach Köln und starb dort 1280. Die wissenschaftliche Arbeit A.s diente dem großen Plane, dem christlichen Abendland die gesamte Philosophie und Wissenschaft, die seit den Zeiten der Griechen sich entfaltet hatte, zu übermitteln. Bei diesem Unternehmen stand die Philosophie des Aristoteles, dem gesamten Zuge der Zeit entsprechend, im Vordergrund, neben ihr die Interpretationen, die ihr besonders in dem arabischislamitischen Kulturkreise zuteil geworden waren. Daneben war die platonische Philosophie bei A. in weniger großem Ansehen, wenn sie auch besonders in der
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Psychologie, der Naturphilosophie und der Ideenlehre seine Ansichten mitbestimmt und beeinflußt hat. Mehr als der des Piaton wirkte sich der Einfluß des Neuplatonismus aus, der der mystischen Neigung A.s stärker entgegenkam und ihr Nahrung gab. Es war die Form des Neuplatonismus^ die bereits durch Alfaräbi und Avicenna hindurchgegangen war und mehr oder weniger umfangreiche aristotelische Denkelemente in sich aufgenommen hatte. Schließlich rezipierte A. auch den Augustinismus. Bei seinem Versuch eines Ausgleiches der philosophischen Dogmen mit denen der Kirche trat das Gefühl und die Überzeugung von der Diskrepanz der natürlichen und der geoffenbarten Religion bestimmend in das wissenschaftliche Bewußtsein ein. A. versuchte diese Aufgabe zu lösen, indem er einerseits die Rationalisierbarkeit bestimmter theologischer Lehrstücke, wie zum Beispiel des Trinitäts- und Inkarnationsdogmas verneinte, andererseits philosophische Probleme, wie den Schöpfungs- oder Ewigkeitscharakter der Welt, aus der Philosophie verwies und der Kirchenlehre anheimgab. Dieser Ausweg konnte ihm nur dadurch möglich werden, daß er sich zu der These entschloß, die Seele vermöchte nur das zu erkennen und zu wissen, dessen Prinzipien sie in sich selbst habe, das „natürliche Licht" der menschlichen Vernunft reiche also zur Erkenntnis der vollen und ganzen Wahrheit nicht aus. Die Lösung, die A. für dieses fundamentale Problem des Glaubens und Wissens vorschlägt, hat zur Voraussetzung die Erteilung des Primates an den Glauben. Die Philosophie steht dadurch bei ihm im Dienste der Theologie. Bedeutung hat für A. die Philosophie des Moses Maimonides, unter dessen Einfluß seine physikalische Lehre steht. Er betont, daß der Glaube, der einer Rationalisierung unzugänglich ist, gerade deshalb verdienstlich sei: für A. ist die Offenbarung übervernünftig, nicht aber widervernünftig. Die Logik hat es einerseits mit der Frage nach dem Wesen des Elementaren zu tun und erstrebt dann die Definition, andererseits mit dem Zusammengesetzten, das den Gegenstand des Urteilens und Schließens darstellt. Gott besitzt als der Urheber des Natürlichen die eigentliché und höchste Wahrheit, und daher eignet aller menschlichen Erkenntnis nur insofern Wahrheit, als sie die Ausstrahlung des göttlichen Geistes auffängt und mit ihrer Hilfe das Bewußtsein inhaltlich aufbaut. Der göttliche Intellekt wirkt auf das endliche Bewußtsein vor allem durch die Universalien, die real sind. Neben dieser Form des Universellen, zu existieren, stehen die beiden anderen, einmal die Form der Existenz in den Dingen, endlich die nach den Dingen, welche in der menschlichen denkenden Abstraktion gegeben ist; dabei sind die objektiven Denkinhalte in allen Denkenden gemeinsam und identisch. In der Materie liegen die Formen der Entwicklung, die zugleich deren Ziel bestimmen, der Möglichkeit nach bereit, in der Materie ist die Potentia inchoationis formae. Daher wird das Werden zu einem Entwickeltwerden (educi) aus der Materie, welche durch ein wirklich, d. h. aktuell Existierendes vollzogen wird. Dieser Sachverhalt darf aber nicht dahin verstanden werden, als hätte die Materie von sich aus auch die Fähigkeit, die Verschiedenheit der Formen zu verursachen, sie ist vielmehr selbst abhängig von dieser; von der Materie hängt nur die numerische Vielheit der Individuen ab. Die Materie besitzt für A. wirkliche und empirische Realität, sie ist bei ihm nicht wie in der vorherrschenden Meinung des Aristoteles der zur Form gehörende Begriff der Materie als eines zu Formenden. Das Allgemeine ist eine Essenz, welche in der als empirisch real von A. anerkannten Materie mit ihrer numerischen Vielheit des Seins angelegt ist, aktuell aber nur im Verstände existiert. In unserem Erkennen müssen wir von den Wirkungen ausgehen, welche allein uns als Wirklichkeit gegeben sind; das metaphysisch und logisch Spätere ist das
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Frühere für uns. Die Aufgabe des Erkennens besteht in der Auffassung des Wirklichen, um mit seiner Hilfe, indem wir über sie hinausgehen, zur Erkenntnis Gottes fortzuschreiten, um die wahren Gründe der Existenz der Natur und ihres Wesens zu erfassen; analog erheben wir uns von der Erfahrung der göttlichen Gnade zum Erfassen der Gründe des Glaubens. Das Erkennen des Menschen kann zwar Gott nicht adäquat begreifen, andererseits aber ist eine Erkenntnis nicht völlig unmöglich. Freilich ist auch die uns zugängliche Erkenntnis des göttlichen Wesens nur durch die B e r ü h r u n g mit dem göttlichen Geiste möglich, erst durch seine Begnadung vermag der menschliche Intellekt Begriffe, die das Göttliche intendieren, zu vollziehen. — Den B e w e i s für die Existenz G o t t e s führt A. aus dem kosmologischen Argument. Entsprechend seiner Erkenntnistheorie lehrt A. die dauernde Schöpfung neuer Intelligenzen durch Gott, der ihm überhaupt der allgemein und umfassend tätige Intellekt und darum das Erste Prinzip alles Seienden ist; von Gott als dem Einfachen ist streng das oberste Allgemeine der Materia universalis zu unterscheidenAuf Grund dieser Gotteslehre steht A. der Theorie einer zeitlichen Schöpfung der Welt näher als dem aristotelischen Theorem von ihrer Ewigkeit; darüber hinaus aber lehnt er diese Frage als philosophische ab, weil sie ein Wunder betrifft, deshalb also für unsere Vernunft unlösbar ist und Gegenstand der Glaubenslehre wird. Die Unsterblichkeit der Seele begründet A. mit dem Hinweis, daß die Geschöpfe, da sie aus dem Nichts stammen, Gott allein ihre Existenz verdanken. Gerade diese Gemeinschaft aber mit dem göttlichen Wesen begründet ihre Unsterblichkeit, und zwar allen den Momenten nach, welche vom Körperlichen getrennt werden können. Diese sind nach ihm die vegetativen, sensitiven, appetitiven und motiven Kräfte, die bereits Aristoteles unterschieden hatte. Sie werden von dem aktiven Intellekt umschlossen, der als das formgebende Prinzip ein Teil der Seele ist, und zwar ein individuell besonderter Teil, von dem andere Individuen ausgeschlossen sind Die Entscheidung des Menschen zu seinen Handlungen ist frei. Der vollständige Wille ist die Formung des triebhaften Begehrens durch die Vernunft und die Richtung auf das so gewonnene Ziel des Handelns. Sofern die Vernunft sich auf das Praktische richtet, wird sie als Gewissen (Conscientia) wirksam; A. unterscheidet an ihm die sittliche Haltung als das in die Erscheinung wirkende volle Bewußtsein des ethischen Wertes der Handlung und die sittliche Formkraft, die im Gestalten des einzelnen ethischen Falles wirksam wird und also die Anwendung der sittlichen Vernunftgesetzlichkeit im konkreten Falle der Erfahrung ist. Die sittliche Anlage, welche in der Haltung sich manifestiert, nennt A. Synderesis oder Synteresis, welche A. übrigens etymologisch unerwartet als die sittliche diakritische Instanz bezeichnet, indem er die Entstehung des Terminus aus einer Verbindung der griechischen Präposition Suv mit dem Substantiv haeresis (haesio per scientiam boni et mali) herleitet. Er nennt sie auch den Funken (Scintilla) des Gewissens, der von der wahren Sittlichkeit untrüglich Kunde gibt und während des ganzen Lebens wirksam ist. Sie zieht den Menschen zum Guten und sucht, ihn vom Bösen fern zu halten, und ist der Rest des unmittelbar moralisch guten Lebens vor dem Sündenfall und deshalb unvergänglich; darum irrt ihr Urteil niemals, während der Irrtum in der Beurteilung und Gestaltung des konkreten Erfahrungsfalles möglich ist. — Entsprechend dieser ethischen Theorie ist die Tugend, wie A. nach dem Vorgange Augustins definiert, die gute Beschaffenheit des Geistes, durch die man recht zu leben vermag, durch welche nichts Böses geschieht und welche Gott selbst im Menschen wirkt. A. übernimmt die vier platonischen Kardinaltugenden (Wfeisheit, Tapferkeit, Besonnenheit und
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Albinos — Alcuinus
G e r e c h t i g k e i t ) , zu - d e n e n d i e a r i s t o t e l i s c h e n T u g e n d e n als b e i g e g e b e n e k o m m e n ; schließlich b e z e i c h n e t e r n o c h d e n G l a u b e n , d i e H o f f n u n g u n d d i e L i e b e a l s V i r t u t e s i n f u s a e u n d n e n n t sie d i e d e m M e n s c h e n a u ß e r d e n g e n a n n t e n p h i l o s o p h i s c h ethischen notwendigen theologischen Tugenden. S c h r i f t e n : Gesamtausg. v. A. Borgnet, Paris 1890—1899, 38 Bde. — De animaiibus libri XXVI, herausg. v. H. J . Stadler. 2 Bde., Münster 1916 f. L i t e r a t u r : J . Sighart, A. M., Sein Leben u. s. Wiss., 1857. — Fr; Pangerl, Stud. üb. A. d. Gr., Zeitschr. f. kath. Theol. 36: 304—331, 332—346, 512—530, Innsbr. 1912. — G v. Hertlíng, A. M., Münster 1914. — Fr. Pelster, Krit. Stud. z. Leben u. zu d. Sehr. A.s d. Gr., 1920; Ders., A.s d. Gr. Jugendaufenth. in Italien, Histor. J a h r b . 42 (1923) 102—106. — E. Michael, Gesch. d. deutsch. Volkes III, 1903, 113 ff., 143, 245 fi. — P. Duhem, Le systéme du monde, V 412—468, Paris 1913—1917. — W Betzendörfer, Glaub, u. Wiss. bei A. d. Gr., Zeitschr. f. Theol. u. K„ 1926, 280—300. — Cl. Baeumker, Witelo, 1908, 407—414. — A. Schneider, D. Psychologie A.s d. Gr., 2 Tie., Beitr. z. Gesch. d. Philos. d. Mittelalt. IV 5—6, Münst. 1903 u. 1906. — J . Verweyen, D. Probl. d. Willensfreih. in d. Scholast., 1909, 112—127. — H. Lauer, D. Moraltheol. A. d. Gr. usw., 1911. — Dähnert, Ulrich, Die Erkenntnislehre des A. M., m. e. ausf. system. Sachverzeichnis u. e. monogr. Bibliographie: A. M., Leipzig 1934. — A. M.-Festschrift, Freiburg 1932. — Wilhelm Arendt, Die Staats- u. Gesellschaftslehre A.s d. Gr., J e n a 1929. — J a k o b Bonné, Die Erkenntnislehre A.s d. Gr., m. bes. Berücks. d. arabischen Neuplatonism., Bonn 1935. — Bernhard Geyer, Die A. d. Gr. zugeschriebene Summa Naturalium «Philosophia Pauperum». Texte u. Untersuchungen, Münster 1938. — Martin Grabmann, Der hl. A. d. Gr., München 1932. — Ferdinand Haberl, Die Inkarnationslehre d. hl. A. M., Freiburg 1939. — Theodor Haering, A. d. Deutsche, Stuttgart 1941. — Alfons Hufnagel, Die Wahrheit als philos.-theol. Problem bei A. d. D., Bonn 1940. — Wilhelm Kübel, Die lateinischen Metaphysikübers. in d.. Frühwerken A.s d. Gr., Freiburg (Schw.) 1933. — Franz-Joachim v. Rintelen, A. d. Deutsche u. wir, Leipzig 1935. — Heribert Christian Scheeben, A. M„ Bonn 1932. — Dionys Siedler, Intellektualismus u. Voluntarismus b. A. M., Münster 1941. — Macarius Wengel, Die Lehre von den rationes seminales bei A. d. Gr., Würzburg 1937. — Ludwig A. Winterswyl, A d Gr.. Potsdam 1936. — J . Hinz, Verhältnis des Sentenzenkommentars von Thomas von Aquino zu dem Alberts des Großen, Würzburg 1936. Albinos, P l a t o n i k e r , S c h ü l e r d e s G a i o s , s c h r i e b ü b e r d i e L e h r e n P i a t o n s . E r war von der Akademie, dem Peripatos u n d der Stoa beeinflußt, polemisierte aber gegen d i e s t o i s c h e P h i l o s o p h i e . S c h r i f t e n : Schriftsamml. bei K. F. Hermann im 6. Bande seiner Ausg. d. Sehr. Piatons, 147—189 (Der „Didaskalikos" wird irrtümlich als W e r k eines Alkinoos überliefert.) L i t e r a t u r : J . Freudenthal, Hellen. Studien, Heft 3, Bln. 1879. — K. Praechter, Hermes 51 (1916), 511 ff. — R. E. Witt, Albinus and the History of Middle Platonism, Cambridge 1937. Alcuinus ( A l c h v i n e , Albinus, F l a c c u s , F l a c c u s Albinus), geb. 730 in N o r t h u m b r i e n , e r h i e l t s e i n e B i l d u n g in d e r S c h u l e v o n York, d i e e r s p ä t e r v o n 778 bis z u m J a h r e 781 l e i t e t e ; in d i e s e m J a h r e berief ihn K a r l d e r G r o ß e an seinen H o f , w o e r a l s O r g a n i s a t o r d e s B i l d u n g s - u n d U n t e r r i c h t s w e s e n w i r k t e . 796 w u r d e e r A b t v o n St. M a r t i n in T o u r s , w o er e i n e n M u s t e r u n t e r r i c h t e i n r i c h t e t e . E r s t a r b d o r t 804. S c h r i f t s t e l l e r i s c h h a t e r B e d e u t u n g neben d e r Ü b e r t r a g u n g b e s o n d e r s d e s griechisch-lateinischen Kulturgutes durch seine Rezeption der augustinischen u n d c a s s i a n i s c h e n S e e l e n l e h r e . E r b e a r b e i t e t e d i e s e u n d w u r d e so d e r A u t o r d e r e r s t e n P s y c h o l o g i e d e s M i t t e l a l t e r s . D i e S e e l e ist u n k ö r p e r l i c h u n d u n s t e r b l i c h u n d in ihren Willensentscheidungen frei. S c h r i f t e n : Gesamtausg.: J . P. Migne, Patrología Latina, 100—101, Paris 1851. L i t e r a t u r : K. Werner, D. Entwicklungsgang d. mittelalterl. Psychol. v. A. bis Albertus Magnus, 1876. — R., Werner, A. u. sein Jahrh., Ein Beitrag zur christl.-theolog. ¡Literaturgesch., 2. A 1881. — Kreuthe, Die Unsterblichkeitslehre in d. Scholastik von Alcuin
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Alemanni — Alexander von Hales
bis Thomas v. Aquin, Fulda 1918 — F. G. Browne, Alcuin of York, London 1908. — E. M Wilmot-Buxton, A., London 1922. — M. Boas, A. u. Cato, Leiden 1937.
Alemanni, Vittore. Salerno. Positivist. S c h r i f t e n : Introduzione ad una psicologia del dubbio, Riv. di filosofia, 1903. — L'elemento psichico, 1903. — P. Ceretti, 1903.
d'Alembert, Jean Lerond, geb. 16. November 1717 in Paris, gest. 29. Okt. 1783. Mitglied der Akademie, Mitherausgeber der Enzyklopädie, deren Einleitung er schrieb. Naturwissenschaftler. D'A. legt mit seiner Lehre, daß es die Philosophie einerseits nicht mit metaphysischen Hypothesen, andererseits aber auch nicht ausschließlich mit Eindrücken im naturalistischen und materialistischen Sinne zu tun hat, sondern auf Grund der definitorischen und vergleichenden Kraft des Denkens zu einem methodischen Aufbau der Wissenschaften zu gelangen vermag, den Grund des Positivismus. Theoretisch vermögen wir außer Phänomenen nicht; zu erkennen, ihr Wesen also und die Frage einer Realität der Außenwelt oder die Materie sind unserer Erkenntnis unzugänglich. Die Skepsis gegenüber allen Aussagen über diese Probleme blejbt allein übrig. Sie kann aber nicht das Erfahrungswissen betreffen, und die Erfahrungswissenschaft erweist ihre Berechtigung darin, daß sie uns die Möglichkeit unseres Handelns schafft. Im Sinne dieser Wissenschaft wird es möglich, von einer Außenwelt zu sprechen, die spekulativ niemals als real gesichert werden kann. Dem Denken fällt die Aufgabe zu, die Begriffe, die für die Beherrschung der Phänomene herangezogen werden, in Beziehung zueinander zu setzen, sie zu vergleichen und zu vereinigen, um so zu der Feststellung von festen Abhängigkeiten in der Welt der Erfährung zu gelangen. Alle Phänomene, die in den Wissenschaften erforscht werden, hängen als eine einzige Tatsache miteinander zusammen, und wir könnten diese Einheit mit einem einzigen Begriff umfassen, wenn unser Denken dazu ausreichen würde. Das Vorhandensein dieser Einheit äußert sich in der inneren Verbindung der wissenschaftlichen Urteile sowie in dem Zusammenhang der Einzeldisziplinen untereinander. — Das Prinzip der Sittlichkeit ist das Interesse der Individuen, das mit dem öffentlichen Wohl der Gesellschaft zusammenstimmen muß. S c h r i f t e n : Traité de dynamique, Paris 1743; dtsch. in: Ostwalds Klassiker. Nr. 106. — Discours préliminaire de l'encyclopédie, Paris 1751; deutsch Lpz. 1911. — Mitherausgeber: Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers, par une société de gens de lettres, 33 Bde., 1751—1777. — Mélanges de littérature, d'histoire et de philosophie, Paris 1752, 1770, 5 Bde. — Essai sur les éléments de philosophie, Paris 1759. — Oeuvres philosophiques, historiques et littéraires, v. Bastian, Paris 1805, 18 Bde.; v. Didot, Paris 1821, 5 Bde. L i t e r a t u r : L. Kunz, D. Erkenntnistheorie d'Al.'s, Arch. f. Gesch. d. Philos. 20 (1907), 96—126. — M. Schinz, D. Anfänge d. franz. Positivismus I: D. Erkenntnislehre, Straßburg 1914. — Müller, Maurice, Ess sur la philosophie de J. d'A., Paris 1926.
Alexander, Bernhard, geb. 1850, gest. 1927. Professor in Budapest. Verbreiter und Verfechter der Kantischen Philosophie in Ungarn. S c h r i f t e n : Kants Lehre vom Erkennen, Diss., Lpz. 1877. — Biogr. Kants, I, 1881. — Übersetzung von Kants Prolegomena 1887, 2. Aufl. 1909 und Kritik d. r. V., 1892, 2. Aufl. 1909. — Kr. d. pr. V., 1921. — Der Pessimismus des 19. Jahrh., 1884. — Die Kunst, 1898. — Diderot-Studien, 1908. — Spinoza, 1923. L i t e r a t u r : Festschr. z. 60. Geb., 1910.
Alexander von Damaskus, um 170 n. Chr. Peripatetiker in Athen. Alexander von Haies, geb. zu Haies um 1175, starb 1245, lehrte in Paris Theologie, trat 1231 in den Franziskanerorden ein. „Doctor irrefragabilis" (der UnPhilosophen-Lexikon
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Alexander Neckham — Alexander, Samuel
widerlegbare). A. gelangte zur Berühmtheit durch seine umfangreiche Summa universae theologiae, die unvollendet blieb; es ist nicht sicher, daß A. der alleinige Verfasser dieses Werkes ist. Auch A. will in seiner Summa, wie die anderen Autoren von Summen und Sentenzenbüchern, ein System der Theologie geben und verfährt neben der Verwendung der Sic-et-non-Methode des Abaelard dialektisch. Alexander rezipierte die g e s a m t e aristotelische Philosophie und verwandte sie gleichmäßig zur Begründung der Theologie; da et in allen Fragen, in denen Aristoteles gegen die Kirchenlehre steht, den Piatonismus und vor allem die augustinischen Lehren heranzieht, entwickelte er eine besondere von Augustin mitbestimmte Geisteshaltung, die für das 13. Jahrh. vorbildlich wurde. Erkenntnistheoretisch lehrt er die Realität der Universalien, wobei er diese als im Verstände Gottes nicht selbständig existierend auffaßt. Sie fallen nach ihm als Causa exemplaris mit der göttlichen Causa efficiens zusammen; als Form der Einzeldinge sind sie in re. In der Kosmologie nimmt A. sodann eine Schöpfung der Welt durch Gott an, in welcher er sich offenbart, so daß uns die Dinge der Erfahrung Gott und sein Wesen erkennen lehren können; es findet sich bei ihm auch der ontologische Beweis für die Existenz Gottes, wie ihn Anselm von Canterbury entwickelt hat. Der Schöpfung und allem Einzelnen in ihr, wie auch den Seelen, sind Materie und Form als Elemente eigentümlich, wie A. nach dem Vorgange Plotins annimmt. In seiner Psychologie trennt A. den Intellectus agens von .dem Intellectus possibilis, ohne daß doch der erstere als selbständige Substanz außerhalb der Seele wäre, wie er gegen die islamitischen Philosophen betont; auch er gehört als eine besondere Eigenschaft zur vernünftigen Seele. Über der wirkenden vernünftigen Seele steht als erster Beweger Gott und sein urgeistiger Intellekt, durch den der menschliche Intellekt zum Begreifen überrationaler Wahrheiten erleuchtet wird. S c h r i f t e n : Doctoris irrefragabilis A. d. H. 0. M. Summa theologica, studio et cura P. S. Collegii S. Bonaventuras édita, Ad Claras Aquas (Quaracchi), T. I; 1924; II, 1928; III, 1930. L i t e r a t u r : J . A. Endres, Des A. v. H. Leben u. psychol. Lehre, Philos. Jahrb. I (1888) 24—55, 203—225, 227—296. — P. Minges, D. theologische Summe Wilhelms v. Auxerre u. A. v. H., Theolog. Quartalsschr. 97, 508—529, Tüb. 1915. — P. Duhem, Le système du monde, III 399—407; V 316—341, Paris 1913—17. — Jakob Bisson, Die Willensfreiheit bei A. v, H., Fulda 1931. — Johann Fuchs, Die Proprietäten des Seins bei A. v. H., München 1930. — Ernst Schlenker, D. Lehre v. d. göttlichen Namen in d. Summe A. v. H,s, Freiburg 1938. Alexander Neckham, gest. 1217 zu Kempsey. A. lehrte um 1180 in Paris, 1213 Abt von Cirencester. A., besonders Naturwissenschaftler, war erkenntnistheoretisch Realist (Universalia ante res). Alexander, Samuel, geb. 6. Jan. 1859 zu Sidney, Australien, studierte in Oxford. 1893 bis 1923 Professor der Philosophie in Manchester, gest, 13. September 1938 ebda. A. vertritt einen erkenntnistheoretischen Apriorismus und Objektivismus. In der Verbindung von Raum und Zeit, deren Bestandteile Punkt-Momente oder reine Ereignisse sind und sich in einem System von Bewegungen darstellen, findet er die umfassende Realität. Aus ihr erst entstehen Dinge als Komplexe von Bewegungen. Das Vorhandensein von Kategorien als durchgehenden Zügen des Weltalls läßt er gelten (Identität, Relation, Substanz und Kausalität). Daneben gibt es als empirische Züge die Qualitäten, die in einer Rangordnung stehen (Materialität, Farbe, Leben, Bewußtheit), deren innere Richtung analog ist der von Körper zu Geist.
Alexandras von Aigai — Alexandros von Aphrodisias
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Die gleiche Überordnung des Geistigen zeigt sich im Erkenntnisvorgang, bei dem der Geist ein ihm gegenüber niedrigeres Objekt vorstellt. Subjekt wie Objekt werden in die Raum-Zeitwirklichkeit eingeordnet. Da bei allem Erkennen eine Auswahl aus dem Vorgestellten vollzogen wird, entsteht ein Unterschied zwischen Erscheinung und Wirklichkeit. Die Erscheinungen selbst werden im Hinblick au! das in ihnen Erscheinende der Wirklichkeit eingeteilt in reale Erscheinungen, die die Wirklichkeit zum Ausdruck bringen, bloße E., die in ihrem dinglichen Charakter nicht präzisiert werden, und trügerische E., bei denen das érkennende Subjekt in die Erscheinung willkürlich wirklichkeitsfremde Elemente einführt. Ihren objektiven Charakter behalten die Erscheinungen aber durchweg. Als Ethiker vertritt A. einen geläuterten Evolutionismus, wobei er im Gegensatz zu Spencer den ethischen Charakter der Entwicklung betont und eine vollkommene Anpassung des Menschen an die Umwelt und eine darauf beruhende vollkommen mögliche Moral deshalb leugnet, weil die Umgebung des Menschen sich ständig wandelt. Der sittlich geformte Kampf ums Dasein kennt an Stelle der Ausrottung die Formen der Erziehung und Überredung. Das Gute erscheint in ihm als das Ideal, das sich als das geeignetste im Kampf zwischen den Idealen erhalten hat. Gott ist das ideale Ziel des Emporstrebens des Weltalls. S c h r i f t e n : Moral Order and Progress, Lond. 1889. — Locke, 1908. — Space, Time and Deity, Gifford Lectures, 2 Bde, Lond. 1920, 2. Aufl. 1927. — Spinoza and Time, Lond. 1921. — Art and instinct, Oxford 1927. — Art and the material, Manchester 1925. — Beauty and other forms of value, London 1933. — Zahlr. Aufs., in Procs. of British Academy, Mind, British J . of Psychol., Holborn R. N. S., J . of Philos. Studies, Procs. of Arist. Soc. L i t e r a t u r : A. F. Liddell, A.'s Space, Time and Deity, Chapel Hill, N, Carolina 1925. — P. Devaux, Le système d'Alexander, 1929. — G. van Hall, The Theory of Knowledge of S. A., 1936. — Metz, Rudolf, Die philos. Strömungen in Großbritannien, 1935, Bd. II, S. 169—196. Alexandros von Aigai, Peripatetiker aus dem 1. J a h r h . n. Chr., Lehrer des Kaisers Nero, forschte besonders zur aristotelischen Kategorienlehre. L i t e r a t u r : H. Martin, Questions connexes sur deux Sosigènes . . . et sur deux péripatéticiens Al,, l'un d'Égée et l'autre d'Aphrodisias, Ann. de la faculté des lettres de Bordeaux, 1 (1879), 174—187. Alexandros von Aphrodisias (Karien), der hervorragendste Kommentator des Aristoteles, lebte um 200 n. Chr. und lehrte von 198—211 peripatetische Philo: sophie in Athen. Obwohl er in seinen Kommentaren nur die reine Lehre des Aristoteles wiedergeben und verdeutlichen will, weicht er von der aristotelischen Lehre ab. Nach ihm existiert das Allgemeine nur im Denken. E r unterscheidet drei Arten des Nous: den natürlichen (voûç œuatxôç), der die Noesis vor allem ihrer Möglichkeit nach ist, zweitens den wissenden (voûç èmcnrjxoç), der die Fähigkeit zur Anwendung der Vernunftkraft darstellt. Drittens den gestaltenden (voûç 7:oir(Tix6ç), der die Entwicklung des ersten zum zweiten Nous bewirkt und von außen in uns hereintritt: die Gottheit. Ein Teil der Kommentare und Schriften ist erhalten. S c h r i f t e n : Commentaria in Aristotelem Graeca, Berl. Akad. I; II, 1—3; III, 2; Suppl. Aristot., ebd., II, 1—2. — Themistii opera, Venet. 1534 (De Anima, De fato). — Quaest. nat. et mar., ed. L. Spengel, Monachii 1842. L i t e r a t u r : A. Günß, Die Abhandl. AI. v. Aphr. üb. d. Intellekt, mit Einleitung über die Nouslehre des A., Bln. 1886, Lpz. Diss. — J . Freudenthal, Die Fragm. AI. usw., Abh. Berl. Akad. 1885. — Volait, Georges, Die Stellung des A. v. A. zur Aristotelischen Schlußlehre, Halle 1907. 2*
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Alexandros von Lykopolis — Alkendi
Alexandras von Lykopolis (Ägypten), Neuplatoniker, der in seiner Lehre der alexandrinischen Richtung nahesteht, lebte um die Wende des dritten und vierten Jahrhunderts n. Chr. L i t e r a t u r ! K Praechter, Byz. Ztschr. 21 (1912) 9 ff.
Alexandros Polyhistor (um 80 v. Chr.) gab einen Bericht über die pythagoreische Lehre, der vielfach den Einfluß stoischer Anschauungen zeigt. L i t e r a t u r : Diog. Laert. 8, 24 ff.
Alexinos, Schüler des Eukleides von Megara, der eine scharfe Eristik handhabte, unternahm es, jede bestimmte philosophische Ansicht zu bestreiten. Alfredus Anglicus (Alvredus Anglus oder de Sarevel, Sarechel, Sarchel, Sareshel, Sereshel), um 1200, unternahm, wie bereits Wilhelm von Auvergne versucht hatte, die Verbindung des platonischen mit dem aristotelischen Begriff der Seele, indem er einerseits sie als unkörperlich und vernunfthaft, andererseits als Formprinzip oder Entelechie des Körpers bestimmte. Er eröffnete zugleich damit der Physiologie den Zugang zur Psychologie und bemühte sich um eine Lokalisation der psychischen Funktionen im Körper; so bezeichnete er beispielsweise das Herz als den Sitz der Seele und zugleich des aristotelischen Nous. S c h r i f t e n : Cl. Baeumker, Des Alfred von Sareshel Sehr. De motu cordis. Zum erstenmal hrsg., Beiträge z. Gesch. d. Philos. d. Mittelalt. XXIII 1—2, Münster 1923.
Algazel (Gazali; Abu Hamid Mohammed, Ibn Ahmed Al-Gazali), geb 1059 zu Tus in Chorasan, gest. 1111 bei Tus. A. war Lehrer in Bagdad, später in Syrien Sufi. Er verband erkenntnistheoretischen Skeptizismus durch neuplatonistische Elemente mit orthodoxer theologischer Überzeugung. Philosophisch ist vor allem des A. Leugnung der Verbindlichkeit des Kausalitätsgesetzes wichtig. Wie später Malebranche vertritt auch A. den Okkasionalismus, der die Naturnotwendigkeit in der Kausalität verneint und Gott durch sein Eingreifen in jeden Fall von Kausalität die kausale Verbindung bewirken läßt. Als Beispiel zieht er den physikalischen Vorgang des Brennens und Verbrennens heran und wéist darauf hin, daß die Philosophen für die Herstellung des Kausalnexus zwischen dem Feuer und dem Verbrennen des Brennenden kein anderes Zeugnis angeben können als die Beobachtung der Folge, des Zusammentreffens der Verbrennung mit der Berührung durch das Feuer. Aber dieses Zeugnis besagt nur, daß sie mit dieser sich ereignet, aber" nicht, daß sie aus ihr eintrifft und daß nicht eine andere Ursache statthabe außer ihr. Das Auseinander der Kausalverbindung wird zum bloßen Nacheinander, dessen Zusammenhang unverkennbar ist. S c h r i f t e n : Die Erneuerung der Religionswissenschaft, als .„Islamische Ethik" teilweise übersetzt von H. Bauer u. H. Wehr, 1916—1940. — Das Elixier der Glückseligkeit, Auszug von H. Ritter, 1924. — Der Erretter vom Irrtum, Selbstbiogr., engl, hrsg von C. Field, London 1909. L i t e r a t u r : Boer, Tjitzede, Die Widersprüche der Philosophie nach Al-Gazzali und ihr Ausgleich durch Ibn-Rosd, Berlin u. Leipzig 1894. — M. Horten, Die Philosophie des Islam, Bonn 1924, 227—234. — Carra de Vaux, Gazali, Paris 1902. — H. Frick, Ghazälis Selbstbiographie, Ein Vergleich mit Augustins Konfessionen, 1919; Theol. Literaturzeitung 1920, 30 f.; 1922, 446—448. — L. Obermann, Der philosophische und religiöse Subjektivismus G.'s, 1921. — J . Hell, Von Mohammed bis Ghazäli, 1925, 75—138. — Karim Azkoul, Al-Ghazali, u. d. Titel: Glaube und Vernunft im Mohammedanismus, München 1938. — A. J . Wensinck, La pensée de G., Paris 1940.
Alkendi, geb. zu Basra um 800, gest. 870. Aristoteliker, der erste Philosoph der Araber. Er gibt der Mathematik hervorragende Bedeutung für die Begründung aller Wissenschaft.
S c h r i f t e n : Die philosophischen Abhandlungen des Ja'qüb ben Ishäg al-Kindi, 1897, in Baeumker, Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters, hrsg. von A. Nagy.
Alkidamas — Althusius
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Alkidamas, Sophist. Schüler des Gorgias. Alkinoos. Wird als Platoniker genannt. L i t e r a t u r : J . Freudenthal, Hellenistische Studien, 1879.
Alkmeion, Arzt aus Kroton, um 520 vor Chr., jüngerer Zeitgenosse des Pythagoras, vertrat mit dem Pythagoreismus die Lehre von den Gegensätzen, die er besonders auf die Therapeutik übertrug. Allen, Charles Grant, geb. 24. Februar 1848 in Kingston in Kanada, gest. 24. Oktober 1899 in Surrey. 1873—1876 Professor der Philosophie in Spanish Town. Lebte dann in England. Wendet die evolutionistischen Theorien auf die Ästhetik an. Er führt die ästhetische Tätigkeit auf den Spieltrieb zurück, betont aber den passiven Charakter des Kunstgenusses. S c h r i f t e n : Physiological aesthetics, 1877. — The colour sense, 1879, deutsch 1883. — The Evolutionist at large, 1881. — Charles Darwin, 1885. — Force and energy, 1888. — The Evolution of the idea of God, 1897, deutsch 1906. — Ferner: Strange stories, 1884. — The Woman who did, 1895, deutsch 1896. — The British barbarians, 1896. — Autobiographie: Philistia, 1884. L i t e r a t u r : Clodd, G. A., 1900.
Allievo, Giuseppe, geb. 1830, verstorben. Professor in Turin. Idealist. S c h r i f t e n : Saggi filosofici, Mil. 1866. — L'hegelianismo, la scienza e la vita, Mil. 1868. — Studi psico-filos., Tor. 1896. — Principii di metafísica, antropología, e lógica, Tor. 1897. — Esame dell' hegelianismo, Torino 1897, 1904. — L'uomo e la natura, in: Atti R. Accad. d. Sc. di Torino, 1906. L i t e r a t u r : A. Paoli, Delle dottrine filos, e pedag. di Giuseppe Allievo, Fermo 1878. — Gerini, La mente di Gius. Allievo, Tor. 1904.
Allihn, Friedr. Heinrich Theodor, 1811 bis 1885. Anhänger von Herbart. S c h r i f t e n : Antibarbarus logicus, 1850. — Der verderbliche Einfluß der Hegelschen Philosophie, 1852. — Die Umkehr der Wissenschaft in Preußen, mit besonderer Beziehung auf Stahl und auf die Erwiderungen seiner Gegner Braniss und Erdmann, 1855. — Die Grundlehren der allgemeinen Ethik nebst einer Abhandlung über das Verhältnis der Religion zur Moral, 1861. — Grundriß der Ethik. Neu bearbeitet und erweitert von O. Flügel, 1898.
Alrutz, Sidney, 1868 bis 1925. Dozent der Psychologie in Uppsala. A. erforschte die Dynamik des Nervensystems. S c h r i f t e n : Über den Schmerzsinn, 1901. — Zur Physiologie u. Psychologie der Gemütsbewegungen, 1901.
Alstedt, Joh. Heinrich (Alstedius), geb. 1588, gest. 1638, Professor in Herborn. Anhänger des Ramus, in gemäßigter Weise. „Semi-Ramist". S c h r i f t e n : Politica, 1603, 1610. — Panacea philosophica, Herborn 1610. — TheoIogia scholastica, 1618. — Cursus philosophici Encyclopaedia, Herb. 1620. — Compendium philosophicum, 1626. — Encyclopaedia Septem tomis distincta, Herb. 1630.
Althusius, Johannes (Althus, Althusen), geb. 1557 zu Diedenhausen, gest. 1638 in Emden. 1586 Rechtslehrer in Herborn. A. ist einer der Rechtsphilosophen der Reformation, welche die Naturrechtslehren von der Volkssouveränität und dem Widerstandsrecht begründeten. Die Politik hat nach A. die Aufgabe, für die Durchführung des natürlichen Sittengesetzes und des Willens Gottes in der Gesellschaft Sorge zu tragen. Die Wissenschaften, welche die Aufgaben der Politik erforschen und untersuchen, sind Philosophie und Theologie. Die menschliche Gesellschaft beruht auf dem Vertrage, der entweder stillschweigend oder ausdrücklich abgeschlossen wird. Zum Zusammenschluß führt ein natürliches Bedürfnis der Men-
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Amafinius — Ambrosius
sehen, welches zu seiner Erfüllung den Gesetzen des Verkehrs, der Leitung und der Verwaltung untersteht und zu den Formen der Familie, der Korporation, der Gemeinde, der Provinz und des Staates führt. Der Staat ist die universale öffentliche Vergesellschaftungsform, sein Ius maiestatis gründet in dem Willen des Volkes, das der eigentliche Souverän ist. Ihm sind darum auch die Träger der Regierungsgewalt verantwortlich. Der öffentlichen Gewalt des Herrschers, dem Summus magistratus, stehen die Ephoren als die Rechtsvertreter des Volkes gegenüber; sie wählen auch den Herrscher, der mit dem Volke durch einen widerrufbaren Vertrag verbunden ist. S c h r i f t e n : Politica etc., Herborn 1603, erweitert: Groningen 1610. — Dicaeologicae libri III etc., Herborn 1617, Frankf. 1618 u. ö. L i t e r a t u r : O. Gierke, J . A. u. d. Entwickl. d. naturrechtl. Staatstheor., in: Unters, z. dtsch. Staats- u. Rechtsgesch., Breslau 1880, 4. Aufl., 1929. — Wilfried Buchholz, Rousseau u. A., Diss., Breslau 1922.
Amafinius. Aus Cicero bekannter früher römischer Philosoph. Amalrich von Bene (Amaury de Bene, bei Chartres), gest. 1206/07 zu Paris. Nach Gerson verfocht A. die These des Pantheismus, Gott und die Schöpfung seien eins. A. soll gelehrt haben, daß Gott die Essenz aller Kreaturen und alles Seins sei, ferner, daß Gott wie das Licht nicht in sich selbst sichtbar sei, sondern in dem Medium der Luft, ebenso weder von einem Engel noch von einem Menschen gesehen werden könne, sondern nur in der Schöpfung. — Die Anhänger A.s bildeten die häretischen Ansichten ihres Meisters besonders auch nach der ethischen Seite hin aus. Nach ihnen gibt es kein Recht, gut und böse zu trennen; denn von Gott stammt alles. Ebensowenig kann daher von Verdienst oder Schuld gesprochen werden; die Gotteserkenntnis allein ist das Entscheidende, wer sie besitzt, mag fröhlich sein; denn er hat die Freiheit. Darum ist die Gesinnung allein wichtig, nicht die Werke. Auferstehung und Jüngstes Gericht sind eine Fabel: die richtige Erkenntnis Gottes bedeutet bereits den Himmel, die Abwendung von ihm die Hölle. Alle diese Lehren verwarfen die Synode zu Paris 1210 und das vierte Laterankonzil 1215. Gegen die Amalricaner ging man mit Gefängnis- und Scheiterhaufenstrafe vor und verbot gleichzeitig mit den Werken des Johannes Eriugena auch die des Aristoteles über die Natur. L i t e r a t u r : Kroenlein, Jos. Herrn., Diss. de genuina A. a Benae . . . doctrina, Gissae 1842. — B. Hauréau, Histoire de la philos. scoi., II 1, 83—107, Paris 1872—1880.
Ambrosi, Luigi. 1870 bis 1924. Privatdozent in Rom, Professor für Geschichte der Philosophie in Pisa. Vertritt einen dynamischen Monismus auf spiritualistischer Basis.
S c h r i f t e n : Saggio sull' Immaginazione, Roma 1892. — Sulla natura dell' inconscio, ebenda 1893. — La dottrina dell' sentimento nella storia della filosofia, ebenda 1894. — La psicologia dell' immaginazione nella storia della filosofia, ebenda 1898. — I principii della conoscenza, ebenda 1899. — Che cos'è la materia? ebenda 1899. — Il primo passo alla filosofia, 3 vol., 1902/04, 5. Aufl. 1912. — Lotze e la sua filosofia, Roma 1912. — L' „Einfühlung" nella storia della filosofia, Roma 1913. — Psicologia applicata all' Educazione, Roma 1914/18. — Dottrina morale sec. principii della dottrina della Scienza di G. A. Fichte, Trad. it. e Introd., Mil. 1918.
Ambrosius, geb. wahrscheinlich zu Trier etwa 340 n. Chr., gest. 4. April 397 in Mailand. Bischof von Mailand 375. A. ist philosophisch charakterisiert durch seine 386 verfaßte ethische Schrift De offieiis ministrorum, die unter dem Einfluß von Ciceros De offieiis entstand. Nach A. ist das Ziel die ewige Glückseligkeit in Gott in einem jenseitigen Leben, und Tugend ist die Ausrichtung auf
Amelios — Ammonios Sakkas
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dieses Ziel. Bei A. sind also Glückseligkeit, Tugend und ewiges Leben in eigenartiger Weise zu einer Einheit zusammengeschlossen. S c h r i f t e n : Migne, Patrologia Latina, Bd. 14—17, Paris 1845 u. 1866. — De officiis ministrorum, hrsg. von Krabinger, 1857. — Schriften deutsch in; Bibl. der Kirchenväter, 3 Bde., 1914. L i t e r a t u r r Th. Schmidt. A . , s e i n Werk De officiis libri très u. die Stoa, Erlang. 1897, I.D. — P. Cannata, De S. A. libris, qui inscribuntur De officiis ministrorum, quaestiones, Modica 1909. — Maria Assunta Nagl, D. h. A., Münster 1940. — Jakob Rinna, Die Kirche als Corpus Christi Mysticum beim hl A., Rom 1940.
Amelios (Gentiiianus), einer der ältesten Schüler Plotins, hörte ihn seit 246 in Rom. Seine beiden weiterführenden Hauptlehren betreffen den Nous, den er in drei Hypostasen auseinanderlegte und diese als den dreifachen Demiurgen, auch als drei Könige benannte: den Seienden, den Habenden und den Schauenden; sowie die Seele, deren Vielheit er in der Einheit der Weltseele zusammenfaßte. Amerbach, Vitus, 1494 bis 1557. Professor in Wittenberg und Ingolstadt. Streitet gegen Melanchthons Lesart: âvSeXéxeta statt der Aristotelischen Entelechie. S c h r i f t e n : Libri quattuor de anima, Arg. 1542. — De philosophia naturali, 1549. L i t e r a t u r : Fischer, Ludwig, Veit Trolmann, gen. Vitus Amerpachius als Professor in Wittenberg, Freiburg 1926.
Ameseder, R. Bibliothekar an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Anhänger Meinongs. Ihm verdankt die Gegenstandstheorie die Kennzeichnung des Objektivs als des Gegenstandes, der nicht nur günstigenfalls Sein hat, sondern unter allen Umständen Sein ist. Auf einem Grenzgebiet zwischen Werttheorie und Ästhetik bewegen sich seine Untersuchungen über Wertschönheit. S c h r i f t e n : Elemente der Gegenstandstheorie, 1908.
Amiel, Henri Frédéric, geb. 27. September 1821 in Genf, gest. 11. Mai 1881 in Genf. Psycholog. Professor der Philosophie an der Genfer Universität. S c h r i f t e n : Fragments d'un journal intime. 2 Bde., 1883/84. — Fragments inédits du journal intime, publ. par Bernard Bouvier, Paris 1927; dte. Auswahl, hrsg. von E MerianGenast, 1944. L i t e r a t u r : A Thibaudet, H. F. A., Paris 1929. — Hilz, Hedwig, H. F. Amiel und die Deutschen, Münster 1930. — Merian-Genast, Ernst, H. F. Amiel im Spiegel der europäischen Kritik 1881, Marburg 1931.
Amnion, Otto, geb. 7. Dezember 1842, gest. 15. Januar 1916. Sozialbiologe, der die Rassenlehre in der Soziologie stark betont. Er sucht auf Grund statistischer Nachweise die These zu belegen, daß die besseren Rassen in den höheren Ständen vertreten sind, während die niederen Stände von vorarischen Rassen abstammen. Schriften: ordnung und ihre Literatur: lagen nach O. A.
Die natürliche Auslese beim Menschen, 1893. — Die Gesellschaftsnatürlichen Grundlagen, 3. Aufl. 1900. Tanck, Paul, Die Gesellschaftsordnung und ihre natürlichen Grund. . . , Langensalza 1928.
Ammonios von Alezandria. 1. Jahrhundert nach Christus. Lehrer des Plutarch von Chaironeia. Ammonios Hermeioii, Neuplatoniker der alexandrinischen Schule um 500 n. Chr. S c h r i f t e n : A. H. De fato, ed. C. J. Orellius, Zür. 1824. — Arist.-Komment.: Comm. in Aristot. Graeca, ed. Acad. litt. Boruss. Berol. 1882 sqq., IV, 3—6.
Ammonios Sakkas, lebte ungefähr von 175 bis 242 n. Chr. A. S. war der Lehrer des Plotin. Einigermaßen sicher ist der Bericht des Neuplatonikers Hierokles, nach welchem A. eine Vereinigung der Philosophien des Piaton und des Aristoteles angestrebt habe. Eine größere Übereinstimmung mit den von Plotin vertretenen
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Ampère — Anaxagoras
Lehren besteht nach Nemesios in der Psychologie hinsichtlich des Verhältnisses der Seele zu Leib und Nous. L i t e r a t u r : G. V. Lyng, D. Lehre d. A. S., Abhandl. d. Gesellsch. d. Wissensch, z. Christiania, 1874. — E. Zeller, A. S. u. Plotinos, Kl. Schriften II, 91—107, Bln.-Lpz. 1908/10. — F. Heinemann, A. S. u der Urspr. d. Neupiaton., Hermes 61 (1926), 1—27.
Ampère, André Marie, geb. 22. Januar 1775 in Lyon, gest. 10. Juni 1836 in Marseille. Professor der Mathematik und Physik. A. teilt die Wissenschaften in kosmologische und Geisteswissenschaften ein (sciences cosmologiques und noologiques). S c h r i f t e n : Essai sur la philosophie des sciences, 2 Bde., 1834/43, 2. Aufl 1857. L i t e r a t u r : Barthol. Saint - Hilaire, Philosophie des deux Ampères, 1866. — J. J. Ampère, Introduction à la philosophie de mon père, 1855.
Anatolios von Alexandreia, hervorragender Gelehrter, dem der Lehrstuhl für aristotelische Philosophie in Alexandria übertragen wurde. Er wurde um 268 n. Chr. Bischof von Laodikeia. Es ist wahrscheinlich, daß er der Lehrer des Iamblichos gewesen ist. In seiner mathematischen Abhandlung stützt er sich auf den Timaioskommentar des Poseidonios und zeigt sich durch pythagoreische Zahlenspekulation beeinflußt. L i t e r a t u r : J. L. Heiberg, Anatolius sur les dix premiers nombres, Mémoire lu au Congr. d'hist. des sciences, Paris 1900, Mâcon 1901. — Fragm. eines mathem. Werkes bei Hultsch, Heronis Alex. geom. et stereom. reliqu., Bln. 1864, 276—280. — G. .Borghorst, De A. fontibus, Bln. 1905, Diss.
Anaxagoras aus Klazomenai (Kleinasien), lebte etwa von 499/8 v. Chr. bis 428/7 v. Chr. In Athen, wo er 30 Jahre verbracht haben soll, war er ein Freund des Perikles, wurde aber schließlich auf Betreiben der politischen Gegner des Perikles der Gottlosigkeit angeklagt, weil er lehrte, daß die Sonne eine glühende Masse sei. Er war dadurch gezwungen, Athen zu verlassen (431 v. Chr.), und wandte sich nach Lampsakos, wo er wahrscheinlich auch gestorben ist. — Von Piaton und anderen wird die philosophische Schrift des Anaxagoras erwähnt, die den Titel flspl cpôûEwç getragen haben soll. — Empedokles hatte vier Elemente von qualitativ verschiedener Beschaffenheit angenommen; A. lehrt demgegenüber, daß es eine unendlich große Zahl solcher Urstoffe gäbe. Was nun aus qualitativ gleichartigen Teilmengen besteht, wie das Wasser, dessen einzelne Mengen dem Ganzen gleichartig sind, ist in der Weise entstanden, daß die Teile, die zwar vorhanden, aber voneinander getrennt waren, sich miteinander verbanden, und zwar in einer Bewegung, die von der Weltvernunft, dem Nous, hervorgebracht wurde. Die Vereinigung der Teile ist das scheinbare Werden, ihre Trennung die scheinbare Zerstörung. A. sagt: „Werden und Vergehen sind unrichtige Vorstellungen der Griechen; denn kein Ding wird, noch vergeht es, sondern es mischt sich aus bereits vorhandenen Dingen oder zerscheidet sich wieder. Und so könnte man richtigerweise das Werden einen Mischungs- und das Vergehen einen Zerscheidungsprozeß nennen" (Vors. 46, B 17). Diese ein Größeres ergebenden gleichartigen Teile nennt Aristoteles dann Homöomerien, die also soviel wie die homogenen Urstoffe bedeuten. A. selbst bezeichnete sie als Zeugungsstoffe oder Samen aller Dinge, zuweilen auch selbst als Dinge. Von den Dingen der erfahrbaren Wirklichkeit ist nichts wirklich und rein gleichteilig, sondern stets auch ein Gemisch aus heterogenen Teilchen. Rein und ohne Beimischung ist nur der Geist. Ihn setzt A. an Stelle der Kräfte der Liebe und des Hasses, die Empedokles für die Weltentstehung in Anspruch nahm. Er sagt: „Und alles in der Beschaffenheit, wie es werden sollte und wie es war, sofern es jetzt
Anaxarchos — Anaximandros von Milet
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nicht mehr ist, und alles in der Beschaffenheit, wie es jetzt ist, ordnete der Geist" (Frgm. 12). Der Geist ist im Gegensatz zu den immer zusammengesetzten Dingen einfach, von keinem anderen abhängig und beherrscht das Materielle. Zugleich aber bestimmt A. den Geist doch als ein Materielles, wenn er lehrt, daß der Geist das feinste und reinste aller Dinge sei. — Vor der Weltentstehung waren alle Dinge im Zustande der Ruhe beisammen, „dann kam der Geist und ordnete sie" (vouç itavta 8isxóff¡x7¡(is), indem er eine Bewegung unter ihnen erzeugte. Diese Bewegung nahm ihren Anfang in einem Wirbel an einem einzelnen Punkt, in den dann immer mehr Dinge hineingezogen wurden. Es schieden sich zuerst dr¡p {das Kalte, Feuchte, Dichte, Dunkle) und «i&^p (das Warme, Trockene, Lichte), die Scheidung ging dann weiter, ohne daß sie jemals zum Abschluß kommen kann. Das Warme und Lichte sammelte sich am Rande des Wirbels, während das Kalte und Dunkle zu dem Mittelpunkt getrieben wurde. Aus diesem entstand die Erde. Sie ist flach und wird von der Luft getragen. — Die Gestirne, so lehrt A. gegen die weitverbreitete Meinung, sie sich als beseelte Wesen vorzustellen, sind leblose Körper und entstanden aus von der Erde losgerissenen Steinmassen, die sich in Rotation befinden. Der Mond, der nach A. bewohnt ist, erhält sein Licht von der Sonne, wie auch Parmenides lehrte, und es ist möglich, daß A. die wirkliche Ursache der Mondfinsternis erkannt hat. — Der Nous ist unmittelbarer Bestandteil der Pflanzen, Tiere und Menschen, in denen er Empfindung bewirkt. Er ermöglicht ferner Bewegung, Vorstellen, Erkennen und Handeln. Empfunden und erkannt wird etwas nur durch ein Ungleichartiges; denn'allein das Ungleichartige kann aufeinander Eindruck machen (gegen Parmenides). Die Sinne geben nur ein mangelhaftes Wissen, wahre Erkenntnis kann nur die Vernunft geben. A. schätzt den Wert des Denkens so hoch, daß das Erkennen der Weltordnung das höchste Glück für den Menschen ist. L i t e r a t u r : Diels, Vors., c. 46 (Nachtr. in Vörs.1). — P. Tannéry, La Théorie de la matière d'A„ Rev. philos. 1886, 255—271. — M. Heinze, Über den MOÜ« d. A., Ber. d. Ges. d. Wiss., phil.-hist. Kl., Lpz. 1890, 1—45, — F. Löwy-Cleve, Die Philosophie des A., 1917,
Anaxarchos (6 Eô8at|iovixôç), Schüler des Demokritschülers Metrodoros oder dessen Schülers Diogenes, Begleiter Alexanders. Von seiner Schrift [lepl ßaaiXeTai sind zwei Fragmente erhalten. L i t e r a t u r : Diels, Vorsokr., c. 56fi. (Nachtr. in Vors.4).
Anaximandros von Milet, Mitbürger, Schüler und Nachfolger des Thaies. Er lebte von 610/9 v. Chr. bis kurz nach 547/6 v. Chr., starb also etwa in dem Jahr der Zerstörung von Sardes (546/5). A. war ein Denker von weitreichendem Einfluß. Seine verlorengegangene Schrift,bekannt unter dem Titel Ilepl ~/Jfi, Athen 1910. — H ¡J.eTE(j.aiç, Athen 1911. —
Borelius — Boskovitsch
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' H Ttepl |*eT£|ji.seu>{ Sdia t ä v EX^VIOV tpiXoa^tpuiv, Athen 1913. — i r ; ; tpiXoa. ij UTroöeaii, Athen 1913. — flEtpa|AccnxT) (¡iu^oXoyia xal urch die preußischen Kulturkampfgesetze wurde seine Tätigkeit in Fulda unterbrochen; er unterhielt eine Zeitlang ein Konvikt in Würzburg. G. steht im wesentlichen auf dem Standpunkt der scholastischen Philosophie, von der er mit James sagt: „Sie ist der akademisch geschulte gesunde Menschenverstand". Wo G. von Thomas abweicht, teilt er meist die Lehrmeinungen des Suarez. So hält er die thomistische Lehre vom realen Unterschied zwischen Wesenheit und Existenz für unhaltbar; „die reale Potenz der Wesenheit kann ohne Existenz derselben nicht gedacht werden". Auch lehnt er die Notwendigkeit eines eigenen Imdividuationsprinzips ab: „Dadurch, daß die mögliche Wesenheit ins Dasein tritt, ist sie auch individuell, denn nur Individuelles kann existieren." Nach dem Ziel seines Philosophierens bestimmen sich die Aufgaben, die G, sich im einzelnen setzt. Er will die theistische Weltanschauung auf feste Grundlagen stellen und gegen moderne Angriffe sichern. Dabei nimmt er mit Vorliebe •die Mathematik zu Hilfe. So versucht er, mit Hilfe der Wahrscheinlichkeitsrechnung festzustellen, daß eine Entstehung der Weltordnung durch Zufall unmöglich ist. Dadurch zieht er sich heftige Angriffe, vor allem von seiten des Trierer Gymnasialprofessors Caspar Isenkrahe zu, stößt aber auf Verständnis und Zustimmung bei Georg Cantor. In seiner philosophischen Schrift: „Das Unendliche mathematisch und metaphysisch betrachtet" (1878) hatte G, „die Möglichkeit einer aktuell unendlichen Menge" darzutun unternommen, und hatte zu beweisen versucht, daß Gott eine aktual, abgeschlossen unendliche Menge — nämlich die der möglichen Dinge — erkenne, die wir Menschen nur als potential unendlich zu erkennen vermögen. G. wurde dafür nicht weniger verspottet als Georg Cantor, der damals mit seiner Mengenlehre und der Lehre von den transfiniten Zahlen hervortrat. Zwischen beiden Forschern kam eine Strecke weit eine Arbeitsgemeinschaft zustande. Seine Hinneigung zu den Naturwissenschaften macht G. besonders für die Arbeit auf Grenzgebieten der Philosophie geeignet. Die Physiologie des Menschen beschäftigt ihn intensiv. Fechners Psychophysik regt ihn zu eigener Weiterarbeit an ihren Problemen an. G. hat „eine Ableitung der logarithmischen Formel auf algebraischem Wege gegeben, während Fechner die Ableitung durch Differentialrechnung durchführt, die nicht allen zugänglich ist". Die Ergebnisse der experimentellen Psychologie machte G. vor allem für die Pädagogik nutzbar. In den Streit um den Spiritismus und um die parapsychischen Phänomene, der durch Experimente Slades vor Zöllner und Fechner entfesselt wurde, griff G, tätig ein. Eine rein physikalische oder rein psychologische Erklärung hält er für unmöglich, „Die Annahme von Geistern, die auch in das menschliche Leben hineinspielen, kann auch von der Philosophie nicht zurückgewiesen werden, muß . . . sogar als wahrscheinlich zugestanden werden." Auch an Darwins Lehren hat
Güttier — Guttmann
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G. den Prüfstein seiner theistischen Weltanschauung angelegt mit dem Ergebnis: „die Abstammungslehre . . . hat vieles für sich. Vom theistischen Standpunkt haben wir nichts gegen sie einzuwenden, im Gegenteil, sie verstärkt unseren teleologischen Gottesbeweis." G, hatte selbst gelehrt: „Unmittelbar ergibt sich die Intelligenz des Weltprinzips aus der erstaunlichen Ordnung und Zweckmäßigkeit des Kosmos", — Völlig ablehnend ist G.s Stellung zu Kant. Er ist der Meinung, daß nur „grundsätzliche Abkehr von Kant" Befreiung vom Subjektivismus bringen könne, und behauptet: „Es gibt überhaupt keinen einzigen Satz Kants, der nicht von Kantianern selbst widerlegt worden ist, selbst das „Ding an sich". Philosophia perennis ist nur die theistische Weltanschauung, die ohne polemischen Hintergrund, mehr in apologetischer Abzweckung, sein „Lehrbuch der Philosophie, Band 1: Theodizee" (1878) entwickelt. Die Existenz eines unendlich vollkommenen Wesens, eines persönlichen, von der Welt unterschiedenen Gottes, der ihr immanent und doch transzendent ist, ist gleichzeitig Beweggrund und Ziel von G.s Philosophieren. — G. war der Gründer und von 1888 ab Herausgeber des Philosophischen Jahrbuchs der Görres-Gesellschaft. S c h r i f t e n : Das Unendliche, mathematisch u. metaphysisch betrachtet, 1878. — Lehrbuch der Philosophie, Bd, I: Theodizee; und weitere fünf Bände, 1878—84; 4. Aufl. 1904—13. — Das Gesetz von der Erhaltung der Kraft u, seine Beziehung zur Metaphysik, 1885. — Lehrbuch der Apologetik, 1888—94; 4. Aufl. 1910—14, 3 Bde. — Ethik u. Religion, 1893. — Mechanischer Monismus, 1893. — Die Willensfreiheit u. ihre Gegner, 1893; 2. Aufl. 1904. — Der Mensch, sein Ursprung u. seine Entwicklung, eine Kritik der mechan.-monistischen Anthropologie, 1896; 3. Aufl. 1911. — Der Kampf um die Seele, 1899; 2. Aufl. 1903, 2 Bde. — Der Kosmos, sein Ursprung u. seine Entwicklung, 1908. — Psychophysik, hist.-kritische Studien, über experimentelle Psychologie, 1905. — Experimentelle Psychologie mit besonderer Berücksichtigung der Pädagogik, 1915. — Selbstdarstellung in: Philosophie der Gegenwart in Selbstdarstellungen, Bd, IV, 1923. L i t e r a t u r : Eine Selbstbiographie, hrsg. von Karl A. Leimbach, 1911; dann 1930.
Güttier, Karl, geb. 26. Jan. 1848 in Reichenstein, gest. 12. Febr. 1924 in München. Prof. in München 1898—1920. Katholischer Philosoph und Theologe mit naturwissenschaftlicher Vorbildung. S c h r i f t e n : Naturforschung u. Bibel, 1877. — Lorenz Oken, 1884. — Der Unsterblichkeitsglaube, 1890. — Wissen u. Glaube, 1893; 2. Aufl. 1904. — Psychologie u. Philosophie, 1896. — Herbert v. Cherbury, 1897. — Descartes' Meditationen, 1901, 2. Aufl. 1912. — Ges. Abhandlungen, 1918. — Einführung in d. Philos. seit Hegel, 1921. — Einführung in die Gesch. der neueren Philos. des Auslandes, 1922. L i t e r a t u r : E. Braun, K. G. zu s. 70. Geburtstage, in: Kant-Studien, Bd. 23, 1919.
Guttmann, Jakob, geb. 22. April 1845 in Beuthen, gest. 29. September 1919 in Breslau. 1874 Rabbiner in Hildesheim, 1892 in Breslau. Historiker der mittelalterlichen jüdischen Philosophie. S c h r i f t e n : Die Religionsphilosophie des Saadja, 1882. — Die Philosophie des Salomon ibn Gabirol, 1889. — Die Scholastik des 13. Jahrh. in ihren Beziehungen zum Judentum, 1902. — Die philos. Lehren des Isaak ben Salomo Israeli, 1911, — Die religionsphilos. Lehren des Isaak Abravanel, 1916, L i t e r a t u r : Festschrift zum 70. Geburtstag, 1915.
Guttmann, Julius, geb. 15. April 1880 in Hildesheim. Dr. phil., Privatdozent in Breslau 1910, Dozent an der Hochsch. f. Wiss. d. Judentums in Berlin und Leiter ihres Forschungsinstituts, Professor. Sohn von Jakob G.; erforscht die jüdische Religionsphilosophie und die Geschichte der Philosophie des Mittelalters. Philosophen-Lexikon
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Guyau — H a a c k e
S c h r i f t e n : Der Gottesbegriff Kants, 1. Teil 1903. — Kants Gottesbegriff in seiner positiven Entwicklung, 1906. — Kants Begriff der objektiven Erkenntnis, 1911, — Das Verhältnis von Religion und Philosophie bei J e h u d a Halewi, in: Festschr. zu Israel Lewys 70. Geb., 1911. — Spinozas Verhältnis zum Aristotelismus, in: Judaica, F e s t s c h r i f t zu Hermann Cohens 70. Geburtstag, 1912. — Die J u d e n und das Wirtschaftsleben, in: Arch. f. Sozialwiss. u. Sozialpol., 36, 1913. •—• Chasdai Creskas als Kritiker der aristotelischen Physik, in: Festschr. zum 70. Geb. J a k , Guttmanns, 1915. — Religion und Wissenschaft im mittelalterlichen und im modernen Denken, in: Festschr, z. 50jährigen B e s t e h e n d. Hochsch. f. d. Wiss. d, J u d e n t u m s , 1922, •— M a x W e b e r s Soziologie d, a n t i k e n J u d e n tums, in: Monatsschrift für Gesch. u. Wissenschaft des J u d e n t u m s , 69; 1925. — Die N o r mierung des Glaubensinhalts im J u d e n t u m , ebend. 71, 1927.
Guyau, Jean Marie, geb. 28. Oktober 1854 in Laval, gest. 31. März 1888 in Mentone. Stiefsohn und Schüler von Fouillée. — G. vertritt mit großer literarischer Kunst und lebendiger Beredsamkeit einen Evolutionismus und eine Philosophie des Lebens in innerem Einklang mit einer starken Betonung der seelischsozialen Erlebniszusammenhänge. Im besonderen die Kunst ist ihm eine lebendige Funktion im sozialen Leben. Sie ist Produkt einer seelisch-geistigen Lebendigkeit. Sie bewirkt durch das Gefühl eine Ausdehnung des gesellschaftlichen Verhältnisses auf alle Wesen der Natur und selbst auf fingierte Existenzen, wie sie die Phantasie erdichtet. Die künstlerische Erregung ist vor allem sozialer Art. Sie vergrößert und erweitert das individuelle Leben und bringt es zur Verschmelzung mit einem universellen Leben. Das höchste Ziel der Kunst ist, eine ästhetische Erregung mit sozialem Charakter zu erzeugen. S c h r i f t e n : La morale d'Ëpicure, 1878; 3. Aufl. 1886. —• L a morale Anglaise contemporaine, 1879; 6. Aufl. 1902. — Vers d'un philosophe, 1888, deutsch 1910. — Les p r o blèmes de l'esthétique contemporaine, 1884; 8. Aufl. 1913. — Esquisse d'une morale sans obligation ni sanction, 1885; 18. Aufl. 1925, deutsch: Sittlichkeit ohne Pflicht, 1909. — L'irréligion de l'avenir, 1887; 16. Aufl. 1912, deutsch 1910. — L'art au point de vue sociologique, 1889; 10. Aufl. 1912, deutsch 1911. — Éducation et hérédité, 1889, 12. Aufl. 1913. — La Genèse de l'idée de temps, 1890; 2. Aufl. 1902, — Philos, W e r k e in Auswahl, deutsch V. E. Bergmann, 6 Bde., 1912—14. L i t e r a t u r : Carlebach, Emanuel, G.s metaphysische Anschauungen, Diss., W ü r z burg 1896. — Fouillée, A., La morale, l'art et la religion d'après G., 3. A. 1897, 4. A. 1901. — M. Meisner, G.s Philos, der Moral, 1910. — E. Bergmann, Die Philos. G.s, 1912, mit Bibliogr. — Bjarnason, J . M. G., Kopenhagen 1913. — F. Schümm, G.s Rel.-philos., Diss., Tübingen 1913. — Pfeil, Hans, J e a n Marie G. u. die Philosophie des Lebens, 1928, in: Schriften z. Philos, d. Neuzeit, Bd. I. — Julius Kiesow, D. philos. Lyrik v. G. u. Lahor, Greifswald 1916.
Gysin, Arnold, geb. 29. August 1897 in Basel, Dr. jur„ Habilitation Universität Basel. — Als Rechtsphilosoph der Fries-Schule findet Gysin das Erkenntniskriterium des Rechts in der Gerechtigkeit und lehrt, daß die Jurisprudenz zwar in reinen Sollensbegriffen denkt, dabei aber empirische Auswahlprinzipien anwendet und ihre Normkonstruktion nur technisch begründen kann. S c h r i f t e n : Die L e h r e vom N a t u r r e c h t bei Leonhard Nelson und das N a t u r r e c h t der Aufklärung, 1924. — Recht und Kultur auf dem Grunde der Ethik, 1924. — Rechtsphilosophie und Jurisprudenz, 1927. — Arbeitsrecht, Zürich 1943. — Die a n d e r e Hälfte d, Pflicht. G e d a n k e n z. Briefw. zw. Romain Rolland u. Henri Barbusse, Leipzig 1923. L i t e r a t u r : A r t h u r Baumgarten, in: Zeitschr. f. Schweiz. Recht, Bd. 44,
H. Haacke, Wilhelm, geb. 23. August 1855 in Klenze (Hannover), gest. 6. Dezember 1912 in Lüneburg. Zoologe; Verfasser entwicklungsgeschichtlicher Werke.
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Haas — Haeberlin
S c h r i f t e n : Die Schöpfung des Menschen, 1895. — Grundriß der Entwicklungsmechanik, 1897. — Vom Strome des Seins, 1905. — D, Schöpfung der Tierwelt, 1893. — Gestalt und Vererbung, 1893. — K, E. von Baer, 1905.
Haas, Arthur Erich, geb. 30. April 1884 in Brünn. Dr. phil. Universität Wien 1906, Habilitation dort 1912, a. o. Professor Leipzig 1913, Professor für Physik an der Universität Wien 1921. — Haas hat sich vom physikalischen Standpunkt aus mit Grenzfragen der Philosophie beschäftigt und hat Beiträge zur Lösung kosmologischer Probleme geliefert, so zu den Fragen des Krümmungsradius der Welt, des Zusammenhanges kosmologischer mit atomphysikalischen Konstanten, des Zeitbegriffs, der Rekonstruktion von Materie aus Licht, der Acceleration des Universums. Er hat ferner Fragen der physikalischen Axiomatik behandelt und die Bedeutung der antiken Naturphilosophie für die Geschichte der Physik dargelegt. S c h r i f t e n : Entwicklungsgesch. des Satzes v. d. Erhaltung der Kraft, 1909. — Grundgleichungen der Mechanik, 1914, — Einführung in die theoretische Physik, 2 Bde., 1919, 6. Aufl. 1930. — Naturbild der neuen Physik, 1920, 3. Aufl. 1932. — Vectoranalysis, 1922, 2. Aufl. 1929. — Atomtheorie, 1924, 2. Aufl. 1929. — Mechanik der Massenpunkte u. starren Körper, 1926. — Materiewellen u. Quantenmechanik, 1918, 4, Aufl. 1934, — Quantenchemie, 1929. — Kasmolog. Probleme der Physik, 1934. — Elementare Physik, Wien 1937. — Physik f. Jedermann, Berlin 1933. — Physik des Tonfilms, Berlin 1934. — D. kosmologischen Probleme d. Physik, Leipzig 1934. — D, Umwandlungen d. chemischen Elemente, Berlin 1935.
Haas, Wilhelm, geb. 13. Februar 1883 in Nürnberg. Promotion München 1910, Habilitation Köln 1920, a. o. Prof. an der Technischen Hochschule Berlin, nach 1933 in Teheran. H. bemüht sich, durch den Nachweis der besonderen seelischgeistigen Struktur des asiatischen und europäischen Menschheitstypus die Grundlage zu einer allgemeinen Völkerpsychologie zu geben. Er sucht das Psychische als eine ebenso reale Welt wie die physische zu erweisen und die Gründe darzutun, warum sie in der Wahrnehmung nicht sich als solche darbietet. Die Anwendung seiner Theorie des Psychischen gipfelt in der Erkenntnis des Antagonismus von „Kraft und Erscheinung", den H. als das Grundgesetz des Psychischen und seiner Entwicklung ansieht. S c h r i f t e n : Über Echtheit und Unechtheit von Gefühlen. — Die Seele des Orients, 1916, — Die psychische Dingwelt, 1921. — Kraft und Erscheinung, 1922. — Das Problem des Mediumismus, 1923. — What is the European Civilisation? 1930, — Die Einheit Europas.
Haase, Karl, geb. 18. Sept. 1870 in Berlin. Dr. phil. S c h r i f t e n : Der moderne Hauslehrer, 1900. — Der weibliche Typus als Problem der Psychol. u. Pädagogik, 1915, — Angewandte Seelenkunde, 1921. — Die psychologischen Strömungen der Gegenwart, 1922. — Methodik und Gemeinschaftsleben, 1925. — Goethe und der Mythos, 1929.
Haeberlin, Paul, geb. 17. Februar 1878 in Kesswil (Kt. Thurgau). Prof. an der Universität Basel. Philosoph und Pädagoge, zugleich Vertreter der Psychologie. S c h r i f t e n : Wege u. Irrwege der Erziehung, 1918, 3. A, 1931. — Der Gegenstand der Psychologie, 1921. — Der Geist u. die Triebe, 1924. — Der Charakter, 1925, — Das Gute, 1926. — Das Geheimnis der Wirklichkeit, 1927. — Allgemeine Ästhetik, 1929. — Das Wunderbare, 1930. — Das Wesen der Philosophie, 1934. — Leitfaden der Psychologie, 1937, 2. A. 1941. — Möglichkeit u. Grenzen der Erziehung, 1936, 3. A. 1940. — Naturphilos. Betrachtungen, 2 Bde., 1939/40. — Der Mensch, 1941. L i t e r a t u r : J . Schweizer, Der Weg zum freien Menschen, 1927. — Paul Kamm, Philosophie u. Pädagogik P. H.s, Diss., Basel 1938. 28*
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Haeckel
Haeckel, Ernst, geb, 16, Februar 1834 in Potsdam, gest. 9. August 1919 in Jena. 1852 bis 1857 Studium in Berlin und Würzburg, Medizin und Naturwissenschaften, 1861 Habilitation in Jena, 1862 a. o. Professor, 1865 o. Professor der Zoologie. Haeckel bietet, bald nach dem Erscheinen von Darwins „Entstehung der Arten", ein Gesamtbild vom Werden der organischen Formenwelt. Im weiteren baut er diese Forschungen zu repräsentativen Gesamtanschauungen aus, nicht ohne im einzelnen oft den starken Widerspruch der Fachwissenschaft zu erregen, Darüber hinaus will er in seinen „Welträtseln" die dem modernen Stand der Naturwissenschaften entsprechende Weltanschauung darstellen. Seine Philosophie ist im wesentlichen die eines metaphysischen Materialismus, bei dem es nicht immer klar zu ersehen ist, in welchem Maße seelisch-geistige Faktoren in die Materie mit hineingelegt werden. Haeckel beruft sich gern auf die Goethesche Fortbildung des Spinozismus, die einen stark pantheistischen Charakter hat und das Cinze mit Gott als einem geistig lebendigen Wesen in eins setzt. Das Positive im Wesen Haeckels und der eigentlich tragende Grund seiner Weltanschauung ist ein reicher und lebendiger Blick für die Wunder der Natur und der Welt des Lebens. Aus der starken Begeisterung für den Reichtum der Natur heraus, die sich mit großer optisch-künstlerischer Begabung vereinigt, kämpft Haeckel leidenschaftlich gegen jede Weltansicht, die den Geist vom „Stoff" trennen und die Natur herabsetzen will. Von da aus kämpft er auch gegen das Christentum und wird zum Führer einer Reihe künstlerischer Naturen, die es unternehmen, die Wlunder und Schönheiten der Natur dem Auge des modernen Menschen zu erschließen. Er strebt danach, unter der Idee der Einheit des Kosmos (Monismus) eine natürliche Religion zu begründen. „Die staunende Bewunderung, mit der wir den gestirnten Himmel und das mikroskopische Leben in einem Wassertropfen betrachten, die Ehrfurcht, mit der wir das wunderbare Wirken der Energie in der bewegten Materie untersuchen, die Andacht, mit welcher wir die Geltung des allumfassenden Substanzgesetzes im Universum verehren, — sie alle sind Bestandteile unseres Gemütslöbens, die unter den Begriff der »natürlichen Religion« fallen." S c h r i f t e n : Über die Entwicklungslehre Darwins, 1863. — Generelle Morphologie der Organismen, allgemeine Grundzüge der organischen Formenwissenschaft, mechanisch begründet durch die von Ch. Darwin reformierte Deszendenztheorie, 2 Bde., 1866, Neudruck 1906. — Natürliche Schöpfungsgeschichte, 1868, 12. Ausg. 1920. — Anthropogenie, 1874, 6. Aufl. 1910. — Gemeinverständliche Vorträge und Abhandlungen aus dem Gebiet der Entwicklungslehre, 1878 bis 1879, 2. Aufl. 1902. — Der Monismus als Band zwischen Religion und Wissenschaft, Glaubensbekenntnisse eines Naturforschers, 1892, 16. Aufl. 1918. — Die Lebenswunder, Gemeinverst. Studien über biologische Philosophie, 1894, 41. bis 50. Tausend 1908. — Uber unsere gegenwärtige Kenntnis vom Ursprung des Menschen, 1898. — Die Welträtsel.. Gemeinverständliche Studien über monistische Philosophie, 1899, 361. bis 370. Tausend 1920. — Der Kampf um den Entwicklungsgedanken, 1905. — Monismus und Naturgesetz, 1906. — Unsere Ahnenreihe, 1908. — Monistische Bausteine, 1913. — Gottnatur, 1914. — Ferner: Indische Reisebriefe, 1883, 5. Aufl. 1909. — Aus Insulinde. Malaiische Reisebriefe, 1901, 2. Aufl. 1909. — Kunstformen der Natur, 1899—1904. — Wanderbilder, 1905. — Entwicklungsgeschichte einer Jugend. Briefe an die Eltern 1852/56, 1921. — Italienfahrt, Briefe an die Braut 1859/60, 1921. L i t e r a t u r : Das monistische Jahrhundert, Zeitschrift seit 1912. — Der Monismus, herausg. von A. Drews, 2 Bde., 1908. — Was wir Ernst Haeckel verdanken, herausg. von Heinrich Schmidt, 2 Bde., 1914. — Sonderheft von „Die Naturwissenschaften" über Haeckel, 1919. — F. Engels, Naturdialektik, Moskau 1925. — Schmidt, Heinr., E. H., Leben und Werke, 1926. — Ders., E. H., Denkmal e. großen Lebens, 1934. — E. H.s Leben, Denken u. Wirken. Hrsg. v. Victor Franz, Jena, Bd. I, 1943; Bd. II, 1944,
Haffner — Hägerström
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Haffner, Paul, geb. 21. Januar 1829 in Horb, gest. 2. November 1899 in Mainz. 1855 bis 1876 Professor am Priesterseminar in Mainz, 1866 Domkapitular, 1886 Bischof in Mainz. S c h r i f t e n : D, Materialismus in der Kulturgesch., 1865, — Grundlinien der Philosophie als Aufgabe, Gesch. u. Lehre zur Einleitung in d. philos, Studien, 2 Bde., Mainz 1881—84.
Hagemann, Johann Georg, geb. 1832 in Beckum, gest. 6. Dez. 1903 in Münster in Westf. 1856 Priester. Professor der Philos. an der Univ. Münster. Vertreter der aristotelisch-scholastischen Philosophie. S c h r i f t e n : Elemente der Philosophie, I. Logik und Noetik, 1868, 8. Aufl., bearb. v. Dyroff, 1909. II. Metaphysik, 1869, 8. Aufl., bearb. v. Endres, 1921. III. Psychologie, 8. Aufl., bearb. v. Dyroff, 1911.
Hägerström, Axel, geb. 1868. Prof. in Uppsala. Der schwedische Philosoph H., ein Schüler von Burmann, setzt sich drei Aufgaben: ,,1. den Subjektivismus zu widerlegen, 2. den vollkommen logischen Charakter der sinnlichen Wirklichkeit zur Geltung zu bringen, d. h. die Vorstellung von einer logischen Form und einer alogischen Materie in der Erkenntnis des Sinnlichen abzuweisen, 3, die Unmöglichkeit der Metaphysik als einer Lehre vom Absoluten . . , darzulegen, und zwar sowohl bezüglich einer objektiven Wirklichkeit, als bezüglich des Bewußtseins oder des Ichs selbst" (Selbstdarstellung, S. 5). Unter Metaphysik versteht H. jede Anschauung, „die aus der Wirklichkeit selbst — der Wirklichkeit an sich — etwas Wirkliches macht" und ihren Herrschaftsbereich auf dem Gebiete der Wertkenntnis hat. Der Untersuchung der sogenannten Werturteile widmet H. sich daher vor allem, und zwar auf den Gebieten des Rechts, der Sozialwissenschaft und der Ethik. Er gelangt zu dem Ergebnis, „daß die „Bewertung" als ein Gefühl oder ein Verlangen, eine „Stellungnahme" zu bestimmen ist, die so in die Vorstellung von der Sache eindringt, daß sie ihr ihren Sinn verleiht" (S. 43), und folgert daraus: „Das Werturteil, das den Wert, sei es nur für mich oder für die Menschen überhaupt als wirklich geltend bestimmt, kann unmöglich wahr sein." — Das „Werturteil" selbst ist, sofern in ihm der Wert dessen beurteilt wird, daß etwas zur Wirklichkeit gehört, nur ein Schein." Damit ist zugleich H.s Stellung zu den Wissenschaften gekennzeichnet, die es mit Werturteilen zu tun haben: „Überhaupt ist alles, was Geisteswissenschaft heißt, — mag sie das Ich, die Gesellschaft, den Staat, die Moral oder die Religion betreffen, — nur ein intellektuelles Spiel mit Gefühlsausdrücken, als ob damit etwas Reales bezeichnet würde." — H.s Schüler ist Phalén. . S c h r i f t e n : Die eth. Grundgedanken des Aristoteles, schwed., Uppsala 1893. — Über das moralische Gefühl und den moralischen Trieb als vernünftige Phänomene . . . , schwed., Uppsala 1895. — Untersuchung der Möglichkeit der empiristischen Ethik, schwed., Uppsala 1895. —- Kants Ethik im Verhältnis zu seinen erkenntnistheoretischen Grundgedanken, dtsch., Uppsala 1902. — Staat und Recht, I, Uppsala 1904. — Das Prinzip der Wissenschaft. Eine log.-erkenntnistheoret. Untersuchung. I. Die Realität, Uppsala 1908, — Soziale Teleologie im Marxismus, schwed,, Uppsala 1909. — Der Botaniker u. der Philosoph, Stockholm 1910. •— Kritische Punkte der Wertpsychologie, Festschrift E. O. Burmann gewidmet, schwed,, Uppsala 1910, — Über die Wahrheit moralischer Vorstellungen, Stockholm 1911. — Ist das geltende Recht ein Willensausdruck? Festschrift V. Norström gewidmet, schwed., Gothenburg 1916, — Zur F r a g e nach dem Begriffe des objektiven Rechts. I. Die Willenstheorie, Uppsala 1917, — Der römische Obligationsbegriff, 1926. — Selbstdarstellung in: Die Phil- der Gegenwart in Selbstdarst., Bd. VII, S. 111—159, 1926. L i t e r a t u r : Festschrift zum 6. Sept. 1928, Stockholm 1928. — Martin Fries, Verk, lighetsbegreppet enligt H., Uppsala 1944,
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Haiser — Haller
Haíser, Franz, geb. 5. J a n u a r 1871 in Wien. Dr. phil. Physiolog, Moralbiologe. S c h r i f t e n : Die Krisis des Intellektualismus, 1912. — Der aristokr. Imperativ. 1913. — Die Uberzeugungskraft des Beweises, ein Kampf zwischen Stil und Freiheit um die Vorherrschaft, 1916. — D, Gastmahl des Frhrn v. Artaria, ein Kampf zwischen aristokr. u. demokr. Weltanschauung, 1920. — Im Anfang war der Streit, Nietzsches Zarathustra und die Weltanschauung des Altertums, 1921. — Die Sklaverei, ihre biolog. Begründung u. sittl. Rechtfertigung, 1923. — Freimaurer und Gegenmaurer im Kampfe um die Weltherrschaft, 1924. — Die Judenfrage vom Standpunkt der Herrenmoral, Rechtsvölk. u. linksvölk. Weltanschauung, 1926. — Die Biologie des Staates: Christentum und Herrenmoral, 1928. — Moralbiologie, 1932. Haidane, Richard Burdon, Viscount of Cloan, geb. 30. Juli 1856 in Cloan (Schottland), gest. ebda. 19. August 1928. 1905/12 und 1914 Kriegsminister, 1912/15 und 1924 Lord-Kanzler. Anhänger Hegels. Studierte in Göttingen Philosophie bei Lotze. S c h r i f t e n : The Relation of Philosophy to Science, in: Essays in Philos. Criticism, 1882. — The Pathway to Reality, Gifford Lectures, Lond. I, 1903; II, 1904. — Before the War, 1920, dt. 1921. — T h e Reign of Relativity, Lond. 1921. — The Philos. of Humanism, Lond. 1922. — Goethe als Denker, 1924. — Human Experience, 1926. — The Function of Metaph. in Scientific Method, in: Cont. Brit. Phil., I. 1924. — The Methods of Modern Logic and the Conception of Infinity, in: Proc. of Arist. Soc. N. S. VIII, 1908. — On Progress, in: Philos. Research, XVI, 1916. — Do finite individuals possess a substantive or an adjectival mode of being? ebda. XVIII, 1918. — The Logical Foundations of Mathematics, in: Mind, N, S. XVIII, 1909. — Übers, m. Kemp: Schopenhauer, Welt als Wille und Vorstellung, 3 Bde., 1886. — An Autobiography, 1928, deutsch 1929. — Selected addresses and essays, 1928. L i t e r a t u r : L, v. Reinke, Umriß eines liberalen Imperialisten, 1937. — F. Maurice, The Life of Viscount H. of Cloan, London 1939. Hall, Granville Stanley, geb. 1. Februar 1846 in Ashfield (Mass.), gest. 24. April 1924 in W o r c e s t e r (Mass.). 1881 bis 1888 Professor für Psychologie an der JohnHopkins-Universität. Präsident der Clark-Universität. — H. schuf an der JohnHopkins-Universität das erste Laboratorium für experimentelle Psychologie. E r ist ethischer Idealist und psychologischer Realist und erstrebt eine Vereinigung beider Aspekte in einer Theorie höherer psychischer Evolution. S c h r i f t e n : Adolescence, N. Y., 2 Bde., 1904. — Educational Problems, 2 Bde., N. Y. 1911. — Youth, its education, regimen and hygiene, 1907. — Founders of modern psychology, 1912, deutsch 1914. — Life and confessions of a psychologist, 1923. — Senescence, N. Y. 1925. — Herausgeber: American Journal of Psychology, seit 1887, L i t e r a t u r : Wilson, L. N., St. H., New York 1914. — Fisher, S. Carolyn, The Psychological and Educational Work of Gr, St. Hall, in: Americ. Journal of Psychology, Bd. XXXVI, 1925, S. 1—52. — Starbuck, Edwin D„ G. St. Hall as a Psychologist, in: Psychological Review, Bd. XXXII, 1925, S. 103—120. Haller, Albrecht von, geb. 16. Oktober 1708 in Bern, gest. ebda. 12. Dezember 1777. Schriftsteller, Naturforscher und Arzt. Begründer der „Göttingischen Gelehrten Gesellschaft" (1751). S c h r i f t e n : De partibus corporis humani sensibilibus et irritabilibus, 1752. — Elementa physiologiae corporis humani, 8 Bde., 1757—66. — Verf. von Lehrgedichten u. Staatsromanen. L i t e r a t u r : Bondi, D. Verhältnis von H.s philos. Gedichten zur Philos. seiner Zeit, 1891. — Jenny, H. als Philosoph, 1902. — Stahlmann, Hans, A. v. H.s Welt- u. Lebensanschauung, Diss., Erl. 1928. — A. Ischer, H. u. das klass. Altertum, 1928. — d'Irsay, Stephan, A. v. H., E. Studie z. Geistesgeschichte d. Aufklärung, 1930, in: Arb. d. Instit. f. Gesch. d. Medizin a. d. Univ. Leipz., Bd. 1. — J . Voß, Das pathologisch-anatomische Werk A. v. H.s, Göttingen 1937.
Hallier — Hamann
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Hallier, Ernst, geb. 15. November 1831 in Hamburg, gest. 21. Dezember 1904 in Dachau. 1864 bis 1884 Professor in Jena, Botaniker. Anhänger der Friesschen Philosophie. S c h r i f t e n : Die Weltanschauung d. Naturforschers, 1875. — Naturwissenschaft, Religion u. Erziehung, 1875. — D. welterobernde Macht, 1886. — Kulturgesch. d. 19. Jahrhdts., 1889. Hamann, Johann Georg, geb. 27. August 1730 in Königsberg (Ostpr.), gest. 21. Juni 1788 in Münster i. W . — H., der „Magus des Nordens", war mit Kant, Herder, J a c o b i befreundet. E r ist Vertreter einer christlich gerichteten Gefühls-, Erlebens- und Glaubensphilosophie, vielfach beeinflußt von Giordano Bruno. H. lehnt den Rationalismus, wie überhaupt alle Aufklärung im Sinne des nüchternen Gebrauches der Verstandeskräfte ab. Der Verstand hat die Kantische Scheidung der Erkenntnis in Sinnlichkeit und Verstand verschuldet. Die scheinbare Vielheit und Uneinheitlichkeit, die von dem Verstand in der Welt gesehen und festgestellt wird, besteht in Wahrheit nicht, sondern alle Getrenntheiten und Gegensätze fallen zusammen. Der Verstand vermag das Absolute nicht zu erfassen. Darum müssen wir uns die Wahrheit aus der Erfahrung und dem Erlebnis verschaffen und unsere sowie der Dinge Existenz glauben. Die feste Überzeugung des glaubenden Subjekts ist das Kriterium der Wahrheit. Alles, die Natur und die Geschichte, ist eine Offenbarung Gottes und dient seiner Erklärung. Wir müssen in Gott leben, um ein wahres Leben zu führen. — Vernunft ist Sprache, darum fällt im W o r t alles zusammen: reine und sinnliche Anschauung und der Begriff. Die Philosophie ist als Auslegung des sinngesättigten W o r t e s nichts als Grammatik. Die Poesie ist die „Muttersprache der Menschheit". S c h r i f t e n : Biblische Betrachtungen eines Christen, 1758. — Sokratische Denkwürdigkeiten, 1759. — Kreuzzüge eines Philologen, 1762. — Golgatha und Scheblimini, Metakritik über den Purismum der reinen Vernunft, 1800 (bekämpft Kant). — Werke, hrsg. v. F. Roth, 8 Tie., 1821—1843; v. C. H. Gildemeister, H.s Leben u. Schrr., Bd. 1—6, 1857—1873; v. Johannes Ciaassen, J . G. H.s Leben u. Werke in geordnetem, gemeinfaßlichem Auszuge, 8 Abt., 1878/79; v. Moritz Petri, J . G. H.s Schrr. u. Briefe in 4 Tin., 1872—1874; Schrr., hrsg. v. Inselverlag, 1921; krit. Neuausgabe v. J . Nadler, seit 1931. — Hamann, Sybillinische Blätter des Magus, ausgewählt u. eingeleit. v, Rud. Unger, 1905. — Ausw. v. K. Widmaier, Leipzig 1921. — H., Magus des Nordens. Ausw. hrsg. v. Otto Mann, Leipzig 1937. L i t e r a t u r : H. Weber, H. u. Kant, 1904. — Rud. Unger, H.s Sprachtheorie im Zusammenhang seines Denkens, Grundlegung zu einer Würdigung d. geistesgeschichtl. Stellung des Magus im Norden, 1904. — Derselbe, H. u. d. Aufklärung, Studien z, Vorgesch. des romant. Geistes im 18. Jahrh., 2 Bde., 1911, 2. Aufl. 1925. — W. Lütgert, H. u. Kant, Kant-Stud. 11 (1906) 118—125. — Fr. v. Buschell, J . G. H., Logos IV (1913) 100 ff. — Jean Blum, La vie et l'oeuvre de J . G. H., Paris 1913. — Lieb, Fritz, Glaube und Offenbarung bei J . G, H., 1926, — Schirmer, Herbert, Die Grundlagen des Erkennens bei J . G. H„ 1926; Diss., Erl. — Blanke, Fritz, J . G. H. als Theologe, 1928, Slg. gem.verst. Vortr. a. d. Geb. d. Theol., Nr. 130. — Bürger, Ewald, J . G. H., 1929. — Thoms, Fritz, Die Hauptprobleme der Religionsphilosophie bei J . G. H,, 1929; Diss., Erl. — Nadler, Josef, Die H.-Ausgabe, 1930, in: Sehr. d. Königsb. Gel, Ges., Geistesw. Klasse, Jahrg. 7, H. 3. — Ders., H., Kant, Goethe, 1931, ebd., Jahrg. 8, H. 3. — Thoms, Fritz, H.s Bekehrung, 1933, in: Beitr. z. Förderung christ. Theol., Bd. 37, H. 3. — Metzke, Erwin, J . G. H.s Stellung in d. Philos. d. 18. Jahrh., 1934, in: Sehr. d. Königsb. Gel. Ges., Geistesw. Kl., Jahrg. 10, H. 3. — Herbert Heinekamp, Das Weltbild J . G. H.s, Diss., Bonn 1936. — Joh. Herzog, Claudius u, Hamann, Leipzig 1940. — Marie-Theres Küsters, Inhaltsanalyse von J . G. H_s »Aesthetica in nuce«, Diss., Münster 1936. — Hertha Busija, J . G. H., Diss., Wien 1943. — Wolfgang Metzger, J . G„ H., Frankfurt 1944. — Paul Ernst, H. und Bengel, Diss., Königsberg 1935. — E. Jansen Schoonhoven, Natuur en Genade bij H., Diss., Leiden 1945.
Hamberger •— Hamilton
Hamberger, Julius. 1801 bis 1885. Anhänger Baaders. S c h r i f t e n : Kardinalpunkte der Baaderschen Philosophie, 1855. — Fundamentalbegriffe von Fr, Baaders Ethik, Politik und Rechtsphilosophie, 1858. — Physica sacra, 1869. — Gott und seine Offenbarungen in Natur und Geschichte, 1839. — Christentum und moderne Kultur, 3 Bde., 1863 ff. — Ein Wort über Franz Baaders Ethik und Politik, 1869. — Ein Blick auf Jakob Böhmes Lehrsystem, 1875. — Die göttliche Präsenz und die sittliche Freiheit, 1881. — Die Präexistenz des Gottmenschen, 1881. — Erinnerungen aus meinem Leben, 1883.
Hamelin, Octave, geb. 22. Juli 1856 in Lion-d'Angers, gest. 11. Sept. 1907 in Huchet (Landes). Seit 1884 Universitätsprofessor in Bordeaux, 1905 an der Sorbonne. — H. bildet den Kritizismus seines Lehrers Renouvier unter dem Einfluß Hegels um zu einem idealistischen System, das er „rationalisme intégral" oder „noodicée" nennt. Auf Kants Kategorienlehre baut er eine synthetische Dialektik des Wirklichen auf. Die Kategorien, die alle Formen des Wirklichen umfassen, müssen systematisch behandelt werden; denn alles Wissen ist systematisch. Einfachstes Gesetz der Dinge ist die Beziehung (Relation) in ihren drei Phasen These, Antithese, Synthese. Auch das Absolute ist noch ein System von Relationen. Aus der Synthese von Relation und Diskretem entsteht als zweite Kategorie die Zahl, aus der 'Synthese von Relation und Zahl als dritte die Zeit. Ihre Antithese ist der Raum, Die Synthese von Raum und Zeit ergibt die Bewegung, mit Qualität als Antithese. Als Synthese von Bewegung und Qualität ist die Veränderung zu fassen, als deren Antithese die Spezifikation. Synthetisch ist aiuch die Kausalbeziehung, aus Veränderung und Spezifikation folgend. Kausalität ist „die notwendige Verkettung der Erscheinungen durch einen mechanischen, vernunftmäßig zu fassenden Dynamismus". Ihre Antithese ist die Finalität, als „vollständige Rationalität des Objekts oder wenigstens dessen, was vor der Verwirklichung zum Objekt steht". Synthese endlich von Kausalität und Zweckbestimmtheit ist die bewußte, freie Personalität. — Auch das Bewußtsein besitzt synthetischen Charakter. Es ist der höchste Grad der Verwirklichung, als der Akt des Denkens (pensée), der ein Objekt als Subjekt setzt. Das Denken ist ein schöpferisches Tun, das gleichzeitig Objekt, Subjekt und ihre Synthese ist. — Auch in der Ethik strebt H., den Empirismus wie den kantischen Formalismus zu überwinden und zu einer „philosophie rationelle" zu gelangen. Was als Seiendes, ontologisch, den höchsten Wert besitzt, hat ihn auch moralisch; die Persönlichkeit, das wollende Wesen. Das Absolute, das alle Beziehungen umfaßt, ist der Geist (l'esprit), der frei handelt. S c h r i f t e n : Essai sur les éléments principaux de la représentation, Paris 1907, 2. éd. 1925. — Le système de Descartes, Paris 1911. — Le système d'Aristote, pubi, par L. Robin, Paris 1920. — Le système de Renouvier, publié par Mouy, Paris 1927. L i t e r a t u r : E, Chartier, Essai sur les éléments princ, de la représentation par O. H. in: Revue de Met. et de Morale, 1907. — Dauriac, La phil- de O. H., in: Année philosophique 1908. — D. Parodi, La phil. d'O. H., in: Revue de Mét. et de Morale, 1922. - Darbon, La méthode synthétique dans l'Essai d'O. H., in: Revue de Mét., 1929, S. 37 bis 100. — A, Etcheverry, L'idéalisme français contemporain, Paris 1934, S. 45—98.
Hamilton, Edward John, 1834 bis 1918. Amerikanischer Pädagoge und Philosoph. Als Erkenntnistheoretiker vertritt er den Perzeptionalismus. S c h r i f t e n : The Human Mind, 1883. — The Modalist, 1883. — The Perceptionalist or Mental Science, 1899. — The Moral Law, 1902. — Perceptionalismus u, Modalismus, 1911. — Erkennen und Schließen. Mit kurzem Lebensabriß des Verf. von Martin Klose, 1912.
Hamilton
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Hamilton, Sir William, geb. 8. März 1788 zu Glasgow, gest. 6. Mai 1856 in Edinburg. 1821 Professor der Geschichte zu Edinburg, 1836 ebenda Professor der Philosophie. Hamilton ist ein Gegner aller Philosophie, die die Erkenntnis irgendeines Absoluten behauptet. Sein eigener Standpunkt ist relativistisch und gründet sich ganz auf eine Analyse des menschlichen Bewußtseins. Dieses ist zwar nicht zu definieren, kann aber in seinen Grundbedingungen erkannt werden, H. unterscheidet das Bewußtsein als bloßen Modus aller seelischen Inhalte und aller Erlebnisse überhaupt von dem Bewußtsein, wie es sich in seiner Mannigfaltigkeit der Erkenntnis der empirischen Psychologie darbietet, und von dem Bewußtsein als Ort der ursprünglichen Grundsätze der menschlichen Erkenntnis. Für das Bewußtsein als allgemeinen Modus ist charakteristisch, daß ihm unaufhebbar der Gegensatz von Subjekt und Objekt zugehört. Beide Seiten bedingen sich gegenseitig, so daß der Relativismus, die durchgehende Bezogenheit alles Denkbaren bereits hier angelegt erscheint. Denken, das sich notwendig im Bewußtsein bewegt, ist daher selbst Bedingen (to think is to condition). Eine Möglichkeit, diese Grenze der durchgängigen Bedingtheit zu überschreiten, gibt es für das Bewußtsein nicht. Das sogenannte Absolute, das wir in den beiden Formen des Unbedingten und des Unbegrenzten annehmen, ist schlechthin unvorstellbar. Es ist ein Fehler, diesen Begriff, der nur die Negation des Bedingten bedeutet, als einen positiven Begriff auffassen zu wollen. Diesen Fehler macht nach H. alle absolutistische Metaphysik, Für H, selbst ist Philosophie als Philosophie des Geistes Metaphysik im weitesten Sinne des Wortes und umfaßt empirische Psychologie oder Phänomenologie, die den Bestand des Bewußtseins an ursprünglichen Erscheinungen festlegt, Noologie, die seine Gesetze aufsucht, und Ontologie, die das Wesen des Ich, des Nicht-Ich und Gottes erforscht, H. hat lediglich die beiden ersten Disziplinen behandelt. Er gestaltet seine Metaphysik gemäß dem Prinzip des gesunden Menschenverstandes und glaubt, durch diesen zwei Gruppen ursprünglicher Tatsachen fest erwiesen zu sehen. Dies sind die Tatsachen der Sinneswahrnehmung, vor allem unser Glaube an die Außenwelt, und die Tatsachen der Vernunft, zu denen H. die Grundgesetze des Denkens, die Kategorien von Substanz und Akzidenz, die Anschauungsformen und zugleich Formen der Existenz: Raum, Zeit und Grad zählt, endlich das Gesetz der Kausalität. Diese Tatsachen sind ausgezeichnet durch Einfachheit, Allgemeinheit, subjektive Notwendigkeit, Gewißheit und Unbegreiflichkeit. Die letztere bedeutet die Apriorität dieser Tatsachen, d, h. die Unmöglichkeit, sie abzuleiten. Als Psychologe ist H. von der Vermögenstheorie der Seele abhängig. Er unterscheidet sechs Erkenntnisvermögen (innere und äußere Wahrnehmung, Gedächtnis, Reproduktion, Einbildungskraft, die sämtlich im unmittelbaren Wahrnehmen lebendig mitwirken, endlich das Bewußtsein selbst als Träger der allgemeinen Prinzipien). Innerhalb der sinnlichen Wahrnehmung wird noch unterschieden zwischen sensation, d. h. Empfindung, und perception, d. h. Auffassung. Die Sinne lassen sich in eine Reihe bringen je nach Überwiegen des einen oder anderen Elements. Das Sehen ist ein Sinn, in dem die Auffassung überwiegt, der Geschmack dagegen ist mehr sinnliche Empfindung. Der Gegensatz beider Elemente gewinnt dadurch zugleich den Charakter des Unterschiedes von Objektivität und Subjektivität. Im Rahmen der traditionellen Psychologie steht H. auch mit der Berücksichtigung der Assoziationsgesetze, die er auf eine einheitliche Formel bringen will, sein „Gesetz der Redintegration": „Vorstellungen, die
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Han Fei-Tzu — Hanne
in einem einheitlichen Gedankenzusammenhang als Teile fungiert haben, rufen einander im Bewußtsein gegenseitig wieder hervor." Einen neuen Weg hat H. dagegen für die Logik vorbereitet durch seine Quantifikation des logischen Prädikates. Sie beruht auf der logischen Lehre von den Begriffsumfängen, die von H. ausschließlich für den Subjektsbegriff entwickelt, von ihm auch auf das Prädikat des Urteils angewandt wird. H. lehrt, daß sowohl Subjekt wie Prädikat einen bestimmten Umfang haben, der als Quantität zu denken ist, und daß das Wesen des Urteils in der Gleichsetzung dieser quantitativ aufzufassenden Umfänge besteht. "The predicate has always a quantity in thought, as miuch as the subject, although this quantity be frequently not explicitly enounced . . . The predicate is as extensive as the subject" (Lectures on Metaphysics and Logic, I, 204 f.; II, 225 f., 272 f). S c h r i f t e n : Discussions on Philos, and Literature, Educ. and Univ. Reform, Lond. 1852, 3. ed. 1866. — The Works of Thomas Reid, ed. by H., 2 vols., 1856. — Lectures on Metaphysics and Logic, 4 vols., Lond. 1859—60. L i t e r a t u r : John Stuart Mill, An Examination of Sir William Hamilton's Philosophy, 1865. — John Veitch, Memoir of Sir W. H,, 1869. — Ders., H., the Man and his Philosophy, 1884. — Ljubomir Nedich, D, Lehre v. d. Quantifikation des Prädikats in der neueren englischen Logik, in: Wundts philos. Studien, III. — F. Bourdillet, La réforme logique de H,, 1910, — F. Nauen, Die Erkenntnislehre H.s, Diss, Straßburg 1911. — Rasmussen, S. V., The philosophy of Sir W. H., Kopenhagen und London 1925. — T. T. Segerstedt, The Problem of Knowledge in Scottish Philosophy, Lund 1935.
Han Fei-Tzu, gest. 233 v. Chr. Chinesischer Politiker und Philosoph, der die aktivistischen Ideen von Hsün-tzu mit der mehr passiven Haltung der Philosophie Lao-tzus (Taoismus) zu vereinigen sucht. Seine Rechts- und Staatsphilosophie verteidigt den Absolutismus. S c h r i f t e n : Complete Works, übers, v. W. K, Liao, Bd. I, London 1939. L i t e r a t u r : Kung-Sun Yang, The Book of Lord Shang, a Classic of the Chinese School of Law, übers, a. d. Chines, von J. J. C. Duyvendak, m. Einl. u. Erkl., London 1928. — Wu, Kuo-Cheng, Ancient Chinese Political Theories, Shanghai 1928. — Liang Chi-Chao, History of Chinese Political Thought during the Early Tsin Period, übers, a. d. Chines, von L. T. Chen, New York 1930.
Hanne, Johann Wilhelm, geb. 29. Dezember 1813 in Harber bei Lüneburg als Bauernsohn, gest, 21. November 1889 in Hamburg. Vom Vater zum Tierarzt bestimmt, nach eigner Neigung Theologe. Studierte von 1833 an Theologie in Göttingen, Halle und Berlin, wo er besonders bei Marheineke hörte. 1840 Dr. phil. in Jena, Kandidat in Wolfenbüttel und Braunschweig. Dort übte er 1840—48 eine Vortragstätigkeit über Natur- und Religionsphilosophie und Ästhetik mit so gewaltigem Erfolg, daß seine theologischen Kollegen ihm jedes Fortkommen in seiner Laufbahn verbauten. Auch seine Professur für Philosophie in Braunschweig und zwei philosophische Universitätsprofessuren entgingen ihm dadurch. Er war unter anderm als Nachfolger Herbarts in Göttingen vorgeschlagen worden. So wurde H, Landpfarrer im Hannoverschen. 1860 erhielt er den Ehrendoktor der Theologie von Göttingen, 1861 endlich wurde er als Ordinarius nach Greifswald gerufen. Der Theolog H., ein Feind der Orthodoxie, von seinen Gegnern als Pietist, Mystiker lund Pantheist verschrien, hatte tiefgehende philosophische Neigungen. Er ging nicht ganz mit einer der zu seiner Zeit bestehenden philosophischen Strömungen mit, stand aber doch dem spekulativen Theismus nahe. Sein religionsphilosophisches Hauptwerk, ,,Die Idee der absoluten Persönlichkeit, oder Gott und sein Verhältnis zur Welt, insbesondere zur menschlichen Persönlichkeit",
Hannequin — Haering
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gibt einen Überblick über die geschichtlichen Entwicklungsphasen des Theismus und seinen Kampf mit dem Pantheismus und Deismus, von den Anfängen der Geschichte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. H, führte aus einer tiefreligiösen Natur heraus ständige Angriffe gegen den Rationalismus. S c h r i f t e n : Rationalismus und spekulative Theologie, 1838. — Schleiermacher als religiöser Genius, 1840/41, — Der moderne Nihilismus und die Straußsche Glaubenslehre im Verhältnis zur christlichen Religion, 1842. — Die Idee der absoluten Persönlichkeit, 2 Bde., 1861—62. — Der Geist des Christentums, 1867,
Hannequin, Arthur, geb. 29. Oktober 1856 in Parny-sur-Saulx (Marne), gest. ebda. 5. Juli 1905. Seit 1885 Professor an der Universität Lyon. H. vertritt einen kritischen Monismus und Atomismus. Er analysiert den physikalischen Atombegriff und findet, daß dieser zwar unumgänglich notwendig ist zur Erfassung der physischen Wirklichkeit, die mein als a ; us diskreten Teilen aufgebaut denken muß, daß er aber doch einen unvermeidlichen Widerspruch in sich trägt, denn er müßte zugleich der Erfassung des Kontinuierlichen genügen. Vor dieser Aufgabe aber versagt er. Als Lösung dieses Widerstreits findet H, den Ausweg, daß er erklärt, die diskontinuierliche Quantität, die auch die Grundlage der Mathematik bildet, sei als Symbol der kontinuierlichen Qualität zu denken. Geht man von dem physischen Atombegriff aus konsequent weiter, so kommt man zu der Annahme einer unendlichen Vielheit von letzten, diskreten Teilen, also von Monaden. Diese denkt er als mit Vorstellungsfähigkeit begabt, aber nicht, wie Leibniz, voneinander abgeschlossen, sondern in realem Zusammenhang durch Kausalität und eine ursprüngliche Harmonie. Diese Harmonie ist letztlich als Ergebnis der Physik erschließbar, die somit selbst einen Entwurf der Metaphysik in sich trägt. S c h r i f t e n : Essai sur l'Hypothèse des Atomes dans la Science contemporaine, Paris 1895, — Nach seinem Tode erschienen: Études d'Histoire des Sciences et d'Histoire de la Philos,, Par. 1908, 2 Bde,
Hansch, Michael Gottlieb, 1683 bis 1752. H. ist Anhänger von Leibniz, schließt sich aber nicht an die Wölfische Philosophie an. S c h r i f t e n : Selecta moralia, 1720. — Ars inveniendi, 1727. — Leibnitzii principia philosophiae, 1728. — Medicina mentis, 1728.
Hanusch, Ignaz, geb. 28. November 1812 in Prag, gest. 19. Mai 1869. Studierte in Prag Philos, und Jura. 1836 bis 1848 Prof. der Philos, in Lemberg, 1849 bis 1852 in Prag als Philos.professor und Universitätsbibliothekar. — Der tschechische Philosoph H. war ein enger Anhänger des orthodoxen Hegelianismus; er wurde deshalb seines Amtes als Universitätsprofessor in Prag enthoben. S c h r i f t e n : Handbuch der wissenschaftlichen Denklehre (Logik), Lemberg 1843, 2. Aufl. Prag 1850. — Handbuch der wissenschaftlichen Erfahrungslehre, Lemberg 1842. —• Grundzüge eines Handbuchs der Metaphysik, ebd. 1845. — Handbuch der philos. Ethik, ebd. 1846. — Abriß einer Psychologie, 1849. — Handbuch der Logik, 1850. — Gesch. der Philos, von ihren Uranfängen bis zur Schließung der Philosophenschulen durch Justinian, Olmütz 1850.
Hardenberg, Fr. von, s. Novalis. Haering, Theodor L. (d. J.), geb. 22. April 1884 in Stuttgart. Dr. phil. Tübingen 1910, Privatdozent ebda. 1913, a. o. Prof. 1919, o. Prof. 1928. Die Schriften Haerings zerfallen in solche zur Grundlegung und Methodenlehre der Einzelwissenschaften, vor allem der Naturwissenschaft und Geschichte, tund in historische. Es ist dabei sein Bestreben, sie alle als Wege zu dem einen
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Haering
letzten Ziele des Verstehens der gegebenen Wirklichkeit zu zeigen, nur mit verschiedenen bestimmten Spezialinteressen und mit je nach diesen und nach der verschiedenen Natur des Teilgegenstandes wechselnden Methoden; so kann er trotz alles gegensätzlichen Anscheins ihre Vereinbarkeit zu einem Gesamtsystem der Wirklichkeit nachweisen. Dabei will er voreilige und vielfach unbewußte Deutungen (die innerhalb derselben schon bestimmten, über die Grenzen jener Einzelwissenschaften hinausgehenden und deshalb nur fälschlich als von ihr erwiesen behaupteten allgemeineren weltanschaulichen Überzeugungen entspringen) als solche kennzeichnen und dadurch die unberechtigten Ansprüche dieser Einzelwissenschaften, eine allgemeine Weltanschauung zu begründen, in ihre Grenzen zurückweisen. Außerdem legt er ein großes Gewicht auf den Nachweis voneinander unabhängiger verschiedener Spezialtypen und Ideale des Erkennens, Erklärens und Verstehens, wie sie nicht miteinander verbindbar sind, vielmehr höchstens in dem universalen Weltbilde sich einander ein- und unterordnen können (vor allem den gesetzmäßigen, den kausalen, den teleologischen und den ganzheitlichen Erkenntnistyp, deren Inkommensurabilität er vor allem im ersten Heft der Zeitschrift für Psychologie 1932, Großfestschrift, eindringlich letztmals dargelegt zu haben glaubt). Unter Berücksichtigung dieser Nachweise glaubt er auch viele der Hauptschwierigkeiten z. B. der modernen Naturwissenschaft als bloße Scheinschwierigkeiten nachweisen und überwinden zu können (in Relativitäts-Quantentheorie, Wellenmechanik usw., deren Wert und Berechtigung in rein mathematisch-physikalischer Beziehung er dabei voll anerkennt und aufrechterhält). In dieselbe Richtung führt ihn auch die auf Grund jener gleichen Überlegungen versuchte grundsätzliche Rehabilitation der Grundzüge des gewöhnlichen vorwissenschaftlichen Weltbildes, die ihm mit den richtig gedeuteten naturwissenschaftlichen usw. Ergebnissen sehr wohl vereinbar scheinen (z. B. absolute Bewegung, Zeitlichkeit, Lage, Objektivität der qualitativen Farben usw.). Vgl. bes. den Aufsatz über mechanistische und nichtmechanistische Physik (Philos, Anzeiger Bd. I, 1925) oder über den Arbeitsbegriff in der Physik (Bl. f. Deutsche Philosophie, 1930). Ebenso wird in der biologischen Naturwissenschaft die Ganzheitsbetrachtung, als von der kausal-mechanischen wie (im Unterschied vom Vitalismus) auch der teleologischen Betrachtung in irgendeinem Sinn verschieden, also als eine Betrachtung sui generis nachgewiesen und überall durchgeführt (s. bes. über „Individualität"). Auch die verschiedenen Methoden der Psychologie werden in dieser Weise in obigem Aufsatz des Großheftes und in den werttheoretischen Untersuchungen kritisch geprüft, und ebenso in den Geschichts- und Geisteswissenschaften den verschiedenen Faktoren historischer Wirklichkeit (materiellen wie immateriellen, individuellen wie überindividuellen, kausalen wie teleologischen, wie auch dem freien Willen der Einzelpersönlichkeit) ihr Recht vindiziert und abgegrenzt. Mit letzteren Forschungen berühren sich nahe die historischen Forschungen über Hegel, dessen Entwicklung als typisch für die Entwicklung des deutschen Idealismus, aber doch auch in ihrer sehr persönlichen Färbung und Fragestellung an allen hinterlassenen Dokumenten genau nachgezeichnet wird. Es werden namentlich die auch von Dilthey noch nicht voll ausgewerteten Hinterlassenschaften der Berner und Frankfurter Zeit, sowie die bisher überhaupt noch nie interpretierten drei Systementwürfe der Jenaer Zeit vor der Phänomenologie dabei verwertet.
Harms
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In vielen Aufsätzen aus diesem Forschungsgebiet: Uber „Krisenepochen" oder über „Individuum und Gemeinschaft" (Philos. BL) oder über „Hegel und die moderne Naturwissenschaft" (1931, M. Becks Philos. Hefte, Berlin) oder in den beiden Jubiläumsreden in Berlin und Stuttgart (erstere in der Veröff. des internationalen Hegelbundes, letztere in der Zeitschrift Württemberg), sind die Beziehungen dieser großen-Epoche deutscher Philosophie auch zu den heutigen wissenschaftlichen Problemstellungen aufgezeigt und nutzbar zu machen versucht. (Für das Lexikon dargestellt von Th. Haering.) S c h r i f t e n : Der Duisburgsche (Kant) Nachlaß und Kants Kritizismus 1775, 1910. — Untersuchungen zur Psychologie der Wertung, 1912 f. — Die Materialisierung des Geistes, 1919. — Die Struktur der Weltgeschichte, 1921. — Philos. der Naturwissenschaft, 1923. — Die Grundfragen der Geschichtsphilos., 1925. — Individualität in Natur und Geisteswelt, 1926.—Hegel, sein Wollen und sein Werk, I u. II, 1928,1938.—Der werdende Hegel, 1931. — Die philosophischen Grundlagen der heutigen Universitätsbildung, 1933. — Naturphilosophie in der Gegenwart, 1934. — Die Entstehungsgeschichte der Phaenomenologie des Geistes, 1934. — Das Lächeln d. Herrn Liebeneiner, Heilbronn 1940. — Hegels Lehre von Staat u. Recht, Stuttgart 1940. — „Der Mond braust durch das Neckartal . . . " , Tübingen 1935. — Die deutsche u. d. europäische Philos., Stuttgart 1943. — Rede auf Alt-Tübingen, Tübingen 1935. — Rede für den Geist, Stuttgart 1935. — Christoph Sigwart, Tübingen 1930. — Der Tod u, d. Mädchen, Leipzig 1943. — Verheißung und Verhängnis d. deutschen Art, Stuttgart 1941. — W a s ist deutsche Philosophie? Stuttgart 1936.
Harms, Friedrich, geb. 24. Oktober 1819 in Kiel, gest. 5. April 1880 in Berlin. Studierte in Kiel und Berlin Naturwissenschaften und Philos., 1842 Habilitation in Kiel, dort 1848 a. o. Prof., 1858 Ordinarius, 1867 Berufung nach Berlin. H. ist von Fichte beeinflußt. Charakteristisch für ihn ist das Bemühen, die idealistische Philosophie mit den Ansprüchen der Erfahrungswissenschaften in Einklang zu setzen. So bestimmt er zwar Philosophie als die Wissenschaft vom Absoluten, aber das Absolute ist nur zu erkennen aus den Grundbegriffen der Empirie. Wenn man diese Grundbegriffe durchgeht und miteinander verbindet, so ist man auf dem Weg zum Absoluten. Auch zur Wissenschaft kommt man nur durch Verbindung von stückhafter Erkenntnis zu einem Ganzen. „Vor der Wissenschaft gibt es nur Fragmente und Aggregate von Erkenntnissen, woraus Wissenschaft wird durch ihre methodische Verbindung zu einem Ganzen" (Psychologie, S. 3). Natur- und Geschichtswissenschaften sind grundlegend voneinander verschieden. Die Natur ist das Reich der Bewegungsvorgänge des Konstanten, die Geschichte das Reich der Willenskräfte, der Vorgänge (Prozesse) und des Neuen. „Geschichte . . . ist ein stets fortschreitendes, neue Gestaltungen der Wirklichkeit erzeugendes Geschehen, welches nur durch Willenskräfte stattfinden kann." In der Geschichte waltet eine „Kausalität der Willenskräfte des Geistes". Die Wissenschaft von den Grundbegriffen der Geschichte ist die Ethik. Keine Wissenschaft ist rein empirisch oder rein spekulativ. „In allen Wissenschaften gibt es . . . zugleich ein empirisches und ein spekulatives, ein induktives und ein deduktives Verfahren" (Psychologie, S. 3). Die Natur als das notwendig Geschehende steht im Gegensatz zur Vernunft, dem „Vermögen der Freiheit", wie es sich darstellt im Willen, der sich selbst sein Gesetz gibt. Auf ihm ruht der Bereich der Sittlichkeit. „Weil der Geist sich in der gegebenen Wirklichkeit befangen und unbefriedigt fühlt, will er. Und sein Wille geht auf die Umgestaltung der gegebenen und 'die Produktion einer neuen Wirklichkeit." Die Welt ist ein Ineinander von Natur und Vernunft. Sie ist „das Seiende, welches vollkommen wird"; Gott dagegen ist „das Seiende, welches vollkommen ist", das Absolute.
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H. unterscheidet den Körper als das, was einem andern erscheint, vom Geist, dem alles erscheint. Der Geist übt eine Tätigkeit, die sich auf ihn selbst zurückbezieht; dadurch hat er Bewußtsein. Dies ist folglich die „Wirkung oder die Tätigkeit eines Dinges auf sich selbst" (Metaphysik, S. 39 f.). S c h r i f t e n : Der Anthropologismus in der Entwicklung der Philos. seit Kant, 1845. — Die Philos. Fichtes, 1862. — Zur Erinnerung an Hegels lOOjähr. Geb.tag, 1871. — A. Schopenhauers Philos., 1874. — Über den Begriff der Psychologie, 1874. — Die Reform der Logik, 1874. — Über den Begriff der Wahrheit, 1876. — Die Philos. seit Kant, 1876. — Die Formen der Ethik, 1878. — Die Philos. in ihrer Geschichte, 1878 ff. — Metaphysik, 1885. — Logik, 1886. — Ethik, 1889. — Begriff, Formen und Grundlagen der Rechtsphilos., 1889. — Naturphilosophie, 1895. — Psychologie, 1897. L i t e r a t u r : F . Zimmer, Grundriß der Philosophie nach F . H., 1902.
Harnack, Adolf von, geb. 7. Mai 1851 in Dorpat, gest. 10. Juni 1930 in Heidelberg. Studium der Theologie in Dorpat 1869 bis 1872, Habilitation für Kirchengeschichte in Leipzig 1874 mit einer Arbeit „De Apellis gnosi monarchica", 1876 a. o. Prof. in Leipzig, 1879 Ordinarius in Gießen, 1886 in Marburg, 1888 in Berlin; 1890 Mitglied der Akademie der Wissenschaften, 1905 Generaldirektor der Königlichen Bibliothek, 1912 Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften. Führender protestantischer Kirchen- und Dogmenhistoriker, Organisator der deutschen Wissenschaft. Der Theologe H., aus der Schule Albrecht Ritschis hervorgegangen, hat durch seine grundlegenden Werke zur Geschichte des christlichen Glaubens und der christlichen Kirche zugleich die Geschichte philosophischen Denkens in der vom Christentum gestalteten Welt aufs stärkste gefördert. Seine Darstellung der Entstehung und Entfaltung des christlichen Dogmas, das „Lehrbuch der Dogmengeschichte", birgt in sich entscheidende Erkenntnisse über das Herauswachsen philosophischer Probleme aus dogmatischen Spekulationen, vor allem solchen über das Geheimnis der Trinität. H. zeigt die Verflochtenheit theologischer und philosophischer Gedankenarbeit im Gang der Jahrhunderte und erweist ihr Ergebnis, das kirchliche Dogma, als „ein Werk des griechischen Geistes auf dem Boden des Evangeliums", H.s Textausgaben und textkritische Untersuchungen haben unzählige Urkunden auch für philosophische Forschung zubereitet; seine Erläuterungen aus umfassender zeitgeschichtlicher Kenntnis wiesen den Philosophen Wege zur Sinndeutung der Quellen. H.s wissenschaftliches Schaffen ging von der Überzeugung aus, daß für die Erforschung kirchengeschichtlicher und theologischer Vorgänge dieselben Methoden gelten wie für die Profangeschichte, dieselben Regeln wie für jede logische Arbeit, dieselben Gesetze wie für alles Erkennen. Die Religion sah er als Grundlage und „Hauptstück" der Kultur an; das Christentum war ihm d i e Religion, die einzige. Kulturgeschichte nach Ausschaltung des religiösen Gehalts stand bei H, nicht hoch im Wert, „Aber wird nicht von der Ideen- und Kulturgeschichte . . , zu viel Aufhebens gemacht? Ich meine, von der Ideen- und Kulturgeschichte, die übrigbleibt, wenn man von ihr die Geschichte der Religion, der öffentlichen und privaten, abgezogen hat, Wir Theologen haben allen Grund , . . dabei zu beharren, daß die feierlichen Fragen des religiösen Gewissens, wie es durch das Christentum erzogen ist, auch heute noch das verborgene Fundament und Hauptstück der Kultur bilden," Was die Religion für die kulturelle Entwicklung bedeutet, lehrt aber nicht die Theologie allein, sondern vor allem die geschichtliche Betrachtung religiösen Lebens. „Nicht die Exegese allein und nicht die Dogmatik wird uns zu gesundem Fortschritt und zu immer reinerer Erkenntnis des Ursprünglichen und wirklich Wertvollen anleiten, sondern die besser erkannte
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Geschichte." — „Der Kardinal Manning hat einmal das frivole Wort ausgesprochen: „Man muß die Geschichte -durch das Dogma überwinden"; wir aber sagen umgekehrt: Man muß das Dogma durch die Geschichte läutern, und wir sind als Protestanten der guten Zuversicht, daß wir damit nicht niederreißen, sondern bauen" (an Althoff, 27. September 1888). Allen Fortschritt in der Kirchengeschichte, wie in der Geschichte überhaupt, bewirken die großen Personen, die, wo immer sie stehen, also auch in der Wissenschaft, Kraftzentren bilden. Wissenschaft als Form des Lebens, nicht als bloßer Weg zu Ergebnissen, fordert ein Tun, wenn sie ihren Dienst am Ganzen nicht verfehlen will. „Denn auf den Gebieten der Religion, der Philosophie, der Soziologie und der Kunst ist der ein unnützer Knecht, der das, was er untersucht und bewahrt, nicht auch ausstrahlt." Wissenschaft und menschliche Erkenntniskraft sind verbunden mit dem Göttlichen. Erkenntnisquelle ist nicht bloß die Intuition; auch der Intellekt ist gottgegeben. Die Kultur, die religiöse und die wissenschafliche, fördert das Bewußtsein der Verbundenheit mit Gott. Das kulturabgewandte Wesen Karl Barths und seiner Schule sieht H. daher als eine Gefahr für die christliche Religion an. H.s Ineinssetzung von Erkenntnis und Leben, von Wissenschaft und Tätigkeit im Goetheschen Sinne macht ihn aller bloßen Spekulation abgeneigt. „Wissenschaft ist die Erkenntnis des Wirklichen zu zweckvollem Handeln", Von dem Einfluß der modernen Naturwissenschaften auf wissenschaftliches Verfahren und Erkennen erwartet H. die Herausbildung eines neuen Wirklichkeitssinnes. Das Bemühen der Geschichtswissenschaft dagegen, Gesetze von der Exaktheit der naturwissenschaftlichen aufzustellen, sieht er als verfehlt an. Aufgabe und Begrenzung der Geschichte liegt vielmehr darin, Kräfte, Richtung und Leistung einer vergangenen Epoche zu erkennen. Aus dieser Erkenntnis erwachsen ihre Wertmaßstäbe. Ihre Anwendung setzt voraus, daß das Leben etwas schlechthin Wertvolles ist. Lebensförderad ist die Kraft, die den Menschen vom Dienst des vergänglichen Lebens entbindet, lebenzerstörend die Richtung, die das sinnliche Wohlergehen des Einzelnen an die erste Stelle setzt. Das Geschehen in der Welt strebt zu einer höheren Ordnung unter Überwindung des Triebhaften und der Eigensucht. H.s letzte Veröffentlichung galt den „Stufen der wissenschaftlichen Erkenntnis", deren er vier annimmt. Auf der ersten herrscht das menschliche Verlangen, Gleichartiges zusammenzuordnen, Ungleichartiges zu trennen; die zweite zielt auf Feststellung der ursächlichen Zusammenhänge der Erscheinungen ab, als Standort des Naturwissenschaftlers; der dritten gilt Lebenserforschung als Aufgabe, in der Art von Goethes Naturbetrachtung; für die vierte Stufe ist der Mensch Subjekt und Objekt zugleich, und die Geschichte dient als Mittel zur Erforschung seines geistigen Lebens. S c h r i f t e n : Für die Philosophie wesentlich: Lehrb. d. Dogmengesch., Bd. I, 1885; Bd. II, 1887; Bd. III, 1889; 5. Aufl. 1931/32. — Gesch. d. altchristl. Literatur, Bd. I u. II, 1893 u. 1904. — Wesen d. Christentums, 1900. — Mission u. Ausbreitung des Christentums in den ersten christl. Jahrhunderten, 1902. — Gesch. d, Preuß. Akademie d. Wissenschaften, Bd. I bis IV, 1900. — Marcion, 1921; 2. Aufl. 1924. — Augustin, Reflexionen u. Maximen, 1922. — Immanuel Kant, 1924. — Reden u. Aufsätze, 2 Bd., 1904; 2. Aufl. 1906. — Aus Wissenschaft u. Leben, N. F. der Reden u. Aufsätze, 1. u. 2. Bd., 1911. — Aus Friedens- u. Kriegsarbeit, N. F. 3. Bd., 1916. — Erforschtes u. Erlebtes, N. F. 4. Bd., 1923. — Üb. d. Sicherheit u. d. Grenzen geschichtl. Erkenntnis, 1917. L i t e r a t u r : Festschriften zum 70. Geb., 1921; H.-Ehrung v. s. Schülern; Festgabe v. Freunden u. Fachgenossen; v. der Staatsbibl.; v. der Kaiser-Wilhelm-Ges. (Die Naturwissenschaften, 9. Jg., H. 18); Christliche Welt, Nr. 18; vor allem: Kartellzeitung der
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Harper — Hartenstein
Akademisch-theolog. Vereine, Nr. 7, Eisenach. — Christlieb, Max, H.-Bibliogr., 1912; ergänzt durch Smend, Friedrich, A. v. H., Verzeichnis s. Schriften, 1927, mit Bibliogr. u. mit Nachtrag 1931. — Soden, Hans v., A. v. H.s Schriften, 1931. — Sietsma, Kornelius, A. v, H. voornamelijk als dogmahistoricus, Delft 1933. — M. C. Slotemaker-de Bruine, A, v. H.s krit. Dogmengeschiedenis, 's Gravenhage 1933. — Zahn-Harnack, Agnes von, A. v. H., 1936. Harper, T h o m a s M o r t o n , 1821 bis 1893. E n g l i s c h e r V e r t r e t e r d e r N e u s c h o l a s t i k . S c h r i f t e n : The Metaphysics of the Schools, Lond. I, 1879, II, 1881; III, Pt. 1, 1884. Harpokration a u s Argos, P l a t o n i k e r . H. s t a n d u n t e r d e m Einfluß d e s P l a t o n i k e r s A t t i k o s u n d des N e u p y t h a g o r e e r s Numenios. E r s c h r i e b e i n e n P i a t o n k o m m e n t a r , in dem er den p l a t o n i s c h e n W e l t b i l d n e r n e u p y t h a g o r e i s c h in zwei G o t t h e i t e n t r e n n t , d e n e n er die W e l t als d r i t t e G o t t h e i t anschließt. D i e V e r k ö r p e r u n g d e r S e e l e in m e n s c h l i c h e n L e i b e r n ist a u s n a h m s l o s ein Übel. Harrington, J a m e s , 1611 bis 1677. E n g l i s c h e r Philosoph, d e r in s e i n e r politischen Utopie an Platon, Machiavelli und Bacon anknüpft. Er b e k ä m p f t Hobbes. S c h r i f t e n : The Commonwealth of Oceana, London 1656. — The Oceana and other Works, herausg. v. John Toland and Thomas Birch, 3. Aufl., London 1747. L i t e r a t u r : Russell Smith, H. F., Harrington and his Oceana, Cambridge 1914; mit Bibliogr. — Koebner, Richard, Die Geschichtslehre James H.'s, in: Geist und Gesellschaft, 3 Bde., Breslau 1927/28, Bd. 3, S. 4—21. Harris, W i l l i a m T o r r e y , geb. 10. S e p t e m b e r 1835 zu N o r t h Killingly (Conn.), gest. 5. N o v e m b e r 1909 in S a i n t Louis. S t u d i e r t e in Y a l e Univ. 1869, a n d e r Univ. B r o w n 1893, in J e n a 1899. Mitgl. d. f r a n z . A k a d e m i e . — H a r r i s v e r t r i t t e i n e n Idealismus, d e r v o r allem in d e r A r t E m e r s o n s an d e r d e u t s c h e n i d e a l i s t i s c h e n P h i l o s o p h i e o r i e n t i e r t u n d der p l a t o n i s c h e n S e i t e d e r k a n t i s c h e n P h i l o s o p h i e u n d H e g e l z u g e w a n d t ist. S c h r i f t e n : Doctrine of Reflection, Being a Paraphrase and a Commentary interpolated into the Text of the Second Volume of Hegel's Larger Logic Treating of „Essence", New York 1881. — Philos. in Outline, New York und Lond. 1883. — Introduction to the Study of Philos., New York 1889. — Hegel's Logic, a critical exposition, Chic. 1890. — Psychol. Foundation of Education, New York 1898. — Begründer des Journal of Speculative Phil. 1867, das bis 1893 in 22 Bden. erschien. L i t e r a t u r : List of Harris* Writings, von H. R. Evans in Advance Sheets, Govt. Printing Office, 1908. — Roberts, John S., William T. Harris, Washington 1924. — The St. Louis Movement in Philos., arranged and ed. by Charles M. Perry, Norman Okla. 1930, S. 51—68; Bibliogr. S. 96—140. Harrison, F r e d e r i c , geb. 18. O k t o b e r (Surrey). E n g l i s c h e r Positivist.
1831 in L o n d o n , gest. 1923 in B a t t s
S c h r i f t e n : Order and Progress, Lond. 1875. — Science and Humanity, 1879. — The Present and the Future, 1880. — On Future Life, 1882. — Choice of Books and other Essays, 1886. — New Calendar of Great Men, 1892. — The Meaning of History, 1894. — The Relation of Ethical Culture to Religion and Philos., in: Intern. Journal of Ethics, 1894. — The Creed of a Layman, London 1907, — Autobiographic Memoirs, 2 Bde., London 1911, m. Bibliogr. — On Jurisprudence and the Conflict of Laws, Oxford 1919. — De senectute, Lond. 1923. L i t e r a t u r : Harrison, Austin, F. H., Thoughts and Memories, London 1926. — Pollock, Frederick, F. H,, Jurist and Historian, in: English Review, Bd. 36, 1923; S. 410—413. Hartenstein, G u s t a v , geb. 18. M ä r z 1808 in P l a u e n , gest. 2. F e b r u a r 1890 in J e n a . 1833 P r i v a t d o z e n t , 1836 o. P r o f e s s o r d e r Philos. in Leipzig bis 1859. A n hänger Herbart«.
Hartley — Hartmann, Eduard von
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S c h r i f t e n : Die Probleme und Grundlehren der allgemeinen Metaphysik, 1836. — Uber die neueste Darstellung und Beurteilung der Herbartschen Philos., 1838. — Die Grundbegriffe der ethischen Wissenschaft, 1844. — Über die Bedeutung der megarischen Schule für die Geschichte der metaphysischen Probleme, 1847. —Darstellung der Rechtsphilos. des Grotius, 1850. — Über den wissenschaftlichen W e r t der aristotelischen Ethik, 1859. — Über Lockes und Leibniz' Lehre von der menschlichen Erkenntnis, 1861. — Historisch-philosophische Abhandlungen, 1869. — Hrsg. der Werke Kants u. Herbarts.
Hartley, David, geb. 30. August 1705 in Armley in Yorkshire, gest. 28. August 1757 in Bath. Praktischer Arzt. Englischer Assoziationspsychologe, Die Assoziation besteht darin, daß Vorstellungen, die gleichzeitig sind oder unmittelbar aufeinanderfolgen, sich miteinander verbinden, woraus neue psychische Gebilde entstehen. Diesem Vorgang geht parallel ein Schwingungsprozeß im Gehirn, dessen einzelne Elemente in entsprechender Weise zu Verbindungen zusammenfließen wie die Vorstellungen. S c h r i f t e n : Coniecturae quaedam de motu sensus et i4earum generatione, Lond. 1746. — Obs^rvations on man, his frame, his duty and his expectations, 2 Bde., Lond. 1749, 6. Aufl. 1834; deutsch von v. Spieren, 1772/73. L i t e r a t u r : G. Spencer Bower, H. and J a m e s Mill, London 1881. — B. Rand, The early development of H.s doctrine of association, Psychical Review, Bd. 30, Nr. 4. — Schoenlank, H. und Priestley, die Begründer des Assoziationismus in England, Diss., Halle, 1882. — Heider, Maria, Studien über D. H., Diss., Bonn 1913.
Hartmann, Eduard von, geb. 23. Februar 1842 in Berlin, gest. 5. Juni 1906 in Groß-Lichterfelde. Als Sohn eines preußischen Offiziers schlug v. H. selbst die militärische Laufbahn ein, nahm aber 1865 seinen Abschied wegen eines nervösen Knieleidens, das ihn zu liegender Lebensweise zwang. Nun widmete er sich philosophischen Studien, promovierte 1867 und veröffentlichte 1869 „Die Philosophie des Unbewußten". H. lebte nur seiner Forschungsarbeit, die alle Einzelgebiete der Philosophie in ihren Schaffenskreis einbezog und Zeitfragen jeder Art streifte. H. gehört zu den philosophischen Denkern, die noch vom spekulativen Idealismus zehren, aber die Folgerungen aus seinen Grundeinsichten nur insoweit ziehen, als es die Rücksicht auf die Erfahrungswirklichkeit und auf die Ergebnisse der neueren Naturwissenschaften zuläßt. Dies nähert ihn Lotze und Fechner. Die Eigenart seines Systembaus besteht in der Verschiedenartigkeit und Mannigfaltigkeit des verwendeten Materials. Er hat selbst die einzelnen B e standteile seines Systems aufgezählt: „dasselbe ist eine Synthese Hegels und Schopenhauers unter entschiedenem Übergewicht des ersteren, vollzogen nach Anleitung der Prinzipienlehre aus Schellings positiver Philosophie und des B e griffs des Unbewußten aus Schellings erstem System; das vorläufig noch abstraktmonistische Ergebnis dieser Synthese ist alsdann mit dem Leibnizschen Individualismus und dem modernen naturwissenschaftlichen Realismus zu einem konkreten Monismus verschmolzen, in welchem der real-phänomenale Pluralismus zum aufgehobenen Moment geworden ist, und das so sich ergebende System ist endlich von empirischer Basis mit der induktiven Methode der modernen Natur- und Geschichtswissenschaften aufgebaut und errichtet" (Phil, des Unbewußten I, 11. Aufl., S. 14). Die entscheidenden Anregungen gingen von Hegel, Schopenhauer und Schelling aus. Fundament der Welt, Träger der Wirklichkeit ist das Unbewußte, das sowohl Wille als auch Vorstellung oder Intelligenz ist, also Schopenhauers blinden Willen und Hegels logische Idee umfaßt. Dieses Weltbegründende und Wirklichkeitschaffende ist das absolut Unbewußte, zu scheiden vom physiologischen Unbewußten, das „die ruhenden molekularen Prädispositionen der materiellen Zentralorgane des Nervensystems" (Moderne Psychologie, S. 76) umfaßt, und vom relativ Unbewußten, das sind „psychische Philosophen-Lexikon
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Phänomene, die wohl für Individualbewußtseine niederer Stufen innerhalb des Organismus bewußt sind, für das oberste Zentralbewußtsein oder Samtbewußtsein des Organismus aber unter der Schwelle und darum unbewußt bleiben" (S. 77). Das absolut Unbewußte ist „das einheitliche metaphysische Wesen mit den Attributen des unendlichen Willens und der unendlichen Vorstellung", Wollen und unbewußtes Vorstellen sind „als Aktus nur untrennbare Seiten ein und derselben Tätigkeit, aber nicht zwei verschiedene Tätigkeiten . . . Nur wir in unserm abstrakten Denken reißen sie in zwei verschiedene Tätigkeiten auseinander." — „Wollen und Vorstellen sind immer in unauflöslicher Einheit, sowohl in der bewußten wie in der unbewußten Geistestätigkeit, und sie bilden nur die entgegengesetzten Polaritäten dieser Einheit" (Kategorienlehre 1896, S. 48). Der Wille setzt das „Daß", die Idee das „Was" der Welt. So wird es möglich, daß die Existenz der Welt, die dem Willen zur Last fällt, zwar unvernünftig ist, daß die bestehende Welt aber trotzdem als die beste von allen möglichen zu gelten hat. Dies nämlich verdankt sie der Intellektseite des Unbewußten. „Das »Daß« der Welt ist . . . als ein von Gott geschiedenes schlechter, als ihr Nichtsein wäre; aber das »Was und Wie« des Weltinhalts ist bestmöglich, wenn das Daß einmal als gegeben hingenommen wird" (Pessimismus, 2. Aufl., S. 26). Aus dieser Doppelansicht erklärt es sich, wie H. Pessimist und evolutionistischer Optimist zugleich sein kann. Der Pessimismus ist metaphysisch begründet. Die aus dem Unbewußten entstandene Welt ist mit tiefen Mängeln behaftet. Alles Geschehen in ihr ist zweckbestimmt und hat den letzten Sinn, sich selber aufzuheben, hat sein Ziel in der Erlösung vom Weltelend. Der Weltprozeß, der einer Selbstaufhebung oder Vernichtung zustrebt, vollzieht sich um so rascher, je stärker der Einzelne das Leben und damit das lebenauflösende Endziel bejaht. Nur muß diese Hingabe an den Weltprozeß zur Erlangung des Nichtseins bewußt erfolgen. So hat sich das Unbewußte zur Erreichung seines Ziels das Bewußtsein geschaffen. Dieses wiederum bringt als Mittel zur Vollendung seiner Selbstaufhebung die Kulturerscheinungen hervor: Religion, Sittlichkeit, Kunst dienen letzten Endes der Vernichtung des Wirklichen, das durch den Willen geworden ist. „Nur dadurch, daß ein Willensakt mit den anderen in Opposition tritt und sie sich gegenseitig Widerstand leisten und beschränken, nur dadurch entsteht das, was wir Realität nennen." (Phil, des Unbewußten, S. 535). Systematisch angesehen, ergibt sich aus der Rolle, die H, den Kulturgebieten zuteilt: Religion, Ethik und Ästhetik ruhen auf seiner Metaphysik und Erkenntnistheorie. Drei Sphären hat die Wirklichkeit: 1, die metaphysische, die sich mit dem •unbewußten Geist deckt; er ist die „einheitliche Wurzel des bewußten Geistes und der Natur, des Bewußtseins und des Daseins, der Innerlichkeit und der Äußerlichkeit" (Kategorienlehre 1896, S. V/VI); 2. die objektiv-reale, das Reich der Natur oder die objektiv-reale Erscheinungswelt; 3. die subjektiv-ideale, das Reich des bewußten Geistes. Die Erkenntnistheorie hat den Wirklichkeitswert dieser drei Gebiete und ihre gegenseitigen Beziehungen zu untersuchen. H.s erkenntnistheoretischer Standpunkt ist der transzendentale Realismus. H. erklärt: „In der Erkenntnistheorie liefen meine Bestrebungen ebenso wie in der Metaphysik dem Agnostizismus zuwider. Hinter einem transzendentalen Realismus, wie ich ihn vertrete, wittern alle übrigen mit Recht eine Brücke zur Metaphysik" (Rückblick auf meine Schriftstellerlaufbahn, 1894; im Grundproblem der Erkenntnistheorie, 2. Aufl, 1914, S. 9). Diese Brücke ist „zugleich die einzig mögliche zur Naturwissenschaft, zur Geschichte und zur praktischen Philosophie". Als Grundproblem der Erkenntnistheorie betrachtet H. die Frage nach dem Verhältnis des Bewußtseins zum Daseienden. Was findet das Bewußtsein
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als seinen Inhalt vor? oder: Was ist die Erfahrung, wie H. dieses dem Bewußtsein Gegebene nennt. Zunächst die raumzeitliche Körperwelt mit Einschluß des Menschen selbst. In ihnen glaubt der naive Realismus die wirklichen Dinge wahrzunehmen. Mit seiner Darstellung muß die Grundlegung der Erkenntnistheorie beginnen. Er ist „ganz aus der praktischen Anpassung des Denkens und Vorstellens an die Aufgaben und zwingenden Forderungen des Lebens hervorgegangen", ist „instinktive Weltansicht" (a. a. O. S. 38); als „Denkabbreviatur" wird er auch von den Philosophen verwendet. Dieser unkritische Ausgangspunkt der Reflexion hat verschiedene Stufen der „kritischen Selbstauflösung". Eine solche Stufe ist die physikalische Welt ansieht; sie hat den Fundamentalsatz des naiven Realismus „von der unmittelbaren Wahrnehmung der Dinge an sich umgestoßen und durch die entgegengesetzte Ansicht einer bloß mittelbaren Wahrnehmung der Dinge durch Rückschlüsse aus ihren dynamischen Wirkungen ersetzt" (S. 47), Sie führt geraden Wegs zu H.s eigenem Standpunkt, dem transzendentalen Realismus; aber sie kann wissenschaftlich nicht bestehen. Kommt sie doch nur zufällig zu richtigen Ergebnissen, ohne die Möglichkeit eines transzendentalen Idealismus geprüft zu haben. In der physikalischen Ansicht lebt der Glaube fort, daß das Ding an sich selbst wahrgenommen wird und als realer Kern, wenn auch subjektiv verhüllt, in der Wahrnehmung steckt. Sie enthält also noch einen Rest von naivem Realismus, den erst die Physiologie der Sinneswahrnehmung als zweite Stufe aus ihr vertreibt (S. 54). Diese erst vermag zu zeigen, daß Welt des Daseins und Welt des Bewußtseins heterogen, daß sie zwei streng voneinander geschiedene Welten sind, und daß die Materie, der I n h a l t der Empfindung und die F o r m der Anschauung von innen her produziert werden. Empfindungen und Anschauungen werden assoziativ zu einer Einheit verknüpft und durch die Kategorien zu einer subjektiven Erscheinungswelt geordnet, Empfindung und Denken sind subjektive Funktionen, seelische Vorgänge. Das Subjekt kann also immer nur Modifikationen und Änderungen seiner eigenen seelischen Zustände wahrnehmen. Es ist „der Inhalt alles Bewußtwerdens auf die eigene seelische Zuständlichkeit beschränkt" (S. 72). Diese Feststellung ist als dritte Stufe zugleich die philosophische Auflösung des naiven Realismus. Nach seiner Widerlegung bleiben zwei erkenntnistheoretische Möglichkeiten offen: der transzendentale Idealismus, „der die Anwendung der Anschauungs- und Denkformen auf eine bewußtseinstranszendente Welt verbietet, wenn nicht gar die Existenz einer solchen leugnet", und der transzendentale Realismus, „der nach Art der naturwissenschaftlichen Weltansicht die Anwendung der Anschauungsund Denkformen auf eine jenseits unseres Bewußtseinsinhalts belegene Welt zuläßt" (S. 74), Den transzendentalen Idealismus nennt H. einen „umgekrempelten naiven Realismus", weil er das Vorstellungsbild mit einem Ding an sich verwechselt, wie der naive Realismus das Ding an sich mit einer Vorstellung. Transzendentaler Idealismus ist negativer Dogmatismus. Er besitzt zwei Arten des Vorkommens: 1. als radikaler Idealismus, der Sein gleich Bewußtsein setzt und die Möglichkeit einer Welt von Dingen an sich leugnet; wäre eine solche, so könnten wir kein Wissen von ihr haben; 2, als gemilderter oder inkonsequenter Idealismus läßt er die Welt der Dinge an sich und unser Wissen von ihr gelten, bestreitet aber, daß diese transzendente Welt in raumzeitlichen und logischen Formen existieren kann; Vertreter dieser erkenntnistheoretischen Ansicht ist Kant, aber auch Berkeley, Fichte und Friedrich Albert Lange. Ein solcher abgeschwächter Idealismus geht in transzendentalen Realismus über, sobald man Raumzeitlichkeit und Kategorien zugleich als Daseinsformen der Dinge an sich und als Anschaungs- und Denkformen des Bewußtseins ansieht. Auf realistische — nicht 29*
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auf idealistische — Ordnung und Deutung des Empfindungsmaterials ist die menschliche Organisation bis ins kleinste angelegt. Sobald man ein Hineinwirken der transzendenten W e l t in unser Bewußtsein zuläßt, anders ausgedrückt: wenn man die Kategorie der Kausalität auf Dinge an sich anwendet, hat man die B r ü c k e vom Immanenten zum Transzendenten geschlagen und den Übergang zum transzendentalen Realismus gefunden. Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal der möglichen erkenntnistheoretischen Standpunkte voneinander ist folglich ihr Verhalten zum transzendentalen Gebrauch der Kategorie der Kausalität und aller übrigen Kategorien (S. 126). Um „transzendentale R e a l i t ä t oder W a h r h e i t " (S. 167) zu besitzen, muß ein Bewußtseinsinhalt das, was ihm in der transzendentalen W e l t entspricht, sein „transzendentes K o r r e l a t " adäquat vertreten. Eine unmittelbare E r k e n n b a r k e i t der Dinge an sich bestreitet der transzendentale Realismus; eine solche kommt nur dem Bewußtseinsinhalt zu. D e r transzendentale Realismus ist erkenntnistheoretischer Dualismus. E r sieht Ding an sich und Wahrnehmungsobjekt als die Grundpfeiler der Erkenntnistheorie an, und die transzendente Kausalität als den Bogen, der beide verbindet. Der b e w u ß t e E r kenntnisvorgang ist das Bemühen, den Gegensatz zu überwinden, in den die metaphysische Einheit des W e s e n s sich auseinandergelegt hat. D e r transzendentale Realismus schließt sich an die naturwissenschaftliche Weltanschauung an; er zeigt, daß alle Wahrnehmungen aus Empfindungen aufgebaut sind, und daß jede Empfindung eine Beimischung von Lust und Unlust hat (S. 180). Lust und Unlust sind die Urform der Empfindungsintensität oder die Urempfindung (Kategorienlehre 1896, S. 32); sie „sind nichts weiter als F o r m e n d e r B e w u ß t werdung des Willens in seiner Kollision mit anderm W i l l e n " (S. 63). S o ist meine Empfindung etwas von mir nicht Gewolltes, mir Aufgezwungenes. Ich fühle sie „als das Endglied einer Kollision zwischen einem fremden Willen und meinem eigenen W i l l e n " (Grundproblem der Erkenntnistheorie, S. 181). Unbewußt schließe ich daher auf einen fremden dynamischen Einfluß, denke eine transzendente Ursache hinzu. Dieser F a l l ist „das Urphänomen von allem transzendentalen K a t e goriengebrauch" und unentbehrliche Voraussetzung für alle sonstige Anwendung von Kategorien. Den Anreiz dazu, der in dem gefühlten Zwang liegt, nennt H. das „Kategorialzeichen", Der auszeichnende W e r t des transzendentalen Realismus liegt darin, daß in ihm „eine aufsteigende Entwicklung des Erkenntnisvermögens durch Anpassung an die W e l t " stattfindet. D e r transzendentale Realismus ist ein Postulat. Wissenschaftlich betrachtet, bleibt er allerdings eine bloße Hypothese. Die entscheidende Bedeutung des Kategorienproblems für die Erkenntnistheorie nötigt zu besonderer Vertiefung in seine Schwierigkeiten, wie H.s „ K a t e gorienlehre" sie leistet. Die Geltung der Kategorien muß für die drei Wirklichkeitssphären: subjektiv-ideale, objektiv-reale und metaphysische, gesondert untersucht werden. Allgemein erklärt H.: „Ich verstehe unter einer K a t e g o r i e eine unbewußte Intellektualfunktion von bestimmter A r t und W e i s e , oder eine unbewußte logische Determination, ¡die eine bestimmte Beziehung s e t z t " (S. VII). Zu unterscheiden ist zwischen Kategorialbegriffen und Kategorialfunktionen. „Die Kategorialbegriffe sind die Bewußtseinsrepräsentanten der induktiv erschlossenen unbewußten Kategorialfunktionen" (S. VIII). Die unbewußten Kategorialfunktionen sind apriorisch; sie sind Betätigungsweisen der unpersönlichen Vernunft in den Individuen. Die Kategorialbegriffe sind Beziehungsformen — nämlich zwischen Ding an sich und Erscheinung. E s gibt solcher unzählige. Die Kategorienlehre greift nur die wichtigsten heraus; welche, das ist eine reine Opportunitätsfrage. H. unterscheidet als Hauptgruppen: a) Kategorien der Sinnlichkeit, nämlich 1. des
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Empfindens (Qualität, Quantität als intensive und extensive oder Zeitlichkeit), und 2. des Anschauens (Räumlichkeit); b) Kategorien des Denkens, das heißt 1. Urkategorie der Relation, 2. Kategorie des reflektierenden, 3. Kategorie des spekulativen Denkens (Kausalität, Finalität, Substantialität). Der synthetischen' Intellektualfunktion obliegt die Ordnung des Empfindungsmaterials zu einer subjektiven Erscheinungswelt. „Das Material stammt letzten Endes aus dem Wollen — gemeint ist das individuelle Wollen — und seinen Intensitätsunterschieden, um welche die unbewußte Intellektualfunktion nur das einigende Band schlingt" (S. 45). — H.s Naturdeutung ist dynamischer Art. In den Organismen wirken „leitende und ordnende Oberkräfte", die H. aus dem intelligenten willensbegabten Unbewußten erklärt. Diese Annahme macht H. zum Mitbegründer des Neovitalismus und zum Gegner Darwins. Die Psychologie untersucht ,,die gesetzmäßige Abhängigkeit der bewußt psychischen Phänomene von dem jenseits des Bewußtseins Belegenen" (Moderne Psychologie, S. 25). Es muß unterschieden werden zwischen den psychischen Tätigkeiten, die absolut unbewußt sind, und den seelischen Phänomenen. Diese „sind immer bewußt, eben weil sie psychische Phänomene oder Erscheinungen sind; darin, daß sie einer Psyche erscheinen, darin besteht eben ihr Bewußtwerden" (Der Ursprung des Unbewußten, 1903, H, 13, S, 38). Die gesetzmäßigen Zusammenhänge, um deren Feststellung die Psychologie sich müht, „werden niemals erfahren, sondern immer nur durch Ausdeutung des Erfahrenen hinzugedacht. Erlebt werden allerdings diese Zusammenhänge, aber nur unbewußt, indem die eigene unbewußt psychische Tätigkeit es ist, die sie unbewußt setzt" (Moderne Psychologie, S. 23). S c h r i f t e n : Über die dialektische Methode, Bln. 1868, 2. Aufl. 1910. — Philosophie des Unbewußten, Versuch einer Weltanschauung, Bln. 1869, 12. Aufl. 1923. — Schellings positive Philosophie als Einheit von Hegel und Schopenhauer, 1869. — Das Ding an sich und seine Beschaffenheit, 1870. — Gesammelte philos. Abhandlungen zur Philosophie des Unbewußten, 1872. — Erläuterungen zur Metaphysik des Unbewußten, 1874. — Die Selbstzersetzung des Christentums und die Religion der Zukunft, 1874, 3. Aufl. 1888. — Das U n b e w u ß t e vom S t a n d p u n k t der Physiologie und Deszendenztheorie (anonym), 1872. — W a h r h e i t und Irrtum im Darwinismus, 1875. — Kritische Grundlegung des transzendentalen Realismus, 1875. — Gesammelte Studien und Aufsätze, 1876. — Neukantianismus, Schopenhauerianismus und Hegelianismus, 1877. — Phänomenologie des sittlichen Bewußtseins, 1879. — Zur Gesch. und Begründung des Pessimismus, 1880. — Religionsphilosophie, 1. hist.-krit. Teil: Das religiöse Bewußtsein der Menschheit im Stufengang seiner Entwicklung, 2. systemat. Teil: Die Religion des Geistes, 1881/82. — Philos. F r a g e n der Gegenwart, 1885. — Der Spiritismus, 1885. — M o d e r n e Probleme, 1885. — Ästhetik, 2 Tie., 1886/87. — Lotzes Philos., 1888. — Kritische W a n d e r u n g e n durch die Philos. der Gegenwart, 1889. — Das Grundproblem der Erkenntnistheorie, 1889, 2. Aufl. 1914, — Die Geisterhypothese des Spiritismus und seine Phantome, 1891. — Kants Erkenntnistheorie und Metaphysik, 1894. — Kategorienlehre, 1896. — Schellings philos. System, 1897. — Ethische Studien, 1898. — Gesch. der Metaphysik, 2 Bde., 1899 bis 1900, — Die moderne Psychologie, 1901. — Die Weltanschauung der modernen Physik, 1902. — Das Problem des Lebens, 1906. — System der Philos. im Grundriß, 8 Bde., 1906—1909 (I. Erkenntnislehre, II. Naturphilosophie, III. Psychologie, IV. M e t a physik, V. Axiologie, VI. Ethische Prinzipienlehre, VII. Religionsphilos., VIII. Ästhetik). L i t e r a t u r : Chronologische B i b l i o g r a p h i e von Alma v. H., Kantstudien, Bd. 17, 1912, S. 501—20. — Julius Bahnsen, Zur Philosophie der Geschichte, eine kritische Besprechung des Hegel-Hartmannschen Evolutionismus aus Schopenhauerschen Prinzipien, 1871. — J o h . Volkelt, Das Unbewußte und der Pessimismus, 1873. — J o h a n n e s Rehmke, Hartmanns U n b e w u ß t e s auf die Logik hin kritisch beleuchtet, Diss., Zürich 1873. — H. Ebbinghaus, Über die H.sche Philos. des Unbewußten, Diss., Bonn, Düsseldorf 1873. — Olga Plümacher, Der Kampf ums Unbewußte, 1881. — Th. Achelis, Der Begriff des
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Unbewußten in psycholog. und erkenntnistheoret. Hinsicht bei H., Philos. Jb. VI. — Arthur Drews, E. v. H.s philos. System im Grundriß, 1902, 2. Aufl. 1906. — Leopold Ziegler, Das Weltbild H.s, 1910. — Hall, G. S., Founders of Modern Psychology. New York 1912, S. 181—243. — A. Lasson, Die Entwicklung des rel. Bewußtseins der Menschheit nach E. v. H., 1883. — O. Jessel, Die induktive Methode bei E. v. H., Diss., Kiel 1907. J. P. Steffes, E. v. H.s Religionsphilos. des Unbewußten, 1921. — Wilh. von Schnehen, E. v. H., Frommanns Klassiker, XX, 1929. — Petraschek, K. 0., Die Logik des Unbewußten. E. Auseinanders. m, d. Prinz, u. Grundbegr. d. Philos. E. v. H.s, 2 Bde., 1926. — Hessen, Joh., Die Kategorienlehre E. v, H.s, 1924, in: Wissen und Forschen, Bd. 17. — Rintelen, Fritz Joachim v., Pessimistische Religionsphilos. der Gegenw, Unters, zur religionsphilos. Problemst. bei E. v. H. u. ihren erkenntnistheor.-metaph. Grundlagen, 1924. — Luc. Braun, D. Persönlichk. Gottes, 2 Bde., Heidelberg 1929/31. — Heinz Heinrichs, D. Theor. d. Unbew. in d. Psychol. E. v. H.s, Diss, Bonn 1933. — Hans Stäglich, Verz. der E. v. H.-Literatur, Leipzig 1932. — Archiv f. Rechts- u. Sozialphilosophie, Sonderheft E. v. H., 1943. — W. Rauschenberger, E. v. H., 1942.
Hartmann, Nicolai, geb. 20. 2. 1882 in Riga, Gymnasialabitur St. Petersburg 1901, Studium: Medizin, klassische Philologie, Philosophie in Dorpat, St. Petersburg und Marburg a. d. L., promoviert bei H. Cohen und P. Natorp in Marburg 1907; Habilitation für Philosophie daselbst 1909, von 1914—1918 im Felde, 1920 a. o. Prof., 1922 o. Prof. (Nachfolger Natorps) in Marburg, 1925 nach Köln, 1931 nach Berlin und 1945 nach Göttingen berufen. Die ersten Arbeiten gelten der Alten Philosophie; von 1912 ab wird Erkenntnistheorie der Hauptgegenstand, einige Jahre geht der Kampf gegen den Marburger logischen Idealismus und den Neukantianismus überhaupt. Wesentlichen Einfluß hierauf haben die Schriften Husserls und Schelers, unter den Denkern der Geschichte Aristoteles, Kant und Hegel, die dem Suchenden in neuem Lichte aufgegangen sind. Um 1919 ist der Durchbruch zu einer neuen Ontologie vollzogen. Das erste Resultat ist die „Metaphysik der Erkenntnis" (1921), das zweite die „Ethik" (1925), deren Werttheorie bereits die neue Fassung des idealen Seins voraussetzt. In den Kölner Jahren werden die ersten zusammenhängenden Entwürfe zur Ontologie, einschließlich der allgemeinen Kategorienlehre niedergeschrieben, aber einstweilen nicht veröffentlicht. Das gleiche gilt von der Theorie des geistigen Lebens und ihren geschichtsphilosophischen Konsequenzen. Daraus ergeben sich in den Berliner Jahren weitere vier Hauptwerke: „Das Problem des geistigen Seins" (1933), „Zur Grundlegung der Ontologie" (1935), „Möglichkeit und Wirklichkeit" (1938), und „Der Aufbau der realen Welt" (1940). Der vierte Band der Ontologie, die „Philosophie der Natur" ist nach 1940 geschrieben, die „Ästhetik" erst 1945, beide bislang noch unveröffentlicht; desgleichen die „Studien zur Logik", deren vierundzwanzig Kapitel von 1931 bis 1944 nebenher entstanden sind und im Jahre 1945 zugleich mit einigen anderen Manuskripten verlorengegangen sind. 1. D i e Z u g ä n g e . Niemand fängt mit dem eigenen Denken an. Jeder findet in seiner Zeit eine Sachlage des Wissens und der Fragestellungen vor, in die er hineinwächst und aus der heraus er selbst zu suchen beginnt. Er übernimmt die großen Problemgehalte aus dem geschichtlichen Stadium, das sie erreicht haben. Denn die Problemgehalte gehen durch die Jahrhunderte, ohne sich wesentlich zu ändern: es sind jene metaphysischen Probleme, von denen Kant sagte, sie seien das Schicksal der Vernunft, weil diese sie weder abweisen, noch lösen kann. Nur sind ihrer viel mehr, als Kant meinte; die Grenzfragen aller Wissensgebiete sind in diesem Sinne „metaphysisch", d. h. mit einem irrationalen (unlösbaren) Rest behaftet, der darum zwar ungezählte Lösungsversuche erfährt, aber
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im Grande ungelöst bleibt. Mit dieser Metaphysik der Probleme hat es die Philosophie zu tun. Und in diesem Sinne kehrt die einst totgesagte Metaphysik in ihr heute wieder (s. Selbstdarstellung; Grundlegung, Einl.). Aber sie ist keine Metaphysik der Systeme mehr. Die Systeme, die Ismen, sind konstruierte Weltbilder, Gedankengebäude, die bei der leisesten Kritik wieder zusammenbrechen. Sie lösen einander ab, ohne daß eines sich halten könnte; und bestünde die Geschichte der Philosophie nur in ihnen, so wäre sie kaum etwas mehr als die Geschichte der menschlichen Irrtümer. Sie ist aber noch etwas anderes: Geschichte der Probleme und ihrer Lösungen: versteckt unter den Trümmern der Systeme liegen die echten Einsichten, die Fortschritte der Erkenntnis. Liest man diese auf und arbeitet sie sorgsam zusammen, so zeigt sich der rote Faden des Erkenntnisprogresses in der Philosophie so gut wie in anderen Wissenschaften auch. Nur die übliche Darstellungsform der Geschichte, die fast ausschließlich bei den Weltbildern steht, täuscht uns ein planloses Herumtappen der Philosophie im Dunklen vor („Diesseits" S. 160—167); „Der philos. Gedanke . . . " ; „Metaph. d. Erk." Kap. 1). Was wir zu vermeiden haben, ist nicht die philosophische Systematik überhaupt — denn die Welt ist eine, und wer sie erfaßt, muß in ihr auf die Einheit eines Gefüges stoßen —, sondern nur das vor aller Untersuchung zugrunde gelegte Weltbild, das hinterher wie ein Prokrustesbett des Gedankens wirkt und berechtigte Problemgehalte ausschaltet. Das „System" muß das Letzte sein. Es kann und darf sich erst aus der Untersuchung ergeben („Aufbau" Vorwort (Schluß); „Neue Wege" IX). Aus ihr freilich ergibt es sich von selbst. 2. D i e O n t o l o g i e . I. Aus der Fülle der perennierenden Grundprobleme hebt sich eine engere Gruppe solcher Fragen heraus, die sich mit phänomenologischer und analytischer Methode weitgehend behandeln läßt. Diese Gruppe ist die des Seienden und seiner Grundbestimmungen (Kategorien), Von alters her ist an ihr mit Erfolg gearbeitet worden. Ihre Einstellung ist von Hause aus die natürliche, die Einstellung auf den Gegenstand, die intentio recta, die sie mit der Sichtrichtung des Alltags und der der meisten Wissenschaften teilt; sie kehrt zu dieser zurück, im Gegensatz zur Logik, Psychologie und Erkenntnistheorie, welche mit der Reflexion auf das Denken, das Subjekt oder die Erkenntnis einsetzen und sich so in einer intentio obliqua bewegen (Gründl. Kap. 3), Als fruchtbar hat sich die Unterscheidung der Seinsmomente „Dasein und Sosein" erwiesen; aber diese Momente gehören eng zusammen und dürfen nicht voneinander abgelöst werden (Gründl. Kap. 4). Ebenso wesentlich ist der Gegensatz der Seinsweisen „Realität und Idealität". Unter der letzteren ist nicht das Sein des Gedankens zu verstehen, sondern das der Wesenheiten, der mathematischen Gebilde und der Werte. Ihr Verhältnis zum Realen ist das des Enthaltenseins in ihm. Vollständiges Sein ist überhaupt nur das reale — kenntlich an seiner Zeitlichkeit und Individualität —, während das ideale für sich genommen unselbständig bleibt und überzeitlich im Allgemeinen verharrt (Met. d. E, 2. Aufl., Kap. 61—64; Gründl. Kap. 38—51). Die Gegebenheit des Realen jedoch, die einst von der Skepsis und vom Idealismus weitgehend in Zweifel gezogen werden konnte, stellt sich als vollkommen gesichert dar, wenn man sie nicht vom isolierten Erkenntnisakt aus, sondern aus dem Gefüge der mannigfachen emotionaltranszendenten Akte (Erfahren, Erleben, Erleiden, Hoffen, Fürchten, u. a, m.) heraus versteht, in denen sie durch den unabweisbaren Modus des Betroffenseins gewährleistet ist (Probl. d. Realitätsgegebenheit; Gründl. Kap. 22—37). II. Das Kernstück der Ontologie ist die Lehre von den Seinsmodi (Modalanalyse), d. h. von Möglichkeit und Wirklichkeit, Notwendigkeit und Zufälligkeit,
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Unmöglichkeit und Unwirklichkeit. Diese Seinsmodi unterscheiden sich wesentlich von den oben erwähnten „Seinsweisen" und „Seinsmomenten", sind aber oft mit ihnen verwechselt oder gar grundsätzlich gleichgesetzt worden, Sie decken sich auch in den Seinssphären {Realität und Idealität) nicht miteinander, und noch weniger mit den Modi des Logischen und der Erkenntnis. Gleichwohl wurzelt in ihren gegenseitigen Verhältnissen die Grundgesetzlichkeit des Realen, das allgemeine Determinationsgesetz, oder wie Leibniz es nannte, das principium rationis sufficientis (Satz vom Grunde) (Möglichkeit u. Wirklichkeit, Einl. 3—13). Das kommt so heraus. Zugrunde liegt das Spaltungsgesetz der Realmöglichkeit: in der Realsphäre ist Möglichkeit des Seins nicht zugleich Möglichkeit des Nichtseins (a. a. 0 . Kap. 15). Denn in der Realwirklichkeit ist Realmöglichkeit bereits vorausgesetzt, aber nur die des Seins, die Möglichkeit des Nichtseins ist ausgeschlossen. Anders müßte auch das Realwirkliche noch die Möglichkeit des Nichtseins in sich' haben. Was widersinnig ist. Strenger noch läßt sich das „material" erweisen. Inhaltlich besteht die Realmöglichkeit aus der vollständigen Reihe der Bedingungen: solange noch eine fehlt, ist die Sache vielmehr unmöglich; sind aber alle beisammen, so kann sie nicht mehr ausbleiben. Das bedeutet: sie ist dann nicht nur realmöglich, sondern auch realnotwendig. E s folgt also aus dem Spaltungsgesetz zunächst: W a s real möglich ist, ist auch real notwendig. Und daraus folgt weiter das Realgesetz der Notwendigkeit: „Was real wirklich ist, ist auch real notwendig" (a, a. 0 . Kap. 19, 20). Dieses Gesetz ist identisch mit dem allgemeinen Determinationsgesetz alles Realen, oder dem Satz vom zureichenden Realgrunde. Es folgt aber ferner das Realgesetz der Möglichkeit: „Was realmöglich ist, ist auch realwirklich" (a. a. O. Kap. 21). Damit ist gesagt, daß es kein „bloß Mögliches" in der Realsphäre gibt, daß vielmehr alle sogenannten „Möglichkeiten", mit denen wir im Leben rechnen, bloße Teilmöglichkeiten sind, nicht aber Realmöglichkeiten. Als drittes ergibt sich das Realgesetz der Wirklichkeit, welches besagt: „Das Wirklichsein des Realwirklichen besteht in seinem Zugleich-Möglichsein und -Notwendigsein" (a. a. 0 , Kap. 24). Diese Grundgesetze ergeben ein ganzes Geflecht von Konsequenzen. Der Ausschluß des Zufalls aus dem Realzusammenhang ist hier nur ein erster Schritt. Ontologisch wichtiger ist schon, daß der Zufall an den Grenzen der Realsphäre sowie an ihrer Ganzheit wiederkehrt und dort als irregulärer Modus seinen Platz behauptet (a. a. O. Kap. 27); desgleichen, daß über die Art der Determination nichts vorentschieden ist, daß also das Realgesetz der Notwendigkeit keinen Einheitsdeterminismus der Welt bedeutet, sondern eine Überlagerung verschiedener Determinationsformen zuläßt (a. a. 0 . Kap. 26). Das erweist sich hinterher als entscheidend für jede Art von Autonomie auf den einzelnen Seinsgebieten. Man kann aber auch die Betrachtung ins Zeitlich-Konkrete wenden und von hier aus eine genaue Bestimmung des Werdens aus seinem modalen Bau heraus geben; was kategorial wiederum auf ein Grundgesetz hinausläuft, denn das Werden ist nicht Gegensatz zum Sein, sondern die allgemeine Seinsform des Realen (a. a. 0 . Kap. 28—32). J a , es gibt Gebiete unvollständiger Realität, wie das Sollen, die Verwirklichung, den künstlerischen Gegenstand, deren Seinsweisen von hier aus bestimmbar werden; Bestimmungen, die sich erst in der Ethik und Ästhetik auswirken können (a. a. O, Kap. 33—35). Mittelbar indessen gehen die Folgerungen viel weiter. Denn jetzt setzt erst die Modalanalyse der anderen (nicht realen) Sphären ein: die des Logischen (des Urteils), die des idealen Seins und die der Erkenntnis. In diesen Sphären
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herrschen ganz andere Intermodalgesetze. Die Vordergründigkeit der letzteren, insonderheit der logischen, ist schuld daran, daß die Realgesetze so lange verkannt worden sind. Denn in diesen Sphären gibt es keine durchgehende Determination, hier hat das Zufällige Spielraum, und die freischwebenden Möglichkeiten treiben ihr Wesen neben dem Wirklichen (a. a. O. Kap. 38, 39,44, 45, 49, 50). Auf der Andersheit der Intermodalgesetze des Erkennens beruht letzten Endes die weitgehende Inadäquatheit unseres Erkenntnisapparates — sowohl des anschauenden als auch des begreifenden — in bezug auf sein wichtigstes Gegenstandsfeld, die reale Welt (a. a, O. Kap. 57—59). III. Alle ins Einzelne gehende Ontologie wird zur Kategorienlehre. Diese umfaßt eine beträchtliche Mannigfaltigkeit, weil die reale Welt sich in vier Schichten aufbaut, und jede von diesen ihre eigenen Kategorien hat (Aufbau Kap. 20,21). Vorgelagert ist diesen speziellen Kategorien eine Gruppe allgemeiner Fundamentalkategorien, die durch alle vier Schichten hindurchgehen und sich in ihnen mannigfach abwandeln. Sie treten in Form von Gegensatzpaaren auf und bilden Dimensionen, die sich überschneiden (a. a. O. Kap. 24—26). Hierher gehören: Substrat und Relation, Form und Materie, Einheit und Mannigfaltigkeit, Gegensatz und Dimension, Diskretion und Kontinuität; wichtiger aber noch sind Determination und Dependenz, Einstimmigkeit und Widerstreit, Element und Gefüge, Inneres und Äußeres. Das Verhältnis dieser Prinzipien unter sich ist schon ein bemerkenswertes; vollends aufschlußreich aber ist ihre sehr verschiedene Abwandlung in den Seinsschichten, So nimmt der Formtypus nach oben hin zu, während das Materiemoment immer mehr verschwindet. Die Einheits- und Gefügetypen steigern sich mit der Seinshöhe — vom dynamischen Gefüge zum organischen, seelischen, personalen und Gemeinschaftsgefüge, aber ihre stärksten Formen sind die niederen (a. a. 0 . Kap. 33). Eine eigenartige Kurve bildet auch die Abwandlung des Widerstreits; sein Einschlag wächst mit der Höhe, zugleich aber fordert er immer höhere Formen der Einstimmigkeit heraus (a. a. O. Kap. 32). Noch merkwürdiger ist die Linie des „Inneren", das im seelischen Sein sich zu einer eigenen „Innensphäre" oder „Innenwelt" ausweitet, weiter aufwärts aber wieder zur bloßen Zentralzone abfällt (a. a. 0 . Kap. 34). Diese Kategorien unterliegen einer Gesetzlichkeit, die man die „kategoriale" nennen kann, Sie besagt 1. daß Kategorien nicht vom Concretum abtrennbar sind, dessen Prinzipien sie sind; 2. daß sie nicht einzeln, sondern nur im Verbände einer ganzen Kategorienschicht bestehen, innerhalb deren sie sich gegenseitig implizieren; 3. daß die Kategorien der höheren Schicht viele von denen der niederen (sie überformend oder überbauend) enthalten, nicht aber umgekehrt; und 4. daß Abhängigkeit nur einseitig als die der höheren von den niederen besteht, nicht aber umgekehrt (a. a. O. Kap. 42,45, 50). In dieser Abstraktheit sind es freilich nur die Grundsätze; jeder von ihnen zerfällt in mehrere besondere „kategoriale Gesetze". Unter diesen erweisen sich die beiden letzten Gruppen als besonders folgenschwer, weil in ihnen der Aufbau der realen Welt als Gefügetypus wurzelt. Das wird sehr einleuchtend von der vierten Gruppe, den Dependenzgesetzen, aus (a. a. O..Kap. 55,56). Diese beginnt mit dem kategorialen Grundgesetz; ,, Die niederen Kategorien sind die stärkeren", (Gesetz der Stärke) und endet mit dem Gesetz der Freiheit: „Die höheren Kategorien sind, ungeachtet ihrer Abhängigkeit von den niederen, dennoch in ihrem inhaltlichen Novum ihnen gegenüber frei (autonom)." Der Sinn dieser Doppelgesetzlichkeit ist das „Aufruhen" der höheren Gebilde „auf" den niederen
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— das Getragensein des Geistes vom Seelenleben, des Seelenlebens vom Organismus, des Organismus von den physischen Gebilden und ihren Energien (ein Verhältnis, das in keinem Punkte umkehrbar ist) — und dabei zugleich das Nichtaufgehen der höheren Gebilde in eben dieser Abhängigkeit. Das letztere bedeutet positiv das Hinzutreten neuer, inhaltlich reicherer und in diesem Sinne „höherer" Kategorien in jeder höheren Schicht. So treten neue, überlegene Formprinzipien im Organischen auf, die nicht vom Physischen her verständlich sind; so erst recht neue im Seelischen, und vollends im Geistesleben, ohne daß aber hierbei die Abhängigkeit des „Aufruhens" durchbrochen würde. Diese Gesetze sind in der herkömmlichen Metaphysik von jeher verletzt, ja geradezu auf den Kopf gestellt worden. Die meisten der großen Systeme übertragen spezifische Kategorien des geistigen Seins (Vernunft, Zwecktätigkeit, Vorsehung) auf die niederen Seinsschichten; sie machen also die höheren Kategorien zu den stärkeren und kehren damit die kategoriale Dependenz um. Sie verstoßen gegen das Gesetz der Stärke (a. a. O. Kap. 57). Alle Naturteleologie, alle Geistmetaphysik begeht diesen Fehler. Den umgekehrten aber begeht aller Materialismus oder Energetismus: er sucht seelisches und geistiges Sein von den Kategorien des Physischen allein aus zu bestreiten und hebt damit die Autonomie der höheren Kategorien auf. Er verstößt gegen das Gesetz der Freiheit (a. a. O. Kap. 59). 3. N a t u r p h i l o s o p h i e ist die spezielle Kategorienlehre der beiden niedersten Seinsschichten, der physisch-materiellen und der organischen. Sie zerfällt in drei Teile: 1. Dimensionale Kategorien, 2. Kosmologische Kategorien, 3. Organologische Kategorien. Der erste Teil hat es mit Raum und Zeit zu tun; freilich nicht nur mit ihnen, sondern auch mit Extension und Dimension, Maß und Größe, sowie mit der Bewegung (Phil. d. Nat. Kap, 1, 4, 16—18). Hierbei zeigt sich nun das von der Modalanalyse her bekannte Phänomen der Sphärendivergenz. Raum und Zeit sind nicht dieselben in der Realsphäre und in der Erkenntnissphäre (a. a. O, Kap, 2,3). Der Realraum unterscheidet sich wesentlich vom Anschauungsraum, die Realzeit von der Anschauungszeit (beide außerdem noch vom Idealraum, dem geometrischen, und der Idealzeit). Der Anschauungsraum ist endlich in verschwimmenden Grenzen, desgleichen die Anschauungszeit, beide sind ungleichförmig und unstetig, in beiden hat das Subjekt die denkbar größte Bewegungsfreiheit, kann sich hinversetzen, wohin es will, kann beim Künftigen, beim Vergangenen, beim räumlich Entfernten verweilen (a. a. 0 , Kap. 8,9, 14,15). Ganz anders Realraum und Realzeit. Niemand kann real aus dem Zeitpunkt heraus, in dem er steht; ja, auch die Raumstelle kann er nur mit dem Körper selbst wechseln (a, a. O, Kap. 6, 7), In der Realzeit gibt es überhaupt nur die gemeinsame Bewegung mit dem Zeitfluß; ein Schneller oder Langsamer gibt es nur im Räume (a, a. O. Kap, 12,13), Ferner Realraum und Realzeit sind weder endlich noch unendlich, sie sind überhaupt keine Größen, sondern sind das, „worin" etwas Reales extensive Größe haben kann. Ebenso sind die Dimensionen des Raumes weder gekrümmt noch gerade, weil sie vielmehr das System möglicher Ausdehnung sind, „in" dem etwas krumm oder gerade sein kann (a. a. O. Kap. 6, 11). m
Die kosmologischen Kategorien beginnen mit dem Realverhältnis, dem Prozeß und dem Zustand (a. a. O. Kap. 19, 20, 21, 25), schreiten fort über Substantialität und Kausalität (a. a. 0 , Kap. 22—24, 26—31) zur Wechselwirkung und zur Naturgesetzlichkeit (a, a. 0 . Kap. 32—37), um dann im dynamischen Gefüge (a, a. 0 . Kap. 38,39) und seinen Determinationsformen, der Zentral- und der
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Ganzheitsdetermination (a. a. O. Kap. 40,42), sowie den dynamischen Gleichgewichten und ihrer Stufenordnung zu kulminieren (a. a. O. Kap. 41, 43, 44), Neuartig ist hierbei die völlige Abtrennung der Gesetzlichkeit (als des Real-Allgemeinen in den Prozessen) von der Kausalität, was die Auffassung der letzteren als des zeitlich rechtläufigen Realnexus zwischen den Stadien des Prozesses involviert (a. a. O. Kap. 33,35,26,27), Ferner, was die Wechselwirkung im Ganzen des Kosmos ist, die gegenseitige Bedingtheit alles gleichzeitigen Geschehens, das ist im Kleinen, aber ungleich stärker der Verbundenheit nach, das dynamische Gefüge, dessen Stufen vom Atom bis zum Spiralnebel reichen (a, a. 0 . Kap. 38,41). Diese Gefüge erhalten sich nicht durch Substantialität, sondern durch ihre innere Konsistenz, die ihrerseits auf gewissen pendelnden Gleichgewichten beruht (a. a. O. Kap. 24, 43). Hier setzen denn auch die beiden genannten Determinationsformen ein, in deren Widerspiel sogar schon ein gewisser Typus von selbsttätiger Regulation gegeben ist (a. a. O. Kap. 40, 42, 43). Im Stufenreich der Gefüge aber liegen die höchsten Formen nicht bei den größten Systemen (den kosmischen), sondern offenkundig in der Mitte — bei der Größenordnung dessen, was unseren Sinnen zugänglich ist (a. a. O. Kap. 43, 44). Hier treten denn auch die organischen Gefüge auf. Mit diesen setzen die organologischen Kategorien ein, Sie betreffen das Ineinander von Lebensform und Lebensprozeß, das Gleichgewicht der Prozesse, die Erhaltung des Formgefüges im Wechsel des Stoffes (a. a, 0 , Kap. 45—50), sowie des Prozeßgefüges im Schwanken der Prozeßkomponenten; sowie das Leben der Art, als des Gefüges höherer Ordnung, mit seinem Gleichgewicht von Sterblichkeit und Reproduktion (a. a. O, Kap. 51—55). Hierbei fällt das ganze kategoriale Gewicht auf den „morphogenetischen Prozeß" und seine eigenartige Steuerung vom Anlagesystem aus (a, a. O, Kap. 52, 53). In der letzteren liegt die wichtigste organologische Kategorie, die der organischen Determination (die in den Theorien meist fälschlich entweder kausal oder final gedeutet worden ist, was dann den törichten Streit von „Mechanismus und Vitalismus" hervorgerufen hat) (a. a. 0 . Kap. 61—63), Dahinter taucht eine weitere Gruppe von Kategorien auf; sie betrifft den Artenwandel, die Phylogenese, und setzt mit dem Phänomen der organischen Zweckmäßigkeit ein. Sie führt einerseits auf Kants „regulatives Zweckprinzip", andererseits aber auf die konstitutiven Triebkräfte der Deszendenz: Mutation und Selektion, hinaus, die freilich nur einen Teil der Phänomene erklären, zur Zeit aber, solange bessere Hypothesen fehlen, noch unentbehrliche Hilfskategorien sind (a. a. 0 . Kap. 56—60). 4, P h i l o s o p h i e d e s G e i s t e s . Für das seelische Sein die Kategorien aufzuzeigen, ist Sache der Psychologie. Und in der Tat hat diese in unseren Tagen mit gewissen Vorarbeiten dazu begonnen. Doch liegen hier die Dinge in den Anfängen. In der Ebene des geistigen Seins dagegen läßt sich in gewissen Grenzen phänomenologisch vorgehen. Wir kennen drei Grundformen des Geistes, den personalen, den geschichtlich-objektiven und den objektivierten Geist (Probl. des geistigen Seins, Kap. 4, 5). Der personale Geist ist der des Individuums und als solcher wohlbekannt. Dennoch ist er zumeist falsch beschrieben worden, weil das Bewußtsein ja nicht schon von sich aus geistiges Bewußtsein ist, sondern sich in den Jährhunderttausenden der Menschwerdung die längste Zeit als geistloses Bewußtsein, d. h. als ein in den Trieben verhaftetes und ihnen dienendes, entfaltet hat. Das eigentliche Geistesleben erwacht im Individuum erst mit der Ablösung aus dem Drang, wobei das Subjekt seine Abhängigkeit von der umgebenden Welt allererst gewahr wird und sich selbst in exzentrischer Stellung zu ihr sieht (a. a. 0 . Kap. 9).
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So erst gewinnt es Distanz zu den Dingen und mit ihr Erkenntnis; die Distanz erst läßt ihm die Dinge zu Gegenständen werden (a. a. O. Kap. 10). Aber auch das ist nur ein Auftakt. Die eigentliche geistige Personalität setzt vielmehr mit dem praktischen Verhalten ein. Dieses aber ist gebunden an das Wesen der Situation, die den Menschen wohl zwingt zu handeln, aber ihm nicht sagt, wie er handeln soll (a. a. O. Kap. 12). Der Mensch ist im Leben anders gestellt als das Tier, dem seine Instinkte sagen, was es zu tun hat; der Mensch ist auf seine Freiheit gestellt und damit von innen heraus gefährdet, denn Freiheit ist eine zweischneidige Gabe, sie enthält die ständige Möglichkeit des Fehlgehens. Mit dieser hohen Gabe vereinigt das personale Wesen noch die Fähigkeiten der Vorsehung und der Zwecktätigkeit, der Aktivität und des Wertbewußtseins. Das macht seine Stellung in der Welt zu einer einzigartigen und beherrschenden (a. a. O. Kap. 14,15). Ganz anders der „objektive Geist". Die längste Zeit hat man ihn ganz übersehen. Erst Hegel erfaßte sein Wesen, aber er deutete es als Substanz und setzte sich damit ins Unrecht (a. a. 0 . Kap. 18). Das gemeinsame Geistesleben, das in keinem Individuum aufgeht, aber geschichtlich sich wandelnd die Generationen überdauert, ist weder eine Abstraktion noch ein Kollektivum, sondern eine sehr konkrete und reale Macht im Leben des Einzelmenschen, die ihn zwingt in bestimmter Weise zu sein; aber es besteht nicht aus Individuen, sondern aus lauter Momenten, die in ihnen gleichartig sind. Gebiete des objektiven Geistes sind die Sprache, die Wissenschaft, das Recht, die Moral, Sitte und Lebensstil, Religion, Kunst und Technik. Niemand erfindet sich seine eigene Sprache, erdenkt sich seine Wissenschaft; der Einzelne wächst vielmehr hinein in das Bestehende, er übernimmt es aus der gemeinsamen Sphäre, die es ihm darbietet. Das Übergehen (Tradieren) und Übernehmen aber hat sehr verschiedene Formen auf den einzelnen Geistesgebieten: das Kind übernimmt die Sprache im Nachahmen und Ausprobieren, der Heranwachsende das Wissen im bewußten Fragen und Lernen, wobei es nicht ohne planmäßige Führung durch den Wissenden abgeht. Unmerklich wächst der Mensch in den Geschmack, den Lebensstil, die Wertungen seiner Zeit hinein, doch übernimmt er die sittlichen Forderungen nicht ohne Widerstand, sondern in lebenslänglicher Auseinandersetzung mit ihnen; wodurch er seinerseits am Wandel der bestehenden Moral mitwirkt (a. a. O. Kap. 20—24). Eine besondere Rolle spielt bei alledem das Erziehungswesen, der Geist nämlich vererbt sich nicht, er tradiert sich nur. Der Erzieher und Lehrer ist der Funktionär des Tradierens; er tritt im Geistesleben an die Stelle, die im organischen Leben durch den Vererbungsapparat im Keimplasma der Art ausgefüllt ist. Sein Werk also ist die Erhaltung des Gemeingeistes im Wechsel der ephemeren Träger. Aber eben deswegen ist alle Erziehung 1. Erziehung zum objektiven Geiste (niemals zum personalen, der vielmehr individuell bleibt), und 2. Erziehung durch den objektiven Geist. Denn der Lehrende gibt nicht das Seinige, sondern das Gemeinsame (a, a. O. Kap. 25). Das Leben des objektiven Geistes ist so die denkbar größte reale Macht im Leben des Individuums, aber es empfängt von diesem doch auch wieder die Anstöße seiner geschichtlichen Wandlung (a. a. 0 . Kap. 27—31). In einem Punkte indessen bleibt es ihm grundsätzlich unterlegen: der objektive Geist hat kein Bewußtsein. Es gibt wohl ein Wissen um ihn, aber es ist nicht das seinige, sondern dasunsrige, nämlich das der Individuen um ihn. Und dieses ist und bleibt ein inadäquates (a. a. O. Kap. 32—34). Auf den meisten Geistesgebieten bedarf es auch keines adäquaten Bewußtseins, auf einem aber ist sein Fehlen ein fühlbarer Mangel (ein modus deficiens), auf dem Gebiete des Gemeinschaftslebens und der Politik:
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der Staat kann keinen Augenblick ohne Steuerung, Entschluß, Initiative bestehen; die politische Situation erfordert Vorblick, Zielsetzung, Aktivität. Deren aber ist nur ein personaler Geist fähig. Die Folge ist, daß der objektive die Hilfe des personalen in Anspruch nimmt: er setzt das Individuum an die Stelle des fehlenden Gemeinschaftsbewußtseins und überträgt ihm Macht und Verantwortung (a. a. O, Kap. 35, 36). So geschieht es in der Person des Herrschers, des Staatsmannes, des Ministerpräsidenten usw. Aber er kann dem Individuum nicht auch die erforderliche Objektivität und überpersonale K r a f t verleihen. Darum bleibt das politisch repräsentierende Bewußtsein inadäquat, und alle Lenkung des Geschichtsprozesses durch sein Wirken bleibt auf kurze Sicht beschränkt. Das ist der Grund, warum es dem Menschen nicht gelingen will, den Geschichtsprozeß durch seine Sinngebung auch auf weitere Sicht zu einem sinnerfüllten zu machen (a. a. 0 . Kap. 36 u. 43). Wieder anders ist es mit dem objektivierten Geiste. Er b e s t e h t in den geistigen Schöpfungen, den W e r k e n oder Objektivationen des lebenden Geistes, einerlei ob sie gebrauchtstechnischer, literarischer oder künstlerischer A r t sind. Die Objektivation ist nicht lebender Geist, wohl aber bleibt sie auf den lebenden Geist als auf den verstehenden angewiesen. Dafür überlebt sie ihren Schöpfer, bleibt über weite geschichtliche Zeiträume erhalten und legt von ihm Zeugnis ab, wenn er längst entschwunden ist (a. a. 0 . Kap. 45). Das ist nur möglich, weil die Objektivation ein zweischichtiges Gebilde ist, bestehend aus einem realen Vordergrund und einem irrealen, aber durch jenen hindurch „erscheinenden" Hintergrund. J e n e r ist ein sinnlich materielles Gebilde, dieser ein geistiger Gehalt, der gleichsam in jenen hineingebannt und von ihm getragen ist, jederzeit aber nur einem lebenden Geiste erscheinen kann, der die Bedingungen des Verstehens mitbringt. Typisch ist dieses Verhältnis im Schrifttum jeder A r t zu sehen: der reale Vordergrund ist nichts als das Schriftbild; der erscheinende Hintergrund ist der Sinngehalt des Geschriebenen. An allen Künsten k e h r t das gleiche Verhältnis wieder: in d e r statischen Form des Steines erscheint die Bewegtheit der Figur, auf der Fläche der Leinwand die Raumtiefe und das Leben der Szene. An diesem Erscheimmgsverhältnis hängt das, was wir „Schönheit" nennen. A b e r auch Erhaltung und Dauer des geistigen Gehalts hängt an ihm (a, a. O. Kap. 47 bis 49). Die Kraft der Erhaltung ist hierbei freilich höchst mannigfaltig abgestuft. Von höchster Konstanz sind gewisse künstlerische Inhalte, z. B. Gestalten großer Dichtung, von geringster die der Begriffe, in denen die Bindung von Gehalt und Terminus eine äußere ist. Deswegen sinken Begriffe geschichtlich ab (a, a. O. Kap. 51, 52, 55). Auf die Dauer aber kehrt aller objektivierte Geist in den lebenden zurück und wird in ihm wieder verflüssigt (a. a. O, Kap. 53, 54). Dabei übt er eine Rückwirkung auf ihn aus. Diese kann fruchtbar bewegend, kann aber auch belastend und hemmend sein. Im letzteren Falle kommt es zum Konflikt zwischen lebendem und objektiviertem Geiste, und im extremen Falle zum Ringen zwischen ihnen (a. a. O. Kap. 57—59). Und dann ist es die K r a f t p r o b e des lebenden Geistes — d. h. recht eigentlich eine solche seiner Schöpferkraft —, ob er die Fessel zu durchbrechen und sich selbst zu befreien vermag (a. a. 0 . Kap. 60). 5. E t h i k . Sie sucht Kant mit Nietzsche und Aristoteles, d. h. den Apriorismus des Sollens mit der inhaltlichen Wertmannigfaltigkeit zu vereinigen. Der Boden, auf dem das möglich wird, ist die „materiale W e r t e t h i k " Schelers, Das ontologische Fundament aber zeigt sich darin, daß die W e r t e selbst ideales Sein haben und in dieser ihrer Seinsweise vom Wertgefühl erfaßt werden. Die in der Vielheit d e r Moralen sichtbar werdende Relativität der W e r t e ist in Wahrheit nur eine solche des Wertfühlens, dessen Aufgeschlossenheit für die einzelnen
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Wertgruppen je nachdem, was zur Zeit aktuell ist, eine sehr verschiedene sein kann (Ethik, Kap. 14-—17). Da die Werte aber von sich aus keine Macht haben, sich in der realen Welt durchzusetzen, sondern auf ein reales Wesen angewiesen sind, das da über Vorsehung, Zwecktätigkeit, Wertbewußtsein und Freiheit verfügt, so fällt die Rolle des Mittlers dem Menschen zu, der allein diese hohen Gaben hat (a. a. O. Kap. 19—21). Die Ohnmacht der Werte ist Bedingung der Machtstellung des Menschen. Sittliche Werte sind fundiert auf Güterwerte. Denn Wollen und Handeln sind stets der Intention nach ein Schalten mit Gütern in bezug auf Personen. Hierbei aber gilt das (Schelersche) Gesetz, daß die sittlichen Werte nicht als solche erstrebt werden, sondern vielmehr den Strebensakten anhaften. Sie sind keine intendierten Werte, sondern Intentionswerte (a. a. O. Kap. 26, 27). Der oberste sittliche Wert, der des „Guten" schlechthin ist inhaltlich nicht direkt definierbar; er besteht in der Tendenz zum jeweilig höheren Wert. Das setzt aber nicht nur die Kenntnis aller Werte, sondern auch die ihrer Rangordnung voraus. Daß im Wertgefühl eine solche mitgegeben ist, läßt sich unschwer am Phänomen aufzeigen. Aber das Wertgefühl kann verdunkelt sein; und dann ist auch der Richtungssinn des Guten verdunkelt (a. a. O. Kap. 39). Neben das Ethos des Guten treten das des Edlen, der Fülle und der Reinheit; das erste als Richtung auf einen jeweiligen Vorzugswert, das zweite als Bejahung alles Werthaltigen, das dritte als Ablehnung alles Wertwidrigen (a. a. O. Kap. 40—42). Die erste Gruppe der speziellen Tugendwerte hält sich an die antike Ethik; sie umfaßt die Gerechtigkeit, Weisheit, Tapferkeit und Beherrschung, sowie einige der Aristotelischen Tugenden. Deutlich tritt an ihr das Gesetz der „Mesotes" hervor, daß jede Art des -Gutseins zwischen zwei Schlechtigkeiten steht, die beide als extreme Einseitigkeiten dastehen (a. a. O. Kap. 44—47). Die zweite Gruppe steht der christlichen Ethik näher, Sie umfaßt die Werte; Nächstenliebe, Wahrhaftigkeit, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Treue, Vertrauen, Bescheidenheit, Demut, Distanz und einige äußere Umgangswerte (a. a. O. Kap. 49—54). Die dritte Gruppe, in sich nicht streng zusammenhängend, ist modernen Ursprungs; sie enthält Nietzsches Fernstenliebe und schenkende Tugend, sowie den Wert der Persönlichkeit und den der persönlichen Liebe (a. a. O. Kap. 55—58). Es erhebt sich angesichts dieser Wertmannigfaltigkeit das Problem ihres gesetzlichen Zusammenhanges. Dazu erweist die Untersuchung Folgendes. Ein Schichtungsverhältnis waltet hier nur beschränkt; es ist durchbrochen durch das zwischen Güterwerten und sittlichen Werten waltende Fundierungsverhältnis (bei dem der niedere Wert im höheren nicht wiederkehrt) (a. a. O. Kap. 60). Ergiebiger ist das Gegensatzverhältnis. Aristoteles hat gezeigt, wie immer ein sittlicher Wert zwei Unwerten gegenüberliegt; er muß also, da nach dem Grundgesetz zu jedem Unwert eine Wertkomponente gehört, bereits die Synthese entgegengesetzter Werte sein. Und in der Tat kann man in seinen „Tugenden" die beiden Wertkomponenten aufzeigen. Ergibt sich nun in höherer Wertlage die umgekehrte Gegensätzlichkeit zweier Werte — wie etwa die von Reinheit und Fülle, Gerechtigkeit und Nächstenliebe, Nächstenliebe und Fernstenliebe, oder auch Stolz und Demut — , so liegt der Gedanke nahe, daß diese ebenso einseitige Extreme und als solche noch mit Unwertkomponenten behaftet sein dürften. Dann aber besteht die Aufgabe des suchenden Wertgefühls darin, zu ihnen die entsprechenden Wertsynthesen zu finden. Eine Aufgabe, die freilich nicht die philosophische Theorie leisten kann, sondern nur das geschichtliche Fortschreiten des lebendigen Ethos. So gewinnt man wenigstens den Ausblick auf eine Werttafel mit einheitlicher Rangordnung (a. a. 0 , Kap. 61). Einen
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weiteren. Gesichtspunkt der Anordnung liefert das Komplementärverhältnis, wie es z. B. zwischen Zuverlässigkeit und Vertrauen, Treue und Glauben besteht. Es läßt sich ohne Schwierigkeit auf die Werte der adäquaten Wertantwort ausdehnen und ergibt so das Prinzip einer interpersonalen Wertsynthese (a. a. O. Kap. 62). Schließlich tritt neben das Werthöhenverhältnis noch ein zweites, umgekehrtes: das Wertstärkeverhältnis. Der stärkere (dringlichere) Wert nämlich ist im allgemeinen der niedere; man sieht das am deutlichsten an der nach abwärts zunehmenden Gewichtigkeit der Unwerte: Verstöße gegen die niederen Werte (z. B. den der Gerechtigkeit) sind die schwereren Versündigungen. Im Prinzip des sittlich Guten also tritt neben die Tendenz auf den höheren Wert die Abwehr des niederen Unwertes. Dadurch ergibt sich das Doppelgesicht der Moral und axiologisch eine Antinomie im. Wesen des Guten. Die Aufgabe aber, die hieraus erwächst, ist die Idee einer Synthese beider Vorzugstendenzen (a. a. O. Kap. 63). Die Bedingung aller Sittlichkeit ist die Willensfreiheit. Ohne sie sind auch die höchsten Akt- und Personwerte keine sittlichen Werte. Die „Metaphysik der Sitten" besteht daher in der Aufweisung der Möglichkeit von Freiheit in einer determinierten Welt. Diese Aufgabe wird lösbar auf Grund der (oben entwickelten) „kategorialen Gesetze"; sie ist keine praktische, sondern eine theoretischontologische Aufgabe (a. a. O. Kap. 65). Zwei Antinomien sind hier hintereinander gelagert. Die erste ist die Kantische Kausalantinomie. Sie ist unlösbar in einer einschichtigen Welt, wird aber sofort lösbar, wenn in der Welt mehrere (mindestens zwei) Schichten mit verschiedener Determinationsform einander überlagern; alsdann ist nach dem kategorialen Gesetz der Freiheit eo ipso die höhere Schicht über der niederen autonom. Kant erreichte das durch den Gegensatz von Erscheinung und Ding an sich; die heutige Ontologie braucht dafür keinen so weit hergeholten metaphysischen Apparat, weil sie die reale Welt ohnehin als vierschichtigen Aufbau sieht. Entscheidend aber bleibt hierbei Kants Begriff der „Freiheit im positiven Verstände", der nicht ein Minus, sondern ein Plus an Determination bedeutet. Denn rein „negative Freiheit" (Unbestimmtheit) ist in einer determinierten Welt ein Ding der Unmöglichkeit (vgl. Modalanalyse, Gesetz der Notwendigkeit) (a. a. O. Kap. 68—71). Das Wesentliche aber hierbei ist, daß solche „positive Freiheit" nur möglich ist, wenn das natürliche Geschehen bloß kausal, nicht aber wenn es final determiniert ist. Denn der Kausalnexus läßt sich überformen und auf gesetzte Ziele hinlenken, weil er selbst keine hat, der Finalnexus aber ist unlenkbar, weil er schon an vorgegebene Zwecke gebunden ist (Mögl. u. Wirkl. Kap. 26, d, e; Aufbau Kap. 60,61; Neue Wege XIII). Hinter der ersten Antinomie erhebt sich die zweite, die Sollensantinomie. Gezeigt ist nur, wie der Wille gegenüber dem Kausalgeflecht des Realgeschehens Freiheit haben kann, nicht aber wie er sie auch der sittlichen Forderung selbst (dem Sollen) gegenüber haben kann. Dennoch muß er sie auch ihr gegenüber haben, sonst stände er unter ihr wie unter einem Naturgesetz. Wie also kann der Wille frei sein gegenüber dem Prinzip," dem er als guter Wille doch gerade unterworfen sein soll? Und weiter: dem Prinzip gegenüber müßte er negativ frei sein; das aber kann er nach dem Obigen nicht, weil der Kausalantinomie nur positive Freiheit genügt. Schließlich, nach der Kausalantinomie kann das Determinierende nur ein allgemeines Prinzip sein; nach dem Sollensbegriff aber muß sie Freiheit der individuellen Person sein. Denn nur so ist Schuld und Verdienst dem Menschen zurechenbar, Wie löst sich dieser Widerstreit? (Ethik Kap. 74.) Er löst sich nicht restlos. Z. B. die Frage nach der individuell determinierenden Instanz im personalen Individuum ist nur im Ansatz, nicht mehr im Sinne des
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positiven Aufweisens lösbar (a. a. 0 . Kap. 83). Was die beiden anderen Aporien betrifft, so sind sie grundsätzlich sehr wohl lösbar. Die Freiheit gegen das Prinzip widerspricht der Freiheit gegen den Kausalnexus nicht, obgleich die letztere nur auf Grund der Gebundenheit an das Prinzip besteht; denn die Bindung an das Prinzip ist nicht ein blindes Unterworfensein, sondern auf die Selbstbestimmung des persönlichen Willens gestellt. Was aber das Wiedereinsetzen der „negativen Freiheit" anbetrifft, so ist diese hier ganz in ihrem Recht, Unmöglich ist sie nur gegenüber einer durchgehenden Realdetermination (wie dem Kausalnexus); einem Prinzip gegenüber, das gar keine reale Macht hat, sondern auf den guten Willen angewiesen ist, bleibt negative Freiheit sehr wohl möglich. Ja, ihm gegenüber ist sie die allein zureichende Form der Freiheit, Die Folge daraus ist, daß ein und derselbe individuelle Wille zugleich positiv und negativ frei sein muß. Was sich auch sehr wohl miteinander reimt, weil er das eine nur gegen die kausale Realdetermination, das andere aber nur gegen das ethische Prinzip (den Wert) zu sein braucht. Im Grunde eben sind beide Formen der Freiheit gerade nur ineinander verschränkt und miteinander verbunden möglich (a. a. 0 . Kap. 81, 82). 6, Ä s t h e t i k . Den Gesetzen des Schönen folgen, sei es schaffend oder schauend, ist etwas anderes als um sie wissen; die ästhetische Einstellung ist nicht die wissende des Ästhetikers. Sie ist an die Wahrnehmung gebunden und bleibt dicht .an ihr. Die Wahrnehmung selbst aber weist, schon im Leben voll des Mitgegebenen (obgleich dieses gar nicht wahrnehmbar ist), vollends als ästhetische Wahrnehmung offenbarend über sich hinaus. Sie vermittelt den Blick in das Seelenleben, ohne doch das sinnliche Bild zu verlassen, läuft in eine zweite und offenkundig höhere Schau aus, indem sie doch gleichzeitig bei der ersten sinnlichen verweilt (Ästhetik Kap. 1—3). Den zwei Arten der Schau entsprechen zwei Schichten des Gegenstandes; es sind die von der Objektivation her bekannten, der reale Vordergrund und der irreale Hintergrund, der in jenem „erscheint". Von diesen beiden ist keiner, für sich genommen, das Schöne — auch der subtilste Hintergrund nicht —, sondern ausschließlich das Erscheinen .selbst des einen im anderen, das ästhetische Erscheinungsverhältnis (a. a. O. Kap. 4, 5). An den darstellenden Künsten ist das leicht zu zeigen. Die Plastik zeigt Bewegung im unbewegten Stein, die Malerei läßt einen anderen Raum, anderes Licht, andere Gestalten erscheinen, indem sie direkt nur die Farben auf der Ebene gibt. Die Dichtung vollends gibt durch das bloße Wort, freilich mit dem Appell an die lebendige Phantasie, die ganze Mannigfaltigkeit menschlichen Lebens, seiner Konflikte, Nöte, Schicksale und inneren Wandlungen. Das alles geschieht ohne Vortäuschung von Realität; der Schauende, Hörende, Lesende weiß um die Unwirklichkeit des Erscheinenden (auch als Zuschauer im Theater, der Schauspieler ist ihm nicht der Held). Das Erscheinungsverhältnis allein genügt. An ihm, und nicht an der Illusion, hängt die ästhetische Lust und das Wunder des Schönen (a. a. O. Kap. 6). Aber auch in den nicht darstellenden Künsten läßt sich Analoges aufweisen. In der Musik erscheint hinter dem direkt akustisch Hörbaren, das immer auf den Augenblick beschränkt ist, ein musikalischer Zusammenhang, der sich im zeitlich fortschreitenden Hören erst allmählich „aufbaut" und gerade dann beisammen ist, wenn die Klangfolge zu Ende ist. In der Baukunst aber spricht etwas vom Lebenswillen und von der Selbstauffassung der Menschen zu uns, die „so" gebaut haben und „so" leben wollten (a. a. O. Kap. 7). Ebenso aber läßt sich das Erscheinungsverhältnis am nichtkünstlerischen Schönen in der Natur und am Menschen aufweisen, Menschliche Schönheit im Leben ist eminent Sache der Erscheinung, nämlich der eines
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Inneren im Äußeren, oder auch wohl eines Typus im Individuum. Ähnlich ist es mit der Schönheit des Lebendigen und sogar der dynamischen Gefüge; aber auch mit der Dramatik des Lebens, die zu erfassen und zu würdigen schon eine der dichterischen verwandte Einstellung erfordert. Um vieles stärker wird der subjektive Einschlag bei der Naturschönheit landschaftlicher Art, Aber auch hier fehlt es nicht am Erscheinen, denn schon Auswahl und Begrenzung des Bildes sind unter Einheitsgesichtspunkten gewählt (a, a. O. Kap. 8—10). Das bloße Erscheinungsverhältnis ist indessen nur der Auftakt. Nicht um zwei Schichten, sondern um viele hintereinander geschaltete handelt es sich in den Künsten, der Hintergrund spaltet sich auf. An einem dramatischen oder erzählenden Dichtwerk etwa lassen sich ohne Schwierigkeit sechs Schichten des Hintergrundes unterscheiden: eine solche der Bewegung und der Lebendigkeit, eine solche des gesprochenen Wortes und des sonstigen Ausdrucks, eine Schicht der seelischen Vorgänge und der Charaktere, eine Schicht der Schicksale; dahinter aber noch zwei Schichten von ideellem Gehalt: die der Persönlichkeitsidee und ihres individuellen Ethos und die des menschlich Allgemeinen (a. a. O. Kap. 12). Dasselbe läßt sich in analoger Weise für die Malerei und Plastik zeigen (a, a. 0 . Kap. 13). Aber auch in der Musik und in der Architektur findet sich eine ähnliche Aufspaltung des Hintergrundes (a, a. O. Kap. 14, 15), Und zwar finden wir überall einen gewissen Gegensatz von Außen- und Innenschichten; stets aber .bleibt das Grundverhältnis gewahrt, daß die Formung der tieferen Schicht für die der oberflächlicheren bestimmt ist; während umgekehrt für den Betrachter, der ja vom sinnlichen Vordergrunde ausgeht, immer die mehr äußere für die nächstfolgende innere die Hinweise enthält (a, a. O, Kap. 17). Bei der weitgehenden Selbständigkeit der Form in den einzelnen Schichten kann aber das Hauptgewicht mehr in die Außen- oder Innenschichten verlagert sein, und je nachdem haben wir es mit einem flachen oder tiefen Kunstwerk zu tun (a. a. O. Kap, 18). Dieser Gegensatz variiert relativ frei gegen den Grad der Schönheit. Daneben tritt als dritter wesentlicher Gesichtspunkt der des Wahrheitsanspruches auf, am stärksten in der Dichtung, aber auch in allen anderen Künsten. Dieser hat mit direkter Nachbildung nichts zu tun, er läßt der künstlerischen Phantasie den freiesten Spielraum; um so strenger verlangt er die allgemeine Lebenswahrheit und die Wesenswahrheit. Darauf beruht die lebenerschließende Funktion der Künste. So rücken Schönheit und Lebenswahrheit einander innerlich nah (a. a. 0 . Kap. 21—23). Daneben gibt es aber auch eine innere Unwahrheit des Kunstwerkes, die eine Art Uneinheitlichkeit und Mangel an innerer Notwendigkeit bedeutet. „Innere Wahrheit" ist dementsprechend die einleuchtende Einheit und Formtreue eines Werkes, sofern sie durch die ganze Reihe der Schichten hin spürbar bleibt (a. a. O. Kap. 25). Schwerer greifbar als der ästhetische Gegenstand ist der ästhetische Wert. Mit allgemeinen Wertklassen ist hier wenig zu machen, weil im Grunde jedes Kunstwerk einen eigenen, unvertauschbaren Wert hat. Nur das künstlerische Wertgefühl kann dieser subtilen Differenzierung folgen; der Gedanke, der Begriff kann es nicht (a. a. O. Kap. 26). Zum Allgemeinen aber läßt sich hier nur wenig sagen. Dazu gehört, daß es eine Fundierung ästhetischer Werte auf sittliche, ja sogar auf Vitalwerte und Güterwerte gibt — in der Weise etwa, daß der ästhetisch Genießende die praktischen Belange, die Lebensbedürfnisse und das sittliche Gut und Böse adäquat verstehen muß, um den ästhetischen Wert einer Dichtung oder auch nur einer gemalten Szene richtig empfinden zu können. Diese Abhängigkeit ist oft mißverstanden worden, hat zu gänzlich abwegigen Gleichsetzungen oder Rückführungen ästhetischer auf anderweitige Werte Philosophen-Lexikon
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(meist auf sittliche) geführt. Es ist deswegen wichtig, dieses Verhältnis zu durchschauen (a. a. 0 . Kap. 28). — Darüber hinaus läßt sich von den gegebenen Grundlagen aus noch der Ausblick auf gewisse Genera des Schönen geben. An erster Stelle steht da das Erhabene. Wir kennen es in der Natur und im Menschenschicksal; aber es gibt auch seine reine Erscheinung in den Künsten. Nicht alle seine Wesenszüge sind greifbar; aber unter den greifbaren ist der eine gut gesichert: das Übergewicht in den Innenschichten (a. a. O. Kap. 31, 32). Und ebenso läßt sich von seinem Gegenstück, dem Anmutigen, zeigen, daß bei ihm das Übergewicht in den Außenschichten liegt. Dementsprechend sind auch die Grenzphänomene beider Wertgenera grundverschieden: das Erhabene schlägt bekanntlich bei leisester Überspitzung ins Lächerliche um, das Anmutige aber ins Sentimentale, Rührselige, und im extremen Falle in den Kitsch (a. a. O. Kap. 33, 34). Hinter beiden Wertklassen aber steht das Sinnbedürfnis des Menschen und seiner Welt, Denn Sinngebung ist im echten Anmutigen so gut wie im echten Erhabenen - enthalten (a. a. 0 . Kap. 35). — Nicht so einfach steht es mit dem Komischen. Zugrunde liegen gewisse Arten des Sinnwidrigen und seiner Selbstaufhebung, darüber aber erhebt sich die menschliche Haltung des Humors. Diese ist etwas ganz anderes als das Komische selbst, ist vielmehr schon eine Wertantwort auf jenes; nicht freilich eine selbstverständliche, denn es gibt auch ein herzloses Lachen, im Humor aber ist die Überlegenheit des Verstehens und der Güte. Im Aufbau des Gegenstandes aber zeigt sich hier ein Gleichgewicht der Außen- und Innenschichten, das in der Auflösung der Spannung „in Nichts" auch deutlich zum Bewußtsein kommt (a. a. O. Kap. 37—40). 7. E r k e n n t n i s t h e o r i e . Das Erkenntnisproblem ist ein ebenso metaphysisches Problem wie das des Ethos oder des Schönen. Denn es geht in ihm um das Erfassen des Seienden, resp. um dessen „Objektion", d. h. darum, daß das Seiende zum Objekt gemacht wird, Wie aber ist das möglich, da doch das Subjekt nicht aus sich heraus kann, um das Seiende „außer sich" zu erfassen? Diese Aporie betrifft sowohl die Wahrnehmung als das apriorische Erkennen. Sie kehrt noch gesteigert wieder in der Frage nach dem Wahrheitskriterium, nach dem Problembewußtsein und dem Erkenntnisprogreß (Metaphysik der Erkenntnis, 2. Aufl., Kap. 5, 6). Die Theorien, die diese Schwierigkeiten zu lösen gesucht haben, verfuhren alle auf Grund von metaphysischen Annahmen, die sie selbst' nicht rechtfertigen konnten. So schon gewisse Formen des Realismus, erst recht aber die großen idealistischen und monistischen Theorien (a. a. 0 . Kap. 14—22). Metaphysische Probleme kann man nicht bis zu Ende lösen, weil sie irrationale Restbestände enthalten, Aber man kann sie bearbeiten, indem man das Irrationale in ihnen eingrenzt und für das Übrige die Ansatzpunkte herausfindet» Das geschieht für die Erkenntnisaporien durch Wiedergewinnung ihrer natürlichen Ausgangsbasis, der Ontologie (a. a. 0 . Kap. 24, 25). Geht man davon aus, daß jederzeit nur ein Teil der uns umgebenden Welt erkannt ist, so hebt sich durch die jeweilige Grenze der Objektion ein „Hof der Objekte" heraus, der relativ auf den Erkenntnisstand des Subjektes besteht, jenseits dessen sich aber eine unbegrenzte Zone des „Transobjektiven", also des Unerkannten, anschließt. Da nun die Objektionsgrenze sich im Erkenntnisprozeß verschiebt, so fragt es sich, ob sie sich unbegrenzt weit verschieben kann. Das muß verneint werden, weil es nachweislich das Phänomen des uns Unerkennbaren gibt. Also muß es eine zweite Grenze geben, die Grenze der Objizierbarkeit oder Erkennbarkeit (Rationalität); und diese muß offenbar unverrückbar feststehen, weil sie uns durch Art und Anlage unseres Erkenntnisapparates gezogen ist. Jenseits dieser
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Grenze liegt das „Transintelligible" (a. a. 0 . Kap. 27,28). Zur Ergänzung dieses ontologischen Aufrisses der Erkenntnis gehört ferner der affirmative Begriff des Dinges an sich (a. a. O. Kap. 31) und die Behebung seiner Aporien, sowie der Nachweis des Irrationalen sowohl im Erkenntnisgegenstande (vgl. oben unter „Zugänge") als auch in den Kategorien, mit denen es bewältigt werden soll (a. a. O. Kap. 34). Damit ist die Bahn für eine teilweise Lösung der Erkenntnisaporien frei. Subjekt und Objekt haben sich als von gleicher Seinsweise (Realität) erwiesen; die Erkenntnisrelation zwischen ihnen ist damit als eine unter vielen anderen Seinsrelationen erkannt, und es ist kein Grund einzusehen, warum das Objekt nicht das Subjekt in der Weise sollte bestimmen können, daß in ihm eine Vorstellung des Objekts (Erkenntnisgebilde) entsteht. Die gemeinsame Seinssphäre ist das verbindende Glied (a. a. 0 . Kap. 43, 44). Ebenso lassen sich die speziellen Erkenntnisaporien lösen. Die Aporie des Apriorischen: Wie können wir in objektiver Allgemeinheit und Notwendigkeit etwas von einer Klasse von Objekten wissen, ohne es erfahren zu haben? Wir können das, soweit unser Verstand dieselben Kategorien hat, nach denen auch die Objekte selbst sich richten. Soweit er sie nicht hat, bleiben ihm die Gegenstände grundsätzlich unerkennbar. Die Bedingung der Möglichkeit des Apriorismus ist also ganz einfach die partiale Identität der Erkenntnis- und Seinkategorien (a. a. O. Kap. 46—49). Anders löst sich die Aporie der Erkenntnis a posteriori: an ihr hatte man immer nicht begreifen können, wie ein Kausalzusammenhang zwischen Ding und Empfindung sollte bestehen können. Die Ontologie lehrt, daß das kein Hindernis ist; der Kausalnexus (als Hervorbringen) ist ohnehin irrational (auch innerhalb der Dingsphäre), denn auch da verbindet er Heterogenes (Naturphilos. Kap. 29). Es ist also kein Grund, warum er nicht auch Dingliches mit Seelischem sollte verbinden können (Met. d. Erk. Kap. 51—54). — Wichtiger aber ist es, daß auch das Problem des Wahrheitskriteriums sich auf dieser Basis lösen läßt. Ein absolutes Kriterium ist eine utopische Forderung, die auch dem Phänomen gar nicht entspricht. Wohl aber läßt sich ein relatives Kriterium aufzeigen, wie es der Praxis der Wissenschaften entspricht. Es ergibt sich am Ineinandergreifen der beiden Erkenntnisinstanzen, der aposteriorischen und der apriorischen, sofern sie genügend heterogen sind, und in der Wurzel selbständig gegeneinander dastehen. Da sie auf dasselbe transzendente Gegenstandsfeld bezogen sind, gilt der Satz: das, worin sie einander widersprechen, kann nicht wahr sein. Was freilich zunächst nur ein negatives Kriterium ist. Finden sich sehr viele Inhaltsmomente von beiderlei Art zusammen, so nähert sich auch die affirmative Übereinstimmung einem positiven Kriterium; und dieses genäherte Anzeichen der Wahrheit entspricht sehr genau dem, was die strengen wissenschaftlichen Methoden an Gewißheitsgraden beanspruchen (a. a. O. Kap. 56, 57), In ähnlicher Weise, d. h. durch dasselbe Ineinandergreifen der beiden Instanzen, läßt sich dann auch die Aporie des Problembewußtseins (d. h. des Wissens um Unerkanntes) und die des Erkenntnisprogresses, als eines spontanen Vorwärtstreibens der Einsicht, lösen. Denn stets greift entweder die apriorische Erkenntnis der aposteriorischen oder diese jener vor, so daß sie dauernd gegeneinander differieren und einander nach sich ziehen (a. a. O. Kap. 58—60). Ausgebaut werden konnte dieser Aufriß der Erkenntnismetaphysik nach zwei Seiten: 1, als Theorie der Erkenntnis idealen Seins, was der reinen Mathematik einerseits, der Werttheorie andererseits zugute kommt (a. a. 0 . Kap. 61—74; Gründl. Kap, 38—51); und 2. als Methodenlehre der philosophischen Erkenntnis, d. h, speziell der Kategorienlehre. Alle Reflexion auf das Verfahren ist sekundär. 30*
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Hartmann, Nicolai
Darum kann Methodologie nicht vor der Anwendung der Methoden auf das Sachgebiet gegeben werden, auf das sie bezogen ist. Alle echte wissenschaftliche Methode erwächst nicht an der Besinnung auf sie, sondern in der vollen Hingebung an den Gegenstand der Forschung (Aufbau Kap. 62). Im Rückblick auf die Arbeit der Kategorienforschung ergeben sich aber die folgenden Methodenmomente, die in ihr dauernd ineinandergreifen: 1. eine phänomenologisch-deskriptive, 2, eine analytisch-rückschließende, 3. eine dialektischsynthetische und 4. eine der Schichtungsperspektive folgende, ergänzende und zusammenschauende Methode (Aufbau Kap. 63—65). Zusammen ergibt das ein System der Methoden, dessen Spuren sich bei den meisten großen Denkern der Geschichte nachweisen lassen, und dessen Idee bereits seit den Anfängen der neuen Ontologie feststeht (vgl. Systematische Methode, Logos 1912). Damals freilich beruhte sie nur auf einer ahnenden und keineswegs einwandfreien Vorwegnahme der noch ungeleisteten Arbeit. 8, L o g i k . Die verlorenen 24 Kapitel zur Logik zu rekonstruieren ist heute nicht mehr möglich. Dennoch gehören sie als Schlußglied in diesen Zusammenhang, weil sie das speziellste und engste Geistesgebiet, das des Gedankens und seiner Gesetze betreffen. Diese Gesetze sind andere als die des Erkennens, aber sie fügen sich den letzteren organisch ein, weil das Denken den inhaltlichen Ausbau des Erkannten fortführt und so mittelbar Erkenntnisbedeutung gewinnt; an sich aber ist und bleibt Denken ein bloß immanenter Akt und kann sich deswegen auch weit vom Erkenntnisgegenstand entfernen, Im Denken waltet nicht etwa die logische Gesetzlichkeit allein, sonst könnte es kein unlogisches Denken geben; sondern es liegen in ihm zwei gänzlich verschiedene Gesetzlichkeiten im Streit, eine psychologische (z. B. die Assoziationen) und eine logische, und gezwungen ist das Denken nicht, der letzteren zu folgen. Auch unter der logischen Gesetzlichkeit läßt sich noch einmal eine solche, die von Hause aus ideale Seinsgesetzlichkeit ist, von einer anderen unterscheiden, die nur die Gedankenzusammenhänge als solche, nicht aber die gegenständlichen Inhalte betrifft. Von der ersteren Art sind der Satz der Identität, der des Widerspruchs und der vom ausgeschlossenen Dritten, sowie die Mehrzahl der deduktiven Schlußgesetze; von der letzteren sind die Induktionsgesetze, sowie alle ausschließlich die ratio cognoscendi betreffenden Gesetze. Die der zweiten Gruppe aber setzen die der ersten voraus. Eine zweite Reihe von Untersuchungen betrifft die Lehre vom Begriff und von der Definition. Der Begriff ist nicht „vor" dem Urteil, ist nicht sein Element — so wenigstens, wenn man von gewissen sehr allgemeinen und inhaltlosen Termini absieht, die aber praktisch kaum vorkommen und vielmehr nachträglich konstruiert sind. Der Begriff, recht verstanden, entsteht erst in der Reihe der Urteile, durch die ihm seine Merkmale (als Prädikate) eingefügt werden. Er ist die Synthese und das Produkt dieser Reihe; und er erhält sich in der Wissenschaft nur solange, als die Synthese als solche in ihm lebendig bleibt und vom lebendigen Denken auch wirklich vollzogen wird. Geht sie verloren, so sinkt der Begriff ab und wird zum leeren Schema. Und weil das so leicht geschieht, ist das begriffliche Denken immer in Gefahr, schematisch zu werden und zu verknöchern. Echte lebendige Begriffe sind keine Abstraktionen, nur das gedankenlose Denken, das die „Anstrengung des Begriffs" (Hegel) nicht aufbringt, hält sie dafür. Sie stehen auch nicht im Gegensatz zur Anschauung, sondern sind gerade die Mittel oder die Geleise höherer Zusammenschau; denn alle höhere Schau (&